ARCHIV
FÜR
SLAVISCHE PHILOLOGIE.
UNTER MITWIRKUNG
VON
P.DIELS, F.FORTÜNATOV, K.JIRECEK, L.MILETIC, ST.NOVAKOVIC,
BRESLAU, ST. PETERSBURG, WIEN, SOFIA, BELGRAD,
G.POLl'VKA, M.RESETAR, W. SCHULZE, A. SOBOLEVSKIJ,
PRAG, WIEN, BERLIN, ST. PETERSBURG
HERAUSGEGEBEN
V. J A G I C,
FUNFUNDDREISSIGSTER BAND.
530874
BERLIN, "^ '^^^
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1914.
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Inhalt.
Abhandlungen. Seite
Das neugefundene altpolnische Ezdrasfragment, von E. Hani seh ... l
Bis zu welchem Maße bestätigen die kroatisch-glagolitischen Breviere die
Annahme einer vollständigen Übersetzung der hl. Schrift durch den
hl. Methodius, von Jos. Vajs 12
Das Martyrium des Basiliscus, von W. Liidtke, 44
Das Verhältnis der altkirchenslavischen Übersetzung zu diesem Texte,
von V. Jagic 51
Slavisch (j'jii^ro, (y)Ms/ro, von V. d. Osten-Sacken 55
Zur Bezeichnung der serbokroatischen Betonung, von M. Re setar ... 66
Zum ältesten slavischen Alphabet, von M. Re setar 62
Über die Iteration v. Synonymen im Russischen u. in anderen Sprachen,
von Chris tiani-Schultheiss 68
Der kroatische Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. der Aufstand von Brine,
von T. Matic 73
Phonologie d^es Görzer Mittelkarstdialektes. Erster Teil: Vokalismus,
von K. Strekelj 130
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslavischen Literatur, von I.
Franko (I) 150
Die Särospataker altpolnische Bibelhandschrift (sogenannte >Sofienbibel«)
und die Lemberger Ausgabe vom Jahre 1S71, von E. Hanisch 179, 477
-e und -p in den Endungen der slavischen Deklination, von P. Diels . . 321
Zum Schicksale der Halbvokale im Slowakischen, von F. Di eis .... 324
Zur slovenischen Dialektforschung, von R. Franc6 329
Einige Worterklärungen, von P. S kok 337
Beiträge zur ukrainischen Wortforschung, von R. Stock i 349
Studien über slav. c7(, von H. Peters so n 355
Einige Bemerkungen zur Geschichte des Schrifttums in Kroatien, von
Fr. Fancev 397
^Die Interpunktion in d. slavischen Übersetzungen griechischer Kirchen-
lieder, von R. Ab ich t 413
Relkovic' -Sa<«r in Ragusa, von T. Matiö 437
Urkundliches über einige kroatische Schriftsteller, von T. Mati(5 . . . . 443
Wechselbeziehungen zwischen L. N.Tolstoj und der deutschen Literatur,
vonH. Halm 452
Zur Visio Tundali, von V. Ja giö (altkroat. Übersetzungsfragment) . . . 501
Kritischer Anzeiger.
Jagic, Entstehungsgeschichte der kirchenslavischen Sprache , angez. von
Fr. Pastrnek 202
Korzeniowski, Zapiski z rekopisöw, angez. von Croiset V. d. Kop . . . 226
Jirecek, Staat und Gesellschaft im mittelalt. Serbien, angez. v. V. Jagic 252
T. Matid, Statut der Poljica (deutsche Übersetzung), angez. v. V. Jagic . 262
Bolte-Polivka, Anmerkgn. zu Grimms Märchen (B.I.), angez. v. V. Jagid 269
Miller-Speranskij, Kirejevskijs russ. Volkslieder (russ.), angez. v. V. Jagid 273
Gleye, Zu mittelgriechischen Sprichwörtern und Kasumovid, Serbokroa-
tische Sprichwörter (kroat.), angez. von V. Jagic 280
Boehme, Memoiren der Kaiserin Katharina, angez. V. V. Jagic 285
V. Löwis, Held im deutsch, u. russ. Märchen, angez. von G. PoHvka . . 287
Corovic, Serbokroat. Grammatik, angez. von M. Re setar 296
Die Namen Wiens, angez. von M. R esetar 296
Hruby, Vergl. Grammatik d. slav. Sprachen, angez. von E. Hanisch . . 298
Staroslovan. Vierteljahrschrift, angez. von E. Hanisch 30O
IV Inhalt.
Seile
Obnorskij, Die Sprache der Efremov Kormcaja. angez. v. V. Jagic. . . 302
Endzelin, Slavisch-baltische Studien (russ.), angez. von Norbert Jokl . 307
E. Cosquin, Drei folkloristische Beiträge (franz.), angez. v. Q. Polivka . 514
Seliscev, Havliceks Ansichten über Rußland (russ.), angez. v.G. Polivka 524
A. Noväk über Jan Nerudajcech.), angez. V. 0. Donath 526
J. V. Noväk u. A. Noväk, Übersicht der böhmischen Literaturgeschichte
(cech.), angez. v. 0. Donath 530
F. Väsa, Katechismus der böhm. Literaturgeschichte (cech.), angez. v.
0. Donath 539
Böhmische Literatur des XIX Jahrb., 2. Aufl. (cech.), angez. v. O.Donath 541
Jakubec u. Noväk, Geschichte d. cechisch. Literat, angez. v. 0. Donath 545
I. Mikkola, Türk.-bulg. Jahreszählung (russ.), angez. v. K. Jirecek . . . 548
Spina, Altcech. Katharinenlegende, angez. V. E. Smetanka 553
Milcetic, Glagolitische Bibliographie (kroat.), angez. v. J. Vajs 558
Ilesic, Die Aussprache des Slovenischen (sloven.), angez. v. M. Resetar 560
^apras, Rechtegeschichte d. Krone Böhmens (cech.), angez. v. E. Mucke 562
Scerba, Bemerkungen auf die Rezeiision Thomsons 563
Thomsons Gegenbemerkungen auf Scerbas Bemerkungen 574
Tunickij, Der hl. Klemens, slov. Bischof (russ.), angez. v. V. Jagic . . . 577-
Hordynskyj, Ein südruss. Psalterfragment (klruss.), angez.v.I. Pankewycz 585
Schulausgaben tschech. Schriftsteller, angez. V. B. Vyb oral 589
Lambertz-Pekmezi, Albanisches Lehr- und Lesebuch, angez. v. N. Jokl . 594
Jensen, Montenegros Ehrenkranz (schwed.), angez. V. 0. B roch .... 598
Kleine Mitteilungen.
Nochmals das Schlagwort *rHu.!io!l: sanaat', von W. Christiani .... 317
Hlapsl = Knieriem, von V. Jagic 318
Florianer Psalter 103, 26: r(>kama, von E. Hanisch 319
Ein^polnisches geflügeltes Wort, von W. Christian! 319
Zu Zukovskijs Gedicht yrpo Ha ropi, von Paul Diels 320
Berichtigung, von Nik OS Ve es 320
Dibra. von K. Treimer 601
Zur Entdeckung des »Glagolita Clozianus«, von I. Milcetic . . ^. . . . 603
Zur Bibliographie der kroatisch-kajkavi sehen Literatur, von B. Surmin 606
Zur Reduplizierung der Präposition 57,, von L. Pintar 608
Zur slovenischen Ortsnamenkunde, von L. Pintar 610
Ein Zusatz zu Archiv Bd.XXIII, S.409 (mittlerer Absatz), von L. Pintar 611
Der neue Lehrstuhl für Slavistik an der Universität Leyden, von A.
Brückner 612
Bibliographische Notizen zu Petar Petretic, Ivan Ivanisevid und Jeronim
Kavanin, von V. Öorovid 614
Zu den altpolnischen Texten des Vaterunser usw., von P. Di eis . • . . 615
Zwei Briefe an Kopitar u. Vier Briefe an Th. Paviovic, von T. Ostojiö . 617
Gogols Sujet für den Revisor, von V. Jagic 620
Das älteste Heilands-Ikon, von H. Krebs 621
Eine wissenschaftliche Frage Dr. V. Oblaks, brieflich gestellt an Stojan
Novakovic, von St. No vakovic 622
Lexikalische Lesekörner, von W. Chris tiani 622
Glämoc, von L. Pintar 623
MoroBapii H KaxajiaHu, par St. No vakovid 624
Notiz von einem bosnischen Kalender, von Thallöczy 625
Nekrologe: Prof Dr. Anton Malecki, von W. Bruchnalski 625
Vsevolod Fedorovic Miller, von V. Jagic 631
Sach-, Namen- und Wortregister, von 0. Donath 634
Das neu gefundene altpolnische Ezdrasfragment.
I.
Im Jahre 19 OS entdeckte der Bibliothekar des Särospataker refor-
mierten Kollegiums, Herr Harsanyi, ein neues Fragment der in der dor-
tigen Bibliothek aufbewahrten altpolnischen Bibelhandschriffc (der sogen.
»Sofienbibel«). Es fand sich als Einband einer Chronik, die ein früherer
Bibliothekar der Hochschule, J. Cs^csi, verfaßt und unter dem Titel:
»Memoria Rerum Quarundam Belli, Hungarici Adversus Domum Austria-
cam Anno MDCCni Suscepti« im Jahre 1709 hatte erscheinen lassen.
Wir haben es daher nur mit einem einzigen Blatte zu tun und zwar, der
Größe des eingebundenen Buches entsprechend , auch nur mit der ziem-
lich genauen oberen Hälfte dieses Blattes. Da das Buch 1709 erschie-
nen ist, haben wir dieses Jahr als den frühesten Termin für die Entfer-
nung des Blattes aus dem Kodex zu betrachten, während das Jahr 1751
der bekannten Inschrift auf der Innenseite des Einbandes, welche die
auch heute noch vorhandene Blätterzahl angibt: »Nunc habet 1S5,
15 May 1751« als spätester Termin anzusehen ist — vielleicht hat
Csecsi selbst diese, für einen Bibliothekar allerdings besonders eigen-
artige Tat vollbracht.
Herr Harsanyi, der selbst nicht Slavist ist und auch kein slavisches
Idiom praktisch beherrscht, erkannte bald an dem Schriftcharakter, der
Schreibung in zwei Kolumnen und aus einigen ihm als polnisch bekann-
ten Wörtern, daß das Bruchstück der ältesten polnischen Bibel angehören
müsse. Aber auch für die Einreihung des Blattes in den Zusammenhang
der erhaltenen 185 bot sich ihm eine Handhabe. Schlägt man nämlich
den Kodex auf, so findet sich vielfach in der Mitte des oberen Randes
des linken Blattes in roter Schrift die eine Hälfte, gegenüber dann rechts
die Ergänzung der Buchitberschrift des auf diesen beiden Seiten ge-
gebenen biblischen Textes, also: Gene — sis. So zeigt z.B. das Blatt 129,
wo der noch erhaltene Teil von Paralipomenon I. erst mit Kap. V Vers 2
beginnt, nur die Ergänzung : pomenon auf der recto-Seite. Ganz ebenso
finden wir nun auf unserem Fragment recto : sowi, verso : Ezdra. Durch
dieses »Ezdra sowi« ist der Text mithin als Bruchstück aus Ezdras ge-
kennzeichnet. Und zwar enthält das Fragment Ezdras I cap.VI 20 — 22,
Archiv für slavische Philologie. XXXV. j
2 E. Hanisch,
VII 1 ; 7 — 1 1 ; 14 — 18 1). Da nun das heutige Blatt 157 noch den Para-
lipomenontext gibt, mit InS aber Ezdras I Kap. VII 2S anfängt, so ist
das neugefundene Bruchstück zwischen beide Blätter als 15 Sa einzu-
schalten, auf das das heutige 158. also unmittelbar folgte.
Der Text der beiden vorderen Kolumnen ist vielfach recht schwer
zu lesen, da die recto-Seite die Außenseite des Einbandes bildete und
mithin sehr hart mitgenommen wurde. So ist es nicht zu verwundern,
daß bei der Lesung der vielfach undeutlichen Buchstaben der Finder und
erste Herausgeber, Herr Harsanyi, zumal ihm, wie erwähnt, slavistische
Kenntnisse nicht helfend zur Seite standen, das Eichtige mehrfach nicht
getroffen hat. Er gab den Text im 4. Kapitel seiner Abhandlung 2): A
Särospataki lengyel biblia s ujonnan fölfedezett harmadik töredeke (hä-
rom hasonmässalj« mit photographischer Wiedergabe des Fragments
heraus 3). Die Anzeige der Schrift durch Asböth in »Nyelvtudomäny a
Magyar Tudomauyos Akademia« III (1910) p. 59 — 67 brachte nur we-
nig Besserungen. Erst K. Kitsch hat im »Rocznik Slaw'istyczny« III
(1910) p. 174 — 177 wesentliche Verbesserungsvorschläge gemacht oder
Vermutungen geäußert, die sich vielfach bestätigen. Mit Berücksich-
tigung dieser Arbeiten habe ich bei meinem Aufenthalte in Särospatak
(1912)*) noch einmal das Fragment genau studiert und meine Lesungen
zur größeren Sicherheit noch mit Herrn Harsanyi eingehend besprochen,
so daß der im Folgenden gebotene Text den tatsächlichen Zustand des
Originales wiedergibt.
II. Der Text.
Recto
a b
fowi
ifrahelfkich yffinow kaplanf ki-
ck ylTinow nauczonich ylpyeva
kow yzwrotnich yzNatinneycz
czifcyeny kaplany ynavczeny ge
den iako drvgiz mrjß ywßitci
f(vcz czifcy ku obyatowanyv ba
1) Harsanyi gibt p. 60 fälschlich 15—18 an. Doch die Worte: »wt-
wey r^ce< geben das Ende des V. 14 (>in manu tua«), wie Nitsch bereits be-
merkt hat.
2J Erschienen als Sonderabdruck und in der Zeitschrift: Magyar Künyv-
szemle (>Ungarische Bücher-Rundschau«) Budapest 190Ü.
^J Die übrigen Kapitel der Schrift besprach ich: »Zur Geschichte der
Särospataker altpolnischen Bibel«. (Halle 1913.)
*j Über meine Kollationierung der Särospataker Hs. mit Maleckis Aus-
gabe berichte ich im nächsten Hefte dieser Zeitschrift.
Das neugefundene altpolnische Ezdrasfragment.
ranka wyelykonocznego wßi
5 tkim finom iryczftwa ygych bra-
totom ykaplanom yfobye. y. gedly
finowye ilrahelfci giß ly(> bily
wrocyly zir^czftwa ywßitci. kto
rzi fyfJ l^czily otpokalenya naro
10 dow zemfkich knym abi ßuka
ly paria boga ifrahelfkego. y
czinyly fwj^^to przefnycz zafyedm
dny wvyfyelyv. bo bil ge bog
obradowal abil obrocyl fyerce
15 Afyerowo knym abi gym poma
gol dzalacz domv pana boga
POtich flo vn ilralielfkego
wyech wkrolewftwye
19 Arta]serla krolya perfkego Ez-
fkich lyata lyodmego krolya
5 Artaxarse aprzifly do ierufale
ma myelyrjcza py^tego to geft
lyata lyodmego krolyowanya
gego. bo pyrwi dzen myefy^icza
pyrwego pocz^ly gydz zbabylo
10 na apyrwego dnya myefyocza
py^tego przifly do ierufalema
przes r^ko dobr^ boga IVego
nad fobr^ Tedi Ezdras przipra
wyl l'yerce fwe abi l'cygal za
15 kon bozi abi vczil ifrahela przi-
kazanyv bozemv yf^dom.aten
prz[epis lijftu wirzeczenya
giß dal ^k]rol Artexerfes Ezdra
19 Ibwy kaplanowy amj'ftrzowy
Kolumne a Z. 1 . Vor cziscyeny sieht man ein eigenartiges Zeichen
y, welches Nitsch als 0 lesen will (ocziscyeny). Doch dagegen spricht
die für ein 0 ungewöhnliche Form und die Schreibung vor Anfang der
Zeile. Die Zeilen beginnen alle in dem gleichen Abstände vom Rande,
der gewöhnlich durch eine senkrechte Linie dem Schreiber gekennzeich-
net war. Da vor dem czi- kein Raum für ein o ist, haben wir es mit
einem jener Zeichen zu tun, wie sie gelegentlich auch sonst im Kodex
sich finden, so ist z. B. einige Blätter später, Blatt 170 recto a, am Rande
eine Hand gemalt (gelb), deren Daumen und Zeigefinger auf den Text
(nach rechts also] hinweisen. Ob diese und andere Zeichen eine beson-
dere Bedeutung haben, kann ich nicht sagen. Sprachlich ist für das
»purificati« des lat. Textes die Form ocziscyeny vielleicht vorzuziehen,
wie auch die Zahl der Belege bei Babiaczyk mehr für das Compositum
als das Simplex spricht. Das »czi-« ist übrigens so eng geschrieben,
das es fast wie cy- aussieht, doch ist an czi- festzuhalten (vgl. Z. 3
czifcy). Z. 2 drvgiz nicht drugiz , wie Harsänyi 1. c. las. Z. 3 frjcz, so
schon Nitsch richtig gegenüber Harsänyi, der socz gibt. Z. 5/6 brato-
tom. Wir haben hier eine jener dittographischen Verschreibungen , an
denen die Handschrift sehr reich ist. Die Ausgabe Maieckis hat in die-
sem wie in andern Punkten den Text stark normalisiert. In bratotom
liegt also nur Verschreibung für das übliche bratom vor. Die Lesung
ist unzweifelhaft, wie jetzt auch Herr Harsänyi anerkennt, der »brato-
lom« las (Nitschs und Asböths Lesungen erledigen sich damit ebenfalls).
In diesem Teile der Hs. (Blatt 96 — 185) finden sich zahlreiche Verschrei-
4 E. Hanisch,
buDgen aller Art, so z. B. Blatt ISO recto a allein sieben Korrekturen.
Z. 6 y. gedly, nicht ygedly (Hars. n. Kitsch). Ebenso steht Z. 8 ywszi-
tci. kto/rzi ein Punkt vor kto-, wie Nitsch bereits aus der photogra-
phischen Wiedergabe gegenüber Harsanyi bemerkt hat. Z. 11 schließt
mit ifrahelfkego. y, in Harsänyis Ausgabe ist infolge Druckfehlers (p.60)
die Zeilentrennung nicht bemerkt, ebenso wie sie dort Z. 1 4 hinter syerce
ausgefallen ist. Z. 12 fwy^to (so schon richtig Nitsch) nicht swirjto (Har-
sanyi). Z. 14. Deutlich: obradowal (»laetificaverat«), wie schon Asböth
und Nitsch bemerkt haben, gegenüber otratowal (Harsanyi). Das obrocyl
derselben Zeile, welches schon Nitsch für Harsänyis -tyl verbessert hat,
weist über dem c einen kleinen Eindruck auf, der es dem t sehr ähnlich
macht, doch ist c zu lesen. Z. 15, Asyerowo, von Nitsch mit Frage-
zeichen versehen, ist sicher, ebenso Z. 15/lG die Verschreibung pomagol
für -gal (so las Harsanyi). Gänzlich mißverstanden hat man bisher
Z. 17/18. Harsanyi las: »Gych Eloim israhelskego / (.) wyech« , was
Nitsch bereits angezweifelt hatte. Bei der Lesung dieser auf dem Blatt
etwas verwischten Stelle ging ich von der Wahrnehmung aus, daß das
Harsänyische > Eloim« deutliche Spuren roter Farbe aufwies, wie ja bei
Kapitelanfängen der Hs. eben der erste Buchstabe eines Kapitels und die
Kapitelzahl gewöhnlich mit roter Farbe geschrieben sind. Da nun viel-
fach, wenn von dem vorhergehenden Kapitel nur ein, zwei Worte übrig
sind, diese hinter die erste Zeile des neuen Kapitels treten , getrennt nur
durch die in roter Farbe gemalten Zahlzeichen des Kapitels, so ging ich
bei der Deutung der Stelle von dieser Tatsache aus.
Wir haben z. B. einen derartigen Fall: Blatt 153 recto b (= Mal.
276):
Potem apota xxxu gest
key
oder: Blatt 155 recto b (= Mai. 279):
Voszmy xxxini gego
In beiden Fällen gehört gest und gego dem vorhergehenden Kapitel
an, wie hier eben auch israhelskego; das »im« Harsänyis ist rot und bedeutet
die Kapitelzahl vn = VH. Das angebliche G von Gych ist ein großes 0,
da der zweite Buchstabe des Kapitels vielfach groß geschrieben und gelb
ausgemalt ist (von der gelben Farbe ist aber nichts mehr zu sehen).
■Ganz außer acht hat Harsanyi den auf der photographischen Wieder-
gabe auch noch deutlich wahrnehmbaren, den Anfang der ersten und
Das neugefundene altpolnische Ezdrasfragment. 5
zweiten ^) Zeile, wie üblich ausfüllenden Buchstaben P gelassen. Mithin
erhalten wir die obige Lesung: pana boga israhelskego = Domini Dei
Israel als Schluß des Kap. VI 22, und als Anfang von VII 1 : Potich
slo/wyech (»Post haec autem verba«), wie z. B. Blatt 107 verso b
(= Mal. 195b 35): Potich slow/yech (»Post verba haec«). Bei Zeile 19
ist der Anfang zerstört , also Arta- zu ergänzen. Von den Buchstaben
dieser Zeile ist nur die obere Hälfte erhalten, doch deutlich lesbar.
Diese Spalte recto a enthält also I. Ezdras VI 20— 22 und VII 1.
V
Kolumne b. Z. 2/3 yspyevakow (»et de cantoribus«) über der En-
dung -kow findet sich eine eigenartige Korrektur, die, da dieser Teil des
Frgm. gelitten hat, sich nicht klar deuten läßt. Über der ersten Hälfte
des w sehen wir nämlich einen Buchstaben, der m. E. sowohl ein v wie
ein p bedeuten könnte. Herr Harsänyi hält diesen Buchstaben eher für
ein p. Meinem Dafürhalten nach könnte es vielleicht auch eine über-
schriebene Verbesserung für den ersten, vielleicht etwas undeutlichen,
Teil des w sein 2). Die Korrektur hat Ähnlichkeit mit dem v im Worte
fame'*' = samemv auf Blatt 2 recto a (= Mal:. 3 a 35), wo, wie mehrfach
gerade am Zeilenschluß, der Schreiber abkürzt, während die Lemberger
Ausgabe samemu gibt. In Z. 3/4 deutlich yzNatinneyczf kich , wie
Nitsch bereits gegenüber Harsänyis Lesung : y zNatinue- richtig hervor-
hebt. Der Name auch in verso b 1 1 . Z. 5 ist Artaxarfe nicht Arta-
xerse (so Hars.) zu lesen, vgl. demgegenüber Z. 1 8 und a 1 9. Mit Nitsch
ist Z. 10 myefyocza (gegen Hars.: myesy^^-) zu schreiben. Derselbe
Fehler, o für ^, liegt vor Z. 12 przes r^ko dobr^. Diese etwas undeut-
liche Stelle las Harsänyi fälschlich : przes voly^ dobr^^, Nitsch verbesserte
das in: rrjk^i (»iuxta manum Dei bonam«), Z, 12 schließt mit fwego, in
der Transkription des Textes ist in der Harsänyischen Ausgabe hinter
swego und ebenso hinter dem folgenden nad sob^ ein Trennungsstrich
versehentlich angegeben. Z. 15/lG las Harsänyi przikaziliwv, was As-
böth in przikazaniow verbesserte. Nitsch setzte richtig dafür przika-
zanyv, was auch tatsächlich noch recht deutlich in dem Original zu er-
1) So erledigt sich bei Harsänyi: (.) wyech, denn es fehlt eben hier in der
zweiten Zeile kein Buchstabe. — Übrigens zeigt das von Wierzbowski heraus-
gegebene Jeremiasfragment die gleiche Schreibweise beim Beginn des 14.
Kapitels, vgl. das Faksimile in: Prace filologiczne IV (1893) p. 296.
2) Eine solche nur teilweise Korrektur eines Buchstabens kann ich aber
aus den übrigen Teilen der Bibelhs. nicht belegen.
6
E. Hanisch,
kennen ist (»doceret in Israhel praeceptum«]. In Z. 17 ist bei prz[epis
lijftn das Frgm. beschädigt, daher sind die eingeklammerten Buchstaben
hier sehr undeutlich. Das letzte Wort dieser Zeile las Harsanyi vyrzeczen-
ya, Nitsch wyrz-. Das Frgm. zeigt aber deutlich wirzeczenya. [K]rol
Z. 18 beschädigt. Der Name des Königs heißt hier deutlich: Artexerfes
(so schon richtig Nitsch gegenüber Hars. : Artax-°) vgl. oben Z, 5.
In recto b lesen wir I Ezdras VII 7 — 11.
Verso.
Ezdra
wtwey r^ce abi nyofl frzebro s
fob^ yzloto goß krol ygego racz-
ce dobrr^ volyr; bogu ifrahelf kemv
obyatowaly gegoß wierufalem
5 geft otpocziwadio awszitko ßrze
bro yzloto ktore naydzeß wewßi
tkey wlolcy babylonfkey. alyvd
h(jdze\j chcyecz obyatowacz obya
ti akaplani giß dobrowolnye o
10 ffyerowaly domv boga fwego
geß geft wienilalem fwyebod
nye wezmy arpylnofcyr; fticli pye
ny^dzi kupy cyelce fkopi barani
ypaly(5ce obyati. aofyeruy ge na
15 oltarzu wkofcyele boga twego
ktori geft wierufalem. aczfokolybi
fy^ lyvbylo tobye ytwey bracy
zoftatnego frzebra yzlota abifcye
19 vczinyly vczincye podle voley bo
a az do fta lagvycz oleia. Ale sol
abi bila dana przes myari. w
ßitko czfo przif luße kfliißbye
boga nyebyef kego fpylnofcy(^
5 b^dz dano do domv bozego abi
fnad nyeroznyewal przecyw
krolewftwu krolyowu yfynow
gego. Przeto wam davami
nafwyadomye zewßech kapla
10 uow ynanczonich yfpyevakow
ywrotuicb y Natinneow yf lug
tego bozego domv abi nyemye-
ly moczi bracz mita auy dany
any vrokow nanych Ati tak Ez-
15 draßv podle mridrofcy boga twe-
go gen geft wtvey r^^ce vftaw
ff^dze iwlodarze. abi vczily lyvd
kako mair; zywy bicz a^^dzrj
19 wßemv lyvdu gen geft za
Die verso-Seite ist, wie oben bereits bemerkt, viel besser erhalten,
daher bestehen auch hier kaum Zweifel au der Lesung der einzelnen
Worte, a 2 muß es yzloto heißen (so schon Nitsch, Harsanyi: y zloto);
Z. 4 ist, durch Versehen des Setzers, bei Harsanyi byatowaly anstatt des
(deutlichen) obyatowaly zu lesen. Z. 5 ist mit Nitsch awszitko (Harsa-
nyi : awszytko) zu schreiben. Z. 1 3 fk"pi ist o nachträgliche Korrektur
des Schreibers wie i in ktor^ Z. 16.
Verso a gibt den Text von I. Ezdras Kap. VII 14 — 18, nicht erst
von 15, wie ich schon oben erwähnt habe. Verso b Z. 2/3 las Harsanyi
to/ szitko, was bereits Asboth und Nitsch richtig gestellt haben. Z. 10
muß man yfpyevakow (Hars. yspyeuakow) schreiben. Z. 11 las Harsä-
Das neugefundene altpolnische Ezdrasfragment. 7
nyi Natiuneow, was Asböth und Nitsch schon verbessert haben, vgl.
recto b 3,
In Z. 14 der Transskription Harsänyis (p. 61) steht irrtümlich: Ati
Ez- also mit Auslassung des ganz deutlichen tak, Z. 1 S muß es af(^dz(j
(»iudicent«) heißen. Harsiinyi las das am Ende beschädigte Wort:
afj^dzi ... Es ist aber bei genauer Prüfung am Ende nicht i, sondern ("^
zu schreiben , wie aus der deutlichen Rundung des Buchstabens und dem
Reste des senkrechten Striches (der Punkt eines i unterscheidet sich da-
von ganz wesentlich!) hervorgeht. Durch die zu ergänzende Rundung
(rechts!) ist auch der Raum der Zeile ungefähr ausgefüllt. Übrigens ist
in der Handschrift mehrfach das Ende der Zeilen nicht immer dort, wo
der abgestrichene Rand des Blattes beginnt (im Gegensatz zum Zeilen-
anfang, wie ich nochmals wegen verso a 1 bemerke) : es wird gelegent-
lich darüber hinausgeschrieben oder es bleibt auch ein kleiner Raum.
So würde auch das (^ am Ende die Zeile eben nicht völlig ausfüllen, ohne
daß aber deswegen etwas zu ergänzen ist. Z. 19 hat Harsänyi fälsch-
lich niszemv , was aber schon Asböth und Nitsch richtig in wszemv ver-
besserten. Auch verso a und b zeigt die Z. 19, wie ebenso die recto-
Seite, nur die obere Hälfte der Buchstaben.
Die Kolumne verso b bietet I. Ezdras VII 22 — 25.
III.
Es bleibt jetzt noch übrig, den Gewinn, welchen uns das neue Bibel-
fragment bringt, zu verzeichnen. Bereits Asböth hat kurz die bemerkens-
werten Worte zusammengestellt. Außerdem würden noch die sehr zahl-
reichen Abweichungen des polnischen Textes aus den lateinischen Vari-
anten zu erklären sein. Leider läßt sich hier nur die Abweichung des
Textes im Einzelnen vermerken, während nur gelegentlich, auf Umwegen,
einzelne dieser Varianten durch lateinische Lesarten zu belegen sind, da
die Vulgataausgabe von Sabatier (Paris 1751) gerade zu Ezdras I alte
Lesarten nicht gibt, also keine erhalten sind. Auch Vercellones Werk
läßt sich hier nicht heranziehen, da es nicht bis Ezdras durchgeführt ist.
Indem ich jetzt versweise vorgehe, konstatiere ich die wichtigeren
Varianten und hebe das Beachtenswerte hervor.
Kap. VI. Vers 20.
Vulg. Levitae quasi unus = r. a. 1/2 navczeny geden iako drvgiz
m^ß. »levita« ist in der Särospataker Bibel durch sluga koscielny, uczo-
uy, nauczony wiedergegeben. Vgl. auch Ezdr. IX 1 (= Mai. 2S5b 36):
E. HaniBch,
kaplany a nauczeny = sacerdotes et Levitae zu der Stelle unseres Frag-
mentes.
Vulg. ad immolandum pascha: r, a. 3/4: ku obyatowanyv baranka
wyelykonocznego. Bei Babiaczyk Lexik, s. v. ist bisher nur einmal
obiatowanie belegt: IV. Reg. 23,5: ad sacrificandum = ku obyato-
wanyv (Mal. 229a 11, wo aber ungenau obyatowanyu geschrieben ist).
Auch die Form mit e ist in diesem Worte nur einmal aus der Bibel zu
belegen: obyetowanya (71a 26). Nur in dem Fragment ist auch wieli-
konocny belegt, sonst wielkonocny (einmal) : wyelkonocuego cyelcza
(192b 18) = vitulum pascualem I Reg. 28, 24, mit einem Fehler, den
auch, wie L. Malinowski Prace Filol. IV (1893) pp. 160 u. 161 1) gezeigt
hat, ein alter czechischer Text (Zablockischer Kod.) aufweist. Als Sub-
stantiv ist wielkanoc neben wielikanoc im Texte bezeugt.
Vulg. transmigrationis = r. a. 5: ifjczftwa, so auch Z. 8. Bei
Babiaczyk steht für i^cstwo nur die Bedeutung »captivitas« , »ergastu-
lum« verzeichnet. Es ist auch völlig ausgeschlossen, daß hier i^czstwo
= transmigratio sein sollte. Ich nehme mit Bestimmtheit an , daß hier
die lat. Vorlage der slavischen Übersetzung »captivitas« las. Ich kann
das auch durch eine andere Stelle wahrscheinlich machen. Im Jeremias-
fragment (Prace Filol. IV 293 ff.) lesen wir: Przenyesyon gest wszitek
dom Judzski przenyesyenym swyrzchowanim (p. 300) = Vulg. Jerem.
XIII 19: translata est omnis Juda trausmigratione perfecta. Hier ist
der Vulgatawortlaut auch im poln. Text zu spüren. Aber gerade zu
dieser Stelle heißt es alt: translatus est omnis Juda captivitate perfecta.
Also hier haben wir eine Lesung »captivitas«, die wir durchaus auch für
unser Fragment als Variante in Anspruch nehmen dürfen, wenn sie eben
auch zufällig gerade nicht belegt ist. Zugleich lehrt damit diese Stelle
wiederum, wie peinlich und sorgfältig der slavische Übersetzer bei der
Wiedergabe jedes einzelnen Wortes des heiligen Textes verfuhr , um nur
ja den lateinischen Ausdruck durch die wortgetreueste slavische Über-
setzung in jedem einzelnen Falle wiederzuspiegeln.
Vers 21. Vulg. se separaverant. = r. a. 9 sj^^i Ir^czily. Dieses Ver-
*) >Oba teksty oddajfj lad. vitulum pascualem, co zuaczy »cielca pas-
tewnego« przez welikonocznieho« — »wyelkonocnego«, a to wskutek bled-
nego odczytania lad. pascualem, pascalem, jako paschalem«. Ich nehme an,
daß die lat. Vorlage hier wirklich pascalem las, also nicht einen Fehler aus
Unkenntnis !
Das neugefundene altpolnisehe Ezdrasfragment. 9
bum ist sonst in der Bibel nicht vorhanden. Heute heißt iaczyc > ver-
binden, vereinigen«. Im Czech. hat louciti se, je nachdem die Bedeu-
tung »sich trennen« und »sich vereinigen«. Beide Bedeutungen waren
auch im Altpolnischen ^j vorhanden, die Bedeutung »sich trennen« auch
jetzt noch dialektisch 2).
Vulg. : a coinquinatione = otpokalenia 9. Im Lexikon von Babia-
czyk sind mehrere Belege für pokalanie »Makel«, nur einmal (326a 12):
na pokalenye {= in pollutionem«), wozu mit Recht czech. pokälenie
verglichen ist. Unsere Stelle ist also der zweite Beleg für diese Laut-
gestalt.
Vers 22, Vulg. cor regis Assur: lyerce Afyerowo. Im Lexikon hat
Babiaczyk, der, wie er sagt 3), die Eigennamen und die davon gebildeten
Adjektiva nicht vollständig aufzählt, nur die Form Asyrski, einmal
(I17b 36) Assyrzkey belegt. Diese letzte Schreibung kann vielleicht
durch das darüber stehende z von nalodzach hervorgerufen sein: ich
werde derartige Beeinflussungen bei meinem Kollationsbericht mehrfach
zu erwähnen haben, da das Auge der Schreiber vielfach abirrte. Eine
andere Form, Asurski, hat Babiaczyk nicht notiert: 218b 4 krol Asur-
ski. Schwankungen bei Volksnamen sind garnichts Seltenes. Ich will
nur zum Belege dafür auf S. 191 verweisen, wo wir die vier Varianten
finden: fylystinske, fylystinowye , fylysteyskey, Fylysteowye, und alle
auf nur einer Seite!
Kap. VII.
Vers 7. Vulg. et de filiis Sacerdotum et de filiis Levitarum = yf-
finow in beiden Fällen, recto b 1^ 2, d. h. also: i z synöw, vgl. Z. 3:
yzwrotnich, yzNatinneyczfkich. In ylpyevakow haben wir, wie öfter in
der Handschrift vor Sibilanten, das z nicht geschrieben.
Vers S. Vulg. ipse est annus septimus regis: to geft lyata fyodmego
krolyowanya gego (r.b. 6 fl'.). Hier liegt oflenbar wieder eine Variante vor,
zu der sich uns aber ein Anhalt bietet durch die Lesart des Kap. VI 1 5 :
qui est annus sextus regni (sie !) Darii regis.
Vers 9. Vulg. coepit, venit: poczjvly, przifly r.b 9 und 11. Daß
der Numerus in dem polnischen Texte gegenüber der Vulg. sehr oft ab-
weicht, hat Semenovic reichlich belegt^). Doch in lateinischen Bibel-
1) Linde s. v. l^czyc u. leksza.
2) L. Malinowski in Prace Filol. IV (1893) 657.
3) In der »Einleitung« p. 8.
4) Prace Filol. VI 478.
j 0 E. Hanisch,
handschriften fanden sich derartige Schwankungen überaus häufig, wes-
halb die amtlichen »Correctiones biblicae« bei ihnen besonders wichtig
erscheinenden Fällen ausdrücklich warnend sich vernehmen lassen. So
z. B. I. Ezdras I. 5 bemerken die Correctiones Romanae: »Ut ascende-
rent ad aedificandum, Retinendum est Plurale: ascenderent, non mu-
tandum in singulare: ascenderet^).« Diese Stelle ist wiederum Beweis
genug, daß der slavische Text auch hier nicht aus Willkür oder Unkennt-
nis abwich, sondern den Anschluß an die lateinische Vorlage aufs engste
wahrte.
Vers 10. Vulg. ut investigaret legem Domini: abi fcigal zakon bozi
(r. b. 14/15). scigac bei ßabiaczyk nur in der Bedeutung »persequi«,
»verfolgen« belegt. Bei Linde s. v. finden sich dagegen Beispiele für
»in den Spuren wandeln« = nasladowac (= »investigare«).
Vers 1 1 . Vulg. exemplar epistolae edicti : przepis liftu wirzeczenya.
In dem Lexikon von Babiaczyk ist przepis (= exemplar) nicht notiert
und wyrzeczenie nur einmal belegt in dem Sinne »beschlossene Ansicht« :
276a 13 wirzeczenym (decernente sententia). Hier also der zweite Be-
leg mit der Bedeutung: edictum.
Vers 15. Vulg. sponte obtulerunt = verso a 3/4 dohrrj voly^ oby-
atowaly. Sonst entspricht dem sponte nur eine präpositiouale Verbin-
dung (s. Babiaczyk s. v. wola), also : z dobrey woley u. ähnl. Im V. IG
lesen wir in gleicher Bedeutung: dobrowolnye (Z. 9), also das Adverb,
was auch sonst noch in der Bibel vorkommt. — Die Form obyat- ist hier
wie Vers 16 (zweimal: verso a S und 14) belegt. So hat das Fragment
nur diese Lautgestalt, vgl. auch Kap. VI Vers 20, während im Lexikon
die e-Form mindestens die gleiche Zahl der Belege aufweist wie die a-Form.
Dagegen ist also in unserem Fragment nur die Form ofier- belegt, näm-
lich verso alO, 14, während für die andern Teile der Bibel Babiaczyk
ofier- und ofiar- mehrfach bezeugt.
Vulg. Deo Israhel, cuius in Jerusalem tabernaculum est. Hier ist
»tabernaculum« mit dem nur au dieser Stelle in der Bibel belegten: ot-
pocziwadlo wiedergegeben, das bereits Asboth richtig als Trausskription
aus dem Czechischen erklärt hat: czech. odpocivadlo »Ruheplatz«,
»Ruhestätte«, vgl. das polnische odpoczywac »ausruhen«, »rasten«.
1) Diese Stelle ist im SArospataker Text nicht erbalten. Darauf kommt
es ja auch hier gar nicht an, sondern lediglich auf das Prinzip des Über-
setzungsverfahrens !
Das neugefundene altpolnische Ezdrasfragmeüt. 1 1
Vers 17. Vulg. libere accipe : fwyebodnye wezmy. Jetzt schreibt
man nur: swoboda und swobodny. Das Wort kommt in dem Bibeltext
nur hier vor.
Vers 23. Vulg. irascatur: roznyewal (verso b6). Neben rozgniewac
ist auch bei Babiaczyk mehrfach rozniewac belegt.
Vers. 24. Vulg. Vobis quoque notum facimus : Przeto warn dawami
nafwyadomye; swiadomie findet sich bei Babiaczyk bisher nur einmal:
"wswem swyadomyv (316a 12, Mal. schreibt: swyadomyu) in der Be-
deutung »Gewissen«. Hier also: »zur Kenntnis geben«. Zu swiadomie
ist zu vergleichen czech. svedomi.
Vulg. ut vectigal et tributum et annonas non habeatis potestatem
imponendi super eos: abi nyemyely moczi bracz mita any dany any
vrokow nanych (verso b 12 ff.), myto also hier = »vectigal«, sonst nur
noch einmal bezeugt: lila 13 mito (Vulg. pretinm) lest zaslvsbr> (Mal.za
slusbrj), vgl. deutsch: Maut. — vrokow, d. i. also: uroköw = annonas.
Mit Recht hat Babiaczyk uroki (nicht wroki) gelesen und das czech.
liroky dazu verglichen: nur möchte ich in dem Belege 231a 2 vloszil
vroki nazemye (Vulg. imposuit mulctam bzw. multam terrae centum ta-
lentis argenti etc.) nicht mit »Geldschätzung«, wie Babiaczyk, sondern,
auf Grund unserer jetzigen Stelle und gestützt durch das Czechische wie
auch durch den Sinn mit »Jahresabgabe« übersetzen.
Vers 25. Vulg. ut iudicent omni populo, qui est trans fliimen, bis
videlicet, qui uoverunt legem Dei tui, sed et imperitos docete libere:
abi vczily lyvd kako mai^ zywy bicz afridzrj wßemv lyvdu gen geft za . . .
(verso b 17 — 19). Der polnische Text weicht also hier stark von der
heutigen Vulgata ab !
Beuthen O.S. E. Hanisch.
Bis zu welcliem Maße bestätigen die kroatiscli-glago-
litisclien Breyiere die Anualime einer yollständigen
Übersetzung der hl. Schrift durch den hl. Methodius.
I.
In dem Artikel, betitelt »Die kroatisch-glagolitisclieii Bre-
viere und das Officium der abendländischen Kirche vom
VI. — X. Jahrhundert« i) habe ich eine Mutmaßung ausgesprochen^
mittels welcher ich den Sinn der Worte der pannonischen Legende vom
hl. Methodius in bezug auf die Übersetzung der hl. Schrift zu erklären
mich bestrebe. Die daselbst ausgesprochenen Gedanken kann man un-
gefähr in folgende Worte zusammenfassen : So wie es sichergestellt ist,
daß im Anfange der mährischen Mission der hl. Cyrillus teils allein^ teils
gemeinschaftlich mit seinem Bruder bei der Übersetzung der hl. Schrift
durch die liturgischen Texte der morgenländischen Kirche
beeinflußt wurde, so scheint es, daß der hl. Methodius gegen das
Ende seines Lebens biblische Texte übersetzte, insofern es dieselben
für die liturgischen Bücher des abendländischen Ritus be-
nötigte. Im ersten Falle entstanden neben dem Psalter ein Evangeli-
arium (Aprakos) und Parömienbuch (Paremejnik), im anderen Falle die
Texte der abendländischen Liturgie (lectiones de scriptura occurente per
anni circulum).
Diese Annahme sprach ich nicht a priori aus, sondern auf Grund
der Texte^ von denen ich bewiesen hatte: 1. daß sie aus der Zeit der
mährischen Mission und nicht aus der Zeit Simeons , Kaisers von Bulga-
rien, herstammen; 2. daß sie die Grenzen des Parömienbuches über-
schreiten. Zu diesem Ende studierte ich die in kroatisch-glagolitischen
Brevieren enthaltenen Texte und beschränkte mich absichtlich auf die-
selben.
Die cyrillischen Texte berücksichte ich nur insofern^ soweit es sich
um die gegenseitigen Beziehungen des cyrillischen zum glagolitischen
Texte handelte, eventuell soweit ich die Anziennität des glagolitischen
Textes beweisen wollte.
Selbstverständlich ist es, daß mir die Behauptungen und Beweis-
#
1) Cfr. Arch. f. slav. Phil. Bd. XXXIV, S. 483-496.
Die kroat.-glagol. Breviere n. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 1 3
führungen des Professors der Petersburger geistlichen Akademie Jevse-
jev, der die Worte der pannouischen Legende in betreff der Übersetz-
ung der hl. Schrift gern wörtlich nehmen möchte und deshalb von
einer vollständigen methodianischen Übersetzung spricht, nicht
gleichgültig bleiben konnten.
Trotz der Schwierigkeiten, die ihm bei dieser Annahme begegnen
— er wird nämlich genötigt, zu einer zweiten Hypothese, daß ein über-
wiegender Teil der Übersetzung verloren ging, Zuflucht zu nehmen —
ist es freilich sonderbar, wie er einerseits in der Übersetzung des Buches
Daniels die Bestätigung der Worte der pannouischen Legende sehen
und andererseits behaupten kann, daß der hl. Methodius an dieser voll-
ständigen methodianischen Übersetzung (insoweit es das Buch Daniels
betrifft) keinen persönlichen Auteil gehabt hätte ^j. Mir
wenigstens kommt es vor, daß er sich schon da widerspricht; es wird
seine Aufgabe sein, diesen Gegenstand näher zu beleuchten und zu be-
weisen.
Uns handelt es sich nur darum, welches Verhältnis zwischen den
beiden angeführten Annahmen bestände, zwischen der Annahme Jevse-
jevs und der meinigen. Ich lasse mich auf diese Frage ein, da ich dazu
aufgefordert und durch Umstände sozusagen genötigt wurde. Ich gestehe,
daß die Resultate der Forschungen Jevsejevs mich keines-
wegs wankend gemacht haben. Hier will ich nur darauf hin-
weisen, was gegen seine Annahme von den glagolitischen Denkmälern
vorgebracht werden könnte.
Prof. Jevsejev ist gezwungen zu erklären, daß eine ganze Reihe von
den übersetzten Texten »der vollständigen meth. Übersetzung« ver-
loren gegangen sei, daß wir dieselben entweder nicht kennen, oder daß
sie vollständig verloren gingen.
Worüber aber man sich dabei wundern muß, ist, daß die unbe-
kannten Bruchstücke der methodianischen Übersetzung bereits im
XIII. Jahrhunderte selbst den kroatischen Glagoliten un-
bekannt waren, welche dieselben ohne Zweifel in ihre Breviere auf-
genommen haben würden , so wie sie die parömeischen Perikopen auf-
genommen haben, da sie derselben bedurften, und in deren Ermangelung
^) Knnra üpopoKa Aaniu.ia Et ÄpeEiie-CvTaBaHCKOMt nepeEOÄ^- MocKsa
1905. Cip. XXIX. Vgl. Archiv f. sl. Phil. XXVII, S. 449—454.;
14 Jos. Vajs,
— - wie wir weiter unten sehen werden — bloße Paraphrasen zu
Hilfe nahmen.
Dieser Umstand ist um so verhängnisvoller und beachtungswürdiger,
da Professor Jevsejev über den Ort, wo die vollständige metho-
dianische Übersetzung entstanden sein mochte, sprechend,
ihren Ursprung irgendwohin nördlich von Bulgarien — tiach
Kroatien verlegt (1. c. p. XXVIII).
Meine Behauptung will ich beweisen durch Analyse einiger Kapitel
(XXXVII — L) der Genesis, wegen deren Eigenart und Wichtigkeit. Wenn
die Glagoliten nicht einmal eine vollständige Übersetzung der Genesis
hatten, ist schwer nur einigermaßen wahrscheinlich anzunehmen, daß sie
die Übersetzung anderer oder gar aller Bücher der hl. Schrift gehabt
hätten.
Größerer Verständlichkeit wegen schicke ich einige bekannte Daten
voraus. Wie Professor Michajlov ^) gezeigt hatte, wurden aus der Ge-
nesis im Parömienbuch nur die ersten 9 Kapitel (mit kleinen Auslas-
sungen) und das L. Kapitel erhalten; von den übrigen Hauptstücken
wurde in das Prophetologium entweder sehr wenig (z. B. aus dem
Kapitel X., das 32 Verse zählt, nur 2) oder gar nichts aufgenommen.
Ganz weggelassener Hauptstücke gibt es im Teste des Parömienbuches
22; für unsere Analyse ist das bemerkenswert, daß es unter anderen die
Kapitel XXXII— XLII, XLIV, XLVH— VIU sind. Soviel kennt man
aus den slavischen Parömienbüchern.
Die kroatisch-glagolitischen Breviarieu enthalten — wie schon Prof.
Michajlov bemerkt — vor allem jene 9 ersten Kapitel (mit einigen ge-
ringen Weglassungeu) und das letzte (L.) Kapitel. Weiter wurden in
guter, auf griechischem Original aufgebauter Übersetzung gerade jene
Stücke erhalten, die man im Parömienbuch findet; für unsere Analj^se
sind von Bedeutung besonders: XLIII. 25 — 31, XLV. 1 — 16, XLVI.
1 — 7, XLIX. 1 — 2, 8 — 12, 33. Die Übereinstimmung des Parömien-
buches mit den glagolitischen Brevieren ist nicht zufällig. Auch die
sprachlichen Eigenheiten geben Zeugnis davon, daß die Übersetzung der
oben angeführten vollständigen Kapitel sowie dieser Teile aus dem Pa-
1) A. B. Miixaii-ioEX, Kt Bonpocy o jm-repaiypnoMi. uaci^j^iu cbb. Kupujja
II Meeo;[iH ex r.iaro.i. xopBaTCKuxi. Mucca.iaxx u öpeDiapiuxi. BapuiaBa 1904.
Crp. 53.
Die kroat.-glagol. Breviere n. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 15
römienbuche in die kroatisch-glagolitischen Breviere hertib ergenommen
worden sei. (Siehe Michajlov 1. c. p. 61 — 62.)
Aber auch die übrigen Bruchstücke aus der Genesis , also auch die,
welche im Parömienbuche nicht enthalten sind, sind für unsere
Thesis sehr wichtig. Wir haben da wieder zuerst die Übersetzung
einiger Kapitel, an der zwar der Einfluß der Vulgata sich bemerkbar
macht, die aber im Grunde doch eine alte nach griechischem Originale
hergerichtete Übersetzung ist (Kap. XXXVII. 2 — 22). Wir haben da weiter
eine Paraphrase des übrigen Textes der Genesis, welche Paraphrase
durch ihren sprachlichen Charakter wieder auf einen guten
Kenner der altkirchenslavischen Sprache und was besonders
bemerkenswert ist, mit griechischer Phraseologie hinweist.
Auf dem Blatte 176c — 177b Cod. c. r. bibl. Aulicae Vindobonen.
N. 3 haben wir eine treue Übersetzung des Kapitels XXXVII. 2 — 22,
welche — wie wir weiter zeigen werden — die Spuren einer nach grie-
chischem Originale gemachten Übersetzung trägt, die jedoch in dem
Parömienbuch nicht vorkommt; den Inhalt der Erzählung bilden die
Begebenheiten aus dem Leben des ägyptischen Josefs.
Von da folgt die Paraphrase mit einigen apokryphischen Zugaben,
z. B. von dem Wehklagen Josefs am Grabe seiner Mutter Rachel, von
der Freundschaft Josefs mit dem Weibe Putiphars bis zum Blatt 179b
V. 14; der folgende Teil (fol. 179 b 14 — 179c 22) ist die getreue im
Parömienbuche enthaltene Übersetzung; der weitere Text fol. 179c 23
— 180a 25 ist wieder nur eine Paraphrase, nach welcher wieder eine
getreue auch im Parömienbuche enthaltene Übersetzung fol. ISOa 22
— 180d 7 folgt.
Nach einer kurzen Paraphrase (ISOd 8 — 17) haben wir wieder eine
dem Parömienbuch entnommene Übersetzung 180d 18 — 18 la 19; ähn-
lich kommt nach einer Paraphrase (fol. 181 a 20 — 18 Ic 20) wieder eine
getreue mit dem Parömientexte übereinstimmende Übersetzung fol. 181 c
21 — 181d 17. Mit einer wertvollen Übersetzung des letzten (L.) Ka-
pitels fol. 181 d 22 — -182d 13 endet der Text der Genesis auch in den
glagolitischen Brevieren gleich dem Parömienbuche.
Ich halte es für zwecklos hier erst beweisen zu wollen, daß der
glagolitische Text der vorerwähnten Perikopen der Kapitel XLIU, XLV,
XLVI, XLIX, sowie auch des ganzen letzten Kapitels L nur Echo des
Textes des slavischen Parömienbuches sei; dies bewies schon zur Ge-
nüge Prof. Michajlov (1. c. S. 87—95).
16 Jos. Vajs,
Schweigend kann ich jedoch nicht jene Stellen übergehen, in welchen
der Text des Breviers Veit's nicht nur über die cyrillischen, sondern auch
über die glagolitischen Texte hervorragt.
Solche Stellen sind:
a) mit lexikalischen Eigenheiten :
caAHH ISld 26, KparpT». iSOc 25, EpaTpura lS2d 1, B'wra
180c 27, IKHTCAk lS2b S, 0B/\0KH3dTH ISOc 2S, ISld 24, ;RTpC»Bd
179c 16.
b) Mit morphologischen Eigenheiten (Archaismen):
a) mit nominalen Eigenheiten: nom. pL: K3i4UJiv/i,'iiJfH lS2b
25, norp-kB'ium ib. 26—27, SAa^k 182c 4 — 5; dat. pl. : napaOHO-
KCiiii' (cHAHHy') lS2a 6;
ß) mit verbalen Eigenheiten: 5- Aorist: ßjrkce 17Üb 15, no-
rptcf 182b 18—19, 182d 13; cA-Aorist: p'&me 179b 24, c 12;
starker Aorist: OKp-kTiw ISlb 10, lS2a 7, KkS^BHrOY
181a 8, U3HJi,oy lS2 3i 20,hl; npn^OY ISOd 5, np-Kii^OY 182a 4.
Mehr jedoch ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich die übrigen
Texte, d. h. solche, die in dem ParÖmienbuche nicht enthalten sind.
Es ist vor allem die Übersetzung des Kap. XXXVII 2—22, 29—33;
und weiter die Paraphrase des übrigen Textes bis zum Ende des
Buches, insofern sie in den oben angeführten Texten nicht enthalten sind.
Der Text des Kapitels XXXVII ist eine nach griechischem Muster
gemachte Übersetzung, die später nach der lateinischen Vulgata stark
umgearbeitet wurde; nichtsdestoweniger findet man daselbst noch Spuren
des griechischen Ursprungs. Und dies vor allem
a) in den Eigennamen BaabAH (gen. sing. BdXXag, lat. Balae),
OcHnii ([loorjfp, Joseph), Po^KHiuik (Poiißii^i^ a,xic]x'Povßiu^ "Fovßeii-i,
Rüben) i), Go^Y*'^'^ i^^/Jl-h Sichem);
b) wichtige Stellen im Texte ^ die auf griechischen Ursprung hin-
weisen :
1. HE 0\fKHlJHrji' ^\iiif (ro, V. 22, Sept. ov narä^of-iev
avTov eis ^vyJiv^ Vulg. non interficiatis animam eins!
2. SB'kpe AWTOJ noTAkTH ... V. 20 ^rjQior TtovriQov -/.ax-
1) Cfr. The Old Testament in Greek by A. Brocke and N.Mac
Lean. Cambridge 1906. I.
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 17
ecpayEV ctvröv^ Vulg. fera pessima; dasselbe weiter unten v. 33;
die Vnlgata hat auch hier: fera pessima.
Auf den alten Ursprung der Übersetzung weisen c) einige lexika-
lische Eigenheiten hin: AOyHd ((TfA^vjj) v.9; CfAO {jtEdlov) vv. 7, 15;
fTfpb {vio) V. 15; rpfA^l" [eQxetai) v. 18;
d) einige morphologische Archaismen: nom. adj. AWTOt (Sß'fepf)
V. 20, 33; acc. part. K/\c>y;i,fLpi^ (OBp'kT« mi h MOY^Kk ertp' kao\'-
^EijJii Ha CCA'R, Vulg. Invenitque eum vir errantem in agro v. 15).
Nicht minder wichtig ist der sprachliche Charakter der darauf fol-
genden Paraphrase ; da handelt es sich wieder um einen alten Text grie-
chischen Ursprungs.
Es kommen hier bemerkenswerte Eigenheiten vor :
a) lexikalische: Eigennamen, wie Pa\'HAiv f Pa//}A) ; Po^BHIUlii
{'Povßi^i); npo^i,pc>iuiK [rtQÖÖQo^iog] 177d 16; naTpHKHH {TtarQiy.tog)
178a 11, b 11, d 24; naTpHKHH H 17Sa 18, 179a 7; tTtfih [rig] 178a
12, b 17, po>K^EHHi€ 179a 18; np'RAiCKH CTKOpHTH 178a 20.
b) morphologische Eigentümlichkeiten:
a) nominelle: instrum. sing. u,pEBOM' (noKfAlvHH6lui') 178b 16;
gen. plur. lUiHorh, 17Sc 15, TOifHHk 17Sd 2, KpacHk ib., X'^^VA'^
ib. 3, A<^^P<^<^^P^^3Hk ib. 5, X'^VA'» ib. 6, MHOroocHAkHk ib. 10,
HfCKOYA"*» ib. 10 — 11, MHcrocKO^A"*^ H TAa^Hk ib. 12 — 13;
dat.pl. raa^HOLr (aIvTOm') 179a 13.
ß) verbale: 3 plur. imperf. iiiHMC»rp£A'R'S\-c>Y 177c 5; aor. 3
plur. BHHAOV 179a 14, ocptTOy 179dll, 180a 18, OTH^oy ISOd
9; 1. sing. OKpIvTk 181b 10; part. oyTlvUj'iiJf I78a 3 — 4, ocraßAk
179a 25, b 2; BSBpaijJkuik cc 179a 26, CTBop'ma 179 d 17, OBpaqj'-
me Cf 180d 8—9, OBpaqj' ce ISlb 24, CTBop' 181c 17.
c) syntaktische: npo^am« h na cpfKp'HHU.'RY' 177c 13 — 14
erinnert an die Satzfügung im Evangelium Cod. Marianus 97, 22: MO-
jKaui« KO ce Mrpo npoAanc» k^uth na luikHOSt; ibid. 366, 14
— 15 npo/k,aHO K'kicT'K Ha t n-kH/ÄS'k. — tiKO mw^hth ce bcSm'
I77d 21 — 23 {wäre cum inf.); 1iKC» f;i,HHOMOY bhth OK'kUJfHO\'
a Apc»YroMOY b can' cboh npkBH bhhth 176b 24 — 26; -kKOiKf
CHaKAtiTH ikhto 17Sd 17 — 18.
Auf Grund der vorangeschickten Analyse gelangen wir zu folgen-
den Schlußfolgerungen :
1 . Es ist augenscheinlich, daß die kroatischen Glagoliten den Pa-
Arcliiv für slavisclie Philologie. XXXV. 2
18 Jos. Vajs,
römientext (nebst den 9 ersten Kapiteln) des letzten (L.) Kapitels bei der
Hand hatten zugleich mit Perikopen der Kapitel XLIII, XLV, XL VI,
XLIX, welche sie ebenfalls in ihre Breviere aufgenommen hatten.
2. Die Übersetzung des Kap. XXXVII 2 — 22 setzt eine ursprüng-
liche Übersetzung aus dem Griechischen voraus, die später
nach der Vulgata verbessert wurde.
3. Die Paraphrase, welche die Lücke zwischen Kap. XL — L erfüllt,
ist gi'iechischen Ursprungs. Die Analyse weist auf einen Autor, der
einesteils guter Kenner der kirchenslavischen Sprache,
anderenteils ein Stilist nach griechischem Muster war; die
lexikalischen Eigentümlichkeiten verraten, daß er den ältesten Arbeiten
slavischer Übersetzung nahe gewesen sein mußte.
Diese drei Punkte führen uns zu dem Schlüsse, daß den kroati-
schen Glagoliten der ursprüngliche Text des Parömien-
buches bekannt war, den sie auch in ihre Bücher herüber-
genommen haben, nicht aber der vollständige Text, da sie
sich sonst kaum mit Paraphrasen geholfen hätten, und dies
um so mehr, da die Paraphrasen mit apokryphischen Epi-
soden vermengt sind, die im Bibeltexte überhaupt nicht
vor kommen.
Wie sollen wir jedoch die Übersetzung, (nicht eine bloße Para-
phrase) des Kapitels XXXVII 2 — 22 erklären? Es ist eines von
den Stücken, die immer im Systeme der biblischen Lesun-
gen nach dem abendländischen Ritus gelesen zu werden
pflegten. Somit liegt darin wieder eine Bestätigung meiner
Annahme vor, daß der hl. Methodius am Ende seines Lebens die
Übersetzung der hl. Schrift aus liturgischen Gründen in Angriff nahm, und
zwar diesmal nach dem abendländischen Ritus. Die Möglichkeit ist
nicht ausgeschlossen, daß er selbst mit seinen skoropisci auch die
Paraphrasen minder wichtiger Texte besorgt hatte. Wieder nur ein
neuer erleichternder Standpunkt in der Auslegung der Worte der metho-
dianischen pannonischen Legende.
Somit hoffe ich, bewiesen zu haben, daß die kroatischen Breviere
keineswegs der Hypothese Jevsejevs günstig sind , scheinen vielmehr für
meine Annahme zu sprechen, die ich durch gegenwärtigen Artikel dar-
gelegt habe.
Die kroat-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 19
II.
Textus libri Genesis (cap. XXXYII— L) codicis glag. c. r.
bibliothecae Aulicae Yindobonensis N. 3.
Fol. 176c. Gen. XXXVII.
2 OcHHk }K.( irji,4\ B'kUJE lUCC- 5
THMa^eceTe A'kTk na-
cUme CTa^iJ ci^ cpaT-
HfW CBOfK» Ol^Je OrpOHf CH.
11 B'KllIE Ch. CHbMH RaA'AH
H 3fA'nH iKfH (-|- superscr. aua) ouia CBO- lo
erc. Oy<>V'^h ^* kpthk» c-
BOio oy c>u,a rp'kYOiui' ro-
P'ujhm'. 3 HsAk oyBO aioBAauje
OcHna nane CHOßk cßC»H\*'
Tcro pa^H 'bKO ß crapoc- 15
TH po^HA' ce fiuiOY K'Ruie. Gt-
BOpH >K£ «MOY CO\fKHK> C^KP^^IU-
«Hoy ßEA'MH AOKacaKMjjoY c-
E JiL,A}K.( J\,0 3M6. 4 IiHAO\'llJe JK-
E KpaTH'E ErO, 'tKO 0 OlJta BElji- 20
E BCky' CHOB' AKtßAaUJE c-
E, HEHaßHA'SV^V «rO, HH lUlO^K-
ayoY fiuio^* meco MHpcTßop'Ha
r/\aTH. 6 Peme ike OcHnk kpth-
H CßOEH : CAHlJJ'kTE CkHk MOH 25
HIKE BHA'SY'; 7 K'KY'^Mk MH CK-
Hpat<M[JE CHOnH Ha CEA't H b'-
craH'SiiJE cHonk moh h CT(a)
2*
20 Jos. Vajs,
l?Ol.l76d. yjj^ BaiiiH Hie CHOnH OKpbCT'
cToei|jf noKAdHa^oy ce c-
T
Honoy MOEM^Y. 8 OßEifjaBiiiEH;-
E BpTH'fe ero p'kuif emioy : e^,-
A TH i;pk Hamk boy^euih, hah 5
MH nOßHHEM Ce BAaCTH T-
BOfH. Gh'S BHCTHH0\" p'kMk
CkHk TOAH CAOBECK RO^'H-
t (sie) BH BpTHH fPO B HEHABHC-
t' fMoy. 9 yijPoyrH jk« naKH ckhk 10
TaKOJKA« BH^t H>Kf Bk3B-
-kipae BpTHH ptH« : bh^'S^' n-
0 CHOy A'kKH CAKHU,E H A Oy H 0^
H cA"MöVHaAfC£ (sie) SB-tSAC^V n-
cKAanaTH a iuihIc. 10 OrA*» ik« 15
CH CkHk Ol^Oy CBOtMOY H BpTHH
BkaBtcTH, Honp-kTH fMOy 0-
i;k H p(Hf : Mto TfB't npocn-t-
«t' CkH' TBOH, H;K£ BHA'^^M^
€CH MEA»?; «A^ <*3k H MATH T- 20
KO't H BpTH'k TBCk ROKAOH-
HM CS TfB-K Ha 3MH. 11 SaBHA"
'Sy^V ^* ^"^"^V EpTH-s «ro a ou^k
pliHk A't^f^^V i^'^i^^f pacina-
Tpame. 12 6rAa Hif BpTH'k «rc» 25
nactyoy cTaAa oijfa cb-
oero RptBHBaYOY b Goy^tM-
'K; 13 pfMf K HEiuioy H3/\k : Bp^H'k
10
Die kroat-glagol. Breviere n. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 21
Fol. 177a. ^ß^^ nacoyT' oß^« ß OovX'"
fM-K noHAH nouJAic K HHMb (sic).
Oh JKf oßeniaßi. ptMt: 14 roT-
OBk fCM'. HsAk h;« piM« (MOV :
HAH H bhh;a"^ a^^^ ^^^ "P^^' ^
n-KlUHa COVTI* 0 KpaTHH TRO-
(H H 0 ct^a'^K' " npHUJiiA' ^^-
Sß-feCTH MH-k MTO TßOpHT'
C6 0 HH^'. IloCAaH >KJ Ol^fMI^
l AOAa tKpOHCKdro npHA«
B Oovv«"'; 1^ oKptTf h;« h my-
JKIi eT«p' KAOVA^H*«^ "'^ ^^^~
-K H ßnpOCH H MfCO hckaa' kh.
16 Oh :k( oßfUJAßK p«M£ «moy • ^P"
dTH£ MO« HMJOY, ßkBß-KCT-
H MH{'k KJAt HdCO^TI^ CTAA-».
T
17 PjM« JK« tMOV MOVJKK Th. : OCT-
o\fnniu« 0 M-KcTA cero, cah-
lUAX '/Kf e TAtonie : ha'Sm' ß J\^-
TAHh. IIa« ^« OCHHI^ HO KpA-
THH CBOfH H OKp-feTe « ß \^-
TAH-K. 18 Ohh >k6 ovap-Riue h 3 A"
AAJKA npHJKA« "«^^ npHUl-
a' kh K HHM', nOMHCAHUJt OYK-
HTH trO H OTAH PAd^OY : CC
cbHHHKK rpfA«T^' 20 noHAtre
AA OYKHfMk H H BAOJKHM' H B M-
HCTtpHOY BfT'pY H pJMtW' :
15
20
25
22 Jos. Vajs,
Fol. 177b.
3B'fep£ AWTOW (sie) AK»TC>« nO-
TAkTH H, H TOrA'i 'feBHT C(,
MTO npccn-tA' KC»v%v,eT' eu-
oy cbH' fro. 21 G/\HiuaB JKf ch«
Po^KHll' YOT'tlUt HBCaßH- 5
TH 0 pO^Kh. HX"'^); Hf Oy RH 'S HM J<L,Ult
«rO 222) HH npOAHKdHLl' KpkKH J-
rO Ha ßAOJKHTC H B MHCT-
epHoy CHK> 'fe'^f fCTk B noy-
CTHHH CfH^ pO\,'KH >K« BaUJ« 10
Cb.KAIC»AHT£ HfROpOHHH.
Gf h;( ri\MUi x'otc h3k-
dBHTH H 0 pO\j'KK H^' HM Bk3B-
paTH (superscr. th) h Kb. oi^oy cBoemioy.
(sequitur responsorium vv. 15 — 25.)
233) OpHrnaA luov iKf OcHHoy
K KpTHH CBOfH H U,-
tAOBaB'moY e kah-
1) Textus graecus addit : y.cd elneu.
2) Textus glagoliticus omittit comma : dnev 6'i avToXg Pov^r-v.
3; Incipit paraphrasis vv. 23— 33. Cap. XXXVIII, in quo fornicatio
Thamar describitur, omittitur.
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 23
Fol. 177c.
Heiui' ou,a, BpaTH-fe }K( (Uiu-
i H, H KCaA"lUC H K HHCTf-
pHoy no rAoy pc^EHMORoy; t-
c»Y jKf 6M0Y coij'njoy cj Hs'yaAH-
TH iuiHiuic»rpeA't'^\'<>V- Hw^v,- 5
a :Kf peM£ k KparHn cbo-
m : ce HsiuiaAHTH hühmop-
p«A'2>VT''^ noHA'tTe j>^& npo-
^aäuik H Hük H poVKH Haiue H« n-
CCKpoyHtT et, T'Kao (superscr. lui) oyso 10
EpaTh. Haiuk (CT'. Ha a(superscr.)KH£
H3Bf A U^* " Hl{JHCT(pHH OT-
aH PoYBHiuia npo^aiuf h II 3'-
MaAHTOim' Ha cpeKp'HHnlv\-'.
PcYBHM EO HHKoeroHif 3aa 15
CTBCpUTH fMOr ll3BC»AHa'
K'tmr, np'fe'/KAf kc> Y'^'T^iM^m'
oyKHTH ero ch. wt npucTa
CBtT'k, no Tom jk« mhot-
0 npocfLpoy i nc»coKb.cTBO- 20
Baillf fMO\-, Ha HHMTOJKf
oycn-t. Hko OTaH iro tipoA-
a^^^ujE (sie) H, pH3c»\' ero HyoyiiJ
C OY CCB£ K>»tE CBAKKAH B-
'KYOY >K' HfrO. Po\fBHM JKe H- 25
A« K MHCTtpHlJ BHA'feT-
H h; h« OEp'fcTb ^6 ero np'kA-
P'fi PH3H CBOe H UlhA'^' 1^' ^P"
24 Jos. Vajs,
• aTHH piHf : orpoMt m '6b-
H Ce MH'K, A3K KdMO HA^'V^
Ohh 7K( (rj!k,A npc»;\,auiE ii, om-
OHHUjf pH3oy ero b Kp'ii' ko-
SAHifja H nccAaiiiE Kb oi^OY 5
TAhMlJe : CHIO OEp'feTOM' f-
A<* KAKC> cHa TBoero kt'?
OÜ^k BHA'kBb PH30Y 0-
CHnOBOY np1iAplv pH3H c-
BOe C n/\aM(M' H pfMt: SKtL- 10
pe AKtTce norakTH cHa lui-
c»fro OcHna. HsMaAHTH (sie)
»;f HH^E KO^nHiut OcHna,
H/i,'kYO\' R rioyT' cbc»h uj h-
hm'; npHUJkA'uiEM iVit hm' k M'b- 15
CToy llpcApOMa, H/k,tJKe
B'k norpEBEHa Pa^HA' u-
ATH «ro, Ham naanaTH
OcHnb H pH;i,aTH s'feAO h-
apHi^ae Hin« Pd^Hi\^^ uat- 20
fpe CEO» 'kKC» HOy^HTH
C( BCklU' bh^eijjhm' £ro,
II TAATH 'kKO MapH H'KKHE
TBCpHTk H MapOA'tHUk (CT'.
BnpamaYOY 7K( ii o paSAHM- 25
HH)C' p'kHf)^' J\,A nOBtCT'
hm' paSOyMHO C> MHC»3'R\'k.
Oh ^« HcnoBt^t hm' o b'-
Die kroat-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 25
Fol. 178a. c'^^\ 0 HH\'iKf BnpamaYoy h,
rp-kBCHa tcTh. Ohh jKe o^t-
'tm'UJE H CAOBECH BATHMH
H OBEljJaß'mE EMOY HHKOf^KC p- 5
aBOTH CTßOpHTH Ha naM-
( aWEBtHt: AWBHTH H H B-
«A'^^Y^V H Cb COBOW. npHlUKA'-
U1(U }K( HM' ß' BlOHTk BH/\,t-
l\l( H MH03H A"B'^'*X'*''*V ^^ "^P" 1^
acoT-fe ero. IlaTpHKH H;e
fTfp' 0 MkCTHHY' MOtf^i* nap-
aOHOB' BH/l.'KBb H Ji, 0 K fi <:> C> -
BpaSliH' COYUJIi KO^HH H CTBO-
p' i;'tHOY C npOA'JKMiiHMH H. 15
H nocTaBH h crpoHTea-
a ^OMOY CBoero, /Ktna ^(
narpHHHa (sie) :K«i\'tKM|jH nac-
HTHTH C6 KpaCOTH OCHH-
OBH H BCJCOT'k np'KAlOBH C- 20
TBOpHTH m HHM', OcHHOy }K-
t HfpaMHBUJOY CTBOpHTH
no BEsaKOHHK» le. Gh-K npcr-
H'KßaBUJH C£ Ha HK OKACB-
era h k' mo^^kio cBOfMoy pa 25
WHJH : -kKO paBK tboh Ochri^
HC rocnoJK;i,K> ctB'fe Ha np-
tAK»KC»A'tHi;OY IUI« ^OT'k HM^TH.
26 Jos- "Vajs,
FoLlvSb. JIj TkKMC» JKf CAOBfCH CH-
MH AkH^HHMH rAilUJC Ha Hb, Hk
pHSCy «rO KA3MU(, lOJKf o\--
no^OTt t( ckbp'hhhe hciia'- 5
HHTH, Il-R KO paSkJKHSaf-
Ma 3pEL|JH KpaCOTH fPO; c-
fro pa^H x^OT-b-kme a^ "-
aMf OYim»?PHTk H mCyjKk ({ Hf-
jKt paa'Hi'/KHsaaa (sie) et kh 10
SpCljJH Ha Hk. üarpHKN jk«
H« YOT-K 0>fllilOpHTH H, Ha fMk
BCaAH H ß TkMHHU,<?\% K HfM-
OyjKf no TCIUl' K-RCTa H Aß-
a CAOY^KHTfAa u[pfBa ß- 15
cajK^eHa noBfA'6HHs(ü' superscr.) U,pe-
bom' 3a fTepo\' bhho\-.
lijKe KHAa K'kujfTa e^"-
Hk YA-kKap' a aP^^V" MkßkHk-
HH; BH^'KBlUEMa }K( Hivia 20
paSAHHkHk CkH' H HOBtA''^-
Biua OcHHoy, OcHnk cßa-
sa Hiuia pa3AHMH£ cHa
'RuifHOY' A Apo\'roMO\- B can' 25
CßOH npkBH BHHTH. PsHf HC-
E OcHRk K' \'OTflJJC»YIUIO\' BHH-
TH B can' CBOH : homehh iui-
Die kroai-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 27
Fol. 178 c.
Mf (sie) trji,A TfK-R ^\,OKpo KoyA-
(T H Bk3ß1iCTH napacHoy
J^A HSBfTb (sie) U( 0 C(( OY>KHHU,f
1vK0 TaA'^KH'fe BSfTK eciuik
H Ck/l.'K HEBMH'Hk B'nO\fL]JE- 5
Hb ecM'; TpH o\fE(:> oijie a'"" c-
oyTk no HH^JK« BcnoiuifHn''
CAcyniKH TBOf napaoHb h
BhSBfA^'''' T'f n*^ CTentH'
AP'Kbhh : Tkr^a romehh U(. lo
GeiuioY JKf Bk3BeAf"*^V khb'-
luoY no TAOY ocHnoBoy Ha c-
Te(3uperscr.nf)H' aP'^khh kaiosh a np-
M» caH bha'Kth; BnpamaB'
JKC 0 lUlHOr' paSAP'KlJUHTH Ck- 15
Hk frO H H« OEp'kTk IIEMaAkH'
KHCH! GAOY^HT'f'^'* '*^«
ero HJKe Kt: H3Eiji,tHh. h-
C TkMkHHl^f ROimeHOlfB Oc-
Hna Bk3ß1vCTH eMO\f 0 Hl- 20
Mk H KaKO B'kujE cKasa-
Ak CkHk ero H CkHk AP^V^~
A ero, t/KJ Cf H SKHCTa
HMa. U,pk H^E CAHLUaBk C-
HE 0 OcHH'S pa^l^ KH H HO- 25
CAaBk nOBEA'k H npHBE-
CTH k' CEB1v HC TkMHHl^E,
H ROB'RA'^ f^'^^y CkHk CB-
28 Jos. Vajs,
Fol. 178a. ^^ j,^j . ßH^^t^K ßOAk 36-
TOyHHk H KpaCHb AP'^V"'^"
H CEA^HIO JfOYA'^ KOAk R-
0/KHpaCMH. II KAaCk TaK-
OHCA« •^- A*5 ßP^^KP'*3Hk 5
APOvroyK» Ä MHK> V'^VA'^ ^-
AacK noH;Hpa£iuiH. Gah-
LUaB /KE OcHnk CkHk l^pCBk
H Bk3B'kCTH KHTH -öS- All-
Tk MHOrOOBHAkHk H HCCKCy- 10
A'Hk, Ho CHX" >K« AP^^V'^V'^ '^^
A'tTk MHOrO CKOYA"'* " ^'
AA^Hk. ÜEMaAkH }¥i( BHBk
L^pk 0 cEMk ßnpocH OcHna,
HTO nO^OBaAC KU TBOp- 15
HTH. OCHR JK« CB-kTOBa-
UJ( H 'tKOH^f CHaEA'^TH :K-
HTO. lJ,p^ >Ke pasoifWliBk 0-
CHRA 'SKO MKk MOYAP*^ " ^^'^-
BOHBk KTk ROCTaBH H 20
CTpOHTfAa HaA«»^ ßCflO 3-
(MAEIO CBOCK) H BCAAH H
Ha KOAfCHHi;OY CBOIO.
ßHA'tB Hif CR« RATpHKRH
BcaARßi^H ero Bk tiuihh- 25
u,c>\f cyBok c« 3'Sao h uikA'
K JKfH't CRC TpfRfTOMk b'-
SB'KCTH (R KAKO^ CABOy
Die kroat.-glagol. Breviere n. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 29
lol. 179a. npH-KT' OcHnk o i^pa. Gh'S 'A{(
oyTOAH H noB'^A'^'^^iP" fMoy
AOKpoTOY ocHnoBoy h Boro-
KOHHoy iuiovaP*5ct' ero h naKO
B(3 KHHH CK/\fBfTa H K HEMOy. 5
T
OcHnk TKt npHfM' BAacT' 0 n-
apaoHa h« oMkCTH naTpHKH-
to Hk nane mhos'Sy' awBAa-
me H (sie). Crpctme jKe Ocnn' ßca
AOBp-k H CHaBA'S M0\-Apc»c- 10
THW CBOfK» MHOJKkCTBO JK-
IlpHUJkA'ujEM >Kc raa^HOM' A-
'kTOM' BHHAC»\f BpaTH-K OC-
HnoBa B' GwnkT' ko^hmt' jk- 15
HTA H npHiiJkA'mc K Heiuioy nc»3-
HaHH BHUJE hm' HC n03HaiC)l|IE cpo;
BnpamaEMH jk« hm' poM^^CHHe (sie)
CH cKasamc h ou,a oijje h ep-
ara ch hmo\'I4JE RcHH'^MHHa. 20
OcHnk iK( cAHiuaB' cma h
RcHH'kMHHa SAP^Ba CO\'HJ-
a pa/i,k EH 3lvao. IIoBea-
t JK6 HMk npHBCCTH ReHH^-
MHHa GfMHOHa OCTaBAk 0\' 25
C(K(. OhH H;E B3BpaL|JkUJ£
c£ Kk oi^o\' noB-S^ame jmo\'
30 Jos. Vajs,
Fol. 179b. g^^^ ^^^^ ^^ ^,^^ noKfAli h-
lUl' OCTdBA' GflUlHOHa npHK-
fCTH BjHH'kMHHA. Oll,k IKf R-
OyCTH Ht rO/l,0\f6 HTM ÜJ HHM-
H RfHHtiMHHa. PfHf JKf HMk 5
ßkSHiltTf 0 COVA*>V ^ ^'^'
MH A^^P" " HA'tTf (supeiscr. K tahhoy) 3M( h
(rjli,A OEpflJJfTe H nOKAOH-
BO lUlOH CTBOpH H KAM MC- 10
THß', A** BHnO\'CTHA' KH
ctro KpaTA BAUifro c'
KAiuiH H OHoro croH^t A9^-
>kht' ßb c»\f3AY'. 1) Geii.XLm25 Ohh h;« npH-
lillvAUJE Kh. 6K»nkT' KHlvCC 15
OcHnoy A^^P" ^ A'^^' "^^ W
Hiui-kx-ov K po^Kay' cßony',
H nOKAOHHlUf Cf fMC\' A<^ 3-
EME. 26 KnpocH :ke e Ocnnk
n\E : A*2>KP'S AH SAP-JEH 20
ECTE H 3AP^^K A" *CT'
oi^h. Baujk cTapku,ii etojk-
E nOBlvA'*^^'^* 1^" <^4^^ ^-
o\f4Ja. 27 Ohh >ke ptuJE a^^^P'^
3AP<*ß"^ fCT' H OL(JE JKHB' 25
ECT paBk TBOH OH,k HAUJk
H A'^Kp'b BAP'^Bk ECTk.
1) Cf. Cod. S. Simeonis ed. M. Steininger, p. 21; sequitur textus pro-
phetologii.
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 31
Fol. 179c. pj^j jj-j OcHRk : KAtth. KUh MKb
TA. Ohh iKt naA^^f O'*'^" "-
OKAOHHLUE C£ eMO\- J^O SM«.
28 IlbSp-kß JK£ OMHMa OCHIIK
BHA'S BfHH-KMHHa KpaT- 5
a CKoero co\'i[ja H3' e-
^HHOf yaTip« m hhiui' h
ptMf hm' : ce AH ecT' Kpar'
Kam' lUlkHUJH 0 HflUl/Kf noK-
'KA^c't* mhU, f^o^Ke h 10
p-Ry' Baiiii' npHKfCTH k' m-
Ht? Ohh TVie ptme emoY : «h th
Cf fCT'. OcHRk /K6 EAKH H
rat : b^ bakh h romoyh t-
E Hf;i,o; 29 cMO\'HJaüje bo cf (- 15
MC>\" o^TpoBa ero o Bpar-
'K cbojm' h HCKaiuc naaK-
aTH cf. Ii3bm';i,mf (sie) b ao-
JKHHHO\f HAABa (sic) Ct TO^;
30 O^IUIHB JK6 CH AHU.C HSH^C 20
E.hHK K BpaTHH HO\-Af C£ 3-
AP'jKaTH Ce 0 CAk3k 1) H H-
£ MO»;auj£ ce 3AP'JKaTH
3pe BCty' Kparii cboh-
^k. FOCTHB JKE « A"" H'SKH- 25
£ noBEA-b A'*'*'" mm' -/KH-
Ta eahbo:ke yot-Rx-o^-;
i) Explicit textus prophetologii ; sequitur paraphrasis continens vv. 31
—34 cap. XLIII, cap. XLIV, v. 1 cap. XLV.
1
1
32 Jos. Vajs,
J^ Ol. 179 a. noBfA-k jk« h HaiuKoy kaojk-
HTH Bli Bp'tTHljJt ReHH'KM-
HHOBO 'kH;c (superscr.) HapHi^amc ce KoH;i,d
Y0T6 OyCTaBHTH C\- CfK-
i BEHH'bMHHa. Geiuio\' :ke E- 5
I
HB mo^* oncycTH e hth h no-
C/\a B CAt^'
hy' HC bat' MAUJKH H C»\' HEro-
H;e OepELflETk (!) K» npHBE^O^/--
Tk (!) H K HEIUIO\^. IIOCAAHH HiE 10
HAHkh'UJE HCKATH OBp'kTO\'
K» Bh. Bp-kTHUlH BEHHliMHH-
CB-R H EM'uIE BE^liV^^V " ^^
OcHHO^f. RkSBpaTHUJE IKE
CE BpdTHiv ErO B CA'fe^N,' 15
ErO H MHOrO TAAUJE HA Hk 0 C-
EM' MHEl|JE H CHE CTBOp'lUA.
Ho TOM HIE MAYO\' OcHHA
A4 E;i,HHoro 0 HH\' oy-^p'jKH
t' CErC }KE OnoyCTHT' HT- 20
H Kk Oi;0\f; rAA\'0\' KO 'SKO Ol^k
ErO BEAMH AWBHTh.
(sequitur responsorium vv. 23 — 28)
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 33
Fol. 180a. Ilp-K^KA« ^f cfro
rAaAk Et Po^RHUij' 5
k' Kpt\THH c(superscr.)BOfH pr-
KH: J!i,A AH Hf P'^Yk K-
AM' H8 MOStTf CKP-
P^UJHTH KK OrpCl^-S H H-
c CAOYmacT« im«; c« k- 10
PHH(!) trO ß3HCK0y£T Cf.
Hk H BCH rAAAH K-b^Oy pfK-
oyni« : ;k,0CT0H'k (sie) ch'S rp^nii-
Mk, 'kKO ckrp'feujHYOim' b Kpa-
Tlv HLUfiuik; BHA0\'i4Je TO\*r- 15
c»Y ji,iui ero frA<i npoiuaujc
HH Hl cAO\'iiiaYoiui', Toro pa-
AH OEp'feTO\" HH CKP'bH CHf.
OcHHk }K.( MCp'/l,OBaB' E-
paTHK> CBOK» pfM« HMk : RpH- 20
BAHJK-kT« et Kk lUIH-K. IIpHEA-
H^KUJELI Cf hm' K H{M0\* PAA H-
Mk : aSk ECMk OcHHk EpaTk
Baujk jrojK« BH npoA^vc-
T( Bk GionkT'. Gen. XLV 2^) G( JKf pfKk H- 25
cnoycTH TACk c pa./VOc-
THK» H C nAAHfM'; CAHUJA-
HO jKe EH BCKiui' ewn'qiaHO-
1) Incipit textus prophetologii (Gen. XLV 2 — 16).
Archiv für slavische Philologie. XXXV.
34 Jos. Vajs,
°* M' H OifCAHlUaHO KH ß A'^'^^V
napaoHOB'k. [BparH-t :kc o-
CHnoBa Ht MO^Ka^OY Oßfuj-
aTH OcHRoy OBO :k( pa^oc-
THK» "Kko noBHauie h, obo jk- 5
( crpa^oM' 'kKO npo^amt h.]
5 PfHf :K< hm' OcHRk : H£ CKp'Kt:-
Tf HH H^tCTOKO BaiUl' 'KBA-
AH c( -kKO npo^acTt mc cIj-
MO, B 2KHB0T' BO HOCAa ME 10
Ell np'K^i, BaMH; 6 et ko BTopoe
AtTO raa^i* «ct' Ha 3mh,
H oip« npoMHy' n«Tk a-Rtk b'
HHY>KE H'kCTIi OpaHHli HH JKf-
TBH. 7 lik >Kf B HCTHHOy HOC- 15
Aa ME np'fe/k, BaMH ocraB-
HTH BaM' ccrantK' na 3mh
H np'kRHT'KTH BaM' OCTa-
HaK' Bf ah; 8 he bh rocaac-
TE ME CKMO HIi Bk H CTBOpH 20
ME tkKO OL^a RapaoHoy H ra
BCEMOY A^MOy ErO H KHE3-
a BCEE 3ME GlCRkTa.
9 nOTblJiaBUJECE oyKO b'3-
HAliTE Kh CU^OV HLUEMO\f H p'- 25
l^-kTE EMOXflCHl^E TAETK
CHW TBOH OcHHk : CTBOpHA'
ME ECT' Bk ra BCEE 3ME
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 35
Fol. 180c. d^tiiTa; chhah cyK^ k»^ mh-S
H Hf OCraHH 10 H ßCfAHlUH C-
c B 3MH HapHnafM-k 'ht-
cHiuit k' BwnT-s, EOVA^iu" ^-
( KAH3' MH-S TH H CH0B6 5
TBOH H CHOBt CHOBk TBO-
H^' H OBU,t TBO£ H HOyTA
TBCS H «AHKO ICT' TBOf-
ro 11 H np'KRHT'kK» T( Toy. 0-
i|je KO '£b- AtTb TAa^a c- lo
«rO fCT'. rioAkSH-K« >K-
E TH tCT' CHHTH Kh. MH'fe H-
€h;6 hctahth c( rA&ji,o-
MK H TfB-k H MfA^^^*' TBOHM'
H BCkM' COyilJtM' TBOHM'. 15
[Gt H;« pfKk PAA HMk] : 12 C( OMf-
Cd BAUIA BHA«T' OyCT-
A MOtC TAAUJA (!) K BAM'; BIi3-
B'kcT'kTf o^KC c»i;o\* HmMO\'
BCO\' CAABO\f MOK» COyilJOY 20
b' BnT-K (!) H fAHKO BH/k.tCTf.
IIoTklllABUJC Hie C( HH3B(A'^-
Tf c>u,A Hujfro ckMO. 14 Ge
ptKk HAHA/^E HA B H 10 ßcHH-
'KMHHA BpATpA CBOffO H 25
HAAKA et TOy. [BfH'-tMHH' Hi«
HAAKA C( HA BHH fPO] 15 H 0 k'-
A0KH30Ye OcHHk BCO\" Bp-
3*
36 Jos. Yajs,
Fol. 180a. ^rJ,^^^^ cboio n/xana et o hh\'\
Ho cfiui iKt B'srAame Epar-
H'k ero K HfMOY; 16 ii npoiuiKMf ce rn-
ack K ^^omoAf napaoHCK'K pa-
E : npH^oy KpaTHli ocHnoß- 5
a. Rspa^oßa TKt et nap-
aoHK H Bc« cao\'rn eroi).
BpaTHt 'A'x( ocHnoBa ok-
paLiruiE cf 0TH/k,0Y no racy* o-
CHROBOY H H^tvyOY Kk ou,o\- c- 10
BOfMOy H npHlLlk^UJf K HfMOY B-
SB-kCTHQJf CIUIO\f 0 OcHR'K,
H KaKO nOBfAlC CHHTH fMOV'
K' CtK'k Ca BCfeMH COlfUJHI^H
irO. Ouk JKf CAHluaBk 0 15
OcHnt B3paAC»Bt» cf pa-
AOCTHIO BfAHfK» 3liAC».
Gen. XL VI 12) H bsa^ht c( cam' h Bca c-
BO'fe H npH^e Ha CToyAfH'^U'
KAfTBkHH H nOIKp'R TO^ JK- 20
p'TBOy B0\- CIXA CBO«rO Hc-
aKa, 2 Gahuia jke h 30BOV-
IjJk C( HOLjJHIO Bk CH'b rAHM|Jk
eMOY : liKOBf, liKOBt; oh JKe
OBCLjJa EMOY rA£ : CE EClUk. 25
3 PfM£ Htf «luioy ßli : Hs' ecMk
Kp'knkK' Kk ciu,A TBOjro; m k-
OH et, H CHH4,H Bk 6nTk (!) b' p-
1) Explicit textus prophetologii; cfr. cod. S. Simeonis, p. 21— 22. Se-
quilar paraphrasis complectens vv. IT — 28 einsdem capitis.
2) Cfr. cod. S. Simeonis p. 22—23; repetitur textus prophetologii i. e.
vv. 1 — 7 capitis XLVL
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 37
Fol. 181a.
10
OA«^ Bf AH CTßOpOV T« K HfMh.;
4 a3 Hif CHHAOV C TOKOW TAMO,
H ask 0 TOVA^V npHß«A<>V '^^^
Bh3ßpai|jaicnJA cf. H Ochh c-
uHk TßOH bsaoh^ht' povu'k c-
BCH HA OHH TBOH. 5 ßcTAß'
JK6 'ElKCBIi 0 CTOVAfHU.^^ 1^'^^-
TßkHArO H BkSABH'^'^V C""
0B6 -kKOBAH HsTvA OH,A CB-
OfrO H JKfHH CBOe HA KCAfC-
HHU,AX' 'kKOJKC nOCAA OcHR'
BkSABHrHOVTH CK KCtlUlk
cTtn^AHHEM' (ro. Ehha« ^-
f 'BkOBK B BwRKT' CK BCÜmiK
HMtHHtim' CBOHim' fJK6 CT«- 15
JK« (sie) B 3UU jfAHAH'kHCU'K H BC-
E ckime tro m hhuji', 7 chobc «rc
H cHOBf cTiOB «ro, A^ipfp"
tro H A«4^^P" AfiPfP"»^ *'''^^)-
Bt >Ke H)^' dP H -Sh- c poAfipHM-
H ce b' BionT-K o Ochra. Gtb-
OpH Hif OCHRK AWKKB' KO\f 0^^-
OAHOY CK oiTesm' ch h ck bco\- m-
fAAAHio fro pAA^V^ ^^ ^ ""X-
H BCfAH i b' Bm-RT-S B 3MH 25
HApHU,A«IUlt "KfCHMli:. OkHT-
A B HCTHHOV liSAK B BlORT-fi
B' 3MH HApHU.AtM'fe lifCHM-
20
1) Explicit textus prophetologii; sequenti paraphrasi continentur omnia,
quae capitibus XLVII et XLVIII narrantur.
38 Jos. Vajs,
* t H ßAaA<»TH noMt fw; pac-
naoAH JK« ce h mho:kh ce ßt-
a'MH H >KH ß H«H ÄS. AtTh.
GxßopeHH h;c co^t' bch a"-
H H;HBOTa ero b- h •>• h oS- a- 5
tTk. 6rA<» >K6 BAHJKHTH C-
C BH/k.'feUJe A"»^ OVMp'THt C-
ßojro npH3BA CHA cBoero
OCHRA. PtHf JK£ K HfMO\- : Aljl-
E OEp'kTk liier' np-KA ^«H«- 10
MK TBOHM', nOAO^H pO\'KO\- T-
BOK> noA' KfAP*^V '^*^'^ " ^"
JI
TBOpHLUH Cbk MHOW LlCTIv.
H m rp-kBAH ma (!) b GtonTü, i\w
Aa CRAK» Ck OUH c(superscr.)BOHiuiH hs'- 15
HCCH U( H3' 3111« Cff H CKp-
HH MC B rpOK-fe BfljJKUJHYki).
OCHH JKf OBfLjJAB' 011,0^ CB-
OfMO\" pCHf : A3k CTBOpO\' C-
^Kf nOBfAtA' (CH MH-R OMf. 20
Oh JKf p(Mf fIUlC»\- : KAkHH Cf B H-
CTHHOy MH'K. 6mOV' JKf KA6B'-
ujoy ce noKAOHH et H3Ak rct\'.
Obpaijj' C( K AC»>KA 3'rAA-
BHK». Ocnn >Kt OTHA«. GhM- 25
H }Vi (MHH0VBUJHMH2) Bk3B'S-
qjfHO BH OcHROy 'RKO MASA-
uit et (?) c^K tro. Oh m;j nofiuik
1) Vulg. condasque in sepulchro maioncm meorum (XLVII 30).
2) Vulg. His ita transactis (XLVIII 1).
Die kroat.-glagol. Breviere a. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 39
Fol. 181c. ^ß^ j"fj„ cBO'fe MaHacHK) h
6np'kMa no^e (sie) k h«mo\-. PtHtHO
:Kf KH CTap'i^oy : c« cHk tbo-
H OcHnk rpiAfT' K TfK'S.
Oh }Ke o^Kp-kRH ce h ct^f H'* 5
AOJK'fe. H BUJb^UJCV K HEiuioy 0-
CHnO\" peMf : Bli BCEMCTH 1i-
BH Cf MH-k B 3MH ]C'»H<*H1v-
HCl^'K, BABH }Ki M£ H 0m( : 4-
3li Tf npHBaBAK) H O^MHOMi- 10
K> H CTBOpoy T( B AK>/l,H B-
fAH«, ;i,aM JK« (th superscr.) 3MK> CUM» H
CbMEHH TBOeUO^f nO TfK'b
Bli OKAACT' B'KHH0\'I0.
BaBH JKe llKOBK CHH OCHR- 15
OBa ManacHK» h Bnp'kima c-
BO't CTBOp'. 'fejKt H KlvCT-
a no OcHR'K crap'feHiija n-
AEMEHH CH. Gen.XLIXli). H npHSBaBk 'Hk-
OBI^ BC£ CHH CBOC pCM£ 20
HMk : 2 nc)CAO\'UjaHTE cTioBE
•kKOBAH CAOBrCk HsAA
oi^a Baujfro. 8 [lK';i,a >Kf ch-
E MOH, TIE( BC^BaAtTk
KpaTH-fe TBCb; po\'H,'fe TBO- 25
h Ha nA«nja\'' Bpar' tboh^',
H noKAOHfT ce Tee1v cho-
Be ou,a TBoero. 9 GKOvwfHk
1) Cfr. Cod. S. Simeonis p. 23; cap. XLIX vv. 1—2, 8—12, 33.
40 Jos. Vajs,
Fol. 18 Id. ^^i^ß^ß,^ Hw^a o A'kTopa-
CAH CHI MOH K3HA« ß'3-
Air'. Ilocna 'Kko Ah.Kh. » t.K-
0 CKOYMKH' AfckBOBI»; KTO b'S-
KOYAHTK H? 10 He OCKO\-A'ß«T' K 5
Hf3' 0 HhJAM "M KAA^HKa 0
BfApH ero, A*^"Af^* npH^-
jt' nH;e noiuAHM' «ctl, h tr
KO\f;i,eT' noHiHAAHH« Hapc»-
J^h. 11 lIpHBISd« AOSt JKptB- 10
( CBOf H p0^fMH^H AC»3'S OC-
AfTf CBOtro; HcnepfTk
bhhom' oa^JK^k» cboio h Kp-
BHK» rpo3A<>ßoV <»A'Shh* ^-
BC»6. 12 Kpam'ujH kta omh tr- 15
0 BHHa H 30BH (sic) 1) «PO MA'kKa
cB'bTA'kHiuH2). 33 IloHMaHMaH- (sie)
hmh3) JKf sanoB-kA'"^" 'Kko-
Bk HMHH^E cynaiuf CHH npo-
CTpk H03li CBOH Ha AO/Kt 20
0\'Mp'k H npHAOJKIH' BH K AIO^-
fM' cbohm'. Gen. L. 1 Hana^i^ JKt Oc-
HRiw Ha AHU,f oua CBOfrO
nAAMf H OBAOBHSa H. 2 SdR-
OBtA'^ >Ke OTpOKOM' CBO- 25
hm' EaAHM' A<* mact'mh n-
CMaSAAH KHUJ« Oll,A CBO-
tro; 3 HMHJKf sanoB-kA" "c-
1) Ol oJovTef.
2) Explicit textus prophetologii ; seqnentem v. 33 prophetologion iungit
capiti L, cfr. cod. S. Sim. p. 23.
3) Vulg. Finitisque mandatis (XLIX 33). GKK^HksaHHAAH? . . .
Die kroat.-glagol. Breviere u. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 41
Fol.l82a. HAiiHawijiHiuiHi) hsha^^V '^' A"">
CHi^k KO HpaBd K'bme Tpo\|^nk n-
omasaHHY'. FI/xaKa tks tro 6m>-
HkT' dP A""- 1 ^''A'* *'*^* nptHA-
c>\' A"H HAaMa raa Ocunk k c- 5
hahhm' napaoHCtßoy' rae : a-
ilje okp'Rt' mct' npIvAii anu^-
ein' BaujHM' ra'tTf Eh o^uih n-
apaoHa raiciije : CHi;e ratTh.
OcHnii : 5 oi^k moh saKae ui ra- lo
( : ce o\-MHpaK>. B rpoB-K ikc iuic>-
eiui' HC« (!)2) HCKona^' b 3MH ya-
KaH'kHcu.'E norpEBH me; » um
c\'BO no^'CTH Hilf A<* ia^i^A' "'5-
rpfBO\- OL^a tuioerc» h ßpaiijc^ 15
cf. 6 P(Hi 'iKi napaoH' OcHno\' :
B3HAH nOrpfBH OU,A TBO-
7 H BSHAf OcHHk norpscT'
oi;a cBOEro h b'3ha<?V ^^" 20
t m hhm' bcm orpcmi napao-
HOBH H BC6 CTap'KUJHHH ,\<>-
MOY^frO; BCf JK£ CTap-tLUHH-
H 3Me eWRTbCKHf, 8 H BCH ^0-
MOBHHl^H OCHHOBH H BpaT- 25
Ht: ero Toan BkCk a*^"^' »^lii-
a iro m hhm'. OcraBHiue ;k-
( POA«^ H CKOTH TOaH HO\fTa
1) Vulg. Quibus iussa explentibua transierunt quadraginta dies. (L 3).
2) recte hjke: Vulg. quod (sepulcrum) fodi mihi; cod. B !£'»' xw fxvTSfXBUo
42 Jos. Vaja,
B 3UH eicnkcut: (ae). 9 Hsh^ov »;e
UJ HHU' KOACCHHl^E H CHOVSHHl^-
t UH^rHC [corr. t H KH n^'K' ß«i\H B'SAO.
10 W^wm'xuii 'AHi Ha rovLiHo" araroßo, e^K« ec-
T' OK OHk noAk lip^aHa Bkna'-
CTKRUii cro naaMfu' beahe- g
U k 31EA0 H CTBOpHUJE EMOV HA-
aMk -Ä- ^HH H iö HOipH 11 Kh^'S-
KLUE JKE JKHTEAH 3UE yaH-
aHtlHCKHE HAaMk BEAH Ha T-
OlfMHli TCU p-feUlE : RAaMK REA- 10
H KT Eicnr'fcHELi' Ha roruHlk
araTOB'K, CEro pa;i,H nap-
•fcUJE HUE UtkCTOy Touoy [Ia-
aMk EicnTkCKH ect' OK oh' noA'
lip;k,aHa. 12 Gteophuje ovko iu- 15
Oy TaKO CHRE ErO, HKO'/KE 3-
anoRU^i,"*^ HUk. 13 IIphhecüje h
R 3U» Y'JM'iHli^HCKOV Rorpt:-
C E H K REipEpli COVroyKtH W-
»:e KOvriH flRpaau' r cte/K- 20
cJHHE rpoKa 0 BnpoHa y^teh-
cKciro K XerpohIv npl!MO A\-
aUKpHH. \i fjkr^r'.pjTH >t'.E Cf 0-
cHrik r' fiwriTK h KparHlc «ro
M KCM K?, kijj k ,v' m f H iij hhm' n- 25
orpECT oii.a Ero norpEKiii-
t M KäKpaTHIHE CE. 15 FiHAIJK'-
ijjE ;f.« KpaTHlJ ocHnoBa
Die kroat-güigol. Breviere n. d. Übers, der hl. Schrift durch Method. 43
FoLlS2c
•SKO C'VUp'K CIJ.I1. H\' p'KUJ« B CfK-
•t ; l^A KJKC BCnCUtHJT Oc-
HRK SACE^V* HlüOy H B3AJHH«U'
BSAJCT' HJUk BCa 3k.\J-
•t 1;;k« CTBopH\-ou' tuev. 5
16 II npHlUk4,lU£ Kk OCHHOV p-tUJf (U-
eV : OU.k TBCH 3.\KAf Ti RptLH;-
;i,i Hf^K« o\*up1i r,\s : 17 chu.« p'-
u.'feTe OcHnov : öaJ'+^a' H«npa-
B4,H H\'" H rp'S\'H M\*'. "K^KS 3k.\- 10
d CTBCpHLUf TtB'k: HHHE C\'K-
0 npHUH H£npjBA,H paEk Ea pa-
^H cu,a TBOtro c«: ^K« uh t-
BCH paEH. n.\aKa ^Kf ce Och-
nk CH r7\ hMjJ f U HUk K HfUCV. 19^) H p«M- 15
{ hu" : Hf BCHTf CS. E^H EC iCUh.
a3k: ^O BH cBfijjacTf c> uh'S b*
3.\c. Ek :Ki cBfijja 0 UHt: b A'^-
EpC. A'i ECV'AfT" •^KO H AH^'k^ np-
tnHT'^HH Ecv'AC'V'r ak^ah u- 20
H03H. 21 II TAa HUk ; Hl E0HT6 Cf. a-
3k np'fenHTlih? BH H A"^un B'^-
UJf H crT^KlUH ( H TAA HUk B Cpk-
HH. '22 II ;KHTk ÜCHHk A-^Tk b- H S-I
23 BHA'ti :Kf A'feTH fnp-^UCBH 25
AC TpfTarc pcAAi CH0B6 ;k-
t Uap\'HpCBH CHa UaHaCHHH-
a pCAHLUf c( Ha crtrHcv cch-
1) V. IS om.
44 J- Vajs, Die kroat.-glagol. Breviere usw.
Fol. 182d. n^^B^y 24 II pfMC Ochrk BpaTpHH c-
BOfH rAJ : a3k o^MMpa (sie); nocfeiiie-
HHJIUI JK« nOC'tTHT' ßACh Rk
H BkSBfA^T'' KH 0 3Ü( Cd Ha
3MK» fWJKe KMT Ci oi^eiui' Ha- 5
iuhm' Kh aspaaMOBk h HcaKOBK
H 'feKOB/X'. 25 II SaKAE OcHRk CHH
H3T\BH rae : b nocSipsHM hmhjk-
e nockTHTk bh rk bI^ b3h«c-
•kT« KOCTH lUlOf 0 COV^OV* C B- 10
aMH. 26 II oYMpt: Ocnnk bhb b h
■'S- A'kTk. IloAO^KHIiJE H B pa-
u,% norp'kcE h b' 6H>nT'R.
Prag, 27. März 1913. Dr. Jos. Vajs.
Das Martyrium des Basiliscus.
Von W. Lüdtke.
Das Martyrium des Basiliscus hat wegen der genauen Ortsangaben,
die es enthält, als Quelle zur Topographie des Pontus auch für den His-
toriker einiges Interesse. Schon Cumont i) hat hierauf hingewiesen und
bedauert, daß der griechische Text noch nicht gedruckt sei. Der latei-
nische Text, der in den Acta Sanctorum unterm 3. März (T. I p. 237flf.)
nach einer Handschrift von S. Maximin gedruckt ist, ist ausführlicher
(Bibliotheca hagiographica latina No.l021). In ihm nennt sich Eusignius
als Verfasser, der in dem griechischen Texte und dem aus ihm geflosse-
nen Codex Suprasliensis gar nicht vorkommt. Auch die topographischen
1) Franz Cumont et Eugene Cumont, Voyage d'exploration arch^ologique
dans le Pont (Stiidia Pontica. 2) Bruxelles 1906 S. 247 f.
Das Martyrium des Basiliscus. 45
Angaben stimmen in den Texten nicht überein i). Die Paragraphen-
Zahlen aus den Acta Sanctorum habe ich in meiner Ausgabe an den
Rand gesetzt.
Der Codex Monacensis gr. 366, nach dem ich den Text abdrucke,
ist von Ehrhard (Römische Quartalschrift für christl. Altertumskunde
und für Kirchengeschichte 11, 1S97, S. 123 — 127) beschrieben worden.
Martin Crusius hat ihn 1577 in Tübingen kopiert und sich auf Fol. 240
eingetragen; die Tübinger Abschrift hat die Signatur Mb. 12: vgl. W.
Schmid, Die griechischen Handschriften der Universitätsbibliothek in
Tübingen, Tübinger Progr. v. 1902, S. 2 9 f. Ehrhard ist geneigt, den
Kodex ins Ende des 9. Jahrhunderts zu datieren. Aber dieser Ansatz ist
vielleicht doch etwas zu hoch. Mir ist nur eine griechische Handschrift
bekannt geworden, die denselben Text enthält. Kirsopp Lake, The
early days of monasticism on mount Athos, Oxford 1909, S. 110 führt
aus dem Handschriftenschatze der Laura unsere Passio mit etwas ab-
weichendem Initium an: zaza rovg y,aiQovg Tfjg ßaoiXelag Ma^i-
{.iiavov . , . Nicht zugänglich war mir die Bibliotheca bagiographica
graeca^ No. 241 zitierte neugriechische Übersetzung (Agapios, Ka?.o-
xaiQivif], Venedig 1780, S. 62 — 65).
Die Münchener Hs., ein Lese-Menäum für den Mai, hat Basiliscus
unterm 22. Mai, während er nach dem Suprasliensis am 5. März, nach
dem lateinischen Kodex am 21. Juni gefeiert wird. In meinem Abdruck
habe ich nur einige unwesentliche Kleinigkeiten nicht notiert; den Zir-
kumflex der Hs. in Baatllaxog habe ich beibehalten. Vom Supra-
sliensis habe ich nur die wichtigsten Varianten angegeben.
(Fol. 101a) Iß' Mrjvl tö) civrip x/i' f.ic<QTVQLOV xov ayiov
ficcQTVQog BaaiXioy.ov.
Kaz' Ikslvov top y.aiQov Tijg ßaaiXslag Ma^tj-iLavoü rjl^s 1
diüdoxog JäaKli]7tiod6Tov eregog fjyefuov uvöuavi ^Ay^innag
5 xai aTtfiEL^) sig ttjv äraroXfArjv y^öjqav aQ^ai rovg ;^(>fc(JT<«-
vovg rov Trsi&eip ILgxe &vsiv avrovg rolg d-eolg. b de i^ia-
■AccQiog BaoüdOY.og rjv Iv Tfj cfvlaxi] -/.kakov y.cu TtQ0O8v%6-
1) Die Verwirrung ist darauf zurückzuführen, daß man das Doxi Xovuicclc
= Omala (9 km nördlich von Komana) in der Nähe von Amasia suchte und
unsern Basiliscus in Beziehung zum hl. Theodor brachte ; vgl. Delehaye , Les
legendes grecques des saints militaires. 1909. S. 202— 213: S. 42.
2j Ratid anr]Q%ETO.
46 W. Lüdtke,
fievog 'Jial UycüV 'Kvqu^) i.tvria&r]Tl fiov /.al cpaveqav rrV
kfiriv yiXfjaLP 7T0ir]00V, Yva /.li] xf^oQiaS^w twv ayiiov ctvdqwv.
•/.al d(pd-elg avrcp b -/.VQtog elTtev ^'Ei.ivrja0^r]v oov /mI %yqa\pa
oov To bvoua TtQO^) TÜv Gvv ooi i-iaQTVQiov GV de 6Xv7trjd-i]g,
5 ort eayÜTtog lxlri^r]g; ttoXIüv rtQoä^sig- all' aneld^iov ovvra-
^ai rotg avyyevsai oov /.al IXd-iov [laqrvqEi IvKo^iävaig' /.al
(Fol. 101b) [Cr] cpoßrid^fig ivxalg ßaoävoig f.n]öe riTzrj^fjg Iv talg
ansÜMlg^ oti eyio eifti fiera oov' auX ov ^irj oe dör/.rjoei (pößog
avd^qioTCov^ xoi b BaoiXloxog avaorag rcgoor^vlaro /.al eßlsTie 2
10 rag d^vqag Tfjg (pvXaKfjg ävEq)y{-iEvag. ojg öh OQ^-Qog eyeveto,
avaorag TiaQS/äleL rovg cpvXaoaovrag avrov ozqaruorag Xe-
yiov 'z/or£ f.iOL evöooiv^) «wg oXlyiov fjiiieQtop, OTtiog ajieX&iov
övvrä^w(.iaL rolg ovyyeveai f.iov Iv rtp xoiQuo Xov(.uaX(öv' xai
ro XoLTiov (fd^doco TtQog rov aXiqd-ivöv (.lov ovyyevia rov xi)-
15 QLÖv {.lov 'irjoovv XQioröp.' ol öh OTQaruoraL ecprjoav^] avrcp'
Zfi b AVQLÖg oov, ei /.li] eq>oßov[^ie&a, /a; (^ieXXi]g ovvröi.icog
eTTitrjrüod^aL^) Ttaga rov aq^ovrog, artsXvouev av oe.' b öh
äyiogBaoiXlo/og aiTtev avrolg'^zlEVTE ovv ädeXcpol f^iov, arckX-
&iüfiev bfiov jTQiv IX&elv eig Ko^iävav^) rov fjy€i.i6va' ol öh
20 orgaraorai ovvfiX&ov rip ayiio BaoiXto/o) y.al a/teXd^övreg
efieivav ovv avrcp ev rcp or/oj avrov. y.al Idiov"^) rovg adeX-Z
(povg '/al rr]v fir^reQa uirov TCaq^/äXei Xiywv avrovg' ^^E(.i-
^eivare Iv rfj Ttiorsi rov XQiarov y.al rrgooev^aoS-E Ttqog
y.VQiov ttsqI ef.iov, OTtwg rEXeicod^ä) Iv rf] b^ioXoyia ravrj}'
25 lyM yaq arCEi^n acp' vf-itov, /al ov/iri oipeod-e /<£ y.ara odQy.a.
ccTteXd^iov de rtQog /vqlov Ttqeoßevoo) vtcIq vf-iiov /al vrteg
oXov rov ed-vovg rCov %QLOrLavCov^ 'iva ro Xoittov Ttavorjrai rj
eiöioXoXarQeia rcop äaeßiov yal eXO-i] fj xäqig rov Xqiorov
eig Ttäaav rf^v yfiv^
;^0 'O de r\ye[dov'AyqlTi7tag eloeXd^MV eig rr^v ^A^iaoetov nö- 4
Xlv ovve/äXeoe rovg itqürovg rfjg TtöXewg. rjv de vabg dqxalog
*) Rd. Bvxi
2) Cod. nqiLW
*] Rd, elnoi'.
6) iniC^Tsla&at am Jld nachgetragen.
*) Der Akzent über o radiert.
■J) siö'üiy.
Das Martyrium des Basiliscus. 47
'/.alovi-uvog Ilizaaog ytal ereqog ^eqaitLiov ey/LOxa avrov'
xcu ^vGiav eftiTsleoag KrjTec tovg deafuüvag %QiGTiavovg.
körjlüid^r] de avT(p ra tibqI tov uyiov BaoiXiGAOV milevae
öe 6 r^yef.uov TraQaGTrjvai avrov -/.ul rovg aXXovg deGf.uorag
5 eig Ti^v TCÖXiv Ko(.i(xvav^) y.al l-/.el auvovg y.QLveGd-ui kiycov^ 5
iavTov räy^iov^) e/.7toQev£Gd-at ajib ^^f^iaoelag' slTtev de 6
fiye/.uüv Tcp (Fol. 102a) ^layiGTQiavcp /.cd rolg GTQarabraig'
^^eG(.iLov avTov ^laGTi^avTsg äyccyere.' ol de cciteX&övxeg eig
Xov/.iiala'^) Gvvelaßor top ayiov BaGillG/ov y.ai örjGavreg
10 ÖvgIv aXvGBGiv ejtoirjGav avrcp vrcoör](.iaTa -/.cu rjXovg ö^elg
IvknijQav eig rovg Ttööag avrov /.ai i.iaGrL^avreg avrov eitl
roGOVTOV 7]?.avvor Loore ra aif-iara avrov rrjv yfjv TtXrjQto-
Gai**) ecog rCov ÖGrecov avrov. roiavrag yaq rag naqayyeXiag
eiyov ol anoGraXivreg Traget tov f]ye^iövog Ttqog avröv.
15 MTtayöfxevog de ö iiäqrvg rov XgiGrou a7to Xovj-iiaXiöv 7
ercl rrjV Kof.iävav Iv TtoXXfj ßaaävo) wv rJQ^aro ipdX?.ojv b
ayiog Xiycov "Eav^] 7taQarci^r]rai t/i' e^ie Trage^ißoXrj, ov
(poßrjd^ijGeraL 'fj -/.agdiu f.iov. (Ps. 26. 3) v.vqiog e^ioi ßor]d-6g,
y.äyiü ert6ipof.iai rovg Ix&Qovg /.lov (Ps. 117. 7) KVQie b ^ebg
20 owGÖv fie Ix Grö^iarog Xeövrcov (Ps. 21. 22] -/.ai cpvXa^öv ^le
^erä rCüv ayitov gov.' riQOGev^a^ievov de avrov rjyyiGav eig 8
XCOQiov ^a-KotäqoJV x&qlv rov ccTtoG/iäGai iiiv.q6v rj de deG-
TtOLva rov x^^^Qiov '^EXXrjvlg tqv, fj ovof-ia Tgouivr]. k^eviGe de
rovg avdqag rovg TraQeiXrjfpörag rov ciyiov BaGiXiG/.ov ovrag
25 TiXeiio dey.arqelg' avrCov de eG&iövrcov ev rfj oiaia TtQOGedrj-
Gav rov ayiov Inl devdqov TtXarävov ^rjqov. e^ay/.oviG^itvog
u)V rjv^aro e^tl tioXv , -/.al oyXog Gvvrjx^^] nqbg avröv /.al *)
ev&eiog eyevero GeiGf^ibg xal r^y/jg wGre avaTtrjdfjGai rovg rtaq-
eiXr]q)6rag^) avrov Ix rov cpößov. eX^övrcov de rü)v oxXiov IQ
30 TCQog avrov Ttävreg l^evitovro ßXeTtovreg ro devdqov (pvXXoig
1) Akzent auf dem letzten « radiert.
3) Akzent auf i radiert und nicht wieder gesetzt.
4) nh,Qü>aui- die Nägel aber gingen hinein euis Svpr.; et intraverunt
clavi usque ad ossa pedum perforantes Lat.
5) Hd. si'XV-
^) Kd. nuqa'kaßoyxttg.
48 W. Lüdtke,
Y.ofxtüv^), OL TtQOByivcooy.ov avTo ttqo tcoXXov ^ijqöv yial Ttrjyr]
vöarog avfjXd^ev etog Trjg rj^iegag tavtr^g. ^etooi^oavTeg de ol
o^Koi TU d-uvi-iäaiu rov -/.vqiov ovvtd-lißov dlh]?Mvg, rig av-
Tov aipsrai^) rov y.Qaaiteöov. iöovaa^} öh fj öeortoiva rov
5 ywQiovto yeyovbg e/tiarevas rcj) y.VQio) avv ol(o rcp oiv.oi ca'rijg.
T^VEyv.av 61 -/.al daiuoviL.of^itvovg v.cu Id-eqcinev&riGav v.al
TColXa oriiula irtolEi^ /.aX Tiävteg eöö^a^or rov ^söp. aal ol
rov fjysi.i6vog eTtiorevoav reo '/.vqio) -/.al eXvoav avTov rCov
ÖEGi-iCüv. (Fol. 102b) ev-9-iiog öe rjXS^ev dyeXrj ßoCov tz tov oqovg w
10 y.(u TtQoaezvpr^aav avtip.
TleQiitciTOVVviov de avrwv ev rf] bötp Iv Ttavrl tötio) eyl-
vovro ai]uela öia rov ayiov BaoüJoy.ov 7tQoaevxof.iepov zai
Xeyovtog' "Ev Ttavrl rörcco Tfjg deoTioriag avvov evXoyei f]
ipvxrj f^tov TOV yvQiov.' (Ps. 102. 22) TcaQayev6(.ievoL de ev tlvl 12
15 7W(>/m TjS-eXov yevoaGd-aL yal MyovoLv auröj' '0dye, idov
yciQ TQirt] i]i.ieQa eariv, äcp^ tjg ovöevbg eyevaco^ b de /.lay.d-
Qiog elnev 'TD.rjQrjg eif.u^) d&avdTwv ßQiof.idTCüv ymI ovk
oQeyoj-iaL^) d^vt]rü)v edeG{.idrtov^). vf-iäg TQecpei dgrog, ef.ie de
Xöyog d^eov' vfiäg evcpQaivei oivog, e/^ie de i] xdQ^g rov dyiov
20 TtvevfiaTog' vf.ic(g eviaxvsi TQOfprj^ e/^ie de Xquorög' v^iäg x^Q-
TaLet y.Qea, ef.ie de euxar vf.iäg diavaTcavet ^Coa, Ifik de ö
XqiGTÖg' v{.ic(gayJ7rei iz-idvia, efie dh drA-aioaviny vf.ielg dydX-
Xeo-d'e yelcüTi, eyco de Tfj ipaXf.icpdla'^)' v^ielg Teg/teo-d^e XQ^~
Gcß^ eyu de Xqlgt(o^)' vnelg TcqoGdoy.ÜTe idelv dqxovra tcqög-
25 y.aiQov eyco de TtQOGdoy.Co ßaGi'Aea auoviov ovra' eqel^) b
y.ÜQiög f-iov devre ol evXoyr]i.ievoL tov Ttargog fxov, y.Xr]Qovo-
^itjoare Trjv r^TOiLiaGf.ievriv Vf-ilv ßaGiXeiav aTto KaraßoXijg
y.ÖGiWv' (Matth.25. 34.)
O&aGdvTcov de avTWV tT] ercavQLOV eig tyjv Ko(.idvav XL
30 1Y/.0V0V TtaQa TtoXXCov rag Tii.icoQiag, dg euoiei b f]yej.iiov Tolg
I) xojuiöi'iK, die letzten vier Buchstaben halb ausradiert.
2j Jid. hnilaßETcu.
3) Bidovaa.
*) Md. i 71 u(i •/(]}.
5) Rd. ovx kni&vuü).
ß) Rd. tQOCpüJl'.
7) xpcd/xoyö'ice ausradiert.
8j eyw öe Xinazo) am Rd. nachgetragen.
9) Rd. Xe'yei.
Das Martyrium des Basiliscus. 49
XQiOTiavolg. slael^iov de ö iiaytatQiavbg rrQogrovi]ys{.i6va eiprj
TtccQElvaL TOP BaGtXlGxov. y.cu lx€?.evasv b fiyeiuov eiaay-
d-fjvai avTov eig tov vaov tov ^ircölliovog v.ai &vGai' si de
fii] ^eX^G}], Gvvt6(.i(i) ^^avccTi^ avaXCoGai avröv. e^eXd-övteg öe
5 y.(XL Tvnxovxeg avxuv eXeyov '^EiGeXd-iov eig rov vaov S^voov.
exeXevGe yaq 6 riye(.uov i) d^vGavrä oe uTcaXXayfivai fj /o) S^iJ-
oavTÜ oe y.ay.(ög ccTCoS-avelv. Gxeipca ouv y.ad-^ layrov, ^iva /.irj
Tiaxiög ccTiod-civjjg äxQirwg^) mGrevcov eig rov (.li] bqio^ievov
-d-eöv^ b ayiog (.läqTvg eircev "Eyto olda ort b ei.ibg S-ebg Jtäv-
10 Toxe bqäxai Aal ecpoQä xovg a^Lovg avxov dovXovg. et de xd-
ycü GLyr]GCü, vrceq ei.iov eircäxioGav xa ^avi-iocGia xov d-eov
{.lov a eiüQcr/.aGiv (Fol. 103a) ev xf] bSq» ol ayayövxeg iie.^ ol öh
l.iex^ avxov GXQaxuoxat elitov ' iJXijd^Cog [.leyäXag övvä^ieig
el8oi.iev /<£r' avxoü ovxeg.'
15 Tovtcor öe yevoaevcov e^tjX&ov ol xtjg xd^ecog y.al eio- 15
riveyyiav xov BaGiXlay.ov Ttqog xov f^yei-iöva, y.al Xeyei avxo) b
■fiyeiubv '2v et BaGiXlGAog b 7teQifpi]fiog'j' b aytog eircev
'^Eycb eii.u.^ b rjyei^uov eircev '^Jia xi ovv ov ^veig v.axa xo
ßaGcXfA-ov rtQÖoxayi-ia-/ b ayiog BaoiXlGy.og eircev 'Tig goc
20 eircev oxt ov Mco', eyio rcävxoxe d^vco xco ^eco d^volav alve-
Geiog.^ (Ps. 49. 14.) o de v^yei-iLov äyovGag exaQ>j '^al eircev
'XaQig xolg eif^ieveGi S-eolg.^ yal eyyiGag b BaGcXlGy.og xcp
ßcoficp eircev xolg leqevGLV 'TL xo ovoiia xov S-eoü vficdv,'
OL de elrcov '^JircöXXcov.^ BaGiXLGy.og eircev "^H rcQOGr]yoQla
25 xov d-eov V(.udv xrjv drccoXeiav^) xCov rccGxevövxcov eig avxov
Gri^ialver rcäg yaq b rcLGxevtov eig avxov arcoXelxat eig xov
aiCovaJ' b fjyeadjv eircev ' ^JIolov ovoi.ia ey^ei b d^eog ov elrcag
S^vetv^ BaGiXlGyog eircev "'0 e^ibg debg ave/ApqaGcög eGxi
yal ayaxäXrjrcxog, ärceQLv6t]xog, äveydu yqxog yal aÖQaxog. b
30 fiyefiitjv eircev '^Tl ovv, ovofia ovy eyei b debg ov elrcag &v-
eiv^ BaGiXlGyog Xeyet' "^Ta ev xfj S-ela ygacpf] e^upeqo^ieva
dvöf-iaxa xov ■&eov uov, ei yeXeveig, Xeyio.^ b v^yeiitov eircev
'udeye dcpößcogJ' BaGiXlG/.og eircev ^IlaxljQ yaXeXxai yal rcav-
xoyqäxcoQ yal y.vQiog yal debg yal rca^ißaGiXevg y.cu y.vQiog
1) axexfjac — «xpiTWi- om. Supr.
2) anöX'kü} Nebenform von hnoXlviu: Vogeser, Zur Sprache der grie-
chischen Heiligenlegenden, Diss. München 1907. S. 1".
Archiv für slavische Philologie. SXXV. 4
50 W. Lüdtke,
^aßaiod- -Aal Jäöcopa'i^) /.ul oiorrjQ /.cd eÜGTtlayxvog -Kai oix-
'viQi.ivjv Kai kX£ri(.uov yial f-iaKQÖd-vnog /.cd iroXveXeog. tovzm
lyio d-iiLo ^voLCiv alviasiog.^ b fiyei-iiop UTtEV * OYct) ^eXecg
^ecpj i-iövov S^vaov -/.ul uitciXlc('§ov fjinäg tr]Tr]i.iaTog. ov yccQ
5 e/lrjd^r^g cptloaog)elr.' Baaillazog elTtev ^ÜQÖaexs Tt^v d^v-
oiav i^iou.' -/.cd öiaTtetdaag zag /«r^ag sig rov ovqavhv eircev
''02) d-ehg b 7iavToy.qäzcoQ b f.iuvog uyad-og /.ul eva/tlccyxvog,
b ircay.ovLov Ttävrcov rCov Iv ah^d^eia ool dovXevdvriov^ öel^ov
■/al sig 6/<f, TOP uvü^lov öovIöp aov, TrjV oijv aycid-6Tr]Ta, b
10 Ttoirjoag rov ovqccvov^) v.al /.lOQcpioocig avthv eiy.oi't ayicx aov,
b E(.iTtvEvoag fif.ilv 7ivev(.ia ayior aou y.vQie 'lt]aov Xqiaze,
eTCÜy.ovoov tf^g cpiorfjg f^iov xal y.iviqoov rov avciiGd-rjTOv yal
v.io(pov uvÖQidpva rovrov '/.cd Qfj^or ccvrov y.cd ovvrqupov y.ai
SiaayÖQTCiaop ccvröjv ttjv f.iic(Qäp d-vaiav^ yal dsl^ov avrolg
15 OTL oh ei ^ebg ^löpog, cpavtqcoGov (Fol. 103b) eig e^ie Trjp dvva-
f.iiv rfjg d-eÖTYiTÖg aov iv rfi äqcx tuvvri^ yal eu-d-icog Ttgoaev- 16
^ccf^iipov avTOV /.ccTfi},d-e tvvq ovqavöd-EV yal epsTCvqiae top
vc(up ycd TOP ipsvöiowj-iop avrüp S-eov Ertoir]öEP cogeI ipuf-i-
liop Ietitöv. idtov^) Öe b fjyEiitüp scpvyEP e^co, yal Ttäoa f]
20 Tcö}.ig ETuqäyßi] utto rov cpößou rov yspouepov. e^ielpe Öe egco
b aytog ipct'/.lcop yal kEytop' ^JäpaGTrirco b -S-EÖg, ycd dic(G/oq-
TTiGd-^TCooap Ol iy&qol ctvrov /cd rpvyETcoaap ano TtqoGÖiJiov
avrov OL fiiGovvTEg avröp. (Ps.67.1.) nvq Iviuttwp ccvtoü Jtqo-
TtoqEVGETcii yal (ployiel yv/lco rovg ex^qovg uvrov." (Ps.96.3.)
25 ycd eIuev b riyEf.uov rov utcogteIXcu GTqaruorag /cd t/ßakelp
avrop £■/ rov paov • ETtay^d-wg yaq Eßqvxs rovg odovrccg yccr'
avToü. /cd eItcev Ttqog avröp' '^MTtoPEVorif.iEPE y.cd isqöovls
yal 7täGt]g rijg riov d^eCbp EUj-iePEiag cV/.körqiE, ötu ri alXcog
ElTtag yal aXXcog ETTolrjaag', sleyEg d^VELV yal uvrl rfjg S-vGiag
30 T^ (.layeici gov itvq nqoorjPEyyag rcp pacp ^) yal rov S-eop r^xdiv
EPETtvqiGag. yal eI /.li] )]g {.läyog^TtccvTcog log r^j-iäg av ro nvq yar-
EcpAE^ev eI /f/; ecpvyo^iEP^), /al ge er/s yavoai svdop {.lEipapra '
1) xcd yldioi'uC om. Siqjt:
2) Rd. Ev-xi.
3) ovquvoy] Menschen Supr.
5) TOllll! J'«Ol||l|l|.
C) ecpvywf.iEi'.
Das Martyrium des Basiliscus. 51
aX)! e^ieivag üTtad^r^g (vdov u)v tov rcvQÖg. vvv bf.inX6-/r^G6v ^loi
T« Ttegi rfjg (.layeiag aov /.al TtqoöEkd-tov d-voov y.cd mcoXvto 17
öe. Ei de ov ^Elr]g, ovi>t6u(i> d^uvärdj TtuQctöidCi) ae/ 6 aytog
BaoUlo/.og eiTtev ^ Ov d^vio y.ißörjXoLg zcu dipvxotg, uX)M rcp
5 S^ecp i-iov Tcp £v rolg ovqavolg d-voiav alveoeiog. ra dh or^(.iela
tov TivQog uTceq eidsg xal aXla jtXsiova noiCo iv övö(.iaTi
rov TtatQog -/.al vlov '/.al aylov Ttvevi.iarog!'
Qv^i(o&£ig de o fjy£f.uop exslsvoev avrhv uitoY.EcpuXia-
d^fjrai,. u/tfjyayov dh e^co Trjg nüXuog y.cu aTC£y.e(pc'cXiaciv av-
10 TOP ') eig xÖTtov Xeyöfiei'ov zlLOOyMqov. b de fjyeficüp eKiXsvas 19
ro oüf.ia avrov Qirpfjvat slg tov 7torai.i6v. tovto öl eXaßov
OL GTtovduloi xQiaviarol Tiaqa tov GTrexovXuTOQog öeöco-AÖTsg
avTc^ TQidy.ovTa xQvalvovg, xal or/odöiu^oe to f.iaqTVQLOV ccv-
Tov Maolvog xig yQiotiavog iv Kof^iüvaig. yivovTai öh dvi^d-
15 i-Uig TtoXXcu Iv Tio TÖTto) l'/.sivo), /.cd Ttäi'Teg ol drcoXavovTeg
TÜiv oi]f.i6Uüv öo^dtovGt 7iaTeQu -/cd vlov /cd ayiov jxveviia'
vvv /cd del /al eig tovg alCovccg tCov cdc'ovcov di-iriv.
Das Yerhältnis der altkircheiislaYischen Übersetzung
zu diesem Texte.
Da wir, dank sei es dem Interesse des Herrn Bibliothekars Dr. W.
Lüdtke, in der Lage sind, abermals einen griechischen Beleg für den so
wichtigen Codex Suprasliensis zu liefern (vergl. Arch. XV. 321 — 337,
XVI. 140—153, XVm. 138—192), so möge mir gestattet sein, auf das
Verhältnis der slav. Übersetzung zu dem hier abgedruckten griechischen
Texte etwas näher einzugehen. Im Ganzen muß man sagen, daß die
slavische Übersetzung wirklich aus einer griechischen Vorlage, die die-
ser griechische Text sehr genau wiedergibt, geflossen ist. Die Über-
setzung stimmt zumeist ganz wörtlich mit dem hier gegebenen griechi-
schen Text überein. Kur selten begegnen kleine Abweichungen, die
meistens aus kleinen Auslassungen im slavischen Texte bestehen. Noch
seltener sind Verschiedenheiten in der slavischen Wiedergabe des grie-
chischen Textes , wobei wenigstens an einer Stelle die slavische Über-
setzung eine richtigere Lesart voraussetzt, als sie der hier gedruckte
griechische Text bietet. Bei der nachfolgenden Kollation lege ich den
kirchenslavischen Text der akad. Ausgabe Severianovs zu Grunde, wo
1) hinter aiTof eine halbe Zeile radiert.
4*
52 "V^- Jagic.
fol. der Handschrift und die Zählung der Zeilen gegeben ist. Darnach
steht der slavische Text auf fol. S (das erste Blatt des zweiten Quater-
nions) bis fol. 12.
fol. Sr. 18: Mrirl tm aurcp y.ß' : WkcMl^A lUiapTa KT»- r;l,fHb.
Ausgelassen ist in der Übersetzung i^iaQTVQog.
fol.Sr. 20 — 21: Jioy.hj/tuedÖTov : kt^ acKAHnHW/i,a M'Sctc».
fol. Sr. 23: aq^ai rovg xQtGTLavovg tov jreid-Eiv ügte d^VELV '.
npUBfCTH KpkCTHßH'kl JKph,TH.
fol. 8v. 1 — 2: 7TQ0 rCov ovv aol iiaqrvQiov : C'K c;riijthTmh
Ck TOKOKR npkKOie lUlJRHf HMKU (scheint richtig zu sein, griechisch
etwa so: iiEza tiop ovp ool TtqötEQOV oder nqCoxov ovtcov ftaQrvQcov).
fol.Sv. 4: TtoVuov TtQoae^sig : uix MH03liYT^ CTap'feH K;F»^emH.
Freie Übersetzung, das zweite lautet nc»yc>AHBT\ ca.
fol.Sv. 7: [.ir]de fjTT)j&j]g Iv aTteÜMlg: diese Worte sind in der
slavischen Übersetzung ausgelassen.
fol.Sv. 10: to'ccarag 7tQoai]'0^aTo: das erste Wort fehlt in der
Übersetzung.
fol.Sv. 17: Zf] b y.vQLÖg aou: die Worte fehlen in der Übersetzung.
» » (i /<^ hpoßovfieO^a: in der Übersetzung als unab-
hängiger Satz KOHiui'K ca.
fol.Sv. IS: luj ^lü^h^g auvToi-iwg €7titif]T£lG-d-ai 7taQcc rov aq-
Xovtog'. slav. Übersetzung anders: ijs^ä B'kCKop'S HaMbH;f^ HCKaTH
TfGf (HaMKM;^ steht hier wohl für HankHA^TT».); HaHkH;i^T'K HCKa-
TH TfK6 ist aktive Ausdrucksweise für /</) i^ie?yh]g eiti'CrjTela&ai; der
Ausdruck Ttaqa rov aq^ovrog ist in der Übersetzung ausgefallen, eben-
so der ganze Nachsatz: airelvonev av ae.
fol. 9r. 9: ^e^arcitov \ Gfpa4>niun\, die griech. Worte h/yiora
avrov beziehen sich auf ^EQaTtiwr, die slav. Übersetzung aber bringt
OH'k 7\{t EAH3'K i€ro mit d-voiav IniiElf-oag in Zusammenbang.
fol.Qr. 10: nach ICrjtEi : HCKaaiiiE, fehlen in der Übersetzung die
Worte Tovg öeoi-uoTag xQioriavovg, lörfLto&i^ de avTco ra tteqI tov
aylov Ba(7i/j'o/.ov, es steht nur t'Rli ßacHAHCKa, wo der Ausdruck
TlvM nicht ganz klar ist.
fol. 9r. 13 — 14: yltyco^' tawov rcr/iov ly.rroQSVtod^aL : yCT'kiiJf
RO CKOpo OTHTH (als Wäre es im Griechischen IßovlsTO yccQ r. ly.Ti.).
fol. 9r. 17: eig Xovf^iialü ist in der slavischen Übersetzung weg-
gelassen.
I
I
1
Das Verhältnis der altkirchenslav. Übers, zu diesem Texte. 53
fol.Dr. IS: nach ö^aavrsg : CKßASAß^iut fehlt in der Über-
setzung das folgende dvolv aXvaeoLV.
fol. 9r. 19: im Griechischen ist viioöri(.icczc(, im Slavischen Singular
OHO^iUT/i;, und im weiteren Verlauf statt hirciqqav eig tovg rcööag
avxov steht in der Übersetzung: ß'KHOSHiiia BT», ohoylut;r, also
sig TU vitodrif.iata-^ nun folgt in der Übersetzung: H CKCYin* h (also
y.al VTtedrjaav avTÖv, das im griechischen nicht vorhanden ist).
fol. 9r. 22: für Tth]Qidoca steht im Slavischen ein präziserer Aus-
druck nOAHiiJTU. Der im Griechischen nachfolgende Satz ew^^ rüi^
öarecov avvov lautet in der Übersetzung vernünftiger: rBOSA""' KO
ßTs>HH;i,C>iiJa ;\0 KOCTH icrc» , d. h. rjXoi yc<Q dorild^ov 'kog tüv ÖG-
rhov avToD.
fol. 9r. 26: ä/io Xavi-iialiov ist unübersetzt geblieben.
fol. 9v. 4: fehlt in der Übersetzung der Name z/cr/.o'CäQcov.
fol. 9v. 10: für i/tl devdqov TtlaTc'd'ov lautet die Übersetzung:
;i,;i^B'R aBopoBti, also depdqov wird durch a^gt* und itlchavog durch
aBOpi». wiedergegeben.
fol. 9v. 10 — 11: das Partizip e^ayxovia^ievog üv wird verdeut-
licht durch onaKTki n;£ ct»j CKBasaHT*, umgekehrt steht 17 für zwei
griechische Worte (fvlloig '/.oi^iCov der eine slavische Ausdruck okahct-
BkH'kB'ivUia (sc. A'^Ka).
fol. 9v. 18: Ttiqyi vdarog: in der Übersetzung nur TcTOMi%HHK'k
(bc^'ki ist ausgelassen).
fol. 9v. 19: vor ecog xrig fji.ieQag ravvrig steht im Slavischen lecTT^
',i\( H {eOTt de '/.eil).
fol. 9v. 22: statt rov y.qaOTzidov steht in der Übersetzung K'k
ffmov (d. h. avTov).
fol.9v. 24: für ro yeyovbg steht iu der Übersetzung BikiB'LiiJEie
MOVfAO (d. h. zugefügt noch or^i.islov).
fol. 9v. 26: \i?i.(t\i dciuiovi'Coi^ih'ovg (b'^cäuitä/ä ca) folgt in der
Übersetzung noch K'K HfiuiOV' (d. h. itQog avtöv).
fol. 9v. 28: bei ol rov r^yei-idvog steht in der Übersetzung noch
CAOYr"Ki [uireQiTCd oder didycoroi, dovXoi).
fol. lOr. 6: zrijg deoirotiag fehlt in der Übersetzung.
fol. 10 r. 13: fehlt die Übersetzung der Worte: -/.cd ovy. dQiyoi.iat
d^tn]zCüv lÖ€a/.ic(Tcov.
fol. 10 r. 18: im Griechischen nnv X^iarög, in der Übersetzung
54 V. Jagic,
fol. lOr. 24: aWoviov ovra : die Übersetzung gibt B'KHkHaaro
(also Tov auoviov).
fol. 10 r. 27: das Zitat hat im Griechischen noch die Worte aiio
'/.ataßoXfig y.öo^iov, die slavische Übersetzung des Zitates bricht vor
diesen Worten ab.
fol. 10 V. 6: im Griechischen e^el^övreg, in der slavischen Über-
setzung H3E(j!i,^iut (d. h. e^ayay6vT£g).
fol. 10 V, 10: dxQiTwg TriOTSVco)', die slavische Übersetzung nur
B'kpcvfA.
fol. 10 V. 14: ä^iovg avrov dovlovg, das letzte Wort in der Über-
setzung weggelassen, im nächstfolgendem Text ist v;teQ If^iov richtig
auf unävioouv bezogen, in der slavischen Übersetzung dagegen auf
(ji.yr]ocü : noMAkMA^ C(K( pa^M.
fol. 10 V. 19: ^isT avTov orrsg . in der Übersetzung Ck liUWh.
H/V^iLLiTf (d. h. EQ%6nevoi). Im nächstfolgenden steht tovviop de yt-
vofxipiov, in der Übersetzung aber CHiu' iKf rAaro/\;¥»iiJTfrjnv (also
Tovvcov de leyövTcor).
fol. lOv. 20: e^fiXd-ov oi Trjg Ta^ecog /«} uoi']veyy.m> tov Baoi-
Xloy.ov TCQog tov fjy6i.iöva, in der Übersetzung anders: npHUJE^'kUJE
no/MiJÄ cacHAHCKa h BhB(;i,omÄ h k'k KoieBO^'fe.
fol. lOv. 23: 6 ayiog: in der Übersetzung CH'K JKf, ebenso ib. 25.
fol. 11 r. 1: Tip ß(.o(.i^} : K'K Kpa^'S, bezeichnende Übersetzung.
fol. llr. 13: dem Infinitiv ^veiv entspricht Präsens JKkp;5\.
fol. llr. 19: ist /ml Jiidcovai in der Übersetzung ausgelassen.
fol. llr. 21: in der Übersetzung fehlt der Ausdruck für /.cd tto-
Iveleog.
fol. llr. 23: nach ■i.SE;?;^" h^^ct^ {ccTTcclla^ov fji,iäg) ist die Über-
setzung von tt]Ti]naTog ausgeblieben.
fol. 11 V. 2: ist in der Übersetzung CTj.TBOpHß'KiH HACßliKa rich-
tiger als in dem griechischen Text 6 Tioirioag tov ovqavöv (wahr-
scheinlich in der Abbreviatur mit avd-qiOTtov verwechselt), der nach-
folgende Satz zeigt, daß hier vom Menschen, nicht vom Himmel, die
Rede ist.
fol. 11 V. 3: 6 ei^iTtvsvaag wurde als Aorist dg tviirv. aufgefaßt
und durch HHif B'K.a.Sh;^ übersetzt.
fol. 1 1 V. 21 : Tovg ex&Qovg avTOV ist nicht richtig wiedergegeben
durch Bpar'Ki cboa, statt Bpar'Ki i€ro, so lautet das Zitat aus dem
Ps. 96. 3 in allen alten Texten der kirchenslav. Übersetzung.
Das Verhältnis der altkirchenslav. Übers, zu diesem Texte. 55
fol. 1 1 V. 25: fehlt die Übersetzung von y.ai hgöaule.
fol. 12r. 1: nach f.idyog : batiJCBT\ folgt im Griechischen der un-
übersetzt gebliebene Ausdruck TtavTcog.
fol. 12 r. 3: für th/e y.avoaL lautet die Übersetzung einfach: Gid
nO/KfrATv und in der nächsten Zeile ist arta&rig umschrieben durch
HHHIiCO^K£ npHJ€MTv ßp^t^^a.
fol. 12 r. 8 — 9: ist ciyiog vor Baoilioy.og unübersetzt geblieben.
Das Adjektiv y.lßSr]?^og wurde als Substantiv durch KO^MMpiv (Dativ
KOYrmHpfyk) übersetzt und das nächste Adjektiv uipv^og ohne y.al da-
mit verbunden (UfSAC'V"''^"'*''"'^''^)-
fol. 12 r. 12 — 13: nach TrAs/oj/a : KOAbUiH folgt in der Über-
setzung noch cn\"K [rovvcov)^ und statt noiCo steht in der Übersetzung
das Futurum CT\TKOp;R.
fol. 12 r. 19: das Adjektiv a/rovdaloi, das vor xQiariavoi steht,
wurde unübersetzt gelassen.
fol. r2r. 21 : das griech. Wort to (.laQxvQLOV im christlichen Sinne
für die Stätte der heil. Reliquien gebraucht wurde durch u,p'KK'Ki (Ak-
kusat. upTvK'Kßf) übersetzt.
Ich will noch erwähnen, daß die Zitate aus der heil. Schrift mit der
vorhandenen alten Übersetzung nicht immer wörtlich tibereinstimmen.
Abweichungen fand ich Ps. 117. 7 in alten Texten ß'KSbpJÄ Ha Kpariü
MOi/Ä, hier fol. 9v. 1 oyskp/^?; Bpariü mO/ä; Ps. 102. 22: ßk ßkC'KX'T».
MlvCT'lvYT». »€ro KAarocACKfCTKHTT». A'^V"^'* ''•'*^'^ rocnoA«»
fol. lOr. 6 — 7, dagegen in alten Psalmentexten: Ha ßkCKKOMk m-kCTt
KaaA'kiHkCTiu i€rc> BaarocAOßfCTßH ji,. u. r.; Ps. 93. 3 ornk
np'K^k HHiin», j^A noH;i,fTTv fol. llv. 20, in alten Texten: crHk
np-k^'k HHMk np-k^-kHAfTTv. Endlich Matth. 25. 34 npH^'STf:
hier H/i,'kTf, Hac/X'^^OYKTe (oder Haca'bA"T'0- l^ier npHiLiliTf.
V.J.
Slayiscli (j)utro, (j)ustro.
Die Tatsache, daß neben gemeinalavisch-- w^ro, /«f/'o »Morgen«
vereinzelt auch Formen vorkommen, die ein ustro^justro repräsentieren
(abg. za iistra = za utra > morgens«, bulg. dial. zasfra »morgen«, poln.
56 V. d. Osten-Sacken,
alt j'ustrzenka »Stella matutina« usw.), ist, wie Berneker Et. Wb. s. v.
j'utro hervorhebt, von den Etymologen meistens nicht beachtet worden.
Es ist darum auch begreiflich, daß man vielfach aus lautlichen Gründen
daran Anstoß nahm, utro, juiro mit lit. auszrä, lat. aurora »Morgen-
röte« usw. zu verbinden und anderweitige Anknüpfungen für das Wort
suchte, die teilweise a priori auch ganz annehmbar erscheinen. Anders
aber gestaltet sich die Sache, wenn man der zwar seltenen, aber doch
nicht weg zu interpretierenden, Nebenform mit -str- die gebührende Auf-
merksamkeit schenkt. Der Kernpunkt der heute zulässigen Frage-
stellung ist der: wie erklärt sich das Nebeneinander von utro und ustro ?
Daß letzteres zur Sippe idg. *awe5- »leuchten« gehört, kann kaum bezwei-
felt werden und wird hier im folgenden als Tatsache, die keines Beweises
bedarf, angenommen werden. Ebensowenig kann man den Zusammen-
hang der beiden Formen miteinander leugnen.
Bevor ich meine Ansichten über die lautliche und psychologische
Entstehung der beiden Formen darlege, möchte ich vorausschicken , daß
ich die Doppelheit w-, ju- im Anlaut für bedeutungslos für die Etymo-
logie halte. Man könnte ja daran denken, nur u- für den lautlich be-
rechtigten Anlaut zu halten , und das ju- dem Einflüsse der zwiefachen
Lautgestalt der Partikel ju^ u »schon« oder des ebenfalls mit utro,
j'utro von mehreren Forschern verbundenen abg. Jug'b »Süden« zuzu-
schreiben; aber die Einmischung solcher Worte erscheint mir doch un-
nütz. Man kann ebensogut unabhängigen Sandhi annehmen. Der älteste
Anlaut ist ti- aus cm-. Bernekers frühere Ansicht in I. F. X, 156, daß
u- auf *ö^j?- und jM- Siui ^cm- zurückgehe, ist mit den Ablautsverhält-
nissen der Sippe unvereinbar und scheint auch von Berneker selbst auf-
gegeben worden zu sein.
Als Grundform von ustro setzt Berneker Et. Wb. *aus-ro- an, wie
er auch abg. hystr^ »verschlagen« ksl. »schnell, rasch« (s. v.) auf uridg.
*h]ms-ro- zurückführt, während er I. F. X, 15G als zu erwartende Ent-
sprechung von lit. auszrä, ein slav. *uchrOj *juchro angenommen hatte.
Ich würde in historischer Zeit für '^ausro eine Form *uro erwarten mit
einer allerdings wahrscheinlichen Zwischenstufe *uc/iro.
Die beiden Beispiele uatro und bystr^ genügen m. E. nicht, den
Lautwandel von uridg. -sr- zu slav. -sir- nach denjenigen Lauten, die
vor Vokalen ein ursprüngliches -s- in slavisch -r/i- wandeln, im ge-
ringsten wahrscheinlich zu machen. Bei hystr^ ist es, da Bernekers
Etymologie durchaus nicht die einzige mögliche ist. nicht einmal sicher,
Slavisch [J]utro, {j]ustro. 57
daß ursprüngliches postvokalisches -s- oder sogar tiberliaupt vorsla-
visches -s- vorliegt, wenn letzteres allerdings auch wahrscheinlich ist.
Da slav. -str- die verschiedensten uridg. Lautgruppen repräsentieren
kann, stehen zur Erklärung von hijstro Tor und Tür offen. Es könnte
z. B. '^bhüd-sro-^ *bJmd-tro, *b/nid-stro- zu abg. h^deti »wachen«,
h^dr^ »munter« usw. oder *bJmg-stro-, bJmk-stro- zu lit. bü-gstu bügti
»fliehen«, baugsztüs »scheu, furchtsam«, buldüs »listig, schlau« vor-
liegen; bei Anerkennung von Bernekers Etymologie kann i!ro-Suffix an-
genommen werden.
Nach fo, 2i, ^, y, u, S aus /-Diphthongen, r, k ist -s-, soweit Bei-
spiele vorliegen, nur vor Verschlußlauten erhalten, vgl. z. B. x\\%^. pry~
skai' »spritzen« neben ksl. prychanhje »das Schnauben« ; sloven. pesta^
'poln. piasta »Stämpfel« neben czech. jySchoi-ati »stampfen« ; abg. krasta,
russ. horösta »Krätze« zu mndd. liarst »Rechen, Harke«; abg. bhtvo
»Flucht« aus *heg-stvo zu bSgnoti »fliehen, laufen«.
Vor Nasalen liegen uns die beiden Worte abg. 6r^n^ »schwarz« =
preuß. kirsnan ds. und abg. luna »Mond« = preuß. lauxnos »Gestirne«
vor, aus denen wir schließen können, daß diejenigen Laute, die ein
antevokalisches -s- in -cli- wandeln resp. mit dem -s- zusammen zu -cli-
werden, auch dann, wenn auf das -s- ein Nasal folgt, den dentalen
Sibilanten nicht intakt gelassen haben. Sie dürften ihn zunächst in der-
selben Richtung wie vor Vokalen verschoben haben und haben ihn dann
an den Nasal assimiliert mit nachheriger Vereinfachung der Geminata.
Ob dieser aus -s- verschobene Laut vor seiner Assimilation dem histo-
rischen -cIl- phonetisch nahe stand , wird sich kaum feststellen lassen.
Da Gutturale außer in besonderen Fällen [prysnqti »spritzen« aus
*prgsknoti^ tSsm »eng« aus *tesJcm usw.) vor Nasalen erhalten bleiben,
können wir vielleicht denken, daß der betreffende Laut eher ein Hauch-
laut als ein gutturaler Spirant war. Der Einfachheit halber können wir
diesen Laut -ch- schreiben , Avie auch Berneker s, v. öwm für urslav.
*dh7'm die Vorstufe *dbreIino annimmt, denn um ein ideelles -c/i- han-
delt es sich jedenfalls.
Vor Liquiden scheinen Beispiele für die Behandlung des -s- nach
den betreffenden den Wandel zu -c/i- veranlassenden Lauten zu fehlen.
A priori ist es unwahrscheinlich, daß diese Behandlung derjenigen des
-6- vor Verschlußlauten gleich gewesen sei im Gegensatze zu der Be-
handlung des -s- vor Nasalen. Ohne zwingende Beweise kann man,
scheint es mir, die erstgenannte Möglichkeit ablehnen. Auch das ist
58 V. d. Osten-Sacken,
unwahrscheinlich, daß -sr- schon zu -str- geworden war, bevor die Ver-
schiebung des -s- nach -c/i- hin einsetzte. Denn die Anfänge des letzt-
genannten Wandels waren zweifellos uralt, und sie werden ja auch von
vielen Forschern mit dem arischen Wandel von -s- zu s in Verbindung
gesetzt. Es ist kaum zu denken, daß der dentale Sibilant in den be-
treflfenden Stellungen noch intakt war zu der Zeit, als das sonstige -sr-
zu -sir- wurde, ein Lautwandel, der zwar urslavisch ist, aber mit der
gleichen Entwicklung in einzelnen anderen idg. Sprachen schwerlich et-
was zu tun hat.
Also ist anzunehmen, daß ein *ausro- zunächst zu *uchro mit
ideellem -ch- und dann weiter zu *i(7to, *uro geworden wäre^).
Die Form ustro kann m. E., wenn sie überhaupt eine ursprachliche
Form fortsetzt, lautlich nur auf *cmstro- zurückgeführt werden. Die
Existenz eines ursprachlichen fe?-^ /r-Formans neben dem in lit. cniszro,
griech. ayxauQog »dem Morgen nahe«, ai. tisrä-h »rötlich, morgend-
lich« usw. klar vorliegenden r-Formans scheint bei unserer Sippe durch
lat. allster Gen. ausin »Südwind«, aisl. cmstr »Ost«, ahd. östar »ost-
wärts« usw. festzustehen, wenn auch die Abgrenzung der beiden For-
mantien gegeneinander nicht immer leicht ist. Die Substantiva in der
Bedeutung »Frühlicht, Morgenröte, Morgen« von unserer Wurzel schei-
nen allerdings nur ursprgl. -7~o-^ nicht -tro- zu enthalten. Vgl. Walde
Et.Wb.s. V. aurora^ aiisier. Es ist also vielleicht am ansprechendsten,
eine vorslavische oder vielleicht auch erst urslavische Umgestaltung von
*aus7'o- durch Einfluß von *mfsiro- »östlich, Ostwind« anzunehmen.
Was nun die Entstehung von ufro anbelangt , so scheint mir mehr
als ein guter Kern in Bernekers jetzt in Et. Wb. von ihm selbst verwor-
fenem und auch schon gleich zu Anfang als »etwas gekünstelt« bezeich-
netem Eventualvorschlag in I. F. XI 56 zu stecken, wonach ufro laut-
lich auf ein unursprüngliches *ucIifro zurückgehe. Der bei der Schaffung
ij Daß nach anderen Lauten, als denjenigen, die s in ch wandeln, ein
ursprüngliches -s- geschwunden sei, erscheint mir nicht recht plausibel trotz
abg. zila »Ader« = urbalt. *gi)isla; nach -n- würde ich unbedingt Bewahrung
des -s- erwarten; denn nicht -s- schwindet, sondern ein aus -s- nach -ch- hin
verschobener Laut, der aber nach -»- überhaupt nicht entstehen konnte, Für
den Schwund eines -s- fehlen im Slavischen Analogien. Ich möchte zila über
*z>chla auf urslav. oder vorurslavisch *g'islä zurückführen, das seinerseits
durch Haplologie aus einem *gilslä entstanden sein kann ; auf *gilslä kann
auch urbalt. *ginslä durch Dissimilation zurückgehen.
Slavisch lj;U(ro, {j]ustro. 59
von *uchtro vorliegende psychologische Vorgang braucht dabei nicht
direkt als Kontamination von tistro mit einem ^uchro aufgefaßt zu wer-
den. Die induzierenden Worte können auch andere cA-haltige Formen
der Wurzel '^mj.es- »leuchten« gewesen sein. Der Kernpunkt der Sache
ist der, daß der als charakteristischer Wurzelauslaut der Sippe emp-
fundene Laut -cJi- sekundär in ein Wort eingeführt wurde, das in interner
Entwicklung kein -ch- erzielt hatte, das mit seinem ^us- innerhalb der
Sippe *uc]i- »leuchten« isoliert dastand, wenn auch die Zusammen-
gehörigkeit noch gefühlt wurde. Im Slavisch en scheinen geeignete
Worte in historischer Zeit nicht mehr vorhanden zu sein, doch enthalten
viele der außerslavischen Worte der Sippe das -s- in solchen Stellungen,
wo wir -eil- erwarten würden; s. Beispiele bei Walde Et. Wb. a. a. 0.
So kann es nicht Wunder nehmen, wenn -ch- als Wurzelauslaut empfun-
den wurde.
Genau in derselben Weise, wie ich mir die Entstehung von "^ucTitro
denke, ist vorpoln. oder urpoln. "^knclda^ »Bröckchen« entstanden; vgl.
Verf. I. F. XXIV 24 6 ff. und auch Berneker Et. Wb. s. v. kncha, der
diese Auffassung zu teilen scheint. Weniger sicher kann man ein urslav.
*D€rchti »dreschen« heranziehen; vgl. Leskien Gram. abg. Spr. 56. In
bezug auf die Natur des ch gilt hier dasselbe, was oben bei dem für
*dbrchm, *luch?ia postulierten -ch- erwogen worden ist, nämlich, daß
es dem historisch bezeugten ch nicht notwendig phonetisch gleich ge-
wesen zu sein braucht. Es war derjenige Laut, der zu der betreffenden
Zeit der Reflex des ursprünglichen s nach zt usw. war.
Daß aus *uchtro die Form ufro werden konnte, hat seine Parallele
an apoln. h^ta aus *knchta (Verf. a. a. 0.). Allerdings handelt es sich
in letzterem Falle vielleicht um einen urpolnischen Lautwandel, während
in ersterem Falle gemeinslavische Assimilation und Geminaten Verein-
fachung angenommen werden muß. Eine weitere Parallele ist die Be-
handlung der Lautgruppe -ht- in pei^ »quintus« usw.
Mitau. IV. Frhr. v. d. Oste7i-Sacken.
60 M. Resetar,
Zur Bezeiclmiing der serbokroatisclien Betonung.
Prof. Drechsler hat im HrvatsJco Kolo^ Band VII (Agram 1912),
S. 356, darauf aufmerksam gemacht, daß Sime Starcevic in seiner Nova
Ricsöslovica iliricskä (Triest 1812) als erster und noch vor Vuk die
vier sbkr. Akzente festgesetzt und ganz genau bezeichnet habe, was inso-
fern richtig ist, als tatsächlich dieser Schriftsteller zuerst den fallenden
vom steigenden Akzent auch in kurzen Silben unterschied, während der-
selbe Unterschied in langen Silben schon dem Grammatiker B. Kasic
(1604) bekannt war. Da also dieses Werk des Starcevic für die Ge-
schichte der sbkr. Akzentbezeichnung von Wichtigkeit, aber nicht leicht
zugänglich ist, so empfiehlt es sich, seine Ausführungen wiederzugeben,
die lauten, wie folgt: »Ako malo protrösesh glasove besidah, vidi chesh
bärzo, da se u uashem jeziku samo csetiri nahode: jedan je posve krätak
'ka.o: pas, neho^ did, drügi je malo uzdignut pak bärzo spushtan kao : govu-
ritij toltko ^ griJiota^ trechi je malo potegnüt na dugljc kao: kärärn^
pitäm, vcxem, a csetvarti je posve raztegnüt kao: käzati^ vezati,pisati
(S. 113).« Auf den Seiten 114 — 117 gibt Starcevic einige Regeln für
die Anwendung der Akzentzeichen, woraus ich nur erwähnen möchte,
daß er aufS. 1 14 ausdrücklich erwähnt, der »kurze« Akzent werde durch
ein eigenes Zeichen nicht bezeichnet, da jede unbezeichnete Silbe »kurz«
[na kratko) auszusprechen sei, ferner, daß der Autor auf S. 116 darauf
aufmerksam macht, in dem Buche, besonders in den ersten Bogen seien
die Akzentzeichen häufig unrichtig oder überhaupt nicht gesetzt worden,
weil die Setzer ungeübt, der Vorrat an Akzenten in der Druckerei ein
geringer gewesen und manches auch seinem Auge entgangen sei. In
der Hauptsache aber hat Starcevic gewiß das Richtige getroffen , denn
aus der von ihm gegebenen Definition seiner vier Akzente sowie aus der
Art und Weise, wie er seine Akzentzeichen anwendet, ist mit vollkom-
mener Sicherheit zu schließen, daß er den kurzfallenden Akzent (Vuks " )
unbezeichnet läßt, dagegen den kurzsteigenden (Vuks ^) mit dem Zirkum-
flex, den langfallenden (Vuks ^) mit dem Gravis und den langsteigenden
(Vuks ') mit dem Akut bezeichnet. Ebenso sicher ist es aber, daß Star-
cevic nicht nur die langfallend betonten, sondern auch die unbetonten
Längen mit dem Gravis bezeichnet, so daß er auf diese Weise mit der
Zur Bezeichnung der serbokroatischen Betonung. 61
Bezeichnung der Betonung auch eine solche der Quantität verbindet, was
übrigens die meisten vor ihm und bekanntlich auch Vuk selbst tat, der
— ganz wie Starcevic — für fallend betonte und unbetonte Längen ein
und dasselbe Zeichen C^) anwendet. Auf diese Weise gebraucht Star-
cevic den Gravis schon bei seinen typischen Beispielen für den lang-
fallenden Akzent: liäräm ^ pltäm, vexem = karäm^ pitäm^ vezem;
weitere Beispiele finden sich auf jeder Seite des Werkes, so daß es voll-
kommen überflüssig wäre, noch welche anzuführen, obschon nicht gesagt
werden kann, daß Starcevic die unbetonten Längen konsequent so be-
zeichnet; im Gegenteil, außerhalb der (tatsächlich oder nach seiner An-
nahme) langen Endsilben geschieht dies ziemlich selten. Noch wichtiger
ist es, daß Starcevic nicht nur die fallend betonte Kürze — seiner Be-
zeichnungsart entsprechend — unbezeichnet läßt, sondern dies in der Regel
auch bei einer steigend betonten Kürze tut, so daß der Zirkumflex bei ihm
ziemlich selten vorkommt, besonders in dem Falle, wenn einer steigend be-
tonten Kürze eine unbetonte Länge folgt, so daß er z.B. im Paradigma von
zena (S. 31) folgende Formen anführt: Nom. sg. Ooa [XenaJ, Gen. sg.
ÖDe {Xe7ie), Dat. sg. Ovo/ [Xetii), Nom. pl. Ove {Xene), Dat. pl, Ovim
[Xe?iam), also lauter Fälle, wo wir auf der ersten Silbe den Zirkum-
flex erwarten würden. Überhaupt kommt bei ihm selten der Fall vor,
daß auf einem und demselben Worte der Zirkumflex und der Gravis
stehen, z. B. Riesa slovniku ^ liicsösldväcah 113, putuväuje 114. Es
finden sich dagegen nicht selten Beispiele, wo eine kurzbetonte Silbe
vor einer unbetonten Länge ein eigenes Zeichen bekommt, aber dann
scheint es, daß Starcevic sich als Regel gestellt hatte, auch die betonte
Kürze mit dem Gravis zu bezeichnen, während — nach seiner Bezeichnungs-
art — in diesem Falle eine fallend betonte Kürze ohne jeden Akzent
sein und eine steigend betonte Kürze den Zirkumflex haben sollte; auf
diese Weise bezeichnet z. B. der Gravis den kurzfallenden Akzent in
hesidah., driigi^ trecM 113, sväkö 114 usw., und den kurzsteigenden in
o«o, potribitiih (= potribitijih) , sädä 113, razümi^ kädä, dvi., vechi
114 usw.; die Beispiele sind so zahlreich, daß man sie kaum alle auf
Rechnung der Setzer stellen könnte, weswegen ich hier an eine allerdings
allzuhäufige Ungenauigkeit in der Akzentbezeichnung des Starcevic denke,
die geeignet wäre, seine richtige Auffassung der kurzen Akzente in
Zweifel zu ziehen, wenn wir nicht sehen würden, daß er dort, wo er Bei-
spiele für bestimmte Akzente anführt (auf S. 1 13 — 117), fast ausnahms-
los das Richtige trifft; als wirkliche Ausnahme könnte ich nur tele 114
62 M. Resetar,
(=: tele) anführen, das er unter den Beispielen für den glas Jcratki^
d. h. für den kurzfallenden Akzent erwähnt.
Die von Starcevic zum Ausdrucke gebrachte Betonung ist ohne
Zweifel die seiner Heimat, nämlich der Lika in Kroatien, wo Katholiken
und Orthodoxe den reinsten sVo-Dialekt mit neuerer Betonung sprechen,
so daß in letzterer Beziehung seine Aussprache prinzipiell mit derjenigen
Vuks vollkommen übereinstimmt. Selbstverständlich werden regioneile
Eigentümlichkeiten gewiß zu konstatieren sein, doch dies kann nur
jemand genau feststellen, dem eben der Likaer Dialekt gut bekannt
ist. Ein Plus dürfte aber von Starcevic hineinspekuliert worden sein,
so z. B. das Gesetz auf S. 115, daß das -ga aller Adjektiva lang
ist: clohrogä^ velikogä usw., was vielleicht durch ein tatsächlich vor-
handenes fögä^ onogä, ovogä veranlaßt wurde, oder das weitere Gesetz,
daß die Endsilben aller Personen des Präsens lang sind: govorim^ go-
voris/i, govori, govonmd, govorite, govore. Doch wenn man von diesen
und ähnlichen kaum begründeten Behauptungen, sowie von den früher
besprochenen ungenauen Akzentbezeichnungen absieht, verbleibt nichts-
destoweniger die Tatsache bestehen, daß Sime Starcevic zuerst die beiden
sbkr. Akzente auch in kurzen Silben prinzipiell genau unterschied und
mit den erwähnten Abweichungen, auch bezeichnete.
31. Resetar.
Zum ältesten slavisclien Alphabet-
Als solches kann das glagolitische Äbecenarium hulgaricum be-
zeichnet werden, das spätestens in das XII. Jahrhundert gehört, leider
aber für uns nunmehr vollständig nur in der Reproduktion in Kopitars
Glagolita Clozianus, Tafel I, zugänglich ist, da die betreffende Pariser
Handschrift verschollen ist (vgl. Enzyklopädie der slav. Philologie,
Heft 3, S. 136). Zu dem, was über dieses Alphabet bis jetzt, besonders
von Sreznevskij (^penii. r.iarojiH'i. naMüTHiiKH, S. 16ff.), Geitler
(Die alban, u. slav. Schriften) und Jagic (o. c, S. 135 — 137) gesagt wor-
den ist, möchte ich noch einige Bemerkungen hinzufügen. Zunächst
glaube ich, daß man ohne weiteres annehmen soll, daß der Schreiber
(Abschreiber) des Alphabets kein Slave war, denn bei der Wiedergabe
der Buchstabennamen mit lateinischen Lettern hätte ein Slave für sJovo
Zum ältesten slavischen Alphabet. 63
kaum cslüuo und auch für huk'ovi wohl nicht hocohi geschrieben; wenn
er aber kein Slave war, so dürfte er am ehesten ein Grieche gewesen
sein, wofür der Umstand zu sprechen scheint, daß er für mysUfe, mit
sekundärem t zwischen s und /, muftlite schreibt, was am leichtesten bei
einem Griechen vorauszusetzen ist •); vielleicht ist auf denselben Grund
auch der weitere Umstand zurückzuführen , daß das v von buk^vi mit b
[böcobi), sowie in farcnie das d von ^r^vb und in fa das s von sa mit s
wiedergegeben wird, da bekanntlich die Laute 6, 6, s dem Neu-
griechischen fremd sind, obschon bezüglich der Laute <? — s und noch
mehr bezüglich des z von zielte (geschrieben giuete) auch ein Romane
oder Germane hätte zu dieser Zeit in Verlegenheit sein können. Wenn
wir aber an einen Griechen als den ursprünglichen Aufzeichner unse-
res Alphabets denken wollen, so könnte man daraus folgern, daß das
uns vorliegende Alphabet eine Abschrift, und zwar von einer (in be-
zug auf die Buchstabennamen) griechischen Vorlage ist, was uns auch
die UnVollständigkeit und teilweise Unkorrektheit des Alphabets erklären
würde.
Au zweiter Stelle möchte ich hervorheben, daß die mehrsilbigen
Buchstabenuamen in der Regel akzentuiert sind, und zwar zumeist auf
der ersten Silbe: böcoli^ uedde^ glägoU^ dobro ^ giuete^ zello^ zemia
ife^ ifei^ cäco, lüddie^ pöcoi, cßöuo\ auf der letzten Silbe betont sind
reci, faraue, peller, wozu auch hieft und Jtier gerechnet werden könn-
ten; auf der vorletzten Silbe betont ist nur muftlite^ während tordo und
eventuell die drei letzten Namen hiet^ iufz^ hie unbetont sind. Diese
Betonung stimmt nur zum Teil mit derjenigen überein, die heutzutage
bei den orthodoxen Slaven üblich ist ufid im Grunde die seit sehr alter
Zeit in Rußland übliche Betonung darstellt, denn gegenüber den anfangs-
betonten Formen des Abec. bulg. hat man im Russ. rjiaroiEi., ;i;o6pö,
2C H B 'i T e , 3 '£ .1 6 , 3 e M .1 fl , n 0 K 6 il ; es ist aber schwer zu sagen, ob
die Betonung des Abec. bulg. etwa auf einer älteren südslavischen Ak-
zentuation beruht, da sich in bezug auf die Buchstabennamen eine alte
Südslavische Tradition nicht erhalten hat; doch ist es sehr fraglich, ob
eine Betonung zemia^ pocoi auch im Südslavischen alt sein könnte.
Die Mängel des Abec. bulo-. wurden schon längst konstatiert und
11
So haben wir in dem von Banduri herausgegebenen mit griechischen
Lettern geschriebeneu slavischen Alphabet ebenfalls aS-'Z-ößia für slovo; es ist
daher möglich, daß das cj'louo des Abec. bulg. aus stloun verschrieben ist.
64 M. Eesetar,
zumeist auch erklärt; es verbleiben aber nocli immer einzelne Punkte,
die einer Erklärung bedürfen; ich möchte daher einige Bemerkungen
vorbringen, die den Gegenstand allerdings lange nicht erschöpfen. Bis
zum Buchstaben T geht allerdings alles in Ordnung, wenn man davon
absieht, daß das Zeichen a? (cyrill. 1s) fehlt; aber mit dem darauffolgen-
den Buchstaben beginnen die Schwierigkeiten; das Zeichen, das einem
glagol. T ziemlich gleich ist und den Namen liic trägt, wurde von Sre-
znevskij (S. 1 9) ganz einfach als u (glagol. a») gedeutet, obschon der Buch-
stabe im Slavischen sonst OYK'K heißt und im griechischen Alphabet
Banduris an derselben Stelle ?;'/, also nach neugriechischer Aussprache
ih steht; mit viel größerer Begründung hat daher Geitler (S. S9) dieses
Zeichen als eine Abart des glagol. Zeichens für das griech. v aufgefaßt, da
hier im griech. Alphabet tatsächlich das v zu stehen kommt. Es ist
nämlich leicht möglich, wie Geitler richtig vermutete, daß erst später im
Doppelzeichen » (cyrillisch oy) der zweite Bestandteil sich von dem selb-
ständigen Zeichen für griech. i' differenzierte und daß dann das Doppel-
zeichen das einfache Y verdrängte (S. 173); zur Bekräftigung dieser Ansicht
kann die Tatsache angeführt werden, daß die ältesten cyrillischen alphabe-
tischen Lieder nach dem mit dem Buchstaben T anfangenden Verse einen
solchen aufweisen, der mit v (l'nc»CTaci%) beginnt, was nicht eine bloße
Nachahmung des griech. Alphabets sein dürfte, da diese Lieder sonst
streng die Reihenfolge der slav. Buchstaben befolgen, wobei sie sogar für
das glagol. h\ einen Platz haben, indem hinter den beiden /-Zeichen in
dem einen Liede ein Vers mit reOHKi anlautet, also mit demjenigen
griech. Laute, der glagolitisch eben durch av wiedergegeben wurde, wäh-
rend im zweiten an dieser Stelle ein ohne Zweifel verdorbener mit i\6-
THTT».!) anlautender Vers steht (vgl. Sobolevskij in CöopiiiiKi. pyccK.
otä^Ji. Bd. 88, S. 13 und 9), was den besten Beweis dafür liefert, daß
diese alphabetischen Lieder ursprünglich glagolitisch geschrieben waren;
jüngere Lieder dieser Art, die nicht von einer glagol. Vorlage stammen,
haben hinter dem t tatsächlich ein u (vgl. z. B. bei Sobolevskij o. c.
S. 31. 34). Man kann somit mit gutem Grund vermuten, daß das xVbec.
bulg., welches kein besonderes oy-Zeichen hat und hinter dem T ein ein-
1) Ea ist Interessant, daß auch in der Moskauer Handschrift des be-
kannten Aufsatzes Cbrabrs, der ebenfalls auf eine glagol. Vorlage zurück-
geht, das Zeichen a« durch ein cyrill. a vertreten ist (vgl. Abicht im Archiv f.,
slav. Phil. XXXI, 213).
Zum ältesten slavischen Alphabet 65
faches y-Zeichen folgen läßt, den Zustand des ursprünglichen glagol.
Alphabets bewahrt hat.
Hinter dem \j'-Zeichen steht im Abec. bulg. unter dem Namen ot ein
Buchstabe, der bis jetzt gewöhnlich als w gedeutet wurde ; erst Jagic
(S. 136) hat wegen der einem besonderen glagol. \'-Zeichen sehr ähn-
lichen Form des Buchstabens einen Irrtum des Schreibers angenommen,
der den Namen des W dem \' gegeben habe. Letztere Annahme dürfte
kaum richtig sein, denn dann müßte man auch annehmen, daß das Abec.
bulg., da das gewöhnliche glagol. \'-Zeichen, allerdings verstellt, hinter
dem üJ unter dem Namen liier steht, zweimal das \' enthalte, wie dies in
dem sogleich zu erwähnenden cyrillisch-glagol. Alphabet tatsächlich der
Fall ist. Es ist daher die Erklärung Geitlers (S. 125) wahrscheinlicher,
»daß einmal bei gewissen glagolitischen Schreibern ein bestimmtes h be-
stand, das dem ot anderer Schreiber zum Verwechseln ähnlich war oder
wurde«, wodurch es sich auch erklärt, daß im Psalt. sinait. an einer Stelle
(pag. 176) ein y durch ein ganz wie ein gewöhnliches W aussehendes
Zeichen ersetzt ist.
Doch, wenn man auch zugeben will, daß das Zeichen des Abec. bulg.,
das den Nameu ot trägt, eigentlich ein ^ ist, so bleibt es dennoch fest,
daß der Schreiber an dieser Stelle ein W setzen wollte, bezw. in seiner
Vorlage hatte. Diese Konstatierung ist wegen des darauffolgenden Buch-
stabens wichtig; dem ot folgt nämlich unter dem Namen yje ein glagol. l^,
weswegen man auch bis jetzt allgemein dachte, pe stehe für ce. Die
Sache dürfte aber nicht so einfach sein, denn auch in der Handschrift
Chrabrs der Moskauer Geistlichen Akademie, die aus einer glagolitischen
Vorlage geflossen ist, folgt in der Reihenfolge der nach dem griechischen
Alphabet gebildeten Zeichen: H n'fe, \i\'h,^ TT», worin Jagic (Ilscjii-
ÄOBanifl I, 317) die sehr mangelhafte Wiedergabe der drei dem glagolit.
Alphabet fremden griechischen Buchstaben )/', ^, !} sah, während Abicht
(Archiv für slav. Phil. XXXI, 211 — 212) auch für diese drei Zeichen die
Reihenfolge des griech. Alphabets annimmt und sie als d-^ §, ijj deutet.
Ob ip oder ^, die Tatsache bleibt bestehen , daß auch in dieser Hand-
schrift dem ot ein pe folgt! Da es sich aber um eine evident verdorbene
Stelle handelt, möchte ich der Sache keine allzugroße Wichtigkeit bei-
legen, wenn sie nicht auch in den schon erwähnten, auf glagolitische
Vorlagen zurückgehenden alphabetischen Liedern eine Bestätigung finden
würde: in beiden nämlich steht zwischen dem mit W und dem mit
U, anlautenden Verse ein solcher, der mit n anlautet (njMaAb, bezw.
Archiv für slavisclie Pliilologie. XXXV. 5
66 M. Resetar,
n'bCHbMH). Und auch im cyrillisch -glagolitischen Alphabet, das von
Jagic (o. c. S. 137) erwähnt wird und in einer lateinischen Handschrift
spätestens aus der ersten Hälfte des XII. Jahrh. nachher eingetragen
wurde, folgt im cyrillischen Teil dem w ein Zeichen, das von Jagic mit
einem latein. fi verglichen wird, das aber auf der photographischen Re-
produktion ganz wie das (auf seinem Platze stehende) cyrill. n aussieht
und von welchem es sich nur dadurch unterscheidet, daß der horizontale
Balken links etwas hervorragt und der rechte vertikale Balken unten mit
einem nach rechts hervorstehenden kleinen horizontalen Strich abge-
schlossen ist, so daß an der Identität der beiden Zeichen nicht zu zwei-
feln ist; in dem glagol. Teile folgt dagegen dem )^-Zeichen ein Buchstabe,
der von Jagic irrtümlich mit dem besonderen, schon erwähnten Y-Zeichen
(welches sich genau unter dem ersteren, aber in der folgenden Linie be-
findet) als ein Zeichen zusammengenommen wurde; dieser Buchstabe,
v ,
etwa wie @ , ist wahrscheinlich als W zu deuten und steht vor einem
A '
Zeichen, das einem glagol. m ähnelt und sich somit dort befindet, wo in
den oben erwähnten Denkmälern pe, n1v, n steht.
Das sind recht auffallende Erscheinungen, die zur Vorsicht mahnen
und das pe des Abec. bulg. in ganz anderem Lichte erscheinen lassen :
wenn das Abec. bulg. hinter ot ein pe und eine Handschrift Chrabrs
hinter WT ein n1i folgen läßt, wenn zwei in keinem inneren Zu-
sammenhange stehende alphabetische Lieder hinter w die gewöhn-
liche alphabetische Reihenfolge durchbrechen und dem W ein n folgen
lassen, wenn das cyrill.-glagol. Alphabet hinter dem cyrill. W wiederum ein
n und hinter dem wahrscheinlich als glagol. W zu deutenden Buchstaben
ein besonderes Zeichen hat und nicht das an anderer Stelle vorkommende
i\i, so ist es kaum anzunehmen, daß dieses merkwürdige Übereinstimmen
von fünf ganz verschiedenen, ihrem Ursprünge nach glagolitischen Denk-
mälern durch bloßes Versehen herbeigeführt worden sei. Wenn man
aber nach einem Grunde sucht, so ist er schwer zu finden; jedenfalls
dürfte es auch kein Zufall sein, daß dieses rätselhafte pe dort auftritt,
wo nach dem gewöhnlichen glagolit. Zahlsystem die ohne Zweifel erst
später entstandene Ligatur i|J (800) ihren Platz hat, nämlich zwischen
W (700) und 1^ (900). Es muß also hier im ursprünglichen glagol.
Alphabet etwas anderes gestanden haben, aber was? Vielleicht doch ein
y\^, das im griech. Alphabet in der unmittelbaren Nähe des co sich befindet,
allerdings vor und nicht nach ihm und mit anderem Zahlwert (700); dann
müßte man annehmen, daß spätere (glagolitische) Abschreiber der beiden
Zum ältesten slavischen Alphabet. (37
alphabetischen Gebete das ungewöhnliche ?/^ eliminierten (wie auch im
ersteren das ungewöhnliche ac von den späteren, cyrillischen, Abschreibern
eliminiert wurde] ; vielleicht stand hier eine Form von vjraAlun», und dann
könnte das (i'kCkHlUlH des zweiten Liedes eine Übersetzung davon sein.
Relativ leicht läßt sich die Sache in bezug auf das Abec. bulg. erklären:
der Abschreiber hatte (wie die beiden alphab. Gebete!) dieReihenfolge ot^
pe^ ce vor sich und hat, da er das zweite als überflüssig betrachtete, dessen
Namen mit dem dritten Zeichen verbunden. Daß aber an Stelle des vor-
ausgesetzten i|J in allen diesen fünf Denkmälern der Buchstabe n (»pe«,
n1v usw.) genommen wurde, steht vielleicht damit im Zusammenhange,
daß der Laut /j ja der erste Bestandteil des ip (= /jä) ist.
Und da wir im Abec. bulg. auch das älteste slavische Alphabet mit
ausgeschriebenen Buchstabennamen haben, so möchte ich zuletzt noch
erwähnen, daß es kaum richtig sein dürfte, daß — wie vielfach ange-
nommen wird — die slavischen Buchstabennamen erst geraume Zeit nach
dem Entstehen des slav. Alphabets selbst aufgetreten sind ; ich bin viel-
mehr der Ansicht, daß Kyrill selbst auch die Namen der Buchstaben ge-
schaffen hat: er stand allzusehr unter dem Einflüsse der griechischen
Gelehrsamkeit, als daß er sich hätte denken können, daß man die Buch-
staben anders als mit vollemNamen bezeichnen könnte; aus dem Umstand
nun, daß er den slav. Buchstaben zumeist auch slavische Namen gab,
ergibt sich eine treffende Parallele zur Tatsache, daß er sowohl in bezug
auf die Gestalt als auch bezüglich des Zahlwertes der glagolit. Buchstaben
seinen eigenen Weg ging. Man darf somit das Zeugnis Chrabrs, der wohl
noch Zeitgenossen der beiden Slaveuapostel gekannt haben dürfte, nicht
einfach ignorieren, da er ausdrücklich sagt: whh (die Griechen) oyco
dA^a a CK (Kyrill) d3k; jedenfalls waren schon zu Chrabrs Zeiten die
slav. Buchstabennamen geläufig, denn er dekliniert sie auch: IVT &3A
HaM/ÄTb WROie; Ende des IX. oder spätestens Anfang des X. Jahrh.
waren also die slav. Buchstabennamen schon da, sie sind somit bedeutend
älter als die ältesten slav. Schriftdenkmäler! M. Re^etar.
Nachtrag. — Dr. Kidric hat m Nävi Zapiski^\\ 145 ein vorwiegend
cyrillisches Alphabetwn Sclaiiorum aus einer latein. Hft. des XVI. Jhs. in der
Wiener Hofbibliothek veröffentlicht, in welchem an Stelle des w drei Buch-
staben mit dem Namen »ob«, »od« und »ho< stehen: die zwei ersten sind ganz
phantastisch, der dritte dagegen einem cyrill. w ziemlich ähnlich; darauf folgt
unter dem Namen »pi« ein Zeichen, das als cyrill. ijj oder griech. rp gedeutet
werden kann, und vor »si (n)« und >zers (h)« steht. — Cyrill. i|j zwischen w und
u, findet man im cyrill. Alphabet in einer griech. Hft. der Wiener Hof bibliothek
(Kopitar, Glagol, Cloz. XXIX).
5*
68 Christiani-Schultheiss,
Über die Iteration you Synonymen im Enssisclien
und in anderen Sprachen.
Die Iteration von Synonymen erwähnt Vondräk Vergl. Slav. CTramm.
IL 540/1 ganz kurz. Zu den von ihm angeführten, Boyer und Speranski's
Manuel entnommenen wenigen Beispielen aus dem Russischen bemerkt
er, die Iteration von Synonymen sei überaus häufig. Die im Manuel 278
verzeichneten Beispiele sind nur gering an Zahl. Einige andere folgen
hier.
Wir begegnen im Russischen erstens der Verknüpfung von begriffs-
ähnlichen Substantiven. Man kann sie einteilen in Konkreta und Ab-
strakta. Konkreta sind: KOBtijiB-TpaBa, iieBOibiiiiK'B-noATiopeMLU.HK'B,
oTeu;i.-6aTiomKa, cyn^iyKX-japeui'B (»Oxonpy h cyHAyKH-Jiapi^i.i ko-
BaHH«). Aus einem der in Trachtenbergs »EjiaTHaH MyatiKa« Peters-
burg 190S, abgedruckten »ocTpo^Kiitia n'Sciiii« (S. 93, Z. 6 v. u.), nyxL-
ÄopoatKa (»Mhmo btofo OKOiuKa .leaciixi. nyxfc-AopoatKa, KaKi no 3xoii
no ÄOpoacK'i MHoro H;i;yxx-iAyxx«. Ebd. S. 9S, Z. 7/S v. o.), xoprt-
6a3apx> (»TaKOBa h yy^a-Anna hb iiaxa^HBajix. , KaKt Hamojrt h ^lyAo-
AHBO BO rpaA^ KicB^: CpeAH xopry-öaaapy , cepsAB njioiii,aAH« Ebd.
S. 85), xyqa-6ypK (Kol'cov, Jlicx) i^apL-rocy^apt (vgl. ii;apcxBO-rocy-
AapcxBO, Kol'cov >ypa«). — Abstrakta sind: BtiKynxi-BtipyyKa, nopa-
BpeMH, nopa-BpcMii^iKO, npaBAa-iicxima, ^yAO-AHBO. Bei Kol'cov finden
sich u. A. : rope-nyacAa (»Cx xoit nopti n ci. ropeM'L-Hy^KAOio IIo ^ly-
3K.HMX yrjraMx, cKHxaiocfl. «), ropecxt-neyajiL (»Bx aojroxoe BpeMH Xaii-
jiBMX Ky^pii bbioxch; Ci. ropecxn-ne^iaJiH Pyctiii ciKyxcH«.), pa^ocxt-
BecejiLe (»Cx pa^ocxH-Bccejitfl XM'fejieMx Ky^pn BtK)xc;i. «), CKyna-ro-
pecxL und .iioöoBL-xocKa, ebenfalls ein Synonymenkompositum, da beide
Komponenten Gefühlsbegriffe sind, wie Liebe und Sehnsucht.
Nicht nur begriffsähnliche Substantiva werden verknüpft, sondern
auch Verba z. B. ÖHXfc-KasniixL, öy^y-cxany, Kpajin-BopoBajiH, xocko-
Baxb-ropeBaxt i).
Diese Art der Ausdrucksweise ist vor allem der dichterischen und
1) Einige Beispiele aus den »ocxpoiKutia nicHU« : »Yaci. Kant Kpa.iii-Bo-
poBaju Äoopw MojoAUtK (Trachtenberg 86); mbi sa to ero ÖBeMt-KasHuiii. (Ebd.
87); He Be.m MeH-i KaauuTL-ElniaTu« (Ebd.).
über d. Iteration v. Synonymen im Eussischen u. in and. Sprachen. 69
der Volkssprache eigen. In den Bylinen wird man viele Beispiele finden,
die gesammelt zu werden verdienen. Die Verbindung von begrififsähn-
lichen Wörtern scheint mir eine Eigentümlichkeit des Russischen zu sein.
Für die vergleichende Syntax wären Beobachtungen über diese Erschei-
nung in den anderen Slavinen erwünscht.
Ob es durch die folgenden Ausführungen von Herrn Schultheiß
wahrscheinlich gemacht werden kann, daß die Erscheinung der alier-
ältesten Stufe des Slavischen nicht fern gelegen hat, möge der Leser
selbst beurteilen.
Posen. TV. Christiani.
* *
*
Die Richtlinien , in denen sich die Geschichte dieser sprachlichen
Erscheinung als einer allgemeinen nach sprachpsychologischen Gesetzen
bewegen kann , sind besonders deshalb schwer nachzuzeichnen , weil die
sie ermöglichenden Faktoren auf Gebieten liegen, die mit ihr an sich
nichts zu tun haben. Darum wird es manchem scheinen, daß den im
Folgenden aufgesuchten Beziehungen in Wirklichkeit die ihnen beigelegte
Bedeutung nicht zukommt. Denn die Möglichkeit der Verknüpfung von
synonymen Begriffen ist selbstverständlich in jeder Sprache vorhanden,
und erst die Beschränkung auf gewisse Kategorien ermöglicht uns die
Aufstellung eines Stammbaumes , die Aufzeigung eines historischen Zu-
sammenhanges.
Das Japanische, das ursprünglich alles Auszudrückende als einen
äußeren oder inneren Verlauf begreift, während z. B. für das Indogerma-
nische die Tätigkeit, für das Georgische die Ortsbeziehung das Wesent-
liche ist, kann sich zur Veranschaulichung der sinnlichen Eindrücke der
Synonymenanhäufung bedienen. So wird das Japanische , um ein Bei-
spiel für den äußeren Verlauf eines Geschehens zu geben , zur Veran-
schaulichung eines Durchdringens [osoku-irimashi) naturgemäß zwei
Ausdrücke gebrauchen, und ebenso könnte in dieser Sprache der innere
(seelische) Verlauf etwa des Aufgeregtseins in derselben Weise durch
zwei Synonyma gegeben werden. Für diese Auffassung sind z. B. Natur-
ereignisse wie Sturm, Regen, Hagel, die wir unter die Kategorie der Sub-
stantiva einreihen , Arten eines Verlaufes , wogegen Begriffe von ganz
gegenständlichem Charakter , wie Kraft oder Liebe , der Iteration nicht
unterliegen können. Diese Urstufe, die zum Ausdruck von Urteilen
ihrem Wesen nach unfähig ist, hat das heutige Japanisch natürlich längst
überschritten.
70 Christiani-Schultheiss,
Die nächste Stufe der Entwicklung liegt da vor, wo es gilt Gefühls-
eindrücke besonders hervorzuheben. Hierher gehören Ausdrücke, wie
russ. ciiJia-Momb, ujao-ahbo , paAocTb-Bsce.ite , 0Tei];i>-6aTK)mKa, Kpa-
.iH-BopoBajiH. Sie können bereits auf dieser Stufe gebildet werden.
Ein Unterschied zwischen der ersten Stufe und der zweiten besteht
darin, daß in jener die Begriffsiteration mit der Iteration des ganzen Ge-
dankens zusammenfallen kann. Jetzt handelt es sich nämlich um einen
Gefühlsausdruck, der der Verdeutlichung bedarf und dadurch aus der
Umgebung des ganzen Gedankens (Satzes) als ein maßgebender Teil her-
ausgehoben wird. Wenn man will, kann man auch hier noch eine Ge-
dankeniteration sehen wollen, wie ja überhaupt der Ausdruck des Gefühls
(des Subjektiven) die nächstliegende und ganz entsprechende Entwick-
lungsstufe nach der (objektiven) Verlaufsdarstellung ist. Auf dieser Stufe
spielt die Bedeutung des Gefühlsausdruckes als eines im Sinne der Logik
geltungtragenden Faktors noch keine oder eine sekundäre Rolle; darum
kann der Gefühlsausdruck, wo auf ihn ein Ton gelegt, die Aufmerksam-
keit des Hörers auf ihn gelenkt werden soll, nicht durch die logischen
Mittel der Voranstellnng oder etwa einer betonenden Partikel verstärkt
werden. Ein weiterer Grund liegt darin, daß die Verstärkung des Ge-
fühlsausdrucks naturgemäß und zunächst wieder durch einen Gefühls-
a,u3druck gesucht werden wird : der symbolische Charakter des Sprach-
äußeren bringt es ja mit sich, daß zur Veranschaulichung des volleren
Inhalts ein volleres Lautsubstrat gewählt werden wird. Dem Bewußt-
sein der Verschwommenheit bei den Bezeichnungen für Gefühlseindrücke,
das auch für die höheren Stufen der Sprachentwicklung gilt, muß hier
ebenfalls ein nicht geringer Einfluß beigemessen werden. Zu weiterer Aus-
dehnung wird aber das Prinzip der Sj^nonymenkomposition nur in Spra-
chen gelangen können, deren scharfe rhythmische Gliederung im all-
gemeinen eine solche verkürzte Sprechweise erleichtert. Denn als das
primum movens möchten wir das Streben nach Verkürzung ansehen,
welches den Sprecher veranlaßt, das , was er in mehrere Ausdrücke (Ur-
teile) zerlegen könnte, in einem Synonymenkompositum niederzulegen.
Man beachte, daß das Türkische, das wir vorwiegend hier im Auge haben
müssen, die Partikel und nicht nur zwischen Sätzen (was nicht beispiel-
los wäre), sondern auch zwischen beigeordneten Satzteilen zu unter-
drücken liebt, wodurch unstreitig sowohl rhythmisch wie logisch die
innere Einheit solcher Begriffe ganz besonders plastisch zum Ausdruck
kommt: osm. usaqlar hir dihiiq^ hir qaJnceh getiirsünler 'die Burschen
über d. Iteration v. Synonymen im Russischen u. in and. Sprachen. 71
sollen eine Pfeife, einen Kaffee bringen\ Ein Beispiel, nach dessen
Analogie sich der Leser leicht den ganzen Umfang dieser Erscheinung
wird ausdenken können, wäre aus dem Türkischen: dürlemek toparla-
maq 'zusammenpacken\ Das Gefiihlsmoment liegt hier in der Vorstel-
lung der Eile.
Die dritte Stufe soll durch das Chinesische veranschaulicht werden.
Wir haben' auf ihr zu unterscheiden eine Kategorie der Komposition
a) von synonymen Verben und b) von synonymen Substantiven. Für die
verbale Kategorie gilt in dieser Sprache das Prinzip der begrifflichen
Teilung in Verba der Bewegung und Verba der Richtung, — ein dem
Sinologen wohlbekanntes grammatisches Prinzip. Die Entstehung der
ersten Kategorie aus der am Türkischen gezeigten Stufe haben wir uns
so vorzustellen, daß das Gefühlsmäßige zurücktritt und jede Bewegung
durch ein Kompositum ausgedrückt werden kann. Ebenso können wir
uns aber auch die erste Stufe als Ausgangspunkt denken, so daß dann
die zweite und dritte als in der Entwicklung gleichstehend erscheinen
würden. Wir müßten dann annehmen, daß der erste Teil des eine Be-
wegung ausdrückenden Kompositums mehr die Bewegung, der zweite die
Richtung zu bezeichnen begann. Aber der Unterschied braucht nicht
ganz deutlich gefühlt zu werden. So würde man es sich zu erklären
haben, daß wir auf derselben Stufe zugleich einer reichen Produktion
an solchen Verknüpfungen auf substantivisch-abstraktem Gebiet begegnen,
wo ein solcher Unterschied in der Bedeutung beider Komponenten prin-
zipiell nicht aufgestellt werden kann. Ist erst einmal das Prinzip vor-
handen, so findet es reiche Nahrung im dichterischen, logischen und rhe-
torischen Bedürfnis, d. h. im Streben nach Ausschmückung, nach Ver-
deutlichung oder nach Mannigfaltigkeit des Ausdrucks. Vieles wird
stereotyp, geht in den Vokabelschatz über, besonders (wenn auch nicht
ausschließlich) deshalb , weil der Reichtum der Sprache an abstrakten
Grundwörtern zu gering ist, um ohne Wurzelkonglomerationen auszu-
kommen. Wie weit ein Bedeutungsunterschied zwischen den einzelnen
und den verbundenen Wurzeln oder ihren Teilen gefühlt wird, ist gleich-
gültig. ^
Wir haben bis jetzt bei der Untersuchung unseres Problems still-
schweigend angenommen, es gelte durch die Verknüpfung von Syno-
nymen einen auf ihnen ruhenden Nachdruck zu bezeichnen. Hat nun
aber eine Sprache in ihrer Entwicklung die Möglichkeit erlangt, den
Nachdruck durch andere Mittel zu bezeichnen, so beginnen die Kompo-
72 Chris tiani-Schultheiss,
Sita an Gewicht zu verlieren, ihre Bedeutung im Sprachleben tritt zurück.
Finden sie sich daher als vereinzelte Rudimente noch in dieser oder jener
Sprache, so kann auf ihre genauere Klassifikation zunächst kein beson-
derer Wert gelegt werden.
Daß solche Rudimente auf einen größeren Reichtum in früherer
Zeit hinweisen , zeigt bereits folgendes Beispiel aus dem Armenischen :
asxarh gite^ ddka mer darderin daph sahman 'die ganze Welt weiß,
nicht gibt (es) unserer Schmerzen Maß-Grenze'. An diesem Beispiel ist
eigentümlich und deutet auf eine spätere Entwicklungsstufe , daß hier
ein negativer Gedanke zum Ausdruck gelangt: man sieht sofort, daß zu
einem solchen Ausmalen eines Mangels die Synonymenkomposition ein
ungemein wirksames Mittel sein kann, dessen Anwendung zu untersuchen
wäre. Der positive Gebrauch dieser Ausdrucksweise kann dem gegen-
über mehr zurücktreten und die negative Anwendung allein übrigbleiben.
Wir nehmen dies für das Armenische an, da wir aus demselben keine
Fälle für den positiven Gebrauch zu finden vermögen.
Im weiteren Sinne gehören auch die in der klassischen Philologie
längst anerkannten Kategorien Hendiadyoin, Tautologie, genitivus expli-
cativus, genitivus africanus hierher. Vergl. endlich die für das Sächsi-
sche charakteristischen komischen Verlegenheitsbildungen wie »An-
schauungsstandpunkt«, »Akzentbetonung«; »sofort momentan augen-
blicklich«; »fortwährend egalweg«; »es kommt dann also demgemäß
auf den Fall drauf an«. Man kann sich nicht wundern, daß ein Dialekt,
in dem eine solche behagliche Breite des Ausdrucks Platz gegriffen hat,
mit einer gewissen Vorliebe immer wieder auf derlei Häufungen zurück-
kommt; auch der gebildete Sachse verrät sich gelegentlich durch Neu-
schöpfungen dieser Art. Thüringisch ist (aus dem Ende des 17. Jhdt.):
»nebst andern Instrumenten musikalischer Gesänger«. Solche unge-
schickte Häufung in der Wiedergabe ungegliederter Eindrücke ist für die
Darstellungsweise der Ungebildeten beinahe typisch.
Das geistige Band, welches die aus dem Russischen gesammelten
Belege zusammenhält, ist schwach, und schon dieser Umstand läßt uns
vermuten, daß hier nur spärliche Überreste eines ehemaligen Reichtums
vorliegen. An eine Übernahme aus dem Türkischen vermögen wir nicht
recht zu glauben, da zwischen den in beiden Sprachen zu belegenden
Ausdrucksweisen eine weite Lücke klafft.
T. Schultheüs.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kubacevic u. d. Aufstand v. Brine. 73
Der kroatische Schriftsteller M. A. Kuhacevic und
der Aufstand von Brine.
VonT. Matic.
I.
Als Ende des siebzehnten Jahrhunderts die Macht der Türken soweit
gebrochen war, daß die Länder der Habsburger Monarchie türkische In-
vasionen in Zukunft nicht mehr ernstlich zu befürchten hatten, brach
insbesondere für die Grenzgebiete eine neue Zeit an. Die militärisch
organisierte Grenze, deren Bevölkerung in immerwährenden Kämpfen mit
dem Feinde zu einem Soldatenvolk par excellence geworden war, verlor
ihre eigentliche Daseinsberechtigung. Da es der Staat aber im eigenen
Interesse für ratsam hielt, diese erprobten Krieger nicht ohne weiteres
gänzlich zum Pfluge zurückkehren zu lassen, schritt man in der ersten
Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts an eine Reorganisierung der Militär-
grenze, deren Zweck es war, aus der Bauernmiliz eine reguläre Armee
zu bilden, die, da sie nun in der Heimat entbehrlich war, anderswo den
Interessen des Reiches dienen sollte. Die Reform stieß in der Bevölkerung
auf entschiedenen Widerstand, der stellenweise in bewaffneten Aufstand
umschlug. Die Staatsgewalt setzte doch ihren Willen durch und schuf den
auch unserer Generation noch wohlbekannten, jetzt im Aussterben be-
griffenen Typus des Grenzers, der in seiner sprichwörtlichen und uner-
schütterlichen Kaisertreue von Schlachtfeld zu Schlachtfeld wanderte,
ohne zu fragen, ob das vergossene Blut auch seinem Lande und seinem
Volke je einen Nutzen bringen sollte.
In die Übergangszeit, in der man bestrebt war, die alte Militärgrenze,
die so lange an der Scheide der zwei Machtsphären, der christlichen und
der ottomanischen, Wache stand, umzubilden, fällt das Leben des kroati-
schen Schriftstellers Matesa Ante Kuhacevic. Noch vor vier Dezennien
wußte man von ihm so gut wie gar nichts. Durch die Abhandlung Kukule-
vic' Hrvati za naslednocja rata (Rad 38) auf ihn aufmerksam gemacht,
gab Prof. M. Magdic 1878 die in einer Handschrift , welche sich damals
im Besitze Jakov Kuhacevic' in Zengg befand , erhaltenen Gedichte
Matesa Ante Kuhacevic' heraus (Zivot i djela Senanina Matese Ant. pl.
Kuhacevica. Seii 1878.). Die lateinische Autobiographie des Dichters,
74 T. Matic,
die in derselben Handschrift enthalten war, veröffentlichte er nicht, was
sehr zu bedauern ist, weil dieselbe jetzt unerreichbar zu sein scheint i).
Auf Grund dieser Autobiographie, die bis zum Jahre 1765 reicht, erzählt
Magdic in der Vorrede zur genannten Ausgabe in kurzen Zügen den Lebens-
lauf Kuhacevic'. Die Familie war eine angesehene Patrizierfamilie von
Zengg, in welcher Stadt auch Matesa 1697 geboren wurde. Früh ver-
waist, kam er ins Haus seines Onkels Luka, eines Geistlichen, welcher
der Erziehung des Neffen sehr viel Sorgfalt widmete. Der junge Kuhacevic
studierte zunächst im Jesuitenkollegium in Fiume, absolvierte nachher
philosophische und juristische Studien zu Graz und befaßte sich als ab-
solvierter Jurist mit technischen Studien an der Militärakademie in Wien,
Bereits als junger Mann wurde er von seiner Vaterstadt mit der Ver-
tretung ihrer Interessen am kaiserlichen Hofe betraut. In den öffentlichen
Dienst eingeti-eten, war er zunächst ageus iuratus bellicus, beteiligte sich
als Kommandant eines Zengger Schiffes am sogenannten polnischen Erb-
folgekriege, bekleidete nachher das Amt eines Syndikus in der Lika und
kam während des bayerischen Erbfolgekrieges mit den Karlstädter
Grenzern als Auditor nach Bayern. Bald nach seiner Rückkehr in die
Heimat brach die durch die Reorganisation der Militärgrenze unter
Prinzen v. Hildburgshausen hervorgerufene Unzufriedenheit der Grenzer
in einen offenen Aufstand aus, der in der Geschichte als Aufstand von
Brine und der Lika bekannt ist. In dieser kritischen Zeit (1746) begab
sich Kuhacevic als Abgesandter der Stadt Zengg nach Wien, wurde aber
dort als einer von den Anstiftern des erwähnten Aufstandes eingesperrt,
nach Karlstadt als Gefangener gebracht und in Untersuchung gezogen.
Der Prozeß dauerte volle drei Jahre und endete mit Verurteilung K's
zum lebenslänglichen Kerker und Verlust der Ehre und des Vermögens.
Bis zum Jahre 1756 war K. auf dem Spielberge, von da an bis 17 72 in
Graz eingesperrt und wurde 1772 im Gnadenwege aus dem Gefängnisse
entlassen. Es war ihm aber nicht mehr beschiedeu, die Heimat zu
sehen: er starb nach seiner Freilassung in Grazil.
1) Meine Bemühungen, von den jetzt in Triest lebenden Mitgliedern der
Familie Kuhacevic eine sei es positive, sei es negative Antwort über die
Existenz und den gegenwärtigen Aufbewahrungsort der Handschrift zu er-
langen, blieben erfolglos.
-, Magdic nahm nach einer in der Familie K. erhaltenen Tradition an,
daß Matesa im Juh 1772 in Agram gestorben sei. Cf. die Abhandlung Fächers
in Nastavni rjesnik XII, 6.
Dor kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Briiie. 75
Kuhacevic hatte entschieden viel vom freien und kühnen Geiste
seiner Heimat, der Uskokenstadt Zengg, die der kaiserlichen Regierung
und der Republik Venedig so viel zu schaffen gab, geerbt. Doch seine
Zeit, die Zeit der fortschreitenden absolutistischen Zentralisation, verlangte
eine absolute Unterordnung und Einschränkung der Individualität:
K. wollte sich nicht fügen und wurde ins Verderben gestürzt. Im Ge-
fängnisse griff er zur Feder und schrieb eine Autobiographie und ein
Bändchen Gedichte, zum großen Teile Episteln an Verwandte, denen er
sein trauriges Los klagt und im innigen Vertrauen an Gott für sie und
sich selbst Trost sucht. In der kroatischen Literatur, die an autobio-
graphischen Werken und Memoiren ohnehin nicht viel aufzuweisen hat,
ist K, eine interessante Erscheinung, jedoch entschieden interessanter
als Mensch denn als Schriftsteller.
Um für die Kenntnis Kuhacevic' und seiner Umgebung reichere
Quellen aufzuschließen, als es seine erhaltenen Schriften sind, habe ich
das im Wiener Kriegsarchive vorhandene Material, insbesondere die Akten
über den Aufstand von Brine und der Lika studiert und werde versuchen,
die Resultate dieser Studien zusammenzufassen.
n.
Die erste Erwähnung Kuhacevic' in den Akten des Archivs fällt
ins Jahr 1725 : am 23. März dieses Jahres wurde der innerösterreichischen
Kriegsstelle ein »Anlangen des Mathiae Kuhatsewitsh umb die Carl-
städterische Auditoriat-Stelle« ^) abgetreten. Diese Bewerbung hatte
offenbar keinen Erfolg, denn bereits im Januar 1726 wird ein Gesuch
Kuhacevic' »umb Erlaubnus die Ingenieur -Academie frequentiren zu
derfen« an Grafen von Starhemberg geleitet: » . . . der wolle ohnschwehr
verordnen, daß derSupplicant invermelte Ingenieur- Academie zu frequen-
tiren admittiret werde« 2)
Kuhacevic stand also bereits an der Schwelle des Mannesalters, als
er nach absolvierten juristischen Studien den Entschluß gefaßt hatte,
in die technische Militärakademie einzutreten. Über seine Wiener
Studentenzeit finden wir nur eine einzige Notiz und diese bezieht sich
auf sein flottes Studentenleben. Es handelt sich um eine Eingabe einer
gewissen »Sallerin Coecilia ca H. Antonium Kuhaschewitsch Artillerie-
1) 1725 Reg. Prot. 322.
2) 1726 Exp. Prot. 94.
76 T. Matic,
Scholarn«, av eiche bittet »womit ihr ex capite deflorationis et impraeg-
nationis auf des Beklagten bey dem Schneidermeister Schatz in depositum
gegebene 1 7 1 f. ein ghrt. Verbott dann bis zu Erörtterung der bey Einen
Lob. Wiennerischen Consistorio zwischen ihr und den Beklagten hangen-
den Strittsach ob summum in mora periculum in den würkhlichen
Personalarrest ver williget werden möchte« ^). Am 4. Juni beschloß der
Hofkriegsrat, diesem Begehren nicht stattzugeben: »Widernmh hinaus-
zugeben, und wan wegen ingebettenen Verbott- und Arrests-Bewilligung
an den kay. Hof-Kriegs-Rath die gewöhnliche Requisitoriales von dem
hiesigen Erz-Bischöfflichen Consistorio, allwo dise Klagsach bereits
anhängig gemacht worden ist, ergehen werden, folget fernrer Bescheidt« i).
Da dieses Mädchen »ob summum in mora periculum« um Arretierung
Kuhacevic' angesucht hatte, dürfte sie eine Veranlassung gehabt haben zu
befürchten, daß K. Wien zu verlassen gedenke. Wohl waren seine Studien
bereits zu Ende, denn in den ersten Monaten des Jahres 1729 finden
wir K. zwar in Wien, doch wird er nicht mehr als Student bezeichnet,
sondern tritt im Namen der »Communität zu Zeng« mit der Bitte auf,
»damit ihre verarrestirte Richter gegen der angebottenen Caution des
Arrests entlassen werden möchten«. Der Beschluß, den der Hofkriegs-
rat in Beantwortung dieses Ansuchens am 18. Februar 1729 gefaßt
hatte, ist sehr scharf gehalten und spricht K. rundweg den Charakter
eines Ablegaten ab: »Widerumb hinauszugeben mit dem Bedeuten, es
seye dem kay. Hof-Kriegs-Rath von einem alhier seyn sollenden Zenge-
rischen Ablegato nichts bekhant, indeme die hier geweste dasige Depu-
tirte auf Ihro K. M. Allergdsten Befelch zuruckhzugehen schon vor
einiger Zeith beordret worden, allwo sie mit der übrigen Zengerischen
Communität sowohl über invermelte als andere bey dem kay. Hof an-
hängig gemachte Angelegenheiten die ausfallende Allergnädigste kay.
Resolution in gezimbender Submission, Gehorsamb und Ruhe abzu-
warthen haben« 2j. Offenbar war die Stadtgemeinde Zengg beim Hof-
kriegsrate in Ungnaden.
Im nächsten Jahre beAvarb sich K. zu wiederholten Malen — als
Techniker und als Jurist — um Anstellung im Staatsdienste, jedoch
ohne Erfolg. Im Februar 1730 erstattete der innerösterreichische
Ki-iegsrat einen Bericht ȟber das . . . Ansuchen des in architectura
1) 1728 Just. Prot. 218.
2) 1729 Exp. Prot. 255.
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Briiie. 77
militari erfahrenen so genanten Kuliaschewisch umb zu Zeug in seinen
Vatterland employret zu werden« ^j. Als Erledigung dieses Gesuches
wurde K. mitgeteilt, er »könne die i-ö. Meergränzen sambt der Licca
und Corobavia cum suis dependentijs abmessen und entwerfien, wo man
sodann bey eraignenden Aperturen auf selben reflectiren werde« ^). Auch
die Bewerbung Kuhacevic' um die Stelle eines Feldschreibers zuOgulin blieb
erfolglos 3). Als ihn Dapp darauf im Juli zur interimistischen Versehung
der Syndikusstelle in der Lika vorgeschlagen hatte, äußerte sich der
innerösterreichische Kriegsrat in einem an den Hofkriegsrat gerichteten
Berichte gegen diesen Vorschlag »beyfügend die Ursache, warumben er
Kriegs-Rath aber solchen hierzu anzustellen vor Herrn-Dienst nicht
thuenlich zu seyn erachte« *]. Welche Bedenken der innerösterreichische
Kriegsrat gegen Kuhacevic geltend gemacht hat, können wir, da der
Akt selbst nicht erhalten ist, aus dem Texte des Protokolls nicht ersehen.
Es scheint aber, daß K. durch seine innigen Beziehungen zur Stadt-
gemeinde Zengg und das Eintreten für die alten Sitten und Rechte seiner
Vaterstadt gegen die Neuerungen der Militärverwaltung das Vertrauen
des Kriegsrates verspielt hatte. Auch kurz vor dieser abfälligen Be-
urteilung seitens des innerösterreichischen Kriegsrates hatte K. — ■
wieder »im Nahmen der Communität zu Zengg« — gegen die von
Teuflfenbach »beschehene Inhibition, daß die Convocirung erdeüter
Communitet durch den Glockenschlag nicht beschehen solle« ^) vor dem
Hofkriegsrate Klage geführt und um Aufhebung dieses Verbotes au-
gesucht. Solche Proteste, mag es sich auch um Kleinigkeiten gehandelt
haben, wurden von den Militärbehörden gewiß nicht gerne gesehen. —
Erst gegen Ende des darauffolgenden Jahres gelang es Kuhacevic, ein
stallum agendi als Kriegsagent »fiirnemblich in Erwegang der von
demselben besitzenden Kundigkeit deren Croatischen und Illirischen
Sprachen« 6) zu erlangen.
Obwohl sich K. zur Zeit des polnischen Erbfolgekrieges unter den-
jenigen Bürgern von Zengg befand, die auf der Seite Kaiser Karls VI.
1) 1730 Exp. Prot. 2G1.
2) 1730 Reg. Prot. 245.
3) 1730 Exp. Prot. 695 und 1730 Reg. Prot. 306.
4) 1730 Exp. Prot. 1348.
5) 1730 Exp. Prot. 942.
6) 1731 Just. Prot. 6S4.
78 T. Matic,
mit ihren SchiflFen französische, spanische und sardinische Schiffe ver-
folgten i), wurde dennoch sein zu dieser Zeit (1734) eingereichtes Gesuch
»umb als Auditor zu Zeng angestellet zu werden« ^) nicht berücksichtigt.
Im Jahre 1735 scheint er vom Schiffskommando bereits zurückgetreten
zu sein, denn im Juni dieses Jahres verfügte der Hofkriegsrat, daß K.
»Musquetier-Plaz in der Fortezza ob Ottoschaz entweder persöhnlich zu
vertretten oder aber gar zu resigniren angehalten werden wolle« ^).
Um diese Zeit geriet Kuhacevic mit dem Generalobersten von Karl-
stadt, Stubenberg, in einen Konflikt, mit dem sich auch der Hofkriegsrat
zu befassen hatte. Trotzdem K. von der obersten Militärbehörde als
Kriegsagent bestellt war, wurde ihm von Stubenberg — aus welchen
Gründen, wissen wir nicht — verboten, dieses Amt auszuüben. K. be-
schwerte sich gegen das eigenmächtige Vorgehen des Generals, der ihm
nicht gestattete » für die Partheyen Memorialien zu verfassen und für selbe
zu agentiren«. Der Hofkriegsrat nahm Kuhacevic' Rechte in Schutz und
beschloß »Stubenberg zu bedeuten, daß er dem supplicirenden Kuhasche-
vich in seiner zu Carlstatt und dorthiger Orthen treibenden Agentie keine
Hinternuß machen solle«*).
Alsbald sollte sich aber den deutschen Kommandanten im Karl-
städter Generalate eine Gelegenheit bieten, den von ihnen nicht gerne
gesehenen Kuhacevic schärfer anzupacken. Die innerösterreichische
Kriegsstelle erstattete im Januar 1736 an den Hofkriegsrat eine Anzeige,
die nichts weniger besagte, als daß K. die unzufriedenen Zengger
zur Rebellion zuverleiten trachte, was aus zwei Briefen Kuhacevic'
hervorgehe, die bei einem aus einer Zengger Familie stammenden Sol-
daten gefunden worden seien: »I. Ö. Krgs-Stelle zeiget an, wasgestalten
bey einem aus invermelten Ursachen in Graz verarrestirten Soldaten
Nahmens Peter Stauber von Zenckh beykommeude 2 Original- Schreiben
von dem Agenten Kuchachevich gefunden worden, woraus erhelle, wie
besagter Agent eine Irritung (sie) und Complot deren Malcontenten, ja
obged. Stauber Selbsten anzuleithen erweckhe und gegen den tit. Raunach
ingemelte Beschwärden vorbringe, worüber also von dem Carlstätteri-
schen General eine Inquisitionscommission nacherZeng abgeordnet, wovon
1) 1734 Reg. Prot. 308, 929, 1049 und 1751. Cf. Vanicek, Spezial-
geschichte der Militärgrenze, Bd. I, S. 365—368.
2) 1734 Reg. Prot. 603.
3) 1735 Reg. Prot. 962.
4) 1735 Reg. Prot. 1383.
Der kroat. Schriftsteller M.A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 79
die einkommende Acta sie überschicken werden; fragen sich aber an,
wie sie sich respu obbenanten Kuchachevich zu verhalten hätten« ^). Der
Hofkriegsrat zog Kuhacevic unverzüglich zur Verantwortung: » . , . daß
wider ihne verschiedene Innzüchten, daß er eine Irritirung und Complot
deren Malcontenten zu Zeng gegen den Raunach formentiret (sie) und zu
solchem Ende verschiedene Adhaerenten an sich zu bringen gesuchet
und wider ihne Raunach aufgehezet habe, alhier angebracht worden
seyen, solle sich dahero sothanner Mtisshandlungen halber verant-
worthen« 2). Von der Einleitung des Verfahrens gegen Kuhacevic wurde
auch die Kriegsstelle verständigt 3), die nun ihrerseits weiter nach Be-
weisen suchte, um K. des ihm imputierten Verbrechens der Aufwieglung
gegen die vom Kaiser eingesetzten Militärkommandanten zu überführen,
und sendete im März desselben Jahres dem Hofkriegsrate »das wider
den Commendanten zu Zeng mit sehr ehrenrührischeu Expressionen an-
gefüllte, ihnen zugekommene doch ohne Nahmens-Unterschrift verfaste
Schreiben, der aber hierbey in copia von dem tit. General-Obristen von
Stubenberg angelegten Nachricht nach müsse gedachte Schrift von dem
Agenten Kuchechevich aus invermelten Anzeigen verfasset worden seyn ;
dahero das erforderliche vorzukehren seyn möge, womit gegen den Ver-
fasser eine scharfe Remonstration aus angezogenen Ursachen vor-
genohmen werde« ^). Gleichzeitig berichtete die Kriegsstelle auch über
die von der eingesetzten Kommission geführte Untersuchung, deren
Resultat für Kuhacevic sehr ungünstig sei : » . . . wasmassen sich bey
der angeordneten Inquisitionscommission in pcto einer von dem Krgs-
Agenten Kuchachevich angestiften Irritirung und Complot unter einigen
in Zeng befündlichen Malcontenten gegen den aldasigen Commendanten
tit. Raunach nach genauer Untersuchung die wider gedachten tit.
Raunach angezogene Imputata unwahrhaft befunden haben, mithin aus
angezogenen Umbständen und Ursachen ged. Kuchachevich als Haubt-
instrument solcher gefährlichen Aufwicklungen zu gebührender Straff
gezohen und zu Verhüthung ferner dergleichen Unruhen das behörige
vorgekehret werden möge«^j. Unter solchen Umständen war es kein
1) 1736 Exp. Prot. 89.
2) 1736 Reg. Prot. 130.
3) 1736 Reg. Prot. 141.
4) 1736 Exp. Prot. 410.
5) 1736 Exp. Prot. 415.
80 T. Matic,
Wunder, daß am 8. März 1736 Daun vom Hofkriegsrate beauftragt
wurde, er »solle den Kriegs-Agenten Mathiam Antonium Kuhacevich
mit aller Praecaution und Stille arretiren und die bey selben etwo be-
findende Schrififten obsignieren lassen, fehrner aber deßwegen die be-
hörige Anzeiige erstatten« ').
Diese Angelegenheit, die für Kuhacevic schlimm zu enden drohte,
nahm plötzlich eine andere Wendung, ohne daß man aus vorhandenen
Protokollen (die Akten sind nicht erhalten) den Grund erfahren könnte.
Wahrscheinlich hat sich der Hofkriegsrat aus den inzwischen vorgelegten
Akten überzeugt , daß die Schuld Kuhacevic' von der Untersuchungs-
kommission und der Kriegsstelle stark übertrieben wurde, denn am
27. März erhielt Daun Auftrag, den Kriegsagenten Kuhacevic aus dem
Arrest zu entlassen 2). Auch der Beschuldigte wurde mittels eines be-
sonderen Erlasses des Hofkriegsrates davon in Kenntnis gesetzt: »cum
annexo, daß er sich künfi'tighin von seiner anzüglichen Schreibarth in
denen führenden Correspondenzen enthalten solle 3). Wenn der Hof-
kriegsrat glaubte, daß K. sich mit der Wiedererlangung der Freiheit und
der Ermahnung, sich in Hinkunft in seinen Briefen zu mäßigen, be-
gnügen würde, so hat er sich gründlich getäuscht, denn kaum in Freiheit
gesetzt strengte Kuhacevic gegen den Kommandanten von Zengg einen
formellen Rechtsstreit an: »Kuchacevich Mathias Antoni, Kriegs- Agent,
bittet umb gnädigste Communicirung der wieder ihne denuncirten Incul-
pationen zu seiner weithern Verantworttung, dann auch gnädiger Ver-
heißung zur billichen Satisfaction wieder die Denuucianten, mit A incl.
L«4j Es ist schade, daß die so reichlich mit Beilagen versehene Ein-
gabe nicht erhalten ist, denn sie hätte uns einerseits einen inter-
essanten Einblick in die gespannten gegenseitigen Beziehungen der
Bürger von Zengg und des dortigen Kommandanten gewährt und an-
derseits manchen wertvollen Beitrag zur Kenntnis des unruhigen, nicht
so leicht einzuschüchternden Kuhacevic geliefert. — Der Kommandant
von Zengg, Freiherr v. Raunach, wollte natürlich nicht zurückbleiben :
er ersuchte ungefähr um dieselbe Zeit (im April 173G) den Hofkriegsrat
»ihme wegen des von den Kriegs-Agenten Mathias Antoni Kuchacevich
1) 1736 Reg. Prot. 320.
2) 1736 Reg. Prot. 413.
3j 1736 Reg. Prot. 428.
4) 1736 Just Prot. 285; cf. auch 1736 Exp. Prot. 423.
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 81
verübten Unfugs die billiche Satisfaction zu verschaffen« i) und ging so
weit, daß er an den Hofkriegsrat mit der Bitte herantrat »dem Kriegs-
Agenten Kuchacewiz ohne weitherer Nehmung (?) wegen deren wieder
ihne begangenen Vermessenheiten ex ofifo zu bestraffen und daß von
selben die schuldigste Parition geleistet werde« 2). Der Hofkriegsrat ging
darauf nicht ein, sondern verwies Raunach auf den von der Gerichts-
ordnung vorgezeichneten Weg. Kuhacevic verlangte wieder seinerseits
unablässig, Raunach soll ihm durch die Mitteilung der gegen ihn »denun-
cirten Inculpationen» die Verteidigung ermöglichen, welcher Meinung
auch der Hofkriegsrat beitrat 3). Der Streit mit Kuhacevic scheint
Raunach endlich sehr unangenehm geworden zu sein, denn im September
1736 bat er den Hofkriegsrat, ihn von den von K. »machenden Unruhen
zu befreyen« 4). Aber auch der Hofkriegsrat selbst hielt es für ratsam,
diesen Streit in kurzem Wege zu erledigen und richtete an Kuhacevic
ein Schreiben, in welchem er »geanthet« wird, »daß selber über dessen
von den Hof-Kriegs-Rath vor einiger Zeit alhier beschehene Arretirung
einen Rechtsstritt gegen den Raunach anzufangen sich anmaßet«^).
Nach diesem Erlasse des Hofkriegsrates wird der Rechtsstreit Raunach-
Kuhacevic nicht mehr erwähnt. Es ist aber für K. charakteristisch, daß
er sich inmitten dieses von ihm gegen den Kommandanten von Zengg
angestrengten Prozesses um die in derselben Stadt erledigte Syndikus-
stelle bewarb^).
Durch die Konflikte mit den in der Stadt Zengg verhaßten Komman-
danten und durch sein mannhaftes Auftreten gegen diese unbeliebten
Fremdlinge hat sich Kuhacevic Sympathien seiner Landsleute erworben.
Als er sich im Jahre 1737 um das erledigte Syndikat in der Lika
bewarb'^), traten sämtliche Capitaines zu Zengg bei der inner-
österreichischen Kriegsstelle für ihn ein und schlugen ihn für die
erledigte Stelle vor. Die Kriegsstelle ging auf diesen Vorschlag nicht
ein, worauf die Anhänger Kuhacevic' vor dem Hofkriegsrate gegen die
innerösterreichische Kriegsstelle Beschwerde führten: » . . . daß solche
'}
1736 Just.
Prot.
286.
•')
1736 Just.
Prot.
344.
3)
1736 Just.
Prot.
350, 491,
577
und 1186.
')
1736 Exp.
Prot.
1788.
S)
1736 Reg.
Prot.
1289,
f^)
1736 Exp.
Prot.
1277.
'}
1737 Reg.
Prot.
1410.
Arch
iv für slavische Philologie.
XXSV.
82 T. Matic,
den von ihnen zu den liccaner Syndicat vorgeschlagenen Mathias
Kuhacevich verworffen«, und baten, »solchen dahin ohne weithers an-
zustellen« i). Die Kriegsstelle wich von ihrem Standpunkte natürlich
nicht ab und stützte sich darauf, »daß bis anhero ungewöhnlich ge-
wesen seye, obged. Krieger als Auditorn zu Graz in derley Fällen zu
vernehmen noch minder der Concurrenten Memorialien denen liccani-
schen Capitaneaten und Volck alda zum Vorschlag hinauszugeben* ^).
Noch während dieses Kampfes um die Syudikusstelle in der Lika
berichtete im April 1738 die Kriegsstelle an den Hofkriegsrat über die
unbefugte Entlassung eines gewissen Konikovic aus dem Arrest und
verlangte für die dabei beteiligten Baron Hallerstein und Syndikus
Kuhacevic eine Bestrafung 3]. Der Hofkriegsrat hat auf Grund dieser
Anzeige K. auf zwei Monate ab officio suspendiert. Kuhacevic wird also
zu dieser Zeit bereits als Syndikus bezeichnet, — wahrscheinlich ist
er inzwischen provisorisch mit der Leitung des Zengger Syndikates be-
traut worden, denn im Juni 1739 wird ein Gesuch Kuhacevic' »umb die
Confirmation in der Syndicatstelle zu Zeng mit Beylegung des Auditor-
tituls« erwähnt*).
Die Beziehungen Kuhacevic' zum neuen Kommandanten von Zengg^
Obersten Lumaga, waren alles eher als freundschaftlich : Lumaga hat
ihn 1740 — aus uns unbekannten Gründen — ganz einfach des Dienstes
enthoben. Doch wegen dieser Entlassung geriet Lumaga in Konflikt
mit dem Verwalter des Karlstädter Generalates, Herberstein, der somit
für K. eingetreten zu sein scheint^). K. hat es natürlich seinerseits nicht
unterlassen, sein Recht vor dem Hofkriegsrate auch selbst zu vertreten,
und hat (im Mai d. J.) eine Bittschrift eingereicht, »vermöge welcher in
das Zengerische Castell-Gerichts-Syndicat widerumb restituiret zu werden
anlanget« ^). Die innerösterreichische Kriegsstelle hätte eine Bestätigung
der Entlassung Kuhacevic' nicht ungern gesehen, denn Herbersteins und
Lumagas in dieser Angelegenheit erstatteten Berichten hat die Kriegs-
stelle als ihre »gutachtliche Meinung« beigefügt, daß den Kommandanten
1) 1738 Exp. Prot. 213.
2) 1738 Exp. Prot. 1901.
3j 1738 Exp. Prot. 1183.
4) 1739 Reg. Prot. 1226; cf. auch 1739 Reg. Prot. 2115.
5) 1740 Exp. Prot. 2334.
6) 1740 Exp. Prot. 2357; cf. auch 1740 Exp. Prot. 2374 und 2379 sowie
1740 Exp. Prot. 779.
Der kroat. Schriftsteller M.A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 83
von Zengg »die Authorität einen Syndicum abzusezen nicht wider-
sprochen werden könne« '). Und doch entschied der Hofkriegsrat zu-
gunsten Kuhacevic'. Dem Kommandanten Lumaga wurde als Erledi-
gung des Hofkriegsrates mitgeteilt: » . . . daß der zu Zengg befindliche
Syndicus Kuhascevich aus denen angezeigten Ursachen von seiner
Charge übersezet worden, seye Unrecht beschehen«, und es wurde ihm
aufgetragen, »solche (die Charge) demselben sogleich widerumb einzu-
raumben und den statt seiner aufgenohmenen Hreglianovich zu entlassen ;
annectendo , daß selber die in Herrndienst vorfallende Bericht immediate
dem Herberstein und der Kriegs- Stolle, allenfalls kein periculum in mora
obhanden wäre, abzustatten habe «2), Es ist begreiflich, daß Lumaga
schon um seines Ansehens willen alles aufbot, um den von ihm ein-
gesetzten Syndikus gegen Kuhacevic zu halten. Zu diesem Zwecke
richtete er an den Hofkriegsrat ein Gesuch, »womit der von ihme zu
Triest (sie) statt des Kuacevich in die dasige Syndici Stolle eingesezte
Hrelianovich qua talis bestättiget werden möge« 3). Doch der gewünschte
Erfolg blieb aus, denn der Hofkriegsrat verfügte: »es habe sein Ver-
bleiben, daß der Kuacevich in die ihme zu Triest (sie) abgenohmen
wordene Syndici StöUe nach ehevoriger Entlassung des Hrelianovich
ohne weithers einzusezen seye; committendo, die gegen demselben
habende Beschwährden bey der I. Ö. Kriegs-Stölle anzubringen« *).
Lumaga reichte tatsächlich gegen K. bei der innerösterreichischen
Kriegsstelle eine Klage ein, und mit der Untersuchung der vorgebrachten
Beschuldigungen wurde der Grenzauditor Widmann betraut. Auf Grund
des Berichtes über die durchgeführte Untersuchung war die inner-
österreichische Kriegsstelle der Meinung, daß »ihme Syndico (sc.
Kuhacevic) nicht nur seine Function beizulassen, sondern gründlich zu
untersuchen wäre, in was Criminal-Causis ged. Obriste Lumaga einige
Geld-Straffen dictiren lassen, umb es allenfalls gegen ihne zu anthen«^).
Als nach dem Tode Kaiser Karls VI. Bayern und Preußen in den
Krieg gegen Maria Theresia zogen, wurde Kuhacevic als Auditor mit
den Karlstädter Grenzern im Januar 1742 6) auf den Kriegsschauplatz
1) 1740 Exp. Prot. 2357.
2) 1740 Reg. Prot. 2098.
3) 1740 Reg. Prot. 3140.
*) 1740 Reg. Prot. 3142.
5) 1741 Exp. Prot. 1273—1274.
6j Magdic, Zivot i djela II.
6*
84 T. Matic,
nach Bayern gesendet. Im Sommer desselben Jahres bat K. »augestelter
Auditor bey denen bei der Armee in Bayern stehenden Carstätter (sie)
Gränizern . . . umb das Confirmationsdecret und Conferierung des Leuth.-
Tituls« ^), was ihm unmittelbar darauf vom Hofkriegsrate auch bewilligt
und seinem Kommandanten Herberstein mitgeteilt wurde: ». . . sonsten
seye auch dem Zenggerischen Syndico Mathiae Kuhachevich das Auditor-
und Leuth.-Decret verwilliget worden, des lezteren Character jedoch
nur ad honores . . .« 2). Mit der Armee zog Kuhacevic von Bayern nach
Böhmen, dann nach Elsaß und durch die Rheiupfalz wieder nach Bayern
und Böhmen 3j. Leider sind über die Eindrücke, die der Aufenthalt
im Auslande auf K. gemacht hat, keine Nachrichten erhalten. Vielleicht
war in der Autobiographie auch darüber etwas enthalten, was in Magdic'
kurzem Auszuge vor der Ausgabe der Schriften Kuhacevic' nicht er-
wähnt wurde.
Im Februar 1744 war Kuhacevic bereits nach Zengg zurückgekehrt,
wie es aus einer in diese Zeit fallenden Notiz hervorgeht: »Kuhacevich,
Auditor und Leuth. zu Zeng, langet an, ihme den Haubtmannscaracteur
heyzulegen« '^). Nach Magdic^) wäre Kuhacevic bald darauf, Ende 1745,
in den Ruhestand getreten, was nach den Protokollen des Hofkriegsrates
nicht richtig ist, denn im September 1746 berichtete General Hildburgs-
hausen, der von der Kaiserin mit der Reorganisation der Karlstädter
Grenze betraut war, ȟber das untern 26. Aug. beschehene hofkriegs-
räthliche Insistiren wegen Endigung deren von dem Priester Pasquale de
Valeriis wider den Zengerischen Corsaren Cognikovich formirten Klag
und remonstriret, warumben diser Process bisanhero nicht zu Ende ge-
bracht worden, wie und warumben hieran unter anderen haubtsächlich
der Obristwachtmeister Portner und Auditor Kuhachevich die meiste
Schuld hätten, folglich auch was die Ursach seye, daß die Cognikovi-
chische Haabschafften nicht sequestriret worden, und wie alle bisherige
Unordnungen zu Zeng dahero entstehen thätten, weillen dise zu einer
Freystatt erhoben worden, auch solche nicht cessiren würden, bis nicht
■die Statt wider der Militär- Jurisdiction untergeben seyn wird« ''). Diese
1) 1742 Exp. Prot. 1804.
2) 1742 Reg. Prot. 1387.
3) Magdic 0. c. 11.
4) 1744 Exp. Prot. 554.
5) Magdic 0. c. 12.
6j 1746 Exp. Prot. 2335; cf. auch 1746 Reg. Prot. 2008.
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brit'ie. 85
Notiz über den Bericht Hildburghausens verrät schon den Willen, mit
den Zenggern endgültig abzurechnen. Offenbar paßte das kleine, der
Militärverwaltung so abgeneigte und auf seine Privilegien sehr eifer-
süchtige Städtchen ganz und gar nicht in die Pläne des kaiserlichen
Generals, der ins Karlstädter Generalat mit der Mission entsendet war,
eine im zentralistisch-absolutistischen Geiste entworfene Reorganisation
des Generalates durchzuführen.
Das ganze Generalat teilte Hildburgshausen in vier Regimenter ein,
die mit den ebenfalls neuformierten vier Husareneskadronen ungefähr
18 000 Mann stark waren. Die neuen Formationen wurden einheitlich
organisiert, alle bisherigen Sonderrechte aufgehoben, die einheimischen
Knezen abgeschafft und die höheren Offizierstellen (einschließlich der
Hauptmannsposten) mit Fremden besetzt. Ursprünglich war die Hälfte
der Mannschaft zur Verwendung außerhalb des Landes bestimmt, doch
bald darauf wurde der Ausmarsch in drei Touren eingeführt^).
Die neue Einrichtung wurde in der Umgebung von Brine und bald
darauf auch in der Lika mit einem Aufstande beantwortet. Man ver-
langte mit Ungestüm die Wiedereinführung der alten Einrichtung und
bedrohte insbesondere die neuernannten Offiziere als Repräsentanten der
neuen Ordnung. Zu blutigen Zusammenstößen der Aufständischen mit
den kaiserlichen Truppen kam es nicht, weil die ersteren vorgezogen
hatten, eine Deputation nach Wien zur Kaiserin zu entsenden, um auf
diese Weise die Wiederherstellung ihrer alten Rechte durchzusetzen 2),
III.
Nach allem, was wir bisher über die Beziehungen Kuhacevic' zu
den Vertretern der Militärgewalt im Karlstädter Generalate wissen, ist
es nicht schwer zu erraten, auf welcher Seite seine Sympathien waren.
Wir könnten uns Kuhacevic im Augenblicke, wo die durch Reformen im
Volke hervorgerufene Unzufriedenheit zu wachsen und bestimmtere
Formen anzunehmen begann, als einen gleichgültig imd müßig beiseite
stehenden Zuschauer gar nicht denken.
Als sich Ende August 1746 3) aus den aufrührerischen Gebieten des
Karlstädter Generalates eine Deputation nach Wien begeben hatte, um sich
1) Vanicek, Spezialgeschichte der Militärgrenze, I. Bd., S. 499.
2) Vanicek, ib., I. Bd., S. 5uO— 506.
3) Vanicek, o. c, I. Bd., S. 504.
86 T. Matic,
bei der Kaiserin gegen die neuen Reformen zu beschweren, wurde der Hof-
kriegsratspräsident Graf Harrach beauftragt, über die eingereichten Be-
schwerden eine genaue Untersuchung einzuleiten. Um die Untersuchung
zu vereinfachen, wurde eine besondere Kommission eingesetzt, die im
Hause des Prinzen von Hildburgshausen die Deputierten »mit aller
Accuratesse und Punctualität« verhört und über deren Verhör dem Hof-
kriegsrate einen ausführlichen Bericht vorgelegt hat. Auf Grund dieses
Berichtes hat nun auch der Hofkriegsrat die Deputierten einvernommen,
die alles, was sie in den früheren Verhören ausgesagt hatten, vollauf be-
stätigten 1).
Als Ergebnis dieser Voruntersuchung wurde der Kaiserin berichtet :
» . . . dass theils die Zengnianer, theils einige Commendanten, beson-
ders der Obristwachtmeister Baron Gall zu Brindel (allwo die Auf-
ruhr angefangen) nebst seiner Ehe-Consortin, einer gebohreneu
Zengerin, und theils der Auditor Kuhasevich, ebenmäßig ein
Zengnianer, die wahre und fürnehmste Urheber des ganzen
Aufstandes seyen«^). Die Zengger hätten den Verlust ihrer Stipendien
für eine Folge der neuen Einrichtungen gehalten und sich der Hoffnung
hingegeben, nach der Abschaffung dieser Einrichtung ihre Stipendien
von der krainischen Landschaft wieder zu erlangen. »Hiernechst hat
ihnen Zengnianereu die eingelegte tetitsche Garnison, wo-
durch denenselben ein Zaum angeleget und haubtsächlich
das unbeschränkte Contrabandiren verhindert wird, über
die Massen in die Augen gestochen, dahero selbe eine so andere
Emissarien ausgeschicket und dem Volckh alles Übel von der Einrich-
tung, wie nemblich ihnen die Mondur bloß zu dem Ende, um sie zu obli-
gaten Soldaten zu machen, ausgetheilet würde, daß sie solche bezahlen
müsten , auch daß die versprochene Besoldungen nur ein Blendwerk und
kein Fundus darzu bej^handen wäre; und sonsten alles, was sie zu Ge-
hässigmachung der Einrichtung und Aufwieglung des ohnehin arg-
wöhnischen Volcks nur immer erdenken können, beybringen, ja endlichen
dasselbe gar animieren lassen, daß es sich auf Zeng begeben und mit
ihnen die teütsche Garnison von dannen vertreiben helflfen
solte, welches leztere jedoch pur und allein aus Furcht nicht unter-
1) Bericht des Hofkriegsratspräsidenten an die Kaiserin dd. 24. Dez.
1746 (Akt: 1747 Jan. 610).
2) Ibid.
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Briiie. 87
nohmen worden« ^). Der Kommandant von Brine, Baron Gall, und seine
Gemahlin »haben beede vor entstandener Aufruhr sich mit dem Auditor
Kuhasevich, nach aydlicher Aussage seines eigenen mit ihme hier an-
wesenden Cammeradens, des llaubtmanns Chiolich (welches auch, und
was noch ferners hiernach folget, von denen übrigen Deputirten eben-
fals aydlich bestättiget worden), zu villen Stunden unterredet, und
gleich darauf, da die Tumultuanten schon würkhlich ohnweit Zeng
gelaagert waren, die Br. Gallin sich dahin nacher Zeng verfüget, al-
da mit dem Kuhasevich auf das neue Unterredung gepflogen und nicht
allein die Brindlerische Deputii'te (wie sie es nachher© dem Matte
Sertich Selbsten geoifenbaret) an den schon damahls als Zengerischer
Deputirter ernennt gCAvesten Kuhasevich bestens recommandiret, son-
dern auch, daß er selbigen, um die neue Einrichtung zu praecipitiren
und die alte Gewohnheiten wider emporzubringen, an Hände stehen solle,
gebetten« ^).
Kuhacevic hatte sich als Deputierter der Stadt Zengg im August 2)
nach Wien begeben und soll mit der Grenzerdeputation gleich nach ihrer
Ankunft in Verkehr getreten sein : » . . . wie aber die Brindler Deputirte
alhier in Wienn kaum angelanget, seynd von ihme denenselbeu allerhand
gefährliche Anschläge an Ilande gegeben und sogar in dem ersteren be-
reits verfertigt gewesten Memorial eine sehr bedenkhliche Clausul einge-
fliket worden , so ganz handgreiflich aus deme erhellet, daß die übrige
Handschrifft sothanen Memorials in guter teütscher Sprache, diser An-
hang aber in vollkommenen Croatisch-Teütschen beygesezet seye. Und
hat er weiters ihnen Brindleren bey ihrer lezteren Anherokunfft den
Vorschlag, daß Sie ihn vor ihren Agenten eigens begehren solten,
wonach er schon alles in die Wege richten und das Steüer-Ruder führen,
sofort ihnen den Endzweck in Beybehaltung der alten Gebräuchen zu
erlangen trachten wolle, gemachet; ja sogar, als er in ihren Punctis ver-
merket, wie selbe die Mundirung anzunehmen sich erkläret, sie in fol-
genden Terminis: daß sie sich durch Annehmung der Mondur auch der
neuen Einrichtung unterwerffen thäten, wo alsdan alles verlohren und es
um ihre Freyheit gethan seyn würde, — sothanen Punct auszulassen auf
das nachdrücklichste ermahnet, sich annebst erfrechet, die vh. (?) be-
rührte Deputierte, da von Euer Kay. König. Mtt. ihnen die
1) Ibid.
2) Magdic, Zivotidjela, S. 12.
88 T. Matic,
Stunde zur Audienz bereits gegeben wäre, davon abzuhalten
und selbe zu überreden zu suchen, ehender die Audienz nicht zu
nehmen oder einige Klag-Puncten zu überreichen, bis nicht
vor allem er Kuhasevich ihnen qua Procurator zugeordnet
seye. Dasjenige aber, so dessen geführtes böses Absehen am
allermeisten bestärket, hat sich in seinen intercipirten
Schrifften geäusseret: angesehen darinnen verschidene Correspon-
denzen, wo er nicht allein dem Feldt-Marschalllieut. Gr. v. Herberstein
dan denen Malcontenten in bedeuckhlichen Terminis zugeschriben und
seine Freude über die schon eingebildete Umbstttrzung der neuen
Einrichtung entdecket, sondern auch mit denen Zeugnianern darüber
Briefe gewechslet sich vorgefunden, unter welchen forderst von einem
Zenger Correspondenten ein Schreiben vorhanden, woiinnen er sich
rühmet, wasgestalten sein Antrag gewesen, sich der teütschen
Garnison bey ihrer Ankunfft mit gewaffneter Hand zu
wider sezen, selber angegen von seinen Cammeraden (die er gleich-
sam als zaghaffte Gemüther anklaget) hiereinfahls nicht secundiret wor-
den seye.
Nebst disen hat man ein von ihme Kuhasevich aufgeseztes Coucept
einer sogenanten Synoptischen Information gegen die Einrichtung
gefunden, welches alleinig genug und hinläuglich ist, ein derley Feuer,
wie in dem Generalat entstanden, anzustellen. Dise Information ist mit
dem lateinischen unter oben allegirten Beschwärdten befindlichen, nach
Anzeige derer Deputirten in dem Generalat gefasten Pro memoria
sowohl in substantia als auch in stylo völlig gleich und mit
denen nemblichen Unwahrheiten gegen die Einrichtung, wie sie dem
Volck in dem Generalat beygebracht und deren Ungrundjezo von ihnen
Deputirten schon angezogenermassen einhellig erkennet und bekennet
worden, angefüllet; woraus dan eine grosse Einverständnus zwischen
ihme und denen Rebellen abzunehmen ist. Er hat auch in solcher die
abscheulichsten Argumenta, wordurch einem jeden, welcher von dem
wahren Systemate nicht unterrichtet ist, die allergehässigste Idee von
selbigen inspiriret werden mag, hirfür gesuchet und darüber noch in
erdeüter Schriift unverschämbt angeführet, daß würkhlich über4000Lic-
caner der Einrichtung halber emigriret wären, wo doch nach eigenem
Bericht des verstorbenen Obristens de Pozi (der ganz gewiß kein Freund
der Einrichtung gewesen) nur einigwenige wegen der eingerissenen
Hungers-Noth, keinerdings aber wegen der neuen Einrichtung, auch bey
i
Der kroat. Schriftseiler M. A. Kuhacevic n. d. Aufstand v. Brine. 89
weitem nicht so ville Hundert, als er von Tausenden redet, aus dem
Land gezohen seind« . . . ^),
Die Synoptische Information, die Kuhacevic so sehr belastete,
wird auch in seinen Schriften als Hauptgrundlage der gegen ihn er-
hobenen Anklage und des in der Folge gefällten Urteiles bezeichnet:
Ovdi ces rec: »Pismo je ti vrat slomilo,
koje je otajno tvo pero slozilo.
Cisto si pred sudom rekal i valoval,
prot znaiiu i dusi da s' ga pod pero klal.«
To j' istina, vindar 'z nega ne izhodi,
puntarskoj da podah zrok kakov prigodi.
Pismo anda ni mi moglo vrat slomiti
i kako puntara na smrt odsuditi,
sto s' u nem uzdrzi star stalis krajine,
nov red i zrok, da se ov slaksa il zdigne,
jer daprem novi red jest vec neg potriban,
vindar da j' sadasni opcini skod|ivan.
Opcinskoga dobra iz prave lubavi,
sto znah i cuh, pero na hartu postavi.
Svidok je Bog mili, po dusi i znafiu
iipucene podah u tom dugovanu.
Da pak odoh na se, sto me na to spravi?
Evo ti, poslusaj od toga zrok pravi :
tvoja od muk grozna, ovo j' uzrocilo
bogolubna sudca nespodobno dilo.
Jer kadgod ue rekoh, sto si zelil znati,
groznju od muk morah na pleca pobrati.
K tomu i ufaiie, ako pojdem na se,
da morebit stignem polaksane za se;
jer ostrocu resta, s kojom me drzase,
iz tela mi dusu silom izganase^).
So spricht Kuhacevic in seinem List na sudca od Korane (Sendschreiben
an den Richter von der Korana) und erklärt in einer Fußnote, daß unter
»pismo« die Synoptica informatio circa vetus et novum regula-
rtientum generalaius Carlostadiensis gemeint ist. Diese Schrift wurde
von Kuhacevic dem Beichtvater der Kaiserin übergeben ^j. Im Berichte
1) Bericht des Hofkriegsratspräsidenten an die Kaiserin dd. 24. Dez.
1746 (Akt: 1747 Jan. 610).
2) Magdic, Zivot i djela, S. 65—66.
3) Bericht des Hofkriegsrates an die Kaiserin dd. 10. Juli 1749, Blatt 35
(Akt: 1749 Okt. 549).
90 T. Matic,
des Hofkriegsratspräsidenten vom 21, Dezember 1746 wird, wie wir ge-
sellen haben, ausdrücklich gesagt, Kuhacevic' Stjnoptica informatio sei
»mit dem lateinischen unter oben allegirten Beschwärdten befindlichen,
nach Anzeige derer Deputirten in dem Generalat gefasten Pro memoria
sowohl in substantia als auch in Stylo völlig gleich und mit denen
nemblichen Unwahrheiten gegen die Einrichtung, wie sie
dem Volck in dem Generalat beygebracht und deren Un-
grund jezo von ihnen Deputirten schon angezogenermassen
einhellig erkennet und bekennet worden, angefüllet.« lu den
Akten des Kriegsarchivs befindet sich weder dieses Pro memoria noch
Kuhacevic' Information: es sind überhaupt nur die dienstlichen Berichte
der Instanzen, die sich mit dem Aufstaude von Brine zu befassen hatten,
erhalten, während das übrige, sehr interessante Material (Protokolle über
die Verhöre, konfiszierte Korrespondenzen und Papiere der Beschuldigten
u. dgl.) ausgeschieden und ohne Zweifel veruichtet wurde, Kach dem
erwähnten Berichte des Hofkriegsratspräsidenten hat Kuhacevic in der
Synoptica informatio gegen die neue Einrichtung im ganzen und großen
dieselben Beschwerden vorgebracht wie die von den Grenzern nach Wien
gesendete Deputation. Die Beschwerden der letzteren sind in demselben
Berichte in zwölf Punkte zusammengefaßt und jedem Punkte seitens der
üntersuchungskommission eine Widerlegung beigefügt. Da nun diese
Beschwerden einerseits nicht nur bei der Beurteilung der Beteiligung
Kuhacevic' an der Protestbewegung sondern auch als Ausgangspunkt
der im Karlstädter Generalate ausgebrochenen Unruhen sehr in Betracht
kommen, anderseits aber deren Widerruf vor dem Hofkriegsrate das
klägliche Scheitern der Aktion der Deputierten und in der Folge des
ganzen Aufstandes grell illustriert, wollen wir sie in ihren Grundzügen
kennen lernen,
»Nun bestehet — heißt es im Berichte^) — der erste Punct ihrer
teutschen und lateinischen Beschwährungsschriflft in deme, daß sie ehe-
dessen mit ihren Grundstücken und dem Holzschlag nach Gefahlen ge-
schaltet und gewaltet hätten, nunmehro aber verbotten seye, die
Terrains weder vergrösseren, noch verkaufen, noch ver-
hypotheciren oder per testamentum etiam ad pias causas
leg Iren, wie auch in denen Waldungen nicht mehr nach Belieben Holz
1) Bericht des Hofkriegsratspräsidenten dd. 24. Dez. 1746 (Akt: 1747
Jan. 610).
Der kroat. Schriftsteller M.A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 91
schlagen zu können». Diese Beschwerde suchte man hauptsächlich durch
Hervorhebung des Umstandes zu entkräften, daß »die Grundstücke
ihnen Gränzeren nur zu ihrer Nuzniessung, nicht aber als ein freyes
Eigenthum, und zwar mit dem ausdrückhlichen Beding, daß sie davon
ihre Militärdienste praestiren müssen, aus allerhöchst kay. Gnaden ver-
lihen worden». Bemerkenswert ist es, was im Anschlüsse darauf über
den Zeitpunkt sowie die Art und Weise der Ausrottung der Wälder im
kroatischen Küstenlande gesagt wird: »Es erinneren sich noch Leüthe
gar wohl, daß hiebevor die ganze Meer-Seithen mit dem schönsten Ge-
hölz versehen, und da andurch der starke Bora-Wind angehalten wurde,
auch die Menge guter Baufelder alda zu finden gewesen; nachdeme aber
die Gränizer seithero sich vorbemelter Freyheit ohnerlaubter Weise ge-
brauchet, 'so ist nunmehro durch sothane Unordnung nicht nur das er-
wachsene Stammholz daselbsten völlig ausgerottet, sondern auch das
Erdreich dem gewaltsamen Bora -Wind dergestalten losgestellet , daß
anjezo an dem ganzen Lido nichts als der pure rauhe Felsen zu sehen
ist». — »Angehend den zweyten Beschwärungs-Punct, daß die Zenger
Haubtmannschaift anstat derer ehehin zu stellen gehabten 4 Compag. zu
Fuss und 1er zu Pferdt dermahlen 9 Compag. formiren müste», wird
vom Berichterstatter eingewendet, daß die Lage der armen Bevölkerung
dadurch gar nicht verschlechtert sei, denn früher habe man die Reichen
ungerechterweise vom Militärdienste befreit. Der dritte Beschwerdepunkt
bezog sich auf die Aufhebung der früheren Bestimmung, nach welcher
eine Witwe, die im Hause keinen »streitbahren Mann» hatte, drei Jahre
von der Stellung eines Ersatzmannes befreit war. Diese Beschwerde
sollen die Deputierten selbst als unbegründet fallen gelassen haben,
» . . . selbe erkeneten aber die jezige Einrichtung vill besser zu seyn,
da nemblich die Wittiben, weillen sie die Grundstücke genüsseten, auch
gleich denen anderen ihren Mann beyzuschaffen haben, um so mehr als
sonsten diesfältiger Abgang die anderen zu hart betreffen würde».
»Viertens wird als ein Gravamen von ihnen angeführet, daß zur Zeit
der Ablösung, da die Helfte derer Regimenter im Feld
stünde und die andere Helfte dahin marchiren solte, die
Häuser lär, folgsamb die Haus- und Feld-Arbeiten erligen
bleiben müsten . . .« »Fünfftens seynd sie Deputierte über die wegen
Praeterirung derer nationalen Kneesen und Porkulaben, dan
wegen Anstellung frembder Officiers führende Klagen ebenfahls
befraget, von selben aber geantwortet worden, wie ihnen von einer
92 T. Matic,
deiiey Klage nichts bekant seye und vilmehr das Gegentbeil sieb er-
weise, da einige Kneesen würkblicb promoviret, die andere hingegen in
ihrer Würde und anbey in dem Genuß ihrer Poschasbinen gelassen . . . « ,
»Über den 6. Punct, daß die Gränizer zu 20 und 30 Officiers in einem
Haus leiden müsten, haben sie Deputirte die Erläuterung gegeben und
seynd sogar in folgende Formalia herausgebrochen: daß dise Be-
schwärdte nur eine leere Vorstellung und des Teüffels Gedanken ge-
wesen seye, der solches hineingeschriben habe: . . .«. »Respectu des
siebenden Beschwährungs-Puncts, daß die sogenante Venturiner, welche
keiue Gründe besizen, jedannoch im Feld dienen oder Contributionen
bezahlen müsten, ist auf weiteres Verlangen von ged. Deputirten die
Auskunfft erstattet worden, wasmassen sie von keiner Contributions-
Anlaag wisseten oder vernehmen hätten . . .« Daß es so viel Venturiner
gebe, sei die reichere Bevölkerung, besonders aber die Zengger schuld,
die den Grenzern »mit unbeschreiblichem Wucher« auf deren Gründe
Geld geborgt hätten, »bis sie selbige nach und nach an sich gerissen
haben«, ohne jedoch die mit dem Grundbesitze verbundenen Pflichten zu
erfüllen. »Achtens: erscheinet zwar aus ihrer schrifftlichen Klage in
Angelegenheit derer Stipendien, daß solche theils gänzlich aufgehoben,
theils dergestalten , daß weder Infant, noch Cavall. dabey bestehen
könte, herabgesezet worden wären«, während in der Tat die äußerst
seltenen Fälle der aufgehobenen von der Zahl der neuverliehenen Stipen-
dien bei weitem tibertroffen wtirden; außerdem komme auch die gegen-
wärtige regelmäßige Auszahlung der Stipendien im Vergleiche mit der
bisherigen Unordnung den Grenzern sehr zustatten, so daß infolgedessen
auch eventuelle Verminderungen der Stipendien bloß scheinbar seien.
Die Deputierten sollen, nachdem sie in diesem Sinne aufgeklärt wurden,
diesen Beschwerdepunkt mit Bedauern als unbegründet zurückgezogen
haben: » . . . und haben hierauf dieselbe sich darvor bedanket, auch
entschuldiget, daß sie aus Mangel hinlänglicher Wissenschafft zu diser
Beschwärde von anderen verführet worden seyen. Ein gleiches haben sie
— neuntens — wegen der Mondur beygebracht: daß sie nur von an-
deren, absonderlich von denen Zengeren, wie es der Catalinitsch und
Biundich unter ihnen ausgestreüet , tiberredet und zu glauben verleitet
worden wären, daß selbe die empfangende Mondur wtirden bezahlen
müssen«. — »Auf die Beschwehrde, daß — zehntens — alt erlebte und
tiber 60-jährige Leüthe in das Feld zu ziehen gezwungen wären, zeiget
sich gerade das Widerspiel . . .« »Eilfi'tens haben sie Deputirte nicht
Der kroat. Schriftsteller M.A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 93
minder bekennen müssen, die Praestation der Robath, Vorspann und
das Saum-Treiben nicht nach der neuen Verfassung, sondern nach dem
vorhinigen alten Gebrauch beschehen zu seyn. In gegenwärtiger Ein-
richtungs-Norma ist ausdrückhlich vorgesehen, daß das Saum-Treiben
ausser Landes, ingleichen daß Robath vor die Officiers gänzlich abge-
stellet und einerseits ohne Vorweisung einer Anschaffung vom Commando
niemanden einige Vorspahu verabfolget, andererseits aber solches nicht
umbsonst, wie vorhin, genohmen, sondern nach der ausgeworffenen Tax
bezahlet werden solle«. — »Anbetreffend — zwölfftens — die wegen
deren nach Ottoschaz zu geben habenden Ordonnanzen geregte Be-
schwärten, hierauf haben sie Deputirte gemeldet, daß selbe nicht so vill
über die Ordonnanzen sich beklageten, sondern nur die Gemüther derer
Brindleren mehrer denen Zengeren als Ottoschanern geneigt wären, an
welchem lezten Ort folgsam, wan die Zenger von dem Militari ausge-
schlossen worden, die Officiers zu stehen, somit auch die Ordonnanzen
dahin abzuschicken kommen«.
IV.
Als Kuhacevic die Mitglieder der Grenzerdeputatiou zu überreden
trachtete, ihre Beschwerden nicht allein vorzubringen, sondern zu ver-
langen, daß er ihnen als »Agent« oder »Prokurator« beigegeben werde,
hat er wohl gewußt, daß sie, sich selbst überlassen, ein Spielballen in den
Händen derjenigen sein werden, die bestrebt waren, die Beschwerden
der Deputation möglichst zu entkräften. Die Deputierten waren ja ein-
fache, ungebildete Leute, die es wohl verstanden haben, zu Hause Lärm
zu schlagen und zu drohen, die aber weder die nötige Intelligenz noch
den Mut hatten, ihre Klagen vor hohen Würdenträgern des Staates zu
vertreten. Was Kuhacevic befürchtet hatte, traf auch ein: die Deputierten
ließen sich einer nach dem anderen von den Mitgliedern der kaiserlichen
Kommission belehren, daß ihre Beschwerden ganz und gar unstichhältig
und grundlos seien: »In der ersten bey Hof-Kriegs-Rath beschehenen
Vorberufung derer dreyen Deputirten haben dise bey Verlesung ihrer
Klag-Puncten mehrere theils die Achslen geschupft, theils selbige gar
geläugnet und dem Schrifften-Steller dessen die Schuld beigemessen,
theils vor pure Unwahrheiten erkennen zu müssen erkläret, — ja, daß
sie es schon untereinander Selbsten gesprochen und der alte 90-jährige
Mann mit Nahmen Pajan seinen Cameraden gleich nach der Audienz mit
folgenden Worten: »Hab ichs euch nicht allezeit und schon zu Haus ge-
94 T. Matic,
sagt, daß wir mit lauter s. v. Lügen anhero kommen» zugeredet zu haben
von frej'en Stucken gestanden. Von denen übrigen ist in denen Special-
Verhören das nembliche fast bey jedem Punct erwehnet und nur jeder-
zeit gegen die Zenger, so sie verführet, und andere, welche ihnen
das gute von der Einrichtung nebst allem, was zu ihrem Trost und
Nuzen dabey gereichet, verborgen und verheelet, im Gegentheil aber dem
Voick so villen bösen Argwohn beygebracht, sich beklaget worden« ^).
Nachdem also die Untersuchungskommission zur Überzeugung ge-
langt war, daß die Beschwerden der Deputation gar nicht begründet
seien, sondern daß »die Supplicanten villmehr revoltiret und eine ordent-
liche Aufruhr erweket haben, als wurden die siben Abgeordnete den
6. Novembris ejusdem anni allhier arrestiret praeliminariter, wegen der
entstandenen Aufruhr examiniret und drey darvon, nemlich der Mathe
Sertich oder Suaka, Radivoy Marichich und der alte Jure Dumenchich
nebst des Quicciardischen Infanterie-Regiments Leuth. und Auditor
Matthia Anton Kuhacevich , welcher ohne Erlaubnuß seiner vorgesezten
Oberen als Deputirter von der Statt Zeug anhero sich begeben und die
entstandene Aufruhr in allweeg zu unterstützen gesuchet hat, ge-
schlossener nacher Carlstatt zur weiteren Inquisition abgeschiket, die
übrige vier: Jure Drassinovich , Ossip Vukelich, Miho Buttoraz und
Nicola Bayen aber des Arrests entlassen« -).
Seine Verhaftung führte Kuhacevic auf eine vom Zengger Bischof
V
Vuk Colic Freiherrn v. Löwensberg an einen hohen kaiserlichen Würden-
träger gesendete Denunziation zurück. Nach Magdic — der diese Nach-
richt wohl aus Kuhacevic' Autobiographie schöpfte — soll derBischof ge-
schrieben haben, daß der Aufruhr in der Lika und dem Küstenlande
gleich aufhören würde, sobald Major Gall, Major Portner und Auditor
Kuhacevic verhaftet seien 3). Im Sendschreiben an seinen Vetter Frano
sagt Kuhacevic:
Toti (sc. in "Wien) me niki duh, Bog se znaj ke vire,
razpisa, kot da bih uzrok puntarije*)
und bemerkt in einer Fußnote, daß unter diesem duh (Geist) »od
primorskih stran vladika» zu verstehen sei. Da der Zengger Bischof im
1) Akt: 1747 Jan. 610.
2) Bericht des Hofkriegsrates an die Kaiserin dd. 10. Juli 1749, Blatt
(Akt: 1749 Okt. 549).
3j Magdic, Zivot i djela, p. 13.
4) Ib., p. 49.
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Briiie. 95
kroatiachen Ktistenlande der einzige Bischof war, kann Kuliacevic nur
an ihn gedacht haben. Anspielungen an den dah und lukavi dtih^ der
Kuhacevic durch Anzeige zugrunde gerichtet haben soll, begegnet man
noch einigemale in seinen Sendschreiben *). In den Akten des Kriegs-
archivs wird das Einschreiten des Bischofs von Zengg gegen Kuhacevic
mit keinem Worte erwähnt: alsGrund der Verhaftung Kuhacevic' wird viel-
mehr — wie wir gesehen haben — nur das Resultat der gegen ihn und die
Deputierten in Wien durchgeführten Voruntersuchung augegeben. In
dieser Untersuchung ist auch ein Bruder des Zengger Bischofs, Haupt-
mann Matija Colic, der mit Kuhacevic als Deputierter der Stadt Zengg
nach Wien gekommen war, verhört worden und hat unter Eid ausgesagt,
daß Kuhacevic mit Gall und dessen Gemahlin den Aufstand vorbereitet
und gefördert habe 2). Vielleicht hat diese belastende Aussage des Haupt-
mannes Colic Kuhacevic Anlaß gegeben, an ein Einschreiten des Bischofs
Colic, dessen Bruders, zu denken? Nach Fächer 3) hätte Kuhacevic
gegen den Bischof eine Satire geschrieben, weshalb ihn dann der Bischof
aus Rache angezeigt hätte. Magdic, der Herausgeber der Werke
Kuhacevic', hat in Zengg den Text eines angeblich von Kuhacevic
stammenden gegen den Bischof Colic gerichteten Pamphletes erhalten ;
bis in unsere Tage sogar soll sich in Zengg die Tradition erhalten haben,
daß Kuhacevic' Satire gegen Colic Mädchen im Kolo gesungen hätten^].
Meinem Wunsche, darüber näheres zu erfahren, kam mit der größten
Bereitwilligkeit H. Stadtsenator Dr. Dobrila entgegen , doch seineu Be-
mühungen, unter den alten Zenggern irgendwelche Erinnerungen an Ku-
hacevic oder seine Satire zu finden, waren erfolglos.
Sowohl für die Behandlung der Deputierten in der Untersuchung
als auch für die Stimmung in den höchsten Kreisen ist die Stelle charak-
teristisch, wo der Hofkriegsratspräsident in dem erwähnten, der Kaiserin
vorgelegten Berichte seine Ansicht über die weitere Behandlung der am
Aufstande beteiligten motiviert: »Da ist das vergnüglichste, daß durch
den einzigen daselbst erschollenen Ruf, daß die Deputirte alhier mit
Arrest beleget, zum Verhör beruffen und mit einiger Schärfe angegriffen
worden, in dem Generalat und bey denen Aufwieglern von Brindel und
Zeug die Unruhe völlig dergestalten wider beygelegt worden seye , daß
1) Ib., p. 32—33, 44, 45, 53, wohl auch 17.
2) Akt: 1747 Jan. 610.
3j Nastavni vjesnik XII, p. 8.
*) Nastavni vjesnik XII, p. 8.
96 T. Matic,
alle bishero widerspenstig sich bezeigte Orthschafl'ten nicht nur allein um
die Monduren geschiket und selbe abheilen lassen, sondern auch sich
zum Ansmarche ganz williglich selbsten erbothen haben, also zwar, daß
die vollkommene Einrichtung des Carlstädter Generalats würklich zu
seiner Consistenz gelanget und nun an deme ist, daß durch ihn Prinzen
Hildburghausen diejenige Battaillonen, welche von dem ersten in Welsch-
land angetragenen Quanto zurukgebliben ad motum gebracht und denen
anderen nachgesendet werden. Wie nun aber aus disem Vorgang die
Erfahrnus lehret, daß mit derley Leüthen weit mehrer durch
Schär ffe als mit der Euer kay. könig. Mtt. angestambten Milde zu
richten ist, welches sich aus deme leicht abnehmen lasset, daß, als
das erstere Decret auf dero allerhöchsten Befehl durch mich Kriegs-
Praesidenten denen Deputirten zugestellet und sie dabey mit aller Ge-
lassenheit und gelinde tractiret worden, ein solches die Tumultuanten
nur desto insolenter gemachet und auch mehrere, so vorhin mit ver-
meintlichen Beschwärdeu zurukgehalten haben, damit hervorgebrochen
seynd, hingegen die von beschehener Arretirung gedachter Deputirten
ihnen eingelangte Nachricht selbe alsobald in Forcht und endlichen zur
Ruhe gebracht habe, also erachtete man auch weiters nur allein gegen
die Aufwigler oder Rädelführer sothaner Empörung mit der schon eben
an Hände gegebenen Inquisition auch gebührender Schärfe durch reale
Bestraffung fürgehen zu lassen, damit die Leüthe daran sich spieglen
und von ferneren derley Unternehmungen abgeschröcket, der Ruhestand
aber desto sicherer alda beybehalten und bevestiget werden möge.«
Die Kaiserin setzte dazu ihr »placet<: mit dem Vorbehalte »daß, ehe als
der Proces und die Bestraffung vorgehet, selbe hieher zu meiner Ein-
sicht geschickt werde und ad aprobandum« ^).
Die Beschuldigten durften sich keinen rosigen Hoffnungen hingeben,
am allerwenigsten aber Kuhaoevic, der nach den Ergebnissen der in
Wien durchgeführten Voruntersuchung als einer von den Anstiftern des
Aufstandes galt und mit Rücksicht auf sein Vorleben alles eher als Milde
und Entgegenkommen seitens der Militärbehörden zu erwarten hatte. Er
war sich seiner kritischen Lage auch vollkommen bewußt: denn nur als
eine Verzweiflungstat kann mau sich den aussichtslosen Fluchtversuch
erklären, den Kuhacevic trotz der milden Behandlung, die ihm während
1) Akt: 1747 Jan. 610.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brifie. 97
seiner Überführung nach Karlstadt i) nach eigener Aussage zuteil wurde,
in der Nähe von Rudolfswert unternahm. Im Sendschreiben an Frano
Kuhacevic sagt er darüber selbst:
Donikle na putu goscahu kot brata
pa cic moga biga pratise kot tata
und bemerkt dazu in einer Fußnote: »Nedaleko od Novoga mesta vas
smucen skocih iz hintova i stavih se u trk za pobignut«, worauf man ihn
dann »vezana« (gefesselt) weiter nach Karlstadt führte, wo er am
21, Januar 1747 eintraft).
In Karlstadt wurden 36 Personen in Untersuchung gezogen, die
nahezu drei Jahre dauerte. In dem wiederholt erwähnten Sendschreiben
an Frano Kuhacevic erzählt unser Gefangener, welche unsäglichen Qualen
er während dieser Zeit auszustehen hatte:
Bacihu u turan skoro kot lupeza,
zacupase noge u tarna zeleza,
vrh nih pak z manimi na kriz okovase,
za da j' tuznom srcu jedno malo lakse.
Tu med strazom lezah kot pan odsiceni ....
Strasna opaz na me, dvze za visc'aca;
strah je, da poletim, ne bude zapaca.
Stoga ostra straza dan i noc cuvase
i z golim oruzjem sploh uza me stase ....
Obuzdani bihu svikolici udi
a zivot privezan, — sad vrh toga sudi.
Ne smidu se oci pomolit na stakla
samo za povirit, je 1' se magla makla.
Usi zatvoreni ne cuju 'zvan zvone
al na mostu buku, kad se kola gone.
Nos namesto zraka, namesto mirisa
davi se s patuhom vodenoga plisa.
Jezik u procipu: smis potribna reöi,
pak drz' prst na usti, ak' se nes opeci.
Euki meja stavna, nima testir nujna
'zvan obroka drzat noza ni piruna.
Noge u skripeli, zelezna povlaka
ne da Jim ucinit jednoga koraka.
Puca na njih koza, tuzue skriplu kosti, —
ni mila ni draga, da od muk oprosti.
1) K. wurde von Wien am 12. Januar 1747 unter militärischer Bedeckung
nach Karlstadt abgeschoben (Magdic, Zivot i djela, p. 49).
2) Magdic, Zivot i djela, p. 49.
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 7
98 T. Matic,
K ovomu prilozi, straza ne da spati,
a okov ne pusca iz loznice stati.
Ni knig, ni zabavi, mane pogovora, —
npitaj, pitane nima odgovora*).
Nach neun Monaten wurde Kuhacevic aus diesem Turme in einen Keller
des Generalspalastes und dann krankheitshalber in eine Kammer des-
selben Gebäudes überführt, wo es ihm kaum etwas besser ging 2). im
Prozesse selbst soll der Untersuchungsrichter durch Androhung der
Tortur Kuhacevic zu unwahren Selbstanklagen gezwungen haben:
Nac ja i ne mislih, htihu 'z mene znati;
ako Jim ne povis, grozna od muk prati ... .3)
.... morah jim rec, da je istina,
ca eiste znah, da ni nego neistina ....
I to ne za drago 'zvan za ne cut büke
i groznu veliku, kad tajah, od muke*)
Insbesondere soll Kuhacevic unter diesem Drucke vor dem Gerichte er-
klärt haben, daß er die Synoptica informatio gegen sein besseres Wissen
und Gewissen (»prot znanu i dusi«) geschrieben habe^).
Unter den unmittelbaren und aktiven Verschwörern wird
Kuhacevic nicht erwähnt. In der Untersuchung soll »hinlänglich
erhoben« worden sein, daß der Kommandant von Brine, Major
Gall, und seine Gattin, dann Leutnant Holevac, Feldwebel Ive Vukelic
Mali, Knez von Jezerani Mate Sertic, Korporale Miho Sodic und Jurko
Sertic sowie der gemeine Husar Mate Sertic den Aufruhr »angesponnen
und zum voraus, wie selbe anzufangen und auszuführen seyn möchte,
concertiret haben« 6). Die geheimen Besprechungen fanden zu Brine im
Schlosse des Majors Gall statt. Unter anderem sei auch beschlossen
worden: » . . . die neu avancirte Officiers, welche einheimisch,
zu degradiren, die fremde aber fortzujagen, ... die teütsche
Guarnison aus Zeng zu verjagen« '').
Das Kriegsgericht von Karlstadt hat dreizehn Angeklagte, die
1) Magdic, Zivot i djela, p. 50 — 51.
2) Ibid., p. 52, 55—56.
3) Ibid., p. 53.
4) Ibid., p. 54.
5) Ibid., p. 65—66.
6) Bericht des Hofkriegsrates an die Kaiserin dd. 10. Juli 1749, Blatt 9
(Akt: 1749 Okt. 549).
7) Ibid., Blatt 10.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brlne. 99
»confeasi aut convicti aut utrumque« waren, zum Tode verurteilt.
Gegen Kuhacevic wurde vorläufig kein Urteil gefällt, denn
er gehörte zur Gruppe der Angeklagten, von denen das Kriegsgericht
meinte, »daß, obschon selbe zum Theill des criminis perduellionis
confessi et convicti, das factum principale et atrocius, nemblich daß sie
die Rebellion angestiftet und excitiret haben, aber dannoch beständig
negiren, insolang, bis die 13 vorhergehende Maleficanten vom Leben
zum Todt hingerichtet worden seynd, nicht, sondern allererst, wann der
Mathe Sertich oder Suaka und Miho Sodich ihre ratione des geheimen
Conspirations-Complot wider sie gethanne Aussage mit ihrem Todt
bestättiget haben werden, nach denen vorgeschribenen Criminal-Rechten
und Kriegs-Articuln abgeurteillet und bestrafet werden sollen« i).
Das Ergebnis der vom Karlstädter Kriegsgerichte geführten Unter-
suchung wurde samt den gefällten Urteilen dem Hofkriegsrate vorgelegt,
von diesem einer Revision unterzogen und über die Revision der Kaiserin
Bericht erstattet: »Der gehorsambste Hof-Kriegs-Rath, welcher die ohn-
gemein voluminöse Inquisitions-Acta erstlich commissionaliter genau und
allen Fleises hat durchgehen lassen, sodan in consilio abermahlen aus-
führlich durchgangen hat, befindet, nachdeme die procedirte 27 Personen
des criminis perduellionis, consequenter laesae Majestatis, theills aber
zugleich veneficii sich theillhaftig gemachet haben, an deme keinen An-
stand, daß nicht allein die 13 beraits abgeurteillte, sondern auch die
meiste von denen übrigen Inquisiten poenä Ultimi supplicii beleget zu
werden gar wohl verdienet haben; nachdeme aber doch dieselbe nicht
alle in pari gradu gesindiget, sondern einer mehr als der andere an der
Rebellion Anteill hat, einige auch derenselben nur in etwas überzeiget
seynd, als hat er jeglichem a proportione seines Verbrechens die Straffe
ausgemessen« 2j. Die gegen die einzelnen Angeklagten in der Unter-
suchung festgestellten belastenden Momente wurden zusammengefaßt
und auf deren Grund gaben die Votanten des Hofkriegsrates ihr Votum
ab. Kuhacevic galt als einer von den Anstiftern der Rebellion: »Matthias
Anton Kuhacevich, Leutenant und Auditor von dem Quicciardischen
Infanterie-Regiment, ist eben wie der vorhergehende Carl Joseph Portner
indiciret, massen er nicht allein wider die Subordination in deme, daß
er ohne Wissen und Willen seiner Oberen die Deputation von der Statt
1) Ibid., Blatt 12—13.
2) Ibid., Blatt 14.
100 T. Matic,
Zeng auf sich genohmen, derselben mit einem Ayd sich verpflichtet und
anhero nacher Wienn die neue Militär-Einrichtung zu impugniren sich
begeben, sondern auch in deme namhaft sich vergangen hat, daß er
Euer kay. könig. May. Beichtvatter eine sogenante informa-
tionem synopticam übergeben und alda, um nur die publicirte
Militär-Einrichtung hinwiderumen aufheben zu machen, ville Ohnwahr-
heiten fälschlich vorgestellet, unter anderen Ohnwahrheiten aber haubt-
sächlich wahrscheinlich zu machen gesuchet hat, als ob eine namhafte
Anzahl deren aldasigeu Landes-Insassen wegen sotaner Militär-Einrich-
tung in das Turcicum beraita emigriret wären, dan daß nicht allein der
Bassa zu Vakup sondern auch ville andere Orthschaften, als Vinodol und
Fiume, in die entstandene Rebellion sich einmischen und mithalten
weiten; übrigens, wo er immer Gelegenheit gehabt oder können hat, die
Revoltanten durch sein Solicitiren und Zuschreiben in ihrem
Vorhaben solchergestalten zu unterstützen und ihr Vor-
haben zu beförderen gesuchet hat, daß er de rigore poenä mortis
abgestraffet zu werden gar wohl verdienet habe ; allein, da nun derselbe
ratione dessen, daß er ein Mitglied des geheimen Consprirations-Complot
seyn solle, nicht überzeiget werden kan, als hat das zusammengesezte
Kriegs-Recht sein End-Urtheill gleichwie respectu des Portner dermahlen
suspendiret und geglaubet, vorhero die Execution deren beraits ab-
geurteillten abzuwarten, um zu sehen, ob er des geheimen Complots nicht
überwisen werde« ^). Außerdem soll der eigentliche Leiter aller Vor-
bereitungen für den Aufstand, Major Gall von Brine »mit dem inquirirten
Leuth. und Auditor Matthia Anton Kuhacevich, da er hier in Wienn als
Deputirter von der Statt Zeng gestanden ist und die neue Militär-Ein-
richtung zu hintertreiben gesuchet hat, Brief gewechslet, nachmahlen
aber, da er nacher Carlstatt beruffen worden ist, seiner Ehe-Consortin,
daß sie sotane von dem Kuhacevich empfangene Briefe verbrennen solle,
zugeschrieben« 2) haben.
Hinsichtlich der wider Kuhacevic zu verhängenden Strafe waren die
Votanten des Hofkriegsrates nicht einig. Die Räte Seppenburg und
Schloissnig vertraten die Ansicht, daß Kuhacevic »in Ansehung dessen,
daß er bey seiner allhier beschehenen Ankunft gleich bei seinem vor-
gesezten commandirenden Generalen Prinzen zu Sachsen Hilburgs-
1) Ibid., Blatt 34—35.
2) Ibid., Blatt 26.
Der kroat. Schriftsteller M.A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 101
hausen als Deputirter sich angemeldet und derselbe ihme gleichsam
connivendo verstattet hat, dan daß er sein vorrecensirtes Verbrechen
durch den langwührigen, und zwar seith den 6 Novembris 746 in Eysen,
mithin über dritthalb Jahr hart erleidenden Arrest beraits in etwas ab-
gebüsset habe, simpliciter et reservato honore zu cassiren seye«. Dieser
milden Affassung trat Feldmarschall Löwenwolde ganz entschieden ent-
gegen und beantragte unterstützt von Dreyling, daß Kuhacevic: »um
willen er nicht allein die Subordination übertretten, sondern auch durch
seine informationem synopticam Euer kay, könig. May. ville Ohuwahr-
heiten vorgestellet, wie auch ansonsten die entstandene Rebellion in
allweeg zu beförderen und zu unterstützen gesuchet hat, cum infamia
cassiret, alsdan aus allen Euer May. Erb-Königreichen und Landen gleich-
wie der Carl Joseph Portner abgeschaflfet werden solle . . .« i).
Als dritte Instanz, die das Ergebnis der Untersuchung nochmals
zu überprüfen und auf Grund dessen hinsichtlich der wider die An-
geklagten zu verhängenden Strafen den endgültigen Antrag zu stellen
hatte, wurde von der Kaiserin ein aus vier Generalen bestehendes iu-
dicium revisorium unter dem Vorsitze des Hofkriegspräsidenten Grafen
V. Harrach eingesetzt. In diesem Richterkollegium kam nun eine viel
strengere Auffassung der Schuld Kuhacevic' zur Geltung. Nur ein ein-
ziger General, F M L. Cordoua, trat der von Löwenwolde und Dreyling
vertretenen, also strengeren Ansicht des Hofkriegsrates bei 2). Der
strengste war Graf Daun: »Der Obristwachtmaister Gall und Auditor
Kuhacevich wären nach seinem Befund solchergestalten aggraviret, daß
beede mit dem Schwerd vom Leben zum Tode hinzurichten« wären ^j.
Daun wird wohl seit der aufrührerisch gefärbten Affäre, in der er 1736
gegen Kuhacevic einzuschreiten beauftragt war, von unserm Angeklagten
eine sehr schlechte Meinung gehabt haben, die nun seine Beurteilung
der Mitschuld Kuhacevic' am Aufstande von Brine in einem für diesen
ungünstigen Sinne beeinflußt haben mag. Mit Stimmenmehrheit wurde
die Ansicht der übrigen zwei Generale (FM. Hohenems und F ZM. Molke)
und des Hofkriegspräsidenten angenommen und als Beschluß des iu-
dicium revisorium der Kaiserin vorgelegt. Danach sollten Gall und
1) Ibid., Blatt 35—36.
-) ProthocoUum commissionis 28va Julii et SaAugusti 1749 habitae, El. 12
(Akt: 1749 Okt. 549).
3) Ibid., Blatt 17.
102 T. Matid,
Kuhacevic »cum infamia . . . cassiret, jedoch . . . leblänglicli in einer
entfernten Vöstung gefänglich gehalten« werden, während für die übrigen
zwei Offiziere (Portner und Holevac), die in den Aufstand verwickelt
waren, insoferne eine mildere Strafe vorgeschlagen wurde, als ihnen die
infamia nachgesehen werden sollte. Außerdem beantragte das iudicium
revisorium für alle diese vier Angeklagten die Konfiskation des Ver-
mögens und sprach sich gegen eine eventuell im Gnadenwege in Aus-
sicht genommene Nachsicht der lebenslänglichen Gefäagnisstrafe mit
aller Entschiedenheit aus: » . . . weillen dise Gefängnuß nicht so wohl
zur Straf als zur Sicherheit des Generalats und um hierdurch alle nach-
teillige, durch derenselben Beyhilf in widrig besorgliche Unternehmungen
abzuhinderen, wider sie also verhenget und anzuordnen für nöthig be-
funden worden«. Die Kommandanten der Festungen, wo die Verurteilten
ihre Strafen abzubüßen hatten, sollen beauftragt werden »wegen deren
genügsamen Verwahrung, auch Abschneidung aller Correspondenz« die
nötigen Vorkehrungen zu trefl'en^).
Gegen Kuhacevic wurde also dieselbe Strafe verhängt wie gegen
Gall, der nach den Ergebnissen der Untersuchung als kaiserlicher Offizier
die Vorbereitungen für den Aufstand leitete und in dessen Hause die ge-
heimen Zusammenkünfte der Verschwörer stattfanden. Es wurde sogar
Leutnant Holevac, welcher nicht nur der unmittelbaren Teilnahme am Auf-
stande, sondern auch des Mordes überfuhrt war, weil er durch Vergiftung
eines Komplizen die Entdeckung der Anstifter der Verschwörung zu ver-
hindern gesucht hatte, milder abgeurteilt als Kuhacevic. Die Gründe, von
denen sich die Mitglieder des Revisionsgerichtes bei der Anwendung dieser
außerordentlichen Strenge gegen Kuhacevic leiten ließen, sind wohl am
besten in dem Zusatz gekennzeichnet, den FZM. Molke seinem Votum
hinzufügen zu müssen glaubte und in dem er verlangte, daß Kuhacevic
»auch aller Briefwechsl und Correspondenz . . . abzuschneiden
wäre, um ihme als einem sehr gefährlichen Menschen alle Ge-
legenheit zubenehmen, durch seine Schreiberey in publico
mehreres Ohnheill zu stiften <-2). Die Furcht vor der scharfen
Feder und Agitation des rührigen Mannes, der in seiner Heimat als Vor-
kämpfer gegen die absolutistischen Übergriffe der Militärverwaltung und
ihrer dem Volke meistens fremden Vertreter Sympathien genoß, diktierte
1) Ibid., Blatt 21—22.
2) Ibid., Blatt 15.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic n. d. Aufstand v. Brine. 103
gegen Kuhacevic eine Strafe, die ihn für immer unschädlicli machen
sollte.
Der Antrag des Revisionsgerichtes wurde von der Kaiserin bestätigt
und somit auch das Schicksal Kuhacevic' besiegelt. Auditor Jenko, der
die Untersuchung gegen die Aufständischen in Karlstadt geleitet hatte
und auch in den Sitzungen des Revisionsgerichtes, in denen diese An-
gelegenheit verhandelt wurde, anwesend war, traf am 6. November 1749
»mit samentlichen Inquisitions- Acten des gewesten Tumults-Process« in
Karlstadt ein. Gleich darauf sollte »die Sentenz nach allerhöchst k. k.
Vorschrifft eingeleitet, sodan publiciret und ad executionem mit aller
Vorsichtigkeit gebracht werden« i). Das Urteil wurde am 20. November
1749 in Karlstadt öffentlich vor dem Generalatspalaste (»prid dvorom pod
bubau«) verkündet 2) und am 4. Dezember wurde Kuhacevic mit einem
Bauernwagen unter starker Bedeckung von Karlstadt nach Brunn ab-
geschickt, wo er auf dem Spielberge seine Strafe abbüßen sollte ^j. Sein
ganzes Vermögen, das nach dem Ausweise der »in Inquisitions- und Con-
fiscations-Sachen angeordneten Commission« gegen zweitausend Gulden
betrugt), wurde eingezogen und größtenteils zur Deckung der Kosten der
»Arretirung, Alimentirung, Exequirung, Verschickung und Convoyrung«
sowie der Schulden Kuhacevic' verwendet.
V.
Am 7. Januar 1750 traf Kuhacevic auf dem Spielberge ein. Das be-
rüchtigte Staatsgefängnis machte auf ihn — im Vergleiche mit dem Karl-
städter Gefängnisse - — einen beruhigenden Eindruck:
Na sedam jenuara na Spilberg dojdosmo,
povo]niie mesto, neg drzah, najdosmo.
Neg stupib iz koli kmetskoga hintova,
zeh poses zatvora za m' popri gotova.
Dase 8va potribna, nis mi se ne skrati
'zvan jednoga pera, za ne moc pisati.
Vidivsi ovn sprav pak sprav od Korane,
omah se zaprise sve me stare rane;
pozabih tegoce, ke poda Korana,
zadobih bo|i zrak, neg bi ondi hrana.
1) 1749 Just. Prot. 1075.
2) Magdic, Zivot 1 djela, p. 56.
3) Ibid., p. 57. Cf. auch den Bericht des Generals Scherzer dd. 5. Dez.
1749 (Akt: 1749 Dez. 333).
4) Akt: 1750 Dez. 523.
104 T. Matic,
Krv pokoj dostignu, pamet se razibra,
petit se otvori, srce se razigra.
U sam sebi rekoh: »Boze, tebi hvala,
ki nie oslododi koranskoga hala!
Tebi hvala budi, ti iz zla ucini,
da se zlo u dobro 'z nenade promini,
jer da j' po naravi, kü sam muku trpil,
bil bi se odavna u prah priobratil.«
U negve se po tom bacih sasvira rnke,
pih casu samoce prez ikakve muke. *)
Am schwersten drückte ihn die wider ihn verhängte Infamie, die ihn als
eine Art moralischen Aussatzes von jedem Verkehr mit den übrigen Ge-
fangenen ausschloßt).
Sein Onkel Luka Kuhacevic, Domprobst und Pfarrer zu Zengg, hatte
schon während der Untersuchung im Oktober 1749 an den Hofkriegsrat
ein Gesuch gerichtet, in welchem er die Bitte vorgebracht hatte »seinen
Vetter, den Carlstätterischen Generalats- Auditor Mathias Anton Kuhace-
vich aus dem schwähren Arrest zu Carlstatt zu entlassen oder demselben
wenigst zu erlauben, daß er über die ihme beygebrachte Imputationes
denen Rechten nach sich gewöhnlich mündlich oder schriflftlich verant-
worthen und defendiren könne 3). Zu dieser Zeit nahte der Prozeß bereits
seinem Ende. Die strenge Strafe, die wider den Neffen verhängt wurde,
muß auf den alten Mann einen vernichtenden Eindruck gemacht haben.
Das Geld und die Wertsachen des Verurteilten, die bei ihm deponiert
waren, mußte er dem Fiskus ausfolgen 4). Jede Hoffnung gab er docli
nicht auf und wurde nicht müde, um Begnadigung seines Neffen ein Ge-
such nach dem anderen einzureichen. Im Jahre 1750 begab er sich mit
der Schwester des Matesa, Klara Vudragovic, sogar persönlich nach Wien,
wurde von der Kaiserin empfangen und feierte sein fünfzigjähriges
Priesterjubiläum in Schönbrunn, — eine Begnadigung des Matesa er-
wirkte er aber nicht ^). Um wenigstens einen Teil des konfiszierten Ver-
1) Magdic, Zivot 1 djela, p. 58 — 59.
2) Ibid., p. 56 und 59.
3) 1749 Just. Prot. 993.
4) Akt: 1749 Dez. 536.
5) Magdic, Zivot i djela, p. 41. — In der Vorrede (p. 17 — 18) sagt
diö, die Kaiserin habe bei dieser Gelegenheit versprochen, unserem Matesa
den früheren Rang (>ca8t«) eines kaiserlichen Auditors wiederzugeben, was
auch tatsächlich am 20. Mai 1752 geschehen sei. — Magdic dürfte die betref-
fende Stelle der Autobiographie mißverstanden haben, denn den Auditorsrang
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 105
mögens zu retten, trat er mit Geldforderungen gegen Matesa auf ^). Im
November 1751 reichte er -wieder ein Gesuch ein: »womit ihme das se-
questrierte Vermögen seines Vötter des cassirten Auditor Kuhatschevich,
da er auf die Erziehung dessen Sohns^) sehr villes verwendet, ausgefolget und
die wider solchen verhängte nota infamiae widerumb aufgehoben werden
möchte«. In der Erledigung wurde auf »die dem Supplicauten in Sachen
widerholt schon ertheilte Verbscheidungen mit dem Beysatz« hingewiesen,
»selber habe bey der hierinfahls zu Laybach angeordneten Commission
seine Nothdurflft anzubringen« 3).
Durch die Mißerfolge entmutigt, scheint er die Hoffnung auf die Be-
freiung des Verurteilten und Rettung seines Vermögens aufgegeben zu
haben, so daß er sich in Hinkunft vor allem bemühte, wenigstens die
Aufhebung der Infamie zu erwirken. Im Mai 1752 legte der Karlstädter
General Scherzer dem Hofkriegsrate ein an die Kaiserin gerichtetes Ge-
such des Domprobstes Luka Kuhacevic, in welchem dieser bat, seinem
Neffen, »damit selber mit denen anderen sich auf dem sogenanten Spiell-
berg befindlichen ehrlichen Arrestanten sprechen und dem Gottesdienst
verrichten möge, dem vorhin geführten ehrlichen Nahmen anwiederumen
allermildest zu ertheillen«^). Der General verwahrte sich in seinem Re-
ferate zunächst entschieden gegen die Zumutung, daß er um des Ver-
urteilten selbst willen für ihn eintreten wolle: »Diesen gefährlichen Mann
völlig zu adgratiiren, kan und wird niemahlen von mir angerathen werden. «
Doch mit Rücksicht auf den alten Geistlichen, »so auf dieses unglück-
lichen Staats-Gefangenen Auferziehung vieles, obschon sehr übel, an-
erhielt Kuhacevic nie zurück: am 29. Mai 1752 wurde ihm — wie wir gleich
sehen werden — nur ein Dekret eingehändigt, mit welchem ihm die »Ehre«
wiedergegeben d. h. die Infamie aufgehoben wurde:
Dvajstdeveti maja od vojske tanaca
dobih dekret, da nis zivom od zapaca,
postene vazeto da mi se povrace,
za da sam opeta brez truha i mac'e (ib. 59).
1) 1751 Reg. Prot. 905.
-) Das Kind Kuhacevic' war zu dieser Zeit nicht mehr am Leben,
denn bei der Durchführung der Konfiskation des Vermögens anderer Verur-
teilten wurden die Kinder berücksichtigt, während bei K. keine erwähnt wer-
den. Wenn er noch welche am Leben gehabt hätte, hätte er sie in seinen
Sendschreiben gewiß nicht mit Stillschweigen übergangen.
3) 1751 Just. Prot. 805.
4) Akt: 1752 Exp. Mai 303.
] 06 T. Matic,
gewendet«, stelle er den Antrag, die Kaiserin möge die über Kuhacevic
verhängte Infamie aufheben, »damit derselbe doch die Zeit seiner lebens-
länglichen Gefängnuß mit andern Arrestanten und alldaselbst Comman-
dirten einen Umgang haben und nicht zur äußersten Kleiumüthigkeit
verleithet werden möge«^). Trotz dieser vorsichtigen Stilisierung des
Antrages, waren der Hofkriegsrat und das Generalkriegskommissariat
über diesen Vorschlag Scherzers geradezu empört: »Die Sentenz, so wider
disen Delinquenten ausgefallen, ist ohnedeme mehr nach der Milde als
nach dem Rigor deren Gesäzen geföhlet worden, indeme sein Delictum so
groß wäre, daß er das Leben ohne allen Anstand verwürkhet. Man hätte
dahero niemahlen vermuthet, daß Baron Scherzer, welcher alstätts auf
die Bestraffung derley Müssethättern zu halten für nöthig ermessen, zu
einer so übermässigen Guade aurathen solte; zweiflet auch, ob selber,
wan von hier aus dise Suppliqne umb sein Gutachten wäre geschicket
worden, sich so leicht in der Sache würde haben finden lassen; vor-
mainte also, dass der treulose Delinquent anderen zum Bey-
spill noch längerhin so wie dermahlen in seiner Ehren-
Schmach belassen und keiue neue Gnade ihme zu Theill werden
solte« 2j. Und doch hob die Kaiserin die Infamie auf. Die Mit-
teilung dieser kaiserlichen Entscheidung 3) begrüßte Kuhacevic als Er-
lösung und Rückkehr zu neuem Leben:
Na 'v 86 glas probudih, uova krv pristupi,
sasvirn stari Adam od mene odstupi.
Udi se digose, svak tanac izvodi,
srcu cast podase kot jednom vojvodi . . .
Po tom mi se zivot jos bo^e pojavi,
sad sprovajam vrime prez svake zabavi*).
Noch einmal vor seinem Tode versuchte Luka K. — auch diesmal
ohne Erfolg — die Freilassung des Matesa zu erwirken^). — Als im
Jahre 1756 infolge des Ausbruches des siebenjährigen Krieges kaiserliche
Truppen nach Böhmen und Mähren eingezogen waren, wurde derBrünner
General Hinderer vom Hofkriegsrat beauftragt, die Gefangenen Malaczky,
Portner, Kuhacevic und Radosic nach Wien zu schicken. Daß diese Maß-
1) Ibid.
2) Akt: 1752 Exp. May 394.
3) 1752 Exp. Prot. 901.
*) Magdic, Zivot i djela, p. 59 und 60. Cf. auch p. 29.
5) 1755 Prot. Publ. 924.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brifie. 1 07
regel auf das Mißtrauen, welches die oberste Militärbehörde gegen diese
Gefangenen hegte, zurückzuführen war, sieht man aus dem hinzugefügten
allgemeinen Auftrage: »auch diejenige Arrestanten, denen nicht recht
zu trauen, ferrers (sie) anhero zu bringen« ij. Zur Kriegszeit pflegt man
ja unverläßliche Elemente weiter ins Innere des Landes zu schicken, und
so beschloß dasHofkriegskommissariat am 30. Oktober 1756 »die weitere
Abführung nacher Graz deren von Brunn hieher gebrachten Staats-
gefangenen Malazky, Portner und Kukaczowiz« 2]. In den ersten Tagen
Dezembers war Kuhacevic noch in Wien und ist gegen Weihnachten nach
Graz abgeschickt worden, denn am 29. Dezember berichtete General
Kheul, daß Gefangene, darunter auch »Kuhacevicis«, »in Vestungsarrest
nacher Graz richtig eingetroffen« 2).
Nachdem Luka Kuhacevic am 9. August 175S in hohem Alter ge-
storben war, bemühte sich nun die Schwester des Matesa, Ivlara Vudra-
govic, dessen Begnadigung zu erwirken. Im Jahre 1763 langte beim
Hofkriegsrate ihre Bittschrift »mit des Kriegs-Praesidenten Feld-Mar-
schallen Leopold Grafen von Dann Nahmen Allerhöchst eigenhändig be-
mercket« ein und wurde auf Grund eines von Jenko erstatteten Berichtes
in der Sitzung am 27. Juni 1763 in Verhandlung gezogen. Der Referent
wies darauf hin » daß Ihro Maytt. nicht nur allein auf öftere seinerwegen
eingereichte Gesuchs -Schrifften ihme Kuchachevich keine Gnade an-
gedeühen zu lassen entschlossen, sondern auch allerst bey der vor zweyen
Jahren fürgewesten Gnadens-Zeit und allermüldest ertheilten General-
Pardon diesen Arrestanten ausdrücklichen hievon ausgeschlossen haben«,
und weil von Kuhacevic »als einen sehr verschmüzten Kopf zu
keiner Zeit etwas guthes anzuhoffen, dessen Befreyung auch
von üblen Beyspill und Folge seyn dörffte«, wurde beantragt
»daß selber noch ferners in dem rechtlich zuerkenten, wohl verdienten
Arrest aufzubehalten« sei*).
Im Jahre 1765 wird in den Protokollen des Hof kriegsrates wieder
erwähnt, daß Witwe Klara Vudragovic um Freilassung ihres Bruders ein-
1) 1756 Prot. Publ. 2008.
2) 1756 Prot. Publ. 2380.
3) 1756 Prot. Publ. 2823. — Nach Magdic' Vorworte wurde K. am
15. September vom Spielberg nach Wien und am 18. Dezember von Wien nach
Graz abgeschickt, wo er nach drei Tagen eintraf. (Zivot i djela, p. 18).
*) Protocollum Consilij Aulae Bellicj in Judicialibus dd. 27. Junij 1763,
Blatt 1—2 (Akt: 1763 Just. Exp. Jnnij 1025).
108 T. Matic,
gereicht hat *). Wohl auf ein solches Gesuch ist das Handbillet zurück-
zuführen, das die Kaiserin an den Hofkriegsrat mit der Anfrage richtete,
ob nicht Kuhacevic und einigen anderen Gefangenen, die »auf ewig zu
Graz sizen, sich alle ruhig aufführen sollen und alt seyen«, »Gnade ge-
geben werden« könnte 2). Es war ein fataler Zufall (oder vielleicht war
es auch kein Zufall), daß mit dem Berichte über Kuhacevic wieder Jenko,
sein Untersuchungsrichter von Karlstadt, betraut wurde, und so »schien«
es dem Hofkriegsrate auch diesmal, »daß gedachtem Arrestanten
als einen in Land sehr gefährlichen und arglistigen Men-
schen ohne offenbahrer Gefahr eines mehrmaligen derley
landesverrätherischen Beginnens gahr keine Gnade an-
zugedeyhen, sondern er in den wohl verdienten Arrest durch seine
noch übrige Lebens-Zeit zu belassen seye«^). Auf diesen Bericht hin
gab die Kaiserin zu, daß »zwar weder der Holliewacz noch der Kohatsche-
wiz auf freyen Fuss gestellet und noch weniger ... in ihr Vaterland
zurückgelassen werden« können, »da aber diese Leute schon gegen
20 Jahr das harte Gefängnüß ertragen, sehr alt sind und sich ganz ruhig
betragen, so will Ich ihnen ex special! gestatten, zur Tagszeit außer
ihrem Gefängnüß in der Festung herumzugehen, doch aber sollen sie zur
Nacht wie dermalen allzeit versperrter schlafen«^).
An diesem Glauben, Kuhacevic sei ein äußerst gefährlicher Manu,
hielt man fest und ging so weit, daß man sogar den eigentlichen
Urheber des Aufstandes von Brine, den ebenfalls zum lebens-
länglichen Kerker verurteilten und in Kufstein seine Strafe abbüßenden
Major Gall begnadigte und in Freiheit setzte, unseren
Kuhacevic aber auch weiter im Gefängnisse behielt. Auf
diesen wirklich auffallenden Umstand berief sich auch Kuhacevic, als er
im Jahre 1767 mit seinem Leidensgenossen Holevac um Begnadigung ein-
reichte: ». . . sie führen zur Beweg-Ursach an und bitten um Arrest-
Befreyung, weil auch der geweste Major Baron v. Gall, obwohlen er als
Urheber dieser Aufruhr gewesen, samt seiner Ehe-Consortin vor bey-
läuffig 2 Jahren aus seinem Arrest zu Kuflfstein, wozu er lebenslänglich
condemniret gewesen, befreyet und nach seinem Vatterland entlassen
1) 1765 Prot. Publ. 545 und 1159.
2) Protocollum Consilii Aulae Bellici in Judicialibus dd. 30. Aug. 1765,
Blatt 1 (Akt: 1765 Just. Exp. Aug. 710;.
3) Ibid., Blatt 3—4.
4) Ibid., Blatt 11.
Der kroat. Schriftsteller M. A.Kuliacevic u. d. Aufstand v. Brine. 109
worden.« Mit dem Referate wurde wieder Jenko betraut. Nachdem er
die agitatorische Tätigkeit Kuhacevic' zur Zeit des Aufstandes hervor-
gehoben hatte: ». . . der Kuhachevich als gewester Auditor des Otto-
chaner Regiments hat das Volck durch seine Schrifften und Reden auf-
gehezt, um sich der damaliligen Militär-Einrichtung oder Regulirung der
Graniz-Regimenter durch eine Zusammenrottirung und Verjagung teutscher
Officiers zu widersetzen«, führte er gegen Kuhacevic ein angeblich gegen
ihn gefälltes, in den Akten des Kriegsarchivs — meines Wissens wenig-
stens — nicht nachweisbares Todesurteil ins Treffen: », . . und wie be-
sagte beede Arrestanten (sc. Kuhacevic und Holevac) durch das gehaltene
Kriegs-Recht zum Todt verurtheilet, auch nur aus allerhöchsten Gnaden
beede sogleich bey publicirtem Todtes-Urtheil zur lebenslänglicher Ge-
fängnus abgegeben worden, so könte von Seiten des allergehorsamsten
Hof-Kriegs-Raths zu einer zweyten Begnadigung um so weniger an-
gerathen werden, als der geweste Auditor Kuhachevich als ein
gebohrner Zenger im Lande noch viele Bekante und Be-
freündte hat, daher o von ihme als einen verschmitzten Kopf
nach seiner Entlassung nichts gutes zu erwarten . . .«^). Auch
ein im nächstfolgenden Jahre eingereichtes Gesuch der Schwester Kuhace-
vic' scheiterte wieder an einem von Jenko erstatteten Berichte : » , . . daß
von dem Kuhachevich als einen gefährlichen Menschen in dem Generalat,
wo er gebürtig, nichts gutes zu hoffen . . . « 2)
Als Klara Vudragovic wieder im Jahre 1772 um Begnadigung ihres
Bruders eingereicht hatte, fand sich endlich ein Referent, der den durch
eine sechsundzwanzigjährige Haft gebrochenen fünfundsiebzigj ährigen
Greis nicht mehr für staatsgefährlich hielt. Auf Grund eines von Schmelte
erstatteten Berichtes wurde vom Hofkriegsrate die Begnadigung Kuhace-
vic' beantragt: »Obwohlen zwar der Bittstellerinn Bruder sich nicht allein
der in dem Karlstädter Generalat sich geäußerten Aufruhr mitschuldig
gemachet, dann denen Übelgesinnten mit Rath und That an Händen ge-
gangen, sondern auch als ein Deputirter von Zenck zerschiedene wider die
Granitz-Einrichtungen auf Meütereyen abzielende Schriften verfasset . . ,
so wird jedoch von Euer Majestaet vordringenden Milde alleinig abhangen,
ob Allerhöchst dieselbe ihm Kuhachevich in Rücksicht seines aufhaben-
den sechs und sieb enzigj ährigen Alters, dann daß er sich während dieses
durch so lange Zeit befahrenen Arrests stättshin ruhig und geduldig be-
1) Akt: 1767 Publ. 46 Sept. 465.
2) Akt: 1768 Justiz 46 Febr. 538.
110 T. Matic,
tragen, die dermalen noch befahrende Festungs-Einschränkung gänzlich
nachzusehen allergnädigst geruhen wollen« i). Die Kaiserin setzte ihr
»placet« bei und Kuhacevic wurde am 19. Juni 1762 in Freiheit gesetzt.
Rührend ist das Schreiben, das er zwei Tage nachher an seine
Schwester gerichtet hat und in dem er ihr für ihre Bemühungen um seine
Freilassung dankt.
Za ov dar, i ne mal, kü cete jabuku?
Srebrna je slaba, zlate ni na ruku.
Ni triba pitati: sam sehe darivam,
od mene bo|ega sad ja dara nimam.
Uzmite me k sebi, s manom zapovite,
prez najmane pitat: »Koju art umite?«
Ni arti, kü ne znam (nauci nevo|a
s onim vetrom jadrit, s kojim ne bi voja), —
ni arti, kü ne znam: kuhar sam i pecar,
vrtlar, pet|ar, zidar, krojac i poatolar,
ditinski ucite|, preceptor prez mita,
gospodar i sluga od svakoga zita.
Znam postej nacinat, sude prat, mest kucu,
evaki posal cinit i krpat obucu.
Znam mucat kot osal, kad s' tepe al psuje,
znam i rec istinu, kad s' Bog uvridnje.
S vrimenom obiino znam jisti i piti,
ma i znam s vrimenom glad, zeju trpiti.
S vrimenom znam vesel i znam tuzan biti,
s vrimenom znam plesat i znam bugariti.
Sve znam, — zapovite, cagod vas je voja,
mä sluzba od vase bit ce misli boja.
Bit cu vam pokoran u svem do oltara, —
nadaje se ne smi, jer Bog nima para^).
Jedoch sein innigster Wunsch, die letzten Tage bei der Schwester
in der Heimat zuzubringen, ging nicht in Erfüllung. Er dürfte unmittelbar
nach seiner Begnadigung so erkrankt sein, daß an die Reise in die Heimat
nicht mehr zu denken war. In dem erwähnten, zwei Tage nach der Frei-
lassung verfaßten Sendschreiben wird von einer Krankheit noch nichts er-
wähnt, Kuhacevic gibt sich vielmehr der freudigen Hoffnung hin, seine
Schwester bald zu sehen :
Sad sam prost i secem, kamo j' meni drago,
spoznivam, da j' slobod' nad kamene drago . . .
1) Akt: 1772,98, 289.
2) Magdi(5, Zivot i djela, p. 85,
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Briiie. 1 1 1
S tim vas Bog veseli, stojte dobre voje,
na sastanku nasem bit ce vrime bojei).
Dieser sehnlichste Wunsch ging — wie gesagt — nicht in Erfüllung:
Kuhacevic starb in Graz in den ersten Tagen des Monates September 1772
und wurde ferne von der Heimat, auf dem seit 1783 aufgelassenen Fried-
hofe beim Franziskanerkloster begraben 2).
VI.
Wenn die von H. Fächer erwähnte Tradition über die Satire, die
Kuhacevic gegen den Bischof von Zengg Vuk Colic geschrieben
haben soll, verläßlich ist, und wenn der Text eines solchen Pamphletes?
den H. Magdic seiner Zeit abgeschrieben und an Jakob Kuhacevic ge-
sendet hat, wirklich von unserem Kuhacevic stammt 3), so wäre diese
Satire das einzige in kroatischer Sprache verfaßte literarische Produkt
Kuhacevic', dessen Entstehung mit Gewißheit in die Zeit vor der Verhaftung
des Autors zu verlegen wäre. Die Verläßlichkeit dieser Tradition entzieht
1) Ibid., p. 84 und 86.
2) Die in der Familie Kuhacevic bis auf unsere Zeit erhaltene und von
H. Magdic (Zivot i djela, p. 18) mitgeteilte Tradition, Matesa sei im Juli auf
der Rückreise in Agram gestorben, ist bereits von H. Fächer (Nastavni vjes-
nik XII, p. 6) richtiggestellt worden, der auf Grund einer Notiz in den Zenger
Pfarrmatrikeln festgestellt hat, daß K. am 7. September in Graz starb (»1772,
7i3ar. Dojde glas, da priminu na 7. ovoga u Gratzu Gdn. Auditor Mattessa pl.
Kuhacevich od let 76«). Dank dem freundlichsten Entgegenkommen Herrn
M. ^ubsas in Graz kann ich hier die unseren Kuhacevic betreffende Stelle aus
dem Liber mortuorum (tom. XV, p. 144) der Grazer Stadtpfarre zum Heil. Blut
mitteilen:
Sept. 1772.
Dies (obitus seu sepulturae) : 9.
Sepeliens: i ^ ^ Gerardus Rietmiller.
Provisus: J
Mortui: Hr. Mathias Goiazewitsch, gewester Auditor von Zenckh
Religion: Cath.
Coemeterium : PP. Francis : Freydthof.
Locus [mortis] : Stadt Herrngasse.
No.: 142 sub Mag.
Annorum: 78.
Mensium: —
Dierum: —
3) Nastavni vjesnik XII, p. 8.
1 j 2 T. Matic,
sich allerdings völlig unserer Beurteilung. Auf die immerbin nicht zu
übersehende Tatsache, daß von einer Anzeige des Bischofs, die aus Rache
für die Satire erfolgt und für Kubacevic" Verhaftung entscheidend ge-
wesen sein soll, in den Akten des Kriegsarchivs nicht die geringste Spur
zu konstatieren ist, habe ich gelegentlich bereits hingewiesen. Im übrigen
aber würde diese Satire, die den Bischof wegen seiner dem geistlichen
Stande wenig entsprechenden Lebensweise gegeißelt haben soll, ganz zu
dem passen, was uns über Kuhacevic aus der Zeit vor seiner Verhaftung
bekannt ist: er war ja ein kampflustiger Mann, der seine Angriffe gerne
gegen die Vertreter der Autorität richtete.
Unter dem furchtbaren Eindrucke der Untersuchung und der Ver-
urteilung zum lebenslänglichen Kerker vollzog sich in der Seele Kuhacevic'
ein Wandel : eine ruhige, tief empfundene Religiosität wurde der hervor-
ragende Zug seiner Persönlichkeit. Der zähe, unbeugsame Kämpfer von
einst schimmert auch jetzt hie und da — insbesondere im Sendschreiben
Na suclca od Korane — durch, jedoch statt der trotzigen Kampfes-
stimmung tritt uns hier Resignation und Ruhe entgegen. Irreligiös war
K. auch früher nicht, jedoch — Avie er selbst in der Autobiographie ge-
steht ^) — bestand seine Religiosität in äußeren Handlungen ohne tiefere
innere Grundlage. Das Unglück, welches über Kuhacevic hereinbrach,
zeitigte in ihm dieses psychologisch erklärliche Erwachen und Erstarken
der Religiosität, das sich auch im seelischen Leben des weltbekannten
Spielberger Gefangenen Silvio Pellico vollzog, der — ebenfalls ein Opfer
der Vaterlandsliebe — ein halbes Jahrhundert nach Kuhacevic' Tode in
das berüchtigte Brünner Gefängnis gebracht wurde.
Wäre Kuhacevic nicht als Gefangener auf den Spielberg gekommen,
hätte er sich wahrscheinlich nie mit der Schriftstellerei befaßt. Im Gegen-
satze zu Pellico war er nicht literarisch veranlagt. Wenn er vor seiner
Verhaftung zur Feder griff, so geschah es im Kampfe , wo das ge-
schriebene Wort für ihn nichts weiter als eine gegen Gegner gerichtete
Waffe war [Synoptica informatio und allenfalls die Satire gegen
V
Colic). Der Brennpunkt seines Interesses war das öffentliche Leben. Er
begnügte sich aber nicht mit einem ruhigen Studium und der Beobachtung
dieses Lebens, sondern griff mit dem seinem Temperament eigenen Feuer
in dasselbe aktiv ein. Hätte er zu einer anderen Zeit und nicht zur Zeit
des fortschreitenden zentralistischen Absolutismus gelebt, so hätte er sich,
1) Magdic, Zivot i djela, p. 16—17.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Knhacevic a. d. Aufstand v. Brine. 113
seinem ausgesprochenen Interesse für die öffentlichen Angelegenheiten
folgend, wohl einen anderen Platz im Leben und nicht das Spielberger
Gefängnis errungen. Das aktive Eingreifen ins öffentliche Leben war zur
Zeit Kuhacevic' ein äußerst gefährliches Spiel. Sein Onkel Luka scheint
das Treiben des Neffen nicht gebilligt zu haben. Der in der Schule des
Lebens ergraute Mann fürchtete, daß man — wenn sich sein Matesa auch
keinen Fehltritt zu Schulden kommen ließe — vor keinen Mitteln zurück-
schrecken würde, um den unangenehmen Mann unschädlich zu machen.
Als Gefangener erinnerte sich Kuhacevic der Ratschläge seines Onkels
und bedauerte, dieselben nicht beherzigt zu haben:
Da slidim hegov svet, ki mi je veckrat daval,
ne bi se vikovnom sad u koeu ka^al.
Govorase cesto: »Ni me strah, da c fallt,
krivo svidocanstvo neg da de t' oparit« i).
Im Gefängnisse war es Kuhacevic anfangs nicht erlaubt zuschreiben.
Während der Untersuchungshaft (1746 — 1749) war selbstverständlich
jede Korrespondenz verboten, das iudicium revisorium aber beantragte,
dieses Verbot für Kuhacevic und seine Leidensgenossen auch nach der
Fällung des Urteils aufrecht zu erhalten 2). Das Verbot wurde nach dem
Eintreffen Kuhacevic' auf dem Spielberge gewissenhaft befolgt:
Dase sva potribna, nis mi se ne skrati
'zvan jednoga pera, za ne moc pisati^).
Wahrscheinlich wurde nach der Aufhebung der Infamie (1752) auch
dieses Verbot zurückgezogen. Die Sendschreiben Kuhacevic' sind —
abgesehen von dem nach der Entlassung aus dem Gefängnisse an seine
Schwester Klara gerichteten — nicht datiert, jedoch die beiden ersten
{Na svoga Gna strica popa Luhu K. und Na popa Franu K.)^ die
auch chronologisch an die Spitze der Sendschreiben zu setzen sind, er-
wähnen die Aufhebung der Infamie bereits als eine vollzogene Tatsache 4)
und speziell eine Stelle des Sendschreibens Na popa Franu K. weist
darauf hin, daß dieses nicht lange nachher verfaßt wurde:
1) Ibid., p. 77.
2) Prothocollum Commissionis 28>'a Juli! et 5^ Augusti 1749 habitae,
Blatt 22 (Akt: 1749 Okt. 549).
3) Magdic, Zivot i djela, p. 58.
4) Ibid., p. 29 und 59.
Archiv für slavische Philologie. SXXV. 8
114 T. Matic,
Po tom (d.h. nach der Zurückziehung der Infamie) misezivot Jos bojepojavi,
sad sprovajam vrime prez svake zabavi').
Die schriftstellerische Tätigkeit Kuhacevic' fällt somit in die Jahre
1752—1772.
Unstreitig das interessanteste und charakteristischeste unter den Ge-
dichten Kuhacevic' ist Nm-ikovane staroga Sena vrh mladoga Sena po
vili Slovinkini^), in welchem der Dichter die Sitten, die in seiner Vater-
stadt herrschen, tadelt und den Landsleuten ihre Vorfahren als nach-
zuahmendes Muster vorhält. Wann dieses Gedicht entstanden ist, läßt
sich nicht genau bestimmen. Eine Stelle könnte vielleicht auf den ersten
Blick in dem Sinne gedeutet werden, daß das Narikovane noch zur Zeit,
als Kuhacevic in seiner Vaterstadt weilte, also vor dessen Verhaftung
entstanden sei:
Ne znam kuda, kamo, komu se uteci,
za ne gjedat tuzan u gradu hal veci.
Kudgod oko bacim, ogni su i meci,
ovivicu: »Bodü«, oni zdravi: »Peel!«
Ak tegnem okrenut moj plac na kuntradu,
rec ce mi, ne hajem za tu sedu bradu . . .
Dam pogled na zide, ulice i place,
cut 6u da govore: »Pust' norca da place!« 3)
Meines Erachtens dürfen diese Worte nicht buchstäblich so aufgefaßt
werden, als ob Kuhacevic dieses Gedicht tatsächlich in Zengg nieder-
geschrieben hätte. Gegen solche Auffassung spricht schon die in den an-
geführten Versen enthaltene Anspielung an den grauen Bart des Dich-
ters. Als Kuhacevic im August 1746 seine Vaterstadt für immer ver-
lassen hatte, war er noch nicht volle 49 Jahre alt und stand somit im
besten Mannesalter. Hätte er also das Gedicht vor seiner Verhaftung ver-
faßt, so hätte er sich wohl nicht Graubart oder etwas weiter einen elenden
alten Krauskopf genannt:
Pober' BS od ovud, j adna kustro stara,
tvä stara navada neg srce umara^).
Auch die religiös gefärbten Ermahnungen, die er an die Mädchen
von Zeng richtet, und der in demselben Geiste gehaltene Schluß des Ge-
1) Ibid., p. 60.
2j Ibid., p. 97-105.
3) Ibid., p. 101.
4) Ibid. p. 104. .
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhaceviö u. d. Aufstand v. Brine. 115
dichtes ^) sprechen ebenfalls dafür, daß das Gedicht im Gefängnisse ent-
standen ist.
Der Tadel des Dichters richtet sich vor allem gegen den aus der
Fremde eingeführten Luxus, der alte Sitten und Traditionen der Vater-
stadt Kuhacevic' untergraben und in der Bevölkerung die rücksichts-
loseste Geldsucht wachgerufen habe, die die bürgerlichen, von Vorfahren
geerbten Tugenden zu vernichten drohe.
Ungefähr um dieselbe Zeit nahm noch ein kroatischer Schriftsteller,
M. A. Relkovic, den Kampf gegen die Sitten seiner Landsleute auf.
Relkovic hatte mehr Glück: sein Satir fand im Volke in Slavonien eine
außerordentliche Aufnahme, während Kuhacevic' ISarikovane erst hun-
dert Jahre nach dem Tode des Autors aus dem Staube ausgegraben und
veröffentlicht wurde, um für alle Zeiten auf den engen Kreis der Leser,
die der Geschichte der kroatischen Literatur ein Interesse entgegen-
bringen, beschränkt zu bleiben. Trotz des den Werken der beiden
Autoren gemeinsamen Grundgedankens, gegen die nach ihrer Ansicht zu
tadelnden Sitten der Landsleute zu kämpfen, sind Satir und Narikovane
doch zwei grundverschiedene Werke, weil auch die Denkweise ihrer
Autoren eine durchaus verschiedene war. Der temperamentvolle, impul-
sive Kuhacevic ist im Vergleich mit Relkovic, dem ruhigen Sohne der
slavonischen Ebene, ein echtes Kind seiner Heimat, des von der Sonne
abgebrannten, im Meere sich spiegelnden Steinnestes Zengg. Mit seiner
ganzen feurigen Seele hing Kuhacevic an den ruhmreichen Traditionen
seiner Vaterstadt, während Relkovic in seiner Heimat kaum etwas finden
konnte, was seine Brust mit Stolz und Begeisterung erfüllen würde. Die
nahezu zweihundertjährige türkische Herrschaft hat den alten Ruhm
Slavoniens, an den Relkovic fest zu glauben schien, völlig vernichtet.
Kein Wunder also, daß die neuen Bestrebungen der Staatsgewalt, parallel
mit der militärischen Einrichtung Slavoniens auch die ökonomische Wieder-
geburt des arg verfalleneu Landes und die Bildung des vernachlässigten
Volkes zu fördern, von Relkovic mit Begeisterung begrüßt wurden und
an ihm einen eifrigen Anhänger und Mitarbeiter gewannen. Relkovic
nahm keinen Anstoß daran, daß die Träger der Reformen, die seiner
Heimat eine neue, bessere Zukunft bringen sollten. Fremde waren und
daß in der reorganisierten slavonischen Militärgrenze — denn auch diese
wurde in den ersten Regierungsjahren der Kaiserin Maria Theresia einer
1) Ibid., p. 101 und 104.
8*
116 T. Matic,
Reorganisation unterzogen — die höheren Stellen und somit auch die
führende Rolle Fremden zufielen. Im Gegensatze dazu war Kuhacevic
ein erbitterter Gegner der Fremden, die als Kommandanten in seine
Heimat eingezogen waren, so daß er sich — nach den Untersuchungs-
akten — nicht scheute, für eine gewaltsame Vertreibung fremder Sol-
daten aus Zengg Propaganda zu machen, und auch der Aufstand, der
infolge der Durchführung der Reorganisation ausgebrochen war und in
den K. verwickelt war, richtete sich ganz entschieden gegen die neu-
importierten Offiziere. Seine Ideale und das Heil seines Vaterlandes
suchte Kuhacevic nicht in der Fremde : in ihr selbst, in ihrer Vergangen-
heit soll die Uskokenstadt, die seine Heimat war, die Kraft der eigenen
Wiedergeburt und die Wege zur besseren Zukunft suchen. Während
Relkovic nie müde wurde, seinen Landsleuten unbedingten Gehorsam
sowie vorbehaltlose, dankbare Anerkennung der von der Kaiserin ge-
schaffenen Einrichtungen zu predigen, und es ihm nie einfiel, diese In-
stitutionen einer Kritik zu unterziehen, hielt Kuhacevic, als er bereits auf
dem Spielberge hinter Schloß und Riegel saß und vor seiner Seele nur
die düstere, hoffnungslose Perspektive des lebenslänglichen Kerkers lag,
noch immer an der Ansicht fest, daß es nicht strafbar sei, aus Vater-
landsliebe an öffentlichen Einrichtungen Kritik zu üben. Er verteidigte
sich nur gegen die Beschuldigung, seine Synoptica ijiformatio habe den
Aufstand hervorgerufen :
vindar z nega ne izhodi,
puntarskoj da podah zrok kakov prigodi . . .
Opcinskoga dobra iz prave Jubavi,
sto znah 1 cuh, pero na hartu postavi^).
Das Milieu der Vaterstadt Kuhacevic', die in der Vergangenheit
unter den kroatischen Städten durch ihren ausgesprochenen Freiheitssinn
hervorragte, — die im Vergleich mit Relkovic höhere Intelligenz Kuhace-
vic' , insbesondere seine aus westlichen Quellen geschöpfte politische Bil-
dung (Machiavelli und Mazarin erwähnt er in seinem fünften Sendschreiben,
und H. Fächer, der handschriftliches, mir nicht zugängliches Material
zur Verfügung hatte, sagt ausdrücklich, Machiavelli sei — nach eigener
Aussage Kuhacevic' — sein Lieblingsschriftsteller gewesen , dessen be-
rühmtes Werk II Principe er sehr gern gelesen, weil die Tendenz dieses
Ibid., p. 65.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 117
Werkes seinen Ansichten am besten entsprochen habe i), — alle diese
Momente mußten Kuhacevic zu einem von Relkovic grundverschiedenen
Manne erziehen.
Dementsprechend stehen auch die Gedanken des Narikovane im
entschiedenen Gegensatze zu Relkovic' Satir. Die an Heldentaten reiche
Vergangenheit seiner Vaterstadt zieht die Blicke Kuhacevic' zu sich, —
daß diese Zeiten entschwunden, erfüllt sein Herz mit Kummer :
' Bubni se ne cuju, barjak se ne vije,
zastave prez boje, dusmanin se smije.
Vojvode odose, glavari pomrise,
od Sena se drugo 'zvan ime ne pise^).
Von der Gegenwart verspricht er sich nichts gutes:
Na mestu je Sen grad, gdi su negva dila,
kä su od postena svemu gradu bila?
Gdi ^ubav bratimska, vez dobra svakoga,
kä slaze i miri z bogatim uboga?
Gdi je nosua gradska, gdi prvane ruho,
koje veselilo i oko i uho?
Gdi postena kola i prez truha tanci,
veseje, pivane i od mira danci?
Gdi stara pravica, lik bolnu cloviku,
gdi slog i jedinstvo po krvi i mliku?
Gdi slavno oruzje, zastave, barjaci,
vojvode, glavari, od boja junaei?
Gdi najzad lipi glas, s kirn Seilane zvahu,
da nih za sokole posvuda drzahu?
Nis toga nij' vidit, sve se prikopiti,
slava i cast senska pod noge se hiti^;.
Allen Neuerungen steht Kuhacevic mißtrauisch gegenüber, weil diese an
den alten Sitten, den Grundlagen, auf denen der Ruhm Zenggs aufgebaut
war, rüttelten:
Nikoji gradani zadobu kre^uta,
odstupe obisni od staroga puta,
inostransku modu, vrutak od pakosti,
u moj grad upe|u, — Bog nim grihe prosti ...
Od ovuda pompe, gosc'ena, gospodstvo,
pace razsap kuce i smisno ubostvo*).
1) Nastavni vjesnik XII, p. 7.
2j Magdic, Zivot i djela, p. 99.
'*] Ibid., p. 97—98.
4) Ibid., p. 100.
118 T. Matid,
In dieser Liebe zu den althergebracliten Sitten geht Kuhacevic so weit,
daß er den Niedergang der Stadt dem Verfall der alten kriegerischen
Gesinnung und dem Handel, auf den sich seine Mitbürger mit Eifer ver-
legt hatten, zuschreibt :
Nika pako dica slaba, ma bahata,
drzed biti bozi, odstupe od rata.
Prez razgrist poslidna, militar odhite,
trgovske za klobuk postave si kite.
>Vivat«, zavapihu, »trgovina nasa!
Svak od nas u gradu bit ce kot cel pasa.
Blazeni ml sada i nasi porodi,
plivat demo svigdar kot u^e na vodi.«
Po tom dignu glavu, kot kad groce puran,
stahu babilonski z mislom gradit turan.
A Bog, kl sve vidi, sve zna i sve cuje,
sprzi prut, za da se 'zabran ne otruje,
slog dice pomrsi, put gradi suspeti,
blazenstvo nihovo skrblami oprti.
Pripusti gradane radit polak yo]e,
za da budu sami zrok svoje nevoje.
ükroti orlove, da se onim mole,
ke nikad drzahu za osle i volei).
Kuhacevic ging somit vom Gedanken aus, daß die Zengger, wenn sie —
statt sich mit dem Handel zu befassen — an den Heldentraditionen ihrer
Vorfahren festgehalten hätten, nicht so leicht ein Spielballen in den Hän-
den der neuen, ihrer Stadt gar nicht freundlich gesinnten Militärverwal-
tung geworden wären. Ähnlich hat auch Kochanowski, als er ungefähr
zwei Jahrhunderte vor Kuhacevic die Schattenseiten des polnischen Adels
in seinem Satt/r geißelte, auf den Niedergang des alten Heldengeistes
und die Beschäftigung mit der Landwirtschaft als Hauptursachen des
politischen Verfalles hingewiesen.
Diese allzu schwärmerische Begeisterung für die vergangenen Zeiten
verdunkelte Kuhacevic' Blick und ließ ihn der herannahenden neuen
Zeit nicht mit der nötigen Seelenruhe in die Augen blicken. In dieser
Beziehung unterscheidet sich Relkovic wesentlich von Kuhacevic: R.
faßte mit Ruhe und Nüchternheit alles, was er um sich sah, ins Auge und
von allerlei Gaben, die die neue Zeit in ihrem Schöße brachte, bot er
seinem Volke, was er fürs beste hielt. Die gefährlichen Momente des
neuen Systems, die die Individualität seines Volkes zu untergraben drohten,
1) Ibid., p. 100—101.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 119
schien er nicht zu merken oder merkte sie in der Tat nicht, — auf jeden
Fall stürmte er gegen sie nicht los. Jede Erscheinung beurteilte er ohne
Schwärmerei nur vom Standpunkte des Fortschrittes des Volkes. Relko-
vic wäre überglücklich gewesen, wenn er unter seinen Landsleuten eine
auf die Hebung des Handels hinsteuernde Bewegung bemerkt hätte, und
nie wäre es ihm eingefallen, diese Bestrebung als Zerstörerin des alten
Ruhmes zu brandmarken. Auch in der Beurteilung der bald nach ihnen
so sehr gepriesenen Volkssitten und Volkslieder gehen Kuhacevic und
Relkovic wesentlich auseinander. Während Relkovic den Nationaltanz
Kolo als Zeitverlust und aus moralischen Gründen verwerflichen Überrest
aus der Zeit der Türken verurteilt und gegen die Volkslieder, die den
Nationalhelden Kralevic Marko feiern, loszieht, wirft Kuhacevic seinen
Landsleuten erbittert vor, daß sie sich dem Kolotanz und dem Volksliede
entfremden:
Gdi postena kola i prez truha tanci,
veseje, pivafie i od mira danci? . . .
0 kolu nij' traga, tanci su po noci,
kä vrata odpire svake vrsti zlocii).
Für Kuhacevic war der Kolotanz — ebenso wie später für den berühmten
Katancic, der diese Volkssitte gegen Relkovic' Satir in Schutz nahm —
eine Überlieferung unserer Vorfahren und deshalb schon an und für sich
unantastbar, über jede Kritik erhaben. Um aber gerecht zu sein, darf
man auch den Umstand nicht aus den Augen verlieren, daß Relkovic, als
er den Satir schrieb, noch ein junger Mann und somit neuen Ideen zu-
gänglicher war als Kuhacevic, der sein Narikovane in einem Alter ver-
faßt hat, in dem man schon von Natur aus hinneigt, ein laudator tem-
poris acti zu werden, auch wenn man nicht alle Zukunftshoflnungen auf
eine so furchtbare Weise begraben hat, wie es bei Kuhacevic der
Fall war.
Neben dem Narikovane dürften die Sendschreiben Kuhacevic' das
meiste Interesse in Anspruch nehmen. Es gibt deren acht, jedoch nur
sechs stammen ganz von Kuhacevic, weil das vierte und sechste Send-
schreiben — von seinen Bekannten an ihn gerichtet — von ihm nur
versifiziert und mit den eigenen Sendschreiben zu einer Sammlung ver-
einigt wurden.
Das erste Sendschreiben ist an den Erzieher und Onkel des Dichters,
1) Ibid., p. 98.
120 T. Matiö,
den alten Domprobst Luka Kuhacevic gerichtet: Na svoga Gna strica
popa Luku Kuhaöevica , plotana , kanonika i prepozita katedral-
crikve senske und wurde — wie wir bereits gesagt haben — wohl nicht
lange nach der Aufhebung der Infamie (1752) verfaßt. Das Sendschreiben
zeigt uns Kuhacevic von einer Seite, von der wir ihn bisher nicht ge-
kannt haben. Es ist rührend, mit welch zarter Liebe und Ehrfurcht der
schwer geprüfte Mann an seinem Wohltäter hing :
Poklon, pozdrav]ene, gospodine strice,
srea flastar moga i oka zinice!
Znam, tuga i zalost da Vam dusu ko^e
i srce da hnce cic moje nevo|e,
jer Jubav, s kom ste me z ditinstva ravnali,
s kom na noge digli i na skule dali,
nadhaja ocinsku . . . *)
Kuhacevic, der ins tiefste Elend gestürzt war und selbst so sehr des
Trostes bedurfte, tiberwältigte seinen Schmerz und wollte den Greis, der
durch das entsetzliche Schicksal des Neflfen, den er an Vaters statt von
der zarten Kindheit an auf erzogen, gebrochen war, trösten:
Vas plac, Vasa zalost cuda me vec muce
neg kalez, koji pih ocito 1 muce.
ä Prez odmaka anda odiacih kripiti,
za dignut Vam suze al makar otriti.
To j' moj cij jedini; ufane mi pravi,
da 6vL ga dostignut od Vase Jubavii).
Die bitteren physischen und seelischen Leiden, die er seit der Ver-
haftung ausgestanden hat und die im zweiten, an seinen Vetter Frano K.
gerichteten Sendschreiben in ihrer vollen Grausamkeit geschildert sind,
verschweigt er dem Onkel und sucht sein Schicksal in milderem Lichte
zu schildern. Jeder Mensch habe sein Kreuz, und deshalb möge sein
Onkel, der im Leben von manchem, vielleicht auch schwereren Schick-
salsschlag getroffen worden sei, den Blick zum Gekreuzigten heben und
sich ins Unvermeidliche fügen, um so mehr als das Schicksal seines
Neffen nicht so schrecklich sei, wie es auf den ersten Blick vielleicht er-
scheinen könnte. Für die Seelenstimmung des Gefangenen sind die vielen
Zitate aus der Bibel und den Kirchenvätern charakteristisch, an denen
nicht nur dieses Sendschreiben — etwa mit Rücksicht auf den geistlichen
Stand seines Onkels — sondern seine Gedichte im allgemeinen reich sind.
1) Ibid., p. 25.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 121
Über die Bemühungen des Onkels, ihn aus dem Gefängnisse zu be-
freien , war Kuhacevic wohl unterrichtet. Er hebt insbesondere die dem
Onkel zuteil gewordene Ehre hervor, daß er sein fünfzigjähriges Priester-
jubiläum im kaiserlichen Schloß zu Schoubrunn feiern konnte, und fügt
hinzu :
S tim vese|em htiste da me oslobode;
vrag skolnika svoga, da smete, podbode.
• I smele. U kom bi ufaiie velo,
ta spod ruke ze|no prikopiti deloi).
Wer war nun dieser Schüler des Teufels, auf den man große Hoff-
nungen setzte, der aber den Erfolg heimlich (»spod ruke«) vereitelt hat?
Den Zengger Bischof, den Kuhacevic für den Urheber des über ihn herein-
gebrochenen Unheils hielt, erwähnt er auch in diesem Sendschreiben als
den Geist, der den Onkel und ihn ins Elend gestürzt hat, und sagt in
einer Fußnote ausdrücklich, daß er unter diesem Geiste den Bischof ge-
meint hat 2). Hätte er ihn auch unter dem Schüler des Teufels verstanden,
so hätte er wohl daraus kein Hehl gemacht. Gegen diese Annahme spricht
auch der Umstand, daß der Onkel auf diesen »Schüler des Teufels« hin-
sichtlich der Befreiung Kuhacevic' große Hoffnungen baute. Es wird sich
hier wohl um eine dem Hofe oder dem Hofkriegsrate nahegestandene
Persönlichkeit handeln, die unser Dichter nicht nennen wollte, sondern
sich mit einer unklaren Anspielung begnügte, die der Empfänger des
Sendschreibens, sein Onkel, ohnehin verstand.
Viel aufrichtiger schilderte Kuhacevic sein Schicksal im zweiten
Sendschreiben Na popa Franu Kuhadevica'.
Zdravo, brate Frane! Evo knige na te:
i zalost i radost sobom nosu za te.
Srce ml povida tvoje zeju voje,
da bi nid znat prohod od moje nevo^e.
Provan si prijate] kot skroz ogan zlato,
ne pita svidoka moje pero na to.
Ne mogu od mane, brate, prijate]u,
neg da (ma u suku) tvoju 'zpunim zeJu.
Und nun beginnt die Schilderung der unsäglichen Qualen, die Kuhacevic
seit der Verhaftung in Wien bis zur Verurteilung zum lebenslänglichen
Kerker und während der Internierung auf dem Spielberge ausgestanden
1) Ibid., p. 41.
2j Ibid., p. 32 und 33.
122 T. Matic,
hat. Die Untersuchungshaft in Kaiistadt schildert Kuhacevic in düster-
sten Farben, so daß er die nach der Beendigung des Prozesses erfolgte
Überführung auf den Spielberg und die Behandlung in diesem berüch-
tigten Gefängnisse als Erlösung begrüßte. Auf diese Stellen des Send-
schreibens hatte ich schon Gelegenheit hinzuweisen. Als 1752 die Infamie,
die ihn von jedem Verkehr mit den übrigen Gefangenen ausschloß, auf-
gehoben wurde, schien sich Kuhacevic mit seinem harten Schicksale so
ziemlich versöhnt zu haben; eine stille Hoffnung, doch noch einmal als
freier Mann zu leben, tröstete ihn in den schlimmsten Stunden:
Z laka Bog 'z ovoga przuna izbavi.
Ufane ne vara: pohodi cid zloce,
cic dobrote svoje oslobodit hoce.
Kra|icino srce on drzi na dlanu,
cinit ce da ona moju 'zlici ranu,
i to sve vec, budnc ona po uaravi
nagnnta da bolne, kad more, ozdravi.
Ma kada de, velis, ota rados priti?
Makar'kad tegnedu zlotvori umriti.
Grisi me i oto, vindar srce gori:
vidit cemo Boga, kad nas smrt umori*).
Den im August erfolgten Tod seines Onkels erfuhrKuhacevidaus einem
Schreiben seines Vetters Frano, welches er in Verse gebracht und unter
eigene Sendschreiben aufgenommen hat [List öetvrti. Od popa Fratie
Kuhadevica na svoga hratuSeda u vikovnom przumi naliodecega).
Die Antwort Kuhacevic' auf dieses Schreiben ist dem Andenken an den
Verewigten gewidmet und mit Gefühl und Wärme geschrieben [List peti.
Odgovor na 6etv7'ti.). Er gedenkt mit Dankbarkeit der opferfreudigen
Liebe seines Wohltäters:
Sirotu odhrani, na skule odpravi,
za svrsit moj nauk svoju moe postavi.
Sve vrime nauka nis mi ne suskrati,
sva za me potribua posteno izplati.
Po nanku pako prije me u kucn,
blagodarno poda hranu i obucu;
stogod ga zaprosih, iz srca nakloni,
nis svoga od mene nikad ne ukloni.
U ovqj nevo|i ca on ne namini,
ki korak pod starost za me ne ucini!
Nakani za sebe cisto ogoliti
za mene opeta slobodna viditi.
1) Ibid., p. 61.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevid u. d. Aufstand v. Brine. 123
Ne mognc doc ci|u (tak Bog hti imati),
cid mene zalosc'om svoj zitak suskrati.
Hoc vece Jubavi, hoö vrucija posla,
hoc milije smrti neg je ova dosla? ^]
Er weiß wohl, daß sein Onkel ein einfacher, aber makelloser,
herzensguter und edler Mensch war:
Ni bil politicus, ni stal Machiavella,
8 tim priprosta bihu sva negova dela.
Ne bise statista, ni stal Mazarina
nit znal cinit vidit, da j' brdo dolina . . .2)
Ne bi od nauka, ni bil philosophus
al ki od sadasne feie theologus.
Bil je glagojita (Jerolime sveti,
glago^ite nisu sad vec za prijeti —
glago^ite puni med sobom |ubavi,
pod kimi grad cvase i bise u slavi,
glago^ite zitkom svomu pelda stadu,
u svakoj prigodi lip miris svem gradu) . . .3)
Man sieht, wie sehr die schlichten Glagoliten Kuhacevic am Herzen
lagen: sie gehörten ja auch zu den Traditionen Zenggs, die er so sehr
liebte. Diesen in Kuhacevic' Persönlichkeit stark hervortretenden Zug,
ich meine die hingebungsvolle Liebe zur heimatlichen Scholle und zu
den Konnationalen, rühmt unser Dichter auch seinem dahingeschiedenen
Onkel nach:
Nagnut domovini, nitkom ne naskodi,
mnogoga s umicom od zla oslobodi.
Pun opcinska dobra, kad grad sto zadobi,
vesel, a zalostan, kada sto izgubi*).
Im Hause des Onkels wurden wohl auch ins Herz des jungen Kuhacevic
die ersten Keime dieser Ileimatsliebe gelegt, die sich dann in der Folge
mächtig entwickeln und für sein ganzes Leben entscheidend werden
sollte. Es ist aber charakteristisch, daß die Liebe Kuhacevic' vor allem
seiner Vaterstadt, dem grad gewidmet war.
Die zwei folgenden Sendschreiben beziehen sich auf den Tod des
wiederholt erwähnten Frano Kuhacevic. Ein Landsmann des Dichters
teilte ihm den Tod des Verwandten mit, welches Schreiben Matesa in
Verse brachte und mit einem Sendschreiben {List sedmi. Odgovor na
1) Ibid., p. 72.
2) Ibid., p. 74.
3) Ibid., p. 73.
*) Ibid., p. 75.
1 24 T. Matid,
sesii) beantwortete, in dem er den Verewigten als treuen, verläßlichen
Freund beweint. Nacli dem Tode des alten Luka war Frano Vertrauens-
mann unseres Gefangenen. Bereits im Sendschreiben, mit welchem Frano
ihm den Tod des Onkels mitteilte, versicherte er Matesa, er werde ihm
an die Hand gehen:
U ostalom ne dvoj, na ruku cu t' biti
i kot pravi tvoj brat za te cu skrbiti.
U dein cu 'zkazat Jubav, ka me veze,
da mi tvoji krizi usrid srca leze*).
Diese Worte können nur so aufgefaßt werden, daß Frano nun, da
der Onkel verschieden war, die Aktion zur Befreiung des Gefangenen
zu leiten gedenke. In diesem Sinne hat ihm auch Matesa gedankt:
Metimtoga, brate, hvalim na Jubavi,
kü mi izkazujes u ovoj drzavi.
Hvala na kripjenu i na dobroj vo|i,
kü imas za meni pomoc u nevo]i . . .
Cin' za me, sto mores, — Bog ti bil na ruku,
on stostruko platil vas tvoj trud i muku.
Ako tegnem izac, poznat ces u cinu,
da nisi jednoga vezal opacinu^).
Frano wird wohl der Schwester des Matesa bei den Schritten, die sie,
um Begnadigung ihres Bruders zu erwirken, nach dem Tode des Onkels
unternommen hatte, als Berater zur Seite gestanden sein.
Den Namen des Landsmannes, der ihm den Tod des Frano ge-
meldet hat, hat Matesa wohl absichtlich verschwiegen. Dieser Anonymus
muß eine Vertrauensperson der beiden Vettern gewesen sein, denn er
erwähnt in seinem Schreiben ein bei ihm deponiertes pisttio (Brief,
Schriftstück) des verstorbenen Frano und fragt Matesa, was er damit
tun soll:
Pokojnoga pismo i sad je pri meni;
sto sam istim cinec, zapovite meni 3).
Im Antwortschreiben beauftragte ihn Matesa, dieses pismo zu ver-
brennen :
Veran si, ne dvojim: sto pitas, izgori*).
Ein vom verstorbenen Frano für Matesa hinterlassener Brief, kann
es nicht gewesen sein, denn in diesem Falle hätte ihn Matesa wohl nicht
1) Ibid., p. 70.
2) Ibid., p. 78.
3) Ibid., p. 80.
4) Ibid., p. 83.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 125
verbrennen lassen. Es fällt auch auf, wie vorsichtig der Gefangene
seinen Auftrag ins Sendschreiben eingeflochten hat, so daß man bei
flüchtiger Lektüre gar nicht merken würde, um was es sich eigentlich
handelt.
Sein letztes Sendschreiben [List osmi. Na gospu Klaru Vuclra-
govic) schrieb Kuhacevic nach seiner Freilassung an die Schwester, die
sich so viel bemüht hat, um seine Begnadigung zu erwirken. Sonderbar
muß es dem nach sechsundzwanzigjährigem Gefängnis freigelassenen
Greis ums Herz gewesen sein, als er sich zwar frei, aber alt und gebrochen,
ohne Hab' und Gut, nur auf die Hilfe der Schwester angewiesen in der
Welt sah. Er freut sich der wiedererlangten Freiheit, dankt innigst der
Schwester für ihre Güte, doch zwischen den Zeilen dringt eine gewisse
Bitterkeit, die Kuhacevic angesichts seiner Hilflosigkeit empfand.
Eine Stelle für sich nimmt das dritte, Na sudca od Kora7ie be-
titelte Sendschreiben ein: während die übrigen liebevolle Schreiben an
Verwandte uud Freunde sind, ist dieses an den Untersuchungsrichter in
Kuhacevic' Prozesse , den Auditor Jenko, gerichtet und unterzieht einer
scharfen Kritik, zum Teil auch vom juridischen Standpunkte, das nach
Kuhacevic' Ansicht unkorrekte Vorgehen des Richters:
Ti mi proces peja i po tvom naputka
sada ovdi sidim u vikovnom kutu.
PeJa, — all kako? Nu 1' kak' zakon kaze?
Mucim, jer po tuci zvonit ne pomaze.
Posegni u iiadra, dusa ce ti reci.
srzbu u tom bozju hoces li uteci.
Mogucni mogucno prot slabim vojuju,
ma se i mogucno muce i tuguju.
Pökle svist zadobih, nit cuh niti sam stal,
da se j' ovak' proces kot se j' meni pejali).
Der Gefangene verzeiht ihm, segnet ihn sogar, weil er im Ge-
fängnisse das unschätzbare, in der Welt verspielte Seelenglück wieder
gefunden habe. Nach einer juridischen Analyse der gegen ihn ge-
richteten Beweisführung, kommt Kuhacevic zum Schlüsse, das gegen ihn
gefällte strenge Urteil sei durch die Ergebnisse dieser Beweisführung
nicht genügend motiviert, und fragt, warum er eigentlich verurteilt
wurde :
Otvor' anda srce, povi za utihu,
po cem na me smucne oball pregrihu.
1) Ibid., p. 62—53.
126 T. Matic,
Slaba j' moja pamet za ta zrok doseci;
u dvojbi ostajem, ako ne c'es reci.
Da recem, da tvoj sud bi jedna osveta,
fallt du: ni ti zla nit zlu dah suspeta.
Eecem, da te na to dignu respet svita
al koja otajna tvoga Jubav mita,
8 tim cu zabludit, drzim te za sudca,
ki u svakom vrldnom nima zboru truca.
A rec, da je uzrok ekspedit Kaife,
ni testir, jer ta ric ne trpi tarife.
Ekspedit lipa ric, kad ric bozju slidi,
ma se to ekspedit malo kadi vidi.
Sumna je zestoka. Stav' na prsi ruke:
ni r list Placentinov bil zrok te odluke?
Ma zaman ti mucis, nee da gres u po^e,
hoc da SU skroviti tvoje puti voje.
Muci, — nistar zato, — pokri Piacentina:
ne daj znat uzroka, za da j' dusa mirna^).
Wer ist mm dieser Placentinus, dessen Brief bei der Verurteilung
Kuhacevic' den Richter beeinflußt haben soll? Jedenfalls hat er
wenigstens in diesem Punkte seinem Untersuchnngsrichter ein Unrecht
getan, denn wie wir jetzt aus den Akten des Kriegsarchivs wissen,
wurde das Urteil gegen Kuhacevic auf Grund eines Beschlusses des von
der Kaiserin eingesetzten, aus Generalen bestehenden iudicium revi-
sorium gefällt.
Eine besondere Gruppe unter den Gedichten Kuhacevic' bilden die
religiösen Gedichte, ausschließlich Paraphrasen der Heiligen Schrift
[Evan^ele od pozdravlena andehka nach Lukas I, 26 — 3 S) oder ein-
zelner Gebete [Pater noster^ Ave Ilaria, Salve regina ; 3Iolitva
nevo\niha u przimu nahodecega ist ebenfalls eine Paraphrase von Ave
Maria). Diese Gedichte haben somit kein weiteres Interesse für uns, da
von Kuhacevic nur deren äußere Form ist. Die seelischen Vorgänge, die
Kuhacevic in den bittersten Stunden seines Lebens zur Religion zurück-
geführt haben, werden in seinen religiösen Gedichten mit keiner Silbe
erwähnt. Kuhacevic dachte nicht daran , den Inhalt für seine Verse in
seinem Innern, in seiner Seele zu suchen.
Eine Reihe von umfangreichen Gedichten Kuhacevic' befaßt sich
mit dem siebenjährigen Kriege. Über die Ereignisse des Krieges zeigte
er sich in Gedichten, besonders aber in den beigegebenen Fußnoten sehr
1) Ibid., p. 66-67.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 127
gut unterrichtet. Selbstverständlich waren seine Sympathien auf der
Seite der kaiserlichen Armee, vor allem aber werden die Heldentaten des
Generals Luudon gefeiert. Der Ruhm Laudons war für Kuhacevic Ruhm
Kroatiens :
Vrat alomil dusmanu austrijanske kuce,
bil slava i dika hrvacke obuce:
ova ga porodi, s nom vitestvo stece,
sve dobro, ko ima, iz ove potece *).
Laudon, der eine Zierde des kroatischen Volkes sei (»slava hrvacka
kolina«2jj möge noch größere Erfolge erringen und der Welt zeigen, was
für Helden es unter den Kroaten gebe :
Stupil Jos na vise i dal svitu znati
ke vrsti viteze ractaju Hrvati^).
Neben diesem für Kuhacevic auch sonst charakteristischen Zuge
des Patriotismus tritt besonders stark der Gedanke hervor, alle mensch-
lichen Siege und Niederlagen, alle Freuden und Leiden seien auf Gott
zurückzuführen, — ein Gedanke, der das Seelenleben des Gefangenen
beherrschte. Die Mottos der Gedichte sind der Bibel entnommen und
auch in den Text sind vielfach Stellen aus derselben eingeflochten, —
naturgemäß paßten zum kriegerischen Inhalte besser Zitate aus dem
Alten Testamente. Kuhacevic ging sogar so weit, daß er den Text ein-
zelner Kirchenhymnen seinen Zwecken anpaßte. So hat er die Hymne
Lauda Sion benützt, um nach der Eroberung der schlesischen Stadt
Schweidnitz danach ein kurioses Lobgedicht zu Ehren Laudons — in
lateinischer und in kroatischer Sprache — zu machen:
Lauda. Schweidnic, nunc Laudonem, j Hvali, Schweidnic, sad Laudona
lauda novum Gedeonem i novoga Gedeona.
in tubis et tympanis. Viteskoga hvali pasu,
Lauda et hoc laudi addo, | hval' cestita arambasu
quod sit dignus omni laude
in choris et cymbalis
etc.
s cimgod mores, hval' prez sale,
jer dostojan svake hvale
etc. <)
1) Ibid., p. 137. — Laudon, der bekanntlich aus Livland stammte, hat
nach seinem Übertritt aus dem russischen in den österreichischen Dienst zu-
nächst als Hauptmann unter Trenk und darauf vom Jahre 1746 bis zum Aus-
bruch des siebenjährigen Krieges als Major in Bunic im Karlstädter Genera-
late gedient.
2j Ibid., p. 118.
3) Ibid., p. 144.
4) Ibid., p, 146—147.
128 T. Matid,
Seltsam ist auch die Art und Weise, wie Kuhacevic die Worte des
Psalmisten »Persequar inimicos meos et comprehendam illos et non con-
vertav, donec deficiant« den Verhältnissen angepaßt und Laudon in den
Mund gelegt hat:
Grem Fouqueta nac u sanci,
pokoja mu ne cu dati,
tirat cu ga iz svih klanci,
dok se tegae sam pridati.
Ja cu sipat smrt i rane,
dok svojimi na tla pane ^].
Der in der kroatischen Literatur des achtzehnten Jahrhundertes
auch sonst bekannten pseudoklassizistischen Einführung der altklassi-
schen Gestalten ins moderne Leben begegnen wir auch bei Kuhacevic.
Seine Vila Slovinkina erfährt Neuigkeiten vom Kriegsschauplatze durch
den beflügelten Postboten Merkurij :
Eto Merkurija! Ak' me glas ne vara,
rozicem odposteveseloudara^)
oder
>Merkuriju dragi, glasonose mili,
kamo tak' veselo? Povi malo vili.<
»Draga vilo, rece, pusti me letiti,
grem svoj Europi radost navistiti«
»Kü radost? Mo|u te, povi ml u kratko,
ako zelis, vila da pocine slatko.«
Tad on pun vese]a, prez naprvo iti,
prionu radostno ovak' bugariti . . .3).
Für diese mit allerlei Schmuck — auch das klassische »lo Victoria! lo
Paean! lo Triumphe!« durfte nicht fehlen — ausgestatteten Gedichte
können wir uns nicht erwärmen. Die an und für sich nicht fesselnde, et-
was schwerfällige Erzählung Kuhacevic' wird vielfach durch Digressionen
unterbrochen, die noch weniger geeignet sind, das Interesse des Lesers
zu wecken.
Warum hat Kuhacevic diese Gedichte geschrieben ? Waren sie für
ihn bloß ein Zeitvertreib in der Langweile des Gefängnisses oder ver-
folgte er dabei vielleicht auch andere Zwecke? Eines fällt mir auf:
sonst finden wir in den Gedichten Kuhacevic' (von den Mottos sehe ich
hier ab) keine lateinischen Einschiebsel, — diese begegnen uns nur
1) Ibid., p. 131.
2) Ibid., p. 139.
3J Ibid., p. 131.
Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic u. d. Aufstand v. Brine. 129
in den Gedichten über den siebenjährigen Krieg und sind so gewählt,
daß aus ihnen auch einer, der der kroatischen Sprache nicht mächtig ist,
auf den ersten Blick ersehen kann, daß die Gedichte der Verherrlichung
der Kaiserin und insbesondere Laudons gewidmet sind. Es liegt nun
der Gedanke nahe, daß Kuhacevic vielleicht hoffte, durch diese Gedichte
die Aufmerksamkeit des Generals und durch ihn auch die Aufmerksam-
keit hoher, der Kaiserin nahestehender Kreise auf sein bitteres Schicksal
zu lenken und sie zu seinen Gunsten umzustimmen. Das ist natürlich
nur eine Vermutung, denn wir wissen nicht einmal, ob unserem Ge-
fangenen überhaupt welche Wege offen standen, um seine Gedichte an
Laudon zu senden, und noch weniger, ob er es — falls er auch diese
Absicht hatte — versucht und ausgeführt hat.
H. Fächer erwähnt noch ein Gedicht Kuhacevic', welches in der
von H. Magdic benützten Handschrift nicht enthalten ist und deshalb
von ihm auch nicht herausgegeben wurde. Das Gedicht hat den Titel:
Utiha nevohiih u zrcalu od pravde s jednom istinitom peldom u
nevo\i hivsega rasvijetletm^ po istomu skroz jn'iproste verse na svitlo
dana*. Der Inhalt der Utiha deckt sich mit dem des Sendschreibens
Na popa Fra7iu Kuhaöevica: es wird — mitunter mit denselben Worten
wie im Sendschreiben — der Prozeß und die Gefangenschaft Kuhacevic'
geschildert, doch dürfte diese Schilderung viel eingehender sein, da die
Utiha nach der Angabe H. Fächers 1791 Verse gegenüber etwa 300
Versen des Sendschreibens zählt i).
Noch weniger wissen wir über Kuhacevic' Memoiren. Sie wurden
nach dem Jahre 1878 gefunden und sollen Kuhacevic' Aufzeichnungen
über bedeutendere, in seiner Heimat und im Auslande vorgekommene Er-
eignisse enthalten 2). Wo sind gegenwärtig diese Memoiren ? Welche Zeit
umfassen sie? Sind sie in welchem Zusammenhange mit der lateinischen
Autobiographie, die wir aus dem Vorworte Magdic' wenigstens einiger-
maßen kennen? Lauter Fragen, auf die ich keine Antwort zu geben
vermag.
Daß Kuhacevic seine Schriften nicht für immer begraben wissen
wollte, zeigt das Gedicht Na stalca^ welches in der Handschrift an der
Spitze der Dichtungen steht. Aber auch die Handschrift selbst — falls
sie in ihrer gegenwärtigen Form von K. stammt — weist durch die auf
1) Nastavni vjesnik XII, p. 20.
2) Ibid., p. 7.
Archiv für slavisclie Philologie. XXXV.
130 T. Matic, Der kroat. Schriftsteller M. A. Kuhacevic usw.
das Abschreiben und Ordnen der Gedichte verwendete Sorgfalt anf den
Wunsch hin, sie der Nachwelt zu überliefern. Im Manuskripte der TJtiha
nevolnih heißt es im Titel sogar ausdrücklich »na svitlo dana«. Hat
K. in den düstern Tagen der Gefangenschaft vielleicht an eine Veröffent-
lichung seiner Schriften im Drucke gedacht? Unsere Kenntnisse über
die erhaltenen Manuskripte und ihre Entstehung sind leider zu gering,
um dieser Frage näher treten zu können.
*
In die Reihen bedeutender Schriftsteller gehört Kuhacevic gewiß
nicht. Ein Mann von starker Individualität, der so seelenerschütterndes
erlebt hat, hätte, wenn er ein begabter Schriftsteller gewesen wäre, der
Nachwelt wohl bedeutendere literarische Produkte hinterlassen. Der
innere Wert seiner Schriften lockt den Leser wenig; sie interessieren
uns vor allem insoferne, als sie die Persönlichkeit des Autors beleuchten,
eines Mannes , der — für seine Zeit bezeichnend genug — als Sohn
einer bürgerlichen Familie und auf sich selbst vertrauend den Mut hatte,
gegen die Fremden, die in seinem Vaterlande die Macht an sich gerissen
hatten, unverzagt aufzutreten, und in diesem ungleichen Kampfe als
Opfer seiner Gesinnung fiel.
Plionologie des Görzer Mittelkarstdialektes*).
Erster Teil: Vokalismiis.
Von
Prof. Dr. K. Strekelj.
Erstes Kapitel.
Vokal a.
§ 1. In diesem Kapitel wird jenes a in Betracht gezogen, welches
im Alt- und gleicherweise im Neuslovenischen entweder den korrespon-
dierenden Laut teils des idg. d, lit. ö, teils des idg. ö, lit. ö, u (i/o), —
oder den Ablaut des 'K, 'Kl, 0, 'S, — oder drittens das Produkt der Dehnung
*) Im Nachlasse des Professors Dr. K. Strekelj fand sich ein hand-
schriftliches Faszikel vor, das unter dem oben zitierten Titel die zu seiner
»Morphologie» als Ergänzung geplante Phonologie teils im fertigen fdas hier
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 131
des slav. o bei der Bildung der verba iterativa und in der Lautgruppe
>tort, tolt«, oder der Kontraktion aus aje bei Verben V. 1, oder endlich
den Reflex des 'k (urspr. e) nach 6^ i, i,y repräsentiert. Weil denselben
Wandlungen unterworfen, findet hier auch das a der Fremdwörter Be-
rücksichtigung, mag es nun da als selbständiger Vokal auftreten oder die
Stellung des ersten Komponenten in Diphthongen einnehmen (ital., frl.
aii^ ai^ d. a?, e?', eu^ äu, au). Nicht beachtet wurden hier jene Fälle, in
denen fremdes a bereits in altslavischer Periode durch o vertreten er-
scheint.
I. a bleibt a.
§ 2. Der gewöhnlichste Reflex des asl. wie fremden a ist ein offenes,
reines (sog. italienisches) a. Es findet sich sowohl als Akzentträger, als
auch nach der Tonsilbe; vor der letzteren ist es nur m faj'htuöba
»Feuchtigkeit« anzutrefien.
§ 3. In der Tonsilbe ist es meistens lang: häla Kugel, Braut-
ausstattung, cak. bäla fascis lintei, aus ven. lala quantitä di roba messa
insieme e rinvolta in tela o simil materia ^]. hläna Balken als Faßunter-
lage, Q:2i^.blänja^ ix\. plague yqvl. pia7ia, id. yärba Pelargonium sp., ven.
ai'ba und erba : erba rosa geranio rosa, Pelargonium Radula, welches
als arbaroza auch ins Kroat. eingedrungen ist : y ist in yärba zur Ver-
meidung des vokalischen Anlautes vorgeschlagen, järit coire (von
Tieren), yarc Zuchtwidder: Si&X. jar^ amarus, iratus, serb. yara Hitze,
russ. Hpümh ApaaiiHTi, KHnaTHTb, pasaturaxt noxoTL, öhtb bT) nopi,
B'B TBUK'i, RpÜMhCR noxoTHn^iaxt, pocTHTLCH (Dalb); ferner vergl. d.
zum Abdruck kommende) teils im unfertigen Zustande enthält. Die Witwe
des Verstorbenen hat uns das ganze Material zur wissenschaftlichen Verwer-
tung überlassen. Die Redaktion hofft neben diesem schon endgiltig ausgear-
beiteten Teil, der allerdings schon vor längerer Zeit fertig gewesen und später
nicht mehr durchgesehen worden zu sein scheint, auch das übrige Material,
mit freundlichst versprochener Mithilfe seines Schülers (Prof Breznik in
St. Vid bei Laibach) in druckfertigen Zustand bringen und in unserer Zeit-
schrift, wi3 es auch der Wunsch des verstorbenen Verfassers war, publizieren
zu können. V. J.
*) In der älteren Vorlage stand hier in Klammern folgender Zusatz: »Am
Karst gebt die Braut, wenn sie arm ist, vor der Hochzeit in der Umgegend
verschiedene milde Gaben, meist Getreide, einsammeln: bere w bälu. Mit ihr
geht ein älteres Weib herum, häba genannt* Dazu die Randbemerkung: cf.
serb. ba'iica zensko celjade koje prati nevjestu, pronuba; paraninfa, donna che
accompagna la sposa. Rjec. 1131.
9*
132 K. Strekelj,
Brunst v. hrenne?i^ ital. caldo geil, essere in caldo bespringen. Im
cak, auch von Vögeln: ptici se jaru^ üblicher noch ist das Verbumy«r-
citi^ jarciti se, vgl. das agram, akad. W. s. v. *), wofür slov. parüi se, das
jedoch nicht nuipara Hitze zurückgeht, sondern auf/)ar, d. Paa?; steh paa-
ren beruht, mätast dumm, ital. matto. nä en tibi, näte en vobis. näyolin
Nelke, ahd. nagal, nagul, mhd. nagel Gewürznelke, n'dgelvn Dianthus.
näpa Rauchfangmantel über dem Herde, auch cak. näpa tabula super
foco ad imponenda vasa; frl. näpe cappa che sovrasta al focolare, ital.
nappa. räkla Pfahl zur Stütze von Weinreben und Schlingpflanzen; das
Wort ist deutsch und ins Slovenische in verschiedenen Formen einge-
drungen: ragla, raglj'a, raglica, raha, ralila, raja, rajica, rakla, alles
in der Bedeutung 'Stange, Stecken, Pfahl : mhd. rahe Stange (cf. Kluge
s. ragen, Rahe, regen); kämt, rägg'l, räk'l f. eine Stange, welche noch
mit einem Teile der zugestutzten Äste versehen ist, bair. die Rahen,
Rachen. Kaum richtig leitet Schuchardt 68 das kämt. Wort aus dem
Slov. ab; beachte jedoch österr. Stägl Stahl, kämt, seg-n sehen, sigst
siehst usw. Auch ins Cech. ist das Wort eingedrungen als rähno Stange,
desgleichen ins Friaul. räcli frasca troncone , ramo d'albero co'suoi ra-
moscelli che si pone a sostegno delle piante scandenti, raclä infrascare,
plantare accante ai legumi scandenti la frasca. räza Ritz an der Haut:
vgl. asl. uraziti percutere, nsl. naraziti verletzen, navraziti eine halb-
verharschte Wunde aufreißen, Wz. rSz. späka Mißgeburt, Teufel: iz-
pak-a. täpa f. Stück Holz , um damit das Rollen der Fässer oder (beim
Wagenschleif) die Bewegung des Rades zu hindern: frl. tapp m., id.
träJtter Ort im Stalle, wo von den oberen Räumen Heu heruntergeschüttet
wird: d. Trachter. zävor Knüttel, um das Kettenband fest anzuziehen
und zu sperren, Wz. ver . . .
§ 4. Schon aus den angeführten Beispielen ersieht man, daß selbst
ursprünglich kurzes und unbetontes a , falls es durch offenes a vertreten
wird, in der Tonsilbe lang wird. Kurz ist ofl'enes a nur dann, wenn dar-
auf ein/, n oder lo mit einem zweiten Konsonanten folgt; die Kürze ist
demnach abhängig von dem physiologischen Charakter des nachfolgen-
den Konsonanten, der gleichsam der zweite Komponent eines Diphthongs
wird und als solcher einen Teil der Länge des a übernimmt. Während
1) Die Zusammenstellung von Ja;j^ mit jan usw. wird jetzt aufgegeben zu
Gunsten von Jaro, wo«, vgl. Berneker 440, Walde^GO. Anm. von Dr. A.
Breznik.
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 133
indes diese Erscheinung bei a mit nachfolgendem ii + Kons, ziemlich
konsequent eintritt, macht sich bei a vor/ oder lo -\- Konsonant häufig
ein Schwanken bemerkbar, indem dieselben Wörter auch mit langem r/,
ja andere nur so gesprochen werden. Die Kürze dieses a scheint jedoch
immer weiter um sich zu greifen und sich neuer Wörter zu bemächtigen.
Beispiele: bänyr Türpfosten aus d. Wang^ pl. die Wetigei\ vgl. Arch.
XI. 467; bänk Verk aufs tisch : ital. hanco. hräj'da und hräjda Feld mit
hübschen Weinreben; cak. hräjda ordo vitium, aus ven. braida^ frl.
braide, d. Gebreite: 'wie herrlich liegen die schönen, reichen Gebreite
nicht da', Goethe, Herrmann und Dorothea IV. 186. drzäwnik und
drzäwnik Reichsratsabgeordneter, yänk Gang , Balkon , Chor in der
Kirche; auch bei Belostenec I. 776: mesaula med dvema hizama prehod
ili ganjk.
ymäjna und ymäjna Gemeindeland: mhd. gemeine Eigentum einer
Gemeinde, känkor krebsartiges Geschwür, Türangel, aus ven. '■cancaro
tumore o ulcere', in Triest auch 'arpione, cardine, ganghero'. mänkor zu-
mindest: frl. mancul almanco. nänkor nicht einmal, Analogiebildung
nach mänkor aus dem daneben gebräuchlichen nänka: triest. nanca nem-
meno, neppure, frl. nänghe. parafänk und parafänk aus frl. i)arefäng^
ital. parafango cuojo che cuopre le parte anteriore del calesse e la di-
fende dalla pioggia o dal fango. pränyat stolzieren, spazieren: mhd.
brangeji.) prangen, tir. prangen geziert aufziehen, kämt, prängin^
prangen, stolz tun, geschmückt einhergehen . . ,
§ 5. Nach der Tonsilbe findet sich a als ofi^enes a:
a) in Wurzelbestandteilen: üöbras Gesicht : obrazx . . .
b) in stammbildenden Suffixen: a) ar aus arh [ario) im nom. sg.,
während in den übrigen Kasus nach § 17c a auch mit e abwechseln kann:
mükar wer mit Mehl zu tun hat, gen. mükarja und mükarja
ß) ast: mutast stumm, ital. muto. yüöbast höckerig, ital. gobbo ....
y) at: kösmat mit Haaren bewachsen ... ö) bei Verben V.l. zweiter
Betonungsreihe (cf. Morph. 1 13ff.) : im Infinitiv, 1-Partizip fem. und neutr.
sg., I. II. III. praes. sg. u. plur., n-Partizip. Über die Abwechslung des
a mit üf, £ in diesen Fällen vgl. Morph. 111. Ferner im Infinitiv der
Verba III. 2 ; V. 1. erster Betonungsreihe; V. 2, VI (s. Morph. 102 ; HO,
111; 119, 120; 121).
c) in Kasussuffixen: «) im nom. sg. der Substantiva der a-Deklina-
tion, der femininen Adjektiva, Pronomina, Partizipia und adjektivischen
Numeralia; desgleichen im nom. sing, einiger maskulinen Eigennamen:
134 K. Strekelj,
yä/aJagd: kämt, jag ff f.; Hepa; möja\ tekla] pisana\ prva; lyka
Lukas ... ß) im gen. s. der t (o)- und o-Deklination , sowie in der En-
dung ya der pronominalen und zusammengesetzten Deklination: wrdya
des Teufels, doch buyejmie : dajat b. Almosen geben, aus v hoga ime,
da durch die Zusammenrückung mit ime resp. jerme der Genitiv nicht
mehr herausgefühlt wird ; pid'a des Feldes ; neya eius ; yrdya des häß-
lichen ... j') im nom. dual, der maskulinen Nomons und Pronomens:
dvä hläpca zwei Knechte; Tiepa\ tista ö) in der Endung öÄ, am,
{an), ami bei Substantiven, die sich von der nominalen a-Deklination auf
die Neutra (o-Deklination) und dann auch auf die Masculina (i,-Dekl.)
und zuweilen auch auf die anderen Deklinationen verbreitete.
II. a wird vertreten durch a.
§ 6. Ein häufiger Vertreter des a ist a, ein Laut, den physiologisch
genau zu bestimmen ich außer stände bin. Er kommt dem i>, Lepsius'
e nahe, doch so, daß daraus noch immer ein a herausklingt; vom offenen
a unterscheidet es sich durch geringere Tonhöhe , weshalb ich es in der
Morphologie 4,5 als »ein gleichsam reduziertes a« charakterisierte. Lang
kommt es nie vor; sollte es gelängt werden, so wird es sofort durch ä
abgewechselt.
§ 7. In kurzen Tonsilben finden wir a durch « vertreten:
a) bei mehreren einsilbigen Substantiven, Adjektiven und Infinitiven;
bei den beiden erstgenannten wird es zu ä, sobald diese Wörter durch
die Deklination um eine oder mehrere Silben anwachsen oder sonst eine
Änderung erleiden: fatit Knabe, Bursche, \\,^\. fatite, bair. Faiit Junge.
ylas Glas, yvant mhd. gewant, bair. Gwancl Gewand, kaut mhd. bair.
^aw^ gerichtliche Versteigerung , frl. p/iaw^ncanto. s Zop schwach, spas
Spaß;/«^ 7Ki spas frl. lä a spass, triest. andar a spasso spazieren gehen;
auch ins cak. als spas eingedrungen, vamp dicker Bauch, Rindsmagen,
nhd. Wampe, Wampen ... Im Gen., resp. im Fem. tritt sofort ä für a
ein: fänta, släba usw.; cf. Morph. 15, 74, 95 f., 104, 120 f. Die Prä-
positionen 7ia, nat, za (na, nad, za) erhalten den Akzent («a, nid, zu]
nur in Gegensätzen; ne na yöri, pöd yöru smo nietlikries. Pa<^ jawohl
ist ursprünglich zweisilbig ; serb. pä6e und pu6e imo. In allen Formen
behält sein a nur kaÖ Schlange, das neben käöa gesprochen wird, ohne
gerade das Männchen einer Schlange zu bezeichnen ; manche gebrauchen
es nur von einer giftigen Schlange, daher denn auch am Ostersonntag
Fenchel gegessen wird und man einander zuruft: Jlj, ßj köramad,
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 135
*I>« t^ m lüjej pisan kuö. Über rat vgl. Morph. 74. Merke das drei-
silbige kontrohant^ gen. kontrohänta Kontrebande.
b) bei einigen mehrsilbigen Wörtern, in denen der Akzent von einer
folgenden Silbe auf die jetzige Tonsilbe zurücksprang und zwar
ci) um eine Silbe: Ido auf, interj., tir. allo^ alle^ kämt, allö^ allä
i^ — \ —^) vorwärts, frisch, frz. allons\ fayl'ai lodern = yörit ku fä-
yl'a : brennen wie eine Fackel; urslav. betont ^fugljäti. yluHk Gläs-
chen, gen. ylaska^ urspr. betont glazik^ glaskä. hladn kühl; serb.
hlädan. kalat an einem Seil in die Höhe ziehen; ital. calare sinken, in
die Höhe ziehen, triest. calm' acqua attingere: urspr. betont kaläti.
koladhk kleines radförmiges Gebäck, gen. koladka, aus *koladik, *ko-
laökä. kraftn, kruftno kräftig aus kraftin. krahk, gen. kralka Zaun-
könig aus *krarik, kraVkä. mac%k ein Bißchen für ^malnk aus
*mahce, malce von malo. mama aus d. Matnä, in der nordwestl. Zone
mäma. masin fett, serb. mästan. mladn lau; cf. serb. mlak id., cak.
mljädan tepidus. mrad?i dunkel, serb. mräöan. papat essen (Kinder-
spr.), it. pappare, ([.pappen. 7>)0(5a672 langsam, jörasw staubig, serb.
präsan. slad^k süß, urspr. sladik, altslav. slächk^ nach der Analogie
von la/iik, serb. sladak^ russ. cojiödKiü. kam 'aliquis' verdankt
sein a dem Diflerenzierungstrieb, um das Wort von käs7i 'qualis?' zu
scheiden.
ß) um zwei Silben : j^ayb^a^ flattern; n^\. ßafotäti. makolat
durch allzu zärtliche Behandlung verderben, frl. macolä guastare. pa-
landrat schlendern, häßlich gehen : cf. halandra herumschweifende Per-
son, Taugenichts, eig. wandernd, pilgernd; Schnellers Rom. Mundarten
in Südtirol 110; frl. j!?a/awc/ra/? baggiano , gaglioflfo. p/«/>oZa^ flackern,
lodern ; nsl. 7J/a/)o/a/^. stramholat beim Tragen ungeschickt bewegen;
cf. ital. stramho schief, frl. stramboläd strano, strambolött errore qua-
luuque. Auch facht dürfte hierher gehören, indem das o des ital. faz-
zoletto, frl. fazzolett erst nach der Entlehnung und Zurückziehung des
Akzentes schwand, weil ^on^ifecht zu erwarten wäre.
Überblickt man nun die Beispiele sub b), so sieht man, daß auf die
Silbe mit « stets eine resp. zwei mit einem nicht palatalen Vokal als Silben-
akzentträger folgen. Ursprüngliche Lauge hindert natürlich nicht, daß
a mit a abwechselt, weil zur Zeit, wo diese Abwechslung durch die Ak-
zentverschiebung vor sich ging, der Slovene längst keine Längen vor der
akzentuierten Silbe mehr kannte.
136 K. Strekelj,
§ 8. In unbetonten Silben vor der Tonsilbe tritt a für a ein,
wenn der Wortakzentträger ein dunkel gefärbter Vokal ist {a, a, o, iio,
^, ^). Hierbei kann die a enthaltende Silbe durch eine andere, einen der
dunklen Vokale a, o, z/, ^, r enthaltende Silbe von der Worttonsilbe ge-
trennt sein: hcdüöta großer Wurfstein, triest. halota paliotta. hluyü
Ware, Vieh, mit progressiver Akzentverschiebung, cak. blägo^ hlägo pe-
cudes, opes. yalänt sanftmütig, bescheiden, ital. galante, matörn träge,
übelgelaunt; asl. mator- senex. patitah'm Dummkopf, frl. patitalön id.. .
Dieselbe Erscheinung tritt auch bei tia, jiad, za, raz ein, und zwar
mögen dieselben als Präfixe oder als Präpositionen [raz wird als solche
nicht gebraucht) vorkommen : 6^ nusäjat wohin steigen, woher man leicht
herunter fallen kann; na yoru auf den Berg; razdäjat verteilen . . .
§ 9. Auch in Wörtern mit hellem Wortakzentträger (/, y, te) tritt
für a in unbetonten Silben vor der Worttonsilbe a dann ein, wenn die
Silbe, die dieses a bietet, von der Worttonsilbe durch eine andere, o oder
u enthaltende Silbe getrennt erscheint: hlayonica einzige, bruderlose
Tochter im Hause, Vermögenserbin; im nordwestl. Karstdialekt hluyu-
nica vom Thema hlagoiija von hlago ; cak. hlagar, hlagarica Universal-
erbe, — in (Novice IX. 158). ipanoliety ipanyoUet Zigarette, frl. sjja-
gnolett. tcihoUerat intabulieren. tawolin Tischchen, ital. tavolino . . .
§ 10. Selbst in Silben, die entweder unmittelbar vor einer e ent-
haltenden Worttonsilbe stehen oder von ihr durch eine andere, a enthal-
tende Silbe getrennt sind, wechselt a mit a, wenngleich e eher als heller
Vokal anzusehen ist, und demnach durchgehends der Lautwechsel a—>e
zu erwarten wäre, der in der Tat im behandelten Dialekte sehr häufig
eintritt, während in der angrenzenden nordwestlichen Zone nur a herrscht.
Der Grund kann einerseits in der breiten Aussprache des e (wie ea),
andererseits darin liegen^ daß die meisten hierher gehörigen Wörter junge
Entlehnungen sind ; der Kraft der Analogie ist es noch nicht gelungen,
den den Lautgesetzen entsprechenden Wandel in e an die Stelle des dem
fremdartigen a näheren a zu setzen, z. B. hacleia neben hedesa dickes
aufgeputztes Frauenzimmer, Äbtisse: ital. hadessa. havela neb. hevela
Baumwolle: ital. havella^ frl. havele. materja neb. meterja Straßen-
schotter: ital. materia. paj'ccpet Brustwehr: ital. parapetto. patent
Patent. Sakrament Sakrament, saksebe auseinander: vbsak^ sehe; a
hat sich, abgesehen davon, daß dies eine bloße Zusammenrückung ist,
wohl durch die Analogie jener Formen des Pronomens vbsako erhalten,
die a bieten (Morph. 92). testament, tastament und testemetit Testa-
Phonologie des Gürzer Mittelkarstdialektes. 137
ment . . . Man merke: mecesn Lärche, wohl für *ma-sosna. po7itspe
Brustnadel, Brosche; ital. pontapettOi ix\. pontapett.
§ 11. Folgt auf eine Silbe mit a eine Worttonsilbe mit dunkel ge-
färbtem Vokal, dem jedoch ein j oder n unmittelbar vorangeht, so wird
jenes a in einigen Wörtern zu «, häufiger aber, den Lautgesetzen des
Mittelkarstdialektes entsprechend, zu e. Diese Schwankungen sind wohl
auf dieselben Ursachen zurtickzufiihren, wie das schwankende Verhalten
der a enthaltenden Silben vor Worttonsilben mit e (§ 10). Gewöhnlicher
ist a in: hataljün Bataillon, dacjär Verzehrungssteuereinnehmer, ge-
bildet von ital. daziere^ triest. dazier gabelliere mit Anlehnung an die
zahlreichen Substantiva auf är\ doch wird auch dtrjär gesprochen,
yciJJöt schlechter Mensch; frl. galiott , ital. galeotto. mujuölha || mE-
Jüölka Trinkgefäß aus Ton: Majolika; im nsl. mijolika, serb. milojha
scheint eher der Einfluß des ital. mido als des ahd. mtol zu suchen zu
sein; vgl. über das Wort Mussafia, Beitrag zur Kunde der nordital.
Mundarten sub mizuol. majuör Major, puiiöka Kommißbrot, triest.
■pagnoca^ ital. pagnotta. pusjün Leidensgeschichte Christi: lat. passio.
taljän Italiano. zdajäwo und zdEJäwc Verräter: izdaj'avec . . . Hin-
gegen ist E gebräuchlicher in: frEj'ün Lebemann: frl. frajön, triest.
fraion crapulone. pEJiin Strohsack: triest. paion pagliericcio , ital. j^a-
glione. stEcjim m. : ital. stazioyie^ d. Station. stEJün m. Jahreszeit:
ital. stagione ^ frl. stagion f. stsnäk m. Schöpfeimer: triest. stagnaco
secchia, ital. stagnata. — Ähnliche Abwechslung zeigt a in zweitvorher-
gehender Silbe bei: mErsJün, rtiEjermi neben marajün, majarün'. Ori-
ganum majorana: frl. majarbn. rriEtErjäl Baumaterial. tEhlcjün In-
tabulation.
§ 12. Nach der Worttonsilbe findet sich u für« in folgenden
Wörtern: kietnara On., ital. Chettinara. körahaö Peitschenstiel, serb.
korhad^ cech. korahad.^ türk. kerhad. köramad Fenchel : nsl. ko?norac^
kroat. komorad ^ morad^ koromaö. pulcmdrat schlendern (§ 7 b, ß).
roso/?aÄ Schellkraut : russ. poeonacB Name verschiedener Pflanzen, cech.
rosopastka Roemeria. Hierher gehören auch die femin. Substantiva auf
arca (Morph. 65^ 66), insofern ihr ar, sei es bloß auf der Analogie des
Suffixes arh beruht oder sie wirklich durch dieses Suffix auf slovenischem
Boden gebildet sind; dies gilt, so lange das Kasussuffix kein i ist. Ferner
wird zu cc das a folgender Suffixe und zwar in dem Falle, daß der Dia-
lekt in der folgenden Silbe ^ bietet, nämlich bei: a) avhch : diel(xv^c
Arbeiter neben dieloivc. b) asi^ im gen. sg. nom. acc. pl. der femininen
138 K. Strekelj,
und in den diesen Kasus gleichlautendenden neutralen und maskulinen
Formen: jyiütccsU, yüöbash: nsl. mutaste, c) im nom. pl. der neutralen
und femininen Form des 1-Partizips und im gen. sg., nom. acc. pl. der
femininen sowie acc. pl. der maskulinen, und nom. acc. pl. der neutralen
Form des n-Partizips der VerbaV. 1 zweiter Betonungsreihe, sowie jener
Yerba V 2 und VI, welche den Akzent nicht auf dem thematischen a
haben (Morph. 106 ff., 120, 121).
lU. a wird vertreten durch s.
§ 13. Ein Charakteristikon des Mittelkarstdialektes ist die Ver-
tretung des a durch «, das sich vom offenen, stets laugbetonten, von mir
durch e bezeichneten E-Laute, geradeso wie a vom A-Laute, durch eine
geringere Tonhöhe unterscheidet, so daß es gleichsam reduziert erscheint
und etwas dumpf klingt. Es kommt als Vertreter des a nur in kurzbe-
tonten und unbetonten Silben vor.
§ 14. In kurzbetonten, 6 für a bietenden Silben mehrsilbiger
Wörter ist der Akzent nicht ursprünglich, sondern es hat in diesem Falle
in relativ später Periode die regressive Akzentverschiebung stattgefun-
den. Der Grund der Wandlung des a in e liegt in der sogenannten
Vokalharmonie, teilweise auch in der Wirkung der Analogie. Die Vokal-
harmonie besteht hier darin , daß der a-Laut durch einen nachfolgenden
betonten hellen Vokal (?', y, le) oder durch nachfolgendes y, w, /'in seiner
Artikulation der Artikulation dieser Vokale, resp. Konsonanten näher
gebracht wird. Aus asl. ^gradisth^ nsl. gradid, cak. gradic urbicula
ward zunächst yj-edic und nach der Akzentverschiebung yredic. Häufig
ist jedoch diese Wandlung nur durch die Wirkung der Analogie erklärbar.
Wie entstand z. B. /tlep^e junger Knecht? Nach § 13 ist £ kein ganz
heller Vokal, wie i, ?/, ?e; folglich muß der Grund der Wandlung des a
in £ anderswo gesucht werden. Nsl. lautet das Wort hlapde, gen. hlcqj-
6eta usw. Diese letztere Form und überhaupt die Casus obliqui müssen
in unserem Dialekt für nsl. e ein ?e' eintreten lassen, infolge davon muß
aber in diesen Kasus das a durch £ abwechseln: hhpöieta usw. Dieser
Wechsel ward nun mit der Zeit auch in den Nominativ übertragen, wo-
rauf die Akzentverschiebung stattfand, hhpöe^ /lUpde. Die regressive
Akzentverschiebung geht auch hier (cf. § 7 b, /5, § 12) bisweilen um
zwei Silben zurück: skhiddet Bettwärmer, gen. skendsPieta: ital. scal-
daletti: das a der beiden ersten Silben erscheint durch £ vertreten durch
die Wirkung der Analogie der übrigen Kasus. Diese Erscheinung der
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 139
Wandlung des a in e ist konsequenter im mittleren als im nordwestlichen
Karstdialekt durchgeführt, indem der letztere das a meist nur durch u
vertreten läßt. Der Einwirkung des letzteren und anderer Nachbar-
dialekte sind denn auch einige Schwankungen im Mittelkarstdialekte zu-
zuschreiben. Beispiele: mti, in Krain anti etwa doch? aus a-no-ti.
fmtic uoben. fctntic^ fente noben yants Bürschchen: bair. Fant, yebrc
gen. yehrica Pn. : nsl. Gabrid. Ji^'hstic kleine Eiche: asl. *chvrastistb.
Jhjce Ei; russ. niiufi. kelic kleine Viehtränke: cak. kalic lacunula.
klendic kurzer Weg zwischen zwei Mauern: nsl. Manec. ÄTe/2c Zaun-
könig: nsl. kralU. mede Kätzchen; nsl. made. pr mhmi bei der Mama.
mestit neben niastit zertreten (cf. Et.W. 185: maza-2). mlhcUc das
Junge; cak. mlacUc iuvenis ; pomledit^ nsl. pomladiti. mletic Dre-
scher; cak. mlatic. s^ mreöit neb. mru6it Dämmern, pllö^k aus
*2)al'ÖT>k von päl'ca aus palica. polij-hit verderben; asl. chabiti pes-
sumdare, paßt nicht zu russ. noxaÖHTL; Pletersnik schreibt pohäbiti^
pohäbim. pozlhtit, nsl. pozlatiti] pozUcen nsl. pozlaÖen. prhsit neb.
p7'(xsit stauben ; nsl. prasiti. ridic Cichorium intybus : triest. radicio ;
ital. radicchio. redi nom. pl. masc, nsl. radi gern, rhhl'at neben
rahl'at lockern; Wz. räch : rahel locker, rikl'at aus *raJkTäti, d. rei-
tein, smo semi wir sind allein, in Krain samt; ne semin, na samSmh
= 7ia samoti. skhkl'at neben ikakl'at hüpfen, nsl. skaklati. slebit
schwächen, nsl. slabiti. teskid Männchen des Rotkehlchens: nsl. taidi-
ca, das etymol. dunkel ist. vhhtic Gabe am Allerheiligentage: vähte,
vähti aus d. Weichtag Weihtag. vth neb. vcde gen. vsUeta Valentin.
Auch toshki neben wsaki paßt nicht zur urspr. Betonung: cak. säki, serb.
svaki, russ. vsjäkij. Auch na, za, da unterliegen diesem Gesetze; dhbi,
dhb ut: da bi. nhjt, nhj'dem, nljdi: russ. iiaäTii. he dni am Boden
(Morph. 43). zejt, zhJdEm'. russ. saHTH.
§ 15. Desgleichen wird in einigen einsilbigen Wörtern gekürztes
a Yorj, n durch e vertreten, solange sie einsilbig bleiben: chjt Zeit gen.
cdj'fa. klj was, nsl. kaj. krhj Ort. 7iej nsl. naj aus nehaj. pej et,
vero, autem; nsl. ^;a, im Idrijcatale ^Jty, cak. joa. sf/" nsl, 5^;' doch,
wohl, ja. skrb'i Rand, Kante, Spitze, gen. skreiia und skräha\ cf.
cak. skränj tempus asl. nkranija, cech. skran. zdsj, nsl. zdaj : shda.
Ferner ist zu merken Imper. dej\ nsl. daj, wonach auch dljmo, deße
gebildet ward.
§ 16. Unbetontes a vor der Tonsilbe findet sich durch e ver-
treten, wenn die Tonsilbe einen hellen Vokal enthält. Die a bietende
140 ^ K. Strekelj,
Silbe kann der Tonsilbe entweder unmittelbar vorangehen oder davon
durch eine oder mehrere solche Silben getrennt sein , die r oder e zum
Silbenakzentträger haben. Haben mehrere Silben vor der Tonsilbe den
Vokal a, so wird, wenn keine Silbe, die nicht r oder s zum Silbenakzent-
träger hat, dazwischensteht, das a sämtlicher Silben zu e. Abweichungen
von diesem Gesetze sind sehr selten; mir ist nur adij'o ital. addio und
pcdudin ein Ochsenname, frl. paladhi aufgefallen, wo wohl noch die
Wirkung der fremden Sprache den Lautwandel verhinderte. Beispiele :
hEdierat Acht geben; frl. hadd^ ahadä, ven. hadare; vgl. ni^ta ne badira
bei Marjanovic 130. belin ven. halin de le sbochie, borela; frl. halvn
palla piccola che serve di lecco nel giuoco alle palle, ed a cui i giuoca-
tori fanno di accostarsi colle altre palle. fe7Üela^0Qk\ tr'iest. Ja?iella
flauella, frl. fanele panno lano di tessitura poco serrata, se ne fanno per
lo piü le camiciuole ; aus dem Ital. ist das Wort mit ausgestoßenem / ins
Türkische übergegangen; das / also nicht auf türkischem Boden ausge-
fallen, wie Miklosich lehrt (Die slavischen etc. Elemente im türk. Sprach-
schatze 25). yelieta Seidenraupenkokon; triest. ven. galeta , frl. gu-
lete id. yhvedica Art Trauben mit dicken Beeren: cf. nsl. glavada Dick-
kopf. Ä'fi/fWiVa Magnet, Blitzableiter; ital. calamita. Ä-£r€^?e7Fäßchen;
frl. caratell, ital. caratello. ktsiela Kirchenstock: frl. casselle, ven. cas-
sella^ lat. capsella. kesetin Schublade: frl. cassettin. Jcevelter Seiden-
raupe : triest. cavalier bacco. khnica Holzscheit, aus klanica Wz. kol :
klati. mesma Schuhfleck; misit nsl. masiti stopfen, flicken: die Wort-
gruppe ist etymol. dunkel. pElxer Straßenaufseher: bair. PäJier: ital.
parliere, pesiet Maßstab; ital. passetto halber Stab (als Maß); frl. pas-
setto braccio. plträer Korb aus Weidenruten, am Kopfe zu tragen:
triest. pianer paniere; wegen des pia-^ pla- für j^a vgl. Mussafia, Bei-
trag z. K. d. nordital. Mundarten sub piädena, wozu jedoch nun die
Selbstkorrektur Miklosich's im Et.Wb. 248: pladütii und auch nsl. p/a-
denj zu stellen ist, das auch im Westen vorkommt, rtmpin Haken;
frl. ramp)n^ triest. rampin gancio, rampino, uncino per pescar robe
cascate nei pozzi ecc. pJtznica eine der beiden Handhaben am Pfluge,
nsl. plaznica. reselika Prunus Mahaleb ; serb. raseJjka id. Schnchardt
76 führt als Slavismus in der Sprache der Italiener von Lesina, »rasselca
Mahalebkirsche « an; am Karst kommt der Riedname iv resietkah vor.
skeviec aus ven. scavezzo, frl. sghavezz vino allungato con acqua. spe-
cekemifiar Rauchfangkehrer ; ital. spazzacamino. spsyleta Schnur;
ital. spaghetta cordellina. tehin Tabinstoflf: ital. tabino. Das gleiche
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 141
Schicksal erleidet unter gleicher Voraussetzung das proklitisch stehende
wa, za^ da : W£ 7'iix)i\ nsl. na nivi. ze nimi^ nsl. za nimi\ de pride^ nsl.
da pride. Das Suffix arija [arh -\- ija) wird natürlich e^'ij'a : kurherija
Hurerei. ivosUriJa Eselei; das Thema auf arh kommt nicht vor, vgl.
d. Schelmerei^ kämt, öslarei Eselei , doch scheint ivufiyerija wegen im
direkt aus dem ital. Ungheria Ungarn entlehnt zu sein. — Über das
Schwanken zwischen a und £ für a vgl. oben §§ 10, 11.
§ 17. Unbetontes a nach der Tonsilbe findet man durch e
vertreten :
a) wenn der Silbe mit a ein j\ w, /', c [sc] vorangeht: lörjeö Hof
gen. borJä6a\ ich halte Oblak's Vermutung (Archiv XIV. 227), daß das
Wort aus frl. bajärz, beärz (mlat. bayarzium) entlehnt sei, für richtig:
aus bajarz und bejarz [beärz] ward zunächst *boJär6 und ^bejärS^ dar-
aus aber durch Metathese , die in Fremdwörtern nicht befremdend ist,
horjäö und berjäd^ welch letzteres ich in Görz neben herjeö gehört habe.
An nsl. obor Einfriedung (Duino), cech. obora ist nicht zu denken, Aveil
das Suffix ja6 unerklärt bliebe. brsl'En Hedera helix, neben wbbrsls,n\
nsl. serb. brsljan^ cak. brsljän. plJEn betrunken : pijan. pUcela
Pfeife, Unterschenkel: aäl. jns iah. .. In enkst emmal: näl. e^ikrat scheint
s nicht direkter Vertreter des a, sondern des ^ zu sein, das für r eintrat;
enkrat, enkrt, enkht., enkat (in Innerkrain); dasselbe gilt von dväk^t^
triket, teket : takrat. Das Suffix njak [hn-jak^) wird zunächst nek.,
woraus weiter durch Einwirkung des Suffixes nik^.^ auch nik hervor-
gehen kann: kijrhek neben kyn'iik Hühnersteige: nsl. kurnjak. wüöhcet
f. beruht betreffs des £ nicht auf aj (cajt), sondern geht, wenn nicht
schon auf mhd. höchztt^ wenigstens auf eine dialektische d. Form, die
kein a kennt, zurück, etwa kämt. hoacJtzef.
b) wenn dem a ein /, w, /', c [sc] nachfolgt : kosten nsl. köstanj\
cak. kostänj. naUs absichtlich aus ^nuhsc.^ nsl. navlas6. pipsn dem
Pipan (Pn.) gehörig. sÄ-ore/ beinahe : nsl. skoraj\ cak. sköro. spärenya
aus sparanga\ ital. sparago. wtüiery : vhdera^ wdterm hesternus :
*vhderanh. toösten Peitschenstiel, gen. loostäna mit Suffix aii für das ge-
wöhnliche h7l^ [osthtih)., wahrscheinlich nach kosten., kostäna. zdäwnej\
asl. izdavhna. zdyrEj'c On. aus '^zagradhch. Hierher gehören auch
andere, ziemlich häufige Adverbia auf nsl. aj, in früherer Zeit a : vleko-
mej. Ferner trifft dieser Lautwandel das unbetonte thematische a des
Imperativs, der HI. plur. und des Verbalsubstantivs von Verben V. 1,
zweiter Betonungsreihe, V. 2 und VI. (Morph. 113 ff.): dUJej., dlelejmo^
142 K. Strekelj,
diehjte^ diehju^ dielme — von welchen Formen sich das e auch auf
solche ausbreitet, wo dem unbetonten thematischen a kein / nachfolgt
und eigentlich f/, a zu erwarten wäre (vgl. Morph. 111).
c) auf dem gleichen Grunde wie der sub b) behandelte Lautwandel
beruht auch der Wandel des« in e bei unbetontem Suffixe fl??>,nsl.or, wenn
dasselbe durch ein thematologisches oder morphologisches Suffix erweitert
wird, d. h.y wieder zum Vorschein kommt: mükar^ mükerja^ mük^rjow
(Morph. 3 2, 85). Dieser noch schwankende Wandel trat zunächst wohl nur
dort ein, wo die nächste Silbe ein ?', \j enthält (dat., loc. sg., nom.pl.); von
j begünstigt verbreitete sich t auch in andere Formen und Kasus, ja sogar
in den nom. sg. ; denn sluösEr ist wohl zunächst nsl. slöaar^ biiosner
auf nsl. bösnar^ rümsr auf nsl. römar, dann erst auf das fremde Vorbild
desselben zurückzuführen: d. Schlosse?-, bair. Forstner (bei Belostenec
schon saltuarius lug<4r, ybs/2ar I. 1076, gruarius yos/iwr, lugar I. 616),
ital. romero. Man beachte, daß das Friaul. stets ar für arius und auch
der deutsche Dialekt Kärntens die Endung ar beibehalten haben ; cf.
Pirona XXXIV. und Lexer VIII. sub e. Auch lilmtr Zahl verdankt sein
£ der Analogie der übrigen Kasus: lümerja etc., frl. lümar und nümar.
Das gleiche gilt von yäsp&r, ital. Gasparo, kämt. Gasc/iper.
d) Der Lautwandel a in £ tritt in unbetonten stammbildenden Suf-
fixen vor einer nachfolgenden i enthaltenden Silbe ein: a)jan [janim] :
TrzäÖBni und durch Anaglogie darnach Trzddens aus TrzäÖane (Morph.
12, 13). ß) UV {av^) : smrkotv, nsl". smrkov rotzig, nom. pl. masc.
smrksvi (Morph. 79, 85). y] arca (aus arh-ira oder arb-bca) im dat.
loc. sg. büöbnerci von büöbfiarca. d) arka (aus arh-'bkd]'. dat. loc.
sg. hciSerki von hvi'darka. e) eist : nom. pl. masc. ytibesti, my-
/£5^< : nsl. gobast, mutast. t) ava : zästava Wolkensäule, dat. sg.
zästevi neb. zästavi\ pönava, asl. pony, dat. loc. pönEvi. rj) themat. a
der Verba III. 2, V. 1 zweite Betonungsreihe, V. 2, VI. in jenen Formen
des I- und n-Partizips, in denen die nächste Silbe ein ^ enhält: diehliy
diehni, diehnih^ nsl. delali, delani, dSlanih.
e) Merkwürdig sind: vanüöyref Weinberg, gen. vanuoyrada; russ.
BHHorp:'iAT> und ka/oivret Spinnrad (Morph. 38). Man muß annehmen,
daß £ im loc. sg., nom. pl. [vanüöyredi, kalöwrsti) eine so große Assi-
milationskraft gehabt habe, daß das zu erwartende « beim ersteren Worte
im nom. sg., bei letzterem aber durchgehends in £ gewandelt wurde.
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 143
IV. a wird vertreten durch e.
§ 18. Bisweilen erscheint a vertreten durch e^ welches stets lang
betont ist (§ 13). Dieser Lautwandel ist geradeso vor sich gegangen,
wie der Lautwandel a— >£, nur tat hier der Dialekt noch einen Schritt
weiter und längte das b. Die hierher gehörigen Wörter zeigen fast durch-
gehends regressive Akzentverschiebung, gewöhnlich um eine, seltener
um zwei Silben. Neben Formen mit e findet man noch vielfach solche
mit 6 (in der nordwestlichen Zone mit a), was zugleich als ein Zeugnis für
das geringe Alter der in Rede stehenden Erscheinung gilt: dejat neben
däjat geben: r. AaBiixi, asl. dajati betonen die Russen dajäti. dostejat
neben dostäjat erhalten; r. AOCTanaTt; ebenso zastejat zurückbleiben
(im Gehen), felü neben felif und fcdit fehlen; bair. /o/e??, mhd. välen^
ital. fallare, nsl. im Isonzotale faUt. frence^ in Krain france^ gen.
franceta : Franz. yesit neben ylsit und ycisit löschen : r. racHTL serb.
gäsiii. yledit^ yVkdit^ yladit und ylädit glatten : nsl. gläditi neben
gladiti. s^ ylesii neben ylhsit, ylusif, yläsit einen Laut von sich geben :
serb. gläsiti. yredit^ woyredit umzäunen : serb. gräditi. hUdit^ hfe-
ptt, lüadit kühlen : russ. xoj[o;i;nTt, serb. hluditi. jermolin ÄTßnkose
aus triest. armelin albicocca, durch die Zwischenstufen: '^jarmeUn^
*Jer7neUn^ Jhrnielin^ Jlunolm. kedit^ khdit^ kadit rauchen; serb. kd-
diti, r. KaAUTL. /cezit^ khzit^ kazit verderben, r. Ka3iiTfc. meyEzn neb.
meyszin Magazin, mertn gen. mertiiia, mrtina : Martin, cak. martin.
pertit^ pertif^ pärtit teilen ; ital. pariire. s^pomledii^ pomlldif^ potn-
ladit sich verjüngen; serh. pomlädüi se. presSic,presw junges Schwein;
cak. prascic. ^res?» Schwein; nsl. ^:>rßse. s e di t, shdit, sadit T^ü&nzen',
r. ca^HTt. skelit, skalit trüben; r. KajiiiTB. s^ icsmredit^ icsmrhdii,
lüsmradit zu stinken anfangen, in Fäulnis übergehen; nsl. smraditi.,
smradim. te-steri die alten Leute im Hause, d. h. der Großvater nebst
der Großmutter : nsl. start : tu stari. tejit^ tajit leugnen; r. xaHXb.
veje7i, vaj'en gewohnt : nsl. vaj'en. velit, valit wälzen, zvelit Junge
werfen, r. BajiHTt. vel'at^ vd'äm : ital. valere, woraus vaJjäti^ serb.
valjati. Auch in Präfixen, resp. Präpositionen und Konjunktionen: wr/,
nad^ za^ da wird a bisweilen durch e vertreten : nebrzn On. aus nsl.
na-hrezini\ zunächst schwand das Kasussuffix «', wodurch man eine
mask. Form erhielt, während das Ital. noch an der ursprünglichen Form
festhält: Nabresina. 7ie-dni nehen ne-d/it, nadni am Boden. ?iaf/ wird
nur in Gegensätzen Jied: ü si biw pöd-nin^ jest ned-nin du standest
unterhalb, ich oberhalb desselben, neönt^ naönt beginnen, anschneiden,
144 K. Strekelj,
anzapfen, nsl. dial. naöniti für asl. naÖeti mit Anlehnung an das Prä-
sens, neynt neigen, r. narHyxi. nepnt anziehen ; nsl. dial. napniti für
asl. napeti nach Analogie des Präsens, nerdit machen ; r. HapHAi'iTfc ;
nerJEH^ nsl. narejen. zeönt beginnen, nsl. dial. zadnitiiüv 2i'&\. zaÖqti
nach dem Präsens, zcpt't zumachen ; nsl. zapreti.
Nicht in der Vokalharmonie begründet ist die Vertretung des a
durch e in: delö weit, in Krain daleÖ ^ serb. daleko. mres Kälte (nur
nom. sg.). 5/;eJfl^ absetzen, ausverkaufen, neben sjoat^a?': ital. spacciare,
ven. spazzar, frl. spazzä. tehJc Helleborus sp. : nsl. talog. Jest ego asl.
az^^ jazh, nsl. j'est aus jaz-ti verdankt sein e dem Einflüsse des voran-
gehenden j.
V. a wird vertreten durch o.
§ 19. Die Abwechslung des a durch o findet man bei Fremdwörtern
bekanntlich bereits im Altslovenischen ; diese alten Fälle sollen deswegen
bei der Behandlung der Schicksale des o in betracht kommen. Jüngeren
derartigen Vertretungen begegnet man nicht bloß vor oder nach der Ton-
silbe, sondern auch in dieser selbst. Sie sind zurückzuführen teils auf
den dumpfen Klang des a in der fremden Sprache [ao)^ aus welcher die
Wörter stammen, teils auch auf die Assimilationskraft gewisser Konso-
nanten.
§ 20. In der Tonsilbe wird a durch o vertreten:
a) in Fremdwörtern, die meist dem bairisch-österreichischen deut-
schen Dialekte entnommen sind, wo a bekanntlich häufig wie Brücke's
ao lautet. Dieses o ist meist lang betont; wenn/ oder /' folgt, ist es ge-
wöhnlich kurz: ajznpön Eisenbahn, höh Speckseite des Schweins; ahd.
hacho^ pacho Speckseite, mhd. hache Schinken, geräucherte Speckseite,
tir. hächen, cech. hoch id. dy'ot Draht, dröhant und drbhant Gerichts-
diener; mhd. drahatit, trahant Fußsoldat; auch drahant wird gespro-
chen, ybio^ gen. yöla : smeti ybw der hl. Gallus. hblt^ interj d. haltl
woraus ital. alto ; hbltolä mit Anlehnung an hblt aus frl. alto-lä. klöftr
Klafter, ^ro/" Krapfen, löyr Soldateulager. Ibjin Leiter, bair. Laite7\
?;?o/,s/r Meister, bair. Maister. nörc Narr; znörit närrisch werden, pöca
Ruten, Schlag auf die flache Hand, tir. hätzen^ kämt, patze id. wöd-
Vi7it Adventzeit. Ob kUf Ohrfeige, klbfnt, klbfat ohrfeigen hierher zu
zählen ist, bleibt dahingestellt; vgl. nsl. klofilta Ohrfeige, klöfniti, klo-
fäti, cech. klofcoväni das Ohrfeigen und vgl. lat. colapha^ colapJiizare;
aber auch Entlehnung aus d. klopfen^ resp. die Annahme einer einhei-
mischen onomatopoetischen Neubildung wäre nicht unmöglich.
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 145
b) vor w, mag dieses auf w, v oder l beruhen: föws falsch, ylbiona
titio; asl. glavhnja. löwrs^ röichk Laurentius. pdtohk Paulas, daneben
päiül. proxo ^ asl. pravh. röwiia Ebene: ^ratwia'y röwnat das Ge-
treide reinigen, züchten, nähren : nsl. ravnati. söwdan Schiefer ; ital.
terra saldana^ frl. saldäm sorto di roccia siliceo-calcare, arenacea, fria-
bile. shbicna und skäwna Vertiefung im Felsen, ausgehöhlt durch an-
gesammeltes Regenwasser: nsl. shälhina. ipröwh Sprache, Spruch.
zmöwc Kot scheint trotz des Bedeutungsunterschiedes auf d. Schmalz
zu beruhen; vgl. mhd. smalzen^ schmelzen, zerfließen; zmöwc wird da-
her ursprünglich als »Schneewasser« zu denken sein, zöw leid : asl.
zah. Hierher gehören ferner die einsilbigen /-Partizipia im masc. sg.,
falls sie kurz betont sind und im Nsl. auf al ausgehen (Morph. 95, 99,
120, 121). Hbwt Gestalt hat in der Deklination ä : ^täivta.
§ 21. Nicht minder häufig ist die Vertretung des a durch o vor
der Tonsilbe: io(/?7 Stechspaten; cak. hacWj] ital. hadile: das Volk
lehnte das Fremdwort an hosti^ hoclem pungere an. Kolcmdär^ ital.
calendario. komiela neben ksmiela Kameel ; frl. camele, ven. camelo.
kondrieya neben kendrieya Sessel ; cak. kandrega^ kantrlda ; istrorum.
cantrida [candridä), canh-igä, oberital. cadrega, ven. carega, cariega,
frl. ghadree; vgl. Schuchardt 37. kopäc fähig; ital. capace. kowcieta
Strumpf; ital. calzetta. lowrenc Laurentius. mojstrija Meisterschaft
beruht auf mdjstr. mortiär Seemann, cak. mornär aus ital. marinaro.
norica Närrin beruht auf 7iörc. posäm neben joasam, Inf. pasat vorbei-
gehen; ital. passare. posiet neben pesiet Maßstab ; ital. 2^<^ssetto halber
Stab (als Maß), povliha ein Schimpfwort für einen dummen Menschen,
von päwl Paulus, roivnica beruht auf röwna. soläta Salat, Häuptel-
salat; triest. salata latucca, frl. saläte id. ital. insalata. soUtr Sal-
peter, d. Saliter (15. Jhrh.) aus Salniter. sowtär Flurschütz; ital. sal-
taro. tohäk Tabak; vgl. indessen auch d. Tohack. tokvin Geldtasche;
frl. tacuin, ital. taccuino. wohrihtat abrichten (Soldaten). icohrW A.'^xil
mhd. dbrille^ frl. ven. avrll. wokänc^ Ferien, ital. vacanze. womär
Kasten; lat. armarium. womtrija das Ave -Marialäuten , mit Aus-
stoßung des ve von ave\ im Görzschen omarija. wopälta Tabaktrafik;
d. Abalde, ital. appalto Pacht, ven. apalto. loopHi Militär-Abschied.
woräpci die Araber, wordjän neben wrdjän Flurschütz , frl. uardiän.
Auch hier begünstigt ein nachfolgendes iv die Vertretung des a durch o,
wie man aus dem Präfix, resp. Präposition na und za ersieht: zowretn
neben zöwrsm beginne zu sieden, nsl. zaivrhn; zoiorielca kahmiger
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 10
146 K. Strekelj,
Wein: zavr^lo vino. noiväihnem gebe ein, erleuchte, noiopik senkrecht :
nsl. navpiJc. noiodil ohne Ziel weiter : navdil' . . .
§ 22. Nach der Tonsilbe ist a durch o vertreten in: ändoht
Andacht, feierlicher Gottesdienst, fäjmostr Pfarrer : Pfarrmeister, fä-
ros Pfarrhaus könnte auch auf mhd. hüs beruhen, aber nsl. färovz
spricht dagegen, känkor Türangel, Krebs (§ 4). 7iäsot neben ndsaf,
gen. näsoda und näsada Lage zum Dreschen, püslof Buchstabe ; bei
Belostenec pusiuba. wadrzoJi Ursache, zämoh und zämah Verschluß.
ia/ro^ Sakristei; ital. sagrato, frl. sagräd^ segräd cimitero. Das gleiche
tritt ein: bei den Suffixen avhcb, av^ka, av^ca (Morph. 35, 40),
dann beim Suffixe av^ im nom. sg. (Morph. 78, 79, 83, 84), sowie im
masc. sg. des /-Partizips der Verba I., II. 2, V. 1, 2, 3 (Morph. 99;
103; HO).
VI. a wird vertreten durch ^.
§ 23. Diese Vertretung kommt vor in; näp^k unrichtig (durch An-
lehnung an Adj. a,ui^k): na opak^^ ferner beim fem. und neutr. plur.
des /-Partizips der Verba III. 2, V. 1 zweiter Betonungsreihe, V. 2, VI.,
dann, wenn in der nächsten Silbe wieder ein ^ folgt und diese bei-
den Silben der Tonsilbe nachfolgen: slihh, dwhh, mäz^h, v1erv^h.
Das gleiche gilt von denselben Verben im sg. gen. des fem., plur. nom.,
acc. des Fem. und Neutr. des ;?-Partizips, dann von den gleichen Formen
der Adjektiva auf av^^ ast^, sowie von den gleichen Kasus der Sub-
stantiva auf ara, arca : j^^^'^^^'^^''^ dEklieth geputzte Mädchen, p>i^'^^^T'
riftb eines bunten Kopftuches, kihv^ d^kUetb ungelenke, verschlafene
Mädchen : kilav. müt^st^ zem der tauben Frau, s k^etn^r^ von Che-
tinara. milkhrc^ der Mehlhändlerin. Diese Assimilation des a an das
^ der folgenden Silbe ist wohl durch die Vermittlungsstufe a vor sich
gegangen {a-a-^)^ das sich noch immer neben ^ erhält, gestützt auf die
übrigen Formen, wo a und a gesprochen wird. Es beruht demnach auch
^ für a auf dem Gesetze der Vokalharmonie.
VII. a wird vertreten durch i.
§ 24. Ein i vertritt das a in äwzlih d. Aufschlag^ Zoll, vielleicht
mit Anlehnung an hritih^j'esih, miedih. Für den Ausgang asl. nak^
findet man neben hek auch nik infolge der Anlehnung an das Suffix
n^k^, das sich im Mittelkarstdialekte seinerseits betreffs des n dem nak^,
resp. nek anschloß und stets palatales w aufweist: kiltnik dens molaris,
serb. kutnjak. tcritmk Fußtritt in den Hinteren, cak. trUnjuk ictus
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 147
calcis . . . tniökin^ midkn, midkano klein dürfte direkt aus dem Italie-
nischen — miccichino sehr wenig, miccinino ganz klein wenig — ent-
lehnt oder zumindest durch die genannten italienischen Wörter, sowie
andere ähnliche Bildungen (frl. pitinin, ital. piccinino\ am nordwest-
lichen Karst wird auch mitikin gesprochen) in der Entwicklung aus nsl,
mäjhen für maljahen gefördert worden sein; beachte das tolmeinische
m?7m, aus mejhn^ maj'hn wie M für klj\ käj\ ferner nsl. mijolka (§11)
und nibrdelj aus najholjdelj [najboljdlje]^ die längste Weile (Janezic,
slovar^ 212), sowie cak. mici parvus, micalian parvulus, wo c auf frem-
den Ursprung deutet: Skrabec schreibt stets majhin majhina^ wohl auf
den Dialekt seiner Heimat sich stützend. Dunkel ist /e, welches prokli-
tisch dem Imperativus adhortativus beigefügt wird: lidej-ya gib ihm nur,
nur fest auf ihn los ! U-vrz-ya wirf ihn nur. Nsl. lautet die Partikel le^
woneben Miklosich Et. Wb. 162 auch le, nur, nur zu schreibt. Wenn
diese Partikel nicht auch im Cech.,Poln.Klr. (allerdings in etwas anderer
Bedeutung) gebraucht wäre, könnte man an Entlehnung aus dem südd.
lei denken, einer »aus gleich, glei verkürzten Füllpartikel, die nicht
eigentümlich kärntnerisch ist, wie Lexer vermuthet« (Schöpf 380/81),
sondern auch in Bayern und Tirol gesprochen wird, in den meisten
Fällen unübersetzbar ist und "^nur, bloß, gerade eben, gar' bedeutet. Die
Entwicklung des U aus d. lei d. i. laj ginge dann etwa so vor sich, wie
die von ki aus kaj. Daß das / schwinden und le das Piesultat bilden
kann, zeigt das le von tä-le dieser da, aus glej\ vgl. c. hie: tamhle,
tuhle usw.
VIU. Sonstige Vertreter des a.
§ 25. a) Durch te erscheint a vertreten in: drieta Schusterdraht;
wahrscheinlich ist vom Plur. Drähte auszugehen. 6ien6a Geschwätz,
Schwätzer : frl. ciancis Geschwätz, ital. ciancia, ven. cianzar schwätzen :
daneben danöat, dandäm.
b) Durch üö, das auf der Mittelstufe nsl. 6 beruht, erscheint a ver-
treten in: hüöynar d. Wagner, mudssr, müösar ein Gefäß, mit welchem
Wein geschöpft wird: bayr. Maser Trinkgeschirr, züötlar Sattler.
hüötr, büötra Gevatter, Gevatterin, muß wohl von k^motr^ und Com-
puter geti-ennt werden, b für f [v] spricht für die Entlehnung aus ahd.
gevatero, mhd. gevater, gevatere m. f.
c) Durch w, wobei gleichfalls ö die Mittelstufe bildet, erscheint a
vertreten in: kümba, nsl. kämba Krummholz am Joche, mhd. kambe
(vgl. Archiv XI. 461). läntvsr Landwehr, luntkäria Landkarte, mit
10*
148 K. Strekelj,
Anlehnung an das betonte lant in lünlVE7\ psjimtar Beamter, pü-
ylowc Knirps : nsl. päglavec. punysniet neben panyEtiiet Bayonnet :
bayr. Bangenet. Merke kükr nsl. köker für kakor. Das ii in inajarün
usw. beruht auf dem frl. o: majarön (§ 11).
§ 26. Wie die dem Slavischen mißliebige Gruppe tart., talt^ tant
gemieden wird, wird bei der Darlegung der Schicksale des r, ^, w gezeigt
werden. [Metathesis trat ein in: ramcida neb. armäda^ ven. armada
Armee, ramünka Harmonika, raz^näl neb. arzhnäl Arsenal, romär
neben lomar und ivoniär setzt schon ormar voraus: lat. armarium.
Svarabhakti-a findet sich in sarahat^ gen. saraJa^a Waldrebe;
cak. skrahotdvina, nsl. srabot, srobot und in saräj'at neben Arafat
sprechen, d. schreien. Es ist indes unsicher, ob a hier nicht für o (cf.
sörohot im Görzschen), resp. für e (cf. upitie non serai bei Skalar 275b)
steht, welch beide Laute nach den Gesetzen der Vokalharmonie in a
übergehen müßten.
IX. a im Anlaute.
§ 27. Im Anlaute hat sich a nur in Fremdwörtern erhalten: ädam
Adam. ä)ia, änca Anna, älitat achten; ähteriya Achtung, Achtsam-
keit, ämbo Ambo im Lottospiel, casärska äkwula Reichsadler : ital.
aquila. äjer Luft, ital. aere, frl. äjm-^ ajer. äks m. die Achse, äles
Alexius, gen. äJesa neb. alesa (Klanec). älmozna Almosen. änyVc
angelus. ära Drangabe. äivzlih Aufschlag. Ferner findet sich a im
Anlaute bei deutschen Lehnwörtern, bei denen die anlautende Spirans h
geschwunden ist : äntvel'a Handtuch : mhd. ]ia7it - twehele. äntverh
Handwerk, äwtman neben yäxotman Hauptmann. Als a findet sich
anlautendes, unbetontes a in: amerka Amerika neben merka. akördo
gleichgestimmt, handelseins, ital. accordo. afär Geschäft, ital. affare.
antun neben ntün Anton. Einigen Entlehnungen wird j vorgeschlagen:
jermolin Aprikose : triest. artneUn. Die gleiche Erscheinung findet sich
bei einheimischen Wörtern und alten Entlehnungen; sie ist allgemein slo-
venisch: jäpno Kalk, jäpko Apfel : asl. ahhko malum AbeUicum.
jäyhe Lamm usw. — Über den Schwund des anlautenden a vgl. § 29.
X. a im Auslaute.
§ 28. Auslautendes a vertritt durch Anlehnung an andere einhei-
mische fem. Substantiva die fremden Suffixe der Lehnwörter, bes. mhd.
nhd, frl. e, oder ist eine Zugabe zu konsonantisch auslautenden Suffixen:
jäya Jagd kämt, die Jagg. ylihenya Vergleich : *mhd. gelichung Glei-
Phonologie des Görzer Mittelkarstdialektes. 149
chung . . . Bisweilen tritt a an Maskulina, so daß ein Geschlechtswandel
eintritt: püna Faustschlag aus ital. pugno^ frl. pwjn. paiäfa Ohrfeige;
triest. pataf wl. ceffata. pedöca große Laus; triest. pidocio, ital. pi-
docchio. petröJJa^ patrölja Petroleum; ital. petrolio. razolja ital.
rosolio. spdya Spagat, it. ven. spago. täpa frl. tapp m. (§ 9). — In
Adverbien ward auslautendem a durch Einfluß von Formen mit verstär-
kendem i (Et. Wb. 94: i 1) ein/ angefügt, durch dessen Wirkung der
Lautwandel von a in £ eintrat: vieko7nej\ zdij (§ 15, 17 b).
XL Schwund des a.
§ 29. Der Schwund des a ist bemerkbar:
a) im Wortanlaut von Fremdwörtern; doch kann derselbe nicht
stets mit Sicherheit bezeugt werden, da häufig schon die Sprache, aus
welcher entlehnt wurde, dialektisch den Schwund aufweist. Solche un-
sichere Fälle sind: hedesa dickes Frauenzimmer, ist wohl ital. dial. ha-
dessa^ frl. hadesse und nicht ahhadessa. ineza *^Agnes', ital. Agnese^
frl. Gnese^ kämt. Neas, ptolimia n. palima ApoUonia, ven. Polona^
Polo7iia. töne Anton, frl. ital. d. To7ii\ lojze Alois, d. Loisl. mälja
Amalie; d. Malchen\ peiik k.'^'^^Wi^ frl. piticc. re'^^ Arrest, frl. rest
neben arest ''avanzo''; cak. rest. rost Braten, ital, arrosto^ triest. rosto.
sesrn Straßen räuber, ital. assassino^ ven. sassin, frl. sassi?i. rmya
Häring, d. dial. Renge, frl. renghe. vanc, vancat Best, Ersparnis, er-
sparen, frl. vanzar, ital. avvanzare. vezierat avisieren, triest. avisa,
frl. Visa.
Auf dem Boden des Karstdialektes ist a geschwunden in: merha,
merkänski Amerika, amerikanisch, pälta neben wopalta 'Abalde',
Tabaktrafik, tastat Zeugnis, ital. attestato. vcmtüör der Kunde, ital.
awentore, ven. avventor. lookät Advokat, ital. avvocato. In läntus,
auch svieto oder hözje driewct genannt, schwand der Diphthong aj :
AilantJms.
In Gruppen a7it, art schwand a in: ntün Anton, ndrejc Andreas,
rcnija Arznei, mhd. arzenie.
b) im Wortanlaut von einheimischen Partikeln: nti aus aiüi, anoti^
wenn es proklitisch ist: ^ti 72e? 'wohl nicht'. // aus ali, wenn es enkli-
tisch ist : ti li wön 'du oder er'.
c) In Gruppen tart, trat, tant, talt: diese Fälle sind bei r, resp. «,
/ behandelt.
d) Vereinzeltes : 7iäp6'bivb aus*?ia o/iaJwz?. 'verkehrt, falsch'; aus 7iao-
150 I- Franko,
pah^ ward zunächst durch Anlehnung an Adjektiva auf ^h nap^k und das
Wort dann so behandelt, als enthielte es von allem Anfang an Stelle des a ein
^,'h. Auch im /-Partizip von dMati. wenn es dreisilbig ist, kann a ausfallen,
wobei natürlich die im § 23 angeführte Abwechslung vorausgegangen
ist: diehh, daraus ward zunächst dielh und in Anlehnung daran dann
auch dzelli, diella. Eine ganze Silbe mit a ist geschwunden in ivopasa
aus *upasa für it. uva passa 'Weinbeerlein, Zibeben^, frl. iwe passe.
Schwund zeigen auch die Fremdwörter : paspört Reisepaß , Vorzimmer,
ital. passaporto. mazlän Art Stoff, ital. mezzalana^ frl. mezeJane.,
miezelane^ wenn nicht eine dial. Form mit u zugrunde liegt, cf. c. me-
zulan. In xoödrt schlagen, prügeln aus udriti ist kein a ausgefallen;
udriti ist eine Neubildung zum Imperativ udri (im Serb. wird nach Vuk
meist nur der Imperativ gebraucht) , als ob dieser zu einem Verbum der
IV. Klasse (wie moli, prosi) gehörte und nicht aus u-dhr-i (zu dbrq,
dr^ti) entstanden wäre. Im Karstdialekt erhält die Neubildung imper-
fektive Bedeutung, während dieselbe im Serbischen perfektiv ist.
Kleine Beiträge
zur Geschichte der kirchenslavischen Literatur.
Ich habe mir vorgenommen, in den Publikationen der Sevcenko-Ge-
sellschaft der Wissenschaften in Lemberg eine Reihe mehr oder weniger
wichtiger kirchenslavischer Texte mit mehr oder weniger ausführlichen
Studien zu veröffentlichen als eine Vorarbeit zu einer breit angelegten
Literaturgeschichte des südrussischen (ukrainischen) Volkes. Die Texte
sollen vorwiegend den in Lemberg befindlichen kirchenslavischen Hand-
schriften entnommen Averden, wobei es jedoch nicht ausgeschlossen ist,
daß auch andersweitig publizierte Texte reproduziert, respektive kritisch
bearbeitet werden, je nachdem sich die Gelegenheit darbietet, ihnen eine
mehr oder weniger wichtige literarische oder historische Erkenntnis zu
entnehmen, welche bisher entweder ganz unbekannt, oder nicht allgemein
bekannt, bezweifelt oder bestritten wird. Ich habe mir keinen detail-
lierten Plan aufgestellt und wurde zu dieser Arbeit nur durch den Reich-
tum und Mannigfaltigkeit der handschriftlichen Schätze bewogen, welche
eine reiche Ausbeute für die literatur - historische , sprachliche und ge-
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 151
schichtliche Forschung versprechen und bisher verhältnismäßig nur
wenig ausgenützt wurden.
Aus dieser meiner Absicht erwuchs naturgemäß auch der Vorsatz,
die wichtigsten Resultate meiner Studien und Forschungen auch einem
breitereu europäischen Publikum in möglichst knapper und präziser Form
mitzuteilen, in der Hoffnung, hiermit zu den allgemeinen slavistischen
Studien, für welche auch außer der Slavenwelt in wissenschaftlichen
Kreisen vielfache Interessen sich regen, manches beizutragen*).
I. Konstantins »Alphabetisches Gebet«.
Dieses kleine Denkmal der kirchenslavischen Sprache, schon fast
ein ganzes Jahrhundert lang bekannt, mehrfach herausgegeben, aber
doch zu wenig beachtet und nicht immer richtig behandelt und geschätzt,
verdient wohl seines Inhalts, seiner Form und seines Verfassers wegen
an die Spitze des kirchenslavischen Schrifttums gestellt zu werden. Es
ist meines Erachtens nicht nur das erste literarische Produkt der kir-
chenslavischen Sprache — schriftliche Produkte in dieser Sprache können
ihm manche vorangegangen sein, — es ist ein Gedicht von ausgesprochen
reiner und kunstvoller Form, von hohem poetischen Wert und von einem
mächtigen religiösen Gefühl getragen; es ist überdies, was man bisher
nicht ganz grundlos, aber doch aus Mangel an tieferer Erkenntnis über-
sehen hat, das Produkt des ersten Lehrers der Slaven, Konstantin des
Philosophen.
Zum erstenmal wurde dieses Gebet in der russischen Ausgabe des
Werkes von Joseph Dobrovsky über Cyrill und Method in zwei Versionen,
gewiß ohne Wissen und Willen des Verfassers veröffentlicht i). Beide
*) Wir gönnen gern Raum diesen >kleiuen Beiträgen« des verdienstvollen
Forschers auf dem Gebiete der altkirchenslavischen Literatur, wobei selbst-
verständlich den Lesern, die den einzelnen hier angeregten Fragen oder Deu-
tungen näher stehen, frei gestellt werden muß zu den Resultaten oder Kom-
binationen des Verfassers Stellung zu nehmen. So gleich beim L Beitrage
wird nicht jedermann die Überzeugung teilen, daß diese alphabetisch geord-
neten Verszeilen vom ersten Begründer des slavischen Schrifttums, Konstan-
tin, herrühren sollten. Auch die Rekonstruktionsversuche , um regelmäßige
dekasyllabische Verszeilen zu gewinnen, sind nicht immer überzeugend.
V. J.
1) Kupii.i.it u MeeoÄiir, c.iOBeHCKie nepBoyquie.'m. IIcxopuKo-KpiiTiiqecKoe
usc.iiaoBaHie locu'i-a ^oöpoBCKaro. IlepeBOÄt ct, HiMCUKaro. MocKBa. Bx Tiino-
rpa<i.ii CeMena Ce.3HBaHOBCKaro 1825. 4-to, S.VII-f- 150 + 4 unpaginierte. Die
Vorrede ist gezeichnet von Michael Pogodin.
152 I. Franko,
Texte, aus russischen ziemlich späten Handschriften, sind in prosaischer
Form abgedruckt, der erste S. 109, der andere S. 151. Zum zweiten-
mal wurde es aus einer bedeutend älteren Handschrift veröffentlicht von
Joseph Bodjanskij in seinem Werke über den Ursprung der slavischen
Schriftzeichen S. LIX — LX^). Ebenfalls einen altertümlichen Text (vor
dem Jahre 1300) veröffentlichte I. Sreznevskij im J. 1SG3 in der Chresto-
mathie, welche seiner Kompilation »/tpesHie naMüTiiHKn pyccKaro nstiKa«
einverleibt wurde 2). In der neuesten Zeit machte sich Prof. A. Sobo-
levskij mit diesem Gebete viel zu schaffen. Er veröffentlichte es im
J. 1S84 in der Monatsschrift »PyccKiii ^I^iJio.ioriniecKin; BicTHiiKi.«, im
J. 1S92 in der Zeitschrift »En6jiiorpa*Tb«, im J. 1900 in dem »CöopiiHKi.
3a Hapo;i;HH yMOTBopeHHa, nayKa h KimyKimHa« (Kit. XVI ii XVII S.314
— 324) in Sofia in Bulgarien 3) und schließlich im J. 1910 in seiner
Publikation »MaxepiajiM n nscji^AOBaniH b-l oöjacTH cjaBHHCKoä *hjio-
.lorin H apxeojroriii« (CöopiiiiK'B OTß^ijiemE pyecKaro asLiKa ii cjio-
BecHOCTH Hmh. AKa^eMin HayKTi t. LXXXVIII, S. 9 — 10). Die
Publikationen von Bodjanskij, Sreznevskij und Sobolevskij sind sämtlich
in versifizierter Form gedruckt. Noch eine Version dieses Gebetes ver-
öffentlichte ich aus der Handschrift der »Ila-iea To.iKOEaa« des Basili-
anerklosters in Krechov in Ostgalizien im ersten Bande der Publikation
»IlaMHTKH yKpaiHCLKO-pyetKoT mobh i jiTTepaxypH« , Lemberg 1896
S. LV. Dieser Text, welcher sich den Versionen des Dobrovsky am
meisten nähert und um zwei Zeilen ärmer ist als die anderen Varianten,
wurde auch in Prosaform gedruckt. Was die handschriftlichen Quellen
anbelangt, aus welchen diese Werke genommen wurden, so ist Dobrovskys
aus einem papiernen Chronograph aus dem J. 1494, damals Eigentum
des russischen Kanzlers, Grafen N. P. Rumjancov, der zweite aber aus
einem handschriftlichen Azbukovnik des Volokolamschen Klosters, un-
bestimmten Datums genommen, der Text des Bodjanskij aus einer hand-
schriftlichen Paläa aus dem XVII. Jahrb., der des Sreznevskij aus einer
pergamentenen Sammlung der Predigten des Johannes Chrysostomus,
der des Sobolevskij aus einer nicht näher bezeichneten Pergamenthand-
1) 0. EoÄflECKifi, 0 EpeMenii npoucxoHCÄenia ciaBaHCKuxt nucBMent. Co-
UHHCHie et 19-TBIO CHHMKaMH. MocKBa 1855.
2) H. CpeaHeBCKifi, ^pesHie naMHXHHKH pyccKaro nnctMa ii asiiKa (X —
XIV BiKOBt). Oömee nospeMeHHoe cöospinie. C. IleTepöyprt 1863 S. 191.
3) A.n. CoöoJieBCKiM, HepKOBHOciaBaHCKiiTi crHXOTBopeHH/i b^ IX — X
BiKt H TixuoTO suaieHUG 3a 'lepKOBuocjiaBaHCKHK eaiiKT., S. 314 — 320.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 153
Schrift der Moskauer Synodalbibliothek aus dem XII — XIII Jhd. (Cöop-
HHK'B 3a Hap. yMOTB. S. 3 1 5).
Trotz der, wie wir sehen, ziemlich zahlreichen bisherigen Publika-
tionen läßt der Text des Gebetes noch Manches zu wtinschen übrig, be-
sonders darum, weil die Herausgeber den Text aus ziemlich fehlerhaften
Kopien meist sklavisch getreu wiedergaben, oder sich Besserungen und
Transkriptionen der Abkürzungen erlaubten, welche dem Urtexte nicht
immer entsprachen. Es muß aber hervorgehoben werden, daß das Ge-
bet wegen seiner poetischen Form und des Akrostichons, in welchem die
Buchstaben des cyrillischen Alphabets zu Versanfängen verwendet wur-
den, an die Sprache und die Betonung der Wörter ganz bestimmte For-
derungen stellt, die, wenn sie richtig erkannt werden, zu einer rich-
tigen Rekonstruktion des Urtextes behilflich sein können. An eine
solche Rekonstruktion mit Zuhilfenahme aller bisher bekannten Varianten
wurde aber von russischen Gelehrten bisher nicht gedacht, obwohl Prof.
Sobolevskij in seiner letzten Ausgabe vier Verse mit Sternchen bezeich-
net, welche von ihm rekonstruiert, nach seiner Meinung aber dennoch
verschiedene Zweifel erwecken (MaTepiajiu S. 9).
Von den russischen Gelehrten hat sich nur Prof. Sobolevskij mit
der poetischen Form des Gebetes Konstantins befaßt, und hat über das
Metrum dieses Gedichtes eine Ansicht ausgesprochen, die mir auf einem
Mißverständnis zu beruhen scheint. Diese Ansicht, die er in seiner bulga-
rischen Publikation (op.cit.S. 314 — 315) ausführlich entwickelt hat, möge
hierin deutscher Übersetzung unverkürzt folgen: »Die byzantinischen
Griechen hatten große Lust zum Verseschreiben. Wie bekannt, sind unsere
Kirchenlieder in griechischen Originalen nichts anderes, als Gedichte in
verschiedenen Versmaßen abgefaßt. Es gibt eine große Zahl auch nicht-
kirchlicher griechischer Gedichte vom verschiedenartigsten Inhalt und
verschiedener Größe aus der byzantinischen Periode. Wir haben sehr
lange Gedichte, ganze Chronographe in Versen. Sogar die großen Kirchen-
väter Gregorios Theologos und Theodoros Studites verachteten die Be-
schäftigung mit Versemachen nicht. Byzantinische Gedichte erscheinen
nicht selten mit einem Akrostichon in dieser oder jener Form. Eine
ziemlich große Anzahl hat ein alphabetisches Akrostichon, d. h. die An-
fangsbuchstaben der Verse oder der Distichen oder der Strophen be-
ginnen mit den Buchstaben des griechischen Alphabets in seiner gewöhn-
lichen Reihenfolge.«
»Das byzantinische Versmaß, bekannt unter dem Namen politischer
154 I- Franko,
Vers [aTi'xog TCoXiVLy.6g) hatte verschiedene Formen. Eine von den-
selben war die Folge des iambischen Trimeters der altgriechischen Dich-
ter, welcher uns aus den Tragödien des Sophokles und Euripides bekannt
ist. Die griechische Sprache in der byzantinischen Epoche unterschied
nicht mehr die Längen und Kürzen der Vokale , darum war auch der
politische Vers etwas den jetzigen französischen oder polnischen Versen
Ähnliches: er war nur auf der Silbenzahl gegründet. Man kann be-
merken, daß in dem politischen Vers, so wie in dem klassischen Jambus
die Zäsur gewöhnlich nach der fünften Silbe lag, und was das Wichtigste
ist, die vorletzte Silbe des Verses mußte eine Betonung haben. Freilich
manche byzantinischen Dichter wichen von dieser Regel ab, es waren
aber die gelehrtesten Männer ihrer Zeit, welche echt griechisch zu schrei-
ben versuchten ; ihre Verse sind nicht geAvöhnliche politische Verse jeuer
Zeit, sondern klassische Jamben, und zwar, soviel es möglich war, mit
allen ihren Besonderheiten.«
»Einige von den ersten slavischen Schriftstellern, welche sich der
kirchenslavischen Sprache bedienten (für uns ist es gleichgültig, ob sie
Griechen waren, welche sich mit der kirchenslavischen Sprache gut ver-
traut machten, oder Slaven, welche sich griechische Bildung aneigneten)
hatten eine ebensolche Vorliebe für das Versemachen, wie die Byzan-
tiner. Die Zahl der kirchenslavischen Gedichte, welche auf uns gekommen
sind, ist ziemlich groß. Ich sage dies besonders von den alten Gedichten,
welche noch jener Epoche der Geschichte der kirchenslavischen Sprache
angehören, in welcher die Zeichen 'b und t noch als Vokale galten und
Silben bildeten, was man nicht später über das X. Jhdt. hinaus an-
setzen darf.«
> Es versteht sich, daß diese kirchenslavischen Gedichte nicht in Ori-
ginalen oder Autographen ihrer Verfasser auf uns gekommen sind, son-
dern in Abschriften aus früherer oder späterer Zeit, in welcher i, und h
oft weggelassen wurden und die Sprache überhaupt sich erneuerte. Dar-
aus entsteht das Bedürfnis, diese Texte zu rekonstruieren, was gar nicht
schwierig ist. Man muß nur an manchen Stellen die alten i. und t wie-
der einsetzen , an die Stelle der aro, yMy, mmi. usw. in der Endung der
Adjektiva ältere Formen aaro, yyMy, lihmT) usw., anstatt axi>, ixi> u. ä.
in den Endungen der Imperfekta ältere Formen aaxi, , iaxi. usw. ein-
setzen, und dies auch nicht immer, und die Rekonstruktion ist fertig. «
Diese Ausführung des Prof. Sob. ist kurz, aber ungenau. Vor allem
darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß die ältesten christlichen
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. ] 55
Dichter, Gregorios von Nazianz (330 — 390), Synesios (geb. um 370),
Methodios vom Olympos (gest. 311) und Ephrämos Syros (gest. 373)
kaum zu den Byzantinern gezählt werden können, da sie vorwiegend in
Kleinasien oder Syrien gelebt haben und noch zur antiken Literatur-
geschichte gezählt werden. In der Dichtung des Gregorios überwiegt
noch das antike Versmaß, Hexameter, jambische Trimeter und das Ana-
kreontische. In Hexametern ist auch die fast 2000 Verse umfassende
Autobiographie des Dichters abgefaßt. Doch sind unter seinen Ge-
dichten zwei Lieder (das Abendlied und die Ermahnung zur Jungfrau-
schaft) in neueren, freien Versmaßen verfaßt, deren Grundlage nicht die
Quantität, sondern die Betonung der Silben bildet. Diese neue Dichtungs-
art kam wahrscheinlich in Ägypten auf, da wir bereits am Schlüsse der
kleinen Schrift des Klemens Alexandrinos Tlaidayioyüg einen in freien
Versen abgefaßten Hymnus besitzen. Ähnliche Hymnen schrieb auch
Synesios. In Syrien begann eine ähnliche Richtung in der christlichen
Poesie unter dem Einfluß der hebräischeu Psalmen, und zwar in syri-
scher Sprache ^).
Von den späteren byzantinischen Dichtern, welche Verse mit Akro-
stichen geschrieben haben, nennen wir Nilos, Elias Synkellos, Ignatioa
Diakonos, Leo den Weisen, Konstantin den Sizilier, Simeon Metaphrastes,
Nikiforos Uranos, Theodoros Prodromos, Kyriakos den Metropoliten von
Chonä und den Nikiphoros Kallistos Xanthopulos. Von den Gedichten
des Theodoros Studites sind die meisten Epigramme und Epitaphien,
in klassischen Distichen verfaßt ^j.
»Es versteht sich von selbst« — lesen wir weiter in Sobolevskij's
bulgarischem Text — »daß man solcherweise nicht alle Verse restituieren
kann. Für einige Verse müssen größere oder kleinere Verbesserungen
gemacht werden , aber solche Verse werde ich nicht benützen und lasse
sie bei Seite. « Dieser Passus bezieht sich auf die Benützung der Verse
zur Rekonstruktion der altkirchenslavischen Betonung, welche trotz der
hier angedeuteten Vorsicht, aber deshalb, weil seine Auffassung der
kirchenslavischen Versifikation und speziell des Versmaßes des alphabe-
tischen Gebets nicht richtig- ist, wie wir weiter sehen werden, nach meiner
1) Wilhelm Christ, Geschichte der griechischen Literatur bis auf die
Zeit Justinians. München 1905 S. 937— 8.
2j K. Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Literatur, 2. Aufl.
München 1897, S. 717—18. Über das politische Versmaß ebenda S. 650— 52.
156 I. Franko,
Ansicht auch verfehlt erscheint. Ich lasse hier noch den Schluß der
Ausführung des Prof. Sob. folgen:
»Das Versmaß der kirchenslavischen Gedichte ist der byzantinische
politische Vers von 12 Silben; seine Theorie muß auch byzantinisch
sein. Dieselbe Zäsur nach der fünften Silbe, welche bei den Byzantinern,
wenn auch nicht immer, obligat ist, ist auch bei den Slaven üblich. Dar-
um muß auch vorausgesetzt werden, daß die Betonung des letzten Wortes
in jedem Verse auf der vorletzten Silbe für die Slaven ebenso obligat war,
wie sie für die Byzantiner gewesen ist.« Diesen letzten Satz gibt Prof.
Sobolevskij in Kursivschrift, offenbar weil er ihm eine große Wichtigkeit
zuerkennt; leider zeigt er sich, wie wir gleich sehen werden, in vielen
Fällen unrichtig.
Nachdem wir diesen Ausführungen des Prof. Sob. bis hierher ge-
folgt sind, wollen wir nun die überlieferten Texte des alphabetischen
Gebetes näher betrachten. Da den meisten Lesern dieser Zeitschrift die
oben zitierten Werke unzugänglich sein dürften, so scheint es mir zweck-
mäßig zu sein, hier alle drei in Prosa veröffentlichten Texte, sowie einen
in Versen in jener Form zu setzen, wie sie publiziert wurden. Ich be-
zeichne diese Texte: Dj, D2, B (Bodjanskij), S (Sreznevskij), Sb (Sobo-
levskij bulgarische Publikation), Sp (Sobol. Petersburger PubL), Sob.
(Sobolevskij beide Texte), F (Franko).
Dl. B A-b^ S. T. r. KOHCTATHMT». OhAOCO^^T». HapHSCMUH
Khpha'K CTßopHATv rpaiuoTX,' CACBfCHKiMTv (wahrscheinlich cao-
EtHbCKI^rJI'k) IdaklKOlUlli FMUS AHTHU,W BO Ji,l\h MH\'dH l^pA
FpfMKaro H BO jü,hh kh3/ä Ak»ph HoBropo/k,CKa, tro^KTv chcmt».
PSCKAA 3(MA/fV npni^f. Gl) rpAMCTlJ. FpfHCKÖlO rpdMOT\'
CTBOpHlUa 3. MV^KTi : [laAHMH, KaMHAHCJH, GilHOHTk, QnH-
yapJH, /^HWHH. GHU,f peM£ CTWH RmPHAT^: »flsTi CHMTk CAO-
BOMTk MAM» li\'. hf BCea TSapi SHJKHTeAK», BHfJiaa H HfBHMaa.
Fa AXA nocAH H^HBCYHJaro, ;i,a b^o^hct^k mh b cpi^AU,*
CACBO, f/Ke BO\f/l,fT'K Ha ÖCRg BCf >KHBOVl|JH B3anOBf;i,f TH.
S. KO ( CB-feTHAHiK JKH3HH. 3aK0 TBOH CBtTTi CTf3Ay'T*, HJKC
HiptTT». fl'ACKa CAOBa H npOCHT'K Mfi^ TBOß npHlÜTH CAO-
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 157
BEHCKOE nA£M/f^. Ko Kpi|JHitO BO IVBpdTHliia CA BCH AICE TBOH
HapfljlH )C0l4Jf, MATH TBOfd \'OHJf Bf. Hd MHt: HH't PpO-
crpaHO CAOBO noA^VHJKe ivn'k h ch-S h CTeMiv A^'t, npocA-
IjJHMlv nOIUI01|JH CO T{B£. P\fi;H CBOH BkICnpk BOS^^X^ npHO CH-
AOy npHraTH H IUI\-APO CC TtB«, TW BO Ji^AdliH A*^HHKiMli CH-
aS, CynOCTACb >KC BC/AKSiO Hl^'kAHllJH. OapdWH/ft M/\ 3A0BKI
H3KdBH, \-fpOYBHyiiCKyiO MJ MKICAb H ^yWK Ji,AH'AU, \K> MTHdia
H npTda TpU,£. IlfMaAk M0K> Ha paCTk npfAOJKH, l^'fcAOMy-
ApfHO ji,A HaMH\' ncark Mwca TBoa npcAHBHaa 3fAC>. Ulfc-
TOKpKIAATW CHA\' HpiKMli. ClUfCTBÖW HOCAt^^V ©V^'*''^'*' ^^^
HMCHH i H A'^^<>V nOCAfA^V^? ^^'^ CT».TB0piO tlTAKOe CAOBO,
YBAAy B03A<iA npT'RH TpU,H BO (AHHOMTk llJKTB'b, K>7K(
nOfTTv BCiÄKa B03paCTh. WHTv H CTapi». CTBOHyk pa30YIUlOM'K,
M3W HOBT». \'BaA\- B03A^'3 Wl^K» H CH\^ H CTM^ AV^» ^^\'
HTb H cAABa \Xi maa TBapH h A'^V^^"''^ BHEnpEBpeAHMKira
E^k^ aMH-«
Der zweite Text (D2) wird hier nach dem ihm beigefügten Alphabet
nicht per extensum, wie im ersten Drucke, sondern jeder Vers besonders
gedruckt :
*ü. fl3'K CACBOWK CHMTv MOAWCA Br^*.
B. Ii>Ke BCf/Ä TBapH 3H^KHTfAK»,
B. BHAHMKlifV H HEBHAHMKI/iV,
r. Fha aV^ nocAH jKHBÖi|jarc»,
A- Aa BAOX'HfT'K B Cpi;H MOfM'k CAOBO,
6. Bnce BÖA^T'k Ha oYcn-kYii. Bcfewk
/K. /KhbSljjhm'k b 3anoB'feAfY''^ TBonyk.
S. S'feAO BO C^'TL OyCH'kUJHH KTi >KH3HH.
H. Hjk« HHjeTTk {iraMrcACKa CAOBa,
158 I- Franko,
I. I AlvTk TU KC» HH'k CAOßfHkCKO nAtM/Ä^)
K. Kti B03HfCmi»02) OKpATHllia KCH,
A. AwAif TBOH Hap£L|JHCk Y"2>TAipf,
M. Math tkoca BjKf npocATi». S'kAO.
H. No lUIHli HH'K npOCTpAHHO CAOKO J\,AH7K(,
0. Omc h Gne h bcectkih Aiue,
n. npOC/ÄllKM^* nHl|Ja OY TfBf.
P. Pyi^'S CBOH BKICnpk B'KSA'felO npHO,
G. Gha8 npi/ÄTH H M8/l,pOCTk CD TfBf.
T. TkI BO ;l,d£LiJH ^OCTOHHKiyT* CHAÖ,
Ol/". OlfnOCTACK >Kf BCK> U,'6AHUJH.
<1). OapaCHA M/Ä 3A0EW HSBABH,
X. XfpSBHMCKÖ MH MkiCAk H OXfWK nO^^H }K(,
T 'c ~
(x). Gl) MTHd/Ä H BCfCTaA TpOHUf,
ÜEMaAK lUIOK» Ha pa^OCTK np£AOH;H;
1^. l^liAOyYAP*"*^ HAMHÖ HHCaTH
M, 4K»/^fCa TBOA npiJi,HßHAA.
111. lUeCTOKpWAT». CHA8 B-KCnpiHMT».
1|1. lllfCTBi« TBOpA nOCAÖH^H ÖHHTtAK»,
Tl. ÜMtHH fro H ^-kAÖ nocA'kA^'*^
ZI. Mß'fe CkTBOpM» (iraHrfAbCKOC CAOBO,
h. H YBAAS B'K3A<*1« TpOHU,H B'k BjKTB'fe,
'S. MjKf nOfTTi BC/ftKli B'KSpaCT'K
H). IOht^ h cTapii cBOHiUTk paaöiuioiui'k,
M. MSKIKT». HOBTi ^B^^^^ B'kSA'»''^ npHO
1) In einer anderen Handschrift: I A-krur-K rc cm cMRiatiCM nAfMA.
2) In einer anderen Handschrift: K-k KpniitHiw.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenelav. Literatur. 159
Q. (x)n,ö H CHÖ H BCeCTMÖ AXV) «MÖJKe MKTk II
J\(fi}K.AßA H CAAKA HG CCCA TBapH H ;\,kl)C^Hira
B-K BC/A B-kKhJ H Ha B'kKhJ.
Hmhhk.«
Die Vergleichung dieser beiden Versionen ergibt in der ersten viele
Merkmale einer nordrussischen, in der zweiten aber noch mehr Merk-
male einer südrussischen Redaktion, wobei es nicht schwer ist zu be-
merken, daß die zweite bedeutend korrekter ist, als die erste. Süd-
russischer Redaktion ist auch jener Text, welcher von mir aus der
Handschrift der Krechover »Tolkovaja Paleja« (XVI. Jhdt.) veröffent-
licht wurde. Auch dieser Teil bildet einen Teil des kleinen Artikels
>Gi) rpaMOTli« und lautet:
»ÜBT». CHIUl CAOBOM MOAtO B^. BjKf BCf A TBapH SHHiHTfAlO
BH/l,HMIÜ/{V H H£BH^HIUIkl<ft, Va JS^^A ROCAH H^UB/AllJarO, J^A
BAO^HtT LIH KT». C(iJi,U,6 CAOBO, f^KE By^fT Ha dfCn-fe^T». BCkllil'k
;KHB\'LpHllil'k B 3anOBlx/l,f\- TM. S. EO 6 CB-tTHAHHKT». ^H3HH.
SaKOHT». TBOH Cß-kT CTtS/ÄMTi lUlOHM'k. H^Kf HljJfTIi eirrAhCKa
CAOBfCa H npOCHT Ji,Aßhl TBO/Ä HpiATH CAOBJHCKO HAEM/fV K^k
KPHJEHIK» KCl WBpaTHUJ/!V BCH, AlC>/l,l6 TBOH HapEL|JM Y<>T/Äl|Jf,
Math tboe/A y*^''''^4'* Gjkc. No mh'R hh'S npocTpaHHO no-
;k,a>Kk CAOBO, QmE H GhE H CTWH J^lUt, npOC/Äl|JEIl)l\' nOMOLjJH
(D TEEf, TkI EO ^aeUlH /l,OCTOHHh.iy CHAV/-, 0\'nocTack >KE
BC/i^KYi<> i^'kAHmH. ^apaoH/Ä ma saoetv.i hseabh, Xepybhu-
CK\f lUIH MklCAk H O^yii A^^A"»? ^ MCTHA/Ä H RpTaA Tpi^E,
ÜEHaAk luioK» Ha pa/VOCTk rpeaojkh, U,'kAoiiiiAP"<^ hamhy nHca-
TH HlO^ECa TBO/Ä npE^HBHa/«^ S'tAO, UlECTOBpHAaTkiy CHAY
npiHiii'k G'kUJECTBYio no caK^V o^htaa moeto, Hmehh ero h
A'feA\f nocA'b/k,y/Ä, Mb-K cTBopw eirrAkCKOE caoeo, X^^'^V ^'^^~
Ji,AA npT-feH Tpi;H BO eAMHOIUI B>KTBlv, K)jK£ n06T BCAKA
KOSpaCTTv, 0\'H'k H CTap'k CTs. TBOHM pa3\f MOIUI, Hf^klirk HOBTv
160 . I- Franko,
YßaA\- ß03A<»'«^ WU,\0 H CHV H CTM\- AVV» ^^\' ^^^ " CAdBd
lÜ BCeA TBdpH H A'^X'^"'<* ^ HfnpeBpf^OMKia Bl^KM amiHHIi«!).
Von den Texten, welche in der Form von Versen veröffentlicht
wurden, gebe ich hier nur den Text Bodjanskij's; der Text des Sreznev-
skij steht ihm ziemlich nahe. Der Text Bodjanskij's hat eine ausführ-
liche, sehr bemerkenswerte Inschrift:
»npcAcn^ w Xt cKKaaaHHia ctto e\iA\\Kr(AH\a, ck-
TBOpfHlk K0CTAHTHHTs.Mb, HML^KE H np'K/\OJK«HHI€
ETvICTK OTTi rpkMkCKa raSTüKa B'K CAOB'SHkCK'k TO-
rojKA^ cKKasdHHra i€BanrfAh,CKaarc.«
flSTv CAOBOMfck CHLlk MOAIO CA Roy :
BT BCfra TBapH H 3H/KAHTf'^'^
ElHAHMKIHMIi H H{BH;i,HMklHMnk,
Fa JS^^a nocKAH /KHBOYHJaaro,
JS^A ß'KJi,'K\mTh B'K cpR^kL^C HIH CAOBO,
16h«« BoyA*'"''^ ^^ oYcntjCTs. Bkckiui'h.
üvHBOYMJHHM'k B'K 3anc>B't;A"*X''^ 'TH.
S'feAO BO l€CTL CK'kTHAkHHK'K ^KHBHH
SaKOHTv TBOH H CßliTT^ CTkaaMT^.
H^KE HljJETb eBHTEAkCKa CAOBA
H npocHTk A^^P''^ TBora npHraTH,
AfTHTb BO H'KIH't H GaOB'feHkCKO nA«M/Ä,
Kl», KpkUJeHHK» OBpaTHlUa CA BkCH,
AWA"*^ TECH Hap{l4JH C/Ä Y*^TAHJe,
Mhaocth TBOiera Re npocATk s'bAO,
H'K Ll'kH't H'KIH-k npOCTpaHO CAOBO A^^A*»»
Ose, Ghc h np'fecT'KiH J^iu(,
1) HaMATKU yKpaiHCLKO-pycBKoT MOBu i JiiTepaTypu, t. I., ct. LV — LVI.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 161
üpOCAljJOYOYMOY nOMOlJJH (D TtKf.
Foyi^'k KO cßOH rop'k B'kSA'feK» npHCHO,
Ghaov npHraTH h mo\'aP<>^'*''* ^V t«k<-
Ttü bo AaieuJH A'^^t'^m^'^mti. cHAoy,
\fnOCTaCli >Kf BkCABOyK» l^'kAHUJH,
. Oapaoma ma s^kaobu H3BaBH,
XtpOBliCBOy MH MTüCAIi H 0\fU'h. A^^A^^j
Q HkCTbHara, np-Kcrara TpoHi;«.
n-kMaAk MOK» Ha pa^ocTb np^bao^KH,
U,'feAC>Mo\'AP'^"*^ A** HaMkHOY niicaTH
MK»/k,(ca TKora np'b^^HBKHara sI^ac».
llIfCTkKpHAaT'k CHAOAf B'h.CnpHHM'k
lllkCTBOYlO HTklH'K nO CA'fe/l.OY OyMHTfAlO,
Hmehh \eK> H /k.'kAOY nocA-k^oyia,
Mü'k CKTBOpK» 6BaHhrfAkCK0 CAOBO,
XbAAOY KTiSA^ira Tpi^H et». BH;h.CTB'fe,
lO^Kf nOI€Tk Bh.CifVK'kH BTiSAP^CTTk
IOhI» H CTap'K, CBOHMh. pa3C»YM0IUIIi,
MskiKii HOBTi, YB^'^^^V B'kaA'ira npHCHO
Qi^oY, Gnoif H np'bcTOYOYMo\' Ay^Vj
I€MO\fJKf MkCTk H ^pk'^aBa H CAABa
Ot'k Bcera TBapH h ai^X''*""'^
Rtv BCA K-RKTvI H Ha B'kK'KI, aiUlHHli.«
Auch dieser Text gehört nach seinen sprachlichen Eigentümlich-
keiten zu der südrussischen literarischen Tradition. Er weist, wie wir
sehen, weder deutliche Bulgarismen, oder Serbismen, noch Großrussismen
auf, obwohl auch er, wie wir sehen werden, im Vergleich mit dem zu er-
reichendem Urtexte zahlreiche Veränderungen erlitten hat.
Bei der Rekonstruktion des Textes auf Grund der bisher bekannten
Archiv für slavisclie Philologie. XXXV. ] 1
162 I- Franko,
Varianten muß vor allem die poetische Form des Denkmals in Betracht
gezogen werden. Im Texte Bodjanskij's, sowie auch in allen übrigen
bisher in Versform veröffentlichten hat das Gedicht 40 Verse, während
die Zahl der im Akrostichon verwendeten Buchstaben nur 32 beträgt;
die im späteren cyrillischen Alphabet gebräuchlichen Buchstaben § und
\|r fehlen hier ganz; dies kann als ein Zeichen dafür betrachtet werden,
daß sie dem Verfasser des Gebetes noch nicht bekannt waren. Andere
Buchstaben ('S, ivi, Kl, 'K und k) konnten im Akrostichon darum nicht
verwendet werden, weil sie nirgends am Anfange eines Wortes stehen,
obwohl sie im Texte des Gebetes vorkommen.
Was die Versform des Gebetes betrifft, so halte ich das vom Prof.
Sob. Gesagte über das zwölfsilbige Versmaß des Gedichtes nicht für stich-
haltig. Von den 40 Versen des Gedichtes haben in den Texten des Sob.
nur 6 die von ihm geforderte Zahl von 12 Silben, dagegen sind 10 Verse
11-silbig, 14 10-silbig, 4 9-silbig und 3 nur 8-silbig. Im Texte Srez-
nevskij's, welcher vor dem J. 1300 geschrieben wurde, haben nur 6
Verse je 12 Silben, 10 je 11, 7 je 9 und 9 je 8 Silben. Nimmt man
noch in Betracht die Bemerkung Sobolevskijs , daß einzelne Vokale, wie
a, 0, y, H im Notfalle auch doppelt gelesen werden können, so ist die
Bestimmung des Vermaßes als 12-silbig ganz fiktiv, da man bei solchem
Verfahren in keinem Verse die Silbenzahl genau und zuverlässig be-
stimmen kann.
Es sei noch hinzugefügt, daß auch die vom Prof. Sob, gegebene
Bezeichnung dieses Vermaßes als »politischer Vers« ungenau ist, weil
die von ihm angegebene und charakterisierte Versform von 12 Silben
mit der Zäsur nach der fünften Silbe wohl auf den antiken tragischen
Trimeter iambicus, nicht aber auf den byzantinischen politischen Vers
paßt. Prof. Sob. konnte schon im ziemlich alten und in Rußland wohl-
bekannten Werke des Kalajdovic *) ein Specimen des politischen Verses
finden. Es ist ein kleines Gedicht des Philippos Solitarios über die 60
Bücher des alten und neuen Testamentes, welches ich hier folgen lasse:
Tb TIvev[.ia rb Tcaväyiov — eaöcfias IlQocprjTag
Tfi ETtiTCvoia Tji avTov — reo törs äQiörj?.cog'
Tovg JiTtoarökovg rtäXiv 61 — oixoiiog ixez^ e-Aslrovg.
1) KoHCiaHTuui. KajaiiaoBU'n., loanui. EKcapxi. EojirapcKiii. ITs-
c.iiÄOBaHie, oöxflCHfliomee HCiopiio cJOBencKaro asLina ii jiUTepaiypti IX u X cto-
jiiTiik. MocKBa. 1824. S. 95.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 163
Kai oocpio&evTsg Ttaq' avrov — Kccy^elvoc re xai ovtol
^Eviqxri&evTeQ Eyqaxpav — v.al eircov arteg siTtov,
'Of-iov Tcc övvcc{.i(p6TBqa — e^äxiOTa BißUa:
Trjg üalaiäg rgidyiovra — xal xqia Ircl xo'ÖTOig,
Tf^g Nsag de ye uy.0OL — /.al enra Ttqog tolg aXkoig'
Kai ravta dieGTtccQrjaav — eig TtöXsig re xat /w^ag,
^Ev cclg Xqlotov to 6vof.ia — övof.MterciL Ttdvrcog.
Die Striche in der Mitte jedes Verses sind von mir mit Absicht ge-
setzt, um die Zäsur zu markieren. Aus diesem Beispiel ersehen wir, daß
die von Prof. Sobolevskij gegebene Definition des politischen Verses
nicht stimmt, da ja jeder Vers aus 15 Silben besteht, welche regelmäßig
durch die Zäsur in zwei Teile zu je acht und sieben Silben geteilt wer-
den. Die Probe Prof. Sobolevskijs , die Zäsur in slavischen Versen zu
markieren, kann nicht als gelungen gelten. In der bulgarischen Publi-
kation (op. cit. S. 315) lesen wir über das Alphabetische Gebet folgendes:
»Der Verfasser ist ein Schüler des Cyrill und Method. Er ist wohlbekannt
mit der byzantinischen Theorie des Versbaues und hält streng die Zäsur
nach der 5ten Silbe:
flSTk CAOKOMk — CHMk MOAK>C/Ä BoPy :
BoJKf ßkCf/Ä — TßapH H 3hm;aht(aio,
ElH;i,HMklHMli — H HtBHAHMWHM'K.«
Wenn man aber das Kirchenslavische in gewöhnlicher Weise liest,
so daß die Halblaute nicht als volle Laute gelten — und so soll man
nach meiner Meinung mit wenigen Ausnahmen diesen Text lesen — , so be-
merkt man, daß bei der vom Prof. Sobolevskij angegebenen Teilung die
Zäsur regelmäßig nicht nach der fünften, sondern nach der vierten Silbe
zu stehen kommt. Und dies ist auch richtig, weil das Versmaß dieses
kirchenslavischen Gedichtes keinesfalls dem byzantinischen politischen
Vers nachgebildet ist, sondern einen ganz regelmäßig herstellbaren tro-
chäischen zehnsilbigen Versbau aufweist, den Versbau, welchem wir in
den schönsten epischen Volksliedern der Bulgaren, Serben und Südrussen
begegnen. Von dieser metrischen Voraussetzung ausgehend, lasse ich
jetzt meine Rekonstruktion des Gedichtes nach allen mir vorliegenden
Texten folgen. Die Bezeichnung der Texte habe ich schon oben ge-
geben.
11*
164 I- Franko,
V. 1. Di: CHMTi caokom'k; Sb. und Sp.: moaij^ ca; D^ By,
D2 Eir^*, B. und S.: Boy, Sb. und Sp.: Bor\*. Der metrische Bau des
Verses verlangt, daß das i^ in dem ersten Worte als eine besondere Silbe
gelesen werde. Also wird dieser erste Vers in der Transkription in la-
teinischen Lettern klingen wie folgt (ich lese das Tv nach der Analogie
der kleinrussischen Aussprache als kurzes 0) : Azo slovom sim molju
sja Bogu.
V. 2. D^: Bf, D2 Bh^i, B und S: Bf, Sb und Sp: BoJKf ; D^ : BCfa,
D2: ßC«A, B und S: ßcfia, Sb: BkCf/fv, Sp: Bkcci^; Di: TRapi, S:
TBapHH; B und Sb und Sp: h 3HJKAHTfAK>; D, , D2, F: 3h>kh-
TIAW ohne h. Aus diesen Varianten ergibt sich der Text dieses Verses
in lat. Umschrift: Boze, vseja tvari zizditelju.
V. 3. Di: BH^Hiuiaa h H(BH;i,HMaa, D2: Bh;v,hmiüa h hjbh-
;i,HMy<ft, B, S und beide Sob.: Bhahmkihmii h hebhahmkihm'K.
Die Konstruktion im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Verse er-
fordert oflfenbar einen Genitiv sing, fem., wie es die Varianten D und F
haben, also: Vidimyja i nevidimyja.
V. 4. Dl, S, B: Pa, D2: Fha, Sb und Sp: TocnoAa; Di: jkh-
Boyiparc», D2 iKHBSijjaro, B und S: ^KHEO^iliaaro, Sb und Sp: :kh-
B;^L|jaro, F: H^HB/^iparo. Das erste Wort dieses Verses, mag es klingen
Focno^a oder rocnO;l,H/Ä, bietet eine Schwierigkeit für die Reinheit des
Metrums, weil der Vers dadurch um eine Silbe länger wird. Diese Schwierig-
keit weiß ich nicht zu beseitigen; das kleinrussische Focn^a, wie es in
der Eile ausgesprochen wird, würde sie heben oder fast unhörbar machen.
Das letzte Wort des Verses, trotzdem es in allen früheren Varianten > jkh-
B\'ijJaro« klingt, scheint mir in meinem Texte eine bessere Form er-
halten zu haben, da JKHB\'i|iiH nur lebendig, :KHB/ftqjHH dagegen leben-
spendend, belebend bedeutet. Und so nehme ich für diesen Vers folgen-
den Klang an: Gospda ducha posli zyvjastago.
V. 5. Dl, Do: B,\,ctYHtT'K, B, S: BTiAT^Y"f'ri^, Sb, Sp: bt^at^Y"
HfTTi; Di: MH BCp^K^lHf, ^2' ß Cp,\lJ^H MOfMT»., B und S: BTi cpk-
Ji,h.u,( MH, Sb ebenso, Sp: k'K cp'K^\kU,f. Aus der Zusammenstellung
dieser Varianten ziehe ich den Schluß, daß B'K^'kX'Hn'b dreisilbig,
cpd^ku^c aber nur zweisilbig gelesen werden müssen, so daß der Vers
in lateinischer Umschrift lauten wird: Da vodochnet' v serdce moje slovo.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 165
V. 6. Dj: BOVAfT'K, D2: KÖAtT'k; B, S: BOY^CTk, Sb, Sp:
k;»rA*t"'^; Di: Ha Scnf^ ßctY» ^2- oycntYii bcSm'k, B, S: oYcn-kyii
KbCivM'K, Sb, Sp: \'cn'KY"^? F: cyctU^t»- Diese letzte Variante,
obwohl vereinzelt, ist bemerkenswert durch eine Vorhersage der Popu-
larität des Gedichtes ; wegen ihrer Vereinzelung lasse ich sie doch bei-
seite bei der Rekonstruktion des Textes. Da aber der überlieferte Text
in allen Varianten für den Versbau um zwei Silben zu kurz ist, so scheint
es mir nicht unangemessen zu sein, am Schlüsse des Verses noch das
fehlende Hauptwort AK»/k,fli;n% hinzuzufügen. So erhalten wir den Text
dieses Verses: Jeze budet' na uspech vsem Ijudem.
V. 7. Dl : /Khbovujh, Dj: iKHBSiiiHyK, B, S: /KhboyuJHHM'k,
Sb, Sp: /KHB;RijJHmui'K; Dj: B3dnoBfA*Y th, D2: b sanoBt/i.fY'k
TBOHyT», alle übrigen: kt^ sanoB'k^kY'k th. Das Metrum dieses
Verses erfordert, daß das B'K in der zweiten Hälfte als eine besondere
Silbe gelesen werde, und so erhalten wir den Wortlaut: Zivustiim vo
zapovedech ti (oder Zivustiim v zapovedech tvoich).
V. 8. Di: s. BO i CB'kTHAHiK, Do: S'feAO BO c^Tb. ovcn-biiJHH
KTk, B, S, Sob.: lecTT», ck'KthakhhK'K. Hier scheint mir der ein-
zige Text Do die richtige Lesart aufbewahrt zu haben , und so rekon-
struiere ich diesen Vers: Zelo bo sut' uspesni ko zizni.
V. 9. Dl! 3aK0H TßOH CEfTTk CTfSAM'K, Do vac, B, S: 3a-
KOHTk TECH H CB'feT'K CrkSaiUlTk ; Sob.: CTkS/ÄM'K, F: CTfS/ftMTk
MOHM'k. Die letzte Variante vervollständigt diesen Vers sehr natürlich,
während die Lesart aller Varianten in Verbindung mit dem vorher-
gehenden Verse statt des sing. SaKOHT* ein plural 3aK0HH fordert.
Der so rekonstruierte Vers lautet: zakoni tvoi svet stezjam mojim. Die
einzige Anomalie dieses Verses bildet die Zäsur nach der fünften und
nicht nach der vierten Silbe. Verse mit solcher Zäsur haben wir aber
auch in der Volkspoesie, vergleiche das ruthenische Volkslied:
Oh BHÖnpajia, nepeönpajia,
HeMa TaKoro hk h ro Maaa,
Mit diesem Verse schließt meines Erachtens die allgemeine Einleitung
des Gedichtes, in welcher sich der Dichter an Gott wendet und ihn um
Beistand bittet für ein großes und folgenschweres Werk, welches für
viele Menschen heilbringend sein soll. Was weiter folgt, ist die Charak-
166 I- Franko,
teristik des slawischen Volkes, welches sich aus der Finsternis , in der es
bisher gelebt hatte, dem belebenden Worte und der Taufe zudrängt.
V. 10. D: HHJfT'k, B, S: HiptTk, Sob.: HHJer^k; F. CAOBtcd.
Dieser Vers bietet keine Schwierigkeiten dar, da die letzte Variante
offenbar ein Mißverständnis ist; er lautet also: Ize istet' jevangelska
slova.
V. 11. D], Sb, Sp: npocHTTk, B, S: npocHTk, Dj vac. Dieser
Vers bietet auch keine Schwierigkeiten (bis auf die Zäsur) und lautet; I
prosit' dary tvoja prijati.
V. 12. Von diesem Verse hat Dj nur die Worte: CAOßfHCKoe RAf-
MA, D2 dagegen: 1 A'kTk th ko hh'K, GAOKfHkCKO UAtfA/fi und die
Variante aus einer anderen Handschrift: I AliTHTlv KO CHf Gaa-
BEHkCKO RAtM/Ä, B, S: AtTHTh BO HKIH'b H GAOß'tHkCKO RAf-
MA, Sb, Sp: AeTHT'K. Der Vers bietet einige Schwierigkeiten. Die
alphabetische Ordnung der Anfangsworte fordert hier den Buchstaben I,
also ist das Wort AfTHTk, welches die älteren Texte haben, hier unzu-
lässig. Außerdem ist der Vers für den normalen Bau der Zeilen zu lang,
da er um eine Silbe zu viel und einen anderen, nämlich den jambischen
Rhythmus hat. Aus der Verlegenheit hilft uns hier D2, wo wir statt
HUHt: ein kürzeres Wort AH^"») wenn auch in'tümlich geschrieben CH«,
sowie das Bindewort I am Anfang des Verses finden. Der so rekonstru-
ierte Vers dürfte nun lauten: I letit' bo dnes Slovensko plemja (oder: I
letit' nyne Slovensko plemja).
V. 13. Dj: Ko KPL|J£H'|K> KO WKpaTHlUd CA BCH, Do: Kt». B03-
hecehIk* OBpdTHUJd C/A BCH, in einer anderen Handschrift: Ktv
KpjljJfHiK», B: K'K Kpiil|JfHHK> OBpaTHUJA C/Ä BkCH, S: Kls. Kß(-
LpEHHK), Sb: Klk KpkllJfHHW OBpdTHllJ/Ä CA, F: KpL|J(HIKi BO.
Dieser Vers bietet auch insofern eine Schwierigkeit, als er auch wenig-
stens um eine Silbe zu lang ist. Die Konjektur KpcTOy statt KpEijJCHilO
scheint mir diese Schwierigkeit aufzuheben, um dem Verse sogar eine
tiefere und allgemeinere Bedeutung zu geben, und so nehme ich für
diesen Vers den folgenden Wortlaut an: Ko krestu bo obratisa sja vsi
(oder ohne Präposition: kresten'ju bo obratisa sja vsi).
V. 14. D^: AK»f TBOH HapcijJH \*oijjf, Do: Aw^'^ tboh ha-
pCLjJHCk X'<>TAi|Jt, alle übrigen Texte: awa»«« tboh HApfqJH CA
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 167
yOTAllJf. Der Vers bietet eine bedeutende Schwierigkeit wegen seiner
Länge, welche in den ältesten Varianten zwölf Silben beträgt. Die ab-
gekürzte Form des Textes D2 »HapfiiJHCk« scheint mir nicht ursprüng-
lich zu sein. Da ich keine Möglichkeit sehe eine Abkürzung zu bewerk-
stelligen, so lasse ich diesen Vers in seiner überlieferten Form stehen.
Es sei noch hinzugefügt, daß seine Zäsur ebenfalls anormal nach der
fünften Silbe ist, und der zweite Halbvers eine anormale rhythmische
Form - v^ I - ^ ^ I - ^ I aufweist. Man könnte etwa lesen: Ljud'je
tvoji naresti s hotjaste.
V. 15. Di: ruiACTH recta x^mf Eie, D2: Math TßOfA IiJKf
npocATTk, alle übrigen Texte: Mhaocth TßOiera, B«, npoc/ÄTK
3'kAO. Das letzte Wort in diesen Texten ist offenbar überzählig, da der
Vers ohne dasselbe voll und gut gebaut ist und einen guten Sinn gibt.
Die Zäsur ist etwas ungewöhnlich, weil sie nicht nach der vierten, son-
dern nach der dritten Silbe kommt. Natürlich entsteht die Frage, ob
das überzählige Wort 3'tAO mit dem anormalen Bau dieser zwei Verse
nicht in irgendeinem Zusammenhange steht. Es ist zu bemerken, daß
der Text Dj auch ein anderes Zeitwort, und zwar im Singular, Y'^'iiifT'k
statt npocATK aufweist. Dieses YOiytT^K fordert nun im vorher-
gehenden Verse ein Hauptwort auch im Singular, also z. B. AW;i,'k
TßOH statt AK>;i,Hi€ TBOH. Wenn man diese Variante und auch die
Form HapEijJHCk gelten lassen wollte, so hätte man den Vers 14 in der
Form: AW^'k tboh HapcL^HCk y^^t^^^lM^ 3'kAO, und beide Verse in
Lateinschrift: Ljud tvoj narestis' chotjaste zelo, Milosti tvojeja chostet'
(oder prosit') Boze.
Diese sechs Verse bilden , wie wir sehen , einen besonderen Absatz
des Gebetes, welcher die Charakteristik des slavischen Stammes in seiner
Bereitschaft zur Annahme des Christentums enthält.
V. 16. Dl : Ha lUiH'fe HH-k, D2: Ho, alle übrigen Texte: H'K
mi'KH't; D: hh-K, B, S: irhJH'k, Sob.: hmh'K; D2: npocrpaHHO,
alle übrigen: npocTpaHO; Di: caobo noA<iH>Kf, D2. A^»^(, alle
übrigen: ^ajKAi^, F: no/l,a>Kii caobo. Der Vers bietet nur scheinbare
Schwierigkeiten, welche durch die Verschiedenheit des Wortes ji,A}Kßi,h,
no;i,a>K^b, ;i,an/K« und no;i,aH;Kf, sowie durch die Stellung dieses
Wortes am Ende des Verses verursacht werden. Durch die Annahme
der einsilbigen Form und ihre Umstellung auf den vorletzten Platz des
168 I- Franko,
Verses, wie in dem Texte F, werden diese Schwierigkeiten behoben und
wir bekommen diesen Vers in der wünschenswerten Regelmäßigkeit: No
mne nyne prostrano dazd' slovo.
V. 17. Dl.- CÜLit H CHt H CTfiui'K A^K, Dj : Omj h Gut
H EcecTWH J^uit, B, S: Om«, Gut h np'bcTkiH j^int, Sob,: Oti».-
Hf, GkiHt H IIp'kCBATbdH ^0\'UJ(. Der Vers bietet keine Schwierig-
keiten und dürfte im Urtext geklungen haben: Otce, Syne (vielleicht
eher Synu?) i pr^svjatyj Düse.
V. 18. Di: npoc/ftqjHM'K, D2: npoc/Äijjfiui\', B, S: üpoC/ÄifiOY-
cyMOV, Sob.: np0C/Äi|J\'\^M\-; Dj: (C, D2: nnnJd o^, Sob: OTT»..
Die altertümliche Form des Partizipiums: npocAipoifOV'^^V; welche
die drei altrussischen Texte aufweisen, erscheint durch den Versbau des
Gedichtes ausgeschlossen, und wird füglich der später üblichen kirchen-
slavischen Form: npoC/ÄHJfMOY weichen müssen. So bekommen wir
den Wortlaut dieses Verses: Prosjastemu pomosti et tebe.
V. 19. Di: Pvi^H, D2: P\fu,% B, S: PcY^% Sob.: 9;f.u,% D:
CBOH, alle übrigen: KO cboh; Di: BKicnpk BOSAfK», D2: B'KSA'Sk»,
B: rop'k b'ksa'^m», S: bosa'^'O, Sb: ropt b^ksa^»*, Sp: rop'fe
BT^SAlvi*; D: npcHO, alle übrigen: npHCHO, F fehlt dieser Vers. Die
Texte D haben für diesen Vers offenbar einen älteren, ursprünglichen
und der Versform entsprechenden Wortlaut aufbewahrt, als die älteren
Abschriften, und so lese ich diesen Vers: Ruce svoji vyspr' vozdeju pris-
no (oder wenn man vyspr' zweisilbig liest: vzdeju prisno).
V. 20. Di: CD TtKf, B, S: oy TfKf, Sob.: \f T(Kt, F fehlt. Dieser
Vers bietet eine gewisse Schwierigkeit, da er in der allen Varianten ge-
meinsamen Lesung elf Silben aufweist. Die Schwierigkeit könnte viel-
leicht dadurch behoben werden, daß man in dem Verbum npHiaTH statt
des Infinitivs Supinum setzt: npHraTT*. So bekäme der Vers, auch mit
Ausschluß des älteren aber weniger richtigen o^ TfEf statt (ü TfKf,
folgenden Wortlaut: Silu prijat i mudrost' ot tebe. Freilich darf man
nicht übersehen, daß bei der Annahme des Supinums statt des Akkusa-
tivs der Genitiv stehen sollte. Darum ist es vielleicht doch einfacher,
beim Infinitiv zu bleiben und die Konjunktion i auszulassen, d. h. die
beiden Akkusative asyndetisch zu nehmen : silu prijati, mudrost' ot tebe.
V. 21. D und F: a^'CTCHhwm'K; alle übrigen: a^^^'^*^""*^'^''*-
Ob die Form A^^TCHHOMTv im Dativ pluralis an dieser Stelle richtiger
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 1 69
ist, als die der zusammengesetzten Deklination AOCTOHHkiMi*, wage
ich nicht zu entscheiden, ziehe aber in meiner Rekonstruktion die von
drei Abschriften überlieferte Form ; AOCTOHHKIMTsl vor, und lese diesen
Vers so: Ty bo dajesi dostojnym silu. Die Zäsur steht nach der fünften
Silbe.
V.22. Di,F: o^nocTack, D2,B,S: ynocTack, Sob.: V^nocrack;
Dj: bcakSw HL^'kAHiUH, Do: ßcw i^'kAHLUH, B, S: biiCAKO\'io, Sb:
bt^C/Ak;?;»^,. Sp: BkC/ÄK;^l7R. Der Vers bietet keine Schwierigkeiten
und das im Anfangsworte stehende große V (izica) verdient entschieden
den Vorzug vor dem in anderen Texten überlieferten \' oder 0\', da es
ja dem griechischen Worte VTtÖGtaaig (Wesen, Geschöpf) angehört. So
lautet denn dieser Vera wie folgt: Ypostas ze vsjakuju celisi.
V. 23. D: OapaoH/Ä, F: C>apawH/Ä, B, S: <I>apacuLia, Sob.:
<I>apaoiiiA; D, F: saokw, alle übrigen: a'KAOCki. Der Text dieses
Verses lautet also: Faraonja (oder Faraosa) mja zloby izbavi.
V. 24. Dj: Y^P^V'^"'^"^^'^^'^? Da: XtpSEHMCKÖ, F: ^fp^BHiii-
CK\f, B, S: XfpoBkCKOY, Sob.: XfpORkCK;^; D^ : luii, D2, B, S, Sob.,
F: mh; D^: ;i,aHJKf, D2: noAi>H>Kf, alle übrigen: ;i,a/KA'*-
Die Form »XfpoBkCKOY«, welche alle drei altrussischen Texte auf-
weisen, beruht offenbar auf einem alten Schreibversehen. Die vollstän-
digste Form des D^ ist die richtigste, und so lautet denn dieser Vers:
Cheruvimskuju mi mysl' i um dazd'. Die Zäsur in diesem Verse ist wie-
der anormal nach der fünften Silbe, wirkt aber bei dem Vortrag des
Verses gar nicht störend.
V. 25. Di: H npcTaa, Dji h BCfCTaA. Die altrussischen Texte
haben hier die richtige Lesung: 0 cestnaja, presvjataja Trojce.
V. 26. B: n-RMaaii; Sob.: mckr; D^ : npf^'^'^HiH. Diese Vari-
anten ausgenommen, bieten alle Texte eine richtige Lesung: Pecal' moju
na radost' prelozi.
V. 27. D: l^'KAOMyAPf"«^, B, S: l^1i/\0M0\fAP»^"*5^ Sob.: l^-k-
AOM;^/i,piiHO; D, : a^ HanHy, D^: HaMH\', B, S: A'* HaMkHOV, Sob.:
Ad HaMkH;^; D^: ncaTh, Dj: nncaTH, B, S, Sob.: nkcaTH, F: a<*
fehlt, HHcaTH. Das Metrum des Verses verlangt, daß das erste Wort
viersilbig und das letzte dreisilbig ausgesprochen werde ; dies entscheidet
bei der Wahl der Varianten, und so wird dieser Vers lauten : Celomudrno
da nacnu pisati.
170 1- Franko,
V. 28. Di: HK>/i,ca TßOd, D2: Hio^jca tboh, B, S: TKora,
Sob.: tboa; Di: npE/k^HBHaa 3fA0, Dj: npi^HBHaA, B, S: np'k-
/k^HBkHara 3'tAO, Sob.: np'KA"ß'^n^'^ SliAO. Das Metrum des Ver-
ses verlangt, daß das vorletzte Wort dreisilbig ausgesprochen werde,
und so wird der Vers lauten: Cjudesa tvoja predivna zelo. Die Zäsur in
diesem Verse fällt auch nach der fünften Silbe.
V. 29. D^: mfCTOKpwAaTiüY, D2: IJJfCTOKphJA'K, B, S: llIfCTik-
KpHAaTTi, Sob.: llIfCTOKpHAaTh.iYT^; D^: npiMyk, D2: B'KcnpiHM'k,
alle übrigen: B'KcnpHMM'K. Das Metrum des Verses verlangt, daß das
erste Wort viersilbig und nicht fünfsilbig ausgesprochen werde, also
bleibt die alte substantivale Form uifCTOKpHAaT'k. Als das vorletzte
Wort dieses Verses muß nach Analogie des Verses 27 die Partikel /i,a
eingesetzt werden , da dieser Vers offenbar eine poetische Parallele zu
jenem bildet. Und so wird dieser Vers lauten : Sestokrylat silu da vos-
priim (oder ohne da : Sestokrylatych silu vospriim).
V. 30. D^: ciu£Ctb8k5 nccAfA*2»V o^hta/A Motro, D2: IUk-
TBie TBOpA nCCA^'H^H ÖMHTfAK», B, S: llIkCTBOyK» HKIH'K HO
CA'kA^V O^HMTfAM», F: CklUeCTB^^K» no CA'k/l,\* OVHTA/ft luiofro,
Sob.: UlkCTBoytÄ . . . yMHTf AK». Dieser Vers, zusammen mit dem fol-
genden, vielleicht der wichtigste in dem ganzen Gedichte, weil er bisher als
entscheidend bei der Bestimmung des Verfassers betrachtet wurde, bietet
sowohl in Hinsicht auf seinen anormalen Bau, als auch in Hinsicht auf
die Varianten besondere Schwierigkeiten, ein Zeichen, daß schon in alten
Zeiten manches an ihm gebessert oder verdorben wurde. Die traditio-
nelle Lesung der altrussischen Texte (B, S, Sob.) bietet hier einen Dualis
»OY^HTtAW«, also zwei Lehrer, deren Namen und Werke der Verfasser
des Gedichtes nachfolgen will. Dies war der Grund, warum die älteren
Slavisten, von Safarik angefangen (Das Aufblühen des slavischen
Schrifttums S. 20) dieses Gebet einem Schüler des Konstantin und Method,
Konstantin dem Bulgaren zuschrieben. Schon Bodjanskij hat dagegen
bemerkt^), daß diese Stelle eine logische Kontradiktion enthält, da ja
ein Mann wohl Schüler von zwei Lehrern sein kann, der beiden Namen
aber nicht nachfolgen kann. In der ältesten bekannten Liste der Schüler
^) 0. EoÄHHCKiä, 0 BpCMeHH npOHCXO^ÄCHlH CJaBHHCKHIT. EUCBMeHT.
S. LXI.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 171
des Konstantin wird ein Konstantin nicht genannt. Konstantin der Bul-
gare selbst in seiner Übersetzung des OßaHrtAi« yMMTeAkHOe nennt
nur Methodius als seinen Lehrer (CoöojeBCKiä, MaTepia.«,! h mcÄi-
ÄOBanifl S. 128). Die beiden Varianten D sowie die Lektion F haben in
diesen Versen einen Singularis , wie es Bodjanskij postuliert hat. Der
Text des Sreznevskij hat in dem folgenden Vers, inkongruent mit dem
vorhergehenden Dualis oy^HTfAio den Singularis: HlUlfHH I6ro, wäh-
rend B und Sob. : I6m» haben. Das Wortmaterial, welches diese zwei
Verse in den bekannten Varianten aufweisen, erlaubt es vielleicht aus
den zwei Versen drei zu rekonstruieren. Aus den Worten des D2, zu-
sammengestellt mit dem, was die anderen Varianten enthalten, wäre der
Vers 30 also zu gestalten: lllfCTBHie TBopA nc»CA\'JK\- HUH-ß.
Vers 31 würde dann mit einem 8 beginnen und also lauten: J^mht«aw
MOI€MOY 110 CA'RA'^'V-
V. 32. D: ero, B: i€K> , S: i€ro, Sob.: lew; D^: nocAfA^V^»
D2: nocAtA^'«^, B, S: nocA-feA^V^j Sob.: nocAtAV'^- ^^^^ ^^^
oben Gesagten würde dieser Vers lauten: Imeni jego i delu posleduja.
Er wäre also anormal, da er zwölf Silben enthält und die Zäsur nach
der fünften Silbe hat. Doch läßt sich diese Schwierigkeit durch ein
ziemlich einfaches Mittel beseitigen, indem man das strittige Wort I€l0
oder lero entfernt, wodurch der Sinn des Textes nicht nur nichts leidet,
sondern im Gegenteil klarer und ausdrucksvoller wird. Diese Rekon-
struktion bringt mich auf den Gedanken , daß die letzten Worte des vor-
hergehenden und das letzte Wort dieses Verses ei^entli^^h eine Tauto-
logie enthalten, von welcher der Urtext vielleicht frei war. Der Ge-
danke liegt sehr nahe, daß in dem vorhergehenden Verse am Schluß
statt der Worte no ca'Ra^Y ursprünglich der Name jenes Lehrers ge-
standen hat, welcher dreisilbig gewesen sein muß, also weder Konstantin
noch Methodius gelautet haben kann. Am wenigsten kann er KvpHAAA
gelautet haben, — was rhythmisch zulässig wäre — , da ja Konstantin
diesen Namen nur 50 Tage vor seinem Tode getragen hat. Das Nächst-
liegende und Natürlichste ist hier, den Namen Hico^Cd oder XpHCTOCd
zu setzen , was sowohl dem Sinn und der Tendenz, als auch der poeti-
schen Form des Gedichtes am besten entsprechen würde, weil ja Kon-
stantin als Christ und Lehrer sowohl dem Namen, als auch dem Werke
des Christus nachgefolgt ist.
V. 33. Dj! fvrACKOE, D2: GrdHrfAi^cKO«, B, S: fßdHrfAkCKC»,
172 I- Franko,
Sob. : EßaHrcAkCKO. Der Vers bietet keine Schwierigkeiten, da die ad-
jektivalen Formen der beiden Texte D aus metrischen Gründen den
älteren substantivalen in dem Worte eKaHrf/\kCKC» weichen müssen; und
so lautet dieser Vers : Jave stvorju jevangelsko slovo.
V. 34 — 35. Dj: YKaA\f ß03A<»'^, Di" H yBaaS ß'k3A<»K', B:
XßaAoy B'KSA'ira, S: XBaay, Sb: XBaa;^ BivSAa/Ä, Sp: Xßaa;^
Ei».3ji,&a; Di: npcT'RH rpoHi^H, D2: TpoHi;H B'K Bh^ctb'S, B, S:
Tp^H B'K KJKfckCTß-R, Sob. : TpOHU,H BTv BOJKkCTBli. Dieser Vcrs
ist wieder überzählig an Worten und Silben, wenn er aber mit D^ zu-
sammengestellt wird, wo nach dem Worte TpOHmi noch zwei Worte:
BO f^HHOMT», folgen, welche dogmatisch sehr wichtig sind und in dem
Urtexte des Gebetes gewiß nicht fehlen durften, so bekommen wir mit
einer kleinen Ergänzung, welche jedem mit dem kirchenslavischen Stil
Vertrauten selbstverständlich erscheinen wird, zwei Verse mit folgendem
Wortlaut: Chvalu vozdaja presvjatej Trojci Vo jedinom bozestve sla-
vimej.
V. 36. Dj: K»>Kf, D2: Mh;«, B, S: K)>Kf, Sob.: K^M^e; Dj: kca-
Ka B03AP<*CTk, D2: BCAKT». BT^SpaCTT»,, B, S: BkCiaKklH BT^a-
ApacTTk, Sob.: BkC/AKbJH B'k3AP^»CT'k. Dieser Vers in allen Vari-
anten ist um zwei Silben zu kurz, wahrscheinlich darum, daß am Ende
durch irgend ein Versehen das Wort HTUHt: weggelassen wurde. Von
den beiden Formen des Wortes B'k3AP«*CT'K und B'ka^l.paCTk ziehe
ich die zweite, vielleicht ursprünglichere, jedenfalls seltenere Form vor,
und so lautet dieser Vers in meiner Rekonstruktion: Juze pojet' vsjaka
vozdrast' nyne.
V. 37. D2: [OhTi H CTapTi CBOHMHhk paSÖMCMTi, D^ : CTBO-
HMTk, F: o^fHT». CT». TKOHMTv, alle übrigen Texte: CBOHluik pa3C»\f-
MOMk. Dieser Vers bietet insofern eine Schwierigkeit, daß alle Vari-
anten einen zu kurzen, nur achtsilbigen Vers darbieten. Die hand-
schriftliche Tradition weist einige Unsicherheiten auf, welche beweisen,
daß der Text im Laufe der Zeit nicht intakt geblieben ist. Dies erlaubt
uns, eine ziemlich einfache Remedur an dem Verse vorzunehmen, welche
ohne Beifügung eines neuen Wortes den rhythmischen Bau des Verses
vollständig herzustellen erlaubt. Diese Remedur besteht darin, daß wir
statt der Einzahl die Mehrzahl der Hauptwörter annehmen, wodurch wir
die Form erhalten : Juni, stari razumy svojimi.
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 173
V. 38. Dl und F: Das Schlußwort npHCHO vac, Dj: npCHO; B,
S: MsTJK'k, Sob.: AsKlKTk. Der Vers bietet keine Schwierigkeiten
und lautet: Jazyk nov, chvalu vozdaja prisno, wobei die Zäsur lieber
nach der dritten, als nach der fünften Silbe zu setzen ist.
V. 39. Di: WUKJ H CH\f H CTM\- A)C^> ^2' ^U^ " G"^ "
Bc«ctm8 AV^» B) S: Oiiov, Ghov h np-kcrovoVMOV AV^V»
Sob.: Orknw, Guhov h Ilp-kcß/ÄTVMV AVXV- ^^^ ^®"
lautet, den einfachsten Varianten folgend: Otcu, Synu i svjatomu
Duchu.
V. 40. Dl und F: tfJiy MCTk H C^ARA, D2: fMÖJKf HfCTk H A«P-
jKaRa H CAaea, B, S: IBmov^kj mkctk h aP"^^'»»^ " cAdßa, Sb:
I6M\'/Kf . . . A>^P^<^B<*) Sp. : 6M\-JKf . . . j!L,Q'K7KäE.A. Die natür-
lichste Rekonstruktion auf Grund dieser Varianten wird lauten: Jemu ze
cest', slava i derzava.
V. 41. Dl : (C Bcera TBapH h a»^Y'*"'<*) ^2: kcia . . . A^^V^"
Hira, B, S: Ot'k Kcta TßapH h a^^V^^hh^, Sb: ßkCfA . . . A'^Y'*"
HH/Ä, Sp: ßiicciifv. Der Vers bietet weiter keine Schwierigkeiten und
lautet: Ot vseja tvari i dychanija, wobei die Zäsur nach der fünften
Silbe denselben in zwei gleiche Hälften teilt.
V. 42. Di: ß HcnpEep^AHMkira ß'S'^ aiuiH, D2: ßi». ßCA ßl:-
Klü H Ha ß'KKlü. HMHHb, B: Rl». ßC/fi ß'kKU H Ha ß'KKKi, aMHH'k,
S: BCA ß-kKiJ H Ha ß'feK'ki. aMMHii, Sob. : ßKCA, F: H Hfnpt-
BpEA<^Miüa ß'bKU aiuiHHk. Dieser letzte Vers liegt uns in zwei Vari-
anten vor, welche beide den Erfordernissen der metrischen Form ent-
sprechen. Bei meiner Rekonstruktion ziehe ich den Wortlaut des Dj vor,
welcher durch F unterstützt wird, und zwar wegen des seltenen und von
dem Verfasser des Gedichtes wahrscheinlich nach dem Muster des Grie-
chischen konstruierten Wortes Htnp'bßpEAOMMH, welches wir etwas
später, in dem altbulgarischen Lobgedicht auf den Zaren Simeon wieder-
finden, wahrscheinlich als eine gelegentliche Anleihe. In dieser Variante
würde dieser Schlußvers lauten : V neprebredomyja veky, amin ; in der
von anderen Handschriften überlieferten Form lautet er: Vo vsja veky i
na veky, amin — eine zwar regelrecht gebaute, aber doch mit einer
Tautologie behaftete Form.
174 I- Franko,
Auf Grund dieser Analyse lasse ich nun den Text des Gebetes in
der von mir rekonstruierten Form in lateinischer Schrift folgen ^).
Azo slovom sim molja s^ Bogu:
»Boze, vseje tvari zizditelju
Vidimyj^ i nevidimyj^,
Gosp'da Ducha posli ziv^stago,
Da vodochnet' v serdce moje slovo,
Jeze badet' na uspech vsem Ijudem
Zivastiim vo zapovedech ti.
Zelo bo sat' uspesni ko zizni
Zakoni tvoji, svet stezjam mojim.
Ize istet' jevangelska slova
I prosit' dary tvoje prijeti,
I letit' bo dnes', slovensko plemf,
Ko krestu (oder kresten'ju) bo obratis^ s^ vsi,
Ljud tvoj narestis' choteste zelo,
Milosti tvojeje prosit' Boze.
No mne nyne prostrano dazd' slovo,
Otce, Syne i presvetyj Düse,
Prosestumu pomosti ot tebe,
Ruce svoji vyspr' vozdeja prisno,
Sila prijfti, mudrost' ot tebe.
Ty bo dajesi dostojnym sila,
Ypostas' ze vsjakaja celisi.
Faraonj^ me zloby izbavi,
Cheruvimskaja mi mysl' i um dazd',
0 cestnaja, presvetaja Trojce!
Pecal' moja na radost' prelozi,
Sestokrilat sila da vospriim,
Sestvije tvorj^ posluza nyne
Ucitelju mojemu Christosu,
Imeni i delu posleduje.
Jave stvorja jevangel'sko slovo,
Chvala vozdaje presv^tej Trpjci
^) Die Anwendung der Nasalzeichen rührt von mir her. V. X
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 175
Vo jedinom bozestve slavimej,
Jf^ze pojet' vsjaka vozdrast' nyne,
Juni stari razumy svojimi,
Jezyk nov, chvala vozdaje prisno
Otcu, Synu i sv^tomu Duchu,
Jemuze cest', slava i derzava
Ot vseje tvari i dychanija
V neprebredomyj^ veky, amin'. «
Ich werde vielleicht nicht überflüssige Arbeit leisten, wenn ich
für ein mit der kirchenslavischen Sprache weniger vertrautes Publikum
dieser meiner Rekonstruktion des ältesten slavischen Gedichtes eine
möglichst getreue, dem Wortlaute Vers für Vers folgende deutsche
Übersetzung anschließe.
Ich mit diesem Worte bete Gott an :
»Gott, Erzeuger aller Lebewesen,
Der sichtbaren und der unsichtbaren,
Schicke den Herrn Geist, den Lebensspender,
Daß er in mein Herz ein Wort einhauche
Welches allen Leuten nützlich sein wird.
Welche leben in deinen Geboten.
Sehr fruchtbringend sind ja in dem Leben
Deine G'setze — Licht für meine Pfade.
Nach dem Wort des Evangeliums suchend,
Deine Gaben zu empfangen bittend,
Flieget heute das Volk der Slovenen ;
Denn zum Kreuze wendeten sich alle
Und begehrend sich dein Volk zu nennen,
Von dir, Gott, erbtiten deine Gnade.
Mir gib aber heut ein Wort, ein starkes,
Gott, 0 Vater, Sohn und Geist allheil'ger.
Welcher Hilfe sich von dir erbittet.
Meine Hände heb' empor ich immer,
Kraft und Weisheit von dir zu empfangen ;
Denn du kannst dem Würd'gen Kraft verleihen,
Jeglichem Geschöpf Genesen geben.
176 I- Franko,
Rette mich vom Zorne des Pharao,
Gib mir Sinn und Wissen der Cherubim,
0 ehrwürd'ge und allheil'ge Dreiheit!
Meinen Kummer wandle du in Freude,
Daß ich herzensrein heb' an zu schreiben
Deine so sehr wunderbaren Werke.
Der Sechsflügeligen Kraft empfangend
Möcht' ich mich aufmachen, heut' zu dienen
Meinem Lehrer, dem Herrn Jesus Christus,
Seinem Namen und dem Werke folgend,
Kund zu tun das Wort des Evangeliums,
Lob zu spenden der allheil'gen Dreiheit,
Die in einer Gottheit wir verehren,
Welche heut' besinget jedes Alter,
Jung und alt nach jeglichem Verständnis,
Neues Volk, Lob spendend immerdar dem
Vater, Sohne und dem heil'gen Geiste,
Welchem Ruhm gehört, Gewalt und Ehre
Von alldem, was Leben hat und Odem
In unabgehbare Zeiten. Amen.
Daß der Verfasser unseres Gebetes nicht Konstantin, der Bruder
des Method, sondern Konstantin der Bulgare gewesen ist, mutmaßte
schon Safarik (Aufblühen des slavischen Schrifttums S. 20), welchem
auch bekannt war, daß dieser Konstantin zur Zeit des bulgarischen
Zaren Simeon Bischof in üpicJiaBa, der Hauptstadt des bulgarischen
Reiches war und um das Jahr 906 auf Wunsch des Zaren Simeon eine
polemische Schrift des Athanasios von Alexandrien gegen die Arianer
aus dem Griechischen übersetzte (Bodjanskij op. cit. S. LX). Prof. Sobo-
levskij widmet der literarischen Wirksamkeit dieses Konstantin einen
kleinen Exkurs u. d. T. : »F^'i acHJii. KoHCTaiiTuii'L BojirapcKin? (Ma-
Tepiajiti H H3CJiiA0Banifl S. 127 — 9), in welchem er zu begründen sucht,
Konstantin habe in Solun oder in der Nähe von Solun gewohnt. Von
seinen literarischen Arbeiten spricht er etwas ausführlicher nur von
seinem »Lehrhaften Evangelium«, welches um das Jahr 894 aus dem
Griechischen übersetzt wurde, als Konstantin noch Presbyter war. Diese
Übersetzung, nach den Worten eines russischen Forschers, des Metro-
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 177
politen Antonins ^!. »zeichnet sich dmxh Ivlarheit. Einfachheit. Allgemein-
verständiichkeit aus«.
Hatte das lehrhafte EvaDgelinm des Konstantin des Bulgaren eine
Vorrede? Prof. Sobolevskij wirft diese Frage gar nicht auf. da es ihm
genügt, das versifizierte Gebet des Konstantin eben als die VoiTede zu
dieser Übersetzung zu betrachten. Nach meiner Meinung ist es ganz
statthaft diese Frage aufzuwerfen, obwohl die auf uns gekommenen Ab-
schriften dieses Werkes, welches, soviel mir bekannt, bisher noch nicht
veröflfentlicbt wurde Prof. Sobolevskij spricht op. cit. S. 127 von einer
altrussischen Handschrift aus dem XH. — Xlll. und zwei altserbischen
aus dem XIII. — XIY. Jahrh. . wie es scheint, keine Vorrede besitzen.
I. I. Sreznevskij hat in seinem Werke > JpeBffie naM^TraincH pyecKaro
iiHCBMa n asLiKa« 1S63 S. ly 1 — 2 imAnschluE an das versifizierte Gebet
des Konstantin aus derselben alten Handschrift noch die folgende prosa-
ische Vorrede herausgegeben, welche nicht nur durch ihre Form, sondern
auch durch ihren Ton. Charakter und Inhalt von dem Gebete gnindver-
schieden ist. Hier ihr Text :
ßKOIKf piM£ fTfpTh, Hs>C.\C«BkLI,K TpHrOpiv. H > Rk SaKCH-fe FhH
noc>v;H.\Tn cns ,\Hh H HoijjKc. raKo;Kf pfHf npcpoK-K. H jp.\3-
BUA'^ pf'^f: 'IJf ncTan\"K mh.\c>ctm tbck^m hm ncTHMki tbo-
Kr.ra OTIv C'li.KOp.\ M'h.HvMW. H ß-KSBl^llJC V HM,-!S TBOH; Ep.\THH
MCKr.H. nCCpli^k ;K£ LJ.pKBf BT^CYBJ.MC T.^<-.
»OfrO p.\AH H '^31», C>V*ü.\.\H:.HhJH Kc«CTaHTf1 Hlk KTi B.\M't,.
KparuH; uc[j. iV'nn :k6 h chckj, M\\i n rpi^R-fe. h-k ycljjc>v;
Ua.\0 B£C-K,A,v''K.\TH. H H( 3.\3k^MiTi MTsHt;, U'Ept;TahJ EC> H U'Ck-
.\J B.».\aaU.\ra HH-KTA-i npCr.VJB'KLU.i SAMtiCKl^Mtv r.\.\C'KMh,. H
K.»M6H6 COV;\'.\ BO.VOV' MCTC>MkLlL\ IKJI-KK^Lp H H M Tv. BTi3Bf.\H-
SHiija KO Cn> A'^'Va Fh.a bk bcIj^Tv. rRyk :Kf h cv'HHHk;K£-
^] M H T p 0 n 0 j H n> A u t o h i ä . ll.^:s nciopüi xp h : : i :■. ^ ; :-; ; :": .- ■: : r. ; ; 5 ; z. II.^s.
2-oe. Caö. 1S95.
AkWt f&t slarischd Philglogie. SXS.T, 12
178 I- Franko,
HHi6 M0I6 O^B-^Ht^EHO BMB'klllE B'KphHhJHMM {Tfpkl MABKM Ck-
KasaHMiB cTaaro tEaHrAHra np-kAOH^HTH ott». rpkMbCKa msKiKa
BT», CAOß'KHkCK'K, 0^6013^1^ '^i CA HA^ATH, CTp^Kn-KTkNOlB
CaOBECk BH/l,'bB'k KhllUl tit^OC'\'lA'^HH\ä 11 CHAkI rJIOI6» CO^Lpr
HTs. naKKl CTvMpkTH 3kpA KO\'A<^VMJ'"^ ^'^ WCAC»\'UJaHHI€, Ha-
HaY'K Hj BkCEro Morki nanHcaTH, ht». c\'CTaBAi€Hara Hf/i.'kAk-
Hara i€BaHrAHa h,, npocA iiioahtbtvi Y"^AWBhu,k Bkck^'k ha
nocn-RuiEHHie, j^a cno^OBHTk M/A vubiiijjhh Iitv h Fk HaiiJk
Ic\' Xt». A*2> KC»HkU,a CTs.BpkUJHTH WB'&liJaHHie BT». CAaBC>\' Ba
(C'Ha, cHa H nptcTro aX^^- ^^i^h"»»«
Hier die deutsche Übersetzung dieses Gebetes: >Gut ist von Gott
anzufangen und mit Gott zu enden <• , wie der Gregorius Theologos sagte,
und »Im Gesetze des Herrn sich unterrichten Tag und Nacht«, wie der
Prophet sagte, und > Die Worte des Herrn austeilen an bedürftige Seelen«,
wie auch David sprach: -»Deine Gnade und deine Wahrheit hab' ich
nicht verheimlicht vor der großen Menge, und deinen Namen werde ich
verkünden meinen Brüdern, und in der Mitte des Tempels werde ich
dich verherrlichen. «
Deswegen will auch ich, demütiger Konstantin zu euch, meine Brü-
der, Väter und Söhne, ein Weniges, wenn auch ungebildet, reden. Nehmet
es mir nicht für ungut, denn ich finde, daß auch der Esel Balaams einst
mit Menschen-Stimme redete, und der trockene Stein Wasser ausließ den
Durstenden. Denn ruhmvoll geworden sind die Werke des Herrn an uns
Allen. Deshalb wurde auch meine Wenigkeit durch einige gläubige
Menschen veranlaßt, die Erzählungen des heiligen Evangeliums aus der
griechischen Sprache in die slavische zu übersetzen. Doch ich fürchtete
anzufangen [sehend], daß die Schwierigkeiten der Sprache mein Wissen
und meine Kräfte überstiegen. Andererseits aber den künftigen Tod
sehend für den Ungehorsam, begann ich, da ich nicht alles aufschreiben
konnte, nur die vorgeschriebenen 50 Sonntags-Evangelien, und bitte alle,
welche Christum lieben, für mich um seine Beihilfe zu beten, damit unser
gemeinsamer Gott und Herr, Jesus Christus mir vergönne das Ver-
sprochene zu Ende zu führen zum Ruhm Gottes des Vaters, des Sohnes
und des allheiligen Geistes. Amen.«
Kleine Beiträge zur Geschichte der kirchenslav. Literatur. 179
Aus dem Texte dieser Vorrede merkt man gleich einen unselbstän-
digen Geist, welcher auf fremde Veranlassung in einer relativ friedlichen
und ruhmreichen Zeit eine nicht sehr bedeutende, und nur sprachliche
Schwierigkeiten darbietende Arbeit unternimmt. Die Stellung des bul-
garischen Bischofs Konstantin, welcher nur Übersetzungen hinterließ und
kein Apostelamt ausübte, wie sein Vorgänger, Konstantin der Philosoph,
ist hiermit sehr gut charakterisiert.
(Geschrieben 24. Dez. 1911 bis 5. Jänner 1912, umgearbeitet im
März 1913.) Dr. Iwati Franko.
Die Särospataker altpolnische Bibelhandsclirift
(sogenaniite »Sofienbibel«) und die Lemberger Ausgabe
vom Jahre 1871,
I. Allgemeine Darlegung des Verhältnisses der Ausgabe zur Handschrift.
Der Glaube an die unbedingte Zuverlässigkeit der Lemberger Aus-
gabe der Särospataker altpolnischen Bibelhandschrift ist, nach anfäng-
licher Überschätzung ihrer Treue, in neuerer Zeit immer mehr ins Wanken
geraten. Besonders hat v. Rozwadowski unlängst seinem Zweifel ganz
unverhohlen öffentlich Ausdruck verliehen i).
Und in der Tat genügt es, die der Ausgabe beigegebenen Faksimiles
mit dem gedruckten Text zu vergleichen, um diese Zweifel nachdrück-
lichst begründen zu können. Ich habe darauf bereits in meiner Schrift:
»Zur Geschichte der Särospataker altpolnischen Bibelhandschrift« 2) hin-
gewiesen 3) und will hier vollständiger die Unstimmigkeiten zwischen
Druck und Faksimile verzeichnen :
1) Materialy 1 Prace komisyi jezyk. Ak. Umiejetn. w Krakowie IV 435:
»A przyznam zie, iQ brak scislosci, jaki okazali nasi historyci i prawnicy,
usposabia dose pesymistycznie taMe np. co do wiarygodnosci wydania Biblji
krölowej Zofji, zrobionego jak wiadomo na podstawie podobizny, dokonanej
przez Piekosiilskiego ; sq tam bardzo dziwne rzeczy«.
2) Als Sonderabdruck und in der Festschrift für Alfred Hillebrandt,
Halle 1913.
3) S. 6.
12*
IgO E. Hanisch,
I. Fakaimile: avszrzal, yvczynyl, avkasz, nyebeskyem, temv; Druck:
la 9 A uazrzal, a 12 u. 15 y uczynyl, a 21 a ukasz, b 23 nyebeskym
(bei Babiaczyk nicht verbessert), 2a 9 temu.
IL Faksimile: vznamyonal, przybliszay^^cz, knyemv, Nalyasllysm;
Druck: 41a 6 uznamyonal, a 7 przyblyszay^cz , a 8 k nyemu, a 8 Na-
lyasllysm (das »ysm« soll wohl gesperrt sein, Babiaczyk gibt diese
Schreibweise des Druckes, nicht die richtige des Faks. im Lexikon wieder,
also scheint er sie für handschriftlich gehalten zu haben!)
Das IIL Faksimile und der Druck S. 54 a 13 ff. stimmen tiberein.
IV. Faksimile: ywy^iczszich, asymom; Druck: 83a 2 y w^czszich,
a 7 a synom.
V. Faksimile: panv, vrosly, gvslicz, anadvmarlimi , nyebodzecze,
dazu l'ata; Druck: 84a 26 panu, a 28 urosly, a 30 guslicz, a 33 a nad
umarlimi, a 34 nye b^^dzecze, a 27 lata.
VI. Faksimile: vmarl, vkradla, wdomv, dann : przekrila und Ataly^;
Druck: 21 Ib 27 umarl, b 31 ukradla, b 35 w domu, b 34 przekrila und
Ataly^.
Ich will dabei von vornherein ganz davon absehen, daß die Zu-
sammenschreibung und Trennung der Wörter in der Ausgabe nicht der
Handschrift entspricht, da in der Vorrede i) der Herausgeber ausdrück-
lich bemerkt, daß er die Schreibweise der Hs. hierin nicht beibehält.
Ich halte es allerdings nicht für angemessen, daß man, während mau
in jeder andern Beziehung die Schreibweise der Handschriften möglichst
getreu wiederzugeben sucht, in der Wortzusammenschreibung ganz will-
kürlich von den Anschauungen moderner Rechtschreibung ausgeht. Ich
habe in meiner Schrift: »Die Zusammenschreibung von Wörtern in älte-
ren polnischen und czechischen Handschriften« 2) zu zeigen gesucht, daß
aus der Zusammenschreibung und Trennung der Wörter doch auch man-
ches gelernt werden kann.
Wenn ich also von diesem Punkte absehe, so ist es doch recht will-
kürlich, wenn das v = u der Hs. durch u wiedergegeben wird, wenn die
Korrekturen der Hs. (Ataly^) im Druck nicht angemerkt sind, wenn auf-
fallende Zeichen (przekrila) unbeachtet bleiben oder gar eigenmächtige
Verbesserungen (vgl. nye b^dzecze!) vollzogen werden. So erhält man
also allein schon aus den Faksimiles recht bedenkliche Zeichen für die
1) S. XXXIX.
2) Beuthen O./S. 1913.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 181
Treue der Ausgabe. Auf Grund solcher Tatsachen und der bei eingehen-
der Beschäftigung mit diesem Sprachdenkmal sich immer mehr ver-
größernden Bedenken gegen die Ausgabe beschloß ich , durch eine Kol-
lation der Hs. mich von dem wahren Sachverhalte zu überzeugen.
Diese Vergleichung von Hs. und Ausgabe, die ich im Juli 1912
vornahm 3] täuschte meine Erwartungen nicht: die Lemberger Ausgabe
entspricht nicht den philologischen Anforderungen, die man zu stellen
berechtigt ist. Es sind nicht nur, wie schon der Vergleich der Faksimiles
oben zeigte, ganz beliebige Änderungen vorgenommen worden , sondern
es sind auch Fehler und Versehen aller Art mit untergelaufen. Das
Schlimmste aber ist doch m. E., daß es in der Ausgabe an der einheit-
lichen Durchführung der für die Herausgabe angenommenen Grund-
sätze völlig fehlt. Ich werde weiterhin zeigen, daß alles, was als grund-
sätzlich für die Ausgabe gelten könnte, fast ausnahmslos durchbrochen
wird. Aber gerade durch diesen Mangel an Konsequenz kann der Ein-
druck der Genauigkeit erweckt werden. Ich wüßte kaum eine Fehler-
kategorie, die sich in der Ausgabe nicht nachweisen ließe : selbst Druck-
fehler, die nicht berichtigt sind, werde ich zu verbessern haben.
Dieser Zustand der Ausgabe muß natürlich für den verhängnisvoll
werden, der darauf ein Speziallexikon des polnischen Bibeltextes auf-
baut. Herr Babiaczyk, der das getan hat, erklärt zwar in der Einleitung
zu seinem arbeitsreichen Werke, daß »der Name des Herausgebers« für
die Korrektheit der Ausgabe bürge ^), doch darf man nicht übersehen,
daß der Herausgeber hier nicht zugleich auch der Abschreiber der Hs.
war, die durch ihre Länge an den Kopierenden die höchsten Anforderungen
stellte. In dieser Arbeitsteilung lag von vornherein 2) eine bedenkliche
Gefahr und die größte Fehlerquelle. Und so mußte eben auch die müh-
selige Arbeit des Lexikographen, wenn er sich nicht einer Kollation der
Hs. unterziehen wollte, vielfach Unzuverlässiges geben, weil eben aut un-
zuverlässigem Texte beruhend. Und wenn ich jetzt, auf Grund meiner
Vergleichung, das Speziallexikon des Herrn Babiaczyk betrachte, so
1) Ich möchte auch hier noch das Entgegenkommen, dessen ich mich in
Särospatak zu erfreuen hatte, hervorheben und besonders der steten Bereit-
willigkeit des Bibliothekars, Herrn Harsänyi, gedenken.
-) Im >Lexikon zur Altpolnischen Bibel 1455 (Sophienbibel)« S. 11 der
Einleitung.
3) Zumal der Herausgeber die Hs. nie gesehen hat.
Ig2 E. Haniscb,
kann ich das vielfach beanstandete Urteil ^) v. Rozwadowskis und f^os'
nicht für so ungerechtfertigt erklären.
Wenn ich sagte, daß die Ausgabe in der Zusammen Schreibung und
Trennung der Worte nicht der Hs. folgt, so ist auch dieses Prinzip durch-
brochen. So lesen wir 9a 7 : ygego, wie in der Hs., statt des erwarteten:
y gego, oder auch 49b 2: stoysze — und gerade hier trennt einmal die
Hs. die Worte in: stoy sze! Wer sich nun nicht die Mühe nimmt, die
Prolegomena der Ausgabe zu lesen — und ich fürchte, daß es deren
viele geben wird, da ein rascher Durchblick über den Inhalt durch das
Fehlen von Kapitelüberschriften recht erschwert ist — der kann natür-
lich auf Grund solcher Versehen zu der Annahme verleitet werden , daß
der Druck auch in der Zusammenschreibung der Hs. folgt. Und doch
ist hier mit der wundeste Punkt der Ausgabe 2).
Aus den Faksimiles geht hervor, daß für das v = u der Hs. immer
u gedruckt werden sollte. Trotzdem lesen wir 179a 30: vswytnye (»illu-
cescat«); das dem Texte beigegebene Lexikon enthält aber das Wort:
uswit, so daß also hier im Verbum doch ebenfalls das v = u gelesen
wurde 3). Völlig rätselhaft ist es aber, wenn 113a 4 zu der Schreibung:
vsile bemerkt wird: »v tu znaczy u, wiec usile«^). Man wird sich diese
eigentümliche Bemerkung kaum erklären können, zumal wenn man sich
noch einmal blos die erste Seite der Ausgabe und ihr Faksimile vor
Augen hält! Das v = u der Hs. ist in den einzelnen Teilen des Textes
nicht durchgehend , so ist z. B. in dem zweiten Abschnitt (S. 4 1 bis
78) v = u viel seltener als etwa im vierten, wo v so häufig ist, daß
ein u (sehr dem »n« ähnlich!) geradezu auffällig wirkt. Im fünften Teile
scheint es nach y, i, dann überhaupt nach Vokal bevorzugt zu werden,
z.B. 173b 32: knaszemu gymyenyv oder 176b 24: ktwemu lyvdu. Eine
genauere Bemerkung hätte 156a 30: v vszu vertragen; zwar wird es
>) Im Roczü. Slawist. I (1908) S. 173flf. u. 176 ff.
2) Ich verweise auf meine Bemerkungen in meiner > Zusammenschreibung
usw.^ S. 13 ff.
3) Anders verhält es sich z. B. in: vroki, welches Malecki als: wroki
las (vgl. das Lexik, d. Ausgabe S. 348). Das Richtige bei Babiaczyk in seinem
Lexikon s. v. uroki, vgl. auch meine Bemerkungen zum Ezdrasfragm. Archiv
XXXV S. 10.
4) Man vgl. dazu 133a 16 u. 143b 15: usilu (Hs. vsilv): hier also, wie es
eben in der Absicht der Ausgabe lag, ist das v bemerkungslos durch u wieder-
gegeben, wie auch an allen übrigen Stellen.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 183
durch nebengesetztes : uszu glossiert, doch hat die Hs. wszu, eine Schreib-
art, die für unsere Hs. sehr auffällig und doch mit Fällen wie 104a 23;
nyewsrz^ (= uzrza) nicht gleichzusetzen ist. Fälschlich ist das v der Hs.
durch 0 wiedergegeben im Druck S. 92a 18 u. 20: copysz und vor allem
179a 10: y ostal bil für »ustal«. Die Stelle lautet: yvstal bil lyvd
przelys barzo = Vulg. I. Reg. XIV 3 1 : Defatigatus est autem populus
nimis. Das y = et wird durch den griechischen Text gerechtfertigt
{■/.al ly.o.rlaoev 6 Xaog ocfodga). Dem defatigatus kann ein ostal nicht
entsprechen, und in der Tat hat Babiaczyk s. v. ostac nur diesen einen
Beleg für diese Bedeutung angeführt. Man wird aber dem lateinischen
Texte sofort gerecht, wenn man ustac dafür einsetzt, was auch in der
Hs. tatsächlich steht; man vergleiche nur die zahlreichen Belegstellen,
die s. V. ustac angeführt sind! So muß also (Jiese Stelle im Speziallexikon
s. V. ostac gestrichen werden.
Da die Ausgabe keinen Unterschied zwischen v (= u) und u machen
wollte, so wäre auch die Unterscheidung der beiden, im fünften Teile
der Hs. auftretenden Zeichen für y nicht notwendig gewesen, weil beide
Zeichen nebeneinander auch in den andern Hs. jener Zeit auftreten,
ebenso gut hätten die beiden Arten des s und des r angemerkt werden
können; gerade so wenig wie bei letzteren beiden (und dem v = u), ist
m. E. auch in der Verwendung der beiden »y« ein tiefer begründeter
Unterschied anzuerkennen, wie ihn Matecki Prolegom. XLVHI annimmt,
es waren eben Buchstabenvarianten, wie sie auch jedes moderne Alpha-
bet kennt. Bemerken will ich aber doch, daß auch hier die konsequente
Vermerkung dieses Buchstaben fehlt, so ist 175b 3 zgYj | n^li, 196b 25
pacholr^k, u. a. m. mit -/j nicht mit y, was die Ausgabe hat, geschrieben,
während 21 Sa 27 w Samary mit dem bekannten y zu schreiben ist, wäh-
rend die Ausgabe hier tj bietet.
Daß auch das ^ in der Ausgabe gesetzt ist, wo die Hs. nur o hat,
ist anfangs schon aus den Faksimiles belegt worden, auch bei der Wieder-
gabe des durchstrichen en a wäre an den einzelnen Stellen manches zu
erwähnen gewesen, was ich im speziellen Teile dieser Abhandlung tun will.
Die Ausgabe setzt gewöhnlich a für dieses Zeichen.
Die zahlreichen Dittographien der Hs. sind im Druck beseitigt
worden. Ob das: prawim pravem wyecznim 90b 34 als Dittographie
aufzufassen ist, ist zweifelhaft, man kann in »prawem« ebenso gut eine
Korrektur des pravim sehen, dessen Interpunglerung (zum Zeichen der
184 E. Hanisch,
Nichtgeltung) nur vergessen worden ist^). In der Vulg. heißt es Levit.
24, 8 auch nur: foedere sempiterno, entsprechend der Septuaginta und
dem masoretischen Texte. Hat die Ausgabe hier die Hs. getreu wieder-
gegeben, warum ist das nicht in andern Fällen derart geschehen? Es
kommt ja freilich für den Text zunächst nicht in Frage, ob es z. B. Sb 33
drus I gego drugego heißt oder nur einfaches » drugego « steht. Aber für
die Beurteilung der ganzen Hs. ist es doch von Wert, ob man weiß, daß
derartige Versehen häufig sind — und das ist in unserer Hs. der Fall —
oder ob mit peinlicher Genauigkeit geschrieben wurde; im letzteren Falle
wird man viel vorsichtiger mit Konjekturen sein müssen. Bedenklicher
ist es aber doch schon , wenn IIb 10 ein handschriftliches : zyw swego
wyeku | wyeku swego in der Ausgabe einfach in: zyw wyeku swego
zusammengezogen ist. Die Stellung des poln. Pronomens durfte dabei
natürlich in keiner Weise ausschlaggebend sein für die Wahl der Lesart.
So hätte man doch auch solche Dittographien nicht beseitigen sollen wie :
sino I nowye, was 235a 32 in sinowye verbessert wurde. Durch solche
Änderungen wird der Charakter einer Hs. doch nur völlig verwischt.
Aus diesem Grunde mußte auch durchaus jede der zahlreichen
Korrekturen der Hs. im Druck notiert werden. Wenn also 10b 15 in
der Hs. steht: Krwye waszych zywotow brj; dr> pozywal poszr^dal sroky,
so durfte weder das pozywal beseitigt noch die Verbesserung s r^ky ein-
gesetzt werden. Das »pozywal*, durch Unterstreichen vom Schreiber
getilgt, entstand wohl als Nachhall des diktierten: zywotow, kontaminiert
mit: poszr^dal, ist also m. E. eine Unterstützung der Tradition, daß wir
in diesem Bibelkodex einen diktierten, nicht einen bloß abgeschriebenen
Text vor uns haben. Unzulässig ist auch z. B. die bemerkungslose Wieder-
gabe der Korrektur: udzalal 250.1. 30. In der Hs. steht vdzal'^ und am
linken Rande der Hs, ^al, d. h. ursprünglich war haplographisch vdzal
geschrieben worden, der Schreiber merkte das bald und schrieb hastig
und daher fehlerhaft : la darüber, das wurde wieder zu tilgen gesucht
(doch deutlich ist es sichtbar geblieben) und am Eande nun das richtige
»al« nachgetragen.
Die Abbreviaturen sollten wohl auch nicht in der Ausgabe beibe-
halten werden, und so sind in der Regel, aber nicht einheitlich, die Worte
ausgeschrieben. Statt der zahlreichen: ge'^ (gego), get (gest), pote (potem)
1) In einem Glossar des XV. Jahrh. ist prawym prawem die Übersetzung
von iure hereditario.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 185
usw. amEndewiein der Mitte derZeile, hat die Ausgabe die vollen Worte*).
Ich will gleich hier bemerken , daß die einzelnen Teile der Hs. sich hier
verschieden verhalten ; der älteste Teil z. B. bringt nur wenige und nur
auf bestimmte Worte beschränkte Abkürzungen und meist am Zeilenschluß.
Auch in den, die Doppelung der Buchstaben bezeichnenden Strichen ist
in der Ausgabe keine Konsequenz. Wir finden also z. B. 295a 28 w
vynnyczach statt wvynyczach der Hs., dagegen 291b 21 polstruney (der
Hs. entsprechend mit dem Strich über dem o), was auch daher Babiaczyk
s. V. anmerkt, aber das get derselben Seite (a 4 und 11) ist als »gest«
in der Ausgabe voll wiedergegeben. Wo sich freilich die Abkürzungen
derselben Art häufen, da hat auch die Ausgabe die Kürzungen beibehalten.
Man vergleiche etwa S. 330b 2 2 ff. das si^ = sina^). Doch ist auch auf
dieser Seite das get (b 30) und do' (b 34) als gest und domu gedruckt.
Solche Willkürlichkeit der Wiedergabe kann natürlich im Einzelfall ein-
mal auch zum Irrtum verführen. Wenn man z.B. 296b 14 Nabucho-
donozor in der Ausgabe findet, gegen Nabuchodo?^ der Hs., so wird man
das aus dem Grundsatze der Ausgabe heraus verstehen können 3). Was
soll aber wenige Seiten vorher, 283b 19, Nabuchodonor*, wo der Heraus-
geber durch den beigefügten Stern die Wortform hervorheben will?
Denn auch hier hat die Hs. als Abbreviatur NabuchodonoT, ebenfalls,
wie oben , am Zeilenende. Vielleicht bat man hierin mehr ein Versehen
des Abschreibers der Hs. als des Herausgebers zu erkennen. Jedenfalls
wären diese (und zahlreiche andere) Fehler nicht untergelaufen , wenn
Herr Maiecki die Hs. mit eigenen Augen gesehen hätte.
Und so gibt es eine große Reihe von Ungenauigkeiten und Fehlern,
die offensichtlich dem Kopisten, nicht dem Herausgeber zur Last zu legen
sind. Vor allem sind hierher die vielen Auslassungen zu rechnen. So
ist z. B. 33 b 18 eine ganze Zeile ausgelassen worden. Die Ausgabe hat:
to wszitko szry bil Jacob w gymyenye przesylne, in der Hs. heißt es aber:
to wszitko azfj do- ] stalo Jacobowy. Yrozplodzyl sz^ bil | Jacob wgy-
myenye przesylne. Daß hier ein Versehen des Herrn Piekosinski vor-
1) Im speziellen Teile werde ich die Abkürzungen jedesmal anmerken,
auch ob sie am Zeilenschlaß oder in der Zeilenmitte stehen.
2) Ich will hier auf das: syna der Hs. hinweisen (also mit Strich über ,n'),
was der Druck 40a 25 ohne jede Bemerkung als: syna gibt.
3) Freilich ist auf derselben Seite in dem bald darauffolgenden Katalog
das häufige: synow durch Sy"", wie in der Hs., abkürzend wiedergegeben
(b 29 ff.)!
186 E. Hanisch,
liegt, ergibt sich aus der Bemerkung, die der Herausgeber zu dieser Stelle
(bei wszitko) macht: »Tu wypuszczone 3 wyrazy znachodzace sie w Wul-
gdcie, przez nieuwage tJömacza«.
In dem speziellen Teile dieser Abhandlung werde ich auf die sonsti-
gen Auslassungen der Ausgabe aufmerksam machen, hier will ich ja nur
auf diejenigen Ungenauigkeiten und Fehler hinweisen, die für das Ver-
hältnis der Ausgabe zur Hs. typisch sind. Da stimmen z. B. die Kapitel-
überschriften der Hs. nicht mit denen der Ausgabe überein. So steht
294a nicht das Zahlzeichen V sondern : py^te, und zwar, wie es in den
Handschriften überhaupt üblich ist, bunt, hier rot, gemalt. Ebenso stimmt
es mit der Zahl Xin S. 14b nicht; die Hs. schreibt: trzeczyenaszczye
capitula, ferner fehlt S. 12 b hinter der XI das Wort kapytula, welches
die Hs. enthält usw.
Daß an einer Stelle der Ausgabe, 13ob, eine falsche Markierung
der zu vergleichenden Vulgatasteile in der Ausgabe vorliegt i), hat be-
reits Herr Babiaczyk Einleitg. S. 46 notiert. Wenn nun Herr Babiaczyk
(ibid.) wünscht, daß bei einer zweiten Ausgabe des Werkes »die Ein-
teilung der Kapitel auch nach Versen, der Vi. entsprechend, erfolge, da-
mit die Übersicht über das Sprachmaterial einfacher und der Vergleich
mit der VI. leichter erreichbar wäre«, so ist das ein Verlangen, welches
ich sicherlich teile und in der von mir geplanten Neuausgabe auch würde
durchzuführen suchen. Doch ist dabei nicht zu vergessen, daß eine
recht prinzipielle Frage hier zu stellen ist: nämlich welche Vers- und
Kapiteleinteiluug? Es kann Herrn Babiaczyk bei seiner Arbeit nicht
entgangen sein, daß mit der heutigen Verseinteilung dem polnischen Texte
an sehr vielen Stellen garnicht beizukommen ist. Das liegt eben daran,
daß unsere heutige Einteilung der Verse und Kapitel von der in den
Vulgataausgaben des Pariser Buchdruckers Robert Etienne (Stephanus)
eingeführten abhängig ist, d. h. aus der Mitte des sechzehnten Jahr-
hunderts stammt. Ursprünglich war der Text ja nur in Bücher geteilt,
Hieronymus hatte dann durch Kola und Kommata eine eingehendere
Gliederung in Sätze geschaffen. Eine den praktischen Bedürfnissen des
Zitierens entsprechende Kapiteleinteilung und eine weitere Gliederung in
Verse (allerdings eine rein zufällige, nämlich nach den Zeilen seines
Handexemplars) gab Hugo von St. Caro im dreizehnten Jahrhundert; diese
1) Das Blatt 7 7 der Hs. beginnt nicht mit Deuteronom. XVII. 16, son-
dern schon mit Vers 2.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 1 87
kam auch allgemein in Brauch, bis sie eben durch die Neueinteilung des
Stephanus im sechzehnten Jahrhundert ersetzt wurde. Daher wird also
eine Einteilung nach der heutigen Weise bei älteren, zumal stark variie-
renden Bibeltexten immer auf Schwierigkeiten stoßen. Das hat ja schon
der Herausgeber unseres Sprachdenkmals merken müssen, als er die Ein-
teilung der Kapitel in der heutigen Weise durchführen wollte : es stimmte
eben nicht überall. So z. B. beginnt Malecki S. 60 b nach der heutigen
Weise: Exodus XVI. In der Hs. gehört aber der heutige Vers 1 dieses
Kapitels noch zu XV und erst mit heutigem XVI 2 beginnt 6 1 a 4 der
neue Abschnitt ^j, der in der Hs. dui'ch Zeilenabsatz und (rote) Kapitel-
zahl in der üblichen Weise angemerkt ist. Dagegen ist in der Ausgabe
an anderer Stelle auf diese Verschiedenheit der Kapiteleinteilung nicht
hingewiesen worden; z. B. 47a beginnt nicht, wie die Ausgabe hat,
Exodus Vn in der heutigen Weise, sondern schon mit den Worten: Imo-
wyl gest pan (a 15) = heutige Vulg. VI 29. An anderen Stellen, wo in
der Hs. eine Kapitelzahl fehlt, z. B. 37b, ist in der Ausgabe nach der
heutigen Weise eine Zahl, XXXUI, darüber gesetzt; die Hs. fährt aber
in der Zeile fort, ohne Absatz: Potem Jacob, wobei noch zu bemerken
ist, daß das P gelb ausgetuscht ist, aber die bei Kapitel anfangen übliche
rote Ausmalung fehlt ^j. Bemerken möchte ich auch noch, daß der
Absatz im Druck 304 b 26/27 nicht begründet wird durch die Verhält-
nisse der Hs. Vielmehr heißt es ohne Absatz : pana boga israhelskego
Apote I gdi usw., also ohne jede Unterbrechung. Malecki sagt: »W
przekiadzie Leopolity i Budnego, z ktörymi te ksiege poröwnywam,
nie majac jöj w lacinskiej Wulgacie: w tem juz miejscu poczyna sie
rozdzial VIU. « Ich bemerke dazu , daß auch die lat. Vulgata hier bei
TTT. Ezdras das achte Kapitel beginnt: Et post hunc regnante Arta-
xerxe usw.
Indem ich also die zahlreichen einzelnen Abweichungen hier über-
gehe, da ich sie späterhin richtig stellen werde, will ich nur noch hervor-
heben, daß natürlich auch gar manches im Speziallexikon sich jetzt
ändern muß. Schon oben lag ein solcher Fall vor (ustac st. ostac). Aber
nicht nur, daß einzelne Belege fortfallen, nein, es müssen auch manche
1) Malecki hat das S. 61a unterm Text richtig angemerkt.
2) Vielleicht handelt es sich um ein Versehen der Hs., denn im ganzen
weiteren Verlaufe dieses Kapitels fehlt ein Absatz oder eine Bezeichnung
eines neuen Kapitels. Das beginnt erst 3Sb, und zwar als XXXIV.!
188 E. Hanisch,
Worte des Lexikons ganz gestrichen werden, soweit es sich dabei um
Hapaxlegomena des Textes handelt. Es muß also fallen das jedy 300a 3 S,
da nicht gedi, sondern mit unzweifelhafter Deutlichkeit nur gdi in der
Hs. steht, dann wicina, denn die Hs. hat vycyamy, nicht, wie die Aus-
gabe, vycynamy 328b 7. Es ist mithin von dem auch sonst bekannten
Worte wie auszugehen. Bedenken erregte mir auch von vornherein, wegen
des »comportant« des lateinischen Textes, das: svosz^ wodj^ 152a 5
der Ausgabe. Ich fand auch, meiner Erwartung entsprechend, in der
Hs. ein deutliches: snoszr^, womit zugleich auch der einzige Beleg für
»swozic« des Speziallexikons — vor »w« wäre doch wohl nur zwozic zu
schreiben! — beseitigt ist. Ebenso ist das auch sonst noch auffällige
chroszlyna des Druckes (2b 28) in chr^szlyna der Hs. gemäß umzuwan-
deln. Ich möchte hierzu das Chrostlino der »Bulla z r. 1136« ver-
gleichen 1].
Wenn ich anfangs sagte, daß auch Druckfehler noch die Unsicher-
heit des in der Ausgabe gebotenen Textes erhöhen, so bin ich dafür noch
Belege schuldig. Nur als Druckfehler kann ich mir erklären: gwazdi
293b 32 (Hs. gwyazdi), 53a 27 debidczy^tha (Hs. dobidczy^tha), 308b 38
gzechi (Hs. grzechi), 316a l przes to dobr^ (Hs. przes t^ dobr^), denn
sonst würde der Herausgeber, wie anderwärts, so auch hier, diese auf-
fälligen 2) (wenn auch freilich nach Ausweis der Hs. falschen) Schrei-
bungen durch einen Stern hervorgehoben haben , wie z. B. das Juerusa-
lema* 273 a 11, was in der Kopie der Hs. gestanden haben muß. Die
Hs. selbst hat auch hier das zu erwartende : ierusalema. Ebenso muß ein
Fehler der Kopie sein s przistrzeszo*, 309b 2, von Maiecki also durch
einen Stern hervorgehoben und von Babiaczyk im Lexikon so notiert.
Die Hs. hat hier richtig: sprzistrzesza. Schließlich sei noch das poczny
293b 35 erwähnt. Die Vulgata hat an dieser Stelle (Nehem. IV 22 3));
et sint nobis vices und die Ausgabe : a b^Jdzcye nam poczny. Maiecki
1] Vgl. V. Rozwadoweki in der Ausgabe dieser Bulle : Mat. i Pr. Kom.
J(?z. w Krak. IV S. 447.
2) Herr Babiaczyk hat glücklicherweise nicht alle dieser falschen Formen
verzeichnet.
3) Dieses Kapitel wird verschieden eingeteilt: teilweise werden nämlich
die Verse 1 — 17 der offiziellen Vulgatazählung zu Kap. III genommen als III.
33—38^ wozu noch hinzukommt, daß Vulgata III. 30 dabei in zwei Verse (30
u. 31) zerlegt wird. Eine solche Einteilungsdifferenz hat z.B. die Polyglotten-
bibel von Stier u. Theile in allen vier Texten (griech., hebr., deutseh, lat.).
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 189
hat hinter »poczny« ein Fragezeichen gesetzt, weil ihm die Stelle auffällig
schien, also stand es so jedenfalls in der Kopie der Hs. In der Hs. selbst
lesen wir aber für das verschriebene »poczny« ein verständliches: po-
moczny, so daß auch die Erörterung Babiaczyks s. v. poczac hinfällig
wird. Das »pomocen« ist noch einmal belegt, wenige Seiten später:
305b 35 ktorekoly b^drj tobye pomoczni (= quaecunque tibi sub-
venerint).
Schon für die Textgeschichte interessant ist es, wenn wir erfahren,
daß 186b 6 in den Worten: Ale gdisz slunce wesczdlo, das czechische
slunce eine Korrektur am Rande ist, also erst nachträglich hingeschrieben
wurde. Noch lehrreicher scheint mir aber eine in der Ausgabe ebenfalls
nicht vermerkte Konjektur 308b 26. Der Druck hat: cziudzokraynow.
Die Hs. las nun aber ursprünglich »czidzokraynow« ; dieser Czechismus
wurde bald erkannt, so interpungierte man das >i« und schrieb v (d. i.
V
also u) darüber: czidzokraynow. So zeigt die Hs. schon in ihrer äußeren
Gestalt die Richtigkeit der Annahme Jireceks^): »prichäzime k resultätu
nezäpornemu, ze nejvetsi cäst polskeho textu neni nez zpolsteny prepis
cesköho prekladu«. Und zwar nicht nur für den ältesten Teil dieser
Handschrift.
n. Die Handschrift.
Malecki hat in den Prolegomena der Ausgabe die Beschaffenheit
der Handschrift eingehend geschildert. Seitdem hat sich nichts geändert,
wie auch der Bibliothekar des Särospataker Reformierten Kollegiums,
Herr Istvän Harsänyi, in seiner Schrift: A Särospataki Lengyel Biblia s
ujonnan fölfedezett harmadik töredöke ^) zeigt. So kann ich hier auf diese
Darstellungen verweisen. Bemerken will ich aber noch, daß es vielfach
sehr schwer ist, die Zahl der aus dem Kodex herausgerissenen Blätter
anzugeben; man wird das am besten nach dem Umfange des fehlenden
Textes abschätzen.
Man hat nach den Ausführungen der Prolegomena meist angenom-
1) In Öas. C. M. 1872, 310.
2) Budapest 1909 als Separatabdruck u. im XVII. Bande der ungarischen
Zeltschrift: »Magyar Könyvszemle«. Das Wichtigste dieser Schrift ist die
Wiedergabe des von Herrn Harsänyi gefundenen Ezdrasfragmentes S. 59ff.
mit photogr. Reproduktion.
190 E. Hanisch,
men ^), äaß unser Bibeltext in den Zeiten der Königin Sofie begonnen
wurde, und spricht daher gewöhnlich auch von der »Sofienbibel«. Dem-
gegenüber hat Herr Harsänyi die ältere Annahme wieder aufgefrischt,
indem er unsere Handschrift bis in die Zeit der Königin Hedwig hinauf-
rückte. Ein strenger Beweis ist für keine der beiden Hypothesen er-
bracht, ebensowenig auch, daß unsere Bibel ursprünglich für den Ge-
brauch des Königshauses überhaupt bestimmt war; mir scheint die an
manchen Stellen doch recht bedenkliche Flüchtigkeit eher dagegen zu
sprechen. Jedenfalls muß ich betonen, daß aus der Bibel selbst kein
Anhalt für irgendwelche Besitzerliste ^j gegeben ist. Nur das erscheint
mir sehr wahrscheinlich, daß der Kodex etwa von Beginn des zweiten
Viertels des XVH, Jahrhunderts ab in der Bibliothek des Särospataker
Reformierten Kollegiums sich befindet, weshalb ich auch den Namen
»Särospataker Handschrift« für den allein richtigen halte 3); jeder andere
Name entbehrt der historischen Berechtigung und stützt sich lediglich
auf vorläufig nicht bewiesene Annahmen. "Wie man also nicht mehr vom
»Margaretenpsalter« redet, sondern seit Nehring vom »Psalter von
St. Florian«, so sollte man auch in unserm Falle die hypothetische Be-
nennung beiseite lassen.
Das Wichtigste erscheint mir also, daß etwa seit 1627 das Refor-
mierte Kollegium Besitzer der Handschrift ist. Damit ist eine weitere
Hypothese hinfällig geworden, die ebenfalls seit dem Erscheinen der
Ausgabe wohl allgemeine Annahme gefunden hatte, nämlich, daß Come-
nius, als er von Lissa (in Posen) nach Särospatak im Jahre 1650 zum
Rektor der dortigen Schule berufen wurde, diese Bibel nach Särospatak
mitgenommen hätte. Das hatte bereits Jirecek in der Anzeige der
Maleckischen Ausgabe angezweifelt*): »k tomuto domneni Malecköho
nelze pristoupiti, jednak proto, ze se kodex dostal kollegiu saryspotoc-
kemu darem Jiieho Räköce, 1. 1648 zemreleho, jednak ze naprosto neni
1) Ich muß hier manches kurz wiederholen, was ich eingehender in
meiner Schrift: »Zur Geschichte der Särospataker altpolnischen Bibelhand-
schrift« (Sonderabdruck und in der Festschrift für Alfred Hillebrandt. Halle
1913) ausgeführt habe, weswegen ich hier auf diese Abhandlung zur genaueren
Kenntnisnahme verweise.
2) Herr Harsänyi stellt eine solche auf in seiner Schrift S. 5S, vgl. auch
>Zur Geschichte der Särosp. altp. Bhs.« S. 21 f.
3) Vgl. »Zur Geschichte usw.« S. 5 f.
4) Öasop. Cesk. Mus. 1872 S. 305 f.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 191
domyslitedluo, co by Komynskeho bylo k tomu primelo, abi bibli staro-
polsküu byl s sebou vozil, jda za ücelem eiste paedagogickym do über«.
Trotz dieser durch ihre Einfachheit schlagenden Einwendung hatte die
Comenius-Hypothese ziemlich allgemeine Annahme gefunden, so bei
Nehring, Altpoln. Sprachdenkm. S. 116, und mit einigem Vorbehalt auch
in Brückners »Geschichte der polnischen Literatur« (1901) S. 23. Doch
schon in »Literatura religijna w Polsce sredniowiecznej* II (1903) S. 65
gab Brückner zu bedenken: »Zeby ja (Biblia) Jan Komensky z Leszna
do Szarosz-Pataku wywozii, gdy go na rektora kollegium Kakoczy
r. IG 50 powolywai, nie myslimy, pocözby sie on ax; do Wcgier z takim
niepotrzebnym i niepoczesnym ciezarem, wozil? Inny tu jakis zaszedi
przypadek nieznany«.
Ich habe die Ausführung hier vorausgeschickt, um eine Vermutung
meinerseits hier zu wiederholen, die ich auch bereits in meiner Schrift
»Zur Geschichte usw.« S. 13 f. ausführlicher vorgebracht habe. Es war
nämlich Herrn Piekosinski offenbar entgangen, daß der obere Rand des
Blattes 13G verso außer der üblichen, den Inhalt der beiden Textkolumnen
angebenden Überschrift Paralyp auch noch folgende Buchstaben in dieser
Gruppierung enthält:
Paralyp
L. I. C. S. P.
Herr HarSc4nyi hat in seiner genannten Schrift S. 1 5 als erster darauf
aufmerksam gemacht, ohne sich aber mit einer Deutung der Buchstaben
zu befassen. Da nun nach Tinte und Form diese Buchstaben dem
XVII. Jahrhundert zuerteilt werden müssen, so glaubte ich sie auffassen
zu können als: Legi lohannes Comenius Saros-Patakini. Daß Comenius,
der selbst doch Slave war, diese nach Särospatak verschlagene Hand-
schrift dort eingesehen hat, ist mir unzweifelhaft. Die Deutung, die mir
Herr Harsanyi mündlich gab: Leopolita Jan Csiadz Scholae Pater (oder
Saros Patakini) erscheint mir schon aus graphischen Gründen nicht
möglich 1).
Wenn man nun fragt, warum diese Buchstaben gerade an dieser
Stelle stehen, so scheint mir das nicht aus dem Grunde zu sein, weil
Comenius nur gerade bis dahin die Handschrift benutzt hat, sondern, weil
1) Ich teile hier noch eine sehr einleuchtende Deutung dieser Buchstaten
mit, die Herr Prof. Brückner mir erst kürzlich brieflich gab: »über iste Col-
legii Saros Patakini <.
192 E. Hanisch,
zu seiner Zeit dort etwa die Mitte der Handschrift war , d. h. also : der
Kodex enthielt damals etwa noch die Psalmen.
In diese späte Zeit des XVII. Jahrhunderts weisen noch zwei Spuren
der Benutzung unserer Handschrift. Ich habe in meiner genannten
Schrift 1) darauf verwiesen, daß S. 104b 13 der Ausgabe zu der Stelle:
Ale robota wasza^) ein auffallendes Glossem zugeschrieben ist: dzatiky.
Das »robota« des polnischen Textes ist, wie Babiaczyk gezeigt hat, die
Herübernahme eines czechischen robata (z. B. in der Olmützer Bibel).
Da dem Übersetzer dieses Wort unbekannt war, so übernahm er eben,
um nichts Falsches für diesen ihm fehlenden Begriff einzusetzen, wie in
zahlreichen anderen Fällen, so auch an dieser Stelle den czechischen
Ausdruck. Nun, im XVII. Jahrhundert also, hatte jemand diese Bibel
in den Händen, der hinreichend polnisch verstand, um den Text lesen
zu können, zugleich aber auch das Wort »robota« im richtigen Sinne,
also als Czechismus, erfaßte. Es scheint mir ganz evident, daß das in
Särospatak eben nur ein einziger Mann jener Zeit imstande war: Come-
nius. Und so schreibe ich diese Glosse ihm zu; Tinte, Buchstabenform
und allgemeine Erwägung scheinen mir hier das gleiche Resultat zu
ergeben. Es bleibt aber doch übrig, die Schreibweise dzatiky zu erklären.
Man würde doch dzatki oder dziatki erwarten. Ich glaube nun, daß
Comenius, dessen sprachliche Studien bekannt sind, hier eine antikisie-
rende Form schaffen wollte, und so künstlich aus czech. deti und poln.
dziatki, vielleicht unter dem Eindruck der vielen Czechismen des polni-
schen Textes, einen Kompromiß schuf.
Die zweite Spur dieser späten Benutzung findet sich 184 a 34. Die
Ausgabe hat hier nur : Tedi Mycol wsy^wszi geno drewno y poloszila
na loszu. Das »drewno« ist hier == statuam der Vulgata und Babiaczyk
hat darauf hingewiesen, daß Leopolita an dieser Stelle obraz liest. Nun
ist über di'ewno von viel späterer Hand ein Zeichen ^ und am Rande die
Glosse: obraz eingetragen. Ob nun jemand, der den späteren Leopolita-
text kannte (oder gar kollationierte?), die Glosse hingeschrieben hat,
oder ob etwa auch diese Eintragung von Comenius herrührt (die Schrift-
charaktere und die Zeit würden ja stimmen), das wage ich nicht zu ent-
scheiden. Herr Harsänyi, den ich auf diese späte Glossierung aufmerk-
1} S. 13.
-] Die Lemberger Ausgabe zeigt hier nur: wasz, die Hs. hat aber: wasza;
es ist zwar das zweite a etwas verblaßt, aber ganz deutlich lesbar.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 193
sam machte, hält dafür, daß auch sie von Comenius stammt i), was auch
mh" das Wahrscheinlichere ist.
Sehen wir also hier wirkliche, echte Glossen einer späteren Zeit, so
finden wir auch sonst noch im Text das Eingreifen eines Korrektors und
zwar besonders im fünften Teile der Handschrift. Wenn ich sage im
fünften Teile, so wende ich mich damit zugleich gegen die bisherige Auf-
fassung, die von Malecki-Piekosinski herrührt 2), und den fünf Teilen der
Handschrift auch fünf Schreiber entsprechen läßt. Dem ist nun aber nicht
so. DieEinteilungMaieckis ist: I.Blatt 1 — 21 (=S. 1 — 40 der Ausgabe),
n. Blatt 22—40 (= 41—78), HI. Blatt 45—47 (= S. 78—83),
IV. Blatt 48—95 (= S. 81—171), V.Blatt 96—185 (= S. 171—335).
Es ist nun aber ganz unzweifelhaft 3), daß der erste Teil nicht von
einer Hand, sondern von zweien herrührt. Der erste Schreiber schrieb
Blatt 1 — 20 recto in deutlicher, ebenmäßiger Schrift. Ganz unvermittelt
setzt nun Blatt 20 verso, also bei den Worten splaczyem swyelykym
(die Ausgabe hat ungenau 38a 4 s placzem s wyelykym), eine ohne
jeden Zwang sehr zusammengedrängte Schrift ein, die sich ganz auffällig
von der Hand des vorhergehenden Schreibers abhebt. Allerdings treffen
wir die gleichen Schriftcharaktere und dasselbe orthographische System,
so daß also dieser zweite Schreiber ohne längere Unterbrechung dem
ersten zeitlich unmittelbar folgen muß. Von ihm stammt nur noch
Blatt 21, das Übrige ging verloren, denn mit dem wuchtigen »Gessen«,
dem ersten Worte des heutigen Blattes 22 (= S. 41 der Ausgabe), be-
ginnt der nunmehrige dritte Schreiber (der zweite Maleckis). Ebenso
muß ich die Einheit des fünften Teiles in Zweifel ziehen. Man begegnet
nämlich, von Zeit zu Zeit wechselnd, in diesem Abschnitt immer wieder
den gleichen Eigentümlichkeiten der Schrift, so daß man den Eindruck
bekommt, daß dieser Teil von zwei sich abwechselnden Schreibern ab-
gefaßt wurde. Die einzelnen Teilabschnitte voneinander zu sondern,
würde freilich sehr schwierig sein; ich konnte mich, schon aus Zeit-
mangel, nicht eingehender damit befassen.
Nach Lage der Dinge kann also an der bisherigen Fünfteilung fest-
gehalten werden, freilich in dem Sinne, daß man darunter fünf nach Zeit
und System scharf voneinander geschiedene Abschnitte versteht, deren
1) Ich will hier bemerken, daß weder dzatiky, noch obraz in der Aus-
gabe vermerkt sind.
2) Prolegomena S. XXIV und XLIVff.
3) Vgl. »Zur Gesch. d. Särosp. altpoln. Bibelhs.« S. 10 ff.
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 13
194 E. Hanisch,
erster von zwei aufeinander folgenden, deren letzter von zwei einander
ablösenden Schreibern herrührt •).
Namentlich im letzten Teile, der durch zahlreiche Abbreviaturen und
Verschreibungen usw. einen flüchtigeren Eindruck macht, begegnen wir
nun aber mehrfach noch der Hand eines Korrektors, der oflfenbar gleich-
zeitig mit den Schreibern ist und ihre Arbeit noch einmal durchsah, ohne
freilich in allen Fällen die zahlreichen Versehen richtig zu stellen. Man
erkennt diesen Korrektor an der viel schwärzeren Tinte; allerdings sind
auch manchmal die Korrekturen der Schreiber etwas schwärzer als der
übrige Kontext, daher kann man im Einzelfalle manchmal zweifelhaft
werden, ob die Verbesserung von dem Schreiber selbst oder von dem
Korrektor erst nachträglich vollzogen wurde. Solche spätere Korrekturen
des fünften Teiles sind z. B. die Punkte unter 229a 8: apobral apobral
gych, wo der Korrektor die Dittographie erkannte, oder 2 3 (3a IS: spo |
kolenia Israhelowa Isacharowa, das interlinear nachgetragene ch am
Ende von koscyelni'^'^ 247b 25, das vo in israhelo^'' 248a 14, das w in
W 10
wsyadeczstwye 248a 22, das ro in awprocech 248a 30, das (^ in
0
atrzsai(ic 249a 9, das r in ysrzebne 251a 1, das v in wogny^ 254a 28,
das y in swy^jtichysi nowye 256a 6, das w in ^stala 2G2b 25, das
obyati y
obyati 264 a 12: zszone panv |, das 1 in amya^ 268a 6, das y in krola
p
276b 1, das p in apoysal 281b 13, andere Fälle sind strittig, z. B.
31 8b 4 iakon; hier ist das n radiert und am rechten Rande sauber kon
korrigiert, so daß also iako kon gelesen werden soll, m. E. ist kon von
anderer Hand verbessert, Herr Harsänyi ist nicht dieser Ansicht. Jeden-
falls aber steht fest, daß wir außer den Verbesserungen der Schreiber
selbst auch die nachbessernde Hand eines Korrektors (der vielleicht der
Übersetzer des Abschnittes war?) zu unterscheiden haben.
Auch in früheren Teilen der Handschrift treffen wir schon auf eine
solche nachträgliche Korrektur, z. B. S. 83 b 29: rzeptay^czy. Das aus-
lautende y dieses Wortes ist auf der Rasur eines vorherigen m geschrie-
ben, der rechte lange senkrechte Strich des y ist dann von späterer
1) Auch an dieser Stelle will ich, wie >Zur Geschichte usw.« S. 11 Anm. 1
ausdrücklich hervorheben , daß meine Ansicht hinsichtlich der Zahl der
Schreiber jetzt auch von Herrn Harsänyi, nachdem er in seiner erwähnten
Schrift S. 13 den Angaben Maleckis gefolgt war, geteilt wird.
Die Scirosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 195
Hand oben nachgebessert, wie man aus der viel schwärzeren Tinte er-
sehen kanni).
Auch hinsichtlich der bei einzelnen Buchstaben des letzten Ab-
schnittes stehenden Striche ^j ist die Lemberger Ausgabe durchaus nicht
zuverlässig, wie ich im speziellen Teile an den betreflfenden Stellen zeigen
werde. In der Ausgabe sind die fehlenden Ausmalungen der Kapitel-
initialen angegeben, doch fehlt die Angabe einer eigentümlichen Rand-
malerei 306 a = Blatt 170 recto a. Hier ist am Rande eine gelb gemalte
Hand, deren Daumen und Zeigefinger nach rechts, also auf den Text,
hinweisen. Es zieht sich diese Randverzierung etwa von a 1 6 bis a 1 9
hin. Der Vollständigkeit wegen will ich noch hier anführen, daß an
einigen Stellen der Handschrift dort , wo im Kodex ein Kapitelanfang
nach der heutigen Vulgata unbezeichnet war, dieser mit Bleistift in
römischen Zahlen vermerkt ist, z. B. S. 39b und 40b. Ich bin zu der
Annahme geneigt, daß diese Bleistiftnotizen von Herrn Piekosinski her-
stammen, jedenfalls sind sie aber ganz jungen Datums.
III. Die Abweichungen der Ausgabe von der Handschrift.
Im folgenden wende ich mich jetzt zu der Feststellung der einzelnen
Abweichungen des Druckes von der Hs. Ich gehe dabei , zur leichteren
Orientierung, nach den Seitenzahlen der Ausgabe, die ich durch Dr.
(Druck) abkürze. Um nicht zu weitläufig zu werden, bringe ich nur die
wichtigeren Abweichungen 3) , aber alle Abbreviaturen, Dittographien
und Korrekturen der Hs. Ferner werde ich auch alle Zeichen , die man
als diakritisch deuten könnte, erwähnen. Doch werde ich auch mehr-
fach die Übereinstimmung von Hs. und Dr. hervorheben, wenn der Fall
von einiger Bedeutung erscheint ^j.
I. Teil. Erster Schreiber S. 1 — 38a 4 der Ausgabe.
S. la — , b 23 Dr. nyebeskym, Hs. nyebeskyem, vgl. das Faksimile,
bei Babiaczyk nicht richtig gestellt. — S. 2a 6 Dr. und Hs. rodzay^^.
b 18 Dr. chroszlyna, Hs. ch;|r(jszlyna. — S. 3a 1 Dr. w obliczye, Hs.
woblyczye. a 35 Dr. samemu, Hs. same^j. Also Abbreviatur am Zeilen-
schluß, a 38 Dr. wszitka. Die Hs. hat hier kein klares »a« ; das »a«
1) Vgl. »Zur Gesch. usw.« S.12.
2) Von Malecki erwähnt in Prolegom. S.XLVII.
3) Ich notiere also für gewöhnlich nicht, wo für u ein v in der Hs. steht
n. ähnl.
*) Also besonders dann, wenn Malecki etwas zweifelhaft war.
13*
196 E. Hanisch,
hat deutlich die Form eines o, dann ist daraus ein a gemacht worden,
das aber einen Querstrich (a) hat. Es liegt hier wohl ein ursprüngliches,
doch gleich im Schreiben bemerktes Versehen (o statt a) vor; das vorher-
gehende Wort geht nämlich auf (^ aus (szemy^) und mit dem folgenden
zwyerz(j; ta schließt die Zeile, b 11 Dr. u. Hs. semye. b 26 Dr. u. Hs.
goroczszy. — S. 4a — . b 7 Dr. nyeprzyazn, Hs. nyeprzyyazn. b 12 Dr.
poczy^czya*. Das a der Ausgabe entspricht dem mit einem Längs- (vgl. ^)
und Querstrich (vgl. 3a 38) versehenen a der Hs. (ä). — S. 5a 26 Dr.
smarscza*. Das aiu der Hs. wie 4 b 12/13. a33Dr. precz, Hs. przecz, doch
ist das erste z verblaßt, vielleicht vom Schreiber schon getilgt? b 5 Dr. glos
twego brata, Hs. dittographisch : glos twego twego brata. b 24 Dr. znamy^^
na Kaymye. In der Hs. ist die Präposition darüber geschrieben : zna-
na
my(^ Kaymye. b 35 Dr. Mawyela a Mawyel, Hs. deutlich manyela ama-
myel, also n und m! — S. 6 a 10 Dr. sestrze, Hs. szestrze. all Dr.
Y rzekl, Hs. Yrzel. b 22 Dr. gest, Hs. gt |, also Abbreviatur am Zeilen-
ende, b 31 Dr. Malalael, Hs. Malael, aber b 26 Dr. und Hs. Malaleel,
b 34 Dr. und Hs. Malael, b36 Malaeel. — S. 7a 17 Dr. Matuzale, Hs.
Natuzale, a 9 u. 19 Hs. u. Dr. Matuzale, ebenso all Matuzaela Hs. und
Dr. a 24 Dr. Lamech, Hs. lamet. b 10 Dr. m^szowye, Hs. moszowye.
b 12 Hs. und Dr. syn boszy. vgl. b 3. — S.8a Dr. A konce, Hs. Akouce^).
b 5 Dr. gednego, Hs. gendnego. b 19 Dr. gemu, Hs. ge^, Abbreviatur
in Zeilenmitte, b 33 Dr. myesz^cza drugego, Hs. dittographisch: mye-
sz^icza drusjgego drugego. — S. 9a 28 Dr. nad zemy^, das in der Hs.
am Zeilenanfange steht (nadzemy^^). Die Zeile der Hs. (wie auch hier
gerade im Druck a 28) schließt mit wszitky; der Anfang der nächsten
Zeile, also unter nadzemyrj, beginnt wieder in der Hs. nadzemy^j gori,
Dr. a 29 nur gori. b 1 Dr. und PIs. nyebyesky (rechts darüber steht
robaky. Einfluß?). — S. 10a 1/2 Dr. gol^bek, Hs. golobek. a2 Dr.
sz;>, Hs. szo. a 9 Dr. sest a pyrwe lato, so auch Hs. sesta pyrwe lato 2).
b 15 Dr. h^d^ posz^idal s r^ky, Hs. b^d(^ pozywal posz^jdal sroky (vgl.
oben Abschnitt I). b 29 Dr. wyelikyemu, Hs. wyelikye''|, also Abbre-
viatur am Zeilenschluß, b 32 Dr. und Hs. mnogi. — S. IIa — , b4 Dr»
a bjidz, Hs. abodz. b 10 Dr. zyw wyeku swego dzewy^dzset, Hs. zyw
swego wyeku | wyeku swego dzewy^dz set, also Dittographie und auf-
*) Vgl. meine »Zusammenschreibung von Wörtern in älteren poln. und
cech. Hs.« S. 22. Daselbst auch über: okono (9 b 25).
2) Zu sesta vgl. meine »Zusainmenschreibung usw.« S. 21.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 197
fällige Trennung des dzewy^dz set i) ! b 1 6 Dr. u. Hs. Potek. b 3 1 Dr. kro-
lewstwa w Babylony. In der Hs. scheint ursprünglich am Zeilenschluß für
krolewstwa wbabys | etwas anderes gestanden zu haben, was getilgt wurde ;
diese Worte wurden dann in gröberen Buchstaben über die Rasur geschrie-
ben.— S. 12a 35 Dr.Decla (wieVulgata), Hs. deda. b4 Dr. podlug, Hs. po
dlug2), b 5 Dr. und Hs. yrjzyku. Genet. Sg., Einfluß des vorhergehenden
rodu, vgl. auch Babiaczyk s. v. j^zyk. b 10 Dr. nur die Kapitelzahl XI,
die Hs. hat noch (in Rot): kapytula. b 13 Dr. und Hs. nalazu, vgl. Ba-
byaczyk s. v. nalesc. b 19 Dr. wisok^, Hs. wisoko. b 22 Dr. sst^pyl,
Hs. sj'stopyl, — - S. 13 a 22 Dr. und Hs. dwye szczye lat y dwa roky.
Ich erwähne das, wegen der Bedenken von Semenovic Archiv IX 546.
b 7 Dr. Melche, Hs. Malche, dagegen b 6 Dr. und Hs. Melcha. b 12 Dr.
u. Hs. zon^ Aabramowa. — S. 14 a 4 Dr. a gydze, Hs. ygydze. a 9 Dr. u. Hs.
tujto. a25 Hs. u. Dr. przy. a31 Hs. u. Dr. schalyly. b 1 1 Dr. als Kapitel-
überschrift XIII. Das steht nicht in der Hs., sondern die ganze Zeile heißt
hier: czsosz gymyal trzeczyenaszczye capitula. Die letzten beiden Worte
als Kapitelüberschrift, in Rot. b20 Dr. Betelem. DieHs. hat hier eine Kör-
te
rektur: bedlem, also »te« über d verbessert, das »d« aber nicht getilgt. —
r
S. 15a 10 Dr. Yordana, Hs. mit Korrektur: yodana. a 30 Dr. moczne*
twego* syemy(>, Hs. ebenso bis auf twego, wofür man twege lesen kann,
allerdings ähnelt das e (am Ende) etwas einem o. a 33 Dr. und Hs.
wswyedzawszy, vgl. Babiaczyk s. v. wzwiesc. a 35 Dr. gest u Ebron,
Hs. get I webron. Also auch Abbreviatur am Zeilenschluß (letzte Zeile
von 8 verso a). b 3 Dr. aChadorlaomor, Hs. Achador aomor. b 5 Dr. Bara,
Hs. Baza. b 20 Dr. w Sabye, Hs. wsobye. b 20 Dr. Chariathaym, Hs. chana-
cHaym^j. Also beim h rechts ein Strich (vgl. dann im V. Teile!), b 26 Dr.
w Azonthamar, Hs. w azon thamar. b36 Dr. glribokich, Hs. globokich. —
S. 16a 27 Hs. und Dr. krolowye, dann a 37 dage gest. b 10 Dr. u. Hs.
Oddyelyo. b 14 Dr. przemyn^lo, Hs. przemynolo. b 23 Dr. u. Hs. mnogy.
b 27 Dr. ly^jdzwy, Hs. lyodzwy. — S. 17a 18 Dr. u. Hs. wtrzy zemye.
a 34 Dr. und Hs. zaluby (nicht zasluby). b 15 Dr. poy^^wszy, Hs. po=|
y^y^vwszy. Diese Dittographie wurde gemerkt und daher das erste, die
Zeile beginnende y^- zu tilgen gesucht, doch ist es noch ganz deutlich sicht-
1) Vgl. >Zusammenschreibung< S. 13ff.
2) Vgl. »Zusammenschreibung« S. 19.
3) Es ist vielfach sehr schwer ch und th zu unterscheiden.
198 E. Hanisch,
bar. b 20 Dr. und Hs. swu und rzekl. b 31 Dr. angyol, Hs. angyrjl. —
S. 18a 1 Dr. angyol, Hs. angy^^l. b 28 Dr. und Hs. mnogi. — S. 19a 14
Dr. po nyem, Hs. powyem. a 20 Dr. ustawy(^), Hs. vstawy (gerade dar-
über rosplodzy). b 1 Dr. y czudzoszemczi, Hs. yczudzoszenczi; vorher geht:
zakupyenczi. — S. 20a 9 Dr. u. Hs. Dopyoro. a 19 Dr. ot^d*, Hs.
ot=|t^d. a 21 Dr. przeczyw, Hs. prze czyAv^). a 34 Dr. wolanye, Hs.
mit Korrektur wola°^^, vgl. a 35 wolya. b 2 Dr. napeinyly to, Hs. na-
pelnyly ly to. b 7 Dr. sprawyedlywego z nyesprawyedlywim. In der Hs.
ist die Präposition darüber geschrieben, also Korrektur -wego^ nyespraw-.
b 10 Dr. odpuszczysz, Hs. od puszczysz, also Trennung 2). b 15 Dr. nye
y
przyslussa, Hs. nyeprzslussa, also darüber y korrigiert. — S. 21a 15 Dr.
przestal s* mowycz, die Hs. hat hier kein »s«, es ist ein verschriebener
Buchstabe, den ich (und Herr Harsänyi) für »1« halte (Nachhall m. E.
von »przestal«). Es liegt also (gegen Babiaczyk 1. c. Einleitung S. 31)
keine Textverderbnis vor, sondern einfache Verschreibung. a 25 Dr.
nogi wassze, Hs. dittographisch nogi wawassze. a 33 Dr. y mlodzy, Hs.
1
mit Korrektur ymodzy. b 1 6 Dr. wpuszczyly, in Hs. zwischen w und p
ein Raum frei für einen Buchstaben, der getilgt wurde und wohl i (nicht
y) war, also wipuszczyly ursprünglich, b 26 Dr. wolya*. Das a ist also
wieder das durchstrichene k (vgl. oben S. 5a 26). — S. 22a 28 Dr.
alisz, Hs. alysz. b 33 Dr. gemu, Hs. ge^ |, also Abbreviatur am Zeilen-
schluß. — S. 23a 3 Dr. poczy^lasta, Hs. poczy^ila sta, also eine auf-
fällige Trennung (vgl. »Zusammenschreibung« S. 20). a 23 Dr. A
wwszako, Hs. aw;|szako. b 29 Dr. Otocz, Hs. mit bemerkenswerter
Trennung o tocz. — S. 24a 27 Dr. und Hs. igrita. a 28/29 Dr. und
Hs. kasz dzewce vgl. Babiaczyk s. v. kazac. b 23 Dr. gemzeto, Hs.
genze to. Also n, nicht m. Ich will hier bemerken, daß in diesem Teile
der Hs. das enklitische -to gewöhnlich selbständig geschrieben wird.
Das ist wohl entweder als persönliche grammatische Erkenntnis dieses
Schreibers zu betrachten, oder als Tradition der Schreibschule, aus der
er hervorging (vgl. »Zusammenschreibung« S. 17 ff.), b 35 Dr. Abi-
melech, Ils. abi malech, also getrennt und a statt e. — S. 25a 14 Dr.
und Hs. drzewa. a 1 9 Dr. rzekl, Hs. dittographisch rzekl rzekl. a 2 0 Dr.
und Hs. comu. a 23 Dr. z mey rriky, Hs. zmey roky, a 26/27 Dr. und
1) Vgl. »Zasammenscbreibung usw.« 8.19.
-) Vgl. »Zusammenschreibung usw.« S.lOf.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. J 99
Hs. zalubyla (nicht zaslubyla, vgl. oben 17a 34 und Babiaczyk s. v.
zalubic). b 21 Dr. ogen, Hs. ogem. b 25 Dr. a ogen, Hs. yogen (also
hier n, vgl.b21 m). b37Dr, rrjky. InderHs. ist das (> etwas undeutlich,
so daß man auch o lesen könnte. — S. 26a S Hs. wie Dr. to yze ge vgl.
Babiaczyk, Einleitung S. 42. a 18 Dr. y grodi, Hs. ygrodi, wobei aber
das g aus ursprünglichem d (Einfluß der zweiten Silbe) korrigiert ist.
a 19 Dr. b^^dzesz, Hs. bodzesz. a 20 Dr. und Hs. posegnano. b 7 Dr.
Ath*, die Hs. Ath, wobei das th, wie oft, dem ch ganz ähnlich ist (Vul-
gata Heth), ebenso liegt es b 10, dagegen b 17 Dr. und Hs. Eth, b 25 Dr.
und Hs. Heth. b 30 Dr. y s t^ yaskyny^i, Hs. ysto yaskyny^. —
S. 27 a 6 Dr. za czczokoly, Hs. zaczczy koly. Also Trennung und y
statt 0, gerade darüber steht das y von zawazy (a 5). a 22 Dr. y s t(i
yaskynyr:^, Hs. ysto yaskynyrj (vgl. oben 26b 30). a 25 Dr. gemu, Hs.
ge^l, also Abbreviatur am Zeilenschluß. bl5 Dr. und Hs. sonrj. —
S. 28a 1 Dr. ktor^sz, Hs. ktorosz. a 7/8 Dr. na pleczoma, Hs. naple-
czomu. a 17/18 Dr. wylbl^dom, Hs. wyelblodom, dasselbe in der Hs.
(gegenüber dem Dr.) a 21, doch stimmt Hs. und Dr. a 25 wyelbl^idowye.
b 4 Hs. und Dr. prawdrj czyst^. b 1 8 Dr. wyelblr^dow, Hs. wyelblodow
ebenso b 23 Dr. wyelblrjdi, Hs. wyelblodi. b 22 Dr. A wwyodl, die Hs.
schreibt Aw w^'odl (vgl. dazu »Zusammenschreibung« S. 19). — S. 29a 2
Dr. gemu, Hs. ge^|, also am Zeilenschluß, a 15/16 Dr. Tedi przyszedl,
sm
Hs. mitKorrektur: Tedi przyszedl. a24 Dr. wyelblr^dom, Hs. wyelblodom
a 3 1 Dr. A ona, Hs. Aom, also m, nicht n, und kein a. b 1 0 Dr. czso,
s
Hs. mit Korrektur: czo. b 18 Dr. pana twego syna, die Hs. pana sy
(das »sy« ist dann als Verschreibnng bemerkt und durchgestrichen) twego
syna. b 20 Dr. Abramow usliszal. Die Hs. hat Abramow vczynyl
vsl; I szal. Also in der Ausgabe fehlt vczynyl und dann ist vslszal zu
schreiben, b 25 Dr. uczyniwszy, Hs. vczywszy. — S. 30a 28 Hs. und
Dr. hrjd^ rod. b 5 Dr. ly^iknye, Hs. lyoknye. b 22 Dr. Panem twim
gegosm ostawyl. Die Hs. hat vstawyl (allerdings nähert sich die Gestalt
des »V« dem »o« etwas, so daß die Verwechslung leicht war, vielleicht
lag auch ursprünglich eine Verschreibung vor). Damit stimmt auch der
Vulgatatext Genes. 27, 37: constitui. Der Beleg bei Babiaczyk unter
»ostawic« ist also (der einzige für »constituere« !] zu streichen und zu
»ustawic« zu zählen. Ich wiU hier auch darauf verweisen, daß es dann
weiter heißt (b 23/25) nach der Hs. (und dem Dr.): y nadwyele wyna
yoles I yu gestm gi panem ustawyl. Also wieder ustawj^I, wozu hier die
200 E. Hanisch,
Vulgata (Genes. 27, 37) heute liest: frumento et vino stabilivi eum. Für
»vino'< gibt es aber eine Variante: oleo. — S. 31a 2 Dr. zolostni*, Hs. richtig
zalostni. a 32 Hs. (und Dr.) kulabanowu (es folgen noch vier Worte auf
-u). b 10 Dr. syostr(>, Hs. syostro| am Zeilenschluß, darüber endet die
Zeile Ysmahelo; wrj. b 37 Dr. A Irjkl, Hs. Alokl. — S. 32a 11 Hs.
und Dr. czy^/szczy. b 25 Dr. gemu, Hs. ge""! Zeilenende! — S. 33a 29
Dr. wy^cey, Hs. wyocey. a 30 Dr. gemu, Hs. ge^ | Zeilenschluß! b 19 Dr.
wszitko szr^ bil Jacob w gymyenye przesylne. Dazu Anmerkung: »Tu
wypuszczone 3 wyrazy znachodzace sie w Wulgacie, przez nieuwage
tlömacza«. Hs. wszitko 8zr> do;|stalo Jacobowy. Irozplodzyl szr^ bil |
Jacob wgymyenye przesylne. — S. 34 a 2 Dr. gemu, Hs. ge^' | Zeilenende!
a 8 Dr. a pzredwczorayszym, Hs. aprzed wczorayszym. b 4 Dr. otjrjl,
Hs. otyol. b 13 Dr. und Hs. strzecz. — S. 35a 6 Hs. und Dr. wnrjkow.
b 14 Dr. yaczyem wszitky skodi, Hs. yaczyem skodi wszitki | skodi.
b 31 Dr. gest, Hs. gtl, Zeilenende! — S. 36a 18 Dr. und Hs. myecz
mee ] (Zeilenende), b 21 Dr. ku gednemu, Hs. kugedne^ |, Zeilenende!
b 35 Dr. brata mego Ezau, Hs. brata ] mego mego Ezau. — S. 37a 6/7
Dr. kooz dwy* ssczye, Hs. deutlich kooz dwye ssczye. a 9 Dr. wyel-
blj^dow, Hs. wyel-|blodow. b 20 Dr. temu, Hs. te'' |, Zeilenende, b 21
Dr. wy [dzyal] gesm. Die Hs. hat hier tatsächlich die Maieckische Ergän-
zung, nämlich ganz deutlich: wy-|dzal. b 30 Im Druck ein Kapitelab-
satz, der in der Hs. nicht ist. Es folgt vielmehr in derselben Zeile fort-
fahrend auf das: szmyerczy unmittelbar: Potem, wobei noch hervorzuheben
ist, daß das P schwarz geschrieben ist, nicht, wie bei Kapitelanfängen
sonst, rot. b 33 Dr. swemu, Hs. swe^ ', Zeilenende!
Zweiter Schreiber S. 38a 4 bis S. 40 der Ausgabe.
S. 38a 4 Dr. s placzem, Hs. splaczyem. a 9 Dr. slugr^, Hs. slugo.
a 26 Dr. gemu, Hs. hier im Zeileninneren ge'''. a 26 27 Dr. Ezau:
Podzmi pospolu, Ha. Esa: v. Podz mi sso pospolu. Also das »v« in Ezav
steht auf der nächsten Zeile und eine (durchgestrichene) Verschreibung :
SSO. b 7 Dr. gest, Hs. gt |, Zeilenende, b 10 Dr. Mezopotamyey, Hs.
Mezopotanyey, also n, nicht m. bil Dr. myasta y kupyl to polye. In
der Hs. sind die Worte ykupyl to polye an dem rechten Rande nachge-
tragen. Bei myasta zeigt ein liegendes Kreuz x den Nachtrag am Rande
an. b 22 Dr. swemu, Hs. am Zeilenanfange hier die Abbreviatur swe^.
b 35 Dr. gemu, Hs. ge^, im Zeileninnern. — S. 39a 29 Dr. und Hs.
dzewkye. b 10 Dr. zwy^zawszy, Hs. zwyozawszy. b 18 In der Aus-
gabe ist die Kapitelzahl XXXV gesetzt, die in der Hs. ursprünglich nicht
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 201
8teht^ eine ganz späte Hand (Piekosinski?) hat hier die Zahl XXXIIII
mit Bleistift (dünn und klein) hingeschrieben, b 34 Dr. na wszitka, Hs.
w
mit Korrektur* naszitka. — S. 40a 1/2 Dr. w zemy, Hs. wzemye, doch
ist das e am Ende verlöscht (aber noch deutlich), a 5 Dr. Dosbora*, Hs.
Dolbora, das 1 ist deutlich, a 7 Dr. temu, Hs. te", im Zeileninnern.
a 13 Dr. gemu, Hs. ge^, im Zeileninnern. Es mehren sich also hier beim
zweiten Schreiber schon die Abbreviaturen im Zeileninnern, man ver-
gleiche dazu den ersten Schreiber ! a 1 7 Dr. ktorom* dal, Hs, ktor^m. |
dal. Vulgata (Genes. 35, 12) terramque, quam dedi. a 22 Dr. odt^rjd, Hs.
trennt od t^rjd. a 25 Dr. syna, Hs. syna, also ii! a 28 Dr. gemu, Hs. am
Zeilenanfang hier ge^. a 33 Dr. To, Hs. kto, hier ist das k entweder
absichtlich ausgewischt oder im Laufe der Zeit verblaßt, doch ist das k
noch deutlich erkennbar, b 2 Dr. nye moglo utagycz , Hs. nyeniogla
vtagycz, es ist aber das a in mogla etwas weniger deutlich als sonst die
a der Hs. b 8 Dr. Syno* Zelphe, Hs. Syno; | zelphe. b 20 Dr. hat die
Kapitelzahl XXXVI. In der Hs. ursprünglich keine Kapitelüberschrift,
doch hier (wie vorher 39b) von ganz später Hand (Piekosinski?) mit
Blei XXXV. Im ersten Worte des Kapitels Tocz ist das T, wie üblich bei
Kapitelanfängen, rot.
(Fortsetzung folgt.)
Beuthen 0. 'S. Erdmann Hanisch.
Kritischer Anzeiger.
Entstehungsgeschichte der kirchenslavischen Sprache.
Neue berichtigte und erweiterte Ausgabe von V. Jagic. Berlin,
Weidmannsche Buchhandlung. 1913. VIII + 540 SS. in 8^.
Die vorliegende Neuauflage des rühmlichst bekannten Werkes unseres
Altmeisters blieb dem bewährten Plane der ersten, im Jahre 1900 (in den Denk-
schriften der kais. Akademie der Wissenschaften, philos.-hist. Kl., Bd. XLVII)
erschienenen Ausgabe treu und rüttelte auch nicht an den festen Ergebnissen
in den einzelnen Fragen, welche in ihrer Gesamtheit das Problem über die
Entstehung der ältesten slavischen Schriftsprache und über Umfang und
Charakter der ersten Übersetzungen darstellen. In dieser Beziehung enthielt
das Werk schon in seiner ersten Fassung die Summe der Ansichten, zu denen
der Verfasser im Verlaufe seiner langjährigen Arbeit auf dem Gebiete der
altkirchenslavischen Philologie gelangt war und durfte als endgültige For-
mulierung derselben gelten. Die Neuauflage ist zugleich ein Beweis, daß die
wissenschaftliche Diskussion des eben verflossenen Dezeniums, soweit sie die
historischen Ereignisse im IX. Jahrhundert betraf, nicht imstande war, an den
Darlegungen des Verf. Änderungen hervorzurufen. Dieser Teil des Buches
dürfte wohl für eine lange Reihe von Jahren den festen Ausgangspunkt für
jegliche weitere Forschung bilden. Ohne Änderung blieb ferner der Teil des
Buches, welcher gewissermaßen die innere Geschichte des Problems im
Schöße der slavischen Philologie vorführt. Zu einer Umarbeitung dieses
Teiles fehlte jeglicher Anlaß. Denn was über die Frage nach der Heimat der
altkirchenslav. Sprache von den Hauptvertretern unserer Wissenschaft, von
Dobrovsky, Kopitar, Vostokov, Safarik, Miklosich gelehrt und schließlich
von dem Verf. selbst bereits im Jahre 1870 (im I. Bde dieser Zeitschr.) und
später in Vorlesungen und gelegentlichen Abhandlungen dargelegt wurde,
war in der Tat bereits in der ersten Auflage so klar und trefflich, so plastisch
und eingehend kritisch erörtert worden, daß eine der Sache besser angepaßte
Fassung kaum möglich erscheint. Dagegen erfuhr der dritte, der lexikalische
Teil des Buches eine sehr wesentliche Erweiterung. In diesem Abschnitt ist
die vorliegende zweite Auflage gänzlich umgearbeitet und bietet eine neue
Grundlage für weitere Untersuchungen und Beiträge. Für diesen Zweig der For-
schung brachten nämlich die eben verflossenen Jahre eine reiche und ergiebige
Jagic, Entstehungsgesch. d. kircbenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 203
Literatur. Der Verf. selbst hatte inzwischen seine neuen Arbeiten über den
Psalter veröffentlicht (Einleitung zu dem Werke >Die Miniaturen des serbi-
schen Psalters« von Josef Strzygowski, Wien 1906, Denkschr. ; Psalterium
bononiense, Berolini 19Ü7,, es hatte ferner Prof. B. Conev die Analyse eines
mittelbulgarischeu Evangelientextes (Dobrejsovo cetveroevangelie, Sofia 1906)
und Prof. S. M. Kulbakin eines solchen Aposteltextes (des Ochrider, Sofia
1907) publiziert und zahlreiche andere Spezialarbeiten von Pogorelov, Mi-
chajlov, Jevsejev, Nachtigal, Vajs über einzelne Bücher des Alten Testamentes
ergaben eine solche Fülle neuen lexikalischen Materials, daß eine Heran-
ziehung desselben notwendig zur Umarbeitung der einzelnen Stichworte und
in der Folge auch zu mannigfacher Berichtigung früher gefaßter Ansichten
führen mußte. Der Fortschritt gegenüber der ersten Auflage ist in dieser
Beziehung ganz besonders hoch anzuschlagen. Erst jetzt sind wir imstande,
uns über jene charakteristische Evolution, welche früher als lexikalischer
Dualismus bezeichnet wurde, eine etwas richtigere Vorstellung zu bilden.
Der Verf. selbst trachtet, wo dies nur einigermaßen möglich ist, zu bestimmen,
in welche Schichten die einzelnen lexikalischen Varianten zu versetzen und
welchem lokalen Hintergrund sie zuzuweisen wären. Weiteren Spezialunter-
suchungen dürfte es vorbehalten sein, die in diesem lexikalischen Teil des
Buches niedergelegten reichhaltigen Bemerkungen näher zu prüfen und daran
etwaige Korrekturen anzubringen. Gegenwärtig darf es wohl als ausgemacht
gelten, daß dieser glänzende Abschnitt der vorliegenden zweiten Auflage
einen gewaltigen Schritt auf dem Wege zur systematischen Zergliederung des
reichhaltigen, in den altkirchenslav. Quellen niedergelegten lexikalischen
Materials bildet und als eine würdige Fortsetzung in der Reihe der Unter-
suchungen des Verf., die mit der Analyse des Assemanianus im Jahre 18G5
begannen, sich darstellt.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen gehe ich an die Besprechung
der sehr zahlreichen Zusätze, Erweiterungen und Umarbeitungen, welche die
neue Ausgabe charakterisieren, indem ich dabei die Reihenfolge beobachte,
wie sie im Buche selbst vorliegt.
In dem ersten, dem geschichtlichen Teile (Kap. 1 — 52) sind die Zusätze
und Änderungen ganz kurz gehalten. Der Verf. beschränkt sich darauf, mit
wenigen Worten den Standpunkt anzudeuten, welchen er gegenüber den Er-
gebnissen neuerer Publikationen in diesen Fragen einnimmt. Da es sich hier-
bei durchwegs um wichtige Bemerkungen handelt, hebe ich die einzelnen
Fälle hervor.
Anlaß zu verschiedenen Deutungen bietet gleich das Entstehungsjahr
der slavischen Schrift. Nach der Darstellung der sogenannten pannonischen
Legenden ergibt sich dafür das Jahr Sü3. Dagegen scheint die Nachricht des
Mönchs Chrabrx zu sprechen, der ausdrücklich das Jahr 6363 als solches be-
zeichnet. Nach der üblichen Weltära (550S) ergäbe dies das Jahr 855 und
demgemäß wurde z. B. von Lamauskij u. a. dieses Jahr als das Entstehungs-
jahr angenommen. Doch die Rechnung nach der Weltära 5500 ermöglicht es,
auch bei Chrabrx die Jahreszahl S63 zu finden und dieser Berechnung stimmt
diesmal der Verf. ausdrücklich zu S. 14).
204 Kritischer Anzeiger.
Eine gewisse Schwierigkeit bildet bekanntlich die Deutung der Reise
der beiden slavischen Missionäre nach Venedig, worüber die Konstantin-
legende so ausführlich berichtet. Es ist nicht recht klar, welchen Zweck
dieser Aufenthalt und die daselbst stattgehabten Disputationen gehabt haben.
Prof. W. Novotny (Ces. cas. histor. XVII, 1911, 272fg.) versuchte die Sache
so aufzuklären, daß die Brüder von Venedig aus nach Konstantinopel sich
begeben wollten. Der Verf. teilt diese Meinung nicht und verweist mit Recht
darauf, daß die Reise nicht aus Mähren, sondern aus Westpannonien unter-
nommen wurde. »Die gastliche Aufnahme, die sie (die beiden Missionäre) bei
Kocel fanden, der kurz vorher mit Salzburg sehr enge Beziehungen hatte,
widerspricht entschieden der Annahme, daß sie jetzt noch an Konstantinopel
gedacht haben und nicht vielmehr an die nächste Nachbarschaft, also etwa
Aquileia — Venedig, wo nicht Rom« (S. 26).
Von Interesse ist es auch daraufhinzuweisen, daß die ziemlich scharfe
Polemik gegen die Jugendschrift Prof. Goetz' > Geschichte der Slavenapostel
Constantinus und Methodius« (Gotha 1S97) in der Ausdrucksweise wohl ge-
mildert (vgl. S. 33— 36,61), in der Sache jedoch aufrecht gebalten wird. Die Er-
klärung dafür bringt die Anmerkung auf S. 61, wo auch eine briefliche Mit-
teilung Prof. Götz' selbst zitiert wird, worin derselbe ohne weiteres zugibt, in
seiner »Geschichte der Slavenapostel« ohne genügende Ausrüstung einen
sehr schwankenden Grund betreten zu haben.
Auf S. 41—42 lesen wir einen Zusatz, welcher den in der slavischen
Vita Methodii enthaltenen Brief des Papstes Hadrian IL betrifft. Prof. Von-
dräk ist bekanntlich der Ansicht, daß dieser Brief nicht authentisch ist [vgl.
Bd. XX, 141 fg. dieser Zeitschr.). In der vorliegenden Auflage wird nun eine
Mitteilung Prof. Vondräk's zum Abdruck gebracht, aus welcher hervorgeht,
daß er nicht so weit gehen möchte, dem Urheber der Legende (das ist nach
seiner Ansicht bekanntlich — Klemens) eine absichtliche Fälschung zuzu-
schreiben, sondern eher an eine verschiedene Darstellung denkt, bei welcher
unwillkürlich Gedanken aus dem Briefe Johanns VIII. vom Jahre 880 einge-
flochten wurden. Der Verf. fand keinen Anlaß, zu dieser mildernden Auf-
fassung Stellung zu nehmen. Dagegen widerlegt der Verf. den hauptsäch-
lichsten Grund, welchen Dr. Fr. Hybl (Ges. cas. bist. XIV, 1908) gegen die
Echtheit des Briefes Hadrians II. ins Feld geführt hatte, mit folgenden Er-
wägungen: »Er (Dr. Hybl) findet hauptsächlich Anstoß daran, daß in diesem
Brief die Bewilligung , die Messe in slavischer Sprache zu lesen, nicht aus-
drücklich ausgesprochen sei. Mir scheint im Gegenteil gerade darin ein Be-
weis der Echtheit eines solchen Briefes (wohl nicht in wörtlicher Wiedergabe,
sondern nur seinem wesentlichen Inhalte nach) zu liegen. Der Papst hielt
sich an die uns auch sonst bekannte Tatsache, daß Methodius nach dem
leuchtenden Beispiele seines verstorbenen Bruders mit der Übersetzung und
auf Grund derselben mit der Erklärung aller auf den gottesdienstlichen und
rituellen Brauch bezugnehmenden Schriften in die slavische Sprache mit
Billigung des Papstes beschäftigt war. Der Zweck dieser Tätigkeit wird aus-
drücklich auf die Ausübung der Messe und des Taufritus ausgedehnt. Nur
bezüglich der Messe folgt die Einschränkung, die durchaus nicht gerade aus
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 205
der gleichen Einschvänkuug des Papstes Johannes VIII. herübergenommen
sein muß. Hätte ein Fälscher, der offenbar diesen Brief zugunsten der slavi-
schen Liturgie fabriziert hätte, so vorsichtig, mit solchen Klauseln, die Auße-
rimg des Papstes ausgestattet? Nein, gerade die Zurückhaltung in der
Sprache dieses Briefes gegenüber einer neuen, weite, noch unbekannte Fol-
gen in sich enthaltenden Tatsache spricht stark für die Echtheit des Briefes
in seinem wesentlichen Inhalt« (S. 42).
Die sogenannte pannonische Legende vom hl. Method spricht bekannt-
lich von einem »mährischen König«, der Zeuge war des Streites zwischen
Methodius und den deutschen Bischöfen. Man nahm vielfach an, daß dabei
an König Ludwig den Deutschen zu denken sei (Dümmler, Dudik, Goetz u.a.).
Der Verf. pflichtet dagegen der Ansicht bei, daß der »mährische König« nie-
mand anderes als Svetoplxkx sein könne, wie dies schon Racki angenommen
und in neuerer Zeit besonders B. Bretholz (Mitteilungen des Instituts für
österr. Geschichtsforschung, Bd. XVI, 1895, 342 fg.) dargelegt hat, welcher
Deutung ich (Dejiny slov. ap., 101) und auch Prof. W. Novotny (Ceske dejiny
I, 348) zustimmte.
Ein schwerwiegendes Ereignis im Leben Methods bildet das im Jahre 879
von Papst Johann VIII. erlassene und durch den Legaten Paulus von Ancona
überbrachte Verbot, die Messe in slavischer Sprache zu lesen. So sicher es
ist, daß dieses Verbot dem Methodius eingehändigt wurde, ebensowenig kann
bezweifelt werden, daß dieser dem Befehle des Papstes nicht nachkommen
konnte. Von Seiten der katholischen Kirchenhistoriker werden immer wieder
Versuche unternommen, dieses Verhalten Methods zu rechtfertigen, allerdings
mit wenig Erfolg. Die älteren Ausführungen Racki's (Viek i djel. 299) wies
der Verf. schon in der ersten Auflage zurück, während die Ansichten von
Fr. Snopek (List. pap. Hadriana IL, Olmütz 1896) einfach verzeichnet wurden.
Das letztere geschieht diesmal mit dem neuesten Versuch Dr. S. Ritigs (Povijest
i pravo slovenstine u crkv. bogosl.. Agram 1910), der das Verhalten Methods
gegenüber dem Befehle des Papstes Johannes VIII. auf das jus remonstrantiae
zurückzuführen sucht.
Eine wichtige Tatsache wird auf S. 57 und besonders S. 64 — 65, 68 hinzu-
gefügt, nämlich die von Erich Caspar (Studien zum Register Johannes VIII. ,
im NA. der Ges. für alt. d. Geschichtskunde, XXXVI, 1910, S. 79—156) erfolg-
reich durchgeführte Beweisführung, daß die im XL Jahrhundert in Monte
Cassino gemachte Abschrift der päpstlichen Regesten, worin bekanntlich auch
der Brief vom Jahre 8S0 enthalten ist, das Originalregister der Briefe Jo-
hannes VIII. als ihre Vorlage voraussetzt. Die Zweifel an der Echtheit dieses
päpstlichen Dokumentes (jetzt abgedruckt MS. Epp. t. VII, 222 n. 255), das
die feierliche Anerkennung der slavischen Liturgie ausspricht, dürften nun
verstummen. Vgl. auch die zustimmenden Äußerungen der böhmischen Histo-
riker Prof. Novotny (Gas. pro mod. filol. I, 1911, 74—75) und Prof. K. Krofta
(Ges. cas. hist., XVIL 1911, 257).
Beachtenswert ist die Berichtigung auf S. 65, welche sich auf die Worte
desselben päpstlichen Briefes vom Jahre 880 bezieht, wie man sie früher all-
gemein las: coram positis fratribus vestris. Von diesem Wortlaut ging auch
206 Kritischer Anzeiger.
der Verf. in der ersten Auflage aus. Nun zeigte es sich , daß diese Lesart
nicht richtig ist. Deshalb die notwendige Berichtigung. »Da in dem Original
nicht fratribus vestris, sondern fratribus nostris steht, so entfallen alle Kom-
binationen darüber, wer von den dem Methodius nahegestandenen Bischöfen
oder aus den mit ihm benachbarten Gegenden dabei hätte sein können. Es
sind wohl hauptsächlich römische und italienische Bischöfe gemeint gewesen,
möglicherweise allerdings auch der Erzbischof von Salzburg , wie es Racki
(V. i d. 329) vermutete«.
Mehrfache Änderungen erfuhr der Abschnitt, welcher von der Taufe
Borivojs durch Methodius handelt (S. 70 — 73). Zunächst wurde das Zitat aus
Marignola, als historisch wertlos, ausgeschieden und nur die Darstellung be-
lassen, welche die mährische Legende bietet, wobei ausdrücklich bemerkt
wird, daß diese Quelle nach den Forschungen Prof.Pekars als älter anzusetzen
sei (in die zweite Hälfte des XIL, spätestens in die erste Hälfte des XIIL Jahr-
hunderts), als Dobrovsky meinte (ins XIV. Jahrhundert). Dazu kam nun die
Christianlegende, als neu erforschte Quelle, die von Prof Pekar für älter als
Kosmas erklärt und ins X. Jahrhundert versetzt wird (vgl. dessen aus-
führliche Abhandlung: Die Wenzels- und Ludmilalegenden und die Echt-
heit Christians. Prag 1906). Der Verf billigt allerdings diese Chronologie
nicht, sondern findet, daß die »Ausschmückung im Gegensatz zur schlichteren
Darstellung in der mährischen Legende, der auch die Translatio bekannt ist,
wofür Christian ganz kuriose Dinge erzähle, nicht für das von Prof Pekar der
Legende Christians zugeschriebene sehr hohe Alter (X. Jahrhundert) spreche«
(S. 71). Vgl. auch die Anmerkung auf S. 103. Die merkwürdige Nachricht
des sogenannten Dalimil — diese altböhmische Eeimchronik stammt bekannt-
lich aus den Jahren 1308—1318 — blieb auch in der neuen Auflage ohne
Änderung. Dagegen schließt der ganze Abschnitt mit folgenden Worten,
die neu hinzugefügt sind: >Die neiiesten Geschichtsschreiber verhalten sich
zur Frage über die Taufe Borivojs verschieden. Neben Wattenbach und
Dümmler, die entschieden dafür waren, sind die neueren deutschen Geschichts-
schreiber dagegen, während die slavischen durchwegs an der Darstellung der
böhmischen Quellen und der slavischen Wenzelslegende festhalten. Vgl. die
Übersicht der einschlägigen Literatur bei Pekar S. 2u0 — 2U4 und V. Novotny
I, 1, S. 381 — 385. Die Nichterwähnung Borivojs in der Vita Methodii ist zwar
auffallend, die Taufe könnte aber als eine intime Sache, die sich am Hofe
Svatopluks abspielte, aufgefaßt worden sein, wovon man als einem einzelnen
Akte nicht gerade Erwähnung machen mußte« (S. 73). Aus dieser Schluß-
bemerkung scheint hervorzugehen, daß der Verf. nicht mehr so starr an dem
ablehnenden Standpunkt der ersten Auflage festhält.
Die Nachricht der slavischen Vita Methodii von einer Reise des Apostels
zum Kaiser (nach Koustantinopel) wird jetzt allgemein als geschichtlich an-
genommen. Vgl. die Zustimmung bei Dr. Hybl (Ces. cas. bist. XIV, S. 409 —
412), bei Prof. Jirecek (Gesch. d. Serben. I, 1911, 176) u. a.
Einen bezeichnenden Satz lesen wir als Zusatz im Text auf S. 81:
»Brückner lacht sie aus«. Nämlich die Erzählung der Legende von dem Zu-
sammentreffen Methods mit den Magyaren an der Donau, dessen Möglichkeit
Jagic, Entstehungsgeach. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 207
hervorragende Historiker, wie Dümmler (Meth. 198) nnd Racki (Viek i djel.
361 — 362), zugaben. Auch der Verf. verzeichnet die Nachricht, ohne an ihrer
Tatsächlichkeit zu zweifeln. Der Standpunkt Prof. Brückners ist bekanntlich
ein anderer. Seine Beurteilung der slavischen Legenden als historischer
Quellen ist in vielen Punkten grundsätzlich ablehnend. Der obige Satz zeigt,
wie scharf der Gegensatz zwischen den Ansichten des Verf. und denen Prof.
Brückners in dieser Beziehung ist. Es ist unter solchen Umständen begreif-
lich, daß der Verf sich nicht entschließen konnte, in die Neuauflage seiner
> Entstehungsgeschichte < eine fortlaufende Polemik gegen die einzelnen im
XXVIII. Bd. dieser Zeitschr., S. 186— 229, veröffentlichten »Thesen« Prof.
Brückners aufzunehmen. Soviel ich merke, wird weder früher noch später
von Prof Brückner im Texte gesprochen. Eine Erklärung dafür geben einer-
seits die Worte der Vorrede: »Innerhalb der zwölf Jahre, seit dem Erscheinen
derselben (der ersten Ausgabe der vorliegenden Schrift), sind allerlei neue,
nicht nur mit meiner Darstellung, sondern auch untereinander kaum verein-
bare Ansichten laut geworden, deren Bekämpfung und Widerlegung mir
widerstrebte« (S. VII) , anderseits die Anmerkung auf S. 94, in welcher es
heißt: »Die Thesen Brückners stehen bei allem Scharfsinn seiner Kritik dieser
merkwürdigen Kulturerscheinung gegenüber auf einem Standpunkte, den ich
nicht teilen kann. In die Polemik sich einzulassen, wäre um so weniger an-
gezeigt, als ja unsere beiden Standpunkte ganz unvereinbar sind.«
Mehrfache Änderungen erfuhr der Abschnitt (S. 81 — 83), welcher über die
Nachricht der slavischen Legende handelt, daß Method mit Hilfe zweier schnell-
schreibender Priester »alle Bücher« (sc. der heil. Schrift) »mit Ausnahme der
Makkabäer aus der griechischen Sprache in die slavische im Verlaufe von
sechs Monaten« übersetzt habe. In der ersten Ausgabe stand der Verf auf dem
Standpunkt, daß »diese Notiz im vollen Wortlaute gewiß nicht genau sei«,
und daß man »bei den sehr ungenauen Resultaten der bisherigen Forschungen
nicht den Eindruck gewinne, daß gerade das ganze Alte und Neue Testament
zu Methods Zeiten bereits übersetzt war, oder daß Method das ganze Alte
Testament übersetzt habe«; »viel wahrscheinlicher klinge es, zu sagen, daß
Methodius entweder bloß das sogenannte Parömienbuch übersetzte, worin
Lektionen des Alten Testamentes aus verschiedenen Büchern enthalten sind,
oder etwa die Hauptteile des Alten Testamentes, z. B. den Pentateuch oder
die Propheten«. Es darf als erfreuliches Ergebnis der Spezialforschungen
über einzelne Bücher des Alten Testamentes, worüber später (im lexikalischen
Teile) gehandelt wird, gelten, daß der Verf diese Ansichten vielfach geändert
hat. Der gegenwärtige Standpunkt des Verf.s ließe sich etwa folgendermaßen
definieren. Die Nachricht der Legende, daß Konstantin in Gemeinschaft mit
Methodius zunächst das Evangelium, den Apostolus, den Psalter und eine
Auswahl der Kirchenoffizien übersetzte, dürfte wohl richtig sein. Als sehr
wahrscheinlich kann weiter angenommen werden, daß darauf, gewissermaßen
als weitere Etappe in der Übersetzungstätigkeit, das sogenannte Parömien-
buch, worin Lektionen des Alten Testamentes aus verschiedenen Büchern
enthalten sind, sei es von Konstantin, sei es von Methodius, aber in seinen
früheren Jahren, übersetzt wurde. Den Abschluß des Werkes, der in den
208 Kritischer Anzeiger.
letzten Lebensabschnitt des Methodius fiel, bildete dann die Übersetzung der
Hauptteile des Alten Testamentes. Das Ergebnis dieser eifrigen Tätigkeit
war somit, daß im großen und ganzen die Übersetzung der Bibel schon zu
Lebzeiten des Methodius zu Ende geführt wurde. Vgl. jetzt die Ausführungen
von Prof. Resetar (Bd. XXXIV, 234 fg. dieser Zeitschr.) und von Dr. Vajs
(ebd. 483fg.). Mit der weiteren Notiz der Legende, daß Method (gegen das
Ende seines Lebens) auch den Nomokanon und den Paterik übersetzt habe,
kann man sich, sagt der Verf., ganz einverstanden erklären. In bezug auf den
Nomokanen sind keine neueren Forschungen zu verzeichnen. Dagegen hat
Prof. Sobolevskij (Sbornik LXXXVIII, Beil. Nr. 3, 1910, S. 1 1 1) die Vermutung
ausgesprochen, daß unter denOttcBskyje k-Lnigy derLegende der sogenannte
Paterik rimskij (Besedy papy Grigorija Velikago) zu verstehen sei. Doch
fehlen noch nähere Untersuchungen, um diese Annahme zu stützen. Diese
ganze Frage liegt, sagt der Verf., noch sehr im Dunkeln, wie auch die Frage
nach den griechischen ra naxeniy.ä (Krumbacher, Byz. Literaturgesch.2 188).
Eine vielseitige Beachtung beanspruchen die Kijever Blätter, welche
der Verf. mit Recht als einen sicheren , sehr alten Beleg dafür ansieht, daß
entweder Method selbst, oder die zunächst auf ihn folgende Zeit bereit war,
den ganzen Ritus der römischen Kirche entsprechend einzurichten (S. 88).
Gegenüber den zuletzt namentlich von Prof. Vondräk (0 püvodu Kijevskych
listü, Prag 1904) und Prof. Sobolevskij (zuletzt in Sbornik a. a. 0. S. üOfg.)
vertretenen Theorien über Ursprung und Schicksale dieser Fragmente beharrt
der Verf. auf seinen mehrmals dargelegten Ansichten, daß die jetzige Form
der Bruchstücke mährischen Einfluß verrate, während die erste aus dem
Lateinischen geflossene Übersetzung des Werkes weiter unten im Süden, im
Bereich der pannonischen Slovenen oder Kroaten entstanden sei (S. 89). Die
Einbeziehung der »Kroaten« ist hier neu. Vgl. die betreffende Stelle im
XXIV. Bd. dieser Zeitschr., S. 263. Ohne Zweifel richtig ist ferner die Be-
merkung, daß die Kijever Blätter ein Beweis seien für die schon in jener alten
Zeit (IX. — X. Jahrhundert) bestehende Existenz der Laute c, z im Altmähri-
schen, und daß an dieser Tatsache die Theorien Prof. Vondraks nichts zu
ändern vermögen (S. 218), Später formuliert der Verf. — man sieht eben,
welche überaus wichtige Rolle diese Blätter spielen — seine Meinung noch-
mals in folgendem Zusatz: »Auf der Balkanhalbinsel ist für dieses Denkmal
sowohl sprachlich wie auch inhaltlich kaum so leicht einen Platz zu finden,
wo man es unterbringen sollte. Sprachlich läßt es sich von dem böhmisch-
mährisch-slovakischen Sprachgebiet nicht leicht trennen. Inhaltlich ist es
ein Bruchstück eines auf lateinischer Vorlage beruhenden Sakramentariums,
dessen Übersetzung außerhalb des alten Schauplatzes der slavischen Liturgie
(Mähren-Pannonien) nur noch in Böhmen im Norden und in Kroatien im Süden
hat stattfinden können« (S. 24(i).
Der Brief des Papstes Stephanus V. (vom Jahre 885, von "Wattenbach in
Heiligenkreuz entdeckt) verursacht bekanntlich große Schwierigkeit. Der
Verf. nahm in der ersten Auflage den Standpunkt ein, daß dieser Brief in
seinem Inhalte verdächtig ist. In der vorliegenden Neuauflage wird dieser
Standpunkt festgehalten, insbesondere gegenüber Dr. Hybl (Ges. fcas. bist.
Jagic, Entstehungsgesch. d. kircheuslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 209
XIV, 190S), und außerdem durch den Hinweis unterstützt, daß der Brief nach
dem echten Dokumente vom Jahre 880 verfaßt wurde (S. 9J, 93), wobei auf
die zu gleichem Resultate führenden, jedoch von anderen Erwägungen aus-
gehenden Erörterungen Dr. Eitigs (a. a. 0. S. Iü2; hingewiesen wird. Mit
Nachdruck wird ferner hervorgehoben (S. 90, 911, daß der Brief den Methodius
noch am Leben voraussetzt, obwohl er faktisch schon tot war. Auf die Worte :
Anathema vero pro contemnenda catholica fide qui indixit, in caput redun-
dabit eins, legt der Verf. nun weniger Wert, da die Kirchenhistoriker erklären,
so was könnte auch vom toten Methodius ausgesagt werden (Eitig a. a. 0.
S. 100).
Sehr bald nach dem Tode Methods begann die Leidensgeschichte seiner
Jünger. In Übereinstimmung mit Eacki (V. id. 371) setzt der Verf. dafür
das Jahr 8S6 an und diese Zeitbestimmung findet nun eine Bestätigung in der
Vita des heil. Naum von Ochrid, welche Prof. Lavrov ans Licht gebracht hat
(Izvestija XII, 1907, Heft 4, S. 1—51). Die Nachrichten dieser neuen Quelle
werden sorgfältig verzeichnet (S. 96).
Die grundlegende Bedeutung der slavischen Legende vom heil. Wenzel
für die Geschichte der slavischen Liturgie in Böhmen war bereits in der ersten
Auflage richtig gewürdigt. Die auf S. 102—103 (Anm.) besprochene neuere
Literatur über diese Legende vermochte die Darstellung im Texte nicht zu
ändern.
Über die Chronologie der ersten christlichen Fürsten von Bulgarien und
der Wirksamkeit des nachmaligen Bischofs von Velika, Klemens, gibt jetzt
Aufschluß eine längere Anmerkung auf S. 113 — 114, welche von Prof. Zlatarskl
herrührt. Daraus ergibt sich, daß Klemens schon um das Jahr 885 — 886 seine
Lehr- und Missionstätigkeit in der mazedonischen Gegend, die Kutmicevica
hieß, begonnen hatte. Wenn diese Zeitbestimmung, gegen welche der Verf.
Bedenken hat, richtig ist, dann muß man die Vertreibung der Jünger aus
Mähren unmittelbar nach dem Tode des Methodius (6. April 885) ansetzen.
Klemens wird bekanntlich als Autor mehrerer Homilien »episkopt slovenBskx«
genannt; darauf gründet der Verf. die ansprechende Vermutung, daß der in
der griechischen Kiemensiegende vorkommende Ausdruck ßovlytcqo) ylwaat,
ein Ersatz sei für das ursprünglichere, ältere ad^Xoßeyixiö (S. 116). Was die
Sprache der zum größten Teile erhaltenen Werke Klemens' betrifft, so ist von
Wichtigkeit zu betonen, daß sie >mit den ältesten Texten des Neuen Testa-
mentes identisch« ist. Als Beleg führt nun der Verf. mehrere Ausdrücke aus
den von Prof. Stojanovic (Sbornik LXXX, Nr. 1) veröffentlichten Homilien,
die dem ältesten kirchenslavischen Wortvorrat angehören (S. 119). Daß
Klemens die glagolitische Schrift in Mazedonien durch die cyrillische ersetzt
hätte, ist wenig wahrscheinlich und kann durch die spätere, wenig verläßliche
Legende nicht glaubhaft gemacht werden. Auch die Entdeckung einer cyril-
lischen Inschrift am Ostufer des Sees von Prespa im westlichen Mazedonien,
die das genaue Datum 993 trägt (vgl. Bd. XXI, S. 543 — 557 dieser Zeitschr.),
kann, wie der Verf. hier mit Nachdruck betont (S. 124;, nicht zum Beweise
dienen, daß um jene Zeit die cyrillische Schrift in Mazedonien die herrschende
war. Ihre Verwendung auf dem Grabsteine, den der bulgarische Zar Samuel
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 14
210 Kritischer Anzeiger.
seinem Vater Nikola, seiner Mutter und seinem Bruder aufgestellt hat, bringt
der Verf. mit dem Gebrauch der Unzialschrift in Parallele, neben welcher in
Büchern die glagolitische Schrift, gleichsam als die Minuskel angewendet
wurde [ebd.).
Über die Verbreitung der glagolitischen Schrift bis nach dem nördlichen
Rußland bietet nun die Entdeckung der glagolitischen Inschrift in der Sophien-
kathedrale von Alt-Novgorod sichere Beweise [vgl. V. Scepkin, Novgor. nad-
pisi Grafitti. Moskva 1902;. Weitere Belege für glagolitische Einstreuungen
in cyrillischen Handschriften fand Prof. Lavrov (S. 127). Auch der Münch
Chrabrt dürfte insbesondere, wenn er in Mazedonien lebte, die glagolitische
Schrift vor Augen gehabt haben (S. 129).
Die Anpassung der ursprünglichen slavischen Texte an lateinische Vor-
lagen in Kroatien geschah frühzeitig. »Wenigstens betreffs des Psalters hat
Valjavec (Rad, Bd. 98 — 100) den Nachweis geliefert, daß die Hauptände-
rungen, die nach der lateinischen Vorlage fVulgata) gemacht wurden, einem
Anonymus aus recht alter Zeit zuzuschreiben sind« (S. 137). Diese Ände-
rungen blieben dann in allen späteren Abschriften stehen.
Zu Gunsten des hohen Alters der glagolitischen Schrift pflegte man sich
früher allgemein, insbesondere seit Dobner dieses aus Assemani geholte Ar-
gument zur Geltung brachte, auf den angeblichen Schreiber eines glagoliti-
schen Psalters vom Jahre 1222, namens Nicolaus Arbensis, zu berufen. Nun-
mehr wissen wir aus der Abhandlung des Verfassers (vgl. Bd. XXXIII dieser
Zeitschr.), daß dies alles eine Fälschung war, und deshalb scheidet dieser
Name wohl für immer aus der Diskussion über den kroatischen Glagolitis-
mus ;S. 139).
Dobrovskys und Kopitars Ansichten über die hier behandelten Fragen
waren bereits in der ersten Ausgabe auf Grund ihrer umfangreichen und
äußerst gehaltvollen Korrespondenz erschöpfend dargelegt worden. Es fehlte
jeder Anlaß, an diesem von berufenster Hand entworfenen Bilde Änderungen
anzubringen. So finden wir denn in der Neuauflage nur einzelne, sozusagen
feiner abgeschliffene Wendungen, welche frühere, etwas schärfer gefaßte Ur-
teile mildern. So z. B. las man im Anschluß an den Wunsch Dobrovskys,^
die orthodoxen Serben mögen sich ermannen und etwas für die kirchen-
slavische Sprache tun, den tadelnden Satz des Verfs: »Ich brauche nicht hin-
zuzufügen, weil es bekannt ist, daß der Wunsch Dobrovskys bis auf den
heutigen Tag nicht in Erfüllung ging« (I, 75). In der Neuauflage lesen wir
jedoch die milden Worte: »Ich brauche nicht hinzuzufügen, weil es bekannt ist,
daß der Wunsch Dobrovskys nach Maßgabe der bescheidenen Kräfte und
Mittel allmählich in Erfüllung gebt« (S. 142). Ähnlich gemildert ist das urteil
über die Vorarbeiten zur Geschichte der kirchenslavischen Bibelübersetzung.
Der Verf. anerkennt, daß Dobrovsky, bei ganz beschränkten Hilfsmitteln, eine-
solche Arbeit, wie das später durch Gorskij und Nevostrujev geschah, über-
haupt nicht hätte leisten können. Anderseits ist der scharfe Tadel über die
russischen Leistungen, die auf die südslavischen Vorbedingungen entweder
gar nicht (z. B. bei Gorskij und Nevostrujev) oder nur ungenügend (z. B. bei
Voskresenskij) Rücksicht nahmen (I, 77), abgeschwächt und lautet jetzt ganz.
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 211
sanft: »Allerdings hätte bei ihm (sc. Dobrovsky) , wenn er überhaupt diese
Fragen in Angriff genommen hätte, die Bearbeitung eine andere Gestalt be-
kommen, da er sich nicht so, wie Gorskij und Nevostrujev, auf die Quellen
russischer Provenienz beschränkt hätte« (S. 145). Vgl. auch die geänderte Stili-
sierung des Satzes, der davon sprach, daß »wir in den letzten dreißig Jahren
dieses Jahrhunderts« die von Safarik geforderte Vertiefung »des Studiums
der Übersetzungen unseres Cyrills ehrlich befolgt haben« (II, 19), dahin, daß
nunmehr ganz allgemein bemerkt wird, »man habe seit jener Zeit (seit Safarik)
bis auf den heutigen Tag die genannte Forderung mit mehr oder weniger
Glück und Erfolg befolgt« (S. 191). Als einzige Spezialarbeit in bezug auf
das Verhältnis zwischen Dobrovsky und Kopitar wird Prof N. M. Petrovskijs
Abhandlung verzeichnet (Kopitar i Institutiones Dobrovskago, SPb. 1911),
doch ohne Eingehen auf ihre Einzelheiten (S. 148), Unter den Germanismen
der altkirchenslavischen Sprache, auf deren »Pannonität« Kopitar ein so
großes Gewicht legte, ist wichtig das Wort *ci.n.ky; ein entsprechendes got.
*kirika ist nicht belegt. In der ersten Auflage (I, Si) beschränkte sich der
Verf auf die Feststellung dieser Tatsache. Um Mißverständnissen vorzu-
beugen wird nun ausdrücklich anerkannt, daß ein got. *kirika wohl anzu-
nehmen sei (S. 15.!)). Indessen sind die Meinungen über diese aus dem Ger-
manischen entlehnten Worte geteilt, wie die Abhandlung Dr. S. Mladenovs
(Starite germ. elementi v slavjanskite ezici, Sofia 1910) und auch Prof. Von-
drüks Äußerungen (Aksl. Gramm.2, Berlin 1912) zeigen. Mit den Ergebnissen
der Untersuchung Mladenovs ist der Verf nicht immer einverstanden (S. 150),
sie lösen noch nicht endgültig die Frage, aus welchen Zeiten die Entlehnungen
herrühren (S. 176). Der Hinweis auf den Versuch Prof. Vondraks (Cas. ces.
mus. 1900, 29 fg.), aus dem slavischen Reflex für das got. 5 ein Kriterium der
Zeitbestimmung abzuleiten , ist in der Neuauflage nicht mehr enthalten (vgl.
S. 176).
Safafiks Ansicht über die Autoren der beiden »pannonischen« Legenden
war die, daß er die Vita Constantini zugleich mit der Lobrede dem nach-
maligen Bischof Klemens zuschrieb, während er die Vita Methodii für das
Werks Gorazds ansah. Diese letztere Ansicht wurde meist mit Stillschweigen
übergangen, da in der Tat dafür kein Anhaltspunkt vorhanden sei, sagte der
Verf. in der ersten Auflage (II, 13), unterdrückte jedoch diese Bemerkung in
der Neuauflage. Was die erstere Vermutung Safariks betrifft, so verzeichnet
der Verf nunmehr einfach , daß Prof. Lavrov und Prof. Vondräk dieselbe
billigen (die zustimmende Form des Ausdrucks »mit Erfolg verfechten« ist
bei Seite geblieben), wendet sich jedoch gegen die Behauptung der genannten
Forscher, daß demselben Klemens auch die Vita Methodii zuzuschreiben sei
(S. 180).
Auf einzelne Unrichtigkeiten in den ältesten slavischen Übersetzungen,
die eine mangelhafte Kenntnis des griechischen Textes verraten, wurde von den
Vertretern der pannonischen Heimat der Sprache (Kopitar, Safarik) ein großes
Gewicht gelegt. Der Verf führt solche Mißverständnisse an, bemerkt jedoch,
man dürfe ihnen jedoch keine große Bedeutung beimessen, zumal sie nicht
gerade von Konstantin oder Method herrühren müßten (S. 185). Auch die
14*
212 Ej-iÜBchef Anzeiger.
angebliche Beeinflussung durch lateinische Vorlagen, die Kopitar im Kalender
des Ostromir. Ev. entdeckte, wird zunächst als ungelöste Frage in Schwebe
gelassen (S. 172, 184).
Eine beachtenswerte Erklärung über die ursprüngliche Heimat des
Wortes krhsH wurde auf S. 203 eingeflochten. Sie lautet: »Was kp^ct-k anbe-
langt, so ist das Wort, von ■/Q'-'^^ö; abgeleitet, in doppelter Bedeutung als
Kreuz und Taufe, bei den Slaven der Balkanhalbinsel wohl schon vor dem
Auftreten der Slavenapostel bekannt und im Gebrauch gewesen. Der Aus-
druck wird den beiden Männern, als sie ans Werk gingen, noch unten in ihrer
Heimat zur Kenntnis gekommen und von ihnen mit der Sprache nach Mähren
gebracht worden sein. Das magyarische kereszt fand in gleicher Weise Auf-
nahme nicht erst oben im Zentrum oder Westen Pannoniens, sondern im Süd-
osten«. Es mag hier bemerkt werden, daß Prof. Berneker, offenbar wegen k
und 5, an der Entlehnung des Wortes Kp^cr-h aus dem Althochdeutschen fest-
hält (Slav. etymol. Wörterb., Lief. 8, S. 634).
Am Schlüsse der Erörterungen über die glagolitische Schrift (S. 209)
verweist der Verf. auf sein inzwischen erschienenes, großes Werk: Glagoli-
ceskoje pistmo, im 3. Hefte der Enzyklopädie der slavischen Philologie
(St. Petersburg 1911), wo in eingehendster Weise: 1. über die Erforschung
des Gegenstandes, 2. über die erhaltenen Denkmäler, 3. über die paläogra-
phische Entwickelung der glagolitischen Schrift gehandelt wird (S. 51 — 262)
und wo auf 36 Tafeln alle Erscheinungsformen zur Darstellung gelangen.
Aus diesem Werke stammt auch die Anmerkung über das Verhältnis Srez-
nevskijs zur glagolitischen Schrift und insbesondere zu den glagolitischen
Buchstaben in der griechischen Urkunde vom Jahre 982 (S. 243). Auch über
eine besondere Abart der glagolitischen Schrift, die man als bosnisch bezeich-
nen könnte, bietet das genannte Werk nähere Aufschlüsse (S. 257).
Zu den Belegen und Erklärungen über die beiden Ortsnamen Pest und
Varazdin bringt die neue Auflage beachtenswerte Zusätze. Betreffs des
ersteren Namens wird auf den Nachweis eines ehemaligen Ortsnamens Pest
bei Ilok inSyrmien, außerdem auf die weiteren Bemerkungen Dr. Melichs
(Bd. XXXII, S. 102-103 dieser Zeitschr.) und Prof. Äsböths (Izv. VII, 4,
247 — 249) verwiesen (S. 221, Anm.). >Was aber den Ortsnamen Varazdin an-
belangt, so ist seine Lautgruppe zd gar nicht slavisch, da die magyarische
Form des Namens varasd von dem bekannten Substantiv vcU-as (jetzt vüi-os)
und dem Deminutivsuffix d abgeleitet wird ; der Zusatz m rührt von der lati-
nisierten Form Varasdinum her (vgl. Bd. XXXII, S. 104 dieser Zeitschr.). Die
Kajkroaten sprechen noch heute nicht varos, sondern varas.< So lautet jetzt
die Erklärung, die auf S. 222 hinzugefügt wurde. Auf die abweichenden An-
sichten Prof. Äsbüths über die magyarischen Eeflexe des slav. st im Anlaute
und Inlaute (Izv. VII, 4, 249 — 261) lenkt 'der Verf. später nochmals die Auf-
merksamkeit (S. 231).
Als ein weiterer, sehr charakteristischer Beleg dafür, daß der Verf. jeg-
liche Schärfe der Polemik, die in der ersten Auflage Platz fand, bei der neuen
Umarbeitung sorgfältig beseitigte (vgl. das oben über die gegen Prof. Goetz
gerichteten Bemerkungen, weiter über die serbischeu und russischen Arbeiten
Jagic, Eütstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 213
Angeführte), mag gelten, daß der gegen (den im Texte nicht genannten! Prof.
Murko (II, 40) gemünzte Passus einfach unterdrückt wurde, und daß in der
Neuauflage ruhig darauf verwiesen wird, die Auseinandersetzungen desVerf s,
die das im Jahre 1876 Vorgebrachte wiederholten, mit den späteren Ansichten
Dr. Oblaks (Bd. XV, S. 363 fg. dieser Zeitschr., aus dem Jahre 1893) zu ver-
gleichen (S. 229).
Einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Euchologium Sinaiticum
bringt der in den Text eingeflochtene Zusatz auf S. 252 — 253. Es wird darin
gezeigt, daß auch »spätere cyrillische Texte (in diesem Falle serbischer Re-
daktion) mit jenen des Euchologiums auf eine uralte Übersetzung, auf ein
selbst über den Text des Euchologiums hinausgehendes Prototypon zurück-
gehen, wobei nur gewisse Änderungen im lexikalischen Ausdruck und einigen
grammatischen Formen vorkommen.« Auf die Belege folgt eine Probe der
Textvergleichung dieser aus der Grigorovicschen Sammlung des Rumjancev-
Museums stammenden Fragmente mit dem Euchologium, deren Ergebnis ist,
daß in diesen späten Sprachdenkmälern mancher ursprüngliche Ausdruck und
manche richtigere Lesart sich erhalten hat. Ähnliche Gebete aus cyrillischen
Handschriften teilte Prof. Sobolevskij mit (Sbornik LXXXVIII, Nr. 3, 100—104).
Auch diese sind im wesentlichen mit jenen des Euchologiums identisch.
Welche Bedeutung dem Umstände beizumessen sei, daß diese Texte in den
betreffenden Handschriften hinter den aus dem Lateinischen ins Kirchen-
slavische übersetzten Reden des Gregorius Dialogus stehen, bedürfe noch
näherer Prüfung (S. 253).
In dem Kapitel, welches über »die neuesten Forschungen des Altkirchen-
slavischen« handelt (S. 257 — 262) werden sorgfältig die Arbeiten verzeichnet,
die im Verlaufe des letzten Dezeniums erschienen sind; Prof. Vondräks Ab-
handlung über die Kijever und Prager Fragmente (Prag 1904) und dessen
Altkirchenslav. Gramm, in 2. Aufl. (Berlin 1912, Weidmannsche Buchh.), Prof.
Lavrovs Studien über die Werke des bulgarischen Klemens und über seinen
Mitarbeiter Naum (Izv. III, VI, XII), Prof. Sobolevskija Veröffentlichungen
über Klemens, Grigorij, über Texte, die auf lateinischer Grundlage beruhen
(Izv. VIII— XI), Prof. Stojanovic' über Klemens (Sbornik LXXX) u. a., beson-
ders die Studien über mittelbulgarische Sprachdenkmäler Kulbakins,Iljinskijs,
Conevs u. a. Das gleiche geschieht auch im folgenden, der Übersicht »der
Iexikalischen< Erforschung gewidmeten Kapitel, wobei insbesondere die
neueren Untersuchungen von J. E. Jevsejev über die Propheten Jesaias und
Daniel, V. Scepkins über die Savvina kniga, V. Pogorelovs über den Psalter
und dessen Kommentar genannt werden. Daran schließen sich im Kap. 52
allgemeine Erörterungen an, die dartun, daß schon auf dem mährisch-panno-
nischen Boden gewisse lexikalische Varianten aufgetaucht sind. Doch der
Inhalt dieser drei Kapitel erfuhr in der zweiten Ausgabe keine wesentliche
Änderung.
Es folgt nun als 53. Kapitel (S. 270—281) die Charakteristik der altkirchen-
slavischen Sprache nach Lauten und Formen, wobei auch die Syntax heran-
gezogen wird, zu dem Behufe, um ihren mazedo-bulgarischen Ursprung dar-
zutun. Dieses Kapitel stimmt mit dem 58. der ersten Auflage im wesentlichen
214 Kritischer Anzeiger.
überein. Doch gibt es auch beachtenswerte Zusätze, welche Zeugnis ablegen
von der unermüdlichen Aufmerksamkeit, die der Verf. allen Erscheinungen
auf diesem Gebiete widmet. Für die einheitliche Aussprache des glagol. A
als ä im Südostbulgarischen bietet jetzt die Studie Prof.Miletics, Die Rhodope-
mundarten (Schriften der Balkankomm. X, Wien 1912), reichhaltige Belege;
für den fortwährenden Wechsel zwischen c und «0 die Abhandlung desselben
Verfassers Das Ostbulgarische (ebd. II, 1903). Im Sinne dieser Forschungen
wird nun die Darstellung des Lautes durch Oblak als '^a bei Seite gelassen
(S. 272). Mit Rücksicht auf die Ansichten des Prof. Conevs über die Alter-
tümlichkeit des Vokalismus in den Rhodopemundarten (Bxlgarski Star. I,
28 — 31) und auf die vorerwähnte Studie Prof. Miletics wird die Reihe der laut-
lichen Merkmale um die beiden Vokale t. und i. erweitert, als einer Erschei-
nung, welche entschieden nach dem Süden, in das bulgarische Sprachgebiet
führt (S. 273 — 274). Bei der syntaktischen Eigentümlichkeit, die sich als
dativus adnominalis äußert, fügt der Verf. einige neue Belege hinzu, welche
ein Schwanken zwischen Gen. und Dat. dartun, z. B. Matth. 13, 39 K'fHKHdNHt
B-kKv>\- Zg., aber ßi-Ka Mar. (S. 280).
»Der letzte Teil des Buches, der die lexikalische Charakteristik der alt-
kirchenslavischen Sprache in ihrem ersten und ältesten Entwickelungsstadium
bietet, wurde für die neue Ausgabe einer gründlichen Umarbeitung unter-
zogen, die jetzt beinahe die Hälfte des Gesamtumfanges (S. 281 — 479) ein-
nimmt und hoffentlich nicht nur eine Erweiterung nach äußerem Umfang,
sondern auch eine Vertiefung in die Frage selbst, mit neuen aus der Verglei-
chung der ältesten Denkmäler untereinander sich ergebenden Beobachtungen
und Anregungen gewährt.« So urteilt der Verf. selbst in der Vorrede (S. VIII
über die gestellte Aufgabe und ihre Lösung.
Wie äußert sich die Erweiterung, wie die Vertiefung? Bei der Analyse
des lexikalischen Materials blieb der Verf. auch in der neuen Ausgabe dem
Grundsatze treu, zunächst den Wortvorrat des Neuen Testaments (der Evan-
gelien, der Episteln und der Apokalypse), ferner des Psalters ins Auge zu
fassen und denselben in drei Gruppen zu zerlegen. Die I. Gruppe umfaßt
nunmehr: »Abweichungen bei der Ableitung von derselben Wurzel«, jetzt
ungefähr unter 124 (S. 282-299), früher unter 102 Stichworten [S. 61— 63); die
II. Gruppe: »Unübersetzte Ausdrücke und ihr Ersatz«, jetzt ungefähr unter
129 (S. 299—322), früher als III. Gruppe unter 124 Stichworten (S. 69—70);
die III. Gruppe: »Abweichende slavische Ausdrücke bei der Wiedergabe des-
selben griechischen Wortes«, jetzt ungefähr unter 38G (S. 323 — 421), früher als
II. Gruppe unter 309 Stichworten (S. 63—68). Die Gesamtheit der Stich-
worte war demnach früher ungefähr 535 und ist jetzt auf ungefähr 640 ge-
stiegen. Die Vermehrung äußert sich also nicht so sehr in der Zahl der neu
aufgenommenen Stichworte (die hauptsächlich aus Apostelgeschichte und
dem Psalter stammen) , obschon auch diese Bereicherung ansehnlich ist, als
vielmehr in ihrer ausführlichen Bearbeitung, in der genauen und vollständigen
Anführung der Quellen, in zahlreichen neuen Belegen und Hinweisungen,
ferner in Berichtigungen aller Art. In der ersten Ausgabe waren es eben zu-
meist bloße Stichworte mit literarischen Hinweisungen, die einander gegen-
Jagic, Entstehungsgescli. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 215
übergestellt waren; diesmal haben wir vor uns kleine Abhandlungen über
jeden einzelnen Ausdruck, über sein Vorkommen, seine Bedeutung und seine
mutmaßliche Provenienz, mit einem Worte, Grundlagen eines Speziallexikons
der ältesten kirchenslavischen Sprachechichten.
Es ist nicht leicht möglich, die ganze Fülle der in diesem fortlaufenden
Kommentar niedergelegten neuen Erklärungen und Bemerkungen vorzu-
führen. Ich begnüge mich, ein Bild davon in der Weise zu entwerfen, indem
ich die neue Zutaten, nach gewissen Gesichtspunkten geordnet, andeute.
Als neue Stichworte erscheinen in der I. Gruppe, das an erster Stelle
angeführte Wort als das ursprüngliche aufgefaßt: Ke^aKonne {at'o/jtec] Ev. Ap. :
KtiaKöHtHKe ; KAdroß'kcTOKdTH {EvccyyelH^EaO^cii) Ev. Ap. : KAaroB'kcTiiCTKCiBdTH; kc\-h
(^wfJOi) Ev. : Kv^\-raK•K; BapHTH [noocp&äacti] Ps.: np-kAT^ßapHTH; BikZEpaTHTH [uno-
axosipai] Ps.: 'fT'hBpaTHTH; btiZ.wacth ca und ckmacth ca [TaQcc/^^jt^ai) Ev. Ep.
Ps.: B-KZA»;siTHTH CA, c'ka\;kthth; rA^sKHNa [ßa&os') Ps.: rAiiRHHa; i,\i K-KPAa, fA<*
KaKO [ui,nojE\ Ps.: ,\& »i Kor^a; zhahhisi [ol yrixiaxoi) Ps.: ZHai6A\HH; HcraaB-h [rcixsis)
Ps. : pacrarüK-K; hcthnkhtv {(<).r,()-rjs) Ev. : HCTOBii; amiCtk, A\KUJTtHH£ (fxt)V'z»7<Tijr) Ps. :
OTTiAMillJTtNHE ; A\ACTH Ps. : A\SiTHTH ; CA-fch (l'XßiO»') Ev. : IMH] OHpivUJTf odeF
«HpTiUJTK (ffxrrw^t/a) Ps.: cfA»; nAOA^ßHTTi (/«oTro^Jooof) Ps. : nAOA^HOCkHii; noci»-
TCBdTH [nEf&slu] Ps.: «ckroBaTH; npaBKAa [EvO-VTrjg] Ps.: npaK^CTk, npaßiiiHH ;
np'fcA\HA«cTHB'K [tioXveXbo;] Vs.'. A\HorcA»HA«cTHB'K ; ccA« [ay.Tjvüifxa] Ps. : cfAienHie;
covfiUHA'j [(povyiop) Ps. : cii)^AK, HCKX'Aii; c;s^A'ii [/.olfxa) Ps. : co\fAi»Ka; TBapK [7ioi?]U(t
Ps. : TsoptHHf; TOKTi qvaii] Ev.: tcm^hhe; TpKn-kAHKTv [ncc/.q6&vtj.os) Ps.: AiM^ro-
Tp^n-kAHRii; o\wh. o^ikackh-k 'ty.aTaais] Ps.: oy^tacK.
Berichtigungen in der Aufstellung der älteren Form findet mau in der
I.Gruppe bei folgenden Stichwörtern: B-K^dATiKaTH [neivcio)] Ev. Ps.: b-kzaa-
KaTH, AAKaTH, früher umgekehrt unter AacarH; A«HAe»:E (fwf) Ev. : A^HhAfn:«,
früher umgekehrt ; a<>\'\'<>th (TiJ'iw) : a'w\'»th, früher umgekehrt; ^eAVKH-h, ztAiAhH-h,
diese Formen werden als ursprünglich angesehen, obwohl das Stichwort
^cAMvCK-K blieb; dagegen wird HCKeckCK-K als ältere Form angesehen, nach wel-
cher erst ^eamvck-k, 5eA\AKCK'K umgebildet wurde; ka^hth Ißvi'ovxiCett')'- HCKa^HTH
CA {Evvovy^ia&T;i'ai)] iipoKa^a und nf^K.ä;Kt»\\i [ItTTQa] ohne Unterschied; p-wKapK
[aXiEvs] und pTsiKHTB-h wechsclu ab; MAOB-fcH^ und MAOB-kqKCKii wechseln ab.
Anderwärts eingereiht wurden einige Stichworte, die ursprünglich in der
I. Gruppe waren: HeKtcKCK-K erscheint jetzt unter zfAthCK-K, wie oben angemerkt
wurde; nc^HfHie, die Konjunktion, ist jetzt in der III. Gruppe; noB-kA^TH ist
jetzt unter ynoB-fcA'tTH zugleich behandelt; xKAra {ßnüais) ist jetzt in der
III. Gruppe; dagegen erscheint nun in der I. Gruppe Bii^K-fccTHTH 'Jcnuyytllüi),
abwechselnd mit H'jB-fcA'tTH, das früher in der IL (jetzt III.] Gruppe eingereiht
war; auch ik^tk erscheint später, in der III. Gruppe.
Genauere und richtigere Erklärung des gegenseitigen Verhältnisses und
der Bedeutung lesen wir bei folgenden Stichworten der 1. Gruppe: Bbc-fcK-h
(77 fV), wird später durch bivck ersetzt, allerdings geschieht dieser Ersatz meistens
nur in bestimmten Fällen, z. B. in Verbindung mit einem Substantiv Ps. 9. 26
Ha BKctKo BpliA^A [ly nai'zi y.aiQÜ) Sin. Bon., dagegen ha Bck Bp-fcAtma Pog. ;
A^Ba [nand-ii'Oi] in der Bedeutung virgo immer in dieser Form in Ev. und Ap.,
auch im Psalter, A'^ßH^a dagegen ist -AOQÜaioy puella, dieser Unterschied wird
216 Kritischer Anzeiger.
in alten Texten streng beobachtet; ^anoB-feA-krH — ^jncR-kA'iTH, n^K-fcA'tTH —
nC'K'kAdTH: eigentlich sollte der Unterschied in der Aktionsart liegen iind das
ist in alten Texten wirklich der Fall, während spätere Denkmäler, ohne Rück-
sicht auf Aktionsart, den Formen -<iTH den Vorzug geben ; KouiKHHua (anvQt^)
wird in alten Texten von k^muk {xötfiyo^-) auseinander gehalten, doch steht
auch in letzter Bedeutung KoiuKiiHHa, z. B. Zg. Mt. IG. 9; ah\-o ist nEQiaaov,
,\Hm6 TTEQiaaoTSQoi', doch kann ahujc auch für den griechischen Positiv stehen,
z. B. Joh. 10. 10, Mar. Ostr. ; a\h,vk r-kith: die Bemerkung der 1. Ausg., daß
dies vielleicht der ursprünglichere Ausdruck sei für a\hi\ccp'ka«'R<jth [an^ccy-
xriuad-ai), findet sich in der 2. Ausg. nicht mehr; ctipüriiahth — ijnpdRKAdTH
[6ixca6w) : der Unterschied war in der Aktionsart, wurde jedoch später nicht
beachtet; otath und r-k^ath («?'^w, >.«ßEiy) werden gleichmäßig gebraucht,
ohne daß man darin irgend ein Kriterium erblicken könnte; nontAT». — ntneA-K
(arrocToir) : die Bemerkung der 1. Ausg., die erste Form sei mehr cordwest-,
die zweite südslavisch, wurde diesmal nicht mehr wiederholt; npk-H^AHx-d —
np-feH^AHüje: eigentlich ist das letztere ein Komparativ, der Unterschied ist
später verwischt, z. B. im Ostr. ; nhpta [(^iloi'Eiy.iic) : an einer einzigen Stelle des
Evangeliums wird es durch pdcnkpra ersetzt, das übrigens die älteste Übersetzung
in der Bedeutung ay/iau« kennt; cAiiimaTH — cAo\"iiidTH («xoi'w): überall in dem
evangelischen Text wird der Unterschied beobachtet, daß die letzte Form in
der Bedeutung »hören auf etwas und folgen« angewendet wird; cA»*KOKKHHHd
[avx7], der Baum) — eA\*Kiii {avy.ov, die Frucht): die ältesten Evangelientexte
beobachten diesen Unterschied ganz genau; \-pdA\'K (otxoi,- olxia) wechselt ab
mit xP'>'"HHd, beides schon in den ältesten Denkmälern nebeneinander.
Auch in der IL Gruppe sind zahlreiche neue Stichworte hinzugekommen.
Zunächst die Benennungen der Monatsnamen und der kirchlichen Festtage,
die aus den Kalenderangaben in den Aprakosevangelien (Assem., Sav., Ostr.,
Trn.) geschöpft sind. Die Übereinstimmung in den Ausdrücken zeigt, daß
die Benennungen südslavischen Ursprungs, zumeist uralt sind. So die Namen
der Monate: ^apsb-k (August), Rp-fc^oK-h, Rpi^c'^oA-K (April), np^cHHhu,k (Januaf,
cTcvA'H-h (Dezember) , mp-krkhtv (Juli), HioKTi (Juni), Tp-kEknii (Mai), cchj'\"1jih
(März), rpoYA'iH'K (November), AHCT'MiJA'h (Oktober), pkihht». (September), c-fcMKH-h
(Februar). Daneben finden sich, besonders im Ostr., auch die ursprünglichen
(fremden) Benennungen. Dasselbe wiederholt sich bei den Namen der Fest-
tage. Zahlreiche Benennungen blieben unübersetzt, andere führen dagegen
frühzeitig slavische Namen, so z. B. R^jr^ftaEAieHHie [O-EOfpäi'Eia oder IniopavEia)^
AA/ÄCOnOYCTTi [hnÖy.^EiOg]^ ORp-kzaHHie [tIEQITOII?;], UR^iTKNAUl HtA'tAtJl {y.VQlCtXJ] TWJ'
ß(uwi') u. a. >Man ersieht aus dieser Zusammenstellung«, sagt der Verf. (S.301),
>daß man sich nach keinen bestimmten Grundsätzen richtete, sondern man-
ches übersetzte, manches auch nicht«. Es waltete dabei häufig der Zufall,
z . B. lesen wir im Ostr. für die Stadt KovaxavTivovno'kig eine doppelte Be-
nennung, bald Kl^cTAHTHHB odcr koct/athhw rpAAA, bald i;pd rpdAA, jedesmal im
G enitiv.
Außerdem sind neue Stichworte: AHa<>fA»A [avüO^Ena] A.t^.: np^KAAT-K; ah-
THRdT'K J(t'&v7i(iiog] Ap. : MdA\'kcTKHHKTi ; raurpfHA [Y(<yyQ«it'(i) Ap. : KpKTcpwk;
P'^HT -K j'o^i-) Ap.: «^dp(^A'kH^H; saammkcka (IAAt^j'/?) Ev. Gal. , Ap. Christ. , sonst
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 217
regelmäßig n^^^dH•KlHH; HAOA^Aarpii {EMüiXoläTQT]^-] Ap., Apok.: H,\,oAo»;kpKu,K und
andere Ausdrücke; HAOA^AarpHia (6/(f(t)yloÄ«T()£/«) Ap.: kci\'-a\h)ka\'k cAo\,-roEaHHie
und andere Ausdrücke; kahoh-k [xaycljy) Ap.: hpakhao; ahto^-pph« [XEixovqyia)
Ev., Ap.: CAo\';KhRA, cAw/-:KfHHi€ ; THTTiAT». [xhlos] Ev. : spät atiChhua; Tpanf^d
(TOftTieC«) Ev. : AiifKd, jedoch nur an solchen Stellen, wo von Zöllnern die Eede
ist und wo damit Bretter, die an offenen Plätzen aufgestellt zu werden
pflegen, gemeint sind; ^»a^c^^-^. [cpi'/.öoocpoi] Ap.: np-feA^;RApiii\-K Karp.; «jjha«-
ca^Hxa [(pi).oao(pia) Ap. : xhiTpocTKi« Christ. Ausgefallen ist hier das Stichwort
AC'XTvTop'K — Kp-hAtd, doch erscheint es in der III. Gruppe; dagegen ist entfernt
KHH-Kc-K — .\&\\w ; ferner chkaphh, bei welchem überhaupt keine Übersetzung an-
geführt wurde.
Berichtigungen und nähere Erklärungen finden wir bei: AHHdph (cF7?r«-
Qiov) Ev., das zumeist durch n-kHA^K wiedergegeben wird, erst später durch
cptKpTvHHK-K; AHiaBOATi ((Ff ßjioAoiT), dagegen neiipHia^HK [6 noy/jQÖ^] Ev., Ap. ; ahh-
KCH-K [ö'idxot'Os): cAov,-rd, cAoy/KHTiAK, doch wird eine Bedeutungsunterscheidung
beobachtet; fuHCKon-K [tniaxonog] als terminus technicus für den kirchlichen
Würdenträger unübersetzt; khphm [xei^la] Ev. Karp., Nikol., Hval. : ovkp«h,
doch zweifelhaft, ob wirklich der unübersetzte Ausdruck ursprünglich ist,
oder ob nicht, wie unter npaKTcpii [TiqäxTüyQ) bemerkt wird, in die Denkmäler
Nikol., Hval., Karp. dieser konservative Zug erst nachträglich eingeführt
wurde; 0A0KdK'KT0A»dT'K (bXoxccvi(.o/uc() Ev. : die Übersetzung B'KCfC'KjKdrAieAA'ii ist
jedenfalls sehr alt; napAKAHTii [nc(Qax?,7;Tog) Ev. : x-cia^tah, jedoch in anderer
Bedeutung; pabbh (^«,.9i<) Ev.: schwerlich wäre es richtig zu behaupten, daß
ursprünglich das Wort an keiner Stelle übersetzt war durch ciYMMTfAi«; x-HT^n-k
iXiTojy) Ev. : ph^a, doch wurde gewiß ein Unterschied gemacht. Formale Be-
richtigungen erfuhren die Stichworte: a^mch-k [öni/noyioy], früher a'^-wch-k;
tp^cHBH [sQvaißrj), früher (qicirh; Hnoh-pHTi» [vnoxqiTt]s), früher ■.ynoKpHT'K; Kpo-
Tdtjj'h [xQOTntpoi]^ früher kpot««!)!»; naponcHAA [naooxpis], früher naponcHAii; ptAi»,
ptA"» [Qt<S«)i früher ptAi^, P^At»!; cattv [ac'aoy), früher catti, cata; co<J)ohht'k, coYKTi-
4>HTTi [av^(pvTos)] <j)Hi3iAb [(p i(cXr)^ frühcr 4'"'>'^'>-
Am größten ist die Anzahl neuer Stichworte in der III. Gruppe, die früher
als zweite galt: Kf^EOAKH-K [aw^^og] Ev. : Kt^AiimvH'ii, möglicherweise durch ein
Versehen aus dem richtigen entstanden; K£^ci\fA\hHii [uTaxiog, uopQOiv) Ap.:
KeiUTHHkHTv («TftXTOi), Später HJC'KAlTdCAIiH'K [uCpQüJt']; KfZTi C;KA\KH'fcHHI<I [ayuyjlQQi-
T(t)g) Ap.: Kt^k Ko-fc^HH, doch alt Kf^-K «r-KB-krA; Kf^j-KACRHB-K Ap. Karp., wohl
spätere Änderung für aysSlxcixog, das die älteren Texte origineller, wenn auch
freier übersetzen durch TpKn-fcAHB-K ^•kacim'k; Gt^A^ATiBK c-ktbophth Ap., alte
Übersetzung des griechischen xaTttffre'A^.et»'; KtujTHCAhH-h {uniQceyTog] Ap., später
RCCKOHkMb.H'K ; K£c-feA^B<»TH (für na^axvyxäyij}) Ap. , später npHAo^'HATH CA u.a.;
EtujTkCTHie [uTi^ula) Ap.: A*CAJKA«HHje; KAArcB-kcTHTH [Evayyekiaaa^at) Ev., in
mittelbulgarischen Texten ersetzt durch nponoB-fcAATH ; KAAroAHMHTH ca (bvttqo-
aionijaai) Ap. , später vielleicht nur mißverständlich KAArcBtAHMATH ca; EAAr«-
«EpA^HKCTBo {Evaxi;fioavyr]) Ap. Christ., die andere Ausdrucksweise kaap«-
KcvujTKHKCTBo Sis., Karp. scheint origineller zu sein; k^ai« {n):Eloy), auch naMc,
BAUlTf, AMvH^HIAte; EpAlUhll» {ß^üjjua, ßQloais) Ev., Ap.: laAli Ochr. ; BeAliA»H [icog
ffqpöd'^rt) Ps., später a» ^'fcrta; BtctAHi« («/«AAtKfftf), paa^ctk {xccqü), ursprünglich
218 Kritischer Anzeiger.
auseinandergehalten, später verwechselt; Biv^AdrdTH [Inn'iO^r^ui, auch einfach
Tld-rj/Lii) Ev., doch schon in ältesten Texten B-hCKAdA-iis^T-h. Mt. 23. 4, an anderen
Stellen Varianten, die jedoch gleich ursprünglich zu sein scheinen; K-KAara-
AHUJTe {ß(iXafTiot') Ev., später HAx-kHHie; B-KAdtaTH CA [iaacci'i^ead-ai) Ev., dafür
frühzeitig nörpsiJKaTH ca u. a. Umschreibungen; B-hNHAvarH [nooaixEii'] Ev.,
dafür kawcth; btiCKovphth ca [•/.ani'lCouai] Ps. : btv^a'W'Whth ca; B-KCx-OT-krH [Ini-
S-vLiiw) Ps.: B'K>j:Ae'\'fcTH, schon in den ältesten Texten; AßHJtuHHie {y.ii'i]aig) Ev.,
später BTiZA»;RuiT£HHie; AP'Jf'K [rinLog] Ps., nachher Hi^cTKH-h; xkyw [naiöia]
wechselt ab mit otpomata in den ältesten evangelischen Texten; tA-fc iiihb-k
[t]^i&av7]s) Ev., später fAßa hihb-k; niHA'JBHH-h {'lovöalo^-) ist origineller als Hh>AfH,
das jedoch in den älteren Texten allein üblich ist; niHTfAh. [noViTrig], v(i&-a-^,\wi
{noXlzai], in evangelischen Texten, dazu h;hb;k [nolnEvouni), wofür später
MiHTeAKCTBOBATH; }KAA<>TH {änpäiü) Ev. , RUCh JKfA-kTH ; ^dE-kTTw [Siad-t'jXI]) UUd
laB-fciuTaTH, für dieses einmal im Ps. Pog. ^anoB-kA<>, doch wohl nur aus Un-
genauigkeit; 7acT;Rni»HHKT\ {ayTih]nrit}o) Ps.: zaujTHThLHHKii , P'JaioujtiiHhk'k;
lawiTH [kfxcfoüaaui] Ps., in jüngeren Texten ^arpaAUTH; ^Harn [yivbjay.u)) wechselt
mit B'fcA'tTH [oWa] Ev., Ps.; zt^aoea [y.ay.iu, Tioyi]oia) wird im Psalter auch für
xa/.ovnyic< verwendet und in dieser Bedeutung später durch ^'KACA'kHCTBo er-
setzt; das Adj. ZTiACEHBTi {n0in,0Ev6j^l£l'0g) V&., SOUSt Az-RKas-K, A;RKdBKH'K; H\l
(onov) Ev., vi. ha£h;«, HJKAf, im Ps. auch andere Ausdrücke; H^ßA-kmTH: part.
HZBATkKTi Ps., später HCTpKrk; HCKOHKHaTH CA (JxAf/TTüj) Ps., dafür auch OCK;RA'feTH,
welchem Verbum vielleicht die Priorität gebührt; HcnA-krH — Hcna-kBA; (av?.-
Xiyco] Ev.: B-hZKKparH; Hcn>>\-cTHrH {a(p[T]/ui) Ps. : C'craBHTH, ein älterer Ausdruck
dürfte oTnovcTHTH sein; HüJT£ZH;?iTH {(tcpco'zog- yiyyoiAdi] Ev., später H£bhaha\'k
R-wcTT»; KpacoTa [shnQineia] Ap., Ps., daneben A-knora, BeAkA-kn^ra, später KAar«-
A-knHj; h'p-knocTK (xQaiKt'üJua) Ps. : APi^^+^'^Ka; Ao\j-na [aekri'/;) und AxlcAUh iurp') ur-
sprünglich auseinandergehalten, erst später auch vertauscht; Ai-^;^ in Zu-
sammensetzungen, wie B-KA-kz;*^ {l/ußccli'ü}), HZAkz;si [tUo^oaat], chA-kz* (y.caa-
ß(uino) Ev. : in späteren Texten dafür häufig ha^r in Zusammensetzungen;
AVATvMaHHie (fff j'/;) Ap. : KfZA\A'hBHi6 ; A\p'kH:a [ö'lyTvo)') und ckrK {rxccyig), später ver-
wechselt, auch fürHfBCATi {GC(yi]i't]) später Avp-knia; a\;s^hhth [ßaaaviCta, xolacpi^w)
Ev., im Ps. nur einmal anstatt hckcvchth, wohl infolge eines lapsus calami;
HaHHHaHHi« [kniTrjdEv/Lta] Ps. allgemein, an einer Stelle (80. 13) steht jedoch für
x«ra T« iniT>]ö'evuc(rc< no nopTfAvi». Sin., Pog., Bon., was erst nachträglich ge-
ändert wurde in n» Ha'iHHaHHio Sof., Buc; HtnACAiJ (ffTeto«) Ev., Ps., vereinzelt
später AAOBHi^a Ps. Toi. ; «g-krTi {ev/O Ps. neben AvoAHTBa, das im Ev. und Apost.
angewendet wird; okpo'ihth [avt^xM]: «kp^mat-k Zg., dafür ccaa^tt» Mar. und
später auch andere Ausdrücke; C'cokk ixojQig) Joh. 20. 7, dagegen cokk cahh-ki
[xKT i&iay /uot'ovg) Marc. 9.2, wofür cn'krAo jahhki in Nik. ; «ckcTH {7TEQii%co] Ps.
21. IT ursprünglich, dafür später auch «api^^iith Mon. ; «-TpacAk HCBa, auch h«bo-
pacAh. (to vEÖcpvxoi') Ps., später HOBOHacajKA«m»H'> Mon.; on'kcTHTH ca ((pvXc'aao/LKti)
Ps. Pog., Bon., ursprünglicher als cKx-paHBR ca Sin.; nancHTh '}'Oju),) Ev., Ps., da-
neben nacTBHHa, dann auch hcmpt»; rhbo [noatg) Ev.: nHTHe; hac^ahth ca [nh;-
i>r»'w) Ps., später avHCHuint et Mon.; noKHTH in pass. Anwendung noRntcH-h ktii\"k
Ps. : npHCBAH,T.)^'K, ci\|'tazBAi€H'K ; norcvKHTH {dtacpl^EiQü}) Ps. 77. 38. 45, später pacTK-
A-kxH; noAoiKHTH und nocTasuTH werden ursprünglich auseinandergehalten,
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 219
später finden sich auch Verwechselungen, z. B. Ps. 106. 33, Mon.; ncHejKf (tnel,
i7iEC(fi,), dafür später auch ^atu, hamiHu; nocpaAinTH {yMiaiax^^^)i dafür Ps. 43. 8
n^Tp-kRHTH Sin., Pog., Sof.; npurEO^AHTH Ps. 21. 17 für b()vaa(x), jüngere Texte
HCKondTH; npHZhp-fcTH [nQoaixm') Ps. für das sonst übliche e-khath; hphct^rmth
(iyyi^to) Ps. nur ausnahmsweise, sonst npHKAHHiHTH ca ; np«^bp-kTH {nQOK^Eiy) Ps.
138. 3, später hpckhaIvTh ; np^^cr-K ktiIth [((voQO-oi^ai) Ps. 19.9, später hciipaehth
ca; iipi-A-K [h'iönioi'] Ev., Ap., Apok., doch Ps. 9. 25 np-kA'K ah^camv iro [tfiönioi'
nviov), wofür spätere Texte npi'Ak iiHA\k haben; np-kKovTHTH [neQixoa/uia}) Ps.,
dafür np-tcvK-pdCHTH ; np-kHfAiardHHie A'^VP oder A^yuiA [oXiyo^pvxi^f) Ps. 54, 9, da-
fürspäter A»dA'>A'>VLUHie ; oATA {niioi'a), dagegen kuetv [nreQyKTfxö^) Ps., in ande-
ren Texten auch np-kAkiurtHiiie; pdzra vi. pozra (xA^-jW«), später ao^a; pa^rop-fcTH
CA [ixxavd^Tii'ai] Ps., dafür andere Verba, wie E-K^rcp-krH ca, pah;a£ujth ca u. a. ;
pd^APdHiHTH CA für ('.ycißc'dXo/^cei Ps. 77, 21, sonst für na^o^vreiy; (i&t^ap^\-uihth
für x(cT(cyaysiy Ps. 58. 12, erst später hh^aohchth, dafür sonst HH^-KsecTH; pa^hth
CA — pdZHA<^ caPs., dafür pACTiinATH, pACTCHHTH, pAzniHATH ; pAZd^Av-kTH [yiyywaxw)
und iic^HATH werden ursprünglich auseinandergehalten, später jedoch auch
verwechselt; phza [l/uchtoy] und «a£J«a*> [(/.lazia^ös) werden später vertauscht;
cfA-fc als Adv. in den Verbindungen a« c'A-fc, ottv ctA-k Ev., Ap., Ps., doch in
diesem Texte (Ps.) auch «t-k H-hiH-k; cTAp-kHuiHHA als erster Teil eines synt.
Ausdruckes entspricht dem griech. ciqyi- am Anfang oder -kqxvs am Schlüsse
eines Kompositums, z. B. cTAp-fcnmnnA cratht£A£a\t». ((qxi^q^^'S' (in den alten
Texten allerdings zumeist unübersetzt apjfHiep-kH), oder cTAp-fcHiuHHa rpaAA noXi-
Tc'tQX'ii-: erst spätere Texte bilden Komposita, wie rpAACHAHAAhHHKii u. dgl.;
c-kAdrATH {av/nß('(?J.(i)) Luc. 2. 19: cTiK'KKci\'nA'fcisiilJH in einem mittelb, Text; ckta-
ZATH [Ctjxicü] Joh. 16. 19 allg., doch EiinpAiiJACTc CA Sav. und mittelb.; ckH« (xöq-
Tog) und Tp-fcEA vi. TpAKA [xöoTog] werdeu synonymisch gebraucht; tbophth
[iQyäCofxca) Ps,, dafür später a'^aath; TsphA* [((acpaXüys) Ap., dagegen ck^-pahivH'»
Ev. neben TBpKA'b u.a.; Tpk\"KTii [Ietitoi') Ev., dann auch A\-kAi^MHi;A, hata;
Tp-kEA vi. TpABA [x'^Öt]] WCChSClt ab mit ZAAKTv; TC>\'»;AfnA£A\eHhHHK'K [uXXöqjvXos)
Ps. 151. 6 ursprünglicher als khoiia{a\£hkiihk'k; xhAra ßqüais, ff?-*,), dann MpiiKiv
[ars) und a\oak; t;r'ia [ofißoog] Ev., Ps., später auch at^hiaii Ps., Mon.; ovaaphth
[oani^w] Ev., später auch zao\"iuhth. dijpazhth; ci\'A\AiHHTH [vnoxäaaoj] Ps. 17. 48,
wohl ursprünglich, dafür später U'>bhh;rth (ca) ; cvhtiibath [GTvyväCoi] Ev. scheint
ein später Ausdruck für api^^ciaobath zu sein; c>\,-ctat'k [y^maaüx^r^s] Ps. 139. 12,
dagegen le^wMkHk Ps., Mon.; c>\-ctpaujhth ca [<^eiIicio}) und ci\'RoraTH ca scheinen
Synonyma zu sein; v^vKpAllJfH'K [xExaV.ionianivos) Ps. 143. 12 in allen alten
Texten, dagegen ovA'JKpfnw Mon.; o\-tch;kth in Mar. 8. 32: o^ToncujA, dagegen
i>\i'A\piiiiA Ostr., Karp., Nik., nach dem griech. hnid^arov; ovrpkHeKdTH [oqOqICü))
Ps. ist eine Neubildung, freier und schöner paho npH)(OH;AA\';R Ps. 77. 34 ; oyTAii-
cT-kTH (Zogr.,Gal.) oder vielleicht richtiger oTATiCT-kTH (Mar.), scheint ursprüng-
licher zu sein (Mat. 13. 15), als ovAERfA-fc Ap.; \-AASirA [cpQcty/uog) Ev., Ap., dafür
auch onA^TTi, 'jrpAAA, rpAA-K, dieses Wort wohl in seiner uralten Bedeutung ;
XAdATv [ai'Qci) Ps. 106. 29, thujhha Mih., Mon.; \-pAAnv [ö'm/uk] Ev.: KA-kTK Trn.
(Luc. 5. 19); lUTHT-h [bnXoy) wechselt ab mit oq^'a-mc, lAA'b [ixöf^syog] Ps.,
später KAH^K.
Anderwärts eingereiht sind die Stichwörter : sii^K-kcTHTH in der I. Gruppe;
220 Kritischer Anzeiger.
BTiHKiHTH Unter K'KA\tTdTH; £,\nn«' untcF ccoKh ; jKe.\iHHi€ Unter MOjfC'Th Und auch
KliCX-C'T'kTH ; KA-fcTK bei X^M-h. UUd \-pdA\Ts,; K^BhHHKfi Unter K«RTv; KC'VP'K Und AAJKdW
unter KCKumh; Aior-fc unter rope; A;RKaRii unter t^-ka'k und Henpiira^HK ; HeB^AT^
unter A\p'fc:KA; h;r5Kaa unter HfKOA«; orpa^-k unter ckaa^k; iicR-fcA-fcTH unter ß-K^R'fc-
cTHTH in der I. Gruppe; pact^hhth unter pazhth ca; co\-i6TkH-k unter RezoyAVKHii.
Gänzlich ausgefallen sind nur die Stichworte: a\£tath, p,fiKA, TAT^cT-krH und
0\'A\'hlTH.
Kichtigere Ansetzung des älteren Ausdrucks und Erklärung des gegen-
seitigen Verhältnisses beobachtet man bei folgenden Stichwörtern: R£^dK«nK-
HHKTi, adj. EfZAKOHhH'K [(Cl'OfJO^) UUd ZAKOHOIip-tcT;RnhHHK'K, adj. ZAKCHCnp-fccT-RnKH-h
[nufiäyo/uof) , werden ursprünglich auseinandergehalten, ebenso Re^AKc^HKie
[afofiia] und idKC>H'>iip'fccT;RnA£HHi€ [naoavouin); RAar-K (/o'/ffrof), allgemein,
dagegen au^ah^ Ant. Pand. beruht auf einer Verwechslung von yor^aTÖs und
•/qiaios; KAar^A'kTKHArii und RAAr^A-fcTtAhHAra {xEX«oiio)j.Uyri) Luc. 1. 2S, das
spätere «kpaa^kaham ist dem griech. Worte angepaßt; ka;rahth — npi-AkcTHTH :
beide Ausdrücke sind schon in der ältesten Übersetzung nachweisbar und
werden mit richtigem Verständnis angewendet; KOA-k^Hh — HJA^r-h, beide Aus-
drücke schon in den ältesten Texten; KAdAtiKa [^sanöxr^g, r^ye^ü»') — K-hHA^K
(«();^(ijr), früher umgekehrt; ep-kt-k, ßp-KTKn-h, Bp'liTl^^pdA'^ [y.i.nog], alle drei
Ausdrücke in den ältesten evang. Texten; Ri-AKH-K — Rp-kAi^Hii, früher umge-
kehrt; rpAA^ — beschränkt sich auf die Formen des Praesens, Imperativs
und des Partiz. praes., während Imperfekt- und Aoristform von ha;'^ im Ge-
brauch sind, so wenigstens im Evang. und Apost. ; A«'A\'h [olxla, olxog], dagegen
jfpaAVTi, wo vom Gotteshaus die Rede ist, dem gegenüber scheint x-paA\HHa eine
gewisse peiorative Bedeutung zu haben, später allerdings tritt ein Schwanken
ein; a\xahth — avo^ahth {•/Qorl^o}] ist wohl älter als K-KCH-krH, mag auch dieses
Verbum schon in den ältesten Texten vorkommen; HenpHra^NK (o noi'r-QÖg] im
Sinne von o crtß/JoÄos-, dagegen ^t^a-kh (o 7ioy>jQug) in gewöhnlicher Bedeutung;
HHiTi, HHzc>v und A«'^^T ('««rw) sind synonyme Ausdrücke ; nAAT-h {qüxo^), aber
np-hTTi {Xiyoi'), für letzteres auch nAar-h (Ass.), akh-k (Trn.); n^R-kAHTH [ytxrjacei)
Ev., Ap., Apok. , dagegen Rom. 3. 4 np-fcuhpHiuH [vixr^aEig\ da es sich ums Ge-
richt handelt, daher sehr passend; n«rpM;jn,'RTH Marc. 4. 37, dazu als Variante
noTUH;RTH, früher war dieses Verbum an erster Stelle angeführt; npHHHCTH, ktv-
M-kHHTH, HmKiuTeBATH (für Xoy 1^,0 1.1 Cd) slud ursprünglich; paHa und "fc^Ka (la^Ba
■nh]yTj) wechseln ab in den ältesten Texten; ;KTpcEa — Mp'fcßo [xoiXia]: Mp-feßo
wird jetzt vom Verf. für ursprünglicher angesehen.
Auf genaue Kenntnis der griechischen Vorlage und auf ein feines slavi-
sches Sprachgefühl der ersten Übersetzer wurde in der ersten Ausgabe wohl
hingewiesen (II. 48); in der zweiten Ausgabe wird dies jedoch ganz besonders
bei zahlreichen Stichworten dargelegt. Gelegenheit bot hier das Material der
III. Gruppe und finden wir diesbezügliche Bemerkungen bei: npi-AKCTHTH in
dem pass. Ausdruck: a<> h' np-kAhujTJHH E;RAfT£ Luc. 21. 8 und np-kAKiurmH KiJCTf
Joh. 7. 47 für nXccyäouai, welches sonst durch ka;rahth übersetzt wird (S. 327);
HAAB-K für 'Aevxög, wo von hhbtü die Rede ist Joh. 4. 35, während sonst RiiAT» in
der Bedeutung ktvxög erscheint (S. 329); E-hAHBarH für ßaV.w bei dem Objekte
BHHo und B-KcaAHTH für dasselbe griechische Verbum, wo von dem Ein-
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 22 1
stecken ins Geiängnis gesprochen wird (S. 333); Hcnrt-fcßfAi'h (avXXi^ojfAey) Mt.
13. 28, wo vom Ausjäten die Rede ist (S. 352); HtnpHi-jjHii. (o Tioyi]Q6g)^ wenn
damit der böse Geist (Teufel) gemeint ist (S. 369); chHhM-K oc-fcAf a\a Ps. 21. 17
für nEQiix(o; hciio\,'cthth mit dem Objekt to nysi/fu« Mt. 27. 50 für cccprjxs, das
sonst durch ot-krovcthth wiedergegeben wird (S. 377); nrtOAHTH ca Ps. 143. 13
für nXrj&vyco ; np-knivpHiiJH für vixr^asig Rom. 3. 4, wo es sich ums Gericht han-
delt (S. 379); »iHBtujH, iKHK-kamj Joh. 1. 39. 40 für ^ivM (S. 3S1); iiopTK für iti-
'/■run in der Ausdrucksweise ■m-'k no\-oTH ha-ktiicktü, orii no)fOTH rt\;KJKKCK'w Joh.
1. 13 (S. 384); npoHOCHTH Marc. 1. 45 für diag)rj/^nCo/ur(t (S. 380); pa7K-krH;RT'K ca
Marc. 14. 27 für ö'taaxoQnl^ouai, wo von Schafen die Rede ist (S. 39o); hcto-
MkHHK-K Kp-KKt Marc. 5. 29 und hctomkhhk-k EOATii Joh. 4. 14 für nr^y/j, das sonst
durch cTc>\-,\fHKi;K [(pQian) oder KAaAAZK übersetzt wird (S. 397); ckktüth ca an
zahlreichen evangelischen Stellen für n?./;nov/uKi (S. 399); chX'paHHTH {(pvläTru)),
cKKAwcTH {TrjQtco , avfxr^Qiu}), cTp-kiuTH dcm Siuuc nach auseinandergehalten
(S. 402— 4U3); T-fcrto {auj/xu] und nA-KTk (ffapl) genau geschieden (S. 407); hhiutk
(rrrw/o'i-) und ^vKorii (eigentlich niyrjs) werden gut angewendet (S. 40S); »vf^p-fc-
iiHTH mit dem Objekt cp-KAi^i,«, besser als o\-TBpkAHTH {(nrjQiCw) im Psalter
(S. 411); TiiAMiHHu,d von cTpajKA (beides (pvh(y.r;) richtig unterschieden (S. 414);
der Ausdruck M£uj;5iTii ca\ok'kbh Luc. 6. 44 für avX'/Jyw, ein altslavischer ter-
minus technicus des Landlebens (S. 416). Daraus ergibt sich wohl, wie der
Verf. später zusammenfassend bemerkt (S. 422 — 423), daß der Übersetzer des
griechischen Evangelientextes (und überhaupt der ersten Bücher, auch des
Apostolus und Psalters) ein sehr feiner Kenner der slavischen Sprache war,
der in seinem Bestreben, eine genaue Übersetzung der griechischen Vorlage
zu liefern, den slavischen Sprachgebrauch nicht außer acht ließ, sondern nach
Möglichkeit geltend machte. Bei dieser Gelegenheit möge es mir gestattet
sein, daraufhinzuweisen, daß ich im XXV. Bd., 1903, S. 390 dieser Zeitschr.
nachdrücklich von der Vorzüglichkeit der ersten Übersetzungen biblischer
Texte gesprochen und dies an einigen sehr bezeichnenden Ausdrücken des
Psalters dargetan habe. Konstantins wahrhafte Kunst in der Übersetzung
der Evangelien zeigen auch die von Prof. Berneker (IF. XXXI, 1912, 399—
412) gesammelten und erläuterten Beispiele, die sich zum Teile mit den im
Vorstehenden aus der »Entstehungsgeschichte« herausgehobenen Belegen
decken.
Ungemein wichtig sind die gelegentlichen Bemerkungen über den
lokalen Hintergrund einzelner Ausdrücke. Auf diesen Punkt wurde schon
in der ersten Auflage gebührend Rücksicht genommen, in der vorliegenden
zweiten Ausgabe geschieht dies jedoch viel eingehender und systematischer.
Es dürfte sich empfehlen die Belege nach diesem lokalen Gesichtspunkt zu
gruppieren.
In die mährisch-pannonischen Gegenden wird die Heimat zahlreicher
Ausdrücke verlegt, wobei die nähere Bestimmung allerdings verschiedenartig
formuliert wird: aakath, das Simplex, das eine Eigentümlichkeit des Zogr. ist
und auch im Psalter wiederkehrt, könnte man >als pannonische Modifikation
des aus dem Süden gekommenen AAiiKdTH erklären» (S. 284); ß-kp^^ iath »lebt
noch jetzt im slovenischen rer;'eft-tJe?ja?«e?H< (S. 285); A'iJKf a« («;^o«) »gilt für
222 Kritischer Anzeiger.
älter als aoh^j a«*: dm-i do ist cakavisch, dort do stokavisch (S. 286;; nkcarH
»ist ein mährisch-pannonischer Zug der Sprache , der auf dem südslavischen
Gebiete der Form nHcarH weichen mußte' (S. 294); dK-w »könnte man fast als
einen Slovazismus bezeichnen« (S. 298); »bei Neutris auf -kctk« und -kcTEHt
ist zu bemerken, daß die böhmische Sprache noch heute Neigung zu den Bil-
dungen auf -stii (alt -stoie) zeigt, während das Slovakische gleich den süd-
slavischen Dialekten den Auslaut -stvo vorzieht« (S. 299); p-kcHora, p-kcHOTHKkH-h
wurde »gewiß erst später, auf dem pannonischen Boden« hier und da einge-
fügt für HCTHHa,- HCTHHKH-K {(dr;x^sicc, uh]'yt]i), besonders häufig im Psalter
(S. 352); HCTA^dTH Joh. 21. 12 »erinnert durch die Wortwurzel und Bedeutung
an das böhmische o^acAa u. ä. (S. 353); cnpuHa, cKpHHHi^a »verrät südwestslavi-
schen Ursprung« (S. 355); kokoujii — KvypHua, »diese beiden Ausdrücke schei-
nen südslavische und nordwestslavische Sprachsphären zu charakterisieren«
(S. 355); KpHHiK erscheint »nur in den westslavischen Denkmälern katholischen
Charakters< (S. 356); a«;kahth ist »für die westslavischen Beziehungen des
ältesten Kirchenslavischen charakteristisch' (S. 365) ; hcpcahth »klingt noch
nach im altböhmischen neroditi (nolo) (S. 370); «arapii (ifvaiaaxt'^Qioy) »ein
lautredendes Zeugnis der westlichen Beeinflussung der altkirchenslavischen
Sprache« (S. 372); aujwT-h »das Auftreten dieses Wortes im Psalter spricht
für dessen mährisch-pannonischen Ursprung, womit auch die böhmische
Sprache übereinstimmt« (396); cTo\-AfHKij,h »scheint der westlichen, KajA^'^^i' der
östlichen Hälfte der slavischen Sprachenwelt näher gelegen zuhaben« (S. 398);
A-kK-hi darf man »als eine spätere pannonische oder kroatische Einschaltung
ansehen« (S. 418). Die Zahl dieser »mährisch-pannonischen« Spuren im alt-
kirchenslavischen Lexikon ist allerdings nicht groß. Es kommen dazu noch
die Ausdrücke wie c'KHhA\'K, die Präposition B-hi- (S. 264 — 265), ferner A\aAij-
AtoujTh Evang., das noch jetzt im Böhmischen und Slovakischen als malomoc,
malomocny, malomocenstvi lebt (S. 269), ferner das vereinzelt dastehende
npax-MtH'h der Sav. Kn., dem slovakisch-böhmische Ausdrücke jn-ucJinef, präck-
nivet\ prachnivy (morsch, faul) am nächsten liegen (S. 26S), weiter aus den
Parömien die Worte: KA(nhii,h, das im Slovakischen und Böhmischen fortlebt
(klepec Falle), ferner can-h oder canK (öcpig), wozu das slovakisch-böhmische sah
(Drache, Lindwurm) eine vortreffliche Parallele bietet (S. 268), endlich das im
Cudover Psalter, im Galiz. Evang. und in Prophetentexten vorkommende Ad-
verbium ^anATh ((V^m«, illico),zu dem im Böhmisch-slovakischen u ;:«^je^i Pa-
rallelen vorliegen (S. 268).
In Zusammenhang mit diesem in die mährisch-pannonischen Gegenden,
beziehungsweise überhaupt nach dem Westen weisenden lexikalischen Wort-
vorrat empfiehlt es sich die Spuren derjenigen Ausdrücke zu verfolgen, welche
unmittelbar aus dem Lateinischen stammen können. Der Verf. bezeichnet als
solche mehrere Worte, deren Ursprung aus dem Lateinischen allerdings in
verschiedener Weise angedeutet wird: bei A\HA«cp'hA'T»^ (o/xT/(),«wr) »könnte
man an misericors denken« (S. 289); ahbpa {lixqa) Joh. 12. 3 und 19. 39, Zg.,
Ass., Nik. »dieser Form scheint das lateinische libra zugrunde zu liegen«
(S. 313); pH^Aia in den ältesten glagolitischen Texten anstatt Aw-po: »das
ist wohl nicht die Übersetzung von xQ>'^!'"i ^^ dieses durch noA\a^aHHie
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 223
wiedergegeben wird (Job. 2. 20. 27) , sondern die lateinische Anwendung
des cbrisraa dürfte damit zum Ausdruck kommen« S. 313); o,\£h , cA-kH
»ist wobl nicht die Wiedergabe des griechischen f).r.ioi', sondern des lateini-
schen oleum« ;S. 314); AiKtua, >aus dem lateinischen missa«, ist beschränkt
auf Denkmäler, wie die Kijever Blätter, kommt auch in den pannonischen
Legenden vor« S.364). Besonders schwerwiegend sind solche Belege, welche
eine direkte Abhängigkeit von lateinischen Vorlagen dartun sollen. Als solche
finden wir angeführt: iidAi»H£RhH'hiH {Inioiaiog], vom uQxog (panis quotidianus)
im Vaterunser gebraucht, erscheint im Zg. (und auch Trn.), dafür A'HfRhHiJH in
Sav. Kn.: »ob nicht dafür das lateinische quotidianus maßgebend war?« S.367);
KTkZK'fccH CA [id'r^yzctio] Matth. 27. 5, Zg., Mar., Archang., Karp. »kommt dem
lateinischen se suspendit sehr nahe und ist möglicherweise durch die Ein-
sichtnahme in den lateinischen Text zu erklären (S. 263); besonders aus dem
Psalter 104, 42 i-a\i HAvfc (quod habuit); 118. 130 pa^ovi-Ax-K Mn-h. (intellectum dat; ;
67. 28 KTi ov"A\-fc o\f}KdciiH'k (in mentis excessu, tv ixataaei), diese drei Beispiele
auf S. 249, außerdem 9. 25 np-tAi^ ahucmk «ro [h'wniov ahzov , in conspectu
eius), eine auffallende Übereinstimmung (S. 387).
Dem gegenüber finden sich nnr wenige Belege, bei denen auf den bul-
garischen Hintergrund eines Ausdruckes hingewiesen wird. So bei B-h^dA-K-
KdTH, das mehr »altbulgarischen Klang« habe, als B-K^AdKATH (8.283); umpaz-
AKH-K [tyxvos), »ein noch Jetzt im Bulgarischen in diesem Sinne gebräuchliches
Wort« (S. 369); ccThN-h, ein Bulgarismus, bekannt aus den Übersetzungen des
Job. Exarchus (S. 382); CiÄXh für pfMt, aufgekommen in der frühesten bulgari-
schen Periode (S. 404).
Ein großes Gewicht wird in der vorliegenden zweiten Auflage auf solche
Spuren gelegt, welche zeigen, daß zwischen den Perikopentexten des Evan-
geliums und dem vollständigen Tetroevangelium ein gewisser Unterschied in
lexikalischer Beziehung zu merken sei. Solche Beobachtungen finden sich an
zahlreichen Stellen: K-himr-KHHH erscheint Matth. 23. 13. 15. 23, Mar., Zg., diese
drei Stellen sind jedoch im ältesten Evangeliarium nicht vertreten (S. 289);
B-fecTKUHK-K für dHTvrfA-K Luc. 7. 24, Mar.; 9. 52, Mar., Zogr., diese beiden Stellen
fehlen im Evangeliarium (S.302); onond [■/.aianiTaaua] Marc. 15. 38, Mar., Zogr.,
an einer Stelle, die im Evangelarium nicht enthalten war, während sonst das
griechische Wort unübersetzt blieb; AtoujKHd [niou) Matth. 10. 10, Mar., Zogr.,
Bp-kxHiiJTe Luc. 10. 4, Mar., Zogr., an zwei Stellen, die im Lektionarium nicht
vertreten sind, während sonst das griechische Wort unübersetzt blieb; bosbcaa
[axocarjyös] Luc. 22, 4, Mar., Zogr., die Stelle ist nicht im Lektionarium; mw^-
PH16 [aiyiaXog) Matth. 13, 2, Zg., Mar., im Lektionarium nicht vertreten, sonst
Kp-fer-h.; HfHKUJTeBdHHf [noöcpaais] Marc. 12. 40, Mar., Zg., Karp., in den Lektio-
narien ist die Stelle nicht vorhanden (S. 329); BpH^TKn-K [anr,)Mioi') Matth. 21.13,
Marc. 11. 17, Luc. 19, 46: diese drei Stellen sind in den Lektionarien nicht ent-
halten (S.331); HCKOYiufHHe [nEuncaiuös] Luc.4.13, 11,7: diese beiden Stellen sind
in den Lektionarien nicht enthalten (S. 252); goyktibh Luc. 16, 6, 7, Mar,, Zog.,
jedoch nicht in den Evangeliarien (S. 357); AdAHH, die Stellen, bis auf Job. 0.
17, sind in den Evangeliarien nicht enthalten (S. 358); nendAk [Ivnr;) kommt im
Evangelientexte nur an Stellen vor, die in den Evangelistarien nicht enthalten
224 Kritischer Anzeiger.
sind ; die einzige Stelle Job. IG. 21, wo im Ostr. lUMdAH für d^Xiipeu); angewendet
wird, findet sich im Assem. nicht (S. 394); nnp-K [doxv) Luc 14. 13; diese Stelle
ist in den Lektionarien nicht vertreten. Für die Texte des Apostolus liefert
das Wort HtoEp-fc^dHHie [(y.qoßvaiia) Eom. 4. 9. 10. 11. 12, Christin., da diese
Stellen in den Perikopen nicht vorkommen, ein Beispiel (S. 301). Der Verf.
bedauert S. 479; auf diese Unterschiede nicht größeres Gewicht gelegt zu
haben, um sie im Zusammenhange zu behandeln. Es würden sich vielleicht
für die Charakteristik der Ergänzungsarbeit bei der Übersetzung des vollen
Evangelientextes gegenüber den schon früher übersetzten Perikopen gewisse
gemeinsame Züge herausfinden lassen.
Nachdem auf diese Weise der Wortvorrat des Neuen Testamentes und
des Psalters aufs eingehendste analysiert wurde, schreitet der Verf. an die
lexikalische Durchforschung der Bücher des Alten Testamentes. Das Vor-
gehen ist nun ein anderes, wie es eben durch die Unzulänglichkeit der Hilfs-
mittel und den Mangel an Vorarbeiten bedingt ist. Vorsichtig werden die
einzelnen Bücher des Alten Testaments in Verhandlung gezogen und ihr
Lexikon wird an den früher gewonnenen Ergebnissen auf seine Altertümlich-
keit hin geprüft, wobei immer wieder an den drei Wortgruppen festgehalten
wird, nach welchen die betrefi"enden Belege angeführt werden. Dieser Vor-
gang wurde bereits in der ersten Auflage eingehalten und zunächst die Über-
setzung des Propheten Isaias auf Grund der Studie Iv. Evs. Jevsejevs unter-
sucht; als Resultat der nunmehr erweiterten lexikalischen Erforschung
erscheint, daß der Text der im liturgischen Parümienbuche enthaltenen Lek-
tionen gegenüber dem vollen Texte des Propheten als älter anzusehen sei
(S. 425). Zu demselben Ergebnis gelangt der Verf. bei der sprachlichen Ana-
lyse des Propheten Daniel, die an der Hand der neuen Publikation Jevsejevs
über dieses Buch (1905) vorgenommen wird. Für die weiteren Propheten
lieferten die Untersuchungen Dr. Nachtigals (1902) und Dr. Vajs' (Oseas 1910,
Joel 1908) neues Material, das vom Verf. in gleicher Weise ausgebeutet und
nach den drei Wortgruppen systematisch eingereiht wurde. Auch hier zeigt
es sich, daß in dem Texte der glagolitischen Prophetenperikopen noch die
älteste Überlieferung sich erhalten hat, die auch in den ältesten cyrillischen
Parömien wiederkehrt (S. 445). Daran reiht sich die Vergleichung des ersten
Buches Mosis, der Genesis, auf welches zum Teil bereits in der ersten Aus-
gabe Rücksicht genommen wurde. Der Verf. konnte nun die neuere Publi-
kation Prof. A. V. Michajlovs (1904) heranziehen, dagegen dessen jüngste
Ausgabe des Parümientextes der Genesis (1912; nicht mehr benützen. Die
lexikalische Analyse, abermals nach den drei Verzeichnissen angeordnet,
bringt reichhaltige Belege für die Annahme, daß in der Tat die Übersetzung
der ältesten Bestandteile des Liber Genesis, die in dem Parümienbuche ent-
halten war, sich in den Überlieferungen des ältesten kirchenslavischen Sprach-
typus bewegte (S. 457). Für die übrigen Bücher des Alten Testamentes gibt
es nur wenige geeignete Vorarbeiten. Die Monographie Lebedevs über den
Propheten Josue (1890) war schon in der ersten Ausgabe herangezogen wor-
den. Nun kamen hinzu die Beiträge von Dr. Vajs über das Buch Ruth (1905),
über das Buch Job (1903), über Proverbia (1910), Ecclesiastes (1905), Eccle-
Jagic, Entstehungsgesch. d. kirchenslav. Spr., angez. v. Pastrnek. 225
siasticns (1910), die Studien Dr.Nachtigals (1902) und Prof. M. S. Poprnzenkos
(1S94) über die Libri Regum. Die Lücken suchte der Verf. wenigstens einiger-
maßen auszufüllen , indem er den glagolitischen Text bei Bercic zum Ver-
gleiche mit dem Paremejnik Grigorovics (leider sind davon bisher nur die
ersten drei Hefte erschienen) heranzieht, um Belege auch für die übrigen
Bücher des Alten Testamentes (für Exodus, Deuteronomium, Paralipomena,
Esdra, Tobias, Judith), wenigstens ganz kurz, hinzuzufügen. Zum Schlüsse
wird auf die umfangreichen Studien Vas. Pogorelova über den Psalter und
besonders über den Kommentar desselben (1901 — 1910) verwiesen und einige
Ergebnisse derselben kritisch berührt, nicht ohne Ausdruck des Bedauerns,
daß dieses wichtige Material erst spät zur Hand war (S. 471). Doch wird der
in den beiden Ausgaben Pogorelovs enthaltene Wortschatz in dem altkirchen-
slavisch-griechischen Wörterverzeichnis verwertet, welches dieser zweiten
Ausgabe der »Entstehungsgeschichte« beigefügt ist (486—514), als unentbehr-
liche Ergänzung des in der ersten Ausgabe schon vorhandenen, nunmehr
jedoch erweiterten griechisch-slavischen Glossars (S. 515 — 540).
Als Hauptergebnis dieser Einzeluntersuchungen über die Bücher des
Alten Testamentes — mit Ausnahme des Psalters — die allerdings noch lange
nicht abgeschlossen sind, darf gelten, daß wenigstens die im ältesten Parö-
mienbuche enthaltenen Lektionen bereits in der ersten Periode des kirchen-
slavischen Schrifttums übersetzt wurden. Ob auch die Ergänzung zu voll-
ständigen Texten noch in die erste Periode fällt und im Sinne der Legende
von Method und seinen Mitarbeitern stammt, das läßt sich aus den bisherigen
lexikalischen Forschungen mit Bestimmtheit noch nicht folgern. Immerhin
bleibt es beachtenswert, daß der Verf in dieser zweiten Ausgabe die Nach-
richt der Legende, daß Methodius mit Hilfe zweier schnellschreibenden Prie-
ster alle Bücher (der heil. Schrift), mit Ausnahme der Makkabäer, übersetzte,
nicht mehr so entschieden verwirft, wie dies in der ersten Ausgabe der Fall
war. Dieses aus erneuerter Prüfung des Gegenstandes geschöpfte Ergebnis
ist in vielfacher Beziehung wichtig und wurde von mir bereits oben, bei der
Besprechung des historischen Teiles des vorliegenden Werkes verzeichnet.
Schließlich mag hervorgehoben werden, daß die in der ersten Auflage,
gleichsam als Anhang, veröffentlichte Polemik gegen Georg Volf (II, 81 — 84)
diesmal mit Eecht gänzlich ausgefallen ist. Aus dem neuen Buche ist somit
jegliche unfruchtbare polemische Bemerkung, wie dies oben bereits vermerkt
wurde, mit ruhiger Hand beseitigt worden.
Die vorliegende Neuauflage der »Entstehungsgeschichte der kirchen-
slavischen Sprache« ist somit ein Werk, das die festbegründeten und wohl-
bewährten Ansichten des Verf.s mit den Ergebnissen der Forschungen des
letzten Dezeniums zu einem Ganzen verbindet und das die Fragen, die sich
an die Anfänge des slavischen Schrifttums knüpfen, in erschöpfendster Weise
behandelt. Kein slavischer Philologe kann sich rühmen, zur Aufhellung
dieser Fragen und zur historischen Kenntnis des Altkirchenslavischen mehr
beigetragen zu haben, als der verehrte Verf. des Buches. Seit dem Jahre 1863,
wo die erste diesbezügliche Studie in der Tisucnica erschien, sind fünfzig Jahre
verflossen, Jahre der emsigsten und von reichstem Erfolge gekrönten wissen-
Archiv für slavisclie Philologie. XXXV. 15
226 Kritischer Anzeiger.
schaftlichen Arbeit, welche in erster Reihe dem Studium der illtesten slavi-
schen Schrift und Sprache gewidmet ist. So darf das vorliegende Buch förm-
lich ein Jubiläumswerk genannt werden, in welchem in der Tat die Ergebnisse
dieser ganzen, unermeßlichen Arbeit in ihren Resultaten niedergelegt sind.
Und außerdem erfüllt das Buch auch eine intime Sendung. Der Verf. widmet
es »seinen lieben Freunden, Fachgenossen und Schülern zum Andenken«,
gewissermaßen als Dank für den ihm zu Ehren anläßlich des siebzigsten Ge-
burtsjahres dargebrachten »Zbornik u slavu Vatroslava Jagica« (Berlin 190S,
Weidmannsche Buchhandlung).
Prag. Fr. Pastrtiek.
Jözef Korze7iioivski\ »Zapiski z R^kopisöw Cesarskiej
Biblioteki Publicznej w Petersburgu i innych Bibliotek
Petersburskich.«
Sprawozdanie z podrozy nankowych odbytych w 1891—1892
i w 1907 R. Krakow 1910, 8» maj., XLI + 407 Seiten.
Als elfter Band des von der Krakauer Akademie der Wissen-
schaften herausgegebenen »Archiwum do dziejow literatury i
oswiatywPolsce« erschien im Jahre 1910 der erste Teil der Arbeit Jö-
zef Korzeniowki's: »Zapiski i wyciagi z rekopisöw bibliotek
polskich i obcych, do polski sie odno sz^cych«, welcher die aus
polnischen Bibliotheken stammenden Handschriften St.-Petersburgs, in erster
Reihe die, welche sich in der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek
befinden, behandelt.
Die wiederholten Plünderungen der polnischen öffentlichen sowohl wie
Privatbibliotheken infolge der Kriege mit Rußland und Schweden, das Hin-
überschaffen am Ende des XVIII. Jahrhdts. vollständiger polnischer Archive
und Bibliotheken nach St.-Petersburg und weit nach dem Innern Rußlands
hat eine massenhafte Anhäufung polnischer und anderssprachiger aus pol-
nischen Bibliotheken herkünftiger Handschriften im Zarenreiche veranlaßt,
welche, sowie auch die in den schwedischen Bibliotheken befindlichen, für
die Kenntnis der polnischen Geschichte und der polnischen Kultur im Laufe
der Jahrhunderte vom größten Wert sind.
Nur wenige haben sich bis jetzt um diese Schätze gekümmert i); verschie-
dene Umstände traten obendrein dem Studium der Dokumente hemmend in
den Weg, nicht am wenigsten diese, daß die Handschriften sich über vielen
Stellen verbreitet befinden, das Zusammengehörige manchmal getrennt ist
und die Handschriften entweder gar nicht oder mangelhaft, oft sogar fehler-
haft verzeichnet sind. Die Notwendigkeit einer sachkundigen Beschreibung
1) Die Krakauer Akademie der Wissenschaften hat im J. 1911 eine Ex-
pedition zur Registrierung der in schwedischen Bibliotheken befindlichen
Hdn. veranstaltet, von deren Ergebnissen ein offizieller Bericht jedoch noch
nicht vorliegt.
Korzeniowski, Zapiski z rekopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 227
dieser Handschriften wurde schon längst lebhaft gefühlt; eifrig bemühte sich
um diese Frage Jözef Korzeniowski, der Bibliothekar der Jagelloni-
scheu Bibliothek zu Krakau, der im Jahre 1S91 bei der Krakauer Aka-
demie der Wissenschaften darum anhielt, daß er durch ihre Bemühung das
Stipendium »Sniadecki* aus der Stiftung D. S. Galezo wskis zu dem ge-
nannten Zwecke benutzen dürfe. J. Korzeniowski hatte dabei vor allem
die polnischen und lateinischen historischen Handschriften
der St.-Petersburger Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek im
Auge, zielte auch auf das aus polnischen Quellen stammende handschriftliche
Material der Bibliothek des Hauptstabes zu St.-Petersburg ab
und dachte ebenfalls an die in Schweden, hauptsächlich in Stockholm
befindlichen aus Polen stammenden und sich auf Polen beziehenden Hand-
schriften. Die Erfüllung seines Wunsches durch die Krakauer Akademie
der Wissenschaften und die Unterstützung, welche die Historische
Kommission der Akademie obendrein verlieh, ermöglichten dem Herrn
Korzeniowski in den Jahren 1891 und 1892 einen längeren Aufenthalt in St.-
Petersburg und erlaubten ihm auch einen Anfang zu machen mit seinen
Untersuchungen in Stockholm. Nachdem J. Korzeniowski im J. 1907 noch
einmal in St.-Petersburg war um in der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek
seine früheren Aufzeichnungen mit den von ihm benutzten Handschriften zu
vergleichen, veröffentlichte er im J. 1910, wie vorhin angegeben, das Resul-
tat eines Teiles seiner Untersuchungen.
Der Band '■Notizen und Auszüge aus den Handschriften
polnischer und fremder, auf Polen sich b eziehender Biblio-
theken« [SOmaj., XLI -|- 377 Seiten nebst Namensregister] umfaßt die Be-
schreibung von 491 Handschriften, von welchen die NN. 1 — 415 der Kaiser-
lichen Öffentlichen Bibliothek, die NN. 425— 460 der Bibliothek
des Hauptstabes [heutzutage Haupt- und Generalstabes], die
NN. 461 — 470 der Bibliothek der Römisch-Katholischen Geist-
lichen Akademie angehören und die NN. 41G — 424 und 471 — 491 sich mit
den Autographen- und Dokumentensammlungen der K. Öffentlichen
Bibliothek befassen.
Unter den untersuchten Handschriften der zuletztgenannten Bibliothek
befinden sich 260 lateinische, 101 polnische, 34 verschiedenspra-
chige, 4 deutsche, 1 spanische und 15 italienische. Format und
Signatur dieser, so wie aller anderen beschriebenen Handschriften , sind auf
S. XXXV — XLI verzeichnet worden. Dieser Aufzählung geht auf S. XXI —
XXXIV eine Inhaltsübersicht der genannten Handschriften voran , worin die
Gruppen, zu welchen die einzelnen gehören, in alphabetischer Reihenfolge
aufgeführt worden sind.
Über die verschiedenen Wege, die man bei der Beschreibung von Hand-
schriftensammlungen einschlagen kann, spricht der Autor sich auf S. VIII
der Einleitung zu seiner Arbeit aus und zeigt darauf hin, wie er bei dem um-
fangreichen, nicht einheitlichen Material sich nur zur Zusammenstellung einer
Art von » catalogue raisonne « bestimmen konnte.
Es folgt darauf [S. IX — XV] eine Aufzählung der verschiedenen St.-
15*
228 Kritischer Anzeiger.
Petersburger Bibliotheken, die aus Polen herkünftige Handschriften zu ihren
Sammlungen zählen, eine flüchtige Übersicht über das, was sie daraus er-
hielten und eine kurzgefaßte Geschichte der reichen polnischen Bibliotheken,
die erbeutet und zerstückelt wurden, wozu die Geschichte der polnischen
und litauischen »Metryki<, der so wichtigen Archive des König-
reichs Polen und des Großfürstentums Litauen gehört. Hieran
schließt sich eine Angabe der meisten derer an, die sich in einer oder anderer
Weise mit den polnischen Handschriften der russischen Biblio-
theken befaßt haben.
Auf diese lehrreiche Darstellung folgt [S. XV — XVIII] eine kurze In-
haltsangabe des Bestandes der K. Öffentlichen Bibliothek zu St.-Petersburg
am Ende des Jahres 1909 und ein Verzeichnis der Sammlungen, die bis zum
Jahre 1850, als in der Geschichte der Verwaltung der Bibliothek eine neue
Periode eintrat, infolge von Kriegen, Ankäufen oder Konfiskation ihr Eigen-
tum wurden. Den Grundstock bildet bekanntlich die Bib liothek J. Zalu-
ski's , die am Ende des XVIII. Jahrhunderts aus Warschau hinübergeschafft
wurde.
Danach gibt der Autor [S. XVIII — XIX] eine kurze Aufzählung der von
ihm untersuchten Handschriften, nach den Jahrhunderten, aus welchen sie
stammen, geordnet, und spricht [S. XIX — XX] einen Augenblick über den
Bestand der Bibliotheken des Hauptstabes und der Katholischen
Geistlichen Akademie, von welchen erstere die aus der Gräflich
Czartoryski'schen Bibliothek zu Pulawa herstammenden Hand-
schriften besitzt, worunter 18 Bände der sogenannten Portefeuille [Tek] des
Naruszewicz, 23 Bände statistischer Beschreibungen polnischer Kirch-
spiele, Tagebücher der polnischen Landtage, unter welchen das bis zur Zeit
von J. Korzeniowski's Untersuchungen unbekannte des Landtages vom
Jahre 1590/1591.
Unter den Handschriften der Katholischen Geistlichen Aka-
demie ist wohl die interessanteste der schöne Kodex: die Werke des Georg
von Trapesund, der im Anfange des XVI. Jh. dem Humanisten J. S.
Am ata, Professor der Krakauer Universität, angehört hat.
Nach der inhaltsreichen Einleitung folgt dann die Beschreibung der
einzelnen Handschriften. Hierbei geht der Autor in folgender Weise vor:
nachdem die Sprache, in welcher der Text gehalten ist, das Format und die
Signatur der Handschrift angegeben sind, folgt die Erwähnung, ob diese eine
Pergament- oder Papierhandschrift ist, die Angabe ihrer Größe in mm, ob sie
von einer oder mehreren Händen geschrieben wurde und in welchem Jahr-
hundert, die Anzahl ihrer Seiten und, wenn nötig, einiges über den Einband.
Es folgt der Titel, wenn dieser verzeichnet worden ist, und eine Übersicht
des Inhaltes. In kleiner Schrift ist darunter die Geschichte der Handschrift,
so weit diese bekannt ist, und die Literatur über sie, insoweit der Autor
diese kannte, mitgeteilt.
Bei der Größe des Materials und der Verschiedenheit des Inhalts der
Handschriften ist es selbstverständlich , daß umfangreiche Manuskripte nicht
detailliert beschrieben werden konnten und z. B. die Bände der »Tek Na-
Korzeniowski , Zapiski z rekopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 229
ruszewicza« bloß chronologisch verzeichnet wurden. Ebenso begreiflich
ist es, daß in den Literaturangaben Lücken sind, die den, der sich mit der
einen oder anderen von J. Korzeniowski beschriebenen Handschrift be-
fassen will, zur Vorsicht mahnen.
Vorsicht gebietet gelegentlich auch die Inhaltsangabe der Handschriften.
Als Beispiel führe ich zwei Handschriften an, die ich mir, veranlaßt durch eine
Frage des Herrn Professors "W. Sobieski zuKrakau, näher ansah; es sind dies
die Handschriften der St.-Petersburger K. Ü. Bibliothek, verzeichnet als Pol.
F. IV No. 111 und Pol. F. IV No. 11 9 1). Bezüglich der zuerstgenannten Hand-
schrift gibt J. Korzenowski für S. 40^ — 491^ an: »Akta sejmikow odbytych
1600 r. w Proszowicach i Nowem Miescie Korczynie<. In der Hdschr. jedoch
finden wir auf S. 40"^ zu Ende der Aufschrift: »Instructia na seymik . . . do
Proszewic ... y na generalny do Korczyna ...» die Jahreszahl MDCV ge-
schrieben, und auf S. 491j die Datierung 23. Febr. 1606 nebst der Bemerkung :
»Pisan w Nowym Miescie KorczjTiie na Seymiku Glöwnym.«
In der Beschreibung der Hds. Pol. Fol. IV No. 119 verzeichnet der Autor
unter Buchstabe d~) »str. 283 sqq. Mowy poslöw, grawamina, odpowiedz
krölewska na sejmie warszawskim 1606 r.«, worauf unter Buchstabe e folgt:
»Str. 625 sqq. . . .« Unter d sind also — muß man annehmen — die Seiten der
Hds. 283 — 625 verzeichnet; über den Warschauer Reichstag vom Jahre 1606
ist aber nur bis auf S. 343 die Rede ; die weiteren Mitteilungen bis auf S. 625
beziehen sich auf die Reichstage zu Ste^yc, Lublin und andere.
Nebenbei sei bemerkt, daß ein Teil der Berichte über den Warschauer
Reichstag in dieser Hds., nämlich der Inhalt von S. 295— 305: »Grawamina
stanu rycerskiego . . .«, ebenfalls in der Hds. Pol. F. IV No. 111 vorkommt,
nämlich auf S. 76 ff.
Am Ende seiner Beschreibung der Hds. Pol. F. IV No. 119 gibt sich
beim Autor eine kleine Verstimmung kund gegen J. Zaluski, aus dessen
Bibliothek die beiden genannten Hdss. stammen, und der über dem Anfange
der zuletzgenannten verzeichnete : » Sigismundi Terti j Regis Poloniae et Sueciae
Rerum gestarum Tomus Tertius Andreas Lisiecki.« Der Autor übersah aber,
daß Zaluski in diesen Worten bloß wiederholte, was in dem gelben Leder der
alten Einbanddecke der Handschrift eingedruckt war und noch deutlich zu
lesen ist. Zaluski fügte in Klammem hinzu: »ab anno 1605 ad A. 1614«;
nicht »A.D. 1614«, wie Autor angibt.
Mit diesen Bemerkungen meinerseits ist aber nicht im geringsten ge-
meint herabzusetzen den Wert der mühsamen, fleißigen, von vielen Kennt-
nissen zeugenden Arbeit des Herrn J. Korzeniowski, der Alle, die sich
dem Studium polnischer Handschriften widmen, zu großem Danke ver-
pflichtet hat. Denn sein Werk ist die erste systematische Katalogisierung
polnischer Manuskripte und hat obendrein das Verdienst, auf das Schicksal
der reichen polnischen Bibliotheken und auf die Schätze, die diese enthielten,
aufmerksam gemacht zu haben, wodurch hoftentlich mancher angeregt werden
1) S. 224/225 und 226/227 J. Korzeniow ski's Beschreibung.
2j S. 227.
230 Kritischer Anzeiger.
wird, sich dem näheren Studium der polnischen Kultur vergangener Jahrhun-
derte zu widmen.
Mir sei es gestattet eine kleine Ergänzung zu seiner so nützlichen Arbeit
hier mitzuteilen.
Mich zeitweise in St. -Petersburg aufhaltend und mich bei meinen Stu-
dien über die polnische Kultur des XVI. — XVII. Jahrhunderts und ihren Ein-
fluß auf die russische des XVII.— XVIII. Jahrhunderts*) mit Dank auch der
obengenannten Arbeit J.Korzeniowski's bedienend, lenkte ich meine Auf-
merksamkeit auf die polnischen Handschriften der Bibliothek des
Haupt- und Generalstabes.
In der Einleitung zu seinem Werke, auf S. XIX, weist der Autor auf die
Herkunft und die Wichtigkeit dieser Handschriften hin und fügt hinzu, daß
nicht alle in jener Bibliothek befindlichen Handschriften, die im gedruckten
Katalog-) aufgezählt sind, ihm zu der Zeit, als er darüber arbeitete, zugäng-
lich waren. Die, von welchen er Kenntnis nehmen konnte — 36 Nummern —
beschrieb er auf S. 333—350 seines Buches.
Als nun vor kurzem einige dieser Handschriften mich besonders inter-
essierten und mir mit größter Bereitwilligkeit die Gelegenheit gegeben war,
in der Bibliothek des Haupt- und Generalstabes zu arbeiten, war
meine Enttäuschung groß, als gerade die von mir zur Einsicht gewünschten
Handschriften sich als nicht mehr vorhanden herausstellten. Die übrigen
ließen sich unter andern als die von J. Korzeniowski verzeichneten Num-
mern vorfinden.
Überzeugt, daß niemand mehr als der Autor selber es bedauern wird, daß
er bei seinem letzten Aufenthalte in St.-Petersburg im Jahre 1907 die Gelegen-
heit nicht benutzt hat, um sich zu überzeugen, ob die von ihm angeführten
Handschriften in der Tat noch in der Bibliothek des Haupt- und Gene-
ralstabes vorhanden seien, glaube ich sowohl ihm selber als allen, die sein
Buch bei ihren Studien benutzen, einen Dienst zu erweisen durch die Mit-
teilung des Eesultates meiner Nachforschungen in genannter Bibliothek.
In erster Reihe seien die Nummern verzeichnet, unter welchen die vom
Autor beschriebenen Handschriften heutzutage in der Bibliothek des
Haupt- und Generalstabes aufgeführt sind.
Nummern, unter welchen die H d s s. sich vorfinden
beiJ.Korzeniowski[No.425 — 460 im heutigen Bestände derBiblio-
seines Buches^: thek:
No. 37.5291) [77— 1,2— 1] 2)
No. 217—1 — 1 [Achtzehn Bände des
sogenannten »Tek Naruszewicza*].
1) Vgl. ASPh., Bd. XXX, S. 57—89.
2) »CucxeMaTuiecKiM KaTajTortBuöJiioTeKurjiaBuaroIIlTaöai
qacrtll, CnÖ. 1880, No. 37529— 37561.
3) Nummer des gedruckten Katalogs.
*) Standnummer der Handschriften in der Bibliothek.
Korzeniowski, Zapiaki z r^kopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 231
No. 37531 [79—2—4].
No. 37533 [61—4—5].
No. 37537 [87—3—16].
No. 37538 [43 — 1—10].
No. 37543 [17a— 2— 36].
No. 37545 [156-3—2].
No. 37553 [15—6—18].
No. 37555 [17—6—8].
No. 37560 [144a— 1-41]
No. 37561 [146^—1—1].
No. 37571 [146a— 1—2].
No. 37723 [92—7—21].
No. 37724a [82—2-11].
No. 286— 2— 35 [Dokumente, die sich
auf die Konfederation von Bar be-
ziehen].
No. 287—1—8 [Tagebuch der Wahl
und der Krönung des Königs Michail
und Abschriften von Briefen und
Dokumenten aus den Jahren 1669 —
1670].
No. 287 — 1—24 [Handlungen der pol-
nischen Artillerie -Generäle vom J.
1756 und Rechte, der Artillerie ge-
geben].
No. 286— 2— 21 [Abschrift des Brief-
wechsels des polnischen Gesandten
J. N. MaiachoicsJd in Dresden 1789
—1792].
No. 286—2—5 [Vortrag, abgehalten
in der literarischen Abteilung der
Gesellschaft der »Freunde der Wis-
senschaft< im J. 1805, über das po-
litische Gleichgewicht].
No. 216—1—7 [Rapporte der Inge-
nieurschulen der Jahre 1790 und
1791].
No. 286—2—8 [Beschreibung der Be-
lagerung Wiens im J. 1683].
No. 216—2—4 [Tagebuch der Reise
31. K. Badziwiih durch Europa im
J. 1677].
No. 216—2—24 [Dokumente, die sich
auf Schulangelegenheiten in Polen
und Litauen der Jahre 1809—1824
beziehen].
No. 216—1—1 [Statistische Beschrei-
bung der polnischen Kirchspiele der
Jahre 1784-1786].
No. 216—1 — 5 [Liste der kirchlichen
Einnahmen im Krakauer wojewod-
ztwo].
No. 287 — 1 — 20 [Beschreibung der
Rigaer Unruhen vom J. 1521; in
deutscher Sprache].
No. 286— 1—9 [BornhacJis Erzählung
vom Aufruhr zu Danzig 1522—1526].
232
Kritischer Anzeiger.
No. 37725 [60—2—3],
No. 37731 [153^—1 — 14].
No. 37800 [58—2—1].
No. 37801 [56—2—9].
No. 37802 [56—2-8],
No. 37806 [56—2—6].
No. 37808 [56—2-11].
No. 37810 [56—2—10],
No. 37812 [149—7—31].
No. 37814 [146^—1—24],
No. 37817 [56—2—7].
No. 37S33 [71—2—15].
No. 287—1—3 [S. Grau's Danziger
Geschichte und andere Aufsätze in
deutscher Sprache].
No. 216—2—27 [Abschriften von Brie-
fen Albrechts von Preußen an die
Bischöfe J. Danti/szka, T. Griese
und S. Hosius],
No. 287—2—10 [Italienische Doku-
mente aus dem XVII. Jhd.].
No. 2S7— 2— 12 [Italienische Doku-
mente , die sich auf das Konklave
vom J. 1655 beziehen].
No. 287—2—17 [Italienische Doku-
mente, die sich auf die Papstwahl
Innocenz X. beziehen].
No. 287—2—15 [Italienisches Doku-
ment vom J. 1652: Mitteilung des
Venezianischen Gesandten ä. Giusti-
niano].
No.287 — 2 — 13 [Abschrift einer Samm-
lung von Vorschriften Gregors X V.
und Urhans VIII. für die päpst-
lichen Gesandten].
No. 287 — 2 — 14 [Sammlung von Vor-
schriften der Päpste Imiocenz X. u.
Alexajider VII für ihre Gesandten].
No. 45 — 8 — 46 [Mitteilungen Venezia-
nischer Gesandten aus d. XVII. Jh.]
No. 2 1 6 — 2 — 2 [Sammlung italienischer
Dokumente aus dem XVII. Jh.]
No. 287—2-16 [Mitteilung des Vene-
zianischen Gesandten in Eom vom
J. 1647].
No. 286—2—7 [Abschriften von Do-
kumenten, die sich auf Kurland und
Livland beziehen, aus dem XVI.,
XVII. und XVm. Jh.l.
Die Handschrift No. 37530 [82—1—8] , polnische politische Doku-
mente der Jahre 1585 — 1606 und ein ungedrucktes polnisches Gedicht enthal-
tend, hat bis jetzt die alte Signatur No. 82— 1— S behalten; man glaubte sie
schon verloren, fand sie aber in den Vitrinen wieder.
Wie aus dem Vergleiche der oben vorgeführten Liste mit den von J.
Korzeniowski verzeichneten Handschriften ersichtlich, sind von diesen
letzteren die folgenden nicht mehr in der Bibliothek vorhanden :
No. 37532 [89— 1— 6] = Korz. No. 428 [Chwalczewski's Chronik,
Korzeniowski, Zapiski z r^kopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 233
Fragmente von Tagebüchern der Landesversammlnngen der J. 1548 und 1550,
Polnische Gedichte, das Testament des Krakauer Bischofs Maciejowski
und andere Dokumente.
No. 37534 [18—1—36] = Korz. No. 430 [Tagebuch der polnischen
Landesversammlung zu Grodno im J. 1784],
No. 37542 [89—2—1] = Korz. No. 433 [Sammlung ursprünglicher Briefe
des Königs Jan III.].
No. 37544 [96—2—102] = Korz. No. 435 [Dokumente der Jahre 1696
— 1718, die sich auf die Geschichte Polens beziehen].
No. 37724b [85— 2— 10] = Korz. No. 444 [B ornb ach' s Erzählung des
Danziger Aufruhrs, geschrieben im J. 1587].
No.37728[89— 2— 12] = Korz. No.446 [S.Grunau's »Chronik Preußens«
in gekürzter Form].
No. 37807 [96— 2—101] = Korz. No. 452 [Auszüge aus Dokumenten,
die sich auf Spanien beziehen und abgedruckt sind in De Lamberty: »Me-
moires pour servir ä Thistoire du XVHIieine siecle].
No. 37809 [93—4 — 7] = Korz. No. 454 [Drei Briefe eines italienischen
Diplomaten aus dem Anfange des XVIII. Jhs.].
No. 37815 [82— 3—4] = Korz. No. 458 [Mitteilungen Venezianischer
Gesandten und Verträge Veneziens , mit italienischen Fürstentümern ab-
geschlossen].
Von diesen ist die Handschrift No. 37534 [18a — 1 — 36] nicht mehr aufzu-
finden und muß also als verlustig betrachtet werden. Die andern Hand-
schriften sind bei Gelegenheit der Feuersbrunst im Gebäude des Haupt- und
Generalstabes vom Jahre 1901 leider verbrannt. Unica, wie die Chronik
Chwalczewski's, ungedruckte polnische Gedichte, historische Dokumente
sind dabei vernichtet worden. Vor dem Untergange bewahrt ist die oben-
genannte Handschrift No. 217—1—21 =No. 37724* [82—2—11] bei J. Korze-
niowski; sie hat aber durch den Feuerschaden sehr gelitten, auch ist der
Einband verkohlt. Verbrannt ist ebenfalls der Einband der Handschriften
No. 287—1—24 = Korz. No. 37537 [87—3—16] und No. 287—1—20 = Korz.
Nor. 37723 [92 — 7 — 21]; die zuerst genannte dieser beiden Handschriften ist
obendrein vom Rauche geschwärzt; von der zuletzt genannten sind die letzten
Seiten vom Feuer verzehrt worden. Verbrannt sind leider auch die folgen-
den fünf von Korzenowski nicht erwähnten, aber im gedruckten Katalog
der Bibliothek verzeichneten Handschriften :
No. 37536 [95 — 2 — 18] [Tagebuch der Landesversammlung, im Jahre 1764
in Warschau abgehalten, in 40].
No. 37539 [3la — 2—14] [Kozlowski's Geschichte des ersten, später
neunten Regimentes des Fürstentums Warschau, in 4°].
No. 37541 [80—1—18] [Dokumente der Jahre 1503—1613, die sich auf
die Geschichte Polens beziehen, in folio].
No. 37550 [30a— 2— 64] [Statistische Tabelle des Kalischer Departements,
in SO].
No. 37554 [82—1—90] [Abfahrt des Moskauer Zaren Dimitrius nach
234 Kritischer Anzeiger.
Moskau mit G. Mniszek, Wojewoden von Sandomir und anderen Edelleuten
im J. 1604, in folio].
Weitere zwei der dort angeführten Handschriften :
No. 37552 [75—1 — 1] [im Katalog angeführt unter dem Titel »Teki Krö-
lewieckiej« 1413 — 1524, 16 Bände in 8»]
und No. 37557 [165—1 — 12] [Sammlung origineller Dokumente und Briefe
in polnischer Sprache, in folio]
sind nicht mehr aufzufinden und müssen also als dem Bestände der Bibliothek
nicht mehr angehörig betrachtet werden.
Diesen großen "Verlusten gegenüber steht aber ein erfreulicher Zu-
wachs; ich fand nämlich in der genannten Bibliothek eine Reihe von Hand-
schriften, die im gedruckten Katalog größtenteils gar nicht vorkommen und
im handschriftlichen Verzeichnis öfters unrichtig aufgeführt sind.
Ihre Beschreibung lasse ich hier folgen:
I.
No. 216— 2— 5. — Papierhandschrift, 195 mm bei 155 mm, von einer Hand
im XVII. Jh. geschrieben, 654 numerierte Seiten, broschiert, besonders gut
erhalten.
Bemerkung: z Archivum Zolkiewskiego Sobieskich. — Auf der
Innenseite des Umschlags ex libris: Wappen äerüadziiviUs mit der gedruckten
Unterschrift: »Ex Bibliotheca Radiviliana ducali Nesvisiensi«; es folgt dar-
unter eine kleine Vignette mit der Inschrift: Loc.V, No. 25.
Titel: >Peregrinacie jasnie wielmo^ne je'' Mci Pana Jakuba Sobi e-
skiego, woiewody ziem ruskich, po roznych cudzoziemskich panstwach;
taHe drogi do Baden z krulem Wiadyslawem IV odprawione y krotkie opi-
sanie«.
Anfang: »Anno Domini 1607, Wyiechalem ja z Krakowa do Franciey
do Pary^a . . . <;
Unten am Titelblatte ist mit verbleichter Tinte geschrieben : »Ta xionszka
lest mi darowana od krolewicza Jme Konstantego anno 1719«.
Es ist die Originalhandschrift der Beschreibung der beiden Reisen Ja-
kob Sobieski's, des Vaters des Königs Jan III. , durch Europa. Der
Krakauer Kastellan reiste 1607 von Krakau über Frankreich, Belgien, Holland,
Deutschland nach Italien, war 1613 in Krakau zurück und fing 1638 von dort
aus seine Reise nach Baden mit dem Könige Wladyslaw IV. an (Hds. S.539ff.).
Auf S. 539 der Handschrift sagt der Autor, daß er seine Erinnerungen
im Jahre 1642 in polnischer Sprache schrieb.
Unter dem Titel >Dwie podrö^e Jaköba Sobieskiego, ojca
kröla Jana III, po krajach europejskich w latach 1607 — 1613 i 1638« gab
Edw. Raczynski Sobieski's Reisebeschreibung heraus; erste Ausgabe
Mröwka pozn. 1821, zweite Poznan 1833.
IL
No. 216—2—19. — Papierhandschrift, 240 mm bei 190 mm; von einer
Hand im Anfange des XIX. Jhs. geschrieben, nicht paginiert, in braunem
Korzeniowski, Zapiski z rekopisow, angez. v. Croiset v. d. Kop. 235
Lederband, worauf in vergoldeten Buchstaben : »0 ziemiorodztwie Kar-
patöw«; darüber auf einem grünen Lederstreifen die Nummer 4742. Unter
dem allgemeinen Titel in kleineren, ebenfalls vergoldeten Buchstaben: »Opi-
eanie woyskowe Karpatöw miedzy Wegrami j Galicya.
Die Seiten nur an einer Seite beschrieben; in der Handschrift sind hie
und da mit Bleistift Korrekturen angebracht.
Die Beschreibung der Karpaten zerfällt in drei Teile. Am Ende isi^i
von einer andern Hand geschrieben: »w Wiedniu, w Grudniu 1810«; und fol-
gende Bemerkung: >przerobione z niemieckiego. Original znayduie si^ w
Kollekcyi planöw i rysunköw lit. C, no 53«.
Diese Handschrift enthält die zum Drucke vorbereitete genaue Abschrift
der Originalhandschrift des Stanislaw Staszic: »0 ziemiorodztwie
Karpatöw i innych gor i rownin Polski«, die im Jahre 1815 in War-
6 chau mit Hinzufügung eines Atlasses herausgegeben und dort im folgenden
Jahre [1816] noch einmal gedruckt wurde. Die Unterzeichnung der Abschrift
ist ohne Zweifel die des Staszic selber, der 1810 in Wien war.
IIL
No. 206—1—8. — Papierhandschrift aus dem XIX. Jh., 320 mm bei
200 mm, broschiert, 373 Seiten, von welchen die fünf ersten nicht paginiert;
die hierauf zunächst folgende Seite ist als die 29. verzeichnet. Die Handschrift
hat durch nicht sorgfältige Aufbewahrung gelitten.
Auf der ersten Seite ist [später] in russischer Sprache geschrieben:
»^HecHUKT. ccHMa Jlio6.iiiHCKaro et. anoxy coeÄHHCHiH uapcTBa
ndLCKaro ex BejEHKUMt KHKKecTBOMt jiHTOBCKHM'B»; darunter von
einer andren Hand: »Tresc rekopismu bibliotheki J. Wo Tadeusza Cza-
ckiego^. Auf der Kehrseite befindet sich eine kurzgefaßte Nachricht über die
Lubliner Union, worunter nachfolgende Bemerkung: »tresc wypisal Lukasz
Golebiowski«. Es folgt [S. 3 — 5]: »Dyariusz Seymu Unii, czyli
ziednoczenia Korony Polskiey z W. Xiestwem Litewskim w 1569
roku«; es ist dieses das Inhaltsverzeichnis, von L. Golebiowski unter-
zeichnet; das Tagebuch fängt mit der 30. Seite an. Sowohl diese wie die
373. Seite stammt von einer andern Hand her.
»Dyariusz Lubelskiego seymu Unii r. 1569« wurde von T. A.
Dzialynski im Jahre 1856 in Posen als dritter Band der »Zrodlopisma
do dziejöw Unii Korony Polskiej i W. X. Litewskiego« heraus-
gegeben. »Dzialynski kannte die obengenannte Handschrift nicht.
Im Jahre 1869 [St-Petersburg] besorgte M. 0. Ko^i.üobiii'b die Heraus-
gabe des »ÄueEHnKt JIioöjiHHCKaro ceÜMa 1569 roÄa« für die Ärchäo-
graphische Kommission und benutzte dabei, wie er in der Einleitung sagt,
eine Handschrift der Bibliothek des General- (Haupt-) Stabes,
dort mit der Nummer 7731 verzeichnet, die — wie er meint — die späteste
Abschrift des genannten Tagebuches ist und im XVII. Jh. geschrieben sein
soll. Wo diese Handschrift sich befand bevor sie der Bibliothek des Haupt-
und Generalstabes einverleibt wurde, erwähnt Koh.iobuh-i. leider nicht.
236 Kritischer Anzeiger.
IV.
No.165 — 1—11 1). — Papierhandschrift aus dem Ende des XVI. und dem
Anfange des XVII. Jhs., 330 mm bei 210 mm, gebunden [später], 59 nicht
numerierte Seiten. Die Handschrift hat Feuerschaden erlitten [die Ränder
der Seiten sind geschwärzt und links oben fehlt ein Paar cm^ großes Stück
der Handschrift über ihre ganze Dicke].
Auf der Rückseite des Einbandes ist russisch verzeichnet: »CoÖpaHle
noÄJiHHHHXT> nac ewh li ÄCKpeiOB'i.BpeMeHtKopo.üflCurHaMyHaall
Asry CTa«.
S. 1—2: Brief vom Jahre 1570 des Wojewoden von Minsk, Gabryel
Hornostay, an Mik. Krzyszt. Radziwill.
S. 3—4: Brief vom Jahre 1569 an denselben.
S. 5: Brief vom Jahre 1510 [die Adresse ist nicht erhalten geblieben].
S. 6—7: Fragment eines Briefes an M. K. Radziwill vom Jahre 1570.
S. 8 — 9: Brief an denselben vom Jahre 1568.
S. 10: Brief an denselben ebenfalls vom Jahre 1568.
S. 11 — 12: Brief an denselben im Auftrage des Königs Sigismund II.
August.
S. 13—14: Brief an denselben im Auftrage des Königs vom Jahre 1569.
S. 15—16: Brief des Gabriel Grabowski an den Wojewoden von
Troki vom Jahre 1551.
Neben der Adresse ist später verzeichnet worden: No. 13 Fase. 128
Publicznych.
S. 16—30: Panegyrici zur Gelegenheit der Heirat Sigismund II
August und Sigismund III.
Es ist dies die Abschrift der 1605 im Verlage der Witwe Jac.
Siebeneycher in Krakau gedruckten Broschüre.
S. 31 — 32: »Dekret miedzypanem starost^ Zmoydzkym a panemHliebo-
wiczem« vom Jahre 1563.
S. 33 — 34: Ein lateinischer Brief vom Jahre 1557, wobei verzeichnet
ist: No. 224 Fase. 13 Publicznych.
S. 35— 36: »Przywilej na Prawo Maideburskie miastu Wilens-
kiemu < , in lateinischer Sprache.
Am Ende ist verzeichnet: No. 3 Fase. 109 Publicznych.
S. 37—40: »Kopija przywilegii kröla Zygmunta Augusta na Statut
W. X. Litewskiego, dan w Breczku 1564^.
S. 41—42: Ein nicht zu Ende geführtes lateinisches Schreiben vom
Jahre 1663.
S. 43—50: Abschrift eines Dekretes Sigismunds II August, auf die
innere Verwaltung Polens sich beziehend, wobei verzeichnet ist: No.233 Fase.
13 Publicznych. Die Abschrift wurde 1663 in Wilno fertiggestellt,
S. 51 — 52: »Kopija z przywileju Inflanckiego na unija im danego«, 1569.
S. 53—59: »Minuta listöw wielkich<. Es handelt sich hier um Überein-
künfte, welche polnische Gesandte zur Zeit Sigismunds II August mit
1) Diese Nummer ist die des > Katalogs der Vitrinen«.
Korzeniowski, Zapiski z r^kopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 237
dem Moskauer Großfürsten abschließen. Verzeichnet ist am Ende: No. 9
Fase 4 Publicznych.
V.
No. 216—1—4:. — Papierhandschrift aus dem XVI. Jh., 320 mm bei 21mm,
gebunden [viel später , 96 Seiten. Die Handschrift hatte gelitten durch nicht
sorgfältige Aufbewahrung; die beschädigten vergilbten Blätter wurden später
beigeklebt.
Die Handschrift ist in westrussischer skoropis' des XVI. Jhs. geschrie-
ben; sie enthält 38 Originalbriefe in westrussischer Sprache, von denen der
letzte nicht zu Ende geführt ist; vom 19. Briefe fehlt der Anfang.
Auf der ersten leeren Seite ist von einer alten Hand folgendes verzeich-
net: »Listy po rusku pisane in materia woyny z Moskwq. roku
1573 do Senatoröw y Ead uaznaczonych od kröla y rzeczypospolitey, od
osoby, ktörey imienia niemasz; znac, ie to byl posiel albo poslanik polski«.
Über dem Anfange ist in noch älterer Zeit verzeichnet worden: »Listy
Stare po rusku pisane od roznych P. P. xi^^at dygnitarzöw
W.X.Litewskiego do P.P. Sapiehow, Chodkiewiczu w, Hlebowi-
czüw y innych . Ein Verzeichnis der Briefe geht diesen voran.
Der 4., 13., 14. und 20. Brief ist an »ITaHi. TpouKÜi« gerichtet; der 9.,
15., 16., 27. und 31. an den Wojewoden; der 12. an den »Focysapi. KopojiB«;
der 17., 18., 21., 22, und 28. an die Katsherren des Großfürstentums
Litauen.
VI.
No. 411—3—26. — Papierhandschrift vom Ende des XVIII. Jhs., 340 mm
bei 195 mm, von verschiedenen Händen geschrieben, broschiert, 174 Seiten.
Die Aufschrift lautet: »Tabella miast, wsiöw y osiadlosci
wonychwprowincyiW.X. Litewskiegoznayduiqcychsiezklas-
syffikacyq tychze jakiey sa natury oraz y glöw z taryff
lustratorskich wyci^gniona«.
S. 1 — 8 : TaryfFa miast y wsiöw w wojewodz. Wilenskim bed^cych z wy-
raieniem ich osiadlosci y dystynkcy^ ni^ey w rubrykach wyra:?ona z taryffy
podymnego. Eoku 1775 ulo^ona.
S. 9 — 21 : Taryffa miast y wsiöw w powiecie Oszmanskim.
S. 22— 29: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Lidzkim.
S. 30— 40: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Wilkomierskim.
S. 41—45: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Braslawskim.
S. 46 — 53: Taryffa miast y wsiöw w wojewodztwie Trockim.
S. 54— 63: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Grodzienskim.
S. 64 — 68: Taryft'a miast y wsiöw w powiecie Kowienskim.
S. 69 — 74: Taryffa miast y wsiöw powiatu Upitskiego.
S. 75 — 95: Taryffa miast y wsiöw w xiestwie Zmudzkim.
S. 96 — 105: Taryffa miast y wsiöw w wojewodztwie Polockim.
S. 106 — 123: Taryffa miast y wsiöw w wojewodztwie Nowogrodzkim.
S. 124—129: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Sloninskim.
238 Kritischer Anzeiger.
S. 130—133: Taryffa miast y wsiöw powiatu Wolkowyskiego.
S. 134 — 137: Taryffa miast y wsiöw powiatu Orzanskiego.
S. 138 — 151 : Taryffa miast y wsiöw w wojewodztwie Brzeskim.
S. 152 — 157: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Pinskim.
S. 158 — 169: Taryffa miast y wsiöw w wojewodztwie Minskim.
S. 170—171 : Taryffa miast y wsiöw w powiecie Moiyrskim.
S. 172—174: Taryffa miast y wsiöw w powiecie Rzeczyskim.
VII.
No. 216—1 — 3. — Papierhandschrift vom Anfange des XIX. Jhs., 350 mm
bei 230 mm, von einer Hand geschrieben, gebunden in grünem Lederband,
121 Seiten und sechs kolorierte Handzeicbnungen.
Der Titel lautet: »Naukapraktycznafortyfikacyipodziemney
czyli o podkopach do u^ytku kompanij minieröw polskich
z naynowszych autoröw wyieta i na oyczysty iezyk przelozona
przez M. Eouget«.
Die Handschrift wurde im Jahre 1815 in Warschau geschrieben und ist,
wie die erste Seite bekundet, dem Großfürsten Konstantin Pavlovic ge-
widmet worden: >Jego Ces. Xi^^(?cey Miosci Konstantemu Pawlowiczowi
W. X. Rossyiskiemu, naczelnemu dowodzey woyska polskiego«.
VIII.
No. 287—2—5. — Papierhandschrift aus dem Ende des XVII. Jhs.,
330 mm bei 210 mm, von verschiedenen Händen geschrieben, gebunden in
grünem Lederband ; die Seiten sind nicht numeriert ; die Handschrift ist 1 50 mm
dick. Auf der Rückseite des Bandes ist in vergoldeten Ziffern auf einem Leder-
Btreifen die Nummer 2896 verzeichnet. Der Titel lautet: »Historicus de
tumultuGedanensi et dimissioneD. AegidiiStrauchii«, Anno 1674.
Commentarius fideliter conscriptus ab Arnoldo ä Bobari. Nach
einigen unbeschriebenen Seiten fängt der Text in deutscher Sprache an; alle
sich auf die Unruhen und.die Entlassung St rauch 's beziehenden Akten, Bro-
schüren, Mitteilungen, sei es in deutscher oder in lateinischer Sprache, sind in
den Text eingefügt; größtenteils ist auch das handschriftliches Material,
vereinzelt kommt gedrucktes vor; die spätesten Dokumente sind 1681 datiert.
Dem Ende der Handschrift sind die Abdrücke zweier Gravüren beigegeben,
Abbildungen des Feuerwerks in Danzig zur Krünungsfeier Johann III. zum
König von Polen im Jahre 1G76. Verfertiger des kunstvollen Feuerwerks war
der durch sein in vielen Sprachen übersetztes Buch über die Artillerie be-
kannte »Artillerie-Haubtman« Ernst Braun.
Die Handschrift ist ungedruckt geblieben.
IX.
No. 287-2—2. — Papierhandschrift aus der 2. Hälfte des XVIIL Jhs.,
390 mm bei 240 mm, gebunden [später], 195 Seiten.
Die Handschrift enthält Abschriften von Briefen und offiziellen Doku-
menten aus den Archiven des polnischen Königs und einiger Privatpersonen.
Korzeniowski, Zapiski z rekopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 239
S. 1— liJ: 31 lateinische Briefe an den Pabst Urban VIII. von welchen
30 vom Könige Sigismund III. herstammen und einer von seinem Sohne
Wladyslaw. Am Ende ist das Jahr 1624 verzeichnet.
S. 17 — 19: Über dem Anfange ist verzeichnet: Ex. Ms. Arch. Radz.
Nesv. Brief des Herzogs Friedrichs von Lifland und Kurland an
die Senatoren des Großfiirstentums Litauen: »Fridericus ad Ordines M. D. Litt.
Hom. congregatos scribit pro restituendo Ducat. filio Wilhelmi fratris ßui«,
datiert Frawenburg 24 Nov. 1624 und unterzeichnet: Friedericus dei gratia
Livoniae, Curlandiae ac Semigaliae Dux.
S. 20: Oben an der Seite: Ex Epis. Ms. Lubien. in Arch. St an. Aug. Regia.
Brief Stanislaus Lubienski's, Kardinals de Torri, vom
3. Dez. 1624.
S. 21—211': Ex Ms. Biblioth. Zalusc. No. 398.
Literae summi Pontificis UrbaniVIII adVlaisIaum, Poloniae
Principem Romam venientem, A» 1624, 28. Nov.
S. 22-33b: Ex. Ms. Arch. Radz. Nesv.
Capita summaria Sueticae commissionis habitae sub Area Dahlensi,
19. Maji 1624.
S. 34 — 36: Ex tom V Hist. Pruss. per Lengnichum.
Responsum Consiliariorum terr. Prussiae ad legationem Sigis-
mundi III regis Poloniae, 30 Maji 1624, Marienburg. JEs ist dieses Gottfried
Lengnich: »Geschichte der Lande Preußen, Kön. Polnischen An-
teils, seit d. J. 1606 bis auf das Ableben Königs Sigismundi III«,
Danzig 1727, pars V, documenta (No. 4S).;
S. 37: Ex Epis. Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lubienski Francisco Cardinali Barberino,
7 Junij 1624.—
S. 38—411': Ex tom. V Hist. Pruss. p. Lengnichum.
Responsum consiliariorum terr. Prusssiae ad legationem Sigis-
mundi III, reg. Poloniae, 11. Junij 1625, [Es ist dieses Docum. No. 49.]
S. 42—43: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Respons. J. K. Mci P. X. Eustachiuszowi Wollowiczowi, bis-
kupowi Wilenskiemu, Januszowi Skuminowi Tyszkiewiczowi, woje-
wodzie Mscislawskiemu, yKrzysztofowi Zawiszy, poslom konwok. Wi-
leüskiey, 14 Julij 1624 w Warszawie. Das Dokument ist in polnischer Sprache
verfaßt. Am Ende ist folgendes verzeichnet: scrip. Mi. Kalinowski.
S. 44- -44'- Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Copia literarum ducis Radivily ad Pontum, 20 Julij 1624.
S. 45 — 45b: Ex Epist. Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lubienski duci Curlandiae, 30 Julij 1625.
S. 46 — 4&b: Occasio apologiae inter Komorowskie et Rylskie,
Julij 1624.
S. 49— 49b: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Brief der schwedischen Senatoren an die des litauischen Goßfürsten-
tumes vom 11. August 1624.
240 Kritischer Anzeiger,
S. 50 — 51: Ein Brief der genannten Senatoren an die Litauens vom
2. August 1624.
S. 52 — 54: Ex. Ms. Arch. St an. Aug. reg.
Brief des Joh. Albertus, Koadjutors des Bischofes von Razeburg
an den König vom 7. Sept. 1624.
S. 55—57: Instructio venerabili Remiano Koniecpolski, sacrae
regiae majestatis secretario, ad sanct. dominum Urbanum VIII internuntio,
Varsavia 1624.
S. 58—60: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg:
Instructio gen. Samueli Targowski, s^e i^e maj. secretario,
ad Gabrielem Bethlem Transylvaniae principem nuntio, Varsavia Sept.
1624.
S. 61— 62b: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Instructio gen. Petro Szykowski, s^e r" maj. aulico, ad 111. princ.
Guilhelmum sac. Rom. Imp. archicamerarium et electorem in Prussia ducem
nuntio, Varsavia 1624.
S.63 — 64b: Kopialista do Zygmuntalll, polskiego yszwedzkiego krola,
od Sultan Amurata, cesarza tureckiego, przez Abdylzausza przy oddaniu
y potwierdzeniu pakt wi^cznego przymierza z Chrysztophem Sereb-
kowiczem, przyniesione w Warszawie 1624.
Die Abschrift ist in polnischer Sprache geschrieben.
S. 65 — 65 b; ExMs. Arch.Comitii Joan.Tarnowski, Gast. Konarski Lecz.
Joannes Hagenawa Moravia ad Sigismundum III, 1624,
S, 66 — 69b: Kopia listu od Sultan Murada, Achmedowego syna, do
krola Zygmunta III o wst^pieniu na cesarstwo, o kupach i gromadzieniu sie
woyski polskich i o zatrzymaniu Mechmet czausza; 1633.
Die Abschrift ist in polnischer Sprache geschrieben; am Ende be-
findet sich nachfolgende Bemerkung: »Ta kopia przepisana z originalu pa-
pierowego po turecku pisanego, na ktörym z drugiey strony przetlumaczenie
znajduie 8i§ po polsku, roku panskiego 1785, 23 Nov«.
S. 70: Ex Ms. Ossolens.
Lateinischer Brief ohne Unterschrift.
S, 71 — 73b: Kopia listu do krola od cesarza tureckiego przy od-
dawaniu y potwierdzeniu pakt przymierza wiecznego z korona polska; z Kon-
stantynopola roku 1624,
S. 74— 75b: Ex Ms. Bibl. Zal. No, 398.
Responsum Srmi Regis ad Imperator. Turcarum [in latei-
nischer Sprache],
S. 76 — 83b: Pacta przywiezione przez P, Krzysztofa Serebkowicza
y Abdy Cansza, oddan. w Warszawie 7 Mali 1624 [in polnischer Sprache].
S, 84—86: Ex Ms, Bibl. Zal, No, 398,
Copia literarum a Srmo Rege ad Imperat. Turcarum post obla-
tionem pactorum, 20 Aug. 1624 [in lateinischer Sprache],
S, 87 — 90: Instrukcya urodzonemu Krzysztophowi Kielczew-
skiemu, sekretarzowi y posiancowi kröla do cesarza tureckiego, Sultan
Korzeniowski, Zapiski z rekopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 241
Amur ata, dana w Warszawie dnia 21 kwietnia 1624 [in polnischer Sprache].
S. 91—93: Ex Ms. Arch. Stan. Ang. reg.
PoselstwoodShahingereja Hana Tatarskiego do Zygmuntalll
kröla; 1624 [in polnischer Sprache .
S. 94 — 97 b; Propozjxj'a krola na Seymie koronnym Warszawskim przez
xiedza kanclerza podana w rokii 1624 [in polnischer Sprache'.
S. 9S: Ex Epis. Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lubienski
Cosmo de Torres.
S. 99 — 101: Ex tom V Hist. Pruss. per Lengnichum.
Instructio consiliariorum terr. Pruss. data nunciis eorum ad comitia
Varsaviensia missis, 24 Jan. 1624 [dieses ist Docum. No. 4-5].
S. 102 — 104: Ex tom V Hist. Pruss. p. Lengnichum.
Responsum consiliariorum terr. Pruss. ad legationem regiam, 24 Jan.
1624 [dieses ist der zweite Teil vom Docum. No. 46].
S. 105 — 10.51': Ex orig. Archiv. Alex. Lubom.
List J. K. Mci Zygmunta III do P. Koniecpolskiego, hetmana
polnego, 8 Febr. 1624 [in polnischer Sprache].
S. 106—1061': Ex Ms. Bibl. Zaiuscy.
Instructio commissariis ad tractandas inducias cum Sveticis data,
27 Febr. 1624.
S. 107 — 107^: Ex orig. Arch. Alex. Lubom.
List J. K. Mci do P. hetmana polnego, 29 Febr. 1624.
S. 108 — 1U9: Kopia listu PoutusowegodoP. woiewodyMscisIaw-
skiego y do P. Wenden, 9 Martij 1624.
S. 110— 111'^: Ex orig. Arch. Radziw. Nes.
Instrukcya woiewodstwa Nowogrodzkiego. Wypis z knih Horod-
zkich zamkowych wojewodstwa Nowohrodskoho, 1624.
S. 112— 114b: Ex. Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Responsum sacr. reg. maj. illustri et gnoso dom. Gasparo Hor-
warth etadmodum rndo dom. archidiacono Vratislaviensi oratoribus sacr.
cesareae mjtis, Varsavia 24 Martij 1624 [in lateinischer Sprache].
Am Ende befindet sich die Bemerkung: scrip. Mi. Kalinowski.
S. 115—116: Ex Ms. Archiv. Radziw. Nes.
Laudum woiewodstwa Brzeskiego, 26 Maji 1624 [in polnischer
Sprache].
S. 117: Ex Epis. Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lubienski Joanni Baptistae Lancelloro,
30 Martij 1624 [in lateinischer Sprache].
S. 118 — 125: Pacta Ser. Sigismundi III Poloniae et Sweciae regis cum
Sultan Amurate, imper. Turcarum, anno 1624 in Martio.
S. 126—127: Ex. Epist. Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lubienski
Carolo episcopoVratislaviensi nomine praepositiMiecho-
viensis, 8 Apr. 1624.
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 16
242 Kritischer Anzeiger.
S. 128— 12Sb: Ex Epist. Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lnbienski
Armenio Agnelini, 12 Apr. 1624.
S. 129 — 131b: Ex tom V Hist. Pruss. p. Lengnichum.
Eesponsum consiliariorum terr. Pruss. ad. legationem regiam, 23 Apr.
1626 [dieses ist Docum. No. 50].
S. 132— 134b: Ex Ms. Arch. Radz. Nesv.
Protestacya poslow koronnych y Litewskich, uczyniona po seymie
w roku 1624.
Wypis z knych hospodarskich z zamku naszoho wojewodztwa
Nowohrodskoho.
Am Ende die Bemerkung: Pawel Piasecki, pisarz.
S. 135 — 137: Ex tom V Hist. Pruss. p. Lengnichum.
Responsum consiliariorum terr. Pruss. ad legationem regiam, 24 Apr.
1624 [dieses ist Docum. No. 47].
S. 138— 138b: Ex. Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Copia literarum a commissariisSueticis ad commissarios regni Polo-
niae, 4 Maji 1624.
S. 139 — 142: Copia literarum a commissariis regni Sveciae ad commis-
sarios regni Poloniae, magn. duc. Lithuaniae, 8 Maji 1624.
S. 143—145: Ex Ms. Bibl. Zaiusc. No. 398.
Puncta conventa commissariorum nostrorum, 8 Maij 1624.
S. 146: Ex Ms. Lubien. in Arch. Stan. Aug. reg.
Stanislaus Lubienski
Cosmo Cardinali de Torres.
S. 147 — 148^: Apologia pro libertate reipublicae et legibus regni Polo-
niae contra callidos novi juris repertores posterior auctior et correctior, to
iest powod iasny z historyi z zwyczaiow z spraw z statutow y konstitucyi
koronnego.
S. 149— 149b: Ex Specim. Eccl. Ruth. Kulczyn.
Literae Josephi Rutski, archiep. Russiae, ad cardinalem Octa-
vium Bandinum, protectorem Russiae, 27 Jan. 1624 [J. Kulczynski:
»Specimen ecclesiae Ruthenicae«, Romae 1733, 1759, 1859].
S. 150 — 150^: Ex Specim. eccl. Ruth. Kulczyn.
Sacrae congregationi de Propaganda fide episcopi Ruthen! Uniti,
30 Jan. 1624.
S. 151: Ex Ms. Bibl. Zaiusc. No. 398.
Decretum summ, pontificis Urbani VIII in congregatioue de Pro-
paganda fide habita die 7 Febr. 1634 de transitu Ruthenorum Unitorum a
Graeco ad latinum ritum.
Am Ende befindet sich die folgende Unterzeichnung: Oct. Cardinalis
Bandinus.
S. 152: Ex Ms. Bibl. Zaiusc. No. 398.
Rescriptum Urbani VIII Papae in congregatioue de Propaganda
fide habita die 7 Febr. 1624 ad episcopi Kijoviensis petitionem.
Korzeniowski, Zapiski z rekopisow, angez. v. Croiset v. d. Kop. 243
Am Ende befindet sich nachfolgende Unterzeichnung: Oct. Cardinalis
Bandinus.
S. 153— 153b: Ex Specim. eccl. Ruth. Kulczyn.
Sigismundo III regi Poloniae Urbanus P.P. VIII, 10 Febr. 1624.
S. 154— 154b: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No.398.
Copia literarnm summ. Pontificis Urbani VIII ad Srmum regem in
causa Unionis Ruthenorura, 10 Febr. 1624.
S. 155— 155b: Ex Specim. eccl. Euth. Kulczyn.
Josephi metropolitae Russiae decretum, 11 Febr. 1624.
S.156— 15Gb: ExMs. Arch. Radziw. Nesv.
Summa instrukcyj P. poslom wojewodzstwa Wolynskiego daney
26 Martii 1624.
S. 157: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Decretum congreg. de propag. fide 30 Apr. 1024.
Am Ende befindet sich die nachfolgende Unterzeichnung: Oct. cardi-
nalis Bandinus.
S. 158: Ex Specim. eccl. Ruth. Kulczyn.
Octavius cardinalis Bandinus
Prefectus s. congr. de prop. fide, 4 Maij 1624.
S. 159: ExMs. Bibl. Zalusc. No.398.
Literae cardinalis Bandini ad archiepiscopum Kijovien-
sem, 4 Maij 1624.
S. 160: Ex Specim. eccl. Ruth. Kulczyn.
Josepho metropolitae Russiae
Oct. cardinalis Bandinus, 4 Maij 1624.
S. 161 — 161b: Ex Specim. eccl. Ruth. Kulczyn.
Sigismundo III regi Poloniae
Urbanus P.P. VIII, 11 Maij 1624.
S. 162: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 36S.
Decretum congr. de prop. fide 31 Maij 1624.
Am Ende befinden sich die nachfolgenden Unterzeichnungen: Oct.
card. Bandinus und Fran. Ing. secret.
S. 163: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Decretum summ, pontificis Urbani VIII in congr. de prop. fide
31 Maij 1624.
Am Ende befindet sich die folgende Unterzeichnung: Oct. card. Ban-
dinus.
S. 164: Decretum 7 Julij 1624.
S. 165 — 166b: Instructio secreta ven. Remiano Koniecpolski sacr.
reg. majest. secretario ad sanct. dom. Urbanum VIII internuntio, data Var-
saviae 15 Sept. 1624.
S. 167: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Brief der polnischen und lithauischen Ratsherren an die schwedi-
schen, datiert aus Warschau, 23 Oct. 1 624.
S. 168—169: Ex Ms. Bibl Zalusc. No. 398.
Copia literarum aRigensibus ad duc. Radivilium, 15 Nov. 1624.
16*
244 Kritischer Anzeiger.
S. 170— 170b: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Urbanus VIII ad duc. Zbarawski, castell. Cracoviensein, 1624.
S. 171 : Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Urbanus VIII ad srmum regem, 1624,
S. 172: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Urbanus VIII ad episc. Luceoriensem, 1624.
S. 173: Ex Ms. Bibl. Zalusc. N. 398.
Urbanus VIII ad episc. Premisliensem, 1624.
S. 174: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 39S.
Urbanus VIII ad episc. Kijoviensem, 1624.
S. 175: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Urbanus VIII ad episc. Vilnensem, 1624.
S. 176: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Urbanus VIII ad episc. Chelmensem, 1624.
S. 177: Ex Ms. Bibl. Zalusc. No. 398.
Urbanus VIII ad episc. Camenecensem, 1624.
S. 178: ExMs. Bibl. Zalusc. No.398.
Urbanus VIII ad duc. Zbarawski regi stab. praefectum, 1624.
S. 179 — 179b: List Szahingiereja do x. Zbarawskiego, 1624
[in polnischer Sprache].
S. 180—1821^^: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
List X. Zbarawskiego, kaszt. Krakowskiego, do kröla Jmsci, z
Myslemic 16 Sept. 1624 [in polnischer Sprache].
S. 183 ist leer geblieben.
S. 184 — 186: Instrukcyia domowego kumtora w Toruniu do xia^f^t i pa-
nöw w kraju niemieckim.
S. 187 und 188 sind leer geblieben.
S. 189: Komp. pieniedzy y rozchodow.
S. 190— 191b: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Rosprawa szczesliwa z Tatary P. Stanislawa Koniecpolskiego,
hetmana polnego koronnego na Podolu pod Szmankowcami w roku 1624,
6 Febr.
Am Ende befindet sich nachfolgende Bemerkung: scrip. Mi. Kali-
nowski.
S. 192: Ex Ms. Arch. Stan. Aug. reg.
Znaczne zwyci^stwo P. Stanislawa Koniecpolskiego nad
Kantymirem Baszq Bialogrodzkim, ktöry z wielkim woyskiem tatar-
skim pod Przemyslem u Medyki stanqwszy, ai ku Wisle y Krakowu
wojowal, otrzymane dnia 20 Junij 162-5 roku pod Haliczem.
Unterzeichnet ist das Dokument von Lukasz Miaskowski.
Am Ende nachfolgende Bemerkung: scrip. Mi. Kalinowski.
Wie aus dieser detaillierten Beschreibung hervorgeht, ist die Hand-
schrift No. 287 — 2 — 2 von großem Werte für die Geschichte des für Polen so
bedeutungsvollen Jahres 1624; alle darauf sich beziehenden Dokumente mit
Angabe der Fundstellen sind in ihr zusammengetragen.
Korzeniowski, Zapiski z rekopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 245
X.
No. 280—2—1. — Papierhandschrift aus dem XVIII. Jh., 290 mm bei
180 mm, 412 nicht numerierte Seiten. Die Handschrift ist aus dem Einbände
herausgerissen und hat Beschädigung erlitten. Die durcheinander geworfenen
Hefte nnd Seiten sind von mir nach den angegebenen Jahreszahlen geordnet
worden.
Wie das Nachfolgende bezeugt, haben wir es hier zu tun mit einem Teil
des Staatsarchivs des Großfürstentums Litauen, worin die vom Herrscher ver-
liehenen und unterzeichneten Akten eingetragen wurden.
a) Regestr xiegi krola Zygmunta I Augusta y Zygmunta I od 1522
de 1527 roku przywilejow.
b) Regestr xiQgi krola Zygmunta I od 1528 do 1534 röinych spraw.
c) Liber copiarum aliarumque rerum necessario inscrip. ab 1532 ad 1534,
reg. Alexandri.
d) Regestr xiegi spraw s^dowych y przywilejow krola Zygmunta I od
1533—1535.
e) Teil eines Registers der Jahre 1534 — 1535, sich beziehend auf gericht-
liche Privilegien.
/) Metryki W. X. Litt^xiega za krüla Zygmunta Augusta roku 1544 ;
uchwal na seymach W. X. Litt» a^ do Unij Lubelskiey.
g) RöinychlegacyiyposelstwxiegazakrolaZygm. Augusta y Stefana
od roku 1545, gdzie tak^e znajduia sie granice dobr Smolenskich.
h) Liber sec. actorumjudiciariorum curiae ser. princ. dom. Sigismundi
Augusti, reg. Poloniae, 1545.
e) Regestr xiegi krola Zygm. Aug. roku 1545 popisu zamköw ukrain-
skich.
k) Regestr spraw ab 1546 ad 1549.
l) Regestr xiegi krula Zygm. Aug. röinych spraw ab 1547 do 1548 roku.
nt) Liber decretöw ab 1547 ad 1550.
n) Regestr ksiegi wojewodztwa Wilenskiego spraw s^dowych ab 1549 —
1551 Sigismundi Augusti.
o) Regestr xiegi metriki W. X. Litt« za kröla Zygmunta Aug. od 1551
do 1552.
p) Regestr xiegi metriki W. X. Litt« za krola Zygm. Aug. od 1551 do
1552 spraw rö^nych.
r) Regestr xiegi kröla Zygm. Aug. roku 1552, zawieraiaca w sobie opi-
sania zamkow ukrainych.
s] Regestr spraw 1552 — 1553.
t) Regestr xiegi krölowey Bony od 1552 — 1555 rö:^nych spraw.
ti) Regestr xiegi krula Zygm. Aug. od 1552—1561 przywilejow.
u") Metriki spraw r6:Jnych, 1623.
x] Regestr zebraney xi^szki 1774. [Kommissya rozgraniczenia mi^dzy
Roslawiem a Branskim].
y) Regestr xi^gi dekretow, 1774, ohne Ende.
z] Ohne Jahreszahl: liber decretorum causarum Podlachowiensium.
246 Kritischer Anzeiger.
aa) Ohne Jahreszahl und ohne Anfang: ein Register von Privilegien
Litauens.
bh) Ohne Jahreszahl: Regestr xiegi z szpargaiöw, zloioney krölöw
Wladyslawa y Zygmunta III, spraw rö^nych.
DieseHandschrift ist ein herausgerissener Teil der Handschrift No.216 —
1 — 2, die aus 13 Bänden besteht und deren Beschreibung hier unten folgt.
Die Handschrift No. 268—3 — 1 bildet in dieser Serie zum Teil den dritten
Band, der unvollständig erhalten geblieben ist. Wie aus der Inhaltsangabe
hervorgeht, sind Seiten des 1. Bandes und sogar Seiten des 7. und 13. Bandes
in diese Handschrift hineingeraten.
XI.
No. 216— 1—2. —Papierhandschrift aus dem XVIII. Jh., 290 mm bei
180 mm, 13 Bände, von welchen die meisten unpaginiert sind und alle heraus-
gerissen aus dem braun ledernen Einband; 12 ihrer sind darauf unbefestigt
wieder in die Einbände hineingelegt. Auf der Rückseite des Einbandes ist auf
einem grünen Lederstreifen die Nummer 26942 verzeichnet. Die Handschrift ist
von verschiedenen Händen geschrieben worden. Im Katalog der Bibliothek
des Haupt- und Generalstabes ist die Handschrift verzeichnet als: »Chhcoki.
MeipHiieCKUII) CBHÄiTejIBCTB'iB. K. JIuTOBCKarOBOBpeM/IUapCTBO-
BaHifl CurH3MyHÄa, Kopojrü nojiLCKaro, 1530^ «, aber auf der ersten Seite
des ersten Bandes ist der richtige Titel verzeichnet: »Summaryusz xiag
metryki W. X. Lito« und in Bezug auf die ersten Bände ist hinzugefügt :
»pod krolami, to lest xia^.etami litewskiemi, krölem Kazimierzem, Alexan-
drem, Zygmuntem I y krolowy Bony, poczawszy od roku 1500 a^ doroku
1553 bed^cych«. Es folgt von derselben Hand die Bemerkung, daß der
» Summaryusz« im Jahre 1747 geschrieben worden ist.
Auf einem Einzelblatte ist von einer andern Hand Nachfolgendes eingetra-
gen worden: >Te dwie xiegi pod N™ 1 y 2, ka^.da na 245 stronicach, oznaczaia
dwa jednostayne exemplarze i zawierai^ w sobie summaryusz dokumentow
na dobra ziemskie w Litwie polo^onych, ktore w pewnych fascykulach i pod
literami ulo^one byly, lecz gdzie takowe fascykuly z dokumentami obröcili sie,
w teraznieyszych metrycznych aktach nieznayduie sie naymnieyszey wia-
domosci.
Na pocz^tkowych dwoch stronicach umieszczone s^ nastepne wyrazy :
10. R. 1386 pod tytulem oddanie wiernosci Bazyliusza, xiecia Pin-
skiego, krölowi Wlady slawowi i Jadwidze, mali^ce Jego.
20. Pod tytulem wiernosc Swidrygailowa, xiecia Litewskiego, Wia-
dystawowi, krulowi Polskiemu i elektorowi kr61estwa W*?gierskiego i
bratu Jego rodzonemu Kazimierzowi i caley radzie korony polskiey i
ruskiey.
30. Titulo wiernosc Korybutowa, xiecia Litewskiego, krolowi Wia-
dyslawowi, bratu swemu milemu, krölowey Jadwidze i Ich potomkom w
koronie polskiey.
Korzenlowski, Zapiski z rekopisow, angez. v. Croiset v. d. Kop. 247
40. 6939 od stworzenia swiata, titulo Swidrygal. Listy ruskie Swi-
drygaiia, xi^cia litewskiego, ku wyczytania trudne pod pieczeci;\ — sub
litera E — sequens nastepuie woiewodztwo Wilenskie dobra.
(Darunter) Poswiadczam: Stefan Kozielt, metrykant litewski.
(Band I.) Über dem Anfange ist 'später] geschrieben worden: »Peterz-
burski No. 1*. Fängt an mit a: Xiega metryki W. X. Lit^ od xia^t Litew-
skich y inszych kroluw na dobra rozdane ante Unionem y insze listy röfnych
lat pokrotce wzmiankowane sub No. lo et 2o, alias Eegestr.
Es folgt: sub No. 30, Regestr xiegi metriki W. X. Lit^za krölöw Kazi-
mierzay Alexandra, w ktorey konnotowano, iako wMetrykule iakie komu
dobra dano, ale bez daty, krotkie, dwoma wierszoma, nie wyra:^ai^c gdzie
si^ te wioski znayduia. Takowe, nie niepewne konnotacye ida ai do karty po
lacinie notowaney folio 55. Kok w przywileiu krola Jmsi Kazimierza wy-
raiony 6958 alias wedtug racbunku od stworzenia swiata.
b) Regestr xiegi krola Alexandra roku 7013, arendi.
c) Regestr xiegi za krula Alexandra pod rokiem 1500. Sub. No. 6. In
margine Bemerkung von späterer Zeit: »Peterzburski lest No. 5«.
d) Regestr xiegi W. X. Lit» za Zygmunta I spraw röinych poselskich
tak^e zapisow od roku 1506 do r. 1513. Sub. No. 7 [Peterzburski No. 7].
e) Regestr xiegi W. X. Lito za krola Zygmunta I rö^nych spraw od
r. 1506 2ii do r. 1513 metryki wielkiey. Sub No. 8.
/) Regestr xiegi krola Zygmunta I metryki wielkiey W. X. Lit^ ab anno
1508 ad annum 1523. Sub No. 12 [Peterzburski No. 10[.
g) Regestr xiegi kröla Zygmunta I od roku 15 IS do roku 1523 roinych
spraw. Sub No. 13 [Peterzburski No. 11 [.
h) Regestr xiegi metryki W. X. Lito przywilejow za krola Zygmunta I
od r. 1522 do r. 1529. Sub No. 15 [Peterzburski lest No. 12^.
Am Ende befindet sich die Bemerkung: »Ten regestr zakonczony,
S. H.« und dazu die Unterzeichnung des Revisors L. J. C. 1750.
i] Liber conservationum terminorum curialium, qui ad mandatum regiae
Majestatis in conventione generali Petricoviensi, anno D. 1526. Sub No. 4.
Oben an der Seite ist geschrieben: Sub No. 18 [Peterzburski No. iest 5].
h) Regestr xiegi krula Z ygmunta I roku 152S. —
(Band II) fängt an mit «): Regestr xsi<?gi krola Zygmunta I od 1535
do 1536 roku ro^nych spraw. Es folgen:
h) Regestr xsiegi krola Zygmunta I metryki W. X. Litf^ ab anno 1536
ad annum 1 539.
c) Regestr kröla Zygmunta I roku 1542 y roznych lat przywilejow.
d) Metryki W. X. Litt'', xsiega za kröla Zygmunta I.
Granic Inflantskich z wielkim xiestwem Litewskim roku 1542.
e) Xsiega statutöw kröla Zygmunta I, zawieraiqca w sobie artykuly
prozby, odkazy od K. Jmci na seymieBrzeseskim uezynione w roku 1544, ktöre
krotko spisaug.
248 Kritischer Anzeiger.
/) Regestr xsiegi metryki W. X. Litt<5 od 1548 do 1549 za krölowey Bony
listöw y przywilejow y innych roinych spraw.
g) Regestr ksif^g dwoch krölowey Bony; jedney ab 1549 ad 1553, drn-
giey ab 1552 ad 1555.
Am Ende befindet sieh nachfolgende Bemerkung: »Te xsiegi rewi-
dawal w roku 1782 Stefan Niemierzycki«.
?i) Xsiegi metryki W. X. Litt» za krola Zygmunta I od roku 1513 löi-
nych spraw y dekretow.
Am Ende ist in anderer Tinte verzeichnet: L. J. C. 1750.
i] Regestr xsiegi spraw sadowych, dekretuw y niektorych przywilejow
kröla Zygmunta I metryki W. X. Litt« pod rokiem 1500 do 1523.
Am Ende befindet sich^ nachfolgende Bemerkung: »Ten regestr
zakonczony d. 10 martij anno dni 1747;« mit andrer Tinte ist darunter ver-
zeichnet: 1750, L. C. —
A) Regestr podwierzenia krola Zygmunta I, gdzie dekreta naywiecey
znayduia sie; akta poznieysze pierwey polo^one; od roku 1536 do 1540.
l) Regestr xsiegi krola Zygmunta I od r. 1540 do r. 1543 rö^nych spraw.
m] Regestr xiegi metryki W. X. Litt« za krola Zygmuntal y syna jego
röinych spraw sadowych w niey sie zawieraif^cych od r. 1546 do r. 1548.
»?) Actum Wilnae feria Dominicam Rogationum , anno 1546.
o) Xiega metryki W. X. Litt» legacyi y poselstw za krola Zygmuntal
roku 153S.—
2)) Regestruni libri electionis, episcopi Rig. summo pontifice con-
firmationis, donationis, approbationis c. lim. ab anno 1292, in annos varios
dispositi.
r) Regestrum actorum et appellationum terrarum Podlachiae ad sacr.
reg. majest. provenientium, anno 1538.
s) Regestr xsiegi spraw Podolskich za krola Zygmunta I, roku 1541,
(Ban d III) ist verzeichnet unter den Nrn. 286—2—1 (s. oben). —
(Band IV) umfaßt 298 unbroschierte Seiten, die durcheinander geraten
sind. In der Bibliothek, der dieser Band früher angehörte, war er mit der
Nummer 43 verzeichnet. Revidiert wurde die Handschrift im Jahre 1750 von
einem, der seinen Namen mit den Buchstaben J. P. angibt.
Die Handschrift umfaßt:
ä) Regestr xiegi metryki za krola Zygmunta Augusta od 1551 — 1562
röinych spraw.
h) Regestr xiegi przywilejow od 1561 — 1566.
c) Regestr xiegi przywilejow od 1561 — 1567.
d) Regestr xiegi metryki od 1562 — 1565 rö:^nych spraw.
e) Regestr xiegi metryki od 1562—1566.
/) Regestr xiegi spraw si^dowych od 1563 — 1570,
ff] Regestr xiegi metryki roku 1563, w ktorey sie znaydui?\ ograniczenia
powiatöw.
/() Regestr xi<;gi spraw sadowych od 1566 — 1571.
Korzeniowski, Zapiski z rekopißöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 249
{) Regestr xi^gi przywilejöw od 1566 — 1572.
Je) Regestr xi^gi dekretow od 1566 — 1572.
l) Regestr xiegi spraw s^dowych od 1566 — 1572.
7«) Regestr xiegi przywilejöw i listöw od 1569 — 1570.
n) Regestr xiegi metryki od 1566 — 1571 roznych spraw.
o) Regestr spraw wszytkich do tey metryki wpisanych za kröla Zyg-
munta Augusta od 1566 do 1572.
p) Regestr xiegi przywilejöw od 1566 do 1574.
r) Regestr xiegi roku 1567 samych arendöw.
s) Regestr xiegi rö^nych listöw od 1567 do 1569.
t] Regestr xiegi listöw samych od 1569 do 1571.
m) Regestr xiegi przywilejöw i listöw od 1570 — 1571.
tc) Regestr xiegi kröla Stefana od roku 1575 do 1578.
x) Metryki W. X. Litt" xiega, w ktörey ani kröla ani roku niewyraia,
zawieraif\ca w sobie expedycyie y poselstwa.
Auf der letzten Seite der Handschrift sind allerhand Notizen zu-
sammengetragen.
[Band V) umfaßt 309 unbroschierte Seiten, die durcheinander liegen;
der Titel ist folgender: »Summaryusz xsi^g metryki W. X. Litew-
skiego od r. 1574 do r. 1605«.
Die Handschrift enthält u. a. »Ksiega poselstw, ktöre siq odprawo-
waly za kröla Stefana, w ktörey tei znayduia sie granice miedzy Inflantami
a Moskwc-j w roku 1581« und »Granice miedzy carem Moskiewskim a
niektöremi dobrami XaLitewskiego«.
(Band VI) war in der Bibliothek, der er früher angehörte, mit der
Nummer 6 verzeichnet; er umfaßt 230 Seiten, die durcheinander geraten sind.
Die Handschrift enthält u. a. 'Regestr xiegi spraw Inflantskich od
r. 1589 dor. 1614c.
(Band VII) ist nicht paginiert, 60 mm dick; in der Bibliothek, der er
früher angehörte, war er mit der Nummer 7 verzeichnet.
Die Handschrift enthält u. a. a: Inventarz Horbowiczki, staro-
stwa Mohilowskiego, spisany z prowentöw od r. 1591 do r. 1592 za Zyg-
munta lU.
b) Ksiega przywilejöw Inflantskich zakröla Zygmuntalllodl 596 — 1606.
c) Regestr xiegi spraw od 1596 — 1598.
d) Regestr xiegi metryki od 1596—1598 przywilejöw.
Am Ende dieses Registers ist mit andrer Tinte der Name » Sebas.
Haökiewicz« verzeichnet.
e) Regestr xiegi dekretow od 1596 do 1600.
/) Regestr xiegi spraw rö^nych od 1596 do 1601.
g] Regestr xiegi przywilejöw od 1599 do 1606.
h] Regestr xi^gi przywilejöw i dekretow od 1600 do 1602.
i) Regestr xiegi dekretow od 1608 do 1612.
250 Kritischer Anzeiger.
k) Regestr xiegi dekretöw i spraw od 1609 do 1616.
l) Regestr xi^gi przywilejow od 1609 do 1617.
m) Regestr xiegi przywilejow od 1616 do 1622.
7i) Regestr xiegi dekretöw od 1616 do 1622: dekreta banicyi y inne
transakcye.
o) Regestr xiegi dekretöw od 1622 do 1623.
P) „ „ „ „ 1623 do 1631.
r) „ „ „ „ 1631 do 1632.
Revidiert wurde die Handschrift im Jahre 1750 zum Teil von dem, der
sich L. J. C. unterschreibt, zum Teil von J. Puzyna.
(Band VIII) war in der Bibliothek, der er früher angehörte, mit No. 8
verzeichnet; die Handschrift ist nicht paginiert, 50 mm dick und umfaßt:
>Summaryusz xiag metryki W. X. Lit» pod krölami Wlady-
slawem IV y Janem Kazimierzem od r. 1633 do r. 1668 b^dacych«. In
diesem Bande sind die Dekrete verzeichnet bis zum Jahre 1618; die zunächst
folgenden befinden sich im
(Band IX). Dieser war in der Bibliothek, der er früher angehörte, mit
der Nummer 9 verzeichnet; die Handschrift ist nicht paginiert, 60 mm dick und
umfaßt Dekrete vom Jahre 1616 bis zum Jahre 1668.
(Band X) ist nicht paginiert worden, 70 mm dick und enthält: >Sum-
maryusz xsi^g metryki od r. 1633 do r. 1695«.
Die Handschrift ist ebenso wie die vorhergehenden geschrieben
worden im Jahre 1747 und im Jahre 1750 von denselben Personen revidiert
worden wie Band VII.
(Band XI) ist nicht paginiert worden, 60 mm dick und umfaßt: » Sum-
ma ryus z xiag metryki W. X. Lit^ pod krölami Mi chalemy Janem
od 1669 do 1690«.
Die verschiedenen Abteilungen seien hier verzeichnet:
a) Regestr xi^gi dekretöw spraw Maydeburskich r. 1669.
h] Regestr xiegi banicyi, sublewacyi y relaxacyi od 1673.
c) Regestr Maydeburskich dekretöw assessorskich za krölaMichalana
seymie w Warszawie r. 1672.
dj Regestr dekretöw ziemskich r. 1671.
e) Regestr dekretöw ziemskich r. 1672.
/) Regestr xi^gi przywilejow, konfirmacyi, konsensöw, cessyi, libertacyi,
quietacyi etc. etc. za kröla Jana III od r. 1676 do r. 1690.
g] Regestr xiegi dekretöw od 1677 do 1689.
h) Regestr xiegi banicyi, eadöw assessorskich na seymie w Grodnie 1679
aktykowanych i wydanych do r. 16S3.
i] Regestr spraw ziemskich na sadach zadwornych assessorskich kröla
Jana III w roku 1680.
Korzeniowski, Zapiski z r^kopisöw, angez. v. Croiset v. d. Kop. 251
k) Regestr spraw Maydeburskich r. 1680 rö^Dych dni y miesiecy w War-
szawie s^dzonych.
/) Eegestr spraw s^dzonych w Warszawie r. 1681.
m) Regestr spraw s^dzonych w Wilanowie r. 1685.
n] Regestr dekret6w y spraw ziemskich r. 16S2.
0) Regestr xiegi dekretow, sadöw kröla Jana III assessorskich ziem-
skich y Maydeburskich r. 1678 — 1679.
;)) Regestr xiegi dekretow od r. 1676 do r. 1678.
r) Regestr xiegi dekretow i banicp r. 1 685.
5) Regestr dekretow spraw ziemskich w s^dach zadwornych assessor-
skich w Grodnie, Wilnie y Warszawie sadzonych.
t) Ksiega banicyi na roku 1691 i na r. 1692.
Am Ende letzteren Registers ist Nachfolgendes verzeichnet: »Na
koncu tey xiegi znayduia si^ dekreta, ini do xiqg wpisane dawnieyszym
czasem, ktorych tu nie kladzie sie regestr«. Es folgen:
u] Regestr xiegi banicyi z szpargalöw zloiony za kröla Jana III
roku 1654.
tv) Regestr xiegi banicyi za kroIa Jana III pod rokiem 1689.
x) Regestr xiegi banicyi roku 1685.
y] Regestr xiegi banicyi roku 1679.
(Band XII) ist 30 mm dick; die Seiten sind unpaginiert geblieben. Die
Handschrift umfaßt:
a) Regestr xiegi metryki za kröla J an a III röinych Supplik po banicyie
wydanych od 1693 do 1696.
1) Regestr xiegi metryki W. X. Litt'' ro^nych przywilejöw, gleytöw,
konsensüw, spraw potocznych i wieczystych za kröla Augustall roku 1697.
c) Regestr xiegi przywilejöw od 1699 do 1703.
d) Regestr xiegi dekretow od 1699 do 1710.
e) Regestr xiegi przywilejöw od 1699 do 1710.
/) Consensa na ast^pienie arendowanie ab anno 1712.
g) Akta metryki kancellaryi mnieyszey W. X. Lit«, zawieraiace w sobie
urz^dy senatorskie, ziemskie y ^olnierskie za kröla Augusta II r. 1712.
h) Regestr xiegi przywilejöw do r. 1721.
») Reskrypta listy kommissye gleyty przyznania y nadania przywilejöw
ab 1712 ad 1722.
k] Regestr xiegi przywilejöw ab 1724,
/) Regestr xiegi przywilejöw od r. 1731 do r. 1733.
m] Regestr xiegi metryki od r. 1736 do r. 1740,
«) Reskrypta od r. 1699 do r. 1710.
In diesem Bande befinden sich einzelne losgeratene Seiten aus den
vorher genannten Teilen der Handschrift No. 216—1—2.
(Band XIII) ist 20 mm dick; die Seiten sind nicht paginiert worden.
Die Handschrift umfaßt auf 115 Doppelseiten: Regestr xiegi dekretow y
innych spraw roku 1720, r. 1722, r. 1724, r. 1729, r. 1730, r. 1732, r. 1735, r. 1738,
r. 1739, r. 1740, r. 1744, r. 1748, r. 1750 i r. 1751.
252 Kritischer Anzeiger.
Die Bände habe ich numeriert nach der Datierung der in' ihnen ent-
haltenen Register; die kurze Angabe ihres Inhaltes erhebt keinen Ansprach
auf Vollständigkeit; die aus den Einbänden herausgerissenen Hefte und Seiten
sind wirr durcheinander geraten und es bedürfte eines speziellen Studiums
der einzelnen Teile, um diese zu ordnen und insoweit dieses möglich ist, in
Übereinstimmung zu bringen mit S. Ptaszycki's vorzüglicher Beschreibung
der noch vorhandenen Bücher und Akten des litauischen Staatsarchivs : * OnH-
canie Knurt u aKxoBi. ^üuiobckoS mctphku«, Cn6. 1887.
Die vorliegende Handschrift bringt in die Rekonstrution der Geschichte
des litauischen Staatsarchivs, nämlich in die der polnischen Um-
schreibung desselben, eine neue Note hinein, worauf bis heute keiner von
denen, die in der Gelegenheit gewesen sind sie zu ihren Studien zu be-
nutzen, acht genommen hat. Es ist nämlich im Titel des ersten Bandes
verzeichnet und am Ende des zweiten Bandes deutlich gesagt worden, daß
das Register der zwei ersten Bände am 10. März des Jahres 1747 beendet
wurde und die Revision im Jahre 1750 von einem, der seinen Namen mit den
Buchstaben L. C andeutete, stattfand. Im weiteren Verlaufe der Handschrift
ist an verschiedenen Stellen von jenem selben L. (J.) C. und von J. Puzyna
unter Hinzufügung der Jahreszahl 1750 verzeichnet worden, daß sie den In-
halt der einzelnen Hefte revidiert haben, folglich wurden auch diese um 1747
herum geschrieben, ob noch in Wilno oder schon in Warschau ist leider nicht
angegeben worden.
Die Bücher und Akten der sogenannten Litauischen Metrika« werden
heutzutage, insoweit sie erhalten geblieben sind, im Archiv des Justiz-
ministeriums zu Moskau aufbewahrt; mit ihrer vollständigen Herausgabe
hat die Archäographische Kommission zu St.-Peterburg schon einen Anfang
gemacht [PyccKa;i HcxopuiecKaa Bnö^iioTeKa, t. XX und XXVIP; bei ihren
weiteren Arbeiten auf diesem Gebiete wird es unumgänglich sein, die Hds.
i\o. 28G— 2— 1 und No. 21G— 1— 2 der Bibliothek des Haupt- und
Generalstabes zu Rate zu ziehen, die für die genauere Kenntnis des ur-
sprünglichen Bestandes des genannten Staatsarchivs einen wichtigen Beitrag
liefert.
Über die weiteren in dieser Bibliothek befindlichen, nicht vonJ. Ko-
rzeniowski genannten, Handschriften beabsichtige ich ein anderes mal zu
referieren. -i. C Croiset van der Kop.
Staat und Gesellschaft im Mittelalterlichen Serbien. Studien zur
Kulturgeschichte des XIII. — XV. Jahrhunderts. Von Konstantin
Jirecek. Wien 1912, 4o (SA. aus den Denkschriften B. LVI als
Abh. Nr. 2 u. 3). Erster Teil 83 Sp. Zweiter Teil 74 Sp.
Als vor zwei Jahren der erste Band der Geschichte der Serben von Prof.
C. Jirecek erschienen war (s. Archiv Bd. 33, S. 279—285), bewunderte man mit
vollem Rechte die reiche Fülle der kritisch geprüften und beglaubigten Daten
Jirecek, Staat u. Gesellsch. im Mittelalt. Serbien, angez. v. Jagic. 253
betrefifs der äußeren, politischen, Geschichte Altserbiens (von ältesten Zeiten
bis 1371), die in dieser Vollständigkeit noch in keinem Werke zur Darstellung
gekommen war. Allein beim Lesen, das einige Anstrengung kostet, des in-
haltsreichen Werkes konnte man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß
diese glänzende wissenschaftliche Leistung dem Leser nur über eine Seite
des Lebens in Altserbien Auskunft gibt, über die äußere Geschichte, die zu
allen Zeiten am meisten in die Augen fällt und dem Gedächtnis der Nachwelt
vor allem durch Memoiren, Geschichtswerke und Jahrbücher überliefert wird,
daß aber die inneren Zustände und Lebensverhältnisse des Volkes, seine ge-
sellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Einrichtungen dabei gänzlich
verhüllt bleiben, daß wir den schöpferischen Geist, der sich in mannigfaltigen
Werken des Friedens kund gibt, noch gar nicht erkennen. So regte sich wohl
bei vielen der Wunsch, daß uns der gelehrte Verfasser, falls er schon aus
äußeren Gründen, wegen des vertragsmäßig einzuhaltenden Umfangs, nicht
in der Lage war den Gang seiner Erzählung an passenden Stellen zu unter-
brechen und durch Einschaltung von Kapiteln über die inneren Zustände seine
Darstellung zu beleben, möglichst bald in einem parallel mit seiner Geschichte
der Serben laufenden selbständigen Werke alles das erzählen möchte, was
man sonst über das Leben des Volkes in Altserbien weiß und was niemand
so, wie er, imstande ist, auf Grund seiner erstaunlichen Belesenheit in den
Quellen und der ganzen Literatur zn einem Gesamtbild zusammenzustellen.
Viel früher, als man hätte hoffen dürfen, geht dieser Wunsch in Erfüllung.
In den zwei oben angeführten recht ausfürlichen akademischen Abhandlungen,
denen noch eine dritte folgen wird, bietet der Verfasser, wie er sich selbst
ausdrückt, >Studien zur Kulturgeschichte des XIIL — XV. Jahrhunders«, sie
drehen sich wesentlich um Altserbien, doch verstand der Verfasser aus der
reichen Fundgrube seines Wissens viele Parallelen aus den übrigen Mittel-
alterlichen Ländern, am meisten aus dem byzantinischen, dann venezianischen
und ungarischen staatlichen und gesellschaftlichen Leben zur Beleuchtung
beizubringen. Man sieht es diesen Studien an, daß sie aus jahrelangen Samm-
lungen des weit zerstreuten, vielfach noch ungedruckten Materials hervorge-
gangen sind, unter kritischer Benutzung aller Vorabeiten, die über einzelne
hier zur Sprache kommende Fragen vorhanden waren. Dabei ist die Darstellung
immer sachlich knapp gehalten, nicht an allgemeinen Gesichtspunkten, sondern
an realem Inhalt, an der Aufzählung von Einzelheiten ungemein reich. Viele
treffende Charakteristiken zeichnen die Darstellung aus, sie ist frei von jeder
Voreingenommenheit, bietet in scharf gekennzeichneten Umrissen die Ergeb-
nisse aus den mitgeteilten Tatsachen. Schon im Vorworte, das wie ein Resum6
klingt, findet man einige Sätze, die kurz die Tatsachen präzisieren, wie: »Die
Einrichtungen des mittelalterlichen serbischen Staates unterscheiden sich in
ihren Grundzügen nicht von denen der meisten europäischen Staaten dieses
Zeitalters«, oder »Serbien besaß in seinem Gebiet alte Stadtgemeinden
romanischen und griechischen Ursprungs, aber auf dem ursprünglichen serbi-
schen Territorium gelangte das Städtewesen nie zur vollen Entwicklung«.
>Es war ein reiches Land . . . besonders in der Periode 1282—1355 den ver-
fallenden Nachbarn, dem byzantinischen und bulgarischen Reich, weit über-
254 Kritischer Anzeiger.
legen<. Das hinderte selbstverständlich die verfeinerten Byzantiner nicht,
über den Mangel Serbiens an allerlei Kulturkomfort zu klagen. Bezeichnend
ist die Wahrnehmung, daß »das mittelalterliche Serbien . . . kein altertümlich
konservativer Staat< war, und daß erst »nach der Erwerbung zahlreicher
Provinzen des griechischen Kaisertums der Einfluß byzantinischer Muster
immmer stärker« wurde, «gefördert auch durch die kirchliche Verbindung mit
Byzanz«. Bedeutsam ist die richtig hervorgehobene Tatsache, daß der serbi-
sche Staat nicht imstande war >auf seinem Gebiete alles einheitlich zu regeln«,
und daß »besonders die früher byzantinischen Provinzen und das romanisch-
albanesische Küstenland« manche Eigenheiten behalten haben. Also die Idee
der serbischen einheitlichen Staatlichkeit konnte nicht überall durchdringen:
»der gebirgige Westen war stets konservativer als der Osten, mehr autono-
mistisch (»und patriarchalisch« fügt der Verfasser hinzu, was ich nicht sagen
möchte) in seiner Gesinnung. Wichtig ist die Behauptung des feinen Beob-
achters des Gesamtzustandes Altserbiens, daß die serbische Herrscherfamilie
(der Nemanjiden) »nicht wenige begabte, zielbewußte und weitblickende Re-
genten« aufzuweisen hatte, daß aber >unter dem Adel sehr auffällig der Mangel
an Sinn für die Schaffung und Erhaltung eines starken Staatswesens« gewesen.
Die Folge davon war auch, daß nach Stephan Dusans Tod »Serbien binnen
wenigen Jahren infolge des kurzsichtigen Egoismus seiner Magnate ganz
untergraben wurde«.
Doch ich möchte von der Reichhaltigkeit dieser kulturgeschichtlichen
Schilderungen eine genauere Vorstellung geben, darum gehe ich den Inhalt
des Ganzen, soweit es bis jetzt vorliegt, nach einzelnen Kapiteln durch.
Vorausgesetzt muß werden, daß diese Schilderung vornehmlich für die Periode
der Nemanjiden (1171 — 1371), also für einen Zeitlauf von nur 200 Jahren gilt,
doch liegt es in der Natur der Sache, daß der Verfasser hier öfter, als es in
der äußeren Geschichte nötig war, aus dem Rahmen Serbiens heraustrat und
die gleichartigen oder auch abweichenden Erscheinungen der unter der vene-
zianischen oder ungarischen Oberhoheit befindlichen ethnisch gleichen Nach-
barländer in den Kreis seiner Betrachtungen zog. Darum ist diese Leistung
wertvoll für den ganzen serbokroatischen Volkstamm, dessen Einheit unge-
achtet der politischen Zersplitterung sowohl durch die Sprache wie durch
mancherlei volkstümliche Institutionen aufrecht erhalten wird.
Das erste Kapitel betitelt sich »Staatsrecht und Staatsverwaltung. Der
Herrscher und sein Hof«. (S.l — 23.) Hier kommt zuerst die Benennung
des Landes im Ganzen und in seinen Teilen, sowie die Titulatur der
Herrscher zur Sprache. In fremden Quellen spielt der allgemein lautende
Name ISxlaßiviu, Kf-laSlvot, Sclavonia, ganz verschiedene Rollen, bis er zu-
letzt jenem Teil Kroatiens anhaften blieb, der sich zwischen Drave, Save und
Kulpa erstreckte, zum Unterschied von der engeren Benennung Croatia für
das südlich von der Kulpa sich ausdehnende Land. »Eine ständige Haupt-
stadt . . . hat der altserbische Staat nie gehabt«. (S. 6.) Betreffs des Namens
Stephan liest man (ib.), daß »seit Stephan Nemanja alle serbischen Herrscher
Stephan, in der Regel noch mit einem nationalen Namen daneben« heißen.
Wir hätten gern auch etwas über den Namen Uros gehört, der sich bekannt-
Jirecek, Staat u. Gesellsch. im Mittelalt. Serbien, angez. v. Jagic. 255
lieh ebenfalls vielfach wiederholt und wohl fremden Ursprungs ist (vgl. magyar,
Ur der Herr). Den Titel Kralj nahmen die serb. Herrscher nach dem Vorbilde
der ungarischen Könige an, deren Kiräly natürlich slavisch, doch nicht süd-
slavischen Ursprungs ist. Die Benennung »svetorodnyj« möchte ich nicht
gerade befremdend finden (S. 10), da man schon dem Ausdruck »sveto mi
carstvo« öfters begegnet, darnach bedeutet »svetorodnyj « nichts anderes, als »na
sveto carstvo rozdenyj«. Die Ausdrucksweise »carstvo mi« für die Person des
Kaisers und viele ähnliche Titulaturen sind ganz dem byzantinischen Zeremo-
niell nachgebildet. Mit Recht lehnt der Verfasser (S. 13 Anm. 8) die verfehlte
Zusammenstellung des Kaznict mit kaziti, kazenikt ab, aber auch die erste
Alternative (S. 14), daß kazuLci. mit kazni. (Strafe) etwas gemeinsames hätte»
muß abgelehnt und nur an fremdem Ursprung des Wortes fest gehalten werden
(vgl. Radloflf Versuch eines Wörterbuches der Türk. Dialekte. Bd. II, S. 385
s. V. KasHÜ, KasHauu = Kasuaiibi). Interessant ist die Bemerkung auf S. 14, wo
von verschiedenen Hofwürden die Rede ist, daß der Name Ban in Kroatien,
Bosnien, Ungarn und der Walachei, nie aber in Serbien erwähnt werde; der
Ausdruck ist wohl avarisch. Fremd ist wahrscheinlich auch der in kroatischen
ebenso wie in serbischen Urkunden begegnende Hofwürdenausdruck tepcij,
er hat wohl mit tepa (schlagen) ebenso wenig zu tun, wie mit dem dazu-
gehörigen tepac (vgl. potepati se — potepuh). Ich finde im Türkisch-mongo-
lischen tapuk (Ergebenheit, Dienst) und tapukci (Diener, Page) bei Radioff
a. a. 0. III. 951. Vielleicht steht damit tepcij in irgend einem Zusammenhang.
»Die südslavischen Fürsten waren keine absoluten Herren, sondern abhängig
von der Zustimmung ihrer Ratgeber und der Volksversammlungen« (S. 21),
dieser Satz führt den Verfasser zur kurzen Besprechung der verschiedenen
Arten und Benennungen der Volks- oder Ratsversammlnngen und damit
schließt das erste Kapitel.
Das zweite Kapitel: »Die Bevölkerung. Geschlechts- und Familienver-
fassung. Die Grundlagen des Grundbesitzes« (S. 24 — 42) besprichtzuerst die eth-
nischen Bestandteile der alten serbokroatischen Länder. Neben den Serben
(und im Westen Kroaten) kommen vor allem die Albanesen, dann die Wlaclien
und Lateiner, weniger die Griechen in Betracht; die Sachsen als Bergknappen
werden später besprochen. Bezüglich der Geschlechtsverfassung, in welcher
der Verfasser einen mehr aristokratischen nördlichen (in Kroatien) und einen
südlichen demokratischen Typus (in Herzegovina und Montenegro) unter-
scheiden möchte, glaube ich (sowie wohl auch der Verfasser), daß diese
Divergenz späteren Zeiten angehört, ursprünglich waren gewiß überall die
angesehensten Mitglieder der Sippschaften der natürliche Adel (daher auch
der Zusammenhang zwischen pleme und plemenit), und wenn auf S. 26 gesagt
wird, daß in der nördlichen (kroatischen) Gruppe fremde Elemente nur
wenig bemerkbar sind, so bezieht sich das offenbar nur auf das eigentliche
alte Kroatien, während der nördlicher gelegene Teil (das sogenannte Slavo-
nien) schon früh sehr stark durch magyarischen Adel infiltriert wurde. Ein-
gehend wird die Entfaltung einzelner plemena namentlich in Montenegro und
dem benachbarten Albanien behandelt, wobei der Verfasser sehr schön die
viel behandelte Zadruga-Frage auseinandersetzt und natürlich die Theorie
256 Kritischer Anzeiger.
Peiskers, der in dem byzant. Steuersystem den Keim der Zadruga-Erscheinung
gefunden zu haben glaubte, als unerweislich zurückweist (S. 39 Anm. 5).
Gegen diese Theorie spricht ja schon die Tatsache, daß die Zadruga ganz auf
patriarchalischen Voraussetzungen einer durch Verwandtschaft zusammen-
gehaltenen Gruppe von Familien und nicht auf fiskalischen Kombinationen
fußt. Mir will es übrigens nicht einleuchten, warum die Zadruga gerade »mit
dem Vorherrschen des Hirtenlebens in Verbindung« stehen soll (S. 37). Mag
auch richtig sein, daß sie »an Grundbesitz nicht gebunden« war, aber in der
Regel war das doch der Fall, denn sie ist »eine durch gemeinsamen geneti-
schen Ursprung verbundene Bruderschaft, welche es vorgezogen hat sich nicht
zu teilen und ihrenBesitz gemeinschaftlich zu verwalten« (S. 37) — so lauten
die eigenen Worte des Verfassers.
Ein ganz kurzes drittes Kapitel (S. 42—45) ist dem Adel gewidmet. Da
lesen wir: »Einen Adel gab es bei den Südslaven ursprünglich ebensowenig
wie bei den Franken, Langobarden und Norwegern in der älteren Zeit . . .
Erst seit Ende des XII. Jahrh. kann man in Serbien die Entwickelung eines
Adels verfolgen« (S. 43). Ist diese Annahme nicht bedingt durch den Mangel
an Nachrichten? Was waren die Oberhäupter einzelner Geschlechter anderes
als Adel? Und das schon wohl seit den ältesten Zeiten. Allerdings hat sich
im späteren Mittelalter der Adelstand weiter entwickelt, unter fremden Ein-
flüssen, einerseits der romanischen Küstenstädte, anderseits Ungarns. Und
doch war »der Gebrauch der Wappen, der sich in den dalmatinischen Städten,
in Kroatien und Bosnien durch italienischen und ungarischen Einfluß ver-
breitet hat, . . . nach Serbien in dieser Zeit nicht vorgedrungen , ebensowenig
wie zu den Griechen«.
Im vierten Kapitel kommt »die Kirche« zur Sprache (S. 45—60), deren
Macht im altserbischen Staate sehr groß war, aber in nationaler Richtung eine
wesentliche Stütze der staatlichen Autorität, der Fürsten und Könige, bildete
daher auch die zahllosen großen Schenkungen der serbischen Könige an die
Kirchen und Klöster. Die Errichtung der autokephalen serbischen Kirche zu
Anfang des XIII. Jahrh. galt als eine große nationale Tat, ebensowie später
die vollständige Trennung von Konstantinopel durch die Errichtung des
Patriarchates in Pec. Alles das mit einer Menge beleuchtender Einzelheiten
aus dem Leben der Kirche, ihren Beziehungen zum Staat, ihrer Stellung gegen-
über dem Volk bildet den Inhalt dieses Kapitels. Auch das Verhältnis der
katholischen Kirche zu dem im Ganzen orthodoxen Staate wird besprochen.
Altserbien stand nämlich der katholischen Welt viel näher als das später der
Fall war, wie das die Ereignisse unter dem erstgekrönten König Stephan zeigten.
Aber »auch in den Zeiten, in welchen die Katholiken Serbiens gegenüber der
Masse der orientalischen Christen nur eine kleine Minorität bildeten, wußten
die serbischen Könige gute Beziehungen zum päpstlichen Stuhle zu pflegen
und in ihrer Stellung mitten zwischen Abendland und Morgenland Vorteile für
sich zu finden« sagt der Historiker (S. 53) und fügt u. a. als Beispiel an: »Die
Rechte des katholischen Erzbistums von Antivari wurden von den serbischen
Königen stets geachtet« (ib.''. Selbst von einer Schenkung des Zaren Stephan
Jirecek, Staat u. Gesellsch. im Mittelalt. Serbien, angez. v. Jagic. 257
Dusan an das katholische adelige Nonnenkloster Santa Clara in Ragusa wird
berichtet (S. 58).
Das fünfte Kapitel »Die Städte und Marktgemeinden« (S.6ü — 68) be-
handelt begreiflicher Weise vor allem die alten römisch-griechischen An-
siedlangen im Südwesten des Reiches. »Die serbischen Könige waren diesen
Küstenstädten gegenüber freigebig und gerecht-^; (S. 60). Der kurz skizierte
Zustand von Skutari, Drivasto, Dulcigno, Antivari, Budva, Cattaro,wie sie im
XIII. bis XIV. Jahrh. blühten, würde im Verhältnis zur Gegenwart zu allerlei
Betrachtungen Anlaß geben können, die nur die alte Wahrheit bestätigen, daß
es nicht genug ist eine Stadt zu besitzen, sondern daß man sich auch um ihr
Wohlergehen kümmern muß, dazu gehört aber daß man Herz und Sinn für sie
hat. Von den griechischen Städten, die unter Serbien kamen, werden Janina,
Kroja, Skopje, Stip erwähnt (S. 64). Gegenüber diesen alten fremdstämmigen
Städten tritt die Bedeutung der slavischen Niederlassungen stark zurück. Es
ist bezeichnend, daß das Wort »grad», das ursprünglich nur eine Burg be-
deutete, nachher auch für die Stadt, die sich ja meistens um die Burg. herum
ausbreitete, in Anwendung kam. Sonst bediente man sich des magyarischen
Ausdrucks varos (varas). Und statt trg, das man in alten serb. Urkunden
noch findet (sowie in den kroatischen), taucht seit der Türkenzeit carsija auf.
Der deutsche Einfluß, durch die aus Ungarn eingewanderten Berglevite, die
Sachsen waren, vertreten, spiegelt sich u. a. in dem Ausdruck »purgar« ab, der
selbst in einer, in Ragusa cyrillisch geschriebenen Urkunde vom J. 13S8 für
Novo Brdo, die bedeutendste Bergstadt Serbiens, Eingang fand. Der erste
Herausgeber der Urkunde (Graf Orsat Pucic) druckte das Wort falsch als
n^vppdpK ab, und Daniele bei der Abfassung des altserb. Wörterbuchs verstand
es noch nicht, erst später kam er auf die richtige Lesart und war im J. 186S
hoch erfreut, als uns (Danicic, Matkovic und ich) der damalige Kreisvorstand
von Ragusa Resetar das Original vorlegen ließ und die Konjektur Danicics
sich bestätigte, d. h. in der Urkunde stand wirklich nSprapoAVK HOKORpAcu-kAVK
(Puc. II. 31). Nach den Betrachtungen Jireceks reichten die sächischen An-
siedler bis Kratovo, wo ebenfalls Bergwerke waren (S. 68).
Das sechste Kapitel ist betitelt: »Hirten, Bauern und Sklaven« (S.69 — 74),
es spricht von Hirten, die in etwas späterer Zeit alle ohne Unterschied vlasi
(Wlache) genannt wurden, während man ursprünglich mit diesem Namen Ro-
manen und Rumänen bezeichnete. »Die Hirten behielten stets mehr Freiheit
und Freizügigheit, während die Bauern immer mehr an die Scholle gebunden
waren« (S. 69). Es galt selbst als Gesetz, daß der Serbe (d. h. der serbische
Bauer) nicht bei den Wlachen heiraten durfte, d. h. sich seiner Lage als glebae
adstrictus nicht durch den Übergang zu den freizügigen Hirten (Wlachen)
entziehen konnte. Der nicht slavische Ursprung dieser ins Gebirge verdräng-
ten Romanen, die eben dadurch in das Hirtenleben gerieten, wird durch den
fremden Ursprungs Ausdruck katun, die Hirtengemeinde, charakterisiert;
auf slavisch hieß der Häuptling der Hirten celnik. Merkwürdig reich ist die
Benennungsart der Bauern, freien, halbfreien und unfreien. Da kommen
griechische Ausdrücke vor: parik {nänoixo^], meroTßh(ih.h (griechisch ?),magupLCB
ifxciyxinos), die slavischen oder längst slavisierten sokalnik, posadnik, psart, vla-
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 17
258 Kritischer Anzeiger.
stak, sebrB, kmet, godisiiik, polovnik, otrok, rob, rabotBni. — rabotniku.a. Nicht
alle diese Ansdrücke sind juridisch determiniert, auch nicht alle hinreichend
erklärt, z. B. betreffs meropBchi. ist bekannt die Ansicht Safarik's, der diese
Benennung mit den alten paeonischen Noropes, späteren Meropes im Khodo-
pegebirge in Zusammenhang brachte (Starozit.2 1. 514). Auch Tomaschek ver-
wies (Zeitschr. f. öst. G. 1877, S. 447) auf die Provinz Msoon?] im Rhodopege-
birge. Wenn man den zweiten Teil des Wortes erklären könnte, der erste
würde auch von ueoo — (aus i;/iisQo — ) abgeleitet werden können, darin würde
in dem Worte etwas dem Tagelöhner entsprechendes stecken. Die Schreibung
MiponLxt mit i scheint auf dem Bestreben zu basieren dem Worte ein slavi-
sches Gepräge zu verleihen. In der Tat könnte man das Wort slavisch als
Kompositum von Mipa und nixaiii deuten, d. h. Mipontxi. wäre einer der das
bestimmte Maß (als Abgaben, namentlich Getreide) füllt, leistet. Ich begeistere
mich für diese Etymologie nicht, muß aber sagen, daß bei der Ableitung von
Meropes der Auslaut -ptchi. unerklärt bleibt. Sehr geistreich korrigiert der
Verfasser (S. 71 Am. 6) das in einer Urkunde (Mikl. Mon. serb. 151) begeg-
nende Bamauu in BJiamauu, während Daniele Bomrauu (Obstgärten) lesen wollte,
nur findet die Nennung der B.iamauu als Personen mitten zwischen den buho-
rpaaii, 3eM.ii, jUBajie keinen richtigen Platz.
Das siebente Kapitel bespricht »Kriegswesen i;nd Heeresverfassung«
(S. 74—83), beginnt mit den Worten: >Die Serben galten im Mittelalter bei
allen Nachbarn als ein kriegisches und tapferes Volk« (S. 74). Der Verfasser
zitiert auch eine einheimische Quelle, die Äußerung Camblaks: dieser rühmt
die Schönheit und Großartigkeit des Serbenlandes, seine frommen und weisen
Herrscher und die Eigenschaft des großen und sehr berühmten Serbenvolkes
durch Heeresmacht andere Völker zu übertreffen«. So konnte man freilich
vor dem ersten großen Zusammenstoß mit den Türken schreiben, der die
Überlegenheit der Osmanenkriegsmacht gezeigt hat (1371). Von der militäri-
schen Organisation des serb. Heeres vermag uns der Historiker wenig zu be-
richten, es fehlen genaue Nachrichten. >Eine altserbische Kriegsfahne hat
sich nicht erhalten« (S. 76), nur die Farbe rot und blau wird bezeugt. Über
die Bewaffnung wird das wenige, was man darüber weiß, auf S. 77 — 78 zu-
sammengestellt. Auch von Söldnern in serb. Kriegsdienste ist die Rede
(Türken, Italiener, Deutsche).
Das achte Kapitel behandelt das »Recht und Gericht» (IL S. 1 — 22).
Während man für die politische Administration des Reiches, seine Einteilung
in die Provinzen, für die Stufenleiter der dabei beteiligten Vertreter der staat-
lichen Gewalt nur sehr unbestimmt lautende Belege finden kann — das dar-
über berichtende steht im ersten Kapitel — laufen die Nachrichten über das
Recht und Gericht sehr reichlich, da man hier vor allem auf das Gesetzbuch
des Stephan Dusan hinweisen kann und auch die älteren Urkunden der serb.
Könige, sowie die in dem Archiv von Ragusa aufbewahrten Mitteilungen
sehr ergiebiges Material liefern. Darum ist auch in den »Studien« des Ver-
fassers gerade dieses Kapitel sehr reichhaltig und übersichtlich. Beachtens-
wert sind schon die einleitenden Worte: »Serbien stand zu Ende des Mittel-
alters in seiner Rechtsentwicklung den Staaten von Mitteleuropa viel näher
Jirecek, Staat u. Gesellsch. im Mittelalt. Serbien, angez. v. Jagic. 259
als den Byzantinern . . . das altserbische Recht erinnert oft an die Einrich-
tungen von Ungarn, Böhmen und Polen, ja mitunter an die »leges barbarorum«
der Völkerwanderungszeit«. Besonders wichtig ist der zwischen Serbien und
Byzanz in der Rechtsgeltung hervorgehobene Gegensatz: >> Serbien war in
dieser Periode ein Adelsstaat, mit periodischen, der byzantinischen Staats-
verfassung ganz fremden Reichstagen, mit verschiedener Behandlung und
Bestrafung der einzelnen Stände und mit Wahl der Richter aus den Sj:andesge-
nossen, während im griechischen Kaisertum alle Personen vor dem Gesetz jeder-
zeit gleich waren«. Und auch in dem Gerichtsverfahren ging Serbien andere, d. h.
westeuropäisch-mittelalterliche Wege, als Byzanz: »Fremd blieben dem byzan-
tinischen Recht die in Serbien üblichen Kollegien der Eideshelfer, die Kompo-
sitionen für Verbrechen durch Geldzahlungen, ebenso die Gottesgerichte mit
glühendem Eisen . . . die von den griechischen Rechtskundigen als ein Brauch
barbarischer Völker verworfen wurden«. Nach dieser allgemeinen Charakte-
ristik geht die Darstellung auf Einzelheiten über, wobei die Beeinflussung des
serbischen Gerichtswesens durch byzantinische Einzelrichtungen seitder Ver-
breitung der politischen Grenzen des Reiches in die gewesenen byzantinischen
Provinzen besonders hervorgehoben wird (S. 5). Zur Charakteristik des Gesetz-
buches des Kaisers Dusan mögen folgende Worte des Verfassers hier wiederholt
werden: »Aus byzantinischen Rechtsbüchern stammt nur wenig, obwohl die
Zahl der Termini griechischen Ursprungs nicht unbedeutend ist«. Diese auf
jeden Fall auffallende Erscheinung dürfte ihren Erklärungsgrund darin
haben, daß man in äußeren Formen vielfach die byzantinischen Zustände nach-
ahmte, aber den Inhalt des Rechtes den volkstümlichen Rechtsanschauungen
unterordnete. Außerdem darf nicht außer acht gelassen werden, daß neben
dem Gesetzbuche Dusans noch eine Reihe byzantinischer Gesetze die not-
wendige Ergänzung des geltenden Rechtes in Serbien bildete, teils durch die
Einschaltung in den Text des kanonischen Rechtes ;Krmcaja-Nomokanon), teils
durch besondere Übersetzung 'das sogenannte Gesetz Justinians, die zwei
Redaktionen des Syntagma von Blastares). Zu den nach dem Gesetzbuch
geübten Strafbestimmungen erwähnt der Verfasser noch die Rache und den
Stanak; letztere Institution gehört insofern hierher, als es sich auch hier
um die Schlichtung von Srtreitfragen handelte, die zwischen zwei oder mehreren
Personen, die verschiedenen politischen Einheiten angehörten, zu ordnen
waren, also gewissermaßen ein internationales Forum ausfindig gemacht
werden mußte. Es ist das also nur eine Abart des üblichen Gerichts-
verfahrens. Aus diesem Grunde hätte es sich vielleicht empfohlen den
Stanak vor der Osveta (Rache) zur Sprache zu bringen. Die vom verstorbenen
Bogisic darüber geschriebene Monographie bereicherte der Verfasser mit
neuem von ihm ans dem Ragus. Archiv geschöpften sehr lehrreichen Material
(S. 18—21).
Das neunte Kapitel ist der »Besiedlung, Landwirtschaft und Gewerbe«
gewidmet (IL S. 22 — 46). Es handelt sich hier um den Nachweis der Dichtig-
keit und Bewegung der Bevölkerung und um ihren Lebensunterhalt. Etwas
davon kam von ethnographischem Standpunkte schon im zweiten Kapitel
zur Sprache. Es verdient betont zu werden, daß der Verfasser für Altserbien
17*
260 Kritischer Anzeiger.
in den Hirten des Gebirges das kräftigste Element erblickt (S. 23) nnd nachdem
er die nach verschiedenen Eichtungen in früheren Jahrhunderten wahrnehm-
bare Expansion hervorgehoben, die durch die türkischen Eroberungszüge
eine aufgezwungene Richtung gegen Norden und Nordwesten bekam (Ungarn,
Slavonien, Ostkroatien, Norddalmatien), macht er die Bemerkung: jDas
XIV. Jahrhundert war im Südosten Europas überhaupt eine Periode des Vor-
dringens .der Hirtenbevölkerungen« und erwähnt die Wanderungen der Ru-
mänen und der Albanesen. »Einen Sieg der Hirten über die Ackerbauern
und Städter bedeute auch der Vorstoß der Türken«. In dieser Beziehung
möchte ich folgende Stelle zitieren: »Ein venezianischer Beobachter schreibt
noch um 1 5.59, das Land an den grünen Ufern der Bojana könne mit seinen
fruchtbaren Saatfeldern und wohlbewohuten Dörfern mit Italien verglichen
werden ... Im Innern war im XI. — XII. Jahrh. die breite Grenzzone zwischen
den Serben und Byzantinern, zwischen den byzantinischen Grenzburgen von
Prizren, Lipljan, Nis einerseits und dem serbischen Gebirge am Lim und Ibar
anderseits, eine viele Tagereisen breite Einöde. Nach der serbischen Okku-
pation unter Nemanja (1180 f.) wurde dieses von Natur aus reiche Gebiet, be-
sonders das warme Becken des weißen Drim und der Sitnica rasch kolonisiert.
Doch waren die 2ü0 Jahre der Herrschaft des Hauses des Nemanja eine zu
kurze Zeit, um eine bleibende Veränderung durchzuführen. Nach der Fest-
setzung der Türken in Makedonien wurden diese fruchtbaren Gebiete wieder
ein Grenzland und fielen neuerdings dem Verfall anheim. Unter der türkischen
Herrschaft ging das serbische ackerbauende Element bei Prizren, Pec und
auf dem Amselfelde unaufhaltsam vor den albanesischen Hirten zurück. Die
Dörfer dieser Landschaften, ebenso wie der warmen Ebene von Skutari, waren
im XIV. Jahrhundert größer und zahlreicher als heute« (S. 24). Nun folgt
die Schilderung der Waldwirtschaft, Viehzucht und des Ackerbaues, reich
ausgestattet mit vielen Einzelheiten, wobei der Verfasser nie unterläßt die
termini technici, die bei einzelnen Verrichtungen angewendet wurden, beson-
ders hervorzuheben. Wir wollen hoffen, daß bei dem dritten Heft ein Wort-
register diesen reichen Vorrat an wichtigen Ausdrücken für das Nachschlagen
erleichtern wird. Bei der Erwähnung der Grenzbestimmungen zwischen ein-
zelnen Dörfern und ihren Grundstücken (S. 35) hätte ich den berühmten
Razvod aus Istrien vom J. 1325 mit einem Worte erwähnt, mag er auch nicht
auf das altserbische Gebiet sich beziehen, aber schon der Ausdruck razvod,
der ebenso in derselben Bedeutung in den russischen Urkunden begegnet
(vergl. im altruss. Wörterbuch Sreznevskij's, s. v. pobeoät.) reicht als terminus
technicus in uralte Zeiten zurück und auch die anschauliche Darstellung des
ganzen Vorganges der Grenzbestimmungen hat ihre Parallelen. Im Weinbau
(S. 40), bei welchem schon im Altkirchenslavischen c</LinB).ovQy6g mitunter
durch Kona^iB, KonautMa ausgedrückt wird, gilt das Wort kopac auch als Maß-
bestimmung, so hörte ich schon in meiner frühesten Jugend, bevor ich noch
einen Weingarten in natura sah, von »gorice na dva, tri . . . kopaca«. Unter den
verschiedenen Anlagen des Weingartens war im Westen auch »brajda« (ein
Fremdwort) wohl bekannt, das Wort dürfte in ragus. Archiv. Quellen ebenso
vorkommen, wie das slavische pritka (cum pritcis, S.40). Interessant sind die
Jirecek, Staat n. Gesellsch. im Mittelalt. Serbien, angez. v. Jagic. 261
noch heute nachweisbaren Überreste der deutschen Nomenklatur im Bergbau,
wie ceh, turf, sljakna (S. 46).
Das zehnte Kapitel behandelt »Handel und Geldwesen« (II. S. 46 — 66),
Den Handel trieben zumeist die fremden Kaufleute, im Vordergrund standen
die Eagusaner, die durch ihre klage Handelspolitik viele Vergünstigungen
des serb. Staates für sich zu gewinnen verstanden. Von den strittigen kleinen
Grenzfragen (S. 4S — 49) würde ich nicht an dieser Stelle sprechen, sondern
anderswo, da das den Handel zunächst nicht angeht. Was diesen anbetrifft,
erwähne ich die Bemerkung des Verfassers, daß der Aufschwung des Binnen-
handels Ragusas mit Serbien dazu geführt hatte, daß »der ältere Seehandel
durch den Landhandel ganz überflügelt wurde«. Das dauerte bis zu den nach
dem Tode Dusans eingetretenen inneren Wirren in Serbien und den durch
das Vordringen der Türken entstandenen Verheerungen, durch die die Eagu-
saner gezwungen wurden sich von neuem mehr mit dem Seehandel zu be-
schäftigen. Der Umfang des ragusanischen Landhandels beschreibt unser
Historiker so: »Über die Narentamündung und Bosnien reichte er bis in das
südliche Ungarn, in Serbien bis ins Moravatal und zum Sargebirge. In Bul-
garien . . . werden Eagusaner nur in Vidin öfters erwähnt. Ebenso lag Make-
donien außerhalb ihres Bereiches, warscheinlich wegen des großen Handels
der Griechen in diesen Gebieten. In den Archivbüchern von Eagusa aus dieser
Periode wird kaum Skopje erwähnt; die Namen von Velbuzd (Küstendil), Stip,
Prilep, Ochrid und anderen Städten kommen dort überhaupt gar nicht vor«
(49). Auch von den Handelsbeziehungen anderer dalmatinischer Städte mit
dem Innern der Balkanländer (Bosnien, Serbien) wird kurz das nötige gesagt,
selbstverständlich durfte Venedig nicht übergangen werden. Neben diesen
»Lateinern« (d. h. slavisch und italienisch redenden Katholiken) spielten keine
große Eolle die Juden und Armenier. Es fällt aber auf, daß von Griechen
keine Rede ist. Sollen sie sowie die Kutzo-Wlachen (Zinzaren) ihr Geschäft
so still betrieben haben, daß nichts in Urkunden oder dem archivalischen
Material zu finden ist? Sehr anschaulich schildert der Verfasser die Handels-
routen und Verkehrsmittel (54 — 55), sowie das Treiben auf den Märkten und
zählt auf die hauptsächlichsten Handelsartikel des Exportes und Importes auf,
worunter leider auch die Sklaven keine unbedeutende Eolle spielten (56 — 58).
Das Kapitel schließt mit der Aufzählung der Maße und Gewichte und den
Münzen. Unter den auf S. 59—60 aufgezählten Namen für Maße vermisse ich
A\hH;ci\j-i\ii-^A\c\|-AK (modiolus), den Ausdruck kennen die serb. Urkunden in beiden
Formen (Daniele s. v.).
Das elfte Kapitel ist den »Finanzen des serbischen Eeiches« gewidmet
(S. 66 — 74). Hier ist zunächst von den Finanzbeamten die Eede, die meistens
Ausländer, aus dem Küstenland (Cattaro) waren. Die Gebahrung mit den
Einnahmen ist wenig bekannt. Einnahmen bestanden in Steuern (Geld und
Naturalien) und verschiedenen Dienstleistungen, die durch originelle slavische
nur zum Teil auch griechische Nomenklatur spezialisiert werden (S. 68 — 70).
Dem griechischen xanyixoy scheint dymina (dimnina) nachgemacht zu sein.
Mit der Übersicht der Einnahmen von verschiedenen Zöllen beschließt das
Kapitel.
262 Kritischer Anzeiger.
Das ist nur ein schwaches Bild von dem reichen Inhalt dieser Kultur-
Btudien, denen vielleicht ein Jurist, ein Nationalökonom, oder ein anderer
Fachmann hie und da eine andere Form oder Reihenfolge der Darstellung
geben würde, als es der Historiker tat, aber über die Fülle der hier darge-
botenen wissenswürdigen Belehrung kann nur eine Stimme der größten An-
erkennung herrschen. V. J.
Statut der Poljica. Von Alfons Pavich von Pfauenthal, Tomo Matic
und Milan Kesetar. Wien 1912, lex. 8« 81 (S.-A. aus »Wissenschaft-
lichen Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina«. XII. Band
1912).
Als ich im Jahre 1880 in den Publikationen der russischen >Freunde des
alten Schrifttums« eine kommentierte Ausgabe des Vinodoler Statutes heraus-
gab, hatte ich den lebhaften Wunsch, in ähnlicher Weise bald darauf das Pol-
jica-Statut zu bearbeiten. Doch wie leider viel zu oft in meinem Leben blieb
es auch diesmal beim guten Vorsatz. Der Umzug aus Berlin nach Petersburg
zeichnete neue Pflichten, neue Aufgaben vor. Volle zehn Jahre später hatte
ich doch eine sehr erwünschte Gelegenheit bekommen mich auch mit dem
Statute von Poljica zu beschäftigen. Als der unvergeßliche Racki die Redak-
tion eines Bandes derMonumenta historico-juridica, in welchem Rechtsdenk-
mäler in der Nationalsprache (kroatisch) zusammengefaßt werden sollten, in
seine Hand nahm, überließ er mir die kritische Bearbeitung des in der Tat
einer neuen Ausgabe dringend bedürftig gewesenen Statutes von Poljica.
Auf Grund der mir in liberalster Weise nach Wien geschickten handschrift-
lichen Quellen dieses Statutes brachte ich eine, wie es mir auch jetzt noch
scheint, ganz einwandfreie Ausgabe zuwege, die im IV. B. der besagten Mo-
numenta, und auch als Sonderabdruck erschien unter dem Titel: »CiaTyi IIo-
,t.H<iKH. Ypejuo lipo*. B. Jaruh (Y Barpeöy 189Ü. 80. XXXII. 137). Nach dem
Plane der Ausgabe in Monumenta war eine Kommentierung des Textes aus-
geschlossen, ich mußte mich auf ein Glossar zum Texte mit lateinischen Er-
klärungen der Ausdrücke beschränken. Heute bin ich in der angenehmen Lage
nicht bedauern zu müssen, daß ich mich damals mit der Abfassung eines Kom-
mentars zum Poljica-Statut nicht abgegeben habe. Denn viel vollständiger, als
ich es vermocht hätte, hat diese Aufgabe die oben zitierte Ausgabe erfüllt, die
eine Kollektivarbeit repräsentiert folgenden Inhaltes: I. Vorwort von Alfons
Pavich von Pfauenthal, II. Übersetzung des Statutes mit Einleitung und An-
merkungen von Tomo Matic, III. Münzen im Statute von Poljica von Milan
Resetar. Ich muß vor allem hervorheben, daß diese ganze Publikation der
wahrhaft rührenden Liebe und Anhänglichkeit des Herrn k. k. Statthalterei-
Vizepräsideuten von Dalmatien, Alfons Pavich von Pfauenthal zu seinem hei-
matlichen Boden — und als solchen betrachtet er eben die Poljica in Dalma-
tien — ihre Entstehung verdankt. Er hat die Wiederherstellung einer politi-
schen Gemeinde Poljica zustande gebracht, er hat in Wort und Schrift für
dieses geschichtlich merkwürdige Gemeindewesen Propaganda gemacht.
T. Matic, Statut der Poljica, angez. v. Jagic. 623
Freunde geworben. Und so ist auch die vorliegende schöne Ausgabe einer
kommentierten Übersetzung des Statutes durch seine Initiative und seine Be-
mühungen zustande gekommen, sie schließt sich an das an, was er im Glasnik
desSarajever Museums vom J. 19ü3 als »Priuosipovjesti Poljica« und in deut-
scher Übersetzung als »Beiträge zur Geschichte der Republik Poljica bei Spa-
lato< in den Wissenschaftlichen Mitteilungen aus Bosnien und Herzegowina
vom J. 1907 herausgegeben hat. Auch diese Ausgabe bekam durch die Be-
mühungen des Herrn Statthalterei -Vizepräsidenten mehrere Illustrationen
zum Texte, deren einige kunstgeschichtlich interessant sind und von ihm in
dem Vorworte besprochen werden.
Doch meine Anzeige bezieht sich auf den Hauptinhalt dieser Ausgabe,
auf die kommentierte deutsche Übersetzung des Statutes, die Prof. T. Matic
auf S. 7—74 geliefert hat. Wer die eigentümliche Diktion dieses Statutes
kennt, die, nicht frei von italienischem Einfluß, doch sehr viel volkstümliche
Präzision zeigt, die sich bis zur dunklen Kürze steigert, wird die nicht geringe
Schwierigkeit der Aufgabe, die dem Übersetzer bevorstand, ermessen können.
Daß er sie glücklich überwunden, kam nicht nur durch das fleißige Studium
der einschlägigen Literatur und der urkundlichen Parallelen, wie z. B. des
Statutes von Spalato, zustande, das ihm das Eindringen in den Sinn einzelner
Bestimmungen erleichterte, sondern auch durch vielfaches Nachfragen bei den
aus Poljica stammenden oder das dortige Volksleben und den dortigen Dialekt
genau kennenden Persönlichkeiten. In dieser Weise gestalteten sich seine An-
merkungen zu einzelnen Punkten oder Paragraphen des Statutes als sehr
schätzenswerte Beiträge, gleichsam kleine Perlen zur Sprache, zu Sitten und
Bräuchen des kleinen Ländchens. Nur selten bleibt der eine oder andere Aus-
druck noch immer dunkel. Das betrifft namentlich das Wort polipa im § 50a,
das auch die Gewährsmänner Matic" nicht imstande waren zu erklären. Ich
vermute jetzt, daß polipa eigentlich auf pole pa(ikavisch ausgesprochen) be-
ruht und daß damit eine »beschmierte« Hütte, oder vielleicht ein Wirtschafts-
gebäude gemeint war. Sehr nahe stehen die Ausdrücke poln. lepianka,
nalepa, cech. nalepa, nalepek und nach der Wortbildung am nächsten
poln. polepa, das nach Karlowicz 1. einen Lehmfnßboden, 2. die Lehmbe-
kleidung einer Hütte bedeutet. Alle diese Ausdrücke drehen sich um eine
Wohnstäte, und so mag auch im Statute von Poljica mit polipa irgendeine
für Menschen oder Tiere gemeinte Wohnstätte gemeint gewesen sein, wie es
■auch Prof. Matic richtig vermutet. An eine Korrektur des polipa in pojina
ist gewiß nicht zu denken. Es ist zu beachten, daß polipa nach § 50a zu un-
beweglichen Sachen gerechnet wird, dagegen nach 50 b wird selbst ein Haus,
das gomionica heißt, also aus Stein ohne Kalk oder Lehm aufgeführt ist,
zu den beweglichen Sachen gerechnet.
Gegen die möglichst wörtlich gehaltene und doch mit nötigen in Klam-
mern gesetzten Einschaltungen versehene Übersetzung ist selten etwas ein-
zuwenden und auch das sind entweder Kleinigkeiten oder dunkle Stellen, wo
verschiedene Auffassung möglich ist. Zur ersten Art würde gehören z. B. § 4 a,
wo man statt »in was immer für einer Angelegenheit« vielleicht näher an das
Original sich anschließend »wegen einer Sache« sagen könnte und daher auch
264 Kritischer Anzeiger.
unten statt »bezüglich des Landes« entsprechend der gleichen Präposition des
Originals »wegen des Landes«. Dunkel ist dagegen § 4b, den, wie es scheint,
schon die alten Abschreiber nicht verstanden haben, da sie statt 'od onogaj
obroka' sogar 'do ovoga obroka' schrieben. Das Appellationsrecht wird bis
zum dritten Gerichtstermin ausgedehnt, nun sollte weiter heißen: und wer bis
zu diesem Termin nicht appelliert, der verliert das Recht nachher zu appel-
lieren. Dieser Sinn ergibt sich auch aus den Worten: i tko se ne apela
(sc. do ovoga obroka, diese Worte liest man auch in einigen Texten, nur
vielleicht an unrichtiger Stelle), nije mu apeo dobar od onogaj obroka.
Die Schwierigkeit entsteht erst durch den Zusatz: nakomse cinisenten-
cija. Soll das ganze etwa den Sinn haben: wer sich gleich beim Urteilsspruch
des Appellationsrechtes begibt, der kann überhaupt nicht mehr von der
Appellation (also auch beim zweiten oder dritten Termin, Gebrauch machen. So
etwa könnte man den Text in der jetzigen Fassung interpretieren. Wenn man
in 5^ die Übersetzung »wenn der Geladene gegen die Tagsatzung nicht Ein-
spruch erhoben hat« (so übersetzt Matic die Worte: Akoli oni roka ne
opovi koga pozivaju) gelten läßt, dann muß man stillschweigend hinzu-
denken »und doch nicht erscheint«, allein diese Worte sind im Texte nicht da, da-
rum wird opovedeti hier doch nicht »Einspruch erheben«, sondern eher etwas
anderes bedeuten, d.h. etwa ja sagen, zustimmen im Sinne: ich werde kommen,
erscheinen. Darum hat auch der Text das zweimalige 'ne opovi' zum dritten-
mal durch 'ne bude' ersetzt, und die späteren Texte schrieben statt opovi
das Wort dode. Der Verfasser selbst hat zu § 54a die doppelte Bedeutung
des Verbums 'opoviditi' hervorgehoben. In § S möchte ich die Übersetzung
»soll als treulos unserem Herrn und unserem Orte übergeben werden« für
»da se oda nevirau gospodi nasoj i mistu nasemu« etwas anders
auffassen, d. h. das odati se, entsprechend dem italienischen rendersi,
durch ,sich erweisen', , erklärt werden' übersetzen. Die Strafe eines solchen
Treulosen besteht ja in der Verbannung (da se izrene van), nicht in der
Übergabe in die Gewalt des Herrn und der Gemeinde. Schon die einfache
Form des Adjektivs 'ne vi ran' scheint mir dafür zusprechen, ich würde daher
die Stelle übersetzen »soll als treulos unserem Herrn und unserem Ort an-
gesehen (oder erklärt) werden«.
Schwierig ist die Deutung, folglich auch Übersetzung des § 9, wo vom
Verfall des Pfandes die Rede ist, die ersten Worte sehen wie eine Überschrift
aus, so daß die eigentliche Bestimmung erst mit den Worten ako tko upade
beginnt. Die größte Schwierigkeit macht der nach 'od sile' folgende Zusatz
»sto imenuje zastave«. Prof. Matic übersetzt diesen Zusatz »indem er seine
Pfänder nennt«, ich möchte lieber so sagen: »Wenn sich jemand vor dem
Knez und den Richtern wegen einer Gewalttat verpfändet, was man Pfand
nennt« — allerdings fehlt im Text se bei imenuje, doch auch vor zastavi
in der ersten Zeile fehlt se, ja man kann vielleicht wirklich ohne das se aus-
kommen und so konstruieren: i tko zastavi ... od sile . . . zastave,
»wenn jemand Pfand (oder Pfänder) deponiert«, der Zusatz sto imenuje ist
entweder so viel wie sto se imenuje (was man nennt) oder ist tko Subjekt,
also: Wenn jemand vor dem Knez und den Richtern wegen einer Gewalttat
T. Matic, Statut der Poljica, angez. v. Jagic. 265
deponiert das, was er Pfänder nennt . . . Ich will nicht sagen, daß auch so
alles glatt geht.
Dunkel ist im § 17b der letzte Absatz: >so hat er auf seinem Besitze
selbsechst seine Unschuld zu beschwören«. Wer ist hier er? Prof Matic meint
den Beschuldigten, ich würde eher an den Kläger denken, von dem es heißt,
daß er, wenn der Eid von dem Beschuldigten auf ihn gewälzt wird, nur zwei
Eideshelfer (d. h. selbdritt) braucht; wenn aber der Beschuldigte gänzlich aus-
bleibt, so hat er (also auch hier der Kläger) sein Eigentumsrecht mit fünf Eides-
helfern (selbsechst) zu bekräftigen. In § 25 würde ich den letzten Absatz im
Sinne der vom Verfasser in der Anmerkung vorgeschlagenen Erklärung auf-
fassen, d. h. ein Vlah (Hirt) kann nur auf Privateigentum (also nicht in der
Gemeinde) und zwar unter den mit dem Eigentümer freiwillig eingegangenen
Bedingungen in Poljica Aufenthalt finden. Im § 33 würde ich in dem ersten
Absätze eine kleine Änderung in der Übersetzung vornehmen und statt »dem-
jenigen für den sie bestimmt ist« näher ans Original kommend »jener Person«
schreiben (onoj glavi); für das »das ihm zugefallene Grundstück«, womit
»na svojoj zdribnici« richtig umschrieben wird, wäre es vielleicht er-
laubt das Wort »Los« anzuwenden. Ich weiß auch nicht, ob die Worte »Doch
jeder darf nur das ihm zugefallene Grundstück besitzen« wirklich das aus-
drücken, was dieser Zusatz besagen will. Ist mit den Worten nicht vielleicht
gemeint, daß bei etwaigen nachträglichen Teilungen oder Messungen keiner
um sein Los (sein ihm zugefallenes Grundstück) kommen soll? Im § 34 möchte
ich den Ausdruck uzopet, den ich durch iuxta erklärt hatte, jetzt nicht mit
'parallel' übersetzen, sondern eher mit »in entgegengesetzter Richtung« oder
»rückläufig«, also »daß der Rechtsstreit sich rückläufig bewege« ; an der Sache
list selbstverständlich damit nichts geändert. Für »so steht es ihr frei« würde
man besser sagen »so steht es ihm frei« (d. h. dem Geklagten). Statt »seit
anger Zeit so gut wie vernachlässigt« könnte man vielleicht sagen: »wegen
langer Zeit so gut wie in Vergessenheit verfallen«. Im § 35a könnte der Aus-
druck »zataknuti se« und »zatac« vielleicht durch Aufforderung, auf-
fordern wiedergegeben werden, vgl. zatka im heutigen Montenegrinischen,
Schwierig ist die Übersetzung der Phrase »gre uz ruku«. Prof. Matic über-
setzt; »Die sonstige Schlägerei oder Wunde trifft die Hand«, das ist viel-
leichtwörtlich richtig, aber dem Sinne nach unklar; die von Matic hinzu-
gefügte Erklärung lautet »von der sie verschuldet bzw. beigebracht wurde«.
Doch ist damit das Ausmaß der Strafe noch nicht ausgedrückt, während wir
sonst überall die genaue Straf bestimmung finden. Vielleicht soll der ganze
Absatz nur eine Einleitung für die weiter folgenden Einzelfälle bilden, und
dann würden die Worte »gre uz ruku« ausdrücken: »die sonstige Schlägerei
oder Wunde richtet sich nach ihrer Art« (vgl. svake ruke, srednje ruke). Hübsch
hat Prof Matic in § 37 b vor vrazdi das Wörtchen dvi ergänzt, ich erwähnte
in der Ausgabe die Lücke ohne ihre Ergänzung, die sich aus 41a ergibt. Ebenso
ist sehr hübsch der § 47 in seiner originellen Diktion beleuchtet. Die Berech-
nung der im §47 zitierten unklaren Stelle bezüglich der ovni tretintni, die
der Übersetzer als dreijährige Widder auffaßt, muß ich als mir nicht ganz
schier auf sich beruhen lassen. Es ist im Texte von 20 Widdern die Rede, dar-
266 Kritischer Anzeiger.
nach würde also der Sinn der Stelle nach Matic dahin gehen, daß bei der
Lieferung von dreijährigen Widdern statt 20 nur 15 zu geben wären. Oder
soll das vielleicht bedeuten, daß die Widder so groß sein mußten, daß jeder
von ihnen statt einer Einheit zu vier Drittel gerechnet wurde? Ein dreijähriger
Widder sollte tretjak (jetzt trecak) heißen, das Adjektiv tretintni. auf
tretina (dritter Teil) beruhend könnte sich auch auf die Größe, ohne gerade
die Dreijährigkeit auszudrücken, beziehen. Im § 49 ^ finde ich für prinajde,
prinasao, nasao in der Übersetzung das Wort 'erwerben', 'hinzuerwerben'
angewendet. Da einmal neben prinajde die Ausdrücke pribavi und pri-
kupi, izdvori, das andere Mal zu nasao aie Ausdrücke dobio, pribavio
folgen, so möchte ich fragen, ob mit prinajde nicht das gemeint war, was
der gegenwärtige Besitzer des Stammgutes bei seinem Antritt schon als etwas
von seinem Vorgänger hinzuerworbenes aber doch vom Stammgut abgeson-
dertes vorfand? Denn prinaitikann wörtlich bedeuten: auf etwas kommen,
also finden, was als nachträglich und nicht ursprünglich gilt. Diese Erklärung
würde bedeuten, daß der Erbe eines Stammgutes auch solchen Besitz beerben
konnte (also ohne sein Zutun bekommen, gleichsam finden), der nicht als zum
Stammgut gehörend angesehen wurde, daher von dem jetzigen Besitzer auch
entäußert werden konnte. Im § 51 d würde ich statt »so sollen sie nach Maß-
gabe der Anteile abkaufen, die ihnen bei der Teilung ihres Stammgutes ge-
bühren« in näherem Anschluß an das Original so sagen: »dann sollen sie in
der Weise und nach jenen Anteilen abkaufen, wie sie bei der Teilung des
Stammgutes vorgehen«. Zu § 52^ will ich bemerken, daß uvit in meinem
Glossar statt conditio besser durch pactum hätte erklärt werden sollen und
das würde mit dem übereinstimmen, was jetzt Prof. Matic richtig über das
Wort sagt.
Im § 55a übersetzt Prof. Matic die Worte »Ki bi . . . pankao ali se do
virnosti takao« durch »der . . . böse Verleumdungen oder Verletzung der
Treue sich zu Schulden kommen lassen sollte«. Hier ist die Verleumdung für
pankati richtig, aber do virnosti se taknuti kann, glaub' ich, nichts
anderes bedeuten, als »die Treue anrühren« oder »die Treue angreifen«, darum
fasse ich die in diesem Paragraphen zur Sprache kommende sehr strenge
Ahndung etwas anders auf, wobei auch die Worte suproc mistu nasemu,
wie ich glaube, einen leichter erklärbaren Zusammenhang bekommen, d. h. ich
übersetze so: Wenn sich jemand finden sollte, wer immer es sei, ein Vlastelin
oder ein Didic oder ein Geistlicher oder welchen immer Standes Mensch, der
entweder selbst oder durch einen anderen, sei es schriftlich oder mündlich,
böse Verleumdungen verbreitet oder die Treue unserer erlauchten veneziani-
schen Herren oder ihrer Eektoren unserem Ort gegenüber anrührt . . . Die
Beschuldigung kulminiert also in Angriffen gegen die Republik Venedig und
ihre Rektoren bezüglich ihres Verhältnisses zuPoljica, in einer ehrenrührigen
Verleumdung und Auflehnung gegen die Republik wegen ihres Verhaltens
Poljica gegenüber ... So erkläre ich mir auch die Ausschließung jeder Be-
gnadigung, selbst wenn sie von den Vertretern der venezianischen Oberhoheit
in Vorschlag gebracht werden sollte.
Sehr gut lautet die Erklärung und im Zusammenhang damit auch die
T. Matiö, Statut der Poljica, angez. v. Jagic. 267
Übersetzung des § 59 a, auch der Versuch über die Schwierigkeit in § 50b be-
treffs zastava hinwegzukommen, kann gebilligt werden, obgleich ich einen et-
was präziseren Ausdruck statt Grundstück vorgezogen hätte, aber welchen?
vielleicht »Feldstück« oder »Anbau«? Denn zastava muß doch etwas be-
stimmteres ausdrücken als das gewöhnliche zemja.
Zu § 61 über istupiti, istup-odstup kann man jetzt das rechts-
geschichtliche Hilfsmittel »Prinosi za hrvatski pravno-povjestni rjecnik. Na-
pisao Vladimir Mazuranic« S. 4-17 — 448 zu Rate ziehen, woraus man sieht, daß
ich den Ausdruck falsch gedeutet hatte und dadurch auch den Übersetzer auf
fale- hen Weg führte. Es handelt sich um die evictio, cautio expeditoria, de-
fensio rei venditae. Mazuranic zitiert aus den Acta croatica nach der Ausgabe
Surmins 'S. ITS) das Beispiel, wo bei einem Kauf die Verkäufer den Käufer
eicher stellen: »Ako bi ih (d. h. den Mikula i njegov ostanak) hotil u recenom
imanji briziti, utiskati i usilovati, da hote (sc. die Verkäufer) vlastitim svoim
trudom i tracenjem n parni i izvan parne braniti i istupiti«. Es gibt noch
einige Beispiele für das Verbum und auch istupnik für evictor kann belegt
werden. Vgl. auch Bartal Gloss. mediae et infimae latinitatis regni Hungariae
s. V. evictio, evictor u. a. Darnach müßte diese Bestimmung des Pol. Statutes
jetzt anders übersetzt werden. Im ,§ 63b ist die Übersetzung »eine Frist bis
zum (nächsten?) Gerichtstag« für ,rok na obrok' nicht ganz genau; ich glaube
die Stelle so verstehen zu müssen, daß man den schriftlichen Beweisen so viel
Gewicht beilegte, daß man selbst bei dem schon zustande gekommenen letzten
obrok noch einen neuen Termin zur weiteren Verhandlung gestattete. Dafür
spricht auch der ganze weitere Text. Im § 65 wäre statt 'Bosheit' vielleicht
genauer 'Böswilligkeit' (zle volje) zu sagen.
Im § 68a könnte bei obljubljen auch auf die Beispiele des Verbums
obljubiti in altserbischen Denkmälern hingewiesen werden, sonst ist 'ein-
vernehmlich' ein ganz gut gewählter Ausdruck, den man auch durch 'gütlich'
ersetzen könnte, z. B. gütliche Austragung würde ganz gut klingen. In § 69 b
ist mit den Worten »zu Hause aufsucht« mehr gesagt, als das Original verlangt,
wo es nur heißt: »wenn er ihn vom Hause vorladet« (daß der Gläubiger selbst
ihn zu Hause aufsucht, das steht im Original nicht). In § 71 b könnte man für
pratez statt des etwas blassen Ausdrucks 'Sache' hier vielleicht auch 'Ware'
anwenden (doch vgl. § 77). Im § 72b dürfte für p'ohititi se na kucu statt
'ergreifen' besser sein 'angreifen' oder 'sich vergreifen'; ebenso im § 73 d würde
ich den Ausdruck 'Beeidigung' entsprechend dem § 73e auch hier durch
»Eidesleistung« ersetzen. In dem letztgenannten § 73e wäre es genauer den
Ausdruck s pristavi i zakletvom durch »mit den Pristaven und der
Eidesformel« (statt 'dem Eide') zu übersetzen, daher auch in § 73= po za-
kletvi statt 'durch den Eid' würde ich übersetzen »nach der Eidesformel«.
Klar sieht man, daß es sich liier um die Eidesformeln handelt, aus § 76, wo die
Eidesformel angeführt ist: »da nije cestan ni vistan<r. Im § 76 statt »daß er
sie mit dem Kopfe büßen müßte« wäre es besser allgemein auszudrücken »daß
sie (sc. Schuld) mit dem Kopfe zu büßen wäre-. In diesem Paragraphen hatte
ich an einer Stelle falsche Interpunktion gesetzt, die Worte »ako li bi se kriv
ansao« gehören zu dem vorausgehenden Satz »kom no bi oni duzan«, d. h.
268 Kritischer Anzeiger.
man muß übersetzen: »so trifft denjenigen, der ihn . . verleumdet, jene Schuld
und Strafe . . ., die diesen treffen würde, wenn er für schuldig befunden wor-
den wäre«. Auf diesen Fehler hat M. K. in Mjesecnik pravnickoga drustva
(God. XXXIX Kn. I br. s. S. 72) aufmerksam gemacht und ich nehme die Be-
richtigung dankbar an. In § 77 ist die kurze Ausdrucksweise onomu je
pravda übersetzt durch »so stellt diesem die Rechtsprechung zu«. Ist
das nötig? Soll es nicht vielmehr heißen: »so hat dieser vor Gericht zu er-
scheinen« ? In §8015 wäre es besser »auf einem Gemeinde-Grundstück« für na
opcenom zu sagen, als »auf einem gemeinsamen Grundstücke«. So wird ja
opceni auch von dem Übersetzer regelmäßig durch 'Gemeinde-' ausgedrückt.
Darum 'auch in § 96 ucinise opceno bedeutet so viel wie: »sie machten
einen Gemeindebeschluß«; auch im § 101 würde ich puti opceni ebenfalls
durch Gemeindewege übersetzen (Matic schreibt »die öffentlichen Wege«), und
wahrscheinlich kann man auch im § 104 v o da zi va ima biti opcena durch
»ein Quellenwasser soll der Gemeinde angehörig sein« übersetzen. In demselben
§ 8üe muß ich 'u miru' nach meiner Auffassung (d. h. von mir nicht von mer a
abzuleiten) in Schutz nehmen, erstens darum, weil ich keinen Grund für eine
besondere Abmessung der Anteile finde, diese könnte erst bei einem beson-
deren, vielleicht recht spät eintretenden Fall stattfinden, und zweitens darum,
weil im weiteren Texte dieses »Ungestörtsein« motiviert wird dadurch, daß
der Erbauer bei der Herstellung der Mühle mit einer öffentlichen Arbeit von
einer gewissen Dauer zu tun hatte, und da man ihn während dieser ganzen
Zeit in Ruhe gelassen, so soll man ihn auch nach der Fertigstellung in Ruhe
lassen und die Mühle als zu seinem Anteil gehörig ansehen. Meine Auffassung
stützt sich übrigens auch darauf, daß ich mir die Mühle als auf einem Gemeinde-
grundstück aufgeführt vorstelle, Prof. Matic denkt aber an die Teilhaber bei
einem gemeinsamen Grundstücke, wovon nach meiner Auffassung hier nicht
die Rede ist. Daher ist die Anm. 4 zu § 80b nach meiner Auffassung über-
flüssig. Im § 841^ sind die Worte »wenn eine solche entdeckt wird« nicht ganz
dem Texte »ako se obnajde taj takova« gleichlautend. Hier ist wohl
zimächst von der Konstatierung des Kindesmordes an sich die Rede, die
eigentliche Entdeckung und Ergreifung der Schuldigen kommt in nächsten
Zeilen zur Sprache: »kad ju obociti, ima ju hitati«, d. h. wer sie zu
Gesicht bekommt, soll sie ergreifen. Im § 92^, 92 1, 107 ^ übersetzt Prof. Matic
das Verbum razjagmiti durch 'verschleppen'. Endlich und letztlich kommt
es darauf hinaus, doch zunächst ist an die Wegnahme als Beute, an Konfiskation
in ihrer primitiven Art zu denken. So steht auch im § 107bzajagmu opceno,
was wohl »eine Konfiskation zu Gunsten der Gemeinde« bedeutet. Im §94 ist die
Beseitigung der Grenzzeichen ausgedrückt durch die Verba istukao und is-
tlacio, man sollte anschaulicher übersetzen, etwa durch 'niederschlagen' und
'niedertreten', statt der etwas zu allgemein lautenden Ausdrücke »ver-
wischen«, »vernichten». Der §97 bleibt auch jetzt mir unverständlich. In
§ 102 finde ich den eingeklammerten Zusatz »in ein anderes Gebiet« eigent-
lich überflüssig, ich würde nur zwischen 'weiter' und 'in der Richtung' nicht
'und', sondern 'oder' setzen ;dale . . . ili onuj e). In § 104 im zweiten Absätze
dürfte voda rvenica ganz einfach ein Brunnenwasser bedeuten, es heißt
Bolte-Polivka, Anmerkgn. zu Grimms Märchen, angez. v. Jagic. 269
ja in Psalm 68, 10 der Brunnen (tö (pQtKQ] bei Bercic rvenik. In § 107^ im
ersten Absatz wäre ich geneigt in razam nichts anderes als die bekannte
Präposition razve, razme , razmi zu suchen, nur stört das nächstfolgende
Wort vola, welches dann im Genitiv vole lauten sollte, dann würde razam
voje bedeuten »außer dem freien Willen«; ich gestehe, die Stelle nicht zu
verstehen. In § 109, erster Absatz, ist der Ausdruck cira sepostuju etwas
unklar, doch mit Hinweis auf das parallele Wort pocten (entlohnt) gut erklärt
von Prof. Matic; es ist nur auffallend, daß hier das Wort mit s geschrieben ist,
während sonst die ältere Schreibart mit c beobachtet wird. Ein cim sepos-
tuju wäre auch für iictkiijtc>vk5tk et möglich, doch die Bedeutung dieses Ver-
bums will zu dieser Stelle nicht stimmen. Auch der letze Absatz, der von
posoba spricht, bleibt mit unklar. Prof. Matic erklärt für den ganzen Zusatz
onako da i posobu vazmu als Subjekt das Wort gospoda, das erst
hinten folgt; es wäre aber nicht unmöglich die zitierten Worte demselben
Subjekte zuzusprechen, das in postuju vorliegt, d.h. die Gemeinde, und für
die Herren (gospoda) würde nur die übliche gospodska globa bleiben
(vergl. § 92a). Doch auch da verstehe ich nicht, was hier posobu vazmu
bedeutet. Ist damit eine Interventionsgebühr, d. h. eine Entlohnung für die
Mithelfer bei der Ertappung des Diebes gemeint? Die hier gegebene Über-
setzung »je nach dem von ihm angerichteten Schaden sollen die Herren auch
Intervention in Anspruch nehmen« befriedigt mich nicht. Prof. M. K. (Marko
Kostrencic) übersetzt so: "je nach dem von ihm angerichteten Schaden sollen
sie (sc. das Dorf »die Einwohner des Dorfes) Ersatz nehmen«, doch posoba
bedeutet nicht Ersatz.
Ich wollte mit diesen kleinen Zusätzen zu der vortrefflichen Leistung
Prof. Matic' mein Interesse für dieses schöne Denkmal an den Tag legen, das
in der Tat bisher noch sehr wenig studiert worden ist. Mag es auch nach
seiner Abfassung zu späteren Eechtsdenkmälern zählen, in rechtsgeschicht-
licher Beziehung hat es viel altertümliches erhalten, wie z. B. die Institution
der vrazda, der Eideshelfer u. a., und daneben ganz neue venezianische Be-
stimmungen. Diese Mischung der altslavischen oder frühmittelalterlichen
Rechtsauffassung mit späteren, aus der venezianischen Herrschaft inDalmatien
geflossenen Bestimmixngen verleiht eben dem Statut von Poljica einen eigen-
tümlichen Charakter und Reiz.
Zum Schluß will ich als eine wertvolle Bereicherung dieser Publikation
den von Prof. M. Resetar geschriebenen Anhang über den Wert der im Statute
erwähnten Münzen hervorheben. V. J.
Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der
Brüder Grimm. Neu bearbeitet von Johannes Bolte und
Georg Polivka. Erster Band, Nr. 1—60. Leipzig 1913.
80. VIII. 556 (Preis 12 Mk.)
Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind ein weltbekanntes
Buch. Jede deutsche Familie besitzt sie und weit über die Grenzen des deut-
270 Kritischer Anzeiger.
sehen Sprachgebietes sind sie verbreitet und beliebt. Die Brüder Grimm sorgten
gleich anfangs dafür ihrer Leistung nebst dem angenehmen Lesestoffe für Kin-
der und Erwachsene noch eine tiefere Bedeutung aufzuprägen durch Nach-
weise von Quellen und Parallelen zu den einzelnen Märchen. So entstanden
die Anmerkungen, ursprünglich als Anhänge zu den beiden Bändchen der
Märchentexte in den ersten Ausgaben vom J. 1812 u. 1815, dann in der zweiten
(1822) und dritten (1856) Auflage als abgesondertes Bändchen. In der dritten
Ausgabe vom J. 1856 umfaßte dieses Bändchen, als drittes zu den zwei anderen
die die Märchentexte enthalten, die Anmerkungen zu allen 200 Nummern auf
270 Sedezseiten, nebst Zeugnissen auf S. 271—282 über die Geltung der Mär-
chen zu verschiedenen Zeiten und die Literatur (d. h. die ältere Bibliographie)
auf S. 285 — 414. Diese ist chronologisch-geographisch geordnet, mit Strapa-
rola, Pentamerone, Gesta Romanorum, Carl Perrault, Gräfin Aulnoy beginnend,
und über Spanien, England, Dänemark-Schweden, Deutschland, Slawen, Un-
garn, Griechenland, Orient sich ausbreitend (S. 285 — 351). Seit dem J. 1822
kamen Nachträge hinzu, auf S. 352 — 360, die W. Grimm so abschließt: »Wie
einsam stand unsere Sammlung, als sie zuerst hervortrat und welche reiche
Saat ist seitdem aufgegangen. Man lächelte damals nachsichtig über die Be-
hauptung, daß hier Gedanken und Anschauungen erhalten seien, deren An-
fänge in die Dunkelheit des Altertums zurückgingen; jetzt findet sie kaum
noch Widerspruch. Man sucht nach diesen Märchen mit Anerkennung ihres
wissenschaftlichen Wertes und mit Scheu an ihrem Inhalt zu ändern, während
man sie früher für nichts als gehaltlose Spiele der Phantasie hielt, die sich
jede Behandlung müßten gefallen lassen.« Es folgen noch allgemeine Betrach-
tungen in dieser Richtung und Wertschätzung avif S. 360 — 414. So sah aus der
Inhalt des Bändchens aus dem Jahre 1856. Und nun, nach fast sechzig Jahren,
erscheint eine ganz neue Bearbeitung jener Anmerkungen, die zwei in der
Märchenkunde wohl bekannte Forscher zu Verfassern bat: den Berliner Gymna-
sialprofessor Johannes Bolte und den Prager Universitätsprofessor Georg Po-
Ifvka. Dieses Zusammenwirken zweier gleichen Zielen zustrebender gelehrter
Kräfte ist eine erfreuliche Erscheinung, die ganz im Sinne der ersten Ver-
fasser dieser Anmerkungen zu stände kam, da es allgemein bekannt ist, daß
die beiden Brüder Grimm und namentlich Jakob Grimm die mannigfachen Er-
scheinungen des slavischen Volkslebens mit besonderer Vorliebe in den Kreis
ihrer wissenschaftlichen Forschungen zogen. Man wird vielleicht sagen, ja
das seien die Zeiten der Romantik gewesen. Gut, doch gewiß gereichten diese
Tatsachen dem Ansehen des deutschen Geisteslebens nicht zum Nachteil und
sie wurden von ihren östlichen Nachbarn mit aufrichtigem Dank quittiert.
Welche Bereicherung jene Anmerkungen zu Grimms Märchen durch diese
Neubearbeitung erfuhren, zeigt schon der bedeutende Unterschied in dem
äußeren Umfange des Werkes: jetzt umfassen schon die Anmerkungen zu den
ersten 60 Märchen volle 556 Oktavseiten, während nach der letzlen von den
Brüdern Grimm herrührenden Bearbeitung für alle Märchen zusammen 270
Sedezseiten ausreichten. Man darf nach diesem Verhältnis die Berechnung
aufstellen, daß das ganze Werk in dieser Neubearbeitung mehrere Bände um-
fassen wird. Schon in diesem Anwachsen des äußeren Umfangs spiegelt sich
Bolte-Polivka, Anmerkgn. zu Grimms Märchen, angez. v. Jagic. 271
der mächtige Aufschwang, den die vergleichende Märchenkunde im Laufe des
letzten halben Jahrhundertes genommen, deutlich ab. Noch mehr spricht da-
für die innere Behandlung des Stoffes. Kaum wo ist der äußere Umfang des
Stoffes so angewachsen, wie in den slavischen Literaturen, während hier hinter
der Sammeltätigkeit die, vergleichende Erforschung stark zurückbleibt. In letz-
terer Beziehung steht gerade Prof. Polivka unter allen slavischen Zeitgenossen
obenan, man kann ihn füglich einem Reinhold Kühler, dessen Andenken dieser
erste Band der Anmerkungen gewidmet ist, an die Seite stellen. Schon durch
diese Erweiterung nach der slavischen Seite gewinnt die Neubearbeitung der
Anmerkungen zu den Märchen der Brüder Grimm für die slavische Folkloristik
die größte Bedeutung, mag auch der slavische Stoff einer fremden Vorlage
angepaßt sein, d. h. die deutschen Märchen bilden den Ausgangspunkt der
Vergleicliungen und Parallelen. Daß übrigens selbst bei fremdem Ausgangs-
punkt die Beziehungen der slavischen Märchen recht lebhaft sind, zeigt die
Tatsache, daß Prof. Polivka nur bei ganz wenigen deutschen Märchen außer
Stande war slavische Parallelen anzugeben. Das sind Nr. 8 : Die Hand mit
dem Messer, Nr. 23: Mäuschen, Vögelchen und Bratwurst, Nr. 27a: Der Tod
und der Gänshirt, Nr. 30 : Läuschen und Flöhchen, Nr. 38 : Die Frau Füchsin,
Nr. 41 : Herr Korbes, Nr. 51 : Der Fundevogel. Auf je eine Parallele beschränkt
sich die Vergleichung bei Nr. 18: Strohhalm, Kohle und Bohne, Nr. 26: Eot-
käppchen, Nr. 42 : Der Herr Gevatter, Nr. 43 : Frau Trude, Nr. 49 : Die sechs
Schwäne. Dieser gänzliche oder nahezu gänzliche Mangel an slavischen Pa-
rallelen bei einigen deutschen Märchen kann allerdings auch nur von einem
Zufall abhängig sein. Niemand wird behaupten wollen, daß der außerordent-
lich reiche slavische Märchenschatz bereits vollständig gehoben sei; auch Prof.
Polivka kann ungeachtet seines weit reichenden Überblicks über die ein-
schlägige Literatur, dennoch das eine oder andere übersehen haben. Und doch
wäre es vielleicht schon jetzt nicht unmöglich aus der bald größeren bald ge-
ringeren Anzahl der Parallelen- die die slavische Märchenliteratur bietet, be-
stimmte Schlüsse über die Bodenständigkeit einzelner Märchen zu ziehen.
Selbstverständlich liegt auch außerhalb des Märcheuvorrates, dessen Heran-
ziehung hier durch die deutschen Vorlagen bedingt wurde, in der slavischen
Märchenliteratur noch vieles vor, das hier zur Sprache zu bringen nicht mög-
lich war. Wir dürfen von Prof. Polivka bei einer anderen Gelegenheit eine
ähnliche Bearbeitung des slavischen Märchenschatzes mit Zugrundelegung
des slavischen Ausgangspunktes erwarten, was bei dem dritten Teil der sla-
vischen Enzyklopädie, die der Ethnographie im weitesten Sinne des Wortes
gewidmet sein wird, der Fall werden dürfte. Daß für eine solche Aufgabe in
den vorliegenden Anmerkungen ein beträchtliches Stück Vorarbeit bereits
geleistet worden ist, wer könnte das in Abrede stellen.
Sehen wir uns die Anmerkungen etwas näher an. Prof. J. Bolte sagt in
dem Vorworte zur neuen Bearbeitung folgendes: >Da sie (d. h. die Anmer-
kungen) sich von Anfang an durch ihre Reichhaltigkeit und Zuverlässigkeit
als ein höchst wertvolles Hilfsmittel der Märchenforschung und der verglei-
chenden Stofifgeschichte erwiesen haben, ward öfters das Verlangen nach
einer Neubearbeitung des Werkes laut und schon vor vierzehn Jahren über-
272 Kritischer Anzeiger.
gab mir Professor Hermann Grimm zu diesem Zwecke die Handexemplare
seines Vaters und seines Oheims . . . Sobald es aber an die Einreihung der
gewaltigen Menge neuer Märchenaufzeichnungen aus allen Ländern der be-
wohnten Erde ging, zeigte es sich, daß der Bearbeiter in der Anordnung so
wie in der Bewertung der einzelnen Märchenmotive öfters eigene Wege einzu-
schlagen hatte, wenn er auch, wo es nur irgend anging, den Wortlaut der
dritten Auflage beizubehalten suchte.« Aus diesen Worten ist nicht klar zu
entnehmen, was etwa der Bearbeiter in den Handexemplaren der beiden Brü-
der vorfand; doch der größte Teil dürfte ohne Zweifel von ihm und seinem
Mitarbeiter herrühren. Das zeigt schon eine flüchtige Vergleichung des in der
Ausgabe vom Jahre 1856 gesammelten Stotfes, mit der reichen, ja fast er-
drückenden Fülle des hier gebotenen Materials. Man könnte fast sagen, daß
der im Nachlaß der beiden Brüder gebliebene Stoff meistens nur den Kopf
der Anmerkung zu jedem einzelnen Märchen bildet, während sich der ganze
übrige Inhalt frei ausdehnt mit nur geringfügigen, dünnen Adern, aus dem
Reste ihrer Angaben eingeschaltet. Bei jedem Märchen steht an der Spitze
genaue, zum Teil präziser als in den Grimmschen Ausgaben lautende Angabe,
wie, wann und woher es in die Sammlung der Brüder Grimm kam. Dann folgt
die Aufzählung zunächst aller deutschen Varianten, die zwar an das früher
Gebotene anknüpfen, doch bei weitem mehr bieten, d. h. alle später er-
schienenen Varianten mit in Betracht ziehen. Selbst die Zahl der Märchen ist
dadurch vermehrt, daß neben Nr. 6, 8, 22, 27, 33, 54 aus der Ausgabe vom J.
IS 12 wieder aufgenommen wurden Nr. 6a-: Von der Nachtigall und der Blind-
schleiche , Nr. S^ : Die Hand mit dem Messer, Nr. 22^: Wie Kinder Schlachtens
miteinander gespielt haben , Nr. 27^ : Der Tod und der Gänsehirt, Nr. 33^ : Der
gestiefelte Kater, Nr. 54a : Hans Dumm. Die Reclamsche Ausgabe, die auf dem
Titelblatt die Bezeichnung »Vollständige Ausgabe« führt, hat diese Märchen
unberücksichtigt gelaasen. Natürlich auch in den Anmerkungen der Brüder
Grimm im J. 1856 wurden sie außer Betracht gelassen. Nach der Aufzählung
der deutschen Varianten, die selbst dort wo sie schon bei Grimm erwähnt
wurden, hier vielfach genauer und eingehender besprochen werden, folgen zu-
meist an erster Stelle die Parallelen aus den übrigen Ländern germanischer
Rasse (z.B. Vlämisch, Niederländisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch,
Isländisch, Englisch), dann in zweiter Reihe die keltischen, romanischen,
griechischen, albanesischen, romanischen Parallelen. An dieser Stelle greift
gewöhnlich Prof. Polivka mit seinen sehr reichhaltigen slavischen Zitaten ein,
wobei auch er nach Maßgabe des vorhandenen Materials eine bestimmte geogra-
phische Reihenfolge beobachtet; er pflegt zu beginnen mit den südslavischen
Zitaten (slovenisch, serbokroatisch, bulgarisch), geht dann zu den Nordwest-
slaven über (»Wendisch«, Slovinzisch, Kaschubisch, Polnisch, Öechisch, Slova-
kisch) und beschließt mit den Groß-, Klein- und Weißrussen. An die Slaven
reihen sich dann an die Ungarn, Litauer, Letten, Ehsten, Finnen und andere
orientalische Volkstämme Rußlands, des Kaukasus und weiter Asiens. Auch
hier spielte Prof. Polivka, soweit es sich um die Publikationen in russischer
oder polnischer Sprache handelt, die Rolle eines sach- und sprachkundigen
Vermittlers.
Miller-Speranskij, Kirejevskij's russ. Volkslieder, angez. v. Jagic. 273
Man könnte nicht verlangen, daß in den zitierten Parallelen alle Ab-
weichungen von den deutschenGrundmärchen einzeln durchgenommen werden,
das würde ja den Umfang des Werkes ins grenzenlose erweitern. Die beiden
Bearbeiter mußten sich, mit Ausnahme des deutschen Variantenmaterials, auf
kurze bibliographische Notizen beschränken, dennoch wird zur Andeutung
gewisser Verschiebungen in einzelnen Zügen hie und da ein bezeichnendes
Schlagwort angewendet. Auf die Frage, in welchem Märchenmotive das ur-
sprüngliche zu finden sei, wird meistens nicht näher eingegangen. Ein gründ-
licher Märchenkenner wird, wo ihm verschiedene Varianten vorliegen, selten
in Verlegenheit sein zu sagen, welche Einschaltungen, Erweiterungen oder
Verschiebungen nachträglich in das eine oder andere Märchen hineingetragen
worden sind. Das spricht zugleich dafür, daß es nicht immer leicht ist aus
einem Märchen einen knappen, und doch alles Wesentliche wiedergebenden
Auszug zu machen. Ich habe vor mehr als dreißig Jahren durch den brief-
lichen Verkehr mit R. Köhler die Richtigkeit dieser Behauptung erprobt.
Die Namen der beiden Mitarbeiter an diesem großen Werke gewähren volle
Bürgschaft dafür, daß ihre Auszüge immer das Wesentliche hervorkehren.
So möge denn diese reiche Fundgrube der Märchenforschuug der vollen
Aufmerksamkeit aller Folkloristen, zumal auch im Bereiche der slavischen
Literaturen, aufs eindringlichste empfohlen werden. V. J.
IlicHH coöpaniii II. B. luip'i&eBCKaro. HoBaÄ cepia. IIsAanti 06me-
CTBOM'B JlHDÖiiTejieiiPocciHCKonCjroBecHocTH npii ÜMnep. Mockobcko3ji>
yHHBepcHxeTi. noAt pe^aKi^ieil ä- '^^- 06. aKaÄCMHKa B. 0. MiLoepa
H npo*. M. H. CnepaiicKaro. BtinycK'B I. MocKBa 1911. 8^, 10.
LXXIII. 356. (Volkslieder aus der Sammlung P. V. Kirejevskij.
Neue Serie, Heft I.)
Die beiden Brüder Kirejevskij, Ivan und Peter, bilden unter den groß-
russischen Adelsgeschlechtern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine
äußerst sympathische Erscheinung. Zwei reich begabte Naturen, voll des
edlen Strebens nach einer höheren philosophisch-historischen Bildung, die sie
zu einem Aufenthalt ins Ausland führte; beide unter einem gewissen Einflüsse
der Philosophie Schellings stehend als Vertreter ihrer eigenen originell aufge-
faßten philosophisch-nationalen Romantik. Bei Ivan kulminierte diese in der
philosophischen Begründung der slavophilen Richtung, bei Peter in einer
praktischen Betätigung, in der Sammlung der Volkslieder, um auf diese Weise
der russischen Volksseele und ihren Stimmungsäußerungen näher zu treten.
Doch über dem Sammeleifer P. Kirejevskijs waltete ein eigener Unstern. Trotz-
dem seine Sammlungen der russischen Volkslieder einen großen Umfang von
vielen Tausenden erreicht hatten, erschien während seiner Lebzeiten sehr
wenig davon im Drucke. Das wichtigste waren eigentlich die 53 Nummern der
christlichen Legenden die er unter dem Titel »PyccKiH napoÄHBiH nicHu coöpan-
HtiH neTpoMt KupieBCKHMT.. ''lacTB I-aH : PyccKie uapoÄHBie cxuxu« in den Mos-
kauer ^IreHia 1848 Nr. 9 herausgab (S. 1—226). Das war jedoch nur ein unbe-
Arcliiv für alavisclie Philologie. XiXV. 18
274 Kritischer Anzeiger.
deutender Teil der Ganzen, man sprach sogar von 800 Legenden, die er schoit
bis 1832 gesammelt haben soll. Wie viel davon später P. Bezsonov in seiner
Ausgabe der Ka.iiKu nepexoacie verwertet haben mag, das weiß heute, glaub
ich, niemand. Ich finde nur in dem XXIII. Volum des Kirejevskischen Nach-
lasses bei Speranskij zerstreut einen Teil des Textes. Speranskij erzählt (S.
XLIII der Einleitung), A. V. Markov habe durch die Vergleichung der Aus-
gabe Bezsonovs mit den Originalen (welchen ?) konstatieren können, daß
Bezsonov bei weitem mehr als nur einzelne Nummern aus Kirejevskij ge-
schöpft habe. Das Schicksal wollte es, daß nach dem im Jahre 1856 er-
folgten Tode Peter Kirejevskijs noch ein bedeutend größerer Teil des
von ihm gesammelten Materials demselben P. Bezsonov in die Hände
kam. Als nämlich P. Kirejevskij starb, fiel der handschriftliche Nachlaß
dem gesetzlichen Erben, Stiefbruder V. A. Jelagin zu, der ihn herauszu-
geben beabsichtigte und dabei zunächst den Hauptmitarbeiter Kirejevskijs
bei der jahrelang fortgesetzten Sammlung der Volkslieder, P. I. Jakuskin in
Aussicht nahm. In der Tat soll Jakuskin bereits innerhalb des ersten Jahres
nach dem Tode Kirejevskijs (d. h. bis Oktober 1S5T) eine Sammlung der histo-
rischen Volkslieder zum Druck vorbereitet haben. Warum die Herausgabe
nicht zu Stande kam, weiß man nicht, und was noch merkwürdiger klingt, das
ganze handschriftliche Material, samt dem bereits von Jakuskin zum Druck
verarbeiteten, wurde im Jahre 18(i0 von demselben Jelagin zurückgenommen
und der bei der Universität bestehenden Gesellschaft OumecTBo .IroöuTCJieM
PocciücKoft CjioBecHocTii zur Aufbewahrung und eventuellen Herausgabe abge-
treten, die zu diesem Zwecke nachher aus ihrer Mitte eine Kommission ein-
setzte, in welche Jakuskin keine Aufnahme fand. Er wurde ganz eliminiert,
vielleicht auf Grund irgend welcher persönlichen Eanküne. Dagegen erhielt
P. Bezsonov die Vollmacht das Material im Namen der Kommission, in der
Wirklichkeit aber nach eigenem Gutdünken und eigenen Grundsätzen heraus-
zugeben. Man muß der Energie Bezsonovs Gerechtigkeit widerfahren lassen,
denn er gab in der Tat zwischen 1860 und 1874 in 10 Heften wie es scheint
den ganzen Vorrat an epischen und historischen Liedern heraus, bei jedem
Heft ließ er sich die Bevollmächtigung und Zustimmung seitens der Kommission
ausstellen, so daß alles das, was er an dem ihm vorgelegenen handschriftlichen
Material Kirejevskijs durch Anordnung, Zusätze usw. änderte, als von den
Mitgliedern der Kommission gebilligt erschien. Da also seinen weitschwei-
figen und zum Teil recht überflüssigen Exkursen, mit denen er die Ausgabe
der Volkslieder belastete, offenbar kein Hindernis in den Weg gelegt wurde,
so muß man glauben, daß damals die Gelehrsamkeit und Kompetenz Bezsonovs
in solchen Fragen das große Wort zu führen, von den meisten Mitgliedern der
Kommission anerkannt, wenn nicht gar angestaunt wurde. Herschensohn, von
dem in dieser neuen Serie der Kirejevskijschen Sammlung der Volkslieder
eine sehr hübsch geschriebene Biographie P. Kirejevskijs und Charakte-
ristik seiner Lebensanschauungen herrührt (auf Seite I— XLII), sagt (auf
Seite XL) wörtlich folgendes: wenn Kirejevskij aus dem Grabe aufstehen
und sehen könnte, in welcher Weise Bezsonov seine Volksliedersammlung
herausgegeben, so würde er wahrscheinlich bedauern, daß sie nicht alle so
Miller-Speranskij, Kirejevskij's russ. Volkslieder, angez. v. Jagiö. 275
verloren gingen, wie mau von einem Teil des Materials auf Grund des gleich
nach dem Tode gemachten Inventars vermutete, daß er in Verlust geraten.
Darin erblicke ich allerdings eine arge Übertreibung, aber richtig ist es immer-
hin, daß man gleich nach dem Erscheinen des ersten von Bezsonov besorgten
Heftes auf das Ungebührliche seines Verfahrens hätte aufmerksam machen
sollen, wenn man mit ihm nicht einverstanden war. Wie das Verfahren
Bezsonovs gegenüber dem von Kir^jevskij herrührenden Texte beschaffen
war, das könnte man jetzt genau angeben, wenn man die Ausgabe der Texte
bei Bezsonov mit den Originalen vergleichen wollte, die jetzt Prof. Speranskij
in der Übersicht des ganzen vorhandenen Materials aufzählt, wobei er auch
die Quellen der Bezsonovschen Ausgabe anführt. So spricht er unter VIII,
771 — lOSl von den Originalen zu den im Hefte 1, 2, 3, 5 abgedruckten Texten
der Ausgabe Bezsonovs (das Heft 4 bei Bezsonov scheint überhaupt nichts
vonKirejevskij herrührendes zu enthalten) ; eben so ist der Inhalt des Heftes 6,
7 und 8 der Bezson. Ausgabe enthalten in den Kartons XV, XVII, fürs Heft 9
in den Kartons VI und XXII, für 10 in I, IV, VI, XVIII. Nach diesen also
noch erhaltenen Vorlagen (dazu vergl. noch die auf S. LXXII erwähnten acht
Hefte in denen ebenfalls Originale enthalten sind zu den in Heft 1 — 8 heraus-
gegebenen Texten) würde man am besten beurteilen können, ob Bezsonov
dem bei der Herausgabe des ersten Heftes gegebenen Versprechen treu ge-
blieben, wo er versprach die Texte Kirejevskijs unverändert zum Abdruck zu
bringen. Doch nicht genug an den 10 Heften der episch-historischen Lieder.
Das reiche Material Kirejevskijs lieferte demselben Bezsonov noch viel Stoff
für die von ihm im Jahre 1871 herausgegebene Sammlung der weißrussischen
Volkslieder: > BijiopyccKifl nicuu . . , usÄa.!-!, neipi. BescoHOB^« (M. 1871). Er
gesteht es ja selbst auf S. X— XI seiner »Erläuterung«, daß bei Kirejevskij
ein ■ weißrussisches Archiv an Material« vorhanden war und da sich zur Aus-
beute dieses Materials niemand so aufopferungs willig fand, wie er (Bezsonov)
selbst, so habe Kirejevskij gern ihm dieses Material abgetreten, wobei er ihm
auch mit seinen Erfahrungen an die Hand ging, was nach eigenem Geständnis
Bezsonovs ungefähr ein halbes Jahr in Anspruch nahm. Das weißrussische
Material fand sich in dem von Speranskij durchgesehenen Nachlaß nicht
mehr vor, offenbar wurde es von Bezsonov nicht zurückgestellt oder gar
vernichtet.
Nach dieser nicht ganz einwandfreien Ausbeute des von Kirejevskij ge-
sammelten Materials blieb noch immer vieles übrig, was weder er selbst noch
Bezsonov unter seinem Namen herausgegeben. Jetzt erst erscheint, etwa
achtzig Jahre nach Beginn der ersten Sammeltätigkeit, eine neue Serie der
Kirejevskischen Volkelieder, abermals auf Kosten derselben Gesellschaft, unter
Teilnahme mehrerer Moskauer Gelehrten, deren zwei, der Akademiker Vsev.
Miller und Prof. M. N. Speranskij, als für die Redaktion verantwortlich anzu-
sehen sind. Von beiden liegen auch, abgesehen vom Texte der Volkslieder,
auch noch Einleitungen vor (von Vs. Miller auf S. 1 — 10, von M. Speranskij
auf S. XLIII— LXXIII). In der Mitte eingeschoben findet man noch den schon
erwähnten äußerst erwünschten Beitrag von M. Herschensohn (S. I— XLII).
Während man aus diesen drei Einleitungen über die Bedeutung P. Kirejevskijs
18*
276 Kritischer Anzeiger.
und über die Schicksale seiner Sammlungen sehr wertvolle Mitteilungen er-
hält, vermisse ich genaue Angaben sowohl über die Beteiligung bei der Arbeit
zur Fertigstellung dieses ersten Heftes, wie auch über den weiteren Plan der
fortzusetzenden Ausgabe. Man findet auf S. 3 — 4 wohl einige Grundsätze ange-
geben, die bei dem Druck des Textes befolgt wurden, darunter wird im
Punkte 9 betreffs der Betonung etwas gesagt, was nach meinem Dafürhalten
einer Änderung in peius gegenüber der Originalhandschrift Kirejevskijs gleich-
kommt, wenn man die auf S. LVII erwähnte Art und Weise der Zubereitung
des Textes zum Drucke seitens Kirejevskijs selbst in Betracht zieht. Auch der
Umfang des in dieses erste Heft aufgenommenen Textes gegenüber dem auf
S. LXII— LXXII aufgezählten Inventar des ganzen handschriftlich erhaltenen
Materials tritt nicht deutlich genug hervor; von dem Inhalt des nächsten Heftes
oder der weiteren Hefte erfahren wir schon gar nichts. Ich lese nur (auf Seite
LXII), ,daß nach den Worten Speranskijs außer dem in diesem ersten Hefte
herausgegebenen Material, hauptsächlich Hochzeitsliedern, eine große Anzahl
von lyrischen Liedern noch an die Reihe kommen soll. Welcher Teil des
ganzen Materials liegt nun in diesem ersten Hefte vor? Augenscheinlich sind
hier vor allem die zwei »grünen Bändchen« (Aßi 3e.ieHi,iH lerpaÄii), von denen
auf S. LXII die Rede ist, unter Berücksichtigung des Inhaltes der vier Kar-
tons, die unter Nr. I genannt sind, für die Ausgabe verwertet worden. Doch
bei näherer Prüfung der Angaben, die zu den Texten hinzugefügt sind, ergibt
sich auch die Heranziehung anderer Quellen. So z. B. gleich die ersten 8 Lieder
scheinen aus dem IV. Karton Bl. 198 — 215 entlehnt zu sein, die Nr. 9—32 aus
dem Karton V,B1. 300— 382, aus Karton H, B1.61— 62 und vielleicht Karton VI,
Bl. 521 — 554, usw. Warum das nicht genauer angegeben ist, verstehe ich nicht.
Man bleibt oft im Unklaren. Z.B. betreffs Nr. 51—56 heißt es nur: von einem
Unbekannten, nichts weiter. Sind darunter die Lieder aus Karton XII, Bl. 124S
bis 1250 oder welche sonst gemeint? Oder Nr. 67 — 93 werden nur als von
einem Sammler herrührend bezeichnet. Sind das die Lieder im Karton II, Bl.
63—71 und XIV, Bl. 1525—1538? Nr. 94—108 sind wohl aus Karton XX, Bl.
2267—2279, usw. Betreffs Nr. 124—169, die aus dem verloren gegangenen
Puskinschen Heft herrühren, wird auf S. XLVI— XLVII referiert, ohne auf
die betreffenden Nummern der Ausgabe selbst zu verweisen, so fehlt der wegen
besserer Orientierung wünschenswerte Zusammenhang. Solche Unebenmäßig-
keiten kommen auch sonst vor, ich erwähne sie nicht aus Nörgelei, sondern
um bei der Fortsetzung der Ausgabe auf die Vermeidung solcher Lücken auf-
merksam zu machen.
Mit Recht wird sowohl von Vsev. Miller wie vonM. Speranskij der große
Wert dieser Lieder hervorgehoben, deren Aufzeichnung in eine Zeit fällt, da
das russische Volkstum noch weniger dem zerstörenden Einfluß der Zeit aus-
gesetzt war als später und sich in primitiveren Anschauungen und Lebens-
formen bewegte, als in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Das
später reichlich gesammelte, aber früher herausgegebene gleichartige Mate-
rial läßt sehr interessante Vergleichungen zu.
Am nächsten liegt die Vergleichung mit dem reichen Vorrat von gleich-
artigen großrussischen Volksliedern in der Sammlung BdUKopyGcx ex CBouxt
Miller-Speranskij, Kirejevskij's russ. Volkslieder, angez. v. Jagic. 277
nicHHX'i, oöpasaxt. oötiqaHXt u x. n. Maiepia-iLi coöpaHHWo u npHBeÄCHEMe bT)
nopHÄOKT. IT. B. meiinOM-B«, (Tom-l I, BBin. 1 u 2. Cllön.. 1898—1900). Beide
Sammlungen sind nahezu nach denselben Gesichtspunkten geordnet, d. h. wenig-
stens bei den Hochzeitsliedern steht obenan das Prinzip der Gruppierung nach
den Gouvernements, vom hohen Norden angefangen; nur lagert sich der Stoff
in umgekehrter Reihenfolge, d. h. die Kirejevskijsche Sammlung beginnt mit
Hochzeitsliedern und darauf folgen die an bestimmte Festzeiten des Jahres
fallendenLieder,ferner die Wiegenlieder, die Reigen- und Tanzlieder, bei Sein
stehen dagegen die Kinder- und Wiegenlieder und Reigenlieder an der Spitze,
dann folgen die rituellen und Hochzeitslieder. Das in beiden Angaben bei-
gegebene Verzeichnis von Anfangsversen läßt das Nachschlagen zu, wobei
man sich oft überzeugen kann, daß gewisse Anfangsverse typisch sich wieder-
holen, ohne den gleichen weiteren Verlauf des Inhaltes zu bedingen. Und auch
umgekehrt der sonst gleiche Inhalt variiert gerade in den einleitenden Versen.
Zuweilen trifft dennoch beides zu. Z. B. bei Kir. Nr. 17 (aus Mezen) und bei
Sein Nr. 1552 (aus Gonv. Vologda) liest man folgendes Liedchen:
K.
He nasyniKa no «EopuKy xo;iH.ia,
He naBUHoe nepBuuo poHUJia:
AHHa- To no ropHiiui xoÄUJia,
HeipoBHa no csiTjoH ryjfl.!ia.
AHHa Ko niKa-ty no^xcauja,
HcTpoBHa 3äMKy roBopu.ia :
Mofi HiMeiiKiü 3aM0KX, otomkhuoi,
KunapiiCHMH SBepii, oxonpiixecB !
PoÄHa MaiyniKa Moa, npoöyÄHca,
Tbl cysaptiHS moh, npocHHca !
Mui HC BiKX ace y Bact BiKOBaxii,
MhI He roÄi> Hce y Bact roaoBaxu :
Oany HoieHtKy HOicBaTu!
He 3Haü : cxoa MHi ee npocxoaxu,
He 3uaii : CHJKa mh^ ee npocHaiTH,
He 3Hafi; Jicaca Mui ee npo.jeHvaxii,
He 3Haü: Bory MHi cxaiL noMO.iuxi.ca,
He 3HaH : ci. MaxyuiKoä «yiiy Äyiaaxu,
Gl noÄpyacKaMU piiu roBopmu?
Vact a KaKT. ace öyay OTCiaBaxu
Olt poailMOÜ CBOeii CIOpOHKII,
yjKX KaKt ;Ke 6yÄy a npiicxasam
Kt lyjKoft, Aa.ii.Heu ko cxopoHKi?
YacT. KaKT. ace öysy BSBC-m^axH
R pojuxejeii cbohxt. öoroaaHHtixi.?
Mui cBeKpa-io KaKrt öyaexi. sBaxu,
KaKX CBeKpoByniKy nasHBaiu?
s.
^Ixo He naBa no cine^KaM'B xojiHJia,
He naBjHHoe nepte poHa.3a,
HoJUKceHa no cinaMi. xoaiija,
BHKxopoBHa no cinaMi. ry.ia^a.
Ona THxyH) piuB roBopu^ia:
Oionpuca, saMOKi. oxonpaca,
KnnapiiCHaa ÄBepB, oxEopuca!
OxEopiicB, xen.iaa cna.!itHa, oiBopHca,
Pa3MaxHiici, , uiuxT. - ÖpaHT. nojoatOK'B,
pasMaxHHca !
HpoöyaHca, po^nofi öaxioniKa, npoöyÄiica,
Tti npocHUca, po^na MaxyuiKa, npocHuca!
Mni He toäbi y Baci. roÄOBaiu,
O^Ha HO^Ka y BacB HoqeEaxn,
Jla, u la Ha MOJUiBi iipocioaxu.
Man sieht hier, daß die spätere
Aufzeichnung manches an epischer
Breite eingebüßt hat. Die ganze Klage
278
Kritischer Anzem-er.
K.
KaKT, aeEeptuueBT. no'iuxaTH?
Mui ÜBaua 6yÄeTi> ssaTB ÄpyroMx:
^pyrx cep;i;ciHLiii, Äpyri. cepaeiHLiä.
über die besorgnisvolle zukünftige
Stellung der Frau zu den neuen
Schwiegereltern ist hier ausgelassen.
Oder wenn man Nr. 20 bei Kiröjevskij (aus derselben Gegend, in Mezen)
mit einem Liede des Novgorod. Gouvernement bei Sein Nr. 1712 vergleicht,
auch da findet man größere Breite bei K., wenn auch sonst die ganze Erzählung
auf dasselbe hinauskommt. Ich führe nur die Schlußverse an, die altertüm-
licher in K. klingen, als in S. :
S.
yacT. KaKT. Maptyi cxa-ia n^aKaxu:
Bm He xaiixe jikau ÄOÖptie,
He caMa k kx BaMt saixa^a,
oaBesjm mchh kohu Äoöptie,
^Ixo BacH.;iBfi AeaHacBeBHua.
K.
AHHyiuKa cxa.ia n^iaKam:
He acypuxe Bti, qyacH jiioäii,
E öorOÄaHHLie poÄureJu.
He caMa a wh BaMi. Ha ÄBopt npuui.3a.
He CBoeio n oxotok :
'^TO 3aBe3X MeHfl caMt ugäoht» kuksb,
Ha CBOHXt Äa na «oöpiixt koeüx-b,
Ha ÄOÖpwxT. KOHHXt, HaCTyniuBtixT..
K. Nr. 86 aus hohem Norden (Cerdyii in Perm) stimmt hübsch überein
mit S. Nr. 1763 (aus Gouv. Pskov); ich stelle sie nebeneinander, bemerke nur,
daß auch hier in K. die ganze Darstellung prächtiger aussieht:
K.
Ho cianut., cinu'iKaM'E,
Ho iiacTbiMT) nepexoÄHiKaMT),
Tyxi. u xoÄU-ia, ryj[a.ia
MoJOÄafl öoKpLiHH:,
CBiit . . . (Doppelname)
npuxoÄU.!ia, npiiry.!iH;ia
Kt> KpoBaiKi xecoBeHtKoii,
Ko nepKHi nyxoBeHBKoir,
Ko noÄyuiKi KaMqaxHoii,
Kt oniajij cooojBUHOMy,
Kl. cBoeMy Äpyry MH.iOMy,
CBiix Kx . . . (Doppelname) :
»Yacx TBi CTauB Jiu, moü jacKOBiiü,
npoÖyÄHCB, npuBixjiHBLiji:
OxBflaaJicJi TBOÜ Äoöptift kohb
Oxx ciojöa OTX ÄyöoBaro,
Otx KOJie^KS. cepeöpeHaro,
Oix Toro no30J[OieHaro.
BopsaacH ate xBoii öopsLiS kohb
BopBa.aca bo 3e.)ieHBiÄ caax;
S.
Ho ciHiiMX 6hiJio, no ciHUiKaMX,
Ho lacTbiMX nepexoiu^iKaMx,
Ja lyix xoj;uJia, ryjiKJia,
Tyxx ryjifl.ia KpacHa Ä^BHiia,
Ona xoÄio^H noryjtuBa.ia,
ÜBoero ÄpyJKKa noöyacuBaja :
>AXX TBI BCXaHB-KO, npOCHHCB MOJOÄeiJX,
npoöyÄHCB Äynia, oTeiiKiii cbihx !
OiopBa.3Cfl xBoii Äoöpoii kohb
Oix xoBO cxojiüa To^enoBa,
Oxx KOJeiKa cepeöpeHOBa,
Otx BuxoBa, no30.ioieHOBa;
Ohx BopBa.;icii Bx sejeHoii ca^x,
HpiiTonTaJix ohx bx caay ipaByuiKy,
Bce sejicH^TO MypaByiuKy,
11 Kajuny co Ma.!iuHOio,
\IepHy aroÄy CMopoauHy.«
»Tbi He n.iaqB, mo/T ÄymcHBKa,
Ecju Borx Hacx noMu-iyeix,
FocyÄapB nacx no>Ka.iyexx,
Miller-Speranskij, Kirejevskij's russ. Volkslieder, angez. v. Jagic. 270
K. S.
Olli. se.ieuLiii ca^t noBLixonTa^n., HajKiiBeM'B casti zQÄeuhie,
Oht. CO Ka;iUHoii, co iiaJiuHOM, II KajuHy co MaJiimoio,
Cx ^epuoii uroÄoii CMopoÄHHoio!« ^epny Hro^y, CMopoAUHy.
He xyacu, moh yMHafl,
He neia.iBCH, pasyMHaH I
EaKX npuaei'B secHa KpacHaa,
A sa Heil Jiiro len^ioe,
'^Ito noirayTT) ÄoacÄU ^acTtie,
Orpacxeri. ;Ke Haiut 3e;ieHi.iu caj;T>,
Ohx CO Ka^uHoii. co Ma;iuHoio,
C-h qepuoii flroaoii CMopoAUHoio,
Oh-l CO rpyiueä co sejieHoio,
Out, CO HÖ^ioHiio caAOBOH).
Zu dem bei K. mit verschiedenen Varianten versehenen Lied Nr. 223
möchte ich noch auf S. Nr. 18G0 verweisen, oder zu K. Nr. 283, mit verschie-
denen in K. selbst begegnenden Parallelen, auf S. Nr. 1856. Vergleiche auch
K. 340 und S. 1781. Merkwürdig ist die Parallele K. 347 und S. 1864: die erste
Hälfte stimmt fast wörtlich überein, doch bei K. folgen dann noch 11 Verse,
in welchen sich das Mädchen mit der Bitte an den Bruder wendet, er möge den
Vater und die Mutter durch Glocken aus dem (ewigen) Schlafe wecken. Zu
dem mit epischer Breite ausgeführten Liede K. 351, das viele Varianten hat,
vergl. noch S. 1832 eine ganz kurz gehaltene Parallele. Das Lied K. 522 (aus
Gouv. Orel] hat seine beinahe identische Parallele in S. 1871 (aus Gouv. Tula;,
also in der Nachbarschaft. Vergl. noch K. 752 und S. 1858, oder K. 1008 (aus
Glazunovs Liederbuch) und S. 1866. Auch zu den Festtagsliedern gibt es
^enug Parallelen, vergl. K. 1072 und S. 1131, K. 1073 und S. 1087, K. 1074 und
S. 1104, K. 1075 und S. 1079, K. 1076 und S. 1111, K. 1077 und S. 1109, K. 1081
und S. 1104, K. 1082 und S. 114i), K. 1083 und S. 1091, K. 1086 und S. 1105,
K. 1089 und S. 1092. Noch mache ich aufmerksam auf die Entsprechung K.
1092 und S. 1213.
Daß bei vergleichendem Studium solche Parallelen ungemein wertvoll
sein können, darüber braucht man kein Wort zu verlieren. Darum möge die
Gesellschaft zielbewußt an dem neu begonnenen Werke vorwärts schreiten,
der Dank gebührt ihr und den an der Arbeit dieses ersten Heftes Beteiligten
schon jetzt für dieses schöne erste Heft der neuen Serie.
Als diese kurze Anzeige bereits niedergeschrieben war, bekam ich von
Prof. Speranskij, auf dessen Schultern die Hauptarbeit des ersten Heftes lag,
einige Erläuterungen betreffs meiner oben zur Sprache gebrachten Desiderata,
die ich auch ihm kurz mitgeteilt hatte. Darnach bestätigt sich meine Vermutung,
daß der wesentliche Inhalt des ersten Heftes aus den zwei »grünen Heften« und
den vier unter Nr. I auf S. LXII erwähnten Pappendeckel- Volums besteht.
Ferner wird ausdrücklich betont, daß die zwischen die Liedertexte einge-
schalteten Prosatexte durchgehend aus dem Kirejevskijschen Material ge-
schöpft sind. Auch die Fortsetzung der Publikation sei so gut wie gesichert.
280 Kritischer Anzeiger.
Für das nächste Heft habe man unter seiner Aufsicht das auf S. LXXI unter
Nr. IV erwähnte Material bereits abgeschrieben, es werde etwa 3500 meist
kurze Lieder enthalten. Er werde, wie er es schon im vorigen Jahre getan,
seine freie Zeit in den Ferialmonaten ganz diesem Gegenstande widmen. Wir
können nur unsere Befriedigung darüber äußern, daß auf diese Weise die Ge-
sellschaft >.IIio6uTe.aeii PocciftcKoii c,!i0EecH0CTu< endlich von ihrer Schuld be-
freit wird, die sie vor mehr als fünfzig Jahren auf sich nahm, indem sie sich
moralisch verpflichtete das ihr anvertraute Gut herauszugeben. V. J.
Hrvatske i srpske narodne poslovice, spram grckih i rimskih poslo-
vica i krilatica Napisao Dr. Ivan Kasumovic. U Zagrebu 1912, 8<>
161, 196 (S.-A. aus Ead, B. 189, 191). Die kroatischen und ser-
bischen Sprichwörter im Verhältnis zu den griechischen und rö-
mischen.
Die Moskauer Sammlang mittelgriechischer Sprichwörter von Carl
Erich Gleye. Leipzig 1913, 8" 36 (S.-A. aus Philologus LXXI).
Ich zitiere diese zwei Schriften ungleichen Umfanges — die eine ist ein
umfangreiches Werk, die andere eine kritische Abhandlung — unter einem,
weil sich ein gewisser Zusammenhang nachweisen läßt, mag auch die vor
kurzem erschienene Abhandlung Gleyes von der Existenz des Werkes Kasu-
movic' keine Ahnung gehabt haben, während Kasumovic die Publikation Krum-
bachers, zu welcher die Abhandlung Gleyes einen berichtigenden Beitrag liefern
will, sehr wohl gekannt und gewissenhaft benutzt hat. Die ergänzenden und be-
richtigenden Anmerkungen Gleyes zu der im J. 1900 erschienenen Schrift des
unvergeßlichen Krumbacher (Die Moskauer Sammlung mittelgriechischer
Sprichwörter von Karl Krumbacher, S.-A. aus den Sitzungsberichten der K.
bayer. Akad. 1900, Heft III) beziehen sich weniger auf den griechischen Text,
den er nach einer photographischen von Krumbacher besorgten Aufnahme des
Moskauer Originals, die sich jetzt in München befindet, vor sich hatte, mehr
dagegen gehen sie auf den Sinn, auf die Hermeneia einzelner Sprichwörter
ein, wobei die von Gleye gelieferten Parallelen und Vergleiche sich über den
Schatz an Sprichwörtern und Sprüchen der modernen Literaturen, die rus-
sische nicht ausgeschlossen, erstrecken, also eine Aufgabe verfolgen, die
nicht gerade im Plane Krumbachers lag. Darum macht die kleine Abhand-
lung auf den Leser den Eindruck einer gewissen Kälte gegenüber dem unver-
geßlichen Krumbacher, die ich nicht gutheißen kann. Da der Verfasser dieser
Abhandlung der russischen Sprache mächtig ist, so muß man bedauern, daß
er von der schönen Studie Kasumovic', die in dem Organ der Agramer Aka-
demie erschienen (die erste Hälfte war schon 1911, die zweite 1912 gedruckt),
keine Kenntnis hatte. Sie wäre ja vielleicht für ihn kein mit sieben Siegeln ver-
schlossenes Buch gewesen. Er könnte aus dieser Studie noch so manche Paral-
lele verwerten aus dem Bereiche des serbokroatischen Sprichwörterschatzes,
selbst auch nach den von ihm berücksichtigten Zitaten aus Altenkirchs Abhand-
Gleye, Zu mittelgriechischen Sprichwörtern, angez. v. Jagic. 281
lang, die im 30. Bande des Archivs erschienen ist. Ich will das an einigen Bei-
spielen zeigen. Zu Nr. 35 bei Krumbacher gibt Gleye auf S. 13 für das Sprich-
wort Kvciii' (rnev&ovau xvcflk yEvyä einen Beleg aus dem J. Itil'J und einen wei-
teren (nach Altenkirch) aus dem J. 1712. Kasumovic zitiert unter No. 324 zwei
ragusanische Sprichwörter aus der bekannten von Danicic herausgegebenen
Sammlung (deren älterer Teil 1(597 niedergeschrieben wurde), deren erstes ganz
wörtlich lautet: Kucka presna slijepe rada kucice, das andere modi-
fiziert: Nagla macka slijepe misice rodi. Kasumovic gibt auch einen
Kommentar dazu. Oder zu Krumb. No. 41 (bei Gleye S. 14), wo xcciqos' upicyei
xcci xaiQiK ccv xcnäyei zitiert wird, kann man die bei Kasumovic unter No. 900
angeführten Sprichwörter heranziehen, z.B. vrijeme gradi, vrijeme raz-
graduje. Zu No. 61 (bei Gleye S. 22): tkcttjq ^hv 6 d-geipas-, ov /jr^u cfg o yey-
rT^ffwi- vgl. bei Kasumovic Nr. 224: Hranitelj jekao i roditelj, also dem
Sinne nach o Q-qixpag nur koordiniert zu o yeyfrjaa;^ nicht höher gestellt. Zu
Nr. 65 Krumb, (bei Gleye S. 23): zlevxeqa (pvais avyr'j&sia, bei Kasumovic
Nr. 504: Obicaj je druga narav. Zu Nr. 74 Krumb, (bei Gleye S. 24).: Jv-
xos' «710 aqi&i.wv oh cpoßelTcn Xc(ßelf bei Kasumovic Nr. 903: 1 brojene ovce
vuk j ede. Zu Nr. 77 Krumb. (Gleye S. 26), wo schon aus Altenkirch Parallelen
angeführt sind und wo Gleye auch italienische Parallelen gibt, bei Kasumovic
Nr. 590: Ko na nebo pljuje, na obraz mu pada, das am nächsten dem
griech. Text kommt 6 micoy sh tov ov^ayöv z« yeyeiä xov niiei (der zweite
Teil des slavischen Sprichwortes erinnert an die griech. Redaktion nqos zb
avTov xaransaely TtQoaconoy). Zu Nr. 95 Krumb. (Gleye S. 28): 'Ev xaiqü aväy-
XTiS vrjy .läfiiay /utjteqcc xd).ei kann man vgl. bei Kasumovic Nr. 789: Za no-
vo Iju i krmka ujakom zovnuti. Der Vergleich ist hier auf einen Eber
übertragen, dem die Rolle eines Onkels zugeschrieben wird. Selbstverständ-
lich enthält dermittelgriechische Sprichwörterschatz, den Krumbacher zu drei
verschiedenen Zeiten publiziert hat (1887, 1893, 1900), noch viel mehr Anknüp-
fungspunkte für die serbokroatischen Sprichwörter und die Heranziehung
dieses Materials zur Vergleichung bildet eine der Hauptaufgaben der Schrift
des Dr. Ivan Kasumovic, über die ich jetzt einige Worte sagen will.
Um das Werk kurz zu charakterisieren, möchte ich es als eine in ihrer
Art vortreffliche wissenschaftliche Leistung bezeichnen, die ihre Aufgabe,
nämlich die serbokroatischen Sprichwörter mit den griechischen und latei-
nischen zusammenzustellen, glänzend gelöst hat. Dem Verfasser sind sowohl
die Ausgaben der serbokroatischen Sprichwörter, wie die einschlägige Hilfs-
literatur der griechischen und lateinischen Texte der Sprichwörter genau be-
kannt und zum größten Teil zugänglich gewesen, er hat alles sehr gewissen-
haft benutzt und verwertet. Wer sich mit dieser Beschränkung der hier reich-
lich aufgestapelten Vergleiche und Parallelen zufrieden gibt, wird ohne weiteres
das Werk Kasumovic' als musterhaft loben dürfen. Eine andere wichtige Frage
bleibt freilich dabei offen, ob diese Beschränkung auf das griechisch-römische
geistige Gebiet ausreicht, ob damit wirklich auch die Hauptquellen der Ent-
stehung der serbokroatischen Sprichwörter angegeben sind. Ja überhaupt die
Auffindung der Quellen einzelner Sprichwörter — das ist ein sehr schwieriges
wissenschaftliches Problem, das in vielen Fällen vielleicht ganz unlösbar bleibt.
282 Kritischer Anzeiger.
in anderen nicht in der gedachten Eichtung seine Lösung findet. Jedenfalls
würde ein solcher Lüsungsversuch eine weiter reichende Umschau erheischen,
als die Berücksichtigung von nur zwei Sprachen, mögen diese noch so wichtig
sein infolge ihres großen kulturellen und zum Teil auch nachbarlichen Ein-
flusses. Zu diesem Zwecke wäre vor allem die Ausdehnung der Parallelen auf
das Neugriechische, dann auf das Albanische und Rumänische, ja selbst auf
das Italienische von großer Wichtigkeit, weil alle diese Volksstämme mit den
Serben und Kroaten nachbarliche und wohl auch geistige Beziehungen pflegten.
Mit den Sprichwörtern dürfte es sich nämlich so verhalten wie mit den Volks-
märchen, wo geographische Zonen eine viel größere Rolle spielen als die eth-
nische Verwandtschaft. Nun daß auch die letzte nicht außer acht zu lassen
ist, wenn sie auch nicht die Begeisterung der Romantiker aus der ersten Hälfte
des XIX. Jahrhunderts rechtfertigt, das hat der Versuch Celakovskys uns zum
Bewußtsein gebracht. Die Vereinigung dieser Gesichtspunkte und die Ab-
messung ihrer Bedeutung ist eine so schwierige Aufgabe, daß sie erst bei vielen
guten Vorarbeiten eine Aussicht auf Erfolg haben kann. Wo diese fehlen, was
im gegebenen Fall bei der Abfassung dieses Werkes zugegeben werden muß,
dort ist die erschöpfende Behandlung mit der Beschränkung des Umfangs auf
wenige Sprachen jedenfalls einer oberflächlichen Ausdehnung über mehrere
oder alle einschlägigen Sprachen vorzuziehen. Ich kann also die von Dr. Kasu-
movic getrofl"ene Wahl der Sprachen und die Beschränkung auf dieselben unter
gegebenen Umständen nur billigen. Eine dabei übrig gebliebene Lücke, nämlich
die Nichtberücksichtigung der neugriechischen Sprichwörtersammlungen
hat der Verfasser selbst (S. 128 der ersten Hälfte = S. 13) so aufrichtig be-
dauert, daß wir uns ihm nur anschließen und die Hoffnung aussprechen müssen,
es werde ihm ermöglicht werden bei der Fortsetzung seiner parömiologischen
Studien in irgendeiner Weise diese Lücke auszufüllen. Dann hätten wir aber
noch einen Wunsch, daß er, wenn er schon die Rumänen und Albanesen außer
Betracht lassen muß, doch wenigstens die Sprichwörter der Bulgaren heran-
ziehen möchte. Freilich für seine aus dem ganzen Werke durchschimmernde
Tendenz, nicht bloß die Parallellen, sondern auch die Quellen der serbokroati-
schen Sprichwörter anzugeben, hätten die bulgarischen Parallelen keine so
große Bedeutung. Doch gerade in diesem Punkte decken sich unsere An-
sichten nicht vollständig. In der sehr hübsch geschriebenen Einleitung des
Verfassers (auf S. 116 — 122) unterstreiche ich als sehr wichtig seine Äußerung,
daß jener Dualismus, von dem man gewöhnlich in bezug auf die Kulturrichtung
der Kroaten und Serben spricht, in dem Sprichwörtervorrat keinen Widerhall
findet. Es freut mich konstatieren zu können, daß er eine große Zahl von bei-
nahe schönsten serbokroatischen Sprichwörtern durch ganz gleiche Parallelen
aus den Sprichwörtern der Griechen und Römer belegen konnte, der Griechen
natürlich in viel größerem Umfang als der Römer. Alles das unterschreibe ich
gern, doch bezüglich der Deutung dieses weit ausgedehnten Parallelismus, den
der Verfasser mit besonderer Vorliebe als Quelle auf der einen und Entlehnung
auf der anderen Seite auffaßt, könnte ich ihm nicht immer folgen. Er hat ge-
wiß recht, wenn er aus solchen Sprüchen, wie weiß wie der Schnee,
schwarz wie der Rabe, süß wie Honig, nichts weiter ableitet, da
Kasumovic, Serbokroat. Sprichwörter, angez. v. Jaglc. 283
solche Vergleiche jedes A''olk für sieh zu schaifen imstande ist, doch scheint
er mir die Grenze der selbständigen Schaffenskraft manchmal zu eng zu ziehen.
Um gleich an einem Beispiele das zu zeigen, er möchte nicht zugeben, daß
das Sprichwort »Gora se s gorom ne sastaje a covjek s covjekom
vazda« selbständigen, sei es serbokroatischen, sei es slavischen Ursprung
haben könnte. Warum? Weil er schon in der Sammlung des Michael Aposto-
lios (aus der Mitte des XV. Jalirh.) eingetragen fand X)Qog oqei ov /ulyviiui,
(tvS^iyionos d'U'cr&Qojnio. Nun hat aber Altenkirch auch auf andere Parallelen,
slavische und nicht slavische, hingewiesen, die alle zusammen nicht den Ein-
druck machen, daß die in diesem Spruch steckende Weisheit oder Lebenser-
fahrung gerade aus der griechischen Quelle hätte geschöpft werden müssen.
Auch die Hermenia, die dem griech. Spruch beigegeben ist, begünstigt nicht
die Annahme der Entlehnung; bei Apostolios lesen wir: et:1 twj' uavuna&w;
TTQos Tivas dir/.x£i/iiBi'(oi\ Bei uus aber, wenigstens wie ich so häufig das rus-
sische Sprichwort gehört habe, ist nicht von den feindlich gesinnten Menschen
die Rede, sondern von der Hoffnung des freundlichen Wiedersehens. Auch
das zweite Beispiel, das eranführt, Vrana vrani ociju ne vadi, muß nach
meinem Dafürhalten nicht gerade römischen Ursprungs sein und sonst überall
die Rolle einer von dort entlehnten Weisheit vorstellen. Dr. Altenkirch hat
daher wohl mit mehr Recht die beiden Sprichwörter unter den »unentschie-
denen Entlehnungen« angeführt. Es war darum von Seite des Verfassers viel-
leicht auch darin etwas zu eng die Grenze gezogen, daß er, wie er selbst sagt,
nur solche Parallelen berücksichtigte, wo nicht nur derselbe Gedanke, sondern
auch dieselbe Form, d. h. derselbe sprachliche Ausdruck, vorlag. Gewiß ist
für seinen Zweck diese Vorsicht sehr empfehlenswert gewesen, doch bei einem
anderen Standpunkte, wie ich ihn in dieser Frage einnehme, sind auch die in
der Form etwas abseits stehenden, doch dem ganzen Sinne nach sich decken-
den Parallelen nicht minder wichtig und beachtenswert. Er sagt ja selbst, daß
bei mündlicher Verbreitung des Sprichwortes seine Form leicht Änderungen
unterlag. Übrigens finde ich in seinem Werk doch häufig genug auch die Über-
tretung dieser von ihm selbst aufgestellten Regel, freilich aus Motiven, die ich
nicht immer billigen kann. Z. B. unter dem Schlagwort jaz zitiert der Ver-
fasser Nr. 254 den Spruch Pred njim jazovi, a za njim vukovi. Daß
dieser Spruch dem griechischen "J\u7i(>o<j,7Ey y.nr^jurög oniaiisi' Ivy.oi genau
entspricht, das sieht jedermann ein. Es ist mir in diesem Falle auch leicht zu
glauben, daß die serbokroatische Aufzeichnung (bei Daniele) nicht ganz volks-
tümlichen Ursprung hat. Allein ich kann mich nicht leicht dazu entschließen
zu 'glauben, daß gerade jene ragusanische Aufzeichnung solche echt volks-
tümliche Sprichwörter wie: Ako u seloTurci, ako u goru (vi. upolje)
vuci ins Leben gerufen hat. Die Zusammenstellung war also, ungeachtet der
Verschiedenheit in der Form, ganz richtig angebracht, nur das vom Verfasser
vermutete oder verlangte Abhängigkeitsverhältnis darf in Abrede gestellt
werden.
Mit diesem Vorbehalt, den ich durch zahlreiche Beispiele noch weiter
illustrieren könnte (z.B. selbst den Spruch zezenkasuhladi wäre der Ver-
fasser nicht abgeneigt ans dem Griechischen abzuleiten! Warum doch?), muß
284 Kritischer Anzeiger,
ich die Fülle des herangezogenen sprichwörtlichen Materials und den uner-
müdlichen Fleiß des Zusammensuchens der griechischen und teilweise auch
lateinischen Parallelen mit unbedingter Anerkennung hervorheben. Das Buch
Kasumovic' wird von nun an das grundlegende Werk für jede weitere Forschung
auf dem Gebiete der südslavischen Parömiologie bilden. Auf diesem Grunde
läßt sich jetzt leicht weiter bauen. Nach einigen Andeutungen des Verfassers
selbst zu urteilen, hätten wir die Fortsetzung solcher Studien von ihm selbst
zu erwarten. Das wäre auch das beste, denn niemand ist bisher so tief in
diesen Gegenstand eingedrungen wie er mit diesem seinem Werk, dessen
glänzender Erfolg schon durch den äußeren Umfang gekennzeichnet ist. Unter
nicht weniger als 975 Schlagwörtern — diese folgen in alphabetischer Reihen-
folge und sind in der Regel genug bezeichnend — hat er mit Einrechnung
von Varianten eine fast dreimal so große Anzahl von Sprichwörtern verwertet
und besprochen und überall auf die griechischen, zum Teil auch lateinischen
Parallelen hingewiesen. Die ganze Arbeit schließt sehr hübsch und lehrreich
mit noch zwei Nachträgen. Im ersten wird an einer Reihe von Beispielen ge-
zeigt, (dazu gehören übrigens noch mehrere Beispiele aus dem 2. Nachtrage),
wie ein Spruch oder Sprichwort als Quintessenz aus einer Fabel sich losgelöst
hat; die meisten hieher gehörigen Fabeln leben auch in der serbokroatischen
Bearbeitung. Man muß auch in der Tat ihre Bekanntschaft im Volke voraus-
setzen, denn sonst wäre ja der Spruch unverständlich. Im zweiten werden
einige sprichwörtlich gebrauchte Sprüche auf die Stellen der heil. Schrift zu-
rückgeführt. Doch hier finde ich schon wieder einige Beispiele, die weder
auf den Zitaten der heil. Schrift beruhen noch so zu erklären sind, wie es der
Verfasser haben möchte, z. B. Nr. 7: carska se ne porice braucht wohl
nicht erst auf den Ausspruch eines fremden Königs (Konrad III.) zurückgeführt
zu werden, Nr. 13 Kakav pozdrav onakav i odzdrav muß auch nicht auf
fremder Vorlage beruhen, Nr. ISkupit macku u mijehu wird wohl nicht
aus dem deutschen »die Katze im Sack kaufen« bis nach Ragusa gekommen
sein, ebensowenig glaube ich, daß der Spruch Nr. 18 Nova metla dobro
mete erst aus dem deutschen sich bis nach Ragusa verbreitet hat, oder daß
Nr. 29 Poglasusepticapozna und Nr. 22Poznajese pticapoperju
fremd sein müßten, oder daß Nr. 21 Tko prvi u mlin prvi melje nicht
nach eigener Erfahrung hätte zustande kommen können. Ich halte dieses
Trachten, überall einen fremden Ursprung zu wittern, für einen Auswuchs des
großen Sammeleifers, bei welchem dem Verfasser nicht genug daran war eine
treffende Parallele gefunden zu haben, er wollte seine Freude noch potenzieren
durch die Behauptung gerade die Quelle entdeckt zu haben. Ich glaube, nicht
viele werden ihm auf dieser Bahn folgen wollen. Zum Glück schadet das dem
Werte seiner Forschung wenig, man streift eben das Überflüssige ab. Dabei
muß ich jedoch ausdrücklich hinzufügen, daß in sehr vielen Fällen die An-
nahme einer Entlehnung wirklich im hohen Grade wahrscheinlich klingt; die
Grenzen zwischen einer Entlehnung und einer unabhängigen Entstehung zu
ziehen ist in der Tat nicht leicht. Der Verfasser mag sich gedacht haben,
besser etwas mehr als etwas zu wenig. Ich meine aber: Ne quid nimis oder
wie es dafür unter Nr. 433 steht: Sto je previse nije ni s maslom dobro.
V.J.
Boehme, Memoiren d. Kaiserin Katharina, angez. v. Jagic. 285
Memoiren der Kaiserin Katharina II. Nach den von der
Kaiserlich russischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten
Manuskripten übersetzt und herausgegeben von Erich Boehme.
Erschienen im Insel-Verlag zu Leipzig 1913, 8". Erster Band 334,
zweiter Band 370 Seiten. Preis brosch. 12 Mk.
In der, wie man jetzt weiß, sehr reichen russischen Memoiren-Literatur
des XVIII. Jahrhundertes stehen was sowohl die soziale Stellung des Ver-
fassers wie den Inhalt des Gebotenen anbelangt, die Memoiren der Kaiserin
Katharina II obenan. Von der Existenz ihrer Memoiren wußten einzelne Histo-
riker, wie Alexander Turgenev und Karamzin, und auch Puschkin, schon zu
Anfang des XIX. Jahrhundertes. Doch erst 1859 gab Alex. Herzen einen Teil,
allerdings den umfangreichsten, in London heraus, sowohl in der französi-
schen Originalsprache (zweimal in demselben Jahre), wie auch in der russischen
Übersetzung (die später in Leipzig fünfmal aufgelegt wurde). Gleichzeitig er-
schien auch eine deutsche Übersetzung in Hannover, eine dänische in Kopen-
hagen, eine schwedische in Upsala und viel später (1886) auch eine polnische.
Neben diesen als Hauptwerk angesehenen Memoiren kamen noch in russischen
Zeitschriften Russkij Archiv und Eusskaja Starina, einzelne Stücke, gleichsam
Zusätze zu den Memoiren, heraus, (z. B. Pyccidfi ApxuBt, 1863. 1865. 1S66. 1870.
u. a.), ebenfalls aus der Feder der Kaiserin geflossen. Man glaubte, damit sei der
Vorrat ihrer Beteiligung an den Memoiren über Ereignisse des eigenen Lebens
erschöpt. Doch war das durchaus nicht der Fall. Einen Wendepunkt in der
Frage bezüglich der Memoiren der Kaiserin Katharina bildete der hochherzige
Entschluß des Kaisers Nikolaus II zu gestatten, daß die Kais. Akademie der
Wissenschaften die versiegelten Pakete des Staatsarchivs und der Privat-
bibliothek des Kaisers, dann das Material der kais. öffentlichen Bibliothek in
Petersburg und des Rumjancovschen Museums in Moskau bei der Publikation
aller Werke der Kaiserin benützen dürfe. Diese Bewilligung wurde im J. 1900
erteilt und die Kais. Akademie hat mit der Ausgabe ihr Mitglied, den berühm-
ten Literaturhistoriker Alex. N. Pypin betraut. Die vollständige Ausgabe ist
auf 12 Bände berechnet, wovon meines Wissens noch der sechste aussteht;
der letzte, zwölfte, in zwei Halbbänden erschienen im J. 1907, enthält die be-
sagten Memoiren nach neu eröflneten Quellen; die von A. Herzen herausge-
gebene Redaktion umfaßt hier die Seiten 197 — 437, dagegen alles Voraus-
gehende und der größere Teil des Nachfolgenden bringt neue Texte ans Licht,
die eben in den versiegelten Paketen entdeckt wurden. Auf diesem, im
12. Band der akademischen Ausgabe enthaltenen Material, dessen französische
Texte 1907 auch in russischer Übersetzung erschienen sind, beruht die oben
zitierte deutsche Ausgabe, die mit großer Sorgfalt und gründlicher Sachkennt-
nis Herr Dr. Erich Boehme zustande gebracht hat. Sie beginnt mit einer Ein-
leitung (S. 1 — 21), die über die genealogischen Verhältnisse der beiden Haupt-
personen der Memoiren (Peter III. und Katharina IL), dann über die einzelnen
Bestandteile des ganzen Memoirenmaterials Bericht erstattet. Dieses besteht
286 Kritischer Anzeiger.
nämlich nicht aus systematisch oder chronologisch sich ergänzenden Bestand-
teilen allein, sondern auch aus parallel nebeneinander laufenden, zu verschiede-
nen Zeiten abgefaßten und nicht immer genau übereinstimmenden Stücken.
Die russische akademische Ausgabe unterscheidet sieben Stücke der Memoiren,
die die erste Hälfte des 12. Bandes bilden (S. 1 — 495) und außerdem umfaßt
sie verschiedene kleinere Sachen (darunter zwei russisch geschriebene Stücke
nebst allerlei Briefen, Fragmenten, Notizen, die den Inhalt des zweiten Halb-
bandes (S. 499 — 701) ausmachen, dazu kommen noch reichhaltige Anmerkungen
des russischen Herausgebers mit allerlei Zusätzen (auf S. 705—800). Der
deutsche Übersetzer hat von den sieben Stücken der Memoiren die Nr. 1. 2.
3. 5. 6. 7 im ersten Band untergebracht, Nr. 4 aber an die Spitze des zweiten
Bandes gestellt. Diese Eeihenfolge finde ich nach der ungefähren chronolo-
gischen Berechnung insofern berechtigt, als in der Tat Nr. 4 später abgefaßt
wurde als Nr. 1. 2. 3. Doch würde es sich empfehlen auch Nr. 5. 6. 7 vor
Nr. 1. 2. 3 zu stellen, da auf Grund der Erwägungen Koruilovic's (/K. M. h. np.
1912, Januarheft) wohl keinem Zweifel unterliegt, daß Nr. 5. 6. 7 früher abge-
faßt wurden als Nr. 1. 2. 3. Man könnte also dem modernen Leser dieser
Memoiren den Eat erteilen in dieser Reihenfolge vorzugehen : Nr. 5. 6. 7. 1. 2. 3
und dann erst 4. Dadurch würde der aufmerksame Leser selbst einen Unter-
schied zwischen der frischen Unmittelbarkeit der übrigen Aufzeichnungen, die
zwischen 1754 u.1774 fallen, und der tendenziösen Umarbeitung, die nach 1791
bis 1794 zustande kam, wahrnehmen können. Mit Recht sagt Dr. Boehme:
am verläßlichsten, weil am intimsten, sind vielleicht die Stücke 1 bis 3, am
tendenziösesten dagegen Stück 4 (S. 20). Auf diese sieben Stücke der deut-
schen Ausgabe, deren letztes (4.) die Seiten 1—288 des 2. Bandes umfaßt,
schließen sich an im zweiten Band die beiden aus dem Russischen übersetzten
Stücke (291 — 316) und nun folgt der Anhang, der aus der akademischen Aus-,
gäbe nur eine Auswahl von kleineren Sachen in deutscher Übersetzung wieder-
gibt. Nach welchen Gesichtspunkten der Herausgeber seine Auswahl getroffen,
vermag ich nicht zu bestimmen. Man findet in dem Anhang folgende Texte:
Brief der Kaiserin an Graf Poniatowski (akad. Ausgabe 547 — 555), drei Briefe
Peters HL an die Kaiserin und drei Briefe Aleksej Orlov's an die Kaiserin
(akad. Ausgabe 764 — 767, der dritte Brief ist in der akad. Ausgabe nicht ab-
gedruckt, aber er stand schon im 21. Bande (1881) des Archivs des Fürsten
Voroncov); dann ein Schreiben der Kaiserin an Potemkin (akad. Ausgabe
697 — 698), ein Bruchstück der Selbstcharakteristik der Kaiserin lin der akad.
Ausgabe kann ich es nicht finden), endlich die Grabschrift (akad. Ausgabe
797—798) und die letztwillige Verfügung (akad. Ausgabe 702-703). Das ist
der Inhalt des Anhanges. Den Band beschließt ein sorgfältig abgefaßtes
Namenverzeichnis (S. 343—362), Parallelen (S. 363—365) und die Quellen
(S. 366 — 3G8). Je sechs hübsch ausgeführte Porträte schmücken jeden Band.
So sieht der Inhalt der beiden Bände aus, zur Empfehlung derselben muß man
noch folgendes anführen: der Herausgeber hat als Übersetzer nicht nur die
schwierige Aufgabe, eine genaue und doch leicht lesbare Übersetzung herzu-
stellen, mit glücklichem Erfolge gelöst, sondern den übersetzten Text auch
noch D^it zahlreichen erklärenden Anmerkungen versehen, die über einzelne
V. Löwis, Held im deutsch, u. russ. Märchen, augez. v. Polivka. 287
Angaben auf Grund gleichzeitiger Notizen aus anderen Quellen orientieren.
Diese Ausstattung des Textes mit Anmerkungen verleiht der Ausgabe einen
großen Vorzug. V. J.
August vouLöwis ofMenar: DerHeld im deutschen und
russischen Märchen. Verlegt bei Eugen Diederichs. Jena 1912.
S. 140.
Das Buch stellte sich weitere Ziele als die bloße Vergleichung des
deutschen und russischen Märchens, es sollte alle Momente, die die Entwick-
lung des Märchenhelden bestimmen, untersuchen, die typischen Züge fest-
stellen und allerdings auch alle Abweichungen nach Möglichkeit anmerken.
Das Buch sollte ein Beitrag zur Statistik des Märchens sein. Von diesem
Standpunkte aus erblickte der Verfasser in vielen Motiven, welche nach der
Darlegung besonders englischer Ethnologen Überbleibsel uralter, vielfach
prähistorischer Vorstellungen und Gebräuche sind, nur den Ausdruck eines
epischen stilistischen Gesetzes: so ist darin, daß der Jüngste die Heldenrolle
übernimmt, das Obergewicht über seine älteren Brüder erreicht, das Gesetz
zu erblicken, daß der Schwerpunkt auf die letzte Gestalt einer ganzen Reihe
gelegt wird (S.ll); daß der jüngste Sohn, das jüngste Mädchen als Aschen-
brödel auftritt, charakterisiert nach seiner Meinung nur die traurige Lage des
verachteten Jüngsten, der zu erniedrigenden Diensten gezwungen wird (S. 17,
19); ,,da3 Motiv der Dummheit dient einmal als Milieuschilderung ... ist aber
auch ein Mittel der Kontrastwirkung . . ., vor allem aber soll der Aufstieg aus
niedersten Tiefen zu dem hohen Ehrenplatz auf den Königsthron anschaulich
gemacht werden und die, wenn auch sprunghafte Entwicklung des verachteten
törichten Knaben zum ruhmreichen, bewunderten Helden* (S. 50). Dieses
Verschweigen recht wahrscheinlicher Erklärungen einiger grundlegenden
Märchenmotive ist wohl absichtlich, doch kaum begründet; des Verfassers Er-
klärung vom rein stilistischen Standpunkt ist wenig plausibel, desto weniger, da
eine bewußte stilistische Ausgestaltung der Märchen das Produkt einer langen
Entwicklung und einer höheren Kulturstufe ist, die viel jünger ist als diese
in hohes Alter hinaufreichenden Motive.
Für die stilistischen Zwecke des Verfassers empfahl es sich , zwei
sehr große und räumlich geschiedene Märchenkomplexe, den deutschen
und den russischen heranzuziehen und vergleichend nebeneinander zu stellen.
Er wählte »absichtlich zwei möglichst getrennte Gruppen, denn wenn irgend-
wo, so mußten sich hier Unterschiede in der Auffassung von Märchenhelden
zeigen« (S. 4). Er betonte, daß beide Märchenkreise in der Stoffwahl nicht
wesentlich variieren, der äußere Rahmen also ungefähr der gleiche ist und
daß dadurch die Möglichkeit gegeben war, die verschiedenartige innere
Formung des Helden in ähnlichen Situationen und unter verwandten Be-
dingungen zu untersuchen« (S. 4). Der Verfasser beschränkte sich aus-
schließlich auf den deutschen und russischen Märchenkreis (großrussischen,
wie auch weiß- und kleinrussischen, wobei jedoch die galizischen und nord-
ungarischen Märchen nicht herangezogen wurden, wegen Unzugänglichkeit
288 Kritischer Anzeiger.
deren Sammlungen?). Man könnte darin nicht mit Unrecht ein etwas ein-
seitiges Vorgehen erblicken. Der deutsche Märchenkreis ist nicht ein so
abgeschlossener Komplex, daß es zu dessen Erklärung nicht der Märchen-
kreise anderer Völker Mittel- und Westeuropas bedürfte. Zwischen dem
deutscheu und russischen Märchenkreise sind die westslavischen, besonders
polnischen und slowakischen eingelagert, in denen man eine ganze Reihe
Übergänge vom mitteleuropäischen zum osteuropäischen konstatieren könnte.
Der russische Märchenkomplex ist nicht ganz einheitlich, einige Nüancie-
rungen in den weiß- und kleinrussischen Fassungen stellt der Verfasser
selbst fest (S. 129). Daß für die tiefere Erkenntnis des russischen Märchen-
kreises die Kenntnis der Märchen anderer osteuropäischer Völkerstämme und
noch weiter nach Osten liegender Völker unbedingt notwendig ist, braucht
nicht erst betont zu werden. Wir können uns also für die Begrenzung des
Stoffes, wie es H. v. Löwis für gut befand, nicht erwärmen. Doch wollen wir
nicht mit ihm rechten, sondern weiter sein Buch lesen, wie er die gestellte
Aufgabe gelöst und zu welchen Resultaten er gekommen ist.
Der Verfasser ging von den deutschen Märchen aus, die Grimmschen
KHM. hatte er zugrunde gelegt, er hatte die Arbeit ursprünglich im kleinen
auf dieser Basis ausgeführt, und auf diesem Fundament baute er weiter, und
dieses Fundament reichte nach seiner Meinung für alles weiter hinzukommende
Material. Er beschränkte sich nur auf die Wunder- und Zaubermärchen,
nahm höchstens noch einige Schwankmärchen auf, wie vom tapferen Schneider-
lein, vom Jungen mit der goldenen Gans, vom Bürle, der klugen Bauern-
tochter u. a. (S. 6]. Gegen eine solche Einschränkung ist wohl nichts ein-
zuwenden. Er untersuchte zuerst den Helden im deutschen Märchen (S. 10
bis 69), dann im russischen Märchen (S. 70—124) und zwar nach demselben
Plane: er beschrieb zuerst Alter und Äußeres, bestimmte dann das soziale
Milieu, 3. die Verwandtschaftsverhältnisse, 4. Verlöbnis und Heirat, 5. den
Gesamtcharakter des Helden und einzelne Züge, 6. geistige Fähigkeiten,
Kenntnisse und Kunstfertigkeiten, 7. die seelischen Antriebe, 8. Taten und
Erlebnisse, endlich 9. die Nebenfiguren. So konnte der Verfasser eine er-
schöpfende Charakteristik des Helden, bzw. der Heldin des deutschen und
russischen Märchens liefern. Er zog ein sehr reichhaltiges Material heran,
doch selbst betont er, daß er die benützten Sammlungen nicht vollständig
ausgenützt hat. Auffallend ist es, daß eine Reihe von sehr wichtigen Publi-
kationen ganz übergangen wurden, besonders die, welche im Zbior wiado-
mosci do antropologii krajowej und in den Materyaly antropol.-archeolog. i
etnograf der Krakauer Akademie und im Etnograficnyj Zbirnyk der Sevcenko-
Gesellschaft für Wissenschaften enthalten sind.
Wenn wir die genannten beiden Abschnitte näher vergleichen, bemerken
wir manche Ungleichheiten. Dieser Umstand kommt offenbar daher, daß der
Verfasser nicht auf stoffwissenschaftlicher Grundlage arbeitete, daß er nicht
gewisse Märchenstoffe bei den Deutschen und Russen verfolgte und näher
verglich, sondern die Stellung und Charaktere der Helden ohne Rücksicht
auf den Stoff untersuchte. Es ist bezeichnend, daß nur sehr wenige Märchen-
stoffe von ihm ausdrücklich erwähnt werden: vom Fischer und seiner Frau,
V. Löwis, Held im deutsch, u. russ. Märchen, angez. v. Polivka. 289
Marienkind, Drosselbart u. e. a. Unserer Ansicht nach wäre es doch viel vor-
teilhafter gewesen, wenn vorher in den einzelnen Märchenstoffen bestimmt
worden wäre, wie sich der Held entwickelte, die Umgebung und Verhältnisse,
in denen er wuchs, sein Ziel erreichte usw., und dann erst auf Grundlage
solcher Einzeluntersuchungen ein übersichtliches Bild des Helden entworfen
worden wäre. Daß der Verfasser nicht so vorging, hatte einige Mängel seiner
Arbeit zur Folge. In den Ausführungen von den Verwandtschaftsverhältnissen
des Helden im russischen Märchen lesen wir u. a. (S. 90): >Die stets älteren
Geschwister des Helden sind in der Regel nicht bloße Statisten, sondern am
häufigsten Gegenspieler, und zwar werden dem männlichen Helden (a) seine
zwei Brüder ober (b) die verräterische Schwester gegenübergestellt, während
die weibliche hauptsächlich (c) wider die allzu große, verbotene Liebe des
Bruders und (d) gegen seine neidischen Schwestern als Nebenbuhlerinnen
anzukämpfen hat«. Der entsprechende Absatz vom deutschen Märchen (S. 31)
lautet >Besitzt der Held Geschwister, so sind diese selten bloße Statisten . . .
sondern entweder Widerspieler oder hilfreiche Nebenpersonen<. Darnach
würde es scheinen, als ob die bei dem russischen Märchen einzeln angeführten
Charakterzüge und auch Stoffe dem deutschen Märchen fremd wären. Er
zitiert zu a) Afan. Nr. 71, 73, 79 usw. d. h. von der Befreiung der Schönen aus
der Unterwelt und den verräterischen Brüdern des Helden, statt welcher frei-
lich vielfach hie und dort die wunderbaren Gefährten auftreten; von Brüdern
in dieser Stellung erzählt auch das deutsche Märchen, so Grimm K. H.M.Nr. 91,
Wisser HI, 67 Nr. 10. Zu b) wird Afan. Nr. 118 zitiert, d. h. von dem Mädchen,
welches den Bruder seinem Liebhaber-Räuber u. a. überliefert; das Märchen
wird natürlich auch bei den Deutschen erzählt, vgl. meinen Kommentar zu
Kubin Povidky kladske I, Nr. 72. Zu c) werden als Belege angeführt Afan.
Nr. 65, Oncuk. Nr. 44, 71, Chudak. Nr. 55; diese Märchen (mit Ausnahme von
Oncuk. Nr. 44) erzählen von der Flucht des Mädchens vor dem Bruder, der es
heiraten will ; es ist nach meinem Wissen wirklich nicht bekannt in Mittel-
und West-Europa, vgl. Archiv XXXI, 272 Nr. 71 ; Reste des Märchens wurden
bei den Masuren von Toeppen 145, Nr. 5 aufgezeichnet, und R. Köhler be-
merkte (Klein. Schrift. 1, 55), daß er es sonst nicht nachzuweisen vermag;
Oncuk. 44 erzählt einen anderen Stoff, der zu dem singenden Knochen gehört,
vgl. Bolte-Polivka Anmerk. Grimm K.H.M. I, 2(38. Zu d) zitierte der Verfasser
Afan. Nr. 129», 160» zwei ganz disparate Märchenstoffe: das erste (wie auch
Nr.l29b) erzählt, wie der Bräutigam des jüngsten Mädchens, »Finist jasen sokol«,
schwer verwundet wegflog, als die Schwestern scharfe Messer ins Fenster ge-
stoßen hatten; das zweite erzählt von den neidischen Schwestern der Heldin,
die einen Prinzen geheiratet, als sie ihm versprach goldene Kinder zu gebären,
ein natürlich auch bei den Deutschen bekanntes Märchen, vgl. Kühler I, 565
Nr. 12.
S. 92 schreibt der Verfasser >. . . vor allem hat die weibliche Hauptfigur
unter dem Oheim zu leiden. In novellenhaften Eingängen einzelner Märchen
sucht er gewöhnlich seine Nichte, die ihm zur Obhut anvertaut ist, zu ver-
führen, wird jedoch abgewiesen und verleumdet nun die Tochter bei ihrem
Vater wegen ihres angeblichen lockeren Lebenswandels . . . Die Erklärung
Arckiv für slavisclie Philologe. XXXY. 19
290 Kritischer Anzeiger.
für diese Rolle des Onkels dürfte in der griechisch-orthodoxen Kirchenordnung
zu finden sein, die Ehen zwischen Blutsverwandten verbietet . . .< Dieses
Märchen ist ungemein verbreitet, auch bei Katholiken und sogar bei Moham-
medanern. Es ist nicht uninteressant zu untersuchen, welche soziale Stellung
der Verführer und Verleumder des ihm anvertrauten Mädchens einnimmmt.
Den Oheim der russischen Fassungen finden wir noch in einer lettischen
Zbiör wiadom. XVIII, 412 Nr. 47, in einer kleinrussischen Kolberg Pokucie
IV, 46 Nr. 9 und endlich noch bei den mohammedanisierten Bulgaren Cöophhkx
MKH. IV, 147 Nr. 3. Teilweise noch in einer polnischen aus Posen Kolberg XIV,
18.5 Nr. 43 und in einer kroatischen Strohal I, 61 Nr. 9, wo der Oheim zugleich
Geistlicher ist. Heranzuziehen wäre noch eine kleinrussische Fassung aus
Nordungarn Exaorpa*. 36ipuBK IX, 109 Nr. 59, wo an die Stelle des Oheims
der Bruder getreten ist, er ist ebenfalls Geistlicher. Ob hier ein engerer gene-
tischer Zusammenhang dieser stark verstreuten Fassungen angenommen
werden kann, ist zweifelhaft. Daß dieserVerführer und Verleumder die Stellung
eines Priesters einnimmt, ist sehr stark verbreitet, so bei den Kleinrnssen
rpuHueuKo IIsTb ycTt uapo^a 346 Nr. 323, bei den kleinrussischen Kolonisten in
Südungarn EiHorpa*. 36ipHiiK XXV, 194 Nr. 31, bei den Ljutziner Esten Kallas
183 Nr. 53, bei den Litauern Dowojna Sylwestrowicz II, 440, Bulgaren Illan-
KapcBt VIII — IX, Nr. 120, auch im katholischen Westen in Italien Busk 299
und in Frankreich Pineau Poitou C9 Nr. 8, und noch in mohammedanischen
Fassungen Eoc. Bu.ia II (1S87) S. 237, Künos Stambul 3S3 Nr. 49, Adakaie 142
Nr. 23, Basset Cont. pop. d'Afrique 33 Nr. 12. Vereinzelt finden wir diesen
Mann in anderen Stellungen, als Freund des Vaters des Mädchens lUanKapeEt
Vin — IX N. 7, als Kaufmannsgehilfen des Vaters /loöpoBo.iBCKiö I, 366 Nr. 13,
als Lehrer CnpocipaHOB-B 60 Nr. 13 und in einer toskanischen Fassung Cos-
quin II, 327, als Richter Spitta Bey Cont. arab. mod. SO Nr. 6, als Gemeinde-
vorstand in der armenischen Fassung Chalatianz 42 Nr. 4. CöopHUKt KasKas.
XXIV, 3 S. 123 Nr. 12, als pensionierten Offizier Kulda III, 198 Nr. 26, als
Diener in einer albanesischen Fassung Trnhelka I, 37 Nr. 4; zwei nicht näher
bestimmte Herren übernahmen diese Rolle bei den Heanzen Bunker 3G1 Nr. 102,
ein altes Weib CöopuuK-B muh. X, 165 Nr. 2; eigentümlich ist die slowakische
Fassung Czambel 262 § 141 : da verleumdeten auf dieselbe Weise das Mädchen
die > Heiden«, welche es wegen seines gottesfürchtigen Lebens haßten.
Herr Aug. v. Löwis führt noch andere Märchenstoffe an, so schreibt
er (S. 92) : >Ungefähr die gleiche Rolle wie der Oheim spielt der noch unver-
heirateten Heldin genenüber auch die Frau des Bruders. Die Motivierung
ist gewöhnlich die, daß der Bruder seiner Schwester mit wärmster Liebe
zugetan ist, weshalb seine Frau sich benachteiligt glaubt, und durch die
schwersten Verleumdungen erreicht, daß die Heldin fortgejagt wird». In dem
betreffenden Abschnitt vom deutschen Märchen geschieht davon keine Er-
wähnung, und wirklich ist dieser Stoff auffallenderweise bei den Deutschen
nicht nachgewiesen, obzwar er wieder in Westeuropa auftritt und bis auf
die Insel Mauritius und zu den Suaheli vorgedrungen ist; bei den Südslaven
wurde er bekanntlich zur Grundlage einer Reihe von epischen Liedern, (vgl.
Bolte-PolivkaAnmerk. Grimm K.H.M.I, 306, 310). Auffallend ist des Verfassers
V. Löwis, Held im deutsch, u. russ. Märchen, angez. v. Polivka. 291
Bemerkung (S. 132) »vollständig fehlt R das Drosselbartmärchen»; auf groß-
russischem Boden scheint es freilich unbekannt zu sein, seine literarische
Bearbeitung entstand wonl auf westrussischem Boden, doch ist es bei den
Weiß- und Kleinrussen belegt (Anmerk. Grimm K.H.M. I, 449). Auf S. 117
schreibt der Verfasser »Verbreitet ist auf russischem Boden nur der Typus
'der singende Knochen' und scheint hier seit langem heimisch zu sein, während
die einzige mir bekannte Variante zum Machandelboom (Manzura S. 57) wohl
auf jüngerem Import beruhen dürfte«. Gewiß mit Unrecht, in der Anmerk.
K.H.M. I, 419 habe ich einige klein- und weißiussische Fassungen angeführt.
Bei dem Helden des deutschen Märchens wird »die mehr passive Standhaftigkeit
und Empfindung8losigkeit< hervorgehoben, »gegenüber dem fürchterlichsten
Spuk, den der Held in meist drei Proben über sich ergehen lassen muß, um
dadurch die ihm bestimmte Jungfrau zu erlösen« (S. 40). Von dem Helden
des russischen Märchens hebt der Verfasser aus der Reihe seiner idealen
Eigenschaften »Standhaftigkeit und Furchtlosigkeit« hervor, »verbunden mit
der Fähigkeit, Qualen und Spuk wortlos zu ertragen. In drei Proben wird
der Held versucht und fast übersteigen sie seine Kräfte, aber im letzten Augen-
blick kräht der Hahn und die Gespenster oder die zu erlösende leichen-
fressende Zarentochter sind durch das Dämmern des jungen Tages unschäd-
lich gemacht« (S. 99). Es würde demnach scheinen, als ob der Märchenstoff
von der Prinzessin im Sarg den Deutschen fremd wäre, gewiß irrtümlich, vgl.
neuestens Dr. Hans Siuts Jenseitsmotive 170. — Das auf S. 92 Anm. aus
Afanasjev zitierte Motiv vom Ausbrüten von Knaben aus Eiern kennt gleich-
falls die deutsche Volksüberlieferung, so Vernaleken K.H.M. 73 Nr. 15.
Die Auslegungen des Verfassers vom »Marienkind« (Grimm K.H.M. Nr. 3) sind
nicht zutreffend (S. 46, 106); er führt bloß eine Fassung an, worin das ver-
stockte Mädchen vor dem drohenden Tod sein Vergehen einbekennt, nicht
aber die andere, wo das Mädchen eben durch das hartnäckige Läugnen die
Gevatterin erlöst, vgl. nun die Darlegung Joh. Bolte's in den Anmerk. Grimm
K.H.M. 1, 14 und meine bei denMärchen aus Glatz von Kubin (Povidkykladsk^)
II, 204 Nr. 60 (Närodopisny Vestnik VII Beilage).
Mit vollem Recht hat der Verfasser (S. 76) die besondere Vorliebe des
russischen Märchenerzählers für den stilistischen Schmuck seiner Erzählung
hervorgehoben und als eines seiner beliebtesten Mittel die Namengebung an-
geführt. Er zählt eine große Anzahl von Namen auf, mit welchen die Helden,
seltener die Heldinnen, bezeichnet und vielfach auch charakterisiert werden.
Er erschöpfte zwar nicht das reiche Material, aber führt doch einerseits die
am meisten gebrauchten und die charakteristischsten an und andererseits sind
die Namen glücklich nach Ursprung und Bedeutung gruppiert, wie auch richtig
erklärt, durch gelungene deutsche Übersetzung dem der russischen Sprache
unkundigen Leser näher gebracht. Der Verfasser besprach gleichfalls die
Namengebung der deutschen Märchenhelden (S. 15) und berührte hierbei die
Frage von der Benennung der Helden. Er bemerkte (S. 20): »man wird doch wohl
zögern müssen, die Namenlosigkeit als eine Forderung des neueren deutschen
Märchenstils anzuerkennen und in ihr ein Hauptmerkmal zu erblicken, das
Märchen von Sage scheidet, wie es bisher meist geschehen ist« und stellte die
19*
292 Kritischer Anzeiger.
Fragen: »Sind alle diese Namen Überbleibsel aus einer Zeit, wo jeder oder
doch mindestens jeder bäuerliche Märchenheld benannt wurde, oder istNamen-
losigkeit das Prius gewesen? Haben sich aus der Zeit allgemeiner Benennung
wenigstens die damals allergewühnlichsten Namen (Hans, Peter u. a.) bis in
unsere Zeit hinein erhalten oder sind auch diese erst verhältnismäßig junge
Neubildungen?« Am Schlüsse seines Buches kehrt der Verfasser zu dieser
Frage zurück und kommt zu dem Ergebnis (S. 129), es scheine »nicht als un-
wahrscheinlich, daß auch die ursprünglich individuell gemeinte Namengebung
ein altes Stilmittel der russischen und wohl auch deutschen Märchenerzähler
gewesen sei, das erst im Laufe der jüngeren Entwicklung allmählich zugunsten
der heute typischen Namenlosigkeit aufgegeben worden ist. Hierbei dürften
die Namen Johann (Hans) und Ivan als die geläufigsten und besonders auch
in bäuerlicher Sphäre verbreiteten zuerst aufgenommen oder mit einem Stoff
von außen hereingetragen worden sein, denen später die nie rastende Er-
findungsgabe der Professionals weitere hinzu gesellte um dem Unterhaltungs-
bedürfnis entgegenzukommen . . .«. Dem letzten Satze könnten wir ein Frage-
zeichen beifügen, unserer Vermutung nach könnten mit mehr Recht die
typischen Namen, die Namen welche den Ursprung oder die Eigenschaften
der Helden bezeichneten, für älter und ursprünglich gehalten werden.
Es ist auffallend, daß der Verfasser bei diesen seinen Untersuchungen
die Namen der mit übernatürlichen Kräften ausgestalteten Gefährten des
Helden überging. In den deutschen Fassungen haben sie freilich keine eigent-
lichen Namen, sondern werden nach ihren Eigenschaften und Künsten be-
nannt, wie Jäger, Bläser, Laufer (Grimm Nr. 71) Scharfschütz, Schnellläufer
(Curtze 76), Tannendreher, Felsenklipperer (Grimm Nr. 16ti), Steenklöwer,
Bretsager, Holtklöwer (Müllenhoff 437), Bergschieber, Baumausreißer, Stein-
hauer (Jahn 121), selten sindNamen, die schon wie wirkliche Namen umgestaltet
sind: Blasius Pausback (Simrock D.M. 186), Mülstäan-Hans'l, Hulzhacka-Sepp'l
(Blinker 298).
Auch in den russischen Fassungen sind die Gefährten nach ihren Künsten
und Fähigkeiten benannt, tragen Namen die sonst im Sprachgebrauch geläufig
sind, doch sind diese Namen größtenteils umgestaltet, daß sie wirklichen
Namen gleichen. Soz.B.klruss.Sluchälo, Objidalo, Obpyvalo (Pya'ieHKo
II, 80), Posovajlo, Pojidajlo, Popyvajlo (Nowosielski I, 271); wruss.
Objidalo, Obpivalo (PoManoBt VI, 261), Abzora, Abpojik {Jioo-poBOJi-h-
ckIü I, 429), Vodopoj, Prozora (PoMauoBt III, 131). Ähnliche Bedeutung
hat gewiß auch Devet'pil (OaiyK. 96) etwa , der Neuntrinker'. Dem deut-
schen Tannendreher u.a. entsprechen die kleinruss. Vernydub, Verny-
hora (MaHHvypa 43, ^lyöuHCKifi II, 265), Verny voda (^lyouHCKift II, 266), wruss.
Irvidub, Vjarnihora (PoMauoBi. III, 70), Vjarnikamin (IIIeiiHi. II, 112),
Vjarnihor, Lomikamjan, Lomizjalezo (PoManoBi, III, 76), auch klruss.
Vertodub, Vertohor (x^eaH.s I, 69), Eozomnyzelizo, Rospychahora
Zahatyvoda (ilparoMaHost 1,257), wruss. Zapryhora, (Federowskin,332!,
Zapryvod (PoMaHOB-i. VI, 320), grruss. Gorokat (OHiyKOBi 96), klruss. Try-
kamin (IIIyxeBHq91,115),Rozlyjvoda (ib.91), Hnybuk (ib.ll5); wruss.Dov-
hosost (PoManoB-B VI,261) bedeutet dasselbe wie sonst Skorochod [Aeana-
V. Löwis, Held im deutsch, u. russ. Märchen, angez. v. Polivka. 293
ci.eBx3l, 186). Dafür finden wirnochwruss.Hara vi k, Dubavik (Ao6po6ojii,cKiH
1,430, PoManoBT. VI,35G), Horovik (ib.VI, 273), Dub-Dubovik, Hora-Ho-
ro vik (ib.VI, 340), neben D üb ovik noch Durovi k (IIIeiiin,lI,8t)), vereinzelt
grruss. Gornik (AeauacLou-i, I, 176), wruss. Kamjannik (PoMaiioBi. III, 70).
Kecht häufig sind die Namen Goryha,Dubyha (Dp.icuBeiiHi. 127, XysAKOBt
11,40), auch als Deminut. Goryhuska,Dubynuska (AeanacieEx 1, 1 76), gleich-
gebildet sind die vereinzelten Lesiha und Jeleha (von cüb Tanne, ib.), noch
Dugiha(xoTL KaKoc ÄepcBO TaKiB-BAyry corHeTt Aean. 1, 178). Anders gebildet
wruss. Horyn, Dubin, Kamin-bohatyr (PoiiaHOB-B VI, 12-5), auch Horun
(o^HCTHTciL ropi., ib.321). Auch bloße Adjekt. kommen vor: wruss. Horovej,
Lesovej (PoMaHOBt VI, 137). An einer Stelle (ib. VI, 147) lesen wir statt
Vernihora den Namen Rasetnikov, wie wäre der zu erklären ? Sehr charak-
teristisch ist der Name Usyna (Aean. I, 176, Sp-iciiBefiiit 127), Vusyha >mit
dem einen Schnurrbart hält er den Strom, mahlt auf zwölf Steine, und den
anderen hält er unter dem Himmel (PoMaHOBt III, 131, ähnlich ^oöpoEo^BCKiä I
436). Klr uss. heißt dieser Held P r u t y u s > er warf über das Meer seinen Schnurr-
bart und die Menschen gehen so hinüber« (Manacypa 43), auch Prudyvus
»mit seinem Schnurrbart hieb er die Gipfel der Bäume ab< (HyöuHCKiii I, 213),
Kruty vus (itparoManoBT, 256), wruss. noch Zapryüa »er schloß denMenschen
das Wasser ab und ließ es nicht« (Federowski II, 332). Der Name Zlatovus
(PoManoB-b III, 70) ist wohl verderbt. Vereinzelt hat der Held den ganz ein-
fachen Namen Vusac (PoManoBi. VI, 119).
Außerdem treten im russischen Märchen noch Personifikationen der
Naturmächte auf: der Wind und der Frost (Nowosielskil, 271, Kolberg Pokucie
IV, 100), der Frost, der Hunger und die Dürre »Posucha« (AparoManoBt 274);
der Frost »Moroz« heißt auch Studenec (AeaH, I, 169), oder hat den Namen
cholobzda (cHiroM na ;i;i!ip xoacy ^lyöuncKiß II, 265, Hrincenko hat nicht das
Wort in seinem Wörterbuch, es ist vielleicht eine Zusammenrückung von
cholod- und bzdity , (Ösao bei Hrincenko raati bt. acejyaKi, Birpti). Stellen-
weise haben die Helden auch Tiernamen: Fliege, Habicht (Nowosielskil, 271)
Lysyja Mucha (PoMaiiout VI, 261)i).
Aber hie und da sind die Gefährten des Helden nicht mit besonderen
Namen bezeichnet, z. B. bei Oncukov 215, 265. Namen dieser Art wie Verni-
gora, Vernidub, Lomizelezo u. a. sind nicht beschränkt auf die russischen
Märchen, sondern kommen auch in polnischen und slowakischen Fassungen
vor, ja sogar die südslawischen, besonders serbischen Fassungen können sich
mit ihnen ausweisen. Doch von weiteren Ausführungen über dieses Thema
müssen wier hier ablassen.
Am Ende seines Buches (S. 125) hat der Verfasser die Resultate seiner
Untersuchungen zusammengefaßt und eine allgemeine Charakteristik der
') Einige wenige dieser Namen sind nach Tupikov CjioBapi. ÄpeBiie-pyc-
cKHxi, .iHiHtixT. coöcTBeHHtixT. HMeHT. aus ältcrcr Zeit belegt: Vetr 1495, Golod
1654, Gornik 1601, Gorjun 1565, Dubina 1495 u. a., Dubovik 1661, Moroz sehr
oft im 16.— 17. Jh., Mucha 1500 u. a., Skorochod 1500 u. a., Usac 1654 neben
öfteren Us, Usatoj, Jastreb 1577.
294 Ej-itischer Anzeiger.
deutschen und russischen Märchen gegeben. In dem Eingange seiner »Ergeb-
nisse« hob er hervor, wie wichtig für den Volkskundler und Märchenforscher
der heimlich belauschte Vortrag des Erzählers sei und die Kenntnis der
Wirkung des Erzählten auf den Ilörerkreis. Unsere Sammlungen lassen hier
den Forscher fast durchgehends im Stich; am besten sind hier, wie auch in
manch anderer Hinsicht, die Märchensammlungen Rozdol'skyjs und Hnatjuks,
aber unserem Verfasser waren sie oflfenbar nicht zugänglich. Was seine Cha-
rakteristik des deutschen und russischen Märchens betrifft, wird man im
großen und ganzen mit derselben übereinstimmen können. In Einzelheiten wird
weitere Forschung manchen Strich umgestalten, verbessern, retouschieren oder
auch hinzufügen, respektive streichen müssen. Das bleibende Verdienst desH.
V. Löwis ist, das russische Märchen dem fremden Publikum näher gebracht,
verständlicher und, wie wir hoffen, auch lieber gemacht zu haben, und be-
sonders, das betrifft auch unsere heimischen, slawischen gelehrten Kreise, zu
neuem, intensiveren Studium des Märchens von neuem Standpunkte aus an-
geregt zu haben.
Prag, April 1913. G. FoKoka.
Dr. Vladimir Corovic, Serbokroatische Grammatik. Berlin und
Leipzig (Sammlung Göschen Nr. 638), kl. 8«, 100 S.
Diese zeitgemäße Publikation entspricht einem schon lang gefühlten Be-
dürfhisse nach einer guten, deutsch geschriebenen Grammatik dieser Sprache,
die insbesondere infolge der allerletzten Ereignisse eine viel größere Bedeu-
tung und Wichtigkeit gewinnt, daher auch unter den Deutshen von nun an
voraussichtlich viel mehr wird gelernt werden, als dies bis jetzt der Fall war.
Da die Grammatik zu der bekannten Sammlung gehört, so mußte sich C. selbst-
verständlich an den für letztere festgesetzten Plan halten, hat daher eine
knappe Darstellung der wichtigsten Erscheinungen der Sprache selbst ge-
geben, die vor allem dem gebildeten deutschen oder deutsch lesenden Publi-
kum zugedacht ist, ohne den Zweck zu verfolgen, zu gleicher Zeit einen prak-
tischen Unterricht zu erteilen. Speziell hat der Autor vielfach die Russische
Grammatik Bernekers berücksichtigt, die als die erste (und bis jetzt einzige)
grammatische Darstellung einer slavischen Sprache in derselben Sammlung er-
schienen war; es wird daher auch von C. eher zu viel als zu wenig der slavisti-
sche Standpunkt hervorgehoben, denn für Slavisten oder Linguisten ist das
kleine Werk gewiß nicht bestimmt — für Leser dieser Art enthält es allzu-
wenig! — , und dann sind die wenigen Bemerkungen über das Verhältnis der
sbkr. Laute zu den »vorslavischen«, »ursprünglichen«, »alten», »einstigen«
Lauten (S. 9) ganz überflüssig, wie auch die sporadischen Erwähnungen von
Unterschieden zwischen der Literatur- und Volkssprache (z. B. auf S. 27 über
HoaceM-HOHcoM) entbehrlich sind. Dagegen wäre es sehr wünschenswert ge-
wesen, daß der schon bei Berneker sehr knappe dritte Teil (»Das Wichtigste
aus der Syntax«) nicht noch knapper ausgefallen wäre (im ganzen 12 Seiten!);
wenigstens die Hauptpunkte in bezug auf den Gebrauch der Verbalformen und
Corovic, Serbokroat. Grammatik, angez. v. Resetar. 295
der Satzbildung hätten erwähnt werden sollen, denn dies gehört entschieden
zum »Wichtigsten aus der Syntax«.
Somit enthält das Werk in der Hauptsache nur eine Darstellung der sbkr.
Laut- und Formenlehre, die im Großen und Ganzen erschöpfend und richtig
ist, was bei einem so guten Kenner der sbkr. Sprache wie C. so gut wie selbst-
verständlich ist. Allerdings im Detail wird manches bei einer neuen Auflage
ausgebessert werden müssen, für die der Autor hoffentlich auch die notwen-
dige Zeit zur Verfügung haben wird, was bei dieser ersten Auflage nicht der
Fall gewesen zu sein scheint, da die meisten einer Korrektur bedürftigen
Stellen auf allzuhastige Ausarbeitung (vielleicht handelte es sich um eine
Terminarbeit!) oder auf sehr schnelle Lesung der Bürstenabzüge zurückzu-
führen sind. Auf diesen letzteren Umstand möchte ich vor allem die häufigen
sehr störenden Fehler in der Akzentbezeichnung zurückführen, obschon auch
falsche Akzentbezeichnungen vorkommen, die nicht auf diese Weise erklärt
werden können, so z. B. wenn auf S. 23 Hüko (es sollte heißen Hiino] unter
den Beispielen für den langen fallenden (!) Akzent angeführt wird. Außerdem
mache ich noch auf einige Stellen aufmerksam: das auf S. 7 formulierte Gesetz,
daß urslav. e im jekavischen Dialekte, das »vor einem Vokal oder vor den Konso-
nantenj und (^zu stehen kommt, immer regelmäßig zu jwird«, ist nichtrichtig:
nur vor 0 (aus silbenschließendem/) und 7 und nur außerhalb der Komposi-
tion wird e zu i: vidio [videh], grijati[grejati); vor r? bleibt das e erhalten: reiti-
rj'edi; vjeda-veäa. Bei Anführung der Überreste des Dualis (S. 25) hat C. ge-
rade auf die gewöhnlichste Dualform vergessen: dta hrata usw.; es ist daher
nicht richtig, wenn er (S. 57) sagt: »nach dm, mj)ü, nemupu steht das zugehörige
Substantiv im gen. Sg.«: dca brata ist eben der Nom. acc. des Dualis, eben-
so dva imetia, wobei die Neutra die Endung -a der Masculina angenommen
haben; die <;- Stämme hingegen haben in diesem Falle den Dualis durch den
Nom acc. pl. ersetzt: dvije (ßace (der Gen. Sg. lautet ja (jldve\]. Was aber auf
S. 26 gegen die Aufstellung von Genusregeln vorgebracht wird, ist vollkommen
unbegründet, es lassen sich vielmehr sehr einfache Genusregeln aufstellen,
wobei es nur genügt, darauf aufmerksam zu machen, daß von den im Nom. sg.
konsonantisch auslautenden Substantiven eine relativ geringe Anzahl weib-
lichen Geschlechtes ist. Ganz unzulänglich ist, was auf S. 57 über die Haupt-
zahlen auf -tVa und -ero gesagt wird; zunächst sollte man nach der vorliegen-
den Textierung meinen, daß für die Zahlen 2 — 4 die entsprechenden Formen
[dünjica, dvoje usw.) nicht vorhanden seien, dann wird daraus niemand (der es
nicht schon weiß!) klug, wie und wann man diese Hauptzahlen im Sbkr. an-
wendet. Schwach im Allgemeinen ist die Darstellung der Bildung der Verbal-
formen ; zunächst hätte auf den besonders bei den sekundären Verben so wich-
tigen Unterschied zwischen Präsens- und Infinitivstamm aufmerksam gemacht
und genau gesagt werden sollen, von welchem Stamme die einzelnen Formen
gebildet werden; besonders mangelhaft ist die Erklärung der Bildung des
Aoristes und Imperfektums — dieser beiden Formen, die auch den meisten
Slaven fremd sind — , dann des Verbalsubstantivs (S. 84) ; wie Ö. die Sache
darstellt, kann der Lernende nicht wissen, ob z. B. das Imperfekt und der
Aorist vom Infinitiv zvati, vidjeti, kujiovafi oder vom Präsens zovem, vidim,
296 Kritischer Anzeiger.
kupujem gebildet wird. Charakteristisch aber für die Eile, mit der das Buch
geschrieben wurde, ist der Umstand, daß Ö. (auf S. 60), wohl nach Bernekers
russischer Grammatik, auch von einem Partizip praes. passivum spricht
und 'S. 66) bjeh zu den Aoristformen rechnet. Auch das, was über hudem als
»Futurum< (S. 75), sowie als Hilfszeitwort zur Bildung des zusammengesetzten
Futurums (S. 77) gesagt wird, müßte gründlich geändert werden, denn sonst
könnte jemand wirklich glauben, daß >6yjeM Aohu-ich werde kommen« auch
in Hauptsätzen möglich ist! Dies und noch anderes sollte eben im Kapitel
»Das Wichtigste aus der Syntax« auseinandergesetzt werden. Ich glaube so-
mit schon durch diese wenigen Bemerkungen mein Urteil begründet zu haben,
daß das Buch zu schnell verfaßt und zu flüchtig korrigiert worden ist.
M. Ri setar.
Die Namen Wiens (aus den Berichten und Mitteilungen des
Altertumsvereins zu Wien. Bd. XLV, S. 3—57).
Der ungenannte Autor sucht die Namen zu erklären, die der Stadt Wien in
den verschiedenen Sprachen zukommen. Inbezug auf den Namen Vindobona
akzeptiert er, im Gegensatze zu Grienberger, die schon von Zeuss gegebene
Erklärung und deutet auch die älteste deutsche Form Vienne als keltisch
vienne »grabenartige Vertiefung, Wildbach«, womit — was schon von ande-
ren angenommen wurde — ursprünglich der Fluß Wien und nach diesem die
Stadt bezeichnet worden sei. Inwiefern diese Deutung des Namens Wien aus
dem Keltischen begründet sei, sollen andere beurteilen; für unsere Zeitschrift
ist am wichtigsten die vom Autor gegebene Erklärung der slavischen Namen
Wiens, wobei er vorzüglich den böhmischen Namen Vi den und den serbo-
kroatischen Bec berücksichtigt, denn die übrigen (Biiia im Russischen,
BaeHaim Bulgarischen und Dunaj, eigentlich >Donau« im Slovenischen) be-
dürfen keiner Erklärung. Während nun Grienberger, nach begründeter Zurück-
weisung der von Miklosich angenommenen Identifizierung des böhm. Viden
mit dem Namen des Bezirkes Wieden, an dem slavischen Ursprünge des
Namens festhält, verteidigt unser Autor sehr eifrig die Ansicht, daß umgekehrt
der böhmische Name aus dem deutschen Vienne durch Dissimilation des
->m- zu -dn- entstanden sei. Er sucht diese Ansicht durch den Hinweis zu be-
kräftigen, daß >das Cechisch-Slovakische eine gewisse Neigung zur Kombi-
nation dn aufweist (S. 45)«, was entschieden unrichtig ist, denn das ^echische
nimmt in dieser Beziehung absolut keine Sonderstellung unter den slav.
Sprachen ein. Überhaupt hat der Autor sehr konfuse Begriffe von slavischen
Lautgesetzen, so daß sein Mut, über slavische Wortformen zu urteilen, sehr
befremdet; ich erwähne, daß er z. B. das d in böhm. dlouhy für sekundär
hält (S. 46), und in den >Nachträgen« als schlagendes Beispiel für die Ent-
wicklung eines ebensolchen sekundären d vor n cech. prazdno gegenüber
sbkr. prazno anführt!! In Fragen somit, wo eine noch so bescheidene Kennt-
nis der slav. Lautgesetze notwenig ist, kann der Autor nicht mitreden; er hat
somit die Behauptung Grienbergers garnicht entkräftet, daß es viel leichter
ist, das deutsche Vienne aus dem böhm. Viden durch Assimilation des -dn-
Die Namen Wiens, angez. v. Resetar. 297
zu -WM- als umgekehrt Vi den aus Vienne durch Dissimilation des -7in- zu
•dn- zu erklären. In der Tat dürfte es kaum gelingen aus irgend einer slav.
Sprache ein Beispiel zu finden, wo auf diese Weise aus -nn- ein -dn- entstanden
wäre. Man darf ferner nicht vergessen, daß das n im böhmischen Namen pa-
latal, im deutschen dagegen nicht palatal ist; es ist somit auch von dieser
Seite wahrscheinlicher, das der deutsche Name aus dem böhmischen geflossen
ist, als umgekehrt, denn es ist jedenfalls wahrscheinlicher, daß die Deutschen
das ihrer Sprache fehlende n durch ihr «, als daß die Slaven das aucli im Sla-
vischen so gewöhnliche n durch ein ü ersetzten. Solange also nicht aufbessere
Art die Möglichkeit der Entwicklung der böhmischen Form aus der deutschen
begründet wird, wird man wohl bei Grienbergers Annahme bleiben müssen,
daß die letztere Form aus der ersteren abzuleiten ist. Ist das aber richtig,
dann ist dies selbstverständlich ein sehr gewichtiges Argument für die vielfach
(auch von deutschen Forschern) vertretene Ansicht, daß vor der Besitzergreifung
Niederösterreichs durch Karl den Großen das ganze Land von Slaven be-
wohnt war.
Was ist aberViden? Da wir jetzt wissen, daßWieden sachlich und
sprachlich in keinem Zusammenhange damit steht, so suchte Grienbergerauch
dafür ein slavisches Etymon und wollte den slav. Namen Wiens mit slav.
vedro >Eimer« in Zusamenhang bringen, was aber wenig überzeugend ist.
Deswegen möchte ich auf eine von Wessely in den Blättern des Vereines
für niederösterr. Landeskunde Bd. 27, S. 125, ausgesprochene An-
sicht zurückkommen, daß der böhm. Name direkt auf Vindo bona zurück-
gehe, indem W. annahm, das ü der altböhm. Form Vieden sei aus slav. f für
fremdsprachiges iti entstanden. Die Möglichkeit einer solchen Annahme ist
um so mehr zuzugeben, als es hinlänglich bekannt ist, daß im Slav. aus fremd-
sprachigem in ein f werden kann (ktnezi. usw.); daß aber speziell die Böhmen
anch zur Zeit, als sie mit den Deutschen in Berührung kamen, also nachdem
sie in Böhmen usw. sich niedergelassen hatten, ans fremdsprachigen Laut-
verbindungen Nasale, bezw. deren böhmische Reflexe entwickeln konnten,
beweisen uds Beispiele wie Chub bei Kosmas aus deutschem Kamb durch
Vermittlung von *Chob (vgl. Gebauer, Eist, mluvn. I, 44). Sonst würde die
Entwicklung der fremdsprachigen Silbe vind- zu böhm. vied- durch Ver-
mittlung eines ved- keinen Schwierigkeiten begegnen, denn die älteste böhm.
Form des Namens ist Wyednye (aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrb.),
also nach der neueren Graphik Viedne, d. i. Viedne, worauf sich erst im
Nom. Acc. sg. die nach Art der i-Stämme gebildete Form Vied eh (gen. fem.!)
und aus dieser nach dem bekannten böhm. Lautgesetz das gegenwärtige Vi d e ii
entwickeitel). Da also hinter dem f eine weiche Silbe folgte, so wurde im
Böhm, aus *Vedna eben Viedne und nicht etwa *Vadna, wie auch z. B. von
urslav. vedn9ti im Infinitiv im Altböhm, wohl ein vadni'iti mit a vor der
1) Auf dieser Form Vieden-Videh beruht das poln. Wieden, bezw.
(wie mich Brückner aufmerksam macht) das altpoln. Vi den, das als Masku-
linum aufgefaßt wurde, was übrigens auch in böhm. Dialekten Mährens und
Schlesiens, sowie im Slovakischen geschehen ist.
298 Kritischer Anzeiger.
harten Silbe -dnu-, aber in der 2. eg. praes. vednes mit e vor der weichen
Silbe -dn es wurde. Dadurchistnnr die Möglichkeit erwiesen, das böhm.vied-
direkt auf vind- zurückzuführen; somit gewinnt auch die Annahme an Wahr-
scheinlichkeit, daß das ganze Vi e d n e in ultima analysi doch auf Vindobona
zurückgehen kann; allerdings stehen die beiden Formen ziemlich weit von-
einander, doch, um ihr Verhältnis richtig auffassen zu können, müßten wir
zuerst wissen, wie zur Zeit, als die Böhmen auf die Stelle kamen, wo jetzt
Wien steht, der Name des Flusses, bezw. der Ortschaft (wenn es eine solche
zu der Zeit gegeben hat !) im Munde der Leute lautete, welche dort von den
Böhmen vorgefunden wurden, das aber wissen wir eben nicht! Daß aber geo-
graphische Namen beim Übergehen von Volk zu Volk häufig sehr stark um-
gemodelt und auch verstümmelt werden, ist eine genügend bekannte Tatsache;
als ein klassisches Beispiel hierfür kann der Name der römischen Stadt
Aquae Sextiae in Südfrankreich dienen, der im Französischen zu Aix,
nach der heutigen Aussprache ciks oder auch nur äs zusammengeschrumpft ist!
Bezüglich des sbkr. Namens Bec ist der Autor auf den wenig glück-
lichen Gedanken gekommen, von dem allgemein angenommenen ungarischen
Ursprünge des Wortes abzusehen, angeblich weil letzteres aus dem Ungari-
schen nicht erklärt werden könne, und hierfür ein slavisches Etymon zu suchen.
Was nun die erstere Frage anbelangt, so vergleiche man, was darüber Simonyi
im Werke Die ungarische Sprache (Straßburg 1907, S. 92) sagt, woraus
hervorgeht, das Becs als >Wien< mit dem Appellativum becs, das den
äußersten Teil einer Ortschaft bedeutet, identisch ist. Jedenfalls ist diese
Etymologie viel sicherer als die vom Autor vorgeschlagene, der Bec mit slav.
bezati in Zusammenhang bringen möchte, — eine Etymologie, die nur von
jemand aufgestellt werden kann, der e von e (i) im Slavischen nicht genau zu
unterscheiden vermag, und zu deren Begründung dervollkommen unbegründete
Satz garnicht beiträgt, daß die vor der Ankunft der Magyaren in Pannonien bis
in die Nähe Wiens lebenden Slaven >der Hauptsache nach Kroaten (S. 52)« waren,
die den (NB. aus bezati gebildeten!) Namen Bec den Magyaren übergeben
hätten. — Insofern sich also der Autor mit dem slavischen Namen der Stadt
Wien beschäftigt, bedeutet seine Schrift absolut keinen Fortschritt, denn
weder hat er die von Grienberger vorgebrachte Ansicht umgestoßen, daß
Wien aus Vieden, und nicht umgekehrt, abzuleiten sei, noch hat er mit
sprachlichen oder historischen Argumenten wahrscheinlich gemacht, daß die
bei den Serbokroaten übliche Benennung Bec einheimischen und nicht ma-
gyarischen Ursprunges sei. 31. liesetar.
V. Hruby: Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen.
Ein praktisches Behelf, alle slavischen Sprachen in Wort und
Schrift zu verstehen. A. Hartlebens Verlag. 2 Mk. (Ohne Jahr).
Die bei Hartleben erscheinende >Bibliothek der Sprachenkunde« ent-
hält Grammatiken und einige Wörterbücher auch der wichtigeren slavischen
Sprachen. Freilich sind diese von recht verschiedenem Werte, z. B. möchte
Hruby, Vergl. Grammatik d. slav. Sprachen, angez. v. Hanisch. 299
ich weder die polnische noch die russische empfehlen: fürs Eussische ist bei
noch größerer Billigkeit Bernekers kurzes Lehrbuch und seine Chrestomathie
in der »Sammlung Göschen« eine ungleich bessere Einführung. Besser sind
die »Grammatik der böhmischen Sprache« von Kunz, obwohl ich das gänz-
liche Fehlen der Syntax doch für bedenklich halte, dann die Behandlung des
Lettischen von Brentano. In Hruby's Vgl. Grammatik haben wir, bei manchen
Einwendungen im einzelnen, ein treffliches Buch, welches seinen Zweck, den
praktischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, gut erfüllen wird.
Der Verfasser hat bereits eine »praktickä rukojet srovnavaci jazykuv slo-
vanskych« herausgegeben, welche gute Aufnahme gefunden hatte: die »Vgl.
Grammatik der slav. Sprachen« ist nun eine verbesserte Bearbeitung jenes
Werkes. H. will nun allen denen ein praktisches Hilfsmittel in die Hand
geben, welchen es auf das Verstehen (nicht auf das Sprechen) der Slavinen
ankommt. »Indessen konnte das Bedürfnis der studierenden Jugend, sowie
das Bedürfnis derjenigen, welche zum Zwecke des Studiums der Slavistik
einer kurzgefaßten, übersichtlichen Materialiensammlung benötigen, nicht aus
den Augen gelassen werden. Doch geschieht dies in einer Art, daß der
praktische Zweck darunter nicht leide«. Diese Bemerkung rechtfertigt die
Erwähnung des Buches auch im »Archiv f. slav. Philologie«.
Nach einer kurzen »Einleitung« (pg. 2—6) wird im ersten Abschnitt
(pg. 7 — 89) die Lautlehre behandelt und zwar zunächst in vergleichender
Weise (pg. 7 — 32) und dann in Beziehung auf jede einzelne Sprache (pg. 33 bis
89), nämlich: Czechisch, Polnisch, Serbisch und Kroatisch, Slo venisch.
Großrussisch, Kleinrussisch. Nur anhangsweise (pg. 168 — 184) ist »Lausitzisch«
und Bulgarisch abgetan.
Der zweite Abschnitt (pg. 89—168) enthält im allgemeinen Teil (pg. 89
bis 99) das Wichtigste aus der Flexion, Wortbildung, sowie syntaktische und
phraseologische Bemerkungen, während pg. 100—168 die diesbezüglichen Be-
sonderheiten der einzelnen Slavinen zur Sprache kommen. Kurze prosaische,
einige poetische Lesestücke dienen zur praktischen Einübung der gegebenen
Eegeln. Bei der Anordnung des Lehrstoffes ist zu beanstanden, daß in dem
ersten, die Lautlehre behandelnden Abschnitt »Grammatikalische Vor-
bemerkungen über Hilfszeit-, Bei- und Fürwörter« (pg. 30—32) untergebracht
sind, während umgekehrt im zweiten Abschnitt -h und b und ähnliche lautliche
Dinge (pg. 89 — 92) an der Spitze stehen. Der Grund dieser Prinzipiendurch-
brechung liegt offenbar darin, daß der Verfasser von der Theorie der Praxis
zuliebe abweichen wollte. In der Transkription sind gelegentliche Versehen
unterlauten, ich finde z.B. pg. 11 als polnisch eine Schreibung: zywe, pg. 12 des-
gleichen ein zyciem und ein zydzieta u. a. m. Im ersten kleinrussischen Lese-
stück (CjoBiiHw pg. 13) begegnet das e, dessen Erklärung hier aber fehlt. In
der vergleichenden Tabelle pg. 21 f. ist es doch durchaus unzulässig als
kirchenslav. Formen zu geben : m-Lch, ottc, pe8T.k usw. aber Ixzl, di.ni., ognt,
slad-ikt, dtski. usw. Bei Erwähnung des russischen Volllautes (oro, olo, ele,
ere) pg. 25 hätte die Erklärung, wenn schon auf den Akzent verwiesen wird,
doch etwas deutlicher ausfallen dürfen, als nur andeutend (und wohl für viele
Benutzer des Buches rätselhaft) : »bei den Beispielen (sbk., pol., russ.) beachte
300 Kritischer Anzeiger.
man den Akzent, weil sich daraus der Grund des Tonwechsels ergibt«. Die
südslavischen Aorists- und Iraperfektsbildungen sind pg. 129 f. ohne jede Be-
ziehung zum Ksl. und anderen Slavinen rein deskriptiv dargestellt.
Manche Redewendungen hätten besser vermieden werden können, so
z. B. pg. 152 : »Das Russische liebt Komposita« oder gar pg. 140: >Das Slove-
nische hat gegen den freien Instrumental eine Aversion«. Solche Wendungen
gemahnen an die Zeiten, in denen der Sprachgeist in den Grammatiken sein
Wesen trieb — , das schreckhafteste Beispiel dafür ist mir: Szreniawas Wort-
forschungslehre der polnischen Sprache. Auch ist zu beanstanden: »Unter
den . . . Voraussetzungen . . . übergehen sie . . . in die weicheren Vokale«
(pg. 40 u. oft). Allerdings findet man diesen undeutschen, manirierten Ge-
brauch von >übergehen« jetzt schon recht häufig. Der grammatische Fehler
auf dem Titelblatt: »Ein praktisches Behelf« müßte in einer Neuauflage, in
der auch noch einige unbedeutende Druckfehler (die im Verzeichnis nicht alle
aufgenommen wurden) beseitigt werden könnten, verbessert werden.
Im ganzen haben wir es aber doch mit einem, seinem Zweck durchaus
entsprechenden Buche zu tun, welches zur weiteren Verbreitung slavistischer
Kenntnisse unter den Deutschen recht geeignet ist. »Eine ,slavische Chresto-
mathie' nebst einem Differenzialwörterbuche soll binnen kurzer Zeit nach-
folgen« versichert der Herr Verf unseres (ohne Jahreszahl erschienenen)
Werkes: ich warte schon über ein Jahr darauf, doch hoffe ich, daß das Ver-
sprechen bald in Erfüllung geht.
Beuthen 0,S. E. Hanisch.
Staroslo van. Vierteljahrsschrift zur Pflege der altslavischeu Sprache,
Geschichte und Kultur. — I. Jahrgang, I. Heft mit einer Beilage:
1. Bogen des Werkes »Slavische Kunendenkmäler«, Kremsier 1913.
Druck und Verlag von H. Slovak in Kremsier, in Kommission bei
Fr. Ilivnac, Prag.
Das erste Heft dieser neuen Zeitschrift ist am 15. März 1913 erschienen
und enthält auf den ersten sieben Seiten das Programm, welches mit folgen-
den Worten beginnt: »In einer unruhigen, waffendröhnenden Zeit, hervor-
gerufen durch die strebsamen Slavenstämme auf dem Balkan . . . reifte die
Idee zur Gründung der Zeitschrift und Bibliothek »Staroslovan« (= >Alt-
slave«). Auch wir treten hier in einen Kampf der Selbsthilfe . . . mit den
Waffen des Geistes, um den Widerstreit der Meinungen zu nivellieren und
der Erkenntnis jener aus dem inneren, naturgesetzlichen Werden hervorge-
gangenen weltgeschichtlichen Tatsachen eine Auferstehung zu erkämpfen, die
sich aus eigener Kraft nicht zur universellen Geltung emporzuringen vermag.
Das Kampfobjekt ist hier die Frage: sind die Slaven Stammbewohner in Eu-
ropa oder nur Einwanderer, d. h. wie soll man sich die schwere Menge sla-
visch-sprachlicher Belege in Europa aus dem Altertnme erklären, wenn die
Slaven erst im V. Jahrh. n. Chr. dahin eingewandert wären?« Es wird nicht
gleich ersichtlich sein, inwiefern die Lösung dieser Frage — wenn man näm-
lich das eine Frage nennen will — die Neugründung einer Zeitschrift recht-
Staroslovan. Vierteljahrsschrift, angez. v. Hanisch. 301
fertigen könnte, zumal auf der letzten Einbandseite vom Verlage ein einschlä.
giges Buch empfohlen wird: Zunkovic , >Die Slaven, ein Urvolk Europas<.
Verständlich wird das aber gleich durch das Folgende: »Die Berufswissen-
schaft dilettiert leider viel zu viel mit ungeprüften Traditionen; das selbstän-
dige, systematische Nachdenken bildet selten mehr die Grundlage für den
Aufbau streng wissenschaftlicher Führungsaufgaben, daher es kommt, daß
ein voreingenommenes, schulmechanisch fortwirkendes Urteil oft umso toll-
kühner verteidigt wird, je haltloser sich dasselbe gestaltet, nur um sich das
Umlernen zu ersparen.« In diesen kräftigen Worten liegt die tiefere Begrün-
dung für die Notwendigkeit der neuen Zeitschrift: es handelt sich nicht allein
um jene Frage, sondern um einen Kampf gegen die Schlamperei , von der die
heutige Slavistik ergriffen ist, um ein Eingen nach neuen Grundlagen, um
einen Feldzug gegen »die Irrlichter dieser geistigen Desorientierung« (S.2) der
Gegenwart.
Mit S. 8 beginnen die Abhandlungen, so: »Topische Namen der altsla-
vischen Wurzel >cer<, »Slavische Glossen in der 'Lex Salica'«, >Slavische Ge-
schichtsquellen I« (hier handelt es sich um »L. A. Gebhards Vorrede zur
Geschichte aller wendisch -slavischen Staaten', Halle 1790, die zu Nutz und
Frommen der Slavistik von Herrn Dr. A. Kovacic abgedruckt und 'erläutert'
wird, um zu zeigen, »inwieweit sich die Ansichten seither zu Ungunsten der
Slaven ohne sichtbaren Grund geändert haben«), »die Ratfelstettner Zollord-
nung«, »die Azbuka in der Edda«, »Schwayxtix. — Ein Schulbeispiel ober-
flächlicher Forschungspflege«, »Jus primae noctis bei den Slaven«, dazu kom-
men noch verschiedene Kleinigkeiten. Dabei zeigt sich, daß den Hauptanteil
an diesen Darbietungen Herr M. Zunkovic hat; er ist der eifrigste Mitarbeiter
der neuen Zeitschrift, in ihm dürfen wir daher wohl auch den geistigen Nähr-
vater der neuen Richtung sehen.
Herr M. Zunkovic ist den Lesern dieser Zeitchrift noch aus Bd. XXXIII
578 ft'. bekannt, wo Jagiö seinen Versuch, die Grünberger und Königinhofer
Handschrift für echt zu erklären abwies. Auch die neue Zeitschrift behandelt
diese längst gelöste Frage S.71 f. im Zunkovicschen Sinne, d. h. also: sie ver-
tritt durchaus die Echtheit der »herrlichen altböhmischen Dichtungen«.
Unter diesen Umständen, und wohl doch überhaupt bei der prinzipiellen
Gegnerschaft gegen die »Berufswissenschaft« ist es nur selbstverständlich,
wenn Herr Zunkovic in einer längeren Anmerkung S. 56 die volle Schale seines
Zornes ausgießt über eine Erklärung von 52 Professoren und Dozenten der
böhmischen Universität in Prag, die am 3L Dezember 1911 diese Hand-
schriften als zweifellos gefälscht hinstellten. Herr Zunkovic muß diesen
Herren insofern alle mildernden Umstände für ihre Schuld von vornherein
versagen, als es sehr wahrscheinlich ist, »daß möglicherweise kein einziger
dieser Manifestanten je im Leben die »gefälschten« Handschriften selbst
näher gesehen oder gar eingehend studiert hat«, da nämlich in den letzten
20 Jahren nur drei, vielleicht vier Personen diese Kuriosa besichtigt haben.
Man weiß hierbei wirklich nicht, ob dieser Grund der wissenschaftlichen
Naivität des Herrn Majors Zunkovic entstammt oder für die Unschuld der
Leser des »Staroslovan« berechnet ist. Sollte wirklich Herr Zunkovic wissen-
302 Kritischer Anzeiger.
echaftlich so harmlos sein, daß er glaubt, zur Untersuchung der Echtheits-
frage einer Urkunde bedürfe es unbedingt des persönlichen Augenscheins?
Ich erwähne nur noch den Aufsatz: >Schwayxtix. — Ein Schulbeispiel
oberflächlicher Forschnngspflege«, in dem Herr Zunkovic die streitbare Feder
besonders gegen Prof. v. Jagic richtet, der »in dem Aufsatze 'Zur slavischen
Runenfrage' (Arch. f. slav. Philologie 1881) alle seine Autorität einsetzte, um
über die Rjetra-Altertümer ebenso autokratisch den Stab zu brechen, wie
späterhin in unglaublicher Verblendung auch über die altböhmischen Hand-
schriften« (S. 53). Wir sehen: immer wieder taucht die Echtheitsfrage der
beiden Handschriften auf. So fertigt er ihn und mit ihm die ganze Slavistik
in Bausch und Bogen kurz ab: »Auf welche Fundamente oder Einflüsse hin
nun Jagic sein Anathema aufbaute, ist aus nichts zu ersehen und übrigens
heute bereits belanglos; Tatsache ist aber, daß man sich seit jener Zeit in
slavenfeindlichen Kreisen trotzdem stets mit großer Sicherheit auf die Ent-
scheidung dieser 'Autorität' beruft. Sieht man aber auch von der mangelnden
Gewissenhaftigkeit bei dieser wissenschaftlichen Nachkontrolle im allgemeinen
ganz ab, so ist es an sich ein Unsinn hier die Möglichkeit einer Fälschung nur
zu vermuten« usw.
Der wissenschaftliche Wert der Artikel dieser neuen Zeitschrift ergibt
sich teils schon aus den Überschriften, teils aus den knappen Andeutungen,
die ich hier gemacht habe. Wichtiger und beachtenswerter als die Abhand-
lungen erscheint mir aber der Ton, auf den ich durch die beigebrachten wört-
lichen Zitate die Aufmerksamkeit der Leser des »Archivs« richten wollte.
Wenn Herr Zunkovic sich mit den Ergebnissen der heutigen Slavistik
nicht befreunden kann, so bleibt es ja schließlich sein gutes Recht, in Wort
und Schrift den Zwiespalt zwischen Wissenschaft und verletzter hyperpatrio-
tischer Empfindung durch ad hoc zugespitzte Hypothesen zu überbrücken.
Und findet er bei diesem Bestreben einen willigen Verleger, dann um so besser
für ihn. Wenn Herr Zunkovic aber von dem Piedestal seiner völligen wissen-
schaftlichen Bedeutungslosigkeit herab in vielfach ungezogenem, mit törichter
Überhebung gemischtem Tone über Gelehrte von unbestrittenem Range ur-
teilt, 80 beginnt die lächerliche Lehrhaftigkeit , mit der er nach der herkömm-
lichen Art aller Dilettanten veraltete Ladenhüter als neueste tiefgründige
Weisheit anpreist, einen häßlichen, boshaften Beigeschmack zu bekommen
und macht es unmöglich, weiterhin auf seine literarischen Machwerke ein-
zugehen.
Beuthen O./S. Erdma?in Hajiisch.
C. n. OÖHOpCKiH. 0 H3tIKi E*peMOBCKOH KOpMiefi XII BiKa.
CII6. 1912. 4". 86. (SA. aus HacjiiAOBaHifl no pyccKOMy flSLiKy T.III^
Btin. luil).
Zu hervorragendsten Denkmälern des altrussischen Schrifttums zählt die
altkirchenslavische Übersetzung des byzantinisch-kanonischen Werkes , das
sich Syntagma in vierzehn Titeln (mit einer oder zwei Vorreden versehen)
nennt und griechisch in verschiedenen Redaktionen vertreten ist. Die neueste
Obnorskij, Die Sprache der Efremov-Kormcaja, angez. v. Jagic. 303
russische Forschung Prof. Benesevic' (KanoHiiqecKiii cöopnuKt XIV Tury^oBi.
CO BTopoü qeTBcpTu VII uiKa no 883 r. CIIö. 1905) spricht von drei verschie-
denen griechischen Redaktionen des Syntagma, an die dritte hält sich der
slavische Text, der sich in der oben zitierten Kormcaja saec.XII erhalten hat.
Eine lichtvolle Analyse des ganzen Inhaltes der Jefremovskaja Kormcaja im
Zusammenhang mit den Hinweisen auf griechische Vorlagen gibt die kleine
aber noch immer klassische Schrift A. S. Pavlovs (Xlepuouaqa.iiHi.iii ciaBAHO-
pyccKiü HOMOKaHoiix. KasaiiB 186'»). Alles das ist vor kurzem von Benesevic in
den drei Heften der /[peBHe-ciaBflHCKaa KopMqan XIV THTyjoBi. öea-B tojiko-
BaHiii (Cnö. 1906—1907, lex. &o, 840) herausgegeben worden, und zwar der
slavische Text nach der oben erwähnten Kormcaja, ergänzt wo es notwendig
war nach einer jüngeren Abschrift, und parallel dazu das griechische Original.
Es war ein vernünftiger Gedanke, daß Benesevic zum leichteren Verständnis
der slavischen Übersetzung die griechische Vorlage beigegeben hat. Denn
ohne diese Stütze wäre an vielen Stellen, namentlich dort, wo sich der schwül-
stige byzantinische Stil in langen, zerdehnten Satzgefügen gefällt, der Sinn
der slavischen Übersetzung ganz unfaßbar. Die slavische Übersetzung ist
nämlich nicht eine einmalige Leistung, es gibt Bestandteile, die auf einer
älteren besseren Übersetzungsarbeit beruhen und auch solche, wo in der Regel
sehr wenig Rücksicht genommen wird auf die Bedingungen der slavischen
Konstruktion, wo man sich um die syntaktische Konkordanz der zusammen-
gehörenden Ausdrücke in Kasus, Numerus und Genus so gut wie gar nicht
kümmert, sondern die einzelnen Ausdrücke in der sklavisch die griech. Vor-
lage befolgenden Art wiedergegeben werden ohne auf den nötigen Zusammen-
hang zu achten. Das erwähnt auch der Verfasser der oben zitierten Schrift,
nur merkwürdiger Weise nicht am Anfang, sondern gegen Ende seiner Studie
(auf S. 83). So vermag man denn in sehr vielen Fällen aus der slavischen
Übersetzung allein gar nicht herauszufinden, welche Beziehungen zwischen
einzelnen Ausdrücken anzunehmen sind. Als ein abschreckendes Beispiel
dieser Art kann die Übersetzung des n^öloyos (ed. Benesevic S. 1 — 4) ange-
führt werden, wo man sehr viel Widersinniges findet, z. B. um nur etwas zu
erwähnen: /u'j^^t xov TETayfxifov wurde ohne Rücksicht auf die dazugehörigen
Substantive /lütqov re x«i x^övov als ein selbständiges Neutrum aufgefaßt und
durch A« n«Kei\'fcHHui wiedergegeben, also ao ncB£i\'fcHHra . . . Ax-kp^i h A-kra statt
zu sagen: a« nogfAlkHiiiiA . . . M-kp-hi h \\t& oder a* ri^ßtA'kHTiiHjCK . . . A^Hip-w h
A-fcTd, der dazwischen liegende Dativ rras- xoutvtan uv^eai, der zum Partizip
TETuyfisyov gehört, sollte in der Übersetzung im Dativ, also TaKCB'MHA\'K K-hs-
ApACTtAXTi, und nicht im Instrumental stehen. Oder bei den Worten tnexEi^rjau
Tovg . . . Ixxe&ivxas xi-eongenels' ^avövu; . . . awayccyelv hat der Übersetzer
wegen der vielen Einschaltungen den Zusammenhang ganz verloren und wir
lesen: HdHd)^"h C0\j-1|JHHA\'K . . . OT'KAOIKIvUJ£A*'K KCrOA-fcnKHTil KAHOHTvl . . . CKKhpdTH,
WO doch die beiden Partizipien (deren erstes übrigens überflüssig, zweites
falsch übersetzt ist) im Akkus, plur. m. gen. stehen sollten, bezogen auf kahök-w.
Auch die Einschaltung vno xcäy , . . dixa avföifcjf . . . [txxEfhiuxas . . . xayöyas)
ist ganz unrichtig übersetzt, der Übersetzer bemerkte nicht, daß vno xcöf awö-
&u)y zu exxEd^iyxa^' gehört, endlich der Dativ des Zweckes oder Grundes enl
304 Kritischer Anzeiger.
ßeßceitjaei . . . y.al xoTjatTi SiSa<jy.ali(^c sollte nicht durch den Instrumental h3-
B-ki|jeHHi6AtK . . . RAriiiAtK o\-H£HHi6A\K übersctzt werdcH, sondern etwa mit der Prä-
position o: <> H3E-fci|i£HHH . . . H RAa3i£A\k o\'HtHHH. Gaöz falsch uud unverstäud-
lich ist auch die Übersetzung der Worte: txäaxrig avvod'ov t/} nQoat;yoQi(( tovs'
aVir^X fj^O^iJ'Wf vnOTld^Elf : KOI€riJH;k,\0 ChROpa Hdp£HEHHI€Alli HA»C\-||lHHA\'h H tlOAC-
jKHK-h. Wer soll das verstehen? Und so geht es weiter, ein vollständiger
Wirrwarr, aus dem sich nur das eine ergibt, daß dem Übersetzer dieses Prolo-
gos bei seiner mühevollen Arbeit nicht eingefallen war, sich die Frage zu
stellen, ob jemand den Sinn seiner Übersetzung verstehen wird. Übrigens
scheint er selbst das griechische Original bei der verwickelten Ausdrucksweise
nicht recht verstanden zu haben, wie das mehrere Beispiele deutlich zeigen.
Ich muß dennoch ausdrücklich hervorheben, daß nicht alle Bestandteile so
verzweifelt kopflos übersetzt sind, wie der Prologos und vielleicht die vier-
zehn Titel: so z.B. die Canones Apostolorum machen einen viel besseren Ein-
druck, die Übersetzung stimmt auch in einzelneu Ausdrücken hier und in den
14 Titeln nicht überein, z. B. laixos- lautet hier Ai«>KdMHH'h (auch awahhiv), da-
gegen in 14 Titel RiAkUK (auch npccTM4,K), 6 nneaßvTEQo^ ist im Canon, apost.
immer non-h, in 14 Titeln daneben auch npcsR^-Tep-K, o xXr;Qiy.6^ ist in 14 Titeln
unübersetzt kahphk-k, im Canon, apost. aber übersetzt npHMKTKHHK-K. Diesem
z. T. recht trostlosen Zustand des slavischen Textes der Kormcaja gegenüber
verhielt sich der Herausgeber derselben (Prof. Benesevic) ganz passiv, ja er
trieb seine Gewissenhaftigkeit in der Unantastbarkeit der Übersetzung so
weit, daß er selbst die sinnlose Interpunktion des Originals unverändert be-
hielt, wodurch der Text noch mehr an Verständlichkeit einbüßen mußte.
Auch offenkundige Schreibfehler hatte er nicht den Mut zu beseitigen, z. B.
S. 69 blieb unangetastet ieAHH«A\'hicTHi€, wo doch jedermann sieht, daß i€ahh«-
At-wcAHie gemeint war (griech. ofiöyoia); auf S. 83. 16 liest man o cTp'ji6HHH)f'K,
wo wegen des griechischen tieqI xCii' enhrj&evömcoi' offenbar o crpijteipHHjfK
gelesen werden muß; auf S. 90.28 muß C'Thhovak schon wegen des griechischen
ai'n-/o}qr,aovai in othac>\'tk korrigiert werden usw.
Unter solchen erschwerenden Umständen soll die oben zitierte Arbeit
ein Bild der Sprache dieses Denkmals geben. Das war ungeachtet des großen
Fleißes , mit welchem diese kleine Schrift ausgearbeitet wurde, nicht leicht
zu erreichen, weil eben auf den allgemeinen Charakter der Übersetzung nicht
hinreichendes Gewicht gelegt worden war, aus welchem sich so manche auf-
fallende Erscheinung des Textes erklärt, ohne daß sie für die Beurteilung der
Sprache von irgend welcher Bedeutung wäre. Ich will das an einigen Bei-
spielen zeigen. Man liest auf S. 10 einen Dativ iiccTdRAi6novi6A\c\,-. Wenn man
diesem Beispiel, so wie es gedruckt steht. Gewicht beilegen wollte, so müßte
man darin einen Beleg für die bekannte alte noch nicht assimilierte Zusammen-
setzung erblicken (vgl. Leskien ^ § 82) und man könnte dem Verfasser dieser
Arbeit den Vorwurf machen, warum er nicht auf S. "6 das Beispiel zitiert hat.
Allein wenn man sich die Stelle näher ansieht und die griech. Vorlage, wo
XsiQod-tPTos steht, heranzieht, stellt es sich heraus, daß der Text hätte gedruckt
werden sollen nccTaEAJ€H0V|" i6a\ov, weil der Übersetzer auch hier seiner Methode
treu blieb, daß jedes Wort für sich übersetzt werden kann, ohne sich um den
Obnorskij, Die Sprache der Efremov-Kormcaja, angez. v. Jagic. 305
Zusammenhang zu kümmern: neol rov vnoxsiuti'ov wurde übersetzt o hoat»-
rtjjKanJHHx-K, statt aber ebenso fortzufahren und h nocTaBAmn-hiHjfK zu schreiben,
hat man bei xccl x^i-QoO^iyTog gar nicht mehr an den früheren Genetiv gedacht,
sondern faßte diesen letzteren Ausdruck als Genetivus absolutus auf. Oder
auf S. 12 liest man für u'rj IxävTHif Xdipava die Übersetzung \\i HA\iHM|iHH)f'K
Moi|iK, das wäre ein sonderbarer Gen.plur. von aaoijjh [xlc Xeixpavu), der auf S.72
hätte erwähnt werden müssen, wenn man es nicht mit einem einfachen Schreib-
fehler zu tun hätte, was in der Tat der Fall ist, denn ein neuerer Text schreibt
das richtige aaoijjVh.
Die vom Verfasser in der zitierten Schrift gemachten Beobachtungen
über alle möglichen Eigentümlichkeiten der Graphik und der Phonetik dieses
Denkmals zeichnen sich im Rahmen der gestellten Aufgabe durch große Sorg-
falt und Genauigkeit aus. Diese geht oft so weit, daß in beigegebenen Zahlen
die Gesamtheit aller Fälle zum Ausdruck kommt. Dabei werden auch gewisse
Eigentümlichkeiten, die sich über einzelne Teile der Handschrift erstrecken,
genau kontrolliert. Ob man aber daraus gleich auf die Beteiligung verschie-
dener Hände schließen darf, das ist doch fraglich; es kann ja schon in der
Vorlage, aus welcher dieser Text geflossen, dieselbe Ungleichheit der Behand-
lung vorhanden gewesen sein. Da müßte der Einblick in das Original ent-
scheidend mitsprechen. Zuerst ist von der Graphik die Rede (S. 3 — 16), doch
würde ich die auf S. 14 gemachte Beobachtung, daß beinahe immer jkk>, ujw,
MW, i;w, 14JI«, a;,\H> geschrieben werde, als eine phonetische, nicht bloß gra-
phische Erscheinung auffassen, folglich davon erst auf S. 65 sprechen. In der
Phonetik sind die Fälle, wo t>. und h genau geschrieben und wo sie ausgelassen
werden, sehr sorgfältig verzeichnet, man erfährt z. B. solche Tatsachen, wie
daß KTiTo 191 mal, kto 66 mal geschrieben wurde, oder AA-KHon». 1 17 mal, auiop-k
164 mal, oder t-kk-kaao 69 mal, t'kka*o 49 mal usw. Im Ganzen bekommt man
den Eindruck, daß das Denkmal in der Wahrung und richtigen Anwendung
der schwachen Vokale sehr feinfühlig ist. Schade daß der Verfasser in der
Anmerkung 2 zur S. 26 nicht alle Beispiele der Schreibart ottvhth, cT-kiarH
aufgezählt hat, denn gerade diese Schreibart ist gegenüber der älteren «jthth,
«TATH als etwas sekundäres sehr beachtenswert. Das individuelle Hervor-
treten der Präposition, sei es als Präfix, sei es selbständig, begegnet in spä-
teren, namentlich russischen Quellen, immer häufiger. Bei der Besprechung
der Fälle, wo tv durch o und k durch i ersetzt wird, sind namentlich auffallend
die Beispiele, die der Verfasser durch die >künstliche Aussprache« zu erklären
versucht (vgl. S.31), wie z. B. koheua, at>.ah;£hh u. a. Wie ist aber diese »künst-
liche Aussprache« entstanden? Der Verfasser meint >durch Nachahmung
der kirchlichen Aussprache« (S. 30). Soll man nicht manches auf die Ungeübt-
heit und 'geistige Beschränktheit des einen oder anderen Schreibers dieser
Handschrift setzen? Gibt man diese zu, dann schwindet der tiefere Sinn bei
so mancher Erscheinung, über die man sich leicht den Kopf zerbrechen könnte.
Also zu den Defekten der Übersetzung, die der Verfasser ohne weiteres zu-
gibt, gesellen sich auch noch Defekte der Abschrift. Dieses Geständnis läßt
manchmal verschiedene Auffassung zu. So z. B. die auf S. 36 aufgezählten
Beispiele des Instrumentals sing, auf -av-k möchte der Verfasser dem »altslavi-
Archiv für slavisclie Philologie. XXXV. 20
306 Kritischer Anzeiger.
sehen Original< in die Schuhe schieben. Möglich, vielleicht aber auch nicht.
Das Denkmal wimmelt ja von allerlei Fehlern (vgl. die Anm. 2 auf S. 42), bei
solcher Sachlage kann man auch als Beurteiler der Tatsachen sehr leicht
fehlen! Die txrt-Gruppe ist in dieser oder ttrt-Form in russischer Weise die
bei weitem vorherrschende. Warum aber für ein Denkmal desXII. Jahrh. ver-
einzelte ort-, ert-, olt-Gruppen unmöglich oder unbegreiflich sein sollten
(S. 46), will mir nicht einleuchten. Für ein nordgroßrussisches Denkmal (das
ist diese Kormcaja, wie der Wechsel u-h zeigt) ist auch das Auftreten verein-
zelter Fälle mit h für -k nichts außerordentliches (S. 50). Beachtenswert ist der
Durchbruch der Konsonantengruppe ck- unter dem Einfluß der übrigen pho-
netisch berichtigten Formen, auch vor h in den auf -kck-k auslautenden Adjek-
tiven, z. B. rtWAKCKHH (S. 51). In den auf S. 55 aufgezählten Beispielen des er-
warteten Genetivs auf -nh«, wo statt dessen die Nominativform -hhk steht,
möchte ich nichts anderes suchen als die Nachlässigkeit des Schreibers, ein
Beweis für die Unbestimmtheit der Aussprache des auslautenden Vokals ist
damit wohl nicht gegeben. Ähnliche Nachlässigkeit wiederholt sich auch
sonst recht häufig, z. B. ich erblicke sie auch in Hd T-fcAechH-fcMK HutAieHHie
613. 9 (statt Hn-kAieHHH). Wer meine Auffassung für pessimistisch halten wollte,
dem könnte ich mit noch viel weitergehenden Mißverständnissen dienen, als
sie in der Schrift Obnorskijs zur Sprache kamen. Ich will nur ein Beispiel
anführen: Auf S. 691 liest man in der Zeile 1 — 2 folgenden griechischen Text
Tt; xJig vnoaTÜaEwg xal Ttj jov nQoaiönov nQoar-yoQifc ^Qoj/ue&a ovtü) liyot'Tss',
die Übersetzung davon lautet: cKCT^Bd HdptMfHHta h ahi^a npHieAiAieM-K ahhj rrtwuje.
Mag auch die ganze Übersetzung sinnlos aussehen, das Wort ahh« vor rAwn«
ist doch deutlich nur ein Schreibfehler statt cHut, griech. ovrco. Wie viele der-
artige Fehler mögen sonst noch in diesem Text stecken? Wir erwarten mit
Ungeduld die versprochene Fortsetzung der Arbeit Benesevic', der uns (auf
S. I seiner Vorrede) nach der Ausgabe des Textes, die jetzt in den drei Heften
vorliegt, die Behandlung der Frage über den Ursprung und das Schicksal des
Nomokanons im slavischen Süden und Rußland in Aussicht gestellt hat, also
wohl auch über die Beschaffenheit der Übersetzung im Verhältnis zum Original
etwas sagen wird. Erst nach einer solchen Vorarbeit wird man befriedigende
Resultate von der Analyse der Sprache des vorliegenden Denkmals erwarten
dürfen. Soviel man derzeit zu ihrer Charakteristik beibringen konnte, hat
diese sehr fleißige Studie geleistet, zumal bei der Beschränkung auf die phone-
tisch-grammatische und teilweise syntaktische Seite der Sprache des vorlie-
genden Denkmals. Hätte der Verfasser auch noch die lexikalische Seite in
den Kreis seiner Studie gezogen, dann wäre allerdings die Beschränkung auf
das eine Denkmal kaum möglich gewesen, dann würde man die so lehrreiche
Vergleichung dieses Textes mit jener älteren Übersetzung in der kano-
nistischen Sammlung des Johannes Scholastikos vornehmen müssen, die ja
auch für die sprachliche Seite nicht unwichtige Aufschlüsse gibt.
V. J.
Endzelin, Slavisch-baltische Studien, angez. v. Jokl. 307
I . BflAsejinH'B, CjiaBflHO-öajiTiHCKie btioabi. XaptKOB'L, 1911.
80. (VIII, 208 S.)
Der Frage nach den ältesten gegenseitigen Beziehungen des slav. und
des halt. Sprachstammes ist die obige Schrift gewidmet, einer Frage, die
schon im XVIII. Jahrh. von Job. Thunmann (Untersuchungen über die alte
Geschichte einiger Nordischen Völker, S. 1 ff.) gestellt, in der Frühzeit der
indogermanischen Sprachwissenschaft von Bopp (Über die Sprache der alten
Preußen, S. 86) und Schleicher (Allgem. Monatsschr. f. Wissensch. u. Lit. 1853,
786 f., Öasopis cesk. Mus. 1853, S. 320 ff. und an anderen Lit. Gr. S. 2, Anm. 1
genannten Orten) durch Annahme einer halt. -slav. Spracheinheit beantwortet
wurde. Die Lösung des Problems in diesem Sinne stand sichtlich unter dem
Einflüsse der Stammbaumtheorie. Diese Theorie wurde erschüttert, die wich-
tigsten Gebiete der idg. Sprachwissenschaft erfuhren eine tiefgreifende Um-
gestaltung, die Lehre von der balt.-slav. Spracheinheit schien, von einem ver-
einzelt gebliebenen Einspruch abgesehen (Baudouin de Courtenay, Zum. min.
nar. prosv. 346, S. 330 f.), unerschütterlich zu sein (cf. Hirt, Die Indogermanen I,
S. 119). Erst mit Meillets Bemerkungen (Les dialectes indo-europeens, S. 40ff.)
setzte auch dieser fast zum linguistischen Dogma gewordenen Lehre gegen-
über die belebende Kraft der Kritik ein. So wie nun Meillets Kritik der für
die balt.-slav. Spracheinheit vorgebrachten Argumente Porzezinski zu einem
scharfsinnigen Aufsatze (RS. 4, S. 1 ff.) anregte, der die Frage im wesentlichen
mitFortunatov bejahend beantwortete, so geht Endzelin in seiner gleichzeitig
erschienenen umfangreichen Schrift an eine gründliche und allseitige Revi-
sion des Problems, wobei er nicht nur das gesamte, bisher vorgebrachte Mate-
rial mit ungewöhnlicher Erudition und scharfer Kritik prüft, sondern auch
eine Fülle neuen Stoffes herbeischafft, der für die Lösung des Problems
wesentlich ist, ohne bis jetzt in diesem Zusammenhange die nötige Beachtung
gefunden zu haben. E.s Werk ist auf diese Weise zu einem reichhaltigen
Repertorium der wichtigsten Fragen der halt, und slav. Grammatik geworden,
zu dem jeder wird greifen müssen, der sich mit diesen schwierigen, meist noch
völlig umstrittenen Problemen auseinander zu setzen hat. Ref. will im fol-
genden den reichen Inhalt des hervorragenden Werkes skizzieren, soweit dies
im Rahmen einer Anzeige möglich ist; wenn er in einigen Punkten zu anderen
Ansichten als der verehrte Verf gelangt ist, so wird dies bei der eben charak-
terisierten Natur der behandelten Probleme gewiß nicht verwunderlich er-
scheinen.
Im ersten Teile der Schrift, der die slav.-balt. Beziehungen aus dem Ge-
biete der Lautlehre behandelt (S. 3 — 128), untersucht Verf. zunächst die Frage
der Vertretung der liquida und nasalis sonans (S. 3 — 24). Zwei Ansichten
stehen an den äußersten Polen der vorgebrachten Lehrmeinungen; es sind dies
1. die Lehre, die aus der öfter zu beobachtenden Verschiedenheit des die Li-
quida oder Nasal begleitenden Vokals auf Entstehung dieser Vokalisierung
in einzelsprachlicher Zeit schließt (so Vondräk, Vgl. sl. Gr. I, 327), 2. die An-
sicht, die balt. tV, il, im, in, ur, ul, um, un, sl. V, ''l, e, ^r, H, "b mit der kelt.,
germ. [ur, ul, um, im) Vertretung vergleicht und diese Vertretung als einen
20*
308 Kritischer Anzeiger.
dialektischen Zug des idg., ein Indiz für eine bestimmte Gruppierung der idg.
Dialekte betrachtet (Meillet, a.a.O. S.41 f.). Die erste Ansicht bekämpft End-
zelin — wie gleichzeitig mit ihm Porzezinski — durch den Hinweis darauf,
daß auch innerhalb der balt. Dialekte selbst in vereinzelten Fällen ein Unter-
schied in der Vokalisierung der Liquida oder des Nasals bestehe (niederlett.
tumsa^ ostlett. timsa usw.), daß aber die weitaus überwiegende Mehrheit der
Fälle parallele Entwicklung des Vokals in beiden Sprachstämmen zeige. Gegen
Meillet wendet E. die Verschiedenheit der Stellung des Vokals (kelt. ri, li), die
andersgeartete kelt. Vertretung der liqu. son. in antevokalischer Stellung (kelt.
ar, al), die Diversität von Liquida und Nasalis son. in ihren kelt. Vertretungen
(bei wechselseitigem Farallelismus dieser Vertretungen im balt. und slav.) ein.
Immerhin ist der Unterschied gegenüber Meillet weniger wesentlich als quan-
titativ. Denn E. führt nach ausführlicher Ablehnung anderer Erklärungsver-
suche den Unterschied zwischen balt. ir und ur, sl. ^r und V usw. — mitMik-
kola, I. F. 16, 99 — auf den Unterschied der Reduktionsstufen von or usw.,
er usw. zurück; auch dieser Auffassung zufolge ist also die Erscheinung nach
dem ganzen Wesen der Ablautvorgänge zu schließen, uridg., freilich nicht
gemein-idg., sohin idg.-dialektisch , zumal ja auch E. die Zusammenstellung
von ai. Fällen wie kulmala - Hals der Pfeilspitze (cf. lt. celsus) , kulmi-
Herde (: griech. xilog Schar), ÄMw^;a-lahm an der Hand (: lit. Jcumpti
krumm werden) mit Fällen von i(-Vokalisierung der Liqu. und Nas. son. im
balt. und sl. gelten läßt. (In Parenthese sei übrigens bemerkt, daß in der i-
und ««-Vokalisierung der Liqu. son. das alb. gerade in antevokalischer Stel-
lung mit dem balt. und slav. zusammengeht: alb. hir Sohn, got. baur Ge-
borener, an. burr Sohn (Pedersen, K. Z. 33, 541), alb. bur Mann : ahd. baro
Mann, gr. cpiqxBqos [Wiedemann, B.B. 27, 219^). Freilich verweist E. — und
gewiß mit Recht — auf die weitaus größere Zahl der ur-, uZ-Fälle im balt. und
slav. und schließt daraus auf einen näheren Zusammenhang dieser beiden
Sprachstämme. Allein hierbei handelt es sich nicht um gemeinsame Neue-
rungen, sondern auch nach der von E. vorgeschlagenen Erklärung (s. o.) um
gemeinsame Erhaltung von Altüberkommenem, nämlich der Phoneme -or-,
-ol- in ihren Reduktionsstufen. (Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch bei
Brugmanns Erklärung.) Gerade gemeinsam vollzogene Neuerungen sind nach
einem gewiß unanfechtbaren Leitsatz Brugmanns (Techmers Zeitschr. I 253)
für die Frage des Zusammenhangs von Sprachstämmen in erster Linie ent-
scheidend. Und so besteht der Unterschied gegenüber Meillets Auffassung,
die prinzipiell ohne Zweifel berechtigt ist, eigentlich nur in der Art der Zieh-
ung der Dialektgrenzen innerhalb des Idg., insofern als bei E.s Auffassung
balt. und slav. in diesem Belange als eine bereits in proethnischer Zeit näher
zusammengehörige Gruppe zu betrachten sind. — Eine Reihe anderer, her-
kömmlicherweise für die b.-sl. Spracheinheit vorgebrachter Tatsachen ent-
behrt nach E. (S. 24—28) der Beweiskraft, da sie durchwegs auch auf anderen
Gebieten nachweisbar sind, so die Beseitigung der Geminaten, der Zusammen-
fall von med. und med. aspir., der Wandel des auslautenden in zu n, der Ab-
fall von auslautenden d, t, der Schwund von d vor 7«, v, wobei die beiden
letzteren Erscheinungen erst im Ursl. durch das Streben nach Herstellung of-
Endzelin, Slavisch-baltische Studien, angez. v. Jokl. 309
fener Silben hervorgerufen sein können. — Mit besonders liebevoller Ver-
senkung in die Einzelheiten des halt., die dem Verf. vermöge seiner tief ein-
dringenden Kenntnis der Dialekte und älteren Denkmäler dieses Sprach-
stammes reichlich zur Verfügung stehen, behandelt er hierauf die Schicksale
des idg. s (S. 28 — 78). Während bisher die communis opinio sich im wesent-
lichen an Pedersen , I. F. 5, 77 anschloß, wonach die Bedingungen des Wan-
dels von s zu s (das im sl. dann weiterhin zu ch wird), im ar., sl. und balt. im
ganzen die gleichen sind — nämlich Stellung nach i, v, r, k — , läßt E. zwar
die Gleichartigkeit der Bedingungen für das ar. u. sl. gelten, weist jedoch dem
balt. eine Sonderstellung zu. Danach wird im balt. s in der Eegel zu s nach -r-,
-k-, nach i jedoch nur, wenn k auf das s folgte (Suff. lit. -iszkas, lit. klszkis
Hase, raiszkus offenbar gegenüber ,r/;vs^j etwas überdrüssig werden); Erhaltung
des s über diese Grenzen hinaus erkläre sich durch Systemzwang in der Flexion
oder Wortbildung, nach r auch durch Ausfall eines Konsonanten zwischen r
und s {ilgsta wird lang, degsms Brandstelle, smarsas Fett, mit dem man Speisen
abmacht ; got. smairpr Fett), wie denn auch s von den ursprünglich berech-
tigten Fällen aus weiter gewuchert sei. Nach u sei hingegen im balt. s er-
halten. Freilich geht es insbesondere bei Begründung dieser letzteren An-
sichtnicht ohne mancherlei Gewaltsamkeiten ab. Zwar, wenn Verf lit. Ä;/dMsz''
Schädel und seine Sippe nicht mit an. äöms id. verbindet — wie dies wohl zuerst
Joh. Schmidt tat — , sondern als etymologische Entsprechung mitBüga, Aist.
Stud.I, 28 ai. kbsa- Behälter, Kufe ansetzt, somit das sz des lit. Wortes auf k zu-
rückführt, so ist dies gewiß durchaus statthaft (cf. auch Weigand-Hirt, D.Wb.^,
I, 823). Aber um sz nach u in Fällen wie kriuszä Hagel (: ksl. kncha Brocken
Krümchen), vetuszas alt gegenüber aksl. vet^ch^ zu erklären, muß E. für die
balt. Wörter Grundformen mit sk ansetzen, wobei er sich auf lt. crüsta und
vetustus und einen allerdings oft genug za beobachtenden Wechsel zwischen
-st- und -sk- beruft. Aber gerade in den genannten Sippen findet sich in den
verwandten Sprachen keine Spur von -sk- , abgesehen von der Möglichkeit lt.
crusfa in einen anderen etymologischen Zusammenhang als mit Icriuszä einzu-
ordnen (cf Walde, E. W.2, 204). Und lit. j'tbze Fischsuppe als Entlehnung aus
a\. j'ucJia hinzustellen, wie dies E. tut, geht nicht an. Denn als Vorstufe von
sl. ch ist s anzusetzen. Des weiteren ist der Unterschied zwischen »urver-
wandten Wörtern« und »Lehnwörtern« kein prinzipieller, sondern ein durch
die jeweiligen Lautgesetze und sonstigen sprachlichen Vorgänge bestimmter
zeitlicher (Kretschmer, Einl. i. d. Gesch. d. gr. Spr., S. 23). Das Kriterium für
die Frage »Entlehnung oder Urverwandtschaft«, können also nur Lautver-
hältnisse (event. zusammen mit kulturhistorischen Erwägungen) abgeben. Die
Vokalstufe und Intonation, die bei Annahme der Erbworteigenschaft des lit.
Wortes anzusetzen wären, bereiten keine Schwierigkeit: cf. gr. ^vfirj, ai.
yüsa-m. Wir haben also objektiv keine Möglichkeit, Jwszt' als Entlehnung aus
dem sl. anzusprechen (was Pedersen, I. F. 5, 80 mit Recht hervorhebt). Denn
nehmen wir für einen Augenblick 2Ln,jüsze sei aus dem sl. entlehnt, so könnte
die Entlehnung doch nur zu einer Zeit stattgefunden haben, da im sl. noch
die Vorstufe von ch, nämlich s bestand. Wissen wir aber, wie damals der dem
b1. u zugrunde liegende Diphthong gesprochen wurde? Und war die Mono-
310 Kritischer Anzeiger.
phtongierung wirklich schon eingetreten, dann entgleiten uns ja die Kriterien
für dieFrage: Entlehnung oder Urverwandtschaft förmlich unter den Händen.
E. möchte nun auf die Entlehnung des lit. Wortes daraus schließen, daß für
eine Grundform *Jüskic, *jükje kein Anhalt vorliege und daß auch lett. juka
entlehnt sei. Allein ein solcher Schluß wäre doch nur zwingend, wenn lit. sz
nach u nur auf ä, sk zurückgehen könnte. Dies ist aber das probandum, nicht
das probatum. Gewiß ist es äußerst schwierig, in dem Wechsel von lit. s und
sz nach i, n eine bestimmte Eegel zu erblicken, wie dies Pedersen, I.F. 5, 78 ff.
zu zeigen versuchte: nach gestoßen betontem i, u sz, nach schleifendem Vo-
kal Rückverwandlung von dz in s, eine Eegel, die E. S. 5Uf. bekämpft; aber
leugnen läßt sich sz<C.s nach diesen Lauten nicht. So wird es denn am rät-
lichsten sein, sich mit der Ansicht Meillets, E. S. 5, 15ö und Rozwadowskis
ebd. S. 7 und 28 zu bescheiden , wonach wir es mit einer Lauttendenz zn tun
haben, die vom Osten ausging, das Bnlt. zwar noch erreichte, sich hier aber
schon in abgeschwächtem Maße geltend machte. Sehr beachtenswert ist auch
die Bemerkung Eozwadowskis (1. c. 9, 29), der auf die bedeutenden Bevölke-
rungsverscbiebungen im balt. Gebiet — eine Folge der Eroberung durch den
deutschen Eitterorden — hinweist. Einen weiteren , diesen Punkt der Laut-
lehre betreffenden Unterschied zwischen balt. und sl. erblickt E. in der Be-
handlung von anlautendem ks-, das im lit. in einer Eeihe von Fällen zu sk-
umgestellt sei, im sl. jedoch ch ergeben habe. Die Erörterung dieser Frage
gibt dem Verf. Gelegenheit zu scharfsinnigen, über das b.-sl. hinausgehenden
Ausführungen (so über den Anlaut der Bezeichnung der Sechszahl im idg.,
gr. SiajQi^, die Etymologie von lit. szdltas kalt usw.). Die Beispiele für lit.
sk- <C. ks im ganzen fünf — : lit. sküsti schaben : gr. ^veir; skiaudcti niesen :
ai. ksäuti dass.; skühinti beeilen : ai. ksühhyati schwankt, zittert; skalduü spü-
len : ai. ksälayati wäscht, zeigen ohne Zweifel die Behandlung des Anlauts,
bis auf das fünfte: lit. skujos Nadeln der Bäume (: r. usw. chvoj id.), da ja sl.
ch in diesem Wort nicht auf ks zurückgehen muß, vielmehr auch kh reflek-
tieren kann (Pedersen , Jagic-Festschr. S. 218f.), und Beispiel Nr. 3: skübinii
findet bezüglich des Anlauts ein wohl sippenverwandtes Analogon auch im
sl.: skuhn vello, wie dies E. selbst hervorhebt (cf. Brugmann, K. V. G., S. S8,
Meillet, Einführ. i. d. vgl. Gr. [deutsche Ausg.j, S. 102, Falk-Torp bei Fick,
Vgl. W.", Bd. 3, S. 470). Zudem handelt es sich ja (Brugmann, Gr.2 I, 867) um
einen auch sonst nachweisbaren Vorgang. Der Schluß, die linguistischen
Vorfahren der Slaven hätten häufiger als die der Balten die Anlautgruppe Äs-
erhalten und dies bedeute einen alten dialektischen Unterschied zwischen b.
und sl. beruht demnach auf einem zu spärlichen und zu wenig spezifischen
Induktionsmaterial. Für eine Vergleichung des Schlußergebnisses des Verf.
mit dem Meillets scheint dieser Punkt nicht unwesentlich zu sein.
Eine bedeutsame Übereinstimmung zwischen den beiden Sprachstämmen
ist der Parallelismus hM.jau-, sl.y«, der vom Verf. (S. 78—84) mit erschöpfen-
der Benutzung der Literatur behandelt wird. E., der nicht geneigt ist, hier
an zufälliges Zusammentreffen zu glauben, nimmt Entstehung der Lautung aus
eu und eu an, wobei eu vorerst gekürzt worden sei. Die bei dieser Theorie
sich ergebende Schwierigkeit in der Erklärung des Hergangs der Palatalisie-
Endzelin, Slavisch-baltische Studien, angez. v. Jokl. 311
rung — in altem hetero-syllabischen eu palatalisiert e den vorhergehenden
Konsonanten nicht (cf. Leskien, Altbulg. Gr. S. 14) sucht E. durch folgende
Annahme zu beseitigen: im halt, sowohl als im sl. sei das e des Diphthongs
en offen gewesen ; der Übergangslaut zwischen diesem e [a] und u sei daher
notwendig a gewesen, das allmählich stärker wurde, während das ursprüng-
lich offene <>, unsilbisch geworden, schließlich j ergab. Dieser Ausweg ist
scharfsinnig ersonnen. Doch beruht diese Lösung des Problems eben auf der
Annahme von der in urbalt. und urslav. Zeit zurückreichenden offenen Aus-
sprache des e. Denn nur so kann man die Entstehung eines Gleitlauts der
hinteren Eeihe in en verstehen. Ist aber diese Annalime wirklich zu recht-
fertigen? Im sl. weist ja bekanntlich nichts auf diese Aussprache hin (cf.
Vondräk, Vgl. sl. Gr. I, 32), und E. nimmt eine Änderung der ursprünglichen
Aussprache im sl. an (was natürlich möglich ist). Aber auch die bereits urlit.-
lett. Palatalisierung von ä, g vor e — eine Tatsache, die E. S. 81 Anm. her-
vorhebt— läßt sich nur bei hoher Zungenstellung, also geschlossener Aus-
sprache des e für diese Zeit begreifen, eu >■ tau würde also urbalt. offene
Aussprache, Palatalisierung von ä, g vor e urlit.-lett. geschlossene Aussprache
des e ergeben. Es ergäbe sich also folgende Entwicklungsreihe: urbalt. of-
fenes e, urlit.-lett. geschlossenes e und schließlich halt, einzelsprachlich offenes
e. Diese Schwierigkeiten sind, wie Ref. meint, zu beheben, wenn man mit
Mikkola R.S. I, 9ff., Ursl. Gr. 61 und Wiedemann, Lit. Prät. 32, 184 balt.>«,
sl. ju ausschließlich auf eu zurückführt. Die bei dieser Auffassung anzu-
setzende Aussprache des e im ursl. m, nämlich ««, ijii stimmt gut zu der auch
aus anderen Daten zu erschließenden Lautung des idg. e im sl. (cf. Mikkola,
Ursl. Gr. S. -15). Freilich ergäbe sich dann auch für das Urbalt. eine Schluß-
folgerung, vor der man aber wohl kaum zurückschrecken wird müssen: auch
hier käme dem e eine der ursl. analoge diphthongische Aussprache fä, iä zu ;
während sie sich aber später durch spontanen Lautwandel zu geschlossenem
e verengte — preuß., lit., man vergleiche den analogen Prozeß in einer Reihe
von Slavinen — , konnte sich im (ursprünglich) triphthongischen iau, förmlich
unter dem Schutze der eingegangenenVerbindung, eine Spur des ursprünglichen
erhalten. Vielleicht ließe sich auch ein anderer Hinweis auf diese Geltung
des e im lit. finden. — Wichtig für die Beurteilung des Zusammenhanges von
b. und sl. ist auch die Behandlung von e^', die, wie E. in trefflicher Darstellung
(S. 84— 104) zeigt, durchaus parallel ist; exi wird zu au (ursl.o?«) nur vor hinterem
Vokal, bleibt jedoch vor e, i: lit. drevl Höhlung, Bienenstock, lett. drewe; lit.
devt/ni, lett. dewini neun, sl. drevl'e vormals usw. Und gerade diese letztere
Tatsache ist dem b. und sl. eigentümlich. Die gründliche Prüfung des für die
Erscheinung in Betracht kommenden Materials benutzt E. zu etymologisch
wichtigen Ausführungen über das bisher dunkle drevl'e ( : idg. *dreuos fest).
Wenn Verf. aber schließlich die Gleichzeitigkeit des Wandels von eii im b.
und sl. zwar als möglich zugibt, aber auch das Gegenteil, nämlich die Mög-
lichkeit von bloß zufälligem Zusammentreffen in den Ergebnissen nicht aus-
schließt, so scheint dies fast zu vorsichtig zu sein; denn die Gleichheit der
positiven und negativen Bedingungen des Wandels spricht wohl eher für die
erstere Eventualität. Auf den beiden Sprachstämmen gemeinsamen Schwund
312 Kritischer Anzeiger.
von anlautendem ii vor r, l legt Verfasser für die Beurteilung des Zusammen-
hanges der beiden Sprachstämme mit Ee cht kein Gewicht (S. 104), da diese
Erscheinung auch lt. und abd. ist.
Die unter dem Namen des Saussure'schen Gesetzes bekannte Akzent-
übertragung, die im lit. und sl. unter gleichen Bedingungen auftritt, nimmt
E. als Instanz für das Vorhandensein sprachlicher Beziehungen der beiden
Stämme in Anspruch, eine Ansicht, die gewiß Zustimmung verdient, da die
ihr entgegenstehenden Schwierigkeiten (cf. Vondräk, Vgl. sl. Gr. I, 206)
keineswegs unüberwindlich sind*). — Den Beschluß dieses Hauptteiles
bildet die Besprechung der Unterschiede zwischen halt. u. sl. Den Unter-
schied zwischen halt, a, sl. o beurteilt Verf. mit Recht wie Kretschmer (Arch.
f. sl. Phil. 27, 228 ff.) als sekundär, nicht ohne auf die gegen diese Lehre
erhobenen Einwendungen zu reagieren (S. 107). I. F. 26, 293 statuiert
Pedersen ein Auseinandergehen der beiden Sprachstämme in einem wich-
tigen Punkte der Lautlehre : -dd[h)- ergibt sl. -s-, balt. -zd-. E. nimmt gegen
Pedersens Theorie Stellung (108 — 114), seinen Widerspruch besonders auf
Fälle wie c. hyzd Häßlichkeit [hyzditi tadeln, schmähen, verwerfen) : klr. hyd
Abscheuliches, Ekel, ksl. gruzdije coli. Erdschollen: gruda Erdscholle, r.
grömozd'b Haufe unbrauchbarer Sachen, Gerumpel: gromäda großer Haufe,
Masse, gründend, die auch für das sl. -zd- << -dd[h)- erwiesen. Allein keines
dieser drei Beispiele vermag eine solche Behandlung der Lautgruppe im
sl. völlig eindeutig zu erweisen. In den beiden ersten Beispielen kann
idg. 5-Suffix stecken. Cf. zu hyzd gr. äiwog Schimpf, Schande <C *g"edzh?io-
*gUedh-s}w- (Boisacq, Dict. et. S. 176 f., Brugmann, Gr.2, I, 659, II/l, 265,
V. Osten-Sacken, K. Z. 44, 155f). Das Verhältnis des ?a-Suff. des gr. Wortes
zum rf-Suff. des sl. entspricht den Beobachtungen Meillets, Etud. sur Tetym.
et le vocab. S. 321. Mit gruzdije läßt sich lt. rf/dus {rddus), -eris zerbröckeltes
Gestein, Gerolle, Schutt <.glireudos (Walde, I. F. 19, 100, E. W.2, 661) ver-
gleichen. Und gromäda : ai. gräma- Haufe, Schar, lt. gremium^ (Berneker,
E. W. 345), mit seinem ganz singulären -ada ist morphologisch unklar, also
für die Beweisführung wenig geeignet 2). Betreffs des von Pedersen, 1. c. 293
für seine Theorie verwerteten lit. gramzdyti versenken: sl. greznn unter-
sinken neigt E. — nach einem äußerst lehrreichen, eine Fülle neuen Materials
bietenden Exkurs über Brugmanns Lehre vom Wandel lit. id'^zd — zur
Ansicht, dem b. und sl. Verbum eine Form mit g{h) zugrunde legen zu sollen,
wodurch er Pedersens Lehre ihre letzte Stütze entziehen will. Aber die
Ansetzung von g[h] im genannten Verbum läßt sich anderweitig nicht stützen.
1) Die sl. Imperative wie r. nesi, nesite, die den Akzentwechsel zeigen,
trotzdem die gestoßene Intonation der letzten Silbe erst sl. ist (s.-kr. ?nn,
lit. te-veze) können auf akzentueller Angleichung an die Imper. r. terpi,
smotri, nosi (also der Kl. III/2 und IV nach Miklosich) beruhen, in welchen
Formen von i, also von ursprünglich gestoßener Intonation (Vondräk, 1. c.
201, 2U2) auszugehen ist.
2) Mit r. grömozdz, gromozdiU vgl. man etwa cldamostitb zusammen-
durcheinander werfen: chlmm Plunder, Trödel, Gerumpel. Bezüglich -si-:
zd wäre auf das von Endzelin, S. 127 u. Anm. 2 gesagte zu verweisen.
Endzelin, Slavisch-baltische Studien, angez. v. Jokl. 313
E. beruft sich für die Etymologie allerdings auf Berneker, E.W. Da er
aber stammhaftes s ausschließt, (so Berneker an erster Stelle', bleibt für die
etymologische Erklärung nur das von Berneker mit Zweifel zur Wahl ge-
stellte alb. kreO- tauche ins Wasser, das G. Meyer, E. W. 204 mit gn-znnti
unter *greng[h)- vereinigt. Nach Ausweis der alb. Lautlehre ist diese Zu-
sammenstellung jedoch nicht haltbar. Denn die Lautfolge en -\- Spirant —
als solcher erscheint idg. g{h) im alb. — gibt alb. j + Spirant: cf. alb. viO-,
vi&i Ulme: skr. vez Ulme, p. wiqz, r. vjaz^, alb. mis Fleisch <; *?ne«5-: sl.
mpso usw. Einen weiteren Unterschied zwischen b. und sl. erblickt Pedersen
in der Behandlung von idg. A7<: sl. ch, b. k. E. schließt sich wenigstens im
Ergebnis an (S. 114 — 12S), wiewohl er die bisher beigebrachten Beispiele
noch nicht für zwingend hält. Seine eigene Untersuchung stützt die Lehre
durch neue, gewiß beweisende Beispiele wie r. chochöh Schopf: lett. zekuh
Zopf, r. chomjdk-o Hamster: lett. kämis dass. usw.
Der morphologische Teil bringt zunächst eine Zusammenstellung jener
Suffixe, die dem b. und slav. gemeinsam, u. zw. ausschließlich gemeinsam
sind (S. 128 — 131), daher wohl als gemeinsame Neubildungen angesprochen
werden können. Auf den von Meillet, Etud. 201 bemerkten Unterschied in
der Wortbildung des b. u. sl. möchte Verf nicht besonderes Gewicht legen,
da selbst die untereinander so nahe verwandten balt. Sprachen in diesem
Punkte des öfteren nicht parallel gehen. Wichtig für die Annahme einer
b.-sl. Epoche erscheint E. hingegen die Bestimmtheitsform des Adjektivs,
die in beiden Sprachstämmen mit -io- gebildet wird, während das Avest.
eine umfassendere Verwendung von ya- kennt. Die Entstehung dieser dem
b. und sl. gemeinsamen Kategorie hat allerdings E. Hermann in einer Pro-
grammabhandlung »Das Pronomen ios als Adjektivum (Koburg, 1897) als
Einengung einer ursprünglich weiteren Gebrauchsweise erklärt und auf
diese umfassendere Verwendung führt er auch die ar. Fügungen zurück.
Dann aber ist die b. und sl. Bestimmtheitsform durch beiderseitigen Verlust
ursprünglich vielfältigerer Fügungen (nicht durch gemeinsame Neuschöpfung)
entstanden, was bei der Wertung der Beweiskraft dieses Punktes wohl zu
beachten sein dürfte. Eine gemeinsame, dem Gebiete der Nominalflexion
angehörende Neuerung ist der gen. sing, der o-Stämme (sl. -a, lit. -o) S. 132
— 138). Freilich hat man diese Bildung auch außerhalb des b. und sl.
gesucht (im lt. hortö, gr.-delph. foixco). Doch verwirft E. diese communis
opinio mit Recht, da ja dann im lit. -ü zu erwarten wäre. Der Unterschied
zwischen dem b. und sl. Ausgang einerseits und dem lt. andererseits wird vom
Verf. auf verschiedene Kontraktionskomponenten oder-gesetze zurückgeführt.
Der pr. Genetiv deiivas widerspricht, als Analogie-Bildung nach den ä-Stämmen,
dem b.-sl. Charakter dieser Formen nicht. — Zu den schwierigsten Streit-
fragen der b. und sl. Grammatik leitet der Abschnitt über den nom. pl. der o-
Stämme(138 — 152). Verf erklärt sich gegen die weit verbreitete, auf J.Schmidt
und Mahlow zurückgehende Ansicht, wonach lit. vilkai eigentlich neutr. pl. (lt.
quae) sei, eine Ansicht, die notwendigerweise von allen jenen geteilt wird, die
für die regelrechte Fortsetzung von idg. ai lit. ehalten. Da Endzelin jedoch
Izv. otd. russk. jaz. XII/1, 40 ff. lehrt, daß lit. e auf ei zurückgeht, auf ai nur
314 Kritischer Anzeiger.
dann, wenn dies in unbetonter Stellang zunächst zu ei wird, da er weiter in
ausführlicher Begründung auch die Intonation devai auf *devdi zurück-
führt (also Intonationswechsel in auslautender gestoßener Silbe cf. tafp
zwischen: tdrpas Zwischenraum, fut. aügs : dugti wachsen), so hindert ihn
nichts, den halt. nom. pl. dem gr. {-oi mit gestoßener Intonation) gleichzu-
stellen. Gleichsam ein Korollar der Lehre von der ursprünglich neutralen
Natur des lit. nom. pl. ist Meillets geistvolle Anschauung, daß die gem.-
balt. Gleichheit der 3. pers. des Verbums in allen drei Nummeri sich aus
der Verallgemeinerung der Regel t« f(p« TQty,£i erkläre, da sie ja eine Ver-
allgemeinerung der neutr. Form des pl. zur Voraussetzung hat. Auch diesem
Folgesatz tritt E. entgegen. Die Stellungnahme zu allen diesen Streitfragen
hängt im wesentlichen von der Anschauung über die Natur des a«, e im
lit. ab. Gewiß sind die Anschauungen, gegen die E. polemisiert, noch nicht
völlig geklärt, und vermögen die Probleme nicht ganz restlos zu lösen.
Aber auch bei E.'s Lehre: e<iei bzw. <[ unbetontem ai über ei bleibt ein,
wenn auch nur unbedeutender Rest; denn lit. eszmas Bratspieß zeigt e.
Nun nimmt E. Izv. otd. r. j. XU/1, 63 zwar in diesem Worte ursprüngliches
ei an; da aber gr. alx^ii Lanzenspitze sicherlich mit dem lit. Worte verwandt
ist, bereiten bei E.'s Ansatz die Ablautverhältnisse Schwierigkeiten. Der
Permissiv te-vez2 hat bei Zugrundelegung von E.'s Erklärung seine gegen-
wärtige Akzentuierung erst sekundär erhalten (cf. gr. cpi^oi) u. zw. nachdem
das ursprünglich unbetonte ai zu ei und weiterhin zu e geworden war. Frei-
lich wäre dann eine nähere Erklärung des Hergangs des Wechsels der Akzent-
stelle wünschenswert. Im Indikativ und in der anderen Permissivform heißt
es ja veza, te-veia. Wechsel der Akzentstelle setzt E.'s Lehre auch für die sl.
Imperative r. nesi, s.-kr. nesi voraus. Denn bezüglich des -oi, -ai Diphthongs
im sl. Auslaut folgt der Verf. unter Verwerfung der auf Streitberg zurückgehen-
den Auslauttheorie: schleifendes e>»e usw. der Lehre Hirts, wonach betontes
-oi, -ai e, unbetontes jedoch i ergibt. Und so ergibt sich für E. die Möglichkeit
der Zusammenstellung auch des sl. nom. pl. der o-Stämme mit dem lit. Des
näheren auf alle verwickelten Fragen, die sich an dieseAnschauungen knüpfen,
einzugehen, würde den Rahmen einer Anzeige weit überschreiten. Aus der
Erörterung jener Kasus der o-Stämme, in denen die beiden Sprachstämme aus-
einandergehen (S. 158—170) wäre vor allem hervorzuheben die mit Reserve
vorgetragene Erklärung des sl. Instr. plur. auf -y, worin E. einen Akkusativ
erblickt. Der Ausgangspunkt sei die gleiche Verwendung von Akkusativ und
Instrumental nach den Verben des Wofürhaltens, Zuetwasmachens usw.
Viel Neues bringt die Erklärung der lit. acc. pl. -ü's > -ws, die Verf mit Zubaty,
Mikkola und Pogodin unter Zurückführung auf -ös als ursprüngliche Nomina-
tive faßt. Gegen Streitbergs Lehre idg. -07is >> -ö^s, woraus einerseits lit. -m,
andererseits pr. -ans und lit. dial. -uns wird eine Reihe chronologisch-gramma-
tischer Argumente vorgebracht, während die seit J. Schmidt in der sprach-
wissenschaftlichen Literatur als '/emaitisch bezeichnete Form vilkuns über-
haupt jeder Gewähr entbehrt. Die in diesem Dialekt vorkommenden Formen
mit -uns- zeigen ein hier öfter zu beobachtendes nicht lautgerechtes n zwischen
langem Vokal und s. Bei den ä-Stämmen (S. 171) ist als wahrscheinlich aus-
Endzelin, Slavisch-baltische Studien, angez. v. Jokl. 315
schließliche Eigenheit des b. und sl. der instr. sing, auf *-äm zu nennen. Der
den i- und i<-Stämmen gewidmete Abschnitt (S. 172 — 179) enthält wichtige
Aufschlüsse über den el. nom. pl. wie gostbje, trbje; die herkömmliche Zurück-
führung auf das in den klassischen Sprachen und im ai. nachzuweisende -eies
und die darauf beruhende Regel heterosyll. ei"^ bj bekämpft E., da die weni-
gen für diese Regel angeführten Formen nach Ausweis des bei slavischer
Sprachforschung in erster Linie zu beachtenden Balt. auf -le- weisen: lett. tris
(mit unterbrochener Intonation, daher < *triies, lett. vij'u, lit. dial. *viju (cf. 3.
pl. vlja. Wolter, Lit. Chr. 400, 25). Die sl. Plurale der t-Stämme können daher
den lit. auf -j/s, lett. -is, pr. -is bildungsgleich sein. Freilich ist zu beachten,
daß es sich trotzdem nicht um gemeinsame, sondern auch um selbständige
Bildungen handeln kann, da ja auch — wie E. übrigens selbst hervorhebt —
gr. Dialekte -iss, also Verallgemeinerung der schwachen Stammabstufung
zeigen. Der sl. loc. sing, der «-Stämme auf -ei ist nach E. trotz Brugmann,
Gr.2, n/2, 176 auch in lett. Dialektformen wie sirdie, üdenie, akmetiie, ferner in
zem. szall-p >neben« fü.T*szalie-p uach*5za/i wiederzuerkennen. Der instr. sing.
der i-Stämme: -mi ist dem b. und sl. ausschließlich eigen. Von den Formen
der Pronominalflexion (180 — 190) vergleicht E. vermutungsweise zem., ostlett.
mun und sl. (ar.) 7m7ie, das Ostromir mit ^ überliefert, miteinander und möchte
darin eine gemeinsame b.-sl. Neuerung {Grundform *inunei) erblicken. Die
schriftlit. und pr. Formen wären dann spätere Bildungen. Doch gibt es für
den ursl. Charakter von rmne keinen sicheren Anhaltepunkt, weder aus den
Denkmälern — Zographus hat mbue. Mar. lubne und im?ie, Ostr. ?nöne (cf. Von-
dräk, Altksl. Gr.2, 450 f.) — noch aus den modernen Slavinen. Es wird also
vorsichtiger sein, sich für die Zwecke der Statistik der b.-sl. gemeinsamen
Neubildungen mit einem non liquet in dieser Frage zu begnügen. (Zu dem An-
sätze ursl. wi^we gelangt auch Hujer, IF. 30, 40 if., wobei er dessen hypotheti-
schen Charakter hervorhebt, anders Brugmann, ebd. S. 50, Anm. 1). Mit über-
zeugenden Argumenten werden ferner pr. mie?i, tien od. tin, sien od. sin (als
mm, im, shi, <^urb. *men, *ten, *sen) mit aksl. nip, te, se (im Anschluß an Les-
kien) verglichen (181 — 184). Der acc. pl. pr. ivans, aksl. vy), der gen. pl. [*nös-
söm, *uössbm), der dat. pl. (*«ö??jws) werden als gemeinsame Neubildungen dar-
getan (185 — 186). Auf die Übereinstimmungen in der Syntax (prädik. Instrum.,
Gen. in negativen Sätzen), ist nicht viel Gewicht zu legen, da diese Erscheinun-
gen auch in anderen Sprachen nachweisbar sind (S. 190 — 192). Den Beschluß
macht (S. 192 — 200) eine äußerst interessante Zusammenstellung des beiden
Sprachstämmen ausschließlich gemeinsamen Wortschatzes, die ihre nahe Ver-
wandtschaft gerade auf diesem Gebiete in anschaulicher Weise beleuchtet.
E. zählt 49 Verba, 154 Nomina, und 9 Adverbia, Präpositionen und Partikeln
auf. Wörter, die nur gemeinsame Bedeutungsentwicklung des b. und sl. zeigen,
in anderer Bedeutung aber auch sonst vorkommen, sind nicht aufgenommen.
Daß manche dieser Übereinstimmungen im Wortschatze auch durch Entlehnung
erklärt werden können, gibt E. selbst zu.
Zusammenfassend stellt E. die alten Beziehungen zwischen den sprach-
lichen Vorfahren der heutigen Balten und Slaven so dar: Schon in der Zeit
der idg. Ursprache unterschied sich das »Slav.« vom >Balt.*, so daß es etwa
316 Kritischer Anzeiger.
eine Mittelstellung zwischen >Balt.« und >Arisch« einnahm. Nach dem Ab-
rücken der >Arier« traten »Slaven« und >Biilten« in eine Epoche des Zusam-
menlebens, ihre Sprachen bereichern sich durch eine ganze Reihe gemein-
samen neuen Wortmaterials und sind einer — übrigens nicht bedeutenden —
Reihe gemeinsamer grammatischer Neuerungen ausgesetzt. Dafür, daß die
Unterschiede zwischen b. und sl. in die Zeit der Ursprache reichen, wird ins-
besondere das Nichtvorhandensein von verschiedenen Graden der Verwandt-
schaft zwischen den einzelnen b. und den einzelnen sl. Sprachen angeführt.
(Einen anderen Schluß gründet auf diesen Umstand Hirt, Die Indogerm. S. 121,
s. auch unten). Der erste Teil dieses Ergebnisses ist gleichbedeutend mit der
Annahme von Unterschieden zwischen dem heutigen Balt. und Slav., die bis
in die Zeit der idg. Ursprache zurückreichen. Gibt es solche? E. erblickt
einen derartigen Unterschied in der Behandlung des s, allein gerade in diesem
Punkte scheinen Ref. seine Aufstellungen zu weit zu gehen (s. o.). Den
Unterschied in der Behandlung von kh (b. /.-, sl. ch), für den E. zweifellos rich-
tige Beispiele beigebracht hat, in die Zeit der idg. Ursprache zu verlegen, da-
für gibt es keinen chronologischen Anhaltspunkt. Die Annahme, daß Ä7( eine
Zeitlang parallel im b. und sl. bestand und dann in relativ junger Zeit im b.
mit k zusammenfiel, im sl. ch ergab, läßt sich weder beweisen noch widerlegen.
(Über eine andere Möglichkeit der Vereinigung von b. k und sl. ch cf. Pedersen,
K. Z. 38, 391). Für den Unterschied im Instr. sing, der o-Stämme gibtE. selbst
die Möglichkeit eines Nebeneinanderbestebens der Formen auf -ö und auf -omi
(S. 165) zu. Auf keinen Fall ist in einem solchen Unterschied der Kasusbildung
ein trennendes Kriterium zu erblicken, da ja verschiedene Bildungsformen
eines Kasus bis in die dialekt. Verzweigungen der Einzelsprachen hinein
nebeneinander bestehen können. Man vgl. ai (klass. Sanskrit) vrkäh Wölfe
(Suff, -ös) gegenüber ved. asvämh Pferde (Suff, -öses), (Brugmann, Gr.2, II/2,
211 f.). Die Gemeinsamkeiten der beiden Sprachen zerfallen hingegen in zwei
Kategorien, solche, die bis in die Zeit der idg. Ursprache zurückreichen —
in der Annahme solcher wird man Meillet beistimmen müssen — und in solche,
die jüngeren Datums sind und die wohl kaum in den beiden Sprachstämmen
unabhängig voneinander entstanden sind. (Man denke an das Saussure'sche
Gesetz, b. -tau, sl.j'u, die gleichartige Behandlung des heterosyllabischen eii
u. vieles andere, von E. Beigebrachte.) Demnach: gemeinsamer Ausgangspunkt
bei Fortbestehen der Gemeinsamkeiten in nachidg. Zeit. Dies ist nun freilich
ein Ergebnis, das dem, das man bisher herkömmlicherweise mit dem Namen
der b.-sl. Spracheinheit bezeichnete, gar nicht unähnlich ist, sich hingegen
von dem von E. aufgestellten durch Streichung der in idg. Zeit reichenden
Unterschiede unterscheidet. Die Bezeichnung »Spracheinheit« ist nun gewiß
einerseits prätentiös — angesichts des spärlichen Materials, das der Sprach-
wissenschaft für Rückschlüsse auf eine so entfernte Vergangenheit zu Gebote
steht — ; sie ist andererseits irreführend, wie dies E. zum Schluß mit Recht her-
vorhebt, da sie die Vorstellung von vollständiger Einheit erweckt. E.'s Be-
zeichnung >baltisch-slavische Periode« ist daher vorzuziehen. Wie erklären
sich aber, wenn man eine ursprüngliche Sonderung von balt. und sl. nicht an-
nimmt, die vorhandenen, zweifellos bedeutenden Unterschiede? Für ihre Er-
Endzelin, Slavisch-baltiache Studien, angez. v. Jokl. 317
klärung könnte man allerdings versucht sein, auf Meillets Begriff des dialecte
natnrel (Les dlal. indo-eur. S. 4) zu verweisen, der ja nichts anderes als eine
Gruppe von Mundarten ist, die durch gemeinsame Isoglossenlinien einge-
schlossen sind; innerhalb eines dialecte naturel bleibt Eaum genug für be-
deutende Abweichungen, die sich im Laufe der Entwicklung steigern können.
Kozwadowski setzt behufs Beantwortung der Frage (R. S. 5,24, 33} zwischen
die ursprüngliche b.-sl. Epoche und die bis in die Gegenwart sich erstreckende
Zeit des nachbarlichen Nebeneinanderlebens eine Periode räumlicher Tren-
nung. Ein abschließendes Urteil über diese Lehre — eine ähnliche wurde
von Hirt, Die Indogerm. I, S. 120 f. ausgesprochen — können erst eingehende
Einzelforschungen über die chronologische Interrelation von Gemeinsam-
keiten und Unterschieden einerseits und die zeitliche Abfolge innerhalb der
Gemeinsamkeiten, ihre Zerlegung in zwei Schichten, bringen. — Damit sei
von dem Werke, das Ref. bei wiederholtem Studium eine Fülle von Belehrung
und Anregung bot, Abschied genommen. Wie tief und nachhaltig das Haupt-
problem sowohl als die zahlreichen Probleme der b. und sl. Sprachwissen-
schaft, in die es zerfällt, durch diese hervorragende Schrift gefördert wurden,
werden die Leser des »Archivs« schon aus dieser knappen Darstellung ihres
Hauptinhalts ersehen haben.
Wien. Norbert Jokl.
Kleine Mitteilungen.
Nochmals das Schlagwort >ihujioü 3ana^^<.
Im Archiv XXXI, 318 wurde die Frage nach dem Urheber des russischen
geflügelten Wortes vom »faulen Westen« aufgeworfen. Aus den dort mitge-
teilten Stellen geht hervor , daß Sevyrev das Wort geprägt haben kann. Ein
weiterer Hinweis auf diesen Gelehrten als den Urheber des Ausdrucks findet
sich in einem vom Redakteur des >E/Kero;iiiHK'i> BlMnepaTopcKuxi. Teaiposic
Baron Driesen in Lieferung 4 des Jahrbuchs für 1911 veröffentlichten Schrei-
ben Verstovskijs , des Direktors der Moskauer Hoftheater, an seinen Chef
Gedeonov in Petersburg. Der >E/KeroaHHKx« ist mir nicht zugänglich, meine
Quelle ist das Feuilleton »JIhctt. b-l Poccin« von M. Ivanov in Nr. 12 801 der
»Novoe Vremja« vom 31. 10. (13. 11) 1911. Verstovskij berichtet über die
Aufnahme Liszts in Moskau im Mai 1843 und schreibt, was folgt: »Hs-b nocjiiÄ-
HHXT, ÄHeü He npoxoÄUJ:o noiTU hh o;tuoro , itoöbi ue Äasa^H CMy npaaaHHKa, o*h-
nlajitHaro oöisa hju niiKHUKa. ü, KaK-L ^e.ioBiKi. 0TCTa.3tiü u ct. 3ano3aaBiuHMH
npH^yaaiviH, He HMi.i'B hm lecTu, hh y;iiOBOJiLCTBiK öhtb hh na oäeomi nax CHit
318 Elleine Mitteilungen.
TopacecTBX, ho cjiuma.ji'h, ito euy Besai roEopujiH piiu. T. ILa.Bjion'h (mockobckIh
jiiTepaxopT.) , aaBHO yace HSBiCTHtiü esponeeii^ , nieBtipest (npo*ecop'i. pyccKoft
cjOBecHocTu) CO CBOHMt CTHnBiuHMt SanaflOMTi, xaKace h^^ctujihci, bt. cio-
Bo.« Das Eingeklammerte hat wohl Ivanov (oder Baron Driesen) hinzu-
gefügt.
Es wäre dankenswert, wenn jemand in Moskau der von Jagic in unserem
Archiv a. a. 0. gegebenen Anregung folgen und im >MocKBHTHHUH'i€ nach der
Urheberschaft Sevyrevs forschen wollte. Aber bei dem in Rußland herrschen-
den völligen Mangel an Interesse für solche Dinge ist darauf wohl nicht zu
rechnen.
Posen. W. Christiani.
Hlapsl = Knieriem.
Im >Bozicni Prilog< zum Wochenblatt >Nase Pravice«, das in meiner
Vaterstadt Varazdin erscheint, las ich in einem Aufsatze »Zadnji spomen izu-
mrlog starodrevnog hrv. sostarskog zbora u Varazdinu«, den der dortige Dom-
herr Stjepan Valdec, ein 85 jähriger rüstiger Greis, geschrieben, das Wort
*hlapsU, das den Knieriem (Knieriemen) bedeutet. Der Verfasser beschreibt
den >hlapsl< und sagt dann: hlapsl mozda dolazi od rieci *Jilapec<, sluga, jer
sluzi kod rada sivacu. Diese Wortdeutung wäre dem Anlaut gerecht, doch
der Auslaut klingt so fremdartig, daß eine solche Verunstaltung des einhei-
mischen Wortes >hlapec* kaum denkbar ist. Angesichts der Tatsache, daß
in den mit Ungarn benachbarten Gegenden Kroatiens sehr viele magyarische
Ausdrücke begegnen, namentlich in einzelnen Gewerken, lag am nächsten der
Gedanke auch für dieses Wort im Magyarischen den Ursprung zu suchen, wie
für bickija (bicska), birsag (birsäg), lokozas (lakozäs) u. a. Nur der doppelkon-
sonantische Anlaut störte. Ohne erst im Wörterbuch nachzuschlagen , fragte
ich den Freund Prof. Asböth, ob das Wort nicht dennoch magyarisch sei. Er
bestätigte es mir mit dieser launigen Antwort: Ich glaube, Sie könnten ruhig
1000 Ungarn der Reihe nach fragen, alle würden Ihnen lachend antworten:
hlapsl — ungarisch? Nein, das ist rein unmöglich. Fragen Sie aber, wie man
den >Knieriemen< ungarisch sagt, so ist das Rätsel gelöst, der heißt nämlich
läbszij; das Wort ist zusammengesetzt aus lab = Fuß und szij = Riemen.
Wie kam der Kroate dazu dem Anlaut / noch ein h vorzusetzen? Prof. Asböth
denkt an die Entlehung in einer Gegend, wo man in hladan und ähnlichen
Wörtern bald reines l bald hl, also eine schwankende Aussprache hört. Das
wäre möglich, wenn das Wort irgendwo in Baeka — Banat seinen Ursprung
hätte. Allein bei den Kaj-Kroaten wird hl regelmäßig nach der Etymologie
ausgesprochen. Darum kann die Frage aufgeworfen werden, ob in hlapsl nicht
wirklich hlapec das Musterwort abgab, nach welchem man dann ,lapsij' zu
hlapsij' umgestaltete. Es hat ja der Verfasser des Aufsatzes, wie wir oben
sahen, wirklich an hlapec gedacht. Bezüglich des auslautenden 1 denke auch
ich mit Asböth an deutsche Beeinflussung, vielleicht nicht gerade in dem Sinne,
daß die Kroaten durch das deutsche Medium lapsl (aus dem magyar. läpszij)
das Wort bekommen haben; es genügt vielleicht zu sagen, daß das Wort als
Kleine Mitteilungen. 319
Fremdwort gefühlt wurde und da lagen zur Analogiebildung aus lajysij in
lapsl, hlapsl solche Wörter vor, wie gimpl, kripl, pudl, stopsl, strufl u. a.
Übrigens erfahre ich durch Prof. T. Matic, daß auch in Slavonien (Pozega)
der Ausdruck bekannt ist und läpsan (Genit. lüpsana) lautet. Und auch für
das Slovakische führt Loos in seinem Wörterbuch die Form lapsik an (Prof.
Asböth hält die von Skultety u. a. verzeichnete Form lapsik für richtiger, denn
80 soll die wirkliche Aussprache lauten). F. J.
Florianer Psalter 103, 26: r^kama.
Aufs. 251 dieses Bandes habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß in
der Nehring'schen Ausgabe des Florianer Psalters der Text 103, 26 lautet:
To morze welike y szyrokee r(^kama, daß dem gegenüber das Lexikon s. v.
reka aber ausdrücklich für diese Stelle die Form r^^koma notiert. Nehring
gibt auch in den »Corrigenda et addenda« S. 248 über diese Verschiedenheit
keine Auskunft. Es würde hier der älteste Einfluß von o-Stämmen auf
rt-Stämme vorliegen, den auch der Grammatiker des Denkmals, Leciejeweki,
nicht angemerkt hat. Dagegen belegt Nehring's Lexikon die zu erwartende
Form r(}kama durch 23, 4 und 97, 9, wozu ich noch 105, 40 hinzufügen kann.
Um nun einen endgültigen Aufschluß über diese Unstimmigkeit zu erhalten,
richtete ich an die Bibliothek des regul. Chorherrenstiftes St. Florian bei Linz
eine Anfrage, auf die mir der Herr Bibliothekar umgehend bereitwüligst
folgende Antwort erteilte: »In unserer Hs. III, 206 (Psalterium trilingue)
fol. 194 Spalte 2 heißt das angefragte Wort ganz deutlich rj^kama (a nicht o).«
Auch Dunin-Borkowski hat , worauf mich der Herr Bibliothekar hinwies, be-
reits die richtige Lesart r(^kama in seiner Ausgabe : >Psalterz kr61ow6j Mai-
gorzaty« usw., wie man den Psalter damals nannte.
Beuthen O/S. E. Hanisch.
Ein polnisches geflügeltes Wort.
In Büchmanns > Geflügelten Worten« 479 (25. Aufl., Berlin 1912) wird der
Verfasser des Dombrowski- Marsches »Jeszcze Polska nie zginela« als un-
bekannt bezeichnet unter Berufung auf die deutsche Ausgabe der »Vorlesun-
gen über slawische Literatur und Zustände« von Adam Mickiewicz (Lpz. 1843)_
Diese noch von Büchmann selbst vor fast 50 Jahren in sein Werk aufgenom-
mene Angabe trifft seit längerer Zeit nicht mehr zu, sie ist heute völlig ver-
altet. Den späteren Herausgebern der »Geflügelten Worte« ist es vermutlich
nicht bekannt geworden, daß über das berühmte Lied der polnischen Legionen
seit 1894 eine umfangreiche polnische Literatur entstanden ist, die sowohl die
Person des Dichters als auch die Zeit der Entstehung des Dombrowski-Mar-
sches betrifft. Als Verfasser des Liedes galt schon früher Joseph Wybicki.
Daß er es in der Tat gedichtet hat, ist von Professor L. Finkel in Lem-
berg in der Broschüre »0 piesni legionöw« (Lemberg 1S94. 40 S. S») und
in der von Kossak illustrierten Prachtausgabe des Dombrowski-Marsches
320 Kleine Mitteilnngen.
(Piesn legionöw. Lemberg 1894) nachgewiesen worden. Über die Frage, wann
und wo Wybicki das Lied gedichtet hat, haben sich Finkel und Korzon in
Warschau wiederholt geäußert, und zwar Finkel zuerst a. a. 0., dann 1910 in
der 1910 erschienenen zweiten Auflage der genannten Prachtausgabe und im
Warschauer >Tygodnik Illustrowany« (1910, Nr. 4); Korzon ebenda zuerst
1896 (Nr. 10—13), darauf 1911 (Nr. 1). Finkel behauptete anfangs, das Lied
sei 1797 in Reggio entstanden, dann vertrat er die Ansicht, es sei 1797 in
Paris gedichtet worden. Dagegen meinte Korzon, Wybicki habe den Marsch
erst um den 22. Februar 1799 in Italien gedichtet. In der Lemberger >Gazeta
wieczorna« (1911, Nr. HO u. 127) pflichtete B. Pawlowski Finkel bei, Korzons
Ansicht wiederholte WaclawOrlowski in seiner Broschüre >Piesn legionistöw.
Jej powstanie i historya« (Krakau 1910). Im Krakauer >Czas« (1912, Nr. 594)
gelangte A. Hajdecki in einer beachtenswerten Untersuchung >Jak i kiedy
powstala Piesii Legionöw?« zum Ergebnis, daß Wybicki den Dombrowski-
Marsch am 15. April 1797 in Paris gedichtet habe. Vertont worden ist der
Marsch, wie Hajdecki annimmt, unmittelbar darauf von Fürst Michael Oginski.
(Dieser galt, nebenbei bemerkt, von jeher als Komponist des Marsches.)
Endlich hat in der >Biblioteka warszawska« (1913, Februarheft, S. 377 —
381) Wactaw Orlowski in einem Aufsatz >Dotychczasowe badania nad pow-
staniem 'Piesni legionöw'« nochmals das Wort ergriffen. Er geht auf die Aus-
führungen Hajdeckis ein, an denen er manches auszusetzen hat, gibt indessen
zu, daß aus einem von H. gefundenen Dokument als Entstehungszeit das Jahr
1797 hervorgeht. Für den Komponisten hält Orlowski nicht den Fürsten
Oginski, sondern den Dichter Wybicki, der mehrere Opern komponiert hat.
Posen. W. Chrisiiani.
Zu Zukovskijs GedicJd Ympo na lopih.
Zukovskijs Gedicht yxpo Ha ropi vom Jahre 1S19 gilt bisher wohl als
original, wird wenigstens in den mir zugänglichen Ausgaben (Glazunov,
10. Ausgabe 1901, Marks 1902, Sytin 1902) so aufgefaßt. Es ist aber, wie ein
Vergleich ohne weiteres ergibt, eine Übersetzung der ersten beiden Strophen
von Goethes >Zueignung«. Faul DieU.
Berichtigung.
In dem in Bd. XXXIV (1912), S. 298— 304 veröffentlichten Aufsatze:
»Über einen Kodex der serbischen Königin Milica oder Helena, als Nonne
Eugenia genannt in den Meteoren« sind einige Druckfehler geblieben. Von
diesen Druckfehlern möchte ich einen, der gewiß zu Mißverständnissen führen
könnte, berichtigen: d.h. auf S. 299 Z.6 — 7 statt >dem Ende des XIII. oder
dem Anfang des XIT. Jahrhunderts« ist zu lesen »dem Ende des XIV.
oder dem Anfang des XV. Jahrhunderts«. Nikos Vees.
und -e in den Endungen der slavischen Deklination.
Bekanntlich stehen dem -e der weichen Stämme (im gen. sing.,
nom. acc. plur. der Feminina, sowie im apl. der Maskulina: duse^ ^'''nj^)
im Russischen und Slowakischen, und, wie man annimmt, auch im Pol-
nischen, und vielleicht im Cechischen Endungen gegenüber, die auf eine
andere Grundlage weisen: auf Grund des Altrussischen pflegt man zu
vermuten, daß in den betr. Sprachen nicht slav. -e, sondern slav. -e ent-
stand. Man nimmt demnach an, daß schon in urslavischer Zeit ein Teil
des slav. Sprachgebietes bei der Bildung dieses Kasus andere Wege ein-
geschlagen habe, als den, dessen Resultate wir im Altkirchenslav. und
in den südslav. Einzelsprachen vorfinden.
Ich brauche auf die Literatur der Frage nicht hinzuweisen , da sie
von Hujer, Slovanska, deklinace jmennä § 93 ff. zusammengestellt und
besprochen ist.
Auf die Frage, wie sich die Entstehung von -e neben -e sprach-
wissenschaftlich rechtfertigen lasse, sind verschiedene Antworten ge-
geben worden. Hujer glaubt sie (im Anschluß an Zubaty) durch ein
Lautgesetz zu lösen , wonach -*{äs im slav. Auslaut ^ -S führt. Die
Endung des Russischen , Slowakischen usw. würde also auf eine vorsla-
vische Endung ohne Nasal zurückgehen: eine solche Endung könnte im
Gen. sing, der Feminina und im Nom. plur. ursprünglich, sie könnte im
Akk. plur. der Feminina aus -*ißns lautgesetzlich entstanden sein und
müßte auf den Akk. plur. der Maskulina übertragen sein.
Ich will hier nicht untersuchen, ob das alles sehr wahrscheinlich
ist: der Übergang von -*{äs zu -^, während im absoluten Auslaut und
vor allen andern Konsonanten -*{ä- erhalten bleibt; ferner das Ver-
bleiben eines solchen -e nach einem doch wohl erweichten Konsonanten,
die Übertragung der Endung ins Paradigma der Maskulina, wo sie ur-
sprünglich sicher keine Stelle hatte, die Erhaltung einer nasallosen En-
dung -äs gerade nur bei den weichen Stämmen (warum nicht auch bei
den harten?), das schon urslavische Bestehen einer dialektischen Ver-
schiedenheit in der Flexion. Über all dies würde man vielleicht hinweg-
Archiy für slavische Philologie. XXXY. 21
322 P. Diels,
kommen, wenn sich keine andere Lösung böte. Ich glaube aber, daß es
eine andere und einfachere gibt.
Als zweifellos hat man^ wie bekannt, eine von -e verschiedene En-
dung nur für das Russische und Slowakische angenommen. Das Cechische,
so wie es vorliegt, läßt sich in beide Gruppen gleich gut einreihen : der
gsg. dusS usw. kann sowohl auf duse wie auf das vorausgesetzte nord-
slav. dusi zurückgehen ; das Zeugnis des Öecbischen kommt also nicht
in Betracht, auch das Sorbische bietet keinen Grund, von dem Ansatz
duse abzugehen. Das Polnische betreffend hat schon Jagic mit Recht
daraufhingewiesen, daß die Form ap. di^sze usw. lautgesetzlich, durch
Verlust des Nasals, aus duie entstanden sein kann: das Recht zu einer
solchen Annahme geben die in den ap. Denkmälern häufigen, z T.
regelmäßigen. Formen mie^ cie, sie statt wti?, cie, sie in unbetonter
Stellung 1).
So bleibt nur das Zeugnis des Russischen und Slowakischen übrig:
es kann nicht bezweifelt werden, daß -e in den genannten beiden Spra-
chen auch im Auslaut -a resp. -'a ergeben muß, das beweist vor allem
slowakisch so, rnss.-s/ausw., und so, meint man, müsse slowakisch duse,
Mü6e, altruss. duse, klJudS eine andere Entstehung haben, als das aksl.
duse^ klj'uöe. Ich glaube aber nicht, daß dieser Schluß wirklich zwingend
ist. Es ist die Frage, ob man duse, klj'uöe und se ohne weiteres auf eine
Stufe zu stellen berechtigt ist.
Ich will nicht davon sprechen, daß -c in duse, kJjuöe erst durch
Umlaut entstanden ist, im Gegensatz zu allen anderen Fällen von aus-
lautendem und inlautendem -e. Denn es ist allerdings nicht wahrschein-
lich, daß dieser Unterschied in einzelsprachlicher Zeit noch lautlich fühl-
bar gewesen sein sollte. Aber — und das scheint mir das Wesentliche —
1) s. Leciejewski, Der Lautwert der Nasalvokale im Altpolnischen, pas-
sim und bes. S. 163, Anm. 2. Die Formen mie, de, sie zeigen, wie sich ein aus-
lautendes, unbetontes, kurzes-? entwickeln konnte, wenn keine Störungen
eintraten; die Formen des nom. und acc. sg. der -et- und der -/new-Stämme
wie dziecip, imip , die in den ap. Denkmälern ziemlich regelmäßig (wiewohl
nicht immer) mit Nasalvokal auftreten, haben sich vermutlich nicht ganz laut-
gesetzlich, sondern unter Einfluß der obliquen Kasus entwickelt. Wo die
Formen wie mie, cie, sie in den ap. Denkmälern fehlen, und nur ??»>, ctf, sie
usw. auftreten, liegt Ersetzung (vielleicht nur in der Schrift; durch die ortho-
tonierten Formen vor. Andere Beispiele für die Entwicklung eines auslauten-
den, kurzen slavischen -f gibt es im Polnischen meines Wissens überhaupt
nicht.
e und f in den Endungen der slavischen Deklination. 323
diese Endungen der -Ja- undyä-Stämme, dusq^ hl'ude^ waren wahrschein-
lich der einzige Fall^ wo das -e einen stark erweichten Konsonanten
vor sich hatte: denn in allen andern Fällen im Auslaut (und Inlaut) ist
q bekanntlich anderer Entstehung (aus ew, em usw.) und hat demnach
einen nur schwach erweichten Konsonanten vor sich. Daß ein solcher
Unterschied wohl wirklich bestand, zeigen die Bemerkungen Leskiens
Archiv f. slav. Philologie XXVII, S. 165: Die (allerdings z. T. unregel-
mäßige) Setzung des Erweichungszeichens über w, /, r in glagolitischen
Texten läßt erkennen, daß diese Konsonanten vor allen hellen Vokalen
palatalisiert waren, daß aber die Palatalisierung vor einem etymol. e,e, ^
zweifellos schwächer war als die Palatalisation durch ein etymologisches y
(+ Vokal), d.h. also im N.sg. part. chvaJq schwächer als etwa im G. sg.
voTe^ im N. sg. part. zenqi se schwächer als etwa im G. sg. vone usw.;
dies gilt zunächst für n, l, r] für die Labialen ergibt sich ein gleicher
Unterschied durch das Fehlen oder Eintreten der /-Epenthese: brSmq
etwa gegenüber von G. sg. f. zeml'e usw., ebenso muß ein solcher Unter-
schied für die Dentale vorausgesetzt werden, sowie für die Zischlaute s,
z. Nur bei den Gutturalen ist ein solcher Unterschied weder orthogra-
phisch zu fassen noch mit Sicherheit als vorausgegangen zu erschließen,
d. h. ein Unterschied zwischen dem Palatalitätsgrad von 3. pl. aor. rise
und G. sg. du^c usw. Es hindert aber nichts, ihn auch hier voraus-
zusetzen.
Wenn wir sonach zu der Annahme berechtigt sind, es sei eine durch
/bewirkte urslav. Konsonantenerweichung in jedem Falle ursprüng-
lich stärker gewesen, als eine durch die Darauffolge heller Vokale (ohne
j) bewirkte, so kann man m. E. die Frage nach der Herkunft der alt-
rnss. und slowak. Formen: duse, kone, kl'ade usw. ohne bes. Schwierig-
keit in der Weise lösen, daß man annimmt, es sei in den genannten bei-
den Sprachen nach einem stark erweichten Konsonanten die Weiterent-
wicklung des ausl. -e in der Richtung auf -a unterblieben oder doch nicht
soweit fortgeschritten wie nach einem schwach erweichten Konsonanten :
daher im Slowakischen mede, gegen chlapdu, &a usw., im Altruss. ein
Laut, den die altruss. Orthographie i) durch -S wiedergibt kJJu6S^ gegen-
über von sju.
In diesem Falle enthielte die altruss. Schreibung klj'ucS überhaupt
1) Die altruss. Formen auf -ja, -a in diesen Kasus erklärt Sobolevskij,
sicher mit Recht, für nicht echt russisch, Lekciji* S. 153.
21*
324 P- Diela,
keinen Hinweis auf ein slavisches -^, sondern es sollte durch diese
Schreibung nur etwa ein e-Laut ausgedrückt werden, der dem sonstigen
russ. S in der Vokalqualität ähnelte , ohne doch mit ihm der Entstehung
nach auch nur die geringste Gemeinschaft zu haben.
Wenn das richtig ist — und möglich ist es in jedem Fall — so
entfallen alle die Schwierigkeiten, die wir bei andern Erklärungen ent-
stehen sahen. Es handelt sich dann um keinerlei Flexionsverschieden-
heit in urslav. und vorslav. Zeit, sondern die in den slav. Sprachen be-
legten Formen der betr. Kasus im Paradigma der weichen Stämme gehen
alle auf die im Aksl. belegten -(^-Formen lautgesetzlich zurück, diese
Formen trennen sich von dem sonstigen Schicksal eines auslautenden ~e
nur in den beiden Sprachen, die ein -<? auch im Auslaut in der Richtung
auf -a weiterentwickelt haben, und zwar geschieht die Trennung in der
Weise, daß in den betr. Klexionsformen eben diese Weiterentwicklung
in der Richtung auf -a unterbleibt, und zwar auf Grund eines Laut-
gesetzes, das nur in diesen Formen wirken konnte, das daher für uns
nicht weiter beweisbar, an sich aber keineswegs unwahrscheinlich ist^).
Breslau, im Juni 1913. Paul Vieh.
1) Unter den gleichen Bedingungen wie dus^ usw. standen nur die For-
men des N.Bg. part. prüs. der weichen Präsensstämme, wie (jlagol'r usw. Diese
Form ist im Slowakiachen bekanntlich nicht mehr vorhanden, die russischen
Formen wie 3 h a ;i stehen unter dem Einfluß der harten Präsensstämme und
der Formen wie t e p n a.
Zum Schicksal der Halbvokale im Slowakischen.
Im Slowakischen zeigt sich bekanntlich neben o, e, die den mittleren
Dialekt charakterisieren und deren Verteilung in der Hauptsache dem
alten Unterschied von ^ : * entspricht, auch ein a als Vertreter alter
Halbvokale. Da die mir bekannten Darstellungen dies entweder nur
als Unregelmäßigkeit verzeichnen oder darin einen »Anknüpfungspunkt*
an das Südslavische sehen — im Grunde bedeutet ja auch dies einen
Verzicht auf jede Erklärung, — so sei hier darauf aufmerksam ge-
macht, daß das Auftreten von a sich doch wohl nicht völlig regellos voll-
zieht. Es handelt sich bekanntlich um einzelne Worte, in denen a als
Zum Schicksal der Halbvokale im Slowakischen. 325
Reflex des Halbvokals auftritt: sie sind am vollständigsten zusammen-
gestellt bei Pastrnek, Beiträge zur Lautlehre der slovak. Sprache in
Ungarn, S. 96 ff. Es sind:
haza = c. hez 'Hollunder' (Stamm- und GescMechtswechsel wie
dialektisch im Südslavischen} ;
daska neben doska, deska;
sowie die Maskulina:
däzd'. neben dezd' und dyst ;
mach = c. mech, neben moch ;
raz^ razka neben roz^ rez\
sowie mit einem entspr. Reflex des h:
Tan = e. lefi, neben len.
Es "Wäre zu wünschen, daß die Abgrenzung der konkurrierenden
Formen in den Dialekten noch genauer erforscht würde : doch läßt sich
das Charakteristische dieser Formen vielleicht schon mit dem vorhan-
denen Material erkennen. Man kann das Gesetz empirisch etwa so for-
mulieren: a tritt im Slowakischen als Vertreter von 0, h in den Fällen
auf. wo der Halbvokal (in allen oder den meisten Formen des Para-
digmas] schwinden sollte 'oder wenigstens im Cechischen und Polnischen
geschwunden ist), tatsächlich jedoch nicht schwindet: man bemerkt so-
fort , daß die genannten Worte im Slowakischen vorwiegend oder sogar
regelmäßig den Reflex des Halbvokals durch das ganze Paradigma durch-
führen, im Gegensatz zur Behandlung der gleichen Worte im Polnischen
und Cechischen , sowie zur Behandlung anderer Worte ähnlichen Baues
im Slowakischen selbst.
So steht baza gegenüber von c. p. bez, bzit, mit durchgeführtem
Vokal wie in russ. 602'h usw.
daska gegenüber von ac. dska, Gen. pl. desk (s. Gebaner, Slovnik
starocesky I, 349 bi, ebenso gegenüber dem altpolnischen cka^ Gen. pl.
desk (3. Babiaczyk, Lexikon zur altpoin. Bibel 1455, Breslau 1906, 8.
V.), mit durchgeführtem Vokal wie in russ. jocKa usw., np. nc. deska.
däzd', gen. dazd'a 's. Czambel, Rukovät' S. 303) gegenüber von ac.
desö, dscS '3. Gebaner a. a. 0. I, S, 232b , ap, deszcz, dzdia, adj.
didzowy (3. Babiaczyk, s. v.), mit durchgeführtem Vokal wie nc. desf,
deste, russ, äos^jb, ;;oa:ja.
mach, machu ^s. Czambel, Rukovät' S.320) gegenüber von c. mech,
mchu (neben mec?iu), p. mech, mchu^ russ, mcxT). Mxa (neben Moxa).
326 P- I>iel8,
raz, g. razi (s. Czambel, Rukovät' S. 342) gegenüber von c. rez,
rzi (neben rezi)^ p. r«?i, riy, r. poa:b, p»:h.
/aw, g. l'ajiu (s. Czambel, Rukovät' S. 318) gegenüber von c. len,
hm (neben lenu)^ p. len, Inu, russ. jrent, Jtiia.
Und die ganze Gruppe der genannten Worte mit erhaltenem Halb-
vokal steht gegenüber von slowakisch loz, g. Izi (mit Schwund des
Halbvokals in den obliquen Kasus und o für ^ im Nominativ) , vos : vsi,
lev : Iva (neben leva), dest': cti, den : dna^ sen : sna (falls dies echt slo-
wakisch ist), lesi! : Isti^ pen : pna usw. i).
Noch in einem zweiten Falle tritt bekanntlich im Slowakischen a
für ehemaligen Halbvokal auf: im G. pl. einiger Substantiva, deren
Stamm auf eine Konsonantengruppe ausgeht; die Regeln dafür gibt
Czambel, Rukovät' S. 54flf. Bei den Feminina ist der Einschub von ä
regelmäßig bei solchen, deren Stamm auf Konsonant -{- Liquida aus-
geht wie sestd?-, darunter sind viele , in denen überhaupt kein Einschub-
vokal etymologisch zu erwarten ist: a erscheint also auch hier an einer
Stelle, wo wir zunächst gar keinen Vokal erwarten sollten. Anders frei-
lich steht es mit der zweiten Gruppe von Fällen, wo ein ä zwischen t -f-
k, V -{- k eingeschoben wird: kytka : kyfdk; wie diese sich zu den
Fällen wie prtslovka : prisloviek verhalten, ist mir in der Tat unklar;
dasäk hinwiederum stimmt zu den Fällen wie sestär. An die Fälle wie
sestdr schließt sich auch das Auftreten von d im G. pl. der Neutra, s.
Czambel a. a. 0., S. 63.
Obwohl manche Schwierigkeit bleibt, glaube ich auch in diesem
Falle annnehmen zu dürfen, daß die etymologisch berechtigten Halb-
vokale in ungestörter Entwicklung nur zu 6 oder ie führen konnten; ba-
1) Hier reiht sich noch ein vereinzelter Fall an: kotäl neben kotol, g. ko-
täla, kotola, kotla. kotdl ist freilich keine Form, die wir rechtfertigen können,
es heißt ja nur ovos, orol, osol, aber in diesen Worten tritt eben in den obliquen
Kasus keine dreisilbige Form auf. Das Auftreten von a ist also auch hier ge-
knüpft an die regelwidrige Erhaltung des Halbvokals in den obliquen Kasus.
Es muß freilich bemerkt werden, daß in andern Fällen, die denen wie inanha,
daska zunächst gleichartig scheinen, nicht a, sondern e auftritt, so in doere
'Türe', menej 'weniger' und etwa noch einigen. Hier ist eben offenbar eine
andere Entwicklung eingetreten: anstatt daß (oder: bevor) sich a entwickelte,
sind die Formen dvhri, imne einer Analogiebildung nach Formen mit er-
haltenem Halbvokal unterlegen . wie im Cechischen der Analogie nach dvehni
und mensi.
Zum Schicksal der Halbvokale im Slowakischen. 327
bök^ svatieb usw., und daß ä als Eiuschub vokal vielmehr wie in daska,
macha usw. das Produkt einer sekundären Entwicklung ist ^).
Von den Substantiven , die nach Czambels Angaben den G. pl. mit
dem Eiuschub ä bilden, fügen sich dem ohne weiteres: sestd?; kmotdr,
perdl, siddl, jedäl^ motoviddl^ sedaddl^ ma&dl^ jaddr^ jutdr^ teddr^
stehdu, hrozdn usw., die wenigen, die wahrscheinlich oder sicher aus
der Reihe herausfallen , d. h. in denen wir einen etymologisch berech-
tigten Halbvokal vorauszusetzen haben, dürften sich eben der Überzahl
der andern angeschlossen haben, so hrvno : brvdn (vgl. aksl. br^v'bno)^
dno : ddn (aus d^llo) usw.
Wir müßten dann allerdings annehmen , daß auch in Formen wie
kytdk das a nicht die direkte Fortsetzung eines Halbvokals ist, sondern
eine jüngere Entwicklung aus einem älteren *kytkj das selbst wieder
durch eine Analogiebildung entstanden sein müßte, wie p. pro^b usw.
Warum diese Analogiebildung: *kyik usw. eben nur bei den Substan-
tiven wie kyfka^ pletka^ slivka, atovka, zlatocka usw. eingetreten sein
sollte (während bab^ka : bab^k^ usw. eine lautgesetzliche Entwicklung
nahmen), das ist allerdings schwer zu sagen; aber eine andere Erklärung
als die hier gegebene ist kaum denkbar, jedenfalls keine rein lautgesetz-
liche, denn die von Czambel gegebene empirische Regel: »a wird ein-
geschoben zwischen fk und vk« hat keinen wissenschaftlichen Wert, sie
ist ja in der Tat von einer Reihe von Ausnahmen begleitet.
Meine Meinung geht also dahin : sowohl in den oben genannten ein-
silbigen und zweisilbigen Worten [daska, baza, mach, raz, ddzd\ Tan)
wie als Einschubvokal im G. plur. ist a durch eine Entwicklung entstan-
den, die mit dem Auftreten von o, e, ö, ic für Halbvokale nichts gemein
hat: 0, e, 6. ie, und nur diese, sind Fortsetzung eines Halbvokals in
I) Freilich ist zu bemerken, daß in einem ähnlich gearteten Falle als
Einschubvokal nicht a, sondern o erscheint: im P. prät. niesol, piekol, viedol
usw., hier dürfte eine Analogiebildung Platz gegriffen haben. Ebenso in den
Substantiven wie b/azon, kinoior, mysel', smysel, bäsen usw. Es könnten sich
die Partiz. etwa nach den Worten wie orol, osol, kotol gerichtet haben: im all-
gemeinen nimmt man ja das Umgekehrte an, weil orol, osol, kotol selbst nicht
ganz lautgesetzlich erscheinen. Ich möchte aber eher diese Formen für echt
halten: es könnte sich da um eine Art von Umlaut der Halbvokale handeln
wie im Aksl. ; dieser Umlaut müßte allerdings im Slowakischen anders ge-
staltet sein als die entsprechende Erscheinung des Kirchenslavischen, deren
Gesetze ja durch die Forschungen Leskiens hinreichend bekannt sind.
328 P- Diels, Zum Schicksal der Halbvokale im Slowakischen.
> starker« Position, d. h. in der Position, die auch sonst die Halbvokale
als Vollvokale erhalten zeigt: den., loz, svatieb, zähradök usw. Man
sollte demnach im N. sg. der oben besprochenen Maskulina o, e erwarten;
tatsächlich sind ja len, 7'oz, moch als Nebenformen auch vorhanden. Die
Formen mit a können demnach nicht vom N. sg. ausgegangen sein, son-
dern müssen ihren Ursprung in den obliquen Kasus haben, d. h. a ist
Reflex des Halbvokals in den Fällen, wo der Halbvokal nach den all-
gemein geltenden Lautgesetzen schwinden sollte, jedoch aus Gründen der
Sprechbarkeit erhalten blieb. Ob der Halbvokal in Fällen wie vncha
zunächst etwa ganz schwand (wie im Cech. und Poln.) und dann erst
wieder zur Erleichterung des Sprechens ein reduzierter Vokal ein-
geschoben wurde, der sich dann zu u entwickelte , oder ob die Entwick-
lung in diesen Worten überhaupt nicht zum völligen Schwund des Halb-
vokals führte, sondern nur zu einem reduzierten Vokal, das läßt sich
mit Sicherheit wohl nicht ermitteln. In Fällen wie sesfdr, motovidäl
usw. müssen wir jedenfalls Formen ohne jeden Zwischenvokal zugrunde
legen, auch da wäre zunächst ein reduzierter Vokal entstanden , der sich
dann im Verfolg zu a entwickelte.
Einschub eines Vokals in Formen Avie mcha und im G. pl. kommt
ja außerhalb des Slowakischen auch vielfach vor, auch im Cech. und
Poln., und mehr noch in deren Dialekten als in der Schriftsprache. Eins
aber unterscheidet die slowak. Entwicklung von solchen Formen wie
poln. dial. mech : mecha und von den Genitiven wie poln. rzemiosel]
poln. mech : mecha kann durch den Einfluß der Nominativform er-
klärt werden und poln. rzemiosei zu rzemiosio kann als Analogie-
bildung zu Fällen yfiej'aMko :jabiek usw. erklärt werden. Im Slowa-
kischen ist beides ausgeschlossen: da kann es sich bei den Formen wie
macha usw. und motovidäl usw. nur um eine ganz unbeeinflußte Laut-
entwicklung handeln, nicht aber um den Einfluß irgend einer Analogie.
Breslau. Paul Diels.
Zur slovenischen Dialektforschung. 329
Zur slovenischen Dialektforschunti;.
I.
über die au3 Dentalen entstandenen Spiranten der
oberkrainerisclien Mundart.
Es ist allgemein bekannt, daß der Oberkvainer für das Scliriftslo-
venische sladko »stmh/co^ spricht. Bisher begnügte man sich mit kurzer
Erklärung: »im oberkr. ist -dk- zu -hk- geworden«, ohne daß man das
ganze in Betracht kommende Material herbeiziehen würde, geschweige
einen Versuch der Erklärung dieses Wandels unternehmen würde. Ich
stelle im folgenden typische Fälle des Wandels der Dentale in Spiranten
zusammen. (Das Material ist entnommen den Dialekten um Smarna gora,
Bled und seine Umgebung, Bohinj.)
I. Gruppe:
1. a) gräfjj 6op, ffospop, stirp, hiip, muäp^ ra^, mep usw. (Bo-
hinj). — b) zäp^ ospop^ sprep (Bohinj). — c) prffp (HI. sg. präs. ind.
aet.) (Bohinj.).
2. a) zis, les (= Eis), Mis usw. — b) mq säbq, spg skäle [s be-
deutet verlängten Konsonant, oder mit anderen Worten, eine Gemi-
nata). — c) kiiäa] (II. sg. imp.). (a, b, c in Gorje.)
In dieser Gruppe wird also absolut auslautendes (/ und dann auch
das erst sekundär in den Auslaut getretene d zu //, resp. s.
IL Gruppe.
1. a) Jcröpke^ dgJiopkoti^ slaphörja^ tvopkrdiiws,^. (Bohinj, Gorje).
— b) duhosk (nom. plur.) (Boh., Bela).
2. guähk^^ stiahko, rehk usw.; ferner die Präp. tcöh [ilh), mi>I/,
püh, näh, prih usw. ; dann noch adv. pi-eh (allgemein oberkrain.), prep
(Bohinj) ; pres (Ravne bei Wocheinerfeistritz).
In dieser Gruppe wird slov. -tk- zu -pk- resp. -Iik-.
Wie schon die Gruppierung lehrt, müssen wir zwei Dialektgebiete
annehmen und zwar 1. einen Dialekt, wo das t nur vor k spirantisch
wurde und 2. einen zweiten, wo der Wandel -tk- zu »Spirans + /;« auch
stattfand, daneben aber auch das auslautende -d zur Spirans verschoben
wurde. Wo die beiden Dialekte gesprochen werden, ist aus der Angabe
der größeren Ortschaften bereits genügend zu ersehen. Aus dem eben
330 R- Franc6,
Gesagten geht auch klar hervor, daß ich im gewissen Grade die Fälle
mit h für i und diejenigen mit^ für t identifiziere; sie zeigen, wie später
ersichtlich sein wird, nur verschiedene Grade in der Entwicklung >Den-
tal zu Spirant«. Ferner möchte ich noch hinzusetzen, daß diese Er-
scheinung (also Gruppe II), weil sie eben beiden Dialekten gemeinsam
ist, älter sei als die sub I, und dadurch überhaupt ein Charakteristikon
der oberkrainerischen Mundart, während die Gruppe I nur dem Sonder-
leben des Dialektes einiger Dörfer angehört.
Über die Fälle sub I hat bereits Baudouin de Courtenay in seinen
Ot'ibth S. 94, 95, § 54 mit Anm. ausführlicher gehandelt. Ich gehe
auf seine Erklärung, daß p^ r/i, 7 aus urslav. Ä, </, g (aus idg. ö, t/, </,
resp. hh^ dli^ gh)^ nicht näher ein, weil die Annahme, daß die slavischeu
Völker einst für jetzige b, d, g ein ^, </, g sprachen , jeden Anhalts-
punktes entbehrt. Allerdings ist aber zu billigen seine zweite Erklärung,
die er daselbst anführt; ich führe sie hier mit einiger Modifikation an.
Nach dem Abfall des vorslovenischen auslautenden ^ (aus ^^ h) kamen b,
c?, g (also als Verschlußlaute) in den absoluten Auslaut und mußten
ihre stimmhafte Natur verlieren; sie wurden zu stimmlosen ^, f^ k. Die
Artikulation dieser Laute kann nun zwiefach sein: 1. Die Stimmbänder
nähern sich ganz aneinander und die Stimmritze wird vollkommen ge-
sperrt [e 0). Die Organe in der Mundhöhle bilden den nötigen Ver-
schluß. Der ans der Brust kommende Luftstrom zerstört die Kompres-
sion der Stimmbänder und zu gleicher Zeit tritt auch die Lösung des
Mundverschlusses ein. So entstehen echte Verschlußlaute j)^ t, k. —
2. Die Stimmbänder nähern sich einander gar nicht, sondern lassen
dem Luftstrome freien Durchgang [e 2). Wird nun bei dieser Stellung
kein Verschluß in der Mundhöhle gebildet, so hört man einen Hauch.
Wird aber ein Verschluß in der Mundhöhle gebildet, so hört man nach
der Lösung dieses Verschlusses diesen Laut nach dem durch die Lösung
hervorgebrachten Laute. Es wird somit ein gehauchter Verschlußlaut
gebildet: ;/, t\ k\ Dieser Hauch uimmt aber je nach der Stellung der
Mundorgane nach der Lösung des Verschlusses eine besondere Natur
auf sich : bei ;/ muß er passieren die geringe Enge (Ritze) zwischen den
Lippen, die sich nach der Lösung des Verschlusses für p eingestellt hat
und er wird zu (p ; bei f muß er gehen durch die Enge, gebildet nach
der Lösung des ^'-Verschlusses zwischen dem Zuugenblatte und dem
Rande der Oberzähne und wird zu [) und bei /i' muß er passieren die
nach der Lösung des ^-Verschlusses entstandene Enge zwischen der
Zur slovenischen Dialektforschung. 331
hinteren Zunge und dem harten Gaumen und wird zu x- So entstanden
also aus ;/, /, k' ein pf, fp, /c/, die durch Verstärkung des Hauches zu
p(p, tp, kx wurden, um schließlich durch Assimilation zu rp, p, x resp.
noch weiter zu y, s, li zu werden. Dadurch findet seine Erklärung die
ganze Gruppe I. Eine besondere Unterabteilung b), c) habe ich sowohl
bei I. 1 als I. 2 annehmen müssen , da ich nicht sicher bin, ob die Fälle
sub Ib) und 2 b) alt sind und somit unter a) gehören oder aber ob sie
analogisch entstanden sind und unter c) gehören. Baudouin de Courtenay
spricht sich für das zweite aus (S. 91). Nun ist das aber nicht ganz
so sicher. Das slov.-oberkr. zap braucht nicht aus zadi^ einem alten
Lokal, entstanden zu sein, sondern die Form zad (vgl. aksl. S^iA^^i "'*
sa^T^, c. zad) repräsentieren. Auch ospup braucht man nicht auf *od-
is-podi zurückzuführen , sondern man kann in -pop überhaupt keinen
Kasus eines /-Stammes ^podh mehr sehen, sondern nur eine Analogie
nach Präp. podo. Dasselbe gilt auch für sprep. Diese Adverbia waren
ja stets Neubildungen und Analogien stark ausgesetzt, was wir später
auch betreffs des adv. prep (= prezde) klar sehen werden.
Ich gehe nun zu unserer II. Gruppe über. Das Gesetz, dessen Er-
klärung bis jetzt noch niemand zu unternehmen versucht hat, und das bei-
den Dialekten im großen und ganzen gemeinsam ist, steht trotz der äußer-
lichen Ähnlichkeit mit dem eben besprochenen nicht im Zusammenhang.
Es lautet: tk wurde zu pk resp. hk. Das dieses Gesetz nicht etwa
in die Wirkungssphäre des vorher besprochenen fällt, erhellt daraus,
daß hier sowohl dk wie tk dem Wandel verfallen sind, während dort
nur die Media (und auch die nur im abs. Auslaute) die Verschiebung
erleidet.
Wie ist nun unsere Verschiebung zu erklären? Ich meine, durch
fortdauernde Antizipation der Artikulation. Die Zungenspitze bildet bei
t den Verschluß an der hinteren Fläche der Oberzähne, muß aber dann
bei der Artikulation des k nach unten gehen und gleich darauf oder zu-
gleich zurückgezogen werden. Ist nun ein klein wenig die /t- Artikulation
antizipiert worden, so steht die Zunge entweder nimmermehr so hoch,
daß sie auf der hinteren Fläche der Oberzähne den Verschluß bilden
könnte und sie erreicht nur mehr den Kand der Oberzähne, und weil sie
zugleich nach rückwärts gezogen wird , auch diesen nicht mehr so stark,
daß ein echter Verschluß stattfinden könnte, so daß nur eine Enge ent-
steht, durch die der Luftstrom entweichend den Laut p erzeugt (es lautet
der ganze Lautkomplex also pk)^ oder aber wird durch das Zurückziehen
332 R- France,
der Zunge eine ähnliche Ritze an der Hinterfläche der Oberzähne gebildet,
so daß ein 6Ä entsteht.
Hat nun schon einmal die Antizipation der Artikulation stattgefun-
den, so kann es nun bei der neuen Lautung bleiben, oder die Antizipa-
tion dauert noch weiter fort. Während im Dial. des Nordens vom Veldes
und im Wocheinertale die Entwicklung hti pk stehen blieb, gingen die
übrigen oberkr. Dialekte noch um eine Stufe weiter. Sprach man schon
statt tk ein pk, so konnte — wieder durch Antizipation der Artikulation
— die Zunge noch mehr nach rückwärts gezogen werden und zwar all-
mählich so weit, daß überhaupt keine interdentale (resp. dentale) tonlose
Spirans mehr entstehen konnte. Bei der /c-Artikulation wird aber die
Hinterzunge gehoben. Nun hat die Zungenfläche bei ihrem Zurück-
ziehen noch nicht die Stelle des Ä-Verschlusses erreicht als schon eine
Enge (wegen der Antizipation) entstand und der Luftstrom erzeugt an
dieser Enge die velare Spirans 7. Die ganze Entwicklung läßt sich gra-
phisch ungefähr so wiedergeben: fk — pk — pxk—pyk — yk — hk. Da-
durch finden ihre Erklärung die Fälle sub H. 2.
Ich habe darunter angeführt auch mehrere Präp. auf ursprüng-
liches -d und -t. Wenn ich diesen Fall da einreihe, so geschieht das
aus besonderen Gründen. Wir sehen nämlich, daß ein t vor p, v, l usw.
erhalten bleibt (z. B, sv^tvo^ m'etwa^ ineüe usw.), die Präp. aber immer
ein -h aufweist. Wir haben es hier mit ungemein starker Analogie zu
tun. Weil z. B. die Präp. OT'K in den Verbindungen wie CTT^ KÄ^\e,
OT'K Kpaid, OT'kK'KJAaTH u. ä. regelrecht zu oIl- werden mußte, wäh-
rend sie anderswo als ot- blieb, hat die Sprache dann die eine Form ver-
allgemeinert, und zwar in unserem Falle oh-. (Vgl. die Verallgemeine-
rung des schrift-slov. od für altes CTTl aus Fällen, wo es vor stimm-
hafter Konsonanz stand.) Schöne Belege für analogisches opjoh- zeigen
uns z. B. folgende Formen: tooptie, wo die Präp. loop- erst spät dazu-
trat, während die regelrechte Form nur tootVe (aus looill) sein kann (ich
habe sie noch in Wocheinerfeistritz gehört). Ferner noch: icoh tau,
wohtärgou, (e use ul)p^s^^^ca u. ä. m. Ja, wir haben sogar eine Form,
die uns deutlich die ungemein starke Macht der Analogie zeigt, da in
ihr an die Stelle der Präp. 0 (dial. ti) die Präp. OTTi (dial. uh) trat.
Den Angrifi"spunkt zu dieser Analogie bot der gleichlautende Anlaut:
uhstäwa = ostaki. Trat nun die Präp. uh <^ OTTv vor stimmhalte
Konsonanz, so mußte der auslautende Spirant natürlich stimmhaft wer-
den: u:z^xvÖ7n {odIo?m), ti^dät [oddati] u. ä. Statt g hört man öfters auch
Zur slovenischen Dialektforschung. 333
g. Dasselbe, was mit der Präp. OTi^ geschehen ist, geschah in gleicher
Weise auch mit no^viv, Ha^'k, iipliATi, slov. med (mit d statt/ nach
den eben erwähnten Präp.).
Es bleibt uns zu besprechen noch das Adv. preJi^ P'>'?p-, pres. Im
Aksl. lautet dieses Adv. nplJ/K^\,f, im Schriftslov. ganz regelrecht prej'e
(mity aus -di-). Unsere Formen können aber absolut nicht auf *perdie
zurückgehen. Ich betrachte sie für Kontaminationsformen des slov. Adv.
prej\e) und der etym. dazu gehörigen Präp. pred. Von der Präp. ist
das auslautende -d in das Adv. geraten, e (aksl. 1j) blieb aber bewahrt (f).
Und unsere Formen gehen auf ein *pred zurück. Dieselbe Kontamina-
tionsform hört man auch in Laibach als pret,
Schwierigkeiten bereitet aber der von mir in ßavne ober Wocheiner-
feistritz gehörte Inf. vSpt (aksl. ß'kyi.'tTH). Nach Abfall des -i und
Ausfall des durch Reduktion aus e entstandenen % lautete die Form *vedt,
die zu *vett werden mußte. Geschah nun hier jetzt dasselbe, was in der
idg. Grundsprache, wo tt zu tpt wurde {oloO-a, got. loaist <^uoid-tha)^
und hier bei uns weiter zu pt'? Ich wage es nicht zu entscheiden.
n.
Die »Metathese« von / und v im Slovenischen.
Im Arch. f. slav. Phil. XXXIV, S. 625, 626 spricht L. Pintar über
eine sprachliche Erscheinung der slovenischen Dialekte, daß nämlich der
Fall möglich ist, >daß in demselben Worte die Laute / und v vorkommen
und daß bei gleichzeitiger Velarisation des l das folgende oder voraus-
gehende V durch / ersetzt wird«. Dieser Fall muß nach meinem Dafür-
halten einer Berichtigung unterworfen werden. Pintar spricht nämlich
von einer Metathese der beiden in Betracht kommenden Laute, was
durchaus nicht richtig sein kann. Denn, spricht man von einer Meta-
these, so muß man jede Beeinflussung der fraglichen Lautgruppe von
außen leugnen und der einzige Grund für das Auftreten derselben müßte
dann eben in dem Umstände liegen, daß die beiden Laute [l und v) nicht
weit voneinander vorkommen. Dies ist jedoch nicht der Fall; wir haben
es hier mit Analogiebildungen zu tun und das Vorkommen von l und v
nebeneinander spielt im allgemeinen gar keine Rolle.
Wie schon Pintar erwähnt, hat bereits Mikiosich Fälle vrie hritle,
mrtli (mit / statt t)) dadurch erklärt, daß sie analogisch nach ^^^.•«^üa,
gwäle entstanden sind. (Vgl. Gr. I. 338.) Dieselbe Erklärung hat auch
334 R- Franc6,
Baudouin de Courtenay gegeben, wenn er darüber in seinem »Eoxhhcko-
nocaccKiS roEopt« (§ 42) und besonders S. S4, Anm. 2 sagt: »IIpH
3T0M'B KaKX öy^To 6hl coBepuiHjocb öe3co3iiaTeJibHoe pimenie i^tjiaro
pa^a nponopmiit et o^hoh HeiiSBicTHoä, hjh, To^inie roBopa, saM^na
^eTBepxaro ne ^OAXo;^HL^a^o 'uiena noACÖiitixt nponopi],ifi ^tpyrHMTb,
BnojHi coBnaAaromHMT, et oömnMX xapaKTepojit ;iaHHoä nponopii;iH.
TaK'B HanpHM']&p'B , Bt nponopi^in : metwa : gwäwa = metle : gwave
yeTBepTtiS ^iJieHi. gwave c^HTaexcn (KOHeqHO, öescosHarejitHo) necoor-
Bi&TCTBBHHLiM-i. H noBTOMy saM^HfleTCfl q^ieHOMT) gwale. « Diese Art
der Auffassung unserer Fälle ist entschieden einzig und allein richtig.
Unsere Aufgabe ist es nun zu prüfen, ob sich die Formen, die Pintar
anführt, dieser Erklärung fügen, oder ob sie wirklich mit Notwendigkeit
auf eine Metathese von / und v hinweisen.
Man muß mit Nachdruck betonen , daß die fraglichen Wörter, die
nach Pintar diese Metathese aufweisen, in Oberkrain vorkommen, also in
jenem Gebiete der slov. Sprache, wo ursprüngliches i (das / vor Vokalen
hinterer Reihe und unmittelbar vor Konsonanz) zu labiolabialem tv wurde.
Dieses tv <^ i konnte mit dem ursprünglichen etym. v vermischt werden.
So wurde die Deklination givava, givave nach der von skawa, skale zu
gwava, gwale usw. Dasselbe geschah bei den ursprünglichen w-Stäm-
men. Die Deklination wöku, loölcoe^ ^cökv^, xookvo wurde durch Ein-
wirkung derselben Analogie zu wöku^ wökle, icökh^ wokvo umgestaltet.
Da kann man doch von keiner Metathese sprechen; denn wäre dies der
Fall, dann müßte ein Gen. sg. tcöklc aus lökve entstanden sein, also
noch zu einer Zeit, wo das anlautende / vor o als i gesprochen wurde.
Dieses ist aber unmöglich, denn dann fehlt uns ein Erklärungsversuch
für Fälle wie cerkle, bükle^ britle^ xigmth (= uganitve)^ mrtU usw.,
wo neben dem /, das analogisch wie oben für ursprünglich v eingetreten
ist, in demselben Worte kein v vorkommt. Diese Fälle sprechen somit
entschieden dafür, daß wir es hier nur mit einer Analogie zu tun haben.
Aber auch die anderen von Pintar angeführten Formen lassen viel
an Beweiskraft zu wünschen übrig. Nach ihm soll für eine Metathese
von / und v das Wort i>glävten<i. sprechen. Das Wort ist verzeichnet
von Luzar in Zbornik Slov. Mat. II. 32. Jedoch aus dem dort an-
geführten ersieht man folgendes. Luzar setzt die Belege unter dem In-
dex ^glavten^ ; er sagt aber gleich weiter (in Klammern), daß das Wort
als gvävte7i, gvälten^ gvävtek und gvaltek ausgesprochen wird. Sein
Index ist somit unter dem Einflüsse des Schriftslovenischen entstanden.
Zur elovenisclien Dialektforschnnj?. 335
Allerdings führt er daun noch die Aussprache mit (jl- an: »tisocaka bo
se lahko glävtek« und »Glavtnez (gov. tudi gvaltnez] je (glävten) clovek,
hotec sam vse veljati«. Wie man sieht, dürfen diese Anweisungen keinen
hohen Grad des Glaubens verlangen, da Luzar nicht die richtige mund-
artliche Aussprache angibt (vgl. noch das später uns noch beschäftigende
»to naredi glavt, da je ucitelj moral od nas«). Es ist schon von diesem
Standpunkte aus nicht ratsam, auf ein so unsicheres Material die Erklä-
rung eines sprachlichen Phänomens zu bauen. Aber nehmen wir trotz-
dem an, daß das, was Luzar sagt, wahr ist; können wir das nicht anders
als durch Metathese von l und v erklären? Ich glaube, wohl. Das
deutsche ■» Gewalt <!.^ das diesen Wörtern zugrunde liegt, mußte in Ober-
krain zu gvaut werden; regelrechte Entsprechungen sind somit Wörter
wie gvävten^ gvävtek. Daneben kommt gvolten^ gvältek vor. Das l
kann hier nicht auf das alte i vor Konsonanz zurückgehen, es kann auch
durch Metathese nicht ins Leben gerufen worden sein, da hier überhaupt
nur V vorkam und kein /. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich sage, daß
hier das Wort noch einmal entlehnt wurde, aber diesmal zu einer Zeit,
wo das Gesetz »vorkonsonantisches i~^w^ u< nicht mehr wirkte. Einen
ähnlichen Fall haben wir auch in glävt »(böses, schlimmes) Gerede«.
Auch hier ist l vor a^ also einem Vokal der hinteren Reihe, geblieben,
weil das Wort erst später, nach der Wirkung des erwähnten Gesetzes,
entlehnt wurde (aus deutsch »Gelaut«).
Nun aber zu glätten statt gväüten. Dieses Wort in dieser Form
ist wirklich für die Annahme einer Metathese , wie sie Pintar annimmt,
sehr verlockend. Lautgesetzlich kann es nicht entstanden sein. Ich
meine vielmehr, daß wir es hier mit einer Kontaminationsform zu tun
haben, und zwar sind da zusammengeflossen die bereits erwähnten Wör-
ter gvmit (Gewalt) und glaitt (Gerede). Daß die Bedeutungen nicht so
sehr voneinander abweichen, daß eine wechselseitige Beeinflussung der
Laute ausgeschlossen wäre, liegt auf der Hand. Vergleiche z. B. die von
Luzar angeführten Sätze: »to naredi glavt, da je ucitelj moral od nas«
und »tak glävt cez koga poganjati«. Das gl- in glävten stammt somit
aus dem Worte gläct. Für diese Auffassung des •»glävten'!^ scheint mir
noch ein anderes Moment deutlich zu sprechen. Neben glavtnez (Prahl-
hans) wird auch (nach Luzar) gvaltnez gesprochen. Das Wort glavtnez
geht bestimmt auf »Gelaut« zurück, bedeutet also »ein Mensch, der viel
von sich spricht«. In gvaltnez, was dasselbe bedeutet, haben wir keine
Metathese von l-v zu v-l mit Notwendigkeit anzunehmen, sondern es
336 R- France,
liegt uns da wieder eine Kontaminationsform vor, oder besser gesagt:
gläütnez ist ganz nach gvalt, gvalten^ gvaltek umgestaltet worden, hat
aber die Bedeutung beibehalten, dies desto leichter, weil die Bedeutungen
von gvautjgvalt und glaut einander so nahe liegen.
Nun geht Pintar bei seiner Metathese von l und v noch weiter. Er
nimmt sie »auch vor dumpfen Vokalen« an und stützt das auf einen ein-
zigen Beleg, nämlich auf ■»pralo<(^ statt tpravo«-. Aber da kann man
ja von einer Metathese gar nicht sprechen, da ja in diesem Worte / und
V nicht nebeneinander vorkommen. Unser Beispiel spricht somit wieder
für das analogische Auftreten des /. Weil man [ta) heu, [ta] hciva, [ta)
bele, {ia) heh sagte und sprach, fing man auch an [ta] praii, {ta) prava^
[ta) prale, [ta) prah zu sprechen. Von den Formen, wo l vorkam, ist
dieses / noch in andere Formen eingedrungen, und an Stelle eines [ta]
prati, [ta) pravo trat schließlich ein [ta) pral, [ta) pralo. Dieser Fall
ist somit nichts anderes als ein Beispiel einer doppelten Analogie.
Die bisher erwähnten Fälle, auf die Pintar seine Meinung der Meta-
these von / und v stützt, lassen sich somit alle gut durch Analogie er-
klären und zwar wird diese Erklärung als allein richtig erwiesen durch
ebenso analogisch entstandene Wörter, wo / und v in demselben Worte
nicht vorkommen {britle^ prale usw.). Noch weniger sicher dürfen wir
von allem Anfang an die Personen- resp. Ortsnamen, die Pintar anführt,
hinstellen. Auch da kann man andere, wahrscheinlichere Erklärungen
vorbringen. Zunächst besprechen wir den Eigennamen »Lat'/ar«, der
nach Pintar aus d. Walter entstanden sein soll. Diese Herleitung scheint
auch mir richtig zu sein , sehe aber in der Form Lavtar noch nicht die
Notwendigkeit der Annahme einer Metathese. Die Form Lavtar wird
wohl so zu erklären sein, daß das aus d. Walter in Oberkrain entstan-
dene Vavtar unter dem Einflüsse der Schriftsprache von Lehrern resp.
in früherer Zeit von Pfarrern als Lavtar geschrieben wurde und so auch
dann schließlich gesprochen. Dabei möchte ich auf folgendes aufmerk-
sam machen. Oberkrainer, die lesen können, ersetzen sehr oft das aus
l entstandene w durch das / der Schriftsprache. Dabei braucht man nicht
an mehr gebildete Leute vom Lande zu denken. Ein einfacher Maurer
aus Lees bei Veldes (Jozef Pernus, S7 Jahre alt), wechselt z. B. sehr oft
w mit l\ so sprach er z, B. nebeneinander: strwa^ drzäwa, dewal [de-
lali) und na släm, ruguvilo^ togslaj uddla usw. Dasselbe war gewiß der
Fall bei den Pfarrern, besonders noch, wenn die aus einer Gegend ge-
kommen sind, wo das i vor Vokalen hinterer Reihe nicht zu tv, son-
Zur slovenischen Dialektforschung. 337
dern zu / wurde. Und so haben sie gemeint, das erste v in dem ge-
sprochenen Vavtar sei identisch mit dem v in wani (lani), was [las), was
{läz), w(iS^n [laden) und schrieben es deshalb mit l, Lavtar. Das
Schriftbild hat schließlich auch über die Aussprache den Sieg davonge-
tragen. Dieser Name mit dieser Aussprache konnte dann noch Orts-
namen wie Lavterski vrh beeinflussen. Hier speziell kommen dann noch
volksetymologische Umgestaltungen in Betracht, weil der Name dem
Volke seinem Ursprünge und seiner Bedeutung nach nicht mehr verständ-
lich war (vgl. z. B. » Bajtarski vrh«. für und neben » Valtarski vrh<s.
(aus dem J. 1584 > Walter sskhiuoi^eh^). (Izv. muz. dr. I. S. 7S). — Auf
das einmal vorkommende » ]^olscha7'ieherg<^ kann man, solange die Ety-
mologie dieses Ortsnamens nicht vorliegt, nicht bauen. — Schließlich
muß ich noch erwähnen das bei den slov. protest. Schriftstellern vor-
kommende zhiulati^ das nach Pintar »ein interessantes Beispiel für diese
Konsonantenversetzung« (nämlich von /und -o) sein soll. Das ist wohl ein
Versehen, das dem Prof. Pintar in Schnelligkeit passiert ist; hier haben
wir es fürwahr mit einer Metathese zu tun , aber nicht zwischen / und v
(resp. umgekehrt), sondern zwischen v und h [zhiu- gegen cvib-)^ also
zwischen zwei labialen Lauten.
Ich glaube klar genug nachgewiesen zu haben, daß eine »Metathese«
von l und v keinen festen Anhaltspunkt und überhaupt keinen Boden hat
und daß zur Erklärung die genannten Formen, welche bereits Miklosich
und Baudouin de Courtenay gegeben haben, nämlich die Analogie infolge
der Vermischung des aus l entstandenem w mit ursprünglichem v allein,
richtig und berechtigt ist. Ra7novs France.
Einige Worterklärungen.
1. harzast SiA]. gräulich <^ alb. hard-.
Die im Ak. Wbch. 1191 angegebene Herleitung von ital. verza, rum.
varzä <^ lat. vir[i]dia ist schon wegen der Bedeutung unrichtig. Das
skr. Adj. ist vielmehr identisch mit bulg. harzav^ barziv = siv, sur, sto
ima bely i crxny vlakna razmeseni, aus Gerov, welches schon Miklo-
sich Et. Wbch. 8 richtig auf alb. bard- 'weiß' zurückgeführt hat (cf. auch
alb. baröulör "grau').
Archiv für slavische Philologie. XXSV. • 22
338 P- Skok,
harzast gehört wohl der Hirtensprache an ; man hat nämlich bar-
zasta koza (in Serbien und Dalmatien nach dem Ak. Wbch.), = koja
nije ni bijela ni sarena; bärzilo Bocksname. Das Wort erscheint weiter
als Ortsname in Bärzilovica (Serbien, Kreis Belgrad) und dann im Spitz
namen Bärzilovac Ak. Wbch, a. a. 0., lauter Ableitungen von der Bocks-
benennung barzilo, vgl. jarar, welches als Appellativum, Personenname
und Ortsname vorkommt, s. Ak. Wbch. IV. 464.
Auch die im Ak. Wbch. angegebene Bedeutung = fulvus, kao ze-
lenkast i crvenkast usw. scheint nicht zu stimmen, wie das Angeführte
beweist. Das Adj. scheint vielmehr 'gräulich' zu bedeuten.
2. 6bbam sm. <^ ahd. seif -{■ a?i.
Die Etymologie von asl. chbam sextarius und seinen modern-slavi-
schen Entsprechungen bezeichnet Berneker, Slav. etym. Wörterbuch
1908, S. 165 als dunkel. Zubatys Zusammenstellung mit lit. hhnbü
kibti wird daselbst als nicht sonderlich einleuchtend abgelehnt mit der
Bemerkung, daß Z.s Meinung auch dem Wechsel von b und v in ab. dh-
vam nicht gerecht wird. Seitdem hat Mladenov in P<I»B. LXII, S. 260
bis 262 versucht, dieses Wort mit idg. *Ja'u-b in Zusammenhang zu
bringen. Die Schwundstufe von dieser idg. Wurzel mit dem Nasalinfix
liegt bekanntlich in griech. xtJ'^t</^og, lat.-kelt. cumba vor. Nun soll
nach der Meinung Ml.s, welcher auch Z.s Etymologie ablehnt und auf
den Wechsel von r und b nicht weiter eingeht, die Quelle von h im slav.
Worte nicht idg. /, sondern idg. m (nasalierte Schwundstufe) sein. Er
setzt daher *krnbanos als vorslavische Grundform an. */imb sucht er
weiter in aksl. dbbzn.
Dieser Etymologie gegenüber ist aber gleich zu bemerken, daß
schon in griech. y.vußog, lat.-kelt. cumba die von Ml. geforderte nasa-
lierte Schwundstufe vorliegt (idg. qumb s. Boisacq, Dict. 6tym. de la
langue grecque 8. 534). Idg. qumb hätte aber im Slav. etwas ganz
anderes ergeben. Vor der Schwundstufe ?^ erwartet man bekanntlich
kein <5. m,~^h auch in diesem Falle anzunehmen, da das einzige Bei-
spiel hg^k^ nach Brugmann, Kurze vergl. Grammatik § 196 Anm. 2,
S. 130 noch nicht aufgeklärt ist, muß zumindestens als sehr gewagt be-
trachtet werden. Aus ^m würde man nach Vondräk, Vgl. slav. Gramm.
I, S. 337 angesichts von s^to entweder ^ oder angesichts von fynqSta^ ty-
sqsta e q erwarten. Wie man also sieht, widersprechen der Etymologie
Ml.s schwere lautliche Bedenken. Es ist daher noch immer am besten,
Einige Worterklärungen. 339
an der herrschenden Ansicht festzuhalten , daß in ^hh^r^ eine Entleh-
nung aus dem Germanischen (s. jetzt Berneker a. a. 0.) vorliegt, wie das
bei vielen slavischen Bezeichnungen von Gefäßen der Fall ist {c(.k^b'bh,
kothh usw.).
Ich halte nun auch dhham für ein germ. Lehnwort. Die Grundlage
des slav. Wortes suche ich im ahd. srif^)^ welches zunächst in der Be-
deutung Gefäß vorkommt, vgl. noch nhd. KüJdscIiiße (in der Brauerei)
= hölzerne Gefäße, in denen man das Bier abkühlen läßt, 3. Grimms
Wbch. IX, 22, 25 ; ahd. sciphi-= Trinkgeschirr mit breitem Boden, mnd.
schip = kleines Scheflelmaß für trockene Dinge, Weigand II, 707. Für
das Verhältnis der Bedeutungen : Gefäß — Fahrzeug vgl. noch ixz.vaisseau
und Schuchardt, Zeitschrift für romanische Philologie XXXIII, 653.
Lautlich ließe sich die Sache folgendermaßen rechtfertigen. Germ.
k vor i ergibt im Slav. verschiedene Resultate: ^, c und (5, die alle in
slavischen Behandlungen von got. tiJiillings zu finden sind. Vgl. Miklo-
sich, Die Fremdwörter in den slavischen Sprachen S. 53 und Et. Wbch.
S. 300 s. V. skle?i,gü^ skülengü. Man hat demnach: \. k: asl. sk^Iez^,
sklezb neben sihIeg^\ 2. c wie in chrkg, in clez im Statut von Vrbnik, s.
Afsl.Ph. XXXI, 628 in der Fußnote von Jagic (cf. auch Ak. Wbch. I,
817); 3. aruss. sdeljag 'Müuzq' im Afsl.Ph. a. a. 0. Wie cak. clez^
asl. kl^zh (s. Miklosich Et. Wbch. 300) zeigen, finden wir bei den slav.
Behandlungen von &killings den Schwund vom anlautenden s wie bei
dish : lit. skgstas, cipiti zu nkaip, skr. skh'zak, sklizavica neben kli-
zaii se usw., in Zumberak kopiti neben skr. skopiti^ slov. auch skopiti
neben kopiti (s. Miklosich Et. Wbch. S. 302 s. v. skopici). Diesen
Schwund hätten wir auch in dhham von seif. Indessen ist auch bei den
slav. Behandlungen von seif gleichwie bei denjenigen von skillings nicht
immer notwendig, diesen Schwund anzunehmen. Wie skr. zdila^ zdjela^
slov. zdela^ aus ital. scodella den Schwund von k zeigen, so kann klr.
zba7i^ poln. dzhan entweder auf *ti[k)ban oder auf *cbcm zurückgehen.
Sonst zeigen die slavischen Formen tiberall die Angleichung des c an das
folgende b aus deutsch y, und zwar entweder als i: russ. zbam, £ba-
niih, ibanok^, klr. zba?i, c. zbä?i^ skr. zban, zban^ wozu ich zbana aus
Zumberak 2) hinzufüge, oder als f/l: skr. dzbän, westbulg. (Vidin) dziban,
*) Wegen deutsch />> slav. b s. balla << Fackel, berma, berla, Berneker
50, unten koba, Ara6e <;ahd. grävio usw., s. Gebauer I, 441/2.
2) In Bosnien erscheint das Wort in der Bedeutung 'hölzernes Wasser-
gefäß', wofür daselbst noch andere Fremdausdrücke wie brema, föcija oder
22*
340 P. Skok,
dzubati (s. Mladenov a. a. 0.). Die Angleichung des b an das vorher-
gehende ö findet statt in abg. dhvam, russ. ^van^, dcanech^), 6 hat sich
erhalten in cech. dbä^i und der magyarischen Entlehnung csobd?i, cso-
bäny, woraus in skr. döba/ia rtickentlehnt wurde.
Was das Suffix -an anbelangt, so ist es gerade bei den entlehnten
Bezeichnungen von Gefäßen öfter anzutreffen, wie z. B. 1 . bei skr. krbän
neben cech. krb, krban, krbanS und skr. /crbufa Berueker 568 und alb.
kerbe (Meyer, Alb.Wbch. 188), aus deutsch Korb: 2. cech. kubana ==
velikä nädoba hlinena zährdlitä na vodu, na mlöko (Kott, Cesko-nemecky
slovarV], 763), welches ofi'enbar mit kub^ Berneker 636 zusammen-
hängt. 3. Hierher hat man noch zu stellen slov. skr. bg. kopana, ko-
panica, daraus entlehnt arum. cupane^ dacorum. copaie 'Trog' (s. Zeit-
schrift f. rom. Phil. XXXIII, 653), welches schwerlich mit kopati etwas
zu tun hat, wie Miklosich Et. Wbch. 128 und nach ihm das Ak. Wbch.
meinen 2). Schon Strekelj, Zur slav. Lehnwörterkunde 81, lehnt die
Miklosichsche Meinung ab und bringt kopana in Verbindung mit slov.
kopa 'Trog' 3)^ j^it_ copa^ ahd. chuopha^ cJiuofa^ cJiofa erscheint weiter
im skr. koba Art Kübel, köbica Ak. Wbch. V, 133, 4.
Indessen ist seif mit dem Suffixe -il : ahd. scifel cymba , navicula,
scifelin cymbia, kahnförmiges Trinkgefäß, cf. Schuchardt, Zeitschr. f.
rom. Phil. XXXIII, 653, in slavische Sprachen eingedrungen. Hierher
ziehe ich cech. zbel = drevenä nädoba na vodu (vyssi nez putenka) k
vrchu uzsi (Kott. o. c. V, 784) ; bei Gebauer, Slovnik starocesky I, 160
dbel', sdbel, worauf daselbst hingewiesen wird, fehlt noch. Von den
Slaven ging das Wort zu den Magyaren über: csobolyö (oder csobolö)
Wasserlagel, ein hölzernes Gefäß für Trinkwasser, daraus wiederum slo-
vak. öobolüy dbola^ s. Miklosich, Slav. Elemente im Magyarischen S. 89,
wo die Sache anders dargestellt wird.
vücija gebräuchlich sind. In Bovic (Kroatien) dient das mit zban bezeichnete
hölzerne Gefäß, wie mir Prof. Simic mitteilt, zum Auffangen von Schnaps beim
Schnapsbrennen. Zbäiia bedeutet in Zumberak ein größeres aus Dauben ge-
machtes Gefäß mit zwei Henkeln am oberen Rande zum Aufbewahren von
Schmalz. Die hölzerne Decke besteht aus zwei Teilen, die ebenso rund sind
wie das Gefäß selbst. In Warasdin heißt dieses Gefäß hanjica.
1) Vgl. OS. cvor aus chori,, Mikl. Et. Wbch. 37 s.v. cihrä.
2) Den bei Broz-Ivekovic I, 560 und im Ak. Wbch. angeführten Bedeu-
tungen ist noch hinzuzufügen die in Petrovac (Bosnien) vorkommende : höl-
zerner Löffel mit kurzem Griff zum Schöpfen von Mehl aus den Säcken.
3) Die irrige Meinung Mikl.s erscheint jetzt noch bei Berneker 563.
Einige Worterklärungen. 34 \
Dagegen hat skr. skip , sAü/pa 'Wasch trog', trotzdem es Mikl. Et.
Wbch 310 mit ahd. srifin Zusammenhang bringt, mit dem ahd. Worte
direkt nichts zu tun. Das skr. Wort kommt vor nach den Angaben bei
Broz-Ivekovic in der Hercegovina und Montenegro in der Bedeutung
größerer hölzerner Schüssel, was anderswo hurlica genannt wird, in der
Bocche von Cattaro Waschtrog i). Das Wort ist also auf das Gebiet be-
schränkt, wo sich der romanische Einfluß am meisten geltend macht.
Deshalb geht skr. Skip zurück auf abruzz. schifa 'große Butte', sie.
schifu 'Trog', ital. schifo 'Mörtel-, Kalkmulde'.
3. Cöjluk.
Dieser Ortsname ist auf dem skr. Gebiet nicht selten. Doch muß
man zunächst den Anfangsbuchstaben näher begründen, da es auch
Öojluk geschrieben wird. Meine Erkundigungen, die ich mir bei den
glaubwürdigen, die betreffenden Ortschaften kennenden Leuten holte, so-
wie die neueren amtlichen Publikationen sprechen für c und nicht für 6.
Ak. Wbch I, 57 schreibt Cöiluk in der Lika bei Udbina^]. Von einem
gebürtigen Likaner hörte ich den Spruch :
Ja Bam momak Iz Ööjluka,
Volim kruva nego luka.
V
Ak. Wbch. a. a. 0. kennt noch Cojluk in Bosnien. Popis zitelj-
stva, Sarajevo 1S95, bringt aus dem Bezirke Krupa zwei gleichnamige
1) Prof. Dr. Jelic (Zara) teilt mir darüber noch brieflich mit: ^Skip ist ein
Trog aus einem Stück Buchenholz. Das Stück stellt die Hälfte des Baum-
stammes im Sinne der Länge dar. Gewöhnliche Länge 0,70. Breite 0,40, Tiefe
0,30 m. Als wasserdichtes Gefäß dient sldp zu allen möglichen Zwecken so-
wohl für Flüssigkeiten als für Massen. Daraus kann also eine größere An-
zahl Personen speisen; den Haustieren wird daraus Nahrung verabreicht oder
es dient zur Übertragung von Erde, Mörtel und Schutt. Das Gefäß ist gang
und gäbe in Nin (Nona) und Umgebung, dürfte aber auch in Nord-Dalmatien
allgemein vorkommen. In der Umgebung von Spalato heißt derselbe Gegen-
stand masuric.'i (S. über das letzte Wort meinen Artikel Zur Kunde des ro-
man. Elements in der skr. Sprache, Zeitschrift f. rom. Ph. XXXVI, 651, 14).
In Nevesinje Herzegowina) ist skip ein aus einem Stück Eschen- oder Birnen-
holz kahnartig gemachtes und zur Aufbewahrung von Milch bestimmtes Ge-
fäß. In der Lika (Gegend von Podlapac) dient es zum Waschen von kleinen
Kindern. In Bosnien (Sarajevo, Banja Luka) und Kroatien-Slavonien scheint
es nicht mehr vorzukommen.
-) Desgleichen auch Politicko i sudbeno razdieljenje kralj. Hrvatske
etc. Zagreb 1895, S. 23, wie auch in der Ausgabe 1903.
342 P- Skok,
Ortschaften, dann je einmal aus den Bezirken Jajce, Petrovac und Bu-
gojno. Auch in dieser Publikation der bosn. -herceg. Landesregierung
wird nur Coj'luk geschrieben. Ein aus Petrovac gebürtiger Herr sichert
mir die Aussprache Cdjluk. Diese Aussprache wird neuerlich bestätigt
im Sarajever Amtsblatt Sarajevski list Nr. 79 (vom 9. April 1912) S. 2,
Spalte 3, in einer Nachricht aus Bos. Krupa vom 6. April: tezak Luka
Ciric iz Oojluka blizu Krupe etc. Die neusten Rezultati popisa zitelj-
stva u Bos. i Herc, od 10. X. 1910, Sarajevo 1912, S. 2S6, bieten eine
Ortschaft Cojluk in der Dorfgemeinde Vinac bei Jajce. Ein Stadtviertel
von Virovitica heißt ferner Coluk^ welches sicher hierher gehört.
Da für die Feststellung von Etymologie von großer Wichtigkeit ist,
ob c oder d zugrunde liegt, so schien es geboten, bei dieser Frage länger
zu verweilen. Es ist nämlich bekannt, daß die türkischen Lehnwörter
im Skr. für ttirk. k immer c zeigen. Unser Ortsname ist auch türkischen
Ursprungs, wie schon das Suffix ~Iuk vermuten läßt. Cojluk geht zu-
rück auf türk. köjlük *). köjlük (= seliste) kommt als Ortsname im
Vilajet Diari-bekir (Kleinasien) vor. Es ist gleich gebildet wie das be-
kannte Hissarlik (= Gradiste] bei Troja.
4. {h)üja sf. 'Zorn'.
Dieses Wort ist in ganz Bosnien sehr gebräuchlich, jedoch bisher
von keinem skr. Lexikographen, soweit ich sehe, in dieser Bedeutung
gebucht worden. Ich weiß nicht, ob das angeführte Wort identisch ist
mit dem im Ak. Wbch. III, 7 29 angeführten, wo gesagt wird huj'a kaze
se kod ladara stacija, kada se na konjima lada vuce.
{fi)iija ist meiner Ansicht nach eine Ableitung mittels -Ja vom Adj.
chud^ schlimm , böse', di ^ J ist auf dem stokavischen Gebiet zwar
auffallend, kommt aber doch vor, siehe jetzt Resetar, Der stokavische
Dialekts. 136, §61.
Zu identifizieren sind mit dem besprochenen Worte Jiuja = mrsava
kokos, mrsavo celjade; vgl. für die Bedeutungsentwicklung poln. chu-
dziec, chuj'ec 'unverschnittener Eber, Stammschwein'. Wie man sieht,
entwickelt sich der Begriff des Bösen, Schlimmen nach zwei Richtungen ;
erstens nach der Richtung des Schlechten und Minderwertigen , welche
Bedeutung in /tuj'a : magere Henne, magerer Mensch, dann in hujav =
1) kyifiylu-h — a place of (so many) villages, Redhouse, Turkish and eng-
lishlexiconS. 1606.
Einige Worterklärungen. 343
bijedan, nevoljan, jadan, /tuj'avdiua = h.ujsLYO celjade, Ak. Wbch. III.
729, vorliegt; zweitens nach der Richtung des Zornigen, Aufbrausen-
den, wozu skr. {hyilju "^Zorn', poln. chudziec^ chujec 'un verschnittener
Eber gehören.
Dagegen sind zu trennen von unserem Worte uja 'die Rast, Er-
holung', respiratio, requies; iij'äne 'das Rasten, Ausschnauben ; üjati
'ausrasten'; tya^e 'heulen' bei Broz-Ivekovic 11, 632; /f?{;a^« 'ausrasten'
Ak. Wbch. III, 729. Diese Wörter sind gewiß onomatopoetische Bil-
dungen, von hu^ mit welcher Silbe man das Ausatmen bezeichnet.
5. kantarljün^ -üna sm. 'Tausendguldenkraut'.
Dieses Wort ist in Bosnien sehr gebräuchlich, ist aber, soweit ich
sehe, noch nirgends gebucht worden. Es ist griech. v.EvravQiov, lat.
centaurea^ centaurium, ceutaurion, centauris (Thesaurus linguae latinae
in. 812), angeglichen an die Endung -one ~^-un^ welche in ital. Lehn-
wörtern sehr häufig vorkommt.
6. kolo7nhoc sm. 'Mais'.
Nach Ak. Wbch. V, 212 werden in Vasojevici (Montenegro) Mais-
stelzen (krcamak) so benannt und in der Umgebung von Bar und Ulcin
Kukuruz selbst. Das Wort wird a. a. 0. noch aus Bocche di Cattaro be-
legt. Es ist alb. scut. kalamöts 'Mais', kalamhök^ ngr. xaXaf.i7t6/.ij s.
Meyer, Alb. Wbch. 17 0.
7. lädciiie sn. 'Land, Dorf', lädänski adj. 'ländlich, bäuerlich, dörflich'.
Dieses in Kroatien sehr bekannte Wort ist im Ak. Wbch. V, 865
nur als Name zweier Dörfer im Warasdiner Komitat nachgewiesen. Heut-
zutage ist es auch in die Schriftsprache eingedrungen i) und hat sein
einstiges aufs Kajkavische undSlovenische beschränktes Gebiet bedeutend
erweitert. Es bedeutet 'das flache Land, frz. la campagne' im Gegen-
satz zu Stadt, z. B. mi ladanski ludi^), na ladaiiu boraviti usw.; im Slov.
(Pletersnik, Slovar I. 495) = Besitz, Landgut; ladanstvo = Land (opp.
Stadt).
Schon Budmani im Ak. Wbch. a. a. 0. hat das Wort richtig als eine
kajkavische Form des schriftsprachlichen vladane aufgefaßt. In der
1) Nach einer freundschaftlichen Mitteilung von Prof. Ivsic soll die An-
nahme bestehen, daß es Miskatovic in die Literatursprache eingeführt hat.
2) Ladanjska opozicija ist der Titel einer Komödie von Derencin.
344 P- Skok,
Bedeutung: »Besitz, Landgut, Land überhaupt (opp. zu Stadt)« ist das
kajkavische Wort meiner Ansicht nach nichts anderes als eine Über-
setzung von mittellat. dominium (oder dominicum) i), auch domanium
(nach dem frz. domaine) Herrschaft über etwas, Eigentum, Gut. Es ist
dies eine Übersetzung, die noch lebhaft an die feudalen Verhältnisse er-
innert, an die Zeit nämlich, wo noch der heutige Gegensatz zwischen
Land und Stadt eigentlich dem Gegensatz von dem unter dem Besitz der
Adeligen stehenden Lande (dominium) und der von freien Bürgern be-
wohnten Stadt gleichkam, so daß das adelige dominium gewissermaßen
als Vertreter des Ländlichen überhaupt galt. Das kajk.-slov. Wort ent-
wickelt sich demnach von der Bedeutung 'Gut am Lande' zu 'Land, Dorf
überhaupt\
8. Ostrva sf.
In Montenegro bedeutet es nach Broz-Ivekovic I, 927: kao stuba
udarena u zemlju (pred kolibom), te se vjesaju puske; in Zumberak (Akz.
ostrva) dagegen : behauener Baum, wo nur größere Äste gelassen wer-
den, die kleineren dagegen entfernt, dient zum Kleetrocknen auf dem
Felde. Der Zusammenhang mit dem Adj. ostr^ ist klar. Ich denke an
ein Subst. *ostry *ostnve wie svekry, sveknve.
9. tukati se v. 'mit jem. zusammentreffen, jem. begegnen''
ist in Bosnien (Kreis Banja Luka) gebräuchlich und auch von keinem
skr. Lexikographen gebucht worden. Es ist in Zusammenhang zu bringen
mit der Wurzel t^k im Slav., skr. tikati, c. tykati, poln. iykac usw.,
hier nur in einer anderen Ablautstufe ; cf. skr. surov und sirov.
10. Zu den skr. Lehnwörtern aus dem Türkischen.
Die bei den skr. entlehnten Zeitwörtern so verbreitete Endung -isati
führt man richtig auf den griechischen Aorist zurück (s. Maretic, Gram,
i Stil. str. 380). Ganz dasselbe ist bei einigen aus dem Türkischen ent-
lehnten Zeitwörtern der Fall. Auch da liegt dem skr. Infinitiv kein tür-
kischer Infinitiv zugrunde , sondern das türk. kategor. Perf. Allerdings
kommen Fälle vor, wo sowohl der türkische Infinitiv als auch das tür-
kische Perfekt dem skr. entlehnten Zeitworte zugrunde liegen. Als Bei-
spiel führe ich an eglendisaii, eglcmisati,jeglenisatiAk. Wbch. III. 23,
1) Vgl. bei Bartal, Glossarium mediae et infimae latinitatis regni Hunga
riae I, 227 : dominium = territorium castelli.
Einige Worterklärungen. 345
wo fälschlich türk. eßendirmek als Grundlage angegeben wird, was
schon deswegen nicht richtig ist, weil eghndirmeh ein objektives Zeit-
wort ist, s. Meniuski I, 20S eg'lendirmek' := ritenere, ritardare, dar trat-
tenimento. Von egUnisati^ jegUnisati ist vielmehr die Grundlage egHen-
meh\ von eglendisati dagegen Perf. eg'le?idg^).
Im Nachfolgenden führe ich noch einige Zeitwörter, die hierher ge-
hören, bisher aber nicht gebucht wurden, an.
baildisati *^in Ohnmacht fallen' (Banja Luka) von ttirk. bäjilmak
svenire, Meninski I, 4S.
dekfiaati (Banja Luka) 'dulden, ertragen ; jem. belästigen' z. B. cek-
tisö na me, da bog sacuva, türk. c'ek^ek^ = tirare, stendere, patire,
Meninski I, 109.
kuländinati 'gebrauchen' (in ganz Bosnien), türk. kullanmak: faire
usage, se servir, employer (Zenker); vgl. alb. >lw^awc/m 'behandeln, ver-
wenden'. Meyer, Alb. Wbch. 212.
osändisati se 'sich langweilen' (Banja Luka und anderswo in Bos-
nien): osändisö sam se cekajuci; man kann auch sagen: on me je osän-
disö; türk. osanmak = aivexQ fastidio. Meninski I, 661. Man versichert
mir auch die Form osänisati t>e (s. auch Mikl., Türk. Elem., Denkschr.
38, 7), welche Form demnach auf osan-mak zurückgeht, während osändi-
sati auf osandy beruht. Vgl. auch kahvendisati und kavenisati.
Auf dieselbe Art ist zu erklären: kidisati, oder mit Einschub -fi
Mndisati (s. Ak. Wbch. IV, 954) 'Gewalt, Hand anlegen, töten', von
türk. kyjma¥ 'töten', nach Meninski tritare, sminuzzare, tagliare in
pezzi, perdere, rovinare, uccidere. Wegen des d hat Miklosich 34, 331
nur mit Bedenken kidisati mit kyj'mak zusammengestellt. Wenn man
an die Perfektform denkt, so ist die skr. Form ganz klar und es ist nicht
notwendig, auch an kynamak zu denken, wie es Miklosich 34, 332 und
nach ihm Ak. Wbch. IV, 946 tun. keisati Ak. Wbch. IV, 933, derselben
Bedeutung wie kulisati^)^ beruht dagegen auf der türk. Infinitivform
1) Hierher auch sevdisati (schon bei Miklosich, Türk. Elemente usw.
Denkschr. 35, 156 und Popovic, Istocanske reci 189 erwähnt) nicht direkt von
sevmek* , sondern vom Perf. Bei dieser Gelegenheit erwähne ich noch das
schöne Beispiel: Ako sam ga ocim' pogledala, nijesam ga srcem sevdisala
(Banja Luka).
2) cbrdisati pessumdare ist wohl eine Vermengung von krdisatixm^ corda
' Schwert'.
346 P- Skok,
kyj-mah^ da bekanntlich der türk. Laut y als ?', ^, a und r erscheint i).
Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, daß auch /^•)Y/^Äa^^ Vernichten, zu-
grunde richten^ hierher gehört und nicht zu qyrmak, wie bei Miklosich
34, 332 und nach ihm im Ak. Wbch. V, 498, da dann auch die Bedeu-
tung besser paßt; qyrmak bedeutet ja brechen, verletzen.
1 1 . Zum Lokativ in den serbokroatischen Ortsnamen.
Schon Jagic hat im Artikel »Die slav. Composita in ihrem sprach-
geschichtlichen Auftreten« (AfslPh.XX, 520) ganz zutreffend in Cilri von
Cärigrcid den Lokativ gesehen. Diese Auffassung wird Gewißheit, wenn
man Cari{gräd)'^) mit Cesargracl^), Namen einer Ruine an der Sutla"*],
1) Beispiele: l.fiir türk.^/^skr. i: Aiwa 'kleine Hacke zum Faschieren des
Fleisches' <<A7^"wjo, carne tagliata minutamente Meninskil i4d,kh)ietalitu 'Hack-
brett, Fleischbrett <^lyjma tahtasy tagliere; kirnet im Beispiele: Taj jede kao
dömba, ne zna sam sebi kimeta < kymet prezzo, valore, stima Meninski 1454;
räzl 'zufrieden' << rüzy arab. contento Men. ; 2. für türk. y > skr. e : haterisaii
'zugrunde richten, vergeuden' (z.B. bateriso je toliki silni mal) <^batyrmaq
'versinken', von hatmaq; rw^/e, -e^u 'Stück Papier' Ak. Wb. \1 Vlb <ik^uyhyd;
3. für türk. y > skr. r : hrsum (na nekoga hrsum sasuti, uciniti) <^ c/iy.ih7i pers.
ira, collera, sdegno, rabbia, Meninskil 150; Är/w(Oc <;/.?/ /y^scimitarra,sciabla,
Men. I 45a, s. auch Mikl. o. c. 37, 61 ktlic, bei Popovic o. c. S. 124 küidt,
Ä-rs/vA 'Jungfernschaft' < kyzlyk verginitä Men. 1455, vgl. krzlaraya bei Popo-
vic S. 12S und Mikl. 34, ;i33 mit Kizlaraga bei Gundulic, krsla 'Kaserne' <
kesla 'Kaserne', Meyer, Alb. Wb. 189; srklet 'Nervosität', srkletli 'nervös' <C
seklet 'schwere Angst, Unbehagen', s. Meyer. Alb. Wb. 384 ; 4. für türk. t/>
skr. a: kaiia Ak. Wb. IV 814, andere Formen: knä, khua Ak. Wb. V lü9 und
krna Ak.Wb. VG03 balsamina hortensis < %/;« , hy)ia ligustro, colore col
quäle si tingono le femmine i capelll e le unghie Meninski I 333, 451; kozä-
mak 'Scharlach', Ak. Wb. IV 9i)9 daneben auch krzämak zu kyz chaleur, feu.
kyzarmak infocarsi, roventarsi Men I 45.i. Die angeführten zum Teil noch
nicht gebuchten skr. Wörter sind in Bosnien gang und gäbe.
2) Carigrad ist auch der Name einer Häusergruppe im Bezirke Prijedor
(Bosnien) sowie eines Berges und einer Euine auf demselben in Serbien, s. Ak.
Wbch I. 7()0, s. V. Carigrad.
3) Vgl. Ccsar grad in Letop. duk|. Ak. Wbch. I, 772.
*) Die Ruine Cesargrad befindet sich auf dem Berge Cesarsko hrdo (rgl.
C'esarska ves bei Klaiiec;, 8 Klaic Sutla, in Hrvatsko Kolo VI. 123, ebenda auch
zwei Abbildungen. Daselbst auch Belege wie Chasar 1399. Kaysersperg 1012,
arx Chasarvara 16:!0, laater magyarische bzw. deutsche Übersetzungen. Es
ist nicht zu vergessen, daß die Burg auch in dem ältesten kroatischen Belege
nur Cesar heißt (in einem Briefe Tahis vom 2S. I. 1562, s. Kuknljevic, Acta
Croatica S. 327: na dwor gozpodyna bana pod chezarom etc.). Das ist aber
Einige Worterklärungen. 347
nicht WQit von inanec inZagorien (Kroatien), vergleicht, wo man inCesar-
nichts anderes al3 ein mittels -j (n'^capb) gebildetes Adjektiv sehen kann.
Ferner wird die Erklärung Jagic' auch dadurch bekräftigt, daß das Adj.
bei den mit -grad usw. gebildeten Ortsnamen gewöhnlich in unbestimmter
Form erscheint, z. B. russ. JSoDgorod, skr. Beograd, Belgrad (kroat.
Küstenland), Biograd (Dalmatien) usw., also in i von Carigrad nicht
die bestimmte Form von rar' gesehen werden darf, auch deswegen nicht,
weil es kur? ist. Der Lokativ Cari- ist weiter anzutreffen in Carihrod
(Bulgarien) und Carihrdo (ein Berg) Ak. Wbch. I, 7 59 i).
Ich will nun weitere Beispiele des alten Lokativs aus den Ortsnamen
bringen.
Zunächst gehören hierher viele Vu6ipoh (= Wolfsfeld). Bosnien
allein besitzt laut Angaben der Resultate von Volkszählungen von 1S95
und 1910 vier Vtidipo^e, und zwar in den Bezirken l^ubuski, Bugojno
(im Dorfe Glavica), Zupanac (im Dorf Podgaj) und Mostar (im Dorf Cit-
luk). In Dalmatien ist der Ortsname auch nicht selten. Das Ortsreper-
torium der k. k. statistischen Zentral-Kommission in Wien verzeichnet
dreimal ViiÖipole (in den Gerichtsbezirken Obrovac, Knin und Sin). —
In Kroatien : Viidipole in der Gemeinde Gracac^). VuSi- ist nichts anderes
als der alte Lokativ. Der cakavische^) Lokativ im Fem. erscheint Vuöe-
ravan (Wolfsebene) im Gerichtsbezirke Supetar, welche Ortschaft auch
Vudjaravaii heißt (Ortsrepertorium S. 13 7). — Ob in Vudikal (Wolfs-
schlamm, -kot) (Gerichtsbezirk Budva, Ortsrepertorium S. 1 S) der Lokativ
vorliege oder nicht, soll vorderhand dahingestellt bleiben 4). Dagegen
ist Vudedraga (= Wolfstal) gewiß so zu erklären wie Vuöeravan.
Vudedraga befindet sich in der Pfarre Turjake des Bistums von Spalato
(s. Schematismus des Spalatiner Bistums für das Jahr 1913, S. S5).
Veli = groß erscheint in alter Lokativform zunächst in Velehrad
(Mähren, vgl. Miklosich, Slav. Ortsnamen aus App. II, S. 253, 714).
kein Beweis, daß man in Cesar kein Adj. sehen sollte. Es ist vielmehr derselbe
Fall wie bei vielen skr. Ortsnamen Novi, wo grad als selbstverständlich ent-
fallen ist. — Eine Beschreibung dieser Euine sowie eine Geschichte des Ortes
nebst Abbildungen ist zu lesen auch bei Laszowski, Hrvatske povjesne gra-
djevine, Zagreb 19ü2, S. 79—84.
>) Vgl. mit Caribrdo Cesar hrdo, Häusergruppe in der Gemeinde Pisaro-
vina, s.Politicko i sudbeno razdieljenje kralj. Hrvatske etc. Zagreb 1895, S.86.
2) S. Polit. i sudb. razdieljenje etc. S. 9.
3) S. Vondräk, Vgl. slav. Gramm. II, S. 35.
*] Vgl. Vucitrn in Altserbien.
348 P- Skok, Einige Worterklärungen.
Auch in Velebit^), Bergkette in Kroatien, Berg in Bosnien, möclite ich
nichts anderes als den alten Lokativ sehen. Der zweite Bestandteil wäre
zu identifizieren mit cech. öyt "^Existenz, Aufenthalt', vgl. auch aisl. büä
'Wohnung', lit. Z/ei/t/s '^Haus , Wohnhaus', skr. büak 'We&en, ohitavati
'wohnen'. Der zweite Bestandteil w.äre ferner zu vergleichen mit Hudi
bitek^ Dorf in der Gemeinde Odra in Kroatien (Komitat Agram). Wegen
-^ ^ -e vgl. Tpiö'i ^ trijebe (stokavisch-dialektisch). Was eigentlich
Velebit bedeutet, ist schwer zu sagen 2], da bit sonst nirgends im Skr.
belegt ist. Es ist aber an die volkstümlichen Erzählungen zu erinnern,
wonach Velebit als Aufenthaltsort von Vilen gilt 3). Vielleicht bezieht sich
darauf auch seine Benennung. Eine so benannte Hirtensiedlung wäre
auch nicht ausgeschlossen (cf. atan 'Sennerei').
12. Zetica^i. 'Molke'.
Die Molke [su[i)rutka) wird in Sarajevo und anderswo in Bosnien
noch zetica genannt. Das Vorhandensein dieses bisher nicht belegten
Wortes ist sehr wichtig, weil dadurch die slav. Grundlage des rumän.
Wortes Jintitä 'gekochte Schafmolke' (s. Tiktin, Rum. -deutsch. Wbch.
II, 872) gesichert ist. Das skr. Wort wanderte dann, durch rumänische
Hirten weiter getragen, zu den Nordslaven: slovak. ientica^ poln. ze7i-
tyca^ ruthen. zetityca (s. Miklosich, Wanderungen der Rumänen, Denk-
schriften 21) und zu den Magyaren: zsmdicze, zsinczicza (A magyar
nyelv szotara 6, 1252 nach Miklosich). — Das skr. Wort gehört zu zqti,
zbtnq. In Warasdin heißt der Holzkübel , in welchen gemolken wird,
zeiarka. P. Skok.
1) Die Form Velebic, die gelegentlich selbst in den Urkunden zu lesen
ist, halte ich für eine gelehrte Angleichung an die ungememein verbreitete
Endung -ic. Beim Volke ist sie nicht zu hören. Velebit heißt weiter eine
Landzunge mit dem gleichnamigen Berge in der Katastralgemeinde Vrsi bei
Nona (Dalmatien, e. auch Jeliö, Hrv. spomenici ninskoga podrucja, I, S. 1).
Auch dieser Name erscheint in der Katastralmappe und in den mir vom Prof.
Jelic freundlichst zur Verfügung gestellten urkundlichen Belegen (1530, 1793)
Monte Velebich. Nach meinen Erhebungen ist diese Form dem dortigen Volke
nicht bekannt.
2) Schon Zoranic, Planine, Stari pisci hrv. 16, S. 69 — 71, versucht eine
Erklärung des Namens, die natürlich wertlos ist, zu geben.
3) Auf ähnliche mythologische Vorstellungen von Velebit scheint hinzu-
weisen auch der Name der Bergspitze Sceto Brdo (1753 m) in demselben Ge-
birge. S. eine solche Erzählung bei Hirc, Prirodni zemljopis Hrvatske I, S. 452,
Anm. 3.
Beiträge zur ukrainischen Wortforschung. 349
Beiträge zur ukrainischen Wortforschuns;.
babäna, -ny f. 'altes Schaf, welches der Zeugung unfähig ist^;
< rum. bäbänä, 'altes Schaf, das nicht mehr lammt\
bäska, -ky f. 'Schafsname'; < rum. bäscä, 'Vließ, Gesamtheit der
Scherwolle eines Schafes'; alb. baska.
batalen, -va m., batalej, -ja m. 'Schlägel im Butterfaß'; < rum.
bätäläu, 'Schlägel, Bläuel'.
bäus, -usa m. 'Schnurbart'; poln. bajusy, 'Schnurbart, Backen-
bart'; < mag. bajusz, 'Schnurbart'.
bynda,-dy f. benda, 'Band'; < ital. benda, (<^ ahd. binda) 'Binde'.
bend'iih, -hä; bend'üch, -chä m. 'Eingeweide, Bauch'; < magy.
bendo, 'Schmerbauch'; böndo, 'Ranzen, Wanst'.
bybäk, -kä m. 'Krankheit'; < magy. bibe, 'eine kleine Wunde,
der empfindlichste Teil der Wunde'.
byrka, -ky f. 'das Schaf"; nsl. birka, 'ds.'; < magy. birka, 'das
Schaf mit kurzer, krauser Wolle'.
bJamänka , -ky f. 'Leckereien' ; < mhd. blamensier, blamentschier,
'eine Art Speise', <^ franz. blanc manger.
bläna, -lii f. 'Huzulenpelzkleid', rückentlehnt aus rum. blanä, 'Pelz,
behaarte Tierhaut, Kleidungsstück daraus, Fell'; zu sl. c. blana.
blymaty, 'blinkein'; blymanka, 'Irrfeuer'; mit Annahme einer Be-
deutungsentwicklung 'blasen, schwellen' zu 'mehrmals anschwellen, blin-
kein' — ist die Urverwandtschaft mit norw. blemme, schw. blemma,
aschwed. blema, 'Pickel, Pustel', anord. blämi, 'bläuliche Farbe', franz.
bleme, 'blaß, bleich', — die von Falk-Torp E.W. zur idg. Wurzel *bhlei,
*bhlai, 'blasen, schwellen' gestellt werden, — nicht ausgeschlossen.
biyndyj, -a, -e adj. 'klug, schön'; < rum. bland adj. 'sanft, mild,
freundlich'; (lat. blandus).
blyndä, -dy f. 'starker Hautausschlag'; < rum. bländä, Nessel-
ansschlag'.
bl'ich, -chä m. 'das Weißen der Leinwand'; brichnvatj^ 'die Lein-
wand weißen'; < mhd. bleichen; »hier auf dem Rasen bleicht das Linnen
gut«. Grimm. Wb. Vergl. kroat. kajk. plajhati.
bokrejda, -dy f., pokröjta, -ty f. 'künstliche Blume oder Pfauen-
350 R. Stocki,
feder als Scbmuck für den Hut'; < magy. bokr^täs, ^mit Federbuschen,
Blumen buseben verseben^
bokör, -ra m. 'Floß'; < magy. bokor, 'Buscb, Stock, Bund'; skr.
bükor, *^das Büscbel'.
borduh, -ba; bord'ücb, -chä m. 'Sack, Haut'; < rum. burdiib, burdüf,
'ganze Haut eines Tieres, in die etwas gebullt wird, Balg, Scblauch'.
bosörka, -ky f. 'Hexe'; magy. boszorka, boszorkäny, 'Hexe'.
bosorkün, -nä m. 'Vampyi-, der Tote'; < magy. boszor, 'der Toten-
kopf'.
brändza, -dzi f. 'Unkraut'; < rum. bräncä, 'Braunwurz, Bären-
klau'.
brendüsa, -si f. 'Crocus vernus'; bryndüsa, -si f. 'Crocus sativus';
brandüsi, pl. -iii, Crocus reticulatus, 'Frühlingssafran'; <rum. brändüsa,
'Herbstzeitlose, Früblingssafrau, Crocus vernus'.
brytnäl', bretnal', -ä m. <^ Brettnagel.
büc , -cä m. 'scblecbt gebackenes Brot', bucö, -cä n. 'Apfel':
buciuka, 'Apfelsorte'; < mbd. bütze, 'Masse, Klumpen, Brot'; »butz am
Obst, Granatbutzen, Hagenbutzen« Grimm. Wb.
budzük, -dzkä m. 'ein Stückchen, ein Bruchteil'; magy. buczok,
'unförmiger Klumpen'.
bühas, -sa m. 'ungepflegter, verwahrloster Wald'; < rum. buhäs,
'junge Tanne oder Fichte mit struppigen Zweigen'. Tiktin stellt das
rum. Wort zu rum. büfnitä, 'Eule, Uhu'; ngr. /.i/rovcfos', pol. puhacz;
türk. buhäc, und will die neue Bedeutung vom wirren Kopfhaar des Uhu
ableiten.
bünkos, -sa m. 'Hammer'; pol. bunkosz, 'grobe Keule, auch grober
Mensch'; < magy. bunkös, 'keulenförmig, kolbig, Knüttel, Knoteiistock';
bunkö, 'der Schlägel, die Keule, der Kolben'.
burdöj, -ejä m. burdij, -ijä m. 'unterirdische Wohnung, Rauch-
hütte'; < rum. bordeiu, 'Erdhütte'; 'durch Ausgraben des Erdreichs her-
gestellter Raum, mit auf der Erde liegendem Dache; dient als Behausung
sehr armer Bauern'. Vgl. ital. bordello, prov. frz. bordel usw., ursprüng-
lich : 'schlechte Hütte'.
busa, -si f. 'zylinderförmiges Gefäß zum Salzen der Fische'; < mhd.
butsche, 'Salzkufe, Gefäß'. Dazu wird von R. Perusek A. 34 S. 35
skr. büca, 'Kürbisflasche' gestellt und dabei Schmeller-Fr. I, 312/313
angeführt: »die butschen, kleineres mit einer Handhabe und Deckel ver-
sehenes Gefäß, in Form eines abgestutzten Kegels. Ehemals nannte man
Beiträge zur ukrainischen Wortforschung. 351
blitschen auch eine Art Gefäß, in welchen von den Salzstätteu aus das
Salz verführt wurde (rahd. butze, butsche schf. Geftiß, Salzkufe).
eyngel', -gl'a m. 'Häckchen'; < rum. cinghel, 'Hacken «^ türk.
ceugel).
cynhaköra, -ry f., syndyköra, cyndyköra, cinhaköra, 'gürtelartige
Kleidungsstücke^; < rum. cingätöre, 'Gürtel, Gurt^
cyrka, -ky f. 'Bordüre an Bauernkleidern^ ; < mhd. ziere, zier;
ndd. zire, zir, 'Schmuck, Zier'.
cöra, -ry f. 'ungeschliflene , ungezogene Frau; Schimpfwort ; < rum.
ciörä, 'Krähe, Spitzname der Zigeunerin'; vgl. zig. rotwelsch: tschor,
'Dieb'.
cüpka, -ky f. 'Kuß'; < magy. cupp, 'der Schmatz, das Schmätzchen'.
cvy.st, -tu m. 'Zwirnpaar der Webgrundlage'; < ahd. mhd. zwist
= twist (engl, twist), 'Geflecht, geflochtener Faden, Schnur, Strick; —
Art Baumwollenstoff aus gezwirntem Garne'. Schade bemerkt, die Wort-
gruppe wäre am entwickeisten im Sächsischen.
cabak, -kä m. 'ein Fisch': < türk. (Alt. Tel. Les. Kas.) cabak,
'kleiner Fisch', Ptadloff Wb.
cäika, -ky f. 'Stehplatz am Ende eines Diieprflosses'; < türk.
calkan, 'bewegt werden, hin und her geworfen werden, geschüttelt wer-
den, von den Wellen hin und her geschleudert werden'. Vergl. russ.
npH^ia-iiiTb 'landen'.
capas, -öü m. 'Steg, Pfad'; < magy. csapäs, 'die Spur, die Fährte'.
cemesyty, 'drücken, kneten'; < magy. csömöszolni, 'knetschen,
zerquetschen, — zusammenpferchen'.
cerköty, -iu pl. 'eine Art Sporren mit Schellen, die beim Tanzen
benutzt werden'; < magy. csorgetö, 'die Klapper, die Schnurre'.
ceten, -nä m. 'geflochtene Zaunwände, aus welchen die Umzäu-
nung für die Schafe, der ah6i (zu M.T.E. 6 agel, 'Hürde') zusammen-
gestellt wird'; < türk. (Alt. Tel.) cedän, 'der Zaun, die Hecke, gefloch-
tene Umzäunung'.
cynär, -arä m. 'Platanus'; < türk. (Osm. Kkir. Kur.) cynar, 'die
Platane'.
cynceryji pl. -iu, 'die Fesseln'; < magy. csincs^r, 'die Halsfessel,
Halseisen'.
cumiu, -m<5va m. 'Tabak in Blätterbündeln'; < magy, csoma, *der
Sprosse, der Sprößling, der junge Zweig, das Keimpflänzchen'; esomag,
'der Pack, das Bündel'.
352 R- Stocki,
cnvai, -iü m. 'ein größerer Sack'; zuM.T.E. 44 cuval, 'der Sack'.
dädos, -sa m. 'Haupt einer Zigeunerbande'; < mag. däde, dädö,
'alter Zigeuner'; zig. rotwelsch: dados. 'Anführer, Vatfer' (Kluge: Rot-
welsch).
daräba, -by f. 'Floß'; daräbcyk, -yka; m. 'ein Stückchen'; < magy.
darab, 'das Stück'; darabos, 'stückig, aus groben Stücken bestehend'.
döga, -gy f. 'Faßdaube'; < rum. doäga, 'Daube', vergl. serbokr.
düga.
facärnyj, -a, -e adj. 'diebisch'; < rum. fätärnic, 'heuchlerisch'.
faj (im Fluche: »faj by mu!« 'Schmerz über ihn'); < magy. fäjni,
'schmerzen'; fäjäs, 'das Schmerzen, der Schmerz, das Weh'.
felel'uväty za koho, 'für jemanden bürgen'; < magy. felelni, 'ant-
worten, zur Antwort geben, ^ — ^ für etwas verantwortlich sein'; felelos,
'verantwortlich'. Daraus auch rum. felelui, 'verantworten'.
ficka, -ky f. 'leichtsinnige Frau ; < magy. ficke, 'lebhaft, munter'.
fi^ekeu, -eva m. 'junger Bursch'; < rum. fläcäü, mold. flec-, 'junger,
heiratsfähiger Mensch, besonders aus dem Volke; Bursch, Junge'.
folösyty sa, 'Glück haben' ; foiösyt' sa menl, 'es glückt mir'; <rnm.
folös, 'Nutzen, Vorteil'; (zu mgr. (pü.üg für ürpeAog, indem xwcpeXog
= To löcpelog als ro tpelog verstanden wurde. Tiktin R. D. Wb.).
gäl'ir, -ra m. 'viereckige Kapuze an der cüha (Pelz)'; < magy.
galler, 'der Kragen, Halskragen'.
gard, hard, -du m. 'eine Reihe von Ver- oder Umzäunungen im
Wasser zum Fischfangen'; rückentlehnt <rum. gard (ksl. grad^), 'Flecht-
werk aus Zweigen, besonders Weidenruten, Zaun'.
gäura, -ry f. 'winterliche Lagerstätte des Bären, Schlund, loses
Maul'; < rum. gäurä, 'Lroch, Grube'.
gyria, -ly f. 'großes Erdloch, Erdspalte'; < rum. ghörlä, 'Gefäng-
nis, (Hunde)loch'.
gogomän, -a m. 'Dummkopf, Schimpfwort'; < rum. gogomän, gu-
gumän, 'einfältiger, alberner Mensch, Dummkopf, Tropf. Spitznamen
der Rumänen von den Albanesen beigelegt.
gorgän, -na m. 'Berggipfel'; rückentlehnt < rum. gorgän (<]^ ukr.
kurhän <^ türk. kurgan) 'Hühnengrab'.
gutka, -ky f. 'Auerhenne, Art wilde Ente'; < rum. götcä, 'Hasel-,
Rot-, Auerhuhn'.
gropa, -py f. 'Name einer Bergalpe'; rückentlehnt < rum. groäpä
(ksl. grob-B), 'Grube, Grab'.
Beiträge zur ukrainischen Wortforschung. 353
gros, -SU m. "^Herde der trächtigen Mutterschafe'; < rum. gros,
'dick, trächtig, schwanger' (lat. grossus).
gurgül'a, -l'i f. 'Knorren'; gurguiät, -a m. 'Name eines Berges';
< rum. gurgaiä, 'anschwellen, sich wölben' ; gurguiälä , 'Anschwellung'.
halahän, -na m. galagän, -nä m. 'alte 4 Kreuzer Münze, über-
haupt alte Münze'; < rum. gologän, 'Kupfermünze, Zehnbanistück'.
hal'avaty, 'das Schiff stromaufwärts am Seile ziehen'; < ital. alare,
'am Seile ziehen'; frz. haier, 'ds.'; altnord. hala, 'ziehen' (Körting Et, Wb.
4460); norweg. hale, 'ziehen, besonders an einem Tau'; <![ nd. halen,
'ziehen' (Falk-Torp Et.Wb.).
haratäty, 'wuchtig schlagen, grob zerschlagen'; < rum. häräti,
'reizen, necken, — mit jemandem, plänkeln, Scharmützeln'; oder härtänl,
'zerreißen, zerfleischen, zerfetzen'.
hacä, -äty n. 'Fohlen'; < rnm. hatäs, 'Pferd, Roß'; ät, hat, 'Pferd';
<türk. at, 'Pferd'; atce, 'Fohlen'. M.T.E. 15.
homök, -mka m. 'Erdhaufen, Hügel'; < magy. homok, 'der Sand,
der Flugsand'.
huzvä, -vy f. 'Eisenkette, die den Pflug mit den Rädern verbindet^;
< magy. hüzvas, 'das Zugeisen'.
jaläk, -ka m. 'Hundefuttertrog'; < türk. (Osm.) jalak, 'eine Holz-
schüssel, Hundeschüssel'. Radioff Wb. III, 156.
kacabäjka, -ky f. kacavöjka, -ky f. 'weibliche, gefütterte Jacke';
< rum. cataveicä, 'Pelzjacke mit Stoffüberzug, nicht anliegend, meist aus
Fuchspelz, von Frauen getragen'.
käjta, -y m. 'Ochse mit großen Hörnern'; <magy. kajla, 'krumm,
abwärts gebogen, krummhörnig'.
kälap , -a m. 'schwarzer Hut, mit breiten, nach unten gebogenen
Krampen'; < magy. kalap, 'der Hut'; < csurgöra ällö, 'Hut mit abwärts
gebogenen Krampen'.
karäzija, -ziji f. 'einfaches Lodentuch'; < magy. karazsia, 'eine
Art gemeines Tuch, zweimal gewalktes Tuch'.
karmäk , -ka ; m. 'ein Fischereigerät , zum Fischfängen unter dem
Eise: eine Schnur mit 5 — 6 Angelhaken. In Dobruca im größeren Maß-
stäbe angefertigt mit bis 60 Haken'; <tüi-k. (Tel. Alt. Tub. Koib.) kar-
mäk, 'der Haken, der Angelhaken'. Radioff IL B. 216.
kap , -u m. 'eine Art Sack, in welchem gebrannte Leinensamen ins
Butterfaß gelegt werden'; < türk. (Alt. Tel Leb. Schor.) kap, 'der Sack,
Beutel, Tasche'. Radioff IL B. 400.
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 23
354 R. Stocki,
käpiu, -ova; m. 'Jagdhund'; kapövipsy, 'Jagdmeute'*; < mag. kapni,
'packen, ergreifen, fangen, fassen'; kapö, 'zugreifend'.
kapus, -sa; m. 'Käfer (Melophagns ovinus)'; <rum. cäpiisä, 'Schaf-
lausfliege, Schafzecke (Melophagus ovinus)'.
katlamä, -my; f. 'eine Hirtenspeise'; < türk. (Krm.Osm.) katlama,
'ein dicker, aus Blätterteig bestehender Pfannkuchen' (Kas.); 'ein spiral-
förmig gewundener Blätterkuchen aus Sauerteig'. Radloif, Wb. 11, 300.
kavük, -ka; m.'ein Sack'; < türk. (Osm.) kavuk, 'etwas ausgehöhltes,
leeres^ besonders die Blase'. Radioff, Wb. II, 4 70.
kendyryca, -ci; f. 'Kukurudz'; < magy. kenderice, kenderike, 'der
Hänfling, der Bluthänfling'.
kysyr, -rjä; m. 'die frischgeborenen Schafe'; < türk. (Osm.) kysyr,
'unfruchtbar' (Kir. Kas. Osm.-Bosn.) ; 'gelt, nicht geboren habend'.
konfitüry, pl. -iu, 'Obstkonfekt'; < rum. conföturi, 'Konfekt, Zucker-
werk'; <^ ital. confetto; ^ ukr. kunfety, kumföty, 'Konfekt'; werden
eine direkte Entlehnung aus dem Ital. sein.
kiäka, -ky; f. 'eine Art gemeinsamer Arbeit'; < rum. cläcä, 'Frohne,
Robott'; <C serb. nsl. tiaka, 'Frohnarbeit'.
köda, meist im plur. gebraucht: ködy, -iu, f. 'Hutbänder'; <rum.
cödä pl. Code, 'Schwanz, Schweif, Zopf' (Etym. lat. cauda, 'Anhängsel').
koköna, -ny; f. 'Titel der Gutsbesitzerin (bukow.)'; <rum. cocönä,
'Titel: gnädige Frau'; < griech. ■/.ov.öva.
konarä, -y; f. Schafherde, die für das Schlachten gemästet wird';
<rum. canarä, 'Weide, wohin die alten Schafe zum Fettwerden ge-
trieben werden'; <^ türk. (Osm.) kanara, 'Ort, wo man das Vieh tötet,
das Schlachthaus'. Radioff, II. B. 111.
kondäs, -a; m. 'Schweinehirt'; < magy. kondäs, kondäsz, 'der
Schweinehirt, der Sauhirt'.
kuhä, -hy; f. 'Teichpflanze'; < türk. (Ot.) kuha, 'die Binse,
Binsegras'.
küzba, -by; f. 'ein Haken, worauf der Kessel hängt, Dreifuß';
< rum. cujba, 'Kesselhalter, hölzerne Vorrichtung am Bauernherd: be-
steht aus einer fixen Säule und einem auf derselben wagerecht befestigten
drehbaren Stabe, an dessen freies Ende der Kessel gehängt wird'. Das
rum. Wort ist nach Tiktin aus magy. gusba, 'ds.'; daraus entlehnt (?) serb.
güzva, 'Flechte aus schlanken Reisern'; und ukr. kuzva, -y; f. 'ein aus
Zweigen geflochtenes Band, Bindgerte'. Vergl. russ. ryact.
kurkiir, -l'a ; m. 'Spitzname der ansässig gewordenen, landbebauen-
Beiträge zur ukrainischen Wortforschung. 355
den Kosaken am Schwarzen Meer'; < türk. (Osm.) korkul, 'sich fürchten'.
Radioff, Wb. II. B. 566.
kuräj, -ajü; m. 'Pflanze als Brennmaterial benützt'; < türk. (Kir.)
kurai, 'eine Pflanze .
kurbet, -tä ; m. 'Nachbar, Freund'; < türk. (Osm. < arab.) kurbät,
'die Nachbarschaft, Nähe, Verwandtschaft, intime Freundschaft'. Rad-
ioff, II. B. 963.
kurmej, -ejä; m. 'Strick, Seil'; <rum. curmöiü, 'Strick aus Linden-
bast'.
kumän, -nä; m. 'Topf, Pokal'; < türk. (Kir.) kuman, 'Wasserkanne'.
Hilfsmittel:
Hrincenko: Slovär ukräjinskoji mövy. Kyjiu 1907.
Zelechoüskyj : Malorüsko-nimöckyj slovar. L'wiu 1886.
Radioff: Versuch eines Wörterbuches der Türk. Dialekte I — IV.
Tiktin: Rumänisch-Deutsches Wörterbuch (A — P).
Ballagi: Ungar.-deutsches Wörterbuch. Pesth. 1860.
Leipzig. B. Stockt .
Studien über slav. eh.
Der slavische Laut ch, palatalisiert s, ist in vielen Fällen noch
immer den Sprachforschern eine crux geblieben. Besonders gilt dies vom
ch im Anlaut. Kaum ein einziges nicht entlehntes Wort mit diesem An-
laut dürfte eine Erklärung gefunden haben, die von jedem Forscher ge-
billigt worden ist. In den Fällen, wo c/i seinem Ursprung nach ganz
klar ist, geht es auf idg. s nach i- und e<- Vokalismus und nach r und q
zurück. Eigentlich kann also ein s nur in der vierten Stellung als Quelle
für anlautendes ch in Frage kommen. In abg. chocliti 'gehen', das schon
im Beginn der modernen Sprachforschung aus der idg. Wurzel ^sed-
sich setzen' auch 'gehen' (ai. asad- 'hintreten, sich nähern') erklärt
wurde, ist bekanntlich ch in Komposition mit den Präfixen pri- und u-
entstanden.
Das Wesentlichste von dem , was wir über Ursprung und Entwick-
23*
356 H. Petersson,
luifg von slav. ch wissen , verdanken wir Holger Pedersen, welcher den
Laut in seiner wohlbekannten Abhandlang, Das idg. s im Slavischen,
IF.V, 33 — 87 behandelt hat. Pedersen hat auch in idg. qh eine zweite
Quelle des slavischen cli finden wollen. Schon vordem hatte Kozlovskij,
Archiv f. slav. Phil. XI, 3S3ff. an der Hand einiger aufgestellten Ety-
mologien slav. eil- mit ai. //, griech. /, lat. //, germ. // gleichgestellt und
dafür ein ursprachliches 7 angesetzt.
Die Ansicht Pedersens , daß idg. qh zu slav. cli geworden ist, hat
von Seiten einiger Sprachforscher Beifall gefunden, so z. B. von Meillet
MSL. IX, 153, Etudes S. 174, von anderen dagegen ist sie energisch be-
kämpft worden, trotzdem daß Pedersen KZ. XXXVIII , 388ff. neue
Gleichungen zugunsten des Lautgesetzes aufgestellt hat und ebenda
Bd. XL, 173 die theoretische Möglichkeit des Lautwandels durch sehr
beachtenswerte lautphysiologische Erwägungen und durch zutreffende
Parallelentwicklungen aus verschiedenen Sprachen talentvoll verteidigt
hat. Unter den Gegnern Pedersens ist vor allen Uhlenbeck zu nennen,
der IF, XVII, 9 5 ff. die von Pedersen aufgestellten Gleichungen samt
und sonders zu beseitigen versucht hat. Das Erscheinen des Uhlenbeck-
schen Aufsatzes fällt zwischen die beiden erwähnten Abhandlungen
Pedersens in Kuhns Zeitschrift. Es ist zwar nicht zu bestreiten, daß
mehrere von den Gleichungen, auf die Pedersen seine Lehre gestützt hat,
entweder unrichtig oder wenigstens höchst problematisch sind, es bleiben
aber immerhin einige übrig, deren Beweiskraft zu entkräften meines Er-
achtens Uhlenbeck nicht gelungen ist. Vor allem gilt dies von Pedersens
Gleichstellung von abg. socha, po-socha^ russ. sochä '^Hakenpflug'', jjo-
soch 'Stab' mit lit. szaM, arm. ca.r, ai. clihlm^ neupers. mx 'Zweig, Ast ,
got. hoha 'Pflug'. Uhlenbeck erklärt slav. socha als 'abgeschnittener
Ast' aus idg. *soksa und zieht es zu aisl. sax^ ags. seax^ ahd. sahs
'Schwert, Messer', lat. saxum 'Felsenstück' zu lat. secäre 'schneiden
usw. Hierzu bemerke ich zuerst, daß es doch etwas auffallend wäre,
wenn die Sippe von ai. Qäkha^ die sich im Arischen, Armenischen, Bal-
tischen und Germanischen vorfindet, nicht auch in dem zwischenliegen-
den slavischen Sprachgebiete zu finden wäre. Die aus diesen Sprachen
verglichenen Wörter sind auch alle klar. Arm. c ist zwar nicht der
regelrechte Vertreter von idg. Z-, man hat aber auch darum den idg. An-
laut mit kli- angesetzt. Bartholomae, Studien II, 41. Der Anlaut kh-
könnte, was das Armenische betrifft, dialektisch gewesen sein, da ja
sonst Aspirierung von idg. tonlosem Palatal in größerer Ausdehnung
Studien über slav. eh. 357
sicher nicht vorgekommen ist. Auch könnte man annehmen, daß im arm.
cax ein unorganisches 6- vorgelegen hat, da es gut bezeugt ist , daß idg.
sk zu arm. c wird. Brugmann Grdr.^ I, S. 548. In seinem etymologi-
schen Wörterbuch der ai. Sprache s. v. ^äkJui bezweifelt Uhlenbeck den
Vergleich von got. ItöJia, aber warum? Zur Entwicklung des Pfluges
aus einem einfachen hakenförmigen Aste sind Schrader, Sprachvergl.
und Urgesch. II2, 208f. und Meringer, IF. XVII, 121 zu vergleichen.
Zu Uhlenbecks Zusammenstellung von slav. socha mit ahd. sahs ^ lat.
sazum bemerke ich, daß es nicht untrüglich bewiesen ist, daß die Bedeu-
tung 'Schwert, Messer' von germ. ^sahsa- eben aus ''schneiden' hervor-
gegangen ist. Es kann sehr wohl sein, daß germ. ^aahsa- und lat.
saxum auf ein idg. *tiaks-o- *^Stein' zurückgehen, so daß germ, *sahsa-
eigentl. ein "^Messer aus Stein' bezeichnet hat. Vgl. die ganz analoge
Bedeutungsentwicklung bei nhd. Hammer (awnord. hamarr 'Klippe,
Fels'). Ist aber die Begriifsentwicklung bei germ. *sa/isa- in der er-
wähnten Weise vor sich gegangen, dann muß der Vergleich mit slav.
socha wegfallen, da man vom Begriffe 'Stein' unmöglich zu 'Ast, Pflug'
kommen kann.
Die Skepsis so vieler Forscher dem Lautwandel idg. qh zu slav. ch
gegenüber beruht ohne Zweifel darauf, daß das bisher verglichene
einigermaßen annehmbare Material allzu dürftig geblieben ist. Uhlen-
beck gibt auch zu, daß er das Lautgesetz anerkennen würde, wenn un-
zweideutige Beispiele gefunden werden sollten. Wenn der behauptete
Lautübergang sonst fest stände, würde Uhlenbeck zweifelsohne nichts
gegen die Gleichung socha : lit. sza/cä, ai. Qükliä nsw. haben.
Im folgenden will ich einen Beitrag zur Lösung der Frage vom slav.
ch geben, wobei ich teils neue Beispiele für ch aus qh beibringen will,
freilich ohne die Hoö'nung zu haben, durch dieselben jeden Zweifelnden
zu überzeugen , teils auch nachzuweisen versuchen , daß anlautendes ch
in einigen Wörtern aus durch Metathese entstandenem ks sich entwickelt
hat. Hierbei ist indessen zu bedenken, daß, wenn der Wandel von idg.
qh zu slav. ch wirklich stattgefunden hat, man niemals hoffen darf,
irgend eine größere Anzahl von Beispielen zu finden , da qh offenbar in
der Ursprache ein verhältnismäßig selten vorkommender Laut war,
wenigstens im Verhältnis zur entsprechenden Media, und außerdem sind
es sonst nur vier Sprachen, Griechisch, Armenisch, Albanesisch und
Arisch, die in bezug auf die Trennung von q und qh ausschlaggebend
sind. Bekanntlich hat man die Meinung vorgetragen, daß idg. qh zu
358 H- Petersson,
lat. li wird. Es liegen aber für diese Entwicklung nur mehr oder minder
vage Gleichungen vor. Eine derselben ist aber recht bestechend: lat.
haheo^ ahd. hahen und alb. kam 'ich habe* (aus *khab-7tii). Auch abg.
chabiti se, o-chahiti se 'sich enthalten*, o-chaha Volles Eigentum* hat
man verglichen, während andere dagegen hierin Entlehnung aus germ.
* haben- sehen. Kozlovskij a. a. 0. 386 hat lat. libum 'Kuchen, Fladen*
mit got. Jilaifs^ abg. chl^b'b 'Brot* zusammengestellt unter Annahme von
Urformen "^yleibho-^ *yloihho-. Holger Pedersen behält die Gleichung,
natürlich unter Vertausch von yi mit qh. Walde Etym. Wb.2 S. 428 ver-
gleicht llbum mit griech. /.lißavog 'Geschirr, in dem man buk* und er-
klärt Ubum aus idg. *s-khbo-. Im Gegensatz zu Pedersen betrachten
wohl die meisten Sprachforscher slav. chUb^ als Entlehnung aus germ.
'^lilaiba-. Die älteren Ansichten bespricht Kluyver Tijdschrift f. nederl.
taal- en letterkunde VIII , 2 54 ff., welcher zuletzt die Vermutung aus-
spricht, daß got. hlaifs irgend einer unbekannten Fremdsprache schon
sehr früh entlehnt worden sei.
Meillet, Etudes S. 174 hat abg. 7?Zeib 'Glatze*, russ. pUcliänh^ cech.
plechaty 'kahlköpfig* mit lit. pllkas 'glatzig* zusammengestellt und auf
Grund von den slavischen ch^ s neben lit. k idg. *ploiqh- : *pliqh- als
Wurzel angesetzt. Schon Holger Pedersen IF. V, 53 scheint denselben
Gedanken über die Wörter gehabt zu haben. Meillet meint, daß wir
darin eine auf das Baltisch-Slavische beschränkte Benennung für 'Glatze*
haben. Es ist indessen nicht ohne weiteres ausgemacht, daß slav. pUch-
mit lit. pllkas identisch ist. Lit. pllkas und pllke 'Kahlkopf, nackte
Ebene*, pllnku, pllkti 'kahlköpfig werden* können nicht von pleikiü^
pleikti 'einen Fisch am Bauche aufspalten und dann breit legen*, at-si-
platk-sti/ti' die Kleider auf der Brust oder Schulter lüften* getrennt wer-
den. Urverwandtschaft muß ferner bestehen mit lit. ■jy^y^^s 'eben, bloß,
kahlköpfig*, plijne und plelne 'kahle Ebene*, wozu norw. dial. flein
'kahler Fleck*, Adj. 'kahl, nackt*, schwed. dial. flen 'nackt*, norw. dial.
ßein 'kahler Fleck*^ Adj. 'kahl, nackt*, schwed. dial. j^en 'nackt*, norw. dial.
ßeina 'entblößt, kahlköpfig werden* auch 'die Zähne zeigen, grinsen*,
schwed. di\Si\.ßina 'grinsen, die Zähne zeigen*. Aisl.^e//??i 'Haken*, ags.
j^tm 'Pfeil, Wurfspieß* zeigen, daß eine germanische Wurzel *ßi- 'spalten,
sich spalten*, woraus 'sich öffnen, enthüllen, ofi"en stehen, entblößt sein
angenommen werden muß. Diesen Begriffen stehen Bedeutungen wie
'platt sein, ausplätten, ebnen, ausbreiten, zurechtlegen* sehr nahe. Dar-
um muß auch mnd. vUgen 'ordnen, schmücken*, ags. gi-ßihan ordnen.
Studien über slav. eh. 359
passen^, mhd. vUhen *in Ordnung bringen" verwandt sein. Infolge des
grammatischen Wechsels müssen die Wörter mit lit. phkas und plelkti
usw. zusammengebracht werden. Die innerhalb der Sippe nachweisbare
Begriffsentwicklung zeigt, daß die Bedeutung 'kahlköpfig' sehr wohl selb-
ständig sowohl im Baltischen wie im Slavischen entstanden sein kann.
Da wir noch zudem eine einfachere idg. Wurzel */j/e{- : *pU- ansetzen
müssen , wäre es an sich denkbar, daß die slavischen Wörter durch das
Determinativ -s, bzw. ein -AO-Suffix, daraus gebildet seien, oder es könnte
auch mit einem vorslavischen *ploiq-so- gerechnet werden. Da wir in-
dessen mit einem Grundbegriffe 'sich öffnen, sich spalten' rechnen dürfen,
kann man auch heranziehen griech. rcXioaco 'schreite, ausschreite, weite
Schritte machen, die Beine auseinander sperren' (Od. VI, 318: ei) de
jtlloooi'To Ttodeoaiv 'wohl schritten sie zu mit ihren Beinen', von tra-
benden Maultieren), TcXiyctQ^ -ädog F. 'die Stelle zwischen Hüften und
Schamteilen, die sich im Gehen reibt', nXiyoo,^ -eog N. 'dass.' (Schol.);
(avöua) öiaTteTtlixög 'offenstehend', Hippocr. Hierdurch bietet sich die
Möglichkeit, das von Meillet angesetzte idg. qh auch im griech. x wieder-
zufinden. Ich glaube darum, daß wir für slav pUch-^ griech. rcliy-, lit.
plikas, pletkfi, mhd. vll//en usw. tatsächlich eine idg. Wurzel *pleiqh-
: *ploiqh- anzusetzen haben.
Russ. say^ 'Schritt', kigäth, sagnüth 'schreiten', klruss. sahati'-wan-
dern' gehören wohl zu kslav. hga evTQccTrella^ 'scurrilitas', segati, se-
govati 'iocari', scgav^ [jazykotm) '^evi-ieräßolog yXcooorf, nbulg. Sega
'badinage, plaisanterie, facetie', segovilrt 'badin, plaisant, facetieux' se-
guvam se 'badiner, plaisanter'. Die Bedeutung 'scherzen' muß dann aus
'hüpfen, springen' hervorgegangen sein, wie eben in nhd. scherzen (mhd.
scherzen 'fröhlich springen, hüpfen, sich vergnügen') zu ai. kürdati
'springt', griech. oy.aiqw 'springe, hüpfe, tanze', o/.iQvdoj 'hüpfe'. Auch
lat. scurra 'Spaßmacher, Witzbold, Stutzer', woraus scurrilitas^ gehört
bekanntlich in dieselbe Sippe. Vgl. noch aisl. leika., schwed. leka
spielen' zu got. /a«7;aw 'springen, hüpfen', ags. läcan 'springen, fliegen,
schwimmen', mhd. leichen 'aufspringen', lit. läigyti 'wild herumlaufen',
ai. rejate 'hüpft, bebt'. Das Russische hat also die ursprüngliche Be-
deutung treuer als das Bulgarische oder Slovenische bewahrt. Ich ver-
gleiche nun slav. seg- mit ai. khänjaU 'hinkt', khanja- 'lahm', khah-
jana- M., khanjarlta- M. 'Bachstelze', air. cingid 'schreitet', ahd. hinkan^
nhd. hinken, ags. helle-hinca ' Teufel'. Hiernach geht slav. seg- über
*ch'eg- auf idg. *q/ie?ig- oder *qhng- zurück. Russ. sag^ aus idg,
360 H. Petersson,
*q/ie^ao- {-n-) steht in regelrechtem Ablautsverhältnis zu ai. khanj'a-
aus idg. *g/iof^ae-.
Russ. sesf^^ klruss. sost 'Stange^ kommt zwar in keiner anderen
slavischen Sprache vor. Trotzdem finde ich nichts, was uns hindern
könnte anzunehmen, daß wir darin ein uraltes Wort haben. Daß es ent-
lehnt sei, ist nicht erwiesen. Ich glaube darum, daß es zu etymolo-
gischen Zwecken sehr wohl verwendet werden kann. Ich verbinde sesf^
mit ai. khidäti "^reißt, stößt, drückt', kheda F. ^Hammer, Schlägel', wo-
zu mit übertragener Bedeutung khedayati belästigt, beunruhigt, ermüdet',
kheda- M. "^Müdigkeit, Erschlaffung'. Hierzu stellt man lit. skedziu
"^schneide', skedrä 'Span', lett. skaida '^dass.', während ai. chid-^ chi-
nätti "^spaltet' und av. sid- ""spalten' auf eine Wurzel mit Palatal zurück-
gehen. Man hat also neben idg. *s-q]teid- eine Wurzel *skeid- anzu-
nehmen. Griech. oy^iLio ^spalte^, üyj^ri 'Splitter', oxivöalf.i6g 'Schindel,
Span' stammen zweifelsohne aus idg. *sqlnd-. Lat. sci?ido, -ere 'schlitzen,
zerreißen, spalten' ist zweideutig. Ich erkläre nunmehr russ. ses/^ über
*c]ihsU aus dem partizipalen idg. *qMd-to- eigentl. 'Losgerissenes, Ge-
spaltenes ; losgerissener Zweig'.
Kslav. po-cliijH 'gekrümmt, gebogen, EV'/.a^iTci]q ^ ETtiyQvrtog^
repräsentiert eine über das ganze slavische Sprachgebiet verbreitete
Sippe: russ. cÄ^7yy 'schwach, schwächlich, welk', c/i'ÄVb 'niederbeugen,
krümmen', poln. chijlic 'neigen, beugen, bücken', schijl 'Neige', po-cltyly
'schief, abschüssig, gekrümmt, geneigt, abfällig, niedrig', cech. cliyly
'geneigt', sloven. liil 'krumm, gebogen', serb.-kroat. alt ä///;'«' 'beugen,
krümmen, quälen', ^n-/«7 'humilis', bulg. Inlen 'besorgt'. Daneben liegt
eine verwandte Sippe mit n: russ. dial. chinuthsja 'sich beugen, biegen',
poln. chynqc 'neigen', po-chynqc 'stolpern und fallen'. Die Hochstufe
zu slav. chyl- findet sich in sloven. huUti 'biegen, neigen', pri-hüliti ae
'sich anschmiegen, sich ducken', pri-liüljen 'nach vorwärts gebeugt, ver-
stellt, tückisch^, cech. chouliti 'winden, neigen' u. a.
Gustav Meyer Etym. Wb. der alb. Spr. 45 7 f. vergleicht alb. nii^
huh 'erniedrige, demütige', unem^ hunem 'bücke mich, beuge mich, de-
mütige mich', dial. skut. ul^ ul'em 'dass., ulem 'sitze' unter Annahme,
daß der Anlaut ein idg. 5- war. Nach Holger Pedersen IF, V, 64 war
derselbe jedoch vielmehr idg. qs oder qh.
Nach meiner Ansicht sind ferner hier anzureihen cech. sury^ soury
'schief', poln. szurny 'dass.\ Mit diesen Wörtern kann ai. khora- 'hin-
kend' (Käty. gr. S. 22, 3, 19, Läty. S, 5, 16, Gaut. 28, 6) zusammen-
* Studien über slav. eh. 36 \
hängen. In bezug auf das Begriflliche ist nichts gegen die Zusammen-
stellung einzuwenden. Der Begriff 'lahm, hinkend' wechselt häufig mit
""schief, gekrümmt'. Man vergleiche die Beispiele, die Lid^n KZ. XL,
262 beigebracht hat. Nach Ausweis des altindischen Wortes wäre also
eine Wurzel mit dem Anlaute qh- anzusetzen, sofern nicht kJiora- mittel-
indisch für *ksora- steht, was mir indessen im höchsten Grade unwahr-
V
scheinlich scheint. Cech. hü'ij, bourtj geht über *ch'ur^siui idg. *q/iewo-,
woneben ai. khora- aus idg. *qhotiro- zu erklären ist.
Cech. .cAwröJü.y 'krank, siech; mager, kränklich' (tZ/wrar^^e 'siechen',
churaviti'^ahiöiQVL^ churavost^ cÄMroi^ 'Magerkeit'] steht in begrifflicher
Hinsicht ganz nahe an russ. chvörij 'kränklich', chvoratb 'kränkeln',
c/worh, chvorosth 'Krankheit', klruss. cJwöryj\ c/^or j/;"krank'; cech. alt
chvory, heute chory 'siech, kränklich, schwach, krank', chorovaty 'krank
sein', poln. chöry 'krank', cJtorovac 'krank sein, leiden', ndsorb. chöry
'krank', polab.cA'MÖVe 'häßlich, garstig, unsauber', cA'w'orac 'böser Feind,
Teufel'. Daß auch churavy usw. mit dieser Sippe zusammengehören
muß, ist klar. Indessen ist der lautliche Zusammenhang kein unmittel-
barer. Matzenauer Listy filologicke a paedagogicke VIII, 6 hat die Sippe
von russ. chxöryj mit av. :rüara- M. 'Wunde, Verwundung', ahd. sweran
'wehe tun, schmerzen; eitern', sioero, mhd. aicer 'leiblicher Schmerz,
Geschwulst', nhd. Geschivür, ScJncäre zusammengestellt. Jedoch ist
gar nicht einzusehen, warum idg. s- zu slav. ch- geworden wäre.
Es muß anerkannt werden , daß cech. churavy in bezug auf das
Lautliche viel näher an sury^ soury steht. Man kann sagen, daß cJcu-
ravy gewissermaßen eine Mittelstellung zwischen cech. sui-y und russ.
c/wöryj usw. einnimmt. Abg. cliyra 'debilitas', wozu klruss. cliyryj,
russ. cliirxjj 'krank, sieclj^, cTärh (prov.) 'die Krankheit, das Siechtum'
n. a. weisen auf eine Urform, die Schwundstufe sowohl zu cech. churavy
wie russ. chvöry sein kann. Ich bin auch überzeugt, daß sämtliche diese
Wörter zusammengehören. Sie können nämlich sehr leicht aus einer ur-
sprachlichen dreisilbigen Bildung *qheuoro- erklärt werden. Aus der-
selben entstanden unter verschiedenen Betonungsverhältnissen sowohl
vorslav. *qJmoro- in russ. cJivöryj usw. als die schon früher angesetzten
Grundformen *qheiiro- und *qJwuro-. Daß wir hier ein -ro-Suffix an-
nehmen müssen, braucht kaum bemerkt zu werden. Zum Begrifflichen
ist auf ags. craiic 'schwächlich, gebrechlich', nhd. krank zu eng. crank
'Krümmung', crankle 'sich schlängeln', crinkle 'Biegung' zu verweisen.
Wir können nunmehr von einer idg. Wurzel *qJieue~ 'schief sein
362 H. Petersson, *
oder ähnl/ aasgehen. Die reine unerweiterte Wurzel mag vielleicht in
russ. prov, cliimth (vom Winde) 'das Wasser leicht bewegen, kräuseln^
vorliegen. Das Wort wäre dann aus der Schwundstufe *qhü[u)- ent-
standen. Ich möchte auch fragen, ob nicht arm. xev *^stolto, töricht' ver-
wandt ist. Es wäre dann aus idg. ^qheuo- eigeutl. "^gedreht, verdreht'.
Vgl. schwed. mV/ew Verschroben, verrückt' zu v^^Wa 'drehen'. K\. pra-
hvas 'geneigt, gebogen, demütig' ist, soviel ich weiß, noch unerklärt. Ich
zerlege es in pra- und -hvas. Ob letzteres Kompositionsglied für -khvas
steht? Man kann ferner auch daran denken, griech. ;^wAog 'hinkend' in
die Verwandtschaft hineinzuziehen. Sonst wird es verbunden mit ai.
hval-, hvärati 'geht schief, strauchelt', av. zharaHi 'geht krumm' (idg.
glniel-)^ wonach /wAog aus ^xj-ioXög entstanden wäre. Jedoch wäre
wohl aus ;j/ vielmehr r/) geworden. Mit ai. Ä/l7<ä/a?'e 'strauchelt, geht fehl',
arm. sxalem 'dass.' kann es nicht zusammengestellt werden, weil zu
diesen Wörtern notwendig griech. OfpdlXio 'bringe zu Fall', Med. 'täusche
mich' gehören muß. Es liegt somit diesen eine idg. Wurzel *s-qiihel-
zugrunde. Dagegen kann xioXog sehr wohl aus einem idg. *q/tö[u]-lo-
hervorgegangen sein. Das / des Wortes kann mit dem in slav. c/iyl-
gerade identisch sein.
Russ. macliäth (Präs. tnachäju oder masü] 'schwingen, schwenken,
wedeln, sich fächern, winken mit', poln. machac 'schwingen, hin und
her bewegen', cech. mächati^ nsloven. mahati, mahnoti 'schwingen'
ziehe ich zu griech. fxäin^iai 'kämpfe' (Hom.), att. i.ia%ovi.ica 'dass.',
[iciyirj 'Streit, Schlacht', i.iayj]Trjg 'Krieger'. Viele Erklärungen sind für
die griechische Sippe versucht worden. Man hat vermutet, daß die Grund-
bedeutung von i^Lciyo(.iai 'schneiden' oder 'hauen' war und hat im An-
schluß daran Verwandtschaft mit lat. macto^ ^äre 'schlachten ; durch ein
Opfer verherrlichen' gesucht. Fick BB. III, 162, Froehde BB. VI, 173,
Wiedemann BB. XXVUI, 66. Es ist indessen zum mindesten unsicher,
ob lat. macto auf eine Grundbedeutung 'schneiden, hauen' zurückgeht.
Walde Etym. Wb.2 s. v, sieht darin zwei verschiedene Wörter. Mit
Froehde KZ. XIV, 454, FickWb.m, 197 vergleicht er macto 'schlachte'
mit got. mekeis^ aisl. mcekr ^ asächs. maki, ags. 7Jiece 'Schwert'. Man
vergleiche jedoch Feist, Etym. Wb. der got. Spr. S. 192^\ Griech. f-iä-
XatQct 'Messer, Schwert' kann unmöglich als Beweis dafür vorgetragen
werden, daß fiä^of-iai. 'schneiden, hauen' bedeutet habe. fiäyaiQa ist
gar keine ursprüngliche Bildung, sondern ist erst vom Verbum aus-
gegangen. Das Wort ist also genau angegeben s. v. a. 'Waffe, womit
Studien über slav. eh. 363
man streitet'. Von vielen wird .««X'') ^^^ 'Handgemeng' aufgefaßt und
zu ah.d. me^^gen^ ags. mengan 'mischen' gezogen. Danach wäre also «
aus ^ entstanden. Diese Erklärung ist in begrifflicher Hinsicht recht
ansprechend, vgl. z. B. frz. melee. Die angesetzte Wurzel *mengh-
schwebt indessen in der Luft, da ahd. mengen zweifelsohne mit lit. mhi-
kau^ minkyti 'kneten', abg. 7nek^k^ zusammenhängt. Durch Ansatz
einer Wurzel *7ji€tiqh- kann die Zusammenstellung auch nicht gerettet
werden, denn zu lit. minkyti usw. gehören auch griech. (.läooio 'knete
{aus *|(iax-tw), f.iay.aQia' ßgco/iia Iv. Ccof.iov -/.al aX(puov Hesych).
Fick BB. XXVI, 320 hat bezüglich ^läyof^icu amt xeiQoiiaxai, den
Namen der Handwerkerpartei in Milet, aufmerksam gemacht. Er deutet
dieses Wort als 'mit der Hand wirkend' und findet in bezug auf die Be-
deutung ein Gegenstück dazu in dem homerischen Maxcccov s. v. a. 'der
Wirksame, der Wirkende'. Hiernach sucht Fick Anschluß an f.ifiXog,
^T^xccvfi usw. (idg. *mägh-'.*mdgh- 'vermögen, können'). Die An-
schließung von ysiQoiiäyui dürfte ganz sicher richtig sein und die von
Maxacoi' jedenfalls höchst wahrscheinlich, die weitere Anknüpfung an
f-ifixog aber hält nicht stich. Weder aus dem Begriffe 'wirken' noch 'ver-
mögen, imstande sein' läßt sich die Bedeutung 'streiten, kämpfen' gut
erklären. Dagegen lassen sich sowohl 'streiten' als 'wirken , tätig sein'
aus einer Grundbedeutung 'sich heftig bewegen, beweglich sein' ohne
Schwierigkeit erklären. Man vergleiche für 'wirken' z. B, ai. cestaü
'sich regen, zappeln; sich abmühen, geschäftig sein, etwas betreiben'.
Es wird aus der Verwendung von (.lüx^oS^ai hervorgehen, daß es in be-
stimmten Fällen dem deutschen fechten recht genau entspricht. Es
wird verwendet vom Zweikampf einzelner Streiter, vom Kampfe zwischen
einem Menschen und einem Tiere oder zwischen zwei Tieren. Auch
vom Wettkampf oder dem Faustkampf wird es gebraucht. Vgl. nv^
f-iäy^eo&ca (IL XXIII, 621). Ohne Zweifel bezeichnet das Verbum, wie
man angenommen hat, ursprünglich Handgemeng. In Ausdrücken wie
7ieXeY.eoaL, xsiQSoaL {.läxEoS-ai 'mit Äxten , Händen kämpfen ist die
Verwendung des Wortes sicher älter als in TÖ'^oig /.laysad^cu 'mit Bogen
kämpfen'.
Das d.Qi\tsche> ftic/iteln (z. B. tnit de?i Armen fuchtel/i) , das mit
fechten verwandt sein wird, steht der Bedeutung von russ. machdtb ganz
nahe. Schwed. fiikta bedeutet nicht nur 'kämpfen, streiten', sondern
auch und ursprünglicher 'fuchteln' (z. B. fiikta med armarna 'mit den
Armen schwenken, fuchteln'). Russ. machätb bezeichnet immer große
364 H. Petersson,
und heftige SchwinguDgen. Es dürfte im Worte sogar ein Anstrich von
Drohendem oder Feindlichem liegen. Es ist der stehende Ausdruck für
das Schwingen einer Waffe [vsmachnütb toporöm^ medem). Man kann
sagen t72ach?iüth ruhöju^ aber absolut nicht machnüth pahcem. Das
Winken mit dem Finger he\ßt pomänith pahce?)?.
Wenn meine Auffassung von uüyeGd-ccL richtig ist, muß es also
eigentlich 'das Schwingen der Waffe^ bezeichnet haben, und der Aus-
druck TteXi-KBOOL f.iü%eo^aL wäre also mit russ. namachnüth toporöm
gewissermaßen vergleichbar. Erst nachdem die Vorstellung von Feind-
lichkeit vollständig in den Vordergrund getreten war, könnte ^icr/ea^ai
auch von Streit in der Ferne [rö^oig) verwendet werden.
Man vergleiche zum Begrifflichen noch griech. nöXeuoq 'Krieg*
neben yT£7.6/</cw 'schwinge, schwenke', >T£/£«</Co,t/ai 'erbebe', rcuklio
'schüttele, werfe, lose', jta'/.uög 'das Zucken, Vibrieren eines Gliedes'.
Auch TtcO.aito 'ringe, kämpfe' (Hom.), äol. rr«Ä«;/<t 'dass.', rra/»^ 'Ring-
kampf* (Find.) gehören natürlich in diesen Zusammenhang. Lat. dimi-
cäre 'fechten, kämpfen' ist sicher aus *dis-micäre zu micäre in der Be-
deutung 'zappeln, zucken' entstanden. Waldes Zagen (Etym. Wb.^ s.v.)
finde ich ganz unberechtigt.
Aus diesen Beispielen dürfte hervorgehen, daß die Zusammenstel-
lung von russ. machäth mit f-iay^of^icci in begrifflicher Hinsicht recht wohl
durchführbar ist. Da auch slav. ch und griech. / unter beider Zurück-
führung auf idg. qh identifiziert werden können, wird einer, der die
Sache unbefangen beurteilt, gegen diese etymologische Verknüpfung
nichts einwenden können. Ich glaube wenigstens noch ein verwandtes
Wort heranziehen zu können. Npers. mayulan 'sich bewegen, kriechen'
kann nämlich verglichen werden. Es wird besonders von sich lebhaft
bewegendem Ungeziefer wie Flöhen und Läusen verwendet. Die ge-
nauere Bedeutung des Wortes ist also 'zappeln, sich zappelnd fort-
bewegen und ähnl.'. Paul Hörn, Grundr. der iran. Phil. I, 2 S.66 hat
betreffs mayulan auf die altindische Wurzel makh- (Dhätüp. I, 136),
welche der Kategorie der ^rt/a?<- Wurzeln angehört, verwiesen. Man
kann auch daran denken, ai. makhä- 'lustig, ausgelassen', M. 'Freuden-
bezeugung, Feier (Preis, Opfer)' heranzuziehen. Damit ist bekanntlich
griech. /f«/Aog 'geil, üppig' (Hesd.) verglichen worden. Die Bedeutungen
der beiden Wörter lassen sich unschwer aus dem für uaxof.iai, mac/täfb
angenommenen Grundbegriff erklären. Andererseits aber könnte es auf-
fallen, daß die Grundbedeutung in zwei verschiedenen Sprachen so nahe-
Studien über slav. eh. 365
stehende psycliologische Begriffe neuentwickelt hätte; denn daß wieder
bei der fraglichen Wurzel schon in der indogermanischen Ursprache ein
psychologischer Begriff entwickelt wäre, der ins Griechische und Alt-
indische hinein fortgelebt hätte, ist recht wenig wahrscheinlich. Vor-
läufig wenigstens möchte ich deshalb die Frage offen lassen, ob ai.
makliä- und griech. fiayj.ög tatsächlich der zusammengebrachten Sippe
angehören.
Soweit nunmehr das zur Vergleichung zu beanspruchende Material
zusammengetragen ist, kann man eine idg. Wurzel *mäqh- *^(sich) hin
und her bewegen, flattern, schwenken, schwingen und ähnl.' aufstellen.
Russ. po-chäbith Verderben, verwöhnen' gehört einer weitverbrei-
teten slavischen Sippe an: kslav. chahl'u., r/<aitV/ Verderben', chahem
'elend', /jo-o/mi^ "^töricht', klruss.o-c/m5?/^t/ Verderben', o-chahlenyj^xm-
brauchbar; garstig; vermaledeit', bulg./ioi'^,ü-/?a5Werderbe', serb.-krt.
habam, Aa^a^e 'beschädigen ; ein Kleid auftragen', veraltet /uibifi%e-
schädigen, verderben', /m5a 'Schaden', sloven. häbwi, //äbifi'^hesch.ä,-
digen, verderben, schänden', cech. o-clnibiti 'schlaff, kraftlos machen',
o-chäbnouti 'schlaff werden', ochahly 'mutlos, feige', chahy 'schlaff,
■welk, feig, matt', po-chaby 'wahnsinnig'.
Zu dieser Wortsippe ziehe ich griech. y.cocpög 'gelähmt, stumpf,
stumm', ■/.£-/,a(pr]6Ta [d-vi-iöv] 'verschmachtend, versagend' (Hom.), /e-
x/^f/)»;»/* r£i9'>^/jx£v (Hesych). Dazu auch 7.j^f/)7jr 'Drohne'. Diese Sippe
stimmt begrifflich mit der slavischen ganz ausgezeichnet zusammen.
Lautlich lassen sie sich indessen nur durch den Ansatz einer idg. Wurzel
*qhebh- : *qhöbh- : *qh9bh- vereinigen. Daß die Wurzel schwer war,
zeigt natürlich y.ezacpi^ova. Fick hat GGA. 1894, 239 mit den griechi-
schen Wörtern lat. hebeo^ -ere 'stumpf sein', hebes, etis 'stumpf' (in sinn-
licher wie geistiger Bedeutung) zusammengebracht. Dabei kann die
Wurzel mit anlautender aspirierter Media angesetzt werden. Das kurze
Wurzel-e der lateinischen Wörter steht indessen der Zusammenstellung
im Wege. Ich möchte nun fragen, ob nicht das kurze e auf analogischer
Neubildung in der Ursprache beruhen könnte, in dem man die Wurzel-
form mit e mit den dehnstufigen Formen leichter Basen gleichgestellt
und demgemäß eine Normalstufe neugeschaffen hat. Ferner kann man
sich fragen, ob nicht in liebere h aus idg. qlt entstanden ist. Das oben
erwähnte und in anderem Zusammenhang eingereihte arm. xev 'töricht
könnte dann auch verglichen werden. Sein v kann sehr wohl auf idg.
bh zurückgeführt werden. Wir würden also ebenfalls hier eine leichte
366 H. Petersson,
Wurzelform *qhehh- haben. In begrifflicher Hinsicht ist die hier vor-
geschlagene Eingliederung von xev noch viel besser als der Versuch zur
Erklärung, den ich oben gemacht habe.
Mit '/.iocpög, chahiti läßt sich auch arm. xuuf (-?', -iv) 'sick, sickly,
unhealthy, infirm' zusammenbringen. Daraus xautanal "^to be sick, to
be iir, das zusammengesetzte xaufa-mit 'stupid, foolish, simple, duU ;
inconsiderate, thoughtless, silly' mit xaufamtu^iun 'stupidity, dullness,
foolishness, silliness^ Die idg. Grundform von xaut kann ^qlidbh-t-
gewesen sein, woraus zunächst *qJidpt-. Gewisse Konsonanten, u. a. k
und /), verwandeln sich mitunter vor verschiedenen Konsonanten in
vorarm. %, das mit einem vorangehenden a zum Diphthongen au
wird. Siehe Holger Pedersen KZ. XXXIX, 348ff., Liden Arm. Stud. 28.
Als Beispiel mag arm. naufi (aus idg. '^näqV^h-t-] zu griech. vrjcpiOj nhd.
nüclitern genannt werden. Arm. xaul (-^, -ac) %olish, mad, senseless,
inconsiderate , rash' dürfte auch verwandt sein. Es kann aus idg.
"^qhdbh-lo- entstanden sein. Bedeutung wie in cech. pochahy Vahn-
sinnig\
Keine ganz überzeugende Erklärung ist bisher für die nachstehende
Sippe gegeben: abg. chranq r//ra«/// ""behüten, bewahren", kslav. chrana
'Speise, Nahrung", russ. choröna 'Schutz, Schutzmittel", choronith^ po-
choronith 'verbergen, begraben", serb.-kroat. Jiräna 'Nahrung", lircinlm^
Iircmtti'' nähren^ bewahren", cech. chrana 'Zufluchtsort", o-c/^rawa' Schutz,
Schinm, Obhut", poln. alt c/irowa 'geschützter Platz", /jo-c/^ro?«« 'Zufluchts-
ort", chronic 'bewahren, schonen, schützen". Matzenauer und Torbiörns-
son haben die Sippe zu lit. szeriti., sce'r/'? 'füttern", ^a-62:rtras' Viehfutter"
gezogen. Diese Kombination läßt sich aber nicht durchführen, weil in
den slavischen Wörtern der Begriff 'schützen" unbedingt primär ist. Lit.
szerti gehört, wie bekannt, mit griech. /.oqivvvai 'sättige', 'aö^oc, 'Sät-
tigung" zusammen, woraur sich eine idg. Wurzel *ker- 'füttern" ergibt.
Holger Pedersen IF. V, 65 hat chrana mit griech. y^TSQag 'Besitz, Ver-
mögen", xT€Q£a 'Ehrengaben an die Verstorbenen" verglichen. Auch
diese Zusammenstellung überzeugt nicht. Die frühere Verbindung mit av,
haraHe 'behütet sich, bewahrt sich vor", ha'"rya,^fi 'hat acht, behütet,
lat. servo, -äre "erretten, erhalten" ist wegen der ganz genauen begriff-
lichen Übereinstimmung viel plausibler. Indessen bietet slav. ch für s
nicht geringe Schwierigkeiten. Da somit die Frage vom Ursprünge des
slav. *chorna noch offen steht, mag hier einer Vermutung Raum gegeben
werden. Im Rigveda gibt es ein an mehreren Stellen belegtes Wort
Studien über slav. eh. 3g7
chardis- N. "^Schirm, Schutzwehr^, das noch nicht genügend erklärt wor-
den ist. Es gibt ein daran anklingendes Wort chadü- 'Decke, Dach' zu
chädayati "^bedecken', chauna- "^bedeckt', chadman- N. "^Verhüllung,
Verstellung, Schein, Betrug, Hinterlist^ Graßmann Wb. zum Rigv. 462^
drückt die Vermutung aus, daß man chadis- für chardis- zu lesen habe,
weil an allen entscheidenden Stellen das Wort Kürze der ersten Silbe
haben muß. Das r sei von spcäteren Redaktoren mißverständlich in das
Wort eingesetzt. Dieselbe Meinung vertreten Boehtlingk-Roth, Wb. und
Oldenberg, Die Hymnen des Rigveda, metr. u. textgeschichtl. Proleg.
S. 478. Dagegen ist Bartholom» für Ursprünglichkeit von chardis-
eingetreten. In seinen Studien zur idg. Sprachgeschichte II, 58 Anm.
hebt er hervor, daß chadis- "^Decke, Wagendecke' ganz anders als char-
diü- "^Schutz' ist. Wo chardis- im Metrum iambisch ist, will er eine dia-
lektische Form *chaclis- oder *chrdis- (a. a. 0. I, 47) einsetzen. In
ZDMG V, 312f. gibt ihm später Oldenberg in der Hauptsache Recht und
meint also, daß man zwischen chardis- und chadis- unterscheiden muß.
Wackernagel, Ai. Gramm. S. XII, Anm. stimmt hierin völlig bei.
Nach einer alten Annahme soll chardis- mit got. skildus '^Schild'
verwandt sein, welche Kombination sowohl Wackernagel wie BartholomjB
aufrecht erhalten. Doch ist dieselbe ganz unmöglich, weil bei skildus
der grundlegende Begriff nicht "^schützen' ist. Vielmehr bedeutet das
Wort ganz einfach ""Brett oder ahn!.' Siehe z. B. Feist, Etym. Wb. der
got. Spr. s. V. In seinen Arischen Forschungen III, S. 35 stellte Bartho-
lomse cJiardis mit jav. kdrddus- 'Schutz, Hilfe, Beistand' zusammen, was
sehr ansprechend scheint. Av. k gegenüber ai. ch ist dann am ehesten
durch Annahme eines idg. Anlautswechsels q- : qh- zu erklären. Ganz
unbestrittene Beispiele dafür, wie im Altindischen qh vor e oder i be-
handelt worden ist, dürften kaum vorliegen, aus der Behandlung von </,
9)-, (ph in derselben Stellung aber kann man erschließen, daß qJi zu ch
werden müßte. Vgl. Bartholomse, Studien II, 54 ff., E. Kuhn, KZ. XXV,
327. Ich erschließe somit aus ai. chardis- eine idg. Wurzel "^'qherd-
'schützen'. Ferner erkläre ich nun aus derselben urslav. *chortiä^
*chormü. Da ein Dental im Urslavischen vor Nasal fällt, kann "^chorna
folglich aus idg. *c^]iord-nü erklärt werden. Die weitere Bestätigung
einer Wurzel *q{h)erd- "^bewahren' bleibt abzuwarten.
Folgende slavische Sippe ist noch unerklärt: kslav. salj'em "^furens'
[bogomh saljem '^d^eörclri'/.Tog, dsemonio correptus', russ. sah 'Mutwille,
Ausgelassenheit', salhnöj 'unsinnig, dumm', salith 'ausgelassen sein,
368 H- Petersson,
Dummheiten machen^ poln. szal *^heftige Gemütsbewegung, Anfall von
Raserei; Wüten, Rasen, Toben', szalec Vasen, tollen, wüten, verrückt
sein', szalic 'verrückt machen', sloven. sala "^Scherz', saliti se *^scherzen',
salj'iv 'scherzhaft', wruss. sul 'Wut', sal' 'Torheit', sahj 'Possen' u. a.
Lit. selofi 'wüten', paselhyias 'Tobsucht', sclytia 'den Narren spielen',
pasela 'Possen' sind slavische Lehnwörter, Brückner, Slav. Fremdw.
S. 141.
Ich glaube, daß die Sippe mit folgenden armenischen Wörtern ver-
wandt ist: .ra/'play, game, recreation, pastime, amusement, sport; joke;
raillery , pleasantry ; mummery , foolery ; mockery', ocalal 'to play , to take
diversion, to take amusement, to ridicule, to mock, to deride; to play
the fool; to go, to move, to spout forth, to leap forth, to descend', xalord
(-?', -av) 'player, gambler, gamester', xaiarkov 'player', xalarhutiun
'play, Sport, diversion', xalac 'flowing, travelling; that moves', xalar.umn
'fountain, spring, source, motion, progress', xalac-U 'movement, progress,
advance'.
Begrifflich stimmen die beiden Sippen ganz trefflich zusammen.
Der Grundbegriff, um den sich die W^örter gruppieren lassen , scheint
'närrisches Benehmen, narrenhaftes Toben und Umherrasen' zu sein.
Arm. X- und slav. s- führen auf idg qh. Slav. sal- muß deshalb aus idg.
*qhel- entstanden sein und arm. xal («-St.) erklärt sich aus idg. *qJt1lu-
oder *qJidlu-.
Vielleicht liegt die Wurzel ^qlwl- auch vor in griech. ya'Ki(pqiov
'unverständig' (Hom.) , y/ikic,' ö (.lEi-trjvcog y.al y.Eya).ao(.iivog zag
(pQevag (Hesych.), ycOunug 'Bacchantin, herumschweifendes oder aus-
schweifendes Frauenzimmer', ycüJua' TtÖQvrj. Suidas erklärt das letzte
Wort aus /«Aaw 'lasse nach' : arco tov ya'/Mo&ai xh avjf.ia äitb /.le^rjg
i] /.lai'iag, welcher Gedanke offenbar auch dem Hesych. vorgeschwebt
hat. Andere sehen in diesen Wörtern Ableitungen aus yc'dig' Ir/.Qarog
olvog. Prellwitz, Etym. Wb.^ S. 501 entscheidet diese Frage nicht. In
begrifflicher sowie lautlicher Hinsicht läßt sich/cfZ/L,- 'ein Rasender' usw.
ganz trefflich mit den verglichenen slavischen und armenischen Wörtern
zusammenbringen. Die Grundform wäre *q//ni- oder *qhdli-.
Dagegen kann nicht ya'/.cao dazugezogen werden, weil dies einen
ganz anderen Grundbegriff" voraussetzt. Vgl. ya/Ja' f^ovyia (Hesych.).
Prellwitz a. a. 0. zieht ya/uao zu ai. hä- 'verlassen, fahren lassen'.
Diese Zusammenstellung ist unrichtig, weil ai. /m- eine schwere Wurzel
ist. Die äolische Form yoAccv weist aus, daß eine leichte Base zugrunde
Studien über slav. eh. 369
liegt, Äol. tr/olog als 'ruhelos' ist nach Solmsen Rh.M. 1900, 811 aus
einem */o/l« ""Ruhe"" mit d- priv. gebildet. Zu xccläio gehört meiner
Meinung nach G^ioliq "^Muße, Beschäftigung in Mußestunden, Vorlesung,
Schule', Gxolcitu) 'zaudere', äG%oXia ""Beschäftigung', oxolalog ""ge-
mächlich'. Die Wörter haben also ein unorganisches s. Sonst werden
sie bekanntlich zu t/w (aus *oex-) gestellt.
Griech. xalciw mit dazu gezogenen Wörtern vergleiche ich mit
arm. :ra^a^ "^calm , tranquil, serene, peaceful, indisturbed, mild, quiet',
woraus xaiahmal *^to be appeased, to become calm, to become tranquil
or peaceable', xaiaiel "^to pacify, to appease, to calm, to abate, to soften,
to cause to relent, to conciliate, to reconcile, to accomodate, to adjust,
to allay', xalalarar "^pacific, conciliating', xalaUk Adv. *^in tranquillity,
calmly'.
Wenn diese Zusammenstellung richtig ist, wird man eine Wurzel
'^qliel- : qhol- 'nachlassen, nachgiebig sein, mild, ruhig sein und ähnl.
ansetzen können. Es scheint mir ferner, daß Anschließung möglich ist
von russ. chöHth 'reinlich, sauber halten; putzen, ausputzen; pflegen,
warten; hätscheln, verzärteln', cliolenh 'Muttersöhnchen', chöJJa 'Pflege,
Wartung', vy-cholitb 'mit Sorgfalt großziehen, klruss. choJyfy 'putzen',
choiä 'Zucht, Pflege'. Eine reduplizierte Bildung liegt vor in cech.
cÄ/acAo/ 'Schmeichelei', cÄ/acÄo/^^^ 'sänftigen, beruhigen, umschmeicheln',
chläcJioliinj^ clilächolmj 'schmeichelnd, besänftigend'. Der grundlegende
Begriffist offenbar zärtlich behandeln, mildoder nachgiebiggegenjeden sein
und ähnl. Begrifilich macht somit die Zusammenstellung keine Schwierig-
keit. Auch diese slavische Sippe würde also ch aus idg. qli haben.
In Archiv XXXIV, 377 habe ich kslav. chqpati., clmpati "dqao-
oead^ai, prtehendere' mit Päli cJuqjaii 'berührt', chupanam 'Berührung
verknüpft unter Annahme, daß letzteres auf urind. *ksup- zurückginge.
Slav. chqp- wäre idg. "^qsump-. Diese Auffassung halte ich nunmehr
für unrichtig. Slav. chqpati hat, wie ich glaube, q aus -om-. Ich ver-
binde es zunächst mit abg. sqpa 'manipulus' (Bell, troian.), bulg. sepa
'Handvoll'. Urslav. *sepa steht also in regelrechtem Ablauts Verhältnis
zu chqpiti. Ich vergleiche die Wörter mit arm. xumh.^ Gen. xmbi.^ Instr.
xmhiv 'band, troop, party, Company; division, cohort, legion, brigade,
detachment', xuiyih arnel 'to assemble, to collect together'. L. v. Patru-
häny IF. XIV, 58 legt xumh in idg. *qhümb]io- zugrunde, indem er An-
knüpfung macht mit griech. y.vcpog N. 'Buckel, Kufe', y.v(p6g 'gebückt,
gekrümmt', ai. humhhä- M. 'Krug' usw. Diese Zusammenstellung ist
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 24
370 H. Petersson,
alt und ist sclion ven P. de Lagarde, Arm. Stud. S. 68 bestritten, Holger
Pedersen, welcher KZ. XXXIX, 3S2 ebenso die Erklärung abweist, drückt
die Meinung aus, daß in xu77ih das u aus o entstanden ist. Über die
armenische Behandlung von idg. o vor Nasal vergleiche man Lidön
a.a.O. S, 16 mit Literatur, Idg. -7np- wird zu arm. -mb-. Siehe Lidön
ebenda S. 44. Arm. xumb kann somit ebenso wie slav. chqpati auf idg.
*qhomp- zurückgeführt werden. Aus ""greifen, umfassen' kann sehr
leicht eine Bedeutung 'Schar, Menge' hervorgehen. Vgl. über lat. co-
hors Walde, Etym. Wb,^ s, v. In diesen Zusammenhang ziehe ich auch
lit. kümste *^Faust'. Sonst erklärt man das Wort als eine Umstellung
eines ursprünglicheren ^punkate zu ^kumpste und bringt es demnach
mit abg, pcsth "^Faust', ahd. füst, ags, fyst dass. zusammen. Nach
meiner Auffassung beruht lit. kümste vielmehr auf einem idg, "^qJimp-
sti-, das in derselben Weise wie pqsth \niäfüst,fysf suffigiert ist. Ver-
gleiche noch ai. gdbhasti- M. "^Vorderarm, Hand' zu lit. gahanä "^Arm-
voll', göhti 'einhüllen' u. a,
Russ. chvost^ 'Schwanz , Schweif', wozu u, a, poln, chwosi 'dass,'
cech, clwost 'dass,', sloven. hvost 'Schweif; Traubenkamm', liost u, hqsta
'Dickicht, Reisholz, Gehölz, Wald' möchte ich versuchsweise mit griech.
jiöoS^ri 'membrum virile' vereinigen, das ich somit von rceog 'dass,', ai.
pasas 'dass.' trenne. Russ, chvosh erkläre ich aus idg, *qhuostJw- und
griech, nöod^iq leite ich über *cpöo0^iq^ *xf6ad-)] auf idg, *q/tuost//ü
zurück. Die Bedeutungen von chvost^ und Tiöo&r] können aus 'Rute'
entwickelt sein. Vgl, eben dieses deutsche Wort in denselben beiden
Bedeutungen.
Bisher dürfte keine Erklärung für die nachstehende slavische Wort-
gruppe gefunden worden sein: russ, s^p^ 'Rosendorn', klruss, sypok
'Rosenstrauch', cech. sip 'Dorn am Rosenstrauch, Pfeil', Upiti 'stechen',
Hpek 'Rosenstrauch', serb, iipak 'Rosenstrauch, Granatapfel', bulg.
Sipka 'Hagebutte, iip^k 'Rose', obsorb, iip 'Pfeil', ndsorb, Sypa 'dass,'
Man kann sehr wohl annehmen, daß die ursprünglichste Bedeutung ein-
fach 'Spitze, Stachel' war. Verbal ausgedrückt kann die Bedeutung mit
'stechen' angegeben werden. Ich vergleiche arm. xaitem 'steche', xait
'Stechen, Stich', xaitumn 'Stich , Sticherei', ablautend xit 'violent pains
in the beweis, gripes; colic', xtel (-em, -eci) 'to goad, to incite, to urge
on, to force to enter', xtan (-«', -av) 'a spur, goad'. Scheftelowitz hat
BB. XXVIII, 3 1 2 diese Wörter mit lat. ccedo verknüpft, welche Zu-
sammenstellung daran strauchelt, daß idg. d niemals zu arm. t wird.
Studien über slav. eh. 371
Arm. X ist ja regelrechter Vertreter von idg. qh und t kann aus idg. pt
entstanden sein. Russ. iip^ kann hiernach über ^ch'lj)- aus idg. *qhipo-
erklärt werden, und arm. xuitem aus idg. *qJi9ipt-, xit- aus *qhipt-. Das
armenische Verbum mag einer -^fo-Bildung entsprungen sein.
Abg. c/i?'bbbh 'avx'^i', cervix', russ. chreheth Gen. chrehtä *^Rück-
grat, Rücken', bulg. Imbet 'Wirbelsäule', serb.-kroat. hrhat., Gen. hrpta
'Rücken', cech. chrhet^ Gen. chrbeta 'dass.', altCi^r^ 'Berg, Hügel' haben
neben sich eine Sippe, die auf dem vollstufigen chrib- gebildet sind:
kslav. chr^b^i^ 'Rückgrat', cJlrib^ 'Hügel', serb.-kroat. hrib 'dass.', slov.
hrib 'Anhöhe, kleiner Berg', cech. c//r/Z» 'Berg, Hügel', alt hHbet 'Rücken'.
Berneker, Etym. Wb. S. 404f. vermutet, daß die Wörter mit einigen
lautnachahmenden Bildungen, cech. chrohak 'Laufkäfer' u. a. in Zu-
sammenhang stehen. An solchen Ursprung fällt es mir schwer zu glau-
ben. Meinesteils möchte ich Zusammenhang suchen mit griech. xäqcfio
'lasse einschrumpfen, dörre', 'AaQcpög N. 'dürres Reisig', ycaQcprj F. 'Heu',
'/.aQcpriQÖg 'von dürren Halmen', ■/.aQ(pa'kEog 'trocken', lit. skrebiu.,
skrebti 'trocken sein oder werden'. Boisacq, Dict. Etym. S. 41 7 vergleicht
hiermit russ.^•orö6^Vfc'biegen, krümmen', was ich ganz bestimmt für unrichtig
halte. Dieses Wort gehört in eine ganz andere Bedeutungskategorie.
Der Grundbegriff der übrigen Wörter hat offenbar zwischen 'hart' und
'dürr' gelegen. Nach meiner Vermutung ist die Wurzel als idg. *qhrebh-
: *qhrbh- anzusetzen. Daß die slavische Sippe in begrifflicher Hinsicht
vereinbar ist, wird man nicht leugnen können. Ich erkläre clirib'bth.^
chrhbht^ aus idg. ^qhreibh- : *qhribh-. Zur Wurzelvariation verweise
ich auf Wörter wie awnord. bleikr 'blaß', ags. hJican^ meng, bliren
'bleich werden', lit. bligstu, bVigsti 'aufleuchten' neben griech. cpleyco
'brenne, entflamme, leuchte'; lat. coi'bis 'Korb' neben awnord. h-ip 'Korb,
Kasten beim Packsattel, Heukorb'. Vgl. Persson, Wurzelerweiterung
S. 223 f., Holger Pedersen, Kelt. Gramm. I, S. 175f. Ruthen, chorbüri
Plur. (verächtl.) 'Knochen; Rückgrat und Rippen' wird auch verwandt
sein. Zum Suffix vgl. Vondräk, Vergl. Slav. Gramm. S. 433. Das Wort
weist auf urslav. ^clchrh- hin und ist somit aus derselben Wurzelform
wie die griechischen Wörter hervorgegangen. Die Wurzelvarianten
*qhrebh- : *qhr6ibh~ betrachte ich als Erweiterungen der einfachen
Wurzel *qher- in ai. khara- 'hart, rauh, uneben', kharma- N. 'Rauh-
heit, Unebenheit', npers. xar 'Dorn', xarci.^ xära 'Fels', griech. y.aq%aqog
scharf, xa(>;^aAeog 'rauh, dürr'. Dazu stellt sich auch x^Q^' ogyt] ^'
ÖQyilog (Hesych.). Auch arm xorx 'spoglie di serpente, pelle di porco,
24*
372 H. Petersson,
guscio, scorza' dürfte verwandt sein. Es kann aus idg. ^qliorqlio- ent-
standen sein. Darin wird man eine gebrochene reduplizierte Bildung
zu sehen haben. Vgl. Y.ä.qyuqog,.
Eine Erweiterung mit p haben wir ferner in kslav. chrapa'o% 'rau-
cus', poln. chropaioy 'holperig, uneben', chropiec "^uneben werden', serb.
hrape Plur. Fem. 'Unebenheiten', Jirapav 'uneben'. Eine andere Bil-
dung aus der Wurzel *qher- finde ich in abg. chrich 'rüpes', serb. Jirid.
Die idg. Grundform ist * qhr-ei-do- oder '^qhr-l-do-. Hier kann das
i mit dem in chribhU verglichen werden. Die einfache Wurzel *qhere-
wurde mit hh erweitert und die Form *qher-ei- sowohl mit hh als d.
Zur Bedeutung von abg. chr^d^ vgl. npers. xärä.
Russ. särith '(suchend) kramen, wühlen, herumstöbern in etwas; et-
was durchsuchen; (im Dunkeln) tastend suchen, herumtasten' bedeutet
offenbar nichts als 'scharren, kratzen und ähnl.'. Man vergleiche lat.
ruspor^ -äri 'durchforschen, untersuchen', während ital. ruspare 'schar-
ren' bedeutet und also die ursprünglichste Bedeutung bewahrt hat. Die
Bedeutung, die wir von lat. ruspari kennen, ist sicherlich nur literarisch,
in der Volkssprache hat das Wort gewiß nichts als 'scharren' bedeutet.
Schwed. dryfta 'abhandeln, diskutieren' ist nur literarisch, in der Volks-
sprache bedeutet es nur 'das Getreide fegen, die Körner aus dem ge-
droschenen Halme ausschütteln'. Mit k'irith müssen russ. 6'arÄ-a^6 'scharren
(mit den Füßen), schurren, kratzen, reiben', chörkatb (prov.) 'mit Sand
scheuern' zusammenhängen. Hiermit vergleiche ich ferner ai. khärjati
'kratzt, schabt, reibt', khrgala- 'Bürste', hharjü- 'Jucken, Kratzen',
awnord. harha 'zusammenscharren', harki 'Kehricht', ndl. hark 'Harke'.
Ich erschließe auf Grund von den hier zusammengebrachten Wörtern
eine Wurzel *qher- 'kratzen, schaben, reiben'. Daraus erkläre ich russ.
cliorh 'tlja, molb platjanaja' als 'Reiber, Schaber'. Die Wurzel findet sich
auch in arm. xaram 'scoria'. Dieses Wort ebenso wie arm. xor 'tief'
hat L. V. Patrubäny IF. XIV, 57 mit griech. y.siQco 'schere, vernichte',
ahd, sreran, lit. kifvis u. a. zusammengestellt. Das ist richtig, nur
wenn idg. '^{s)qer- 'schneiden' eine Variante *qher- gehabt hat. Ob die
Wurzelformen ursprünglich identisch sind, mag dahingestellt werden.
Ich bin indessen geneigt_, sie für ganz verschiedene Wurzeln zu betrachten.
Eher könnte man *qhe7'- 'schaben, scharren' mit der oben besprochenen
Wurzel *qher- 'hart, dürr' identifizieren. Indessen kann ein Zusammen-
fall von idg. qher- 'schaben' und *^er- 'schneiden' häufig stattgefunden
haben. Arm. korem 'kratze', kerem 'dass.' stammen aus der letzteren
Studien über slav. eh. 373
Wurzel, zeigen aber die Bedeutung der ersteren. Lat. carro^ -ere 'Wolle
krämpeln', lit. karnzh)^ Jcafazti 'kämme, krämple', abg. krasla 'Krätze'
(aus *korüta)j mndd. /mrs^ 'Rechen, Harke' setzen wegen ai. kasati (aus
^krsati) eine idg. Wurzel *qers- 'schaben, reiben' voraus, die aus qer-
gebildet zu sein scheint. Jedoch kann *qers- eine ganz selbständige
Wurzel gewesen sein, oder, wenn auf Grund der Bedeutung Zusammen-
hang mit *qher- 'reiben, scharren' wahrscheinlich scheint, könnte man
annehmen, daß qers- eine ursprüngliche Aspiration eingebüßt hat unter
Beeinflussung von der gleichbedeutenden Wurzel *qes- in lit. kasyti
'kratzen, krauen, striegeln', y?;asm)!i 'kratzen, jucken , kasü,kästi'graben,
abg. desati 'kratzen, scharren, kämmen', griech. ^ulrco 'kratze, kämme'.
Arm. X07' als Substantiv bedeutet 'luogo profondo, il profondo, pro-
fonditä, fondo; fosso, fossa, vorägine, bäratro, valle, abisso, l'ultima
parte, l'interiore'. Damit vergleiche ich ai. ä-khard- M. 'Höhle eines
Tieres'. Vielleicht lag im Indogermanischen ein *qkoi'o- als Bezeich-
nung für (von Tieren ausgekratzte) Gruben und Höhlen vor. Die zwei
letzten Wörter bringen mich auf den Gedanken, auch das so oft be-
sprochene abg. cliranth 'Haus' in den Zusammenhang einzureihen. Von
den Entsprechungen des Wortes in anderen slavischen Sprachen ver-
dienen genannt zu werden russ. Plur. F. chorömy 'großes, hölzernes Ge-
bäude', klruss. choröm 'Korridor, Gang', Plur. cliorönnj 'Hausflur',
choröma 'Haus, Gemach', clioromxjna 'Haus, Hof, Zimmer', sloven. hräm,
Gen. /MY/7?2a 'Gebäude, Wohnhaus; Gotteshaus; Zimmer, Kammer', dial.
'Weingartenhaus; Keller; Speisekammer', hrdm&c 'kleiner Weinkeller',
poln. alt und dial. chromina 'Hütte, Bauernhaus'. Aus sachlichen Ge-
sichtspunkten kann nichts eingewendet werden, wenn ich urslav. '^chorrrn
aus einem idg. *qhor-nio- '(ausgescharrte) Höhle' erkläre. Vgl. ai. grha-
N. 'Haus' neben av. gd7'dda- 'Höhle als Behausung daevischer Wesen';
upers. xän^ xcina 'Haus' zu ai. /l;/y«;^a^^"graben, aufgraben, durchwühlen',
khanä- M. 'Grube', kha- M. 'Öffnung, Loch', kJiä- F. 'Quelle', khäta- M.
N. 'Grube, Brunnen, Teich; Höhlung'. Dazu gehört wohl auch khadü F.
'Höhle; Hütte, Stall' aus *kkndä,. Siehe noch zum Sachlichen Berneker
Etym. Wb. s. v. cuUv^^ wo Literatur.
Griech. ;(/j()Of(t(og 'Höhle, Kluft' (Hom.) verknüpft Prellwitz mit 7»^/<f?
das Gähnen, die Gieumuschel mit klaffenden Schalen', xaG/.co 'gähne,
klaffe', wofür bekanntlich eine idg. Wurzel *(jhe{i)- : *g/il- anzusetzen
ist. Jedoch könnte yj]QC(i.iög dehnstufiges e haben und zu x<^Qc<^QC( 'Riß.
Spalt, Kluft, Gießbach' (Hom.) x^(Qiir] 'Schlacht' u. a. gehören. Diese
374 H- Petersson,
Wörter sind vieldeutig, sonst könnte man auch sie anschließen. Archiv
f. slav. Phil. XXXIV, 380 habe ich sie mit ai. gharsati 'reibt', lit. grendu^
grendziu 'reibe', ^rawc/y^t "schaben' u. a. vereinigt. Prellwitz vergleicht
y^aqäÖQa mit lit. zeriü^ zefti 'scharren , zarstyti 'mehrfach scharren'.
Lit. i kann entweder idg. g oder gh sein. Eine Wurzel *^er- aber würde
sicher ohne Anknüpfung bleiben. Dazu kann mit zerii arm. jo7' 'Schlucht,
Hohlweg' verglichen werden, dessen Anlautskonsonant nur aus idg. gh
entstanden sein kann. Es könnte somit in arm. Jo?- ein Vereinigungs-
glied zwischen den griechischen und den litauischen Wörtern gefunden
werden. Da indessen in griech. yj^adog -aö- wohl aus -y,d- entstanden
ist, scheint es mir aus formellen Gründen besser, dieses Wort mit lit.
gre?idu, ags. ^n/i(/aw (idg. "^ qJtr-en-dh-) awnor ä. grioinr, grim?i'^Meeves-
grund' (idg. *g/ir-)j,-i-) zusammenzuhalten. Wohin die übrigen grie-
chischen Wörter zu ziehen sind, wird man sicher niemals aufklären
können, da die drei gleichbedeutenden Wurzeln *qhe7'-, *gher- und
*ghe7'- im Griechischen zusammenfallen müßten.
ßuss. iäriib, das der Ausgangspunkt dieser Untersuchungen war,
erklärt sich aus idg. '^qlier-,
Russ. seluchä 'die Hülse, Schale' {orecJiovaJa seluchä 'Nußschale',
ryhhja ieluchä 'die Fischschuppe'), wozu das Verbum seluiit'b 'schälen,
ausschälen, -hülsen, -kernen' dürfte noch nicht seine Erklärung gefun-
den haben. Es ist zu allererst ganz klar, daß es mit russ. selupina
'Hülse, Schale', ruten. solupina 'Hülse, Schale', solupaj'ka 'Schale, Eier-
schale (skarlupa)' verwandt ist. Dazu das ruten. Verbum solöpath 'stö-
bern, kramen, grübeln; abweiden, abfressen'.
Ich vergleiche selupina mit griech. -/.ü.vcpog 'Schale, Hülse', das
ich somit selbstverständlich aus ^yiKvcpog erkläre. Eine ältere Erklä-
rung von ■/.kl.vcpoc, suchte Zusammenhang mxiy.uKVTixio 'umhülle'. Sütter-
lin IF. XXV, 67 vergleicht y.iXvcpog mit ahd. sceliva^ mhd. schelfe
'Schale, Hülse', indem er eine Alternation idg. *qeleuph- : ^aqelpJt- an-
nimmt. Auch bei meinem Anschluß von selupina läßt sich der Vergleich
von scelifa^ Schelfe aufrecht erhalten. Nach meiner Auffassung geht
also selupina auf die idg. Grundform ^qhelcupliä zurück, und v.eXvcpog
auf idg. *qhelupho-. Auf letztere Ablautsstufe weist auch ruten. Solö-
pati hin. Cech. Hupina 'Obstschale, Schelfe' geht über urslav. *hlupa
auf idg. ^qhllouph-. Da, wie erwähnt, russ. seluchä verwandt sein
muß, hat man nötig, ein Wortelement '^qheloxi- : '^qhelu- anzunehmen.
Dasselbe ist in seluchä mit dem Suffixe -5ä ausgebildet worden, während
Studien über slav. eh. 375
in •/.iXvrpog, selupina ein form antisches -ph- angenommen werden muß.
Dieses Formans ist zwar sehr selten, kommt aber in einigen Bildungen
vor. Man kann an ai. Qopha- M. 'Geschwulst, Geschwür, Beule' zu
Qväyati 'schwillt an, wird stark' erinnern. Ebenso an ai. gulphä- M.
'Fußknöchel', das wohl aus der idg. Wurzel *ge^- 'zusammenballen' in
lat. glomus 'Kloß, Knäuel', ai. gulma- 'Geschwulst am Unterleibe' ge-
bildet ist.
Eine aus dem hier erschlossenen *qhelu- mit o-Formans versehene
Bildung haben wir meiner Meinung nach in ai. khäha- M. 'a kind of
grain or leguminous plant' (AV., VS., QBr. 14, Kaug., Grhyas.). Das
Wort bezeichnet gewiß ursprünglich die Hülse der Pflanze. Eine mittel-
indische Form von khdlva- kann dann vorliegen in ai. khalla- M. a little
case or cap formed by roUing up paper etc., used for holding any small
articles of grocery'.
Unter Voraussetzung, daß idg. qh im Lateinischen zu h wird, wäre
es möglich, auch lat. lup'inum 'Wolfsbohne' [lupmärius 'Hülsenfrüchten-
händler') mit selupina und y.eXixpoq zu vergleichen. Man hätte hiernach
von einem idg. * qldupJio^YiüliQ auszugehen. Dabei wären indessen zwei
Bedenken zu beachten. Erstens könnte erwartet werden, daß, wenn qh
zu h wurde, idg. ph zu y übergegangen wäre, zweitens, daß Aspiraten-
dissimilation stattgefunden hätte, wie in glaber aus "^ahladhro-. Hier-
zu kann bemerkt werden, daß es doch lautphysiologisch sehr wohl mög-
lich ist, daß qh eine Entwicklung gehabt hat, die mit der von plt und
1h nicht parallel war. Man vergleiche Holger Pedersen KZ. XL., 174 f.
Zwischen der Entwicklung von qJi zu h wäre natürlich ein / anzunehmen.
Der Übergang von qh zu % könnte aber vor dem Wirken des Aspiraten-
dissimilationsgesetzes stattgefunden haben. Indessen ist der Anschluß
von lup'inum höchst unsicher, da andere Möglichkeiten bestehen, das
Wort aufzufassen. Es kann nämlich verglichen werden mit kslav. lupiti
'detrahere', nsloven. /w/?i7i 'schälen', /«p/e 'Apfelschalen', olup 'abgelöste
Rübenschale', cech. loupaii 'schälen', lup 'Schuppe, Blättchen', poln.
lupic 'schälen, abschälen', lupina 'die Schale, Hülse'.
Es fragt sich nun ferner, ob es möglich ist, die aus dem Wort-
element *qheloii- zu erschließende Wurzel *q]iel- noch in weitere Be-
ziehungen zu stellen, und ob es sich tun läßt, den Begriff 'Hülse, Schale'
aus einer ursprünglicheren Grundbedeutung zu erklären. Ich bin der Mei-
nung, daß sich dies tun läßt. In recht vielen Fällen geht der fragliche
Begriff auf 'spalten und ähnl.' zurück, z.B. in griech. loitög 'Hülse', das
376 H. Petersson,
zu X^Ttto 'schäle^ gehört. Ich sehe darum in idg. *qJiel- eine aspirierte
Variante zu idg. "^qel- : *sqel- ""spalten', die bekanntlich eine außer-
ordentliche Menge von Wörtern in verschiedenen Sprachen abgegeben
hat. Dazu gehören z. B. lit. skilti intr., skelti tr. '^spalten', russ. söth
*^die Ritze, Spalte, der Riß', sdeljäth 'spalten', sJcalä 'Fels; Birkenrinde'
ruthen. skälka 'Splitter ; Flintenstein', skalina, skalüha^ skalubina 'Riß,
Spalte'. Der Bedeutung wegen vergleiche man klruss. skaiubka 'Hülse
einer Larve' neben skalubyna 'Ritze, Spalte, Riß'. Man beachte auch
folgende Verwandte, ahd. scala^ mhd. sc/m/ 'Hülse einer Frucht, eines
Eies usw.', ags. scealu, neng. s/mle 'Hülse'. Die Aspiration ist auch
sonst nicht unbekannt bei der Wurzel *qel- 'spalten'. Vgl. ai. khandä-
'lückig, zerteilt, mangelhaft'; M. 'Lücke, Bruch, Stück, Teil' neben
kandana- N. 'das Entfernen der Hülsen, Abfall von den Körnern'.
Griech. Gxulig^ -iöog F. 'Gabel, zweizinkige Hacke' geht nach meiner
Überzeugung auf idg. *sqhel- 'spalten' zurück.
Ich ziehe noch heran russ. seludi M. Plur. 'Grind, Räude', klruss.
^olud^ soiud'Schori', wruss. soludzi. Das Wort ist meines Wissens
in keiner anderen slavischen Sprache zu finden. Das u ist darum zwei-
deutig, insofern es entweder ursprünglich oder aus urslav. q entstanden
sein kann. Miklosich, Etym. Wb. S. 338a nimmt ^kelud^ als Grund-
form an. Dies mag richtig sein, da wir dadurch Anschluß an die er-
wähnten Bildungen aus *qheloii- machen können. Indessen wäre auch
ein urslav. *hIqd^ aus idg. '^qhelu-nd- in sowohl lautlicher wie for-
meller Hinsicht sehr wohl möglich. Das Wort bedeutet nach dieser Er-
klärung 'was sich (von der Haut) abspaltet'. Vgl. lat. Scabies 'Kratzen,
Schäbigkeit, Räude' zu scabo, -ere 'schaben, kratzen, reiben'; nhd.
Schorfe dän. skurv, schwed. skorf zu ags. sceorfan 'nagen, ritzen,
gesceorfan 'schaben, zerschneiden .
Russ, chrjäpath (dial.) 'husten', cech. alt chrapati 'schnarchen'
wäre man versucht mit griech. yiqiuTttoiua 'räuspere mich' bes. 'spucke
zusammenzubringen. Man müßte dann annehmen, daß xQfumouai ur-
sprüngliches TV hätte, und daß es somit aus ^iqE(.iniof.iUL entstanden
sei. Sonst wird yqef.iTrTot.iaL zu xqEfier-i'Cio (Hom.), yqeuer-aio
'wiehere, mache ein Getöse' gestellt. Darnach ist also y^qiiiTiToi-icti aus
der synkopierten Form *yq€fi-TOfiai. entstanden. xqei-ieTi^to wieder
muß zu got. gramjan 'aufreizen', ahd. gramizzon^ gremizzon brüllen,
toben' u. a. gehören. Obgleich russ. chrjäpath und griech. yqk[ntxofiai
einander begrifflich sehr nahe liegen, ist der Vergleich also sehr unsicher.
Studien über slav. eh. ^TJ
Rus3. c/iles/(ifb, chlesniith^voM der Peitsche schlagen', cech. clilostatl
'mit Ruten schhigen', poln. chlostac *^auspeitschen', cJiJosta 'Hiebe,
Schläge', sloven. hlcsfiti, Jtlestniti 'schlagen' u. a. erklärt Berneker
Etym. Wb. S. 388 für onomatopoetische Wörter. Indessen können sie,
scheint es mir, mit lit. klescziu.^ Mesti 'schlagen, peitschen, stäupen'
verglichen werden. Wenn die Wörter auf eine und dieselbe urbaltisch-
slavische Grundform zurückgehen und das ch lautgesetzliche Entwicklung
ist, wird man schwerlich umhin können, einen ursprünglichen Anlaut
kh anzunehmen. Man möchte sich ferner fragen, ob nicht ein Wort wie
ai. khadgä-M.. 'Schwert' (aus idg. *q/ioId-) verwandt sei. Lag einst eine
zweisilbige Wurzel *qheled- vor, so könnte daraus eine Wurzelform
*qhled- entstanden sein. Russ. chlesfätb und lit. klesti könnten dann
von einem idg. ^qliled-to- ausgegangen sein.
Man könnte vielleicht indessen russ. clilestätb neben klesti so auf-
fassen, daß ersteres ein unorganisches s gehabt hat, so daß der Anlaut
ursprünglich skl- war. Es ist eine Tatsache, daß die slavischen Sprachen
keine alte Lautverbindung skl im Anlaut kennen. Dieselbe ist zwar
allem Anscheine nach in der Ursprache recht selten vorgekommen, hie
und da aber trifft man in verschiedeneu Sprachen Spuren derselben. Be-
kannt ist, daß ahd, sliozzan^ afries. sluta 'schließen' usw. mit lat. claudo,
-ere 'schließen, sperren' verglichen wird. Idg. sql- im Anlaut gab also
germ. s/-, während dagegen sqr- unverändert blieb. Letztere Verbin-
dung bleibt auch im Slavischen; aber was wurde hier aus anlautendem
idg. sql-7 Ich wage die Hypothese, daß diese Anlautverbindung zu
slav. cid- wurde und zwar glaube ich, daß sql- zunächst zu vorslav. ksl-
wurde, da es gewiß undenkbar ist, daß chl- direkt aus sql- habe ent-
stehen können. Nachdem diese Umstellung vollzogen war, entwickelte
sich ks- in regelrechter Weise zu slav. ch.
Das Litauische hat den Anlaut skl- zweifelsohne aus alter Zeit.
Wenigstens in einem Falle kann man, scheint es mir, das litauische skl-
mit slav. chl- identifizieren. Ich vergleiche abg. o-chlenqti 'debilem
fieri , o-clilqdanije 'negligentia' mit lit. sklendzü^ sklendzaü^ sklesti
'schleudern' intrans. (vom Schlitten) auch 'schweben' (vom Vogel), lett.
sklanda 'die schräge, glatte Schleuderstelle auf dem Winterwege', pa-
sklanda 'Ort, wo der Schlitten schleudert', pasklandus 'schiefliegend,
Schleudern verursachend', sklandis 'abschüssig'. Hiermit hat man ge-
wiß noch zu vergleichen schwed. slinta 'gleiten', dial. slaiit 'glatt,
schlüpfrig', norw. dial. sletta 'dingle, hänge, l0st', slitnte 'drive omkring'.
378 H. Petersson,
sluntra^ dunta ^dass/, slott 'lediggsenger' (Aasen 703 ff.), schwed. dial.
slanta^ slunta 'umhertreiben' (Rietz, Dialektlexikon 624 s. v. slinta)^
meng, slenten 'schlendern^, nhd. scJdenzen 'dass.^ Es scheint mir nun,
daß sämtliche Wörter auf eine idg. Wurzel ^aqleiid- : sqlond- zurück-
weisen, deren Bedeutung etwa "^schlaff sein, schlaff hinabhängen, los
hangen, gleiten und ähnl.' war. Slav. chled- wäre also über *kalend-
aus idg. *sqlend- oder *sqhid- entstanden. Die Ablautsstufe *sqIond-
liegt wohl vor in kslav. chlud-b Virga^, russ. chludh *^Stange, Knüppel,
Heubaum; Wasserträger', poln. dial. chfed^ chledak, cMad 'Stengel;
Gerte', cÄ/ao? junge schlanke Tanne , die sich für Zäune eignet'. Zu-
sammenhang zwischen diesen Wörtern und abg. o-chledanije nimmt
Berneker Etym. Wb. S. 390 an. Ich bemerke noch, daß auch Berneker
a. a. 0. S. 388 dieselbe germanische Sippe wie ich zum Vergleich heran-
gezogen hat (ndd. sluntern 'nachlässig, schlaff sein', nhd. dial. schlunzen
'nachlässig gehen, schlendern' u. a.). Über das cli- spricht er sich in-
dessen nicht aus. Vermutlich hat er sich gedacht, daß es aus s- ent-
standen sei.
Zu abg. chlehh 'catarrhacta, y.avc(QQ(xy.T)]g, fores' [cJilebi nebesnyjc^
gehören folgende Wörter aus anderen slavischen Sprachen, russ. chljabh
Damm, Öffnung, Schlund', dial. chljäha 'Regenwetter', wruss. chlaba
Regenguß', klruss. clilahy 'otvör', serb.-kroat. hieb 'Abgrund', hlfeh
•"Wasserfall, Schleuse'. Sloven. lilcbati 'schlürfen' kann hierher gehören,
vielleicht ist es jedoch besser dieses mit russ. chlebäth^ cldebnütb 'mit
dem Löffel essen, löffeln' zusammenzustellen. Man kann darüber un-
schlüssig seiu, welcher Grundbegriff der Sippe von chlcb^ zugrunde zu
legen sei. Es will scheinen, als ob mau sowohl mit 'Öffnung, Schlund'
als mit 'strömen, spülen und derart.' auskommen könnte. Wählt man
die erste Möglichkeit, kann man Zusammenhang mit kslav. sJclabiti se
'den Mund aufmachen' vermuten. Dieses Wort beruht auf urslav. *skolb-.
Dazu wird gehören norw. dial. skolp 'kleiner ausgehöhlter Block, Holz-
scheide, in die man den Wetzstein legt', awnord. skal2)r 'Schwertscheide',
dän. skulpe^ skulp 'Schote, Fruchtbalg'. Hier scheint ein idg. *sqelb-
'spalten' zugrunde zu liegen, das natürlich mit den obigen unter seluchä
zusammengebrachten Wörtern in Verbindung steht. In cldebh wäre eine
aus *sqelb- nasalierte Bildung zu finden.
Nimmt man hingegen für cldebh den Urbegriff 'Strömen, Gießen^
an, könnte man an Verwandtschaft mit folgender weitverbreiteten ger-
manischen Wortsippe denken: mhd. slamj) 'Gelage, Schlampe', ndl.
Studien über slav. eh. 379
slemp 'leckere Mahlzeit', slempen 'prassen', nhd. Schlempe Spülicht',
ScJilumpe^ Schla77ipe 'nachlässiges, unreinliches Frauenzimmer', eng.
slump 'to fall down into any wet or dirty place', eng. dial. slump 'Teich,
Pfütze', norw. dial. slump 'plump^ skvulp'. Es ist ganz klar, daß hier
nhd. Schlempe 'Spülicht' und eng. slump 'Pfütze' den Grundbegriff am
besten bewahrt haben. Schon vor mehreren Jahren habe ich an Zu-
sammenhang zwischen chlqh'b und dieser Sippe gedacht. Später, als
Bernekers etymologisches Wörterbuch so weit erschienen war, habe ich
gesehen, daß auch der Verfasser dieses Buches an die erwähnte Ver-
wandtschaft gedacht hat. Wir haben zwar kein direktes Zeugnis davon,
daß hier germ. sl- aus idg. sql- entstanden wäre. Ich glaube indessen,
daß wir eine Wurzel Variante mit idg. /; und ohne das anlautende s- haben
in \\t. kli?npshi, hlmipti'mit deuFüßen einsinken', klampä 'eine sumpfige,
weiche Wiese', klampüs 'sumpfig', klampyne 'ein Morast'.
Russ. chlöpath 'schlagen, klatschen, knallen', bulg. hlöpam 'klopfe',
sloven. hlöpati 'schlagen' könnten mit lat. stloppus 'der Klaps; der
Schal], der entsteht, wenn man auf die aufgeblasenen Backen schlägt'
verwandt sein. Im Vulgärlateinischen hat das Wort *scloppus gelautet,
was aus ital. schiop>po 'Krach, Knall', scJiioppare 'knallen, platzen, zer-
springen' hervorgeht. An sich ist es gar nicht unmöglich, daß diese
Form altertümlicher als stloppus ist. Möglich ist, daß die älteste Form
des Wortes *scldpus war. Mit russ. chlöpath hat Matzenauer (siehe
Berneker, Etym. Wb. S. 390) meug. slappe, neng. slap 'Schlag, Klaps',
nhd. Schlappe als urverwandt zusammengestellt. Man könnte in dieser
Weise vermuten, daß sämtliche Wörter einem idg. *sqlbp- entsprungen
seien. Indessen kann das Ergebnis der vorgenommenen Vergleiche nicht
als sicher hingestellt werden, da sämtliche Wörter lautnachahmend oder
in ihrer lautlichen Entwicklung onomatopoetisch beeinflußt sein können.
Lund. Herbert Petersson.
Einige Bemerkungen zur Gescliichte des Schrifttums
in Kroatien.
Während das Schrifttum fast aller serbokroallschen Provinzen in
seinen Hauptzügen mehr oder weniger beleuchici oracheint, hat das
Schrifttum des heutigen engeren Kroatien abgesehen von den fragmen-
380 Fr. Fancev,
tären Untersuchungen Krcelitsi), Miklousics^), Safariks^) wenig Beach-
tung gefunden. Auch die Bearbeitung Kukulevics ^) behandelt nur eine
begrenzte Periode dieses Schrifttums und ist heute in vielen Partien ganz
veraltet^).
Diese Zurücksetzung dieses Schrifttums in der bisherigen wissen-
schaftlichen Forschung erscheint zwar erklärlich, vergleicht man seine
Armut an echten literarischen Erzeugnissen mit den hochentwickelten
Werken der dalmatiuisch-ragusäischen Literatur. Es besteht ja fast aus-
schließlich aus Werken, die unmittelbaren praktisch-erbaulichen Zwecken
dienen sollten, wie z. B. Predigten^ Gebetbüchern^ Evangelarien und ähn-
lichen.
I.
Zur Zeit, wo Nordkroatien während der Regierungszeit Ladislaus
durch die Einsetzung Almns zum König und Gründung des Agramer Bis-
tums (1093) vom kroatischen politischen und kirchlichen Zentrum, wel-
ches bis zu dieser Zeit jedenfalls im dalmatischen Kroatien zu suchen ist,
losgetrennt wurde, soll der Meinung Tkalcics nach die slavische Litur-
gie auch in diesem nördlichen Kroatien noch im Gebrauch gewesen sein.
Es dürfte dies unter anderem auch die Folge der geographischen Nach-
barschaft mit dem Fürstentum Kocels, wo die Slavenapostel schon früh
Gefolgschaft fanden, gewesen sein. »Nepobitno jest i to, da je Ladia-
lava, koji dobro znadija^e, da mu surjak kralj Zvonimir samo radi toga
zaglavio na hrvatskom saboru na Kosovi, sto je uehajan bio da zaprijeci
progon hrvatskoga bogosluzja, pak je Ladislava, da si po sinovcu Almu,
tomu novomu hrvatskomu kralju, ucvrsti lozu Arpadovu, ponukalo to, da
je biskupiji zagrebackoj postavio za biskupa onoga, koji se slavenskim
jezikom sluzio u bogosluzju; a to nas joste vecma u tom uvjerava, jer je
1) Scriptorum ex regno Sclavoniae a saeculo XIV. usque ad XVII. inclu-
sive collectio . . . Varasdini, 1774.
2) Izbor dugovanyh vszakoverztneh za haszen y razveBzelenye szlu-
secheh . . . Zagreb, 1821, 2. Aufl. 1839.
3) Geschichte der südslav. Literatur . . . IV. (Kroatische Literatur),
Prag, 1865.
4) Knjizevnici u Hrvatah iz prve polovine XVII. vieka s ove strane Vele-
bita . . . Zagreb, 18(i9 (S.A.).
5) Die kajkavische Literatur am Vorabend der illyrischen Wiedergeburt
beleuchten »Pabirei po kajkavskoj literaturi« Surmins (Vienac, 189J). Ein-
zelnes behandeln Drechsler, Dukat, Hajnal, Jagic, Milcetic, Trops.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 381
Ladislav novoma zagrebaekomu biskupu Duhu dodijello kao vjerovjesnike
svecenike iz sumedjske i zaladske zupanije, upravo iz glavnoga dijela
nekadanje Kocelove knezevine, gdje je kako jur spomenuh sv. Method
imao svoju panonsko-srijemsku nadbiskupsku stolicu sa slavenskim bo-
gosluznim jezikom« 1).
Doch in dieser politischen und kirchlichen Abhängigkeit Kroatiens
und seiner Geistlichkeit von Ungarn und von seiner Geistlichkeit — da
das Agramer Bistum der Metropole in Kalocsa untergeordnet wurde —
hat, wie es sehr wahrscheinlich ist, die slavische Liturgie auch ohne Ver-
folgungen, da solche in keiner Weise nachgewiesen werden können, all-
mählich zuerst wahrscheinlich in den Städten, wo die Bevölkerung seit
den ältesten Zeiten stark mit Fremden (so in Zagreb 2), Varazdin) ver-
mischt war, erlöschen müssen.
Wie durch die politische Abhängigkeit von Ungarn die Volkssprache
im öffentlichen Leben unmöglich wurde, gerade so war selbst der Ge-
brauch der Sprache des herrschenden magyarischen Stammes sehr be-
schränkt, was ja schon daraus zu ersehen ist, daß aus dem Zeitalter der
Arpadischen Herrschaft (also bis in das XIV. Jahrh.) nur drei zusammen-
hängende ungarische Texte 3] nachzuweisen sind.
Abgesehen davon, daß man den Gebrauch der glagolitischen Schrift
auch nach Nordkroatien verweist, sind sonst im Gebiete des kaj-Dia-
lektes, dessen Schrifttum wir hier untersuchen wollen, keine zusammen-
hängende in der Volkssprache verfaßte Sprachdenkmäler, die in diesem
Dialekte verfaßt wären, vor dem XVL Jahrh. anzutreffen , denn was uns
diesbezüglich tiberliefert ist, gehört dem cakavischen Dialekte an. Alle
Versuche, kajkavische Denkmäler vor dem XVL Jahrh. nachzuweisen,
sind bisher ergebnislos geblieben; alle Urkunden in den dicken Bänden
des »Codex diplomaticus regni Croatiae, Dalmatiae et Slavoniae«, hrsg.
von T. Smiciklas (bis jetzt zehn Bde.), der »Monumenta historica liberae
1) Slavensko bogosluzje u Hrvatskoj . . . Zagreb 1904. S.73 — 74.
~) In der Urkunde vom 11. Mai 1 198 führt der kroatische Herzog Andreas
Ungarn, Lateiner und Slaven als Untertanen des Zagreber Bistums auf; in
der handschriftlichen »Historia de fundatione Eccles. et Episcop. Zagrab.«
von R.Levakovic lesen wir über die Zagreber Bevölkerung folgendes: »in qua
diversarum nationum populi artes varias mechanicas exercent ... (in der k.
Univ. Bibl. zu Zagreb, SM. 38, D. 9).
3) Kont, Gesch. d. ungar. Litt.2 S. 6 oder Simonyi, Die ungar. Sprache
(Straßburg, 1907, S.IOO).
382 Fr. Fancev,
regiae civitatis Zagrabiae metropolis regni Dalmatiae, Croatiae et Sla-
voniae«, hrsg. von J. K. Tkalcic (bis jetzt elf Bde.), der »Monumenta
historica nob. communitatis Turopolje olim*^ Campus Zagrabiensis' dictae«
hrsg. von E. Laszowski (vier Bde.), gesammelt, die alle entweder in diesem
Gebiete entstanden oder für dieses Gebiet bestimmt sind, sind in der la-
teinischen Sprache verfaßt. Dieses vollkommene Fehlen der kajkavischen
Urkunden wurde auch schon von Kukuljevic mit den folgenden Worten
festgestellt: Meni barem nije poslo za rukom naci i jedne hrvatske listine
pisane latinicom prije druge polovice 16. stoljetja, docim je cirilica, po-
kraj glagoljice, u porabi bila ne samo u Dubrovniku, nego kod istih naj-
V V
starijih i najcistijih hrvatskih plemenah, kao sto bijahu Subici, Karinjani
i Kukari, koja se u listiuah jur za hrvatskih kraljevah spominju. U 16.
vieku prodrla je dapace cirilica daleko u sadasnja Hrvatsku, te su ju
rabili, pokraj Keglevicah i Subicah-Zrinjskih, sudci zupanije zagrebacke,
plemici turopoljski i napolu pomadjarene porodice Kastelanfi, Kere-
cenji itd. « ^).
In den ältesten auf das kaj-Gebiet sich beziehenden Urkunden ent-
halten nur die Personen- und Ortsnamen einen Bezug auf die Volks-
sprache, später, d. h. seit dem Anfang des XIII. Jahrh., finden sich in
den grenzbeschreibenden Urkunden auch viele Namen von Gewässern,
Bäumen, Bergen, Straßen und dergleichen, welche entweder für sich
allein, oder mit ihrer lateinischen Übersetzung in den lateinischen Text
eingeflochten sind 2).
') Vgl. Monumenta histor. Slavor. merid. kn. I. Listine Hrvatske (Zagreb
1869) S. VI; dasselbe behauptet auch VI. Mazuranic: Kolilco ja znam, nije nam
sacuvana nijedna listina izvorna, latinicom a hrvatski pisana, prije pocetka
XVI. vieka. Ima ipak traga, da se je i prije pisalo hrvatski u Zagrebu, gdje
se spominju litterati sclavonici, dj'aci, pisci hrvatski (Prinosi za hrv. prav. pov.
rjec. S. 146 Anm.).
2) Diese einzigen Spuren des kajkavischen Volksidioms in den ältesten
Zeiten sind bei uns noch in keiner Weise bearbeitet worden. Wenn sie auch
in der sprachlichen Untersuchung des kaj-Dialektes, der sonst gar keine zu-
sammenhängenden Denkmäler vor dem XVI. Jahrh. hat, von sehr beschränk-
tem, meistens nur lautlichem, viel seltener formellem Wert sind, haben wir sie
doch gesammelt und sollen in einer Untersuchung des kaj-Dialektes gebraucht
werden. Die ungarische wissenschaftliche Literatur besitzt diesbezüglich das
schöne Steph. Szamotas »Lexikon vocabulorum Hungaricorum in diplomati-
bus aliisque scriptis quae reperiri possunt vetu8toram< . . . (alsSupplementum
ad Lexicon linguae Hungaricae aevi antiquioris, Budapest, 1902— 19U6J.
Einige Bemerkungen zur GescLichte d. Schrifttums in Kroatien. 383
Hier wollen wir einige solche Beispiele anführen : sub arbore que
den lingua sclavonica nominatur (1209, Cod. dipl. III. 86), ad foveam
que kalicha in sclavonico nuneupatur (ibid. 87), ad arborem que vulgo
dicitur graber (ibid. 93), ubi quidam alveus Szaue siruzeht (struzec) vo-
catus . . . per quem struzeht . . . (122S, ibid. 290), ascendit montem
sterma pec (1221 , ibid. 200) super montem curtmna hurda (1234, ibid.
42G), Salix que vulgo dicitur urbicha (vrbica) (1244, ibid. IV. 239), ad
avborem que vocatur plathanus, sclavonice thopol (1245, ibid 276), pla-
tani que vulgo dicitur /«tüor (1243, ibid. 210), ad foveam que vocatur
rupa (1249, ibid. 410), ad arborem que sclavonice dicitur ozcurus (1240,
ibid. 124), ad arborem que sclavonice dicitur vrech (1252, ibid. 519),
lacus qui lokeu nuneupatur (1270, ibid. V, 544), adponikeu^ ubi fluvius
intrat terram qui in wlgari sclavonico dicitur (1272, ibid. VI, 11), ubi
est via . . . que wlgariter clancli (klanc) dicitur (1284, VI, 468, 596),
ad lapidem rubeum wlgariter crauaui kamen dictum (1284, ibid. 470),
ubi est dumus zymbov gurm nuncupatus (1294, VII, 183), ad unum vz-
nos (1240, IV, 122, auch ad unum meatum znos dictum 1339, ibid. X,
496) usw. usw.
Die Spuren der Volkssprache in diesen Urkunden wären sicherlich
zahlreicher geworden, wenn die Abhängigkeit Kroatiens von Ungarn auch
in diesen Fällen nicht so stark zutage träte, denn selbst die grenz-
beschreibenden Urkunden führen unter »vulgo«, »vulgariter«, »in nostro-
vulgari« ungarische Bezeichnungen ein, wobei der »vulgus« jener Gebiete
sicherlich nicht ungarisch war. Sehr gewöhnlich sind in unseren Urkun-
den die folgenden ungarischen Wörter: almafa, bik-, byg-, bykfa (bükk-
fa), berekene-, berekuna-, berekunyafa (berkenye), cheresnafa (cseresnye),
eger-, egur (^ger), gertan-, gurtan-, gyrtan-, gyertanfa (gyertyan), harazt-
fa, haas-, hasfa (härs), ihorfa (juhar), kurtue(l)buqur (körtve(l)-bokor),
moneroubocor (mogyoröbokor), nar-, nirfa (nyär, nyir), tulfa, zylfa (szil-
fa), Verbindungen mit -feld (-föld), -fenery (-feny^r), -kut, -mezey, vel-
g(y)e (völgy), ad fossam quod vulgo dicitur farcasverem (Krizevci, 1277,
Cod. dipl. VI, 199) usw.
Außer diesen in den Urkunden zerstreuten Glossen hat auch ein
lateinischer Schriftsteller Kroatiens aus dem XIV. Jahrb., d. i. Joannes
archidiaconus Goricensis (= de Guerche) seine Werke kroatisch glos-
siert. Von ihm sagt Racki »da je dobro znao hrvatski, kako se vidi iz
mnogih hrvatskih glosa u njegovu djelu i). Doch auch diese Glossen
1) Knjizevnik . . . Band I (1864) S. 548.
384 Fr. Fancev,
sind gar niclit so zahlreich. Sein einziges erhaltenes Werk^) »Album
capitulare« (aus dem Jahre 1354) kennt hauptsächlich die folgenden
Glossen: quoniam trunci apum alias decimati non decimantur secundario
sed novi, qui vulgariter roy vocantur (S. 45), GoricJie vocautur in ivl-
gari sclauico montes (S. 48), nomen autem Thoplica sibi trahit a calidis
aquis . . . nam in tiulgari sclauice TJiopUce^ calide aque existunt in la-
tino (61), dann sessiones colonorum sereb vocatas (70), et alterius milii
borkules wlgariter dicti (101), bukeu (US, 119), bukouya (120), rakytia
(120) und noch einige.
Der eigentliche Anfang des kaj- Schrifttums in unserem Gebiete ist
darnach in das Zeitalter der Reformation zu setzen. Als seinen ersten
Schriftsteller betrachtet man bisher Mihal Bucic , den Pfarrer in Belica.
Seine Tätigkeit soll er kurz vor dem Jahre 1574 entfaltet haben, welche
Zeitbestimmung auf die Verurteilung, die seine Werke durch die diözesa-
nische Synode unter dem Bischof Georg Draskovic (f 15S7) vom S. März
1574 2) gefunden haben, gegründet wird. Wie die Reformation ihre
Verbreitung hauptsächlich auf die Volkssprache gründete, so hat dieselbe
diözesanische Synode, um der Lehre Bucic's mit Erfolg entgegenzutreten,
den folgenden Beschluß gefaßt : Et quoniam huic impietati audet etiam
illud mendacium attexere, omnes uimirum veteres Doctores in hac sua
perversa opinione fuisse, hoc est non credidisse in Sancta Eucharistia
veram et realem praesentiam Corporis Christi: placuit Sanctae Synodo,
vel saltem aliquam partem ejusmodi veterum Patrum, sententiarum ac
testimoniorum in medium adducere, et lingua slauonica interpretari;
Ut et mendacia Buchiana palam fiant, et illi qui copiam librorum non
habent, aut Graece et Latine periti non essent, veterum Sanctorum Patrum
de hoc venerabili sacramento sententiam intelligant.
Doch erscheint als sehr wahrscheinlich, daß schon vor Bucics Tätig-
keit das nationale Schrifttum ein Werk hervorgebracht habe, und zwar
1) Herausgegeben in Monumenta bist, episcop. Zagrab. Vol. II von
J. B. Tkalcic.
2) Vgl. Catholica et christiana doctrina de vera & reali praesentia cor-
poris et sanguinis Christi Domini in Sancta Eucharistia a dioecesana synodo
almae Zagrabiensis Ecclesiae die VIII. Martii 1574 [contra Calvini asseclam
Michaelem Buchich] publicata, nunc vero . . . opera & studio E. P. Venantii
Glavina per notas additis etiam tribus corollariis illustrata, explieata, Zagra-
biae 1771 und (mit dem erneuerten Titelblatt) 1779.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 385
dürften dies tmolitvene knizice*^)^ welche auf Kosten Katarina Fran-
kopans, der Gemahlin Nikolaus Zrinski von Siget, im Jahre 1560 ge-
druckt waren, sein. Das Vorhandensein dieses gänzlich unbekannten
Büchleins verdanken wir einer Notiz des Jesuiten Baltazar Milovec in
der Widmung seines Dvoi dussni kinch (Wien, 1661), an Katarina Fran-
kopan, die Gemahlin des kroatischen Dichters Petar Zrinski, der sein
trauriges Ende in Wiener Neustadt am 30. April 1671 gefunden hat, wo
er sagt: Catharina P'rankopan onoga povfzeh narodeh glafznovitoga i
vekivechnoga fzpominka vrednoga viteza Szigetchoga Groffa Zrinfzkoga
Mikule zakonui tovarus, vaffega pak szvetloga gofzpocztva prededa Szti-
pana Frankopana szesztra leta 1560 bila ie vuchinila fzvoie i unogim
drugim duffam na duhovnu hranu ftampati molitvene knyficze, vu ko-
tereh bil-ie megy drugimi pobofnimi navuki i molitvami Marianfzki i
Mertvechki officium 2). Wir dürfen auch als sicher annehmen, daß dieses
Büchlein in keiner Weise von der Lehre der Reformation beeinflußt war,
da sich sonst Milovec in seiner Vorrede nicht auf die Notwendigkeit und
Nützlichkeit eines solchen Büchleins berufen hätte. Es ist daraus zu er-
sehen, daß schon in den Anlangen des kaj-Schrifttums die beiden reli-
giösen Richtungen vertreten waren.
Es erscheint als wahrscheinlich, daß in der weiteren Entwicklung
des kajkavischen Schrifttums die Übersetzung Pergosics des Verböczi-
schen Dekretoms einen wichtigen Wendepunkt bedeutet, es scheint, daß
sich unsere rihtari, die gewöhnlich aus den Kreisen heimischer Gewerbe-
treibenden gewählt wurden, nach der Erscheinung dieser Übersetzung
bewußt geworden sind, daß auch ihre gewöhnliche Umgangssprache für
die Behandlung juridischer Streitfälle geeignet ist. So dürfte es auf
keinem Zufall beruhen , daß z. B. die Gerichtsprotokolle der Stadt Kra-
pina gerade mit dem Jahre 1574, in welchem auch die oben genannte
Übersetzung gedruckt war, beginnen und außer den ersten zwei Blättern,
1) Vgl. auch Vienac 1882 S.7ff.
2) Milovec Dvojdusni kinc besteht aus »Prve knyge od szlusbe Mari-
anzke«, die auf S. 34 — 163 das »Officium B. D. Marie . . .« enthalten, und aus
»Druge knyge od oszlobogyenya vernih duss iz Purgatoriuma» mit dem »Of-
ficium za verne mertveh dusse« aufS. 4:(4 — 500. Ob also das »Marianszki i
Mertvechki officium« aus dem Buche vom Jahre 1560 und jene aus Milovec
Dvoj dusni kinc in welchem Zusammenhange stehen, können wir, solange das
Buch vom J. 1560 nicht bekannt wird, nicht sagen, wenn es auch wahrschein-
Jich erscheint.
Archiv für slavisclie Philologie. XXXV. 25
386 Fr. Fancev,
welche noch lateinisch beschrieben sind, weiter wir können sagen fast
ausschließlich Notizen in der Volkssprache enthalten. Daß das Dekre-
ten! den Schreibern jener Protokolle bekannt gewesen sein muß und von
ihnen auch benutzt wurde, beweisen uns einige Stellen in den Notizen
dieser Protokolle, wo man sich außer an die »varaske pravice« und
»obicaje« (vgl. ako je varaski obicaj J. 1575, Bl. 29b, poleg nase pur-
garske pravde, J. 1574, Bl. 30b, ovde je tako obicaj, J. 1574 Bl. 33, na
pravdu po obicaju, J. 1575, Bl. 52 a^ sto je suprot vseh nasoj pravici,
J. 1594, BL 56a, cim ima te vbog varas poleg svojih pravic ziveti,
J. 1594, Bl. 56b) auch auf das erwähnte Dekretom berief (wie z. B. zasto
tem zive orsag i v Dekretome tako stoji da sto gode jeden muski spol v
takvo dugovanje da ali prikaze poimene kako je ta moja juterna ali da
bi vse svite bile ali kakva koli marha da jega nitkor ne more vzeti . . .
J. 1574, Bl, 42a, i da to hoces deki-etomom posvedociti J. 1575, Bl. 49a,
kde je njemu ostavila i polag Dekretoma gde tako zove gde muz zenom
stece kakovogode imenje i marhu i prez testamentoma ako muz vmerje
na zenu ostaje . . . J. 1575, Bl. 49b, da nijeden sudec buduci nigdar
nemore na nikakovo imenje sehe poterdbe ali lista jemati pod svojim
imenom kako i v Dekretome tako stoji . . . J. 1576, Bl. 55a).
Da uns aus dieser Periode des kajkavischen Schrifttums außer Per-
gosic und Vramec, solange uns ein glücklicher Zufall kein Werk Bucics
oder die molitvene knizice aus dem Jahre 1560 in die Hände spielt,
nichts übrig geblieben ist, müssen wir die Spuren der Volkssprache auch
in solchen nicht ganz literarischen Dokumenten verfolgen. Somit glauben
wir berechtigt zu sein, auch die oben erwähnten Gerichtsprotokolle der
Stadt Krapina hier als ein Produkt des kaj -Schrifttums erwähnen zu
dürfen. Leider sind dem Beispiele der Stadt Krapina nicht einmal die
beiden Hauptstädte Zagreb und Varazdin gefolgt. Die ältesten Proto-
kolle der Stadt Varazdin, in die Jahre 1454 — 1463 fallend, unter den
Richtern (rihtar) Georg Kramaric und Matthias Pognar sind in der latei-
nischen und deutschen Sprache verfaßt, die ältesten Protokolle des
XVI. Jahrh. aus den Jahren 1587—1589, 1592—1602 bewahren außer
einigen kroatischen Glossen, zweier Inventare (aus 1587 u. 1601), einer
Reihe von Schwurformeln der städtischen Funktionäre aus 1596, dem
Vernehmen der Zeugen in der Untersuchung gegen Skrinaric und einer
anderen gegen Kuren aus 1587 — 1588, und einer Geldobligation über
240 Gulden aus 1588 noch ausschließlich die lateinische Sprache.
Wir wollen gleich hier betonen, daß zu dieser Zeit die ganze Be-
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 387
völkerung auch in dieser Stadt kroatisch war, was uns die Personennamen
und ihre noch lebende Bildung auf -ic beweisen i). Die Funktionäre des
Stadtsenates 2), der bürgerlichen Schule 3) und der Pfarrkirche*) nach
ihren kroatischen Namen waren alle Söhne des kroatischen Volkes und
doch wurden, den Aussagen Pergosics und Skrinarics gemäß, die ersten
Schrifsteller dieser Stadt, die es gewagt hatten die Volksprache zu ver-
wenden, es werden hier Pergosic und Vramec gemeint, eben deswegen
stark angefeindet.
Dem Volke genügten für seine literarischen Bedürfnisse das Volks-
lied und die Volkserzählung. Daß das Heldenlied auch bei den Kroaten be-
kannt war, wurde wiederholt bestätigt. Nach Kuripesic (1531), der aus-
drücklich sagt, daß von Malkosic, Pavlovic und Kobilovic »in crabaten« . . .
»vill lider gesungen werden«, verzeichnen das Heldenlied in Kroatien
auch Peter Zrinski und Georg Krizanic^).
Zur Bekämpfung des Einflusses der Volkspoesie hat Krajacevic
seine Kirchenlieder geschrieben, doch wie Gabr. Jurjevic so auch der-
selbe Krajacevic verlangen, daß ihre Texte nach den Weisen der be-
kanntesten Volkslieder gesungen werden. So will Krajacevic, daß seine
»Ave Maris Stella«, (Zdrava zvezda morzkä) »na notu Hranila devoyka
tri fzive fzokole. &c. «, »0 gloriofa Domina« (0 Ti Gozpa odicfena)
»na notu: Igralo kolo fiiroko. etc.«, »Zdrava budi Maria« »na notu:
pofzeal fzem bafulek, pofezal ^^ fzem draga lyuha^). etc.«, »Szmi-
luyfze mene o Bofe« »na notu: Lepomi poj'e cferni köfz. etc.« gesungen
werden; Jurjevic hat in seinem »Opomenek« auch einige Volkslieder ge-
nannt: Mogufze i popeuati vfze Hiftorie na notu Höre mite etc. Ali na
notu. Ovo vmira vete fzuet etc. Ali na drugu notu. Premilo tufita
1) Vgl. Vjesnik kr. hrv. slav. dalm. zem. ark. Band XIII S. 63.
2) Als rihtar waren am Ausgange des XVI. Jahrh. in Varazdin: 1587 — 8
Skrinariö, 1589 Antilovic, 1590 Leon Petrovic, 1591, 1594, 1600 Frario Svrzic
(Zwersich), 1592, 1597, 1599 Ivan Ruke], 1593 Mirko Ridanec.
3) Als magister scholae werden erwähnt: Skrinariö, Dragsiö, Cena-Kola-
ric, Predojevic.
*) Als Pfarrer oder Priester kommen vor: Sedinid, Simuniö, Vramec,
Kerben, Makar und Sturman und pop ©uro, Stiefvater von P. Bogac.
5) Jagiö, Grafla za slovinsku narodnu poeziju, in Rad, XXXVII.
6) Zu diesem Liede bemerkt Kuhac: Mi mozemo stoga popievke »Sadila
sambazulek«, >Lepo mi poje crni kos«, »Hranila djevojka tri siva sokola« i
»Igralo kolo siroko« — sa njekom sjegurnoscu prenieti u XV stoljece (vgl.
Juzno slovjenske narodne popievke ... III S. 127).
25*
388 Fr. Fancev,
dua Vugra mteza etc. Ali fze hote druge povolyneffe note izebrati, ali
sami zmifzliti. «
Wer unser Volk kennt, weiß, daß auch heutzutage jedes wichtigere
Ereignis im Dorf, im Lande bald sein Lied hat. Diese Gewohnheit ist
eher im Abnehmen als im Zunehmen begriffen. Wir wissen , wie viele
Spottlieder auf die Verschwörung Zrinski-Frankopan den Charakter der
Volkslieder angenommen haben. Ein solches Gedicht gab Kukulevic im
Auszug heraus; dasselbe Lied wurde vollinhaltlich auch in »Vjesnik kr.
hrv. slav. dalm. zem. arkiva« (Jahrg. XI, S. llOfi".) nach einer Hand-
schrift im Archiv der südslavischen Akademie in Zagreb veröffentlicht,
und wir finden es auch in einer Liedersammlung aus Drne (bei Kopriv-
nica) aus d. J. 1687 als Cantiones Georgii Scherbachich.
Außerdem wurden auch im kaj-Gebiete die Texte der bekannten
mittelalterlichen Literatur abgeschrieben und verbreitet. Jagici) hat schon
auf eine kajkavische Trojanersage aufmerksam gemacht. Wir haben
auch in einer Handschrift aus der gewesenen Chakathurner Bibliothek
des ungarischen Dichters Nikolaus Zrinski (Zriny)^) (f 1666) drei Stücke
dieser Literatur entdeckt, die bisher einem gewissen Joannes Derechkay
zugeschrieben wurden.
Diese Handschrift enthält die Sage vom weisen Akyrios, die Tro-
janersage und den Alexanderroman. Alle drei von derselben Hand ge-
schrieben. Die Überschriften der einzelnen Teile in der Handschrift
lauten: »Historia Alexanch'i Magni descripta anno domini 1621 in-
1) Vgl. Kukulevic Arkiv za povjestnicu jugoslavensku Bd. IX S. 149.
2) >Nach dem Tode Zrinyi's gelangte die Bibliothek in den Besitz seines
Sohnes Adam, der jedenfalls auch seinerseits zur Vermehrung der interes-
santen Sammlung beitrug. Adam fiel am Schlachtfelde von Zalankamen (Slan-
kamen) (19. Aug. 1691) und die Sammlungen kamen nun in den Besitz seiner
Witwe, der Gräfin Maria Katharina Lamberg. Gräfin Lamberg heiratete später
den Grafen Maximilian Ernst Wlassin, mit dessen Tochter Leopoldine die
Bücher- und Waffensammlung an die gräfliche Familie Dann in das Stamm-
schloß Vöttau gelangte.« (>Die Bibliothek des Dichters Nicolaus Zrinyi . . .<
Wien, 1893, S. IV— V.) Seit dem Jahre 1893 befindet sich dieselbe in der kgl.
Universitätsbibliothek zu Zagreb. Auf den Umwegen, die sie vor dem Ein-
treffen in das Vaterland ihres großen Gründers gemacht hat, wurden ihr Bücher
und Manuskripte, so unter anderen auch einige tschechische wie ein hand-
schriftlicher Kodex des Mister Jan Hus einverleibt , die sie ursprünglich nicht
besessen hat. Unsere Beschreibung dieses Kodex soll demnächst in Druck
erscheinen.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 389
cipiendo die 30 Decembris per me Joannem Derechkay possessorem huius
libri« (zum Schluß: »finita haec historia per me eundem ut supra vel in
initio die IG mensis Jannuarii anno domini 1622«), > Historia od Troie
kako zu gerczi Troiu uzeli zbogha Helene czezaricze sene Menelaufa
kralia Gerchkogha« (zum Schluß: Per me Joannem Derechkay anno
domini 1622 die 20 Jannuarii) und zuletzt ^Historia de sapientissimo
Achiore. Anno 1622« (zum Schluß: »Finis huius historiae anno domini
1622 die 22 Mensis Januarii«).
Wer dieser Joannes Derechkay ist, wissen wir bestimmt nicht, doch
wir vermuten, er könnte mit Joannes Derechkai identisch sein, der im
Jahre 1634 als ein Adeliger in Turopole erwähnt wird.
So steht es um das Schrifttum in Kroatien an der Schwelle des
XVII. Jahrh.
II.
Obwohl die neue Lehre im XVII. Jahrh. noch viele Anhänger in
Kroatien und hauptsächlich in beiden Hauptstädten Zagreb und Varazdin
gehabt hat, begnügten sich diese, insofern sie der Belehrung in der
Volkssprache benötigten, mit den "Werken der Tübinger Dalmatin- Istri-
anischen Tätigkeit und vielleicht jener Bucics. Sie selbst treten mit
keinem Werke mehr auf. Doch wie uns einige Nachrichten belehren,
hat sich auch in dieser Ruhe die neue Lehre immer neue Anhänger er-
worben. Da hat man sich entschlossen, auch nach Kroatien und vor
allem nach Zagreb den Jesuitenorden zu berufen ^). Wie uns der erste
Historiograph des Zagreber Jesuitenkollegiums berichtet, wurden die Be-
sprechungen mehrere Jahre gepflogen , bis sie zuletzt mit Erfolg beendet
wurden. Die Zagreber Jesuitenresidenz (seit dem J. 1612 Kollegium)
wurde im Jahre 1606 im November errichtet; ihre Gründer sind P. Jo-
annes Zanitius Sclavus Turociensis als Superior und P. Peti'us Vrago-
vitius (Vragovic), ein Sprößling der berühmten kroatischen adeligen
Familie Vragovic von Mariasovec aus Krizovlan »prope Vinicensem
agrum ad ipsam Dravi ripam«, als Concionator.
In der Geschichte der kroatischen Literatur wurde oft die Behaup-
tung wiederholt, der Jesuitenorden wäre hauptsächlich mit der Aufgabe,
1) Anläßlich eines Streites des Kollegiums mit dem Stadtsenat im Jahre
1638 schreibt Milovec: ». . . nee nos venisse huc iure obtento ingressu, sed
saepius invltatos et a senatui amicissime exceptos« (Historia Coli. s. J. S. 94).
390 Fr. Fancev,
der neuen Lehre und ihrem nationalen Schrifttum ^) entgegenzutreten, be-
traut worden. Was ihre Tätigkeit gegen die neue Lehre anbelangt, ist
die obige Behauptung vollkommen am Platze ; dafür finden wir in der
Geschichte des Zagreber Jesuitenkollegiums auch recht viele Beweise.
Was aber die Volkssprache anbelangt, könnte die obige Behauptung
einer eingehenden Prüfung nicht wiederstehen. Man muß vor allem nur
das bedenken, daß die Prediger (concionatores) von Anfang an nur Ein-
heimische waren: so Petar Vragovic 1606 — 1617, Ludovik Lucari aus
Spalato 1611—1621, Petar l^ubic 1622—1645, NikolaKrajacevic 1624
bis 1653, Matija Vernic 1629, Ivan Horvat 1631^ Luka Krajacic 1632,
Matija Vodopia aliter Kovacic aus Zagreb 1633, Nikola Turcin 1637,
Tomo Magdalenic 1639, Gaspar Radic 1639, Mihal äikuten 1641, Lovi-o
Chrysogogno aus Spalato 1643, Baltazar Milovec 1636 — 1678 usw.
Die Predigt selbst konnte ja auch dem Volke nur in seiner eigenen
Sprache gehalten werden.
Die Beredsamkeit wird auch als ein Teil des Schrifttums, ja sogar
der Literatur selbst betrachtet, dieses letzte besonders dann, wenn man
von der Beredsamkeit »Schönheit der Sprache, Schwung der Gedanken,
Schärfe der Charakteristik, Klarheit der Anordnung« verlangt.
Die Kanzelberedsamkeit der Jesuiten in der St. Markuskirche und
in der Umgebung muß ja schon seit den ersten Tagen in der Volks-
sprache gewesen sein. Unter den ersten Predigern werden einige aus-
drücklich als große Redner bezeichnet. Große Beredsamkeit schreibt
man dem ersten Sonn- und Feiertagsprediger P. Vragovic zu; als latei-
nischer Prediger zeichnete er sich in Olmütz (Olomucii ad academicam
iuventutem insigni cum laude latinas habebat conciones) aus, später
wirkte er als ungarischer Prediger in Sellyö in Oberungarn (qui magni
tunc concionatoris nomen etiam in Hungaria Selliae obtinuerat). Neben
ihm tritt bald als Kanzelredner in Zagreb und »in pagis vicinis« P. Lu-
kari, »vir magni zeli«, dessen Beredsamkeit auch gelobt wird und der
nach seinem Tode (f 1621 in Zagreb) im Volke als Heiliger (quod cives
1) So lesen wir bei Surmin: S isusoveima docte i drugi smjer u litera-
turu, a vec smo vidjeli, kako se upravo pod novim nastavnicima promijenio
smjer dusevnoga rada i u Dubrovniku. Razlika je samo ta, da su oni ovdje s
voljom gospode radili za latinski jezik, a u Dubrovniku nisu mogli sprijeciti
narodnoga rada (Povj. knjiz. 129 — 130). Mit Anerkennung schreibt über ihre
Verdienste für das nationale Schrifttum Smiciklas in seiner Povj. hrv. (vgl.
Bd. n, S. 262).
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 391
ob sanctitatis opiuionem ex capella S. Sebastian! transferri non permi-
serunt) verehrt wurde.
Doch hier wollen wir eine eigene Gattung der Beredsamkeit, welche
einen ganz besonderen Aufwand pathetischer und glanzvoller Diktion ge-
stattete, mit einigen Worten berühren. Dies sind die Lobreden und die
Leichen- oder Trauerreden.
Neben der Predigt begegnen wir schon seit den ersten Anfängen
den Lobreden und den Trauerreden, die die Jesuiten anläßlich der
Feierlichkeiten oder des Todes der großen Würdenträger gehalten haben,
und neben der lateinischen Sprache herrschte hier schon zeitlich die
kroatische. Nach unseren Quellen könnte die erste kroatische
Lobrede jene gewesen sein, die P. Lukari 1620 bei der Grundstein-
legung für die Kapuzinerkirche zu Ehren dieses Ordens dem Volke (ad
circumfusam multitudinem) gesprochen hat. Die erste kroatische
Trauerrede soll eine von den zweien (duplicique concione) auf Georg
Keglevic (f 1621 in Scta Cruce) gewesen sein. Neben den lateinischen
Trauerreden wurden auch die kroatischen 1639 auf den Banus Sigis-
mund Erdeödi (f in Klanec), 1655 auf Franz Keglevic (f in Pregrada),
1662 auf Georg Frankopan (f in Karlovac), 1669 auf den kommandieren-
den General Grafen Johann Herbert von Auersperg (f in Zagreb), 1690
auf den Banus Emerich Erdeödi (f in Zagreb) usw. gehalten.
Leider ist uns keine von diesen Eeden erhalten geblieben , darum
können wir über sie gar nichts sagen, es ist aber als sicher anzunehmen,
daß in diesen Reden die ganze Beredsamkeit hineingelegt wurde. Die
Redekunst der Jesuiten in der Volkssprache hat aber nur dann vollen
Beifall finden können, wenn die Sprache, in der die Reden gehalten
wurden, einen derartigen Grad der Vollkommenheit erreicht hatte, daß
die stilistischen und rhetorischen Feinheiten darin zur vollen Geltung
haben kommen können.
Schon gleich in den ersten Jahren aber treten die Jesuiten auch in
anderer Weise vor die Öffentlichkeit, die Volkssprache gebrauchend.
So lesen wir in einer Notiz, daß die Zöglinge des Zagreber Jesuiten-
kollegiums bei der Fronleichnamfeier im Jahre 1614 kroatische Kirchen-
lieder — recitata a nostris etiam scholaribus carmina jiatrio sermone
ad stationes in processione hac — gesungen haben.
In die Jahre 1621 — 1623 fallen sicher schon die ersten Anfänge
der literarischen Tätigkeit Krajacevics ; das sind seine bekannten Kirchen-
lieder, die er in den Jahren 1621 — 1623 während seiner Missio in Tka-
392 Fr. Fancev,
lec (bei Kri^evci) gedichtet hat mit der Absicht, durch diese Liedei- —
carminis patrio sermone compodtis — seinen Schülern die recht-
gläubige Lehre mundgerechter zu machen.
Eine Nachricht in der Geschichte des Zagreber Kolleginras ') könnte
als Beleg dafür gelten, daß die der Landessprache unkundigen Fremden
gar nicht beliebt waren. So schreibt der erste Historiograph im Nekro-
loge des Paters Nicolaus Coronius, eines Schlesiers (1617): »Etsi vero
esset externus, utpote eSilesia oriundus, wec idiomatis aclavonici gnarua^
religiosae tarnen prudentiae commendatio charum eum fecerat«.
Obwohl die Organisation des Jesuitenordens eine internationale ist,
und gemäß ihrer »Ratio seu institutio studiorum Societatis Jesu« die
lateinische Sprache ausdrücklich in Schutz gegen jedes Übergreifen der
Volkssprachen genommen wurde, konnten sich die Kollegien dem An-
dränge und dem Bedürfnisse der Volkssprache nicht ganz verschließen.
Man sieht dies schon daraus, daß immer darauf Bedacht genommen
wurde, die Kollegien womöglich mit Einheimischen zu besetzen. So war
es auch bei uns. Im zweiten Kalenderjahre (1607) des Bestehens der
Zagreber Jesuitenresidenz begegnen wir nur einem Kroaten, von den
fünf übrigen waren aber drei Cechen (Slovaken), d. h. P. Martinus Sla-
binus Bohemus, Joannes Zanitius Sclavus Turociensis und Leonardus
Pressol Slavus Turociensis. Und trotzdem trachteten die Patres bei ihrer
ersten Vorstellung wenigstens das Sujet den Landesgebräuchen zu ent-
nehmen. Über die Vorstellung berichtet uns die »Historia Collegii Soci-
etatis Jesu in monte Graeco Zagrabiae siti« folgendes: Horum omnium
ut profectus in literis esset illustrior, possetque clarius declarari quan-
tum sclavonica Juventus posset, si Magistrum sortiretur gnavum ac
prudenter industrium, placuit Magistris ipso corporis Christi die pericu-
Inm facere eosque utcunque jam exercitos in theatrum producere. Ac-
tionis comicae argumentum fuit: Poeiica laudatio varianwi Sclavoniae
p)artium earumque omnium expressio ^ quae in singulis earum partim
in fructibus partim in moribus, eminerent essentque cuius propria. Res
1) Die Geschichte des Zagreber Jesuitenkollegiums ist in der »Historia
Collegii Societatis Jesu in monte graeco Zagrabiae siti« beschrieben worden;
sie wird in der kgl. ungar. Universitätsbibliothek zu Budapest unter der Sig-
natur Ab 1301 (1006—1726) & II (1727—1772) aufbewahrt.— Wir haben in
einem Auszug für die >Starine< der südslav. Akademie aus ihr hauptsächlich
solche Notizen gesammelt, die die kulturelle Tätigkeit desselben Kollegiums
beleuchten sollen.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 393
haec etsi uon babuerit omnes numeros actionis comicae, uti solet in priii-
cipiis evenire, nihilomiuus quia bactenus invisa res et insolens fait, tau-
tum meruit plausumt ut forum S. Marci quod alias sat pro hoc loco capax
est accurrentium multitudinem vix capere potuerit« i).
Im dritten Kalenderjahre kommen neben Vragovic noch zwei Kro-
aten, einer aus Spalato namens Ludovik Lukari und ein anderer aus
Zagreb namens Ivan Mislenovic vor und in den weiteren Jahren sind die
Kroaten immer in der Überzahl gewesen.
Wenn auch diese wenigen Bemerkungen noch als kein Beweis für
eine besondere Liebe zur nationalen Sprache gelten können, sind wir
1) Sichere Daten, daß vor dem Jahre 1766, in welchem Cyrus (suprema
grammatices classis in fine anni scholastici croatico sermone Cyrum in solium
evocavit non modo populo verum etiam nobilitate, quae copiosa affluxerat et
actionis venustatem et patrii sermonis elegantiam et inauditara svavitatem
admirante) in der Volkssprache aufgeführt wurde, die kroatischen Dramen
im Zagreber Jesuitenkollegium aufgeführt wurden, haben wir nicht; in den
späteren Jahren wurden noch in der Volkssprache aufgeführt im Jahre 1768
Codrus und der bekannte Li/simacJtus (Suprema grammatices classis in anni
scholastici exitu, dum bene meritorum nomina promulgarentur, Codrum lingua
patria; eodem parifer idininate, Media Lysvuachum) und im Jahre 1770 ^Titi
dementia^ (. . annum denique clausit applaudente theatro lingua patria Titi
clementia). {Über die Jesuiten Vorstellungen in Zagreb vergl. Vienac 1897
S. 375 und Rad 146 S. 1 ff.)
Die Patres des Zagreber Kollegiums veranstalteten bei ihren Missionen
in Karlovac auch die Vorstellungen, da die Sprache, in der aufgeführt wurde,
nicht erwähnt wird, so wird die lateinische gemeint. So wurde dort 1647
Isaac (Sacro die Parasceves productum in publicum theatrum spectaculum il-
lic locorum numquam antea visum; fuit illud Isaac novi testamenti Christus
ex mandato patris iussus aram conscendere, tantis lacrimis et gemitibus spec-
tatum, ut nisi qui vidit vix credere possit), 1648 Se/ uaior mit dem Prolog in
der kroatischen Volkssprache (Die qua patientis Christi memoria recolitur, da-
tus in scenam innumerae spectatorum multitudini idem Servator vivus in cruce
pendens Matris et coelituum lacrimis deploratus, a solo peccatore illusus, ir-
risus, vim lacrimarum tantam in ipsis illustrissimis viris et heroibus excivit,
ut palam dixerint se ne parentum charorumque mortem tot lacrimis deflevisse.
Debuerunt versus lingua vernacula in proscenio rccitati describi et divulgari
quo teueriores affectus renovarent et foverent) aufgeführt.
Doch wie das Sujet der ersten Vorstellung nach den Landesgebräuchen,
wurden auch sonst die Dramen aus der einheimischen Geschichte bearbeitet, so
Thuroczy (1615), Cech und Lech (1702), SissieJisis victoria 1593 (1717), Joh.
Braskovic {1132), Nicolaus Zrinius Szigeth{n4Q], Thomas Nadasdi, derTürken-
besieger bei Jasenovac (176^) usw.
394 Fr. Fancev,
doch berechtigt anzunehmen, daß ihre eventuelle Feindschaft dieser
Volkssprache gegenüber ihrer Verwendung nicht Abbruch tat. Dies
wird ja noch erklärlicher, wenn man in Betracht zieht, daß es selbst zur
Belehrung der Geistlichkeit notwendig war, die Volkssprache zu bentitzen,
wie es diese Notiz befKrajacevic beweist: Duhovnem takajse pashrom
(tak mi se cini) da hote biti ove knige na potreboöu onem poimene ki
vu dijadkom Jezike nesu gluboko gazili tiiti se vu svetom pisme vnogo
potili. Auch bei der diözesanischen Synode vom Jahre 1634 wurde die
Geistlichkeit von einem Jesuiten über das Thema »de sacerdotii digni-
tate« t>vulgari idiomatei- belehrt.
Zieht man ferner in Betracht, daß die erste Hälfte des XVII. Jahrh.
fast keinen anderen Schriftsteller ^) in der Volkssprache als den Jesuiten
Krajacevic-Sartorius kennt, und in der zweiten Hälfte desselben Jahr-
hunderts vor allem die, die nationale Sprache besonders pöegten, Milovec
und Habdelic zu nennen sind, wenn wir weiter zu diesen noch einige er-
wähnen, von denen man Nachrichten hat, daß sie auch ihre Werke in
der Volkssprache geschrieben und im Drucke herausgegeben haben, ob-
wohl wir diese Werke zurzeit noch nicht kennen, und zwar sind dies
Petar Lubic (nach Kukulevic, Sommervogel usw.), Andrija Makar und
Nikola Galovic und einer, der dem Namen nach nicht erwähnt wird, aber
dem wir Übersetzung des »Szobottni kinch blasene devicze Marie« (aus
dem ungarischen Original »Az Boldogsagos szüz Maria Szombattya«
Paul Esterhazis) erschienen in Zagreb 1696, welche bis jetzt der Gräfin
Maria Magdalena Nadasdi-Draskovic zugeschrieben wurde, verdanken,
verliert die obige Behauptung von der Feindschaft der Jesuiten dem
nationalen Schrifttum gegenüber um so mehr an Wahrscheinlichkeit.
Die Stellungnahme der Jesuiten zum nationalen Schrifttum war schon
durch die vorbereitende Tätigkeit der Paulinermönche, die schon vor dem
Auftreten der Jesuiten in einem günstigen Sinne der nationalen Sprache
und Kultur gegenüberstanden, bedingt und nur so ist es zu erklären, daß
1) Zu Ende der ersten Hälfte des XVII. Jabih. tritt neben Krajacevic
noch Juraj Eatkaj mit der Übersetzung der »Kriposti Ferdinanda II.« des
Jesuiten Lamormain (Wien, 1640) auf. Wenn er zu dieser Zeit schon Welt-
priester war, war er doch noch unmittelbar vor dem Jesuit, war auch mit P.
Habdelic befreundet, mit welchem er auch zu gleicher Zeit (um das Jahr 16.35)
zum Studium in Graz war. Juraj Eatkaj lehrte am Zagreber Kollegium im
Jahre 16H7 die Principia.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 395
die Jesuiten die beliebten Paulinermöncbe mit der Zeit ganz in den Hin-
tergrund gedrängt hatten i).
Damit schließen wir diese allgemeinen Betrachtungen, die die her-
kömmliche Ansicht über den schädlichen Einfluß der Jesuiten auf die
Entwicklung des nationalen Schrifttums berichtigen sollten, und gehen
auf einige Einzelheiten über, die ihre diesbezügliche Tätigkeit näher
beleuchten sollen.
Beginnen wir mit P. Nikolaus Sartorius, denn nur unter diesem
Namen wird er immer in der >Historia Collegii Soc. J. in monte Graeco
Zagrabiae siti« genannt, erst Milorec und Habdelic haben seinen kro-
atischen Familiennamen Miklovus Krajacevic in Gebrauch gesetzt.
Sein Leben nahm einen anderen Lauf, als man dies aus der Darstellung
bei Kukulevic entnehmen würde. In der Jugend wählte er wahrschein-
lich als Sohn eines Grenzervojvoden namens Vuk Krajacevic (lebte noch
um das Jahr 1610)2) selbst die militärische Laufbahn — »in iuventute
miles« schreibt Milovec im Elogium Krajacevics — ; doch bald hat er
von ihr Abschied genommen, um sich dem geistlichen Stande zu widmen.
Daß er hier bald zu Ansehen kam, dürfen wir aus der Tatsache schließen,
daß wir ihn schon im Jahre 1614 als Domherrn und Archidiakonus
Chazmensis des Zagreber Kapitels vorfinden. Er gab jedoch diese seine
Weltpriesterwtirde am 27. März 1615 3) auf, um sich nach Brunn zu be-
geben, wo er sein zweijähriges Noviziat (1616 — 1617) verbrachte. Im
J. 1618 begegnen wir ihm im Zagreber Jesuitenkollegium als Operarius,
1619 als Procurator; 1620 ist er »ad tertium probationis annum« nach
Eberndorf gegangen. 1621 — 1623 wirkt er als Missionar in Tkalec (bei
Krizevci), 1624^)— 1630, 1632—1634 in Zagreb als Concionator, Con-
sultor und Praeses congregationis civicae, 1631 Rector; 1634 — 1636 war
er Superior der im J. 1633 gegründeten Residenz in Varazdin. In den
1) Vgl. Smiciklas Pov. Hrv. IL 261 ff.
2) Vgl. Lopasic Spomenici hrv. krajine IL 15 (in >Monum. spect. histor.
Slav. meridion.< XVI).
3) Vgl. außer in Histor. coUeg. J. J. Zagr. auch Marcellovich Extractus
dipl. Croat. in d. kgl. Universitätsbibl. zu Zagreb (SM. 31 C 4) unter den Jahren
1614 und 1615.
4) Zu dieser Zeit besuchte er auch die Rechtsschule Balth. Dvornicic
Napulys in Zagreb (vgl. Scriptorum . . . collectio, S. 37, Kukulevic Knjizev-
nici . . . S. 299, Klaic in Hrv. Kolo, Kn. VII [1912] S. 7).
396 Fr. Fancev,
Jahren 1637 — 1641 hat er sich wahrscheinlich in Preßburg (Pozsony)
aufgehalten, da in diesen Jahren (1639 und 1640) seine Werke dort ge-
druckt wurden; in einem von diesen Jahren oder im J. 1651 war er der
illyrische Seelsorger (poenitentiarius) in Rom. In den J, 1642 — 1643
war er zum zweiten Male Rektor. Von dem J. 1644 an bis zu seinem
Tode (9. März 1653), ausgenommen das J. 1651, bekleidete er noch die
folgenden Würden im Zagreber Kollegium: Confessarius, Consultor,
Monitor, Praefectus Spiritus und Vicerector (1649 — 1650).
Nicht ganz richtig waren wir bis jetzt über seine literarische Tätig-
keit unterrichtet. Sein erstes Werk erschien im Druck jedenfalls noch
während der Lebzeiten des Zagreber Bischofs Petar Domitrovic (f 17. Juni
1628), wie dies ausdrücklich einige Stellen in seinen Molitvene knyisicze
(Posonii 1640) und in Szveti Evangeliomi (Graz 1651) beweisen. Im
Vorwort zu seinen Molitvene Knyisicze (S. 6a) lesen wir folgendes: »i
kak je je negda negdasui blazenoga spomenka gosp. Peter Domitrovic
biskup zagrebecki bil vcinil preobrnuti i po tnene dopustil vu prveh
slovenskeh knizicah Hampati: i (kak mi se cini) vu svojem biskupskom
spravisce zapovedal plebanusem pred luctvo davati . . . « ; dieselbe Be-
hauptung wiederholt er auch im Vorwort zu Sveti evangeliomi (S. bib):
»i po negdasnem (blazenoga spomenka) Petre Domitrovice zagrebeckom
biskupe obcinene i stampum potvrdene«. Dieses sein Werk ist demnach
jedenfalls vor das Jahr 1628 anzusetzen.
Über die Entstehung seiner Kirchenlieder, durch die er die Volks-
lieder zu verdrängen bedacht war, wußte man bis jetzt gar nichts. Ihre
Entstehung fällt nämlich in die Zeit seiner Missionstätigkeit in Tkalec in
die Jahre 1621 — 1623, wie uns diesbezüglich eine Notiz in der oben-
genannten »Historia« über die »Missio Calecensis« unterrichtet. Dort
lesen wir unter anderem folgendes : Huc, ubi nostros delatos fama vulga-
vit, certatim ex vicinis pagis accursus coepit fieri ad divini verbi pabu-
lum, edocti sunt orationem dominicam, salutationem angelicam, symbolum
fidei, praecepta decalogi etc., quod, ut commodius iieret, cantilenis in
patrio sermone compositis propinabatur rudi plebi: personabant ijs postea
sylvae et campi, rustico ad aratrum, vinicola ad ligonem pios versus sibi
modulante, parvulis senes docentibus ad lachrymas, quod eorum discipuli
esse cogerentur, quorum praeceptores eos esse oportuerat, pudebat enim
603 tam ignorantis senectutis, nee mirum fuit, quod prima nescientes
rudimenta crucem facere, decalogum recitare etc. reliqua etiam ut rosaria,
sacras icones, agnos cereos, lustralem aquam etc. velut crepundia infan-
Einige Bemerkungen zur Geschiebte d. Schrifttums in Kroatien. 397
tium aut deriserint aut contempserint: festis vero diebus servilia opera
exercere, aut divina negligere, detrahere, maledicere, pejerare, furari,
praedari, fornicari, inebriari etc. bis affinia nee materiam confessionis
aestimarint, solum ea vitia arbitrantes, a quibus ipsa abhorret natura«
(S. 58).
Diese Kirchenlieder sind enthalten in den »Molitvene knyisicze«
(Posonii 1640) S. 373—490, und in »Szveti Evangeliomi« (Graz 1651)
S. 187—237.
Sein zweites Werk sollte »Manuale sodalitatis«, gedruckt in Pozsony
1639, gewesen sein, wie dies SotweH) zum ersten Male erwähnt; diese
Behauptung gewinnt an Wahrscheinlichkeit dadurch, daß er mehrere
Jahre (1625 — 1633) als »praeses sodalitatis civicae« wirkte.
Sein drittes Werk sind die -»Molitvene Knyisicze. \ Vszem | Chri-
stusevem \ V^rnem Szlovenzkoga | Jezika, priztoyne i | , hasznovite. |
Z- Dopuscsenjem \ Görnyeh, drugocs obilnöh | pifzane, i ftam|pane. j
Vu Posone, | Na j M.DC.XL. | Leto.«, gegenwärtig nur in einem defekt
erhaltenen Exemplar in der Bibliothek der südslavischeu Akademie zu
Zagreb bekannt. Wie aus dem Titel zu ersehen ist, ist dieses Gebetbuch
als neue (zweite) erweiterte Auflage (drugoc obilne pisane) jenes ersten
vor dem Jahre 1628 gedruckten »slovenischen« Büchleins (vu perveh slo-
venskeh knizicah) zu betrachten.
Als sein viertes Werk gelten nach den Resultaten der Forschung
Hajnals^) die »Szveti evangeliomi, koterimi szveta czirkva zagrebecska
szlovenska okolu godifcsa, po Nedelye te Szvetke five . . . Vu Nemshom
Gradcze 1651, die man dem Bischof von Zagreb Petar Petretic zuge-
schrieben hat.
Im Jahre 1657, wo Krajacevic nicht mehr am Leben war, gab
P. Baltazar Milovec dieselben »Molitvene knyisicze« noch einmal heraus.
»Imas potlam cele knizice, (gde vu cetrtom delu naides modus blizne k
smrti priprave) pune lepimi navuki, poboznimi molitvami k vsakomu vre-
menu prilicnemi cirkvenemi litaniami i popevkami. Negda pokojnoga
P. Miklovusa Krajacevica, Redovnika reda Jezuitanskoga trudom spra-
vljene i stampane, a vezda znovic na hasen slovenskoga naroda pod
stampom skupa z ovem sto je pridano slozene«. (Vorwort).
1) Vgl. seine Fortsetzung von Alegambes Bibliotheca scriptorum soc.
Jesu . . . Romae, 1676. Nach ihm dann Czvittinger. Horanyi usw.
2) Vgl. Archiv f. sl. Phil. Bd. XXVIII, S. 3 15 ff.
398 Fr. Fancev,
Die Arbeit Krajacevics setzte P. Balfazar 31ilovec fort. In unseren
Literaturdarstellungen wie auch bei Stöger, De Backer, Sommervogel ist
er ganz unbekannt geblieben. Geboren war er in der Murinsel wahr-
scheinlich in den ersten Jahren des XVII. Jahrh. Aus seinem Leben
können wir folgendes anführen. Um das Jahr 1630 war er za Studien-
zwecken in Tyrnau (vgl. Hoc continuator Historiae oculatus testis dum
anno eodem (1630) Tyrnaviae doceret a primis Patribus et ab ipsomet
Patre Dobronoki, cum quo erat coniunctissimus . . .), in diese Zeit fällt
wahrscheinlich sein philosophisches Triennium. Im Zagreber Kollegium
erscheint er zum ersten Male im Jahre 1635 als Magister und lehrte 1635
die Principia, 1636 die Syntasis. In die Zeit 1637 — 1642 fällt jeden-
falls sein theologisches Quadriennium, wo er es besuchte, wissen wir
nicht. Nach der Absolvierung der theologischen Studien lehrte er im
Jahre 1643 als Pater die Poetik an der Jesuitenresidenz in Soprony. Im
Jahre 1646 erscheint er zum zweiten Male in Zagreb als »Concionator
festivus*. Neben der Würde des Predigers bekleidete er in dieser Zeit
bis zum Jahre 1652 noch die Würden: Praeses congregationis civicae,
scholarum praefectus, außerdem Confessarius und Consultor. Im Jahre
1653 mußte er vor der Verfolgung des Zagreber Stadtrichters, dessen
Frau er in einer Predigt in der Pfarrkirche des heiligen Markus in die
Verbindung mit den Zaubereien in Radkersburg in der Steiermarkt ge-
bracht hat, die Stadt Zagreb verlassen. Doch in diese seine Verbannung
ist Milovec freiwillig (amans quietis a Superioribus abitum expetiit) ge-
gangen. Die Jahre 1654 — 1655 verbrachte er in der Missio Nadas-
diana d.h. Franz Nadasdi, nach seiner Bekehrung im Jahre 1643 gründete
er an seinem Hofe eine »missio Nadasdiana«, zu der die Jesuitenresidenz
in Soprony immer zwei Patres ausgesendet hat.
Doch der Stadtrichter und die beleidigten > Wahrsagerinnen« ver-
breiteten aus Rache über unseren guten Milovec die schrecklichsten
Sachen »expulsum in Bohemiam, jam carceri inclusum, jam a Societate
dimissum«. Doch dies genügte dem Stadtrichter nicht, er fand auch
andere Märchen erzählend »qualiter concionator (d. i. Milovec) ex Aula
Magnatis primarii, apud quem in Hungaria morabatur, cum ignominia ad
tubas et tympana fuerit expulsus«. Milovec suchte Schutz bei Nadasdi,
der ihm auch reichlich zuteil wurde. Nadasdi ließ nämlich den Stadt-
richter, der sich zu dieser Zeit als Ablegat für die Comitia in Pozsony
aufhielt, durch den Pozsony er judex nobilium »in hospitio« fangen und
gleich nachher auch in den Arrest (in publicum carcerem) einsperren.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 399
Dem Stadtrichter gelang es jedoch sich zu befreien und nach Zagreb zu
flüchten. Doch auch dort folgt ihm der Verfolgungsbrief Nadasdis, »in
quibus exigebat tam foedum Aulae suae denigratorem sibi ad iudicium
sisti, secus se vigore sui officii processurum, contra civitatem«, und erst
auf Einspruch des Zagreber Kollegiums und seines Rektors, des Provin-
zais »qui tunc in secunda aderat CoUegii visitatione«, und Milovecs selbst,
bei denen der Stadtrichter um Gnade flehte, indem er alle seine Verleum-
dungen gegen Milovec (fatetur se totius imposturae authorem esse, depre-
catur, implorat auxilium apud Curiae judicem. Advocato concionatori
flexis deprecatur genibus promissit omnem afi"ectum) zurückzog, konnte
er sich der strafenden Hand Nadasdis »ea tarnen conditione, ut coram
senatu excuset factum suum« erretten.
Milovec wurde bei seiner Rückkehr nach Zagreb im Jahre 1655, ob-
wohl ihm von verschiedenen Seiten sogar mit Steinigung gedroht wurde,
in der feierlichsten Weise in der St. Markuskirche empfangen. Milovec
hat selbst diesen ersten Empfang in »Historia collegii« beschrieben:
Nihilotamen minus data syncera informatione, concionator ab externis
animatus et confisus Deo populique pristino afi'ectui, prodijt; et ecce tibi
lapides illi conversi in amplexus, salutationes, lacrimas gratulantium sibi
et concionatori per plateas et forum obviantium utriusque sexus homi-
num. Invenit ille in ecclesia tantam populi multitudinem, quantam ibi
nunquam viderat antea. Dixit ad lacrimas, quibus profusos dimisit
auditores Deoque gratias agentes de recepto totque votis expetito con-
cionatore.
Seit dem Jahre 1655 war er, ausgenommen die Jahre 1663, 1666
bis 1668, 1675 und 1677, die ganze Zeit bis zu seinem Tode in Zagreb,
die folgenden Würden innehabend: concinator dominicalis, festivus und
matutinus, minister, regens Seminarii, praeses congregationis S. Isidori
und sodalitatis Agoniae, praefectus terapli, corrector lectorum mensae,
consultor, procurator, confessarius, operarius und seit dem Jahre 1670
noch historicus collegii. Von den Jahren, die er nicht in Zagreb war,
wissen wir nur, daß er im Jahre 1663 zum zweitenmal in der Mission
bei Nadasdi war, doch weil die noch im selben Jahre »inter turbas
Patriae« aufgelöst wurde, wurde Milovec zuerst ad procuratorium (nach
Soprony), demum ad Zagrabiense seminarium regendum dispositus.
Er ist gestorben in Zagreb am 17. Jänner 1678,
In seinem Elogium lesen wir über seine literarische Tätigkeit folgen-
des: Nee minorem curam habuit in adornanda anima sua et alterna eins
400 Fr. Fancev,
Salute procuranda , dum conscriptis projjria manu lihellis aliquibus,
quid sibi expediret, factum fuisse in morte, ut in eo vita durante se quoti-
die exerceret.
Wieviel uns bekannt ist, tritt er in der Geschichte unseres Schrift-
tums zum ersten Male im Jahre 1G57 mit der erneuerten Ausgabe der
Molitvene knizice »Negda pokojnoga P. Miklovusa Krajacevica . . . tru-
dom spravlene i stampane, a vezda znovic na haseu slovenskoga naroda
pod stampum z ovem sto je pridano slozene« auf.
Sein zweites Werk »Dcoi Dussni Kinch jeden Vernim fivim, K-
fzrechnomu preminku, Na duhovni fztrofek. Drugi Vernim mertveh
Dufsam na odkup Iz vnogih pobofnih knyg fzkupa fzpraulyen , . . Stam-
pan vu Bechu, Pri Mattheu Cosmeroviu Stamparu, Leta 1661« widmete
er »Svetle, visoko i dobrorodene gospe, gospe, grof Ane Katarine od
Frankopanov, vekivecne grofine od Trsata, svetloga, zmoznoga, visoko
i dobrorodenoga viteskoga gospodina, gospodina Petra Zrinskoga veki-
vecnoga grofa od Zriiia, cesarove i kraleve svetlosti komornika i tana-
cnika, zumburskoga i ogulinskoga velikoga kapitana, hrvatcke i primorske
kraine vicegenerala, zakonomu tovarusu. «
Von den anonym erschienenen Jesuitendrucken wären wir geneigt,
die folgenden zwei : »Pobosnozt vsakdanya za bratovchinu pod imenom
muke i szmerti Jesusseve, za szrechnu, i dobru szmert, vu zagrebechke
Jesuitaufzke Sz. Katharine czirkve; oblafztjum Sz. Otcza Pape Innocen-
tiutfa Defzetoga, a Dopufchenyem Vifzoko Poftuvanoga Gofzpodina,
G.Petra Petreticha, Sz. Zagrebechke Czirkve Biskupa, podignyenu« (ge-
druckt in Graz 1670) und »Pobosne Molitve, Iz Vnogeh Molitveneh Knyig
Izebrane, Vszem Pobosnem I Boga boiechem Dussam Kruto Hasznovite. . .
Stampane v Bechu, Pri Janussu Christofu Cosmeroviussu . . . 1678«
Milovec zuzuschreiben.
Die »Poboznost vsakdasiia« hat mit den Molitvene knizice Krajece-
vics, die nach dem Tode Krajacevics 1657 Milovec neu herausgab, den
»Navuk, vu kom se zapirajn navuki beteznem ludem potrebni« gemein.
Er war auch längere Zeit Praeses sodalitatis Agoniae. Die »Pobozne mo-
litve«, die auch der Sodalitas Agoniae bestimmt sind, schrieb Milovec
die Tradition zu. Nur auf diese Weise wird uns die Stelle aus dem
Elogium conscrijHis propria manu lihellis aliquihus erklärlich.
Seine erste uns bekannte Arbeit überhaupt fällt aber schon in das
Jahr 1631. Dies sind die ersten 31 Blätter des »Tomus I & II ordina-
tionum CoUegij Zagrabiensis« im Folio-Manuskript erhalten und in der
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 401
kgl. Universitätsbibliothek zu Zagreb unter der Sign. SM. 31. C. 6 auf-
bewahrt. Als seine interessanteste Arbeit betrachten wir seine »Historia
coUegii S. J. «: Milovec ist nämlich der erste, der 1670 die Stelle eines
Historiographen im Zagreber Kollegium (historicus collegii oder historicus
domus genannt) bezogen hat. Anlaß zu dieser Wahl gab das »Memo-
riale datum post Congregationem toti Provinciae anno 1669, in welchem
die letzte Anordnung so lautet »Historia collegij ubique conscribatur«.
Als erster hat angefangen die »Historia Collegii Societatis Jesus, in
monte Graeco Zagrabiae siti, quae, cum fastis personarum simul ac offi-
ciorum ejusdem Collegii, a primis adventus nostri in haue urbem diebus,
in posterorum instructionem et consolationem accuratissime coepta est in
hanc librum referri Anno salutis nostrae 1628, 18 Februarij« zu schrei-
ben P. Krajacevic, doch wahrscheinlicher P. Georg Dobronoki, und er
führte sie bis zum Jahre 1621, seine Arbeit wollte im J. 1655 Habdelic
fortsetzen, hat aber nur die Begebenheiten eines Jahres (1622) mit allen
Eigentümlichkeiten seiner Schreibweise eingetragen. Ihm folgte im J.
1670 Milovec, der durch sieben Jahre (1670 — 1676) die Historia bis
zum Jahre 1673 geführt hat.
Hier wollen wir einiges über Milovec als Geschichtsschreiber
Milovec' Neigung zu historischen Betrachtungen offenbarte sich
schon in seinem Dvoj dusni kinc, wo er in der Widmung an Katarina
Frankopan-Zrinska in der bekannten Weise die römische Abstammung
des Frankopanschen Hauses auseinandergelegt hat. Dieser historische
Zug Milovec' kommt in der Historia collegii Soc. Jes. Zagrab. noch stär-
ker zum Ausdruck. Er füllt seine Historia nicht nur mit den Taten und
Festlichkeiten des Kollegiums selbst aus, sondern er greift mit vollen Hän-
den auch in die Ereignisse seiner Zeit ohne Rücksicht, ob sie in welchem
Verhältnisse zum Kollegium stehen oder nicht. So hat er in seiner
Historia immer einige Zeilen anläßlich des Todes großer Würdenträger
wie Thomas Erdeodi (»bis totius Illyrici Praetor, Hasani tyrani sangvine
purpuratus eiectoque paganorum praesidio e Petrinia inclytus « (f 1624),
Georg Zrinski (f 1627), Sigismund Erdeodi (f 1639), Nikolaus Franko-
pan (f 1647), Wolffgang Erdeodi (»aTurcis ad Canisam cum multis aliis
de flore nobilitatis die 24Maij interempto«, f 1647), Lukas Smolcic (»vir
literatus jurisque patrii peritissimus« (f 1648), Thomas Mikulic (f 3 Juli
1649), Franz Keglevic (f 1655), Johann Rucic (f 1660), Johann Vojko-
vic von Klokoce (»ex vetustissima ille croaticae nobilitatis prosapia miles
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 26
402 Fr. Fancev,
fama inclitus«, f 1661), Georg Frankopan (»ex vetustissima Aniciorum
Romanorum familia«, f 1662), Nikolaus Erdeodi (f 1663), Sigismund
Mrnavcevic (»ultimus ex vetustissimae Marniavarum Principum olim de
Zvonik in Bosnia familiae, quae adhuc a gentilitate trahens originem ab
idolo Marna nomen sortita, etiam reges dedit Bosniae, Vukasinum enim
Marnavam nonum per ascensum, horum duorum avum regem Bosniae
fuisse tradunt Annales Illyricae«, f 1663), Nikolaus Zrinski (f 1666),
Johann Zakmardi von Diankovec (f 1667), Johann Herbart von Auers-
perg (»confiniorum Croatiae supremus generalis, vir etsi vitae liberioris
uti mos est militum, cor tarnen syncerum et ab omni malignitatis feile
alienum habens«, f 1669) usw.
Milovec ist einer der Seltenen bei uns, die über die bekannte Ver-
schwörung aus den Jahren 1670 — 1671 ein Urteil gefällt haben. Dieses
Urteil ist um so interessanter, da wir wissen, daß Milovec ebenso mit
Petar Zrinski und seiner Frau Katarina, welcher er auch seinen Dvoj
dusni kinc widmete, wie auch mit Franz Nadasdi, an dessen Hofe er
einige Jahre als Missionar weilte, befreundet war. Es sind zwar schon
einige Lieder bekannt, die in Kroatien von Hand zu Hand gingen, worin
man über P. Zrinski, seinen Schwager Franz Frankopan, aber besonders
über Katarina spöttelte. Das Urteil Milovecs ist auch in keiner Weise
günstig und am wenigsten für Katarina. Ungünstig schildert Milovec in
seiner Historia Katarina und ihren Bruder Franz schon anläßlich des
Streites mit der Stadt Zagreb in den Jahren 1661, 1662 und 1665, wo
er Ausdrücke gebraucht hat wie: »fastuosa postulatio comitissae Zrinia-
nae«, »Frangepanici et Zriniani satrapae« , »furorem mulieris«, »mulier
cholerica et tunc temporis vix sibi praesens«, >Videns domina sui impo-
tens suae litis fundamentum ruisse, totum furorem contra Patrem tulit«,
»foemineum furorem pro mercede recepit« usw. In der Schilderung der
Verschwörung gebraucht er keinen solchen Ausdruck, er findet sogar
eine Entschuldigung für dieselbe in »germanorum insolentias«, und be-
schließt seine Schilderung mit den Worten: »Et hie fuit finis publici
Croatiae tumultus. Heroes alioquin fuere digni cedro aeternaque memoria,
nisi turpi facinore indelebilem nomini suo maculam inusissent. Tendunt
in altum; casu ut graviora ruant. Quid facit stulta ambitio. Habent
posteri exemplum, non sapere ultra sobrietatem«.
Milovec soll ein guter Redner und zwar ein kroatischer Redner ge-
wesen sein. Bei der Feierlichkeit des fünfzigjährigen Bestehens des
Kollegiums hat Milovec die Gedenkrede gehalten , wie dies Pongraz in
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 403
seinem Triumphus Pauli, pio dolo aDeo concepti (Posonii, 1752,S.144)i)
mitteilt. Die kroatischen Trauerreden bei den Begräbnissen der höchsten
Würdenträger hielt gewöhnlich er. Unter anderem nahm er Abschied
in der kroatischen Sprache (croatico idiomate), »cum magno applausu«
von Georg Frankopan, der am 13. Feber 1661 in Karlovac verschieden
ist und dort begraben wurde, im nächsten Jahre aber, um in der Jesuiten-
kirche ihm die letzte Ruhestätte zu gewähren, nach Zagreb überführt
wurde. In der kroatischen Sprache (sermonem . . . croatico idiomate)
sprach er auch beim Begräbnis des kommandierenden Generales Grafen
Johann Herbart von Auersperg (f 1669).
In der weiteren Entwicklung des kajkavischen Schrifttums ist P.
Georg Habdelic derjenige, der mit Krajacevic und Milovec den Kreis
der eifrigsten nationalen Jesuiten-Schriftsteller des XVII. Jahrh. bildet.
Über sein Leben ist man schon so ziemlich unterrichtet 2), doch auch
hier möchten wir einiges hinzufügen. Auf einem anderen Wege als Jagic
und Dukat haben wir die Jahre seines Aufenthaltes in Wien (1629)3),
Graz^) (in dem J. 1635 hat er hier seine philosophischen Studien be-
gonnen) und Tyrnau festgestellt. Im J. 1638 erscheint er zum ersten
Male in Zagreb als Magister der Principia, im nächsten Jahre 1639
soll sein theologisches Quadriennium in Tyrnau begonnen haben, wel-
ches er im Jahre 1642 dort mit sehr großem Erfolge absolviert hat,
so daß er zum Doktor promoviert wurde, wie uns darüber P.Em.Tolvay^)
1) »Primo quidem IfiUdatissimam illara Jesu Societatem in Kegnum
Croatiae, et praecipue Zagrabiam induxit, ut propterea celebrantibus iisdem
Patribus medium ingressus sui saeculum a R. P. Joanne (!) Milovecz, sanctis-
simi illius instituti theologo in pulpito S. Marci pro merito fnit diiaudatus.*
Es wird hier vom Bischof und Paulinermönch Simon Bratulic gedacht, unter
dem die Gesellschaft Jesu in Zagreb eingeführt wurde.
2) Archiv f. slav. Phil. XXVI, 578 flf, u. XXXI, 529 flf.
3) Schrauf, Die Matrikel der ungar. Nation a. d. Wien. Univ. 1453—1630
(Wien 1902)8.64.
4) Venerunt Graecio M. M. Georgias Habdelic et Georgius Ratkay . . .
Eist. Coli. S. J. Zagreb, unter dem Jahre 1635 (S. 87).
5) > Habita etiam hoc anno est disputatio Scripturistica solenni apparatu.
Posteaquam igitur Georgius Habdelich Societatis Jesu religiosus per tres
horae partes de autentlca versione Scripturae sacrae disseruisset; adversa-
riarum deinde argumenta resolvit, magno omnium plausu et admiratione«
(Progressus almae archi-episcopal. Soc. Jesu Univers. Tyrnaviensis (Tyrnau
1728), S. 142.
26*
404 ^^- Fancev,
und P. AI. Szöreny ^) berichten. Zum zweiten Male erscheint er in
Zagreb erst im J. 1649 als casista matutinus, praeses congregationis
scholaaticae und decisor casuum domesticorum. Erst seit dem J. 1653
wirkt er ununterbrochen in Zagreb als: »Rector (1654 — 1657, 1663 —
1666), Regens seminarii (1653— 4, 1657—1663, 1665—1668, 1673—
1676), concionator dominicalis und festivus, catechista, monitor, con-
sultor, confessarius, examinator candidatorum, praefectus Spiritus, ope-
rarius und praeses civicae congregationis«. In welche Jahre seine Tätig-
keit in Varazdin fällt, wissen wir nicht, ebenso wissen wir nicht, in
welcher Zeit er an der Universität zu Graz gewirkt hat (s. Krones).
Im Jahre 1655 wollte er die beim Jahre 1621 unterbrochene Schil-
derung der Geschichte des Zagreber Jesuitenkollegiums fortsetzen, ist
aber über das Jahr 162 2 nicht hinausgekommen. Auch in diesem einen
Jahre kommt seine Schreibweise zum Ausdruck.
Schon oben wurden als nationale Schriftsteller Lubid, Makar und
GaloYi(5 erwähnt, und wenn man zurzeit keines ihrer Werke kennt, mögen
doch einige Worte über sie gesagt werden.
Unsere beste Quelle (Historia CoUegii S. J. Zagrab.) für unsere
Kenntnis der literarischen Tätigkeit der Jesuiten des Zagreber Kollegiums
auf dem Gebiete des nationalen kaj-Schrifttums schweigt gänzlich über
die literarische Tätigkeit ^jubics, aber um so mehr spricht sie von seiner
Bekämpfung der Reformation, die er nach Stöger und Kukulevic auch in
Schriften entfaltet haben soll.
P. Petar Lubic wurde nach Kukulevid in Po^ega , nach Sommer-
vogel in Dios in Ungarn (wahrscheinlich in dem Zalakomitat) im J. 1582
geboren; diese letzte Behauptung ist uns wahrscheinlicher deswegen,
weil ^jubic so halbwegs zu Ungarn 2) gezählt wurde, aber auch die
kroatische Sprache beherrscht hat. In den Jahren 1610 — 1612 lehrte
er (als Magister) in Zagreb Principia, Grammatik und Poetik, 1617 schon
als Pater ist er procurator collegii ; 1619 weilt er in der Mission in Also-
lendva auf der Murinsel bei Christoph Banfi, der im J. 1608 von P. Gre-
gor Vasarheli zum rechten Glauben bekehrt, in Alsolendva eine Mission
»ad eum in fide fovendum, remque Catholicam in ejusdem dominio pro-
1) Tyrnaviae Philosophiae Doctor creatus (Propylaeum Bibliothecae
alm. ac. celeb. Univers. Graec (Graz, 1703), S. 96.
2) Bei der Gründung der Mission für die Murinsel verlangte Banfi aus-
drücklich 7>Hu7igarum aliquem cum socio e Societate Patrem velit submittere«,
und l^ubic hat an ihr auch teilgenommen.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 405
pagandam* gegründet hat. Im nächsten Jahre ist er zum unglücklichen
Banus Nikolaus Frankopan , »qui nescio quibus maleficarum strigmentis
usn pedum destitutus aeger jacebat in Bossilevo. Advenerat ex illo le-
murum coUegio iam canidia , quae malefico carmine secretisque sibillis
omne se malum detersurum jactitabat« gegangen. Nach der Genesung
folgte ihm P. Lubic auch in das Lager an die Drau bei Varazdin gegen
die rebellischen Ungarn unter Bethlen, wo er »concionibus caeterisque
pie in castris obiri solitis magnum toto Octobri Novembrique mense fecit
operae suae pretium«.
1621 bekämpft Lubic die Reformation in Karlovac, da »necessitas
60 excurrendi pene tuit suprema, cum enim superioribus annis expur-
gata ab haeresi Carniolia, Styria ac Carinthia magna haereticorum pars
in hoc asylum recepisset se instarque scabiei ideo haec extrema occu-
passet, ut extra catholici parochis ungves , tanto liberius in malum pru-
riret, quanto militari licentia foveretur impensius, timendum omnina erat,
ne ad corruptae partis contagium pars etiam syncera traheretur, sic-
que praesidium totum provitatis potius esset latibulum quam virtutis
officina«.
Im Jahre 1624 wurde er Rektor des Zagreber Kollegiums, längere
Zeit war er Sonntagsprediger; 1631 ist er nach Wien »ad regendum col-
legium Pazmanianum« berufen worden, von dort begleitete er den kaiser-
lichen Legaten nach Konstantinopel. Im J. 1633 gründete er mit P.
Martin Lausus die Residenz in Varazdin. 1644 wurde er zum Superior
der Residenz in Soprony. Im nächsten Jahre (1645) starb er in Zagreb.
Bei seinen Zeitgenossen ist er bald zu großem Ansehen gekommen.
So sehen wir ihn im Gefolge Christ. Banfis (1619), Nik.Frankopans(1620),
Georg Kegle vics (1621), des kaiserlichen Legaten (1631) usw. Seine
Erfolge in der Bekämpfung der Reformation in Zagreb, auf der Murinsel
und Karlovac beweisen, daß er ein guter Redner in der lateinischen,
kroatischen und ungarischen Sprache gewesen sein muß. Noch als
junger Magister ist er gewählt worden, den Bischof Petar Domitrovid bei
seiner Installation in das Bistum von Zagreb in der Domkirohe mit einer
Ansprache > cujus themati serviebant illa S. Pauli verba ad Titum, qui-
bus ille virtutes episcopo necessarias persequitur« zu begrüßen. >Tnlit
dictio plausum in frequentissimo cleri simul et regnicolarum in divi Ste-
phani basilica congregatorum consessu«.
Milovec widmete ihm auch einige Worte des Lobes: Nee mirum
erat, erat enim vir in omni scientia versatissimus, in agendo prudens,
405 Fr. Fancev,
providus, fortis, iurium experimentalem habens peritiam, qua primarios
etiam regni juristas rotabat, timereque faciebat suum congressum . . .
P. Andreas Makar schreiben Stöger, Sommervogel, Szabö einige
lateinische Drucke zu, aber keiner von ihnen weiß etwas über seine
Tätigkeit auf dem Gebiete der Volkssprache zu sagen. Daß er aber auch
zu den Schriftstellern, die ihre Werke kroatisch geschrieben und im
Drucke herausgegeben haben , gerechnet werden muß , beweist Milovec,
der im Elogium Makars ausdrücklich sagt: »ultimis vitae annis cum
morbo articulari oppressus aliud nil agere valebat, lihellos croatico idio-
mate concinnabat et edehat typis in proximorum subsidium«.
Geboren ist er in Varazdin nach der Rechnung im Elogium im
J, 1620, nach Sommervogel am 20. August 1626. In Zagreb lehrte er
als Magister 1G45 die Parvistas, 1646 die Principia; vor dem J. 1657
wirkte er als Philosophieprofessor in Tyrnau, nachher bis zu seinem
Tode war er in Zagreb praefectus scholarum (superiorum), professor et
decisor casuum, praefectus spiiütus, confessarius, monitor.
Er starb am 29. Dezember 1666 in seinem 46. Jahre.
P. JSikola Galovic, schon bei Kukulevic in seinen Kujizevnici er-
wähnt, ist am 2S. September 1614 in Zagreb geboren. Die Humaniora
besuchte er in seiner Vaterstadt, trat in den Jesuitenorden am 12, Nov.
1635 in Wien, wo er philosophisches Triennium und theologisches Qua-
driennium absolviert hat.
Wirkte in Zagreb, 163S lehrte er die Parvistas, später als Pater
war er Rektor des Kollegiums in Zagreb (1660 — 1663), regens semi-
narii, conciouator dominicalis, missionarius, examinator candidatorum,
praeses civicae sodalitatis, praefectus Spiritus, procurator, consultor,
operariuä und confessarius. In den Jahren 1678 — 1680 war er auch
Historiograph des Zagreber Kollegiums.
Eine Zeit war er auch Superior der Residenz in Varazdin.
Daß er sich auch auf dem Gebiete des nationalen Schrifttums be-
tätigt hat, ersehen wir aus den Worten in seinem Elogium : > Otii osor
erat acerrimus, laborum non tarn patiens quam amans, adeo ut ipso etiam
morbi tempore , quocum iam inde a decennio luctabatur , semper vel pii
quidquam factitaret, vel Marianam coroUam pertexeret, vel accepti ex-
postique rationes aliorum toto supputaret, vel demum quoad per manuum
debilitatem licuit libellos j^'ios patrio idiomate concinnaret^ aut certe
per alios iam conscriptos in ynaternam linguam traduceret.<s-
Es sind zwar einige Werke des nationalen kaj - Schrifttums im
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 407
XVn. Jahrh. nur dem Titel nach bekannt, die aber keinem oder nicht
dem richtigen Verfasser zugeschrieben werden, und vieles, das damals
veröffentlicht wurde, außerdem nicht auf uns gekommen sein wird. Ob
welches von diesen nur dem Titel nach oder mangelhaft bekannten Werken
Makar oder Galovic zuzuschreiben ist, können wir mit Bestimmtheit nicht
sagen.
Hier anscMießend sollen doch einige Bemerkungen über anonyme
und nicht auf uns gekommene Werke gesagt werden.
Es ist schon erwähnt worden, daß auch der »Szobottni kinch | bla-
sene devicze | Marie, | ali pobosnozt za szobottne | vszega letta dneve;
koteru naj pervo | vfzem vernem B.D.M. szlngam nazuelichenye | vuger-
fzkem jezikom je popifzal prefzuetli gofzpodin golzpodin Esterhazi Pavel
I od Galante, szvetoga rimszkoga czeszarztva herczeg, i vugerszkojga
orszaga palatinus : | vezda pak | na horvatczki jezik vuchinila | jeszt
preneszti | preszuetla i miloztivna gofzpa, | gofzpa | Maria Magdalena |
Nadasdi, preszuetloga goszpodina | goszpodina Draskovich Janusza | oz-
tavlyena vdova. ] Letta M.DC.XCVI. ü Zagrebu« auf Veranlassung der
Gräfin Maria Magdalena Nadaadi-Draskovic von einem Jesuiten') über-
setzt wurde, wie man es den aus Worten der Widmung >Kniga k preszvetle
goszpe, goszpe grofficze govori« ersehen kann: Ovo ti z menum skupa i
moj razloznik, najponizuesi sluga tvoj, iz tovarustva Jezusevoga zele,
vsega na sehe vekivecnu sluzbu tvoju aldujuci (S. A2b).
Sehr wahrscheinlich in der kroatischen Volksaprache verfaßt ist
jenes Werk, das nur unter dem Titel »Manuale Marianum« bekannt ist
und bei Kukulevic, Sommervogel usw. erwähnt wird. Dieses »Manuale
Marianum« wurde im J. 1666 (wahrscheinlich in Graz) auf Kosten des
Zagreber Bischofs Petar Petretic (vgl. Biuis sodaliciis Virginis Annun-
ciatae et in coelos Assumptae prosper fuit annus iste (1666). Siquidem
illa Manualium Marianorum exemplaria ter millena typis edidit aere
floren. 250 iilmi et rdssimi dni Petri Petretich Archiepiscopi Colocensis
munificentia collato) herausgegeben, aber nicht wie Kukulevic 2) und nach
ihm auch Sommervogel 3) meinen, in Zagreb, wenn auch in dieser Zeit in
Zagreb eine Jesuitendruckerei bestand, die mit dem gerade zu diesem
1) Dasselbe wurde schon von Kukulevic (>Knjizevnici u Hrvatah . . .<
S. 319) konstatiert, scheint es doch unbemerkt geblieben zu sein.
2) Op. cit. S. 330.
3) Bibliotheca Mariana de la Comp, de Jesu... (Paris, 1885), S. 154
(Nr. 1527).
408 Fr. Fancev,'
Zwecke gelassenen Legate Petar Bosnaks, des Sekretärs des Palatins
Grafen Franz Wesselleny (vgl. copiosis ditatus thesauris memor patriae
suae pro publico emolumento potissimum vero Gymnasii nostri legavit
moriens et traditi sunt Collegio nostro per generös, et magnific. dominum
Joannem Zakmardi de Diankovcz personalem floreni mille et nongenti
pro erigendo typo publico, qui anno ab hinc (1664) tertio (1666) a Col-
legio Labacensi emptus et allatus est), vom Jesuitenkollegium zu Laibach
gekauft wurde, trotzdem wurde in Zagreb noch lange Zeit (»pluribus
tarnen annis otiosus (d. h. typus) nulli fuit usui«) nicht gedruckt, was
auch der Grund war , daß dieselbe Druckerei später dem Kollegium ge-
nommen und Pavao Ritter-Vitezovic ^) abgegeben wurde.
In Bibliografia hrvatska Kukulevics (Dio L S. 35 Nr. 376) wird
weiter ein Werk unter dem Titel »Duhovni kinc«, gedruckt »VuBecu pri
Jakobu Kürnu 1667« erwähnt. Dasselbe Druckwerk wurde nach Kuku-
levid auch von Meyer in seine »Wiens Druckergeschichte« (Bd. I S. 277)
aufgenommen.
Im Jahre 1627 wurde von den Bauern in Sveti Duh bei Zagreb die
Kongregation des heiligen Isidor gegründet, doch damals nach der Grün-
dung selbst hat sie keine Tätigkeit entwickeln können. Da wurde sie
im J. 1672 der Leitung der Jesuiten 2) anvertraut und im selben Jahre
wurde für ihre Mitglieder schon ein Manuale unter dem Titel »Pobosnozt
y bratovchina k szv. Isidoru podignyena pri Kapelli szv. Duha poleg
Zagreba. 1672. 8 o. 124 SS.« 3) herausgegeben, dessen Verfasser ohne
jeden Zweifel ein Jesuite war.
Eine im Manuskript erhaltene Darstellung des Schrifttums in Kroatien
(im Archiv der südslav. Akademie, Zagreb, unter der Sig. IL d. 222) be-
richtet auch über ein bis jetzt ganz unbekanntes Druckwerk unter dem
Titel »Szv. Mefsa w mnke Krifztufseve napre dana, po ke delniki bivamo
1) Vgl. >Intra hos annos, nescio quo, typus latinus, qui multis annis hae-
rebat et servabatur apud nos in Collegio extraditus est dominis regnicolis, ad
instantiam eorum, qui eum dederunt domino Ritter Paulo Poetae, Equiti aure-
ato etc. qui eo libros imprimit con8equenter< in Historia Colleg. Soc. Jes. Za-
grab. unter dem J. 1692 (S. 424).
2) >Illud etiam inter acrementa numerandum, quod ubi pia sodalitas
agricolarum per nostros Patres in vicina Saneti Spiritus ecclesia annis ab hinc
45 erecta unanimi consensu se Societati gubernandam sub invocatione S. Isi-
dor! Agricolae in perpetuum tradidisset . . .< ibid. (S. 312).
3) Safatik, Gesch. d. südslav. Liter. IV., S. 373.
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 409
zafzlusenya Jesusevoga po dareslivofzti goszpona Matiafsa Mogoricha
archidiacona gorichkoga, kanonika (zagre)bechkoga in 12° cum cupria
lat. et croat«. '
Auch über die Geschichte des kleinen defekt erhaltenen Büchleins, be-
kannt unter dem Titel »Flamen pobosnozti proti szv. Ferenczu Xaveriushu
na szlovenzki jezik preobernyen po Simonu Judi Sidich kan. Zagreb. Vu
Zagrebu 1695«, sind wir nicht ganz im Klaren. Die Übersetzung dieses
Büchleins wird dem Zagreber Domherrn Simon JudaZidic (öidiii? Sidich)
zugeschrieben, ob auch mit Recht, wagen wir zu bezweifeln. Dem einzig
uns bekannten in der kgl. Universitätsbibliothek zu Zagreb aufbewahrten
Exemplar fehlt das Titelblatt. Aus dem lateinisch geschriebenen Vor-
wort von Zidic zu dieser Ausgabe erfahren wir aber, daß dies nur eine
erneute Ausgabe eines durch das Alter sehr selten gewordenen Büchleins
ist. »Verum quia, ut omnia, ita et libellus hie fere jam penitus vetu-
state temporum deficerat: mearum esse partium duxi, ut , . . Xaverianae
devotionis ideam repetito typo veluti postliminio suscitarem« (Bl. A2b).
Obwohl dem Alter nach auch die erste Ausgabe dieser Übersetzung von
Zidic stammen könnte, wären wir trotzdem eher geneigt den wahrschein-
lichen Übersetzer dieses Büchleins anderswo zu suchen, wie es auch aus
den Worten des erwähnten Vorwortes Zidic anzunehmen ist: In his Patria
quoque nostra non segnis, ut Indigetes suos ad prosequendum singulari
cultu beneficentißimum illum Orbis Sofpitatorem erudiret; excogitatam
a devotissimis illius clientibus, eum in finem, methodum jam olim in
patrium idioma transtulerat . . .« (Bl. A2b). Da der heilige Franz
Xaver, der große Apostel von Indien und Japan, nach dem heiligen Ig-
natius in der Gesellschaft Jesu am meisten geehrt wurde, so ist es auch
recht wahrscheinlich, daß eher ein Jesuit als ein Weltpriester als Über-
setzer dieses der Andacht des heiligen Frauz Xaver gewidmeten Büch-
leins zu betrachten ist. Im Elogium Galovics wird ja ausdrücklich ge-
sagt >aut certe per alios iam conscriptos (d. h. libellos) in maternam lin-
guam traduceret«, doch ein solches Werk von ihm ist nicht bekannt, so
könnte unserer Meinung nach der wahrscheinliche Übersetzer dieses
Büchleins P. Nikola Galovic sein.
Das Vorhandensein zweier weiterer unbekannter Druckwerke des
kaj-Schrifttums im XVII. Jahrh. bestätigt uns der Domherr Mihal äimu-
nid in der Widmung seines »Fenix pokore« dem geweihten Scardoner
Bischof Janus Josip Babic; das eine bezeichnet er mit den Worten »vnogi
sinki blazene Majke bili bi mentuvani slasti Marianske, koteru sada
410 Fr. Fancev,
prijemlu, da bi tvoja darezlivost per tua dispeudia po tvojem strosku,
knizice molitveue nim ne preskrbela, iz kojih kakoti cmelice iz rozic
medvenu slast zitka nebeskoga izbiraju« (S. VI). Das andere, das aus
den Worten zu entnehmen ist »Zive si oltare Bogu vsamogucemu zidal
i prezidal, kada si knizice zitka Kristusevoga imenuvane vcinil prestam-
pati, da pastiri duhovni tak svoj kak ovcic svojih zitek, na peldu Kristusa
Jezusa ravnaju« (ibid.), soll sogar eine erneute Ausgabe gewesen sein.
Wie es bekannt ist, hat Habdelic in der Vorrede zu seinem »Pervi
otcza nassega Adama greh« in den Worten »Nakanivsi nasega zvelici-
tela gospodina Kristusa zemelski zitek na kratkom popisati slovenskem
nasem jezikom i iz liega neke krscanske navuke ispelati« ein solches
Werk, wie dieses letztgenannte ist, versprochen; ob er es auch geschrie-
ben hat, und ob wir es hier wirklich nur mit einer neuen Ausgabe des
Werkes Habdelic's zu tun haben , können wir, solange das Buch selbst
nicht bekannt sein wird, nicht sagen.
Noch einige allgemeine Bemerkungen zur schriftstellerischen Tätig-
keit der Jesuiten in Kroatien im XVII. Jahrh.
Betrachten wir die schriftstellerische Tätigkeit der Jesuiten bei uns
und im angrenzenden Ungarn, muß uns vor allem in die Augen fallen
das vollkommene Fehlen jeder polemischen Literatur gegen die Refor-
mation, abgesehen davon, daß eine solche für Lubic, der wirklich an den
exponiertesten Stelleu wie auf der Muriusel und in Karlovac, wo sich die
Reformation am tiefsten eingenistet hatte, angenommen aber nicht nach-
gewiesen werden kann, wo sie doch hauptsächlichst mit der Mission, die
Reformation zu bekämpfen nach Zagreb berufen worden sind. Aber
wenn wir wissen , welche Hindernisse man der neuen Lehre in Kroatien
entgegengestellt hat, wie die Kroaten und hauptsächlichst ihre Bane, so
Georg und Johann ^) Draskovic, Thomas Erdeodi mit allen Mitteln einem
1) Das Draskovicsche Haus hat sich in Kroatien und in Ungarn um die
Verteidigung der katholischen Kirche gegen das immer stärkere Übergreifen
der Reformation besonders hervorgetan. Die Jesuitenresidenzen in Zagreb
(1606), Varazdin (1633) und in Soprony (1636) sind vor allem ihr Werk. Hier
wollen wir anführen die Worte F. Georg Dobronokis aus dem J. 16:^9 über
den Reichstag von 16ü8, an welchem Johann Draskovic in entschiedener
Weise diekatholischeKirche in Kroatien ganz unabhängig von Ungarn wissen
wollte: >Publicum, idque eximium est in totam Societatem ac religionem Ca-
tholicam beneficium, quod anno 16o8 in publicis Regni Comitiis Posonii con-
tulit. Electo enim Matthia archiduce Austriae in Hungariae regem, cum aliter
Corona sacra capiti ipsius non imponeretur, nisi dato diplomate Regio Über-
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 411
Herübergreifen der neuen Lehre aus Ungarn sich entgegengestellt haben,
indem sie sogar einen politischen Bruch (»ae malle cum universo Regne
ab unione Hungaricae coronae separari, quam mortiferam illam ani-
marum pestem, ac funestissimam Reipublicae labem sub banatu suo ad-
missam aut concessam videre*)) hervorzurufen bereit waren, ihre Drohung
reformatorischen Predigern gegenüber ist auch bekannt (»Hoc ferro, si
aliter fieri non potuerit, sectam istam a nobis eliminabimus, tresque no-
bis adsunt fluvii: Dravus, Savus et Colapis, e quibua unum istis novis
hospitibus sorbendum dabimus«) darf uns diese Tatsache nicht ver-
wundern.
Anders war es in Ungarn. Dort hatte die neue Lehre große Ver-
teidiger und Förderer gefunden; dort hatte sie große literarische Tätig-
keit entfaltet. Mit Erfolg sie zu bekämpfen genügte nicht das lebendige
Wort, man mußte auch ihr etwas bleibendes entgegenstellen und das
war das Buch. So finden wir, daß an dieser literarischen Bekämpfung
der Reformation sogar Söhne Kroatiens beteiligt waren, so vor allem der
tatem religionis perinitteret in Hungaria. Insuper Jesuitas in eodera regno
nunquam pateretur bona immobilia et jura possessionaria possidere, et urge-
rent instantissime haeretici iina cum regni palatino Stephano Illj^eshasi Luthe-
rano, ut idem regnis consensus de religionis libertate, deque Jesuitis bonorum
incapacitate plectendis, valeret etiam in Sclavoniae ultra Draunm regno, re-
spondit animose banus omniiim nomine, nunquam se vivo praedicans aliquis
Dravum ad spargendum haeresim trausibit; et, si attentet, submergendum ibi-
dem praeüisa omni spe ad obtinendum misericordiam. Pari modo de Jesuitis,
quornm plerique e prima nobilitate sunt Patriae, tarn in Hungaria quam Scla-
vonia, nunquam se, nee regnum Sclavoniae consensurum, ut nee accusati
Patres, nee citati, multo minus de scelere aliquo laesae Majestatis convicti,
tarn iniquo sancito plectantur, ad solum haereticorum arbitrium. Addebat
adesse P. Alexandrum Dobokai et P. Petrum Pazmanij, ambos societatis reli-
giosos et quidem professos sacerdotes ; citarentur ij, vel societas tota sub
eorum nomine, et quid in publicum deliquissent, processu juris, ut regni leges
requirunt, vel damnentur convicti, vel absolvantur innocentes. Nolle se ullo
modo nee regnum Sclavoniae in hanc Patrum consentire condemnationem,
nisi ex lege fiant omnia. Quod si perga^it Hungariae 2>roceres vel religioni
catholicae in Sclavonia vel vero Jesuitis esse molesti, parafum se cum ioto Scla-
voniae et aliarum provinciarum tractibus ab Hungariae Corona facere statim se-
cessionevi, et vicinae Venetormn Reipublicae adhaerere. Cessarent proinde esse
molesti (Historia Collegii Soproniensis . . . S. 30, in der k. k. Hof bibliothek in
Wien unter der Sign. 14 002).
1) G. Rattkay: Memoria regum et banorum regn. Dalm. Croat. et Sclav. ..
Viennae 1C52. S. 185f.
4l2 Fr. Fancev,
Jesuit P. Matija Sambar, ein Sprößling der bekannten, im J. 1588 adelig
gewordenen Bürgerfamilie aus Varazdin.
Hie und da findet man auch in diesen Gebetbüchern Anspielungen
an die Reformation in den Anweisungen für den Beichtenden so wie :
Reksi, ako si gda kakovem eretnikom, Luteranom, all Kalvinistum bil
(8. 207)1), jesi li prodeke eretnicanske poslusal? Jesi 11 ctel knige eretni-
canske, Luteranske, Kalvinianske, coperne, sramotne . . ? (8. 208) usw.,
und das ist auch alles. Desto mehr wurden die Blicke der andächtigen
Verfasser jenen Übeln zugewendet, die im Volke selbst üblich und ver-
breitet waren. Anspielungen auf solche Übelstände findet man überall
in ihren Werken (so z. B. Ce si se preklinal Bogom, vragom etc: reksi:
da bi me Bog ubil, sental, vrag vzel; da bi me tresnulo, etc. (8. 201),
Jesi li nosil pri tebe kakove coperne cedule, all kakovo drugo coperno
dugovanje; proti betegu, ali neprijatelu, all budi oruzju, all za radi Ju-
bavi (8. 209), Jesi li zdravjaiskal tebe ali tvojemu druzincetu, zivincetu,
ali komu drugomu bajanjem, caranjem, ali kakovem drugem copernem
dugovanjem; i ako bi na pole, ali na pute ali na vode kakovem copran-
jem kakove srece iskal, ali nesrece (8. 209), Je si li sta zvedal, ali vcinil
zvedati od vedovin te vuhvic vojskom, resetom, ali kakovem drugem co-
pernem dugovanjem ali mestrium (8.209 — 210). Jesi li po oholnosti
vekse potroske cinil na opravu, na sluge, na kone, na gosti, etc. nego bi
se tvojega stalisa bilo pristojalo? i ako si se na ne drzal, na cifru, te se
vu srdce napuhaval (8. 215), Jesi li tatbenu marhu kupil od koteroga
sluge, druzinceta, cigana ali koga drugoga? . . . (S. 237) usw.); daß
Habdelic diesem Wirken einen großen Teil seiner Werke gewidmet hat,
ist ja schon durch Jagics verdienstvolle Forschung bekannt.
Das einzige Produkt dieses Schrifttums, das neben der erbaulichen
Tendenz auch ein gewisses eigenes literarisches Interesse beanspruchen
könnte, wären die Kirchenlieder Krajacevics, doch sind auch diese infolge
des vollkommenen Mangels an poetischen Qualitäten völlig charakterlos
und sind diesbezüglich von geringer Bedeutung 2).
1) Diese Beispiele sind den >Molitvene knizice« Krajaceviös (Possony
1610) entnommen worden.
2) Es scheint, Krajacevic habe den Mangel an poetischen Qualitäten
durch die lieblichen Volksmelodien ersetzen wollen, um vielleicht auf diese
Weise seinen Liedern den Weg zum Herzen des Volkes zu erleichtern. Doch
>selb8t wo die geistlichen Gesänge mit 'neuen lieblichen Melodien aus-
gezieret' wurden, blieb ein Hauch der alten frommen Einfalt zurück« bemerkt
Goedeke auch über das deutsche Kirchenlied (Grdrss., Bd. III. S. 147).
Einige Bemerkungen zur Geschichte d. Schrifttums in Kroatien. 413
Interessant dabei ist nur der Umstand, daß es gerade Krajacevic
■war, der dem Kirchenlied Beachtung geschenkt hat. Wir dürfen nicht
vergessen, daß er in Brunn seine Noviziatjahre und das Jahr der dritten
Probation in Eberndorf verbrachte, also in einer deutschen Provinz, in
der das deutsche Kirchenlied, das durch Luthers Eingreifen im protes-
tantischen wie auch im katholischen Lager zur vollen Entfaltung kam,
besonders gepflegt wurde. Es wäre nicht ohne Interesse, dem stofflichen
wie auch dem literarischen Zusammenhange der Kirchenlieder Krajace-
vics mit dem damals blühenden katholischen Kirchen gesange tiefer nach-
zugehen 1).
Zagreb, Juni 1913. Dr. Fr. Fancev.
1) Aus dem protestantischen glagolitischen Katechismus (gedruckt zu
Tübingen 1561) wollen wir hier nur an eine Stelle aufmerksam machen, die
lautet: Potomtoga poidi veselo na dilo tvoje, i ako je tebi ugodnu ^e^^no^esan
j)oi^ kako su deset zapovedi ili sto tvoi duh ukaze (S. 43).
Die Interpunktion in den slayischen Übersetzungen
griechischer Kirchenlieder.
VonProf. Dr. R. Abicht.
In den dyaceÖHLia mhiibh aa ceHTaöpt, OKTa^pt h Hoaöpt Bt
i^epKOBHOc.iaBflHCKOM'B nepeB0Ai& no pyccKUMt pyKonncflMX 1095 —
1097 r., TpyAt op^. aKa^. H. B. Hrn^ia, St. Petersburg 1886, S. XXXII,
teilt der geehrte Herr Herausgeber mit, daß in den genannten Hand-
schriften sich ein Punkt als Interpunktionszeichen finde, dessen Bedeu-
tung nicht klar sei, weshalb er auf die Wiedergabe dieser Interpunktion
in seiner Ausgabe verzichtet habe. Ich glaube nachweisen zu können,
daß die in Rede stehenden Punkte die einzelnen -/.Cola der Liedertexte
abgrenzen.
Zunächst einiges über den Versbau der griechischen Kirchenlieder,
der lange ein Geheimnis geblieben ist.
Es war natürlich, daß man dies Geheimnis zunächst von den Vor-
aussetzungen aus zu ergründen suchte, die die klassische Metrik an die
Hand 'gab. Wieviel Mühe hierauf vergeblich verwendet worden ist, er-
414 R. Abicht,
zählt Pitra, Hymnographie de l'öglise grecque, Rome 1867, S. 3 — 10.
Wie ihm selber ein glücklicher Zufall die lange vergebens gesuchte Lö-
sung des Rätsels gelingen ließ, lesen wir 1. c. S. 11 ff. Was Pitra er-
forscht hat, läßt sich in folgende Sätze fassen:
1. Die griechischen Kirchenlieder haben eine bestimmte Melodie,
welche in allen Strophen desselben Liedes {(oör]) eines Kanons sich gleich-
mäßig wiederholt.
2. Die Anzahl der Verse, welche eine Strophe bilden und die An-
zahl der Silben , welche einen Vers zusammensetzen , sind von Lied zu
Lied verschieden, innerhalb desselben Liedes aber sind die Strophen und
Verse von gleichem Bau.
3. Die Verse werden nicht nach den Moren der alten Metrik ge-
messen, sondern nach der Anzahl der Silben ausgezählt, die lange Silbe
zählt so viel wie die kurze.
4. Der eiQ^iög, welcher vor jedem Liede angedeutet oder ausge-
schrieben ist, bedeutet die nach Text und Melodie bekannte Muster-
strophe, nach welcher die einzelnen Strophen des Liedes gebaut sind und
gesungen werden müssen.
Den Forschungen von W. Christ und M. Paranikas, Anthologia
graeca carminum christianorum, Lipsiae 1871, verdanken wir noch fol-
gende Erkenntnisse:
1. Takt und Pause im modernen Sinne kennt die griechische Musik
nicht, die musikalische und in den meisten Fällen auch die verstechnische
Einheit ist das ■/.üXor, an dessen Ende das Kolonschlußzeichen, gewöhn-
lich ein Punkt, steht.
2. Das Kolon kann einen ganzen Vers vertreten.
3. Häufig werden aber zwei oder mehrere Kiola (Sätze) zu einem
Verse (Periode) verbunden, an dessen Ende manche Handschriften ein
besonderes Versschlußzeichen setzen.
4. In zwei- oder mehrgliedrigen Versen kann der Kolonpunkt mitten
in einem Worte stehen, vgl. dazu Gaisser, Les *Heirmoi«, S. 49 Anm.:
Tov £X rarpov avaX<x}.i\ipccvra arjjiisQor.
5. Die Versbildung beruht nicht ausschließlich auf derSilbenzählung,
vielmehr kommt dazu noch die Beobachtung gewisser Tonstellen. Jedes
'Kü)Xo7' hat eine oder einige Stellen, die stets betont sein müssen, d. h.
die Verse haben ihren eigentümlichen Rhythmus.
Ein paar Beispiele aus Pitra mögen dies erläutern. S. 13 ff. findet
sich dort der -/.aviov (d. h. ein Liederkranz von 9 Liedern zu Ehren der
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 415
JIoQTatTiaa. Für diese zaroveg ist ein bestimmtes Schema vorgeschrie-
ben (Alexios V, Maltzew, Liturgikon, Berlin 1902, S. 49), welches be-
stimmt, daß die einzelnen Lieder sich in irgend einer Weise an gewisse
Bibelstellen anschließen, Lied 1, an 2. Mos. 15, 1 — 19; 2, an 5. Mos.
32, 1 — 43; 3, an 1. Sam. 2, 1 — 10; 4, an Habak. 3, 2 — 19; 5, an Je-
saj. 26, 9—20; 6, an Jona 2, 3—10; 7, an Dan. 3, 26 — 57; 8, an Dan.
3, 58 — 88; 9, an Lukas 1, 46—55 und 68—79. Dies sind die bibli-
schen evvea tpöal^ welche sich auch im Horologion, Rom 1876 S. 39,
abgedruckt finden. Den meisten Kanons fehlt das 2. Lied. Wo es vor-
handen ist, wird es nur in der großen 40tägigen Fastenzeit vor Ostern
gesungen, vgl. Zonaras in der Abhandlung Christs , Sitzungsberichte der
Kgl. Bayerschen Akad. der Wissensch. 1870 Bd. III S. 81 ff. Auch der
in Rede stehende -/.aviov hat keine zweite Ode. Ich gebe die eiQi-iol
und je eine Strophe aus dem 1. und dem 4. Liede, Pitra, Hymnographie
S. 13 ff.
Lied 1.
EiQi-ws:
12: ^Qf.iaTrjkaTrii/ Oaqaco ißv-
T€QaTovqyovo<x Ttore
f.itüaa'iKr] Qaßöog
GtavQOTVrccog Ttlrj^aGa
y.al öielovaa &&Xaxxav ,
^iGQarjX öe, cpvydda^
Tte^bv bdiTYjv, diiacüaev,
qO(.ia rü) Oecp avai-ieXrcovra.
7:
6:
7
8
7
9
10;
Strophe 3:
^ßg tCbv daif.i6vcov VTtTqqerai erqs-
€§€Qr]fiovvreg zrjv yfjv
siKoviy^cöv TiiTtcor,
&Eocpilov rä^avTog
S-eooTvyovg öi-iöcfQovsg,
avTovg lf.ivy.rriQ LG ag,
TtvhoQOV diynqv TtQo'iGraGo,
od^ev GOL zo lalqe Ttgogaycoi-iev.
Statt TtqogayiofiBv dtirfte ngogayo^iev zu lesen sein.
Eiqi.iög\
8: EiGay.T^y.oa, Kvqu,
12: Tfjg oly.ovoi.iiag gov to fw-
Gtr^Qior,
9: yaTSVÖrjGa ra eqya gov
Lied 4.
Strophe 1 :
'^Pödov 7t ileig äf.idQavTov
yal evcoöiä^eig rcävtag rji'xäqLTi^
y^XalQS, KÖQiq IIoQTatTiGa,<
teqelg yal levlrai eyßor^Gars.
1 1 : yal söö^aGa gov Tr]V^£6TrjTa.
Durch Pitra und Christ sind wichtige Fragen der späteren griechi-
schen Verstechnik gelöst worden. Ein Anstoß blieb aber noch im Wege.
416 R- Abicht,
Nach der Theorie sollten die Strophen ein und desselben Liedes in sich,
nach Silbenzahl und Betonung (wenigstens gewisser Stellen) überein-
stimmen. Im allgemeinen verhielt es sich auch tatsächlich so; dennoch
war die Zahl der Abweichungen größer als daß man sie so ohne weiteres
hätte mit in den Kauf nehmen können. Vor dem Radikalmittel aber,
nämlich dem , die Verse , welche sich nicht fügen wollten , einfach für
verderbt zu erklären und durch Konjekturen nach der vermeintlichen
Regel umzuwandeln, haben schon Pitra wie Christ mit Recht gewarnt.
Einen wesentlichen Fortschritt bringt D. Hugues Gaisser, Les
»Heirmoi« de Paques dans l'Office grec, Rome, Imprimerie de la Propa-
ganda 1905.
Gaisser lehrt, daß die einander entsprechenden Kola der einzelnen
Strophen desselben Liedes durchaus gleiche Lauge haben. Diese Länge
wird aber nicht ausschließlich nach der Zahl der Silben bestimmt, son-
dern nach dem Zeitwert der Noten, der in den entsprechenden Kola
übereinstimmen muß. Die Zahl der Silben braucht mit derjenigen der
Noten keineswegs übereinzustimmen. Die metrische Länge oder Kürze
der Silbe hat nichts zu sagen, lange wie kurze Silben können die Zeit-
werte von Vs (= ^), 2/8 (= -), Vs (= M und Vs (= ^) haben.
Demnach sind nach Gaisser die Kola lai.i7tQvvS-(Jü^i€v laoi{ß Silben)
und xat oipo^isd-a (5 Silben) musikalisch gleich lang, denn ihr musika-
lisches Schema ist: v-- w : _ «^ w | _
_ \^ w
■^ ^ : I _^ statt -d-Co{.iev la- wird in der
anderen Strophe -ipoi.ie- gesungen, was in beiden Fällen ^s (= '— ') ^^~
gibt. Die Silbe an sich hat also keinen musikalischen Zeitwert, sondern
empfängt ihn erst durch die sogenannte Tovrj ; xvqls kann sein = ^ ^ ^
(Vs) oder - ^ | - (% auf 2 Takte verteilt) oder = l_ 1 - ^ (ß/g in 2
Takten) oder 1_ ] l_ I (_ | (s/g in 3 Takten).
Für die rovr] gilt aber die Regel, daß weder die vortonige noch die
nachtonige Silbe längere Dauer bekommen darf als die Tonsilbe, und daß
die Tonsilbe immer auf dem guten Taktteil stehen muß : la syllabe voi-
sine de celle qui a l'accent tonique ne peut avoir plus de duree que la
syllabe accentu^e elle-meme; et d'autre part, la syllabe accentuee doit
toujours coincider avec le temps fort du pied rythmique (S. 38/39).
Wenn einmal alle Tradition über die griechische Betonung abhan-
den käme, so könnte nach diesem Gesetz aus den griechischen Kirchen-
liedern die Betonung des griechischen Wortschatzes, so weit er in den
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 417
Liedern vorkommt, wieder hergestellt werden. Da der Rhythmus der
Melodie zugleich die grammatische Betonung angibt, werden die Akzente
in griechischen Notenhandschriften stets weggelassen.
So fremdartig uns das griechische Musikwesen auf den ersten Blick
erscheint, so hat es doch vielfache Berührungspunkte mit unserer Choral-
musik.
Unsere Choräle bestehen aus gleichgebauten Strophen von Versen
mit wechselnder Silbenzahl, so hat z. B. »Ein feste Burg« Strophen von
9 Versen (Kola) mit den Silbenzahlen 8:7:8:7:5:5:5:6:7, vgl.
Schlesisches Provinzialgesangbuch Nr. 136.
Kleine Unregelmäßigkeiten finden sich dabei, besonders in älteren
Liedern, obgleich fast bei jeder neuen Ausgabe einige davon getilgt
werden, so hat das Lied » Wir glauben all«, 1. c. Nr. 130, in dem 5. Verse:
»Er will uns allzeit ernähren« 8 Silben, in der dritten Strophe sind es
aber 9: »Die ganze Christenheit auf Erden«. In den Noten ist die tiber-
schüssige Silbe vermerkt, im Text ist sie durch Verstümmelung von
»ganze« in »ganz« unterdrückt. Die Griechen waren hierin weniger pein-
lich, für sie hatten kleinere oder größere Variationen von Strophe zu
Strophe (die sie nach den oben angegebenen Regeln der tovi] überwanden)
augenscheinlich einen besonderen Reiz.
Auch der Akzent in unseren Choraltexten ist nicht gleichgültig.
Wenn z. B. zwei Lieder die gleichen Verszahlen in der Strophe und die
gleichen Silbenzahlen in den Versen, das eine aber trochäischen, das
andere jambischen Rhythmus hat, so können sie nicht nach derselben
Melodie gesungen werden: Nr. 65 »Jesu, deine Passion«, Nr. 349 »Be-
fiehl du deine Wege« und Nr. 490 »Einen guten Kampf« haben alle drei
die Strophen 7, 6, 7, 6, 7, 6, 7, 6. Nr. 65 und 490 können zur Not
ihre Melodien vertauschen, denn sie beginnen beide mit vollem Takte
und haben fallenden Rhythmus, bei Nr. 349 aber ist dies nicht möglich,
denn es beginnt mit einem Viertel im Auftakt und hat steigenden Rhythmus.
In unseren Gesangbüchern sind wie in den griechischen die Kolon-,
bezw. Versschlüsse kenntlich gemacht. Als Zeichen dienen hierfür: ein
größerer Zwischenraum, Beginn jedes Verses mit einem großen Anfangs-
buchstaben, in katholischen Gesangbüchern auch ein Stern (asteriscus).
In den griechischen Liederbüchern sind die einzelnen Lieder bezeichnet
mit: »idi6i.ieXov*, d. i. ein Lied, das eine besondere Melodie für sich
hat, so daß es keine anderen kirchlichen Texte dazu gibt; durch »avrö-
f.isXov<^, was unserem »eigeneMelodie« entspricht, oder als y>7tQ0ööi-i0L0V«-
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 27
418 R- Abicht,
oder ofiOLOV (no;i;o6eHi.), d. h. nacli einer anderen Melodie zu singen.
Diese Melodie ist im Griechischen kenntlich gemacht durch ihren Text,
der entweder vollständig oder in seinen Anfangsworten angeführt wird,
und die Angabe der Tonart, deren die griecliischen Kirchenmusik 8 be-
sitzt, in den deutschen Gesangbüchern keLßt es kurz »nach der Melodie:
Nun ruhen alle Wälder« od. dgl.
Unsere modernen Choralmelodien sind in mensurierten Takten kom-
poniert. Die älteren aber beruhen durchaus auf dem Prinzip des yiüXov,
welches von unseren Takten nichts weiß. Nun sind zwar in unseren
Choralbüchern auch diese Melodien gewaltsam in das Schema unserer
mensurierten Takte eingezwängt, gesungen aber wird durchaus nach den
y.CoXci^ deren Ende durch [| oder -^ bezeichnet ist. Daß y.CüIov und Takt
inkommensurable Größen sind, zeigt sich darin, daß sie nur zufällig ein-
mal zusammenfallen, so steht 1. c. in Nr. 23 »Gelobet seist du« die Fer-
mate des Kolon zweimal nach dem dritten, einmal nach dem ersten Viertel
und abgesehen vom Ende der Strophe nur einmal am Ende eines Taktes.
Wenn Köstlin, Geschichte der Musik im Umriß, Berlin 1888, S. 36
schreibt: »Eine geordnete Reihe von Takten hieß Kolon (entsprechend
unserem Satz), die Kola werden zu Perioden erweitert«, so ist das Wort
Takt hier nicht im Sinne unserer mensurierten Takte zu verstehen. Ein
■/.CbXov im Sinne der alten Musik ist das, was die russischen Bauern die
KOJi^na des Nachtigallenschlages nennen (vgl. Turgenew, 0 cojiobi.;]x1),
1853), d, h. die musikalischen Phrasen, aus welchen sich der Nachti-
gallenschlag zusammensetzt.
Auch der Fall, daß das -/.Colov mitten in einem Worte schließt und
das folgende in demselben Worte seinen Anfang nimmt, wie oben (S. 414)
avaXd^lipavra ^ ist unseren Liedern nicht fremd. Er findet sich in dem
bekannten »Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre« (Schles. Pro-
vinzialgesangbuch Nr. 586) in der zweiten und in der dritten Strophe:
»Du, der sichKin|[der auserkor« und »Das Lob, das un|]srerSeel entquoll«.
Um noch eine äußerliche Ähnlichkeit zu erwähnen, so haben die
Griechen Choralbücher, EiQi-iolöyia, wie wir, z. B. das 1856 in Kon-
stantinopel bei Gaddalog Tißnaiär Ton 'ltodvpr]g ^a/^iTradagiog
herausgegebene. Ihr Vorrat von Kirchenliedern (in '0'/.Tc'o)]xog, Tqko-
diov, nevTr]y.oaräQior, Mrjvala, Ev%oX6yiov und '^QQoXöyior) ist un-
geheuer. Sie werden aber nicht nach Belieben für die einzelnen Gottes-
dienste ausgewählt, sondern sie sind zu festen Gottesdienstordnungen
zusammengestellt.
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 419
Christ hat in seiner Anthologia eine reiche Sammlung von griechi-
schen Kirchenliedern vollständig interpungiert, d. h. er hat zunächst die
syntaktischen Interpunktionszeichen gesetzt, daneben aber auch die '/.üla
kenntlich gemacht, und ebenso, wo mehrere /wAa, zu einer Periode zu-
sammengefaßt, größere Verse ausmachen, diese letzteren, Handschriften,
die in derselben Weise ein- und mehrteilige Verse unterscheiden, sind
selten. Wo sie fehlen, kann nur ein eingehendes Studium der Melodien
die nötigen Fingerzeige geben. Pitra hat sich deshalb auf die Abteilung
der '/.CüXa beschränkt.
Auch die vortrefflichen römischen Ausgaben aus der Librairie Poly-
glotte de la S. Congrdgation de Propaganda Fide, 23, Place Mignanelli,
Roms (ich nenne die Quelle, um anderen die Mühe des Suchens zu er-
sparen) haben neben der syntaktischen Interpunktion nur die Asterisken
der Kola nach guten Handschriften. In schlechten Handschriften und
Drucken ist die Überlieferung der xwAor-Punkte vielfach alteriert.
Die alten Drucke der griechischen liturgischen Bücher bis zum Jahre
1600 sind verzeichnet von Ph. Meyer, Studien zur Geschichte der Theo-
logie und der Kirche UI 6, 1899.
Wie schon Christ (Anthol. S. LXXV) ausgesprochen hat, haben die
alten Drucker die Kolonpunkte nicht mehr verstanden. Sie nahmen sie
für syntaktische Interpunktionen und ersetzten sie zum Teil durch Kom-
mas. Das wäre nun kein Unglück gewesen, wenn sie sie nur an ihren
alten Stellen gelassen hätten, aber gelegentlich erlaubten sie sich Ver-
besserungen vom syntaktischen Standpunkte aus und das ergab in man-
chen Drucken eine heillose Vermengung der musikalischen bzw. verstech-
nischen und der syntaktischen Interpunktion.
Dafür einige Beispiele:
'ÜQolöyLOv To ^isya, Rom 1876, S. 282:
7: Xqiarov ßißlov sf^upvxov* (.) (2.) (3.) (4.) 1.
9: lGcpqayiO(.iivriv os IIvev^icxtL* (.) (2.) (3.) (4.) 2.
7: b ^uyag JiQxayyslog,* (,) (2,) (3.) (4.) 3.
6: ^yvrj, ^scb^uvog* (.) (2.) (3.) (4.) 4.
5: enecpiovsi oof* (.) (2) (3) (4) 5.
7: XalQs, xaqäg doxelov,* (,) (2.) (3.) (4.) 6.
7 : d' fjg Tfjg ÜQO^ir^TOQog* (,) (2.) (3,) (4,) 7,
6 : aQct kv&rjGSTai. 8.
Die in den ersten Klammern beigesetzte Interpunktion gibt die
27*
420 R- Abicht,
Zeichen, mit welchen diese Strophe im 'QQolöyiov des BeQvaqöog Trjg
iovvrag, Erben des Philippus Juntae, Florenz 1520, S. 4 + 3 recto, aus-
gestattet ist. Sie giebt teils durch Punkte teils durch Kommas genau
die Kolonschlüsse an. Diese Ode hat vier Strophen, deren Interpunk-
tion in den folgenden Klammern gegeben ist ; wo blos die Nummer der
Strophe ohne Interpunktionszeichen in der Klammer steht, fehlt eine Inter-
punktion.
naQa/.lrjTixrj, Rom 1885, S. 9, finden wir die Strophe:
Tbv rä(pov aov, ^toziiQ, * (,) [,]
ar^aTiütaL trjQovvveg,* {,) [,]
VEy.Qol rfj dargaftf]* () []
Tov 6(pd^evTog ^yyeXov * (,) [J
eyivovTO y.r]QVTTOPTog * (,) [,]
Fwai^l rrjv ^vcLOxamv.'^ (.) [.]
'2.E do^äCouev* (,) [,]
rbv rfig g)^OQäg 'Aad-aigerr^v* (.) [.]
Ool TTQOaTtCTtTOflSr* (,) [,]
T(p dvaGTOlVTl CK Tacfov^ (,) [,]
y.al f.wv(o Osip i]i.iä)r.
Die in runden Klammern hinzugefügte Interpunktion ist die des
Venediger Oktoechos vom Jahre 1604 TTaqa^AvTiovUo rcp ÜLveXio^ fol.
B II, die in eckigen Klammern diejenige des Venediger Oktoechos vom
Jahre 1688 TtaQcc Nmoläo) rü ^ccqo), S. 16. Ähnlich beschafifen, d. h.
nicht syntaktisch, sondern verstechnisch, aber vielfach alteriert, ist die
Interpunktion in den übrigen alten Drucken, soweit ich solche einsehen
konnte: in dem Euchologion von 1520 und den beiden Oktoechos von
1520 (?) und 1579, die ich durch die Liberalität der Kgl. Bibliothek in
Hannover benützen konnte, in dem Bande der Menäen (August bis De-
zember), gedruckt 1591 — 95, der mir durch die Zuvorkommenheit der
Kgl. Bibliothek in München zur Verfügung gestellt worden ist, und anderen.
Ebenso findet sich die alte Versteilung, wenn auch mit manchen
Fehlern, in dem slavischen Bozidarschen Oktoechos, Venedig 1536, für
dessen Übersendung ich der Kgl. Bibliothek in Berlin verbunden bin.
Die Petro-Paulinische Kirchenbibliothek zu Liegnitz in Schlesien
besitzt einen slavischen Psalter nebst Casoslov, dessen Punkte, soweit
sie vorhanden sind, gleichfalls zum größten Teil dort stehen, wo im
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 421
Griechischen ein Kolon zu Ende geht. Ich gebe daraus einige Beispiele
nebst dem griechischen Texte nach dem Horologium vom Jahre 1876.
Horol. S. 13: 'Hxog ttI. ö' .
'idov b Nii^Kplog ÜQ^erai*
Iv T(p fiSOO) Tfjs i^vxTÖg • *
■/.al i^iay.äoLog ö dov?.og,*
ov svQi']ast yQrjyoQovvta'*
äva^Log de Ttalip,*
bv evQTjGSL Qad^vf^iovvra*
BXirce ovv^ ^^ZV !-^ov,*
l-LYi r(^ VTtvo) '/.aTevE%d-fig*
%va firj T(p d-aväro) Ttaqaöod-fjg,*
v.al TTJg ßaailsiag €^to /.Xeiad^fjg'*
älXa avaviqxpov -/.qaCovoa'*
"AyLog^'!dyiog,^!ÄyLog el^ b Geög'*
öia rfjg Q£Ot6-/.ov IXerjGov ri(.iäg.
Mscr. Petro-Paulinum , S. 297. Die Zeilen sind nicht abgesetzt,
sondern fortlaufend. Ich setze sie ab, damit die richtig erhaltenen Vers-
punkte deutlicher hervortreten.
HBAHCH'kpdB'k
HfA^CTCHH'KJKenaKKl.
6roH;{ivBp/üi|i£CYHiüCdioi|ja.
KAWCYKCAUJeiUlWA.
AaHfCHOWTArOTHlUHCA.
A<iHfCMpTHnpeyi,aHaKOYAfi"H-
HlDLJ,pTBH/^B'HE3aTB0pHLUHC<A
HOB'KCnp^HH^OBOYlfJE.
T T T ~
C.C.C. tCHBE
BiJtapaniVMHAOYHHa
422 R. Abicht,
Von den zwölf erforderlichen Verspunkten sind also sieben an den
richtigen Stellen vorhanden, ein falscher erscheint nirgends.
Hör. 13.
Tr]v fif.i€Qccv Ixelpi^v r]jv q>oßeQav*
evvoovaa, tpvxf} (-lov, yQriyöqriaov*
avccTTTOvGa kai.i7iäda aov*
iv eXalip (paiÖQVpovoa'*
ov yccQ oidag tzöts *
Ttqog ae ercelevOETai*
f] g)iopr] f] leyovoa'*
"idov 6 Nvf.i(piog.*
BkercB ovv, t//v/?j (.lov , i-irj vvovd^rjg,*
ymI (.lELvrjg e^tod-ev yiQovovaa,*
wg al Tiivre Uagd-epoi " *
all' äyQVTtvojg y.aQreQrjaor,*
iva VTtavnqor^g Xqlgtc^ ev elaio) Ttiovi,*
Y.al ö(pr] aot rov rufxcpöJva*
TOP d-elov T^g öö^rjg avTov.
AHlilVHTiCTpailj'HWH.
O*)lVlllUllJAAI04J(/k,llJfMWA.n0K*AH
ß'H;kiraici4JfCB'Ki|jiocBoio.
MacAiunpoci|jaioL|jio
HtBECHO\'BOKara
npHHAfKTeK'k
raarAi|jL.
CEHCCHH
E:AI00\^e0AUJfM0/^.;i,aHEBlU3AP£MACUJH.
HnpfKOYAfllJHB'^HfTWKO\'liJKI.
raKon^ABT».
HOEOAPfHOnOEAH.
ia'K0A40\'cpAi|jeiuuYaMATBa 2)
1) V. Maltzew, Kanonnik S. 38: noMbim-ifliomH.
2) MHrtöCTHBd = iXe^/uot'i anstatt if iXceiio niovi.
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 423
l^/l,aCT'KTHMfp'TlVr'K
BJKTBeHkialjCAdKklCßOeA.
Von den 14 erforderlichen Verspunkten finden sich 6 richtig ge-
setzt; dazu kommen ein versetzter in Vers 2 und ein überflüssiger in
Vers 9.
Her. S. 13:
2s TO ccTtÖQd-ritov TElxog,*
To rfjg aioTrjQLag dxvQ(oi.ia,*
OsorÖKS Uagd-sve, ly.ETEVO(-iEV*
Tag xüv Evavriwv ßovXag öiaaycäöaaov ' *
Tov Xaov aov zrjv Xvitr^v eig xaqav (.leraßake ' *
ZOP '/.öofiov aov ävayidkeoor'*
Tovg Evaeßelg '/.QaraioDOov*
vitlq EiQr}vr]g rov -/.ÖGf-iov TtqioßEVE*
OTL ah eI, Geotö-üe, fj EXvtlg fn-icov.
Mdc. Petro-Paulinum S. 298.
TfECHtCKOpHMOlOCT'tHOY.
H>KfcncfHie2).o^^fp*jKeH"u3]
Bl^JAKOMWAHM'k.
X
COYnpOTHB'HlilCTiK'kTWpa^OpH.
HAioHcßOHnEMaAbHapacTbnpeAOH^Ki.
MHp'KCBOHnpH^OBH,
npaBwcAaBHiüaKHSH ^joy'TBep'AH
vOcMHpEHHHBCCrOMHpaMOAHC/ft.
raKOTkiECHBLi^ec\*noBaH'ÜHamE.
Von acht erforderlichen Punkten stehen fünf richtig, einer (in Vers 2)
1) ä dürfte Schreibfehler für h sein, veranlaßt durch das folgende cAdBw.
2) Für cndCfHiM.
3) d. i. ovfTBfpjKfHif , an Stelle des in Ermangelung etwas Besseren ge-
setzten ^ hat die Handschr. eine Ligatur a-
4) KHASH = ßaailsl;, welches auf eine andere griechische Vorlage hin-
weist, das Euch. BsQuagdov xrig iovvxas, Florenz 1520 bietet: tüi ßaaiXBl avf^-
fia-/r]aoy.
424 R- Abicht,
ist verschoben, einer ist durch einen Haken, der vielleicht ein Komma
vorstellen soll (in Vers 6) ersetzt, einer (in Vers 7) fehlt.
In der Ermangelung weiterer Handschriften wenden wir uns zu den
trefiflichen Faksimiles aus der Oktoech des XIU. Jahrhdts. von Karan-
sebes, Sbornik otdelenija russkago jazyka i slovesnosti I. A. N., Bd. S2
S. 60ff. und vergleichen sie mit naQa-/.?.r]ri/.t] i]toL^O-/.Tibr]xog f] /.leyälrj,
Rom 1885, welche Ausgabe neben der syntaktischen Interpunktion die
Einteilung in Kola hat.
Parakletike, S. 469 auch 479:
^Ev zfi cpqLy.rf] TtuQovola oov, XqlotI, *
l-iY] aKovacof-iev Ov/. olÖa v/xäg'*
TtjV yccQ elytiöa*
6711 ool Tcp ^corfjQL s-9-ei.ud-a, *
ei xat Tcc oh TtQOOTa.'yf.iara /.u] fcgärrof-iev*
dicc Tr]v uf-ieXetav fj^cov. *
aXXa cpelaai tüv ipuxwv fjj.iwp, öeöf-isS^ct.
Oktoech von Karansebes:
B'kCTpaUJHOfTßOtnpHUJfCKHfX'«'
/l^aHECAklllJHMlvHfB'K/l.'kBaC'k-
^nBaHHl€BC)
HdTiÄCnCfBTk^AOMiHYOM'K-
aHJCHTBOHX'Ti.^anOBlvXlHHfC'liTBOpHYOM'K-
i^aA'tHOCTkHaui;?;.
In der Handschrift fehlt also blos der Punkt nach Vers 3, von 6
nötigen Punkten stehen 5 an richtiger Stelle.
Für die folgenden Strophen gebe ich blos die griechischen Texte,
soweit ich sie habe finden können, und bezeichne durch Kreuze die
Punkte, welche sich im slavischen Texte finden. Zum Beweise der grund-
sätzlichen Übereinstimmung der Asterisken des griechischen Textes mit
den Punkten des Slavischen dürften schon einige Beispiele ausreichen.
Wenn ich die griechischen Texte ausführlicher gebe, so hofi"e ich denen,
welche jene Faksimiles studieren wollen, einen Dienst zu tun.
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 425
(S. 469 auch 479):
MerävoLttv ov 7.i/.rrjf.iai,*
alV ovde naliv ddxQva' *f
dia tovro *
L-/.erevo) ae, ^C(jr^o,*f
TtQo reXovg eTtiavQsipai,* f
xcfi dovvaL (.lot f-ietüvoLUv, * f
OTtcog Qva^rjocofiai rijg y.o?Maecüg.
Von 6 nötigen Punkten 4 an ricMiger Stelle.
Die nächste Strophe läßt sich bloß in den drei ersten Versen ver-
gleichen, da die Texte auseinandergehen; von den 3 nötigen Punkten
sind 2 richtig gesetzt.
(S. 479): Ol ^laQTVQrjaavTsg*
diä ae, XQioT€,*f
TCokXag ßaaavovg vtts^sipuv, * f
'/.ai Teleiov ärceXaßov *
Tov orsfpavov Iv ovqavolg. *
'iva TVQeaßevcüGtv*
V7t€Q TCOV IpVXÖJV fjf.liüV.
(S. 728): MeyaXiüv xaQtai-KXTcop, ayi^t]*j-
TlaqS-eve &£0(.ifiTOQ, ov ri^uüd-iqg'*j
ort £TExeg oagy.l *
TOV eva rfjg Tgiädog, * f
XQiGTOV rov tcoodÖTrjv, *j
slg ocorrjQiav rCov ipir/cov fjf.icoj^
Von 5 Punkten 4 richtig.
(S. 471): '0 alG&riTog Ö>a(»aw*t
•/.arsTLOVTio&t] TcavorQaxi' *f
'laQcci]X öe dieXd^iov*
Iv jiieao) rfjg -d-aXaoar^g*-];-
äveßöa' KvqIo)*
r(p Qe(p fif.iC!)v äaiüfiev, *
ort öedo^aavai.
Von 6 Punkten bloß 3.
(S. 471): Tbv ef-iTteadwa, XQiare,*f
XfjGTiöv eig xelgag 7tovr^Qidv,*-f
■/.al TtXrjyalg ipvxocpd-ÖQOig *
426 R. Abicht,
rjfiL&apfj yev6f.i€vov*f
ayf-ifiaS-Eiag ekaio)*-f
■9-£Qa7t£voag oiaTeiQ)]Goi',*f
'Iva öo^dCco oe.
Von 6 Punkten 5, der hinter Vers 5 ist nicht deutlich, aber vor
^BpaHEBaßli = d-egartevaag ist ein Zwischenraum, der für den Punkt
zeugt, da die Handschrift sonst keine Worttrennung hat.
(S. 471): '^q afxaQTiqGag TtoXla *f
onriKatov yiyova XrjorCov ' * \
6 TE^d-elg kv arcrjXaui), * f
dav.QViov 6f.ißQovg öiöov (.loi^ *f
xal xad-ccQiaovf, OTttog*
Tov ayiov aov TIvexif-iaTog*
vaog y€vrjao)(.iai.
Von 6 Punkten 4 richtig, einer falsch gesetzt; von o^iog anist auch
die Wortfolge im Slavischen alteriert, d. h. von einem, der die Strophe
als Lese-, nicht Singtext ansah, vereinfacht worden: raKO/\ai^pKBH
CTroTH;i,Y4K;RAfM'K.
(S. 471): NeavLy.cög top Ix^Q^^*^
y^araßaXövTsgj Jid^lr]Tal,*f
■S^eonXöxoig dXr]d^öJg*
axEcpävoLg eKoafxrj&r]Ts,*f
xal Qsq> ev vipiavoig*
(ÄST ^iyyeXiov TtagLatctods *f
dö^rjg 7tkr]Qov(.isvoi.
Von den nötigen 6 Punkten sind 4 an den richtigen Stellen vor-
handen. Die Wortstellung im Slavischen ist mehrfach abweichend.
(S. 471): Merce MaQvvQcov, ^yvi]^*
(.lETct tCov ^bLiov nQOfprjTtÖVj*f
{.lera Ttävriov JiyysXwv*^
TOV Kriarrjv rü)v ciTtävTcov*
EnövacoTtEif acod^fjvat*
Tovg GE do^d'CovTag^*^
GeoxccqItwte.
Von 6 Punkten stehen 3 richtig, einer falsch, 2 fehlen. Der slavi-
sche Text ist dem griechischen nicht genau entsprechend, das letzte Kolon
{QeoxccqItcotb) fehlt.
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 427
(S. 513, vgl. Christ u. Paranikas S. 196:)
TOP y.QViparTa 7täXaL*\
ÖlWKTrjV TVQaPVOV*'f
vjto yfjv tycQvtpav*
rCov OEOiooi-iiviov ol nald£g'*f
äll^ fjfulg wg al veavideg*
T^ KVQUO aGCO/,lEV'*f
^Evdö^iog yccQ dedö^aorai.
Von 7 Punkten 4 vorhanden und an den richtigen Stellen.
Tafel n.
BTi ^(M/fi ist das ^soToy.lop der 6. Ode und pocojV^K^U,'^ der
slQiJ.og der 7. Ode eines Kanon des Theophanes, dessen sämtliche Strophen
durch die äy.Qoavixig »Ektop TtQoaavöiö rolg aTreX&ovaiv ^iiXog<-
festgelegt sind. Um so auffälliger ist es, daß der übrige Inhalt des Fak-
similes mit dem genannten Kanon nichts gemein hat, auch im ganzen
6-Ton {rcläyiog ß') nicht zu finden ist. Man sieht, mit welcher Willkür
bei der Zusammenstellung der verschiedenen Oktoechs mit dem Strophen-
material verfahren worden ist. Die beiden Kanonstrophen lauten im
Griechischen
(S. 528): Eig yfji/ cc7tsTQarpr]f.i£v,*
TtdQccßävTEg Tov Qeov*
rrjr IvtoXtjv rr]v evS^EOv ' * f
ölo. aov öe, JJaQd^eve, Ttqog ovqavov*
rf^v cp&OQav tov d-avcctov*
exTivd^avTeg.
Im Faksimile nur zwei von sechs Punkten vorhanden, aber diese
beiden wenigstens an richtiger Stelle.
(S. 528 u. 463, 497, 507 usw.:)
^qoGoßöXov i-iev ti]v y.dfXLVOv\ elgyaoarof
"IdyyElog rolg baioig naLoi'*f
Tovg XaXöaiovg de*
v.ataq)Xeyov TtQÖaTayua Qsov*\
TOP Tvqavpov btcsloe ßoäv'*\
Ev?.oyr]Tbg ei, 6 Oebg, *
b tCov TlariQCüp f]atdp.
428 R. Abicht,
Von 6 Punkten 4 vorhanden, davon 3 an den richtigen Stellen.
Wenn der Kopist neijj'K-c'KTKCtpHarrA'K abteilte, so leitete ihn wohl das
Bestreben, Subjekt und Prädikat zu verbinden. Wir haben also auch
hier schon den Kampf der syntaktischen mit der musikalischen Inter-
punktion.
Tafel ni.
(S. 713): 2tof.iaTr/.alg i^ioQrpcoaeai*f
Tiüv äocjiLidTiav z/vvä}.iEiov*\
TtQog vosqav xat civlov*
avayöf-ievoi svvoiav*-^-
yiai TQioayüo f.ieX(pdrif.iari, * f
rqLOVTtoGtärov 0£ÖTr]Tog *
ly.dEi6f.iBV Ol el?Mfiy.uv,*j-
XSQOvßizöJg ßorjOiüf.iev' *f
".Aytog, "Ayiog, "Ayiog el, ö Qeog.
Es dürfte nicht überflüssig sein, zunächst diesen Text zu erklären,
er bedeudet: Wir, die wir (noch hier auf Erden) in körperlicher Gestalt
lebend, zu der idealen und nicht materiellen Denkungsweise der körper-
losen Mächte (= Engel) angeleitet werden, und durch das Dreimalheilig-
Lied (vgl. Jesajas 6, 3) Erleuchtung von der dreipersönlichen Gottheit
empfangen, wollen wie die Cherubim rufen: »Heilig, heilig, heilig bist du,
GottU
^£2Qol6yiov zb i-ieycc, Rom 1876, S. 36 zieht Vers3 u. 4 zusammen.
An ihm gemessen fehlt unserer Strophe von 8 Punkten einer, nach der
naQUAli^TiKrj — zwei.
(713): MsTcc TzaoCov rCov ovqavicov /ivvä{.iEcov*\
XBQovßixcJg T(p ev vipiaroig ßor]aioi.ier, * f
Tov TQiadyiov ävaTtififtovreg alvov ' * f
"Ayiog^ "AyLog, "Ayiog sl, b Qeög.
figok. hat V. 3 avafiiXTiovTEg. Alle Punkte vorhanden.
(713): E^eyeQd-evveg TOV VTtvov*
7TQ0G71L71T01.1SV ooi, Ayad-s, * f
xat TÜ)v AyyiXiov xbv vfipov*
ßoG){.iiv aoi, Avvari'*\
"Ayiog^ "Ayiog^ "Ayiog el b Qeög ' *
öia Tr]g GeorÖKOv elerjaov f]f.iäg.
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 429
'QqoX. zieht Vers 3 u. 4 zusammen. Die beiden vorhandenen Punkte
stehen an richtiger Stelle.
(715): '0 xo cpCog dvaTilltov, KvQie,*-\-
TtQoaraoiaig rCov Jiacofidrtüv, *
"/ort acöoov i-ie.
Diese Strophe ist ein cpu)vaycoyi-/.6v und als solches auch im slavi-
sehen Text mit OB'S = Cß'tTHAf HTk bezeichnet. Die beiden vorhande-
nen Punkte stehen an richtiger Stelle.
(713): Tag avio Jvvdi.ietg i.iLi.iovfi£voi,*
Ol E7tl /ijg*t
iTtipUiov v{.ivov 7TQOO(piqo(.iiv gol, Myad-i'*\
"AyLog^ "Aytog, Zilywg el, b Qeög.
"^Qol. zieht Vers 1 u. 2 zusammen, wie der slavisehe Text.
(713): "Ayf.TLOTB (fvaig,*
fj rCov olcov drji.iiovQybg,*f
ra ;(£tA/^ f^fiätv apoi§ov,*-f
OTttog dvayyslXcofxsv*
zrjv aivEöLv oov ßoidvveg'*f
Ziiycog, "Ayiog^ ^'Ayiog ei, o Qeög.
''^QoL verbindet V. 4 u, 5, demnach fehlte bloß ein Punkt.
(713): Tfjg -/.livrjg jcai rov vnvov*
E^eyeiqag {.is, KvQi€j*-f
rov VOVV I-IOV cpiOTiGOVy *
xat TTjv y.aQÖlav\- xal ra xsL^rj f.iov apoi^ov* f
slg To h(.ivelv gs, Ayia TQidg'*f
"Aycog/Ayiog,'AyLog ei, b Qeög'*
öia rfjg (deot6v.ov eXer]Gov ri/.iäg.
^^QoX. hat noch einen Asteriskus hinten '/.aqdlav wie der slavisehe
Text.
(715): Tb cpüig gov rb ätdiov*
e^aTtÖGreiXov, KvQie,*-f
y.al (pioTLGov ra üi.if.LaTa*\
ra v.qv7TTa. rfjg -/.aQÖlag f.iov,* f
TtQOGTCtGiüig TÜ)v AGioadrcüV,*
yial GWGÖp i-ie.
430 R- Abicht,
Die Strophe ist ein (pioTaycoyL'/.6v. Es fehlen die Punkte hinter
a'idiov und l^acoixdtiür, wofür bu,a steht.
(713): TQiag bf^ioovate -/.cd ctdiaLQeTe,*\
Movag TQiauTtÖGtare-f -/.al Gvvatöie,*-f
Gol u)g Qe(^ t(x)v HyyiXiov *
Tov vnvov v.qavyaC.o^uv'^\
"AyLog, "Ayiog^ "Ayiog ei, o Qeog.
^QqoX. verbindet Vers 3 u. 4. Danach ein Punkt (hinter TpHC'K-
CT Aß^HA = TQiGV7t6GTaTe) ZU viel. Nach dem, was wir bisher beobachtet
haben, sind solche Abweichungen nicht als Fehler anzusehen, sondern
als Hinweise auf etwas andere Verteilung der Fermaten beim Gesänge
des Liedes.
(713): IlareQa äraQxov,*f
Yihv GvvävaQxov, * f
npev[.ia Gvva'idwv, * f
Geörrira f.ilav\- xsQovßixwg do^c(Gcoi.i£p' *
l'ilyiog,"Ayiog,Ayiog ei, b Qeög.
Der slavische Text hat im Verhältnis zum griechischen einen Punkt
(hinter (/l,HHO = /.liav) zuviel, der aber deklamatorisch berechtigt ist;
ob auch musikalisch, kann ich leider nicht entscheiden.
Wie selbst in gänzlich verwilderten Handschriften sich die Kolon-
interpunktion findet, und stellenweise sogar auffallend richtig, zeigt das
Faksimile VH in Scepkins, Bolonskaja psaltyrt nach S. 80 aus dem
Oktoech Andrej Popovs, Rumjancevsches Museum Nr. 2571, vgl. Para-
kletike S. 511.:
l» c Ä
üpkTBOHPH.
JKHi^HliHi^aCTÖnAeHHf :
AIOA(MliTBOHIUIkl€.
HaHkHaA'^/fVl|J{CifV:
TEBC pacn<fiHkiijaroc/A
BaHa . . .
noMH . . .
^0 GtavQÖg GoVj KvQie,*
^lorj Tial dvTilT]ipig*
VTtccQxeL T^ Xa(p gov*
xat l/r' a^T(p TteTtoid^öreg, *
Ge rov GtavQO}d-evTa guqyX*
Qeov fjf.iwv vfj^vovfiev*
eXirjGov fjf.iäg.
Es scheint hier sogar ein System von einfachen und Doppelpunkten
vorzuliegen. Scepkin hat S.243 bloß den Doppelpunkt hinter wa/i.'RA 141« C/ä
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 431
abgedruckt, auf dem Faksimile sind aber auch die übrigen vollkommen
deutlich.
Durch das bisher Gesagte ist die Vermutung, daß die von syntak-
tischem Standpunkt aus (wie schon Jagic erkannt hat) nicht erklärbare
Interpunktion in den altrussischen Menäenhandschriften eben die musi-
kalische Kolonabteilung sei, schon in hohem Grade wahrscheinlich ge-
worden, eine nähere Betrachtung der Faksimiles wird diese Wahrschein-
lichkeit zur Gewißheit erheben.
Faksimile I.
Rückseite des Blattes 56 des September-Menäums vom Jahre 1095,
in Jagics Ausgabe Seite 079, 20 bis 080, 9, enthält den Schluß der 4. Ode
eines Kanons des Andeas Kretes (über diesen vgl. Christ und Par. XLII).
Den grichischen Text hat Jagic aus dem Menaeum Synodale und Porphyiüi
S. 525 abgedruckt, der elQf.i6g ist 'O TtQocprjTrjg JißßaKOVi-i, vgl. Ilev-
rrjyioOTdQLOv usw. tr Ptof.ij] 1884, S. 180:
7: 'O TtQocprjrrjg J4ßßayiov(.i*
4: Tolg i'oeQOlg*
10: d(pd-aX(.Lolg TtQoetoqaj KvQLB,*
6: Tyjv Ttaqovaiav aov*
7: öib '/.ai dve-KQayev*
4: 1:47t b Qaifiav*
5: rj^ei o Qeög.*
8: z/ö^a zfi dö^j] aov, Xqiote^*
9 : dö^a ttj avy^araßctoei aov.
Den slavischen Text dieses eiQi-iög gibt Jagic S. 079:
7 : Prorok-L AmbakumT&
5: mysltnyima
9 : ocima provide, Gospodi,
6: prisbstvfcje tvoje;
8 : temL i vtpbjaase:
4: Ott uga
5: prideti. BogrB.
7 : Slava sile tvojeji,
1 1 : slava, Hriste, si.sLstvtju tvojemu.
Die bei Jagic, S. 525, abgedruckten Strophen sind ziemlich unregel-
mäßig gebaut, wie folgende Übersicht der Silbenzahlen der einzelnen
Kola ergibt:
432 R- Abicht,
EtQf^ög: 7 : 4 : 10 : 6 : 7 : 4 : 5 : 8 : 9 = 60 SUben;
1. '0 TtavQidQxrjg: 8:5:12:7:7:5:5:9:11 = 69 >
2. Nvv fj QÜßdog: 7 : 5 : 13 : 7 : 7 : 5 : 5 10 : 11 = 60 »
3. Nvv ev(pQaLviö&to: 9:5:8:7:7:4:6:9:11 =66 »
4. 'EoQTaUrio: 8 : 5 : 8 : 6 : 7 : 4 : 6 : 9 : 10 = 63 »
5. J4vav£ovo^co: 8:5:8:7:7:5:5: 10: 10 = 65 »
Das Faksimile zeigt den Schluß von Strophe 3 :
9: Nvv evcpqatviod-o) b ovQavbg,
5: dyallLaa^io
8 : 7j yfj YMi xoQevivwaav
7: 'ltoay.eif.t y.al Jctviö'
7 : b {.lev wg yevvrjtioq oov,
4: rfig aX-qd^Cog
6 : TS'ÄOvar]g xov d^eöv '
9 : s'/islvog de wg TCQortdzcoq oov,
1 1 : y.riQVTTtov oov tcc [xsyaXela, ayvt}.
Der auf dem Faksimile sichtbare Punkt hinter npaOL^b TBOH steht
an richtiger Stelle.
Von der folgenden Strophe ßiiZßfAHMHCA fehlt uns noch der
griechische Text. Die beiden folgenden gebe ich in Kola geteilt und
bezeichne die Stellen, an denen im Slavischen die Punkte stehen, mit
Kreuzen :
8: '^EoQTateTü) b vabgf
5 : '/.al rCov ayiuiv
8: TU ayid ooi arj!.i£Qov
6: e^avoiyia&coGavf
7: y.ai ai, rrjv duiavrov
4: TreQiarsQär,
6: ÖExeod-iOGav, G€f.ivr],f
9: sao) kv rfj G'K)]vfi xov &eov,
10: evdov rov iXaarrjQLOV avrov.
Die drei vorhandenen Punkte stehen an richtiger Stelle.
8: MvavEÖvad-o) b Jidccix^j-
5 : OTL rov viov
8: Jtldai.i-f f^irjTrjQ yeyepvr]TaLf
7: ey. Tfjg öocfOog Javtdjf
7 : '/.al ^!Avva evcpQaivevaL, f
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 433
5: ^Io)ay.elf.i öh
5 : x^^Q^^ /.ivoTimog, f
10: TSKÖPTeg ff«, trjr äyiav axrjvrjv,
10: 1.^ >]g occQ^ S-ebg köyog yeyovsv.
Von den vorhandenen Punkten hat sich nur einer verirrt, was be-
greiflich ist, da bei einigermaßen flüchtigem Schreiben sich rov viov yäöaii.
anstatt rov viov Jiöa/.i gar zu leicht einstellen konnte.
Vor der folgenden Strophe steht das Zeichen, welches Jagic S. XXXIII
»noxoKiä Ha jieaca^yio hjih naKJioiiHyiG eiiTy, hjh ua pi>i6Ky< nennt.
Ich halte dies Zeichen für identisch mit dem Zeichen d, welches vor
Liedern zu Ehren der heil. Dreifaltigkeit sich in dem Venediger Oktoech
vom Jahre 1579 (z.B. zweimal auf S. tioTa) und in den Venediger Menäen
von 1592 (z. B. S. J8^^°) findet, seine Bedeutung ist TQiaöi-/.6r. Die
Figur symbolisiert wohl mit dem Kreise die Dreieinigkeit und meint mit
dem spitzen Winkel ein ^ = öö^a. Der griechische Text dieses TQia-
öi/.öv und des ihm folgenden d^eoroy-Lov ist noch nicht gefunden.
Faksimile II.
Es ist Blatt 40'^««*'' des Oktober-Menäums vom Jahre 1096, S. 83,
17 — 84, 9 der Ausgabe, in den Mr]vala rov okou eviavroü, Rom 1888,
I 393.
Der Heirmos lautet:
Christ u. Par. S. 172:
I 7 : JiTtoQsZ Ttäaa yXioaaa
7: ev(pr]a£lv Tzqog aS,Lav'
II 5 : iltyyuc de
7 : vovg Kai vrcsq-/.6o(.iLog
7 : vf.iv£lv ae, S-sotöks '
III 9: of-icog ayad-rj V7iäQ%ovoa
5 : rriv ttLotiv öexov
IV 7 : y.al yaq rov nod-ov oiöag
6: rov 6V-3-S0V fn-iCov
V 7 : Gv yaq Xqioriccvcüv ei
9: n:Qoarärig,U€ [.leyalvvoi-iev.
Christ hat also 5 Verse mit im ganzen 11 Kola, die Menäen haben
bloß 1 0 Kola, man sieht, wie viel auf diesem Gebiet noch achwankt.
Archiv für slavisobe Philologie. XXXV. 28
Menäum, Rom 1888 S.393:
5: ATioqel Ttäaa*
9: yXCüOoa ev(pri(.iBlv Ttqog a^iav*
5 : lliyyiä de *
14: vovg %a\ vjtsqy.ÖGf.nog vfivelv
ae, Qeoröv.e. *
14: '^'Of.Kog ayad-rj vnaqxovoa rrjv
Ttionv öexov ' *
7: y,al yaq rov rcöd-ov oiöag*
6: rov evd-eov fjf.iiov' *
2 : av yaq *
8: Xqiariavöjv ei Ttqoararigj*
6 : ae f.ieyalvvof.iev. *
434 R. Abicht,
Das letzte Troparion und das schließende Theotokion der 9. Ode
des Kanons für den Heiligen des Tages (11. Oktober) sind nach den rö-
mischen Menäen folgende:
5: Mi] £7tiXäd-r]*
9: kv ralg Tiqoq Qeöv gov 7rQeaßslaig*j-
5: Twv ixTelovvTiov*
14: aov rrjv rcavasßdafiiov fif.i£Qav, 'l€QaQX(^j*f
9: Ttdarjg äfteilfjg XvTQovi.isvog*
5 : aftaycoyfjg re *
7: deLv^gf twv evarriwv,*
6: xa« ^Xiipeiov n:olXcov*f
2: OüJ^cov*
8: yial TveQisrtcov ek ßlc<ßrjg,*-f
6: nätsQ -d-EÖcpaveg.
Die Kreuze bezeichnen die Punkte des Manuskripts, von den 10 der
römischen Ausgabe sind 5 vorhanden und stehen an richtiger Stelle bis
auf den hinter ÖEiffjg bzw. AWTaro, hier ist aber die Übersetzung
augenscheinlich nach einem anderen griechischen Texte gemacht oder
später korrumpiert worden.
5 : YTTSQ/Liaxovaa *
9: ^^vay.Ti TtiarCog Iv 7roXEf.ioig*f
5: xara ßaQßdgtov*
14: diöov viy.r^TriQia,-\ IlaqS-EVE Qeot6y.e^*'\
10 (9): OY.E7iovoa navroiag ßläßrjg EX^QÖJvf
5: EvXoyr^uEvt],*
7: ÖEdo^ao/AEVi] 31rJTEQ,*f
6: uTtEiQavÖQE Koqrj'*
2: tVa*
8 : xov abv Yiov avvf-ivovvTEg *
6: OE f.i£yakvvofiEr.
Kol. 2: B'SpHOYMO\' gegenüber rtLOrüg^ das Venediger Menäum
vom Jahre 1592 hat Tiiotcp, 8.6 S''^". Von den 10 Kolonpunkten sind
5 vorhanden und stehen richtig bis auf einen hinter viy.riTriQia ^ bzw.
nOK't/i,'ki, wo übrigens Christ und Paranikas einen Kolonschluß an-
nehmen. Vor und hinter 'iva bzw. ^a, welch letzteres eingeflickt ist,
soll ein Kolonasterisk stehen, wir finden hier auch einen Punkt, aber
der gehört zu Moy^KEHmcKOYCiiHaiä, und zwei Kreuze, die sind aber
nur die Zeichen für die Einfügung des Ji,&.
*
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 435
Es folgt ein KdO^iOj^ia, ^70? 7cX. d' nach Tr]'}/ 2ocplcxv, Christ u.
Par. S.62, Römische Meucäen I 387), welches Rom, M. I 406 also lautet:
T)]V ■üQataLav*
ÖTtlLGcti-ieroi nioTLV,*\
vsccvixiog, *
J^vÖQÖvuog, ÜQÖßog re, *
■/.cd b 7tävoo(pog TaQaxog*\
Tfjg TtoXvd^iov 7tMvr]g *
tb '/.QciTog dieXvoap*f
'/.al laovg Ttqbg O-elav*
ayd7tt]v ovpeörjaav*
o&ev ta rfjg vUrjg
'/.O^lLOd^iEVOl /€(>«, *t
XOQolg ovvevrpQaLvovrai* \
daa)[.iariov /Jvvä(.iuov *f
olg ev TtioTEL ßoriaco^£.v*\
IlQSoßevaare XqLOrip t(^ 0«<p, *
TÜv TrTaiai-idTwv acp • eaivdioQifj-
ToZg ioQzd^ovai nö&o)*
T)]v dyiav i.ivri(.ujv Vf-iLov.
Im drittletzten Kolon bricht der Text mit rp'feY^^l»' OCTd ... ab.
Die vorhandenen Kolonpunkte (8 von 16] stehen sämtlich an richtiger
Stelle.
Faksimile III.
Es ist fol. 79^^" des Oktobermenäums vom Jahre 1096, in der Aus-
gabe S. 147, 3 — 18. In den römischen Menäen I 478 ist unter dem
21. Oktober Talg rwv daxQVcov aov Qoalg bloß zitiert, es findet sich
aber im Horologion, Rom 1876 S. 128:
Talg rCov da-/,Qvcov aov Qoalg^f
rfig eQYjfiov tb ayovov €y€ibQyr]aag,*f
y.al Totg ek ßdd-ovg aT€vayf.iolg*-f
eig i'/arbv rovg növovg exaQ/cocpÖQrjGag,* f
/mI yeyovag cpo}arf]Q,*
rfj orKOvi-iiprjf Xd^ijnx)v\ tolg &avi.i(Xöi,*\
GeÖATiaTe TldreQ r]f.uop oaie'*j-
rtQSOßsVB XQLGTCp t(p &e(p,*
acod^fjvai rag xpvxag rn^iüp.
Der Punkt hinter BCfAfH'kH = oUovfievr] ist deutlich, der hinter
CHidiii = Xd{.i7rcop ist unsicher, ich halte ihn für einen bloßen Klecks.
Statt GeönTLOre hat der slavische Text HAdpHöHf , man sieht, wie ge-
wisse Loblieder auf verschiedene Heilige übertragen wurden. Über die
Richtigkeit der Punktsetzung im slavischen Texte dieses Kolons: HAa-
pHöH« CM« Hami^- kann man streiten. Ich halte sie für richtig, da der
Punkt im Slavischen zwischen Hdiuk = fji.uov und moah = TtQeoßeve
Bteht; 00 LS ist unübersetzt geblieben oder ausgefallen.
28*
436
R. Abicht,
Rom. Men. I 479: Käd^iG^a, 'H/og ttI. 6'.
J^vTiovlov Tov -d^eiov*
TOV iväqetov ßlov*
7Cvevi.iaTiy.ius* f
Ire lü^iov Gov ekaߣg*-f
TOP OTaVQOV TOV KvQLOV GOV
y.axaXiTciov xov ßiov*
TTjv arcaGav f-isQif-ivccv, * f
Tfj TÖJV Ttad^Cov veyQCüGet*
Trjv 2o(piav.
TCp TtVEVfXaTL £^?^(Tag**f
od^EV /.al TrjV ^TIGIV*
nagadö^iov ■d-avficcTcov*f
eTtlrjQtoaas, 'Ogu, *
Tfj TOV nv£V(.iaTog %aQlTl. * f
'l\aquov\ UuTrjq r^fj.ibv,*\
TtQEGßsVE XqiGTCp T(p &ECp,*
TÜV TCTaiGf.l6.TL0V CCCfEGlV ÖlOQTj-
GaG&ai*
TOlg EOQXaLOVGL 7C6&tp*
Tijv ayiav f.ivrji.cr]v gov.
■i
Die griechische Vorlage des slavischen Übersetzers hatte Kolon 2
und 4 vertauscht, denn an Stelle von eCrjhoy.cbg lesen wir ;i,]C^"''^'; ^^
Stelle von TCPSv^iaTiacdg — nopkBbHOBacK •. Die slavische Über-
setzung läßt den Schluß von... Gf-icncov vom drittletzten Kolon an weg.
Von den im Griechischen bis dorthin vorhandenen 16 Kolonpunkten fin-
den sich 9 an den rechten Stellen, ein zehnter steht hinter HAapHÖH£ =
^I?MQitov und zeigt Vermischung mit syntaktischer Interpunktion.
Den griechischen Text der letzten Strophe des Faks. III gibt Jagic
S. 569 aus Men. Porphyrii 91''. Die Kolonteilung ist die von Tr]v 2o-
(ptav, die wir aus den schon aufgeführten Strophen Tfjg aylag Tqcädog
und J4vTioplov tov -d^elov kennen. Der slavische Text auf dem Faksi-
mile geht bloß bis zum 11. Kolon, dessen letzte Silbe fehlt, ich gebe das
Griechische deshalb bloß bis dahin:
TtäGiv avi'KXvGag
TÜV S-av/uccTiov TO TtiXayog, f
Y.a\ EV avTcJ^^ oig ÖEVTEQog
BIiüGfjg,f yiaTETtövTiGagf
'EyxQaTEiag lÖQcoGcvf
äGyir]Tiy.olg
Y.aTaGßEGug Tr]v cpXöya
Tr]v TÜV Tta&üv.
r« Tfjg TcXdvr^g aQi.iaTa,-f
daij-iöviov TE Tag cpdlayyag.f
od-ev GvveXd^övTEg . . .
Von 10 Punkten, die der griechische Text fordert, sind 6 vorhan-
den, davon stehen 5 an richtiger Stelle, der sechste steht hinter mc>ch =
MwGfjg verschoben.
Die Interpunktion in d. slav. Übersetzungen griech. Kirchenlieder. 437
Faksimile IV.
Blatt 146^'ö des November-Menäums vom Jahre 1097 = Text 461,
4 — 21. Das Blatt enthält zunächst die letzten 1 Y2 Strophen der neunten
Ode des Kanons Theophanes' auf die heilige Aiy.aTeqLva mit der
Akrostichis Ai~/.areqivav rrjp Ttavaolöi/^iop aafiaoi /.lelrco) (Rom.
Men. II 276 und 284). Der Text des Faksimiles beginnt im 5. Kolon:
Tlaorddiov ovqavuov* 7teqiXa(.i7toiiivr] (.iaqiiaqvyalg*\
evdov ravvv*
Gvv Ttaqd^iviov xoqeia*
Xoqevovaa *
(.iaqrvqL-/.olg*
Ai^areqiva nävoocpe, *f
Xvaov Tü)v TtraLGf-iäTiov {.lov tag
OEiqag^* -f
Ttqod^vf-icog övocoitovoa *
rov TtdvTiüV Eveqyiriqv, *f
Öl ov rb aifia aov l^i'/^eag.
*
'Qqäd-rjg, TlaqS^ive
MrjTr]q Qeov,*-f
VTilq rpvaiv reycovaa*
eV G(b(.iaTL*-\
rov dyad-op*
yLöyov Ix yiaqölag rijg eavTOV*-f
dp b Tlatrjq rjqev^aro^*
TtdpTiop Ttqo aiiopiop log dya-
op PVP y.al Tiop aa)i.idTiüp*
e7teY.ELpa poovfiePj*f
ei Acu rb oCo^ia TteqißeßXrjrai.
Die Punkte im slavischen Texte stehen, soweit sie vorhanden sind,
alle an richtiger Stelle.
Die griechischen Texte der folgenden beiden Strophen RoiۧO/i,a
und JKHTHia {^rqarrjyog und BLov) hat Jagic nicht finden können (vgl.
S. 603). Ich bin nicht glücklicher gewesen. Die bisher beigebrachten
Proben dürften indessen genügen um zu beweisen ^ daß die auffallenden
Punkte der von Jagic herausgegebenen Menäenhandschriften des XL Jh.
nichts anderes bedeuten als die musikalische Koloneinteilung.
RelkoYic' Satir in Ragusa.
Die Zersplitterung der älteren kroatischen Literatur erscheint wohl
heute durch manchen Hinweis auf die Berührungspunkte einzelner litera-
rischen Gebiete gemildert , jedoch vermögen diese gegenseitigen Beruh-
I
438 T. Matic,
rnngspunkte noch immer nicht, dem Bilde der Literatur vor dem Illyris-
mus eine innigere Einheitlichkeit zu verleihen. Um so mehr Interesse
bringen wir jeder, wenn auch an und für sich unbedeutenden literarischen
Erscheinung entgegen, die bezeugt, daß das eine oder das andere von den
Werken unserer älteren Schriftsteller auch in den Gegenden bekannt war,
wo wir es nicht erwarten würden. Eine solche Erscheinung ist gewiß
die von einem Ragusaner angefertigte, in der Bibliothek der Stadt-
gemeinde Ragusa erhaltene Handschrift des Satir. Auf dieses Manu-
skript wurde ich , als ich im Sommer 1911 in Ragusa weilte, von Prof.
Aranza aufmerksam gemacht, der es mir durch sein freundliches Ent-
gegenkommen auch ermöglicht hat, die Handschrift zu benützen.
Das erste Blatt der Handschrift, die 108 Seiten umfaßt, trägt mit
kalligraphischer Sorgfalt ausgeführten Titel :
»Raflike Pjesni Slovinske | pripisane | if Libra, rec^^^ Satira M. A. Rel-
kovich J Pjevaoza Slovinskoga, | I prinesene ü Boscjanski f^^*^' jefik | pö
I Maren Marinovich | Ü Dubrovniku [ Godiscta 1828.« Auf dem darauf-
folgenden Blatte ist noch ein Titel, der vom ersten hie und da abweicht
und dessen weniger sorgfältige Schrift mit der der übrigen Handschrift
vollkommen übereinstimmt: »Raslike Pjesni Slovinske | pripifane ] If
Libra Mattie Antuna Relkovichja | Pjevaoza | od Slavonie, | i j Slofgene
ü Slovinski Jefik, | tojest ü pravi Bofcianski (^''^' | pö | Maren Marino-
vich I u I Dubrovniku | God. 1827.«
Dieser Marko Marinovic, der Relkovid' >S'a^?r in die »echte bosnische
Sprache« übertragen hat, ist auch sonst bekannt. Von ihm stammt die
handschriftliche Sammlung von Brueres Gedichten, die von Dr. Nagy im
Archiv f. sl. Ph., XXVIII. Bd. , besprochen wurde (eine handschrift-
liche Sammlung der Gedichte Brueres — ebenfalls von der Hand Marino-
vic' — besitzt auch Prof. Resetar). Unter Marinovic' Namen ist im
Kataloge der Bibliothek des Fra Innocenz Öulic eine Reihe kroatischer
und italienischer Gelegenheitsgedichte (sogar ein französisches Epigramm)
verzeichnet (vergl. auch Kukulevic' Arkiv V, 179 — 183) und ihm ge-
hören wohl auch die zwei Gedichte, die unter dem Titel »Nad prilikom
pjesnika« in das in der Bibliothek der Südslavischen Akademie in Agram
befindliche Exemplar der venezianischen Ausgabe (1632) der Gedichte
D. Raninas handschriftlich eingetragen sind [Stari pisci'^Nlll, pag.XIX).
Marinovic war somit ein Gelegenheitsdichter, der sich aus Liebhaberei
auch mit dem Abschreiben fremder Gedichte befaßte.
Die Abschrift des Satir wurde — wie deren zweiter Titel besagt —
I
Eelkovic' Satir in Ragusa. 439
wenigstens schon 1827 in Angriflf genommen. Marinovic kannte den
Satir in dessen jüngerer Form, die 1779 erschien und gegenüber der
ersten (Dresdener) Ausgabe vom Jahre 1762 bekanntlich stellenweise
geändert und bedeutend erweitert ist. Vor dem Texte des Satir wird in
der Handschrift (S. 5) die Vorlage Marinovic' ausdrücklich erwähnt:
»Pripisano ifLibra Mattie Antuna Relkovichja recceni Satir, illiti divij
Ciovik ü parvomu dilu pjevä ü Gusli Slavonzim, a ü drugomu djelu Sla-
vonaz odpiva Satiru. Ü Ofiku 17 79«. Relkovic' Vorrede, in welcher der
Autor über die Entstehung des Werkes sowie über dessen Aufnahme im
Volke und die Angriffe der Kritiker erzählt, wurde von Marinovic weg-
gelassen. Ebenso wenig interessierten ihn die ziemlich umfangreichen
Fußnoten, die Relkovic an einzelnen Stellen des Satir zur Erklärung bei-
gegeben hat. Eine einzige von diesen Noten fand Gnade vor Marinovic
und wurde auszugsweise in die Abschrift des Satir aufgenommen : der
Name des Brunnens Markovac im Dorfe Vrbova, der zur Erinnerung an
die Reise Kaiser Josefs II. durch Slavonien mit einer lateinischen In-
schrift geschmückt wurde:
Ex puteo hie aquas si vis gnstare, viator,
Gusta, SecunduB quas bibit Josephus Imperator
war für Marinovic eine willkommene Gelegenheit, den Brunnen mit dem
nationalen Helden Kralevic Marko in Zusammenhang zu bringen. Relko-
vic begnügte sich mit bloßem Hinweise auf einen nicht näher bestimmten
Marko, der den Rrunnen entdeckt haben mag, Marinovic aber machte
daraus einen »Marko kral« und fügte der von Relkovic verfaßten kroa-
tischen Übersetzung der zitierten Brunneninschrift noch eine eigene Para-
phrase und Erweiterung derselben hinzu: »Isti spjevan od Marka Mari-
novica kako slijedi:
Bistru ak' vodu zudis piti,
pij, ku je nekada cesar pio
Josef Drugi glasoviti,
kad je ovuda prohodio.
I Kralevic Marko je pio
od Vrbove vode mile,
kad pocinut ovdi je htio
od bojnoga truda sile. (Handschrift, S. 70.)
Abgesehen von etwa fünfzig Versen, die in der Abschrift des Satir
fehlen i), hat Marinovic die Verse Relkovic' im großen und ganzen scho-
1) Es fehlen, soviel ich bemerkt habe, drei Verse im Ponisene Slavotnje
(Strohais Ausgabe vom J. 1895, p. 26—27, Vers 31—33), deren Wcglassung auf
440 T. Mati(5,
nend behandelt. Relkovic' Schreibart wurde natürlich durch die in Ra-
gusa damals übliche italienische Schreibweise ersetzt, — und das ist
wohl die bedeutendste formale Änderung, die Marinovic durchgeführt
hat. Die angebliche, im Titel hervorgehobene Übertragung des Satir in
die >echte bosnische Sprache« ist gar nicht ernst zu nehmen, denn die
von Marinovic an der Sprache Relkovic' vorgenommenen Änderungen
haben nur den slavonischen Dialekt des Satir hie und da dem Sprach-
gebrauche Ragusas angepaßt. Der Ikavismus hat der ijekavischen Aus-
sprache wohl einige Konzessionen machen müssen, doch sind diese ver-
hältnismäßig gering, so daß die ikavische Aussprache auch in Marinovic'
Abschrift bei weitem überwiegt. Hätte M, auf dem Titelblatte nicht
ausdrücklich hervorgehoben, daß er die Sprache Relkovic absichtlich än-
derte, so würde man diese teilweise Ijekavisierung (bekanntlich kommen
schon bei Relkovic stellenweise einzelne ijekavische Formen vor) eher für
unabsichtlich unterlaufene Versehen eines ijekarischen Abschreibers halten,
— so wenig konsequent ist sie durchgeführt. Mitunter herrscht bei
Marinovic ein auffälliges Gemisch der beiden Aussprachen :
Na toliko da je vece doslo
u obicaj i na svtt izislo
p/evat pjsme, koje ne valadn,
all dobre «eki stid imadu,
ier djevojak' nije stid ptvati . . .
oder
. . . jer druzince vjerno ne obara
kucu gosi, kad ga v/rno sluzi i).
Nicht selten sind an Stelle der von Relkovic angewendeten, in
Slavonien üblichen nominalen, pronominalen und verbalen Formen die in
Ragusa geläufigen Formen getreten: s Turcim, s kolim, vi-atim (instr. pl.),
prid ludim ; krvim (instr. sing.), celadim ; r uka und n og a (gen. pl.); konova
(gen.pl.); ovi und oni(nom.sing. masc), ovem,tega,otemu; ih für das bei
R. übliche j e (eos, eas) und j e für ju (eam) ; no m e für nojz i (dat. sing.) ;
druzima mnozi; Infinitive: jestit, dovestit, krastit, prestit, vestit, zagristit;
ein Versehen zurückzuführen ist, und 46 Verse am Schlüsse des Abschnittes
Pirovi (ib., S. 65 — 66), die wohl nur deshalb ausgelassen sind, weil in der ge-
druckten Vorlage Marinovic' (Ausgabe des Satir vom J. 1779) das Blatt F2
fehlte, das genau dieselben Verse enthält, die bei Marinovid fehlen.
1) Handschrift, S.21— 22 und 30.
Relkovic' Satir in Ragusa. 441
stabar für stablo (einmal auch s t ab ro, wohl um den Schein des Reimes
mit jilo zu retten) u. dgl. Die bekannten ragusäischen Formen wie:
mlados, ludos,jakos usw. fehlen natürlich auch bei Marinovic nicht.
Unter dem Einflüsse der grenzenlosen Verwirrung , die bei Relkovic hin-
sichtlich des Buchstabens h herrscht, weist auch Marinovic' Abschrift
stellenweise solche Formen auf, die ein Ragusaner sonst nie nieder-
geschrieben hätte: falingih (gen. pl.), fiorintih (gen. pl.), razlikah imenah
(acc. pl.), svatovih (instr. pl.), side i puseh duhane, — oder: dvoje slozni
(gen. pl.), gospodski kucah (loc. pl.), skuha, ruca, istrgo (l. sing, aor.),
— und sogar: hodilo und hodijelo (vestis), hum (mens) u. dgl.
Vielfach fand Marinovic im Satir Ausdrücke (großenteils Fremd-
wörter), deren Sinn ihm entweder selbst nicht klar war oder vielleicht
eventuellen Lesern die Lektüre hätte erschweren können, weshalb er an
solchen Stellen die Bedeutung der unbekannten Wörter in Fußnoten zu
erklären suchte. In der Regel sind seine Erklärungen richtig: tänur ist
pjat, mehana — tovijerna, cislo — kralijes, kavanluk (eig. kovanluk) —
uliste, zanagija — mestar, safungija — svjecar, masala — face, ajnmokc
— umido usw. Mitunter aber haben die Kenntnisse Marinovic' oder die
Quellen, aus denen er Erklärungen schöpfte, versagt, so daß die Deu-
tung hie und da nicht richtig ist: so wird z. B. potrica (vom Vieh im
Felde angerichteter Schaden) im Verse: »Ja ne mogu placati potricu«
(Handschrift, S. 39) als »karantan« (kleine Kupfermünze, ital. carantano)
erklärt. Insbesondere im zweiten Teile des Satir, hie und da aber auch
im ersten, wird im Texte durch Hinzufügung einer eingeklammerten Zahl
auf eine erklärende Fußnote hingewiesen und auch das zu erklärende
Wort ist in der Regel unter der betreffenden Zahl am Ende der Seite mit
einem die Erklärung einleitenden Zeichen (=) zu finden, — die Erklä-
rung selbst aber fehlt. Ohne Erklärung blieben auf diese Weise Wörter
wie: fela, rojta, vojta, baguda, krec, cigla usw. In den meisten solchen
Fällen wußte Marinovic wohl selbst keinen Bescheid, gegen Ende der
Handschrift aber scheint auch seine Geduld und Gewissenhaftigkeit et-
was nachgelassen zu haben, denn da wurde z. B. auch eine Fußnote be-
treffend das Wort »zanagije«, welches früher einmal ganz richtig als
mestar erklärt wurde, ohne Erklärung gelassen.
In einigen Fällen, wo ihm eine Stelle unklar war oder ihn sonst
vielleicht nicht befriedigte und eine geringfügige Korrektur genügte, um
den richtigen Sinn — nach der Ansicht Marinovic' — wieder herzustellen,
hat er sich nicht gescheut, den Text Relkovic' zu korrigieren. Die Wör-
442 T. Matic,
ter darati und darane waren ihm ofifenbar nicht bekannt und deshalb
hat er sie anfangs einige Male durch karati und karane ersetzt. Der
Sinn der betreffenden Stellen war noch immer annehmbar:
Od onda je postalo karane,
vitisiluk (statt: visticiluk) i bulio (statt: bulsko) varane
oder
I sotone sasvim se odrices
pak karanem opet nega vices *).
Jedoch als später im Abschnitte Carane i ki'ivotvornost okolo
vinöana der Sinn es nicht mehr zuließ, darane und darolije durch ka-
rane zu ersetzen , ließ Marinovic diese Wörter unverändert stehen und
setzte beim Worte carolij e in Klammern eine Zahl als Hinweis auf eine
Fußnote, die das Wort erklären sollte, von der aber jede Spur fehlt.
Auch das Wort srdali machte Marinovic Schwierigkeiten; er half sich ,
aus der Verlegenheit mit germgfügigen Korrekturen, ohne sich in welche
Erklärungen einzulassen :
Mogao bi za novce prodati
i zrcalim (bei R.: srcali), pengere kupitiSi.
Allerdings ist dann dementsprechend auch srÖa zu zrca (farza, so-
gar farsa!) geworden.
Trotz manchen Mißgriffes macht Marinovic' Abschrift des Satir
keinen schlechten Eindruck: M. war nicht ein mechanischer, teilnahms-
loser Abschreiber, sondern brachte dem Werke Eelkovic' viel Interesse
entgegen und war redlich bemüht, die Gedanken des Autors richtig zu
erfassen und , wo er es für notwendig hielt, unklare Stellen des Textes
auch zu erklären.
Schon die Tatsache selbst, daß Marinovic ein gedrucktes Buch ab-
geschrieben hat, ist für die damaligen südslavischen Verhältnisse charak-
teristisch. Um in den Besitz eines Textes des Werkes Relkovic' zu ge-
langen , zog er den mühsamen Weg des Abschreibens der damals wohl
auch nicht so leichten und einfachen Jagd nach einem Exemplar eines
vor ungefähr fünfzig Jahren in Slavonien gedruckten Buches vor. Man
darf aber anderseits auch nicht außer acht lassen, daß zu Anfang des
XIX. Jahrhunderts Gedichte in Ragusa überhaupt noch verhältnismäßig
1) Handschrift, S. 11 und 31.
2] Handschrift, S. 59.
Relkovic' Satir in Eagusa. 443
viel abgeschrieben wurden, und wie wir gesehen haben, gehörte zu sol-
chen Liebhabern auch Marinovic. Daß das von ihm abgeschriebene
Werk einige Jahre vorher (1S22) in Osijek (Esseg) in einer neuen Aus-
gabe erschienen war, davon hatte Marinovic wohl keine Ahnung.
Nach dem Satir, der auf der S. 105 der Handschrift endet, folgt
ein kleineres, ebenfalls von Marinovic geschriebenes Gedicht (S. 106 bis
107), in welchem ein Mädchen die Mutter verwünscht, weil sie ihrer
Heirat Hindernisse in den Weg legt. Auch dieses Gedicht dürfte auf
eine ikavische Vorlage zurückgehen. Einmal ist die ikavische Aussprache
im Reime erhalten (nemirnos - virnos) und auch sonst scheinen einige
Reime auf den ursprünglichen Ikavismus hinzuweisen (pravovjernos-
mirnos, prijeka-lubovnika). Jedoch einen unbedingt verläßlichen Beweis
bilden diese Stellen nicht, denn wenn auch die Assonanz in den letzten
zwei Silben je zweier Verse die Regel ist, finden sich doch stellenweise
Verspaare, in denen nakanila-dala oder ciniti-kleti u. dgl. am Ende
stehen. Jedenfalls aber weist das Wort odar in der Bedeutung »die
Bahre « :
Bog ti ne do nigda dobra,
neg plakala sved do odra . . .
auf Gebiete außerhalb Ragusas als Entstehungsstätte dieses Gedichts hin.
Das unvollendet gebliebene Gedicht auf S. 108, welches den
Kummer eines Mädchens schildert, das dem Geliebten entsagen und
einen anderen heiraten soll, dürfte ebenfalls, da die charakteristischen
Züge der Schrift Marinovic' auch hier wiederkehren , von seiner Hand
sein, fällt aber entschieden in eine spätere Zeit, weil da bereits die ortho-
graphische Reform Gajs teilweise zur Geltung kommt. Noch späteren
Datums sind die Verse, die auf einer Seite eines nachträglich angenähten
Blattes , jedoch von einer anderen Hand und bereits ganz mit Gajs dia-
kritischen Zeichen geschrieben sind. T. Matte.
Urkundliches über einige laoatische Schriftsteller.
Von T. Matic.
Als ich im Sommer 1911 im Wiener Kriegsarchive arbeitete, habe
ich hie und da Nachrichten über kroatische Schriftsteller des achtzehnten
Jahrhunderts gefunden, die als Geistliche in der Militärgrenze wirkten
444 T. Matid,
und infolgedessen ihre dienstlichen Angelegenheiten dem Hofkriegsrate
zur Erledigung vorgelegt werden mußten. Es handelt sich ausschließ-
lich um biographische Daten, die teils das bisher Bekannte ergänzen
oder urkundlich bestätigen , teils aber auch neues Material liefern. Da
dem Studium der literarischen Tätigkeit einzelner Schrifsteller auch die
kleinste verbürgte Nachricht über ihr Leben und die Verhältnisse, in
denen sie gelebt und gewirkt haben, willkommen sein kann, veröflfent-
liche ich dieses biographische Material, so wie ich es mir aus Akten
notiert habe.
l. Josip Krmpotic.
Die älteste Nachricht über Krmpotic scheint ins Jahr 1778 zu fallen.
In der Sitzung vom 10. Januar befaßte sich der Hofkriegsrat mit einer
»ab Imperatore« herabgelangten Eingabe Krmpotic', der seinem Bruder
eine Anstellung in Wien erwirken wollte: Kermpotitsch Joseph, Theolo-
giae Auditor, widerhoUet das sub N'' 3883 gestellte Gesuch, seinen bey
Erzherzog Ferdinand stehenden Bruder Damian Kermpotitsch als Super-
numerari k. k. ordinari Cadeten anzustellen und einem hier liegenden
Regiment oder Bataillon einsweilen zuzutheilen«^).
Am 22. Februar 1783 legte das Karlstädter Generalkommando
dem Hofkriegsrate >die Bittschriften der um die durch Absterben des
Pfarrers Franich in Erledigung gekommene Militar-Patronats-Pfarr zu
Grachaz eingekommenen nachbenannten Competenten . . .«, unter wel-
chen sich auch »Vicarius Kermpotich« befand, der jedoch nicht einmal in
den üblichen Dreiervorschlag des Generalkommandos gelangte 2].
Anfangs erscheint Krmpotic überhaupt wenig Glück gehabt zu
haben. Noch im Laufe desselben Jahres bewarb er sich um die Pfarre
Canke: > Kermpotich Josephus, Weltpriester aus der Licca, bittet um
Verleyhung der . . . erledigten Pfarr zu Csanka in dem Liccaner Regi-
ments-Bezirk«. Auch dieses Gesuch ist mit der Klausel >ab Imperatore«
protokolliert. Trotzdem wurde K. vom Hofkriegsrate im Oktober 1783
abgewiesen: »Supplicant wird mit seinem Gesuch an das Karlstädter
General-Commando und seinen Dioecesanum verwiesen« 3).
Nach drei Jahren versuchte Krmpotic nochmals — wieder mit Um-
gehung des Generalkommandos und des Bischofs — irgendwelche Pfarre
1) Prot. 1778 D75.
2) Prot. 1783 B219.
3) Prot. 1783 B 1170.
Urkundliches über einige kroatische Schriftsteller. 445
in seiner Heimat zu erlangen , der Hofkriegsrat verwies ihn aber auch
diesmal auf den vorgeschriebenen dienstlichen Weg: »Supplicant hat sich
um den Vorschlag seines Dioecesani und des Carlstädter Generalcom-
mandos zu bewerben« i).
Die zwei Jahre nachher erfolgte Ernennung Krmpotic' zum Hof-
und Feldkaplan wird in den Akten des Kriegsarchivs nur insofern er-
wähnt, als am 17. Dezember 1788 dem Hofkriegsrate die Entschließung
des Kaisers mitgeteilt wurde, »daß der zum Hof- und Feldkaplan be-
nennte Joseph Kermpotich von allen wegen Ernennung zu diesen Karakter
sonst abzuführenden gewöhnlichen Taxen befreyt seyn solle» ^j.
Als gegen Ende dieses Jahres Major Vukasovic, den Krmpotic auf
der Expedition nach Montenegro begleitet hatte, die höchste Militär-
behörde um die Erlaubnis ersuchte, ein Freikorps zu bilden, für welches
Montenegriner, Dalmatiner und Venezianer engagiert werden sollten,
wurde Krmpotic von ihm zum Kaplan dieses Korps vorgeschlagen: »Weil
das Freykorps zum Theil auch aus Leuten katholischer Religion besteht,
so wünscht er den in Montenegro mit Vortheil gebrauchten Geistlichen
Joseph Kermpotich mit dem von Euer Majestät mit einer Hof kaplans-Charge
ihm einsweilen zugesicherten Gehalt von jährlichen 500 f und denen an-
gemessunen Naturalien zu bekommen . . .«^j. Die Errichtung des Korps
wurde nach dem Antrage Vukasovic' im Dezember 1788 vom Kaiser
genehmigt: »Das Frey-Korps erhält in seinem Stand 3 Feld-Kapläne,
und zwar einen katholischen, Namens Joseph Kermpotich, und zwey
graeci ritus non uniti, welche die mit dem H. Obristlieutenant Vukasso-
vich aus Montenegro gekommene zwey Poppen , Vasilia Petrovich und
Goiko Jakschich, sind . . .«*). Das kaum ein Jahr nach der Errichtung
des Korps eingereichte Ansuchen Vukasovic', eine »Werbung zur Ergän-
zung seines Freikorps iu denen Seestädten Carlobago, Zengg und Fiume«
vornehmen zu dürfen, wurde vom Kaiser auf Grund einer Note des
Hofkriegsrates vom 1. Januar 1790 mit der Auflösung des Freikorps
beantwortet: »Nachdem dieses Frey- Corps vorige Campagne wenig
Dienste geleistet hat, so ist Oberstleutenant Vukassovich zu seinem
Regiment zu schicken und die dabey zu Fuß dienenden 400 Gränzer
1) Prot. 1786 B672.
2) Akt 1788, 60, 179.
3) Aus der an den Kaiser gerichteten Note des Hofkriegsrates vom
27. November 1788 (Akt 1788, 62, 934).
4) Akt 1788, 9, 430.
446 T. Matid,
haben bey ihren Regimentern wieder einzurücken, die übrigen 1054 Mann
sind nur auf ein Bataillon zu setzen, solches dem Major Giulay vom
2**"" Bannal-Regiment zu untergeben und die Eskadron-Hussaren unter
der Benennung von Frey-Hussaren und unter dem Commando des Majors
Knesevich zu belassen. « Hinsichtlich der Kapläne des ehemaligen Frei-
korps Vukasovic' wurde folgendes verfügt: >Das Corps bedarf nur einen
Feldkaplan, behält also den Joseph Kermpotitch, die andern zwey graec
ritus non uniti .... kommen alda mit Ende Januarii 1790 in Abgang«^).
Mit seiner neuen Bestimmung scheint Krmpotic nicht zufrieden ge-
wesen zu sein, denn unmittelbar nach der Auflösung des Vukasovic'schen
Freikorps hat er sich als dienstuntauglich gemeldet. Das Karlstädter
Generalat erstattete am 19. April 1790 dem Hofkriegsrate in dieser
Angelegenheit Bericht: >Der katolische Caplan Kermpotich bey dem
Gyulaischen Frey-Bataillon , welcher die Feld-Fatiguen nicht mehr er-
tragen zu können sich meldete, und worüber Ein Hochlöblicher Hof-
Kriegs-Rath mittels Verordnung vom 2 1 ^^^^ February a. c. dessen Super-
arbitrirung anzuordnen befunden, hat nunmehro die in originali beiliegende,
mit einem chyrurgischen Attestat belegte Bittschrift anhero überreicht
und gebetten, ihn wieder in die ihme von weiland Seiner Mayestätt dem
Kaiser verliehene Hof-Caplans-Stelle einzusetzen, weil er die damit ver-
knüpfte Dienste noch leicht versehen könne.« Der Hofkriegsrat setzte
sich daraufhin mit dem Obersthofmeisteramte ins Einvernehmen und er-
hielt eine entgegenkommende Antwort (d. d. 1(3. Mai 1790): »Auf die
unterm l**"* dieses anher zu erlassen beliebte Note wird man nicht ver-
weilen, wegen des die Dienste im Felde nicht mehr fortsezen können-
den Hof- und Feldkaplans Joseph Kermpotich von seiner Anstellung ala
würklicher Hofkaplan deuHof-Ceremoniariumund die vereinigte Hofstelle
zu verständigen.« Zugleich wurde der Hofkriegsrat um Mitteilung er-
sucht, wann Krmpotic >beym Militär in Abgang werde gebracht werden,
um hiernach das nötige fürkehren zu können« 2).
Die Enthebung Krmpotic vom Militärdienste wurde nun rasch voll-
zogen. Aus dem Feldlager bei Vojnic (»Woinich am 26***" May 1790«)
wurde dem Hofkriegsrate gemeldet: »Der zu Feld-Diensten untauglich
anerkannte Hof- und Feldkaplan Joseph Kermpotich kommt bey dem
Gyulaischen Frey-Bataillon mit ultima hujus in Abgang, mithin außer
1) Akt 1790, 16, 33.
2j Akt 1790, 3, 1625.
Urkundliches über einige kroatische Schriftsteller. 447
Stand und Gebühr.« Von dieser Dienstesenthebung Krmpotic' wurde
am 1. Juni 1790 das Obersthofmeisteramt in Kenntnis gesetzt, >um
sodann denselben nach der ihm zugedachten Eigenschaft eines Hofkaplan
in dem ihm gebührenden Genuß einsetzen zu können« ^).
Nach dem Übertritte Krmpotic' in den Hofdienst enthält das Kriegs-
archiv über ihn keine weiteren Nachrichten 2].
2. Antun Ivanosic.
Als im Jahre 1789 die Pfarre im Dorfe Stefane, das in Kroatien
zwischen Bjelovar und Cazma liegt, erledigt war', bewarb sich um diese
Pfarre unter anderen auch > Anton Ivanossich, Feld-Pater des St. Georger
Regiments.« In den Akten über die Verleihung dieser Pfarre ist eine
»Tabelle deren Mitbewerber um die zu Steflfanye im Kreutzer Regiments-
Bezirke erledigte Pfarre« erhalten, die ein Curriculum vitae der Kompe-
tenten, somit auch Ivanosic', enthält. Die Rubriken dieser Tabelle, die
sich auf ihn beziehen, schildern in knappen Zügen seinen Studiengang
und Lebenslauf:
»Tauf- und Zunamen: Anton Ivanossich.
Geburths-Ort: Essek.
Alters- Jahre : 41.
Kenntniß der Sprachen: Lateinisch, Kroatisch, Deutsch und Wällisch.
Sitten: Gute.
IOrt: Possega Agram Wienn Bononien
.
Gegenstände: die niedrigeren Philosophie Theologie
Schulen
Die beim Konkurse erhaltene Klasse: 1***.
Dienst- Jahre : 15.
Verdienste: Diente als Kaplan 6 Jahre in Orubicza und Neu-Gra-
disca im löbl. Gradiscaner Regimente. Dann als Pfarrer
7 Jahre zu Chagyavicza im Prowinziali. Hernach 1 Jahr
als Administrator bey der hiesigen Kapitular-Pfarre St. Ma-
ria 3). Endlich als Feldkaplan beim löbl. St. Georger Re-
gimenter)«.
1) Akt 1790, 25, 1301.
2) über die letzten Lebensjahre Krmpotic' vergl. Prof. Scherzers Mit-
teilungen im Nastavni i-jesmk, II. Bd.
3) In Agram. 4) Akt 1789, 3, 2328.
448 T. Matic,
Im Gesuche selbst beruft sich Ivanosic auf das beigeschlossene
Zeugnis der Herrschaft Valpovo, daß er als Pfarrer in Cadavica
»7 Jahr seiner Obliegenheit nachgekommen, dann aber durch die kränk-
lichen Umstände benöthigt war, das geführte Amt nieder-
zulegen und bey erlangten Kräften die Pfarre in Agram zu St. Maria
eine Zeit zu administrieren« ^). Der Kommandant des Regimentes, bei
welchem Ivanosic zur Zeit seiner Bewerbung um die Pfarre von Stefane
diente, beachtete, »daß sich derselbe Zeit seiner diesortigen Anstellung
mit so viellen Eifer und wahrer Thätigkeit in seinen geistlichen Func-
tionen bej^ Kranken, besonders aber in dem Regiments-Spittal
verwendet habe« i). Da das Gesuch Ivanosic' zu Pozega am 29. Juni
1789 geschrieben wurde, war er wohl dort, in der Nähe des Kriegs-
schauplatzes, als Geistlicher im Militärspitale tätig. Daß Ivanosic zu
dieser Zeit einen Dienstposten innehatte, auf dem er nicht leicht entbehr-
lich war, bezeugt die Stelle in seinem Gesuche, wo er angesichts der
Möglichkeit, daß ihm die Militärbehörde zur Kriegszeit die Entlassung
aus dem Militärdienste verweigern könnte, bestrebt war, eventuelle Be-
denken seiner Vorgesetzten, die sich aus diesem Umstände ergeben und
für seine Bewerbung verhängnisvoll werden könnten, zu zerstreuen :
»Dermalen stehet er .... in der Feldpaters-Eigenschaft beym St. Georger
Regiment und ist gesonnen, selbe bis Endigung des Krieges zu begleiten,
sodann in die neue Bedienstung und Seelsorge zu treten. Sonsten müßte
er ohne Anstellung bleiben und in der Absicht die höchsten Stellen be-
helligen. Der Unterfertigte bittet zugleich, gnädigst zu veranlassen, daß
im Verleichungsfalle ein Kapellan in die Eingangs gedachte Pfarre ver-
sehungsweise bis Herstellung des Friedens eingesetzt werden möge« ^).
Auf Antrag des Bischofs Vrhovac wurde Ivanosic am 1. Oktober 1789
vom Hofkriegsrate zum Pfarrer der »Militar-Patronats-Pfarr zu Steffanye
im Kreuzer Gränz-Bezirk« ernannt ^j.
Da 1793 Ivanosic' Ernennung zum Pfarrer von Cazma durch einen
für ihn sehr peinlichen Zwischenfall im letzten Augenblicke vereitelt
wurde 2)j blieb er bis an sein Lebensende in Stefane, wo er am 2. Januar
1800 starb 3).
1) Ibid.
2j Akt: 1793, a, 1537.
3) Referatsbogen 1808, C, 375.
Urkundliches über einige kroatische Schriftsteller. 449
3. Blaz Bosnak.
Das wenige, was wir über Bosnak aus dem KriegsarcMve erfahren,
fällt in die Zeit nach dem Türkenkriege Josefs IL, den Bosnak in seinem
Ispisane in Versen geschildert und in dem er bei der Erstürmung von
Sabac in Serbien durch seinen Heldenmut die Aufmerksamkeit des Kaisers
auf sich gelenkt hat, wie er es selbst im genannten, anonym erschienenen
Gedichte erzählt.
Im Jahre 1790 reichte »Basilius Bosnyak , Feld-Pater von Palfy-
Infanterie>, ein Gesuch d. d. »Deutsch Bogschan^) den 23. Febr.« um
eine Superiors teile »bei der Armee in Hungarn« ein. Die Stelle erhielt
er nicht, weil sie »schon ersetzt war« 2].
Ein Jahr später war Bosnak mit seinem Regiment wieder in Serbien.
In einem Gesuche aus Kladovo (»Gladova in Servien, den 15^^ April«)
bewarb er sich unter Berufung auf die ihm verliehene goldene Medaille
um »Verleihung der doppelten Gage«. Das Gesuch trug die Klausel »ab
archiduce«, wurde aber abgewiesen 3j. Es scheint überhaupt, daß die Ver-
dienste, auf die sich Bosnak berief, seitens der Heeresverwaltung wenig be-
achtet wurden, denn noch 17 98 finden wir ihn als gewöhnlichen Regiments-
kaplan in Italien. Das italienische Generalkommando teilte aus Padua im
Mai 1798 dem Hofkriegsrate mit, daß »der bereits durch 2 3 Jahre dienende
Catholische Regiments-Caplan Basilius Bosniak, ein Franziskaner, welcher
wegen Gebrechlichkeiten nicht mehr dienen kann«, sich in sein Kloster
nach Vukovar zurückziehen möchte, weshalb »selben die Pension aus der
Peterwardeiner Kriegskassa angewiesen werden wolle« ^j. Nach Erfül-
lung der vorgeschriebenen Formalitäten, teilte der Hofkriegsrat dem
italienischen Armee-Generalkommando am 31. Juli die Übernahme Bos-
liaks in den Ruhestand: »Bey der unterm 16^*"^ dieses angezeugten Be-
schaffenheit, daß der Regiments-Kaplan Bosnyak von Jellachich-Infanterie
der körperlichen Deffekten halber, welche er sich während seiner 23-jäh-
rigen Dienstleistung zugezogen hat, die Militär- Seelsorge weiters zu
versehen nicht mehr in Stande ist und in sein Kloster zu Vukovar in
Slavonien zurückzutretten wünschet, wird selber mit dem 15*" des künf-
tigen Monats August in den Pensions-Stand übernommen und demselben
1) Nemetbogsan in Ungarn, südöstlich von Temesvar.
2) Prot. 1790 G 1792.
3) Prot. 1791 G 3398.
*) Prot. 1798 G3173.
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 29
450 T. Matic,
der ihm gebührende Genuß von jährlichen 100 f. mittelst des Militar-
Invalidenamts bey der Peterwardeiner Kriegs-Cassa angewiesen« i).
Jedoch scheint Bosnak noch einige Zeit in Italien geblieben zu sein,
denn am 27. August 1798 meldete das italienische Generalkommando
aus Padua, daß man ihn vor dem Eintreffen eines neuen Kaplans nicht
fortlassen könne 2). Noch im April 1799 schrieb das italienische Ge-
neralkommando aus Verona an den Hofkriegsrat, daß »statt des mit
Pension ausgetrettenen Feld-Caplans P. Bossnyak« ein Ersatz schwer zu
finden sei. Wann B. in die Heimat zurückgekehrt ist, konnte ich nicht
konstatieren.
4. Simun Stefanac.
Stefanac, der sich selbst als Slunanin bezeichnet, lebte nach der
Absolvierung seiner Studien ausschließlich in Slavonien, und auch seine
literarische Tätigkeit ist in engem Znsammenhange mit diesem Lande.
Die erste Nachricht, die ich über Stefanac im Kriegsarchive gefunden
habe, fällt in den Monat Januar 17 70 und bezieht sich auf seine erfolg-
lose Bewerbung um die Pfarre von Zupanja in Slavonien : daraus erfahren
wir, daß S. zu dieser Zeit »Regens in Seminario zu Possega« war 3).
Noch vor der Verleihung dieser Pfarre muß S. erfahren haben, daß seine
Bewerbung aussichtslos war, denn am 31. Januar 17 70 reichte er bereits
um die Pfarre von Vrhovina (nördlich von Brod) ein. Das von »Indignus
Servus Simon Stephanacz Regy Seminary S. Theresiae Posegae Regens«
unterzeichnete, von einer anderen Hand aber deutsch geschriebene Ge-
such, das einige biographische Daten enthält, ist zugleich ein interessanter
Beleg dafür, wie es in den Kreisen der kroatischen Intelligenz zur Zeit der
Mitregentschaft Josefs U. mit der Kenntnis der deutschen Sprache mitunter
stand. Stefanac, der sogar im Wiener Seminar studierte, nahm keinen
Anstand, den Militärgrenzbehörden ein Gesuch vozulegen, in dem es
unter anderem heißt: »Wegen meiner in zeith 8 Jahren in Seminarys,
wie auch in Wiener Seminario alß Alumnus, und auch in der Seellen-Sorg
viellen Jahren in Löbl. Broder und Gradiscaner Regimentern aufführuug,
habe aus ursach dessens das dritte mahl von meiner Geistlichen Obrig-
keith die Erlaubniiß um Pfarthum (alß Beygeschlossenes zeiget) demüthig
1) Akt: 1798, 42, 480.
2) Prot. 1798 G 6283.
3) Akt: 1770, 98, 62.
Urkundliches über einige kroatische Schriftsteller. 451
zu Bitten. Derohalben unterstehe mich das dritte mahl Ihro Excellenz
um die Hoche Gnad anzuflehen, iudemme daß das Pfarthum Verhovina
in Löbl. Broder Regiment ledig ist, so Bitte mir die Höchste Gnad Gnä-
digst zu Erzeigen, in erlangung des Bemeldten Pfarthums mein gröster
y
Patron und fürsprecher zu seyn . ..« Die Pfarre Vrhovina wurde Btefanac
zwar verliehen, doch konnte es Kaiser Josef nicht übers Herz bringen,
die deutsche Sprache des Gesuches ungerügt zu lassen, und schrieb auf
dem Vortrage des Hofkriegsrates vom 6. April 1770 eigenhändig hinzu:
>Ich benenne den Stephanacz, jedoch ist ihm aufzugeben, daß er in der
teütschen Sprach und der Schreibkunst sich mehrer befähigen solle.
Joseph Corr. «ij. Man kann sich denken, daß die Grenzbehörden es
nicht unterlassen haben, diese Bemerkung des Kaisers zur Kenntnis des
neuernannten Pfarrers zu bringen.
In Vrhovina blieb btefanac achtzehn Jahre. Unter Berufung auf
die »Allerhöchste Verordnung, welche uns untern 4*61 Febr. 1786 N" 418
ist zugestellet worden und also lautet: In Ansehung derjenigen Pfarrer
aber, die sich bei ihrem Seelsorgeramte besonders auszeichnen, erlaube
Seine Majestät, dieselben, ohne daß sie einem Konkurse sich vorläufig
unterziehen, für andere Pfarren in Vorschlag zu bringen«, beantragte der
Bischof von ©-akovo Krtica am 6. Februar 1788, ätefanac zum Pfarrer
von Kopanica zu ernennen. Diese Ernennung erfolgte bereits am
1. März 1788 2).
Mit der deutschen Sprache scheint sich Stefan ac, trotz der Auffor-
derung Kaiser Josefs IL, auch in der Folge nicht besonders befreundet
zuhaben. Denn als 1793 der Krieg gegen Frankreich ausgebrochen
war, bot Stefanac, »Bischöflicher Diakovarer Consistorial-Assessor und
Pfarrer zu Kopanice«, als freiwilligen Beitrag zur Kriegsführung zu
wiederholen Malen 3) größere Mengen Getreide dem Staate an, zog es aber
vor — trotzdem er ein Militärgrenzpfarrer war — sein an den Kaiser
gerichtetes Angebot, wohl vorsichtshalber, lateinisch abzufassen. Der in
Frankreich ausgebrochene Kampf gegen die damalige gesellschaftliche
Ordnung wird btefanac mit Besorgnis erfüllt und zur freiwilligen Bei-
tragsleistung bewogen haben. Es war ihm aber nicht beschieden, den —
1) Akt: 1770,42, 74.
2) Akt: 1788, 3,621.
3) Prot. 1793 B 998. 1793 B 1080. 1793 B 1312 (Akt: 1793, 40, 1016}. 1793
B 1613 und 1793 B 2689.
29*
452 H. Halm,
wenn auch nur vorläufigen — Abschluß der französischen Wirren zu
erleben, denn er starb im Herbst 1799: >Laut des Berichts vom 16*° Ok-
tober sind in dem Broder Regimentsbezirk zwei Militar-Patronats-Pfar-
reien, und zwar die zu Groß-Kopanicza durch das Ableben des Pfarrers
Stephanacs in die Erledigung gekommen« ^).
1) Akt: 1799, 3, 2957.
Wechselbeziehungen zwischen L. N. Tolstoj und der
deutschen Literatur^).
Je mehr von russischer Literatur in die westeuropäischen Sprachen
übersetzt wird, desto dringlicher wird die Frage, wie und seit wann Ruß-
land mit Westeuropa, also zunächst mit dem benachbarten Deutschland
und dessen geistigem Leben in Beziehungen getreten ist. Wer sich diese
Frage vorlegt, wird als erstes Glied in den Wechselbeziehungen zwischen
Rußland und Deutschland deutsche Reiseberichte finden, die man bis
hinauf ins Mittelalter verfolgen kann. Viel jünger sind russische Berichte
über Deutschland. Weiter auf dem Rückwege zu unseren Tagen durch
das XVIL und XVIIL Jahrhundert begegnet man immer häufiger den
hin- und herlaufenden Beziehungen zwischen den zwei Völkern, bis ein
Jahr alle Augen Westeuropas auf Rußland richtet, das Jahr 1812, und
ein halbes Jahrhundert später ein Russe es versteht, das Interesse des
ganzen Westens auf sich und das russische Volk zu lenken, L.N. Tolstoj.
Vor dem Eindruck, den Rußland im Jahre 1812 auf Westeuropa
machte, verschwinden alle früheren Versuche Rußlands, mit dem Westen
in Berührung zu treten, wie etwa Peters des Großen Besuche am Berliner
und Wiener Hofe, der Zusammenstoß zwischen den Truppen der Zarin
Elisabeth und denen Friedrichs des Großen, die politischen Verbindungen
zwischen Katharina der Großen und Kaiser Josef H. oder auch die eifrige
und mehr ins Breite gehende journalistische Tätigkeit und die wenige
Jahre nach 1812 erfolgte Ermordung Kotzebues, dessen Organ »Der
Freimütige« ständig Nachrichten über Rußland brachte. Warum von
1) Vortrag, am zweiten Todestage Tolstoja gehalten im Seminar für sla-
vische Philologie an der Wiener Universität.
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 453
den großen russischen Dichtern gerade Tolstoj den Deutschen sich am
tiefsten eingeprägt hat, das mag vielleicht darin begründet sein, daß er
russischer, rein ethnographisch interessanter als der viele Jahre vor Tol-
stoj durch Übersetzungen bekannt gewordene Turgenjew war, und dann
darin, daß er, wenn nicht größer als der mit ihm ungefähr gleichzeitig
in das Gesichtsfeld der Deutschen tretende Dostojewskij, so doch rasch
hintereinander mit zwei Romanen hervortrat, die beide im Westen spielen,
»Anna Karenina« und vor allem »Krieg und Frieden« '). Mit Turge-
njew beginnt die russische Literatur für die deutsche von Bedeutung zu
werden. Doch beschränkt sich Turgenjews Einfluß auf eine Gruppe von
Schriftstellern, vor allem Novellisten. Dostojewskis feine, psycho-patho-
logische Kunst brauchte Zeit um einzudringen. Aber während sich das
deutsche Publikum noch mit dem stofflich interessierenden »Krieg und
Frieden« beschäftigte, drangen schon Gerüchte über den Dogmatiker und
Organisator Tolstoj herüber 2), die dauernd die Blicke auf ihn gespannt
hielten. So ist Tolstoj nicht etwa der erste Russe, der in die deutsche
Literatur Eingang gefunden hat , sondern er schließt sich an eine Reihe
von Vorgängern, von denen sich seine Gestalt scharf abhebt.
»Anna Karenina« spielt in einigen Teilen, »Krieg und Frieden«
bis zu den Schilderungen des Jahres 1812 fast ganz, »Luzern« ganz auf
deutschem Boden. Es erhebt sich notwendig die Frage, was Tolstoj in
den Stand gesetzt hat, deutsche Menschen und Landschaften zu schildern.
Tolstojs persönliche Beziehungen zu Deutschen, seine Urteile über deut-
sches Wesen und deutsche Literatur, der Einfluß deutscher Schriftsteller
auf ihn und umgekehrt, ferner die Wege, die dieser Einfluß gehen
konnte, darüber soll die folgende Darstellung einiges Licht verbreiten.
Es sollen Richtlinien sein, mehr Anregungen als Erfüllungen, ein kleiner
1) Krieg und Frieden. Autorisierte Übersetzung von Dr. Ernst Strenge.
Berlin, Deubner 18S5. — Die erste (unvollständige) Übersetzung der »Anna
Karenina« übersetzt von Paul GraiF. Berlin 1884. Erste Übersetzung
Dostojewskis ins Deutsche: Raskolnikow übers, v. Wilh. Henckel. 3 Bde.
Leipzig, W. Friedrich 1882.
2) z. B. : 1889 Über das Leben, übersetzt v. Sophie Behr. Leipzig, Dun-
ker u. Humblot;
1891 Staat u. Kirche. Berlin, Cassirer u. Danziger;
1891 Evangelium, übersetzt v. F. W. Ernst. Berlin, H. Steinitz.
1891 Geld! Soziale Betrachtungen. Berlin, S. Fischer; ungefähr
gleichzeitig: Die Bedeutung der Wissenschaft und der Kunst, übersetzt von
Aug. Scholz. Dresden u. Leipzig, E. Pierson u. S. usw.
454 H. Halm,
erster Beitrag zur Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen russi-
schem und deutachem Geistesleben und ein Anfang zu einer kritischen
Bibliographie der Übersetzungen vom Russischen ins Deutsche.
*
Tolstoj war zweimal in Deutschland: 1857 und 1860. Als sich
1895 Tolstoj zum drittenmal anschickte, nach Deutschland zu reisen,
wurde ihm von einem hohen Beamten bedeutet, daß seiner Reise nichts
in den Weg gelegt werde, daß aber die Rückkehr nach Rußland viel-
leicht nicht ganz nur von ihm (Tolstoj) abhängen wird. Daraufhin unter-
blieb diese Reise, die, der Gräfin zuliebe, Bayreuth zum Ziele haben
sollte.
Die erste der zwei Auslandreisen, denen ein intimer Freund, Wol-
ganow, »große Bedeutung für die Entwicklung von Tolstojs Anschau-
ungen« zuschreibt, führte Tolstoj zunächst durch Deutschland nach
Frankreich. Deutschland hatte ihn interessiert, doch hatte er nicht Zeit
zu verweilen. Langsamer ging es schon durch die Schweiz, deren »eigen-
artig majestätische und zugleich unaussprechlich harmonische und weiche
Natur« einen tiefen Eindruck auf ihn machte^). »Als ich hinaufstieg in
mein Zimmer«, heißt es in der Erzählung »Luzern«, »und das Fenster
nach dem See öffnete, blendete und erschütterte mich buchstäblich im
ersten Augenblicke die Schönheit dieses Wassers, dieser Berge und dieses
Himmels. Ich empfand eine innere Unruhe und das Bedürfnis, in irgend
einer Weise der Überfülle dessen Ausdruck zu geben, was plötzlich
meine Seele ergriffen hatte. Ich hatte den Wunsch, in diesem Augen-
blicke jemanden zu umarmen, herzlich zu umarmen, ihn zu kitzeln, zu
kneifen, überhaupt mit ihm und mit mir selbst irgend etwas Außerordent-
liches zu machen«. Auf der zweiten Reise (Juli 1860 bis April 1861)
kommt er nach Berlin, das auf ihn von allen deutschen Städten den
größten Eindruck gemacht hat. Überall sah er, wie er 1S98 zu Raphael
Löwenfeld sagte, ein ernstes Vorwärtsstreben; »Berlin war der bedeu-
tendste geistige Mittelpunkt, Deutschland war aber so glücklich, in allen
seinen Hauptstädten solche Mittelpunkte zu besitzen.« Tolstoj besuchte
in der Woche, die er in Berlin blieb, die Kunstsammlungen, hörte an der
Universität Droysen und Du Bois Reymond. Im Hörsaale des letzteren
lernte er den Mediziner Fraenkel kennen, der Tolstojs Führer in Berlin
*) >Die schönste Fußtour in meinem Leben« nennt er im Gespräche mit
Löwenfeld (s. u.) S. 164 die Tour über den Mont Cenis ins Aostatal.
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 455
wurde. Er führte ihn in eine Versammlung des Hand\^erkervereins, die
Tolstoj wegen des Prinzipes und der Form der Volksbelehrung besonders
interessierte. Nachdem er das Moabiter Geföngnis besucht hatte, verließ
er Berlin. In Leipzig und Dresden lernt er die berühmten sächsischen
Schulen kennen. In Dresden begleitet ihn durch die Schulen Bertold
Auerbach, der ein ebenso warmes Interesse für das Volk und die Volks-
schule hatte wie Tolstoj. »Ich freue mich herzlich mit dem so ideell ge-
hobenen Naturell dieses Mannes« schreibt Auerbach damals an W. Wolf-
sohn (Nord u. Süd, 18S7, 42. Bd. S.431). Auerbach und Tolstoj werden
Freunde. Mit dem Neffen des Begründers der Kindergärten , dem be-
kannten Publizisten und Politiker Julius Fröbel trifft Tolstoj in Bad Kis-
singen zusammen, lernt dessen Werke kennen, bespricht eifrig mit ihm
die ihn beschäftigenden Fragen der Volkserziehung und arbeitet die
Schriften des bayrischen Kultnrhistorikers Wilh. Heinr. v. Riehl durch.
Auf einer Reise durch den Harz besucht er Eisenach und die Wartburg.
Er anerkennt Luthers Bedeutung, wenn er in sein Tagebuch nur die
Worte schreibt: »Luther ist groß«. Es lag nahe zu vermuten, entspricht
aber nicht der Wahrheit i), daß Tolstoj den von ihm verehrten Schopen-
hauer besuchte, dessen Bild mit der eigenhändigen Unterschrift Schopen-
hauers Tolstoj bis zu seinem Tode vor seinem Schreibtisch hängen hatte.
Auf der Rückreise aus Frankreich war er Gast des russischen Gesandten
von Maltitz in Weimar, dem wir einige Übersetzungen russischer Lyriker
verdanken, besuchte Liszt, wurde bei Hof eingeführt, besichtigte das
Goethehaus und die Fröbelschen Kindergärten. Von Jena nahm er den
jungen Mathematiker Keller nach Rußland mit, der Tolstoj bei der Ein-
richtung und Leitung der Schule in Jasnaja-Poljana zur Seite stand.
Nach einem kurzem Besuch bei Diesterweg in Berlin und Auerbach in
Dresden kehrte Tolstoj heim.
Tolstoj hat auf dieser großen Reise alle deutschen Institute und
Männer aufgesucht, von denen er glaubte, etwas lernen zu können. Er
wird nicht müde, alle wichtigen deutschen Einrichtungen zu sehen und
die Werke deutscher Schriftsteller in sich aufzunehmen. Aus dem Eifer,
mit dem er sich in deutsche Schöpfungen vertieft, kann man mit Recht
entnehmen, was schon sein Erstlingswerk »Die Lebensstufen« deutlich
aussprach, daß er, dessen Geschlecht auf eine deutsche Familie Dick
1) R. Löwenfeld, Gespräche S. 163 ist entgegenzuhalten der älteren Stelle
in Löwenfelds Biographie (s. u.) S. 136.
456 H. Halm,
zurückgelit und dessen Frau aus einer deutschen Familie stammt, dem
deutschen Geiste sympatisch gegenüberstand.
Er schätzt vollkommen objektiv die Bedeutung des germanischen
und des russischen Bauern gegeneinander ab: »Der russische Bauer«,
sagte Tolstoj zum Verwalter des Nachbarguts Charino ein Jahr nach
seiner Rückkehr aus dem Auslande, »ist verständig, aufmerksam, gedul-
dig, genügsam; das jahrhundertelang getragene Joch der Leibeigenschaft
hat nicht vermocht, die guten Eigenschaften in ihm zu ersticken. In
meinem Kriegsleben habe ich Gelegenheit genug gehabt, unseren Bauern
als Soldaten zu studieren, und ich muß gestehen, daß er das Material zur
besten Armee der Welt gibt . . . Was ich an meinem Volke so schmerz-
lich vermisse: die zielbewußte, energische Ausdauer, nicht bloß die pas-
sive Geduld, die Festigkeit des Entschlusses, welche sich durch nichts
ermüden oder ablenken läßt und nicht eher ruht, als bis das Ziel erreicht
ist — diese große Eigenschaft des Charakters verleiht eben dem Deut-
schen ein moralisches Übergewicht, dessen wir uns nicht erwehren
können. Wir haben viel von unserem germanischen Nachbar gelernt;
es bleibt uns noch genug zu lernen.« Was die Beschäftigung mit sitt-
lichen Fragen anbelangt, betont er im Gespräche mit Löwenfeld 1890
die Überlegenheit des russischen Bauern gegenüber allen Bauern Europas.
-Als er in dieser Zeit die Erzählung »Polikuschka« niederschreibt,
setzt er in den Text in deutscher Sprache die Bemerkung hin: »Wage
du zu irren und zu träumen.«
Die Verurteilung der deutschen Musik, Beethovens etwa und Wag-
ners, wie der Malerei Böcklins stammt aus Tolstojs später kunstfeind-
licher Zeit. In seiner Jugend studierte Tolstoj gerade Beethoven bei
jenem deutschen Musiker, den er in seiner Novelle »Albert« dichterisch
verklärt hat.
Im Verkehr mit Deutschen und aus ihren Werken hat Tolstoj die
deutsche Sprache vollkommen erlernt. In Luzern gab er seinem Zorn
über den Dünkel der Lakaien und Kellner in deutschen Worten Raum,
wenn er auch in der Darstellung seines bekannten Luzerner Erlebnisses
gesteht: »Der Lakai hatte mich nicht verstanden und meine deutschen
Reden waren nutzlos gewesen.« Löwenfeld, der ihn zweimal, 1890 und
189S besuchte, also 30 Jahre nachdem Tolstoj Deutschland zum letzten
Male gesehen hatte, rühmt, wie leicht Tolstoj sich der deutschen Sprache
bediente. Er begrüßt seinen Gast mit deutschen Worten, empfängt zahl-
reiche Briefe aus Deutschland, flicht eine deutsche Erklärung ins Ge-
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 457
sprach ein oder erinnert an Worte Goethes. »Ich war hier in einiger
Verlegenheit«, bemerkt Oskar Blumenthal (s. u.), »denn ich war ge-
kommen, um zu interviewen, und ich wurde selbst interviewt . . . Die
neue literarische Bewegung in Deutschland; das politische Leben, wie es
sich unter Wilhem II. entwickelt hat; die Namen der neu aufgetauchten
Talente auf novellistischem und dramatischem Gebiete; die Grundsätze
der Darstellung und Inszenierung, wie sie im Moskauer Gastspiel des
Lessing-Theaters zur Anschauung gebracht wurden . . . kurz alles inter-
essierte den Grafen Tolstoj ausnehmend. «
Er beschäftigte sich viel mit Werken der deutschen Literatur, mit
Schiller mehr als mit Goethe. Den »Faust« lehnt er ab in seiner späteren
kunstfeindlichen Periode. Goethes »Reineke Fuchs«, den er unmittelbar
vor der großen Reise nach Deutschland liest, scheint ihm einigen Ein-
druck gemacht zu haben. Er lehnt aber Goethe zu Gunsten Schillers
ab, denn »wo Goethe das Schöne anzog, vergaß er des Ethischen«.
Schillers Werke stehen ihm schon wegen ihres sittlichen Grundtons
näher. Er zieht den jungen Schiller, der die »Räuber« und »Kabale und
Liebe« geschrieben hat, dem Dichter des »Teil« vor. Denn die »Räuber«
vor allem sind Volkskunst. »Nie wieder hat Schiller das Pathos der
Volksseele so kraftvoll wiedergegeben.« Von Goethe und Schiller bis in
die 90er Jahre des XIX. Jahrh. sagt ihm, Hebel und Auerbach ausgenom-
men, kein Werk der deutschen Literatur zu. Klar urteilt er über die
deutsche Literatur der Zeit nach 1870: »Ich sehe die Ursache für den
Rückgang der Literatur in Deutschland hauptsächlich in dem Um-
schwung der politischen Verhältnisse. Durch das Jahr 1870 hat
Deutschland seine früheren geistigen Zentren verloren, um dafür einen
einzigen Mittelpunkt zu gewinnen. Was p olitisch gut sein kann, was mir
aber auch noch nicht unbedingt richtig erscheint, das ist dem künstle-
rischen Schaffen schädlich. Die deutsche Literatur bringt jetzt nichts
Großartiges hervor, und ich kann, soviel ich mir Mühe gebe, keine an-
dere Erklärung dafür finden, als die allzngroße Zentralisation.« Schopen-
hauers Philosophie, Hebels Gedichte und Auerbachs Dorfgeschichten hat
er freilich zu allen Zeiten hochgehalten. Er schlug seinem Freunde Fet
vor, mit ihm die Schriften Schopenhauers, dieses »genialsten aller Men-
schen«, ins Russische zu übertragen. Man begreift, daß die Philosophie
Schopenhauers für Tolstoj von Bedeutung gewesen sein muß. »Mitleid«
st das Kennwort von Schopenhauers Denken und wurde es für Tolstoj.
Es bedürfte einer eigenen Untersuchung, das Verhältnis Schopenhauers
458 H. Halm,
zu Tolstoj klar zu stellen. Die Gedichte und das Schatzkästlein J. P.
Hebels dachte er in allen deutschen Bauernhäusern zu finden, ebenso
Auerbachs Dorfgeschichten. Noch 1898 wußte Tolstoj einige der kleinen
Gedichte Hebels auswendig. Von der Existenz des zweiten großen Dia-
lektdichters, Fritz Reuter, hat Tolstoj allerdings nichts gewußt. Als
Tendenzschrift gegen den Ea-ieg mußte dem sechzigjährigen Tolstoj ein
Roman wie »Die Waffen nieder« (18S9) von Bertha Baronin Suttner
willkommen sein. Er schrieb 1891 an die Verfasserin: >. . . Ich schätze
Ihr Werk sehr hoch und glaube, daß das Erscheinen Ihres Romans eine
glückliche Vorbedeutung ist; der Aufhebung der Sklaverei ging bekannt-
lich auch ein berühmtes Buch einer Frau, der Mrs. Beecher-Stowe vor-
aus ; gäbe Gott, daß Ihr Buch dem endgültigen Verschwinden des Krieges
voraufgehen möge . . .«
Als in den 90 er Jahren Gerhard Hauptmanns Stücke erscheinen,
greift Tolstoj sofort nach ihnen, vor allem nach den »Wiehern«. »Das
ist echte, aus dem Herzen des Volkes geschöpfte Kunst . . . Erst Haupt-
manns 'Weber' sind wieder einmal ein Werk, das den Gefühlen des
Volkes den höchsten künstlerischen Ausdruck gibt und in einer Fonn,
die jedermann aus dem Volke verständlich ist. « Gerhart Hauptmann
hat, wie noch zu zeigen sein wird, entscheidende Einflüsse von Tolstoj
empfangen und so begreift man, wie Tolstoj von den Werken Haupt-
manns im Innersten ergriffen wurde.
Von allen deutschen Schriftstellern steht ihm Bertold Auerbach am
nächsten. Seinem Gaste, Eugen Schuyler, erklärt Tolstoj im Jahre 1867 :
»Auerbach verdanke ichs, daß ich für meine Bauern eine Schule eröffnet
habe und mich für Volksbildung zu interessieren begann.« Er liebte den
Schriftsteller wie den Menschen, der in seinen Schriften für die unteren
Volksschichten Partei genommen hatte. Tolstoj liest Auerbachs Erzäh-
lungen vor der großen Auslandsreise »mit besonderer Hingabe«. Eine
Gesamtausgabe von Auerbachs Werken aus dem Anfange der 60er Jahre
steht in Tolstoj s Bibliothek.
Mag auch manches Motiv »Aus den Aufzeichnungen des Mönches
Fjodor Kusmitsch», die, 1906 niedergeschrieben, erst aus Tolstoj s Nachlaß
bekannt geworden sind, etwa an Auerbachs Geschichte »Neues Leben«
erinnern, mag auch Tolstoj behaupten , daß er Auerbach viel verdanke,
so sind es doch weniger künstlerische Dinge, durch die Auerbach auf ihn
gewirkt hat, als die Absichten auf pädagogischem Gebiete und das Ziel,
Volksschriftsteller zu werden. Tolstoj hat dieses Ziel bald erreicht.
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 459
Schon die kleinen Erzählungen aus seiner Frühzeit sind die Ergebnisse
von Beobachtungen an sich und seinem Volke. Die auf der Reise ent-
standene Novelle >Polikuschka« zeigt, wie Tolstoj immer weiter in das
Volk hineinleuchtet und aus ihm seine besten Gestalten holt, bis er in
dem Roman »Krieg und Frieden« und dem Drama »DieMacht der Finster-
nis« das ganze russische Volk in seinem Kern darstellt. »Krieg und
Frieden« und »Die Macht der Finsternis« sind Volkskunst, wie Schillers
Räuber oder Hauptmanns Weber.
»Krieg und Frieden«, mehr noch »Die Macht der Finsternis«, dazu
>Die Kreutzersonate« und »Polikuschka« sind denn auch die von Tolstoj 3
Werken, die für die Deutschen und die deutsche Literatur von der größten
Bedeutung wurden.
»Krieg und Frieden« hat unmittelbar weniger Bedeutung für die
deutsche Literatur. Eine eingehende Geschichte des deutschen Romans
im letzten Viertel des XIX. Jahrhts. wird an die Konkurrenz von Zolas
realistischen Romanen denken müssen. Die Bedeutung von »Krieg und
Frieden« liegt vielmehr darin, daß dieser Roman die erste russische Dar-
stellung des Feldzuges und des Brandes von Moskau im Jahre 1812 war
und die erste künstlerische Darstellung, aus der man die tiefste Kennt-
nis schöpfen konnte von dem ungleichen Ringen in den russischen Ebenen
und von dem Wesen des russischen Volkes. Es ist ein seltsamer und
nicht bedeutungsloser Zufall, daß die zwei Faktoren, durch die Rußland
im XIX. Jahrh. von besonderer Bedeutung für Westeuropa geworden ist,
in »Krieg uud Frieden« zusammentreffen: die W^iederbelebung der Er-
eignisse von und um 1812, in welchen Jahren der Westen sah, wie sich
Rußland zunächst zum »Retter Europas« erhob, und diese Ereignisse
aufgefrischt durch Tolstoj, der nun nicht mehr bloß die passive Rolle eines
Retters spielte, sondern aktiv auf das Geistesleben des Westens einzu-
wirken begann. Bedeutungslos ist dieser Zufall nicht, denn das immer
wache Interesse für 1812 hat sicher zur Verbreitung des Tolstojschen
Romans unter den Deutschen beigetragen und Tolstoj hat dieses Inter-
esse zu befriedigen vermocht.
Die Deutschen, trotzdem sie seit einem Jahrhundert die unmittel-
baren Nachbarn des russischen Reiches waren, erfuhren erst aus »Krieg
und Frieden« näheres über russisches Leben im ganzen ersten Viertel
des XIX. Jahrh. und lernten erst hier den eigentlichen militärischen
Gegner Napoleons kennen, der gegen den Wunsch des Zaren, aus den
Sympathien des russischen Volkes zu der hohen Stelle emporgestiegen
460 H. Halm,
war. Lebendig steht General Kutusow da, die Verkörperung seines
Volkes. »Zeit und Geduld, das sind die wahren Kriegshelden« ist sein,
wie seines Volkes Leitspruch, an dem er unverrückbar festhält und so es
endlich vermag, die Macht des an schnelle Siege gewöhnten, ungedul-
digen Napoleon zu brechen.
Dieser erste große Roman Tolstojs hat weithin in Westeuropa eine
klare Vorstellung von dem Kampfe im Innern Rußlands hervorgerufen
und gleichzeitig den Namen seines Schöpfers außerhalb Rußlands be-
kannt gemacht.
Tolstojs »Krieg und Frieden« hat für die Deutschen noch die Be-
deutung, daß ein russischer Dichter es hier unternommen hat, deutsche
Gegenden zu zeichnen, drei Jahre nach seiner Rückkehr aus Deutschland.
Wie sehr ihn die Landschaft der deutschen Schweiz ergriffen hat, zeigt
die oben angeführte Probe aus »Luzern«. Die Kämpfe gegen Napoleon
im Jahre ISO 5 führten die Russen nach Österreich. Tolstoj vergegen-
wärtigt sich die österreichische Gegend und ihre Bewohner, als lebte er
unter ihnen. Er stellt die Österreicher von Brauuau so sicher hin, wie die
Russen und betont leicht das Fremdartige , das zwischen den zwei Völ-
kern besteht. »Obwohl man sich nicht in russischen Landen befand und
trotz der Umgebung: der Obstgärten, der Mauern, Ziegeldächer, der aus
der P^'erne herttberwinkenden Berge, der nicht russischen Bevölkerung,
die unsere Soldaten neugierig betrachtete — , hatte das Regiment doch
genau dasselbe Ansehen wie jedes andere, das irgendwo im Innern Ruß-
lands zur Musterung bereit steht.« Mit wie wenigen Strichen gelingt es
da Tolstoj, die ganz unrussische Landschaft hinzuwerfen, »Obstgärten,
Mauern, Ziegeldächer, weithin sichtbare Berge«, dann das neugierig
starrende Österreichervolk und auf der anderen Seite das unbeirrbare,
ruhige Russenregiment, als ob es »Zeit und Geduld« vor sich hinmurmle.
Tolstoj vermag uns in den lachenden Frühlingsmorgen hineinzurückeu
und uns die Aufregungen miterleben zu lassen, die die angekündigte Be-
sichtigung durch Kutusow und ein Mitglied des unseligen österreichischen
Hofkriegsrates hervorruft, bis »auf der breiten, mit Bäumen besetzten
Landstraße in raschem Trabe eine hohe, blaue Wiener Kalesche gefahren
kommt«, der Kutusow in schwarzer und der österreichische General in
weißer Uniform entsteigt. Wie echt österreichisch, bureaukratisch klingt
die eine der einstudierten Perioden, die der österreichische General an
Kutusow richtet: »Im Gegenteil,« sagte er mißmutig, und sein Ton ent-
sprach durchaus nicht der schmeichelhaften Bedeutung seiner Worte; »im
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj n. d. deutsch. Literatur. 461
Gegenteil! Se. Majestät weiß die Beteiligung Ew. Exzellenz an der Ge-
meinsache hoch zu schätzen, aber wir meinen, daß die gegenwärtige Ver-
zögerung die ruhmreichen russischen Truppen und ihren Oberbefehls-
haber um die Lorbeern bringen wird, welche sie gewohnt sind, im Kriege
zu ernten.« Die Truppen ziehen donauabwärts durch »das Städtchen
Enns, das auf beiden Seiten des gleichnamigen Flusses gelegen ist.
Es war ein warmer regnerischer Herbsttag. Die weite Fernsicht, die
sich von der Höhe erschloß . . . wurde bald von den durchsichtigen
Schleiern des schrägfallenden Regens verhüllt, bald wieder von Sonnen-
licht Übergossen, und dann zeigten sich alle Gegenstände so klar und
scharf, als ob sie poliert wären. Am Fuße der Anhöhe lag das Städt-
chen mit seinen weißen Häusern und roten Dächern, seiner Kirche und
seiner Brücke . . . weiterhin auf der Donau sah man Schiffe und Inseln
und ein Schloß mit einem großen Park, den die Gewässer der in die
Donau mündenden Enns umspülten. Am linken Donauufer zeigten sich
Felsenhöhen mit Fichtenwald bekrönt und in geheimnisvoller Entfernung
grüne Hügel und bläuliche Schluchten. Aus wildem Tannenwalde, der
noch ganz unberührt schien, ragten die Türme eines Klosters hervor . . .
... Ja, dieser österreichische Fürst war ein gescheiter Mann, daß er
hier ein Schloß erbauen ließ . . . wir sind dicht daran vorbeigekommen
und haben zwei Hirsche gesehen.« Der weitere Rückzug des Heeres,
die angebliche Überrumpelung der Wiener »uneinnehmbaren« Brücke
durch Gascogner, das prächtige Husarenstückchen einer einzigen russi-
schen Batterie bei Schöngraben in Mähren, die Napoleons Vorrücken be-
irrt, alles das zieht am Leser in wohlabgerundeten Bildern vorüber, die
ebensoviel Erdgeruch atmen und Liebe wie die aus Tolstojs Heimat.
Durch die realistischen, tief mitempfundenen Schlachtszenen in
»Krieg und Frieden« und mehr noch durch die erschütternden Erleb-
nisse, die Tolstoj in »Sewastopol« geschildert hat, ist er ein Vorläufer
der »Waffen nieder« der Baronin Suttner geworden. Daß dieser
Tendenzroman, der so energisch gegen die Greuel des Krieges auftritt,
bei Tolstoj hinwiederum freundliche Aufnahme gefunden hat, haben wir
schon gesehen. Eine Spezialuntersuchung müßte freilich noch nach-
weisen, ob Tolstoj auf »Die Waffen nieder« unmittelbar eingewii'kt hat,
oder ob bloß die pazifistischen Bestrebungen diesseits und jenseits der
russisch -deutschen' Grenze hier und dort zwei voneinander unabhängige
literarische Hanptvertreter gefunden haben.
Klar zu Tage aber liegen die Fäden, die von der »Macht der
462 H. Halm,
Finsternis«, der > Kreutzer sonate« und »Polikuschka« zur deutschen
Literatur hinüberführen. »Die Macht der Finsternis« konnte 1890 in
Deutschland von jener selben »Freien Bühne« in Berlin aufgeführt wer-
den, die wenige Monate vorher Gerhart Hauptmanns »Vor Sonnen-
aufgang« herausgebracht hatte. »Vor Sonnenaufgang« ist mit der »Macht
der Finsternis« durch mehr als eine Beziehung verbunden. Die krasse
Handlung des Hauptmannschen Dramas, von dessen Hintergrund sich die
Macht des Alkohols dämonisch abhebt, findet nur eine Parallele in dem
Stücke Tolstojs. Man kann behaupten, daß ohne die Kühnheit des
Russen Hauptmann nicht gewagt hätte, ein mit so brutalen Kräften
arbeitendes Drama auf die deutsche Bühne zu stellen. Während aber
in Tolstojs Drama alle Personen der Macht der Finsternis verfallen, gibt
es für Hauptmanns Loth noch eine Rettung selbst vor dem stärksten
Triebe, der den Menschen beherrscht. Dieser Gegensatz spricht sich
schon in den Titeln aus.
Der Verfasser von »Vor Sonnenaufgang« ist in seinen natura-
listischen Bestrebungen nicht nur von der »Macht der Finsternis« bestärkt
worden, sondern er muß Tolstoj überhaupt gut gekannt haben. »Die
Macht der Finsternis« hat für die realistische Zeichnung des Hauptmann-
schen Alkoholikers , der sogar seine eigene Tochter mit Liebesanträgen
verfolgt, das Vorbild abgegeben. Der Heuduft aber, der das Stück durch-
zieht, das Sensendengeln, Grasholen, der Morgentau über der Natur, das
alles versetzt uns in ein Milieu wie den ländlichen Gutshof Ljewins in
Tolstojs »Anna Karenina«. Das Vorsprechen des LiebesschwursHelenens
vor Loth erinnert an die Art der Liebeserklärung Ljewins vor Kitty in der
»Anna Karenina« ebenso, wie die Gebärszene. Man hört Tolstojs Evan-
gelium, wenn sich Hauptmann gegen den Reichtum der Faulen wendet,
die die Armen aussaugen , oder wenn er die Jagd einen Unfug nennt.
Tolstoj , den das Problem der Ehe von der frühesten Zeit beschäf-
tigt hat (»Die Aufzeichnungen eines Marqueurs« 1856, »Eheglück«
1859, nebenher in »Krieg und Frieden« 1864/69, dann aber in »Anna
Karenina« 187 3/76 und in der lehrhaften Erzählung »Wandelt dieweil
ihr das Licht habt« 1887), tritt schon in der »Macht der Finsternis«
(1886) gegen die Dummheit und die Verblödung der meisten russischen
Weiber und Mädchen auf, die nie etwas gesehen oder gehört haben, son-
dern »sind wie die Tiere im Walde«. In »Anna Karenina« und in der
»Kreutzersonate« (1889) spitzt sich das Problem zu. Tolstoj zeigt, wo-
hin Ehen führen müssen, die auf nichts anderes als auf die Sinnlichkeit
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 463
aufgebaut sind. Die Eben Anna Kareninas, der Darja Oblonskaja und
die Ehe Posdnyschews (»Kreutzersonate«) geben in Brüche, weil die
Ehegatten nichts mehr verbindet, nachdem der Rausch der Sinnlichkeit
vorüber ist. Dasselbe Problem stellt sich Gerhart Hauptmann in den
»Einsamen Menschen«. Johannes Vockeradts Ehe geht in Brüche, weil
er einem Wesen begegnet, das ihm mehr bieten kann als tierische Liebe.
Er ahnt »einen neuen, höheren Zustand der Gemeinschaft zwischen
Mann und Frau . . . den wird es geben später einmal. Nicht das Tie-
rische wird dann mehr die erste Stelle einnehmen , sondern das Mensch-
liche. Das Tier wird nicht mehr das Tier ehelichen, sondern der Mensch
den Menschen. Freundschaft, das ist die Basis, auf der sich diese Liebe
erheben wii-d. Unlöslich, wundervoll, ein Wunderbau geradezu. « Diese
Frau , die Seelen- und Gedankenfreundin von Johannes , stammt be-
zeichnenderweise aus Reval. Diese nicht nur körperlich abgehärtete
Studentin Anna Mahr ist den deutschen Durchschnittsfrauen überlegen.
Sie ist aber auch stärker als der epikuräische deutsche Johannes. Mit
ihr weht eine Ahnung von dem ungezwungenen Verhältnis der Ge-
schlechter in Rußland und von der selbständigen russischen Frau in das
Stück. Tolstojs Spuren findet man bei jedem Schritt. Alles verschenken
und mit seiner Frau in freiwilliger Armut leben, keine Biene töten, sind
die Gedanken von Johannes. Tolstojs oberstes Leitwort, das er in der
»Macht der Finsternis« schon deutlich angeschlagen hatte, das Mitleid,
gewinnt Bedeutung für die Gestalten Hauptmanns. Der alte Vockeradt
verschenkt Erbauungsbücher an seinen Lastträger, der ebenso sprachlos
über dieses Geschenk ist, mit dem er nichts anzufangen weiß, wie jener
Droschkenkutscher, dem Tolstoj einmal den Fuhrlohn nicht in Geld, son-
dern mit einem Paar von Tolstoj selbstverfertigter Schuhe auszahlen hat
wollen. Während aber Tolstoj die Sündenbekenntnisse seiner Bauern
ernst meint, persifliert Hauptmann den alten Vockeradt. Man kann den
Vergleich zwischen »Kreuzersonate« und den »Einsamen Menschen« auch
auf Äußerlichkeiten ausdehnen. Das erste der zwei Motti der » Kreutzer-
sonate«: »Wer ein Weib ansiehet, ihrer zu begehren, der hat schon mit
ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen«, der Grundgedanke der
Kreutzersonate , wird von dem alten frömmelnden Vockeradt dem Sohne
vorgehalten. Das zweite Motto der Kreutzersonate » . . . das Wort fasset
nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist« möchte man wieder-
kehren sehen in dem Motto der »Einsamen Menschen« : »Ich lege dieses
Drama in die Hände derjenigen, die es gelebt haben.«
464 H.jaalm,
Gegen die Besitzenden, die nichts arbeiten, erhebt auch der »Fuhr-
mann Henschel« gelegentlich seine Stimme. Auch in, diesem Drama
Hauptmanns finden wir jenes Mitleid selbst mit dem Tiere, das bei Tol-
stoj überall, besonders schön bei dem Rennen in der »Anna Karenina«
zum Ausdruck kommt. Die Eifersuchtsszene zwischen Miitter und Toch-
ter in der »Macht der Finsternis« findet einen Nachhall in der Szene
zwischen der sterbenden ersten Frau des Fuhrmann Henschel und der
jungen Magd, die später Henschels zweite Gattin wird. Das Schank-
mädchen Franziska schwärmt von einem reichen Russen, der sie in der
Welt herumführen soll. Was die Größe dieses Dramas ausmacht, das
ist, daß es hier Hauptmann gelungen ist, den Geist des Volkes zu er-
fassen und ihn darzustellen. Dadurch rückt dieses Drama nahe zu den
Werken Tolstojs, der es ja als ein höchstes Ziel betrachtete, den Geist
des Volkes zu erforschen. Tolstojs »Polikuschka« war für Hauptmanns
»Fuhrmann Henschel« richtunggebend. Alle äußeren Zeugnisse sind
gegen diesen Helden, in dem ein ganzes Volk oder wenigstens ein ganzer
Stand des Volkes sich verkörpert; er selbst ist schuldlos. Henschel
charakterisiert die Stimmung seines Innern: »Ich kann mit mir keen
Staat nich mehr machen.« Der schweigende Polikuschka könnte seiner
Stimmung nicht besser Ausdruck geben. So suchen sie beide, vom Ehr-
gefühl getrieben, denselben Tod. Polikuschka war für Auerbach »ganz
exquisit, aber leider so zermalmend, was die Kunst nicht tun sollte«
(Auerbach, Brief an W. Wolfsohn. Nord und Süd Bd. 42, 1SS7, S. 436).
Dem Naturalismus Hauptmanns aber kam Tolstojs Kunst sehr entgegen.
So kann man Tolstojs Einfluß auf Hauptmann von seinem ersten
Drama verfolgen bis heute. Denn Hauptmanns letzte Arbeit, die aller-
dings schon vor sechs Jahren niedergeschrieben sein soll, »Gabriel Schil-
lings Flucht«, läßt in uns wieder die Erinnerung an die »Einsamen Men-
schen« aufsteigen. Wieder lebt der Künstler in einer innerlich leeren
Ehe, seine Schafl'ensfreude ist wieder an eine geistig emanzipierte Frau
gebunden, wieder an eine Russin.
Wie sympathisch Gerhart Hauptmann den Werken der russischen
Literatur überhaupt gegenübersteht, mag die Stelle aus den »Einsamen
Menschen« beweisen, wo sich über Garschins Novelle :>Die Künstler«
eine Debatte entspinnt, bis endlich Anna sogar eine Probe aus dieser
Novelle vorliest. Wie nahe Hauptmann dem russischen Dichter und
Philosophen Tolstoj und seiner zentralen Lehre vom Mitleid steht, zeigt
am besten sein Roman »Emanuel Quint«.
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 465
Neben dieser großen Bedeutung, die Tolstoj für Gerhart Hauptmann
hat, verschwindet das, was sonst noch in der schönen Literatur der Deut-
schen von Tolstojschem Geiste angeweht ist.
Ein Jahr nach der Berliner Aufführung und dem ersten deutschen
Druck der »Macht der Finsternis < vollendete in Wien J. J. David sein
Schauspiel »Hagars Sohn«, (J. J. Davids Gesammelte Werke, Hg. v. E.
Heilborn und Erich Schmidt, München und Leipzig, Piper 1909 Bd. 2),
dessen überraschender Schluß an das Sündenbekenntnis Nikitas am
Schluß der »Macht der Fin3ternis<: erinnert. Nachdem alle versammelt
sind, legen Nikita wie der ganz anders geartete Sieveroither Davids,
unter großer Spannung die ruckweise, stufenartig gesteigert wird, ihr
Bekenntnis ab, indem sie zunächst, fast wörtlich übereinstimmend, in den
Ruf ausbrechen: »Gemeinde, ich bin schuldig, ich will beichten. < Beide
Geständnisse werden unterbrochen und damit belebt durch die Zwischen-
reden der Verwandten bei Tolstoj und schließlich des Polizeibeamten,
der ein Protokoll aufnehmen will, des schwarzen Studenten bei David,
der ungeduldig zum Aufbruch mahnt. Der Polizeibeamte und der
schwarze Student erfahren die gleiche Entgegnung: »Das Bekenntnis ist
Gottes Sache. Laßt Gottes Sache zu Ende gehen , dann möge die welt-
liche beginnen.« Trotz ihrer Schuld stehen Nikita und der Sieveroither
gefaßt da, ohne Furcht, denn sie fühlen sich in der Hand Gottes.
David hat (Gesammelte Werke Bd. 7) sieben Jahre später (IS9S)
Leo Tolstoj einen schönen Essay gewidmet, in dem er die Werke Tol-
stojs mit der ihm eigenen Kürze charakterisiert und auf ein Drama hin-
weist, das gerade erschienen war, Max Halbes »Mutter Erde«.
Wie in Gerhart Hauptmanns »Einsamen Menschen« der Einfluß
Tolstojs auf die deutsche Literatur unmittelbar nach dem Erscheinen der
deutschen »Kreutzersonate« zutage tritt, so sehen wir ihn noch in Halbes
Drama nach Jahren fortwirken.
Wieder ist es jene Forderung nach einem neuen Verhältnis zwischen
Mann und Weib , das sich nicht auf bloßer Sinneslust , aber auch nicht
auf der Gedankengemeinschaft allein aufbaut. Schon in den »Einsamen
Menschen« schlägt das Freundschaftsverhältnis zwischen Johannes Vocke-
radt und Anna Mahr in Liebe um. Halbes Drama geht darin weiter. Er
gi'eift das Problem von der anderen Seite an. Sein Drama klingt wie
eine Warnung vor dem zweiten der beiden Extreme : bloße Sinnlichkeit
oder bloße Ideengemeinschaft. Die auf rein gedanklicher Gemeinschaft
gegründete Ehe geht in Brüche. Mann und Weib sollen nicht bloß Kame-
Archiy für slarisehe Philologie. XXXV. 30
466 H. Halm,
rad und Kameradin sein. Das jeder Eifersüchtelei fremde und jeder
Sinnlichkeit bare Weib wird wohl für einige Zeit die Freundin ihres
Mannes. Die Erinnerung an die nach langen Jahren wiedergefundene
Heimat und die Jugendzeit rütteln den Mann wach, er erkennt die Leere
seines Lebens, das immer wie das seiner Frau nur den Mitmenschen ge-
widmet war. Er geht in den Tod, da ihm die stärkere Frau die Mög-
lichkeit verschließt, sich mit seiner Jugendgeliebten zu verbinden.
Mit diesem Entschluß des Mannes zum Selbstmord ist aber auch
das Urteil über den Mann gesprochen. Er unterliegt und das »neue^
Weib lebt weiter. Darin stimmen Hauptmann und Halbe übereiu, wenn
auch Halbe noch schärfer als Hauptmann gegen die hergebrachten Ver-
hältnisse auftritt und dabei dem zu weit sich vorwagenden »neuen«
Weib einige Zurechtweisung nicht ersparen kann. Gerade darin aber
zweigen Hauptmann und Halbe von Tolstoj ab. Während sowohl in der
;>Anna Karenina« als auch in der >Kreutzersonate« das Weib zugrunde
geht, stellen die deutschen Dramatiker den Mann vor die Wahl zwischen
zwei Frauen und geraten damit in die Reihe jener unzähligen Stücke»
die den Mann zwischen den zwei Frauen zum Problem erhoben und nur
in einigen Dramen — über das Verhältnis des Grafen von Gleichen zu
zwei Frauen — zu einem für den Mann erträglichen Abschluß geführt
haben.
Tolstoj hat also nicht nur von den Deutschen gelernt, er hat auch
auf die deutsche Literatur zurückgewirkt. Der bisherige Einfluß Tol-
stojs vor allem auf die deutsche Literatur steht fest. Nach der steigen-
den Zahl der Übersetzungen ins Deutsche darf man schließen , daß der
Einfluß Tolstojscher Gedanken auf Deutsche heute eher noch zu- als ab-
nimmt.
Die deutschen Schriftsteller und Dichter lernen Tolstoj nicht aus
dem Original, sondern aus Übersetzungen kennen. Spielt sonst bei
Quellenfragen die Ermittelung des Originals eine Rolle, so kommt bei der
Frage nach dem Einfluß der russischen Literatur auf die deutsche die
Kenntnis der Übersetzung in erster Linie in Betracht. Von deutschen
Dichtern des XIX. Jahrh. darf man behaupten, Theodor Fontane etwa
ausgenommen, daß sie von der russischen Sprache keine Vorstellung
hatten. Wenn keine Übersetzung ausfindig zu machen ist, so kann von
einem Einfluß des in Frage stehenden Werkes oder Schriftstellers auf
einen deutschen Dichter kaum die Rede sein. Die deutschen Überset-
zungen haben aber noch die Bedeutung, daß sie vor allem den öster-
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 467
reichischen Slaven die Kenntnis des russischen Originals vermittelten, das
durch den Buchhandel schwer zu beziehen ist. Die deutschen Texte
wurden bei der Übersetzung aus dem Russischen in die anderen slavischen
Sprachen naturgemäß nicht selten allein oder wenigstens neben dem
schwerer verständlichen, weil dem eigenen Idiom zu verwandten russi-
schen Text zu Rate gezogen*). Selbst für die Russen sind die deutschen
Übersetzungen nicht belanglos. Wie oft erschienen die Übersetzungen
vor dem Original! Man denke an die »Kreutzersonate«, die nur im Ge-
heimen in Rußland Verbreitung fand, während sie in Berlin russisch und
deutsch zu haben war. Ebenso erging es dem Drama »Früchte der Bil-
dung«. Die erste öffentliche Aufführung fand in deutscher Sprache inBerlin
statt. Während sich in Rußland ein widriger Streit um Tolstoj s Nach-
laß entspann, bevor er schließlich um manche Erzählung gekürzt erschei-
nen konnte, war die deutsche Ausgabe bei Ladyschnikow in Berlin (s. u.)
lange überallhin verbreitet.
Tolstojs Werke sind seit den 70 er Jahren des XIX. Jahrh. wieder-
holt ins Deutsche übertragen worden, so daß heute eine unübersehbare
Masse von Verdeutschungen zu Gebote steht. Eine Bibliographie der
Übersetzungen aus dem Russischen ins Deutsche, so notwendig sie für
unsere Frage wäre, existiert nicht, noch viel weniger eine kritische Bib-
*) Jetzt ist es in dieser Beziehung wohl besser, aber in den siebziger und
achtziger Jahren hat man in der Tat oft aus dem Russischen Übersetzungen
in einzelnen slavischen Sprachen geliefert, denen deutsche Texte zugrunde
lagen oder die Leistungen waren sehr mangelhaft wegen nicht ausreichender
Kenntnis des Russischen. Ich habe das an einem Beispiele im Arch. f. slav.
Philologie Bd. XIII. S. 463 — 470 gezeigt. Dabei will ich eine Tatsache zum
besten geben. Als mein Bruder (der manches ins Kroatische übersetztel im
J. 18S5 bei mir in St. Petersburg zu Besuch war, äußerte er den Wunsch, et-
was aus dem Russischen zu übersetzen. Ich versah ihn mit dem russischen
Texte des Tolstojschen »Knabenalter«, dessen deutsche Übersetzung vor
kurzem erschienen war (die Übersetzung sollte ihm eben die Aufgabe erleich-
tern). Als ich nach einiger Zeit darnach fragte, bekam ich zur Antwort : er
habe, um sich zu vergewissern, ob ein literarischer Verein dieses Werk in
kroat. Übersetzung zum Abdruck zu bringen bereit wäre, den deutschen Text
einem namhaften kroat. Schriftsteller vorgelegt, dieser aber habe sich ent-
schieden dagegen erklärt; das klassische Werk Tolstojs fand also in den
Augen eines kroatischen Schriftstellers keine Gnade ! Ob es später dennoch
von jemanden übersetzt und herausgegeben wurde, das weiß ich nicht!
V.J.
30*
468 H. Halm,
liographie, die den zahlreichen deutschen Lesern russischer Literatur
einen willkommenen Führer abgeben könnte.
Gegenstand dieser Schlußbemerkungen soll es also sein, auch wie-
der nur in großen Zügen einen Überblick über die ersten deutschen
Übersetzungen Tolstojscher Werke zu geben.
Zweifellos sind die ersten Übersetzungen in den deutschen Tages-
zeitungen der Ostseeprovinzen zu suchen, eine Arbeit, die aber selbst
mit Hilfe der größten Wiener Bibliotheken nicht unternommen werden
kann. Man verzichtet auf die Kenntnis dieser Übersetzungen um so
leichter, als sie kaum mehr als lokale Bedeutung gehabt haben dürften.
Weitere Verbreitung dürften allerdings die Übersetzungen im Feuilleton
der deutschen St.-Petersburger Zeitung gefunden haben. Eduard Griese-
bach hat Feuilletons dieser Zeitung, die ihm die Kenntnis einer Novelle
Gorkijs oder Andrejews vermittelten, in seinem »Weltliteraturkatalog
eines Bibliophilen« in derselben Weise gebucht, wie selbständige Werke.
In dieser Vermittlung zwischen Rußland und Deutschland nehmen
die österreichischen Hauptstädte eine hervorragende Stelle ein: Prag und
Wien. Von den 70 er Jahren angefangen bringen Prager Zeitungen wie
etwa »Die Politik«, »Die neue Politik« oder die »Correspondenz« im
Jahre an feuiUetonistischen Berichten über russische Feste, Gebräuche
und Sitten oder Übersetzungen aus dem Russischen mehr als manche
heutige Tageszeitung. In der Prager »Politik« begann vor allem die
erste und bis heute beste Verdeutschung von Tolstojs »Krieg und Frie-
den« zu erscheinen, übersetzt von Ciaire von Glümer (1. Mai 1S73 bis
29. Januar 1876). Im Januar 1882 brachte die Wiener »Neue Freie
Presse«, die ebenfalls bis heute maßgebend gebliebene Übersetzung von
Tolstojs »Kindheit« (deutsch von Ernst Röttger). Die 1SS5 verfaßte
und später in die »Werke der letzten Jahre« 1SS7 Bd. XII. aufgenom-
mene Erzählung »Das Lichtchen« übersetzte schon ISS 6 N. M. Golant
für das Wiener Familienblatt »An der schönen blauen Donau« (1886,
21. Heft, S. G19ff.).
In dieser Zeit oder vereinzelt auch schon vorher erschienen Über-
setzungen Tolstojscher Werke in Buchform, die durch keine spätere
Übersetzung in den Schatten gedrängt worden sind. Der viel zu wenig
anerkannte Wilhelm Wolfsohn hat in seiner Russischen Revue II (1S63)
S. 28 — 50, 105 — 146 den »Polikuschka« als »Paul. Erzählung von
Leon Tolstoj« tibertragen. Die eifrige Ciaire von Glümer hat in dem
Novellenschatz des Auslandes (Bd. XHI S. l — 14S), den PaulHeyse und
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 469
Hermann Kurtz von IS72 an in München herausgaben, Tolstojs Erzäh-
lung »Eheglück« dem deutschen Leser nahegebracht.
Mitte der SO er Jahre erscheinen dann die ersten großen selbstän-
digen Übersetzungen: »Anna Karenina«, deutsch von Paul Graff, Berlin
1S84 und »Krieg und Frieden«, deutsch von Dr. Ernst Strenge, Berlin,
Deubner 18S5 — 18S6, 1888 2, später tibergegangen in Reclams Univer-
salbibliothek.
Tolstoj hat mit beißendem Spott in einem Gespräche mit Oskar
Blumenthal gesagt: »Was eine mangelhafte Übersetzung verschulden
kann, das habe ich ja leider an mir selbst erfahren. Ich kann meinen
Übersetzern bezeugen, daß sie Russisch können, aber ich befürchte, daß
sie nicht Deutsch können. « Tolstoj hat dabei an die Übersetzungen der
»Kreutzersonate« (18S9) gedacht und ungerecht geurteilt. Nimmt doch
unter den Übersetzern der Kreutzersonate Raphael Löwenfeld einen her-
vorragenden Platz ein, dessen Übersetzung als eine der ersten noch 1890
erschienen war.
Mit vollem Rechte hätte aber Tolstoj die ebengenannte Übersetzung
von »Krieg und Frieden« verurteilen können. Dr. Ernst Strenge war
der ehemalige Erzieher der Kinder Tolstojs und so erklärt sich vielleicht
die seltsame Art der Kürzungen in dieser Übersetzung. Strenge hat
offenbar Tolstoj die Einführung in Deutschland durch Weglassen oder
Ändern der gegen die Deutschen gerichteten Spitzen ebenso erleichtern
wollen, wie kurz vorher (1882) Wilhelm Hen ekel, der bekannte Über-
setzer Dostojewskis, bei der Übersetzung des »Raskolnikow« sich >nur
wenige Kürzungen, im Interesse des deutschen Lesers« erlaubt, sowie
bei Stellen antideutscher Tendenz »einiges zu Grelle gemildert und man-
ches ganz fortgelassen« hat. Strenge sagt von seinen Änderungen aller-
dings nichts und überläßt es der Wachsamkeit des Lesers, ob er die
Eingriffe erkenne oder nicht.
Einige Beispiele mögen die Arbeitsweise Strenges veranschaulichen,
wobei ich Strenges Übersetzung nach der noch heute vielgelesenen dritten
Auflage in der Universalbibliothek, zwei Bände, Leipzig, Philipp Reclam
jun. 0. J., zitiere.
Die ganze Berichterstattung Weyrothers, die von dem zuhörenden
Kriegsrat für höchst überflüssig und langweilig gefunden wird (I, 318),
die ganze Verurteilung PhuUs und damit des deutschen Selbstvertrauens
(II, 126, 603), die seitenlange Erzählung des starkangeheiterten franzö-
sischen Kapitäns über die Deutschen, über seine Liebesabenteuer in
470 H. Halm,
Franki'eich und Polen (II, 38S), alles das fehlt an den (in Klammern) an-
gegebenen Stellen bei Strenge. Vergeblich wird man den Wutausbruch
Nataschas gegen dieDeutschen (11, 355) suchen, als der von Deutschen ab-
stammende Oberst Berg aus dem verlorenen Moskau statt der Verwundeten
seine Möbel wegführen will. Berg hat nicht »noch immer dieselbe ruhige,
angenehme Stelle als Adjutant eines Stabschefs«, sondern einfach »dient
noch immer als Stabschefsgehilfe« (II, 353). Auch davon ist bei Strenge
keine Rede (I, oSl), daß Berg »sein Leben nicht nach Jahren, sondern
nach allerhöchsten Belohnungen zähle und berechne«. Bergs Verhalten
in der Schlacht bei Austerlitz erhält eine völlig andere Beleuchtung da-
durch, daß Strenge Bergs dünkelhaftes Selbstbewußtsein in der Schlacht
verschweigt (I, 347). Strenge unterdrückt (II, 269) Tolstojs Bemer-
kung über General Bennigsen, der die Trappen »nach seinem persön-
lichen Gutdünken vorschob, ohne dem Oberbefehlshaber etwas davon zu
sagen«. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird davon abgelenkt, daß nur
die Willkür Bennigsens an dem Untergang dieser Truppen schuld war.
Beschönigend fügt Strenge ein Wörtchen dem Originale ein: »Alle war-
teten auf Bennigsen, der unter dem Verwände einer erneuten Besich-
tigung unserer Positionen bei seinem trefflichen Mittagsmahle saß«, heißt
bei Strenge (II, 331): »Alle warteten noch auf Bennigsen, der unter dem
Vorwand, eine neue Position inspizieren zu müssen, wohl erst noch ein
leckeres Mahl beendete.«
Getreu seinem Prinzipe, die abfällige Schilderung der Deutschen zu
unterdrücken, hätte er auch diese wenig schmeichelhafte Charakteristik
Bennigsens streichen müssen. Daß es Strenge an Konsequenz fehlt,
zeigt auch, daß es ihm einmal geglückt ist, die Bezeichnung der Deut-
schen als »Wurstfresser« zu verschlucken (1, 194), während sie ihm drei-
mal doch entschlüpft ist (I, 143, 328, 11, 606). Strenges Übersetzung
ist oberflächlich und stilistisch anfechtbar.
Trotz der vielen Schwächen kann man aus dieser Übersetzung doch
hie und da etwas lernen. W^elcher Deutsche weiß z. B. heute nicht, daß
»Samowar« die russische Teemaschine bezeichnet? Niemand würde
wohl mehr heute »Samowar« glossieren. Strenge tut es. Samowar war
1885 also noch kein allzu bekanntes Wort'). Leider ist die Glosse selbst
1) Zu dem Worte »Samowar« hat 1S4G Philipp Löbenstein in seiner Über-
setzung von Gogols »Toten Seelen« eine damals wohl sehr notwendige und
deshalb sehr ausführliche Faßnote geschrieben (S. 2).
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 471
noch in der Ausgabe der Universalbibliothek Reclams bis heute stehen
geblieben^ trotzdem sie heute überflüssig geworden ist. Hin und wieder
sind trotzdem solche kommentierende Bemerkungen Strenges heute noch
ganz brauchbar, wie I, 410, 420.
Strenges Übersetzung von »Krieg und Frieden« ist bis in die 90er
Jahre des XIX. Jahrh. die meist gelesene gewesen , bis Raphael Löwen-
felds Übersetzung herauskam, die zum größten Teil auf jener älteren
Arbeit Ciaire von Glümers in der Prager Zeitung »Politik« fußt. »Die
Kosaken« fanden in G.Keuchel einen Übersetzer (Berlin, Deubner 1888,
3. Auflage); »Die Macht der Finsternis«, 1887 russisch erschienen, wurde
1890, von A. Scholz verdeutscht, in Berlin aufgeführt. Die Tage, an denen
Original und Übersetzung von Werken Tolstojs erscheinen, rücken anein-
ander. »Die Kreutzersonate« erscheint 1890, von Löwenfeld aus der
Handschrift übersetzt, lange vor dem russischen Original.
1891 unternahm Löwenfeld eine Sammlung von bisher verdeutsch-
ten und von ihm neu übersetzten Werken Tolstojs. Löwenfeld hat das Ver-
dienst, diese erste Sammlung nicht nur unternommen, sondern sie schließ-
lich im Laufe von mehr als 10 Jahren zu einer Gesamtausgabe ausgebaut
zu haben!
» Leo N. Tolstojs Gesammelte Werke. Vom Verfasser genehmigte Aus-
gabe. Von Raphael Löwenfeld. Berlin, Rieh. Wllhelmi 1891 — 93. Drei
Bände«: Bd.I (1891) Lebensstufen: Kindheit i), Knabenalter, Jünglings.-
jahre. — Bd. H (1891) Novellen und Kleine Romane. 1. Teil: Der
Morgen des Gutsherrn. Aufzeichnungen eines Marqueurs. Luzern.
Albert2). Zwei Husaren. Drei Tode. Die Kosaken. — Bd. HI (1893)
Novellen und kleine Romane. 2. Teil: Kaukasische Erzählungen (Ein
Überfall, Der Holzschlag, Eine Begegnung im Felde mit einem Moskauer
Bekannten), Sewastopol, Schneesturm. Eheglück^). Polikuschka'*). Lein-
wandmesser.
Mit Bd. IV (1901) Novellen und kleine Romane, 3. Teil wurde im
Verlage Diederichs, Leipzig (heute in Jena) die Sammlung fortgesetzt.
Die Neuauflage (1901 ff.) teilt die Lebensstufen in zwei Bände (Drittes
Tausend 1910), daran schließen sich als Band 3 — 7 Novellen (davon die
1) Übersetzt von E. Röttger. [Ausgezeichnete Übersetzung. Vgl. Archiv
Bd. XV, S. 105].
2) Übersetzt von Aug. Scholz.
3) Übersetzt von Ciaire v. Glümer.
*) Übersetzt von W. Wolfsohn.
472 H. Halm,
ersten vier Bände 1901 3, der fünfte Novellenband 1906), Band 8 Volks-
erzählungen i) (1907, zweites Tausend 1911), Band 9 Dramatische Dich-
tungen (1905), Band 10 Die Kreutzersonate (1904, sechstes bis achtes
Tausend 19 11), Band 1 1 bis 14 Krieg und Frieden (1901, 3. neu durchge-
sehene Auflage 1911), Band 15 bis 17 Anna Karenina 2) (1905, zweites bis
drittesTausendl911), Band IS bis 19 Auferstehung 3) (1900). Damit ist die
Serie der dichterischen Schriften abgeschlossen. Die Ausgabe ist also
ungefähr chronologisch angeordnet. Eine gleichzeitig erschienene zweite
Serie enthält ebenfalls chronologisch die Schriften zur Religion (elf Bde.)
und zur Pädagogik und Kunst (drei Bände), die im gleichen Verlage auch
einzeln erschienen sind. Mit ihren 33 Bänden repräsentiert diese Aus-
gabe ein großes Unternehmen eines idealen deutschen Verlegers. Alle
guten Übersetzungen Tolstojscher Werke, die Löwenfeld kannte, hat er
neu durchgesehen, bevor er sie aufnahm. Wie weit ins Einzelne die
Übersetzungsarbeit gediehen ist, möge nur das eine bezeugen, daß selbst
das Datum in »Krieg und Frieden« aus dem Russischen ins Westeuro-
päische übertragen ist. An Stelle des 12. Novembers bei Tolstoj setzt
Löwenfeld den 24. November (z. B. Bd. XI, S. 344). Eugen Diederichs
hat dieser schönen Ausgabe noch Löwenfelds Gespräche mit Tolstoj
s. u.), Löwenfelds Tolstojbiographie (s. u.) und Eugen Heinrich Schmitts
wertvolles Buch »Leo Tolstoj und seine Bedeutung für unsere Kultur«
(2. Tausend, Diederichs, Jena 1910) hinzugefügt.
Neben dieser Ausgabe seien noch zwei umfänglichere Publikationen
Gesammelter Schriften Tolstoj s in deutscher Sprache erwähnt, die sich
in keiner Hinsicht mit der Diederichschen Ausgabe messen können, aber
zeigen, daß Tolstoj unter den Deutschen eine große Gemeinde hat, die
nicht nur von dem oder jenem einzelnen Werk Tolstojs angezogen wird.
In weithin schreienden, rot-schwarz-goldenen Einbänden traten:
»Graf Leo Tolstoj, Gesammelte Schriften aus dem russischen Original
übersetzt von Dr. Hermann Roskoschny«. 20 Bde. in 4 Volumina ge-
bunden auf den Plan , ursprünglich im Verlage Alfred H. Fried u. Cie.,
Berlin u. Leipzig, vom 10. Bande an bei J. Gnadenfeld u. Cie., ebendort
1) Löwenfeld schöpft selbst aus den von Tolstoj für seine Schule in Ja-
snaja-Poljana bestimmten Lesebüchern zwei Erzählungen, deren Überset-
zung er den > Volkserzählungen* anreiht. Vgl. auch Löwenfeld, Gespräche
S. 125 ff. »Lust zur Sache ist stärker als Zwang«.
2) Übersetzt von M. Fronstein, durchgesehen von Löwenfeld.
3) Übersetzt von Wladimir Cznmikow.
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 473
o.J.[1891ff.]. DerZusatz »ungekürzte Übersetzung« auf dem Titelblatte zu
> Sewastopol« läßt den Leser nicht schließen, daß die anderen Übersetz-
ungen gekürzt seien. Und doch hat der Zusatz diese verborgene Bedeutung.
Das Vorwort zur ganzen Ausgabe verspricht zwar »in möglichst getreuer
Wiedergabe der deutschen Lesewelt Tolstojs Werke vorzuführen« und
den deutschen Text von etwaigen Fremdwörtern eifrig zu säubern. Wer
aber solche Angaben nachprüft, wird finden, daß etwa »Krieg und Frie-
den« durch ununterbrochenes Streichen bis auf die Hälfte seines Um-
fanges herabgedrückt wird. Dadurch, daß Roskoschny auf den ersten
Druck von »Krieg und Frieden« zurückgreift, den Tolstoj längst ver-
worfen hatte, bietet ferner sein Text die Konversation der höheren rus-
sischen Gesellschaft in französischer Sprache, die sich oft seitenlang
hinzieht und den deutschen Leser ebenso stört , wie sie in jenem ersten
Druck den russischen gestört hat.
Als »Ausgewählte Werke« bezeichnen sich die acht Bändchen, die
Hanny Brentano für den Verlag J. Habbel, Regensburg o. J. [I912j
ins Deutsche übertragen hat. Die ersten zwei Bändchen enthalten die
Kindheit, Knabenalter und Jünglingsjahre, die übrigen sechs eine Aus-
wahl aus den Novellen und Erzählungen. Von den im Vorwort ver-
sprochenen, aus den großen Romanen ausgewählten Kapiteln findet man
in dieser vorläufig abgeschlossenen Ausgabe nichts. Hanny Brentano
hat nicht nur eine Auswahl aus den Werken Tolstojs getroffen , sondern
auch innerhalb eines Werkes wie z. B. des Knabenalters und der Jiing-
lingsjahre die Schere walten lassen, ohne darüber Rechenschaft zu geben.
Sie merzt philosophierende Kapitel aus, aber auch solche wie : Das
Mädchenzimmer«, »Die Liebe«^ »Unser Verhältnis zu den Mädchen«,
»Herzensangelegenheiten« usw. Sollte die Übersetzerin durch das Unter-
drücken der zitierten Kapitel bekunden wollen, daß sie diese Erzählungen
für »unpassend« findet, so spricht sie sich ihr eigenes Urteil.
Ein Jahr nach dem Tode Tolstojs erschien eine dreibändige Über-
setzung der »Nachgelassenen Werke«, Einzig autorisierte Über-
setzung [von August Scholz und Alexander Stein]. Berlin J. Ladysch-
nikow. 0. J. [1911].
Von den hier veröffentlichten Werken haben bisher in Deutschland
die weiteste Verbreitung gefunden : die Dramen »Der lebende Leichnam«,
»Und das Licht scheint in der Finsternis« und der Roman »Chadschi
Murat«.
Eine Auswahl aus dem Nachlasse Tolstojs brachte ein Jahr nach
474 H. Halm,
Ladyschnikow Diederichs: »L. N. Tolstoj, Nachlaß, zwei Bände. [Mit je
einem Bildnisse Tolstojs.] Übertragen von Ludwig und Dora Berndl.
Jena 1912«, die in manchen Punkten den Vorrang verdient. Die rasche
und weite Verbreitung der beiden genannten Dramen des »Nachlasses«,
sowie ihre freundliche Aufnahme in Deutschland bezeugen die Auffüh-
rungen der Dramen vor allem in Berlin und Wien und ihre Veröffent-
lichung gesondert vom übrigen Nachlaß: »Der lebende Leichnam bei
Ladyschnikow (1911), bei Phil. Reclam jun. (1912) und bei Schulze &
Co. in Leipzig (1911), »Und das Licht scheinet in der Finsternis« bei
Diederichs (1912) und Ladyschnikow (1913). »Chadschi Murat« erfuhr
eine Sonderausgabe im Verlage S. Fischer, Berlin (1912).
Das letzte Werk Tolstojs, mit dem er sich noch wenige Tage vor
seinem Tode beschäftigte, »Der Lebensweg, ein Buch für Wahrheits-
sucher«, ist nunmehr auch ins Deutsche tibertragen (von Dr. Adolf Hess.
Schulze u. Co., Leipzig 1912).
Dem deutschen Leser, der des Russischen nicht kundig ist^ stehen
noch andere Wege zu Tolstoj offen. Neben den zu Lebzeiten Tolstojs
und nach seinem Tode erschienenen dichterischen Werken und den
Schriften zur Religion, Pädagogik und Kunst liegen vor: umfängliche
Briefsammlungen, drei Bücher Gespräche mit und über Tolstoj und, in
verschiedenen Zeitschriften zerstreut, einst noch zu sammelnde Gespräche
Tolstojs mit Einzelnen. Von dem großen Lebenswerk Tolstojs fehlen in
deutscher Sprache nur noch die Tagebücher, die Eugen Diederichs zu
bringen versprochen hat.
»Leo Tolstoj, Briefe (184S — 19 10), Gesammelt und herausgegeben
von P. A. Sergejenko. Autorisierte vollständige Ausgabe [mit fünf Bild-
nissen Tolstojs] J. Ladyschnikow, Berlin 1911« sind außerordentlich wich-
tig für die Kenntnis Tolstojs. Die Übersetzung, besorgt u. a. von A.
Hess, hat besondere Bedeutung, weil sie fast doppelt so viele Briefe ab-
druckt, als die russische Ausgabe. Leider haben sich die Übersetzer
nicht die Mühe genommen, ein Personen- und Sachregister auszuarbeiten,
das den Wert des umfänglichen Bandes sehr gesteigert hätte.
Eine eigene Sammlung bildet »L. N. Tolstojs Briefwechsel mit der
Gräfin A. A. Tolstoj, 1857— 1903«, die als L Band einer Tolstoj-Biblio-
thek von Ludwig Berndl herausgegeben wurde (bei G. Müller, München
1913). Die russischen Briefe wurden von Ludwig und Dora Berndl
übersetzt, die französischen von Luise Wolf. Die »Erinnerungen« der
Gräfin bilden, wie in der Ausgabe der Petersburger Tolstoj-Gesellschaft,
Wechselbeziehungen zwischen Tolstoj u. d. deutsch. Literatur. 475
die Einleitung in den Briefwechsel. Fünf Briefe Tolstojs, die in der
russischen Ausgabe für undatierbar galten, wurden in den chronologischen
Zusammenhang eingeordnet, die von der russischen Zensur unterdrückten
Stellen in die Übersetzung aufgenommen. Die Übersetzung ist treu,
wenn auch nicht so glatt, wie jene der soeben genannten Briefsammlung
von Sergejenko. Je ein Bildnis der Gräfin und L. N. Tolstojs, letzteres
aus dem Jahre 1855, schmücken den Band.
Die »Gespräche mit Tolstoj, mitgeteilt von J. Teneromo, Berlin,
E. Reiß 1911c wurden 1S85 — 190S in Jasnaja Poljana aufgezeichnet.
Sie enthalten rührende Erzählungen aus dem Leben Tolstojs, die Ent-
stehungsgeschichte der »Macht der Finsternis«, Tolstojs Urteil über den
Wert seiner Dramen »Der erste Branntweinbrenner« und »Die Früchte
der Bildung«, aber auch Gespräche über Tolstojs Stellung zur Religion,
den Juden u. a.
Raphael Löwenfeld hat in seinen »Gesprächen über und mit Tolstoj.
Dritte vermehrte Auflage. Mit Porträt der Gräfin. Leipzig, Diederichs
1901< seine zwei Fahrten nach Jasnaja geschildert. Er hat dort die
Tagebücher Tolstojs, wie später Birjukow, benutzen können und in Ge-
sprächen mit Tolstoj , seiner Familie und Freunden wertvolles Material
gesammelt für seine Tolstoj biographie.
Die Gespräche Gussews mit Tolstoj, gesammelt in den letzten zwei
Lebensjahren Tolstojs und die Aufzeichnungen Spiros aus derselben Zeit
erscheinen soeben: »Gespräche mit Graf Leo Tolstoj in den letzten
Jahren seines Lebens und Erinnerungen an ihn. Von N. Gussew und
L. Spiro. Ausgewählt und in deutscher Übertragung herausgegeben von
Heinrich Stümcke.« [Mit einem Bildnis Tolstojs.] Leipzig, Philipp
Reclam jun. o. J. [1913]. — Universal-Bibliothek Bd. 5573.
Von interessanten Einzelgesprächen Tolstojs seien erwähnt: Ein
Gespräch mit Oskar Blumenthal (Neue Freie Presse 11. Januar 1911),
Prinz Paul Trubetzkoj (ebd. 1. August 1907), Josef Lewinski (Deutsche
Revue hg. v. Richard Fleischer 1896, 21. Jahrg., Oktoberheft S. 17 bis
30 »Tolstoj und das russische Theater«; ebd. 1899, 24. Jahrg., Januar-
heft S. 34 — 44 »Das russische Theater und Tolstoj«). — G. P. Dani-
lewskis »Meine Fahrt nach Jasnaja Poljana« (Nord u. Süd 1887, Bd. 42,
S. 194 — 210) ist eine Übersetzung aus dem Russischen.
Einige wenige Daten aus Tolstojs Tagebüchern sind übersetzt
worden in dem Aufsatz von E. H. Schmitt, »Leo Tolstoj, Gedanken über
Gott« und »Aus dem Tagebuch Tolstojs«. Vom Verfasser ausschließ-
476 H. Halm, Wechselbeziehungen zwisch. Tolstoj u. d. deutsch. Lit.
lieh autorisierte Ausgabe. (Übersetzt von E. H. Schmitt mit Albert Skar-
van). Nord und Süd hg. v. P. Lindau, 87. Bd. 1898, S. 198—217.
Das in deutscher Sprache geschriebene und am meisten gelesene
Buch überTolstoj ist Raphael Löwenfelds: » Leo N. Tolstoj, sein Leben,
seine Werke, seine Weltanschauung, 1. Teil, Berlin, Rieh. Wilhelmi 1892«,
ein Quellenwerk, das leider im ersten Bande stecken geblieben ist.
Rein oder vorwiegend biographische Interessen verfolgen: Graf Leo
Tolstoj, »Intimes aus seinem Leben«: von Anna Seuron. Herausgegeben
und mit einer Einleitung versehen von Eugen Zabel, Berlin 1894 und P.
Sergej enko »Wie Tolstoj lebt und arbeitet« , deutsch von Heinrich
Stümcke, Leipzig, Georg Wiegand 1900.
Eugen Zabel hat neun Jahre nach Löwenfelds Arbeit Tolstoj eine
schöne und unsere Kenntnisse zusammenfassende Monographie gewidmet,
L. N. Tolstoj, (Dichter und Darsteller. Hsg. v. Dr. Rud. Lothar, Bd. VI),
Leipzig, Berlin und Wien 1901, deren reiches Bildermaterial nicht ver-
gessen werden darf.
Ungefähr gleichzeitig erschien auch Bernekers viel zu wenig be-
kanntes Büchlein Graf Leo Tolstoj (mit einem Bildnis >. Biographische
Volksbücher Bd. 108 — 111. Leipzig, R. Voigtländer 1901. 115 S.
Eine kurze, aber nicht flüchtige, lebendige Darstellung.
Eine gut lesbare Übersetzung von D. S. Mereschkowskis »Tolstoj
und Dostojewski als Menschen und Künstler, eine kritische Würdigung
ihres Lebens und Schaffens« hat Carl von Gütschow geliefert (Leipjjig,
Schulze u. Co. 1903).
Das umfangreichste, aus persönlichen langjährigen Beziehungen zu
Tolstoj schöpfende Werk ist: »LeoN. Tolstoi, Biographie und Memoiren.
Autobiographische Memoiren. Briefe und biograph. Material. Hsg. von
Paul Birukof und durchgesehen von Leo Tolstoi. 2 Bde. Mit 28 [+ 10]
Illustrationen. Wien und Leipzig. I: 1906, II: 1909.« — Die kost-
barste Bereicherung unseres Wissens stellen die hier zuerst veröffent-
lichten Erinnerungen Tolstoj s an seine Kindheit und seine Familie dar.
Wie der Abschnitt über Tolstojs Einfluß auf deutsche Dichter, so
zeigt auch die hiermit abgeschlossene Aufzählung und Wertung der in
deutscher Sprache erschienenen Schriften von und über Tolstoj einerseits,
wie stark sich die Deutschen mit Tolstoj beschäftigten und noch beschäf-
tigen, beweist aber auch anderseits, wie neben den russischen Schriften
von und über Tolstoj die oft wertvolleren deutschen Übersetzungen oder
Monographien die Bedeutung von Quellen haben.
Lang-Enzersdorf b. Wien. Dr. H.Halm.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 477
Die Särospataker altpolnische Bibelhandsclirift
(sogenannte »Sofienbibel«) und die Lemberger Ausgabe
vom Jahre 1871.
(Fortsetzung!).)
II. Teil. Dritter Schreiber: S. 41 — 7S der Ausgabe.
S. 41a 8 Dr. Nalyasll y am, so auch Babiaczyk, vgl. Lex. s. v.
nalesc. Die Handschrift schreibt hier, wie zu erwarten , zusammen : na-
lyaslly; sm. a 10 rrjk^^y, am Zeilenende, ohne den Zeilenraum auszufüllen.
Vielleicht war hier eine Verzierung angebracht, kleine Einschnitte (nicht
Fehler im Papier!) könnten auf eine, die Zeile ausfüllende Verzierung
hindeuten. Ebenso ist mit dem »ma« von a 10 die folgende Zeile noch
nicht ausgefüllt, b 8 Dr. urrjdzrj, Hs. vrodzrj, also o, nicht jj. — S. 42a 3G
Dr. dowyedzyecz, Hs. dowyedzecz. b 2 Dr. pod myeczyem, Hs. ditto-
graphisch: podmye; yeczyem, doch ist der Fehler bemerkt und vom
Schreiber noch selbst getilgt worden, wenn auch das dittographische, die
neue Zeile beginnende »ye« noch deutlich erkennbar geblieben ist. b 19
Dr. u. Hs. dusz^ maa. b 31 Dr. stjipylesz, Hs. stopylesz. — S. 43 a 6
Dr. u. Hs. oslycza, am Zeilenende. Die nächste Zeile der Hs. endet:
a5!odzenye (vgl. a 7). a 14 Hs. albo '^zpolegay^icz. a 24 Dr. Sbawyenya
twego, Hs. sbawyenya | h^ä twego. a 35 Dr. l(>czisku, Hs. loczisku.
b 5 Dr. b^dzecz, Hs. bodzecz. b 21 Dr. gym kaszdemu, in der Hs. vor
»kaszdemu« ein »p«, wohl Schreibfehler durch Einwirkung des gleich
folgenden: poszegnanym. — S. 44a 13 Dr. u. Hs. ffaraowyma, b 5 Dr.
y^jszto, Hs. yoszto. b 30 Dr. bacz; in der Hs. ist hier deutlich ein durch-
strichenes a, also: bacz, während b 35 (Dr. u.) Hs. das übliche »a« ge-
schrieben ist. — S . 45 a. Das Blatt 2 5 der Hs. , das erste, welches den Exodus-
text gibt, hat, gegen dieRegel, die Überschrift: »Exodus« nicht. a22 Dr.u.
Hs.ygym. — S.46alDr. lampan. Hs.Iapan. a26Hs.syno=om, der Zeilen
Schluß fällt also zwischen die beiden »o«. a 34 Dr. Israhelsczy nye. Vor
»nye« sindzwei radierte Buchstaben »eg« zu erkennen, auch das »czy« von
»Israhelsczy« steht auf Rasur. — S. 47a 1 Hs. Aopyricz aEleazar. Im
Dr. fehlt »a«. all Dr. u. Hs. kuFfaonowy. a 15. In der Hs. schließt
1) Vgl. Archiv XXXV, S. 179.
478 E. Hanisch,
mit »Egipskyey« das Kapitel, zugleich ist auch hier die linke Spalte zu
Ende. Die rechte Spalte beginnt dann mit der neuen Kapitelzahl (in Rot) :
VII. Mit >Imowyl« fängt der Text des Kapitels an: das »I« ist, als
erster Buchstabe des Kapitels, rot geschrieben. Mithin ist im Dr. a 22
die Kapitelzahl an falscher Stelle, vielmehr geht ohne Absatz der Text
in der Hs. weiter, die betreffende Zeile der Hs. lautet also :
ffaraon Irzecze pan kuMo; [ yszeszowy.
a 20 Dr. u. Hs. nyebrzezanich. a 30 Dr. u. Hs. zatwyrdz^^. b 1 grosz-
naa|, also am Zeilenende, b 2/3 Dr. u. Hs. wsczy^gnolesm, b 7 Hs.
WgSzmy, Korrektur unter der Zeile! b 8/9 Dr. u. Hs. wszedmydzeszy^^d.
b 20 Dr. u. Hs. aAron. b 12 Dr. Gdisz, Hs. Ggdisz. b 23 Dr. u. Hs.
Mfitrczow. b 29 Hs. zatwyrdzy, Dr. zatwyerdzy. b 32 Dr. n. Hs, Ob-
czyoszylo. — S. 48a 6/7 Wteem; in Hs. Zeilenschluß gerade zwischen
den beiden »e«, also: te=jem, ebenso a 12 py=ly^cz und a 14 prosj^it (Dr.
^Y^^t). a 22/23 Dr. u. Hs. apodzwygnow. b 1 Dr. u. Hs. mogl. b 10
Dr. u. Hs. zszyeby. b 11 Dr. do domu, Hs. dodonu. b 13 Dr. posz-
czyelfjfj, Hs. poszczyely^^. b 2.^ Dr. czarnokszyrisznj/czy, Hs. czarnok-
szyosznyczy. b 32 Dr. rzecze, Hs. rzeczye. — S. 49a 4 Dr. uczyny^,
Hs. uczy^ny^^. a 7 Dr. u. Hs. atelko. a 8/9 Dr. od Ffaraono*, Hs.
deutlich: Ffaraona. a 21 Dr. Wzczy^jgny, Hs. Wzczyogny. a 31 Dr.
czarnokszyrisnyczy, Hs. czarnokszyosnyczy (vgl. 48b 25). b 2 Dr. stoysze,
aber hier gerade trennt die Hs. stoy sze. b 12/13 Dr. u. Hs. awewszey.
b 21 Hs. wdosjom, vgl. 48a 6 usw. b 31 trennt die Hs. Azalybich mi,
vgl. meine »Zusammenschreibung« S. 20, Vulg. Exod. VIU 28: macta-
verimus. — S. 50a 11 Dr. od Ffaraona, Hs. odpana Ffaraona. a 16 Dr.
u. Hs. Ffaraonowo (vgl. b 5, aber b 22). a 19 Dr. mowze, Hs. mowsze.
a 20 Dr. zydowsky, Hs. szydowsky, doch ist das anlautende »s« stark
verblaßt, a 23 Dr. u. Hs. vfjk^rj. a 25 Dr. ywyelbljidy, Hs. ywyel-
blody. b 2 Dr. zagynrjlo, Hs. zagynolo. b 12 Dr. u. Hs. n^ä^te. b 28
Dr. my, Hs. miy — S. 51a 9 Dr. u. Hs. swj^r^. a 29 Hs. trennt yoge=|
yn. a 36 Dr. asz do bitczy^czya. Hs. asz dobitczy^jczya. Babiaczyk
s. V. erkennt die Haplographie, aber ist ganz abhängig von der Schrei-
bung der Ausgabe, b 14 In der Hs. Zeilentrennung bei: wydza=|al.
b 17 Dr. u. Hs. ay^czmyeyn. b 19 Dr. p^kowye, Hs. pokowye. b 22
Dr. u. Hs. wiszedlw. b 23 Dr. u. Hs. yzmyasta. Ich denke hier, gegen-
über der herkömmlichen Ansicht, daß die Präposition »iz« vorliege (so
zuletzt Babiaczyk s. v. »iz«), eher an eine Textvariante »et ex urbe«
= iz miasta. b 23/24 Dr. rrjcze, Hs. rocze. — S. 52a 1 Dr. u. Hs.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 479
moy. a 3 Dr. u. Hs. dzy we. a 5 Dr. u. Hs. Ti; | di. a 6 Dr. u. Hs.
kuffaonowy. a S Dr. u. Hs. Ydokoodsze. a 14 Dr. u. Hs. przykyy^.
a 23 Dr. na szemy^. In der Hs. ist hier eine Korrektur. Ursprünglich
standen zwei »^« amEnde, die anscheinend in eins verbessertwurden, doch
ist die Korrektur nicht deutlich, vgl. daher b 11/12 »naszemy^JEgipsk^^«,
ebenso b 13. 16 auch 21. b 3/4 Dr. u. Hs. Genze albo kto. »Glossa
wsröd textu« bemerkt Malecki mit Eecht hierzu. Dazu vgl. 104 b 13:
ale robota wasze, das durch »dzatiky« glossiert ist (s. meine Abhandlung
»Zur Gesch. der Särosp. altpoln. Bibelhs.« S. 13 u. Archiv XXXV, S. 192).
b 8 Dr. u. Hs. Anatemyast. b 9 Dr. u. Hs. wyrzuczenye odoblycz^^
(vgl. Nehring, Archiv VI 182). b 33 Dr. u. Hs. szpyesznoszcz. — S. 53 a 8
trennt die Hs. zay ste (vgl. meine »Zusammenschreibung<f S. 20). a 9/10
Dr. u. Hs. Yzatwydzyl. a 1 0 Dr. szercze Ffaraonovvo , Hs. szercze gich
ffaraonowo. a 13 Dr. b^dji^, Hs. bod^^. a 19 Dr. u. Hs. z^dny. a 27
Dr. a debidczy^tha, Hs. deutlich: adobidczy^tha. a 34 Dr. nawy^czey,
Hs. nawyoczey. a 37 Dr. hat hier richtig: zadwyrdzyl. Ich bemerke das,
weil in der Ausgabe diese Verschreibung nicht, wie sonst in solchen
Fällen gewöhnlich, durch einen Stern hervorgehoben ist und daher leicht
auf einen Druckfehler geschlossen werden könnte, b 2 Dr. ich, Hs. gich.
b 4 Dr. 8zy(i u.wy^czey, Hs. szyo u. wyoczey. b5 Dr. w ktorykoly, Hs.
wkorykoly. b 6 Dr. ukaszesz. Takocz brjdze, Hs. ukaszes vmrzesz Ot-
powyedzal Moyzesz Takocz bodze; b S Dr. u. Hs. Moyszewy. b 13 Dr.
odprzyyaczyela , Hs. odprzyyaczyelya. b 25 trennt Hs. dopyrzwo rodzo-
nego (vgl. »Zusammenschreibung« S. 19 f.), während b 27 es in Hs.u. Dr.
heißt : pyrworodzone. b30Dr.b^dze,H3. bodze. b32Dr.u.Hs. aszdodobit-
czr^; I czy^. b 35 Dr. wstrjpy^j, Hs. wstopyf:^. — S. Sla 5 Dr. kuMoyszeszowy,
in Hs. ohne Korrektur: ku flfaraonowy Moyszeszowy. a 6/7 Dr.Ffarao abi
wyelye dzy wo w. Hs. ffarao do abi wye; | lye wyelye dzywow, also » wyelye«
dittographisch, das »do« vor »abi« ist durchgestrichen, soll mithin nicht
gelten. Es heißt dann a 7/8 weiter Dr. : w szemy stalo szie Egipskyey.
Dazu ist zu bemerken, daß »stalo szie« am Zeilenende (Egi;|pskyey)
darübergeschrieben ist. Möglich ist es, daß diese Korrektur von anderer,
späterer Hand herrührt, eine Annahme, die mir auch durch die Schreibung
*szie« nur noch wahrscheinlicher gemacht wird, a 17 Dr. u. Hs. »myesj
szyj^cz^iJw« und »bodze«, in a 18 (Dr. u. Hs.): wmyeszj^; | cz^ch steht das
»cz^ch« gerade unter dem »szy^cz^w« (a 17). a 27 Dr. u. Hs. polye. a 34
Dr. u. Hs. ibodzeczye. b 1 Dr. k wyeczoryu, Hs. kwyeczyoru. b 2 Dr. y
pomazeczye, Hs. ypomaszeczye, doch ist das »s«, wenn auch deutlich
480 E. Hanisch,
erkennbar, stark verblaßt, b 5 Dr. Ab(yd^(>, Hs. Abodz^czye. Das »czye«
ist verlöscht, der Raum aber freigelassen, in »z^« scheint das »z« in ein
ursprüngliches »j^« hineinkorrigiert zu sein, wenigstens kann man noch
recht gut oben und unten am »z« die Striche erkennen (z), weshalb Pieko-
sinski wohl »r>^« las, dann nicht »b^« sondern »bo«, zur Verschreibung
vgl. b 4 : b^dzyczye. b 1 7 Dr. b^dzyeczye, Hs. bodzyeczye. b 3 1 Dr. wpam-
y^czy,Hs. wpamyosjczy, b 36 Dr. Bo ktokolj^bi, Hs. dittographisch: bo kto
ktokoly=|bi. — S. 55 a 7 Dr. w ten dzeyn wsziczko, Hs. wten wsziczko dzeyn.
a 1 2 Dr. wj^eczor, Hs. wyeczoor, vgl. 61a26. al6 Dr. nye brjdze, Hs. nye-
bodze. a22Dr. b^dzeczye, Hs.bodzeczye. a26/27Dr. po czeladzach, Hs.
poczeledzach, vgl. czech. celed'. Die Vulg. Ex. XH 2 1 : per familias vgl.
dazu Jirecek Gas. Cesk. Mus. 1864, S. 158: »Celed' znamenä jako v cele
bibli to, CO latinske familia«, a2S Dr. Awrjzlek, Hs. awozlek. a 36/37
Dr. a nye do, Hs. deutlich: anyeda. b 10/11 Dr. a domi nasze wiwolny^cz,
Hs. deutlich: wiwoluyr>cz, also nicht von wywolnic (mit Babiaczyk, Lexi-
kon s. V. einziger Beleg), sondern von Avywolywac. b 13 Dr. Israhelsk}',
Hs. Izrahelsczy. b 21 Dr. pyrworodzone. Hs. pyrworodzonego; es ist
»go« deutlich, aber verblaßt, b 31/32 Dr. yakoszczye proszyly, Hs.
dittographisch: yakoszczye ya;|koszczye proszyly. — S. 56a 2 Dr. u.
Hs. synowy. a 6 Hs. u. Dr. myloszcz | lyudu. Vor dem Schluß der Zeile
sind in der Hs. noch zwei verblichene Buchstaben, etwa: sz. a 17 ist in
der Hs. getrennt: pod popyelny chleb (vgl. meine »Zusammenschreibung«
S. 19f.). Das »d« von »pod« ist aus einem »p« korrigiert, b 1 ist in
der Hs. hinter »geszcz« ein »g«, welches durchgestrichen ist: der Schreiber
merkte also bald selbst die Dittographie : g[eszcze]. b 6/7 Dr. a uczy-
nycz godi. Hs. auczynycz au | czynycz godi. b9 ist das ^^ von »szwy^^-
czycz« eine Korrektur; vorher stand etwas anderes da, was nicht mehr zu
erkennen ist. b 27 Dr. w ktoriszczye, Hs. wktoriszczy'', also »e« darüber
verbessert, b 29 sind hinter »r^cze« zwei (nicht mehr lesbare) Buch-
staben. — S. 57a 4 Dr. dny geszcz. Hs. dny tego geszcz. a 12 Dr. u.
Hs. wiszdl. a 15 Dr. szawszdy, Hs. deutlich szawszgy. a 18 Dr. zak-
kona. Das erste »k« ist nicht deutlich, es sieht aus wie ein »t«, welches
zu »k« korrigiert wurde, a 34 Dr. w r^cze, Hs. w;|rocze, daselbst:
wiwyodl, auf das in der IIs. zwei durchstrichene, nicht deutliche Buch-
staben folgen, b 3/4 Dr. ofiyeruy^, Hs. offyeruyo. b 5 Dr. pyrworodzone,
in derHs. ist ein >S« dahinter getilgt: vgl. dazu S. 55b2l! bl4 Dr.bilybi,
Hs. billybi. b 17/18 Dr. u. Hs. poddlya. — S. 58a 1 trennt die Hs. abi
szczye (vgl. »Zusammenschreibung« S. 20). a 2 fällt inmitten von »stroon<
Die Särosp. altpoln. Bibelhandsehr. u. die Lemberger Ausgabe. 481
das Zeilenende : stro;|on. a 9 Dr. y brjdzedz, Hs. ybodzedz. a 10 Hs. u.
Dr. naffaraowi. a2S in Hs. getrennt: przed chodzr^czich. b 12 Hs. u. Dr.
kto. b 38 Dr. czasz noczni, IIs. czasz noczczi. — S. 59a 7 Hs. suche-
goo, am Zeilenende, a 19 Dr. w gl^by^^ Hs. wglobyrj. a 21 Dr. boyuge,
Hs. boily^ge. a2S Dr. podiige. Die Hs. hat anscheinend podkage, darüber
geschrieben ist »li«, so daß man podkalige lesen könnte. Vgl. die Ausfüh-
rungen Babiaczyks in der »Einleitung« zum Lex. S. 42f. Doch bemerke
ich, daß »ka« undeutlich ist (»ka* oder »Iv«). b 1 5 nasbawyc, am Zeilenende,
also Abbreviatur, anders Babiaczyk S. 32. b 33 Dr. sgromadzeiiy. Hs.
sgromadzony, das »o« hat dabei unten einen Strich wie sonst (i. — S. 60
a 4 Dr. Kto rowyen, Hs. kto w rowyen. Das »w« ist aber etwas ver-
blaßt, a 8 Dr. rrjk^^ sw^, Hs. Yf!>kfi sw^. a 30 Dr. brjdze, Hs. bodze.
a35 Der Gedankenstrich hinter »gego« ist durch die Hs. nicht begründet,
b 18 Dr. u. Hs. ktogdi. b26 Dr. ostrzegal, Hs. postrzegal, doch ist das »p«
verblaßt (doch keine Rasur!), der Raum ist freigelassen. >poätregac«
ist sonst, wie ich bemerken will, in der Bibel nicht belegt, b 35 ist im
Dr. der Anfang des Kapitels XVI, in der Hs, geht es in der gleichen Zeile
hinter »podlya wod« weiter: »yszly«, ohne jeden Absatz. In der Hs.
beginnt das Kapitel später (6 1 a 4), was auch Malecki in einer Anmerkung
hervorgehoben hat. — S. 61a 4. Da also hier, hinter »Egypskyey«, das
neue Kap. in der Hs. beginnt, mit roter Kapitelzahl und Absatz, ist auch
das »I« als erster Buchstabe des Kapitels rot. a 9 Dr. u. Hs. przs. a 22
Dr. u. Hs. twoge. a 25/26 Dr. u. Hs. wyeczoor (vgl. dazu S. 55a 12).
a 33 Dr. a za ytra*. Hs. ganz deutlich: azayutra. a 34 Dr. und Hs. zze.
b 14 Dr. uasyczeny b^dzeczye chlyebem. Die Hs. hat hier dittographisch
hinter br>dze;jczye noch einmal: nasyczeny. b 15 zze wie a 34. b 18 Dr.
u. Hs. ani. b 22 Dr. u. Hs. drobn^. — S. 62a 3 Dr. u. Hs. myar. a 22
Dr. u. Hs. otpoczywany. a 26 Dr. do yutra, Hs. doyuta. a 31 Dr.
gdzysz. Hs. deutlich nur »dzysz«. b 3/1 Dr. u. Hs. przykanya am
Zeilenende, b 4/5 Dr. Patrzczy, Hs.: patrz; czye. b 13 Dr. a chacz,
mit »a« ist hier wieder das gestrichene »ji« der Hs. bezeichnet, b 9
Dr. Y szwyrjczyl, Hs. Yszy^iczyl. b 14 Dr. u. Hs. sedrdz^^, ibidem Dr.
opy^icz, Hs. opyocz. b 22 Dr. sstfj^d, wozu Malecki bemerkt: »Miaio byc:
sad, ss^d, naczynie«. Die Hs. hat: ssrjrjd. b 27 Dr. u. Hs. ustawnye; ich
bemerke das wegen Mateckis: »Mialo byc: w stanie, w namiocie«. —
S. 63a 6 Dr. Moyszeszowy, Hs. Momoyszeszowy. a 9 Dr. u. Hs. prze-
czych. b 5 Dr. wst^pyly, Hs. w; stopyly, b 9 Dr. gest, Hs. gt|, Zeilen-
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 31
482 E. Hanisch,
ende. Ibid. Dr. r^cze, Hs. rocze. b 10 Dr. czy^szkye, Hs. czyoszkye.
Über dem neuen Kapitel steht mit schwarzer Tinte, also viel jünger: capi-
tülu XVIII. Außerdem, wie üblich, die Kapitelzahl (vom Schreiber selbst)
rot: XVIU. b 34 Dr. u. Hs. znych. b 3fj Dr. gestem. In derHs. »ge«,
dann Rasur eines breiteren Buchstabens, der Spur nach »y«, dann »stem«,
also ursprünglich »geystem« mit getilgtem »y«, — S. 64a2 Dr. (rzekl), die
Klammern fehlen natürlich in der Hs. a 4 Dr. u. Hs. Teda. a 1 0 Dr. u. Hs.
syny. a25 Dr. a z r^ku, Hs. azraku, d. h. hinter »a«,vor »k« einStrich,
als ob vielleicht noch etwas eingefügt werden sollte (n?). Die späterhin
(im V. Teile) sich häufig findenden Striche haben andere Bedeutung,
a 33/34 Dr. Israhelszkych , Hs. Is; | rahelszczych (das »cz^ ähnelt, wie
oft, sehr dem »tz«). a 3(3 Dr. u. Hs. gensze ktory. b 24 Dr. Ktore,
Hs. Köre, b 25 Dr. mocznich, Hs. m^icznich. b 26 Dr. a m^idrich, Hs.
amodrich. b 37/38 Dr. b^dzesz, Hs. bodzesz. — S. 65a 9 Dr. czyjysz-
kyego, Hs. czyoszkyego. a lO/l 1 Dr. u. Hs. telko. a 25 Dr. u. Hs. gest
od
uczynyl. b 4 Dr. Ipowyedzal, Hs. ipowyedzal. »od« von anderer Hand?
b2ö Dr. skot b^dze. Hs. skot bodze. h'M) Dr. u. Hs. ypo; | szyrjczyl. b31
Dr. u. Hs. sw^. — S. 66 a 15 Dr. wyrzch. In der Hs. folgt darauf ein ver-
löschter Buchstabe mit drei senkrechten Strichen, also wohl »m«, so stand
ursprünglich dort »wyrzchm«. b ISf. Dr. Nye weszmyesz gymyenya. Hs.
nyeweszmyesz nasjdarmo gymyenya, das folgende »nadarmo« (b 19) des
Druckes steht ebenfalls in der Hs. b 20 Dr. bog. Hs. boga, das »a« ist
verlöscht, doch deutlich erkennbar, b 23 Dr. u. Hs. szywy^czyl. Hinter
dem »dnyow« derselben Zeile ist in der Hs. ein Fleck, vielleicht Rasur
eines getilgten Buchstabens, b 3 5/36 Dr. u. Hs. yposzwyaczil. Ist hier
>'a« Schreibfehler für das auch in diesem Teile belegte gestrichene »a«?
Vgl. Nehrings Anmerkung im Archiv VI 249. — S. 67a 10 Dr. tr^bi,
Hs. trobi, a ;i6 Dr. s czyosanego. Hs. sczy^sane; j go. Das y>^« hat in
der Hs. nur oben den Strich, a 37 Dr. podnyoslly bi, die Hs. schreibt
hier »podnyosl ly;|bi«. a 37 Dr. u. Hs. nosz (d. i. nöz). b 5 Dr. szeszcz
lyat, was in der Hs. zusammengeschrieben ist (vgl. meine »Zusammen-
schreibung« S. 13 ff.), b i:^ Dr. u. Hs. br;du|, die folgende Zeile der
Hs. schließt »sru;;chem« (b 14). Ob in unserer Hs. ein Einfluß der fol-
genden Zeile auf die vorhergehende angenommen werden kann , bleibt
aber immerhin fraglich, es liegt hier vermutlich Czechismus vor (anders
Ogonowski im Archiv IV 249). b 18 Dr. a podwoyom, Hs. apdwo=|
woyom, also »pd* und »wowo«. b 21 Dr. dzewk(>, Hs. dzewko. b 23
Dr. odikli und dazu die Bemerkung: »Miaio byc: sluzebnice wynic (wy-
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 483
chodzic), obykly sa (zwykiy)«. Das strittige »d« ist ein aus einem ur-
sprünglichen »d« noch während des Schreibens dieses Buchstabens korri-
giertes »b«, daher etwas unförmig und dem »d« ähnlich, b 30 Dr. drug^r^,
Hs. dr^gfJ^^. — S. 68a lU Dr. kamyenyem, Hs. mit Verbesserung: ka-
myem. a 25 Dr. Paknyj^lybi, Hs. Pakny^;; j libi. b 23/24 Dr. albo ro-
botnyczfj^, Hs. albo'j^^tnycz^jj , also >ro« fehlt, das zweite >bo« darüber
verbessert; das Zeichen yy zeigt gewöhnlich an, wohin die Verbesserung
gehört. — S. 69a 5 Dr.'U. Hs. zagenego, ibidem: acztyrzy. a 25 Dr. u.
Hs. szydne. b 19 Dr. ody(^)to, Hs. odyto. — S. 70a 10 Dr. u. Hs.
przedyydzye. a 22 Dr. u. Hs. przed de=|mn(^^ (vgl. »Zusammenschrei-
bung« S. 13, Anm. 1). a 36 Dr. u. Hs. przawycz^(>. b 1 nye br^^dzyesz,
Hs. nyeboodzyesz. b 2 Dr. u. Hs. moocz. b 5 Dr. a napysz^, in der Hs.
mit Verbesserung über der Zeile: anapysz^. b 12/13 Dr. paszeny, Hs.
paszyeny. — S. 71a 3 Dr. weyd^, Hs. wiydrj. a 6 Dr. lud. In der Hs.
ist vor »lud ein »d« getilgt worden, der Raum ist geblieben, also stand
zuerst »dlud«. b 24 Dr. chlyebye, Hs. chlebye. b 29 Dr. koszly^czyaa,
Hs. koszlyoczyaa I , also Zeilenschluß. — S. 72 a 10 Dr. tesz, Hs. teesz
(vgl. 74b 7). a 20 Dr. rogate, Hs. rogatee. a 23 Dr. sgromadzyw wszitk^,
Hs. 8gro;|madzyw ^'szitk^. a27 Dr. czynycz, in der Hs. czynycz czynycz,
also Dittographie. b 9 Dr. u. Hs. przechodney. Malecki: ;>Mia3:o byc :
przechctnej, przyjemnej«, o = ^, wie oft. b 13 Dr. aczsokoly, Hs. nur
czsokoly, b 20 Dr. u. Hs. ys^dy, dahinter in der Hs. die Spuren eines
»m«. b 22/23 Dr. u. Hs. solyeem. b 23/24 Dr. kadzydlnych, das »ch«
steht auf Rasur einer Buchstabengruppe, von der hinter dem »ch« noch
ein »ow< erkennbar ist. Dieses »ow« ist nicht überschrieben worden,
erst dahinter steht »rzeczy«. b 25 hinter »kadzydlnee« Zeilenschluß.
b 36 Dr. kszy^sztwa, Hs. kszyosztwa. — S. 73a 1 1 Dr. u. Hs. wil^czono.
a 32 Dr. mrjszowye, Hs. moszowye. b 2 Dr. u. Hs. »Besele;|ela, vgl.
b 20: Beseeleel. b 5/6 Dr. ku czynyenyu potrzebi. Hs. mit Verschrei-
e
bung: Kuvczyenyenyv, also das erste »e« durchPunkte getilgt, das zweite
ist in der Hs. sehr undeutlich, daher darüber ein deutliches »e« verbes-
sert, außerdem hier das Compositum »uczynic«. Das: »potrze« von »bi«
durch Loch im Papier (solche Papierfehler häufiger) getrennt, b 20 Dr.
Oliab, Hs. Ooliab. b 22 Dr. u. Hs. modroszcz. Ebenda Dr. y rozum,
Hs. yrozvvm. — S. 74 a 7 Dr. wszitczy, Hs. wszistczy. a 1 1 Dr. ypo-
stawczu, Hs. yspostawczu. Es ist dann a 28 — b 7 im Dr. eingeklam-
mert, was natürlich der handschriftlichen Begründung entbehrt. Vgl.
31*
484 E. Haniscb,
dazu Babiaczyk in der »Einleitung« zum Lexik. S. 30. a 34/35 Dr. py^cz
sstawy(>, Hs. mit Korrektur: py^cz ^stawyrj. b 15 Dr.b^idzye, Hs. bodzye.
b 21 Dr. u. Hs. podednr^. b 22 Dr. u. Hs. sobuu. b 23 Dr. w^^gloow, Hs.
wogloow. b 27/28 Dr. u. Hs. szrzebrnimy. — ^ S. 75 a 3 Dr. gdzerszenyu,
Hs. ebenso: gdzerszenyu, »g« also Sandhiform! a 13 Dr. u. Hs. agr^igy
(vgl. oben S. 74a 25). a 16/17 Die Einklammerung natürlicb nicht in
der Hs. a 22 Dr. s drzewya, Hs. sdzrzewya. b 4 Dr. u. Hs. nanya
czoron^. b 12/13 Dr. modlitewnycz(y(^ [s] szlota, Hs. mod^^itewnycz^j:;
szlota, beide Worte sind dicht aneinander geschrieben, »1« darüber ver-
bessert, »tew« auf der Rasur eines vorherigen »tzew« oder »czew«. b 19
Dr. u.Hs. drugyey : vorher und in der Hs. etwas rechts darüber »gedney«
außerdem beginnt in der Hs. die nächste Zeile mit »drugyey«. b 21 Dr.
sczy^gn^wssy, Hs. sczy^^gnowssy. b 26 Dr. u. Hs. iob;|loszyl, dahinter
ist ein »3^«, vielleicht »gy«, getilgt; es folgt dann »gy« (b 27). b 27 Dr.
u. Hs. zlotetem. Eine Verschreibung wie das »bratotom« des neuen
Ezdrasfragmentes. b 29 obrobye, Hs. deutlich: obr^bye. b 29/30 Dr.
rozmagycze, Hs. rozmagyczye. b 30 ist in der Hs. zusammengeschrieben:
cztyrpalczow, vgl. »Zusammenschreibung« S. 13 ff. — S. 76a 3 Dr.
czystego w ktorich. Hs. czystego ^'ktorich. a 4 hat das rj in »plin^czee«
(am Zeilenschluß) nur oben den Strich, a 5 Dr. klepani, Hs. sklepani, das
»s« ist getilgt, da es wohl Schreibfehler (es folgt dann »s«) war. a 7 Dr.
kr^szky, Hs. kroszky. a 9 Dr. u. Hs. naobu, das »u« scheint aus einem
»a« verbessert, a lO/l l Dr. u. Hs. czyaszky, in der Hs. folgt darauf ein
getilgter Buchstabe, etwa »i«. a 12 Dr. a kr^szczowye*, Hs. akrosz-
czowye, vgl. Z. 7, aber a 14/15 akrjjszczy. a 18 Dr. dr^jgu, Hs. drogu.
a 19 Dr. y krriszky, Hs. ykroszky, vgl. Z. 12, ebenso a20 Hs. ykroszky,
Dr. wieder: y kr^iszky. a 24 Dr. u. Hs. kr^iszcze. a 34 Dr. loktu, Hs.
lotktu. b 4 Dr. s drzewya, Hs. szdrzewya (vgl. dazu S. 75a 22). b 11
Dr. w^glow, Hs. woglow. b 21 Dr. u. Hs. przestelesz, ebenda: Dr. »dzer-
szadl wyrzchow, ku przewleczyenj-u«. Hs. »dzerszadlA kuprzewleczye-
nyu« und, da diese Worte die letzteZeile der linken Spalte bilden, ist das
ausgelassene »Awyrzchow« darunter (mit Zugehörigkeitszeichen), also auf
dem unteren Rande, nachgetragen. — S. 77a 4 in der Hs. vor »ypod-
stawky« ein nicht mehr erkennbarer, getilgter Buchstabe, a 12 in der
Hs. hinter »wschodv« ein getilgter Buchstabe, etwa »r«. a 31 Dr.
dwadzyeszczya, Hs. dwadzeszczya. b 4 Dr. szwyadzecztwa, Hs. szwyad-
zeczstwa. b 6 Dr. u. Hs. sluk. b 13 in der Hs. hinter »bil« ein getilgtes
»s«. b 27 Hs. aod py^czy sed aopy^czy. b 28 Hs. »vbranczow« (»w«
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 485
nicht deutlich) dann 2 getilgte Buchstaben, etwa: »mu«. b 32 Dr. u.
Hs. vdzyalo.
IV. Teil. Vierter Schreiber: S. 78 — 83 der Ausgabe.
S. 78a 13 Dr. puszczono, Ha. pusczono. a 18 Dr. gest, Hs. gt ,
also Abbreviatur am Zeilenende, a 22 Dr. yego, Hs. yogo. b 5 Dr. u.
Hs. yzezze. b 7 Dr. gemu, Hs. ge'', Abbreviatur in der Zeilenmitte.
Dieser Schreiber kürzt übrigens bei weitem häufiger ab und in allen Stel-
lungen als der vorige, b 1 1 Dr. u. Hs. geszto. b 16 Dr. u. Hs. gyne. b 20
Dr. a. Hs. ezlowyeczey, — S.79a 26 Dr. gemu, Hs. ge', Zeilenmitte, b I
Dr. u. Hs. recz. b 2 Dr. mowyl, Hs. molwyl. b5 Dr. u. Hs. sze. b 5/6 po-
swy^iczono, das »o« am Ende fast wie »a«. b9 Dr. gensze, Hs. ge;|sze, am
Zeilenende, b 15 Dr. gemu, Hs. ge^: Zeilenmitte, b 18 Dr. zabronyono, Hs.
za5|konem, das »konem« ist durchgestrichen (Nachklang des »zakonem«
b 17) und dahinter folgt dann »bronyouo«. b 23 Dr. gest, Hs. gt'; b 24
Dr. a brjdze. Hs. ursprünglich: ap^dze, dann ist aus dem »p« ein »b« ver-
bessert worden, so daß es also heißen soll »abrjdze«. In derselben Zeile Dr.
gemu, Hs. ge^'. Das dann in der Ausgabe beginnende Kapitel VI ist, wie
Malecki richtig bemerkt, in der Hs. nicht bezeichnet, vielmehr folgt auf
»wboga« unmittelbar »ymowyl«. — S. 80a I trennt die Hs. od przy-
syokl. a 5 Dr. u. Hs. przs (vgl. S. 61 a 9). all Dr. Gensze, Hs. ge=jsze.
a 17 ist zwischen »kaszdemv« und »bfjdzye« eine Verzierung, dann folgt
dieKapitelzahlinRot. Hier erst ist nämlich, wieMaiecki richtig angemerkt
hat, in der Hs. der neue Kapitelanfang. Darauf kommt »Tocz« (mit rot-
gemaltem »T«, wie üblich), a 19/20 Dr. Br^^dzyeli za dz^kowanye obyata
li zadz0 albo oft'yara
albo offyara. Hs. mit Korrektur: Bry^dzye kowa=[nye obyata. a 22 23
Dr. n. Hs. aprzaznky. a 27 Hs. Sktory | chsze to. Das »S« hat in der
Hs. die Form etwa eines »C«. b 6/7 Dr. oflfyeruyjiczemu , Hs. ofiyer-
uyoczemv. b 17 Dr. dodkla, Hs. dotkla. b. 20 Dr. zgynye, so auch
Hs., doch ist das »z« auffallend klein geschrieben und wohl also vom
Schreiber nachträglich eingeflickt, b 22 Dr. u. Hs. Moy. b 28 Dr.
Gestlyl kto. In der Hs. folgte ursprünglich noch ein (radiertes) »ych«,
b 33 Dr. s dobitka, Hs. stobitka. — S. 81 a 2 Dr. u. Hs. goray^czrj.
a 5 Dr. u. Hs. wsda. a 6 Dr. u. Hs. rzeczy tuk naoltarzu, Avobei
ich bemerken muß, daß >tuk« in der Hs. zunächst ausgelassen und
erst am Rande nachgetragen ist. a 22 Dr. gemu, Hs. in Zeilenmitte
Abbreviatur: ge'. a 24 Dr. israhelskym, Hs. am Zeilenschluß: is-
rahelsky. a 28 Dr. y za poszwj'^czone, Hs. yzaprjszsjwy^czone. a 31
486 E. Hanisch,
Dr. Israhelskym, Hs. am Zeilenschluß (wie a 24): israhelsky. b 19 Dr.
u. Hs. cz(^lu. b 24/25 Dr. u. Hs. oltarze. b 27 Dr. poszwy^tczy, Hs.
poszwyr>czy. b 36 Dr. u. Hs. ge. — S. 82a 1 Dr. u. Hs. oltarowych.
a .3 Dr. fundamentom, Hs. fü; | damentom . Abbreviatur am Zeilenschluß,
a 14 Dr. gego, Hs. ge'\ Zeilenschluß, a 18 Dr. przeto, Hs. pzeto. a 20
Dr. gemu, Hs. ge", Zeilenmitte, a 21 Dr. Kszy^vszkye, Hs. Kszyoszkye.
a 26 Dr. gego, Hs. ge°, Zeilenschluß, a 29 Dr. dotknf^jil, Hs. dotknjil.
b 2 Dr. olegem \ placzky. Hs. olegem yple yplacz?|ky. Das »yple« ist
in der Hs. durchgestrichen; in der Hs. folgt zwei Zeilen später (= b 3)
aber ein: »aplece«. b 9 Dr. w wony^v^, Hs. wvonyrj^. h 13 Dr. gemu,
Hs. in Zeilenmitte: ge"", dasselbe: b 22. — S. 83a 2/3 Dr. y w^^czszich,
Hs. ywyr^czszich. a 7 Dr. A synom, Hs. Asymom, vgl. auch hier (u. a 2)
das der Ausgabe beigegebene Faksimile des Abschnittes, a 8 Dr. u. Hs.
moy. a 13/14 Dr. u. Hs. olegez, am Zeilenende. Ich habe das bereits in
meiner »Zusammenschreibung usw.« S. 3 als Einfluß von darüber und
darunter stehenden »z« der Hs. erklärt, nämlich: wszsjech (a 13), bocz |
(a 14), wasz | (a 15).
IV. Teil. Fünfter Schreiber: S. 83 — 171 der Ausgabe.
S. 83a 26 Dr. u. Hs. ktores. b 1 Dr. u. Hs. viopczowan. b 4 Hs.
zlvdv. b 5 Hs. Zeilentrennung in: zypSjOcz. b 7 In der Hs, vor »closzic
durchgestrichenes »gl«, b 16 Dr. u. Hs. ymyeny^. b 17 Hs. hatte ur-
sprünglich »twemv«, aus dem »t« ist dann ein »s« verbessert worden,
1
also: »swemv«. b 26/27 Hs. obicza. b 29 In »rzeptayrjczy« steht das
>y« auf Rasur, das »y« selbst von einer späteren Hand verbessert. Auf
»rzeptay^czy« folgt die Rasur eines ehemaligen »m«, dann >olvdzech«. —
S. 84a 5 Zeilenschluß in: dobitcz^i; | rjnt. Es folgt darauf in der Hs.
Ipo^^l ^ dann »pola«. Also die Verschreibung durch Einklammern korri-
giert, a 9 Dr. u. Hs. zzonya. a 10 Dr. u. Hs. slachcz^nka. all Dr. u.
e
Hs. nyeviplaczono. a 14 Hs. nybila. a 26 Dr. u. Hs. poswyaczony bo-
do slawney. a 34 Dr. nye b^dzecze, Hs. nyebodzecze. b 2 Dr. u. Hs.
ostrzegacze. b 9 Dr. u. Hs. aboysza. b 15 Dr. iako. Das >i« sieht ganz
wie »t« aus. b 16 Dr. bila, Hs. bili. b IS Dr. u. Hs. zadnye. b 22 Dr.
u. Hs. myak^. b 27 Dr. mowil, Hs. movil. b 33 Dr. u. Hs. vkamy^invge
ge. — S. 85 a 2 Dr. u. Hs. apoganili. a 3 Hs. lest'' omyeskal. a 7 Hs.
e
trennt: a ny. all Hs. nyciscili. a 27 u. b 9 Dr. u. Hs. swy^. b 12
Dr. u. Hs. nyeslvsny^j, ebenso: b 26 wyvya, b 33 gey, b 34 zemy^, b 35
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 487
yprzebiwyay^czi. — S. 86 a 11 Dr. A b^idzecze Hs. Abodzecze. a 13
Die Hs. trennt »abis cze«, vgl. »Zusammenschreibung« S. 19. a 14 Dr.
u.Hs. zono. a 21 In Hs. Zeilenschluß: gi= im. Weiterhin sind zusammen-
geschrieben »Niepokalasyebye«. Vgl. »Zusammenschreibung« S. 11 ff.
a 2(V27 Dr. u. Hs. dzewyoyrj. a .35 Dr. u. Hs. Zle. a 36 Dr. u. Hs.
zzazon^. b 12 Dr. sr^, Hs. so. b 26 Dr. bo, Hs. Abo. — S. 87a. Die
Kapitelüberschrift »XX secundum« steht so in der Hs. und ist rot ge-
schrieben, a 30 Dr. u. Hs. dotkney. b 14 Dr. u. Hs. cvpy. b 20/21
dzeczy
Hs. przes nawroczisy^. b 30/31 Dr. u. Hs. nyeczirpele. b 31; 32 In Hs.
hier beachtenswert Zusammenschreibung bzw. Trennung: »gdisz biswy^-
czone«!). — S.88a 101 1 In der Hs. zwischen »offyervi^cz« und »tako« ein
durchgestrichenes »k«. a 12 Dr.u. Hs. offyer^j. a 15 Das »a« in »ranyone«
st ein durchstri ebenes >a«, was sonst in diesem Teile garnicht weiter be-
legt ist, also »ränyone«. al7 u. 34 wie oben S. 85 a7: a ny. a 19 Dr. u.Hs.
odettn^^cz. a21 Dr. u. Hs.Wszelki. b3 Dr. brjdzecze, Hs. bodzecze. b 10
Dr. u. Hs. zzeme Egipskye. b 17 Die Hs. trennt: od poczinyenye. b 20
Dr. u. Hs. sobbota. — S. 89a 10 In der Hs. steht »sy^« auf der Rasur
eines ursprünglichen »sw«. (Es folgt: swy^ici.) ar2Dr.u. Hs. ynaszszg(>cze.
a 17/ IS schreibt Hs. u. Dr. :f quaszonego« (vgl. a 31). a 24 trennt die Hs. :
wnyem zescze. a 33 Dr. Abjjdzecze, Hs. Abodzecze. b 1 Dr. u. Hs.
przechatney. b 18 Dr. Myeszy^cza. Das »a« bedeutet hier also wieder
das durchstrichene »a«, das hier etwas gerundeter (dem »o« ähnlicher)
ist (vgl. S. S8a 15). b 21 Dr. u. Hs. Wszelkyeka. b 23 trennt die Hs.
brjdze cze. — S. 90a 13 Dr. nye bodzecze, Hs. nyebodzecze. a 17 Dr.
u. Hs. szbor. a 28/29 trennt die Hs. wieder (vgl. S. 89b 23): sgromadzi
cze. a 29 Dr. u. Hs. w;|sztki. b 1 Dr. Y bfidzecze, Hs. ybodzecze,
ebenso b 5 Hs. abodzecze^ nicht: bodzecze. b 13 In der Hs. steht hinter
der Kapitelzahl XXIHI noch » ca'" « (rot, Abbreviatur), b 1 7 Dr. y stwya-
tli*, Hs.yswyatli. Ibid. Dr. swyczenyu, Hs. swyeczenyv. — S.91a 35 Dr.
u. Hs. zaab za za^/b | (also erst hinter »za^b* Zeilenschluß, a 37 Dr.
cirpyecz, Hs. cirzpyecz. b 9 Dr. u. Hs. sys|novi. b 14 Dr. u. Hs. arzei|
czecz. b 16 Dr. u. Hs. Secz lat. (vgl. auch b 17). b 21 Dr. u. Hs. bo-
zeey. b 24 Dr. iako; in der Hs. ist das »i« so dem »t« ähnlich, daß
man auch »tako« lesen könnte, b 25 Dr. u. Hs. nyebodzesz. — S. 92a
1) Beispiele fälschlicher Zusammenschreibung habe ich in »Zusammen-
schreibung von Wörtern in älteren polnischen und czechischen Handschriften«
S. 19 f. gegeben. Dieser Fall bildet etwas ähnliches wie ; Kdey, nyczegoy ;d. h.
wie das falsch verbundene i, a) vgl. ibid. S. 21.
488 E- Hanisch,
14 Dr. oswyrjczeney* milosciwego lata; Hs. oswy^czoney; ' go milosciwego
lata. Im folgenden, a 15, lautet der Text: wzrjte snyecze, die Vnlgata
liest heute (Levit. XXV 12) : oblata comedetis. Babiaczyk hebt (im Lex.
s. V. wziac) das durch »sie« hervor und schreibt: »oblata, nicht ablata«.
Ich verweise demgegenüber darauf, daß eine Variante »ablata« sehr wohl
erbalten ist (vgl. z. B. die Polyglottenbibel v. Stier u. Theile 1. c). a IS
u. 20 Dr. copysz*, Hs. cvpysz. b 9 Dr. u. Hs. zemyrj. b 12/13 Dr. u.
Hs. podsmowy^. b 17 trennt die Hs. aiest libi. b 30 Dr. u. Hs. ied;jno
lata, b 35 trennt die Hs. iest libibil, vgl b 17 und b 37 : nyebil libi. —
S. 93a 5: iest libi in der Hs., ebenso: viploczonj", nicht wie Dr.: vi-
placzony, dagegen dann in der Hs. wie im Dr. a 4 ein »viplaczeny«.
a 9 trennt die Hs. »przed myescza« (vgl. »Zusammenschreibung« S. 19 f.);
in a 13 sieht das »iako« einem »tako« ganz ähnlich (wie schon
S. 91b 24). a 32 Dr. u. Hs. ayasme. a 35 Dr. obj^czagem, in der Hs.
ursprünglich »obyaczagem«, das erste »a« ist getilgt, doch der Raum ge-
blieben, b 7 Hs. mit Korrektur: pawem. b S Dr. badjjczim*. Hier ist
in der Hs. kein durchstrichenes »h«, sondern deutlich »(j«, also »b(^d(y-
czim«. Dagegen ist bl2 Dr. przichodnyowa auch in der Hs. anschei-
nend »a«^ doch undeutlich (fast »^«). — S. 94a 2 Dr. u. Ha. kamyen;
go. a 15 Dr. a przes strachu, Hs. aprzestrachv. a 32 Zeilenschluß anzu-
merken in »c;;hodzicz«. b S/9 Hs. akvwsrvszen;|yoyv, das »yo« ist in
der Hs. aber durchgestrichen, b 36 Dr. u. Hs. checz. — S. 95a 26 Dr.
przechatney, so auch Hs., d. h. a =^ a- ^ -^^ ^^'- ^ Hs. zeray^. b 7 Dr. A
padny*, Hs. deutlich: apadnye. b 10 Hs. p;|rzecz^,wicz. b 29 Dr. cir-
py^^cz, Hs. deutlich: cirzpy^^cz. — S. 93a 11 (Dr. u.) Hs. dvsza. —
S. 97a 5 Hs. ydomych. b 19 Dr. u. Hs. Monaszowich. — S. 98a 12
Hs. Neptalmowich. a 14 Hs. odedwvdzestvv laat. a 34 Hs. swadzecz-
stwa. b 2/3 Dr. u. Hs. stany. b 14/15 Dr. Aaronovi, Hs. Aaaronovi,
das erste »a« = »et«, vgl. Num. II 1 : ad Moysen et Aaron. b 22/23
Dr. u. Hs. awszitk^ liczbrj. b 23 Hs. spokolena. — S. 99a 17 hat die
Hs. apy^czdzesy^s [ ^nt. b 17 Dr. Fegiel, Hs. Feziel (Vulg. Phegiel). —
S. 100 a. Der Druck hat als Kapitelüberschrift nur »III.«, in der Hs.
»ca"; III. <; a3 Dr. ocz, Hs. tocz. aS schreibt die Hs. ayTamar. a i 3 Dr.
a Abyu, Hs. Aabyu, das »A« = »et« (vgl. S. 9S b 14/15). b 3 (Dr. u.)
Hs. wyesraelv. b 3/4 Dr. od czlowyeka, Hs. oczlowyeka. b 13 Dr. a
Merary, Hs. Ameray. b 34 Dr. Kaatiskich, Hs. kaatitskich. — S. 101
e
a 1 Dr. osm tisy^czow, Hs. osmtisyoczow. a 6 Hs. yswyczidlnikow. a 9
Die Sürosp. altpoln. Bibelhandsclir. u. die Lemberger Ausgabe. 489
trennt die Hs. Ale pak. a 1 5/1 6 Dr. myesy^cza, Hs. myesyocza. a 1 7/ IS
Dr. Suriel, syn Abiabyelow. Die Vulg. liest (Num. IV 35): »Suriel filius
Abihaiel«, auch die IIs. ; »Svrielisyn Abiabyelow«. a 29 Dr. przist^pilby,
Hs. przistopilby. b 9 Dr. od myesy^'cza, Hs. odmyesyocza. b 1 1 schreibt
dieHs. . ysedmdzesyr;;^t. b 17 Dr. dwyma Stoma, Hs. dwy;jmastoma,
also >e« noch darüber verbessert, b 1 9 Dr. u. Hs. zpirwodzonich. — S. 102
a6 Dr. u. Hs. kaatskich. a S Dr. gdisz, Hs. gdisjisz. a 10 Dr. wynyem.
In Hs. ist das erste »y« undeutlich, b 1 Dr. czyli, Hs. czili. b 9 steht
»wes« von »wesli« auf einer Rasur, b 10 Dr. Rohob, Hs. Kohob, doch
unklar, obRoderK. b36Dr. bidliczele, Hs. »blidliczele«. — S.103a22 ist
die Kapitelüberschrift nicht, wie in der Ausgabe, nur »XIIII« sondern
»Xllllca™«, natürlich, wie immer, rot. a30 gibt Dr. : w^y(e)dzeni, dieHs.
zeigt das »e« aber ganz deutlich, also: w;|yedzeni. b 5 Dr. ktorassto bila.
Hs. deutlich: ktorasstabila b2! Dr. u.Hs. wszitczisynowilsraelsci. b33
Dr. obliczim, Hs. deutlich: abliczim. DerVulgatatext (Num. XIV l^): »et
facie videaris ad faciem« lehrt, daß hier »abliczim« = »a obliczim« ist, vgl.
»an« = »aon« oder »akonce« Sa IS, was ich >Zusammenschreibung«
S. 22 behandelt habe. Gerade darunter steht übrigens in der Hs. (= b 34)
»aoblok«, also unkontrahiert. b 35 Dr. u. Hs. a | wslpye. b 3G Dr. u.
Hs. wyednye. b 38 Dr. wyelkoscz, Hs. wyelskoscz. — S. 104a 12 Dr.
u. Hs. wyelik^go. a 13 Dr. wichadzay^czich, Hs. wichadzayoczich. a 15
beginnt in der Hs. das Blatt GO, welches oben (in Rot) die Überschrift
»XIIII Numeros« tnägt, also mit der Kapitelzahl, die sonst bei den Seiten-
überschriften fehlt. Übrigens hatte Blatt 56 (-— S. 97 der Ausgabe) ge-
rade keine Seitenüberschrift, die doch sonst meist geschrieben wird. Die
Ausgabe hatte, daS. 97 der erhaltene Test von Mos. IV beginnt, »Numeri«,
das also vom Herausgeber zugefügt wurde, a 17 Dr. u. Hs. zemyrv. a 3G
Dr. u. Hs. wyellikoscz. b I schreibt die Hs. zusammen: ayaslisal. b 13
Dr. Ale robota wasz. In der Hs. heißt es unzweifelhaft: »Ale robota
wasza«, das »a« von »wasza« ist verblaßt, aber noch ganz deutlich er-
kennbar. Eine viel spätere Hand hat das dem Polnischen fremde »ro-
bata« glossiert durch ein merkwürdiges »dzatiky«. Ich habe darüber in
»Zur Geschichte der Särospataker altpolnischen Bibelhandschrift« S. 13
gehandelt. Verschreibung ;so faßt es Herr Prof. Brückner nach brieflicher
Mitteilung auf) scheint mir wegen der sorgfältigen Schrift nicht recht an-
nehmbar, auch würden mir Schreibungen wie »dziatiky« oder »dzatyky«
eher als Schreibfehler erklärlich erscheinen. Da die Schriftzeichen dem
XVII. Jahrh. angehören, habe ich 1. c. vermutet, daß Comenius der ür-
490 E. Hanisch,
heber ist. b 30 Dr. wislal, Hs. wisal. — S. 105 a 2 Dr. wszitki slowa,
Hs. wszitka slowa. a 1 3 möchte ich die handschriftliche Schreibung er-
wähnen in: »a Malechitezi«. a 13 Dr. Cananisci, Hs. Canaansci. a 14
'Dr. u.) Hs. ogich zeto. a 20 Dr. Iszedl, Hs. isczedl. a 2G Hs. Zu-
sammenschreibung bei »ktorisya« (vgl. »Zusammenschreibung« S. 12).
a 2 7 Dr. w obyat^, Hs. : » wbyat^ « . b 1 3 Dr. trzi dzesy^tki, Hs. trzidze-
syotki. b 19/20 Dr. przichodz^jczi, Hs. p;|rzichodzoczi. b 20 Dr. u. Hs.
vrzvdem. b 27 Dr. br^dzecze gescz, Hs. bodzecze gestz. b 35 Dr. od tego
dnya, Hs. otego dnya (vgl. »Zusammenschreibung« S. 13). — S. 106a 1 1
y
Dr. y odpusczono, Hs. yodpvsczono. a 14 Hs. medzi. a 25 Dr. uciny^^
nyeczo, Hs. vciny^j nyecz^| (auf der neuen Zeile noch: sgrzesz^!). b 5 Dr.
viwyodr;!, Hs. viwyodo. b 22 Dr. Datan, Hs. Datana. b 27 Wie in der
Ausgabe richtig bemerkt ist, ist hinter »vroslich« das Ende der Zeile
freigeblieben, b 32 Dr. u. Hs. swyatich. — S. 107a 5 Dr. u. Hs. przi-
blize. a7 Dr. richtig: ka dzidlnicza, d. h. »a«= »a.« der Hs. a 9 ist in
der Hs. »przed« geschrieben, d. h. das »z« hinter »r« ist durchgestrichen,
dann aber ein »z« darüber geschrieben, a 21 Dr. sobyli. Das »1« ist in
der Hs. aus einem »e« verbessert, a 22 Dr. okr^zek, Hs. okrozek. a 27
Dr. Ktorzis, Hs. ktorzisz. a 30 Dr. na pusci, Hs. napvsci, wobei das >n<;
am Anfang aus ursprünglichem »p« verbessert ist (vgl. den Anlaut der
folgenden Silbe!), b 6/7 Dr. y Aaron, Hs. Ya Aaron (Vulg. Num.
XVI 16: et Aaron), vgl. dazu die S.OSb 14/15 erwähnte Schreibung, b 7
Dr. u. Hs, kadzidlnicza. b38 Dr. wzwyecze; in der Hs. ist das zweite »w«
verbessert, anscheinend aus »d«. — S. 108 a 4/5 Dr. a nawyedzili, Hs.
anawyedzli. aS Dr. otworzricz, Hs. otworzocz. al 1 Dr. urf:>gali, Hs.vrogali.
a 13 Dr. rosstr^pywszi sy^j zemy;^*, Hs. rosstopywszisy^ zemyr^. a 13/14
ist in der Hs. zusammengeschrieben: podnogami; | gych (vgl. »Zusammen-
schreibung« S. 1 ! f.). a 16 Dr. u. Hs. dopyekal. a 17/1 S Dr. y sgyny(>*
s posrzotka. Ha. ysgyny^y sposrzo; | tko. a 19/20 Dr. u. Hs. odwolasjny^.
a 22 Dr. dwy* secze, Hs. deutlich: dwye secze. a 25 Dr. Eleazarovi,
Hs. Eli; j azarovi, aber a 35 Dr. richtig: »Eleazar«, wie die Hs. a 30/31
Dr. przybil, Hs. przibil. a 35 Dr. u. Hs. sebrar Eleazar, also Einfluß des
folgenden Wortausganges (Eleazar). b 4 ist das »k« von »kv« nicht ganz
ausgeschrieben und daher einem »f« ähnlich (vgl. das folgende »oflfyero-
wanyv«). b 10/11 Dr. y przecziwko Aaronovi, Hs. yprzecziwko a Aaro-
no vi (vgl. S. lU7b 6/7). b 16 Dr. a zyawi sy^, Hs. aza | wisy^. —
S. 109a 4 Dr. od wszitkich kxy^zoth, Hs. odwszitkich kxy^^z^th. all
Dr. gdze, Hs. kgdze, a 22 Dr. u, Hs. rosquetlsy^. a 23 Dr. zyawyjicz
Die Sarosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 491
sy^, Hs. zyawyoczsy^i, doch ist »o« nicht deutlich, b 17/18 Dr. ku srjdovi
swyatnemu, Hs. kv ] sj^dom swyatnemu (vgl. Num. XVIII 3 : ad vasa Sanc-
tuarii, aber griech. Text: 7i:Qüg zlc axei'n^ rlc (r/ia). bl9 Dr. przist^^pali,
Hs. przistopali. — S. 110a 2 Dr. u. Hs. poswyaczvyv. a 28 ist »wszel«
le
in »wszelkego« aus »wczel« verbessert. — b 3 Hs. przegesz. b S Dr. y
plecze, Hs. y placze, doch »a« nicht deutlich, b IG Dr. b(>dzecze, Hs.
bodzecze. bnHs. »ydzedzczstw«. b27Dr. b^dze, Hs. bodze. b2SDr.kro-
mye, Hs. kromie. b 36 Dr. u. Hs. czascz. — S. lila 6 Dr. u, Hs. odl^^czcze.
e
a 1 0 Hs. iakobiscz. b 7 Dr. u. Hs. ypospye. b 23 Zeilentrennung in der Hs. :
bi;|icz. — S. 112 a O/l 0 Dr. sperze rucho (Hs. rvcho) swe, pomige sy^. In
derHs. steht, ganz deutlich, nicht »pomige«, sondern »yomige«. Mithin ist
das Wort »pomyc sie«, da es der einzige Beleg beiBabiaczyk ist, zu streichen
und das häufiger in unserem Text vorkommende »omyc« anzusetzen. Für
die ganze Stelle ist natürlich die heutige Vulgata, die Babiaczyk s. v. sprac
vergleicht, nicht brauchbar (Vulg. Num. XIX 19: »lavabit et se et vesti-
menta sua«), vielmehr schloß sich die lateinische Vorlage des slavischen
Textes recht eng an die Septuagintalesart an: tcXvveI ra //.lärra aurov
■/Ml lovaerai udari, d. h. also : wir haben hier eine Itala- Lesart vor-
liegend, a 21 ist das »s« in »czsokoli« aus einem »c« verbessert, a 32
Dr. napvsczo, Hs. napvscz^i. b 23 Dr. u. Hs. rzeczi. b 24 Dr. u. Hs. Zali
skali. — S. 113a 5 Hs. oczy. a 1 1 Dr. u. Hs. Atoczsmi. a21 Dr. Byado*,
Hs. deutlich: byada. a 26 Dr. u. Hs. dodobibon. b 7 Dr. u. Hs. az*. Das
erste diakritische Zeichen, was Malecki auch anmerkt, doch ist die Ver-
sicherung ibid.: »Dajemy je (spoJgloski kreskowane) wiernie, gdzie sa
w kodexie« nicht zutreffend, b 13 Dr. u. Hs. bi. b 14 ist vor »ze« ein
gelb ausgemaltes »E«, also »eze«. Dieses »E« ist nicht getilgt, b 24
Dr. u. Hs. Amoiiskich, also mit Strich über dem »n«. b 33 Hs. anako-
gosz: das erste »a« ist aber durchgestrichen. — S. 114a 2 Dr. u. Hs.
ywy(^scszy. a6 Dr. u. Hs. Ostancze. a24 Dr. u. Hs. twore. a3l Hs. chesz,
wobei das »s* aus einem »c« verbessert ist. a 37 Dr. abich, Hs. zabich.
b4 Dr. zowo czj^, Hs. deutlich: zow^czrj. Dann Dr. u. Hs. wstan. b6 Dr.
ucyn, Hs. vciin (ii nicht deutlich), b 12 Dr. oblicza, Hs. oslicza. b 14 Dr.
ktor^jszto, Hs. ktoroszto. b 35 Dr. u. Hs. sädzacz. Dann trennt die Hs.
obi;|kl esz, vgl. »Zusammenschreibung« S.20. — S, 115a 8 Dr. u. Hs.
wyaczey,trzeczey. Das »a« ist wieder gleich »a« derHs. blO/11 schreibt
die Hs. zalisjsnad podka. b 20/21 Dr. kxyj^z^ta, Hs. kxy^izota. b 24 Dr.
rzecze, Hs. rzeczi. b 35 Dr. u. Hs. smyercza. — S. 116a 1 Dr. u. Hs.
492 E. Hanisch,
skonczrjna. a 23 Dr. u, Hs. swe. Ibid. ykxy^zota. a 30/31 (Dr. u.) Hs.
nyevciny^. Das »^« sieht durch Hineinkorrigieren nicht so wie sonst aus.
a 34 Dr. u. Hs. pog;|anska. a 35 Dr. u. Hs. vidzan, pogansky. b 2 Dr.
u. Hs. krolewsgeko. b 2 1/22 Dr. u. Hs. vdzalal. b 25/26 Dr. u. Hs. ywklad.
b 34 Dr. u. Hs. nan. b 35 Dr. prziyrjw, Hs. prziyow. — S. 117a 4 Dr.
r
u. Hs. widzen^. a 1 1 Hs. cedowj^e. a 13 »iego« sieht fast wie »tego« aus,
ibid. Dr. »wod«, in der Hs. :»wos{d«, dahinter Rasur eines breiten oder
zweier schmaler Buchstaben (etwa »u« oder »ie«). bSDr.l'udu, d.i. Hs.l'vdv.
b 6 Dr. u. Hs. po; j slednyego czasv. b 7 in der Hs. »swe'«, was in der Aus-
gabe nicht notiert ist. b 12 Dr. widzenya. In der Hs. ist das Zeichen zwi-
schen »z« und »e«,aIso: widzenya, ibid. trennt die Hs. »wszech mog^czes |
go«, der Schluß der folgenden Zeile (=b 13) ist in: »odtworz;i;|ne«. bl5
Dr. z lakoba, Hs. Zaiakoba. b IS Hs. ydvmea, »e« undeutlich, b 25 Dr.
pogansky, Hs. po=|gan'sky, also zwischen »n< und »s« ! b 36 Dr. u. Hs.
Assirzkey. b 37 naposlad: das »d« am Ende ist ein korrigierter Buch-
stabe. — S. 118 a 4 Dr. u. Hs. czäsv. a9 Dr. rosgnyewam, Hs. anscheinend
rozgnyewaw. a2lHs.: przeddedrzwyami (vgl. zum »dd« S. 1 3 Anm. l
meiner »Zusammenschreibung«), a 24 Dr. wylikosci, Hs. deutlich: wyeli-
kosci. a26 Dr. do domu, Hs. deutlich: dodomo (nicht etwa: -mv). a27
Hs. yprzekool. b4 Dr. u. Hs. vmowrj kaplan | stwa. b20 Dr. u.Hs. söstra
swa, d. h. a = a. b 23 Dr. przelana, Hs. prelana. — S.119a 8 Dr. tysy-
(iczow, Hs. tysyoczow. a 22/23 Dr. czeladz, Hs. fehlerhaft: czla | dz. a33
Dr. od nyegos, Hs. odnyegosz, doch in den folgenden vier Zeilen nur: -gos,
dann: b 12 Dr. od nyegosto, Hs. o;!nyegos to, also »d« vergessen in der
Hs., wie auch a 31. b 32 Dr. Manales*, Hs.: Ma;|nases (also wie Vul-
gata), ebenso b 32/33 Hs. zmanases. b 36/37 Dr. Hyezera, Hs. Hyezara.
doch am Schluß der Zeile Dr. u. Hs. Hyeze | riczkich. — S. 120a 8/9 Dr.
gimyona, Hs. gimy^ | na. a 11 Dr. u. Hs. Manasovi (vgl. S. 119b 32).
b 2 Dr. u. Hs. asecz. b S Dr. od nyegos, Hs. onyegos, vgl. S. 119a 31
u. b 12, ebenso b 19 »onyegos« in der Hs. (Dr. od), b 28/29 Dr. u. Hs.
gymy^in. b 30 Dr. u. Hs. czast. — S. 121a 17/18 Dr. u. Hs. odiedno.
a 20 Dr. dzedzictwo, Hs. dzedzicztwo. a23 »c« in »Moabiczkem« aus »s«
verbessert, b l Dr. Noa, Hs. »Noe«, steht auf Rasur eines noch erkenn-
baren »m«, aber undeutlich, b 6 »ie« könnte auch »te« gelesen werden.
— S. 122 a 2 Dr. u. Hs. odmowyenyd- a 6 Dr. u. Hs. nadwyelikoscza
(genau unter »my^sza« a 5). all Dr. Nuunowa, Hs. Nvnnowa. a 12
Dr. u. Hs. nan. b 3 Dr. u. Hs. pokopyona. b 12 Dr. u. Hs. rzvdv. —
S. 123a 2 Dr. myesz^czoch, Hs. myeszoczoch. a 5 Dr. s pal^czimi, Hs.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 493
spaloczimi. a 18/10 Dr. u. Hs. adwadzesy^t | poscopoch. a 27 Dr. y ku
ny, Hs. klar : ykv wony. b 1 0 Dr. u. Hs. nadobyata. b 1 3 ist in der
Kapitelzahl >XXIX« das erste »X« in schwarzer Tinte (das Übrige, wie
immer, rot!) zugeschrieben worden, b 18 Dr. przech^vtney, Hs. przechotney.
— S. 124a 1 1 Dr. u. Hs. kvoczisczenrj. a35/36 Dr. porzr^dnye, Hs, porzo-
dnye. b 16 Dr. y palrjczey, Hs. ypaIocze3^ b 30 Dr. rz^dnye, Hs. rzo-
duye. b 36/37 Dr. u. Hs. czelcz^ich. b37 das »ba« in »ybaranyech« ist
aus »bu« oder »bn« verbessert. — S. 125a 6 Dr. przechrjtney, Hs. prze-
chotney. a 16 Dr. palacze, »a« der Ausgabe = »a« der Hs. a 18 Dr.
u. Hs. wiprawif. a 2.5 Hs. slVbi. b 1 4 Dr. u. Hs. m^ze. b 22 Dr. u. Hs.
myast
znadzila dvsza (a = a der Hs.j. — S. 126a 3/4 Hs. natich Moyzes. a 13
Dr. u. Hs. przeMagdalem. a 23 Dr. Syn, Hs. Sin. b 1 1 Dr. w Esmona
u. b 12 z Esmona, Hs. »wEsmonv« und »zEsmonv«. b 13 u. 14 könnte
für »wBeneyacam«, »zBenyacam« auch »-tarn« gelesen werden, doch der
lat., griech. u. hebr. Text sprechen für »c«. b 15 Dr. Odtrjd, Hs. Odtod.
a 18 Dr. sy^, Hs. syo. b 21 Dr. »Or . . . .« Wie aus der Anmerkung
Maleckis ersichtlich ist schließt mit »Or« die Zeile, ein Raum ist also, was
diePunkte der Ausg. auch nicht bedeuten sollen, in d. Hs. hinter »Or« nicht
freigelassen: mit »przikazanim« beginnt mithin die folgende Zeile. bo2 Dr.
»doFunon« und »zFunon«,Hs. »do fmon«und »zffinon«, doch »m«und >i«
nicht ganz deutlich (»i« aus »t« korrigiert?). Vulg. Nr.XXXIV 42 u. 43
»Phunon«, wie im hebräischen Text, Septuaginta »tig Owcbpi^ und »6/.
Oivöji'<s- würde »i« erklären, und so steckt in dem »m« wohl nur ein
verschriebenes »in«. — S. 127a 17 Dr. u. Hs. gymyenyrj. a 29 In Hs.
nach: XXXIHI noch »ca™« (rot), b 2 Dr. u. Hs. Kon'cze. b 18 Dr. Emath,
Hs. eher: Emach. b 19 Dr. y poydr>, Hs. ypoydo. b 25 Dr. Reb-
lata, Hs. anscheinend: Keblata. b 34 Dr. b^jdzecze, Hs. bodzecze. —
S. 128a S Hs. kv wzchodw slvnecznye. a 20/21 Dr. Z pokolenya,
Hs. Spokolenya, ebenso heißt es a 26, doch a25 Dr. u. Hs. Zpoko-
lenya. b 6 Dr. b^dze, Hs. bodze. b 24 Dr. n. Hs. Mow'. b 26 Dr. u.
Hs. Kgdisz (vgl. 129a 3). — S. 129a 3 Dr. u. Hs. »nechczrj« und
»Kgdisz«. a 14 Dr. u. Hs. nan. a 21/22 Hs. wvsliszeni'^lvdv. a 29
Dr. u. Hs. swyotim. a 33 Dr. brjdze, Hs. bodze. a 34 Hs. lest iest.
b 2 Dr. u. Hs. bod. b 19 Dr. przist^pili, Hs. przistopili. — S. 130a 17
Vor »a« ein kleines »t«. b 13 — 15. In Hs. sind die Worte »Dokonali«
bis »py^te« rot geschrieben; auf »py^te« folgt (ebenfalls rot) »pirwa
kapitvla«, was in der Ausgabe fehlt. — S. 131a 2 Dr. krola, Hs. krolv.
a 13 Dr. u. Hs. odLibanj^. al8 Dr. a Jakubovi, Hs. aJakobovi. »o«, nicht
494 E. Hanisch,
V. Das folgende »abi« ist getrennt: »a bi«. a 19 Dr. u. Hs. ysemyeny^y.
a 34 Dr. z pokolenya wasze, Hs. czpokolenya wasze. Das »cz« (= z)
steht unter dem »cz« von »rzecz« (vgl. a 33). a 35 Dr. u. Hs. yvsta-
villem. b 2 Dr. u. Hs. sodzicze. b 4 Dr. nye brjdze, Hs. nyebodze.
b 30/31 (Dr. u.) Hs. nagoyi przisli. — S. 132a 8 Dr. u. Hs. wyelikocz.
a 1 6, Die Klammer fehlt natürlich in der Hs. Ibid. Dr. u. Hs. ny^sl.
a 38 Dr. tam'. In der Hs. ist aber hier hinter »tarn« nur eine Inter-
punktion: »tarn*« , die gewöhnlich in mittlerer Höhe des Buchstabens,
hier also in voller Höhe gesetzt ist (vgl. auch 148a 20: twich). b 4
Dr. vaszy, Hs. naszy. b 26 Dr. n. Hs. pcz^li. b 30. In der Aus-
gabe ist der Kapitelanfang falsch angegeben, nämlich b 32, während
in der Handschrift b 3 0 mit »przistacz« das erste Kapitel Deute-
ron, schließt. Gleich dahinter folgt »ca™ II«, womit die Zeile endet.
Die neue Zeile beginnt »Przetos scze«, natürlich »P« groß und rot, wie
das üblich ist. Das »A« (b 33) ist in der Hs. also klein und schwarz
geschrieben wie der übrige Kontext. — S. 133a 11 Dr. st^picz, Hs.
stopicz. a 28 schreibt die Hs. zusammen »nyczegoy« (vgl. »Zusammen-
schreibung« S. 21). a 33 Dr. domnyemani, Hs. domnymani, b 9 Dr.
nye sginjil, Hs. nyesginol. b 16 Dr. sy^y, Hs. syo. — S. 134 a 2 trennt
Hs. »potosjok«. a 9 Dr. u. Hs. zöny, also hier, wie meistens in diesem
Teil, ist das diakritische Zeichen über dem Buchstaben (vgl. dazu S. 132
a 38). a 11 Dr. poslal, Hs. posal. a 13 Dr. u. Hs. Ezebon; j skemv. a25
Dr. u. Hs. ynyechczäl. a 34 Dr. u. Hs. l'vdem. a 37 Dr. u. Hs. ywszitki.
b l Dr. u. Hs. yzöni. b 17 Dr. capitulum, Hs. »capitulv« (in roter Schrift),
b 25 Dr. takos. »t<: undeutlich. »i< ? — S. 135 a 6/7 Dr. u. Hs. ymlod-
zonki yzöni. a 21 Dr. may^cze, Hs. maiocze. a 24 Dr. na brzedze, Hs.
nakrze;|dze. a 28 Dr. u. Hs. czascz. a 30 Dr. Manassovu, Hs. Manas-
sowv. a31 Dr. wezwana, Hs weszwana, gerade darüber »wszitki (vgl. a30,
doch vgl. a 34). a 32 Dr. u. Hs. zemy^. a 34 Dr. u. Hs. yweszwana.
a 36 Dr. wyes. Das diakritische Zeichen vor dem »s« : »wye's«. b 4 Dr.
Geboc, Hs. Gebot. b26 Dr. przestrjpuyjicz, Hs. przestopuy^cz. - — S. 136a 4
Dr. u. Hs. ovst. a 9 Dr. u. Hs. l'vda. a 1 0 Dr. nan, in Hs. wieder (vgl.
135a 36) na'n. a 14 Dr. a nyetrrjdowatim, Hs. anye; trodowatim. a 25
Dr. n. Ha. cz^. a 29 Dr. kapaluskyego , Hs. kapal nskyego , also das
SV
Zeichen zwischen »1« und »n«. a33 Dr. u. Hs. l'vd. b 4 Hs. violy.
b 8 Dr. brjdze, Hs. bodze. b 9 Dr. u. Hs. l'vdv. b 20 Dr. kaplänni-
skich, Hs. wieder: kapl'anniskich. b 23 schreibt die Hs. zusammen
>yostrze;|gay. b 31 Dr. kaplänsci, Hs. kapl'ansci. b33 Dr. u. Hs. l'vdem.
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 495
b 34 weise ich auf die Zeilentrennung hin bei » ofly eri j obyati « , — S.137
a3 fällt derZeilenscLluß in »kni;;im«. a3/4 Dr. u.Hs. kapl'anske wl'udu.
a 17 Dr. u. Hs. vivzolil. a 32 Dr. u. Hs. cz'arownik. b 2 Dr. u. Hs. apr-
zespokauya. b 17 Dr. movil, Hs. deutlich »movili«, das in der Ausgabe
ergänzte »i« ist also in der Hs. vorhanden, b 23 Dr. w ymy^i, Hs.
wymyo. b 24 Hs. porok. b 27 Dr. u. Hs. bo. b 27/2S Dr. z ymyenya,
Hs. zymyena. b 30 Dr. ubiczagem, Hs. vbiczagem. Babiaczyk faßt es
als »wobyczajem« (vgl. Lex. s. v. wobyczaj). Vielleicht ist aber »vbi-
czagem« nur verschrieben für »obiczagem«, auch in diesem Teile sind
ja Schreibfehler keineswegs Seltenheiten, b 3 L Dr. srozmyecz slowa,
Hs. srozmyecz slowv. — S. 138a ti Dr. u. Ha. w myescz gich. Offen-
bar eine Haplographie. Bei Babiaczyk habe ich s. v. »miasto« nichts
darüber gefunden (auch an anderer Stelle des Lex. nicht). Dabei will
ich bemerken, daß dem »w myescz(ech) gich« unseres Textes eine Vari-
ante: »in urbibus earum = Septuag. cv ralg ttöXeolv avxwv< ent-
spricht, die heutige Vulgata dagegen liest: »in urbibus eins« (Deut.
XIX 1). a 10/11 Dr. u. Hs. kragina twrj. a 16/17 Dr. s wczora, Hs.
wsczora. a 26 Dr. u. Hs. przel'ana. b 2 ist die Klammer vor »iakosz^.
natürlich nicht handschriftlich, b 10 Dr. myastom, Hs. myostom. b3 1 Dr.
u. Hs. swj^dek. b 36 Dr. Iziwi, Hs. Izivi. — S. 139a 2/3 Dr. u. Hs.
ka; I pl'anskem. a 8 Dr. czinicz, Hs. vczinicz. a IS Dr. u. Hs. masz'.
b 3 Dr. vinnicza, also a = a der Hs. b 21 Hs. gi= lieh, b 26 Dr. u.
Hs. l'vd. b 33 Dr. u. Hs. z'on. b 35 Dr. u. Hs. wyogensky. b 37 Hs.
e nye
nyprzyaczol. — S. 140a 30 Hs. ab^idze vyedzano. b 17 Dr. u. Hs l'vdv.
e
b 19 Hs. nyvinlney posrod l'vda. b 26 Dr. u. H. pod twv r^k^j. b 28 Dr.
wyrysznyom, Hs. wy^sznyow. Doch »w« undeutlich, b 33/34 (Dr. u.)
Hs. wdo]mv twemv. Das »v« in »twemv« ist aus »^«, dessen unterer
Strich deutlich ist (es folgt »b^vdze«), verbessert. — S. 141a 19 Hs. s(>;|
{jcz. a 26 Dr. u. Hs. l'vd. a 34 Dr. bogem, Hs. b^gem (vorher »prze-
kl^^^t«). b 16 Dr. u. Hs. przedbog'em, also mit diakritischem Zeichen
hinter »g«. b 21 Dr. ucz, die Hs. v'cz', also vor »c« und hinter »z« das
diakritische Zeichen, b 25 Dr. u. Hs. strzech^. b 28 Dr. u. Hs. padnye.
— S. 142 a 5 Dr. sromata, d. i. a == a Hs. a S Hs. knyey nalaszlem.
a 22 Dr. ganbil. In der Hs. ist das diakritische Zeichen hier zwischen »a«
und»n«, also »ga'nbil«. a 25 Dr. any b^ydze, Hs. anyeb^dze. b 6 Dr. u.
Hs. m;;ze, fast darüber steht »ze« (vgl. auch b 5). Ibid. u. b 23: Dr.
496 E. Hanisch,
u. Hs. poganbil. b 10 Dr. popadw, Hs. popodw. b 26 Dr. u, Hs. Nye-
pomye. — S. 143 a 8 Dr. u. Hs. klrjtwa. a 29/30 Dr. obletczon, Hs.
oblecczon. Ich habe schon öfters aufmerksam gemacht, daß »t« und »c«
einander sehr ähnlich sind, a 33/34 Dr. u. Hs. anizy^dni. b 13 Dr.
przes, in der Hs. ist das diakritische Zeichen zwischen »e« und »s«, also
prze's. b IG Dr. u. Hs. odzerzisz. — S. 144a G Dr. wzo^cz*, Hs. wz^l
rjcz. a 7 Dr. u. Hs. przedbog'em (das Zeichen zwischen »g« und »e«).
a 30 Dr. u. Hs. dlozen. b 5/6 Zeilenschluß in Hs.: wzemi twej. b 18
Dr. u. Hs. wspominay^, auch b 35. b32 Dr. gronnich, Hs. : grönich.
b 36 Dr. robotowal, Hs. robotawal (doch »a« undeutlich]. — S. 145a 6
Dr. pot^py^, Hs. prjt^pyri. all »liczbi cztirjzech dzesyrjtkow nye« auf
einer Rasur, doch ist der ursprünglich geschriebene Text nicht mehr zu
erkennen. al9 Dr. semy^, das diakritische Zeichen steht rechts oben
hinter dem »s«: l'emyrj. a 23/24 Dr. u. Hs. bratra. b 11/12 Dr. Nye
b^dzesz myecz waczku,H8.dittographischNyebp dzesz myeczNyebodzesz
myecz vvaczjkv. Das zweite Mal also »bodzesz«. b 32 Dr. gibt als Kapitel-
überschrift »capitul. XXVI« , Hs. (in Rot) ^capitvlvXXVI«. — S. 146
a 5 Dr. u. Hs. przist^pyrv. a 10 Dr. u. Hs. kapl'an. a 15. Hs. trennt:
»bi; iL Ibid. Dr. sst^pil, Hs. sstopil. a IG Dr. u. Hs. liczbi. a 24/25
Dr. nasz z Egipta, Hs. dittographisch (Zeilenschluß!) nasz ' naszzegipta.
a 25 Dr. y roscz<^gnonim , Hs. yrosez^=j gn^nim. a 26 Dr. u. Hs.
yvyelikyem. Vor »w« wird in diesem Teile der Hs. die Präposition »w«
gewöhnlich nicht geschrieben, entsprechend steht es mit »z«. b 2 Dr. u.
Hs.l'ata. b 3 Dr. dzesy^icinnego, Hs.mitDoppelnngszeichen: dzesy^cinego,
vgl. 144 b 32. In diesem Teile der Hs. sind die Abbreviaturstriche nicht,
wie früher, einfache Striche (-), sondern leicht gebogen (~). b 15/16 Dr.
anym, Hs. anim. b30 Dr. aby chodzil, Hs. aby czodzjchodzil. Das »czodz«
ist eine Verschreibuug für (dittographisches) »chodz«, wohl durch Ein-
tiuß des genau über dem »z« stehenden »z« von »dzysz« (vgl. auch b 29).
r
b 34 Hs. vibal. — S. 147 a 9/10. Hinter »wyelike« ist ein »e« aus-
radiert, der Raum noch frei, dann erst »kamyenye«. a 15 Dr, a
myodem, Hs. amy^dem. a 19 Dr. y spogesz, die Hs. hatte wohl ur-
sprünglich »-gesz« (vgl. folgendes »ge«), doch wurde der Schreibfehler
bald bemerkt und nun in das »e« hineinkorrigiert, so daß ein (mithin
e
undeutliches) »y« zu lesen ist, also »yspogysz«. a 21/22 Hs. nydot|klo.
a 23/24. Hinter »oflyerowacz« ist ein Buchstabe radiert (»1« oder >s«
anscheinend), a 33 Dr. u. Hs. l'vd. b 5 Dr. u. Hs. Benyanim. b 6/7
Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. n. die Lemberger Ausgabe. 497
Dr. u. Ha. kv przekl(^czr^. b 1 7 Dr. u. H3. l'vd. b 1 8 Dr. u. Hs. blisz-
:'ego. b 19 Dr. u. Hs. l'ud. b 21 Dr. u. H8. l'vd, ebenso b 24, aber
b 27 »Ivd«, also ohne diakritisches Zeichen, b 29 Dr. u. Hs. l'ud. Ibid.
>Przkl^ti« in der Hs. b 30/31 Dr. u. Hs. yzdzewka, also a = a. b 32
u. 38 Dr. u. Hs. IVd, aber b 34 u. 36 Ivd. — S. 148 a 2 Dr. u. Hs. nye-
vinnjye yodpoye. a3 u. 6 Dr. u. Hs. Ivd, vgl. 147 b 32. a S/9 Dr. wszistko,
Hs. ursprünglich »wszisteko, das »e« der Mittelsilbe radiert, Raum aber
freigeblieben, a 11 Hs. vis5|3zego. a 15 Dr. b^idzesz, Hs. bodzesz.
b 20 Dr. u. Hs. modl. b 21 Dr. glosu pana, Hs. glosv panv. — S. 149
a 4 Dr. u. Hs. kdze'rzenyv. a 20/21 Dr. u. Hs. yb^idze. a 29
Dr. u. Hs. wyeczmach. a 31 Dr. u. Hs. b^df>. b 8 Dr. u. Hs. l'vdv.
Hier also wieder »1'«, was seit S. 147b 38 nicht geschrieben wurde.
Aber b 13 Ivd, ibid. ist zusammengeschrieben »ktoregosty nyeznasz aty-
b^idzes czirpyecz« (vgl. »Zusammenschreibung« S. 12). b 22 Dr. u. Hs.
wljwd (= w lud), b 25 Dr. dzewyanim y kamyennim, Hs. dzewyanim
ykanyen'nim, also »n« statt »m«. b 27 Dr. u. Hs. wszem Ivdv. b 29
Dr. u. Hs. usznes, also »n«. b 33 Dr. u. Hs. opvscz^na. — S. 150a 7
In Hs. vor »ale« ein durchgestrichenes »aty«. In der folgenden Zeile
steht fast gerade darunter »aty« (vgl. a 8). a 15 Dr. nad t^b^, Hs.
»nadtobrj«. a37 Dr. y nye zetrze, Hs. yznyezetrze. Erstes >z« durch-
gestrichen, b 6 Dr. u. Hs. amyasso. b 18 Dr. u. Hs. Czajnka. b 19
e
Hs. nymogla. b 22 Dr. u. Hs. ycz'ankoscz, vgl. b 18. — S. 151a 11
Dr. u. Hs. gwy'asdy. a 23 Dr. u. Hs. ykamyenni. a28 Hs. zal03cz(^vdr^-
czonji. a 32 Dr. do, Hs. deutlich »da«, b 3 Dr. b^dze, Hs. bodze.
Ibid. Dr. capitu, Hs. capitm, >tm« bildet eine Ligatur, b 15 warn, »m«
undeutlich b 19 Dr. u. Hs. l'aat. b 20 Dr. u. Hs. ob'ow. b 28 Dr. u.
Hs. ypobilisme. — S. 152a 5/6 Dr. svosz^i wod^, Hs. deutlich »3n;|osz{j
wod^«, entsprechend dem Wortlaut des Vulgatatextes : comportant aquas
(Deuteron. XXIX 11). Da »zwozic« bei Babiaczyk nur einmal, eben
hier, belegt ist, muß es mithin aus dem Lexikon gestrichen werden,
a 12 Dr. a lakubovi, Hs. alakobovi, vgl. 154 a 2). a 18 Dr. u. Hs.
nadrow (= narodöw). a 19/20 Dr. u. Hs. g'anyebnosczi. a 24 Dr. u.
z
Hs. czel'adz. a 35 Hs. rolege. b 3 Dr. u. Hs. podn'ebem. b 5/6 Dr.
u. Hs. podle przekl^czr^. b 1 3 Dr. sluneczn^i szg^^cz. In der Hs. folgt
hinter »slvneczn^« noch ein »(v«, welches getilgt werden sollte, aber in
seinen Spuren, dicht vor »szgrj^cz«, noch ganz deutlich zu erkennen ist.
b 15/16 Dr. wsplodzilo, Hs. wspodzilo. b 36 Dr. u. Hs. giscze. b 37
Archiv f6r slavische Philologie. XXiV. 32
498 E. Hanisch,
Dr. sy^. Skricze. In der Handschrift sind eng aneinander geschrie-
ben: s^skricze sy^ Skricze. — S. 153 a 1 Dr. u. Hs. nanye. a 4 Dr.
u. Hs. przeyd(^. al7 Dr. u. Hs. l'vdzi. a2l Dr. y przyme. Hs. mit
diakritischem Zeichen hinter dem »m«^ also »yprzym'e«. b 8 Dr. u. Hs.
sczodro;!go. b 17 Dr. n. Hs. wewsze dvszy. b 21 Dr. u. Hs. rzecz znasz'.
Das (von MaL ergänzte) »kto« fehlt also auch in der Hs. — S. 154 a 13
Dr. u. Hs. ykl(^tf^. a 25 Dr. u. Hs. l'at. b 30 Dr. u. Hs. navcz^. —
c
S. 155 a 1 Hs. pospyszicze. a 4 Dr. stoytasz w stanu, in der Hs. stand
vor »wstanv« ein »s«, welches getilgt wurde, aber in seinen Spuren noch
deutlich ist. b 38 Dr. köncza, in der Hs. steht das Zeichen hinter dem
k'. — S. 156a 1/2 Dr. u. Hs. movim slysz zemy^. a 27/28 Dr. u. Hs.
»goss|dze. Psalm audite cell. Przeto przyd(>:|^cz«. Die Worte »Psalm
audite cell« sind rot geschrieben. Aus cechischen Bibeln hat Jirecek
ähnliches nicht angemerkt, wie aus Casop. Cesk. Mus. 1864 S. 157 ff.
und besonders S. 161 zu ersehen ist. Hier scheint also der volle Text
überall vorzuliegen, a 30 Dr. v vszu (uszu), Hs. wszv. b 7 Dr. trwacz,
Hs. trawacz, doch ist das erste »a« durchgestrichen, soll also keine Gel-
tung haben, b 31 Dr. u. Hs. Bog sSyna. b 31 Dr. u. Hs. swyatich. —
S. 157a 3 Dr. u. Hs. kgyego. a 12 Dr. u. Hs. l'vdv. a 13 Dr. u. Hs.
zan', also das Zeichen hinter dem »n«. a 18. Wegen der doppelten Li-
quida vermerke ich die Zeilentrennung bei »ysrjdzilsjlesz«. a 25 Dr. u.
Hs. twa und: kadzilnye. a 28 Hs. Ra'n, also das Zeichen vor dem »n«
(vgl. a 13). a 33 Dr. u. Hs. poscely. Ibid. ist die Trennung durch
Zeilenschluß zu bemerken in »wszit=|tek«. Doch muß ich hervorheben,
daß die beiden andern von Babiaczyk notierten Stellen für »wszittek«
(s. V.), nämlich 99b 22 und lül a 15, nicht durch Zeilentrennung begrün-
det werden können, a 36 Dr. u. Hs. zemy^. b 21/22 Dr. u. Hs. poch-
ficil. b 31 Dr. u. Hs. ykvpol'vdnyo. b 32. In der Hs. ist hier ein Inter-
punktionszeichen versehentlich so hoch gesetzt bei »powye* pozegnani«,
wie sonst die diakritischen Zeichen. (Ich bemerke das wegen S. 132
a 38). b 35 Dr. u. Hs. oboyw. — S. 158a 1 trennt die Hs. : prze spra-
wyedliwego. all Dr. u. Hs. l'vd. a 19 Dr. u. Hs. ykaz^i. a 23 Dr. u.
Hs. posledn'ego. a 27 Dr. u. Hs. zemy^. b 3 Dr. Vidzales, in der
Hs. ist das Zeichen wieder hinter dem »z«. b 18 Dr. nan, Hs. nan'.
b 30 ff. Die gesperrt gedruckten Worte des Dr. (Dokonaly-Jozve) sind
rot geschrieben. — S. 159a 1 Dr. stalo, Hs. i stalo. a 8 Dr. u. Hs. l'vd.
a 14 Dr. zemya, d.h. in derHs. steht hier wieder das durchstrichene a. —
b 6 Dr. u. Hs. wyednye. b 9 Dr. u. Hs. ysrosmyesz. b 1 1 Dr. u. Hs.
Die SäroBp. altpoln. Bibelhandschr. u. die Lemberger Ausgabe. 4 99
Nyestrzasz. b 17 Dr. u. Hs. Przy; | pawcze. — S. 160a 10 Dr. u. Hs.
wzchodv slvneczmv. a 32/33. Vor >przissla« ein Strich, der aber seiner
Form nach nur als verschriebener Anfang eines Buchstaben anzusehen ist,
nicht als diakr. Zeichen, b 34 Dr. ydaysta, Hs. ydaysjta. — S. 161 a 21
Dr. u. Hs. ssedrzvi. a 27 Dr. u. Hs. nayaflwno. b 33 Dr. u. Hs. wysycz.
— S. 162a 4 Dr. wodyJordanskich, in Hs. »y« undeutlich. a6 Dr. u. Hs.
aslysce. a 7 Dr. u. Hs. yopyacz. a 14 Dr. u. Hs. prze;|dze. a 15. In
»dwanacze« steht das auslautende »e« auf Rasur, a 21 Dr. wodach,
Hs. mit Verschreibung: i wdo \ wodach. b 3 hat die Hs. durch Zeilen-
schluß (ebenso lG3a 7) »pos5|srod< (vgl. b 10 sposrotkv). b 12 Dr.
Kaplanskye. Das Zeichen (Punkt) ist rechts oben vom »n«. — S. 163
al Dr.u. Hs. dwanascze. a21 Dr. wzwyelbil, Hs. iwzye; wzwyelbil. a 31
Dr.u.Hs. vedno swoy. a 36 Dr. u. Hs. wzchodv slvneczgo myesta. b4Dr.
u. Hs. optay^. b 7 Dr. u. Hs. posvchemdno. b 1 6 Dr. u. Hs. krolov'e.
b 21 Dr. Jordänske, in der Hs. steht das Zeichen rechts oben von dem
»a«. b 23 Dr. u. Hs. syercza. — S. 164a 2 Dr. u. Hs. l'aat. a 9 Dr.
u. Hs. obrzal. a 23 Dr. u. Hs. l'ata. yzgyn^ila mam;|na (Josua V 12:
Defecitque manna). a 27 Dr. u. Hs. l'ata. a 32 Dr. a rzek(^, Hs. alrzeko,
das »1« durchgestrichen, b 12 Dr. gedno. In der Hs. hat das »0« nur
oben einen Strich, wie auch gelegentlich sonst »(^« nur so geschrieben ist,
also: gedn(^;semel. Vgl. dazu Babiaczyk, Lexikon s. v. -»jedno«. b 13
Dr. u. Hs. zasyecz. b 16 Dr. u. Hs. l'ato. b 16/17 Dr. u. Hs. skrzinya.
b 22 ist die Zeilentrennung beachtenswert in »przewyeliki;|im«. b28/29
Dr. u. Hs. sed tr^^ibjl'ata (vgl. b34). b 34 Dr. u. Hs. przed skrinyj:}. —
S. 165 a 2 Dr. u. Hs. zaskriny^. a 1 5 Dr. u. Hs. l'ata. a 18 Dr. u. Hs.
zaskrzynya. a 19 Dr. tr^^byr^cz, Hs. trobyjjcz. a 25 Dr. zatr^bili, Hs,
zatrobili. b 4 Dr. u. Hs. l'vd. b 18 Dr. mlodzencze, Hs. mit Abbre-
viatur: mlodzecze. b 20 Dr. yprzirodzone. Hs. y i pirwi I przirodzone,
d. h. »pirwi« ist in der hier schon öfter belegten Weise der Einklamme-
rung (vgl. S. 162a 20) beseitigt, vgl. dazu b 35 Dr. u. Hs. wpirworo-
dzenyv. — S. 166 a 3 Dr. przest^ipili, Hs. przestopili. a 1 1 Dr. Bethaven
(so auch Vulg. Josua VH 2), Hs. Bethanen (kaum »Bethauen«), vgl.
168a 34! a 23 Dr. u. Hs. ypaddlo. a24 Dr. szecz, Hs. sze'cz, also
mit diakritischem Zeichen, das hier nur etwas schwächer als sonst aus-
gefallen ist. b 10. Das diakritische Zeichen in »Wstan'« ist wieder
rechts oben von »n«. b 12 Dr. u. Hs. l'vd. b 13 will ich die Wort-
trennung erwähnen in »zaklj^ tey« (vgl. »Zusammenschreibung« S. 20).
b 13/14 Dr. u. Hs. vkratdli (vgl. a 23: paddlo). b 18 Dr. zakl^t^, Hs.
32*
500 E. Hanisch, Die Särosp. altpoln. Bibelhandschr. u. d. Lemb. Ausg.
zakl^ita, mit dem durclistrichenen a am Ende! b 22 Dr. z iutra, Hs.
zyvtra, b 26 Dr. doy^d nye, in der Hs. steht zwischen beiden Worten
noch ein durchgestrichenes »y«. b 32. In »pom^zoch« fehlt bei »^«
nur der obere Strich. (Ich erwähne das nochmals wegen »gedn^i« S. 164
b 12.) b 35. In >przest^pil< ist bei »^« der Strich fast verloschisn,
vorher noch: gymyeni im. — S. 167a 1 Dr. u. Hs. wewsem. a 4. In
der Hs. ist das diakritische Zeichen bei »nalez'ona« hinter dem >z«.
a 17 Dr. u. Hs. pl'onem. a 19 Dr. u. Hs. py^^czdzessy^nt. a 23. Der
diaki-itische Strich in »pirz'czry ist sehr schwach (vgl. 166a 24). a 30
Dr. plascz, Hs. pascz (Vulg. Josua VII 24: pallium). a 31 Dr. u. Hs.
prvidlo. a 32 Dr. u. Hs. ysta. b 3 Dr. u. Hs. nan'. b 8 Dr. VIII, Hs.
VIII vm. b 17 Hs. zamyastem ada Ywstaf, also mit Verschreibung.
b 20 Dr. silnich, Hs. ssilnich, doch ist das erste »s« getilgt, wenn auch
freilich noch deutlich erkennbar, b 27 Dr. pobyegnyem. Die Hs.
schreibt, mit Abbreviatur in Zeilenmitte »pobyegnye«, wobei noch zu be-
merken ist, daß »gnye« auf Rasur steht und etwas kleiner geschrieben
ist als der übrige Text. — S. 168 a 5/6 Dr. stronye, Hs. stronye przeciw
(vgl. a5). b6 Dr. noczy oney, Hs. »noczy joneny.: oney«, aS Dr. u. Hs.
widzi. a 10 Dr. przis(ed) wszi, Hs. przis, dann der obere Teil eines >z«
erkennbar, darauf Raum für zwei Buchstaben, dann Zeilenschluß. Was
für Buchstaben dastanden, läßt sich durch die vielen Kratzer und infolge
eines großen Fleckes nicht erkennen, aber wohl »przisz(ed);jwszi«. a 15
Dr. u. Hs. mjizof. a 17/lS Dr. u. Hs. wasza. a 18. Hs. trennt »napol
noczn;^«. a 24/25 Dr. u. Hs. azedna. a 33 Dr. u. Hs. ani|z(jdni. a 34
ywBetaven, vgl. 166a 11. b 2S Dr. u. Hs. krole. — S, 169a 12 trennt
Hs. od nyesze. a 28 Dr. u. Hs. apot (vgl. Maieckis Anmerkung), a 30
Dr. u. Hs. ssteyto (so auch b 8 u. 15). b 24 Dr. u. Hs. ocz5|cza. b 27
Dr. z kragin Mezopotanye, Hs. hat aber deutlich »zkragiu«. Vulg. Josua
XXIV 3: de Mesopotamise finibus. — S. 170 a 3 Dr. u. Hs. wiwi^^dllem.
b 1 Dr. u. Hs. yolywya. b 5. Das »y« in »bogy« hat hier eine von
der sonstigen Schreibweise des Buchstabens abweichende Gestalt, näm-
lich wie sonst die Ligatur: »ij« (z.B. gleich b 6 u. 13: Mezopothanii).
b 26 Hs. mit diakritischem Punkt: a'morreyskye. b30 Dr. Nye b^^dzecye,
Hs. Nyebodzecye. — S. 171a — , b — .
(Schluß folgt.)
Beuthen O./S. Erdmann Hanisch .
501
Zur Yisio Tundali.
Ich hatte schon im J. 186S im Kukuljevicschen Arkiv B. IX einer
Handschrift Erwähnung getan, glagolitisch geschrieben im J. 14 GS, in
welcher sich u. a. auch der kroatische Text der Visio Tundali befindet.
Leider habe ich damals, als die Handschrift von Kukuljevic mir zur Ver-
fügung gestellt wurde, nicht Zeit gehabt, den vollen Text abzuschreiben.
Die Handschrift war nämlich von dem damaligen Besitzer derselben, Dom-
herrn J. Petris in Veglia (Krk), nur auf kurze Zeit Kukuljevic zur Be-
nutzung überlassen worden; zur Rückgabe gedrängt mußte er sie auch
von mir zurückverlangen, bevor ich Zeit gehabt hatte alles abzuschreiben,
was ich im Sinne hatte. Immerhin dürfte das, was ich daraus a. a. 0.
im Arkiv mitteilte, nicht so ganz unbedeutend gewesen sein, wie es nach
der Miloeticschen Bibliographie S. 272 den Anschein hat. Nun hat vier
Jahre später Danicic in »Starine« B. IV einen anderen kroatischen Text
derselben Visio herausgegeben, ohne merkwürdigerweise des glago-
litischen Textes auch nur zu gedenken. Richtig ist so viel, daß der
glagolitische und der Danicicsche Text (um ihn so kurz zu nennen)
nicht so nahe zueinander stehen , daß man sie als Abschriften aus einer
und derselben älteren Vorlage bezeichnen könnte. Das sind vielmehr
zwei verschiedene, voneinander unabhängige Texte desselben Stoffes.
Der Herausgeber der glagolitischen Bibliographie war leider nicht in der
Lage, der Handschrift, dem Codex Miscellaneus Petris', den er mit Recht
als den merkwürdigsten in der ganzen glagolitischen Literatur der
späteren Jahrhunderte (XV. — XVII.) bezeichnet, größere Aufmerksam-
keit zu widmen, als ihn nur flüchtig auf S. 271 — 272 zu beschreiben.
Dieser traurige Umstand veranlaßt mich, wenigstens das Wenige, was
ich damals aus der Visio Tundali abgeschrieben hatte, damit es nicht
ganz verloren gehe, hier zum Abdruck zu bringen. Meine Abschrift
wurde mit lateinischer Schrift gemacht, ich lasse so auch hier den Text
in derselben Form abdrucken, wobei ich bemerken will, daß ich die
Transkription buchstäblich ausführte, den glagolitischen Buchstaben w
durch c wiedergab, wo er sc auszudrücken hatte, setzte ich s kursiv hin-
zu, das gewöhnliche sc bedeutet dagegen, daß im Original Ui« steht; j
entspricht dem glagolitischen .«, nur htijii muß man das glagolitische w
voraussetzen.
502 V. Jagic,
Nach meiner Abschrift beginnt der glagolitische Text in der Hand-
schrift auf Blatt 306, denn oberhalb der ersten Kolonne des Textes steht
die glagolitisch geschriebene Zahl ot3. Kukuljevic, von dem eine kurze
Übersicht des Inhaltes des ganzen Kodex herrührt, die sich in meinem
Besitze befindet, setzt den Beginn der Visio Tundali auf Bl. 295. Also
seine Zählung stimmt mit den Angaben der Handschrift nicht überein.
Ich habe beim Abdruck einzelner Texte aus dieser Handschrift im Arkiv
B. IX die Foliozahlen nach der Handschrift angeführt. Das Inhaltsver-
zeichnis Kukuljevics war so ungenau abgefaßt, daß die meisten von mir
im Arkiv abgedruckten Texte gar nicht erwähnt sind. Leider ist auch
bei Milcetic viel zu wenig über den Inhalt gesagt.
Der glagolitische Text hat vor dem Danicic'schen den Vorzug, daß
in ihm der Anfang der Visio enthalten ist, der dem in Starine IV abge-
druckten Text abgeht. Sonst scheint er, soweit man nach dem von mir
abgeschriebenenBruchstück urteilen kann, eine ausführlichere Fassung zu
enthalten, als der Dauicicsche Text. Die Praefatio oder der Prologus
ist nicht vorhanden. Es gibt auch lateinische Texte ohne Prologus (vgl,
den lat. Text der Wiener Hofbibliothek 4 94 6 saec. XV). Der Text be-
ginnt mit der Überschrift: »Haec est narratio vera et munda de optimo
milite Dundulo«. Die ersten Worte der Erzählung enthalten die Zeit-
bestimmung: Anno Christi milesimo quadragesimo nono, qui erat annus
secundus tempore regis Kondati (lege Konradi) imperatoris Romani belli-
cosi, qui illo tempore bellum habebat contra Hierosolima, hie autem erat
annus quartus, ex quo Eugenius papa in pontificatum electus est. Et
hoc anno papa Eugenius Romam reversus est de terra Galilaeae (sie) .Diese
Zeitbestimmung kommt lateinisch im Prologus vor (vgl. Albrecht Wagner
Visio TnugdaliS.4 — 5), mit ihr beginnen mehrere lateinische Texte und
auch der weißrussische Text (bei Brückner, Archiv XIU, S. 202). Auch
die nächsten Zeilen stimmen zu dem Text des Prologus, allerdings mit
starker Verunstaltung der Namen: Itidem illo anno sanctus Malachias
in monasterio, quod Cvaleil'lis appellatur (lege Clarevallis), de hoc mundo
decessit. Unmittelbar darauf folgt aus dem ersten Kapitel: Et haec visio
facta est in quadam urbe metropolis et ibi duae reginae electae sunt in
ea urbe, quae Ardinaca nominatur. Ich gebe hier wörtliche Übersetzung
des glagolitischen Textes, im lateinischen Text ist von den Städten die
Rede, quarum presules duobus subsunt metropolitanis (ed. Wagner S. 6,
Z. 12 — 13). Im weiteren stimmt der glagolitische Text mit dem latei-
nischen ziemlich gut übereiu : Item a parte australi Hyberniae est quae-
Zur Viaio Tundali.
503
dam urbs, quae Calasien3is appellatur, ex eadem urbe ortus est quidam
vir genere nobills celeberque nomine Dundul (vgl. bei Wagner S. B, Z. 14
bis IG). Die Charakteristik dieses Dundul erinnert im glagolitischen
Text teilwreise an den weißrussischen: Et iste homo erat magnopere con-
tra iustitiam divinam et plenus malis operibus et miles (eques) factus est
propter suam egregiam fortitudinem , quoniam in huius mundi rebus ver-
sutus erat, erat autem fortls in vita, sed quae salutem eins animae atti-
nent, de bis nihil curabat et si quis ei de salute animae quidquid com-
memoravisset, magnum sibi adversarium putabat. Man vergleiche mit
dieser wörtlichen und darum recht holperig klingenden Übersetzung den
Passus in der Visio ed. Wagner S. 6, Z. 2 1 — S. 7, Z. 3. Auch der weitere
Verlauf der Erzählung (bei Wagner S. 7, Z. 3— S. S, Z. 27 und S. 9,
Z. 1 — 10) stimmt, wenn auch nicht wörtlich, in dem glagolitischen Text
mit dem lateinischen Original tiberein. Auch de exitu animae (ed. Wagner
S. 9, Z. 11 — S. 10, Z. 23) wird im glagolitischen Text mit anderen Wor-
ten, aber dem Inhalte nach gleichartig erzählt. Nun folgt das neue
Kapitel »De adventu angeli in occursum anime«. Hier beginnt der von
Daniele herausgegebene Text und läßt eine Vergleichung mit dem glago-
litischen zu. Ich sagte bereits, daß ein unmittelbarer Zusammenhang
zwischen diesen beiden Texten, bis auf die Identität des Stoffes, nicht
nachgewiesen werden kann. Ich will das an einem Beispiele zeigen :
Glagol. Text:
i ondi vide ednoga mlada detida lipa
obrazom kako zvezda jutrenna i poce
na nega gledati umileno dasa Dunda-
lova, nadeese se ot nega niko utese-
nie prieti
i kada se priblia k nemu imenova
ga negovim' imenem' govore: zdrav'
budi Dundule, ca tu cinis? Kada to
slisa dusa Dundnlova da ga negovim'
imenem' vazva. radostan' s veliku ra-
dostija rece: o göre mani, gospodine
moi, zac me obidose duse paklene i
ese me mreze smrtne. I rece mu anjel':
0 duse Dundulova, stoprva li ine zo-
ves' gospodinom" 1 oteem' a imejuöi
me vazda pred soboju i nisi mi nig-
dare takove reci rekal'.
Danicics Text:
tere progleda i vidi na dalece zvizdu
greduci k sebi vele svitlu. A ono bise
angel njegov . . .
i kada pride k njemu, njegovim ime-
nom njega zazva tere mu rece: Ton-
dale ca cinis? Videci on lipoga an-
gela vele uzorita i da ga zazva njego-
vim imenom, od straha i tolikoje od
veseija rece: jao meni gospodine, obu-
jale me su muke paklene. A k njemu
angel rece: sada me gospodinom zo-
ves ? Koga vazda sobom imase i nig-
dar me tako ne zazva.
504 V. Jagic,
In dieser Weise, meistens im Wortlaute ganz voneinander abwei-
chend, geben die beiden Texte das Kapitel De adventu angeli bis zu
Ende (S. 12, Z. 20 ed. Wagner) wieder, der glagolitische Text ist stellen-
weise ausführlicher als der Danicicsche, z. B. bei Daniele lesen wir: 1
prostrvsi rtiJcu angel na jednoga od onih zalih duhov reöe^ im glago-
litischen Texte etwas mehr: / pokaza mu ednoga d'Ma hi naivece na
nega vrazdovase i rede mu. Der lateinische Text stimmt zum Teil mit
dem Danicicschen überein : Et extendens manum, zum Teil mit dem gla-
golitischen: qui pre ceteris maledicis ei magis iusultabat. Manche
Amplifikationen des glagolitischen Textes findet man im lateinischen
nicht. Das Zitat aus dem Psalm 9 0. 7 erinnert im glagolitischen Text
au die alte kirchenslavische Übersetzung selbst sprachlich: ere kako
David' prorok' vapie v psalteri govore: Padut od siratii tvoee iisuci i
tma 0 desnoju tvoej'u ne pristupit\ im Altkirchenslavischen na^fTK
(Bercic: naA^V'''**) ^' CTpaHivi tko6i>ä tivIc;f.i]ih h T'Kiuia w
,a,6Ch;¥;|7R tkcü^ (Bercic: TBoew) Kii TfK'b \\i npHCT;i^nHT'K, im
Danicidschen Text liest man dasselbe Zitat ganz anders: pade tißh na
liüu tvoju tisuca a na desnu tooju deset tisuc a k tehi niedan zali ne
pristupi, der Ausdruck deset tisuc entspricht ofi'enkundig dem latei-
nischen decem milia, während TklUia (tma) das griechische /^ivQiag
wiedergibt.
Nun folgt nach dem lateinischen Texte De prima poena homici-
darum. Auch dieses Kapitel wird in beiden kroatischen Texten ver-
schieden erzählt, dem lateinischen steht näher bald der eine, bald der
andere. Für carbonibus ardentibus plena steht bei Daniele: i ugljevja
goruca pun^^ im glagolitischen abweichend: i bise ta doV phi' goruca
ogna. Dagegen für cooperculum habens ferreum quod spissitu Mnem
habere videbatur sex cubitorum, quod nimio ardentes superabat candore
carbones steht im glagolitischen Texte ziemlich nahe kommend: i bUe
na toni dolu pokrivalo zeUzno i tlstota zelezna bese hsf saf lokal'
i ta zakrov bise toliko ogtieti' da nega gorkosf premagase vsu silu
onoga ogna.^ dagegen im Danicie'schen Texte: svrhu onoga ugljevja
staie zakrov gvozden po zakon prsure^ ki se svitljase kakono ug-
IJevJe. Von der prsura (ital. presura) ist im lateinischen Texte keine
Rede, wenn man nicht damit das lateinische lamina ausdrücken wollte,
denn im nachfolgenden steht der Daniciesche Text dem lateinischen
näher, als der glagolitische: Descendebat enim super illam laminam mi-
serrimarum multitudo animarum: svr/tu one prsure prihojaie f7i?ioitvo
Zur Visio Tundali. 505
dus zlocastih^ glagolitisch dagegen: i Jia { zaJcrov wiwz.istvo duP
d'hli metahu. In nächstfolgender Erzählung ist Daniele kürzer als
der glagolitische Text: donec ad modum cremii in sartagine concremati
omnino liquescerent et quod est gravius ita colabantur per predictam la-
minam sicut colari solet cera per pannuni lautet bei Danicic nur so: Jce
(sc. duse) se oiule frigaliu ioliko dokle &e poatave kako vosak prid og-
njem^ glagolitisch heißt es dagegen: i na neni' e prazahu toliko dlgo
dokle vse isahnShu kako cvH^ ki e na nivi podrezan\ I za vaega toga
da im^ hese ovo veksa muka^ da e [se"?) skozi oiTb zakrov' i skozi ono
pokrivalo cSSJiu one nevolne duse i sire tuko kako se vosk' cMi 6rez
ruh\ Man sieht hier im glagolitischen Texte eine gewisse Amplifikation
gegenüber dem lateinischen, namentlich das Bild vse isalmeliu kako cveC
ki e na nivi podrezaii fehlt im lateinischen Texte. Der nächste Satz t
paki se tamo opef va ogni oljnavlahu vkup' k mukam' gibt gut deir
lateinischen Text wieder: et iterum in carbonibus ignis ardentibus reno-
vabantur ad tormentum, während es bei Dauicic heißt: i kada sc pro-
liahu metahu ih vanka^ a oni opet nput pridihu kako sii i hili a vrazi
vazimahu tere ih opet metahu 7ia onii prsum. Auch im weiteren Ver-
lauf gehen beide Texte auseinander, weichen auch vom lateinischen ab
(der glagolitische stärker als jener bei Danicic).
Das nächste Kapitel De pena insidiatorum et perfidorum (ed. Wag-
ner S. 14, Z. 1 — 21) ist im Texte Danicics ganz ausgefallen, dagegen
steht es im glagolitischen Text, doch könnte mau nicht sagen, daß die
glagolitische Darstellung sehr genau den lateinischen Text wiedergibt.
Z. B. eine Stelle, die dem lateinischen Texte Z. 7flf. entsprechen solltey
lautet in wörtlicher Übersetzung so: Et in hoc monte erat multitudo hor-
ribilium et terribilium diabolorum, qui (diaboli) carnifices (manigoldi steht
im glagolitischen Texte, man könnte auch den Ausdruck tortores anwen-
den) appellabantur ibique in illo monte et illa via insidiabantur animis
hominum, quae hunc montem transire volebant et isti diaboli furcas
habebant ignitas ferreas, sex cuspides in singulis furcis, quibus trude-
bant illas animas quae montem transgrediebantur. Et sie illas miseras-
animas cuspidibus in ignem flagrantem deiciebant et mox iterum ex igni
in nivea et glacialia tormenta proiciebant. Hoc modo versa vice eas
proiciebant atque tam diu torquebant, donec domino deo iucundum erat.
Jetzt erst folgt das Kapitel De valle et pena superborum, das in-
beiden Texten ganz ungleich lautet. Der Anfang steht im glagolitischeu
Texte näher dem lateinischen als im Danicic'schen. Der letztere spricht
506 V. Jagic,
von der Brücke, der glagolitische von dem Steg. Über diesen gelangte
hinüber nur ein Priester (redovnik' nennt ihn der glagolitische , pop der
Danicicsche Text). Hier enthält der glagolitische Text eine ausführliche
Einschaltung, in welcher die nicht über den Steg gelangenden Seelen
verschiedener Stände und Menschenschichten aufgezählt werden: vidit-
que inter illas animas multas et varias auimas, ibi erant reges, ibi bani,
ibi caesai'es, ibi duces, imperatores, principes, ibi iudices, Ibi viri et mu-
lieres multae, ibi juvenes et virgines, ibi viduae et vidui , ibi archie-
piscopi et episcopi. Ibi etiam vicarii et multi presbyteri qui sunt ordinis
sancti Petri, quibus gens Christiana recommendata est, ut eam doctrina
sacrae scripturae instruerent, quae illis a multis et sanctis patribus data
€t a spiritu sancto oidiuata est. Nunc vero praecipue presbyteri hunc
mundum magis amant quam alii homines. Quare evangelium nobis his-
toriam monstrat testimonii dicens: multi sunt vocati, sed pauci electi. Et
«um anima Duuduli hoc vidisset, timere coepit non sperans se transitu-
ram illam trabem artam, sed angelus dei, qui eam per illa tormenta duce-
bat, consolabatur eam dicens ei: noli (timere) . . . Hier bricht leider meine
Abschrift ab.
Ich hatte einst geglaubt, daß der glagolitische Text aus dem Ita-
lienischen übertragen worden sei (ArkivIX. 150, Archiv f. sl. Phil. XIII.
200). Das scheint mir jetzt nicht richtig zu sein, wenigstens so weit man
nach dem Bruchstück, das mir in der Abschrift vorliegt, urteilen kann.
Der einzige Ausdruck Nom. plur. manigoldi reicht nicht hin, um diesen
Beweis zu liefern, auch oa traf nicht. Ich würde jetzt eher glauben,
■daß der Text aus dem lateinischen geflossen, oder eigentlich nach der
lateinischen Vorlage verarbeitet worden ist, mit ziemlich freier Nacher-
zählung, die manches kürzer, anderes aber auch ausführlicher erzählt.
Der Verfasser dieses Textes muß als Glagolite, der in der kirchenslavi-
schen Sprache einige Belesenheit hatte, aus einer Gegend stammen, wo
der cakavische Dialekt schon zum kajkroatischen und kajslovenischen
den Übergang zeigte, also irgendwo in Nordistrien oder im kroatischen
Küstenland. Dafür liegen lexikalische Belege vor, so das Adjektiv hru-
tnan'. bruman vitez, brumna hrabrstva, brumno vitezastvo (vgl. ein Bei-
spiel in der Trojasage: vrze s kona mudroga Uriksesa brumno, Arkiv
IX. 129), oder das Substantiv zveplo: ki zveplom gorise (es begegnet
auch sunpor)^ veksi: veksa tvoe milost", veksa muka, glubi7ia^ gluhok:
h. ove glubine, bc-f^e vele strasno glubok', k ednomu dolu gluboku, his-
nik: ubozem' hisnikom, U\ le samo mesto, are'. are vsaki clovik ima pri
Zur Visio Tundali. 507
sebi dva anjela, praviti in der Bedeutung reden: od mala do velika
praviti, stoprve: stoprve li me zoves go3podinom', za ncyiiar: moju ai
(volju) za nemar imel', za nemarpustil', sopet: zac' se imas sopet' v telo
vratiti, sopet iz ogna metahu (jetzt kajkavisch zopet)^ miski: edna brv'
vuska, prek' te brvi vuske, gdo: gdo bi govoril, gdo se more proti-
viti. Auch das Wort ohJj'ubljen: v papstvo obljubljen, ke si sebi bila
obljubila und redoimik ist ein westlicher (kroatisch-slo venisch er) Aus-
druck. Vgl. auch die Form sohota^ dann spital und üslamcnt. Auch
morphologisch: k ednoi göre reliki i vele strasni, das Imperf. in zwei
Beispielen: ne morase, jedva morase beruht auf H« MO/KaaiU£: ne
morase vniti. Syntaktisch: ke ai sebi hila obljubila, pri keh' si tvoga
boga hiV zabil, pretrpi to oa i\ pokazu, proidcs ove muke, ti zali dusi
popadu me i vrgu me (als Futurum), zato li hudes imW' milost" boziju
neben to ti ne budes te muke trpHi. Vgl. noch to ca hi hilo o sp.asenii
nega dusi, gdo hi mu bil ca govoril, ako Li hotel boz'e telo prieti.
Für die Belesenheit in der kirchenslavischen Sprache desjenigen,
der diesen Text schrieb oder übersetzte, also in jedem Falle für den Ver-
fasser der ersten Vorlage, sprechen solche Beispiele: zac sada ne gres'
na jjvelJubodeistDo i 7ie Ijubod&es' (lateinisch: quare non adulteras?
quare non fornicaris? vgl. Eutstehimgsgeschichte ^ 360), ki naivece na
nega v7'azdovase (im lateinischen : qui ei magis insultabat), oder der Aus-
druck: 0 duse okaiCna, wo das Adjektiv okaii'na dem bekannten kirchen-
slavischen OKitiikHiüM entspricht, ebenso hvalen'e tasceslavno ist das
kirchenslavische T'KijjJCAaßkHO. Auch die Wendung odne ot sehe
oruzie erinnert stark an die kirchensl. Anwendung des Verbums OTATH,
vgl. bei loannes Exarchos im Sestodnev (Ch« JKe c« ärcriQ&ri ed. Bodj.
fol. 39c. Außer dem bereits oben erwähnten Zitat aus dem 90. Psalm,
vgl. noch ib. aus VersSuzrisi tnascenie, dem kirchenslavischen iij11iL|JEHH£
entsprechend, das eigentlich ey.dr/jjaig bedeutet, während hier alle Texte
K'KSA'^HHf für uvva;cüdooiQ schreiben. Der Ausdruck maicenie ist
in altkroatischen Texten (z. B. Vinodoler Statut) wohl bekannt, rührt
aber offenbar von der kirchenslavischen Ausdrucksweise her. Vgl. noch
ne takmOy und auch v tih' mucet se lastaci, das dem kirchenslavischen
AkCTki^H entspricht, vgl. mehrere Beispiele im akad. Wörterbuch 8. v.
. te .
Ovo e govorenie pravo i eiste ot dobroga viteza Dundula.
Na let hvih' c. k. z. bese drugo leto va vreme
krala Kondata cra rimskoga ratnago ki iinese
508 V. Jagic,
V to vreme rat' s' Erusolimom' a to bese leto ce-
trto da bese Ejnjenii papa v papstvo obljub-
len. I V tom' leti tako papa Eujenii vrati se
V Rim' ot" zemle galileiskie. I takoe v tom' leti
sti Malahie v mauastiri ki se imeniie Kvale il-
lis da se prestavi o sega sta. I to vidcnie be
videno v' ednom' gradu v metropolise i esta tu 2.
kralici izabrane v tom' gradu ki se zove Ardiuaka. pa-
ki ot poludau'e strani ibernie est' edan' grad' ki se
zove Knlazien'sis' is toga grada bil' est' edan'
muz" rodom' imenit' i glasit' imeuem' Dundul'. I
ta ck' bise vele proti boziei pravde i pln' za-
lih' der i bese vitez' ucinen' za volju negova
brumna hra'orstva, ere bese bitar' va ovoga sta
receb' a bese moc'an' v zivote da to ca bi bilo o s-
pasenii nega dusi. ob tom' nistr' ue marase i gdo b-
i mu bir ca govoril' o spasenii nega dnsi tomu
bese felik" neprietel". I ne hotise rad" k cr'kvi bod-
iti i ubozim' i nevolnim' tim' ne dadise uigdar' pre-
da se priti ni im' niednoga dobra ne cinase redovni-
ke i vse bozie sluzbenike tih' vsih' nenavid-
ese da piscace i trumbitare gudce te vazda o-
bilno dai'ovase i v svoei Ijubvi e imese i ca koli
imese, na ne stvacase. I sega sta diku Ijublase
i paki oholo v zlate i v srebre hoese, ere imise mnogo zla-
ta i srebra. I drnge stvari ot dike sega sta zac komu
koli gdnu sluzase, bise od onoga gdna vele Ijublen",
i darovan' za nega brumno vitezastvo. I tako ime-
se vele potrebnu drnzbu. I takoe imese mnogo prietel'
meju kimi prieteli negovimi bise mu edan' dlzan'
tri kone do roka i kada pride termin' posla k nemu za s-
pamecenie da bi mu dal' te tri kone. I bi edan" dan' po to-
m' roku da sam' svoim' kipom' ezdi k tomu prietelju i
kada k nemu pride bi lipo priet' kako ima prietel' pri-
etela prieti i prebi tu tri dni u nega veselec-
i se i pirujuci i tako govorahota o mnozeb mudrih'
receh' sega sta. I kada be treti dan' poce ga D-
undul' prositi toga dlga u toga prietela za
tri kone. A on' mu ne imise cim' on' trat' platiti tog-
a dlga a tada se ta Dundul' vitez' rasardi
i böte poiti tud'e te i slugam' zapoveda kone i
oruz'e pripraviti, a ta nega prietel' poce ga umi-
leno prositi, da bi mu od obeda nikamore ne sal' ho-
teci mu dobni volju naiti kako mudar ck' i tud'e mu
volju naide i odne ot sebe oruzic i osta pri obede.
Zur Visio Tuudali. 509
i kada sedose za obed' i pocese esti i tud'e posla b~
anjla svoga ki na rukah' Dundula rani velikoju bo-
lezniju tako da ne more niedne ruke k sebe prikrciti,
kako e bese na stol' protegnul' i poce vapiti Dundn-
r i singe negove i gospodar' oni takoe vzapise
s velikim' placem' i 3 veliku zalost'ju i ta gos-
podar' zapoveda va v'se zvoui zvoniti kako mrtvomu i ka-
ko slisase Ijudi te zvone zvoniti, kako mrtvacu, to se
sa vsega toga mesta stekose preprosti popi i
fratri. I vsi se smetose skozi tako glasovita
viteza. I kako pozua na sebe toliku bolezan' tud'e
preporuci tomu svomu prietela v koga bise na st-
anu, i ta bise takoe brnman' vitez' i zato mu napor-
uci svoe ornz'e i vsu svoju rec' govoreci hrani pri-
etelski te moe reci ere si cas' imam' nmreti. I
V ta cas' nega telo pade na zeuilju i be prez' du-
se i to endo videv'se vsi okolu stoeöi cudise
se kadi tako naglo be mrtav' tako krepak' vitez'
i vsi se zaloscahu okola nega placuci i ne vid-
uci ca uciniti. I tako leza bez duse nega t-
elo V sredu prvo pocansi pol' dne daze do sobote
i zato ga ne pokopase zac v livom' boku se cuese n-
ikoliko tepline. I po tom' znainenie cakahu Ijudi n-
iko evlenie. I po tom' est' vracena dusa negova v n-
ega telo. I kada be dusa opet' na svoem' nies-
te V nega tele 1 poce vele mledno vzdihati
za ednu uru i kada se vsi cudovahu i tecahu Iju-
di na veliko cudo, a on' poce nmileno pozirati s-
imo i tamo a ovi krst'ene ki okolu nega stahu,
ti ga pocese pitati, ako bi hotel' boz'e telo
prieti a on' nib' umileno prosase da bi mu dali bo-
zie telo. I kada pride redovnik', ispoveda mu se
i da mu bozie telo i poce hliti gdna isha t-
ako govoreci gi ishe ovo v istinu vernju da e veks-
a tvoe milost' nere moe sagresenie zalo i zato k-
ako koli esu strasne te muke i teske ke mi ukazal' e-
si i skrb' i bolezan' mnozih' pres cisla/i oice go-
spodine ozivil me esi i povratil me esi iz ov-
e glubine paklene gorucee. i I vse to ca pisu
zdola kakove mnke duse ccske trpehu ke videl' e-
sam' istin'no/i sopet boze istinni na si st'
povratil' me esi/i kada to izgovori na tom' mest-
e stvori svoi tistament' ot svoego blag-
a i vse e razda na prosvecenie crkvam' vdovica-
m' i sirotam' i na spital' i redovnikom' i nbozem'
510 V. Jagic,
hisnikom i nistare ne ostavi vsega blaga
svoga ner' vse da v boga ime ca koli imese i ot-
vrze se vsega imenie svoga ko imese ot seg-
a evlenie, a sam' poce od mala do velika pravi-
ü ca bise videl' i slisaF i ca bese pr-
etrper va tmah' preispodnih' i mukah' paklen-
ih' ot' devle sile i ot' anjla ki ga e vodil'
po mukah' i Naiprie ovo rece kada jure dusa moe b-
ese izasla is tela moga i videdi telo
mrtvo poce trepetati velikim' strahom'
i strasiti se spominajuci se na svoe pregres-
enie i ne videse ca uciniti i vele se stra-
sase ne viduci se ca domisliti ca bi ot
sebe ucinila, bila bi se rada sopet' v telo po-
vratiti ali nikakore ne morase vniti ere ime-
se grozan' strah' oda vsih' stran' i tako plac-
uci se i cvileci i trepecuci i tu pozrivsi v-
ide mnozastvo d'evlov' kako nocnu maglu k sebi
greduc'i sa vseh' stran' ne da bi ih' le samo
mesto plno, da vse ulice i vse strane bise
ih' plne i tu obstupise moju ubogu dusu
i rekose vspoimo toi necisto duse skrbnu i tuzna pe-
san' ere nei pristoi vecna pogibeF zac' e ta jur-
e nasa po ne zasluzenii i gotov' e noi vecni ogan'
kako est' jure od svetlosti odlucena vsake a zd-
rnzena est' s vecnimi v tamnost' I pristupi-
se k nei s veliku grozu i skrstahu svoimi zub-
i na nju i sami svoe lica derihu svoimi og-
nenimi noh'ti i govorahu noi • o necistivko zala
ovo SU ti Ijudi ke si sebi bila obljubila
za prietele tvoe pri keh si tvoga boga bil' za-
bil' i zato se imas' s nimi va ogni paklenom' mu-
citi i vecno gorenie trpeti ti si bila de-
latelnica vsakoga zla i Ijubitelnica
vseh' stvari ke mi Ijubimo o dase okan'na za-
c' se sada ne gizdas'? zac' sada ne gres' na prelju-
bodeistvo i ne Ijubodees' hodeci v tvoei velikoi
gizde mnogie device posla po zle svetu i m-
noge zakonne zene v greh' obrati i v nepoctenie
postavi 0 duse okanna kadi e sada tvoe EvTen'e
tasceslavno i tvoe veselie suet'nae Kadi su tvoi v-
eliki smehi kadi est' sada tvoe velika sila i
mec' tvoi mocne ruke ku si ti mnozih' ustrasil' zac'
tu jure ocima tvoima ne mores' simo i tamo i tu sada ne po-
stupis' gizdavo i ne govoris' prstom' kazuci sad-
Zur Vißio Tundali. 511
a nimas' zalih' i oholih' pomisleni v srci tvoem'
kako si obicai imel' ciniti va vsakoi zlobe i
neeistote i kada tako govorahu okolu nega pritecu-
ce d'evli i ondi vido ednoga mlada detida 1-
ipa obrazom' kako zvezda jutrnna i poce na nega gl-
edati umileno dusa dundulova nadeese se ot ne-
ga niko utesenie prieti kako ki ne viese ino nere
d'evle okol sebe a to bise anjel' bozi i negove du-
se are vsaki ck' ima pri sebi .b. anjla, .a. bozi a
drugi vrazi i kada se priblizi k nemu imenova ga
negovim' imenem' govore • zdrav' budi dundule ca tu
cinis' kada to slisa dusa dundulova da ga n-
egovim' imenem' vazva radostan' b veliku rados-
tiju rece o göre mani gospodine moi zac' me obidose
duae paklene i ese me mreze smrtne. i rece mu anjT
0 duse dundulova stoprve li me zoves' gospodinom'
i otcem' a imejuci me vazda pred soboju i nisi mi ni-
gdare takove reci rekal' a tada dusa dundulov-
a rekuci o moi gospodine kada sam' te e videla
all kada sam' ta glas' preslatki slisal-
a, a tada ei anjl' rece" e esam' vazda poli tebe
hodil' i kamo si se koli ti obrnuF i kada si sed-
er i er i pil', govorir, mlcal' i spal'
1 va vsako vrime nisam' bil' indi nere pred tobu i s
tobu a toi nigdare ne hote moga sta poslusati
I pokaza mu ednoga d'evla ki naivece na nega vra-
zdovase i rece mu anjl'" o dundule ovo e on' koga vo-
Iju ti esi cinil' vsagda a moju si za nemar' ime-
r da zato li budes' imel' milost' boziju ke t-
i nesi dostoen' po tvoei dobrote zac' moju volju
i zapoved' gdna ba tu si za nemar' pustil' a d'-
evljn volju tu si svrsil'. I zato drzi se dobr-
o i budi vesela zac' e esam' anjl' tvoi ki sam ti
sluzil' vazda v zivote tvoem', a sada pretrpi to
ca ti pokazu i ne zabudi zac' se imas' sopet' v te-
lo vratiti tvoe i tada dusa ustrasi se vele
mnogo 1 tada ostavi mrtvo telo is koga bise i-
zasla i pristupi blize k anjlu slisavsi i
videvsi d'evli ovo kako se ovo vesel'e davase
onoi duse ot anjla v'si d'evli ti nistar' ne mo-
gose uciniti protiv' toi dusi s velikim' kric-
em' pocese boga kleti govoreci, da ni bog' prav-
dan' ni istinan' da nam se ne da platiti nada v-
sakim' ki e proti nemu i kako nam' obecal' bese
i V toi zalosti vzdvigose se sami na se d'ev-
512 V. Jagic,
li i pocese edan' drugoga biti i kleti i oti-
dose t'e. I tu anjT poide naprid' i rece dusi po-
i za mnu a tada dusa rece" oime moi gospodine
pret-lat'ki ako e poidu za tobu ti zali dus-
i popadu me i vrgu me va vecni ogan' i rece ei
anjr ■ budi stanovita zac' esu v nas' vel-
e moc'neise stvari nego u nih' pökle e b s nami
gdo se more protiviti, ere kako david' prorok' vapie
V psalteri govore padut' od strani tvoee tis-
uci i tma o desnoju tvoeju ne pristupit' da zato o-
cima tvoima obrativsi se uzriai kade est'
mascenie nad vsemi gresuici osuenimi. I to
rek" ;mjr poide napied' a dusa za nim' i kada tako
dlgo idosta kupno ne imejuc'a niedne svetlosti ra-
zve toliko, koli bese ot anjla stlosti. I kada
pridosta k' ednomu veliku dolu i strasnomu i ta-
mnomu i bese vele strasno glubok'. I bise ta do-
r pln' goruca ogna i bise na tom' dolu pokriv-
alo zelezno i tlstota zelezna bese sest'
sat lakat' i ta zakrov' bese toliko ognen' d-
a nega gorkost' premag.ise vsu silu onoga ogn-
a koga bese pIn' on' strasni dolac' i na t' zakro-
v' mnozastvo dus' devli metahu i na nem' e pra-
zahu toliko dlgo dokle vse isahuehu kako cv-
et' ki e na nivi podrezan' I za vsega toga
da im' bese ovo veksa muka, da e skozi on' zakro-
v' i skozi ono pokrivalo ceehu one nevolne duse
i sire tako kako se vosk' cedi crez" rub' i paki se
tamo opet' va ogni obnavlahu vkup' k mukam' I ta mu-
ka nareena est' vsim' uboicam' ki su pricestnici ubi-
istvom' clovece smrti ne takmo ubieniem' ruke svo-
e da osc'e i ziem' potaknut'em' i po toi muke povedut' e va
vecni ogan' a ti si duse dundulova dovole krat' z-
alimi zakoni pricestnica clovecoi smrti. Da za is-
to ti ne budes' te muke trpeti kako ju svi trpe a to ni po
tvoim' zasluzeniju. Po tom' pridosta k' ednoi göre
veliki i vele strasni i puste i bese va onoi gori
edan' put' vele tesan' i bese od edne strane te göre
ogan" ki zveplom' gorise i vele tuzan' smrad' ides-
e ot toga og'na a z druge strane bese sneg' s ledo-
m' i vihar' preusilan'. I na toi gori bese mnozast-
vo d'evlov' [iregroznih' i strasnih" i ti d'evli se
imenovahu manigoldi i ondi strazahu na onoi gori
na noi cesti dus' cskih', ke imehu poiti prek' te gö-
re i ti d'evli imehu ognene vüe zelezne po sest'
Zur Visio Tundali. 513
rogal' na onih' vilah' kemi prognetahu duse o-
ne ke prek' te göre idehu. i tako e neboge metahu na on-
ih' roglih' te pretuzne duse i nevolne va on' pretu-
zni ogan' i goruci i paki po ednora' casi da e sopet
iz' ogna metahu v snezne i ledene muke i tako e na te
hipe preraetahu i dotle e nvucahu dokle bise gdnu
bogu ugodno i ondi rece anjl' o duse Dun'dulova ove ra-
nke ke vidisi, v tih' raucet se histaci, ki vazd-
a proti bogu mei sobu prebivaju v neveri i tako anjl
rece' proides ove muke poli moih' nog' a inako ne mores'
proiti. I po tom' minxiv'si te muke pridosta k' ednomu
silnomu dolu ghiboku i tamnu i necistu, koga d-
ola glubokosti ne raore progledati dusa dundulo-
va do dna razve toliko da edva morase slisati
glas' reke tekuöee v tora' dolu ka reka tecase ognenim' su-
nporom' i paklom' i sraolu gorucu, I on'di idese pregork-
i dreseli plac' ot dus' ke se v' noi mucahu, i ot tude ide-
se dim' 8 velikim' smradom' ot' te muke ta smrad'
bese toliko preotuzan' da vse muke ke bese pree vide-
r ta smrad' morase premoci. I tu bise prik' toga do-
la ot brega do brega edna brv' vuska za ednu nogu si-
rine, a ednu milju bese dlga hoditi i bfese ima poi-
ti prek' toga dola i vide dusa dundulova mnogo
dus' iduci po toj brvi prek' te glubokosti ke duse
se vse obalahu s te brvi i niedna ne more preiti
razve edan' redovnik' i vide mei onimi dusami mno-
ge razlike duse, ondi krali, ondi bani, ondi cesari,
ondi duzi, voevodi, knezi, ondi sud'ci, ondi muzi i ze-
ue mnoge, on'di junaci i device, ondi vdovice i vdo-
v'ci, ondi arhibiskupi i biakupi. I ondi vikari i ra-
nozi popi, ki su reda stga petra kim' est' rod' krs-
t'enski preporucen', da bi ga imeli naukom' nastre-
ti stoga pisma ko be nim' ostavleno od mnoze-
h' stih' otac' kern' be dano i nareeno duhom' stim'
a sada na vlastito popi sa st' vece Ijube ne-
re ini Ijudi. I za to nam' evlje kaze istoriju s-
vedocastva govoreci mnozi sut' zvani a malo
ih' izabranih'. I kada to vide dusa Dundulova,
poce se strasiti ne nadejuci se preiti prek' te br-
vi vuske a anjl bozi ki iju voese po tih' mukah' ta ju
tesase govoreci noi' ne raoi se —
V. J.
Archiv für slavisclie Philologie. XXXV. 33
Kritischer Anzeiger.
Emanuel Cosquin : 1. La Legende du Page de Sainte Elisa-
beth de Portugal et les nouveaux documents orientaux. (Extrait
de la Revue des questions historiques. Octobre 1912.) Paris 1912.
S. 47. — 2. Le Conte du Chat et de la Chandelle dans
l'Europe du raoyen age et en Orient. (Extrait de la Romanie.
T. XL. Paris 1912. S. 371— 430, 181— 531.) — 3. Les Mongoles
et leur pretendu role dans la transmission des coutes
indiens vers rOccident Europeen. Etüde de Folk-Lore
compare sur l'Introduction du »Siddhi-Kür« et le conte du >;Magi-
cien et son Apprenti*. (Extrait de la Revue des Traditions Popu-
laires. Annee 1912.) Niort 1913. S. 128.
Der ausgezeichnete französ. Märchenforscher verfolgt konsequent seine
These, die er in seiner epochalen Ausgabe der lothringischen Märchen und dann
in polemischen Broschüren verteidigt hat, daß der indische Orient die Haupt-
quelle unserer europäischen Märchen sei, und dieses Ziel haben auch seineMono-
graphien über einzelne MärchenstolFe. In der ersten Schrift wirft er Alexan-
der Wesselofsky vor, daß er in seinem Aufsatze »Le Dit de l'empereur Con-
stant« fRomania VI) vorzeitig die Meinung ausgesprochen hat, es sei die
Verbindung der Reise zur Sonne mit dem unterschobenen Brief (Grimm,
KHM. Nr. 29) in Europa durchgeführt worden und fügt hinzu (S. 38): »Es ist
immer gefährlich, in volkskundlichen Studien zu urteilen, daß ein Thema oder
eine Kombination von Themen im Oriente nicht existiert. Wissen Sie, ob
nicht morgen eine unerwartete Entdeckung — oder vielmehr, die immer er-
wartet werden muß — Sie zam Widerruf zwingen würde? In dem gegen-
wärtigen Fall kann schon bemerkt werden, daß das Thema des zweiten Teiles
(die Reise zu einem übernatürlichen Wesen mit den ihm vorzulegenden Fragen)
ganz und gar indisch ist. Und es wird nicht überraschend sein, wenn in einer
für den Augenblick unbekannten indischen Erzählung dieses Thema mit dem,
gleichfalls ganz indischen, Thema des ersten Teiles (der unterschobene Briefj
verbunden sein wird, und daß aus Indien die ganze fertige Kombination bei-
der Themen nach Europa übergegangen ist . . . Wir wollen nicht aufhören zu
E. Cosquien, Drei folkloristische Beiträge, angez. v. Polivka. 515
wiederholen: in diesem unermeßlichen Indien ist der Schatz der überlieferten
Erzählungen kaum angebrochen. Wer kann sagen, was er enthält und was
er nicht enthält? . . .■^ Und am Schluß dieser Schrift (S. 46) lesen wir, wie die
allseitigen Erforschungen dieses Stoffes und seiner einzelnen Motive immer
nach Indien geführt haben, nicht nach einem in den dichten Nebeln der unzu-
gänglichen Urgeschichte verlorenen Indien, sondern in ein historisches Indien,
welches nach dem Westen durch den persischen Kanal und nach der Erobe-
rung Persiens durch die islamitische Überflutung; nach dem Osten durch die
Verbreitung des Brahmanismus und des Buddhismus in Indo-China; gegen
den Norden durch die buddhistische Propaganda in China, Tibet, Mongolei,
in der ganzen alten Welt und noch weiter (z. B. nach Indonesien) die Über-
lieferungsprodukte einer unvergleichlichen Schöpfungskraft ausgeführt hat«.
Es ist demnach gewissermaßen Hauptzweck Cosquins, die indischen
Quellen und Vorlagen europäischer mittelalterlicher und volksmündlicher
Erzählungen nachzuweisen, unsere europäischen Erzählungen auf ihre indi-
schen Vorlagen zurückzuführen. Natürlich muß da auch der Weg gezeigt
werden, auf welchem die indischen Erzählungen zu den europäischen Völkern
besonders des Südwestens und Westens vordrangen. Aber in eine Geschichte
der Erzählungen in Europa selbst läßt sich der Verfasser nicht mehr ein. Die
slavische Märchenwelt war ihm nur in Übersetzungen zugänglich, erst in den
beiden anderen Arbeiten vermochte er sich auch ursprüngliches slawisches
Material zu verschaffen. Jedoch die den Slawisten in erster Reihe interes-
sierenden Fragen von dem Verhältnis der slawischen Märchen einerseits zu
dem europäischen Westen, andererseits zu dem Orient werden in Cosquins
Studien höchstens indirekt berührt. Sie lagen außer dem Studienbereich und
außer dem Studienzwecke des französischen Gelehrten. Doch bei der über-
aus starken Heranziehung der mittelalterlichen erzählenden Literatur und be-
sonders bei der souveränen Beherrschung der orientalischen Märchenschätze
sind diese Studien von höchstem Werte für den Forscher der slawischen
Volksüberlieferungen. Auch in methodologischer Hinsicht hat der angehende
Gelehrte viel zu lernen aus dem festen, systematischen Aufbau der Studien
Cosquins. Und so sollen sie auch in einer slawistischen Revue besprochen
werden.
In dem ersten Aufsatze über die Legende vom Pagen der hl. Elisabeth
von Portugal wird das grundlegende Motiv besprochen: der von einem Neider
verleumdete Page wird von dem Könige zu den Kalkbrennern geschickt, um
in den Ofen geworfen zu werden, hält sich am Wege in einer Kirche auf, um
die Messe zu hören, währenddem wird der Verleumder zu denKnlkbrennern ge-
schickt nachzufragen, ob sein Befehl ausgeführt sei, und dieser wird als der
zuerst Angekommene in den Ofen geworfen. Dieses Motiv wiederholt sich
in verschiedenen Variationen und wird mit anderen Motiven verbunden: Der
den Tod des Boten befehlende Brief wird von einer anderen Person ohne
Wissen des Boten mit einem anderen Brief umgetauscht, in dem die Heirat
des Boten mit der Tochter des Absenders anbefohlen wird. Cosquin zitierte
(S. 1 1) nach dem Aufsatze von Wesselofsky (aus dem Märchen Afanasjevs,
nun in der 3. Aufl. II, S. 239 Nr. 173^ aus dem Gouv. Nizegorod), daß der reiche
33*
516 Kritischer Anzeiger.
Kaufmann Marko seiner Frau den Jungen mit einem Brief schickte, wo er
befahl, ihn in seine Seifenfabrik zu führen und dort in einen großen sieden-
den Kessel zu stoßen, und findet hier einen Zusammenhang mit dem Orien-
talen Motive. Nun sind russische, und überhaupt ost- und südosteuropäische
Versionen des Märchens vom reichen Marko, wo er seinen Schwiegersohn
nicht um die drei goldenen Haare des Teufels schickt (Grimm, KHM. Nr. 29),
sondern wo er ihn auf die gleiche Weise umbringen will, sehr zahlreich. In
der Version aus dem Gouv. Tomsk (Zapiski Krasnojarsk. 2, lih) wurde der
Umtausch des Briefes ganz vergessen , der Kaufmann verheiratete selbst den
Jungen mit seiner Tochter, ohne ihn erkannt zu haben ; erst später erkannte
er ihn, und so schickte er ihn in die Seifensiederei; doch ein alter Mann be-
gegnet dem Jungen, macht ihn auf die ihm drohende Gefahr aufmerksam und
schickt ihn spazieren. Nach einer Weile geht der Reiche selbst hin nachzu-
schauen und wird von den Arbeitern in den Kessel geworfen. In der Version
aus dem Gouv. Wologda (Ivanickij 199 Nr. 28) ist der Briefumtausch erhalten,
die Verwechslung des Fabriksherrn mit dem Schwiegersohn wird dadurch
verständlicher gemacht, daß er in der Nacht in die Fabrik gehen soll, und der
Schwiegervater um Mitternacht nachsehen kommt. Ahnlich in der Version
aus dem Gouv. Archangelsk (Oncukov 87 Nr. 28), wo statt der Seifensiederei
eine Salzsiederei vorkommt ; der Inhalt des Uriasbriefes war ähnlich wie bei
Afanasjev Nr. 17.3». In der Version aus dem Gouv. Olonetz (Oncukov 353
Nr. 148) ist es eine Pechsiederei, der Brief hatte die entsprechende Weisung,
der Schwiegersohn schickt selbst den ihm bekannten Befehl den Pechsiedern,
wie ein Mann kommt, ihn in die Pechgrube zu werfen. Es kommt hier auf
seiner Rückkehr der Zar-Schwiegervater selbst, in die Kleidung seines Kut-
schers umgekleidet. In der Version aus dem Gouv. Tambow (Afanasjev ^ II,
242 Nr. 173b) goU der Schwiegersohn in der Nacht von den Fabriksarbeitern
in die Glut geworfen werden, von seiner Frau zurückgehalten, Marko geht
vor Sonnenaufgang nachsehen und kommt um. Ahnlicher der Legende vom
Pagen der hl. Elisabeth und der malaischen Sage (S. 13) ist die Version aus
dem Gouv. Smolensk (Dobrovoljskij 1, 294): der mit dem Brief in die Fabrik
geschickte Junge geht vorher in die Kirche beten und übergibt den Brief
einem andern »bekannten« Mann. Er wird zum zweiten Male hingeschickt,
geht wieder in die Kirche, der Kaufmann geht, von Ungeduld getrieben, nach-
sehen und wird in den siedenden Kessel geworfen. In der Version aus dem
Gouv. Mogilew (Romanov 3, 337 Nr. 81) wird der Kaufmann statt des Schwie-
gersohnes in der Nacht in den Weinbrennerkessel geworfen, gleichfalls in
einer anderen großrussischen Version (Afanasjev, Legendy S. XXVIII). In
anderen weißrussischen Versionen aus dem Gouv. Minsk (Karlowicz 107,
Nr. 75, Materyaly Kom. jczyk. 2, 111) und Gouv. Grodno (Federowski II, 313
Nr. 344) läßt Marko eine tiefe Grube graben und befiehlt den Leuten, wer am
frühesten kommt, den sollen sie hineinwerfen und verschütten. Die Klein-
russen des Gouv. Charkow kenneu auch diese Fassung (Etnogral. Obozr. VII,
82—83), in einer Version wird gleichfalls der ungeduldig in der Nacht nach-
sehende Marko von den Weinbrennern in einen siedenden Kessel geworfen
von den Arbeitern, in einer anderen von den Teufeln, mit denen Marko um-
E. Cosquin, Drei tblkloristische Beiträge, angez. v. Polivka. 517
ging. In der lettischen Version aus dem Gouv. Kurland (Treuland 184 Nr. 1 1 1)
soll der erste, der in der Frühe ins Brauhaus kommt, in den siedenden Kessel
geworfen werden, in einer anderen ans dem Gouv. Witebsk', Bez. Lucyn
(Weryho 38 Nr. 5) wird auf Befehl des »Generals« derjenige in ein am Feld
eigens angemachtes Feuer geworfen, der um Mitternacht hinkommt. Zwei
litauische Märchen aus dem Gouv. Kowno (Dowqjna Sylwestrowicz I, 349,
II, 112) haben denselben Schluß wie Treuland Nr. 111, ein anderes (ebd. 1, 55)
wie Karlowicz Nr. 75 u. a. Diesen Schluß hat noch eine polnische Version
aus den Beskiden Zbior V, 217. — In der westbulgarischen Erzählung Kaca-
novskij 553 und ebenso serbisch Zs. Karadzic 3, 110 = Brastvo XII — XIII,
138 kommt der eigene Sohn des Reichen statt dessen Schwiegersohn um, von
den Hirten und deren Hunden umgebracht, als er drei Widder bringen sollte.
Abweichend ist eine andere bulgarische Version Sbornik min. VI, llü Nr. 2:
der reiche Kaufmann hat bestimmt, daß die Diener den Schwiegersohn er-
schießen, wenn er Abends um Wein geht; der verbarg sich auf den Rat seiner
Frau wo andershin, der Kaufmann ging selbst dorthin, als es ihm zu lange
dauerte und wurde erschossen. In einer Fassung aus Mazedonien ebd. VII,
175 und ähnlich in einer serbischen Vojinovic 105 Nr. 14 wurde der Kaufinann
selbst von den Leuten in den Brunnen gestoßen, da seine Tochter ihren lieb-
gewonnenen Mann nicht wegließ. Eine nordbulgarische Fassung Marinov Ziva
Star. I, 29 erzählt, daß der Kaufmann die Leute beredete, seinen Schwieger-
sohn in der Nacht auf der Wiese zu erschlagen und wurde selbst von ihnen
erschlagen, als er nachsehen ging. Im kroatischen Märchen aus Slawonien findet
der Todschlag in einem Weingarten statt (Zbornik nar. ziv.jslav. XII, 141
Nr.29) wie in dem griechischen Märchen bei Hahn 1, 162 Nr. 20. In einer sonst
ziemlich abweichenden kroatischeuFassungbeiKraußll, 113 Nr. 64 wurde der
Fuhrmann anstatt des Jünglings in den Bräukessel geworfen, wie in lettischen
und litauischen Märchen bei Treuland Nr. 11 u. a. Diesen Abschluß der Er-
zählung finden wir natürlich auch bei den kaukasischen Völkerstämmen, so bei
den Imeretinern (Sbornik Kavkaz. XIX, Abt. 2 S. 66 Nr. 8): Der Schwiegersohn
soll in der Nacht zu den Kalkbrennern geschickt werden, so befiehlt es der
Reiche seiner Tochter, jedoch diese vergaß den Befehl auszuführen, sagte
aber dem Vater, sie hätte ihn schon längst geschickt. In anderen kaukasischen
Fassungen ist dieses Motiv weggefallen, der Reiche hat sich dem Ausspruch
des Schicksals unterworfen. Es ist gewiß bezeichnend, daß sich dieses Motiv
ziemlich stark erhalten hat, aber die Abwendung des Verderbens vom Helden
wird fast überall anders begründet, sein Aufenthalt in einer Kirche kommt
sehr selten vor, gerade das Motiv, auf welches Cosquin so viel Nachdruck
legt. Eine detaillierte Untersuchung dieses und verwandter Motive kann in
dem Rahmen einer Anzeige nicht durchgeführt werden, und soll einer speziellen
Studie über diesen Märchenstoflf vorbehalten bleiben. Wir wollen hier nur die
Wichtigkeit der slavischen, besonders der ost- und südslavischen Fassungen
für die vergleichende Mäichenkunde betonen. Sie lernen uns bestimmter die
Verbreitung und wohl auch den Weg der Wanderung der einzelnen Stoffe und
Motive bestimmen.
Das Verhältnis dieser einzelnen Fassungen, ihr Zusammenhang ist um
518 Kritischer Anzeiger.
so schwieriger zu bestimmen, da eine ungemein große Zeit zwischen ihren
Niederschriften besteht, und dieses Mißverhältnis kann selbst die scharfsin-
nigste Analyse der neueren Orientalen Texte nicht beseitigen, auch wenn sie
zahlreicher wären als sie bisher sind. Auf deren geringe Anzahl weist auch
Cosquin hin, und schiebt daher die Lösung der Frage von dem Ursprünge der
Erzählung auf. (S. 22.)
Im weiteren Verlauf seiner Arbeit untersucht Cosquin das Motiv vom
unterschobenen Brief und hierbei den schon erwähnten Stoff vom reichen
Marko (S. 21 ff.). Er unterscheidet drei Gruppen, je nachdem der reiche Kauf-
mann (König) einen Sohn und eine Tochter, oder nui* eine Tochter, oder nur
einen Sohn hat, faßt jedoch die beiden ersten zusammen. Ich würde diesen
Umständen keine prinzipielle Bedeutung zuschreiben, wie überhaupt dem, ob
statt des Schwiegersohnes der Vater oder dessen eigener Sohn in der jenem
gelegten Schlinge umkommt. Cosquin analysiert drei alte indische Fassungen,
die europäischen mittelalterlichen, die koptische. Er bemerkte, daß die west-
europäischen Fassungen des XII. — Xlll.Jhs. und die griechisch-byzantinischen
Legenden sogleich nach der Geschichte mit dem unterschobenen Brief schließen.
Dieser Schluß fehlt vielfach begründet durch die Überzeugung von der Unab-
wendbarkeit des Schicksals wie in den kaukasischen und anderen Fassungen,
und es könnte die Frage von der Ursprünglichkeit der Kombination beider
Motive aufgeworfen werden, trotzdem sie im indischen Oriente schon in früher
Zeit belegt ist (S. 35). Sehr wichtig ist die Einleitung der mittelalterlichen
westeuropäischen Erzählung wie der koptischen, in welcher der Reiche un-
willkürlich Zeuge dessen ist, wie dem neugeborenen Kinde die Zukunft auf
geheimnisvolle übernatürliche Weise verheißen wird; es ist dies ein Zug, der
besonders in den slavischen Fassungen sehr häufig ist und wohl auch als recht
ursprünglich gelten kann, den die indischen Versionen anders, vielleicht ver-
derbt, wiedergeben.
Cosquin berührt noch die Fassungen dieses Märchens, für welches ein ande-
rer Schluß typisch ist, nämlich die Heise zur Sonne, zu einem übernatürlichen
Wesen um dessen drei Haare u. a. Nach den nun in den Anmerkungen zu den
KHM. der Brüder Grimm I, 282ff. zusammengestellten Zitaten ist diese Kombina-
tion nur auf Europa beschränkt. Das ist, bis auf weitere Funde freilich, eine
unwiderlegte Tatsache, und damit ist zu rechnen. Mag auch der zweite Teil, die
Reise zu einem übernatürlichen Wesen, »ganz indisch« sein, so haben wir
keinen festen Anhaltspunkt für einen Orientalen indischen Ursprung dieser
Kombination. Die von Cosquin erwähnte kabylische Erzählung (S. 39) hat
das Motiv vom umgetauschten Brief und dem Verderben des Neidischen mit
einem anderen Stoff' von Recht und Unrecht verbunden, und beweist nichts
in dieser Frage, wenn es nun auch in Indien bereits für die ältere Zeit be-
legt ist.
Die Erzählung vom Kater und dem Leuchter machte Cosquin zum Gegen-
stand seiner zweiten Abhandlung und zum Ausgangspunkte von Unter-
suchungen anderer Motive. In dem mittelalterlichen Büchlein demonstriert
Markolf die Richtigkeit des Satzes , daß die Natur stärker als die Erziehung
ist, an Salomons Kater, der jeden Abend den Leuchter in seinen Krallen
E. Cosquin, Drei folkloristlsche Beiträge, angez. v. Polivka. 519
hielt; er ließ drei Mäiiso los, nach der dritten sprang der Kater, nachdem er
den Leuchter fallen gelassen. Auch außer diesem Büchlein wird die Ge-
schichte als Illustration des Satzes »plus valere naturam quam nutrituram«
wiedergegeben in Frankreich und Deutschland bis ins XVI. Jahrh.; aus der
polnischen Übersetzung des Büchleins von Salomo und Markolf (gedruckt
1521) drang es bis in eine russische Bearbeitung der Legende von Salomo und
Kitovras etwa im XVII. Jahrh. Aus der Literatur drang es stellenweise in
die Volksüberliefernng, wenigstens aus Oldenburg und der Schweiz sind deren
Wiedergaben bekannt. Episodenweise drang sie im Orient, in Indien, Ceylon,
Indochina, Palestina, China, im Süden des Kaukasus, in Tunis in verschie-
dene Erzählungen ein, und außerdem noch bei den siebenbürgischen Rumänen.
Da hat der den Leuchter tragende Kater eine ganz spezielle Aufgabe, dem
falschen Spieler beizustehen, bei einer ungünstigen Wendung der Schachpartie
den Leuchter fallen zu lassen , der Gegner verliert die Partie und wird dann
aus dem Gefängnis vom Bruder oder häufiger von seiner Frau gerettet, die
mit Hilfe der mitgebrachten Mäuse bewirkt, daß der Kater seine Pflicht ver-
gißt. Es sind das stofflich verschiedene Erzählungen, deren jede ihre eigene
Geschichte hat. So wird die Aufgabe des gelehrten Forschers noch schwie-
rieger und komplizierter, besonders da Cosquin den indischen Ursprung nicht
bloß der erwähnten Erzählung, sondern aller der Erzählungen nachzuweisen
bestrebt ist, in welche sie episodenweise eingeschaltet ist. So besonders wird
die tuniäische Erzählung untersucht, in welchem die Geschichte vom Kater
und dem Leuchter mit dem Stoffe von der treuen Frau verflochten ist, welche
die zudringlichen Verehrer überlistet, in Kästen einsperrt und so der Strafe
oder dem Spotte übergibt. Vgl. meine Bemerkungen zu den Kubinschen Er-
zählungen aus der GlatzII Nr. 91 in der Beilage des Närodopisny Vestnik VIII,
HeftT— 8, S.273. Für ursprünglicher und reiner hält Cosquin die rumänische
Fassung, beide, diese und die tunisische, gehen nach seiner Darlegung (S.515)
ans einer gemeinsamen Vorlage hervor, zu den Rumänen drang sie durch tür-
kische, nach Tunis durch arabische Vermittlung, und weiter durch persische
Vermittlung aus Indien. Die Wahrscheinlichkeit solcher Meinungen würde
natürlich am besten dargelegt sein, wenn eine solche persische Fassung be-
kannt werden würde. Cosquin erwähnte die von Lucian und vom hl. Grego-
rius verzeichnete Erzählung von Affen, die als Menschen gekleidet, wie Men-
schen tanzten, aber sogleich auf alles vergaßen, als ihnen jemand Nüese
zuwarf. Die Grundidee ist hier wohl dieselbe wie in der im europäischen
Mittelalter beliebten Erzählung, aber es sind das verschiedene Erzählungen.
Cosquin betoute die grundlegende Ansicht bei der Erforschung des Ursprungs
und der Wanderung unserer Erzählungen, wo er sich diametral von den An-
hängern der sog. anthropologischen Schule unterscheidet: es sind nicht die
grundlegenden Ideen, auf denen die Erzählungen aufgebaut sind, sondern der
Stoff und die Form, in welcher sie erzählt werden . . . »c'est aussi les agence-
ments particuliers, les enchässements divers de ces idees ayant pris corps; en
un mot, ce n'est pas l'abstrait, c'est le concret« (S. 517).
Cosquin versucht zu beweisen, daß diese Geschichte des westeuropäi-
schen Büchleins von Salomon und Markolf indischen Ursprungs ist, wie auch
520 Kritischer Anzeiger.
noch andere Motive, die da vorkommen: Salomon sieht nach, ob Markolf auf
Wache steht, und sucht zu erfahren, was er sich denke: dazu führt er einige
ganz gleiche indische Fassungen aus der alten Zeit an, aus einer Sammlung
des XII. Jahrh. (S. 517), aus der tibetschen buddhistischen Sammlung Kan-
dzur, worauf seinerzeit schon Wesselofsky aufmerksam gemacht hat. Die
Fragen und Antworten Salomon und Markolf »wo ist dein Vater?«, »wo ist
deine Mutter?« werden ebenfalls aus dem Kandzur und aus neueren indischen
Erzählungen belegt (S. 522).
Cosquin bespricht in dieser Abhandlung auch Fragen, die nur indirekt
mit dem Hauptthema zusammenhängen. Die Aufsätze hierüber teilte er in
eigene »Exkurse«, welche oftmals die Darlegung des eigentlichen Themas
unterbrechen und der Übersichtlichkeit seiner Schrift recht abträglich sind.
Der erste Exkurs ist streng literarisch-historisch. Der Verfasser unter-
sucht das Büchlein von Salomo und Markolf (S. 374—392, 529—531); er er-
blickt darin zwei ursprünglich selbständige Teile, die später recht äußerlich
verbunden wurden, und zwar an der Scheide des XIV. und XV. Jahrb.; der
erste Teil, der Dialog zwischen Salomo und Markolf ist wohl sehr alt, vom
zweiten Teil läßt sich nichts bestimmtes sagen; der Verfasser ist geneigt,
ihren Ursprung eher auf deutschen Boden zu verlegen, als auf den ge-
mischten romanisch-germanischen, nach Flandern, wie seinerzeit Karl Hof-
mann meinte. Die beiden anderen Exkurse sind wieder stoffwissenschaftlich:
im zweiten (S. 425—430) wird das Motiv von der Narbe am Kopfe besprochen,
nachdem der Held die Schwester oder die vom Schicksal vorbestimmte Frau
erkennt. Der dritte ausführlichste Exkurs (S. 486—506) ist dem vielbespro-
chenen Stoife von der tugendhaften Frau und ihren zudringlichen Verehrern
gewidmet. Hier wendete sich Cosquin scharf gegen den »Hyperkritizismus«
Jos. Bediers, der, wie bekannt, seinerzeit am energischesten gegen die Haupt-
thesen Cosquins auftrat. Cosquin versucht gegen Bedior von neuem den in-
dischen Ursprung dieses Stoffes, wie er im altfranzösischen Fabliau Constant
du Hamel bearbeitet wurde, zu beweisen, es sei ein >Zweig am Aste des indi-
schen Baumes, den wir im Garten des Folklores die ,tugendhafte Frau und
die Liebhaber' nennen können« (S. 5üO), ja sogar die »antiklerikale Tendenz«
dieses Gedichtes mit der widrigen Rolle, die da der Dorfpfarrer spielt, wird
mit Hinweis auf die verwandten indischen und arabischen Erzählungen als
»ganz indisch, ganz orientalisch« erklärt (S. 498).
Zum Gegenstand gründlicher Studien machte Cosquin in der dritten Ab-
handlung den im Orient und in ganz Europa stark verbreiteten Märchenstoflf
»Der Zauberer und sein Lehrling« oder »De Gaudeif un sien Meester«, wie
das Grimmsche Märchen Nr. 68 betitelt ist. Schon Benfey hat sich mit diesem
Stoff in seinem epochalen Werke beschäftigt, nach ihm andere, unter anderen
hat auch der Referent im Sbornik za nar. umotvor. Bd. XV dessen slavische
und andere Fassungen zusammengestellt und verglichen. Cosquin bindet an
die Ausführungen Benfeys an und weist die von diesem den Mongolen zuge-
schriebene Vermittlerrolle der indischen Erzählungen nach Westen zurück.
Er verglich zuerst die Erzählung des mongolischen Siddhi-Kür mit den indi-
schen Fassungen, die Benfey noch nicht zugänglich waren (S. 9—27). Hieran
E. Cosquin, Drei folkloristisehe Beiträge, angez. v. Polivka. 521
wird die Analyse der außerhalb Indiens erzählten Fassungen angeknüpft und
durch eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Motive gezeigt, daß sie
sich alle auf die indischen Erzählungen, nicht auf die mongolische zurück-
führen lassen. Der Verfasser geht von einer bisher unbekannten französischen
Fassung aus dem Gebiete der oberen Loire aus und untersucht die einzelnen
Motive: 1. der vom Zauberer verwandelte Knabe soll vom Vater erkannt
werden (S. 31); 2. der Zauberer erscheint dem Vater , wenn er laut aufächzte
>Och« (S. 39); 3. der Knabe ist vor der Geburt dem Zauberer versprochen (S. 50);
4. der Knabe sucht einenDienst und findet ihn bei dem Zauberer (S. 52); 5. der
Knabe tritt als Lehrling zu dem Zauberer, um eine Prinzessin heiraten zu
können (S. 53). Die Motive 2—5 sind verschiedene Einleitungsformeln, nach
denen die einzelnen Fassungen des Märchens bestimmt werden könnten, und
deren geographische Verbreitung sich verhältnismäßig genau bestimmen ließe.
»Och« kommt im russischen Osten und Südwesten vor, in Bessarabieu, Bulga-
rien, Süd-Mazedonien, am Kaukasus bei den Gebirgsawaren , in Griechenland
und in Sizilien. Daß dieses Wesen als ein Neger geschildert, Araber genannt
wird, ist ein gemeinsamer Zug der balkanischen Fassungen, und es ist be-
kannt, wie stark verbreitet diese typische Gestalt in der südslavischen Volks-
poesie ist. Cosquin hebt noch eine andere Beschreibung dieser Eiesengestalt
hervor in den türkischen, griechischen, indischen und in der tatarischen Fas-
sung aus dem südlichen Sibirien: die eine Lippe kehrt die Erde, die andere
den Himmel. Ahnlich , ja noch phantastischer werden andere Märchengestalten
beschrieben, so z. B. im Märchen der nördlichen Burjaten erwartete das Riesen-
mädchen den Feind: >sie legte sich auf dieErde, mit dem unteren Kinnbacken
sich auf die Erde stützend, mit dem oberen Kinnbacken den hohen Himmel
unterstützend. So fing sie, den Mund geöffnet in sich zu ziehen und zu ver-
schlingen aus einer drei Tage und Nächte weiten Entfernung. Abaj-Geser-
Bogdo-Chan ritt, ritt und begann sich zu nähern. Da fiel er in diesen Zug,
konnte nicht widerstehen, wurde wie eine Feder leicht, flog direkt in den
Mund der ältesten Schwester Euchebe . . .« (Changalov Balaganskij Sbornik
5. 17), Ganz ähnlich begegnete die alte Eme-Chara die Besieger ihrer Söhne
(ebd. S. 113), und ein anderer Riese die Widersacher (ebd. S. 143). In einer
weißrussischen Fassung des Märchens vom Kampfe mit den Drachen unter
der Brücke (RomanovVI, 2521 wartet die Mutter der überwundenen Drachen
auf den Helden, öffnet den Mund, den einen Kinnbacken stellt sie auf dieErde,
den anderen unter den Himmel, und wartet, die Helden werden ihr in den
Mund hineinreiten, und sie wird sie verschlingen ; der Held rettet sich , daß er
bis unter den Himmel emporspringt und den oberen Teil abhaut. In einem
lettischen Märchen begegnet der Held die älteste Tochter der Hexe als
Schwein mit einem von der Erde bis zum Himmel geöffneten Rachen (Weryho
31). In einem großrussischen Märchen bei Afanasjev Nr. 92 (I, 215) blies sich
die Schwester der ermordeten drei Drachen auf, wurde eine fürchterliche
Löwin, sperrte d n Rachen auf und verschlang ganz den Prinzen.
Das weitere Einleitungsmotiv : der Knabe ist dem Zauberer vor der Geburt
versprochen, floß gewiß sekundär mit diesem Stoffe zusammen ; er ist mit ande-
ren Stoffen häufiger und viel organischer verbunden, wenn er auch in verschie-
522 Kritischer Anzeiger.
denen Fassungen derSantalen in Indien, der Syrier, Araber in Egypten und in
einer griechischen vorkommt. In Mittel- und Westeuropa bis in die untere
Bretagne und nach Island ist die Einleitung verbreitet, wo der Knabe, nachdem
er die Kenntnis der Schrift geleugnet, in die Dienste des Zauberers tritt. Die
zuletzt erwähnte Einleitung kommt hauptsächlich in Orientalen Fassungen
und in den orientalem Einflüsse unterliegenden Fassungen vor, wie in der
bosnischen ;S. 56), eine verderbte Spur davon ist in der toskanischen Fassung
(S. 58). Die besonders in Nordafrika verbreiteten bilden durch ihren ganzen
Verlauf eine eigene Gruppe (S. 58flf.); da wird der Zauberlehrling Schwieger-
sohn des Königs, nachdem er Wunder über Wunder vollbracht hat; hier ist
auch dieser Stotf mit dem Hauptmotiv des Aladdinstofifes zusammeugeflossen
(S. 70). Cosquin sagt gewiß mit Recht (S. 71), daß es ein späteres sekundäres
Gebilde ist, aber es komme auch in Indien vor. Aber die angeführte indische
Fassung hat doch nicht soviel gemeinsames mit den uordafrikanischen Fas-
sungen, daß ein genetisches Verhältnis zwischen ihnen angenommen werden
könnte.
Weiter werden andere in der Entwicklung der Handlung wichtige Motive
analysiert: 6. dem Lehrling steht mit Rat und Hilfe eine weibliche Person bei,
und nur auf diese Weise rettet der Knabe sein Leben vor den Anschlägen des
Meisters; es wird ihm geraten, sich unwissend und unfähig zu stellen und hier
zeigt sich ein Zusammenhang mit der Einleitungsformel 3, die im westlichen
und nordwestlichen Europa verbreitet ist.
Am wichtigsten und interessantesten und für diesen Stoff charakte-
ristisch ist derKampf in Verwandlungen. Diese Verwandlungen, die so häufig
in den Märchen aller Völker sind, werden gründlich untersucht ;S. 77 ff.). Hier
besonders — meint Cosquin — zeigt es sich, in welchen Grenzen die wunder-
lichen Gebilde der indischen Schöpfungskraft von der europäischen »menta-
lite« aufgenommen werden konnten.
Cosquin hat in seine Ausführungen in reichlichem Maße — mehr als in
seinen anderen Studien — die slawischen Volksiiberlieferungen aufgenommen,
freilich nicht gleicherweise, einige vollständiger, die ihm in französischer, eng-
lischer oder deutscher Übersetzung zugänglich waren , von anderen hatte er
bloße Auszüge, Bemerkungen und die werden nur bei einigen wichtigen Mo-
tiven, besonders im Absätze über die Metamorphosen angeführt. Als Kurio-
sität merkte er an (S. 95), daß der Zauberer der norwegischen Fassung sich
Bonde Veirsky (»Paysan Nuage du temps«) nennt und in der kleinrussischen
Fassung aus Nordungarn Honychmarnyk (was er »Chasseiir desNuages« über-
setzt). An einen Zusammenhang dieser beiden Fassungen denkt er natürlich
nicht, doch ist hier zu bemerken, daß der Name des kleinrussischen Zauberers
in den Traditionen der Kleinrussen begründet ist, da die Zauberer Macht über
die Gewitterwolken, den Hagelschlag haben (vgl. Etnograf. Zbirnyk Bd 'di,
S. XX, 219 ff.).
Die literarischen Bearbeitungen des Märchens werden in einem selbstän-
digen Kapitel untersucht (S. 107 ff.), der »Vierzig Vesiere«, die Episode vom
Kampf in Metamorphosen in >Tausend und eine Nacht <;, die keltische Erzäh-
lung aus dem Jahre 1849 — nach der Darlegung Cosquins S. 113) lehnte sich
E. Cosquin, Drei folkloristische Beiträge, angez. v. Polivka. 523
deren Verfasser uiclit an Tausend und eine Nacht, sondern kannte wahrschein-
lich eine solche Volkserzählnng — und endlich Straporolas Bearbeitung, deren
Einfluß auf die Volkserzählungen entschieden bestritten wiid. Auch die Frage
von den Spuren dieses Stoffes bei den griechischen Autoren und bei Ovid
wird berührt (S. 115) und Cosquin spricht sich sehr scharf gegen Zielinskis
Ansicht aus. Er bestreitet nicht, daß die antike Geschichte mit dem Märchen
vom Zauberer und seinem Lehrling in dem Motiv vom Verkauf einer in ver-
schiedene Tiere sich verwandelnden Person übereinstimmt, aber wenn auch
dieses Motiv hellenischen Ursprungs wäre , so folgt daraus nicht , daß des-
selben Ursprungs die ganze Erzählung wäre. Im Gegenteil, die Verbindung
und Kombinierung dieser verschiedenen Motive wurde iu Indien durchgeführt.
Cosquin spricht hier einen wichtigen Satz aus »Es ist nicht unmöglich, daß in
diese Verbindung Elemente verschiedenen Ursprungs traten«. Immer und
immer erblickt er in Indien >une grande fabrique de contes«, das ist für ihn
eine historische Tatsache. Er leugnet nicht, daß einzelne Motive wo anders
herkamen, entweder in verschiedenen Kombinationen oder vereinzelt, isoliert
und dann mit wirklich heimischer Produktion zurückgeschickt wurden. Er
stimmt mit Edwin Rohde überein, der Indien »den großen See« nannte, »in
welchem alle Ströme der Fabulistik zusammenflössen« (S.119). Hieran schließen
sich noch einige Bemerkungen über Benfeys Theorie, seine Hypothese von
dem buddhistischen Ursprünge der Märchen wird zurückgewiesen, speziell im
Märchen vom Zauberer und seinem Lehrling ist nichts buddhistisches. Auch
die zweite Hälfte des Siddhi-Kür ist ihrem Ursprünge nach nicht buddhistisch.
Zum Schluß (S. 126) werden die Hauptergebnisse der Studie zusammengefaßt.
Hier wurde auch hervorgehoben, in welcher Rolle der Zauberer in der letzten
Szene auftrat als Musikant von Indien bis zur Bretagne, in türkischen und
russischen Ländern oder als Arzt in Litauen, Norwegen, im südwestlichen
Europa, in Italien und Portugal u. a., und als Belohnung den Ring oder
Granatapfel u. a. verlangt. Könnten danach wie auch nach anderen Motiven
nicht verschiedene Redaktionen dieses Märchens erblickt werden? Wir ver-
missen eine genauere Bestimmung der geographischen Verbreitung der ver-
schiedenen Motive und einzelner Fassungen, einen Versuch um die an-
nähernde Bestimmung der Wege, welche das Märchen von einem Volke zum
andern genommen hat, eine Fixierung der Knotenpunkte gewissermaßen, wo
sich die einzelnen Bearbeitungen gruppierten. Es entfällt natürlich eine Ant-
wort auf die uns am nächsten interessierende Frage nach dem Verhältnis der
einzelnen slawischen Fassungen zu denen der Nachbarvölker. In meiner Ab-
handlung habe ich seinerzeit einen Versuch gemacht, den Zusammenhang der
bulgarischen Fassungen einerseits mit den Orientalen und kaukasischen, ander-
seits mit den russischen Fassungen, wie auch andere Verwandtschaftsverhält-
nisse zu zeigen. Freilich war das Material, das mir damals zu Gebote stand,
ziemlich lückenhaft, und meine derzeitigen Ausführungen wären nun zu revi-
dieren. Im Rahmen dieser Anzeige kann es leider nicht geschehen. Der aus-
gezeichnete französische Forscher erblickt allerdings nicht als Aufgabe seiner
Studien eine solche innere Geschichte der Märchenstoffe bei den europäischen
Völkern. Er verfolgt hauptsächlich ein Ziel, die Verteidigung seiner Thesen,
524 Kritischer Anzeiger.
und er formulierte seine Lehre wieder am Ende dieser Abhandlung »ce
n'est pas seulement une forme de chaque conte qui a voyagö de l'Inde dans
toutes les directions et notamment vers l'Occident; c'est une foule de vari-
ants, on le verra de plus en plus, ä mesure qu'on aura recueilli plus des
contes Indiens«.
Außer diesem Märchenstoff und die in dessen Fassungen vorkommenden
Motive besprach Cosquin noch einzelne Motive, die in anderen Stoßen vor-
kommen, so wie aus einer Reihe mit Schleier u. a. verhüllter Personen die
Braut erkannt wird (S. 35), das einleitende Motiv des Eisenhans (Grimm KHM.
Nr. 136 (S. 62), der Schlangensohn schickt die Mutter um die Hand der Prin-
zessin bitten (S. 70) , besonders die Metamorphosen auf der Flucht vor der
Hexe u.a. in Wiese und Hirte, in Kirche und Priester, in See und Enterich u. a-
(S. 100), von den Verwandlungen der auf der Flucht ausgeworfenen Gegen-
stände, Kamm, Bürste, Spiegel u. a. (S. 104), wie wir es in den Märchen ver-
schiedener Völker von mannigfachen Kulturstufen vorfinden. Mit den Meta-
morphosen im »Zauberer und Lehrling« hat es natürlich nichts gemeinsames.
Cosquin fügte einen schönen allgemeinen Satz hinzu, mit welchem wir
schließen wollen: »Les contes asiatico-europ^ens ne sont pas des enfants
trouves, nes ä tout bout de champ; ils forraent des familles, dont les diverses
branches s'allient entre elles, et les vieux conteurs, bien mieux que nous autres
folkloristes, en ont senti d'instinct les affinites« (S. 106).
Prag, September 1913. G. Polivka.
A. CejiKineBt , Bar.iflAW Kapja TaBJiHxiKa iia Pocciio. (Kt HCTopin
cjaBHHCKHX'B BsaHMO- OTHOinemH Bx nojiOBHH^ XIX. B^Ka.) HsAanie
KHHatHaro Maraaiina M. 11. To^yöeBa. Kasant 1913. S. 100.
Der Verfasser reproduziert die von dem berühmten Publizisten K.HavHcek
ausgesprochenen Meinungen und Urteile über russische Literatur, Kultur und
überhaupt das ganze russische Leben, und begleitet sie mit Anmerkungen ver-
schiedenen Wertes. Es hätten z. B. ganz gut wegbleiben können die Anmer-
kungen über den vermeintlich unslavischen Ursprung der Russen und über
Sarmaten und Slaven (S. 59 ff.) mit verschiedenen bibliographischen Nach-
weisen, über die Kenntnis des Weißrussischen (S. 73 ff.), über das Verhältnis
der russischen Regierung und deren ? egoistischen Politik« den Slaven gegen-
über (S. 93) u. a. Willkommener sind die Vergleiche der Anschauungen Ha-
vliceksmit denen anderer Reisenden, besonders von Kohl und Blasius^). Wich-
tiger ist es, wenn darauf hingewiesen wird, wie Havlicek ganz gleich die
Sprache des Dalj-Lugansk ij wertschätzt wieSevyrev (S. 25), oder daß dieselben
*) Doch macht der Verfasser keine Folgerungen daraus, obzwar Dr.
Tobolka bereits gezeigt hat, daß Havlicek diese Reiseschriftsteller u. a.
während seiner Anwesenheit in Moskau studiert hat, und deren Einfluß auf
Havliceks >Bilder aus Rußland« konstatierte (Liter, ces. XIX stol. III, 1,
S. 556, 576).
Seliscev, HavHceks Ansichten über Rußland, angez. v. Polivka. 525
Anschauungen wie Havlicek von Peter dem Großen die Slavjanophilen hatten
(S. 78). Wir würden nun erwarten, daß der Verfasser diese Anschauungen des
Hauslehrers bei Sevyrev, der ausschließlich in den Kreisen verkehrte, wo die
Lehren der Slavjanophilen formuliert wurden, wie ähnlich das wegwerfende
Aburteilen der Petersburger Literatur von selten des jungen Havlicek, ent-
sprechend charakterisieren und erklären wird. Doch hier sind wir bei einem
wunden Punkte dieser Schrift angelangt, der sich besonders im ersten Teile
»der Einleitung< äußert, wo eine kurze biographische Skizze Havliceks ge-
geben wird. Von einem russischen Schriftsteller hätten wir erwartet, daß er
besonders die Moskauer Periode im Leben Havliceks eingehend untersuchen
wird, aber da ist er sehr oberflächlich. Man hätte mit Fug und Recht erwartet,
daß er versuchen wird zu erklären, wieso die Stellung Havliceks im Hause
Sevyrevs unhaltbar wurde, wie Sevyrev eine so schlechte Meinung von dem
Hauslehrer seiner Kinder fassen konnte, wie sie später von ihm geäußert
wurde, als er erfuhr, daß Havlicek zum Abgeordneten erwählt worden (S. 19,
Anm. 2). Herr Seliscev durchdachte nicht Bodjanskijs Aussage, daß Havli-
cek seibat schuld ist, wenn sein Leben in Moskau ihm unangenehm wurde.
Der Verf. kennt wohl aus Francevs Buch den tiefen Mißmut Safariks über
Havlicek, doch versucht er nicht ihn zu erklären. Eine ganze Reihe inter-
essanter und wichtiger Züge aus der Moskauer Periode Havliceks wurde gar
nicht berührt, seine Mißachtung der Moskauer Professoren, die um so weniger
begründet war, als er selbst keine gerade gründliche wissenschaftliche Vor-
bildung mitbrachte, seine Ignorierung der Vorlesungen Granovskijs, die ge-
rade zu der Zeit so viel Aufsehen in Moskau machten , seine Unkenntnis der
Petersburger literarischen Arbeit, besonders Belinskijs, seine oberflächliche
Kenntnis der neueren russischen Literatur, hatte er ja sogar von Gogols
»Toten Seelen« sich nur auf einige platte Phrasen vermocht, er kannte ja
nach Sevyrevs Meinung sogar Gogol sehr einseitig. Havliceks Bericht von
der Reise Haxthausens ließ der Verfasser ohne jede Bemerkung, obzwar der
Erfolg der Reise dieses Mannes gegenüber den Ergebnissen des langen Auf-
enthaltes Havliceks in Moskau gewiß zu einem Vergleich herausforderte. Der
geistreiche angehende Publizist hatte leider weder die nötige gesellschaftliche
noch wissenschaftliche Vorbildung, hatte auch nicht in sich das Zeug zu an-
strengenden gelehrten, besonders antiquarischen Studien, bekam leider nicht
die ihm notwendige und ihm passende Führung, und so war sein langer Auf-
enthalt in Moskau und langer Verkehr mit gelehrten Kreisen ohne bleibenden
tieferen Nutzen für die heimische, böhmische Literatur. Er hätte wohl keinen
Nutzen gebracht, selbst wenn er nicht bald nach seiner Heimkehr in journa-
listischer Arbeit und politischen Kämpfen aufgegangen wäre. Ref. hat ver-
sucht die Moskauer Periode Havliceks und deren Erfolge darzustellen, in der
zu Ehren Prof. Masaryks herausgegebenen Festschrift (S. 163 ff.) und erlaubt
sich darauf zu verweisen. Herrn Seliscev konnte mein Aufsatz bei der Ver-
fassung seiner Studie gar nicht zugänglich sein und es kann dessen Un-
kenntnis ihm nicht vorgeworfen werden.
Prag, September 1913. G. PoUvha.
526 Kritischer Anzeiger.
Arne Noväk: Jan Neruda. Zlatoroh, sbirka illustrovanych
monografii porada Max Svabinsky. Nakladem spolku vytvar-
nych umelcü »Manes« v Praze. S podobiznou od M. Svabin-
skeho a 16 prilohami v textu. Vydano 1910.
Arne Noväks Monograpliie über Neruda ist wohl schon vor vier Jahren
erschienen; da sie aber in diesen Blättern noch keine Besprechung gefunden
hat, trotzdem sie eine solche verdient, mögen ihr einige Zeilen gewidmet
werden.
Noväk selbst sagt von seinem Buche, >daß es die Kenntnis vonNerudas
Werken und seinen Lebensschicksalen voraussetze«. Das ist richtig, denn
wollte es jemand lesen, der mit Nerudas Leben und Wirken nicht gut bekannt
ist, 80 würde er es sicherlich uninteressant finden und nach der Lektüre
weniger Seiten aus der Hand legen. Umsoraehr fesselt es denjenigen, welchem
Neruda durch seine Verse und Prosa ein Vertrauter geworden ist. Wer ihn
völlig zu kennen glaubt (z. B. aus dem schönen Buche F. V. Krejcis oder der
Partie Prazäks in der »Lit. 19. stoleti« und aus den »Arabesken« oder »Klein-
seitner Geschichten)«, dem führt Noväk immer noch neue Züge des Dichters
vor Augen.
In der Einleitung stellt der Verfasser die Behauptung auf, daß mit Jan
Neruda die moderne tschechische Literatur begonnen habe. Das ist eine alt-
bekannte Tatsache, die schon wiederholt gesagt wurde, und an der niemand
zweifelt. Neu ist nur die Motivierung dieser Behauptung. Noväk begrün-
det sie nicht etwa mit der neuen Richtung in der tschechischen Literatur, die
mit dem Almanache »Mäj« ihren Anfang nahm, sondern mit Nerudas eigen-
artiger und bedeutender Persönlichkeit. Während Dichter wie Mächa, Öela-
kovsky. Erben, Nemcovä, Havlicek und selbst Zeitgenossen Nerudas der lite-
rarischen Vergangenheit angehören, »verstummte Akteure eines halb verges-
senen Dramas« sind, bleibt Neruda nach wie vor aktuell. Jene hatten andere
Lebensanschauungen als wir und wir könnten uns bei ihnen für unsere Lebens-
fragen keinen Rat holen. Dieser dagegen kann uns heute noch Freund,
Bruder, Helfer und Tröster sein. Diesen Gedanken führt der Verfasser aus,
indem er zeigt, welche Wirkung Nerudas Verse und Prosa auf uns Menschen
von heute ausüben und gelangt dann zum Schlüsse »a tak proto pro vse za-
ciuä präve Nerudou a nikym jinym moderni literatura ceskä (S. 4). Im
weiteren versucht der Verfasser des jungen Neruda höhnische Skepsis, sein
stolzes Mißtrauen und seinen kühlen Negierungsgeist aus seinen sozialen
Verhältnissen zu erklären. Er bemerkt, daß die Dokumente über des Dichters
mißliche soziale Verhältnisse (seine poetischen und prosaischen Schriften) mit
großer Reserve benutzt werden müssen, denn sie stammen vielfach aus einer
Zeit, wo die Wimden aus der Jugendzeit längst vernarbt waren. MitRecht weist
Noväkdaraufhin, daßjene Werke, die der Jugendzeitnäherstehen(»Arabe8ky«,
»Hrbitovni kviti«, »Knihy versu«), die Leiden und die Not des Dichters ge-
treuer wiedergeben als diejenigen aus der späteren Zeit (»Malostränske
povidky«). Und wenn Noväk von Nerudas Jugend spricht, kann er natürlich
nicht umhin, auf sein Verhältnis zur innig geliebten Mutter, das in dem Ge-
A. Noväk über Jan Nernda, angez. v. Donath. 527
dichtzyklus »Maticce« seinen Ausdruck gefunden hat, und auf das nicht immer
glückliche Verhältnis 'zu seinem Vater, dem die Gedichte ^Otci« gelten, zu-
rückzukommen (S. 6 — 11). Nerudas Proletariertum ist die Voraussetzung,
ohne die wir die Werke dieses Apologeten der Notleidenden nicht verstehen
können. Er, der Sohn eines Greislers und einer Wäscherin, blieb stets ein
vollkommener Gentleman; dadurch unterschied er sich von seinem Lieblings-
dichter Heine, dessen menschliche Schwächen nicht selten zum Vorschein
kamen.
Noväk spricht über den 18 jährigen Verfasser des politischen Gedichtes
»V cas za ziva pohrbenych«, über sein Verhältnis zu Havlicek, zum Jungen
Deutschland, zur Volkspoesie und zu Erben. Er behandelt wie andere Neruda-
forscher die Werke in chronologischer Eeihenfolge und zwar so, daß er zwi-
schen die »Bücher der Verse« und die »Kosmischen Lieder« Nerudas prosa-
ische Werke eiuschaltet. Neu und interessant ist aber wieder die Art der
Behandlung von Nerudas Schriften. Noväk versteht es, in die verborgensten
Schlupfwinkel der dichterischen Seele einzudringen und dort die Keime wie
auch die Triebkräfte aufzuspüren, aus welchen die kunstvollen Gedichte her-
vorgegangen sind. Dadurch sowie durch treffliche Erklärungen erscheint uns
manches Gedicht, an dem wir sonst verständnislos und darum auch achtlos
vorübergingen, in neuem Lichte, in neuer Pracht.
Den »Friedhofsbluraen« , in denen der Dichter seine Gedanken wieder-
gab, »so wie er sie im Tournister trug«, spricht Noväk alle Melodie ab und
charakterisiert sie als »bloßen Spiegel des düsteren 23jährigen Dichters, der
bisher vergebens der musikalischen Melodie nachstrebte«, als Katechismus der
Selbstanklage und Lehrbuch der Selbstqual« (»Katechismus sebeobzaloby a
encheiridion sebetryzne«). Er bespricht nicht nur die Gedichtsammlung
selbst, sondern auch ihre Kritik und bemerkt dabei, daß sowohl den Freunden
des Dichters wie auch den Gegnern alles entgangen sei, was dieser zv/ischen
den Zeilen versprach: die soziale Lyrik, die moderne Ballade, die kosmische
Meditation, die patriotische Eeflexion, die Analyse der modernen Liebe und
die literarische Satire. Die »Friedhofsblumen« und der um ein Jahr später
(1858) erschienene Almanach »Mäj«, an dem Neruda bedeutenden Anteil hatte,
riefen einen Entrüstungssturm der älteren Generation hervor. Dagegen wen-
dete sich Neruda in einem Pamphlete »U näs«. Noväk meint, die Satire dieses
Werkchens sei sehr matt, der Dichter habe nichts von seinem Vorbilde, dem
Verfasser des »Atta Troll« gelernt, er wolle mit seiner Ironie, mit seinem gut-
mütigen Lächeln nicht wehe tun; die Spitze seiner Satire kitzle nur, steche
und verwunde aber nicht. Er stehe im Gegensatz zu dem sarkastischen Hav-
licek, dessen Hiebe (z. B. in »Ki-est sv. Vladimira«) auf die Häupter der Gegner
mit aller Wucht niederfielen.
Die musikalische Melodie, welche Noväk in »Friedhofsblumen« vermißt,
findet er bereits im lyrischen Teile von Nerudas zweiter Gedichtsammlung
»Bücher der Verse«, denn diese sei schon unter dem Einflüsse der »tragi-
komischen« Liebe zu Anna Holina und der leidenschaftlichen Liebe zu The-
rese Machäcek entstanden. Dem Verhältnis zu den beiden Damen widmet
Noväk mehrere Seiten, ehe er auf die »Bücher der Verse« zurückkommt.
528 Kritischer Anzeiger.
Diese sind in ihrem epischen Teile gewissermaßen Vorboten zu seinen
späteren Werken, zu den »Balladen und Romanzen», zu den »Einfachen Mo-
tiven« und den »Freitagsgesängen«. Von den »Friedhofsblumen« unter-
scheiden sie sich dadurch , daß sie sich nicht mit der Gegenwart sondern mit
der Zukunft befassen. Wieviel der Lyriker Neruda in den Jahren, die zwischen
den genannten zwei Sammlungen liegen, gelernt hat, sehen wir aus den Aus-
führungen auf S. 50 — 54.
Im weiteren wendet sich Noväk den Reisebeschreibungen und der üb-
rigen Prosa Nerudas zu. Da ist vor allem die Einleitung zu dieser Partie her-
vorzuheben, in welcher der Verfasser auf die Verschiedenheit in der Art und
Weise des Reisens bei den Romantikern und Jungdeutschen hinweist. Neruda
schloß sich letzteren an. Gleich ihnen reiste er nicht als Dichter, sondern als
liberaler Journalist, der seine Eindrücke in leichten unterhaltenden Feuilletons
beschrieb. Die Reiseplaudereien bedeuten den Höhepunkt in Nerudas journa-
listischer Tätigkeit und unter ihnen gebührt der erste Platz jenen Stücken,
die in der Sammlung »Bilder avis der Fremde« vereinigt sind. Eine andere
Art von Feuilletons sind Skizzen, Plaudereien, Erzählungen und Novellen, die
wir heute in den Werken »Ruzni lide«, »Arabesky« und »Malostränskd po-
vidky« vereint finden. Aus der technisch sehr vollkommenen Sammlung
»Rnzni lide« ist die Novelle »Trhani« am populärsten. Noväk polemisiert
gegen die allgemein verbreitete Anschauung, daß sie auch die beste Novelle
aus der ganzen Sammlung wäre, und gegen die ihr häufig zuerkannten Epi-
theta »naturalistisch« oder »sozialistisch«. Die »Arabesken« und »Kleinseitner
Geschichten«, die ihrem Charakter nach ziemlich ähnlich sind, zeigen uns
dennoch ganz deutlich, welch großer Unterschied in ihrem künstlerischen
Werte besteht. In den » Arabesken <i zeichnet Neruda Figuren, die vereinzelt,
ohne jeden Zusammenhang, dastehen. In den »Kleinseitner Geschichten«
werden die Figuren nicht mehr vereinzelt dargestellt, sondern sie sind in
einem Rahmen zusammengefaßt; diesen Rahmen bildet eben der ganz eigen-
artige Prager Stadtteil, die Kleinseite.
Nach der Besprechung der prosaischen Werke geht Noväk wieder zur
Poesie u. z. zu den »Kosmischen Liedern« über, an denen ihn weniger der
künstlerische Wert als die Lösung des Lebensproblems interessiert. Er be-
spricht die anthropomorphistische Methode, der sich Neruda in dieser Gedicht-
sammlung bedient, sowie die Mannigfaltigkeit im Stil. Ein leichter volkstüm-
licher Ton wechselt mit einem scharf pointierten oder mit einem durch Ver-
gleiche und Antithesen geschmückten rhetorischen Stile.
Wie alle Gedichtsammlungen Nerudas, so stehen auch dessen reifste
Schöpfungen »Balladen und Romanzen« und »Einfache Motive« mit seinem
seelischen Leid in Zusammenhang. Sie sind aber nicht unter dem Einflüsse eines
psychischen sondern eines physischen Schmerzes entstanden, unter dem der
Dichter schwer zu leiden hatte. Umso merkwürdiger finden wir das liebliche
Lächeln, mit dem sich der Dichter in den »Balladen und Romanzen« von der
Welt verabschiedet, umsomehr müssen wir den kranken Dichter bewundern,
wenn er noch einmal im Leben der verführerischen Stimme der Natur und der
Sinne lauscht und sich zu spröden lyrischen Tänzen inden »EinfachenMotiven«
A. Novak über Jan Nernda, angez. v. Donath. 529
verleiten läßt. Der oberflächliche Leser wird die »Balladen undEomanzen« für
unpersönliche, rein objektive Epik halten, trotzdem enthalten sie mehr Persön-
liches als manche lyrische Beichte. Noväk charakterisiert einzelne Balladen, er
zeigt, wie Neruda in diesen Gedichten die Gestalt des Heilands auffaßte und
Kindergestalten als Symbol der Einfachheit und Naivität schuf. Noch subjek-
tiver als die eben erwähnte Sammlung sind die »Einfachen Motive« ; sie sind ein
lyrisches Tagebuch des 50jährigen Dichters, der aber neuerdings eine Jugend
mit allen ihren erotischen Leidenschaften durchlebte. In der letzten Zeit seines
Lebens, in der Zeit der Einsamkeit und der größten körperlichen Leiden
schrieb Neruda noch zehn Gedichte, die jedoch erst nach seinem Tode unter
dem Titel »Freitagsgesänge« (>Zpevy pätecni«) erschienen sind. Sie stellen
einen Torso dar, von dem Noväk behauptet, daß es der schönste Torso der
ganzen tschechischen Literatur sei. Auch die »Freitagsgesänge« sind subjek-
tive Dichtungen, deren Wert der Verfasser sehr hoch anschlägt, wenn er be-
hauptet, daß sie die ganze patriotische Poesie der vorhergehenden 5(1 Jahre
weit übertreffen.
Hiermit wäre ungefähr angedeutet, was Noväks Buch enthält. Wenn
sich der Verfasser vorgenommen hat, den Dichter Neruda dem Leser näher zu
bringen, so ist ihm das sicherlich gelungen , denn die meisten Leser wird er
durch seine Monographie zu einer neuerlichen Lektüre Nerudas und zu einer
Vertiefung in dessen Werke anregen.
Wenn dem Verfasser etwas eingewendet werden soll, so ist das eine
Merkwürdigkeit seines sonst so geistreichen Stiles. Dieser leidet nämlich
unter einer gewissen Fremdwörtermanie. Die Häufung von Fremdworten
geht manchmal so weit, daß der Text gar nicht leicht verständlich wird.
Diese Eigentümlichkeit finden wir aber nicht nur in Noväks wissenschaft-
lichen Arbeiten, sondern auch in den populären Beiträgen in der Sonntags-
beilage der »Närodni Listy«, die doch für die breiten Volksschichten ge-
schrieben waren. Trotz dieser Einwendung muß ich zugeben, daß ich die
Sonntagsnummer der »Närodni Listy« mit Sehnsucht erwartete und zwar
hauptsächlich wegen der Beiträge von A. Noväk, und daß ich es sehr be-
dauerte, als er seine Mitarbeit an den »Närodni Listy« einstellte.
Die Besprechung des Buches wäre unvollständig, wenn man nicht auch
seine äußere Form erwähnte. Der Verein bildender Künstler »Manes« hat
der Ausstattung des Buches sein besonderes Augenmerk gewidmet und es mit
mehreren schön ausgeführten Bildern (drei Bilder des Dichters, je ein Bild der
Anna Holina und der Ther. Machäcek, Bilder der Prager Kleinseite u. a.) und
zwei Faksimilen von Nerudas Gedichten geschmückt. Diese Bilder steigern
noch das schon durch den Inhalt des Buches hervorgerufene lüteresse an dem
Dichter!). 0. Donath.
1) Es sei anläßlich dieser Besprechung auf zwei neue Büchlein des »Zla-
toroh«, nämlich auf Tilles »Boz. Nemcovä« und F.V. Krejcis »Jar.Vrchlicky-
hingewiesen.
Archiv für slavisclxe Philologie. XXXV. 34
530 Kritischer Anzeiger.
Prehledne dejiuy literatury ceske od nejstarsich dob az
po nase day. Napsali Dr. J. V. Noväk a Dr. Arne Novak.
Vydani druhe, prepracovaue a rozsirene. Cena K. 8. — str. 825.
Näkladem R. Prombergra v Olomouci 1913.
Die erste Auflage dieses Buches i), welches unstreitig unter den Ȇber-
sichtlichen Darstellungen der tschechischen Literaturgeschichte« die erste
Stelle einnimmt, wurde im »Archiv f. slav. Philologie« noch nicht besprochen.
Darum soll hier, bei der Besprechung der zweiten Auflage, auf einen Vergleich
der beiden Editionen verzichtet und nur axif den Inhalt der zsv^eiten Auflage
eingegangen werden.
Wenn im Laufe von drei Jahren eine so große Zahl von Exemplaren der
»Strucne dejiny literatury ceske^) abgesetzt wurde, daß die ganze Auflage
vergriffen erschien, so zeigt dies, welche Verbreitung das Buch in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit gefunden hat; die Verbreitung aber beweist wieder seine
Brauchbarkeit. In der Tat bildet es einen glänzenden Behelf zum Studium
der böhmischen Literaturgeschichte und wird nicht nur von den breiten
Schichten der Bevölkerung, sondern insbesondere von Lehrern und Schülern
an Mittelschulen und auch von den Studierenden an Hochschulen gerne und
viel benützt. Dieser Umstand allein widerlegt die Einwendungen, die gegen
das Buch gemacht wurden und bestätigt, wie berechtigt die Anerkennung
war, die ihm vom größten Teile der Kritik gezollt wurde. Die »Strucn6 dejiny
literatury ceske« erwiesen sich als so praktisch, daß sie zu einem Lehrbuche
wurden, obgleich sie als solches von vornherein nicht gedacht waren.
In die Arbeit haben sich beide Verfasser so geteilt, daß J. V. Novük
die alte und mittlere, Arne Noväk die neue Periode der böhmischen Literatur
behandelte. Ihre Arbeit ging von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Da
die ältere Literaturgeschichte für die breiteren Bevölkerungsschichten weniger
Interesse hat, so beschränkte sich jener auf ihre kurze Darstellung. Er will
den Stoff nicht erschöpfen, sondern den Leser nur ins Studium der älteren
böhmischen Literatur einführen. Viel ausführlicher ist die Partie Arne No-
väks. Sie umfaßt fünf Sechstel des ganzen Buches. Darin findet die neu-
böhmische Literatur, namentlich die Literatur der letzten Jahre eine sehr
gründliche Behandlung. Gerade wegen der Darstellung der neuesten Lite-
raturperiode, die ein novum in der tschechischen Literaturgeschichte bedeutet,
vordient das vorliegende Buch besondere Beachtung.
Die Arbeit J. V. Noväks zerfällt in zwei Kapitel. Im ersten wird die
altböhmische, im zweiten die mittelböhmische Literatur besprochen. Das erste
Kapitel besteht aus drei Abschnitten. Im ersten (Vorbereitungzeit) bespricht
Noväk die ältesten böhmischen Schriftdenkmäler, wie die Chroniken Christians
und Kosmas', Glossen und Lieder, im zweiten die Literatur bis zum Jahre
1346, also die ältesten Legenden , Alexandreis , Tendenzpoesie , didaktische,
1) Erschienen im J. 1910.
2) Die erste Ausgabe führt noch diesen bescheidenen Titel.
J.V. Noväk u. A. Noväk, Ubers. d. böhra. Literatnrg., aiif^cz. v. Donath. 531
lyrische und dramatische Poesie, Dalimil und Anlange der Prosa, und im dritten
die sich rasch entwickelnde Literatur bis zum Jahre 1403. Diese Zeit weist
nicht nur eine reiche Epik (Legenden, Tristram, Tandarias, Herzog Ernst,
Großer und Kleiner Eosengarten) , sondern auch eine Fülle von Belletristik
(Solternes, Belial, Das Leben Josefs in Ägypten, Barlaam u. Josafat u. v. a.),
Lyrik ixnd Tendenzdichtung auf. Charakteristisch ist sie durch das Auf-
blühen der Prosa, insbesondere der Geschichtsschreibung. Kaiser Karl be-
tätigte sich selbst als Historiograph und gab auch PHbik Pulkava von Rade-
nin den Auftrag zur Abfassung einer böhmischen Chronik. Andere Geschichts-
schreiber waren Benes Krabice v. Veitraile, Jan Marignola und Vavrinec v.
Brezov<ä. Außer ihren Werken bildeten damals Eeisebeschreibungen eine
beliebte Lektüre. Auch das Rechtsbuch >Vyklad na prävo zeme ceske« von
Ondfej V. Dube hat sich aus dieser Zeit erhalten. Von größter Wichtigkeit
sind die religiösen und philosophischen Werke aus dem Ende des XIV. Jahrh.
Letzteren liegt eine reformatorische Tendenz zugrunde und sie bereiten die
hussitische Bewegung vor. Sie rühren größtenteils von dem bedeutendsten
altböhmischen Schriftsteller Stitny her, dem der Verfasser vier Seiten widmet.
Das zweite Kapitel behandelt den Zeitraum von Hussens Auftreten
(1403) bis zum Ausgange des XVIIL Jahrb., also fast 400 Jahre. In diese
Zeit fällt das Aufblühen der tschechischen Literatur bis zu ihrem Höhepunkte
im XVI. Jahrh. und dann ihr Verfall im XVII. und XVIIL Jahrh. J. V. Noväk
würdigt im ersten Abschnitte dieses Kapitels die Tätigkeit Hussens, Jakou-
beks von Mies, Chelcickys, Johanns v. Rokycana, Hilarius' v. Leitmeritz
und zeigt], wie die hussitische Bewegung eine ganze Reihe neuer Bibeltexte
und Kirchenlieder hervorgebracht hat. Dann geht er vom geistlichen Schrift-
tum auf das weltliche über, auf die Tendenzdichtungen »Rada vselikych
zvirat«, »Ezop* , »Hädäni Pravdy a Lzi« , auf die Kriegsschriften des Johann
Häjek von Hodetin, Johann Zizka, Wenzel Vlcek v. Cenov, auf die natur-
historischen Werke und Reisebücher. Er zeigt ferner die Verdienste M.
Vavrinec' v. Brezovä, Bartoseks von Drahynic und Aeneas Silvius' um die
tschechische Geschichtsschreibung und weist auf die Bedeutung der erhal-
tenen Urkunden der böhmischen Könige und der Briefe Hussens, Zizkas,
Rokycanas, Ctibors v. Cimburk u. a. als Quellen hin. Der letztgenannte er-
wies sich durch seine »Kniha Tovacovskä« als glänzender Rechtsgelehrter.
Zum Schlüsse ist noch vom Humanismus die Rede. Der zweite Abschnitt ist
zum größten Teile der böhmischen Brüderunität gewidmet. Im Anschlüsse
an ihre Geschichtsschreibung behandelt er die Historiker Bartos Pisaf, Sixt v.
Ottersdorf, Vaclav Häjek v. Libocau, Martin Kuthen, Daniel Adam v. Vele-
slavin und die Verfasser von Memoirenwerken Mikulüs Dacicky und Simon
Plachy. Dann ist von den naturwissenschaftlichen Werken des Tadeäs Häjek,
Adam Huber, Bavor Rodovsky die Rede, von den Reisebeschreibungen
des Kristof Harant von Polzic und Vaclav Vratislav v. Mitrovic, den juristi-
schen Werken des M. Brikcf v. Zlicko, Krisiiän v. Koldin, Karl v. Zero-
tin und der geistlichen Literatur mit ihren zahlreichen Postillen und Kan-
zionalen. Auch die unbedeutende dramatische Literatur (»Judith« v. Mikuläs
Konäc, »Komedie Ruth« von Mosovsky) wird berücksichtigt. Im dritten Ab-
34*
532 Kritischer Anzeiger.
schnitte schildert der Verfasser den Niedergang der tschechischen Sprache
und Literatur nach der Schlacht am Weißen Berge. Wieder nehmen die
Historiker wie Pavel Skala von Zhore, Wilh. GrafSlavata, Bohuslav Balbin,
Tomas Pesina v. Cechorod, Pave! Stränsky, J. F. Beckovsky den breites-
ten Raum ein. In dieser Zeit fand die tschechische Literatur bei den
Exulanten außerhalb Böhmens größere Pflege als in Böhmen selbst. Ein
solcher Exulant, der sich um die tschechische Literatur die größten Ver-
dienste erwarb, war Johann Arnos Comenius, für dessen Würdigung der
Verfasser acht Seiten verwendet. Er beschließt das erste Kapitel mit einer
Besprechung der Grammatiken von Wenzel Eosa, Wenzel Steyer und Georg
Konstanc, der theologischen Arbeiten der beiden letzteren und der strengen
katholischen Zensur jener Zeit, die von Anton Kouiäs ausgeübt wurde.
Das dritte Kapitel (S. 100—747) von Arne Noväk behandelt die tschechi-
sche Literatur vom Jahre 1780 (Regierungsantritt Kaiser Josefs) bis zur Gegen-
wart. Noväk teilt es in zwei Teile , in die Literatur der nationalen Wieder-
geburt (1780 — 1848) und in die der wiedergeborenen Nation (1848 — Gegen-
wart). Der erste Teil zerfällt wieder in zwei Abschnitte : 1 . Die Literatur von
1780 — 1815, welche sich im Zeichen der Auf klärung vollzog und die Zeit
Dobrovskys genannt werden kann, 2. die Literatur von 1815 — 1848, welche
sich im Zeichen der Romantik entwickelte, iu deren Mittelpunkte Josef Jung-
mann stand. Noväk zitiert zunächst die Werke, auf welche sich seine Dar-
stellung der tschechischen Wiedergeburt stützt, gibt einen Überblick über
den Josefinismus und dessen Weltanschauung, über die wissenschaftlichen
Organisationen in Böhmen in der zweiten Hälfte des XVIIL Jahrh. (Prager
Universität und Gelehrte Gesellschaft) und zeigt, wie die sprachliche Wieder-
geburt eine Folge der Germanisationsbestrebungen war. Dann behandelt er
die wissenschaftliche und schöne Literatur. In jener kommt hauptsächlich
die Historiographie und Sprachwissenschaft, in dieser die noch sehr tief
stehende Belletristik und dramatische Dichtung in Betracht. Zum Schluß
bespricht er das slovakische Schrifttum zur Zeit der Aufklärung.
Den nächsten Abschnitt leitet er mit einem sehr schönen Exkurs über
die Romantik in den europäischen Literaturen am Ende des XVHL und An-
fang des XIX. Jahrh, und speziell über die böhmische Romantik ein. Diese
charakterisiert Noväk sehr anschaulich, indem er zeigt, wie sie der deutschen
romantischen Bewegung jene Ideen entnahm, deren sie zur Wiedererweckung
des tschechischen Volkes dringend bedurfte, und wie man sie auf fünf Grund-
begriite zurückführen kann: auf Nationalismus, Slaventum, Sprache, Alter-
tümlichkeit und Volkstum. Nach dieser sehr anziehenden Einleitung behan-
delt er die erste Periode der tschechischen Romantik: Jan Nejedly und
dessen Zeitschrift Hlasatel, Josef Jungmann und seine Schüler, Hanka, die
Handschriftenfrage, die wissenschaftlichen und literarischen Organisationen
(Museum krälovstvi ceskeho, Matice ceskä) und die Journalistik jener Zeit.
Ein eigener Abschnitt ist KoUär gewidmet. Wie die Geschichte im Dienste
der Wiedergeburt stand, zeigt er an Palacky, Safarik und Vocel, die sehr aus-
führlich besprochen werden, und an Ant. Bocek und A. V. Sembera, deren
Tätigkeit nur kurz charakterisiert wird. Als Dichter der tschechischen Ro-
J.V.Noväk u. A. Novük, Übers, d. böhm.Literatnrg., augez v. Donath. 533
mantik kommen in Betracht : Öelakovsky, Kamaryt , Chmelensky, Vinaricky,
Snaidr, Picek, Langer, Jablonsky, Stnlc, Susil, Kaiina, Erben undK. H.Mächa,
der ebenso wie Kollär in einem besonderen Abschnitte besprochen wird. Die
novellistische nnd dramatische Literatur wurde im Vormärz von Klicpera,
Tyl, Turinsky, Maehäcek, Jan z Hvezdy (J. J. Marek), Prokop Chocholousek
und F. J. Rubes gepflegt, wobei die drei letzten nur Romane schrieben, wäh-
rend Tyl und Klicpera auf beiden Gebieten, dem Drama und Roman, gleich
produktiv waren. Auch dieser Abschnitt schließt mit einer Besprechung der
slovakischen Literatur, und zwar der zur Zeit der Romantik.
Es interessiert uns, wie sich der Verfasser in diesem Teile des Buches zur
Jungmannfrage verhält, die vor wenigen Jahren von Kräl und Masaryk einer-
seits und Chalupny andererseits aufgerollt wurde i). Koväk urteilt über Juug-
mann folgendermaßen: »Osobnost Jungmannovu nelze vystihnouti jedinou
formuli: epitheton 'tlcheho genia', jez mu po eele pülstoleti bylo däväno,
uküzalo se novejsim setrenim vedeckym jako nepfipadne. Rozhodne stoji
Jungmann jako vedecky pracovnfk, jako literärni Organisator, jakq vsestrau-
ny spolutvurce novodobe ceske literatury, jako buditel narodni, vyse nez Jung-
maun clovek. Stisneue a nejiste ovzdasi reakcni doby , tezky prerod stoleti
osvicenskeho k veku romantickemu, spor stare generace Dobrovskeho s no-
vym pokolenim vlasteneckych romantikü, osobuf konflikt se zavilym pred-
stavitelem starsi slovesne kultury, Janem Nejedlym, to vsevypestilo v slozite
dusi Jungmannove nedüvefive opatrnictvi, ülisne voleni vedlejsich cest a pi-i-
kre stra'nictvi, rysy to, jez ostre se odräzeji od skvelych vlastnosti jeho po-
vahy. . . . Stinne rysy charakteru Jungmannova zjevily se pfedevsim v nekte-
rych polemickych sräzkäch, zejmena v boji o pravopis, o prosodii, o pravost
podvrzenych rukpisu, pfijejichz vzuiku Jungmann pravdepodobne byl ücas-
ten; . . .« (S. 147). Wir sehen, daß der Verfasser ganz unter dem Einflüsse
der Urteile Kräls und Masaryks über Jungmann steht, ja daß er sogar weiter
als diese geht, indem er ihn der Mitschuld an den Handschriftenfälschungen
zeiht.
Auch seine Ausführungen über Mächa wollen wir hervorheben, dessen
Bedeutung er nicht, wie andere, in der Einführung des Byronismus in die
tschechische Literatur, sondern in deren Bereicherung durch neue Stoffe sieht:
»Zevne zdä se jeho odväzny krok bäsnicky pfedevsim uvedomelym a zani-
cenyra byronisraem, ... V jädi-e vsak spocivä prükopny vyznam Mächuv v
odvaze, s jakou do idyllisujiclho a klidneho bäsnictvi vlasteuecke romantiky
ceske uvedl jednak väseii läsky a zmaru, jednak hlubokou filosofickou iivahu
0 poslednich zähadäch zivota, konecne vsak i novou nekonvencni skutecnost.«
Noväk bemüht sich, auch die Literatur der letzten 50 Jahre in Ab-
schnitte zu teilen und er unterscheidet: 1. die Zeit des Überganges und der
Reaktion (bis zur Mitte der 50er Jahre), 2. die Zeit Nerudas und Häleks (bis in
die Mitte der 70er Jahre) und 3. die Gegenwart (bis zum heutigen Tage).
Im ersten Abschnitte nennt er zunächst die Dichter der Übergangszeit,
1) Siehe Arch. f. slav. Phil. XXXIII, S. 5G8 f.
534 Kritischer Anzeiger.
welchen nicht mehr KoUär und Celakovsky, sondern K.H. Mächa als Leitstern
diente. In dessen Fußstapfen schreitend, gelangten diese zu neuen Mustern
in der Poesie: zu Byron, Lenau, Puschkin und Heine. Deren Ideen spiegeln
sich in den Versen dreier Dichter ab, nämlich J. P. Koubeks, V. B. Nebeskys
und K. Sabinas. Diese pflegten die Poesie nur in ihren jungen Jahren, später
wendeten sie sich der Wissenschaft zu. Im Anschluß an Nebesky spricht
Noväk von dessen Freunde, dem tschechisch -jüdischen Dichter Siegfried
Kapper. Dann geht er auf die realistische Dorferzählung über, deren Haupt-
repräsentantin Bozena Nemcovä war. Neben ihr pflegten diese Gattung des
Romans Frantisek Pravda (Vojtech Hlinka), der Mährer Antos Dohnal (Leo-
pold Hausmann) und der Slowake Johann Kallucäk. Bemerkenswert ist der
kleine Exkurs (S.257) über die Pflege des Märchens und der Sage in der tsche-
chischen Literatur. Die Behandlung K. Havliceks gibt dem Verfasser
Veranlassung, über die Journalistik zur Zeit dieses großen Publizisten zu
sprechen.
Ehe sich Noväk der schönen Literatur der 50er und 60er Jahre zu-
wendet, gibt er eine Übersicht der philosophischen und pädagogischen Lite-
ratur in der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. Er spricht über die Pflege der
Philosophie in Böhmen durch Bolzano und dessen Schüler Vincenc Zahradnik,
der die erste philosophische Abhandlung in tschechischer Sprache geschrie-
ben hat, ferner über Ant. Marek, Ferd. Hyna und Fr. Palacky. Dann schil-
dert er J. E. Purkyne und K. S. Amerling als Vertreter der Naturphilosophie,
A. Smetana, I. J. Hanns und F. M. Klücel als Hegelianer und Fr. Cupr als
Herbartianer. Wir erfahren, daß nicht nur Männer, deren Beruf die Philo-
sophie war, Hegels Lehre anheimfielen, sondern auch Schriftsteller wie Ne-
besky, Nemcovä, Stur, Hurban u.a., trotzdem es als Kühnheit galt, sich
öffentlich als Hegelianer zu bekennen. So mancher Lehrer der Philosophie
wurde wegen seines Hegelianismus des Amtes enthoben. Anschließend an
die philosophische Literatur registriert Noväk die pädagogische sowie
die Schulbücher und Jugendschriften aus der Zeit der nationalen Wieder-
geburt.
Als »Zeit Nerudas und Häleks bezeichnet der Verfasser einen Zeitraum
von etwa 20 Jahren, der zwischen dem Erscheinen des Almanaches »Lada Niola«
(1854) und dem Tode Vitezslav Häleks (1874) liegt. Noväk gibt in der Einlei-
tung zu diesem Abschnitt nicht nur eine allgemeine Charakteristik der da-
maligen literarischen Verhältnisse, er zeigt auch, wie die Literatur mit der
Politik in Zusammenhang stand. Ferner liefert er eine Darstellung des Zeit-
schriftenwesens der 50er— 70er Jahre und eine Übersicht der bedeutendsten
Mitarbeiter des jungtschechischen Organs »Närodni listy«; bei dieser Gelegen-
heit befaßt sich Noväk auch mit der Journalistik in Böhmen, Mähren und
der Slowakei. Dieser Einleitung folgt die Besprechung der beiden Dichter,
die ihrer Zeit den Namen gegeben haben. Noväk vergleicht sie miteinander
und zeigt, wie zu ihren Lebzeiten Hälek der populärere war, während die
Nachwelt Neruda höher einschätzte. Dann bespricht er Häleks und Nerudas
Kreis, zu dem Adolf Heyduk, ßud. Mayer, Vaclav Sole und andere weniger
bedeutende Dichter gehörten. Nerudas Zeitgenossen befaßten sich auch viel
J.V.Noväk u. A. Noväk, Übers, cl. böhm. Literaturg., angez. v. Douath. 535
mit Übersetzungen und darum gibt der Verfasser eine kurze Zusammenfas-
sung dieser ganzen Übersetzungsliteratur (S. 321 — 323).
In zwei weiteren Abschnitten behandelt er die belletristische und dra-
matische Literatur dieser Zeit. Es wird zunlichst die Pflege des sozialen
Romanes durch Gust. Pfleger Moravsky, Fr. Adamec, Jakub Arbes, Antal
Stasek, Ferd. Schulz, Väcl. Vlcek, Zofie Podlipskä, Vencesl. Luzickä, dann die
des historischen und kulturhistorischen Romanes durch Jos. Svätek und J. B.
Janda besprochen. Beide Richtungen finden sich bei der Dichterin vereinigt
Karoliua Svethi. Pfleger, Arbes und Stasek erhoben den sozialen Roman zu
künstlerischer Höhe, mit Schulz und Vlcek, die neben sozialen auch histo-
rische Novellen schrieben, begann ein Rückgang, Podlipskä und Luzickä
schrieben unterhaltende Tendenzromane. Der Partie über das tschechische
Drama schickt Noväk einen Überblick über die PragerTheaterzustände in den
50er — 70er Jahren voraus. Er erwähnt darin die bedeutendsten Schauspieler
und zeigt, welcher Beliebtheit sich Shakespeare und die Franzosen Scribe,
Augier und AI. Dumas d. J. auf den böhmischen Brettern erfreuten. Trotz
des allgemeinen und großen Interesses fürs Theater war die dramatische Pro-
duktion in dieser Zeit nicht allzngroß. Neben J. J. Kolär gab es nur zwei
bedeutendere Dramatiker: Fr. V. Jeräbek und E. Bozdech. Die Größe Neru-
das, Häleks,Vlceks und Smilovskys liegt auf einem anderen Gebiete als dem
des Dramas und die Werke J. J. Stankovskys und J. L. Turnovskys sind
ganz vergessen.
Von der Dichtung wendet sich nun der Verfasser zur Wissenschaft.
Zunächst schildert er die Pflege der Philosophie und Ästhetik in den 60er bis
80er Jahren durch Josef Dastich , Josef Durdik und den Vater des Sokol-
gedankens Miroslav Tyrs, dann spricht er von der Kritik, zu der die Dichter
Hälek, Neruda, Nebesky, Sabina und Havlicek durch ihre Stellung zur älteren
Generation geradezu gedrängt wurden. Ihre Kritik entbehrt noch der philo-
sophischen Methode , die wir erst in den Arbeiten J. Durdiks finden. Be-
rühmte Kritiker waren Ferd. Schulz, J. E. Kosina und F. Zäkrejs. So wie die
Kritik ging auch die Pädagogik von der Philosophie und zwar von der da-
mals in Österreich offiziellen Herbartschen Philosophie aus. Auf dem Gebiete
der Pädagogik hat G. A. Lindner Hervorragendes geleistet. Außer ihm kom-
men E. Makovicka, J. Kapras, J. Lepar und Peter Durdik in Betracht. Tüch-
tige Schulmänner waren auch J. Wenzig, J. Havelka und J. Sokol. Um die
Jugendschriftenliteratur machten sich neben Fr. Pravda, Kar. Svetlä, Zofie
Podlipskä auch J. V. Hrase und Fr. A. Zeman verdient. — Im weiteren be-
faßt sich Noväk mit der Pflege der Sprach- und Literaturwissenschaft in den
ÜOer und 70er Jahren. Mit der slavischen und böhmischen Grammatik be-
schäftigten sich V. Zikmund, M. Hattala, Fr. Bartos, A. Vasek, A. Matzenauer
und F. Vymazal, mit Lexikographie J. F. Sumavsky, Fr. Spatny, J. Rank, Fr.
St. Kott, mit klassischer Philologie J. Kvicala. Die Literaturwissenschaft lag
ziemlich im Argen. Nebeskys und Sabinas Darstellungen der böhmischen
Literatur wurden damals nicht übertrofi"en. Man beschränkte sich im großen
ganzen auf biographische Monographien, Schulbücher und Ausgaben alter
Texte. Solche Arbeiten lieferten J. Jirecek, Ant. Rybicka, Ferd. Censky, K.
536 Kritischer Anzeiger.
Tieftrnnk, V. Zeleny und Ad. Patera.— Schließlich ist noch von der Historio-
graphie und ihren Hilfswissenschaften die Rede. Gelehrte wie Tomek, Gin-
dely, Kalousek, Dudik, Brandl, Prasek, Emier, Bilek, Sedläcek und Herrn.
Jirecek werden erwähnt.
Dem Kapitel über die Gegenwart geht wiederum eine allgemeine Cha-
rakteristik der schönen und wissenschaftlichen Literatur voravis. Noväk
zeigt, wie auf beiden Gebieten zunächst zwei Richtungen , die nationale und
kosmopolitische, nebeneinander einherhingen, wie in den 80er Jahren in der
Poesie die realistische Richtung hinzukam, wodurch scharfe Kämpfe zwischen
der älteren und jüngeren Generation hervorgerufen wurden, und wie der
Realismus vom Symbolismus abgelöst wurde. Dann folgt eine Aufzählung
der literarischen Organe, deren Mitarbeiter Cech, Vrchlicky und ihr Kreis
waren. Sv. Cech steht an der Spitze der nationalen Richtung. Ihm verwandt
sind Otokar Cervinka, Ladislav Quis, Fr. S. Prochäzka, Eliska Kräsnohorskä
u. a. In diese Gruppe gehören auch J. V. Slädek, Bohd. Jelinek und Rud.
Pokorny, wenn sie auch durch die Einfachheit ihres Stiles, der etwas Volks-
liedartiges an sich hat, eine Sonderstellung einnehmen. Die kosmopoli-
tische Richtung ist durch zwei große Meister, Julius Zeyer und Jar. Vrchlicky,
vertreten. Die literarische Tätigkeit des letzteren war eine so kolossale, daß
es nicht leicht ist, seine Werke systematisch zu ordnen. Noväk bemüht sich,
Vrchlickys Werke nach verwandten Gruppen einzuteilen und sich innerhalb
dieser Gruppen einer chronologischen Reihenfolge zu bedienen. Er behan-
delt also die epische, lyrische und dramatische Dichtung, dann die Novellistik,
die literarischen Kritiken, Essays und schließlich die Übersetzungen. Im
Anschlüsse an Vrchlicky erwähnt Noväk dessen Übersetzer ins Deutsche, den
berühmten Wiener Chirurgen Eduard Albert. Zu Vrchlickys Schule gehören
Otakar Mokry, Karel Kucera, Fr. Kvapil, Frant. Chalupa, Jos. Jakubec, Frant.
Täborsky und Karl Leger. Bei diesen Dichtern beschränkt sich Vrchlickys
Einfluß auf die Verstechnik und den poetischen Ausdruck, bei anderen wie
J. Späcil Zeranovsky, B. Kaminsky, A. E. Muzik, L. Lostäk und Jan Rokyta
merken wir auch eine Abhängigkeit vom Gedankeninhalt der reflexiven Ge-
dichte Vrchlickys. Eine Gruppe von Dichtern, die ebenfalls zu den Epigonen
Vrchlickys zu zählen sind, ahmte den Dichter Frangois Coppee nach. Es sind
Aut. Klästersky, Alois Skampa , Emanuel Cenkov und Ant. Sova (in seinen
Anfängen). Sie legten Wert auf landschaftliche Beschreibungen und unter-
drückten die subjektiven Gefühle des Beobachters. Die letzten Epigonen
Vrchlickys, Ottokar Aurednicek, JaromirBorecky imd Jaroslav Kvapil kehren
das erotische Moment hervor. Zur katholischen Moderne, die ebenfalls zur
Schule Vrchlickys zu zählen ist, gehören Xaver Dvofäk, Pavel Vychodil,
Sigismund Bousek und Karel Dostäl Lutinov. — Den Roman der Gegenwart
teilt Noväk nach Stoffen in folgende sechs Gruppen : 1. historische Erzählung,
2. gesellschaftliches Genrebild, 3. realistische Dorferzählung, 4. unterhaltende
und konventionelle Literatur, 5. der selbstbewußte soziale Realismus, 6. Stre-
ben nach dem synthetischen Roman. Von diesen Gesichtspunkten aus be-
handelt er eine große Reihe moderner Romanschriftsteller. In die erste
Gruppe gehören V. B. Trebizsky, AI. Jiräsek und Zikm. Winter, dann die
J.V.Noväk u. A.NoviVk, Übers, d. bülim. Literaturg., angez. v. Donath. 537
weuiger bedeutenden Erzähler Iv. Klicpera, Fr. Shima, J. Braun, K. Skaba,
Fr. J. Öecetka, Kolda Malinsky und Väcl. Keznicek. Die zweite Gruppe von
Komanen pflegten Fr. Herites, Job. Lier, V. Stech und Ign. llerrmann. Mit
der Dorfgeschichte befaßten sich in der neuesten Zeit in Mähren: V.Kosmäk,
Fr. Sträneckä, Gabr. Preissovä, J. Herben, AI. Mrstik, Meth. Jahn und Ant.
Stasek, in Böhmen K. V. Rais, Jos.Holecek, Ter. Noväkovä und Karl Kloster-
mann. Groß ist die Zahl der ziemlich unbedeutenden Schriftsteller, die Noväk
in die vierte Gruppe einreiht. Die meisten von ihnen verfolgen keine künst-
lerischen Ziele, sondern wollen nur unterhalten. Am höchsten unter ihnen
stehen S. B. Heller, Edv. Jelinek und J. Havlasa. Auf die Schriftsteller der
fünften Gruppe, z. B. K. M. Capek, Fr. Rohäcek, G. Jaros, M. A. Simäcek, J.
Laichter, B. Vikovä-Kunetickä, F. H. Svoboda, J. Merhaut und J. Sumin, die
den realistisch -sozialen Roman pflegen, übt die russische Literatur einen
großen Einfluß aus. Dieser zeigt sich auch in zahlreichen Übersetzungen,
die von J. Hruby, J. Hosek, K. Stepänek, V. Mrstik u. a. herrühren. Die
jüngste Generation der böhmischen Romanschriftsteller (sechste Gruppe)
gehört der naturalistischen Richtung an und steht unter dem Einflüsse der
Franzosen (Zola, Anatol France und J. K. Huysman;, der Norweger (A. Gar-
borg, K. Hamsun), der Dänen (Jakobsen, Bang), der Schweden (Strindberg,
Geijerstam, Lagerlöf), der Deutschen (G. Keller, Riccarda Hnch, Przyby-
szewsky) , der Italiener (G. d'Annunzio) und des Engländers (Oskar Wilde).
In dieser Gruppe nennt Noväk J. K. Slejhar, V. Hladik, V. Mrstik, die
Dekadeuten J. Karäsek ze Lvovic, K. Kaminek, L. Zikovä und M. Marien.
Die jüngsten böhmischen Novellisten sind K. Sezima, J. Matejka, J. Uher, Fr.
Srämek, J. Mähen und R. Tesnohlidek.
Die weiteren Abschnitte beschäftigen sich mit dem Feuilleton, der Me-
moirenliteratur, der Jugendschriftenliteratur und der dramatischen Poesie in
der Gegenwart. In der Partie über das Drama gibt Noväk zuerst einen Über-
blick über die Geschichte des böhmischen Nationaltheaters in den letzten 2.5
Jahren und behandelt die Drarcatiker B. Adämek, F. A. Subert, L. Stroupez-
nicky, J. Stolba, K. Pippich und die unter Ibsens Einfluß stehenden Jar. Hu-
bert und Jar. Maria. — In einem separaten, sehr interessanten Abschnitte
wird auf die Bestrebungen hingewiesen, durch welche in den 90er Jahren des
vorigen Jahrhunderts das geistige Leben in Böhmen regeneriert werden sollte.
Es wird ferner die tschechische Moderne geschildert und gezeigt, inwiefern
die Publizistik im Dienste der slavischen Gegenseitigkeit stand und durch
welche Werke die Fremde über tschechische Literatur und Kultur informiert
wurde. — Dann ist von der Kritik der letzten 25 Jahre die Rede. Noväk spricht
zuerst von den literarischen Kritiken und teilt sie in mehrere Gruppen. Die
einen (z.B. Vrchlicky und Anna Scholz) beschränken sich auf Referate, andere
wieder fahndeten in ihrer philologischen Pedanterie nach grammatikalischen
und stilistischen Mängeln. Zu dieser Gruppe zählt der Verfasser Fr. Blly, Fr.
Vykoukal, P. Vychodil, Hynek Babicka, L. Cech und J. Vobornik. Die rea-
listische Bewegung führte der tschechischen Kritik neue Ideen zu. Zu den
realistischen Kritikern gehören H. G. Schauer, J. Vodäk, A. Drtil, V. Mrstik.
Der Schöpfer einer neuen kritischen Methode, die sich an französische Muster
538 Kritischer Anzeiger.
anschließt, ist F. X. Salda. An ihn reihen sich F. V. Krejci, A. Prochäzka,
Jifi Karäsek ze Lvovic und Mil. Märten. Außerhalb dieser Gruppen stehen
0. Theer, K. Sezima, 0. Simek, Aut. Vesely u. a. Mit der Kritik der bilden-
den Kunst beschäftigten sich nach Tyrs und Hostinsky F. X. Jirik, F. X. Har-
las, K. B. Mädl, J. Kamper u. a., mit der Kritik der Tonkunst J. L. Zvonair, F.
Z. Skuhersky, J. Förster, V. J. Novotny, E. Chväla, K. Knittl, V. VI. Zeleny,
K. Hoffmeister u. a.
Zum Schlüsse bespricht Noväk die neueste tschechische Poesie und zwar
die Lyriker J.S. Machar, Ant. Sova, Ot.Brezina, J. Karäsek ze Lvovic, Viktor
Dyk, Jos.Holy und andere weniger bedeutende Dichter. Dann wendet er sich
der schönen Literatur der Slovaken in den letzten .50 Jahren, der philoso-
phischen, ästhetischen und pädagogischen Literatur der Gegenwart, der Philo-
logie, Sprachwissenschaft, Literaturgeschichte und Historiographie des letzten
Vierteljahrhunderts zu.
Eingangs dieses Referates war von dem Erfolge die Rede, welchen die
erste Auflage von Noväks Buch erzielt hatte. Dieser Erfolg hatte seinen Grund
in folgenden Vorzügen :
1 . Keine Partie der tschechischen Literaturgeschichte bedurfte so dringend
einer systematischenDarstellungwie die neueste Zeit. Arne Noväk ist der erste,
der sich an eine so schwierige Aufgabe nicht nur herangewagt, sondern ver-
möge seiner ungewöhnlichen Kenntnis der tschechischen und europäischen
Literatur und seines scharfen kritischen Geistes glänzend gelöst hat. Der
Umstand, daß er über den Rahmen der schönen Literatur hinausging und —
mit Ausnahme der exakten — alle Geisteswissenschaften in Betracht gezogen
hat, macht das Buch noch wertvoller. Wenn insbesondere gegen diese Par-
tien von der Kritik Einwendungen erhoben wurden, so muß zu seiner Ent-
schuldigung angeführt werden, daß er sich da auf fremde Gewährsmänner
verlassen mußte, während er sich bei der schönen Literatur auf seine eigenen
Studien stützte.
2. Die Einteilung, die dem Verfasser einer Literaturgeschichte oft die
größten Schwierigkelten bereitet, ist ihm sehr gut gelungen. Er verbindet
zwei Standpunkte, den praktischen und wissenschaftlichen. Innerhalb der
einzelnen Zeitperioden teilt er den Stoff nach Dichtungsgattungen, wobei eine
Persönlichkeit, die sich auf mehreren Gebieten betätigte , an einer Stelle voll-
ständig behandelt wird. An den übrigen Stellen wird auf das bereits Gesagte
nur hingewiesen. Der Stoff erscheint auf diese Weise einheitlicher und über-
sichtlicher, als wenn eine Persönlichkeit zerrissen und an mehreren Orten be-
sprochen wird. In bezug auf Technik ist Noväk ein Schüler des französischen
Kritikers Brunetiere, der die geschichtliche Entwicklung einer jeden bespro-
chenen Dichtungsgattung genau kennt und aus dieser heraus den einzelnen
Dichter genau charakterisiert. Er blickt nach rückwärts und vorwärts und
schaut auch über die Grenzen der Heimat, um zu sehen, wie sehr die heimische
Literatur von der fremden beeinflußt wird.
3. Die Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln und Abschnitten sind
außerordentlich instruktiv. In essayartiger Form erhalten wir eine scharfe
P. Väsa, Katechismus d. bülim. Literaturgesch., angez. v. Donath. 539
Charakteristik einer ganzen Zeitperiode oder einer Dichtungsgattung. Sie
bilden eine glänzende Einführung in den ihnen unmittelbar folgenden Stofi'.
4. Geradezu unschätzbar sind für den wissenschaftlich Arbeitenden
die bibliographischen Angaben. Der tschechischen Literatur mangelt es an
einem Nachschlagewerk, wie es die deutschen Literarhistoriker im Goedeke
oder Meyers Grundriß haben. In Noväks Buche finden wir die Bibliographie
bis zum Jahre 1911 sehr gewissenhaft mit peinlicher Akribie zusammen-
getragen.
5. Das sorgfältig angelegte und sehr ausführliche Sach- und Wort-
register und das handliche Format tragen zur Verwendbarkeit des Buches
wesentlich bei.
Die erwähnten Vorzüge, zu denen noch ein sehr gewandter und an-
ziehender Stil zu zählen ist, machen uns das Buch Noväks außerordentlich
lieb und wert. O. Donath.
Prof. Pavel Vasa: Katechismus dejin ceske literatury.
Erschienen in Brunn bei A. Pisa,. K. 3.80.
Eine andere »kurzgefaßte Literaturgeschichte« ist der Katechismus von
Väsa. Dieser unterscheidet sich von dem eben besprochenen Buche von J.V.
und Arne Noväk vor allem dadurch , daß er der älteren Periode der tsche-
chischen Literatur mehr Raum widmet und sich mit der neuen nur insofern
befaßt, als sich das Urteil über sie bereits geklärt hat und feststehend ge-
worden ist. Die neueste Zeit behandelt er ganz kurz. Auch die Methode ist
eine andere. Während A. Noväk kritisiert und ästhetisiert, steht Väsa mehr
auf dem beschreibenden, referierenden Standpunkte. Er will den Leser über
die Hauptvertreter einzelner literarischer Strömungen auf eine leicht faßliche,
interessante und dabei recht ausführliche Weise belehren. Dazu schien ihm
die deskriptive Methode am geeignetsten. Er selbst sagt im Nachworte: »Pro
tento ücel poklädal jsem za nejvhodnejsi methodu proste popisnou, kterä
uvädi ctenäre do vlastni cetby a pro subjektivni i'isudek aestheticky opatiruje
spolehlivy zäklad. Ein Minus gegenüber der Noväkschen Literaturgeschichte
besteht im Fehlen der wissenschaftlichen Literatur und der Darstellung der
slowakischen Literatur in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrh. Der Verfasser
rechtfertigt sich damit, daß das Buch bedenklich angewachsen oder zu einem
trockenen Verzeichnis von Autoren und Büchern geworden wäre. Aus dem-
selben Grunde sind auch viele Namen in der Darstellung der schönen Litera-
tur der Gegenwart ausgefallen.
Wie Noväk teilt auch er die Literaturgeschichte in drei Teile, wobei
ihm Hus und die tschechische Wiedergeburt als Grenzsteine dienen. Die alt-
böhmische Literatur (S. 7 — 43) behandelt er nach Gattungen in zwölf kurzen,
recht gelungenen Stücken. Wenn auch einzelne bedeutende Persönlichkeiten,
wie z. B. der Verfasser der Alexandreis, Tomas ze Stitneho, nur mit wenigen
Strichen gezeichnet werden, so sind diese doch so markant, daß das Bild des
Schriftstellers klar vor unseren Augen steht. Die mittelböhmische Periode
zerfällt in fünf Kapitel: Hussitentum, Humanismus, Brüderunität, Gegenrefor-
540 Kritischer Anzeiger.
mation, Literatur der Exulanten und Slovaken. Auch hier treten einzelne
Persönlichkeiten wie Hus , Chelcicky, Veleslavin, Vaclav Vratislav z Mitrovic,
Jan Blahoslav, K. zZerotina, Comenius und auch andere durch ihre plastische
Darstellung klar hervor. Die neubühmische Literatur teilt der Verfasser in
zwei Gruppen: 1. Wiedergeburt (S. 141 — 248), 2. Modernes tschechisches
Schrifttum (248 — 348), welches mit der Dichtergeueration, die den Almanach
»MäJ« herausgab, beginnt. In diesem Rahmen behandelt er zunächt die jose-
finische Aufklärung und die Anfänge der wissenschaftlichen Forschung. Do-
brovsky wird kurz, aber scharf charakterisiert. Dann wird recht anschaulich
die Wiedererweckung des tschechischen Volkes durch das Theater und durch
die populäre Lektüre geschildert und die Dichterschule Puchmajers behandelt.
lu dem Abschnitte »Begründung der tschechischen Wissenschaft« ist von
Jungmann, Marek, Mil. Zd. Poläk, Presl, Purkyne, Palacky und Safafik die
Rede. Mit Unrecht hat der Verfasser den Dichter Poläk hier aufgenommen.
Sein Gedicht »Vznesenost prirody« hat lyrischen Charakter und mit der
Wissenschaft nichts zu tun ; dagegen hätte er hier von dem berühmten Alter-
tumsforscher J. E. Vocel sprechen sollen und nicht erst bei der didaktischen
Poesie. Der Abschnitt »Künstlerische Wiedergeburt« behandelt Kollär, Cela-
kovsky. Erben, Nemcovü, Mächa, Nebesky. Dann erst ist von den altbüh-
mischen Mystifikationen die Rede. Der Schlußabschnitt dieses Kapitels
»Didaktische und satirische Poesie« bespricht die Dichter Jablonsky, Vocel,
Langer, Koubek, Rubes, HavHcek, VinaHcky und Pravda. Dadurch , daß der
Verfasser die Entwicklung einzelner literarischer Strümuugeu und Gattungen
darstellt, leidet die Chronologie. So ist z. B. von der Frühromantik (Hanka,
Svoboda, Linda) erst die Kede, nachdem die Nemcovü längst besprochen wurde.
Auch Pravda, den typischen Verfasser von Dorferzählungen sind wir ge-
wöhnt, im Zusammenhang mit B. Nemcovä zu nennen. Schließlich ist die
Reihenfolge: Erben, Nemcovä, Mächa, Nebesky keine gewöhnliche. Von den
mährischen Dichtern wird Susil in einer kurzen Bemerkung (S. 2 OS) abgefer-
tigt, Kläcel überhaupt nicht erwähnt. Einige kleine Versehen in den Partien
über Langer und Rubes wären richtigzustellen.
Die moderne Literatur teilt der Verfasser in folgende vier Abschnitte:
Kruh mäjovy, Lumirovci, Poesie let devadesätych , Drama a belletrie. Im
ersten Abschnitte werden Fric, Hälek, Nernda, Heyduk, R. Mayer, Pfleger
Moravsky, Smilovsky und Sole, im zweiten Cech, Kräsnohorskä, Quis, Slädek,
Zeyer und Vrchlicky behandelt. Von den Dichtern der 'JOer Jahre führt er
Machar, V. Dyk, Bezruc, Sova und 0. Bi-ezina, von den Dramatikern J. J.
Kolär, Bozdech, Jefäbek, Subert, Stroupeznicky, die Brüder Mrstfk , Simäcek,
F. H. Svoboda und J. Hubert an. Moderne Erzähler sind: Trebizsky, Jiräsek,
Z. Winter, A. Dohnal (L. Hausmann), V. Kosmäk, J. Herben, A. Mrstik, K. V.
Rais, A. Stasek, Holecek, T. Noväkovä, Fr. Herites, J. Herrmann, V. Mrstik,
J. V. Slejhar, R. Svobodovä. Aus dieser Übersicht sehen wir, daß Väsa in der
Partie über moderne Literatur den Stoff nicht erschöpft hat. Wir vermissen
Namen, die mit Rücksicht auf ihre Bedeutung selbst in einem Katechismus
genannt zu werden verdient hätten. Ich nenne nur ganz beiläufig die Roman-
schriftstellerinnen Preissovä, Sträneckä, Kunetiekä und J. Sumin sowie die
Böhm. Literatur cl. XIX. Jahrb., 2. Aufl., angez. v. Donath. 541
Erzähler Klostermann , S. Heller. Viele von den hier Aufgezählten werden
vom Verfasser nur erwähnt (V. Mrstik, J. Holecek), während sie mehr Raum
verdient hätten als andere, die ausführlicher behandelt erscheinen (Kosmäk
Dohnal).
Wenn wir von der fragmentarischen Darstellung der modernen Literatur
absehen, so können wir Väsas Buch als sehr nützlich bezeichnen. Sein Vor-
zug liegt darin, daß der Verfasser den Leser nicht durch trockene Aufzählung
von Namen und Daten ermüdet, sondern ihn vielmehr durch eine sehr inter-
essante Darstellung, durch einen angenehmen und fließenden Stil geradezu
fesselt. Wie er es versteht mit wenigen Worten einen Dichter und sein Werk
scharf zu charakterisieren , sehen wir z. B. aus der Partie über Bozena Nem-
covä. Das Buch kann als Behelf zur Einführung in die tschechische Literatur-
geschichte bestens empfohlen werden. * O. Donath.
Literatura ceska devatenacteho stoleti. Dil I. Druhe
opravene a doplnene vydani. Od Dobrovskeho k Jimgmannove
skole bäsnicke. Napsali: J. Hanus, J. Jakubec, J. Mächal, J.
Vlcek. VPraze 1911.
Wenn sich nach kaum zehn Jahren das Bedürfnis herausstellt, die Neu-
auflage eines so kompendiüsen und ausschließlich für wissenschaftliche
Kreise bestimmten Werkes, wie es die Literatura 19. stoleti ist, zu veranstal-
ten, so zeugt das von der großen Beliebtheit, der sich diese Literaturgeschichte
erfreut. Die Beliebtheit ist sehr berechtigt, denn inbezug auf Gründlichkeit
kann sich ihr keine zweite tschechische Literaturgeschichte an die Seite
stellen. Und was die wissenschaftliche Qualität betrifft, kann sie es mit den
besten Werken ähnlichen Inhalts bei den Deutschen aufnehmen. Sie ist be-
reits in diesen Blättern anläßlich des Erscheinens der ersten Auflage von
Arne Noväk gebührend gewürdigt worden i), so daß es überflüssig wäre, hier
neuerdings ihre großen Vorzüge aufzuzählen. Es wird wohl genügen, darauf
hinzuweisen , wodurch sich die zweite Auflage dieses Bandes von der ersten
unterscheidet, wobei auf stilistische Umarbeitungen und unbedeutende Zu-
sätze gar nicht eingegangen zu werden braucht.
Zunächst trat eine Änderung in der Redaktion ein, welche Prof. Jakubec
von Prof. Vlcek übernommen hat; darüber ist nichts anderes zu sagen, als
daß Vlcek in Jakubec einen würdigen Nachfolger gefunden hat. Es sei noch
bemerkt, daß von ihm der größte Teil des Werkes herrührt. Aus seiner Fe-
der flössen von 871 Seiten 564, so daß auf die übrigen drei Mitarbeiter zu-
sammen etwa die Hälfte der von ihm gelieferten Arbeit entfällt.
Das einzige, was A. Noväk in seiner bereits erwähnten Rezension aus-
zusetzen wußte, waren die mangelhafte Symmetrie und die überflüssigen
Wiederholungen , eine Folge der gemeinsamen Arbeit mehrerer Gelehrter an
dem Werke. In der alten Auflage kam es vor, daß gewisse Partien zweimal be-
1) Arch. f. sl. Phil. XXVI, 444—4.57.
542 Kritischer Anzeiger.
arbeitet wurden u. z. jedes Mal von einem anderen Standpunkte aus: so z. B'
die sprachwissenschaftliche Tätigkeit Dobrovskys und Durychs, die Einflüsse
der Germanistik auf die Slavistik in Böhmen (von Jakubec und Hanus), Jung-
manns Übersetzung der Attala (von Jakubec und Mächal), Lindas Eoman
»Zäfe nad pohanstvem« (von Mächal und Hanns) usw. Dazu kam noch die
Asymmetrie, daß z. B. bedeutenden Persönlichkeiten weniger Raum gewidmet
wurde als minder bedeutenden (Nejedly 20 Seiten, W. A. Svoboda 30 Seiten),
daß die ziemlich wertlosen Dramen um die Wende des XVIII. Jahrh. auf 74
Seiten besprochen wurden , während für die Anfänge der böhmischen Vers-
schreiberei 22 Seiten genügten.
Diese beiden Mängel, sowolil die Wiederholungen wie auch die Asym-
metrie, sind nunmehr behoben worden. Der Eedakteur war bemüht, den gan-
zen ersten Band einheitlicher zu gestalten. Einzelnen Literaturerscheinungen
maß er so viel Raum zu, wie sie ihrer Bedeutung entsprechend erforderten.
Manches Kapitel wurde durch ganze Abschnitte erweitert, manches um über-
flüssig Erscheinendes gekürzt. Einzelne Abschnitte wurden durch neue
wissenschaftliche Resultate ergänzt. Und da die tschechische Literatur-
geschichte in den letzten 10 Jahren erfreulicherweise eine reiche Ernte auf-
zuweisen hat, so sind die Ergänzungen ziemlich zahlreich.
Gleich das erste Kapitel , in dem Jakubec den Josefinismus in Böhmen
behandelt , erfuhr in der neuen Auflage eine Änderung. Es wird von der
Wiedergeburt (obrozeni) und nicht von der Wiedererweckung (vzkfiseni) des
tschechischen Volkes gesprochen und in einer Fußnote bemerkt, daß nach der
Polemik Vondräk*) — Arne Noväk^) die Bezeichnung »obrozeni« bei den
jüngeren Literarhistorikern die übliche geworden ist. Neu ist ferner der Hin-
weis auf die bisherige nicht immer ganz einwandfreie Auffassung der Wieder-
geburt. Da weder von einem vollständigen Untergang der tschechischen
Literatur, noch von einem Untergang der tschechischen Sprache die Rede
sein konnte — wohnte doch den Werken aus der Jesuitenzeit ebenfalls ein
tschechischer Geist inne — so brauchte die Literatur nicht vom Tode erweckt,
sondern nur zu kräftigerem und frischerem Leben neu geboren werden.
Die tschechische Literatur war im XVII. und XVIII. Jahrh. nicht erstorben,
sie war nur auf einen sehr großen Tiefstand herabgesunken, von dem sie sich
um die Wende des XVIII. und XIX. Jahrh. infolge der aus der Fremde ein-
strömenden aufklärerischen Ideen emporzuschwingen begann. Sie stand mit
dieser Erscheinung keineswegs vereinzelt da. Die deutsche Literatur bewegte
sich zu jener Zeit ebenfalls auf einer aufsteigenden Linie und eine Wieder-
geburt beobachten wir am Anfang des XIX. Jahrh. nicht nur bei den Tsche-
schen, sondern auch bei den übrigen Slaven, bei den Magyaren und den nor-
dischen Völkern. Neu hinzugekommen ist auch der erste Abschnitt (S. 5 — 10),
der eine Charakteristik der inneren Politik in Osterreich zur Zeit der Kaiserin
Maria Theresia und Kaiser Josefs enthält. Der dritte Abschnitt, der die
1) Arch. f sl. Phil. XXII, 46 f.
2) Obz. liter. a umel. 1. n.
Böhm. Literatur d XIX. Jahrb., 2. Aufl., angez. v. Donath. 543
Förderung des Volkswohlstandes durch den Josefinismus und den Nachhall
dieser Bestrebungen in der damaligen Literatur bespricht, erfuhr eine wesent-
liche Umarbeitung. Die Verschiebung der sozialen Verhältnisse zur Zeit
Kaiser Josefs, die Populationsbestrebungen, die Hebung des Volkswohl-
standes, die Emanzipation der niedrigen Volksschichten und die übrigen fort-
schrittlichen Ideen, wie sie von J. H. G. Justi, den französischen Enzyklopä-
disten und Jos. Sonnenfels propagiert wurden, werden besprochen. Ferner
wird gezeigt, welche Erleichterungen Maria Theresia und Kaiser Josef dem
vom Adel so schwer bedrückten Landvolke erwirkt haben , wie der auf-
geklärte Absolutismus des letzteren auch der städtischen Bevölkerung zu-
gute kam und welch günstigen Einfluß die Bestrebungen der beiden
Herrseher auf die Bevölkerungszunahme hatten. Anknüpfend an diese Be-
strebungen wird gleich wie in der ersten Auflage gezeigt, welche Aufmerk-
samkeit den Naturwissenschaften gewidmet wurde und wie Kaiser Josefs
Reformen zum Gegenstand von Gelegenheitsschriften wurden. Der Bespre-
chung der Verhältnisse an der Prager Universität im vierten Abschnitte wird
ein kleiner Exkurs über das Volks- und Mittelschulwesen vorausgeschickt.
Eine wesentliche Bereicherung des Buches bedeutet der fünfte Abschnitt
»Aufklärerische Publikationen und Zeitschriften<. Darin werden ausführ-
lich charakterisiert: »Monatliche Auszüge alt- und neuer gelehrten Sachen«
(Olmütz 1747), eine Zeitschrift, die von der »Societas incognitorum eruditorum
in terris Austriacis« nach dem Muster anderer ausländischer Zeitschriften
herausgegeben wurde, ferner die moralische Wochenschrift »Die Unsichtbare«
und ihre Konkurrentin »Die Sichtbare« und die belehrende Zeitschrift »Meine
Einsamkeiten«, schließlich die literarisch -kritischen Wochenschriften »Neue
Literatur« und »Prager gelehrte Nachrichten«, von denen letztere eine Höhe
erreichten, wie sie kein österreichisches Organ jener Zeit aufzuweisen hatte.
Etwa 2-5 Zeitschriften und Tagesblätter belehrenden und belletristischen In-
halts werden registriert. Welche Veränderung dieses Kapitel erfahren hat,
ist schon daraus zu ersehen, daß es von 36 auf 61 Seiten angewachsen ist, wo-
bei die Partie über die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften hier ausfiel
und in einem anderen Zusammenhang behandelt wurde.
Das zweite Kapitel, ebenfalls von Jakubec, behandelt die gegen den
Josefinismus gerichtete Historiographie. Darin finden wir die Geschichts-
schreiber Piter und Dobner breiter ausgeführt als in dem entsprechenden
Kapitel der ersten Auflage. Eine sehr fühlbare Lücke wird ausgefüllt durch
eine Abhandlung über Pelzeis historische Tätigkeit. Hier wird dann der im
vorigen Kapitel geschriebene Abschnitt über die Königliche Gesellschaft der
Wissenschaften eingeschaltet, wahrscheinlich deshalb, weil die eben bespro-
chenen historischen Bestrebungen neben anderen in dieser Gesellschaft Pflege
und Förderung fanden. Da die Gelehrten F. F. Prochäzka , J. V. Zlobicky,
Ungar u. Cornova mehr Berücksichtigung fanden als in der ersten Auflage,
wuchs der letzte Abschnitt des zweiten Kapitels aufs Doppelte (von 8 auf 16
Seiten) an.
Als Ergänzungen der ersten Auflage wären noch die Partie über F. Vaväk
und Jan Jenik z Bratric {S. 402—406) im sechsten Kapitel und die Partie über
544 Kritischer Anzeiger.
das tschechische Zeitschriftenwesen, welche das ganze elfte Kapitel ausfüllt
zu erwähnen. Vaväk war ein gebildeter Bauer aus Miltschitz, der auf seine
Landsleute einen wohltuenden Einfluß übte und sich schriftstellerisch be-
tätigte. Jenik z Bratric war das letzte Mitglied einer böhmischen Vladyken-
familie ; seine Memoiren liefern mitunter ein wichtiges Quellenmaterial. Das
elfte Kapitel bedeutet eine Fortsetzung des letzten Abschnittes im ersten Ka-
pitel, wo von den deutschen Zeitschriften die Kede war. Jakubec zeigt hier,
wie neben deutschen Zeitschriften allmählich auch tschechische zu erscheinen
begannen. Es ist die Rede von Nejedlys i'Hlasatel« (in der ersten Auflage
im Zusammenhang mit Nejedly behandelt), von Palkovics »Tydennik« und
HromMkos »Videnske Noviny« und »Prvotiny« (auch diese wurden schon in
der ersten Auflage behandelt). Kürzer als die genannten Zeitschriften wer-
den besprochen: M. J. Sychras »Povfdatel« und »Kratochvilniks J. Hybls
»Rozmanitosti«, >Hyllos« , »Jindy a Nyni< , V. M. Kramerius' >Kniha zlatä«,
»Dobrozvest< , Cechoslav«, Zieglers »Dobroslav«, »Milozor«, »Milina, »Verny
raditel< und »PHtel ml;'ideze< .
Neben diesen Ergänzungen kommen auch starke Kürzungen der ersten
Auflage vor. So restringiert z. B. Mächal das siebente Kapitel »Die Anfänge
des neuböhmischen Dramas« um ganze 20 Seiten und man wird es ihm zu-
gute halten, daß er K. I. Tham, Sedivy, Zima und Stepänek nicht mehr Raum
widmet als ihnen vermöge ihrer Bedeutung gebührt. Eine weitere Kür-
zung erwies sich als notwendig in Machals Kapitel »Die Anfänge der neu-
böhmischen Unterhaltungsprosa«. Die Partie über Lindas Roman »Zäi-e nad
pohanstvem« mußte wegbleiben, weil von diesem Roman später (in Hanns'
Teil über die Handschriftenfrage) die Rede ist. Und noch eine große Kür-
zung fand statt. Hanns vereinigt seine drei Kapitel (XIV.— XVI.) der alten
Auflage in einem einzigen (XL »Anfänge der neuböhmischen Romantik«) und
restringiert den Stoff von 153 auf kaum 100 Seiten. Den Abschnitt über
Hromädkos Zeitungen konnte er ausfallen lassen, weil dieser Stoff anläßlich
der Zeitschriften zur Sprache kam ; Hanka , Linda und Svoboda hat er kürzer
abgefertigt als in der ersten Auflage und die erste Phase der Handschriften-
fehde (in der ersten Auflage Kapitel XVIII) ist ausgeblieben. Offenbar wird
die ganze Geschichte des Handschriftenstreites in einem Kapitel der nächsten
Bände behandelt werden.
Zu den Ergänzungen und Kürzungen kommen schließlich gewisse Ver-
schiebungen des Stoffes innerhalb des ersten Bandes, ja es kommt sogar vor,
daß manche Partien aus dem zweiten Baude in den ersten Band herüber ge-
nommen wurden. Dies geschah zu dem Zwecke, damit ein gewisser Zu-
sammenhang in bezug auf Zeit und Ideen hergestellt werde. Von der Ver-
schiebung der Geschichte der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften
war schon die Rede. Die Partie über Dobrovsky wurde insofern einheitlicher
gestaltet, als sie von einem Verfasser (Jakubec) in einem Kapitel vereinigt
wurde, während sie in der alten Auflage aus zwei Kapiteln bestand und auch
von zwei verschiedenen Verfassern (Jakubec und Smetänka) herrührte. Wie-
derholungen (Einfluß Adelungs und Fuldas auf die böhm. Slavistik, Polemik
gegen den Purismus u. a.), die sich infolge des Umstandes, daß sich zwei Ver-
Jakubec u. Noväk, Gesch. d. cech. Literatur, angez. v. Donath. 545
fasser mit diesem Stoff beschäftigten, einschlichen, sind behoben worden.
Ein Irrtum ist in der Nummerierung der Abschnitte dieses Kapitels unter-
laufen, indem auf Abschnitt II gleich Abschnitt IV folgt. Das fünfte Kapitel
»Uvedomoväui närodnostni« entspricht dem neunten Kapitel der alten Auflage.
Mit Recht wurde dieser Stoff nach vorn gerückt, denn jetzt bekommt der
Leser ein einheitliches Literaturbild der josephinischen Zeit. Früher war
dieses Bild zerrissen. Das sechste Kapitel >Osvicenskä literatura vzdelävaci
a poucnä« von Jakubec und Vlcek bildet eine Zusammenziehung des Kap. IX,
Abschnitt IV (über die Herausgeber alter tschechischer Bücher Pelzel, F. F.
Prochäzka) und über die Popularisation der aufklärerischen Ideen (durch
Tomsa, Rulik, Kramerius und Pelzel), des Kap. XIII (Literatur der evange-
lischen Slovaken) und des Kap. IV, Bd. II (Literatur der katholischen Slovaken)
der alten Auflage.
Das Register ist ebenso gründlich wie in der ersten Auflage, und hat
noch den Vorzug, daß die Zahlen der Seiten, auf denen irgend eine Persön-
lichkeit nickt nur erwähnt, sondern ausführlicher besprochen wird, durch
Fettdruck hervorgehoben werden. O. Donath.
Geschichte der cechischen Literatur von Dr. Jan Ja-
kubec, anßerord. Professor an der k. k. böhm. Karl-Ferdinand-
Universität in Prag und Dr. Arne Novak, Privatdozenten an
der k. k. böhm. Karl-Ferdinand- Universität in Prag. Zweite
Auflage. Leipzig C. F. Amelangs Verlag 1913.
Seit dem Erscheinen der ersten Auflage der > Geschichte der cechischen
Literatur« von Jakubec und Noväk (1907) i) ist der ganze Stoff von beiden
Autoren neu vorgenommen und in zwei cechisch geschriebenen Handbüchern
ausführlich dargestellt worden 2). In der vorliegenden zweiten Auflage be-
mühen sich beide Autoren aus den Ergebnissen ihrer cechischen Werke
Nutzen zu ziehen. Auch berücksichtigen sie die sachlichen Einwände,
welche seitens der Kritik gegen die I. Ausgabe erhoben wurden.
Jakubec' Arbeit (S. 1 — 267) zählt in der zweiten Auflage um zwei
Kapitel mehr als in der ersten, die daher rühren, daß zwei Kapitel der
ersten Auflage in vier Kapitel geteilt wurden. Ursprünglich behandelte das
dritte Kapitel den Humanismus, die böhmische Brüderunität und den Verfall
der cechischen Literatur; jetzt behandelt das dritte Kapitel die böhmische
Brüderunität, den Humanismus (bemerkenswert ist die Umstellung) und das
vierte Kapitel den Verfall. Letzteres führt den Titel »Exulantenliteratnr,
1) Siehe die Besprechung von J. Karäsek im Arch. f. sl. Phil. XXX, 241
bis 265. Sie ist so ausführlich, daß ich mich hier nur auf die Änderungen der
2. Auflage zu beschränken brauche.
^) Jan Jakubec »Dejiny ceske literatury, Prag 1910/11. Arne Noväk
»Pfehledne dejiny ceske literatury. I.Ausgabe Olmütz 1910. IL Ausgabe
Olmütz 1913. Vgl. oben S. 530 fl:.
Archiv für sliivisclic Philologie. XXXV. 35
546 Kritischer Anzeiger.
Comenius, der Verfall«. Ebenso entstanden aus dem fünften Kapitel der alten
Auflage (Die slavische Idee der cechischen Dichtung und Wissenschaft, Josef
Jungniann und seine Schule, Die Königinhofer und Grünberger Handschrift,
Jan Kollär, P. J. Safarik) das sechste und siebente Kapitel der Neuauflage.
Auch hier wurde der Stoff insofern verschoben, als zunächst Josef Jungmanu
und seine Schule, die Anfänge der cechischen Romantik und die Königin-
hofer und Grünberger Handschrift besprochen werden (Kap, H) und erst in
einem weiteren Abschnitte (Kap. 7) anläßlich der Behandlung Kollärs und
Safariks von der slavischen Idee in der cechischen Dichtung und Wissen-
schaft die Rede ist. Hierher wurde mit Recht die Partie über Palacky ein-
geschoben, die früher zwischen Celakovsky und Erben nicht richtig plaziert
war. Außer diesen Umstellungen finden wir in Jakubec" Arbeit stellenweise
textliche Umarbeitungen und Ergänzungen.
Trotzdem sind die Veränderungen nicht so bedeutend wie in dem von
Arne Noväk bearbeiteten Teile (Die cechische Literatur der Gegenwart S. 281
bis 446). Das liegt in der Natur der Sache. Noväk mußte vor allem die
neueste Literatm* aus den sechs Jahren, die zwischen dem Erscheinen beider
Auflagen liegen) aufnehmen. Außerdem wurde seine Arbeit von der Kritik
weit mehr hergenommen als die seines Mitarbeiters und er konnte sich den
manchmal nicht ganz unberechtigten Einwänden keineswegs verschließen;
er hat eine große Zahl mehr oder weniger subjektiver Einwendungen trotz-
dem ignoriert ']. Im folgenden sei auf Noväks Ergänzungen hingewiesen :
Die Partie über Neruda wird ergänzt durch die Darstellung seines
Liebesverhältnisses zu Karolina Svetlä (S. 291) und die Behandlung seiner
kritischen Tätigkeit (S. 294 — 29.3). Bei Heyduk werden die Anregungen
hervorgehoben, die er im böhmischen und slowakischen Volksliede gefunden
hat und seine Gedichtsammlungen >Lesni kviti<, »Cymbäl ahusle« und >Horec
a srdecnik« werden erwähnt. Eine Änderung besteht darin, daß die Roman-
schriftsteller Arbes und Stasek, die früher neben Rais und Ter. Noväkovä ge-
nannt wurden, jetzt im Zusammenhang mit ihrem Zeitgenossen Pfleger (S. 308
bis 310) besprochen werden. Vaclav Vlcek, Ferd. Schulz und Sofie Podlipskä
werden (S. 310— 312) viel ausführlicher behandelt als in der ersten Auflage;
doch gelten insbesondere in bezug auf Vlcek die Worte der Kräsnohorskä , es
sei besser in Noväks Literaturgeschichte nicht genannt zu werden, weil einem
auf diese Weise die Herabsetzung erspart bleibe. Noväk nennt ihn »einen
machtvollen Organisator, einen pathetischen Redner und eingebildeten
1) Selten hat ein Buch bei seinem Erscheinen so viel Aufsehen und Un-
mut erregt wie die erste Auflage der vorliegenden Literaturgeschichte. Die
Entrüstung wendete sich hauptsächlich gegen Arne Noväk, dem Ungerechtig-
keit in der Beurteilung einzelner Persönlichkeiten zum Vorwurfe gemacht
wurde. Die Dichterin Eliska Kräsnohorskä, die alle Ursache hatte, über
Noväk ungelialten zu sein, zieh ihn in einem sehr vehementen Artikel der
Osveta 1908 (»Ceskä literatura vylozena Nemcüm«) des Antipatriotismus
(protivlastenectvi); viele andere verübelten ihm die Herabsetzung Jiräseks,
Rais' und anderer.
Jakubec u. Noväk, Gesch. d. cech. Literatur, augez. v. Donath. 547
Volkspädagogen, den man zuerst verehrt, dann gefürchtet und endlich
verspottet habe«. Svatopluk ^echs Werk (der Dichter starb 1908) konnte
Noväk als etwas Abgeschlossenes betrachten und hat in dem Sinne kleine
Änderungen vorgenommen. Er bespricht Cechs Reisen in den Orient und
erwähnt im Zusammenhang mit diesen die Dichtungen »Boure« und »Zimni
noc«. Die Dichtung ^Vaclav z Michalovic« erfährt eine ausführlichere Cha-
rakteristik (S. 325) und die Werke »Ve stinu lipy- und »Petrklice« , die in der
ersten Ausgabe nur erwähnt wurden, werden jetzt ausführlicher behandelt
(S. 327, 330). Eliska Kräsnohorskä schneidet hier ebenso schlecht ab wie in
der ersten Auflage, nur daß sich der Autor bemüht, sein abfälliges Urteil über
die Dichterin zu begründen (S. 331 — 332).
Im Anschluß an die Historiker Tomek und Jos. Jirecek werden (S. 334
bis 335) in der Neuauflage auch Gindely, Bilek, Kalousek, Prasek und Sed-
läcek genannt. Den größten Widerspruch rief in diesem Buche die Partie
über Jiräsek hervor. Noväk ließ in der zweiten Auflage einige Seitenhiebe
(z. B. auf das Nationaltheater, die Akademie und die Kritik) aus und bot da-
für eine ausführlichere Biographie dieses Romanciers (S. 336 — 337). Dagegen
hat er sein hartes Urteil über den Künstler Jiräsek nicht abgeschwächt, son-
dern es (S. 339—340) zu begründen versucht. Bei der Besprechung der Schrift-
steller, die sich um die Zeitschrift »Lumir< scharten, berücksichtigt er in
einem Absätze auch den berühmten Prager Kliniker Josef Thomayer (S. 347
bis 348) und führt die Partie über Jos. V. Slädek, die früher mit einer halben
Seite abgetan wurde, auf zwei Seiten aus. Das Werk der im vorigen Jahre
verstorbenen Dichter Slädek und Vrchlicky wird als abgeschlossen behandelt.
Bei Vrchlicky ist eine biographische Skizze neu hinzugekommen (S. 355 — 356).
Die >Katholische Moderne« hat Noväk auch in der zweiten Auflage sehr
kurz behandelt, nur bespricht er jetzt im Zusammenhang mit ihr den Dichter
Jan Rokyta (Ad. Öerny). Seiner Mutter Tereza Noväkovä widmet er eine
neue Besprechung, was einerseits in ihrem im vorigen Jahre erfolgten
Tode, andererseits in der großen Produktivität der Dichterin in den
letzten sechs Jahren (»Na Librove grünte« 1907, »Z kamenite stezky< 1908,
>Deti cisteho ziveho« 1909, >Vykriky a vzdechy« 1911, »Drasar« 1913) seine
Ursache hat. Zusätze erfährt der Abschnitt über die Pflege der Sprach- und
Literaturwissenschaft in Böhmen (S. 404 — 405). In der neuen Auflage werden
neben den schon früher genannten Slavisten Gebauer und J. Vlcek auch
Pastrnek, Zubaty, Havllk, Smetänka, Flajshans, Novotny, Mächal, Jakubec,
Hanns und Leander Cech erwähnt. Machar wird in einem neu hinzugekom-
menen Absatz (S. 416) als Feuilletonist gewürdigt und Petr Bezruc (Vl.Vasek),
der früher unerwähnt blieb, wird ziemlich ausführlich besprochen (S. 426 bis
427). Auch durch die Behandlung St. K. Neumanns wird eine fühlbare Lücke
der ersten Auflage ausgefüllt. Es werden die neuen Werke von J. K. Slejhar
(»Lipa« 1908) und der Rüz. Svobodovä (»Marne läsky« 1907, *Cerni myslivci«
1908, i>Pokojny dum^ 1910, »Posvätne jaro« 1911) aufgenommen und be-
sprochen. Neu ist endlich der Schluß des Buches (S. 348 — 444), der sich mit
der Literatur der allerletzten Jahre beschäftigt. Darin ist zunächst von den
schriftstellernden Frauen Jiri Sumin (Anna Vrbovä) , Rüz. Jesenskä und Boi.
35*
548 Kritischer Anzeiger.
Benesovä, ferner von den Dichtern Fräna Srämek, Karel Horky, Karel Sezima,
Fr.Khol und Fr. Langer die Rede. Einem Abschnitt über das Prager National-
theater folgt ein anderer über die modernen Dramatiker Hubert, J. M. Mayer,
Arn. Dvoiäk and J. Mähen. Das Buch schließt mit einem Ausblick auf die
neueste slowakische Literatur, wobei der Gelehrte Czambel und die Dichter
Kukucin, Tajovsky und Krasko erwähnt werden. O. Donath.
T. MHKKCia, TiopKCKO - öojrapcKoe jiiToyiicjieHie, HsB^cxia ot-
ji.'^Ä&ma pyccKaro asLiKa ii ciOBecHOCTii ÜMnepaTopcKOH AKaAeMiii
HayKTi, TOMT, XVIIl (1913), Kinira 1, CTp. 243—247.
Andrej Nik. Popov hat in seiner Sammlung der russischen Chrono-
graphen (Oösopi. xpoHor pa-POBT. pyccKoii pcÄaicuiir, Moskau 1866, L
S.2.5) aus zwei Handschriften des »Letopisec EUinskij i Rimskij«, die aus dem
XVL Jahrhundert stammen, ein ganz merkwürdiges Stück bekannt gemacht,
ein Verzeichnis der heidnischen Fürsten der Bulgaren von der sagenhaften
Urzeit angefangen bis in die zweite HLilfte des VHL Jahrhunderts. Der Text
ist abgedruckt auch bei Hilferding in der Geschichte der Bulgaren und Ser-
ben (CoöpaHiecouiiHeHiH 1, 20 — 21 A.), bei Kunik in dem Buche über Al-
Bekri S. 121 — !46(Il3Bic'i'i>i A.!ii>-BeKpH h apyrnxi. aBTopoBt o Pycu
H CjaBflHaxT., Petersburg 1S78 in den »Zapiski« der Kais. Akademie, Bei-
lage zu Bd. 32 Nr. 2) und in meiner Geschichte der Bulgaren (Prag 1876) S. 127
Anm. Eine lateinische Übersetzung von mir hat Graf Geza Kuun, Relationum
Hungarorum cum Oriente gentibusque Orientalis originis historia antiquissima,
Bd. 2 (Claudiopoli 1895) S. 11 ff. mit seinem Kommentar veröffentlicht. Eine
englische Übersetzung hat Bury in der Ausgabe Gibbons Bd. 6, Beilage 9 mit-
geteilt.
Popov, Hilferding und Andere meinten, das Original sei griechisch ge-
schrieben gewesen und erst in späterer Zeit ins Slavische übersetzt worden.
Es war vielleicht eine griechische Inschrift auf einer Säule oder vielleicht auf
mehrerenSäulen nebeneinander, mit einem Regenteukatalog, in der An der be-
kannten griechischen Inschriften aus der Zeit der heidnischen Bulgarenfürsten.
Das Interesse für den Inhalt brachte es mit sich, daß der Text vielleicht in
den Zeiten des Symeon ins Slavische übersetzt wurde. Die Namen der Fürsten,
die wir aus den griechischen Chroniken des Theophanes und des Patriarchen
Nikephoros teilweise kennen, sind hier wahrscheinlich vollständig. Die Re-
gierungsjahre werden in byzantinischen Buchstabenziffern angegeben, es
folgt aber nochmals eine Augabe der Jahre (a aiTi. cMy . . .) in einer uns
nicht bekannten Sprache. Die ersten mytliischen Fürsten haben darin eine
sagenhafte Regierungsdauer, voran Avitochol, den man als Attila deuten
wollte , 300 Jahre , dann Irnik, der nach Tomaschek (Österr. Gymnasialzeit-
schrift 1877, 683) mit Attilas '^oXmHqi'ci-/ bei Priscus und Ernac bei Jordanes
identisch ist, 150 Jahre. Eine so lauge Lebensdauer haben übrigens die ältes-
ten Fürsten auch in der bulgarischen Visio des Propheten Isaias, heraus-
gegeben von Ljiibomir Stojanovic im Spomenik der serb. Akademie Bd. 3
I. Mikkola, Türk.-bulg. Jahreszählung, angez. v. Jirecek. 549
(1890) 190—193: Slav Car regierte 119 Jahre, Ispor 172, Izot lUO, der histo-
rische Boris nur 16 (zu wenig), der wohlbekannte Symeon sogar 130. Im bul-
garischen Fürstenkatalog folgen dann kürzere Regierungen, wie im VII. Jahr-
hundert des Kur't, des Kobratos oder Krobatos der Byzantiner, 60 Jahre, des
Isperich, "Aanunovy^ der Byzantiner (um 679), Aspar-Chruk, Sohn des Chubraat
in der armenischen Bearbeitung der Geographie des Ptolemaios (vgl. Patkanov
im Zurnal des russ. Unterrichtsministeriums 1&83 März, S. 21 — 32) Gl Jahre,
Kormisos [KoQ^iiaiog des Theophanes) 1" Jahre usw. Auffällig sind im
VII. Jahrh. zwei slavische Namen: Gostnu, der zwei Jahre vor Kur't regierte
und Be.zmer, drei Jahre nach Kur't (vgl. die von Personennamen abgeleiteten
Ortsnamen Bezmer in Böhmen, Bezmerov in Mähren). Der letzte Fürst des
Katalogs ist ümor, Ov^iuqo; des Nikephoros (um 765), mit einer Regierung
von nur 40 Tagen. Das Verzeichnis ist unvollständig. War es auf mehrere
Säulen verteilt, stand zur Zeit der slavischen Übersetzung nur eine, und zwar
die erste; die Fortsetzung mit den Namen des Kardam, Krum, Omortag usw.
<var damals schon verschollen.
Die fremdsprachigen Stellen folgen stets nach der Zahl der Regierungs-
jahre, mit der Einleitung »und seine Jahre« (a jitit cMy), stets zweiteilig,
mit offenbarer Vokalharmonie und dem Suffix -e?», -om im zweiten Teil: di-
lom tviyein (sowohl bei Avitochol mit 300 Jahren, als bei Irnik mit 150 Jahren),
dochs tvirein, Segor vecem (bei Kurt mit 60 Jahren und Bezmer mit 3 Jahren),
vere7ii alem, dvan sechtem, toch altoni, segor tvirem, somor altem, dilom tu-
tom usw.
Diese chronologischen Daten in der Sprache der Urbulgaren sind keines-
wegs isoliert. Ein alter Epilog eines Kodex vom J. 907 (6415), erhalten in
einer Abschrift des XV. Jahrh. in der Moskauer Synodalbibliothek (Gorskij
und Nevostrujev, OnucaHie pyKon. 2, 2, S. 32f), sagt, das Buch sei über-
setzt worden auf Befehl des Knez Symeon vom Bischof Konstantin und die
Handschrift sei im genannten Jahre geschrieben, als Symeons Vater, der bul-
garische Fürst Michail Boris starb, der die Bulgaren im Jahre etch Ijechti getaaü
hatte: ceu ace Bopiict Eo^irapii Kpxcxujit cctb bt. .liTO cTXt öexxii.
Dazu kommt eine neue Entdeckung aus dem J. 1905. Bei den Ausgra-
bungen der archäologischen Gesellschaft von Sumen (Schumla) fand man bei
dem Dorf Catallar, sieben Kilometer von Preslav in der Nähe der Eisenbahn-
station Preslav-Kruraovo, eine 0,15 ?n hohe Kalksteinsäule mit einer langen
griechischen Inschrift. Sie ist von Uspenskij herausgegeben in den Izvestija
des russischen archäologischen Instituts in Konstantinopel Bd. 10 (1905), 545 f.
und Tafel CXVIII. Die Inschrift nennt den y.ai'ag und i/. O^eov «^;fw*' Omur-
tag, erwähnt seine Feldzüge inl FQuixohg y.ul Ixläßovs, die Erbauung eines
Schlosses [ccvIt]) und einer Brücke dg rrju TovtCco', d. h. am Flusse Tyca (jetzt
Tica), der bei Preslav vorüberfließt usw. Das Datum lautet: r]io ö's b xaiqog,
oi«y exTiax9?;i', Bovlyäqois xTj aiyoQEXe/j, r^aiAolg rTj li'öixnüuog is'. Mikkola
liest diese Stelle ßovlyccoiari aiyooeXe/n, yQi/.iazi iyöixTiwi'og USW. Die 15. In-
diktion unter Omortag gehört zum Jahr 6330= 1. September 821—31. Aug.
822. Das Datum der bulgarischen Zeitrechnung cihv^peaea» erinnert an die
Worte segnr und alem im Fürstenkatalog.
550 Kritischer Anzeiger.
Die rätselhaften Wörter des Katalogs versuchte zuerst Hilferding (1868)
aus dem Magyarischen und Zyrianischen als Epitheta zu deuten, doch ist sein
Versuch infolge geringer Kenntnis der finnischen Sprachen verfehlt. Wilhelm
Tomaschek in der Osten*. Gymnasialzeitschrift 1877 S. 683 meint, diese Ter-
mini gehören den türkischen Sprachen an und seien »entweder Numeralia,
oder was wahrscheinlicher, Epitheta ornantia der Regierungen und Persön-
lichkeiten der einzelnen Chane'^. Otto Blau in Philipp Brunns ^epnoMoptc
2 (1879) 317 hält die Wörter für türkische Zahlwörter und vergleicht vecem,
tvirem, altem, sechtem, dochs mit türkisch fic i'3), dort (4), alfi/ (6), sektz (8),
dokuz (9).
Ausführlich behandelt diese Fragen ein hervorragender Kenner der tür-
kischen Sprachen, Friedrich Wilhelm Radioff in einem Brief aus Barnaul im
westlichen Sibirien 1867, abgedruckt 1878 bei Kunik, Al-Bekri 138 — 143.
Nach seiner Ansicht sind es türkische Zahlwörter, verwandt denen der Cu-
vasen, und zwar Doppelzahlen : 1 vere, 2so7uor{?), '6vec, -i dvan [dvatta der
Cuvasen), 5 dilom (?), 6 [alt], 7 [cet], S segoj; 9 dochs, fach, teku, 10 om, 20 tvirem,
30 vecem, 40 tutom, 50 alem, 60 altom usw. Obwohl geistreich, ist die Deutung
nicht überzeugend, denn sie paßt nicht zu den Regierungsjahren. Der Fürst
Telec [Teliaaios, Ti:%ixCr,i der Byzantiner) regierte nach dem Katalog drei
Jahre und war nach den Byzantinern ein 30jähriger Jüngling, der nach einer
großen Niederlage gegen den Kaiser Konstantin V. bei Anchialos 762 oder
763 bei einem Umsturz von den Bulgaren getötet wurde; >let jemu somor al-
tem< wäre nach Radioff 6S, was selbst für Monate zu viel ist. Die 300jährige
Regierung des Avitochol und die 150 jährige des Irnik haben dieselbe Bezeich-
nung »dilom tvirem«, die nach Radioff aber nur 25 bedeuten würde.
Graf G6za Kunn (1895) wendete sich gegen die Mißverständnisse Hilfer-
dings bei dem Versuche, das Magyarische heranzuziehen und erklärte sich für
die Ansicht Radioffs , aber mit Abweichungen. »Somor altem< seien »sexa-
ginta annos pingues»; das stimmt aber nicht zu der kurzen, von einem trau-
rigen Ende begleiteten Regierung des Telec. Bei »etch bechti«, das Hilfer-
ding aus dem Magyarischen als »Hungerfrieden« deuten wollte, dachte Kuun
an persisch (und türkisch) »bacht« fortuna und erklärte es (Bd. 2, S. 15) als »in
(annis) felicitatis«.
Der jüngst verstorbene Vambery, Ursprung der Magyaren (1882) meinte,
es seien vielleicht Geburtsjahre , ein nationaler chronologischer Zyklus , wie
bei den Kirgisen und Usbegen, welche nach dem Jahr des Schweins, des
Schafes, der Schlange usw. rechnen.
Marquart, Die Chronologie der alttürkischen Inschriften, Leipzig 1898,
hat S. 72 — 90 einen Exkurs über den altbulgarischen Fürstenkatalog. Er
wendet sich gegen Radioffs Ansicht, daß es Zahlwörter seien, besonders nach
dem Beispiel über Telec, und ist eher für die Ansicht von Tomaschek, es
seien Charakteristiken von Personen.
Der englische Byzantinist J. B.Bury, The chronological cycle of the Bul-
garians, Byzantinische Zeitschrift 19 (1910) 127—144 fand, ohne sich auf
sprachliche Deutungen einzulassen, einen Zyklus von 60 Jahren heraus, und
zwar von Mondjahren, die angeblich aus der Zeitrechnung der Araber über-
I. Mikkola, Türk.-bulg. Jahreszählung, angez. v. Jirecek. 551
nommeu waren. Die Wörter seien Zahlwörter und zwar bezeichne das zweite
Wort die Dekade: 1 vereni, 2 dvans, 3 tokh, 4 somor, 5 dilnm, G doks, 7 (unbe-
kannt), 8 segror, 9 tek (?), 10 echtem, 20 altom, 30 tvirem, 40 vecetn, 50 ale7n, 60
futom. Auf Grund dieser Berechnungen hat er die Chronologie der ganzen
altbulgarischen Geschichte von Grund aus neu geordnet. Dabei hat sich Bury
in gewagte Emendationen eingelassen; z. B. »echt bechti« (S. 142—144) wird
verbe.sisert zu >tok vecem< und die Bekehrung der Bulgaren genau in die Zeit
zwischen 865, 2. Februar und 866, 21. Jänner verlegt. Man vermißt eine
philologische Begründung der Deutung der rätselhaften Termini, denn bei
Völkern, die aus Innerasien stammen, müßte von den Zahlwörtern in der an-
genommenen Bedeutung etwas doch in den Dialekten der heutigen Bewohner
Westasiens oder des zentralasiatischen Hochlands übrig geblieben sein, sei
es bei den Türken, Mongolen, Finnen, den sibirischen Völkern, oder bei den
Tibetanern, Iraniern usw.
Diese Studie hat der bulgarische Historiker Vasil N. Zlatarski neu be-
arbeitet in der Abhandlung: HMa.^u Jiii ca Ei..!trapuTi cBoe a^to^u-
c.iciiHc? im »Spisanie« der neuen bulgarischen Akademie in Sofia, KHura I,
bist, philol. Abteilung I (Sofia 1911) 1—92. Trotz mancher Abweichungen
bleibt er größtenteils bei der Deutung des Bury; nur ist bei ihr 7 >etch«, 10
»sechtem (echtem). In »etch bechti«» soll »etch« 7 sein (vgl. osman. jedi 7),
'bechti« aber wahrscheinlich identisch mit »vecem«.
Die Arbeiten von Bury und Zlatarski sind vereint von N. Petrovskij in
einer russischen Übersetzung der Studie des englischen Historikers : J.B.Bury,
XpoHOJioruqccKin uhk^it. Eo.irapt. nepcBoaT. ci. an r^iii CKaro.
Ct. npHjrojKeiiieM t aaMinaniit B. H. Süa-rapcKaro, nepcBeÄenuHX'B
CT. 6o.irapcKaro, Kasaiii. 1912, 80, 72 S., Sonderabdruck aus den Izvestija
des Kazaner Vereins für Archäologie, Geschichte iind Ethnographie. Die ab-
weichenden Ansichten des Zlatarski und des Petrovskij sind als Anmerkungen
zum Text Burys beigefügt. In der Einleitung bemerkt Petrovskij (S. 6), daß
die Ausführungen des Bury und Zlatarski erst einer Bestätigung durch die
Linguistik bedürfen. Er fügt hinzu, daß die orientalischen Völker auch
Zyklen haben, in denen jedes Jahr einen Namen hatte, der keine Zahlbezeich-
nung war, z.B. die Mongolen einen Zyklus von 1 2 Jahren, bezeichnet nach Tieren,
das Jahr der Maus, des Stieres usw., und fragt, ob sich nicht einmal etwas
ähnliches auch in den Termini des bulgarischen Fürstenkatalogs finden wird,
nachdem schon Hilferding eine solche Vermutung aufgestellt hat.
Gegen Bury wendet sich Marquart, Die altbulgarischen Ausdrücke in
der Inschrift von Öatallar und der altbulgarischen Fürstenliste, Izvestija des
russ. archäol. Institutes von Konstantinopel 15 (1911) 1—30, bulgarisch über-
setzt im >Minalo« 2. Bd., Heft 7—8 (191.3) 227—250. Nach seiner Ansicht sind
die Erklärungen Radioffs und Burys, welche in diesen Ausdrücken nur Zahl-
wörter sahen, mißlungen; diese Termini seien eher Devisen der Regierungen.
Auch die von Bury vermutete Annahme des arabischen Mondjahrs durch die
Bulgaren sei nicht nachweisbar; Mondjahre hatten ja nach den chinesischen
Chroniken auch die Hunnen (Hungnu).
Die Publikation des Petrovskij veranlaßte zuletzt N. V. Stepanov zur
552 Kritischer Anzeiger.
Abfassung der Abhandlung SaMiiKa o6t uacji^OBaHiH Bury 6o.;irap-
CKaro .liTo^iiic^eiii;! in der Izvestija der Klasse der russ. Sprache und Lite-
ratur der Kais. russ. Akademie 1913, Bd. 18, Heft 2, S. 116— ) 31, welche sich
gegen die Methode Bnrys wendet und auf mathematischem Wege die Halt-
losigkeit des mühevoll aufgerichteten Gebäud-es erweist. »Einen Erfolg in
der Erklärung der geheimnisvollen Termini des Namensverzeichnisses kann
man nur von der gemeinsamen Arbeit sowohl der Philologen, als der Histo-
riker und der Chronologen von Profession erwarten« (S. 131).
Alle diese Erklärungsversuche werden überholt durch die kurze und
klare Abhandlung von Mikkola, das Eesume eines Vortrages in der finnisch-
ugrischen Gesellschaft in Helsingfors, abgehalten am 9. Februar 1913. In den
alttürkischen Inschriften am Orchon wird Jahr und Monat angegeben. Die
Jahre gehören zu einem Zyklus von zwölf Jahren, die nach Tieren benannt
sind: 1. der Maus, 2. des Stieres, 3. des Panthers, 4. des Hasen, 5. des Drachen,
6. der Schlange, 7. des Pferdes, 8. des Schafes (oder der Ziege), 9. des Affen,
10. des Huhnes (oder Hahnes), 11. des Hundes, 12. des Schweines (oder Ebers).
Die Monate sind daneben nur mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet. Dieselbe
Bedeutung haben die altbulgarischen Termini; das erste Nomen bezeichnet
das Jahr des Zyklus, das zweite Wort ist die Zahl des Monates. Das ganze
Datum bezieht sich auf den Anfang der Regierung eines jeden der Chane.
Die Tiernamen sind 1. somor (über die Bedeutung will sich Verfasser noch
nicht äußern), 2. segor^ aiyoQ, türk. sygyr, der Ochs, 3. veri, türk. höri, der
Wolf (statt des Panthers), 4. dvani ist davsan, osman. fauscm der Hase, 5. fehlt,
6. dilom, türk. yylan , jylan die Schlange, T. — 9. fehlen, 10. toch ist türk. tuui;,
tavuk aus tayuk, das Huhn, 11. ü (Mikkola liest bei dem Fürsten Tervel »item
tvirera«) oder eich (in »etch bechti«) ist türk. it, et, der Hund, 12. dochs, doclCs
ist kumanisch tonuz, osm. domuz, das Schwein. Die Monatsziffern sind »der
erste«, »zweite«, dritte« usw.: elem, alem I; vecem 3 {viscin der dritte bei den
Cuvasen) ; tutom 4 (türk. fürt, türt) ; hechti 5, wohl zu lesen bechtim [*bestem der
fünfte , von hes fünf) ; altem G ; sechtern (?) 8 ; tvirem 9 ; enialem 1 1 (Mikkola
liest veri-enalein für verenialem, on 10, alem der erste). Die Suffixe -em, -om
erinnern an die Formen der Cuvasen: zM-eni-es der zweite usw. Die Chro-
nologie war allen diesen Völkern gemeinsam. Die alten Türken der In-
schriften des Orchon, die Uiguren, die Mongolen und Chinesen begannen ihre
Zeitrechnung mit demselben Jahr. Der Zyklus der Donau-Bulgaren war nach
Mikkola damit ganz identisch. In den Inschriften des Orchon ist nämlich
unser Jahr 737 ein Jahr des Ochsen; 737 + 7 x 12 = 821 ist die Inschrift des
Omortag wieder nach dem Jahr des Ochsen datiert. Die Meinung von Rad-
ioff, daß die Termiui der Fürstentafel türkische Zahlwörter enthalten, bestä-
tigt Mikkola mit der Einschränkung, daß sich dies nur auf das zweite Wort
des Datums bezieht. Neu ist die Deutung des ersten Wortes als eines Tier-
namens.
Das Datum der Taufe der Bulgaren »etch bechti« wäre nach der Erklä-
rung von Mikkola der fünfte Monat des Jahres des Hundes, also 821 -f- 9 +
12x3 = 866 Mai. Das würde dem historischen Material nicht widersprechen.
Nach Anastasius Biblothecarius kamen die Gesandten der neugetauften Bul-
Spina, Altcech. Katharinenlegende, angez. v. Smetänka. 553
garen im Angust 86G nach Rom , nach Hinkmar und den Annales Fuldenses
eine andere Gesandtschaft zu derselben Zeit oder etwas später (Ende 866] zu
König Ludwig dem Deutschen nach Regensburg.
Wien , 26. November 1913. C. Jirectk.
Die altcechische Katharinenlegende der Stockholm-Brünner Hand-
schrift. Einleitung. Text mit Quellen. Wörterbuch, Von Dr. Franz
Spina, Privatdozenteu au der deutschen Universität in Prag.
Prag 1913. Gr. 8», SS. XXXIV + 115.
Es gibt wenig altcechische Gedichte, die auf solcher künstlerischen
Höhe ständen, soviel wichtiges grammatisches, lexikalisches und kultur-
geschichtliches Material enthielten und sich so vollständig erhalten hätten,
wie die sogenannte längere oder Stockholmer Katharinenlegende. Nimmt
man dazu noch ihre interessanten Schicksale in Betracht — die Handschrift
befand sich im J. 1609 im Besitz des Peter Vok von Rosenberg (f 1612), kam
1647 mit der 11000 Nummern zählenden Bibliothek Voks auf Hradschin,
wnrde von da 1648 von den Schweden nach Stockholm überführt, dort 1850
entdeckt und 1 878 auf Veranlassung Dudfks mit Bewilligung des schwedischen
Reichstages an Mähren zurückgestellt — , so nimmt es nicht wunder, daß
ihr, nachdem sie vom Arzte und Mittelschullehrer Pecirka im J. 1857 abge-
schrieben und 1860 von K. J. Erben in einem diplomatischen und trangskri-
bierten Abdruck mit zahlreichen Emendationen und einem Wörterbuch her-
ausgegeben worden war, böhmische Philologen — B. Jedlicka,Gebauer,Pelikän,
Kebrle, Mencik, Flajshans, Lang — mit kritischen und exegetischen Beiträgen
eine derartige Aufmerksamkeit widmeten, wie sie keinem anderen altcechi-
schen Texte zuteil wurde. Andererseits ist aber nicht minder zu verwundern,
daß, als die Ausgabe Erbens schon lange vergriffen war, eine neue Edition
auf sich so lange warten ließ. Durch die Arbeit des Prof. Spina haben wir
sie endlich erhalten.
Das Buch Spinas zerfällt in drei Teile : Einleitung (S. I— XXXIV), Text
(1—106) und Wörterbuch (107—115).
Über die Grundsätze, nach denen hier der Text behandelt worden ist,
äußert sich der Herausgeber genau in der Einleitung (S. XXX). Danach war
sein Hauptgrundsatz, womöglich konservativ die Überlieferung zu schonen,
und zwar sowohl in der Orthographie, als in den Formen, auch in den dialek-
tischen. Im Unterschied zur Handschrift sind nur folgende Änderungen
durchgeführt worden: die in der Überlieferung ungeregelte Schreibung großer
und kleiner Anfangsbuchstaben wird dem modernen Usus angepaßt; solche
Wortzusammenschreibungen, die in der neucech. Orthographie nicht üblich
sind, z. B. whrzyesye (= v Hriese), ywzdaly (= i vzdäli) u. ä., wurden ge-
trennt; die Abkürzungen sind aufgelöst worden; orthographische Quisquilien,
wie der hier und da über dem i auftauchende Strich, werden nicht beachtet;
und endlich, was das wichtigste ist, der Text wird, soweit es bei einem in
einer einzigen Handschrift erhaltenen Gedichte möglich ist, emendiert und
554 Kritischer Anzeiger.
mit einer sinngemäßen Interpunktion versehen. Jede Änderung wird in den
Anmerkungen als solche bezeichnet , wobei gleichzeitig die handschriftliche
Überlieferung genau angegeben wird.
Diese Grundsätze sind ohne Zweifel richtig und der Herausgeber führt
sie auch streng durch. Alles Lob verdient besonders die Vollständigkeit, mit
der in den Anmerkungen sämtliche an verschiedenen Orten bis jetzt publizierte
kritisch-exegetische Beiträge zurKatharinenlegende zusammengetragen sind;
für einen derartigen verläßlichen Apparat, der die Interpretation des recht
schwierigen Textes sehr erleichtert, werden dem Herausgeber die Benutzer
seiner Edition immer dankbar sein. Zu billigen sind auch eigene Emenda-
tionen des Autors im V. 2968 (Handschrift: zet ja tobe dnes tvü hlavu käzi s
tveho ftawu stieti — Spina: s tveho vazu — in der lat. Legende: caput tuum
a cervice recisum) und im V. 1917 (Handschrift: Jeremiäs pH tejz wporzye
rekl — Spina: vspore ; die im Wörterbuch angeführte Bedeutung »vzpora =
Widerstand, Streit« wird jedoch zu dieser Stelle kaum passen).
Ausstellen läßt sich am Textteile des Buches nur folgendes: Bei der
Auflösung der Abkürzungen für pre, pric, pri, Krisfus beschränkt sich der
Herausgeber, wie bei anderen Abkürzungen, darauf, daß er die Abbreviatur
bloß auflöst, ohne zu bemerken, ob in der Handschrift eine Abkürzung steht
oder nicht. Das handschriftliche i-"' transskiibiert er przy (an Stellen, wo das
Wort voll ausgeschrieben ist, steht in der Handschrift ebenfalls ^^r^//, aber
auch przi; p'e prze, aber auch j)rzt/e; xßus immer Kr intus (die Handschrift
schreibt ohne Abkürzung Krystus). Wenn es sich einmal jemandem aus pho-
netischen Gründen darum handeln sollte, statistisch festzustellen, wie in un-
serem Texte i nach r und ?• geschrieben wird oder in welchem Maße darin
die Jotation in den Silben re fie erhalten ist, so kann er sich in dieser Hin-
sicht auf die Ausgabe Spinas nicht völlig verlassen. Diesem Mangel — dem
freilich keine große Bedeutung beizumessen ist — hätte leicht abgeholfen
werden können, wenn man die aufgelöste Abkürzung irgendwie bezeichnet
hätte. — Von kritischen Beiträgen sind der wachen Aufmerksamkeit des Her-
ausgebers zwei entgangen. Der erste betrifft den Vers 3308: to domluvivsi
(d.h. Katharina) k tey fyle, stinace poprosi mile. Pelikan, Rozpravy filol.
venovane J. Gebauerovi 1898, S. 32, hat zu dieser Stelle die Emendation v Uj
eile j-v te chvili« vorgeschlagen und Gebauer, Stc. slovnik I, 173/174, hat sie
angenommen (k tey fyle »bezpochyby omylem misto k tej nebo v tej eile«).
Der Herausgeber billigt sie auch. Richtig ist aber doch nur die handschrift-
liche Lesart, wie 0. Seykora im Cesk6 Slovo, 7. Feber 1912, gezeigt hat*).
1) Den meisten Lesern des Archivs wird Cesk^ Slovo kaum bekannt sein.
Es ist eine politische Zeitung. Philologische Aufsätze Seykoras, welche hie
und da ein gutes Korn enthalten, dabei jedoch die Lebensarbeit Gebauers
grob verunglimpfen und meist längst absolvierte Dinge wiederholen , sind
darin erschienen, als das Auftreten des + Prof. Pic zugunsten der Königin-
hofer Handschrift in den letzten Verteidigern dieses Falsums die Hoffnung
aufkommen ließ, daß sich der Glaube an seine Echtheit wenigstens in breiten
Volksschichten erneuern werde.
Spina, Altcech. Katharinenlegende, angez. v. Smotänka. 555
Katharina spricht hier nämlich zum Volk, wie ans dem V. 3254 ersichtlich ist,
und sila bedeutet, wie bereits Erben, Zivot sv. Kateriny, S. 213, geahnt hat,
'multitudo, Volk' (vgl. jdiese po nem fyla velikä multitudo magna Ev. Seit.
Jo. 6, 2; Ev. Vid. daselbst; blas 8 anjelem chvcälece Boha a s nim fyla ne-
beskeho ryciefstva multitudo Ev. Seit. Luk. 2, 13; kdyz fyla biese s Jezisem
turba multa Ev. Seit. Mark. 8, 1 ; tu t se mnozstvie lidu sjedu, jakz a tüto
kneznü pfijedu, povedu t ji v hrozne fyle Baw. l'o^). Ein anderes Omissum
habe ich beim V. 2546 gefunden, wo die Ausführungen P. Längs über das Ad-
jektivum up ohj [^hornik filologicky II, 1912, S. 137 — 140), das nach ihm 'er-
folglos, umsonst' bedeuten soll, hätten angeführt werden können. — Die
Konjektur des Herausgebers, daß im V. 2948 statt des überlieferten zezchmtv
zediiw zu lesen sei (hnevno zezdnuw se v hromadu), ist bestimmt unrichtig
(altcechisch wäre {v)zdiiv; eher ist vielleicht naduv wahrscheinlich , vgl. naduv
hrdlo z sveho vaza V. 2734). Ebenfalls falsch sind die Emendationen der
Verse 2573 (Handschrift: snemsi koronu s jednoho andela, y wstwasy inhed
z dospela krälovej na jeji hiavu a fküc — Spina: andela, vstavivsi inhed,
— wahrscheinliche Lesung, schon bei Erben: i vstavi ji inhed, ji- inhed mit
Syuizese), 1224 (Handschrift richtig: ez mnoheho lidabozi tojsü wfye däblove
mnozi, wfye = vse 'insgesamt' — Spina: vsi = vsichni 'alle') und 2451 (tak
[se] svym srdcem v tej rade chodieti hledäse stieni; die Erben-Spinasche Er-
gänzung des achtsilbigen Verses mit se ist nicht altcechisch, der Vers muß
anders ergänzt werden, vielleicht tak [to] oder tej ito]). Überflüssig sind die
Korrekturen im V. 3062 (Handschrift: buoze mucenice, d. h. boze — Erben
und Spina: bozie) und 3430 (Handschrift: slibuji hotowye v moczy ze vsiej
jich nüze vzpomoci, d. h. hotovie u moci, v hotove moci — Erben und Spina:
hotove moci).
Über den Charakter seines Wörterbuches äußert sich der Autor
(S. 107, Anm.) dahin, daß es nicht zur Aufgabe hat, den reichen Sprachschatz
des Denkmals zu erschöpfen, sondern daß es einzig dem unmittelbaren prak-
tischen Zweck des Verständnisses dienen will und daß deshalb Wörter, Phra-
sen und Konstruktionen , die aus den geläufigen Handbüchern sogleich fest-
gestellt werden können oder mit dem heutigen Sprachstand übereinstimmen,
darin nicht angeführt werden. Für die Beschränkung des Wörterbuches auf
dieses Maß — eine Beschränkung, die wir aufrichtig bedauern müssen —
waren, wie der Herausgeber andeutet, augenscheinlich die Interessen des Ver-
lages ausschlaggebend. Wir fürchten jedoch, daß das Wörterbuch nicht ein-
mal das bescheidenere Ziel, das es sich aufstellt, erreichen wird. Es fehlen z.B.
die Schlagwörter az ('schon', in den Phrasen drev nez ... az, V. 3152; netähnu
. . . az V. 2871, 3040), y^my/// ('angenehm', V. 32), skrovny ('demütig', V. 18, 175),
stdti ('standhalten', V. 1472), üizeti ('Sehnsucht hervorrufen', V. 3008), vlas
Cvlasem = nichts', V. 2846) und die Bedeutungsangaben bei dedinny ('z dedin-
na = auf abhängige Art', V. 1348; 'dedinny = selbständig', V. 1353), doha
('v dobe = bei (seinen) Lebzeiten', V. 1268),jV?ie ('Person', V. 90.3), koli ('einmal',
V. 628) ,-/«■ ('oder', V. 2040), nelze toho ('das ist unmöglich', V. 1350), vdovne
('Witwe', V. 122), postata ('Bedeutung', V. 2:i80), posüdiii smiech kym ('jemand
auslachen', V. 1529), rit (besser wäre ryt, 'Verderbnis', V.2066); bei szoHti und
556 Kritischer Anzeiger.
vzoriti ('schafifen, bereiten'] ist die Übersetzung 'maturare, zur Reife bringen7
zu allgemein; usw. — In einigen Fällen sind auch Fehler unterlaufen. Z. B.
bei, -e, m., 'Weiße' (lieci, jesto ktviechu v byele i v cerveuosti, V. 2308; rich-
tig: u biele vom Adj. biely); c7.s/o 'Lektüre', V. 102 (unter dem Schlagworte
cislo; unter hyly wird für dieselbe Stelle die richtige Bedeutung 'Sinn' ange-
geben); neolpovedeti 'versagen', V. 2S46 ('versagen' ist das positive otpove-
deti); ])U (richtig: plet, Gen. plti); smysliti 'intQlWgQXQ , cogitare' pf. (richtig:
ipf.); sniti 'sich versammeln', V. 1622 (statt: eneti se 'reitend oder fahrend zu-
sammenkommen'); re?H('.s/o 'Blasinstrument', V. 1173 (richtig: 'Kunst') ; ^^rosiraw,
prostraiia (richtig: prostrano, Nentr. vom Adj. prostrany); shcch 'Gehörigkeit,
richtiger Sinn', V. 2174 (statt: rec); vzdizeti 'zitternd wohin treiben', V. 2348
(statt: vzdrehnüti); zahnati 'ergreifen', V. 2338 (richtig: zahnati = zajeti),
von Druckfehlern wie 1549 statt 1594 (unter doba), 3222 statt 3322 (unter ot-
leknüti), 3270 statt 3272 (unter prostrahl, bojce statt höjce, l'uiy statt l'üty, oh-
luditi statt ohlüditi, j)otäzänic statt potäzanie, prnhitie statt prohytie ('Nutzen'),
ruje und rije statt rüje, fije, scedre statt scedfe, ulizmiti se statt nlyznüti se u.
a.m. nicht zu sprechen. — Statt drzeti 'zittern' wäre m. E., da es (wie der Ver-
fasser richtig bemerkt) zweisilbig auszusprechen ist, richtiger drzieti. Das
Schlagwort nezivny 'unklar' möchte ich streichen; es ist ohne Zweifel jiezevmj
zu lesen. Bei stien 'Schatten, Gemach' gibt der Herausgeber, wahrscheinlich
Gebauer (Hist. ml. III, 1, S. 370) folgend, als Genus /. und mit Fragezeichen
auch m. an; der Reim (hledäse stieni — drahych sieni) zeigt, daß die von Ge-
bauer für möglich gehaltene Lesung stiene wenig wahrscheinlich ist und daß
also hier nur fem. anzusetzen ist.
Ein hervorragender Teil des Buches ist die Einleitung, eine Arbeit,
die über den unermüdlichen Fleiß, die umfangreiche literarische, kunstge-
schichtliche und grammatische Belesenheit und die gründliche methodische
Schulung des Verfassers ein glänzendes Zeugnis abgibt. Der Leser findet hier
eine Belehrung von den altcechischen Katharinenlegenden überhaupt; eine
Kritik der Ausgabe Erbens; eine Beschreibung des handschriftlichen, die
Stockholmer Legende enthaltenden Sammelbandes, eine Beschreibung, die
zahlreiche, mühsam zusammengetragene, wertvolle und teilweise auch neue
vergleichende Daten von anderen Teilen der Handschrift bringt; eine Ge-
schichte des Manuskriptes ; einen Beweis, daß die Stockholmer Legende eine
Abschrift ist; den Inhalt der Legende; eine Aufzählung der griechischen,
ältesten lateinischen und slavischen Katharinenlegenden; eine Klassifikation
von siebzehn lateinischen in Prag aufbewahrten Katharinenhandschriften,
eine Arbeit, deren Schwierigkeit nur zu würdigen weiß, wer sich selbst mit
ähnlichen Studien abgegeben hat; einen Aufsatz über das Verhältnis der alt-
cechischen Legende zu ihren lateinischen Quellen und zu anderen slawischen
Legenden; eine Forschung über die Provenienz der Verse 962 ff.; und schließ-
lich auch eine grammatische Analyse der Legende. Es gibt keine Frage, die
für die Beurteilung der Legende von Belang wäre und die der Herausgeber
außer Acht gelassen hätte.
Die Einleitung bringt zwei wichtige Nova. Eines von ihnen löst die
Frage, was die Quelle zum ersten Teile der Stockholmer Legende, zur Erzäh-
Spina, Altcech. Katharinenlegende, angez. v. Sraetänka. 557
limg von der Bekehrung der hl. Katharina (V. 1—1114) gewesen ist. Diese
Quelle war bis jetzt unbekannt. Dem Herausgeber ist es gelungen sie zu ent-
decken. Es ist die lateinische Fassung, die sich in der Handschrift A 158 des
Prager Metropolitankapitels erhalten hat. Da die Prager Kapitelbibliothek
schwer zugänglich ist, hat der Herausgeber den Wortlaut der lateinischen
Handschrift bei den entsprechenden cechischen Stellen in den Anmerkungen
abgedruckt. (Die Quelle zum zweiten Teile der Legende, V. 1115—3519, die
sogenannte Vulgata der passio s. Catharinae , die bereits viermal in Neu-
drucken erschienen ist, reproduziert der Verfasser per extensum nicht, gibt
jedoch in den Anmerkungen zum cechischen Text an, auf welcher Stelle in
jeder von'deu vier Ausgaben die entsprechende lateinische Parallele zu suchen
ist.) — Das zweite Novum betrifft die bereits erwähnten Verse 962 ff. Diese
Verse, eine Schilderung der traumhaften Örtlichkeit, in welcher die Vermäh-
lung der Heiligen mit Christus vor sich geht, mahnen ein wenig an die Be-
schreibung des Graltempels im jüngeren Titurel (es ist nicht ausgeschlossen,
daß der altcechische Dichter den Titurel kannte), aber noch mehr — und das
ist eben das Novum des Herausgebers — passen sie zum wirklichen Bau der
Kreuz- und namentlich der Katharinenkapelle auf Burg Karlstein. Diese
Kapellen waren etwa im J. 1355 vollendet. Die Entstehung des Gedichtes
kann demnach nicht vor dieses Jahr hiuaufgeschoben werden. Der sprach-
liche Charakter der Legende und das historische Faktum , daß der Kultus der
hl. Katharina gerade zur Zeit Karl des Vierten in Böhmen am stärksten um
sich gegriffen hat, stimmen damit vorzüglich überein.
Zur grammatischen Analyse des Gedichtes, in der eine genaue Vertraut-
heit mit der böhmischen historischen Grammatik und mit monographischen
Beiträgen zu derselben an den Tag tritt, möchte ich folgendes bemerken : In
der Legende treten einige dialektische, und zwar mährische Besonderheiten
auf. Es fragt sich, wer ihr Urheber gewesen ist, ob der Verfasser oder der
Abschreiber der Legende. Flajshans (Gas. C. Mus. 1896, 199) meint, daß der
Verfasser, und spricht die Vermutung aus , daß der Abschreiber die Moravis-
men, deren Zahl in der Legende ursprünglich bedeutender gewesen wäre,
verwischte. Der Herausgeber nimmt dagegen einen entgegengesetzten Stand-
punkt ein; er beruft sich dabei auf die Tatsache, daß der Text der Legende
im Ganzen strengcechisch (= westcechisch) ist und daß die Moravismen in
demselben nur Ausnahmen sind. Diesen Grund des Verfassers halte ich nicht
für hinreichend — kircheuslavische Texte mit von Abschreibern herrührenden
Russismen, Serbismen usw. sind Belege dafür; und positiv zeugt der Reim u
meste (ursprünglich moravi^ierend u mesti) — ve cti (VV. 89/9Ü) gewiß zu-
gunsten der Meinung, daß es Moravismen im Gedichte schon damals gab , als
es aus der Feder des Dichters herausfloß. — Die Ansichten über die Prove-
nienz einiger sprachlichen Eigentümlichkeiten in der Stockholmer Legende
gehen auseinander. Besonders betrifft das den Wechsel / > c (Inf. -ci statt
-ti, z. B. mlceci, sluzici usw.; chciec(e) statt chtiec(e); celesne statt telesne) und
c > < (chodieti statt chodieci, dosieti statt dosieci , mucenniti statt mucennici,
dietetim statt dietecim, tiesaf statt ciesai-, telejsi statt celejsi). Sind das
Moravismen oder nicht? (Vgl. Pastrnek in dieser Zeitschrift XII, 180ff.) Der
558 Kritischer Anzeiger.
Herausgeber spricht sich dahin aus, daß dem Wechsel Uy- ci, besonders bei
sporadischem Vorkommen, in Denkmälern , für deren dialektische Herkunft
nichts spricht, keine dialektische Beweiskraft anzuerkennen ist, daß er jedoch
als Moravismus zu betrachten ist, wenn neben dem Wechsel ti > ci in dem-
selben Denkmal auch der Wechsel c»> ti, ein ausgesprochener Moravismus,
vorkommt. Ich halte diese Anschauung für richtig. (Darüber, wie man sich
die Entstehung der Graphik c statt /^vorzustellen hat, hat eine m. E. wohl be-
gründete Vermutung Dolansky, Rozpravy fil. ven. J. Gebauerovi, S. 14, ausge-
sprochen; nach ihm ist die Schreibung c statt t nichts anderes als ein Beweis,
daß das altcechische c, weicher als im Neucechischen, akustisch dem Laute i
nahe war.) Bezüglich der Wechsel t > c und c > i, die in der Katharinen-
legende auch vorkommen (u prieti statt u pHeci, svytejem statt svycejem,
zate statt zace, tele statt cele), ist der Verfasser, wie ich glaube, überzeugt, daß
es Moravismen sind, was wohl auch richtig ist.
Die Arbeit Spinas entspricht einem längst empfundenen Bedürfnis und
entspricht ihm derart, daß sie nicht allein als Grundlage weiterer Forschung
dienen kann, sondern daß sie die bisherigen Kenntnisse von der Katharinen-
legende schon selbst auch wesentlich bereichert. Wir sind dem Herausgeber
für seine wertvolle Leistung zum aufrichtigen Dank verpflichtet.
Prag. Emil Smetänka,
Hrvatska glagolska bibliografija. I. Dio. Opisi rukopisä. Napisao
Ivan Milcetic. Stariue XXXIII. Zagreb 191J.
Prof. Milcetic entschloß sich nach längerer Vorbereitung zu einer zu-
sammenfassenden Beschreibung der glagolitischen Denkmäler. In dem be-
reits früher veröffentlichten »Prethodni izvestaj« machte der Autor das
Publikum mit seinen Reien, welche er behufs der gedachten Bibliographie
unternommen, bekannt, und im J. 1011 erhielten wir auf Veranstaltung der
Südslavischen Akademie in Agram das inhaltsreiche 505 Seiten in 8» zählende
Buch, in welchem die handschriftlichen Denkmäler behandelt werden.
Der tätige Autor wollte im I. Teile seiner Bibliographie alles zusammen-
fassen, was ihm von den kroatisch -glagolitischen Handschriften zugänglich
war, und teilte den Inhalt seiner mühevollen Arbeit in 13 Hauptstücke ein
mit folgenden Schlagwörtern: 1. Missale, 2. Breviere, S.Psalter, 4. Lek-
tionare, S.Rituale, 6. Fragmente, 7, Teile liturgischer Bücher,
8. Theologische Traktate, 9. Varia, 10. Predigten, II. Geschichte
mitKirchen- und Zivilrecht, 12. Verse, 13. Wörter- und Sprach-
bücher.
Das Zusammenstellen einer glagolitischen Bibliographie, welche den
heutigen Anforderungen genügen und so weit als möglich vollständig sein
will, ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Wer sich je in dem
Dickicht glagolitischer Inkognita herumgetrieben hat, wird es leicht begreif-
lich finden, weshalb seit Kukuljevids Zeiten niemand an eine solche Arbeit
Hand anlegte ; die meisten dieser Inkognita sind dem Forscher schwer zugäng-
Milcetic, Glagolitische Bibliographie, angez. v. Vajs. 559
lieh teils wegen ihrer originellen Schriftzüge, teils auch deshalb, weil das
Material obschon nicht gerade spärlich, in verschiedenen einheimischen und
ausländischen Bibliotheken zerstreut und verborgen liegt. Nun unternahm
Prof. Milcetic die verdienstvolle Arbeit und forderte dadurch manch Neues an
das Tageslicht. Allerdings ist es wahr, das ganz neue Nummern seiner Biblio-
graphie meistens Stücke neueren Datums sind, doch haben sie in einer Biblio-
graphie ihre Wichtigkeit und berechtigten Platz; und man muß, um unpar-
teiisch zu urteilen, feststellen, daß der Autor mit gleichem Fleiße bemüht war
sowohl neue Entdeckungen zu tun, als auch alles zusammenzutragen, was nur
irgendwann und -wo über die längst bekannten Denkmäler von den älteren
und neueren Schriftstellern publiziert worden ist. Man kann allerdings nicht
behaupten , daß Prof Milcetic das vorhandene Material vollständig erschöpft
hätte; denn hätte er Gelegenheit gehabt, das Buch ; Status personalis et
localis dioecesisVeglensis, Veglae 1907 zur Hand zu nehmen, würde
er ohne Zweifel manches zur Bereicherung seines Werkes gefunden haben.
Ähnlich hätte ihm auch mein Schriftchen »Memoria liturgiae slavicac
iu dioecesi Auxerensi« (Veglae 1906) geleistet. Bei etwaiger Neuauf-
lage der Bibliographie oder auch bei gelegentlichen Ergänzungen wird es an-
gezeigt sein, daß der Autor auch diese Quellen berücksichtige. Es ließe sich
wohl auch etwas in auswärtigen Bibliotheken ausfindig machen (so z. B. ein
handschriftliches Wörterbuch im Stadtarchiv zu Perugia); es sind aber nur
Kleinigkeiten.
Trotz der Anerkennung großen Fleißes und großer Mühe des Autors
können wir die schwachen Seiten seiner Bibliographie nicht mit Stillschweigen
übergehen. Wie bereits oben bemerkt wurde, boten manche Umstände dem
Autor bei der Arbeit große Schwierigkeiten ; doch da er sie schon in Angriff
genommen, hätte er, was unumgänglich nötig war, den Leser außer mit der
Beschreibung der Codices auch mit dem Inhalte eines jeden Denkmals kurz
bekannt machen sollen. Das ist aber nicht überall geschehen, und unglück-
licherweise traf dieser Defekt gerade die wichtigsten Denkmäler. Ich führe
hierfür nur einige Belege an. Dem Inhalte des I. Vrbniker Breviers widmet
Autor nicht ganze zwei Zeilen (S. 53), ähnlich ist es auch beim II. Vrbniker
Breviere, dessen Inhalt nicht einmal eine Zeile ganz in Anspruch nimmt (S. 56).
Was hilft es, wenn der Autor auf S. 53 den Inhalt des I.Breviers mit den Wor-
ten ausdrückt: >Es enthält das Matutinale, aber nur das Proprium de tem-
pore«, oder wenn auf der S. 56 vom Inhalte des IL Breviers gesagt wird: Es
enthält das unvollständige Matutinale (Proprium de tempore)? Zu jener Zeit
(im XIV. Jahrh.) findet man kaum zwei gleiche Matutinale. Der Autor hätte
wenigstens zu den kurzen Berichten greifen können, die ich über diese Bre-
viere im Casopis Cesk^ho Musea (1908, S. 67 — 69) veröffentlicht habe. Bei
dem Breviere Veits von Castelmuchio (S. 73 — 76) aus der Wiener Hof biblio-
thek erfährt der Leser vom Inhalte überhaupt nichts. Und doch bilden diese
Codices besonders durch ihren Inhalt die Krone der altkroatischen Literatur;
ihnen wendet sich gegenwärtig die Aufmerksamkeit jener elavischen Gelehrten,
die sich mit den Bibelübersetzungen befassen, zu. Ähnlich ergeht es auch
dem wertvollsten glagolitischen Kodex der Vatikanischen Bibliothek (Illyr.4);
560 Kritischer Anzeiger.
einen solcli seltenen Kodex mit einer einzigen Seite (32—33) und zwar durch
nebensächliche Dinge (wozu z. B. die Sequenzen im besonderen anführen?)
abzufertigen, und einem relativ minder wichtigen Denkmale, wie es das Mis-
sale von Novi aus dem XV. Jahrb. ist, mehr als sechs Seiten (9—15) zu wid-
men, scheint mir doch kein richtiges Verhältnis zu zein. Ich hätte gewünscht,
die Beschreibung wäre in solchem Umfange gegeben, daß ein jeder, der mit
diesen Denkmälern nicht näher bekannt ist, sich mittelst eines wenn auch
noch so kurzen Umrisses, ein Urteil über den Wert bilden könnte und zwar
überall dort, wo es der Verfasser nicht ausspricht. Dadurch würde wohl die
Arbeit angewachsen sein, und das Buch sich umfangreicher gestaltet haben,
aber man hätte Zeit zu solch dringenden Fragen dadurch gewinnen können,
daß man vielerorts kleinere Bemerkungen, besonders die von imtergeordneter
Bedeutung, einfach fallen gelassen hätte (so z. B. auf der S. 14—15).
Auch was den Sachinhalt betrifft, hat Prof. Micetic nicht in allem ganz
recht. So lehne ich z. B. ab, was er über die Zahl der selbständigen glago-
litischen Rituale (cfr. S. 104) sagt, da er für seine Meinung Beweise weder hat
noch bringt. Aus einzelnen Fragmenten rituellen Inhaltes kann man nicht
ohne weitei-es darauf schließen, wessen Teile dieselben seien ; wir wissen, daß
rituelle Texte nicht nur in Missalen und Brevieren, sondern auch in Sakrifi-
kalen (Auszüge aus dem Missale kleinen Formats) sich befanden. Das dürfte
wohl Prof. Milcetic, Laien aber nicht bekannt sein, und ich führe es nicht an,
um seine verdienstvolle Arbeit in Schatten zu stellen; im Gegenteile, im Inter-
esse seines Werkes bemerke ich noch folgendes.
Die so mühselig zusammengestellte Bibliographie des Prof. Milcetic
hätte eine gefälligere Ausstattung erhalten sollen. Zwar trifft die Schuld,
daß dies versäumt wurde, nicht den Autor; daß es aber nicht geschah, ist ge-
wiß zu Ungunsten seines Werkes, denn ohne Widerspruch wäre eine bessere
Übersichtlichkeit, die man durch größere Mannigfaltigkeit der Typen leicht
hätte erreichen können, erwünscht. Die zahlreichen Postskripta und An-
merkungen hätten, wenn sie schon ins Buch aufgenommen wurden, jedenfalls
mit kleinerer Schrift gedruckt werden sollen. Ebenso hätte man, der Über-
sichtlichkeit wegen, bei den den einzelnen allgemeinen Vorbemerkungen bei-
gefügten Details, kleinere Schrift gebrauchen sollen (cfr. S. 429, 435, 456 u.a).
Für diese Defekte will ich jedoch keineswegs den Autor allein verant-
wortlich machen. Ungeachtet der angeführten Mängel und Unvollständig-
keiten, denen künftighin leicht gesteuert und abgeholfen werden kann, be-
deutet das Werk des Prof. Milcetic, besonders im Vergleich zu der kurzen
Bibliographie Kukuljevics, einen großen Fortschritt, und dasselbe wird eine
ausgiebige Hilfsquelle sein für alle, die sich in der Zukunft mit der kroatischen
Bibliographie befassen werden. Jos. Vajs.
Fr. Ilesic, Izgovor slovenskega kujiznega jezika (S.A.
aus dem Letopis der slovenischen Matica pro 19J3).
Dr. Franz Ilesic, der Präsident der slovenischen Matica und überzeugte
Verfechter der Annäherung der Slovenen an die Serbokroaten, hat in diesem
Ilesic, Die Aussprache des Slovenischen, angez. v. Resetar. 561
Aufsatze die jetzt bei den Slovenen akut gewordene Frage von der Aus-
sprache der Schriftsprache besprochen, die sich allerdings hauptsächlich um
die Aussprache des silbenschließenden / dreht. Bekanntlich sprechen nur
die wenigsten Slovenen in diesem Fall wirklich ein l aus, die meisten haben
es zu to oder u werden lassen. Ilesic spricht sich für die Aussprache des -l
als / aus und sieht in der Aussprache lo, y eine nicht zu billigende Konzession
an die vulgäre (dialektische) Aussprache, die einer weiteren »Verdialekti-
8ierung< der Schriftsprache Vorschub leisten würde. Allerdings darf das
Hauptargument der Verteidiger der tt'-, »«-Aussprache, daß die große Majorität
des slovenischen Volkes ein -l nicht kennt, nicht als ausschließlich maßgebend
gelten, dehn es können und müssen bei der Feststellung einer Literatur-
sprache auch andere Momente mitbestimmend sein; als schlagendes Beispiel
verweise ich auf die Schreibung und Aussprache des h in der serbokroat.
Literatursprache: obschon fast in allen stokavischen Dialekten, die der Lite-
ratursprache als Grundlage dienen, das h ganz verloren gegangen ist, wird
das h in der Schriftsprache konsequent geschrieben und dessen Aussprache
auch verlangt; hier hat man also nicht einfach die so geringe Kopfzahl der-
jenigen s7o-Sprecher gezählt, die das h tatsächlich aussprechen, — wie man dies
in bezug auf die /-sprechenden Slovenen so gerne tut. Nichtsdestoweniger
scheint es, daß trotz dem Einsprüche Ilesics die Aussprache des silbenschlie-
ßenden / als 10 — u^ die auch vom verstorbenen Strekelj und von Skrabec ver-
langt wird, auch bei den Gebildeten so gut wie allgemein geworden ist: ich
habe wenigstens noch keinen Slovenen das -l konsequent als solches sprechen
gehört. Es will mir aber scheinen, daß es dann sehr vernünftig wäre, wenn
man den Mut hätte, das -l auch aus der Schrift auszumerzen und es etwa mit
-u zu ersetzen: wenn die Serbokroaten, auf deren -o für -/ die Verfechter der
w-, M-Aussprache sich so gerne berufen, anstatt des -l eben -o auch schreiben,
warum sollten dann die Slovenen nicht dasselbe tun? Es hat somit Ilesic ent-
schieden Recht, daß die Aussprache von der einmal feststehenden Schreib-
weise zugunsten der vulgären Aussprache sich nicht entfernen darf, und er er-
wähnt auf S. 55 mehrere Fälle, in bezug aufweiche alle gebildeten Slovenen —
auch die Verteidiger der ?«- Aussprache! — darüber einig sind, daß die Schrift-
sprache an die geschriebenen Laute und Formen sich halten muß, obschon die
Majorität der Mundarten sie schon aufgegeben haben.
Letzteres Moment fällt auch deswegen stark ins Gewicht, weil auf diese
Weise das Slovenische — was so ziemlich allgemein gewünscht wird — dem
Serbokroatischen näher gebracht wird. In dieser letzteren Beziehung sind
interessant zwei Artikel, die Ilesic im Slovenski Narod vom 10. V. und
im D o m vom 20. X. 1. J. veröffentlicht hat, und in welchen er an konkreten
Beispielen zeigt, wie die slovenische Literatursprache im Wortschatze immer
mehr sich der serbokroatischen nähert, — eine erfreuliche Erscheinung, die
darin ihren Grund hat, daß bei den gebildeten Slovenen das Interesse für die
serbokroatische Literatur immer reger wird. Es ist aber auffallend, daß Ilesic
die Frage gar nicht berührt, daß das Slovenische, ohne von seinem eigenem
Wesen etwas einzubüßen, sich dem Serbokroatischen um ein großes Stück
nähern würde, wenn die jetzt für das Slovenische geltende »etymologische«
Archiv für slavische Philologie. XXiV. 36
562 Kritischer Anzeiger.
Orthographie durch die jetzt auch von den katholischen Serbokroaten so ziem-
lich allgemein angenommene >phonetischet Schreibweise ersetzt werden
sollte. Wäre das nicht möglich? Nützlich wäre es entschieden.
31. Resetar.
Dr. Jan Kapras, Pravni dejiny zemi Koruny ceske.
Dil prvni: Pravni prameny a vyvoj pravnictvi. V Praze 1913.
SS. 150.*)
Dr. Joh. Kapras an der böhm. Universität in Prag bietet uns hier ein
Werk, das nicht nur für den engeren Kreis der böhmischen Rechtsbeflissenen
und Rechtsgelehrten, sondern ohne Zweifel für die Gesamtheit der slavischen
Rechtswissenschaft von großem Interesse ist und eine ganz besondere Be-
achtung verdient wegen seiner Darstellung der Entwicklung der Rechtsver-
hältnisse in den beiden einstigen Kronländern Lausitz und Schlesien. Der
vorliegende erste Teil beschäftigt sich mit den Rechtsquellen und mit der
Entwicklung des Rechtes in den Ländern der böhmischen Krone, wobei der
Verfasser die böhmische Rechtsgeschichte in eine ältere Periode (bis zum
Ende des XIL Jahrb.), in eine mittlere (bis zu den Hussitenkriegen) und eine
neue (bis zum Jahre 1848) einteilt. Jedem dieser drei Kapitel schickt Prof.
Kapras eine bibliographische Übersicht der wichtigsten Werke der ein-
schlägigen Literatur voraus. Für die Lausitzen sind am wichtigsten die-
jenigen Kapitel der mittleren Periode, die den Charakter der Rechtsentwick-
lung in dieser Periode darstellen und zwar sowohl im Allgemeinen wie im
Besonderen, wobei dem Gegenstande entsprechend in fortschreitender Reihen-
folge vorgeführt und behandelt werden: die Landtagsbeschlüsse, Landtafeln,
die Privilegien der Stände und des Landes, die Landfrieden, Königl. Verord-
nungen, Denkschriften der Beamten und Rechtsbücher, Landordnuugen und
Landbücher, das H jf- und Lehnsrecht, das Kirchen-, Bürger-, Berg- und Wein-
bergs-, Dorf- und Obrigkeits- sowie das Wahlrecht, endlich Urkunden und
Formulare. Aber auch noch in der dritten Periode finden sich manche Be-
ziehungen des böhmischen Rechts zur Lausitz, da ja dieses Land mit den Län-
dern der böhmischen Krone bis zum Prager Frieden (1635) vereinigt war und
auch nachher das staatsrechtliche Verhältnis nicht völlig unterbrochen ward.
Die klare, übersichtlich geordnete und gründliche Arbeit des Prof. J. Kapras
kann allen Interessenten wärmstens empfohlen werden und wir sehen mit
Freuden entgegen dem Erscheinen des in Aussicht gestellten 2. und 3. Teils,
der die Entwicklung der Staatseinrichtungen der Länder der böhmischen
Krone zur Darstellung bringen soll. Dr. E. Muche.
*) Uns wurde nach der Vollendung des Werkes eine ausführliche Be-
sprechung in Aussicht gestellt. Red. d. Arch. f. sl. Phil.
Scerba, Bemerkungen auf die Rezension Thomsons. 563
Einige Bemerkimgeu zu Scerbas »Russische Vokale«, veranlaßt
durch die Rezension von A. Thomson.
(Vgl. Archiv XXXIV, S. 560—578.)
1. Es war mir schon beim Schreiben meines Buches klar, daß es eine
scharfe Kritik von selten Prof. Thomsons hervorrufen würde, obwohl ich
möglichst jedem Polemisieren fern blieb. Denn erstens gehen unsere An-
sichten zu weit auseinander und zweitens weichen die Resultate meiner
Vokalanalyse von denen T.s manchmal zu viel ab. Wer von uns beiden recht
hat, mag die Zukunft entscheiden, und ich sollte eigentlich jetzt nicht zur
Feder greifen, und das um so mehr, weil ich fast nichts in der oben genannten
Rezension gelesen habe, was ich nicht schon früher geprüft und erwogen
hätte.
Nun ist aber manchem Leser vom Archiv mein Buch wegen der Sprache
direkt nicht zugänglich , und , da die T.sche Rezension meiner Meinung nach
allzu subjektiv ist und zudem manches, was ich doch hervorheben möchte,
schweigend übergeht, so kann sich leicht ein solcher Leser ein falsches Urteil
darüber bilden, und das ist eben der Grund, der mich bewogen, die nach-
stehenden Bemerkungen fürs Archiv zu schreiben. Sie sind vielleicht auch
aus dem Grunde berechtigt, weil das Buch nicht ohne weiteres verständlich
ist: es wird nämlich dem Leser prinzipiell eine absolute Kenntnis des Gegen-
standes und der dazu gehörigen Literatur zugemutet, was möglicherweise bei
solchen Dingen, wie Phonetik, nicht ganz richtig ist.
2. Zuerst eine ganz allgemeine Bemerkung. Man bat mir mehrmals den
Titel »Russische Vokale« vorgeworfen — es seien doch vielmehr Scerbas
Vokale, die ich untersucht habe. Das ist ja allerdings richtig (siehe auch bei
mir, S. 20), aber ich erlaube mir, trotz den betreffenden Bemerkungen T.s (s.
Archiv XXXIV, SS. 560, 567), meine »subjektive Überzeugung«, daß sich das
von mir beschriebene Vokalsystem doch nicht allzuviel von dem von gebil-
deten Petersburgern gebrauchten unterscheidet, aufrecht zu erhalten. Aus
biographischen Daten 's. bei mir SS. 20, 21] ist zu ersehen, daß ich mich als
einen eingeborenen Petersburger betrachten muß, folglich ist auch zu ver-
muten, daß meine Aussprache als Beispiel einer gebildeten Petersburger Aus-
sprache — inwiefern sich überhaupt von einer Aussprache einer so unbe-
stimmten sprachlichen Gruppe handeln läßt — gelten darf. Aber meine sub-
jektive Überzeugung stützt sich nicht nur darauf, sondern auch auf meinem
phonetischen Erfahren. Experimentell habe ich bloß meine eigenen Vokale
untersucht, aber gehört und vergliclien habe ich Aussprachen verschiedener
Personen.
3. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch betonen, daß ich mich nicht
nur als einen »Experimentellphonetiker« betrachte, sondern als einen Phone-
tiker überhaupt. Ich beschäftige mich mit der subjektiven Phonetik seit mehr
als zehn Jahren; habe mich immer viel dabei geübt; war immer bemüht, mir
die verschiedensten Aussprachen verschiedener Sprachen perfekt und bewußt
anzueignen usw. Auch muß ich hervorheben, daß das Arbeiten mit den
36*
564 Kritischer Anzeiger.
Stimmgabeln '), nach der von mir angewandten Methode, das Muskelgefühl in
höchstem Grade schärft und das Ohr empfindlicher für die feinsten Vokal-
nuancen macht.
Nun muß ich allerdings gestehen, daß ich mich leider keines so feinen
musikalischen Ohres, wie Prof. Thomson, der ein absolutes musikalisches Ge-
hör besitzt, erfreue, aber man muß ja nicht vergessen, daß das für die Phone-
tik durchaus nicht notwendig ist: es gibt ja ausgezeichnete Phonetiker, die
ein schlechtes musikalisches Ohr haben, und es können Leute mit feinem
musikalischen Gehör schlechte Phonetiker sein (s. darüber Poirot, Die Pho-
netik, S. 73 in Tigerstedts Handbuch der physiologischen Methodik). Man
darf auch nicht das Unterscheiden von feinen Vokalnuancen mit dem Heraus-
hören von Eigentöuen verwechseln: es kommt doch sehr oft vor, daß man
von den Eigentönen nichts näheres sagen kann, indem man den qualitativen
Unterschied ganz gut hört und die betreffenden Vokalnuancen nach-
bilden kann.
Für das richtige Beurteilen meines Buches muß mau also nicht aus dem
Auge lassen , daß die dort erzielten Resultate nicht nur den Experimenten,
sondern auch einer subjektiven Beobachtung, die sich gegenseitig stützten,
entstammen.
4. Der erste Teil meines Buches , dessen Ausführungen T. nicht bei-
stimmen kann, enthält eine Phonemtheorie, wo ich einer Idee von Baudouin
de Courtenay eine psychologische Deutung zu geben versuchte. Es handelt
sich dabei um den Begriff »Sprachlaut«. Was ist als solcher zu betrachten?
Es ist ja allgemein bekannt, daß jede gesprochene Sprache, als ein
akustisches Phänomen näher untersucht, eine unendliche (in vollem Sinne des
Wortes) Fülle von Lauten, oder Lautnuancen, wie man zu sagen pflegt, auf-
weist. Das wird übrigens durch T.s Vokaluntersuchungen vielleicht am
besten illustriert. Wenn man die Sprache bloß als solch ein Phänomen be-
trachten will, so soll man bei dieser Mannigfaltigkeit bleiben, darf aber dann
von keinem a, e usw. reden, denn es sind schon Begriffe, die unserer Sprache,
als einem Mittel der Verständigung, entstammen, und es ist noch eine große
Frage, ob ein Akustiker, der von menschlicher Sprache keine Ahnung hätte,
alle diese Lautnuancen auf dieselbe Weise, wie wir es jetzt machen, klassi-
fizieren würde.
Nun ist es eine Tatsache der unmittelbaren Erfahrung, daß nicht alle
diese physisch konstatierbaren Laute = Lautnuancen als gesonderte , mit
einer Bedeutung assozierbare, >Sprachlaute« = Phonemen erscheinen, da wir
doch meistens beim Sprechen diese feineren Lautunterschiede gar nicht be-
merken; und hätten wir alle diese Laute (Lautnuancen, Lautmodifikationen)
als selbständige Sprachlaute behandelt , so könnten wir uns kaum verstän-
digen, weil die Zahl dieser Nuancen wirklich unendlich und die physiolo-
giBchen Bedingungen ihres Vorkommens außerordentlich verwickelt sind.
Aus alledem folgt, daß man zwischen Sprachlauten = Phonemen und
1) Was mir nur durch die Güte und Liebenswürdigkeit des Herrn P.
Rousselot in Paris möglich war.
Scerba, Bemerkungen auf die Rezension Thomsons. 565
physisch konstatierbaren Lautnuancen zu unterscheiden hat. Auch T. ist
dieser Unterschied ganz geläufig, was aus verschiedenen Stellen seiner Rezen-
sion zu ersehen ist, wie z. B.: »Daher kommt jedem Vokal« (= Phonem) >ein
bestimmtes absolutes Höhengebiet zu, und keine von den Nuancen« (= Laut-
nuance) >kann als besonders typisch betrachtet werden* (op. cit., S. 563).
»Man kann also nicht von zwei differenzierten Nuancen des a reden« (ib.
S. 570), wo »differenzierte Nuancen« doch als Phonemen zu verstehen sind.
>Nach meinen Beobachtungen ist « ein selbständiger Laut« {— Phonem),
»der sich . . .« (ib. S.574).
5. Nun taucht eine wichtige Frage auf, wie verhält sich diese ganze
Masse von physisch konstatierbaren Lautnuancen zu den eigentlichen Sprach-
lanten = Phonemen. Es soll aber hier gleich bemerkt werden, daß man die
Frage keineswegs willkürlich entscheiden kann, vielmehr muß es untersucht
werden, was von den Sprechenden als Sprachlaut empfunden wird und wie
dieses Empfinden zustande kommt.
Ea versteht sich , daß das Erkennen seiner eigenen >Sprachlaute<
keine besonderen Schwierigkeiten für den Sprechenden selbst macht, weil
es eine unmittelbare Tatsache seines Bewußtseins ist; aber das ist außer-
ordentlich schwierig, streng genommen unmöglich für einen anderen. In dem
Sinne habe ich auch in einem Aufsatze in HsBicxia otä- pycc. hs. u cjob.
ILA.H., Bd. XIV, Heft 4, S. 198, die subjektive Methode als die einzige pho-
netische Methode bezeichnet i).
G. Nun ist es klar, daß alle Sprachlaute, die als solche vom Sprechenden
empfunden werden, allgemeine Sprachvorstellungen sind, welchen die tat-
sächlich hervorgebrachte Fülle von Lautnuancen assimiliert wird. Nur soll
man sich doch diese allgemeinen Vorstellungen nicht als abstrakte logische
Begriffe denken, vielmehr aber als ganz konkrete Vorstellungen, die im Be-
wußtsein bei ziemlich verschiedenen Eindrücken auftauchen. Alle hierher-
gehörigen psychischen Prozesse habe ich im ersten Teile meines Buches zu
schildern gesucht und denke noch bis jetzt , das richtige getroffen zu haben,
weil die einzige Tatsache, die T. zur Entkräftung meiner Ausführungen brin-
gen kann, sich leicht erklären läßt.
7. Ich habe nämlich unter anderem behauptet, wir seien stets beim Spre-
chen bestrebt, das Phonem in allen Stellungen gleich »auszusprechen«. Und
wenn wir trotzdem in Abhängigkeit von den gegebenen phonetischen Be-
dingungen verschiedene Nuancen hervorbringen, so geschieht dieses, weil
wir nicht genügend absichtlich den Einfluß anderer, zu gleicher Zeit im Be-
wußtsein befindlicher phonetischer Vorstellungen zurückdrängen. Daher
sprechen wir aiTn »Kinder« mit sehr geschlossenem e zwischen palatali-
sierten Konsonanten. Aber dieses sehr geschlossene e ist kein selbstän-
1) Der Widerspruch zwischen dem genannten Aufsatze und dem Buche,
den T. gefunden zu haben meint, ist nur scheinbar, weil ich in dem
Buche den Ausdruck »Subjektive Untersuchungsmethoden« betreffs T.s Vo-
kaluntersuchungen in dem Sinne gebraucht habe, wie ich z. B. die Schätzung
der Länge eines Gegenstandes mit dem Auge subjektiv bezeichnen könnte.
566 Kritischer Anzeiger.
diges Phonem , und statt dessen erscheint daher unumgänglich das normale,
etwas offenere e (das Phonem;, sobald wir es dehnen , z. B. im verwunderten
Ausruf Hy, «ixu !
Nun meint T., daß, wenn man z. B. das Wort ä^tu mit gewöhnlichem
e ohne Dehnung ausspräche, allen solch eine Aussprache auffallen würde.
Und das dürfte eigentlich nicht eintreten, wenn die Vorstellung des gewöhn-
lichen e vorschwebte. Das ist ja allerdings richtig, und sollte eine solche
Aussprache wirklich auffallen, so müßte man sagen, daß das betreffende
Phonem sich zu differenzieren anfängt, womit aber noch nicht gesagt ist, daß
schon zwei Phoneme da sind, weil man sich ganz gut die Sache so denken
kann, daß das betreffende Phonem wenigstens in einer Beziehung psycholo-
gisch noch einheitlich ist, das heißt, daß wir noch immer die Absicht haben,
es gleichartig auszusprechen, aber dabei schon gewöhnt sind, daß es unter
gewissen phonetischen Bedingungen anders klingt.
Allerdings, mag dies letztere richtig sein oder nicht, ich habe ja schon in
meinem Buche, S. IS in der Anmerkung, gesagt, daß es russische Dialekte
gibt, wo die Scheidung des Phonems e schon eingetreten ist: es ist daher
möglich, daß T. zu einem solchen Dialekte gehört. Was mich aber und meine
Umgebung anbetrifft, so habe ich gefunden, daß eine solche Aussprache vom
Wort jiTu (mit normalem e) ohne Dehnung gar nicht auffällt^,, folglich von
einer Scheidung des Phonems e bei mir gar nicht die Rede sein kann; nach
meiner Erfahrung ebensowenig in der Sprache der gebildeten Russen in
Petersburg.
8. Wenn T. (S. 564) meint, daß ich im Widerspruch mit meinen eigenen
Ausführungen über das Phonem, das doch am besten beim Dehnen zum Vor-
schein kommt, gefunden habe, daß wir beim Singen und Dehnen das reine a
durch ein tieferes ersetzen, so ist es ein Mißverständnis, an dem ich schuld
bin, weil ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe: ich habe hier bloß
solche Dehnungen im Auge gehabt, bei welchen der sprachliche Wert des
Lautes etwas zurücktritt, wie es beim Singen der Fall ist. Ich denke über-
haupt, daß der Laut, den wir hervorbringen, immer das Resultat eines Kom-
promisses zwischen unserem Bewußtsein mit seinen Verständigungszwecken
und physiologischen Bedingungen des gegebenen Momentes ist: treten die
ersteren etwas zurück, oder ist die Verständigung durch andere Mittel ge-
sichert, so gewinnen die zweiten an Kraft, und gerade auf immer wechselnder
Beziehung beider Faktoren beruht die unendliche Fülle der hervorgebrachten
Lautnuancen.
9. Auf diese Weise erklären sich auch wahrscheinlich die Unterschiede
in meinen t-Kurven, von denen T. S. 570 spricht: bei der Aufnahme habe ich
1) Nur muß man bei solchen Versuchen sehr vorsichtig sein, weil man
geneigt ist, dann schon ein zu offenes e hineinzusetzen, wie mir zuerst einige
Male passiert ist, und was auch ganz gut verständlich ist: man denkt zuerst,
es soll etwas Ungewohntes ausgesprochen werden, während es vollständig
genügt etwas präziser zu artikulieren. Ich halte es für nicht ausgeschlossen,
daß T. denselben Fehler begangen hat.
Scerba, Bemerkungen auf die Rezension Thomsons. 567
vielleicht nicht genau näher aufgepaßt, was icli vorsprach, und darum manch-
mal offenere i, die doch weniger Anstrengung erfordern, hervorgebracht;
hätte ich aber meine Aufmerksamkeit immer darauf gerichtet, ein »gutes« i
auszusprechen, so würden die Kurven gleichmäßigere Resultate ergeben
haben. Somit bringen die »verschiedenen Nuancen des isolierten /< nichts
neues und widersprechen nicht der ganzen Theorie. Nur hätte ich auf alle
diese Dinge schon im Buche näher eingehen sollen.
10. Was die Methodenfrage anbetrifft, so muß ich doch betonen, daß man
mit den Stimmgabeln gute Resultate erzielen kann. Hätte T. selbst längere
Zeit mit den Gabeln gearbeitet, so hätte er gesehen, wie man sicher dabei ver-
fahren kann, besonders wenn man meiner Methode folgt i). Sie besteht nämlich
darin, daß man, von einer gegebenen Artikulation ausgehend, die Mundhöhle
an die Gabel anpaßt und dabei die Richtung der Organbewegung bemerkt, um
dann schon eine passendere Gabel nehmen zu können, so daß man schon nach
ein paar Versuchen ganz genau die Grenzen , zwischen welchen die nötige
Gabel sich befinden muß, weiß. So verfährt man, bis schließlich jede Bewe-
gung von der gegebenen Mundeinstellung nur Verschlechterung der Resonanz
hervorruft. Auf diese Weise wird erstens das längere Beibehalten der be-
treffenden Mundeinstellung vermieden, das wirklich einige Schwierigkeit in-
folge allmählicher Schwächung des Muskelgefühls, auch einem geübteren
Phonetiker bereitet, und wird zweitens die unsichere Vergleichung zweier
einzelnen Töne nach ihrer Stärke durch eine kontinuierliche Veränderung der
Stärke eines einzigen Tones ersetzt, wobei die Schätzung bekanntermaßen
viel genauer sein kann.
1 1 . Natürlich ist für die Anwendung meiner Methode eine gute phonetische
Schulung erforderlich. Aber ohne eine solche lohnt es sich überhaupt kaum,
sich mit der Phonetik zu beschäftigen, denn dann würden alle T.schen Be-
merkungen über die mögliche Entstellung der isoliert ausgesprochenen Vokale
zutreffen. Nun ist es doch eine der ersten Forderungen, die man an einen
Phonetiker zu stellen hat (vgl. Sweet, The sounds of English. An introduction
to phonetics. 1908, p. 15), daß er alle möglichen Lautnuancen, die im Worte
oder im Satze vorkommen, zu isolieren verstehe und die betreffenden Artikula-
tionen längere Zeit beizubehalten vermöge. Könnte ich nicht konstatieren, ob
ich mein a isoliert anders ausspreche als am Ende des Wortes und vor nicht-
palatalisierten Konsonanz, so dürfte ich keine Bücher über die Phonetik
schreiben. Es versteht sich von selbst, daß ich allerlei Lautnuancen und ihre
gegenseitigen Beziehungen zuerst mit dem Gehör im Worte konstatierte, dann
sie zu isolieren lernte und dann erst mit verschiedenen experimentellen
Mitteln untersuchte.
12. Es ist mir trotz T., S. 566, nicht entgangen, daß das Stimmgabelver-
fahren einen subjektiven Moment enthält. Darum habe ich meine Resultate in
1) Es ist ja möglich, daß sie auch vor mir angewandt worden ist, aber eine
genauere Beschreibung davon habe ich nicht gelesen, so daß ich sie mir selbst
ausbilden mußte, wobei mir ihre Vorzüge klar geworden sind. Allerdings auf
Priorität will ich durchaus keine Ansprüche erheben.
568 Kritischer Anzeiger.
Tabellen für o und m, wo sie durch Kurvenanalysen nicht so sicher unterstützt
waren i), unter dem Striche angegeben, das heißt sie zu minder wichtigen zuge-
sellt. Nun habe ich allerdings meine Bestimmungen als objektiv bezeichnet, weil
ich sie auf zweierlei Wegen, von welchen die Kurvenanalyse doch sicher
objektiv ist, bekommen habe und weil der subjektive Moment bei meinem
Stimmgabelverfahren durch Anwendung des Prinzips eines kontinuierlichen
Resonators vermindert ist.
13. Nun was meine Kurven anbetrifft, so bedauere ich sehr, daß ich nir-
gends im Buche selbst angegeben habe, daß sie doch ganz schlecht in der Re-
produktion ausgefallen sind. Die Originale der meisten Kurven, ausgenommen
die Kurven für «, haben, wenn gerade nicht allzuelegantes, so doch ganz an-
ständiges Aussehen: die Perioden und die Formanten können meistens er-
kannt und gemessen werden; nur haben sie sehr kleine Amplituden, was für
die Reproduktion und auch für das Ordinatenmessen nicht vorteilhaft ist 2).
Einer mathematischen Analyse habe ich sie außerdem darum nicht unterworfen,
weil alle Kurven mittels eines primitiven Phonautographen gewonnen sind,
der doch das Abhören nicht zuläßt, und ohne das lohnt es sich doch wirklich
nicht, sich mit dem Rechnen abzuquälen, denn man kann nie sicher sein über
den akustischen Wert einer gegebenen Kurve: erstens kann das Gesagte durch
den Aufnahmeapparat entstellt werden, zweitens kann auch in der Aussprache
selbst etwas Unerwartetes vorkommen, was man bei der Aufnahme gar nicht
bemerkt hat, gerade weil es unerwartet war 3) und weil die größte Aufmerk-
samkeit gewöhnlich der Technik der Aufnahme gewidmet ist.
14. Über die T.sche Untersuchungsmethode habe ich schon im Buche
mein Urteil ausgesprochen, indem ich die Feinheit seines Gehörs anerkannt
und seine Resultate als im höchsten Grade beachtenswerte bezeichnet im
Gegensatz zu den »Paristen« in der experimentellen Phonetik. Aber meine
Zweifel kann ich auch jetzt nicht fallen lassen: denn erstens ist es ganz sicher,
daß die Artikulationen im Flüstern entstellt werden, und zwar nicht in dem
Sinne wie es Rousselot, Principes de phonetique experimentale, p. 686 ss.
gefunden hat, vielmehr aber in dem, daß die Vokale im Flüstern sehr nach-
1) Es sind auch für o und u Kurven vorhanden, auch hat ihre Analyse
übereinstimmende Resultate gegeben, aber da bei tieferen Vokalen die An-
wendung der »Proportionalmessung« auch in meiner Umgestaltung keine
sicheren Resultate zu geben vermag, so wollte ich nicht meine Bestimmungen
auf gleiche Linie mit denen von Pipping und anderen setzen,
2) Z. B. in der Fig. 29 ist der Vokalunterschied zwischen ta und t'a in der
Reproduktion vollständig verloren gegangen, während er auf den meisten
Kurven auf das deutlichste zum Vorschein kommt (die Originalkurven werden
im Kabinett für experimentelle Phonetik an der Petersburger Universität auf-
bewahrt und können dort besehen werden).
3) Ich möchte hier die Gelegenheit benutzen, um dies letzte Moment zu
betonen, weil es oft bei den Aufnahmen vernachlässigt wird. In Wirklichkeit,
wenn wir nicht genau aufpassen, sprechen wir doch unsere Wörter verschieden
aus, je nach der Laune, Tempo usw. Es versteht sich von selbst, daß eigent-
lich verschiedene Laute dabei ausgesprochen werden.
Scerba, Bemerkungen auf die Rezension Thomsons. 569
lässig ausgesprochen werden, was wahrscheinlich doch damit zusammen-
hängt, daß sie ja eine minderwertige Rolle in der geflüsterten Rede, die
hauptsächlich als Konsonantenrede zu bezeichnen wäre, spielen i). Es wäre
auf jeden Fall vor allem genau zu untersuchen, welche Unterschiede zwischen
lauter und geflüsterter Rede zu konstatieren sind. Zweitens bleibt es
doch nicht ausgeschlossen, daß T. manchmal den Übergangslaut für den
Laut selbst gehalten hat, obwohl er die Vokale zwischen verschiedenen Kon-
sonanten untersucht hat, und das kann man eben darum vermuten, weil der
Vo'xal bei ihm verschieden, gerade je nach der Umgebung, ausgefallen ist.
"Drittens ist der üktavenfehler nicht ausgeschlossen, Aveil die Messungen und
Berechnungen, auf die sich T. beruft, sehr zweifelhaft sind, wie ich weiter
unten zeigen werde.
15. Nun kommt das Wichtigste, was ich in meinem Buche ausdrücklich nicht
gesagt habe, um mich in die Polemik nicht einzulassen, was aber das ganze
Buch doch sagen sollte. Nach meiner Meinung besteht T.s größter Fehler
darin, daß er vom Kompliziertesten ausgeht: er fängt mit der Untersuchung
der gebundenen Rede an, wobei die einzelnen Laute doch den verschiedensten
Einflüssen ausgesetzt sind: des gewohnten Grades der Deutlichkeit der Aus-
sprache des Sprechenden, des von den Umständen gegebenen Grades derDeut-
lichkeit, des Tempos der Rede, der Laune des Sprechenden (nach Prof Bulics
trefflicher Bemerkung werden Vokale bei verschiedenem Gefühlstone ver-
schieden ausgesprochen), der Satzbetonung, der lautlichen Umgebung, viel-
leicht auch der Höhe der Stimme (ich vermute allerdings dafür andere Ursachen
als T.) usw. Dadurch wird zuviel Wirrwarr hineingebracht, woraus man kaum
klug werden kann. In den exakten Wissenschaften sucht man in solchen
Fällen vielmehr die Erscheinungen womöglich isoliert zu betrachten, um dann
allmählich den Einfluß der verschiedenen Faktoren zu untersuchen.
10. Durch sein Verfahren kommt T. zur Behauptung, daß ein a (vor
>palataler« Konsonanz) unter Umständen den Eigenton a?, indem ein offenes e
unter anderen Umständen den Eigenton ß-s^ haben können (das heißt, daß e
tiefer sein könne als a); weiter daß ein enges e — d* und i — c* als Eigentöne
haben können. Es ist ja ganz klar: entweder waren es in Wirklichkeit nicht
immer «, e, i usw., die T. als solche untersucht hat, oder er hat bald den ersten
Eigenton, bald den zweiten herausgehört, oder ist die ganze Eigentontheorie,
an die doch T. zu glauben scheint, Unsinn. Ich vermute eher das Erste.
Indem T. bei der Aufstellung seiner Listen von Wörtern den Eigenton heraus-
hörte, achtete er wahrscheinlich gar nicht auf die Qualität der Vokale in
flüsternd ihm vorgesprochenen Wörtern, sich einfach nach dem betreffenden
Buchstaben richtend, und daher bin ich sicher, daß er sehr oft dabei ganz
andere Laute, als die von ihm erwarteten, bekommen hat.
Wenn man das alles so versteht, dann ist das Gesamtbild vom russischen
Vokalismus bei T. sehr belehrend, indem dadurch bestätigt wird, daß uns
1) Die von Rousselot vorgebrachten Tatsachen wären vielleicht so zu
deuten, daß man unter Umständen, um den isoliert geflüsterten Vokal ver-
ständlich zu machen, seine Qualität übertreibt.
570 Kritischer Anzeiger.
einige allgemeine Lautvorstellungen, die Baudouin Phonemen genannt hat,
vorschweben, daß sie aber nur mehr oder minder korrekt, je nach der Not-
wendigkeit der Verständigung und nach den Umständen, ausgesprochen
werden. Den Einfluß dieser verschiedenen Umstände zu unter-
suchen, darin liegt die eigentliche Aufgabe der Phonetik.
17. T. irrt sich, wenn er meint, daß ich mir meine Nuancen starr vorstelle.
Ich habe doch schon im ersten Teile meines Buches (S. 3) an einem Beispiele
zu zeigen versucht, wie groß die Abweichungen von der idealen Norm in der
gesprochenen Rede sein können. Auch im zweiten Teile S. 77 und S.3 habe
ich erklärt, daß meine Angaben über die vorkommenden Nuancen sich auf
ruhige, deutliche aber zugleich ungezwungene Aussprache beziehen und bloß
Wegweiser in der Flut objektiver Verschiedenheiten bilden. Hier fand wieder
und wieder Anwendung das von mir befolgte Untersuchungsprinzip: nicht all-
zuviel Schwierigkeiten auf einmal; zuerst möglichst das Wirken nur eines
einzigen Faktors zu untersuchen.
18. Nun gehe ich zum wichtigen Problem von gegenseitigen Beziehungen
zwischen akustischen und physiologischen Eigenschaften der Vokale über.
T. sucht seine Bestimmungen von Vokaleigentönen durch Messungen der
Mundhöhle und darauf sich gründenden Berechnungen zu unterstützen.
Leider habe ich in seinen Arbeiten keine genaue Beschreibung solcher Meßver-
suche gefunden. Aber nach einemPassus seines übrigens vortrefflichen Buches
Oömee H3i>iKOBiaiHie2, 1910, S. 180 zu urteilen, hat T. die Aufgabe zu einfach
verstanden und mißt nur die Länge des vermuteten Mundresonators i), indem
er zur Berechnung die Formel der gedeckten zylindrischen Pfeifen benutzt.
Nun ist es doch klar, daß man die Mundhöhle mit einer solchen Pfeife nicht
identifizieren darf^), vielmehr kann sie, wie es schon von Helmholtz (Lehre
von den Tonempfindungen 5 1896, S. 172 — 174) gemacht worden ist, mit einer
Flasche mit oder ohne Hals verglichen werden. Gewöhnlich wird die Mund-
höhle folglich als eine sogenannte kubische Pfeife angesehen (s. auch Auer-
bach, Akustik, 1909, S. 687). In diesem Falle ändern sich die Verhältnisse und
weichen von den von T. postulierten sehr bedeutend ab. Zum Beispiel hängt
die Schwingungszahl des Resonanztons in zylindrischen Pfeifen von der
einfachen Länge der Pfeife ab, in kubischen aber von der Quadratwurzel des
Volumens, folglich, bei gleicher Fläche der Sektion der Pfeife, von der
Quadratwurzel ihrer Länge. Weiter hängt die Schwingungszahl des Tones
in zylindrischen Pfeifen von keinem Faktor mehr, in den kubischen aber
nicht nur von der vierten Wurzel der (jflfnungsfläche, sondern auch im Falle
der flaschenartigen Resonanzräume von der Quadratwurzel der Länge des
Halses ab. Endlich muß hervorgehoben werden, daß der menschliche Organis-
1) Es muß hervorgehoben werden, daß die Bestimmung der hinteren
Grenze des Mundresonators, besonders bei offenen Vokalen (a, offene o und e),
sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, ist.
2) Auf jeden Fall kann man kaiim behaupten, daß die Mundhöhle nur
eine Öffnung besitzt, denn die hintere Öffnung führt, wenn nicht ins Freie, so
doch in weitere Resonanzräume: folglich könnte man hier eher von einer of-
fenen Pfeife sprechen.
Scerba, Bemerkungen auf die Rezension Thomsons. 571
raus ein ganzes System zusammenhängender Resonatoren besitzt. Die Formel
für die Berechnung der Resonanztöne in diesem Falle ist von Lord Rayleigt
entwickelt, sie ist aber außerordentlich kompliziert und kaum jetzt praktisch
anwendbar. Die Frage wird noch dadurch erschwert, daß man bis jetzt keine
gute Methode zur Auswertung des Mundhohlenvolumens besitzt i).
So sieht man, daß die T.schen Messungen und Berechnungen als unbe-
gründet angesehen werden müssen und daß ich doch Recht hatte, die ganze
wichtige Frage von Abhängigkeit der Eigentöne von physiologischen Be-
dingungen als bis jetzt nicht genügend aufgeklärt zu bezeichnen. Bremer,
von welchem T. ausgeht, und Pipping haben dabei verschiedene Vermutungen,
die manchmal vielleicht das richtige getroffen hatten, ausgesprochen, aber im
großen und ganzen können diese Vermutungen bloß als solche angesehen
werden.
Somit fallen, wie die Stütze für T.sche »subjektive« Bestimmungen von
Vokaleigentünen, eo auch alle seine Angriffe gegen meine Vermutungen über
die Rolle der Lippen bei verschiedenen russischen Vokalen, ab.
19. Ich kann wirklich nicht begreifen, warum T. einer ausgezeich-
neten experimentellen Arbeit von Samoiloff (Pflügers Archiv, 78) über russi-
schen Vokalismus jeden Wert absprechen will. Nach der Rezension zu ur-
teilen, nur weil die Samoiloffschen Resultate von den seinigen abweichen.
Sonst ist es doch ganz unverständlich, warum die von Samoiloff aufgezeich-
neten Vokale zufällige Vokallaute sein sollen. Wenn manche von ihnen durch
Singen, wie ich a\ich vermute, etwas entstellt worden sind, so sind sie doch
a, e, i usw. geblieben. Nur muß man zu verstehen suchen, in welcher Richtung
sich die Vokale im Russischen beim Singen verändern. Von allen anderen
Forschern, ausgenommen Bogorodickij, sagt T. in der Rezension kein Wort
als ob ich ihre Resultate ganz unberücksichtigt gelassen hätte. In der Tat aber
sehe ich mein Hauptverdienst gerade darin, daß ich die Resultate aller
wenigstens mir bekannt gewordenen Forscher (insgesamt 35 Arbeiten) nach
Methoden geordnet, sie selbst, wie auch das Verfahren in Einzelheiten näher
geprüft und vor allem als Phonetiker die Eigentümlichkeiten der von ihnen
untersuchten Sprachen berücksichtigt habe. Es ergaben sich fünf Tabellen, in
denen alle diese Resultate zusammengestellt sind, und in anschließenden,
freilich manchmal allzu knappen Erörterungen habe ich konstatieren können,
daß dabei meistens viel mehr Übereinstimmung (wenigstens bei objektiv
arbeitenden Forschern) herrscht, als es gewöhnlich vermutet wird. Die
meisten Abweichungen lassen sich leicht durch sprachliche Eigentümlich-
keiten, Mängel der Berechnungen oder der Aufnahme usw. erklären. Weiter
hat sich herausgestellt, daß bei den meisten Vokalen mehrere Eigentöne zu
vermuten sind und daß das Widersprechen verschiedener subjektiv arbeitenden
Forscher teils darauf beruht, daß die einen den einen, die anderen den andern
Eigenton hörten.
1) Über alle diese Dinge siehe Scripture, the Elements of experimental
Phonetics, 1904, chap. XX, und Auerbach, Akustik 2, 1909 (in Winkelmanna
Handbuch der Physik, Abschn. VI),
572 Kritischer Anzeiger.
Somit stehen nicht allein die T.schen Resultate und die meinigen ein-
ander gegenüber, wie es T. scheint, sondern noch viele andere, mehr oder
weniger sichere, die man nur richtig interpretieren soll, wobei meine Resul-
tate meistens, auf direkte oder indirekte Weise durch die besten Arbeiten
unterstützt werden.
20. Da die T.schen Bestimmungen mir früher aus seinen Arbeiten be-
kannt waren, so mußte ich schon im Buche zu ihnen Stellung nehmen (vgl.
meine Tabellen), die zu verändern ich mich auch jetzt nicht veranlaßt sehe.
Ich vermute nämlich, daß, wenn man von dem Oktavenfehler und allzugroßem
Schwankungsgebiete einzelner Vokale, welches sich wahrscheinlich durch
Heranziehen qualitativ ganz verschiedener Laute (s. oben) erklärt, absieht, so
entsprechen T.s Bestimmungen irgendwelchen objektiven Tatsachen.
21. Was das russische h anbetrifft, so mag es richtig sein, daß es indi-
viduell, vielleicht auch dialektisch ein ungleichmäßiger Laut ist, nicht aber
bei mir und nicht bei Leuten, mit denen ich verkehre. Ein paarmal habe ich
selbst solch eine Aussprache gehört, wie ich schon im Buche bemerkt habe ;
aber jedenfalls wird es von keinem russisch redenden als ein wirklicher Diph-
tong empfunden und auf gleiche Stufe mit solchen Diphtongen wie au, oä, ay
(in naysa) usw. gestellt. Auch quantitativ ist bi bei mir samt i und u der kür-
zeste Vokal. Ich vermute, daß solch eine ungleichmäßige Aussprache des li
vielmehr als Vorläufer eines Überganges in * zu betrachten ist, welcher sich in
vielen slavischen Sprachen schon verwirklicht hat, so daß man sich dieses
>diphtongisches« ti als eine nicht genügend eingeübte Artikulation, welche
die Zunge nicht längere Zeit zu behalten vermag, vorstellen kann.
22. Von den Ergebnissen meiner quantitativen Analyse russischer Vokale
sagt T. S. 575, daß sie sich zuweilen widersprechen, aber gar nichts davon,
daß ich alle diese Widersprüche erklärt habe, und ich muß hier betonen, daß
die von mir bekommenen Zahlen selbst, bei näherer Betrachtung, auch die
nötigen Erklärungen gegeben haben, so daß ich manchmal erstaunt war, wie
alles gut zusammenpaßte.
23. Meine Erklärung der Dehnung von a, o, u nach palatalisierten Kon-
sonanten hat vielleicht, trotz T. S. 576, das richtige getroffen, weil diese Deh-
nung nur vor Verschlußlauten stattfindet , in welcher Stellung die Gesamt-
dauer der Vokale doch am kürzesten ist (s. bei mir Tabelle 11).
Wäre es richtig, wie es von T. vermutet wird, daß nach palatalisierten
Konsonanten der gewöhnlichen Länge der Vokale noch die Dauer des Über-
gangslautes zugute kommt, so würden die betreffenden Vokale auch in anderen
Stellungen länger sein, was aber nicht der Fall ist (s. meine Tabellen 11 und
12). Daraus ersieht man deutlich, daß vor Verschlußlauten die Vokale w, o, m
nach palatalisierten Konsonanten wirklich gedehnt werden und zwar, wie ich
vermute, weil der lange Übergangslaut bei verhältnismäßig kurzer Gesamt-
dauer der Vokale vor Verschlußlauten die richtige Perzeption des Vokals
selbst erschwert.
21. Was aber die Auffassung der Palatalisation anbetrifft, so behalteich
mir das Recht vor, die Sachen etwas anders zu verstehen, als es T. tut, ob-
wohl ich gar nicht ihm das Verdienst der akustischen Erklärung absprechen
Scerba, Bemerkungen auf die Rezension Thomsons. 573
will. Ich beabsichtige übrigens, darauf einmal näher einzugehen. Hier muß
ich nur einen unbegründeten Vorwurf von Seiten T.s zurückweisen. Er wun-
dert sich nämlich, daß, obwohl ich großen Wert dem Unterschiede tfl' beilege,
zu gleicher Zeit aber sage, daß die Palatalisierung des t (r) in .liTHiii nicht
vernommen wird. Nun ist es docli klar, daß im letzten Falle eine selbst-
ständige Explosion des t fehlt, während sie in Äiia und ÄiTKii vorhanden ist,
so daß auch die Perzeption der beiden Fälle eine verschiedene sein kann.
25. Ich verstehe nicht, warum die T.sche Erklärung der qualitativen
Reduktion der Vokale besser sein sollte als die meinige. Es kann freilich mit
schnellem Tempo eine deutliche Aussprache verbunden werden, aber nur mit
einem großen Energieaufwand, und dabei ist es noch möglich, wie ich S. 193
in der Anmerkung vermutete, daß die Beschleunigung in solchen Fällen aut
Kosten der Übergangslaute und Konsonanten geschehe. Bei gewöhnlichen
Bedingungen aber setzt die Verminderung der Quantität die qualitative Re-
duktion unumgänglich voraus, weil die Organbewegungen aus Zeitmangel
nicht genau ausgeführt werden können. Soviel steht meiner Meinung nach
fest, womit aber nicht gesagt sein soll, daß es keine anderen Faktoren der
qualitativen Reduktion geben kann. Nur ist die Sache wenig erforscht, denn
es ist ja klar, daß die Definition, die T. S. 575 der Betonung gibti), ganz will-
kürlich ist, weil sie Dinge, die vielleicht nicht unmittelbar zusammenhängen
und möglicherweise nicht immer Hand in Hand gehen (vgl. die verschie-
dene Beurteilung der tschechischen Betonung von verschiedenen Beobachtern),
unter denselben Hut bringt. Übrigens halte ich meine Erklänrng nur als eine
in die Augen springende Möglichkeit: das Weitere soll man der künftigen
Forschung des Wesens der Betonung, der Bedingungen ihrer Entstehung und
ihrer möglichen Folgen überlassen.
26. Was die T.sche Erklärung der quantitativen Reduktion der unbe-
tonten Vokale anbetrifft, so ist sie eine sehr geistreiche, aber nur für die Er-
klärung der Verminderung der Quantitäten sowohl betonter als unbetonter
Vokale mit zunehmender Silbenzahl in mehrsilbigen Wörtern. Ich erlaube mir
darum vorläufig bei meiner Erklärung zu bleiben, obwohl ich ganz gut ver-
stehe, daß mein Postulat, das Quantum der auf ein Wort von bestimmter
Silbenzahl verwendeten Energie beständig sei, etwas aprioristisch ist. Daß
npopBaTB mehr Energie erfordert als hau, ist wohl richtig; aber man muß auch
nicht aus dem Auge verlieren, daß für Griechen und Römer tra und a in der
Metrik gleichbedeutend waren.
27. Ich möchte noch vieles sagen, weil ich so manches , was T. still-
schweigend übergangen hat, doch hervorheben möchte, wie z. B. meine Be-
merkungen über gespannte und ungespannte Vokale, über Klassifikation der
Vokale, meine Vergleichungen der russischen Vokale mit denen der Haupt-
sprachen Europas (worauf ich viel Wert legen möchte) usw. usw., aber das
würde mich zu weit führen. Wichtiger wäre es , verschiedene meiner Ansicht
1) >Die schwache Betonung besteht nicht nur in der leiseren Aussprache,
sondern auch in der weniger energischen und daher auch weniger voll-
kommen ausgeführten Artikulation.«
574 Kritischer Anzeiger.
nach irrtümliche Auffassungen T.s, wie z.B. der verschiedenen «-Nuancen
und ihrer Abhängigkeit von folgender Konsonanz, zn widerlegen; aber da fast
jede Bemerkung T.s eine Gegenbemerkung von meiner Seite hervorruft, so
ist es besser, das alles gelegentlich bei einer Gesamtdarstellung und zwar
nicht in polemischer Form auszunutzen. Nur paar Worte pro domo mea
seien mir gestattet. Es irrt sich T., wenn er S. 574 meine Zeichnungen der
Zungenstellung als schematische bezeichnet: das sind Resultate sehr mühevoller
Beobachtungen mit Atkinsons Mouthmeasurer. Ferner irrt sich T., wenn er
S.561» sagt, daß meine physiologischen Beschreibungen bekannte Tatsachen er-
örtern: sie stützen sich auf Palatogramme und Stomatogramme (Zungenprofile),
aller von mir aufgestellten Nuancen, die meistens i) fürs Russische zum ersten
Male publiziert worden sind, was für die richtige Beurteilung der Physiologie
der Nuancen besonders wichtig ist. Dasselbe gilt auch von unbetonten Vo-
kalen. Es irrt sich T., wenn er S. 574 sagt, daß meine Untersuchung keine
Vorstellung von den in der Wirklichkeit durch mundartliche Verschieden-
heiten komplizierten Schwankungen unbetonter Vokale gibt: das Gesamtbild
des Petersburger unbetonten Vokallsraus ist meiner Ansicht nach durch Be-
stimmungen des § 75, die sich auf meine Nuancen, als Orientierungspunkte,
stützen, deutlich genug geschildert. Andere russische Dialekte sollten auch
nicht mit zur Darstellung kommen, da es methodologisch ganz verfehlt wäre,
mundartliche Eigentümlichkeiten durcheinander anzuführen.
28. Zum Schlüsse möchte ich mich mit dringender Bitte an die Leser
wenden, nötigenfalls nach meinem Buche selbst zu greifen und die T.sche
Rezension nur zum Vergleiche zu ziehen, weil sie, wie man jetzt sieht, — wären
auch alle ihre Ausführungen richtig — wirklich allzu subjektiv ist.
Trotzdem sage ich hier T. Dank, weil er mich durch seine scharfe Kritik
veranlaßt hat, das Ganze nochmals zu prüfen, wobei mir manches klarer ge-
worden ist, und zum Ergebnisse zu kommen, daß ich vorläufig nichts in
meinen Auffassungen zu ändern habe (womit aber nicht gesagt sein soll, daß
ich sie nie ändern werde) und weil ich dabei gelernt habe, daß man sich etwas
ausgiebiger über solche feine Dinge ausdrücken soll, da sonst die Gefahr
vorliegt, daß viele kurz angedeutete Gedanken sogar von den Sachverstän-
digen teils unbemerkt, teils mißverstanden werden.
August 1913. L. Scerba.
Zn den vorhergehenden Auseinandersetzungen Scerbas muß ich einige
Bemerkungen und Berichtigungen hinzufügen.
Zu 4 — 9 muß ich bemerken, daß es sich nicht um einzelne Beispiele,
wie e, handelt, sondern daß die ganze psychologische Auffassung S.s eine un-
richtige ist. Ich hatte schon eine psychologische Begründung der Einzel-
laute im Buche >Oümee asbiKOB^ÄiHieä 219 — 220« gegeben. Darnach assozi-
ieren sich z. B. die palatalisierten A-Laute in Lautreihen wie Kiwh, ähkIc am
1) Es waren Palatogramme für nur sechs russiche Vokale (Phoneme) vor-
handen.
Thomsons Gegenbemerkungen auf Scerbas Bemerkungen. 575
nächsten, daneben die labialisierten wie in Kyoii untereinander usw., und
wegen ihrer obgleich geringeren Ähnlichkeit in Laut und Bewegungsgefühl
bilden alle Ä>Laute eine größere Assoziationsgruppe, die mit dem Buchstaben
k im Unterschied von p, i usw. bezeichnet wird. So sind in den Lautvorstel-
lungen selbst natürliche Grundlagen zur Klassifikation gegeben und wir
brauchen dazu durchaus nicht fremdartige Bedeutungsmerkmale beizumischen,
wie es S. tut. Wenngleich die Grenzen fließend sein können , werden doch
auch die kleineren AssoziationsgrujDpen von den richtig sprechenden ausein-
ander gehalten, wenn nicht durch Dialektmischung das Gehör die Fühlung
für dieselben verloren hat, was allerdings in einer Gemeinsprache oft teilweise
der Fall ist, aber durchaus nicht in dem Maße, daß dem Sprechenden nur ein
bestimmtes Phonem im Sinne S.s statt der bezüglichen bestimmten Nuancen
vorschweben könnte. Sonst würde die Sprache ein wüstes Wirrwarr von
Nuancen darstellen, da doch lange nicht alle Nuancen unmittelbar physiolo-
gisch bedingt werden, und die Bestimmung von minimalen Differenzen hätte
gar keinen Sinn. Daß solche Differenzen individuell übereinstimmend mit
anderen Individuen eingehalten werden und also ihre entsprechenden Laut-
vorstellungen haben müssen, das zeigen tatsächlich die Ergebnisse meiner
Untersuchungen.
S.s Behauptung unter 14, daß in geflüsterter Rede die Vokale sehr nach-
lässig ausgesprochen werden und sie daher eine »Konsonanteni'ede« sei, ist
ganz willkürlich und falsch und erklärt sich teils dadurch, daß S. überhaupt
den Verständniszwecken einen unnatürlichen Einfluß auf die Laute zuzu-
schreiben geneigt ist, wie z. B. auch unter 8 und 23 ersichtlich. Die Artiku-
lationen werden doch beim Flüstern ebenso automatisch und gewohnheits-
gemäß ausgeführt wie sonst, nur die Artikulation der Stimmbänder ist ver-
ändert. Ferner wundere ich mich, daß S. nicht einsehen will, daß er mit
seinen Untersuchungsmitteln (s. unter 9 — 13) den Variationen der Vokale in
Abhängigkeit von der Umgebung nicht beikommen kann, und daß er sich
hartnäckig bemüht, die von mir aufgestellten derartigen Varianten als Fehler
zu erklären.
Seine Behauptung endlich unter 14, daß Oktavenfehler nicht durch Mes-
sungen berichtigt werden können, bestätigt nur , daß er sich das gegenseitige
Verhältnis der akustischen und physiologischen Bedingungen nicht recht auf-
geklärt hat. Daher hat er auch meine vielfachen Angaben darüber übersehen
oder nicht verstanden und behauptet unter 1 8 irrtümlich, daß ich nur die Länge
des Mundresonators messe, während ich doch tatsächlich (z. B. bei den Vokal-
beschreibungen S. 184 ff., S. 176 usw. meines von ihm zitierten Buches Oomec
fl3LiKOBiÄ^iHie2) stets auch die Größe der Öffnung und die Weite des vorderen
und hinteren Teils des Mundresonators berücksichtige. Das entspricht
doch der Flasche. Jedem Erfahrenen auf diesem Gebiet ist es leicht ver-
ständlich, daß eine so große Differenz, wie eine Oktave, selbst vermittelst
grober und ungenauer Messungen bestimmt werden kann und daß meine
(Arch. XXXIV, S. 567) vermeintlichen >Angriffe gegen seine Vermutungen<,
wie er sich zum Ende unter 18 ausdrückt, nur Hinweise auf zweifellose ele-
mentare Fehler S.s sind.
576 Kritischer Anzeiger.
Zu S.s Ansicht nnter 15 muß ich berichtigen, daß auch ich, wie jetzt S.,
mit der Untersuchung von isolierten Vokalen angefangen hatte, aber es für
unnütz hielt, die Ergebnisse derselben zu veröflFentlichen , nachdem ich ein-
gesehen hatte, wie wenig dieselben ein richtiges Bild von den wirklichen Lau-
ten in der natürlichen Rede abgeben können. Und nur die letzteren sind
doch die eigentlichen Untersuchungsobjekte. Nur aus schonender Rücksicht
habe ich daher von der Arbeit S.s nicht offen gesagt, daß sie mir wie eine im
großen angelegte Vorarbeit zu einer eigentlichen Untersuchung der russischen
Vokale vorkommt.
Ich wundere mich, daß S. unter 16 nicht noch eine vierte Möglichkeit
aufgestellt hat, die doch am nächsten liegt, nämlich daß außer dem ersten
pjigenton noch andere für die Charakteristik des Vokals wesentlich sein
können.
Unter 19 hat S. die Sachlage nicht richtig verstanden. Gegen Samoiloflfs
Arbeit habe ich nichts eingewandt. Sie ist ebenso verdienstvoll wie ähnliche
Arbeiten anderer Physiologen, z. B. Hermanns, die zufällige laute a, e usw.
in den Apparat hineinsprechen oder singen, unbekümmert darum, ob sie wirk-
lich bestimmten Spezies, und welchen, ihrer Sprache entsprechen. Das ist für
physiologische Zwecke gerechtfertigt. Meine Kritik (S. 567) trifft nur S.
selbst, welcher die Ergebnisse einer solchen Arbeit Samoiloffs mit seinen be-
stimmten russischen Phonemen identifizieren will, während sie tatsächlich
ebensogut auf die deutschen Vokale bezogen werden können.
Auf die tabellarische Znsammenstellung der Ergebnisse verschiedener
Forscher anderer Sprachen habe ich allerdings kein besonderes Gewicht ge-
legt, obgleich sie natürlich viel Arbeit gekostet hat, erstens weil S.s Buch
doch der Erforschung der russischen Vokale gewidmet ist, und zweitens weil
solche Zusammenfassungen auch schon früher gemacht worden sind (Bremer,
Vietorj und auch ich selbst solche Tabellen angefertigt hatte und dabei das
Verfahren, die Ergebnisse i;nd Differenzen aufzuklären versucht habe, wie
teils aus meinen $0HeTiiqecKie arioabi 16 ff. ersichtlich. Diese Arbeit betrachte
ich aber als Vorarbeit und als nebensächliche, da sie keine direkten Daten
für russische Laute liefert. Für diese sind leider nur unsere Arbeiten da.
Zu 23 muß ich also schärfer betonen , daß die von S. vermutete Vokal-
verlängerung zwecks richtiger Perzeption etwas ganz unnatürliches wäre.
Andrerseits stimmt doch auch noch die Lage vor Engelauten in Tab. 1 1 zu
meiner Erklärung und die ungenügenden Daten der anderen Lagen geben
keine sichere Antwort.
Zu 27 muß ich bemerken, daß ich es aufrichtig bedauern würde, wenn
ich die Verdienste S.s wirklich unterschätzt habe. Aber in seinen Bemer-
kungen über gespannte und ungespannte Vokale und über Klassifikation habe
ich nichts gefunden, was mir nicht schon früher bekannt war. Seine Ver-
gleichung der russischen Vokale mit denen anderer Sprachen und besonders
seine Kenntnis der letzteren hätte ich allerdings erwähnen sollen, habe es aber
in der Rezension übersehen teils wohl aus Gewohnheit an solche Vergleiche,
teils weil sie mir nur zur Illustration der russischen Laute zu dienen schienen.
Ich will gern glauben, daß S. viel Arbeit mit Atkinsons Mundmesser und
Tunickij, Der hl. Kleraens, slov. Bischof, angez. v. Jagid. 577
Palatogrammen vollbracht hat. Aber seitdem ich mich überzeugt habe, daß
mit diesen Untersuchungsmitteln zuverlässige genaue Daten nicht für die
natürlichen Vokale in der fließenden Rede zu gewinnen sind, kann ich solchen
Zeichnungen keinen großen Wert beilegen, am allerwenigsten für unbetonte
Vokale. Besseres könnte S. nur vermittelst der Kurvenanalyse finden, die
allerdings nicht leicht ist, für die er aber Kenntnis und Arbeitskraft besitzt
und hoffentlich die Mittel finden kann.
Die übrigen Entgegnungen S.s kann ich übergehen mit der Bitte, beim
Lesen die bezüglichen Stellen meiner Rezension in ihrem Zusammenhang zu
vergleichen und zu prüfen.
Ich muß S. Recht geben, wenn er meine Ansichten zu subjektiv findet.
Es ist aber nicht meine Schuld. Mit dem Gehör lassen sich feine Unterschiede
herausfinden, denen man selbst mit den mühsamsten vind genauesten, aber
verhältnismäßig schwerfälligen Untersuchungsmitteln nicht immer nach-
kommen kann, und daher gelingt es mir nicht immer, manches ganz zweifel-
los und deutlich Hörbare andern verständlich zu machen.
Zum Schluß muß ich bedauern, daß ich S. in nichts, selbst von dem,
was er in seiner Entgegnung nicht berührt hat, überzeugen habe können, wie
es aus seinen Schlußworten hervorgeht. A. Thotnso7i.
H. Ä. TyHHii;Kiit, Cb. K.iHMeiiT-L enHCKoni. cjOBeHCKiS. Ero
atH3HL H npocBiTHTe.ii)Haa j^iETeÄhnocTh. Cepriesi, üocaA'B 1913.
80. XI, 290.
Die Slavistik verdankt in Rußland mehreren Vertretern der geistlichen
Akademien, die den westländischen theologischen Fakultäten entsprechen,
sehr wichtige Leistungen im Bereich der altkirchenslavischen Sprach- und
Literaturdenkmäler. Welchem Fachmann wären nicht geläufig die Namen
eines Gorskij und Nevostrujev, eines Philaret und Makarius, eines Amphi-
lochiu8undLeonid,eine8Voronov,Malysev8kij,Voskresen8ki)undGolubinskij?
Zu diesen und vielen anderen nicht namentlich genannten Männern gesellt sich
jetzt der Verfasser des oben zitierten Werkes, ein neuer Name, den wir mi
großer Freude und Anerkennung in dieselbe Phalanx einzureihen bereit sind.
Herr Tunickij hat sich nämlich durch sein vorliegendes Werk über den slavi-
schen Klemens, einen der Hauptschüler der beiden Slavenapostel, das Recht
erworben, zu den tüchtigsten, kritischsten Forschern auf diesem Gebiete ge-
zählt zu werden. Die Studie Tunickijs verdient eingehend besprochen zu
werden. Mein Referat wird sich wesentlich auf die Inhaltsangabe beschrän-
ken mit gelegentlich eingeschalteten Bemerkungen.
Wir kennen zwar die Hauptquelle, auf welcher unsere Kenntnis über die
Wirksamkeit des bulgarisch-mazedonischen Klemens beruht, schon seit dem
Beginne der slavistischen Studien zu Anfang des XIX. Jahrb.. namentlich
seit der neuen durch Miklosich besorgten Ausgabe vom J. 1S47, allein eine
allseitige kritische Würdigung dieses Textes in erforderlichem Zusammenhang
mit allen anderen auf Klemens bezugnehmenden Quellen und Angaben hat
Archiv für slavische Philologie. XXXV. 37
578 Kritischer Anzeiger.
uns bis jetzt gefehlt. Zur Glaubwürdigkeit des Inhaltes der Legende verhielt
man sich sehr verschieden, es genügt in dieser Beziehung auf GolubinskiJ oder
Snopek hinzuweisen. Männer, wie Undolskij, Sreznevskij, Lavrov, Stojano-
vic, Sobolevskij u. a. richteten ihr Augenmerk hauptsächlich auf die Auffin-
dung des literarischen Nachlasses Klemens', dagegen über die Lebensum-
stände des Verfassers so vieler Texte beschränkte man sich auf die einfache
Wiedergabe des in der Legende Erzählten, ohne ihren kritischen Wert ein-
gehender zu prüfen. Wohl gab es Ansichten pro und contra bezüglich des
Verfassers der Legende und der Entstehungszeit derselben, auch über die in-
neren Zustände der Balkanslaven zur Zeit der Wirksamkeit Klemens' wurde
manches Beachtenswerte gesagt, allein eine zusammenfassende, kritische Dar-
stellung aller dieser Momente mit Klemens und seiner Wirksamkeit als dem
natürlichen Zentrum der ganzen Aufgabe ging uns bisher ab. Diese Lücke
sucht der Verfasser der oben zitierten Schrift auszufüllen , indem er in der
ersten Hälfte seines Werkes (S. 1 — 108) die Besprechung der Quellen liefert
und in der zweiten (S. 108 — 260) auf Grund der durch die vorausgegangene
kritische Analyse gewonnenen Resultate die Wirksamkeit des Klemens selbst
erzählt und allseitig beleuchtet. Wir erfahren zuerst, wie es mit der Text-
überlieferung der Legende steht. Nebst der Aufzählung der gedruckten Aus-
gaben wird auch das bisher unbenutzte handschriftliche Material erwähnt. Zu
dem bei Allatius abgedruckten Fragmente der Legende erwähnt Herr Tunickij
noch drei handschriftliche Texte ähnlicher Art, wobei er hervorhebt, daß an
der Stelle, wo die Jahreszahl der Bekehrung der Bulgaren zum Christentum
steht (ed. Mikl. S. 7, Kap. IV) in allen Texten, die nur ein Fragment der Le-
gende enthalten, das Wort IßdöfAM ausgefallen zu sein scheint (die Zahl lautet
somit 6370, d. h. 862, statt des richtigeren 869), dafür aber als Zusatz gelesen
wird Inl l'Mqiai'ov näna "^Piiifxr^g x«t Mix^v^ ßaaiXiwf^Pcoitcdioi' (die erste Zahl
stimmt für Hadrian II. nicht, da im Jahre 862 nicht er Papst war, sondern
Nikolaus I). Auch der vollständige Text der Legende hat seine interessante
Geschichte, die der Verfasser genau auseinandersetzt, ja selbst einige Vari-
anten einzelner Ausgaben angibt; am wichtigsten sind jedenfalls jene, die
sich in einer Ochrider Handschrift, jetzt aus dem Nachlasse Grigorovic im
Rumjancovschen Museum in Moskau befindlich, nachweisen lassen (S. 14— 18)-
Der Verfasser spricht von noch einer Ochrider Handschrift, allein die Erkun-
digungen, die mein Freund Stojan Novakoviö veranlaßt hat, haben zunächst
zu keinem Resultat geführt. Wichtig wäre es jedenfalls, auch diesen Text,
wenn er wirklich existiert, heranzuziehen, da uns eine kritische Ausgabe der
Legende noch abgeht. Einen wichtigen Schritt nach vorwärts bekundet die
Forschung Tunickijs dadurch, daß er auch die zwei neugriechischen Bearbei-
tungen der Vita Clementis in den Kreis seiner wissenschaftlichen Erwägungen
hineinzog, was bis jetzt nicht geschehen war. Er erzählt zuerst, aufweiche
Weise die Verehrung Klemens' aus Ochrid in das Kloster lov rt/niov JJQodQÖ-
[xov (unweit der Stadt Verla) gelangte. Die Mönche des Klosters tov IIqo-
^Qo/Liov sollen einen Teil der Reliquien des Heiligen, den Kopf, gestohlen und
in ihr Kloster gebracht haben. Diese erweiterte Verehrung setzt natürlich
zum mindesten das Vorhandensein eines Offiziums und einer kurzen Synaxar-
Tunickij, Der hl. Klemens, slov. Bischof, angez. v. Jagid. 579
vita voraus. Nun machte im XVIII. Jahrh. ein Hieromonachos, Athanasios
von Faros, den Entschluß, der Verehrung des Heiligen dadurch Vorschub zu
leisten, daß er eine neugriechische Bearbeitung des ganzen Offlziums und der
Vita zustande brachte. Seine Arbeit erschien zweimal, das erstemal im J. 1784
in Venedig als eine dem Demetrios Chomatinos zugeschriebene "AxolovHa,
daß zweitemal im J. 1805 in Leipzig als Anhang zu einem andern griechischen
Text (S. 83—133), das ganze betitelt Oiouyov -/.olaig. Ich konnte leider nur diese
letzte Ausgabe, aus dem in Laibach befindlichen Nachlasse Kopitars, in die Hand
bekommen, die erste Ausgabe {AxoXovd-Uc] war weder in Wien noch in Laibach
aufzufinden (auchMiklosich sah sie seinerzeit nicht). Nun ist nach den Worten
Tunickijs die zweite Ausgabe der neugriech. Bearbeitung keineswegs ein bloßer
Wiederabdruck der'lxoXovO^ue vom J. 1784, die Abweichungen sind vielmehr für
die Beurteilung der Arbeit des Athanasios von Faros von großer Bedeutung.
Ovo. XQ. ist im ganzen ausführlicher als i/xoA. (vgl. S. 25). Die wichtigsten
Abweichungen kommen bei Tunickij (S. 26—28) zur Sprache. Nach seiner
Darstellung sucht derselbe Verfasser Athanasios von Faros in der Ovo. xn.
höheren Anforderungen gerecht zu werden, als in ä&x 'AxoX. Ein näheres Ein-
gehen auf die Zutaten der Legende in Ovo. xo. führte ihn zu der Annahme,
daß Athanasios in der zweiten Ausgabe nebst der einen Hauptquelle, nämlich
der großen griech. Legende, Vita Clementis, durch den Vorstand des Chilan-
darer Klosters, Daniel aus Eski-Zagora, eine Xilavxuqivri 6u',y7]aig zur Ver-
wertung bekam, aus welcher er seine Zusätze, resp. Berichtigungen zur ersten
Ausgabe machte. Das war eine griechisch abgefaßte Erzählung über Kyrill
undMethod, die nach der Auffassung des Verfassers dieser Forschung auf
einer alten griechischen Vorlage, miQxOngmdl- Ji^yrtOis beruhen soll. Da diese
in verschiedenen Funkten, worin die Darstellung der Lebensgeschichte Kyrills
und Methods von der Überlieferung der pannonischen Legenden abweicht-
merkwürdig mit den kurzen slavischen Erzählungen, die in den Prologen vor-
kommen, übereinstimmt, so folgert der Verfasser aus dieser Übereinstimmung,
daß die slavischen Texte in den Frologen aus einer solchen Original--/«/;;'»;«?'?
geflossen sind. Die Texte der slavischen Frologe seien einfach Auszüge aus
jener alten griechischen Jirjyriais und da iinsere Frologe zum mindesten bis
ins XV. Jahrh. zurückreichen, so müsse ihre angebliche griechische Vorlage,
auf der ja schließlich auch Ovqccvov xoiats basiert, in eine noch frühere Zeit
versetzt werden. Gegen diese ganze Beweisführung verhalte ich mich etwas
skeptisch. Der Chilandarer Klostervorstand Daniel ist als bulgarischer Schrift-
steller oder wenigstens Abschreiber slavischer Handschriften wohl bekannt,
er lebte in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrh. Auch das Kloster Chilandar
galt wenigstens in früheren Jahrhunderten als eine xax t^o/vt' slavische, ser-
bisch-bulgarische, Niederlassung. Unter solchen Umständen ist vielleicht die
Vermutung gestattet, daß jene chilandarische Erzählung auf slavischen Quellen
fußt, deren Reflexe in verschiedenen Kürzungen der Frologe vorliegen. Ein
Hauptargument dafür, daß die slav. Darstellung der Frologe auf griech. Vor-
lage beruht, erblickt Herr Tunickij in der Nennung eines Ortsnamens K a t a o n,
j^j^naon,Kaon, Kain,wo angeblich Kyrill seinen Bischofssitz hatte. Da
dieser Name auch als Ort, wo Kyrill begraben wurde, in denselben Texten wieder-
37*
580 Kritischer Anzeiger.
kehrt, so versuchte der Verfasser in der Wendung bt. Kaoni oder bt. Kaiaoui
die mißverständliche Wiedergabe des griechischen eh oder xcaa tov Naöu zu
finden. Allein abgesehen davon, daß man sich schwer dazu entschließt, das
allgemein verständliche eis oder x«r« (diese Präposition ist übrigens hier gar
nicht zu konstatieren) tou Nnö^ für den Übersetzer als einen Stein des An-
stoßes gelten zu lassen, erscheint ja das Wort Kanaon, Kaon, Kain nicht zu-
erst an der Stelle der Erzählung, wo von der Begräbnisstätte Kyrills die Rede
ist, sondern als Ortsbenennung seines Bischofssitzes und da kann in der grie-
chischen Vorlage unmöglich der Ausdruck e/? Tor Naoy oder x«t« zoy Naöv
gestanden haben. Es heißt in den betreffenden Texten h cctbcph h enHCKona B-h
KjHdC'H-k rpdA'li und ß'k A.\opdEc.v e-k rpuA-K Ka^H-K (oder KdHH-h). Auch in dem Offizium
in der neunten Ode liest man b-k Kdcn-fc oder gar n-h w-KHan-fc. Nirgends ist von der
Begräbnisstätte die Rede, an letzter Stelle folgt sogar ausdrücklich als Sterbe-
ort Rom: B-K PH/wt, also auch hier ist es unmöglich von i'ciög auszugehen. Für
mich unterliegt es keinem Zweifel, daß dieses rätselhaft klingende Wort eigent-
lich Pannonien ausdrücken sollte. Wie dunkel schon in der Vita Clementis
die Erinnerung an Pannonien war, zeigen Wendungen wie ds rrju UavövfMv
InunyUtv (Kap. 2), tniGY.oTiov MoQccßov xr;s Iluvoi'Ucg (Kap. 3). Bezeichnend
und stark für meine Deutung sprechend ist der Umstand, daß da, wo sich der
angeblicheOrtsnameKanaon, Kaon, Kain breit macht, von Pannonien sonst
nicht die Rede ist. Auch der Text der OvQca'ov y.Qiais spricht von Method
als iniaxonos MiaqKßag rrjg JJavoviag (S. 95) und der Übersetzer ins Neugrie-
chische, Athanasios, mußte diese konfuse Darstellung erst erklären. Ich kann
nach alledem der Beweisführung des Verfassers , daß der Chilandarer Erzäh-
lung ein sehr altes griechisches Denkmal zugrunde liegt, kein rechtes Zu-
trauen schenken. Am allerwenigsten könnte dieses alte griechische Original
eine Parallele mit den pannonischen Legenden vertragen , mögen auch einige
Anklänge an die pannonischen Legenden in der Erzählung Oh^. -/.q. nach-
weisbar sein. Übrigens muß ich gestehen, daß ich in dieser schwierigen
Frage zum Teil im Finsteren herumtappe, da ich den Text der ^xoXov&Ui mit
jenem der Oiq. xq. nicht in der Lage bin zu vergleichen.
Ausführlich und sehr umsichtig behandelt der Verfasser die Frage von
der Autorschaft der Vita Clementis. Mit vollem Recht hält er den Verfasser
für einen Griechen und neigt ganz der Ansicht Voronovs und anderer zu, nach
welcher Theophylaktos diese Legende geschrieben. Er sucht diese Über-
zeugung mit beachtenswerten neuen Gründen zu stützen. Das stark störende
rj/uli' im Kap. 22 nach rolg Bovlyäooig sucht er durch das Fehlen dieses Wört-
chens in dem Text der Ovq. xq. auch aus dem Text der Vita Clementis auszu-
merzen. Lieber wäre uns schon, wenn wir einen neuen Text dieser Legende
haben könnten, in welchem das Wort r^ulr wirklich fehlt.
Die Analyse des Inhaltes der ganzen Legende zerfällt bei Tunickij in
drei Abschnitte. Der erste (Kap. 1 — 6) bezieht sich auf das Leben der beiden
Apostel, dafür bekam Athanasios von Paros jene Chilandarische Erzählung,
von welcher oben die Rede war. Die starken Abweichungen von der Dar-
stellung der pannonischen Legenden trachtet Herr Tunickij uns begreiflich
zu machen. Manche recht beachtenswerte Kombination wird dabei gemacht,
Tuüickij, Der hl. Klemens, slov. Bischof, angez. v. Jagic. 581
wie z. B. die hübsche Zusammenstellung des poetischen Bildes in der Vita
Clementis, Kap. 22, wo das Leben Methods für Klemens als ein Gemälde [ni-
va^] eines kunstfertigen Malers hingestellt wird (ja geradezu das Verbum
iC(^y()Mpsi gebraucht wird), mit der bekannten Sage von der Bekehrung des
Fürsten Boris zum Christentum durch einen Maler Method. Darnach kann
man den einzelnen Etappen der Sage in ihrer Evolution nachgehen. Der
zweite Abschnitt der Legende bespricht die Schicksale der Jünger Methods
und seiner Kirche nach seinem Tode bis zur Verbannung der Schüler und An-
hänger der Methodianischen Richtung aus Mähren und Pannonien. Für diesen
Abschnitt ist die Legende darum äußerst wertvoll, weil, wenn nns ihr Inhalt
abginge, eine Lücke in der ganzen Epoche entstehen würde, während jetzt
ihre Darstellung wenigstens bruchstückweise durch Angaben anderer Quellen
erhärtet werden kann. Der dritte Abschnitt handelt ganz besonders von Kle-
mens und seiner Wirksamkeit unten im Süden. Für diese Zeit fehlen uns so
gut wie alle anderwärtigen Nachrichten. Dabei versucht der Verfasser auf
Grund der Stilisierung der slavischen Vita Naums (erst vor kurzem entdeckt)
die Annahme einer parallel damit gehenden slavischen Vita Clementis wahr-
scheinlich zu machen, und für beide nimmt er einen und denselben Verfasser
an. Diese von ihm vermutungsweise vorausgesetzte slavische Vita Clementis
soll die Quelle für jene Erzählung gebildet haben, die jetzt den dritten Ab-
schnitt der griechischen Legende vom h. Klemens ausfüllt. Alles das klingt
mir nicht unwahrscheinlich. Dieser Beweisführung würde ich um so weniger
meine Zustimmung versagen, als sie ja mich in der Voraussetzung bekräftigt,
daß möglicherweise auch jener Erzählung, die uns heute nur in der neugrie-
chischen Form in Oiüayoi xoiais vorliegt, endlich und letztlich eine slavische
und nicht griechische Quelle zugrunde lag. Bei der Besprechung einzelner
Stellen dieses dritten Abschnittes möchte der Verfasser im Schlnßkapitel der
ganzen Legende, wo von einer noyr,ou ttlqeaig die Rede ist, statt der Sekte
der Bogomilen, was allerdings nicht bewiesen werden kann, eine Anspielung
an den Katholizismus erblicken. Ich halte diese Deutung zwar nicht für un-
möglich, doch fehlt bei der Erwähnung der « <'^£ ff <f jeder bezeichnende Zusatz
auf welchen sich die Deutung des Verfassers berufen könnte.
Im ganzen verwirft Herr Tunickij mit Recht den von Golubinskij ver-
tretenen Gesichtspunkt, wonach die griechische Vita Clementis gar keinen
geschichtlichen Wert hätte, dennoch gibt er die Tendenz einer stark und
leidenschaftlich gegen die Lateiner gerichteten Polemik zu, die auch sonst
manche Übertreibung nach sich zog.
Nun folgt eine kurze Besprechung und kritische Würdigung jener kurzen
Legende über Klemens, die durch Grigorovic in Rußland , durch Safaf ik-Cur-
tius im Westen Verbreitung fand. Herr Tunickij gibt eine möglichst voll-
ständige Bibliographie des Textes dieser Legende. Die wichtigste Stelle der-
selben, die bei ihrer ersten Bekanntmachung einiges Aufsehen machte, betrifft
die angebliche Vereinfachung der von Kyrill erfundenen slavischen Schrift
also die Erfindung einer deutlicheren Schrift. Man hat sich mit der Erklärung
dieser Stelle vielfach abgemüht. Herr Tunickij möchte die von Leskien der
Notiz gegebene Deutung nicht gelten lassen, er zieht es vor , hierin einen
582 Kritischer Anzeiger.
Widerhall alter Überlieferangen zu erblicken. Das muß ich entschieden be-
zweifeln. Die kurze Legende enthält so viel sinnloses, auf keiner alten Über-
lieferung fußendes, daß ich auch dieser Notiz keine alte Unterlage zuschrei-
ben könnte, also keine Reminiszenz aus alten tatsächlichen Verhältnissen.
Übrigens wenn man die Notiz buchstäblich auffaßt, muß dann nicht von einer
ganzen zweiten Schrift die Rede sein, sondern höchstens von einigen Ergän-
zungen oder Modifikationen, etwas im Sinne des vom Mönch Chrabr Behaup-
teten noHJJKe CA ^.^CTpat^ll«T•li h tqjf; ich ziehe nämlich die Lesart tti^coy y^a/x-
/^««Twi'jener anderen vor, wodurch man den Sinn gewinnt, er(Klemens)habe die
Zeichen , die deutlicher sein sollen, für verschiedene Buchstaben ausgedacht.
Außerdem halte ich noch immer daran fest, daß wenn diese Notiz über Tat-
sächliches berichtete, wir jedenfalls eine Anspielung darauf auch in der aus-
führlichen Legende finden müßten. Das ist bekanntlich nicht der Fall. Der
Kompilator der kurzen Legende liebte mit byzantinischer Phraseologie zu
prunken, aber an den Kenntnissen der geschichtlichen Tatsachen gebrach es
ihm gänzlich.
Der Vollständigkeit zulieb erwähnt der Verfasser noch die Offizien zu
Ehren Klemens' in griechischer Sprache und slavischer Übersetzung. Zu-
letzt werden die sonstigen Erwähnungen Klemens' in slavischer und griechi-
scher Sprache und die im Volke lebenden Erinnerungen kurz zusammen-
gestellt.
Damit ist der kritisch-analytische Teil des Werkes, der sich mit der
Würdigung der Quellen befaßte, zu Ende. Nun folgt als ein zweiter Haupt-
teil des Werkes die Erzählung des eigentlichen Lebenslaufes und der kirch-
lichen und literarischen Wirksamkeit Klemens'. Hier sind wieder zwei
Lebensabschnitte auseinander zu halten, der eine versetzt den Schauplatz nach
Mähren und Pannonien, der andere nach Bulgarien und Mazedonien. Einen
dritten Abschnitt widmete der Verfasser der Beteiligung Klemens' an der
religiös-kirchlichen und literarischen Arbeit. Ich kann mich hier kürzer fas-
sen, da die Darstellung des Verfassers, klar und lichtvoll gehalten, weniger
Anlaß zu irgend welchen besonderen Bemerkungen gibt.
Die Jugendzeit Klemens, die er als treuer Begleiter und Schüler der
beiden Slavenapostel in Mähren und Pannonien zugebracht, ist uns sehr wenig
bekannt. Den Mangel an geschichtlich überlieferten Tatsachen sucht man
durch allerlei mehr oder weniger scharfsinnige Kombinationen und Einfälle
zu ersetzen. Der Verfasser stimmt, glaub ich, mit Recht jenen bei, die Kle-
mens' Heimat in Mazedonien ansetzen ; aus einer Wendung in der Klemens
zugeschriebenen Lobrede auf Kyrill möchte Herr Tnnickij sogar den Schluß
ziehen, daß selbst die Bekehrung Klemens' zum Christentum durch Kyi-ill er-
folgte. Ganz sicher ist diese Vermutung ebensowenig, wie jene andere, nach
welcher schon in Konstantinopel Klemens einer der Mithelfer (cn^cn-fcuiHHK'K)
bei den Vorarbeiten Kyrills gewesen. Auch die Kombination über den Zeit-
punkt seiner Priesterweihe (in Rom!) können wir füglich auf sich beruhen
fassen. Es kann ja sein, nur beweisen läßt es sich nicht, daß unter denen, die
in Rom die Priesterweihe erhalten (tph ncinH), auch Klemens gewesen. Die
Vermutung, daß Klemens schon in Mähren Weihbischof geworden, gibt Tu-
Tunickij, Der hl. Klemens, bIov . Bischof, angez. v. Jagic. 583
nickij mit Recht jetzt selber auf (S. 119). In der Frage über den Ritus, der
unter Method in Mähren und Pannonien herrschte, nimmt der Verfasser aus
leicht begreiflichen Gründen den von mir vorgeschlagenen vermittelnden
Standpunkt nicht an, sondern folgt Sobolevskij, der ohne rechten Grund die
Kijewer Blätter in eine spätere Zeit versetzt. Ob Method gegen das Ende
seines Lebens, namentlich infolge seiner Reise nach Konstantinopel, einen
iutransigenteren Standpunkt gegenüber dem von Rom auf ihn ausgeübten
Druck einnahm, wie es der Verfasser meint (S. 125), das erscheint für mich
fraglich. Die allgemeinen Betrachtungen des Verfassers über die Zustände
zu Ende der Lebenszeits Methods und nach seinem Tode, so lesenswert sie
auch sind, wollen wir übergehen, da sie zur Lebensgeschichte Klemens' wenig
beitragen ; die aus der Legende bekannten, mit sehr grellen Farben geschil-
derten Zustände finden starke Stütze und Bestätigung in der neu entdeckten
Vita Naums. Dabei muß ich ein kleines Versehen berichtigen (S. 140): wenn
zur Strafe des Verkaufs in die Sklaverei als Parallele neben dem russischen
noTOK3 noch das angeblich in den »Vinodoler Gesetzen« vorkommende »ma-
tene« zitiert wird, so ist das falsch gelesen statt mascene, das dem russi-
schen MmcHie genau entspricht.
Viel inhaltsreicher ist die bulgarisch-mazedonische Lebensperiode Kle-
mens'. Hier begegnen aber dem kritischen Biographen allerlei schwer lösbare
Fragen. Ich sehe ab von der auch von Tunickij abgelehnten einstigen Ansicht
Safariks, daß auch Gorazd in Bulgarien gewesen (S. 147), das ist wenigstens
unerwiesen, konstatiere den Versuch des Verfassers , die Zeitdauer des Auf-
enthaltes Klemens' bei Boris möglichst genau zu bestimmen, womit die (in
meiner Entstehungsgeschichte 2 S. 113 — 1 14) Kombination Prof Zlatarskis zu
vergleichen ist S. 151 — 156). Hier, wo es sich um die Entfernung Klemens'
vom Hofe Boris' und seinen Aufenthalt in Mazedonien handelt, konnte ganz
passend die Frage über die ethnographischen Verhältnisse Bulgariens und
Mazedoniens eingeschaltet werden. Der Verfasser neigt zu der von Novakovic
gegebenen Schilderung des ethnographischen Unterschieds zwischen Bulgarien
und Mazedonien, vielleicht mit einigen mildernden Strichen. Die Schilderung
der inneren Zustände dieser Länder in jener Zeit geschieht auf Grund einer
sehr genauen Berücksichtigung der betreffenden Literatur, wobei dem Ver-
fasser selbst die in bulgarischen Zeitschriften abgedruckten Aufsätze nicht
entgangen sind. Mir ist es nur fraglich, ob für die Sendung Klemens' nach
Mazedonien wirklich die politischen Motive seitens Boris' ausschlaggebend
waren, wovon auf S. 164 die Rede ist. Sollte sich nicht Klemens selbst in
sein Heimatsland gesehnt haben? Daß der Verfasser auch die vielumstrittene
Mazedonische Frage dabei zur Sprache bringt, darf uns nicht Wunder nehmen,
unter voller Berücksichtigung der verschiedenen über diese Frage laut ge-
wordenen Ansichten (die auf S. 174 in der Anmerkung zitierte Abhandlung
rührt nicht von Jirecek her) trachtet er eine vermittelnde Stellung einzu-
nehmen.
Auf die Frage, welches Ziel Klemens verfolgte, lautet die Antwort des
Verfassers, daß er eine slavisch-nationale Kirche, begründet auf dem leben-
digen Nationalprinzip, vor Augen hatte. Mir scheint dieses Bestreben erst als
584 Kritischer Anzeiger.
Folgeerscheinung seiner späteren bischöflichen Würde zur Geltung gekom-
men zu sein und ich betone vor allem seine Unermüdlichkeit als Lehrer, die
auch die Vita Clementis an die Spitze stellt. Zunächst war er sozusagen als
kirchlicher Wanderlehrer über Kutmicivica bestellt, ob der dabei mitgenannte
Dovetas oder Dometas wirklich nur eine Koseform für Dometianos ausdrückt,
darüber maße ich mir kein Urteil an. Die Gegend Kutmicivica nebst den
Orten Devol und Glavenica wird näher geprüft und für die Grenzbestimmung
derselben alle neueren Ansichten einer Kritik unterzogen, der Verfasser sucht
zwischen beiden am meisten auseinandergehenden Ansichten, jener Balascevs
und Novakovics zu vermitteln, und findet die alte Ansicht Safariks der Wahr-
heit am nächsten stehend. Seine Grenzbestimmung besagt (S. 182), Kutmici-
vica habe den ganzen südwestlichen Teil Mazedoniens und Albaniens umfaßt,
von Saloniki bis zur Adriatischen Meeresküste gegen Westen, die südliche
Grenze erstreckte sich von Saloniki bis Jericho über Kastoria und Vodena,
nur die nördliche Grenze über dem Ochrider See könne nicht sicher angegeben
werden. Die etymologische Erklärung des Wortes ist sehr schwierig, mit dem
serbischen Fremdwort hutao, kutlic hat es wohl nichts zu tun. Auch die Be-
deutung und Bestimmung des xoKhzöaioi' ist schwierig, mit KXT-h hat es keinen
Zusammenhang, näher liegt jedenfalls der griechische Ausdruck xwtwxost,
x«rwT(xoir in der Bedeutung: Untere Gegend, Unterland (S. 184). Hübsch ist
von Tunickij die Funktion Klemens' als Lehrer dargestellt, unter Anlehnung
an die Nachrichten, die auch für Mazedonien jener Zeit gut stimmen. Eine
noch größere Aufgabe stand Klemens' bevor, seitdem er von Symeon zum
Bischof ernannt wurde, doch auch jetzt verblieb dieser eifrige Förderer der
christlich-slavischen Kultur im Bereich seiner Heimatgebiete. Mag er auch
mit Symeon persönlich bekannt gewesen sein, zu einem Hofbischof des Für-
sten wurde er nicht ernannt. Die Worte der Legende tniaxono; J^e^ßliCui
r]Toi Belixi^us und BovlyccQM yXiöffa)] TiQwxog Iniaxonos gaben auch dem Ver-
fasser dieser Studie Anlaß, sein Schärflein zur Erklärung beizutragen, nach-
dem er die verschiedenen bisherigen. Erklärungsversuche kurz berührt. Vor
allem wünscht er, daß wir uns wegen des lokalen Heiligenkultus in Ochrid
nicht verleiten lassen, den Sitz und die Lage seines Bistums in die Nähe von
Ochrid zu rücken, wozu in der großen Legende kein Anhaltspunkt gegeben
sei. Dann weist er auf den großen Unterschied in der kulturellen Entwick-
lung der Bevölkerung hin, die früher den Gegenstand seiner Fürsorge als
Lehrer bildete und der stark zurückgebliebenen Bevölkerung seiner neuen
Diözese. Diese Hervorhebung des Wortlautes der Legende ist allerdings be-
gründet, es fragt sich nur, ob ihr die große Bedeutung zukommt, die Herr
Tunickij daraus folgert. Das könnte ja auch ein rhetorischer Aufputz sein, um
seinen Erfolg in der bischöflichen Verwaltung in einem um so glänzenderen
Licht darzustellen. Für die nächste Nähe seiner Diözese zu Ochrid spricht
zwar nicht vieles, aber für die weite Entfernung von Ochrid noch wenigeres.
Der Verfasser fand in dem Verzeichnis der Bistümer Leos des Weisen eine
Erwähnung von zwei Bistümern mit der Benennung BeUxeik;, eine in der
thrakischen Philippopoler Metropolie, die andere in der mazedonischen Diö-
zese ^lUnnotv. Diese letztere Diözese konnte infolge ihrer Lage nicht im
Tunickij, Der hl. Klemens, slov. Bischof, angez. v. Jagic. 585
X. Jahrh. zu Bulgarien gehören. Dagegen möchte der Verfasser jene andere
Diözese, zu der Metropolie Philippopol gehörig, als immerhin noch zu Bul-
garien zählend, wenn auch in dem Grenzgebiete, gelten lassen. Zum Überfluß
fand er auch in der Philippopoler Metropolie einen Bischofsitz Jqa^hCci, der
ihn an jQBjußiTC« erinnert. Und so neigt er zu der Ansicht, daß das Bistum
Klemens', irgendwo im nördlichen Rhodope gelegen, das Grenzgebiet der bei-
den Reiche (byzantinischen, bulgarischen) bildete. So beachtenswert auch alles
das vom Verfasser Vorgebrachte ist, mir scheint doch die Annahme, daß es
sich um ein Bistum des nördlichen Rhodope, also beträchtlich entfernt von
Ochrid, handelt, nicht recht glaubwürdig. Es ergibt sich auch aus der großen
Legende immerhin Glavenica als der Hauptsitz des Bistums, denn wir lesen
im Kap. 24 von einem wahrscheinlich öfters wiederholten Gang aus Glavenica
nach Ochrid (unter anderen soll der Zweck eines solchen Ganges gewesen
sein: tov^ t^s- /w(i«f tniaxerpo/Ltsi'Of, bei diesem Verbum erinnert man sich un-
willkürlich des Substantivs Iniay.onogl) und Glavenica, mag man sie suchen
wo immer in Mazedonien oder Albanien, lag unvergleichlich näher der Stadt
Ochrid als das Rhodope. Die Nähe seines Bistums zu Ochrid würde auch am
besten seine ständige Neigung zu diesem Kulturzentrum erklären, die doch
selbst in der ausführlichen Legende deutlicher zutage tritt, als es der Ver-
fasser zugeben möchte. Endlich ist es, wenn man selbst von der Benennung
nach Velika absieht, möglich gerade in dieser Gegend, wo Glavenica lag, auch
Belica nachzuweisen (in der Nähe von Struga). Was aber die Deutung des
Zusatzes tiqüjtos BovXyi'cQO) y}.waa>i anbelangt, so will ich jetzt gern der Auf-
fassung Tunickijs den Vorzug geben und die Stelle in Kap. 20 so erklären,
wie im Kap. 22, wo zweimal offenbar die kirchenslavische Sprache gemeint ist.
Als ein neuer und letzter Abschnitt des Werkes ist von den Umständen
der Entwicklung der slavischen Kultur in Bulgarien zu Ende des IX. und zu
Anfang des X. Jahrh. und der Beteiligung Klemens' daran die Rede. Auch in
diesem Kapitel findet der Leser so manchen hübsch ausgeführten Gedanken,
darunter auch solchen, gegen den ich Stellung nehmen müßte, wie z. B. gegen
den Rückfall in die Auffassung der Quellen späterer Zeit sekundärer Art,
nach welchen Kyrill und Method schon vor ihrer mährischen Mission im Süden
bei den Slaven Bulgariens, Thraziens oder Mazedoniens gewirkt hätten. Neben
dem allgemeinen Bilde der literar. Tätigkeit zu dieser Zeit in Bulgarien und
Mazedonien würden wir eine detaillierte Analyse der Werke Klemens' in for-
maler Beziehung und ihrem Inhalte nach erwarten, das wird vielleicht bei
einer Ausgabe der Opera Osnnia folgen. Von der Bedeutung dieses schönen
Beitrags zur Kunde der frühesten Periode der altkirchenslavischen Literatur
wird der Leser auch nach diesem Referate sich ein billiges Urteil bilden
können. V. J.
Hpoc-iaB rop;i;HHCLKHH; YpHBOK ITcaJETHpH XIII — XIVb. 3anHCKH
HayK, TOB. Im. IIIeBieHKa y JlbobI 1911 kh. 6.
Durch einen Zufall ist wiederum ein Psalterbruchstück entdeckt worden.
In dem Einbände eines Meßbuches, welches dem gr. unierten Pfarrer, Theodor
586 Kritischer Anzeiger.
Lysiak, aus Dow^niw bei Beiz in Galizien angehörte, lagen lange Jahre drei
Pergaminblätter verborgen, deren Inhalt Psalmen bilden. Prof. J. Hordyn-
skyj , in dessen Hände die Blätter kamen , publizierte sie und gab ihnen den
Namen ihres ehemaligen Besitzers »Lysiaks Psalterbruchstück'. Bei dieser
Publikation widmete er einige Worte der paläographisch-grammatikalischen
sowie auch der lexikalischen Seite des in derselben enthaltenen Psalmentextes.
Die Blätter sind cyrillisch geschrieben und ihre paläographischen sowie gram-
matikalischen Merkmale beweisen, daß das Bruchstück sehr alt ist. Der Ver-
fasser versetzt es mit Recht in die letzten Jahre des XIII. oder höchstens in
den Anfang des XIV. Jahrh. Ihre Heimat dürfte nach den grammatika-
lischen Merkmalen Wolynien sein. Der erste Teil der Arbeit bedarf in einem
Punkte der Berichtigung. Unter den Beweisen, die das Alter des Bruch-
stückes bestimmen sollen, befindet sich das Wort 4Ph. Nach der Meinung des
Verfassers kann dieses Wort in der noch nicht zusammengezogenen Form als
Beweis dienen, daß das Bruchstück in das Ende des XIII. Jahrh. zu versetzen
sei, denn nach dem XIII. Jahrh. sei nur die kürzere Form uaph üblich ge-
wesen. Dieser Meinung muß jedoch folgendes entgegengehalten werden: es
ist in erster Linie schwer zu sagen, wann dieses Wort zusammengezogen
wurde. Daß die kürzere Form auch sehr alt sein kann, würde z. B. die Stelle
aus dem Propheten Daniel beweisen, welche von Jevsejev als methodianische
Übersetzung bezeichnet wird: a.sii HaB\-«AH*C'jp'i' uapt wkhao\-a R-k\"h ris. a«-
npopoKa /üaniHja XVI}, wobei man freilich nicht übersehen darf, daß diese
Form nur in einer späteren Abschrift des Textes steht.
Viel mehr Berichtigungen braucht der letzte Teil der Arbeit. In metho-
dologischer Hinsicht kann man diesen Teil der Arbeit nicht als gelungen an-
sehen und der methodologische Fehler hat den Verfasser auch zu falschen
Schlußfolgerungen verleitet. Die Vergleichung einiger Stellen des Lysiak-
schen Psalterbruchstückes mit dem Psalterium sinaiticnm wies auf manche
Unterschiede zwischen diesen beiden Texten hin. Anstatt nun diese Unter-
schiede genau zu prüfen und die Varianten dementsprechend zu erklären,
unterließ das der Verfasser und beeilte sich mehr den formellen als den lexi-
kalischen Varianten Gewicht beilegend folgende Schlußfolgerungen zu ziehen :
»Man muß zugestehen, daß die Unterschiede nicht sehr groß sind. Unser Ab-
schreiber bediente sich beim Abschreiben eines altkirchenslavischen Textes,
veränderte zwar diesen nach dem damaligen Brauch, in erster Linie aber
richtete er sich nach seinem Vorbilde« (op. cit. 24),
Freilich konnte der Verfasser nichts anderes sagen, da er den Zweck
seiner Erörterungen nicht genau erfaßte, und da er solchen Varianten wie :
B'K B-fcKTü B-kKA L. Ps. gCgenübcr bt» a-kK'h. B-kKcif Ps. sin. , npaBAA lero np-fcKiii-
Bdl€TK — npABAA eA\OV|' np'kB'hlBAI€T'h, «TTv BTxCTOKA CAHUK» — «Tö BTiCTÖKTv (Crtli)-
Hki^A, B-K Hc\-<JA'fe n3AB-k — Bii ic^ATi iHrttBTv ZU vlcl Gcwlcht beilcgtc , wlc dlcs
der Fall ist. Die aufgezählten Unterschiede sind zwar erwähnenswert, doch
nicht von so großer Bedeutung wie die Unterschiede in lexikalischer Hinsicht.
Die letzteren können uns bei der Bestimmung der Übereetzungsfamilie eines
Hordynskyj, Ein südruss. Psalterfragment, angez. v. Pankewycz. 587
altkirchenslavischen Textes sehr große Dienste leisten. Die Übersetzungs-
familie des gefundenen Bruchstückes zu bestimmen sollte also den Zweck des
letzten Teiles der Arbeit von J. Hordynskyj bilden, und da er es unterließ,
so will ich diese Lücke hier nachtragen.
Die Forschungen auf dem Gebiete der Übersetzungskunst der altkirchen-
slavischen Bücher sind soweit fortgeschritten, daß wir mit leichter Mühe be-
stimmen können, zu welcher Redaktion der betreffende Text gehört. Was
Psalterübersetzung anbelangt, so hat Pogorjelov durch seine Arbeit >IIca.a-
THpu« (BiöjiioTeKa mockobckoä cHHo;iajn.HO]i Tunorpa<i>iii, I. 3. MocKBa 1901) und
durch seine der »Cudovskaja Psaltyr« gewidmeten Forschungen sich große
Verdienste um diese Frage gesammelt. Seine Arbeiten stehen im Einklang
mit den Resultaten anderer Forscher wie Jagiö, Jevsejev, Michajlov, Nachti-
gall , Valjavec u. a., welche nicht nur das Schicksal unserer altkirchenslavi-
schen Bücher durch weitere Jahrhunderte verfolgten, sondern durch ihre
Arbeiten die Übersetzungstätigkeit beider Slavenapostel und deren Nach-
folger genauer zu bestimmen versuchten. — Wenn man Lysiaks Psalterbruch-
stück einerseits mit dem ältesten Typus der slav. Psalter, wie Psalt. sin.,
bon., pogod., Psalter von Sluck, Psl. mih.i aus dem XIII. Jahrh. sof. buc., an-
dererseits wiederum mit dem Simonovischeu Psalter vergleicht, so ergibt sich,
daß es in lexikalischen Hinsicht dem ältesten Typus am nächsten steht. Der
älteste lexikalische Bestand der altkirchenslav. Sprache ist in Lysiaks Bruch-
stück fast unverändert geblieben. Es kommen zwar in einigen Fällen spätere
Varianten vor, doch darüber werde ich später sprechen. Die unten angeführten
Beispiele mögen zur Unterstützung meiner Ansicht dienen, da sie auch Pogo-
rjelov als charakteristische Merkmale der urspünglichen Redaktion in den er-
wähnten Arbeiten anführt. Außerdem finden wir dieselben Wörter bei Jagic :
Zur Entstehungsgeschichte der altkirchenslav. Sprache, 2. Aufl. 1913, §§54 — 56,
wo auch diejenigen Wörter, welche den ursprünglichen Zustand der altkirchen-
slav. Sprache charakterisieren, aufgezählt sind. Es sind dies folgende; bohh^v 118.
33, 109, 1 17 (dia navxSs) Pog. XLIX, Jagiö § 56 ; k-kcxciijeti. 111.1 [d-ilw] Pog. LIII;
rrtovAVA/ÄjCK CA 118.48 [aSoXeax^^) Pog.XLVI; ropA-K 118. 51, 121 {vnsQT^qxcroi]
Pog. LIX, Jag. § 56 ; .SdKOHonp-fccTovnHHK-h 118.113 {naQayo^aog-) Pog. LIX, Jag. § 50 ;
.sacTovnHHK-K 118.114 (KJ/rdr/7rTwp)Pog.XXXII, Jag. §56; .SdMdAO HO. 10(«^;^?i) Pog.
XVII, Jag. § 54; H-fcniiitßdX'M 18.39 [vnomEvw] Pog.LIV, Jag.§56 ; «npaBAdHhiellS.
33,48 [iiixniM^a] Pog. XLIX; otpok-k 112. 1 [nalg] Pog. XLVIII , Jag. §56; nt-
HdAL 118.53 [ccd-v/ula] Pog.LIV; ociakhjkhtk ca 111.6,8 [acdevo/nai] Pog. LXIII;
noHOCAijJHAA'h II 8. 42 {6t'eiö'iC<jo} Pog.LVIII, Jag. §56; noHomiHKie 118.39 {ousido^)
Pog. LVIII, Jag. § 56; npHrsosAH 118. 119 {xa&rjXöw) Pog. LVIII, Jag. § 56;
pdAH 118. 118 (cFta, t^Bxey] Pog.LI, Jag. § 56; ctksa 118. 35 {TQißo^) Pog. LXIII;
covAi'Ko 118. 43, 52, 108 {xQif.ia) Pog. LV; c^ma 111. 2 (ffniQ/na) Pog. XXXII,
Jag. § 56; c-hB-kAiHkie 118. 31, 36, 111, 119 [ixaQxvQioy] Pog. LVI, Jag. § 56;
oyfKAOHHTt CA 118. 115 (ixxAtVw) Pog. L; ovhhmk:kha'1i 118. 118 [l^oväevöoi , Uov-
d-eyicj) Pog. LI, Jag. § 56; «.s-hiK-hi 112. 4 {ed-yo^) Pog. L, Jag. § 56. Weitere
Parallelen sind in zitierten Werken von Jagic zu finden. Im § 54 : E'KSBpdTHTH
113. 3 [axqicpoi), aiatbtv 111. 4 {olxTiQ/ucjy), ©KAdCTh 113. 2 [k^ovaia.], npABA*» Hl.
9,118.40, 120 [ö'ixKioavyf], <J?vt//s); im §56: K-fcAKMH 118.51 (fwf acpoÖQu),
588 Kritischer Anzeiger.
R-kcx-oT-tjCh 118. 35, B'hJKA'A'kx''^ 118.40 [ini&vjui(o), fah^'w 118.46 ßiyw), a^ht».-
AtJKe 111, 8 (Iwf), HCTHHiiHa 118. 43 [aXrjd-Tjs, aXr]&iy6^), rtH)f«HA»KCTKO 118. 30
{nXeoyeSici) , MHAoyia 111, 5 {olxTeiQü)) , HdeA'fcA«K'J\"K 118. 111 {x'Arjpoyo^io}) , ui-
nAOABf 112. 9 [aTtlna], nocpdAVH 118. 31 (xarß<(r;^i;i'w) , p^AT^ 111. 2 [cpvais'), ck-
)fpdHK> 118. 44 {(pv).('(Tico) , ov-STipHTk 111. 10 [tdelt', oxpea&cu), c\'B'kA\k 118. 125
[yrcüoca], o\|-nC'EdTH 111. 7, 118.43, 114 {tXniCo) , *vtb£pah 111, 8 [aiTjQiCM), \'b<j-
AHTf 112. 1 {evxuQiGTEvw]. Dbi Vergleich dagegen mit dem Simonovischeu
Psalter bringt nur Beweise dafür, daß Lysiaks Bruchstück in keiner Weise
mit jener Redaktion, welcher auch Sim. Ps. angehört, in Übereinstimmung
steht. Verschiedene Übersetzungsweise, die Vertretung der ursprünglichen
Wörter durch andere spätere, sprechen entschieden dagegen. Obwohl Lysiaks
Bruchstück sehr klein ist, sind doch die Varianten in solchem Maße vorhan-
den, daß sie zur Unterstützung unserer Meinung wohl ausreichen werden.
Das ursprüngliche ckAtA 111. 2 [ant^/ua) in L. Br. wird im Sim. Ps. durch hava
ersetzt, B-kAhA\H 118. 51 {acp6(^Qa) durch .3"fcAo, rA»\'A\A/Äj(TiCA 118. 48 {cc&oXBa}(i(o]
durch n£Hd\"hC/Ä, SdCTOVnHHKIi 118. 114 {äyTÜj/TlliOQ) durch SAipHTHHKTi, npaBA^HTi
111, 4 [dixccio^) durch npasAHB-h. Nur ein einziges Wort npocTpancTBO 118. 45
[nXaTva/uos'] scheint aus der späteren kommentierten Redaktion entlehnt wor-
den zu sein. In diesem Punkte stimmt es mit Sim.P. überein, wofür wir in der
ursprünglichen Redaktion lUHpora haben. Damit wäre die Schwierigkeit schon
behoben, wenn wir noch zwei Varianten richtig zu erklären imstande sind. Im
L.Bruchstück haben wir im Psalm 1 1 1, 8 hj hoarhjkhtk ca, dagegen aber im Sim.
Ps. eine andere Lesart : n£ cvk^hti» ca. Hier ist auch in ältesten Psalterien
verschiedene Lesart bemerkbar. Psalt. sin. pog. sof. haben die erste, Pealt.
bon. buc. dagegen die zweite Lesart. Dieser Unterschied, wie schon Jagid
(op. cit. S. 470j bemerkt hat, erklärt sich durch verschiedene Lesarten des
griechischen Textes oii /ut] aa^ev^T/asTcu : ov (foßrj^T^aeiai, Auf etwas an-
dere Weise muß man einen anderen Unterschied erklären. Im Ps. 118.51
lesen wir in Lysiaks Bruchstück H-fc ovB«rax"k ca, in allen anderen wie sin.
bon. pog. auch sim. m ovka^hh\"k ca, nur buc. m c)\-AaAH\-ct. Der Übergang der
Bedeutungen "von m o\-kaohhth ca zu hj o\'AaAHTH ca und h£ o^'kohth ca ist
nicht sehr groß und kann hier auf die Rechnung eines Abschreibers gesetzt
werden, der sich die Abweichung erlaubte, ohne durch den griech. Text dazu
veranlaßt gewesen zu sein. Wir können daher sagen: Lysiaks Psalterbruch-
stück gehört in lexikalischer Hinsicht zu derselben Übersetzungsfamilie wie
Psalt. sin. bon. pog., Ps. v. Sluck, sof. buc, d. h. zu der ursprünglichen ältesten
nachweisbaren Redaktion. Der Abschreiber bediente sich nur hier und da
der Abweichungen von der ursprünglichen Redaktion. Diese Abweichungen
beruhen teilweise auf der Verschiedenheit der griechischen Texte, teilweise
stehen sie mit den früh begonneneu lexikal. Modifikationen im Zusammenhang.
Dr. Iican Pankeivycz.
Schulausgaben tschech. Schriftsteller, angez. v. Vyböral. 589
Hölder8 Schulausgaben tschechischer Schriftsteller.
1. Bozena NSmcovd, Babicka. Obrazy venkovskeho zivota. (Aus-
wahl.) Für den Schulgebrauch herausgegeben von Dr. Norbert
Fein. 8», VII + 121 S.; geb. 1.20 Kr. — 2. Karl Jaromir
Erben^ Kytice z povesti narodnich. Für den Schulgebrauch her-
ausgegeben von Dr. Franz Taussig. 8^*, 94 S.; geb. 1 Kr. —
3, Tschechische Novellen I. Die humoristische Novelle im Vor-
märz: Langer, Rubes, Tyl, Chocholousek. Für den Schulgebrauch
herausgegeben von Prof. Dr. Oskar Donath. 8". 125 S. ; geb.
1.20 Kr. — 4. Tsehechische Novellen IL Die Dorfgeschichte.
Bozena Nemcova: Pohorska vesnice. Für den Schulgebrauch
herausgegeben von Prof. Dr. Oskar Donath. S^*, 157 S. ;
geb. 1.40 Kr.
Im Verlage des Wiener Hof- und Universitätsbuchhändlers Alfred Holder
erscheint seit kurzem eine Sammlung tschechischer Autoren für deutsche
Mittelschulen. Trotz der Mängel, die den ersten Bändchen anhaften, ist sie
freudig zu begrüßen, denn sie bedeutet den ersten ernsten Versuch deutscher
Professoren , die deutschen Mittelschulen mit der Literatur des Nachbarvolkes
vertraut zu machen. Über den Ursprung der Sammlung sagt der Heraus-
geber des ersten Bändchens, Dr. Fein, in seinem Begleitworte folgendes: »Sie
ist dem dringenden Bedürfnisse entsprungen, den Unterricht in der zweiten
Landessprache an den deutschen Mittelschulen der Sudetenländer durch er-
folgreich gepflegte Privatlektüre auszugestalten. Die Instruktion für den
Unterricht in der zweiten Landessprache verlangt eine gebührende Förde-
rung der Privatlektüre seitens der Schule und auch die Lehrer wissen
den Wert der Privatlektüre einzuschätzen; der Schüler soll auf Grund der
Lektüre in die wichtigsten Erscheinungen der böhmischen Literatur ein-
geführt werden. Soll sie aber von Erfolg begleitet sein , muß dem Schüler
eine geeignete Auswahl des Besten, was die böhmische Literatur aufzuweisen
hat, geboten werden. Die vorliegende Sammlung soll diesem fühlbaren Mangel
an zweckentsprechender Auswahl in Ausgaben, die dem Unterrichte an deut-
schen Mittelschulen angepaßt sind, abhelfen.« Nach den ersten vier Bänd-
chen, die im Jahre 191.3 erschienen, zu urteilen, sind die Herausgeber der
Hölderschen Schulausgaben tschechischer Dichter und Schriftsteller bemüht,
die Aufgabe, die sie sich zu einer idealen Pflicht gemacht, redlich zu erfüllen.
Freilich ist die Sammlung in ihren ersten Anfängen — und dazu ist sie sozu-
sagen über die Nacht entstanden — und so haftet ihr noch so mancher Mangel
an, den die Praxis bald aufdecken und eine sorgfältige Redaktion in der Zu-
kunft beseitigen wird.
Vor allem wird es wohl nötig sein, daß man mit Rücksicht auf die deut-
sche Mittelschuljugend, für welche die neue Sammlung als Studienbehelf be-
stimmt ist, für möglichst fehlerfreie Texte sorge und daher den Nenausgaben
immer die sprachlich reinste ältere Ausgabe zugrunde lege und selbst die,
590 Kritischer Anzeiger.
wo es angezeigt erscheint, korrigiere oder mit Fußnoten versehe. Ferner
werden die Kommentare, die sich den Texten anschließen, viel reichhaltiger
sein und, weil es sich um Privatlektüre handelt, auch grammatikalische Er-
klärungen geben müssen. In den Einleitungen wird man wohl der ästhetischen
Würdigung der betreffenden Werke mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden haben
und die literarhistorischen Partien wird man auf Grund der letzten maß-
gebenden wissenschaftlichen Arbeiten bearbeiten müssen. Wenn die ersten
Bändchen nicht so ausgefallen sind, wie wir sie gerne sehen möchten, so er-
klärt sich daraus zum guten Teil die mangelhafte Literatur- und Quellenangabe,
die oft eine geradezu schwere Anklage gegen den Herausgeber erhebt. So ver-
gaß Dr. Fein gerade die besten zwei Werke der Nemcovä-Literatur zu Rate zu
ziehen: die gründliche Monographie »BozenaNemcovä« von V.Tille (PraglOll)
und das jüngste Sammelwerk »BozenaNemcovä« — Sbornik stati o jejim zivote
adile. 1820— 1862 — (Karolinental 1913); Dr. Taussig ignorierte bei der Her-
ausgabe der »Kytice« die bekannte kritische Ausgabe Erbens von Jaroslav
Sutnar [Prag 1905) und die ausgezeichnete tschechische Schulausgabe von
Schenk und Straka Hohenstadt 1901); und beide Herausgeber kennen nur
die erste Auflage des Handbuches der tschechischen Literatur von Jan Noväk
und Arne Noväk (Olmütz 1910), das bereits beinahe ein Jahr durch eine viel-
fach verbesserte 2. Auflage ersetzt ist. Die Rücksicht auf die deutschen
Schüler verlangt ferner, daß man ihnen auch die betreffenden literarischen
Behelfe, die in deutscher Sprache erschienen sind, in der Einleitung nenne.
Trotzdem finde ich dort weder die bekannte Geschichte der tschechischen
Literatur von J. Jakubec und A. Nov.äk genannt, noch einen hinreichenden
Hinweis auf die deutsche Übersetzung der »Babicka« 's. w. u.) oder auf die
Übersetzungen aus Erben in Ed. Alberts »Poesie aus Böhmen« (Wien 1S93).
Endlich wird man sich auch über einen einheitlichen und konsequenten Ge-
brauch der Vornamen der tschechischen Schriftsteller einigen müssen , damit
man gleich von vornherein etwaigen Zweifeln und Verirrungen ausweiche,
die nur allzuleicht möglich sind, wenn der Schüler Namen wie: Wenzel
Matth. Kramerius, Johann Hybl, Johann Rulik, Frant. Boh. Tomsa^
Wenzel Klemens Klicpera, Jan Jindrich Marek, Frantiska Sträneckä
und Wenzel Kosmäk, Wenzel Vlcek, Methodej Jahn, Wilh. Mrstik, Jiri
Sumin u. dgl. neben- und durcheinander liest. Soviel im allgemeinen. Und
nun zu den einzelnen Bändchen.
Daß die neue Sammlung gerade mit der -Babicka« der Bozena
Nemcovä eingeleitet wurde, hat seinen guten Grund. Neben der leichten
Faßlichkeit seiner Sprache und seines hohen ästhetischen Wertes hat das Buch
d,en unleugbaren Vorzug, daß es den Leser auf eine reizende Art mit der Seele
des Volkes, dem es entstammt, bekannt macht. Es ist, wie der Herausgeber
betont, >ein Stück der Heimatkunde, das dem Schüler geboten wird. Natur-
wahre Gestalten aus dem Volke werden ihm vorgeführt; er lernt die Sitten,
Gebräuche, Sagen und Märchen, die Sprache, das Denken und Fühlen des
Volkes kennen.« Leider hat sich Dr. Fein durch die Rücksicht auf den
Zweck des Buches zu übertriebenen Kürzungen hinreißen lassen, die nicht nur
dem künstlerischen Werte des Werkes, sondern sogar dem Verständnisse
Schulausgaben tschech. Schriftsteller, angez. v. Vyböral. ,501
stark nachteilig sind. Am peinlichsten berührt es in der Geschichte der Vik-
torka, deren Tod und Begräbnis nach Hinweglassung ganzer Kapitel zu min-
dest gar sonderbar erscheinen. — Die Einleitung Dr. Feins, die mit einem
kurzen Kapitel über das Leben und die Werke der Nemcovä anfängt, um sich
dann speziell mit der »Babicka « zu befassen, vergißt, daß sich das Werk selbst
als '>Obrazy venkovskeho zivota« bezeichnet und spricht davon irrtümlicher-
weise als von einem Eoman. Leider ist das nicht der einzige Fehler der Fein-
schen Einleitung. Die fehlerhafte Schreibweise Jan P/ankl (Vater der Bozena
Nemcovä) statt Pankl, könnte man wühl als einen Druckfehler bezeichnen,
wenn sie nur nicht zweimal vorkommen würde. Bei Dr. Donath lesen wir in
dem vierten Bändchen der Schulausgaben den richtigen Namen, leider behält
aber auch der Herausgeber der :>Pohorskä vesnice« das Jahr 1863 statt 1862
als Todesjahr der Nemcovä bei. Am wenigsten ist Dr. Fein das gelungen,
was er über den Schauplatz der Handlung der »Babicka« sagt. Ein flüchtiger
Blick auf eine Skizze, wie sie z. B. in der bei Jindrich Lorenz in Trebitsch
(1906) erschienenen Ausgabe der »Babicka« zu finden ist, belehrt deutlich,
daß die Angaben Dr. Feins verworren und auch unrichtig sind. Außerdem
wäre zu bemerken, daß die Familie Prosek das sogenannte »Star6 belidlo«
trotz der wiederholten Behauptung des Herausgebers niemals bewohnte.
Unter den Übersetzungen der »Babicka« sollten — falls die Aufzählung voll-
ständig sein sollte — auch die Übersetzung ins Eumänische und Italienische
angeführt werden ; bei der deutschen hätte es schon die Rücksicht auf die
Schüler verlangt, daß wenigstens der Übersetzer (Anton Smital) und dieSamm-
lung, in der sie erschienen, (Universal-Bibl. Nr. 2057 — 2059) genannt werde. —
Der Text unserer Ausgabe ist der 2. Auflage der Koberschen Ausgabe aus
dem Jahre 1892 entnommen und behält ohne Rüchsicht auf den praktischen
Zweck des Büchleins eine ganze Reihe Verstöße gegen Grammatik und Ortho-
graphie bei. Dazu kommt noch die ziemlich große Anzahl Druckfehler, die
den Lernenden beirren. Daß die Ausgabe Dr. Feins an solchen fehlerhaften
Stellen nicht gerade arm ist, mögen wenigstens folgende Beispiele aus dem
letzten Kapitel zeigen: budu-li ziva a zdrava, (st. zdrava) S. 107; vyskli si (st.
vt/skli) S. 109; jsem take dost cerstva (st. cerstva) S. HO; venec s chvoje (st.
~ chvoje) S. 111; komtesa Hotensie (st. Hortensie) S. 112; jine mysle'nky (st.
myslenky) S. 114; ale zkalily oci (st. nezkalily) S. 115; pruvod, zalezeje (st,
zalezeje) S. 116. — Auch die Anmerkungen, die für deutsche Schüler bei wei-
tem reichlicher sein sollten, lassen so manches zu wünschen übrig. Daß die
Phrase: »jdete mi k sipku!« S. 117 im Munde der idealen Großmutter niemals
im Deutschen: »gehet mir zum Teufel!« lauten dürfte, ist ganz sicher, beson-
ders, da es an entsprechenden Phrasen wie z.B.: »Hol' euch derKukuk!« nicht
mangelt. Wenn der Herausgeber das Wort petrklic mit podleska identifiziert
(S. 117), so ist er im Irrtum; denn ersteres ist der Name der Schlüsselblume,
letzteres der Anemone. Daß pomazänka (S. 118) nicht Butterbrot, sondern
Butter bedeutet, zeigt deutlich der Text; statt pece = Backofen (S. 117) sollte
es richtig heißen pec u. dgl. Außerdem wäre es wohl angezeigt gewesen,
wenigstens gebräuchlichere tschechische Wörter nicht einfach durch ähnliche
deutsche zu umschreiben, sondern auch zu erklären; mit Erklärungen wie ho-
592 Kritischer Anzeiger.
lätko = Herzenskind (S. 117), neomalny = grob und vykrisati se = zu sich
kommen (S. 118), baiiky säzeti — Aderiassen und za pac = billig (S. 119), ist
nicht viel gesagt.
Viel besser als die Ausgabe der »Babicka« von Dr. Fein ist im all-
gemeinen Dr. Taussigs Ausgabe der »Kytice z povesti närodnich«
von Karel Jaromir Erben. — In der Einleitung berührt der Herausgeber die
Renaissance der tschechischen Literatur im ausgehenden XVIII. Jahrhundert
und das Interesse für die Volkspoesie in den folgenden Jahrzehnten, erinnert
an dieselbe Erscheinung in der deutschen Literatur (Herder, Arnim und Bren-
tano, die Brüder Grimm) und gelangt über Hanka, den ersten Nachahmer des
tschechischen Volksliedes, und Celakovsky, den Dichter der »Ohlasy«, zu
Erben, mit dessen Leben er den Leser kurz und richtig bekannt macht. Auch
das, was er über die »Kytice« sagt, ist im allgemeinen richtig. Bedenklich ist
nur die Behauptung, daß sie »unbestreitbar das beste Werk ist, das bis dahin
in tschechischer Sprache erschienen ist« (S. 5). Haben wir doch vor dem
Jahre 1853, wo die erste Ausgabe erschien, Kollärs »Slävy dcera« (182-1), Cela-
kovskys >Ohlasy pisni ruskych« (1S29) und Ohlasy pisni ceskych« (1840) und
Mächas »Maj« (1836), die einen Vergleich mit der »Kyrice« wohl ertragen.
Bei der Besprechung des Charakters der Erbenschen Balladen fehlt die Be-
tonung des wichtigsten, ethischen Grundzugs aller dieser Gedichte Erbens,
bei der Besprechung ihrer Sprache mit ihrer künstlerischen Form die Beto-
nung des Musikalischen der Sprache und des Dramatischen im Aufbau (S. 6).
Wenn auf S. 7 die stoffliche Verwandtschaft des Gedichtes »Svatebni käile<o
mit Bürgers »Lenore« hervorgehoben wird, hätte man auch nicht Mickie-
wiczs >Ucieczka< vergessen sollen. — Der vorliegende Text ist der Ausgabe
letzter Hand (1871) neu entnommen und weist daher wieder viele Stellen auf,
die in einem Buche, aus dem man die Sprache erlernen will, nicht vorkommen
sollten. Als Beispiel seien hier aus dem Gedichte »Stedry vecer« folgende
angeführt: stedry den (st. .Stedry den) S.66; dve jmena (st. jme'na) S.67; jest
li ze (st. jestlize) S. 67; dv^^'i-e (st. dvere) S. 68; Väcslav (st. Vädav) S. 68; kde
»iäs bude kterä? (st. kde z näa bude kterä?) S. 70 — In seinen Anmerkungen
geht Dr. Tausig weiter als Dr. Fein und unterstützt den Lernenden durch eine
Reihe etymologischer Hinweise, wie: zzeli se mi nekoho (zel, zalost), materi
douska (matka, diise), sudice (souditi) auf S. 85 u. dgl. Leider sind auch ihm
in den Erklärungen einige Fehler unterlaufen. So ist z. B. moudr:i rada nicht
mit »ein weiser Ratgeber« , sondern einfach mit »weiser Rat« zu übersetzen
(S. 85); vnada = (weiblicher) »Reiz« brauchte man wohl auch in einer Schul-
ausgabe nicht mit dem Worte »Lockspeise« wiederzugeben (S. 86); bodejz
(S. 87) ist nicht »Buh dejs«, sondern »Buh dejz« gleichzusetzen; zloba (S. 87)
ist nicht »Ärger«, sondern »ein böser, zorniger Mensch«, resp. in dem vor-
liegenden Falle »ein zorniges Kind«; hmit (S. 87) nicht »Knochen«, sondern
»Fuß, Bein«; ovauouti (S. 87) »anwehen« verwechselt der Herausgeber mit
ovinouti und erklärt es als »umfassen«. Und wieder finden wir eine Reihe
Wörter, die nur mangelhaft oder gar nicht erklärt sind. So ist die Erklä-
rung: namichati = vergiften (S. 86) gewiß unzulänglich; zu der Form majic
(S. 11) st. majice fehlt die Erklärung, daß sie volkstümlich für alle drei Ge-
Schulausgaben tschech. Schriftsteller, angez, v. Vyböral. 593
schlechter und beide Zahlen gebraucht wird; auf S. 53 verdiente das substan-
tivierte Adjektivum nebesko statt des gebräuchlichen subst. nebe einiger Auf-
merksamkeit; ähnlich die instr. compar. lunou und sluncem und m. a. Noch
mehr ist es zu bedauern, daß sogar in den Anmerkungen mehrere Fehler
gegen die Orthographie zu finden sind: zanikati (st. zan«kati) S. 87; n<fdej (st.
nadeje) S. 89 ; tipenlivy (st. ?<penlivy) S. 93.
Die nächstfolgenden Bändchen der Schulausgabe sind der tschechischen
Novellistik gewidmet und sollen »den Schülern, soweit es im Rahmen
der Möglichkeit ist, ein beiläufiges Bild der tschechischen Belletristik im
XIX. Jahrhunderte bieten«. Vorläufig erschienen zweiBändchen tschechischer
Novellen, beide von Dr. Donath herausgegeben. Das erste davon, »Die
humoristische Novelle im Vormärz«, ist nur wegen der Einleitung
von Bedeutuag. In seiner schönen »Übersichtlichen Darstellung des neu-
böhmischen Romans« geht der Herausgeber auf die Anfänge des tschechischen
Romans im XIX. Jahrhundert zurück, bespricht dann eingehender den histo-
rischen, den Dorf- und den sozialen Roman und ihre wichtigsten Vertreter,
worauf er einen kurzen Überblick des Romans seit den 70 er Jahren folgen
läßt, der freilich nicht genug kritisch und erschöpfend ist. So mutet es uns
ganz eigentümlich an, wenn wir unter den Schriftstellern, deren Belletrie in
der Seele des Volkes wurzelt, neben einem J. Herben einen F. Horensky fin-
^Aen, oder wenn wir unter dem Namen der wichtigsten Vertreter des neuen
tschechischen Romans Schriftsteller wie F. X. Svoboda, Rüzena Svobodovä,
J. Laichter, A. Sova, V. Dyk vermissen. In dem folgenden Kapitel seiner
Einleitung entwirft sodann der Herausgeber ein Bild der tschechischen humo-
ristischen Novellistik im Vormärz unter besonderer Berücksichtigung der
Schriftsteller Jaroslav Langer, Frantisek Jaromir Rubes , Josef Kajetan Tyl
und Prokop Chocholousek, deren Arbeiten er in seiner Ausgabe bringt. So
sehr wir uns darüber freuen, daß es Dr. Donath gut gelungen ist, den deut-
schen Mittelschüler durch seine literarhistorische Einleitung in die Geschichte
der neueren tschechischen schönen Prosa einzuführen, so sehr zweifeln wir,
daß seine Auswahl den praktischen Zweck erreichen wird, der ihr vorschwebt.
Vor allem ist der Wert der tschechischen Schildbürgergeschichten — und den
meisten Platz nehmen in dem dritten Bändchen der Schulausgaben die Ge-
schichten aus Kocourkov ein — sicher nur noch historisch, Ihre künstlerische
Seite ganz unbedeutend und ihr Humor, der das Interesse der Schüler wecken
sollte, langweilig und schwerfällig. Daneben fällt aber gleich schwer auf die
Wagschale die sprachliche Seite der ausgewählten Stücke. Dr. Donath
meint, »der Text biete keinerlei Schwierigkeiten« ; ich dagegen finde ihn
nicht nur wegen der allzuvielen Formen, die er enthält, schwierig, sondern
wegen der Unzahl seiner Germanismen geradezu für deutsche Mittelschüler
bedenklich. Außerdem ist er oft sehr fehlerhaft. Wie viel man an ihm ändern
müßte, um ihn wenigstens ohne sprachliche Bedenken einem Lernenden in
die Hand geben zu können, sollen folgende Belege aus der Novelle »Pan
Trouba« von Rubes zeigen (wobei noch der fehlerhafte Gebrauch des Pron. 3.
sg. m. »on< und der Konjunktion »ale« — mitten im Satze — unberücksichtigt
bleiben): ouHd (st. «fad) S. 37, 57; mlejn (st. ml^n) S.37, 54; mlzko (st. mlekoj
Archiv für slaviscLe Philologie. XXXV. 38
594 Kritischer Anzeiger.
S. 37; po;-^u (st. jje?m) S. 38; strikovat (st. plesti) S. 39; mela jednoho hlasu
(st. jeden blas) S. 39; v sesi (st. sezenf) S. 39), o mnoho dulezitych vecech (st.
o mnoha) S. 40); «tudovaneho (st. itudovaneho) S. 41, 49, 55; studilch (st. sta-
diich) S. 41; «tadentikem (st. .^^tudentikem) S. 41 ; na kamene (st. na karaeni)
S. 42; na kanapi (st. na pohovce) S.43,56; po jarmarce (st. po vyrocnim trhu)
S. 43; to nemohu slouzit (st. iixn. nemohu slouzit) S. 43; cele moje gusto (st.
cely müj vkus) S. 44; ncspoulil hubu (st. nospoulil) S.44; «tudie (st. studie)
S. 45; studentske (st. stndentsk6) S. 45; prer/ce (st. prece) S. 45; kostaje dva
zlat6 (st. stoji dva zlate) S. 46; myslc'nka (st. mysl^nka) S. 47; strlbrnou pik-
slu (st. tabaterku) S. 48; k sirok^ sesli (st. zidli) S. 49; tento hovor byl naslu-
chal (st. tomuto hovoru) S. 51 ; se svou pdni (st. poni) S. 51; poklo^koväni (st.
pokloHkoväni) S. 52; proi'tudovanou (st. prostudovanou) S. 54; outery (st.
?«tery) S. 54; piglovaly (st. zehlely) S. 54; instrukci (st. instrukci) S. 57. —
Auch in den Anmerkungen, die sonst sorgfältig sind, finden sich einige Fehler:
podly(S. 119) ist »nebenstehend« und nicht »niedrig«; trouba (S. 122) heißt
nicht »Eohr«, sondern »Pfeifenrohr« ; Sahorsch für Zähori ist keine Erklärung.
Das zweite Bändchen der »tschechischen Novellen« widmet Dr. Donath
der Dorfgeschichte, als deren Vertreter er die »Pohorskä vesnice« der
Bozena Ncmcovä den Schülern vorlegt. Da über NemcovA bereits in dem
ersten Bändchen der >Scbulau8gaben« Dr. Fein geschrieben, begnügt sich der
Herausgeber der »Pohorskä vesnice« in seiner Einleitung mit wenigen Worten
über die Autorin, bespricht dafür umso eingehender das genannte Werk selbst:
die Entstehung, den Inhalt, den ästhetische Wert, die Charaktere und die
Sprache, deren wichtigste dialektische Abweichungen von der Schriftsprache
er eigens zusammenfaßt und betont. — In der Literaturaugabe sollte der Vor-
name des Verlegers Augusta richtig A. (nicht J.) Augusta heißen. — Der ge-
kürzte Text unseres Buches geht auf die kritische Ausgabe in der Laichter-
schen Klassikersammlung zurück; die Inhaltsangaben vor jedem Kapitel sind
der Koberschen Ausgabe entnommen — beides Vorzüge, die besonders her-
vorgehoben werden wollen. Auch die Anmerkungen, die, wie es scheint, von
Band zu Band reichlicher und gründlicher werden, verdienen volles Lob. Den
Schluß des Bändchens bildet eine Zusammenstellung, Übersetzung und Er-
klärung der wichtigsten im vorliegenden Texte vorkommenden Sprichwörter
und Eedensarten. Mit der »Pohorskä vesnice« scheinen die Herausgeber die
ersten Schwierigkeiten ihrer verdienstvollen Arbeit bereits überwunden zu
haben und wir hoffen, daß wir bei Besprechung der folgenden Bändchen mehr
die Lichtseiten der Sammlung zu betonen haben werden.
01m ütz, den 7. Jänner 1914. Bolius Vyböral.
Lehr- und Lesebuch des Albanischen von Dr. Max Lambertz und
Dr. Georg Pekmezi. Wien und Leipzig, A. Hartleben, [1913]
80. (= Die Kunst der Polyglottie, Tl. 107.) VIII + 179 Seiten
2 Mk. = 2.20 Kr.
Der in diesen Blättern (Bd. XXXI, 237—242) vom Unterzeichneten be-
sprochenen größeren »Grammatik der albanesischen Sprache« von G. Pek-
Lambertz-Pekmezi, Albanisches Lehr- u. Lesebuch, angez. v. Jokl. 595
mezi folgt jetzt das obige praktisch gehaltene kurze Lehrbuch, dessen Um-
fang und Anlage durch den Charakter der Hartlebenschen »Kunst der Poly-
glottie«, der es eingereiht ist, bestimmt wird. Das Werk, zu dessen Bearbeitung
sich G. Pekmezi mit dem Linguisten und Philologen M. Lambertz verbunden
hat, bildet wohl zugleich die Einlösung eines Versprechens, das P. in der Vor-
rede zu seiner größeren Grammatik gab : es enthält eine kurze, aber interes-
sante Chrestomathie der jungen alban. Literatur, deren Texte jedem Albano-
logen willkommen sein werden. Der sachkundige Leser merkt es der Schrift
ohne weiteres an, daß ihr Lehrgeschick und Lehrerfahrung auf dem Gebiete
des Sprachunterrichts zugute gekommen sind. Die methodisch zweckmäßige
Verteilung des Lehrstoffes, die stete Bedachtnahme auf Gedächtnis und Fas-
sungskraft des Lernenden, die ab und zu auch kurze etymologische Bemer-
kungen in den Dienst des Unterrichts zu stellen sucht und so die Ergebnisse
der Sprachwissenschaft didaktisch verwertet (was natürlich um so mehr Bei-
fall verdient, als die meisten Benutzer des Buches ein gewisses Maß sprach-
licher Vorbildung zweifellos mitbringen werden), die Verbindung von synthe-
tischer und analytischer Lehrmethode, erstere vertreten durch Übungssätze
mit grammatischer Darstellung (letztere von Lektion XI beginnend) , durch
einen zusammenhängenden Text mit Interlinearversion, nicht zuletzt der
wohlfeile Preis — alle diese Umstände werden das Büchlein zu einem ver-
wendbaren, beliebten Lernbehelf machen. Im einzelnen ist allerdings eine
Reihe von — mitunter nicht unbedenklichen — Irrtümern zu bessern. Eef.
glaubt dem Werke den besten Dienst zu leisten, wenn er hier eine Liste sol-
cher Corrigenda gibt, deren Beachtung sich bei einer Neuauflage empfehlen
wird. Handelt es sich doch um ein Werk, das dem Zwecke der >Kun6t der
Polyglottie« entsprechend, auch dem Selbstunterrichte zu dienen hat. Kor-
rektheit in allen Einzelheiten ist daher geboten. — S. 4 gibt eine Aussprache-
anweisung für den Laut y (die Verfasser verwenden das rein lat. Monastirer
Alphabet, schreiben also cffi, die im wesentlichen richtig ist. Unrichtig ist aber
die Gleichstellung von ngr. y vor hellem Vokal mit alb. [if. Dieses ist ja, wie
der Lernende der Darstellung des Buches selbst entnehmen kann , palataler
Verschlußlaut oder dial. eine Affrikata, ngr. y vor hellem Vokal jedoch tönender
palataler Spirant (Thumb, Hdb. d. ngr. Volksspr.2, S. 1). Übrigens findet sich
der Irrtum schon in der größeren Grammatik. Die Gleichstellung von alb. Ji
{= q in der Schreibung dieses Buches) mit ngr. y. hat schon Weigand, Lit.
Zbl. 1909, 1213 bemängelt; trotzdem kehrt sie hier wieder. S.114 wird neuer-
dings die Bezeichnung »Reduktionsvokal« für e (= e bei Meyer) angewendet
trotz Weigand, 1. c. und Jb. d. rum. Inst. Lpz. , 17, 184, wo die phonetische
Natur dieses Lautes bestimmt wird. — S. 59 wird at fömje qi thritshin mdz t
eger e i pa tredhun interlinear übersetzt: »jenes Kind, welches sie riefen Füllen
das wilde und das unbeschnittene«. Und dies wird auch im Glossar, S.162, wo
unter ti-edh 'kastriere , verschneide', patredhun 'unbeschnitten' angegeben
wird, wiederholt. Allein tredh heißt ausschließlich 'verschneide, kastriere'
cf.Kristoforidi,-/ef. S.431 =evvovxiüCü>). Die Verf. übersetzten, wie es scheint,
auf Grund eines alb.-ital. Wörterbuches , wo für tredh die Bedeutung castrare
verzeichnet ist und übertrugen dann ital. castrare, das 'verschneiden, daneben
38*
596 Kritischer Anzeiger.
beschneiden' (seil. Pflanzen, fig. Bücher usw.) bedeutet, im engsten An-
schluß an das ital.-deutsche Wörterbuch, jedoch mit Verkennung des alb. und
deutschen Sprachgebrauches ins Deutsche. Als Folge ergibt sich (da man ja
nicht annehmen kann, daß die Verfasser die Sitte der Beschneidung als auch
für Tiere geübt annehmen), daß sie j^atredhun ani fömje beziehen. In Wahr-
heit bezieht sich i pa tredhtm auf muz. Das Kind (Skanderbeg) wird also mit
einem wilden u. unverschnittenen (d.i. bes. feurigen) jungen Rosse verglichen.
Die Verschneidung wird bei den männlichen Haustieren zum Zwecke der Sänf-
tigung vorgenommen. S. 106 : Die Verse Barit te njome, gjith atje veshen \ ^uka
e kodra, e atje ndijn \ Tuj kendiie blecjtoreshen, \ Qi kuUote rrethhagetijn werden in
den Anm.9, 10, 11 folgendermaßen erläutert und übersetzt: »Subjekt ist bar
'Gras'. Anakoluthische Konstruktion :MitGras sind die Hügel bekleidet und dort
hört das Gras (Subjekt) singen sein Lied (den Hirtenknaben) [Anm. 9]. hlecj-
toreshcn 'das Hirtenlied'« [Anm. 10^, worauf der mit Qi beginnende Relativ-
satz in Anm. 11 deutsch so wiedergegeben wird: »der Hirte, Subjekt zu tuj
keiidue, das Gras hört den Hirten sein Lied singen.« Diese ganze äußerst
mühselige und gezwungene Erklärung — vier Hilfsannahmen — ist unrichtig.
hlegtoreshcn heißt nicht das Hirtenlied, sondern die Hirtin (Suff. -es/je;" motiviert
männliche Personenbezeichnungen: mik 'Freund', mikeshe 'Freundin', mbret
'König' — geg. mbretnesJie^KöVLig'm\j)crendi'Gott'' — ^ere/i^es/ie 'Göttin, Königin',
blegtür^B.ht', blegtoreshe 'E.iTtm\ cf. Pekmezi, Gr. d. alb. Spr. 223). Setzt man diese
Bedeutung ein, so entfallen alle Hilfsannahmen (wie Anakoluth, Ergänzung eines
Subjektes im Hauptsatze, eines persönlichen Objektes im Hauptsatze und Ergän-
zung des Subjektes des Relativsatzes aus dem ohnehin subintelligierten persön-
lichen Objekte des Hauptsatzes). Die Stelle lautet einfach: »und dort hören sie
die Hirtin singen, die ringsum das Vieh weidete«. Auch hier ließen sich, wie es
scheint, die Verf., statt aufdie alb. Wortbildungslehre zu achten, durch das alb.-
tal.Wörterbuch,wo^«5i!ore//^aangegebenist, bzw. das ital.-deutsche, irreführen.
pastorella bedeutet allerdings neben Hirtin in der Terminologie der Literatur
(Poetik) auch die Gattung des Schäfergedichtes = pastorale (cf. z. B. Rigutini
& Bulle, Diz. it.-ted. I, 566). Aber daraus folgt nichts für das Alb. Sachlich
besteht, wenn man schon den Umweg über das alb.-ital. und ital.-deutsche
Wörterbuch wählt, nicht die geringste Notwendigkeit, für pastorella die Be-
deutung Hirtenlied zu wählen. Die Frau als Hüterin der Herde wird auch
sonst in der alb. Literatur erwähnt. S. 109 Anm. SO und Glossar S. ICO: die
Übersetzung von s^rt'Äe ist nicht genau; das Wort bedeutet »Dachvorsprung«,
nicht »Dachrinne«. Unverständlich ist in Note 25 zu S. 110 die Bemerkung
zur Textstelle: nder pre mdrre Karadakut [märre und nicht märre, wie im
Buche steht, muß es richtig und dem Originaltext entsprechend heißen, s. auch
w. u.) die Bemerkung: *märre mit Betonung der letzten Silbe.« Welche Form
des Partiz. fem. eines alb. Verbums wie marr hat denn den Ton auf der letzten
Silbe? Nur durch eine Kombination mehrerer Mißverständnisse kann diese
Bemerkung entstanden sein. Anm. 28 (S. 110) zur Stelle aty i dajti edhe tri-
mnija wird dajti richtig mit »leuchte hervor« übersetzt, der Zusatz »zu daj
ich teile« ist jedoch zu tilgen, das Wort gehört vielmehr zu einem nordgeg.
daj — lt. videor in allen seinen Bedeutungen, das in den bisherigen Wörter-
Lambertz-Pekmezi, Albanisches Lehr- u. Lesebuch, angez. v. Jokl. 597
büchern allerdings nicht verzeichnet ist, aus Texten jedoch oft genug belegt
werden kann. Daß das Wort mit daj 'teile' nichts zu tun hat, zeigt seine
Lautgestalt in anderen Dialekten, z. B. im Südgeg. (was hier nicht ausgeführt
werden kann). Zu dem folgenden Verse Por si kripit i ra bora, des näheren
zu kripit heißt es in Anm. 29 (S. 110): »Salz, dann das weiße Haupthaar des
Greises*. Da sich uun auch im Glossar, S. 152 die Bemerkung findet: T>krip
= h-yp Salz, weißes Haar des Greises«, so muß der Lernende den Eindruck
gewinnen, als ob mit kripit der obigen Stelle ein Wort gebraucht sei, das in
gleicher Weise »Salz« und »weißes Haar« bedeutet. Das ist verfehlt, beruht
nämlich auf einer Vermengung zweier im Geschlecht, in den meisten Dialekten,
insbesondere den geg. — das abgedruckte Textstück ist geg. — auch lautlich
und natürlich auch etymologisch verschiedener Wörter: krip , hripim. Haar
und geg.kri/p,kri/pa{em. {tosk. kri/pe,kri/pa neben [/5a?«.usw.] kripe ,kripaY^s\7.\
Vom Salz steht an der Stelle nichts, wie ja schon aus der Flexionsendung
hervorgeht. Es heißt also einfach: »als Schnee aufsein Haar fiel« (poetisch
für: als sein Haar ergraute). S. 112 Anm. 71 wird zu mushme aus der Text-
stelle armet e mushme mos me i dhclnii die Erklärung gegeben: = 7)iocme (was
»alt« bedeutet.) Der Erklärer glaubt also irrigerweise, daß der einige Ratschläge
gebende Alte (ein bewährter Krieger) vor der Übergabe alter Waffen warnt. In
Wahrheit ist die Gleichstellung von mushme mit mocme lautlich nicht zu recht-
fertigen und, soweit Ref. sieht, weder aus Texten noch aus Wörterbüchern zu
belegen, inushme kommt von geg. tnush = tosk. mbush 'füllen, laden' (zum
Suff. cf. Hahn, Alb. Stud. 3, 71, Meyer, E.W. 267, hesa e lidhme usw.). Es heißt
also in Wahrheit: »keine geladenen Waffen zu übergeben« (d. i. Kampf bis
Zur Erschöpfung der Munition). S. 132 wird für it.-alb. te pierr sijt frei-
lich nur vermutungsweise die Erklärung gegeben = hier[r) [!] 'werfe'. Die
Vermutung ist unrichtig. Das Richtige steht schon bei G. Meyer, E.W. 354»
wo unter lyrjer 'drehe um' usw. auch die siz. Dialektform pierein (also das Pas-
sivum) angemerkt ist. Es hat also zu heißen: »daß sie die Augen hinwende«.
— Einer durchgreifenden Remedur wird die Textgestaltung des ganzen S. 109
bis 113 abgedruckton Stückes, des Anfanges der Dichtung »Lahuta e Malcijs«
von Fishta bedürfen. Dieses Werk ist in der Bashkimi - Orthographie ge-
schrieben, wo e — abgesehen von einsilbigen Wörtern — als Dehnungs-
zeichen gebraucht, hingegen für den tatsächlich zu sprechenden Laut e das
Zeichen e geschrieben wird. In der von den Verf. angenommenen Orthogra-
phie wird für das erstgenannte Zeichen e, für den c- Vokal e geschrieben. Da-
durch nun, daß die Verf (Herausgeber) zwar in einer Reihe von Fällen richtig
e\ e schrieben, in einer Reihe anderer aber für das e-Zeichen des Originals
(Dehnungszeichen) ihr e (das den Vokal ausdrückt) setzten, ist eine beträcht-
liche Zahl inkorrekter Formen in den Text geraten, deren Bestimmung dem
Lernenden nicht leicht fallen wird. So heißt es z. B. S. HO m' kohejetike statt
?i' kohe, S. 111 per lüfte statt per luft'e, ?n' Ure f Vezirit statt m' Ure, ri dere
statt n' dere, S. 1 12 buje statt btij'e (die Büffel), ii' dite statt «' dite, und so noch
öfter. — Weniger als das bisher Vorgebrachte fallen in Anbetracht des rein
praktischen Zweckes des Buches mancherlei Versehen in den angeführten
Etymologien ins Gewicht. S. 107 Anm. 22 wird me nise 'auf den Weg schicken'
5 98 Kritischer Anzeiger.
(auch 'anfangen') aus ngr. Ixifr^aa hergeleitet, trotzdem der Meister der alb.
Sprachwissenschaft, G. Meyer, diese Deutung Miklosichs schon im E.W. nur
unter allerlei Bedenken anführt und sie später durch die weit bessere: lt.
initium ersetzte. S. 43 wird dukem 'ich scheine' mit gr. Soxita verglichen, was
Thumb, I.F. 26, 2 mit vollem Recht abgelehnt hat (cf. auch Ref , Stud. z. alb*
Etym. 18 ; zu dem daselbst Beigebrachten werden nächstens weitere Gründe
hinzugefügt werden). S. 53 wird dash 'Widder' mit dem illyr. Namen Dasius
verglichen (so schon Baron Nopcsa, Anthropos, 8, 143). Wenn aber die Verf.
wegen der Analogie von Tiernamen wie Miez, Reinecke den alb. Tiernamen
aus dem Eigennamen entstanden sein lassen, so ist dies ein keineswegs
zwingender Schluß. Ebensogut kann ja der Tiername das Primäre , der
Eigenname das Sekundäre sein (wofür sich natürlich gleichfalls Parallelen
beibringen lassen: lt. Cervius, Porcius, Bovius, Schulze, Lt. Eigenn. 234 und
ebenso in anderen Sprachen). Bei Miez, Reinecke usw. sind wir vermöge der
Etymologie und Wortgeschichte imstande zu beurteilen, welche Benennung
die primäre, welche die sekundäre ist. Das ist hier nicht der Fall. Weitere
Anmerkungen, die sich zu diesem Kapitel in beträchtlicher Zahl machen
ließen, seien aus Rücksicht auf den Raum zurückgestellt. — Im großen und
ganzen werden in dem sonst zweckmäßigen Büchlein die Erläuterungen zum
Lesestoff am meisten der bessernden Hand bedürfen.
Wien. Norbert Jokl.
Montenegros Ärekrans. Tyä sydslaviska bjältedikter övers.
av Alfred Jensen (Stockholm, 1913. Aug. Rietz' bokhandel, i
distr.). 193 S. 4o.
Gorski Vijenac und S^nrt Smail-age Cengica sind die Bestandteile, aus
denen Dr. Alfred Jensen seinen »Ehrenkranz Montenegros« geflochten hat;
die zwei berühmten südslavischen Dichtungen in metrischer Übersetzung,
reich kommentirt und mit eingehenden Einleitungen versehen. Die Ausgabe
hat, wenigstens was den ersten Bestandteil betrifft, lange warten müssen:
schon in 1S9U war die Übersetzung des Gorski Vijenac fertig, wurde der
»Svenska Akademien« vorgelegt und von dieser preisgekrönt (s. die Einleitung
der Resetarschen Ausgaben des Gorski Vijenac , weiter im Vorwort zu der
hier besprochenen Ausgabe selbst); dafür ist der Zeitpunkt des Erscheinens
ein sehr günstiger, ich denke dabei nicht an die Jahrhundertfeier der Geburt
des Petar IL Njegos — dafür bleibt der bekannte Vladika eine der Welt der
Nordländer allzu ferne Größe, — umsomehr aber an die geschichtlichen Er-
eignisse der allerletzten Zeit, welche die südslavische Welt, vor allem die süd-
slavischen Balkanvölker, dem Bewußtsein lesender und denkender Skandi-
navier plötzlich um Hunderte von Meilen näher gerückt haben.
Das Ziel, das sich der eifrige und verdiente schwedische Übersetzer und
Forscher gesetzt hat, ist nach seinen eigenen Worten, nicht nur eine populär-
genießbare Übersetzung der uns Nordländern selbstverständlich fernen Dich-
tungen zu geben, sondern noch mehr hat er angestrebt, die Ausgabe zu einer
Jensen, Montenegros Ehrenkranz, angez. v. Broch. 599
brauchbaren Arbeit auch für eingehendere, mehr spezialisierte Studien zu
machen, — zu einem Buche, welches diejenigen mit Nutzen verwenden könn-
ten, die serbokroatische Sprache und südslavische Epik studieren wollen.
Was die Übersetzung betrifft, so hat eine solche ja mehrere Seiten, aus
denen einige der Beurteilung eines nicht- schwedischen Kritikers entzogen
sind, auch wenn dieser dem Übersetzer sprachlich so nahe verwandt ist, wie
im vorliegenden Fall. Ich denke dabei besonders an die rein ästhetische
Schätzung. Insofern muß ich mich mit der allgemeinen Äußerung begnügen,
daß bei einer gewissen Monotonie, die ich auch in anderen metrischen Über-
setzungen Jensens bemerkt zu haben meine, und die übrigens in solchen
Übersetzungen nur allzu verständlich ist, es doch der dichterischen Begabung
des Übersetzers gelungen ist, mit Beibehalt sogar des Metrums des Originals,
den Stimmungswelleu des Originals, um mich so auszudrücken, aus seiner
feinen, reich entwickelten Muttersprache im allgemeinen befriedigende Paral-
lelen zu schaffen.
Direkter zugänglich ist mir natürlich die Frage von der Genauigkeit der
Übersetzung. Eine Bürgschaft in dieser Hinsicht haben wir für den Gorski
Vijenac schon in der Motivierung zur oben erwähnten Preiszuerkennung von
der Schwedischen Akademie. Die Motivierung rührt von dem bekannten,
mit slavischen Sprachen und slavischer Geschichte eingehend vertrauten Pro-
fessor Harald Hjärne her; sie ist, wie mir Professor Hjärne liebenswürdig
mitteilt, nie im Druck erschienen ; Dr. Jensen teilt aber im Vorwort zum be-
sprochenen Buch selbst dasjenige mit, was uns in dieser Beziehung interes-
siert : die Treue der Übersetzung wurde in dem Urteil rühmlich hervorgehoben.
Und die Stichproben, die ich selbst eingehender durchgenommen habe, be-
stätigen dies auch für die jetzt erschienene, revidierte Übersetzung. Zwar
lassen sich Stellen bezeichnen, wo der Übersetzer, durch Rhythmus und Reim
gedrängt, das Bild des Originals für mein Auge in weniger glücklicher Weise
schwächt (z. B. in der »Posveta« Z. 8: i zemlju im za popriste, da se bore,
naznacio : und sie zu großen Heldentaten in ferne Länder sandte — um die
schwedischen Worte deutsch wiederzugeben i); ebenso glaube ich gelegent-
lich auch fehlerhafte Auffassung zu spüren (z. B. in derselben Posveta, Z. 11
bis 12, wenn ich Resetars Text »ovde — d. h. u velikim narodima — mu
(etwa dem genialen Manne) je pogotovu materijal k slavnom djelu i trijumfa
dicni vijenac, da mu krasi glavu smjelu« mit folgender ungefähren Wieder-
gabe vergleiche: Hier habe ich einen Gegenstand, würdig, daß wir den
Sieger verherrlichen und den stolzen Ehrenkranz um den Kopf eines Häupt-
lings legen); — solche Stellen kommen aber, nach meinen Stichproben zu ur-
teilen, nur äußerst selten vor ; man würde sie vielleicht sogar kaum bemerken,
falls wir nicht an anderen Stellen eben einer Sorgfältigkeit des Übersetzers
gegenüberständen, die ihn veranlaßt, bei sogar kleinen Abweichungen auf
den genauen Wortlaut des Originals aufmerksam zu machen.
1) Wäre es in solchen Fällen nicht besser, nötigenfalls den Reim zu
opfern?
600 Kritischer Anzeiger.
Diese Genauigkeit hängt natürlich mit dem erwähnten Ziel Dr. Jensens
zusammen: die Übersetzung der zwei Dichtungen auch für eingehendere
philologische und literarische Studien nützlich zu machen. Diesem spezi-
elleren Zweck dienen weiter die vielen Anmerkungen geographischen, histo-
rischen, kulturellen u.a. Inhalts, sowie die Einleitungen zu den zwei Dich-
tungen.
Für die Komentierung hat zwar der Übersetzer, besonders bei dem
Gorski Vijenac, gute Vorlagen gehabt, vor allem in Resetars Ausgaben. Allein
um eine südslavische Dichtung von so eigentümlicher Form und Inhalt uns
Nordländern vollauf zugänglich zu machen, dazu gehört etwas anderes und
mehr, al§ das, was für die südslavischen Leser selbst ausreicht. Der Über-
setzer hat hier eine dankbare , nicht aber immer leichte Aufgabe gehabt. Er
hat z. B. seine Kenntnisse in der südslavischen Volksepik verwerten können,
mit der diese Dichtungen so nahe zusammenhängen , und deren schöner
Reichtum uns Skandinaviern leider nur wenig bekannt ist; er hat seine Be-
kanntschaft mit südslavischem Volksleben ausnützen können; hat aber auch
vieles aus der Geschichte der Südslaven herausfinden müssen — usw. Im
Ganzen finde ich , daß Dr. Jensen diesen Teil seiner Aufgabe richtig erfaßt
und gut gelöst hat; seine trefflichen Lehrer, deren er im Vorwort dankbar
erwähnt, dürfen mit ihrem Schüler zufrieden sein !
Und was nun endlich die zusammenhängenden Einleitungen betrifft, die
uns u. a. das Leben und die literarische Tätigkeit der zwei Dichter in kurzen
Strichen schildern, aber auch manches andere ans der Kritik, aus der poli-
tischen, literarischen und kulturellen Geschichte berühren, so ist auch diese
Seite der Ausgabe, in der die selbständige Arbeit des schwedischen Forschers
wohl am stärksten an den Tag kommt, im Ganzen als interessant und wert-
voll zu bezeichnen. Freilich zieht der Verfasser hie und da für mein Auge
seine Schlußfolgerungen etwas zu weit; wenn er sich z. B. von der italieni-
schen Reise des Petar IL in 1851 so ausdrückt, daß sie im Ganzen von außer-
ordentlicher Bedeutung für die Bildung und Geistesentwicklung des Dichters
wurde, wenn er auch leider wegen Kränklichkeit nicht dazu gelangte, sie für
seine Dichtung fruchtbringend zu machen (S. 19), — so sieht das als etwas
überflüssiges aus, wenn man bedenkt, daß der Vladika schon im Herbst 1851
starb ; einige begeisterte Briefzeilen sind kaum ausreichend , um darauf so
viel zu bauen, wie es der Verf. hier tut. Und hat sich der Verf. nicht etwa im
allgemeinen durch seine slavischen Vorlagen in seiner Bewunderung für den
Vladika etwas zu stark hinreisen lassen und deshalb ihm , seiner Dich-
tung, seiner Bedeutung hie und da verhältnismäßig zu große Dimensionen
zugemessen? Darüber mögen nun diejenigen urteilen, die von besseren Vor-
aussetzuügen als ich ausgehen. Andererseits hat aber eben diese gewissermaßen
Begeisterung für seinen Gegenstand auch eine treft'liche Folge gehabt: sie
hat den Verf. veranlaßt, auch andere Dichtungen des Vladika gründlich vor-
zunehmen; und die metrischen Übersetzungen verschiedener Fragmente, die
wir in der Einleitung eingeflochten finden , erlauben dem Leser, sich in selb-
ständiger Weise ein wirkliches , sagen wir authentisches Bild des Dichters,
der Entwicklung seiner literarischen Tätigkeit, seiner Weltanschauung, seines
Kleine Mitteilungen. 601
poetischen Charakters usw. zu schaffen. Mit dem Dichter der Smrt Smail-
agas ist nicht so gründlich verfahren ; auch von ihm erfahren wir aber vieles
von Interesse.
So versteht es ein jeder, daß die Arbeit Alfred Jensens nach meiner
Meinung mit Freude und Dank zu begrüßen ist. Olaf Brock.
Kleine Mitteilungen.
Der Name der albanischen Stadt Dibra im Wilajet Monastir ist für die
slavische Grammatik von einer gewissen Bedeutung. Es unterliegt kaum einem
Zweifel, daß die Benennung slavischen Ursprungs ist, da ja das bulgarische
Debrt und die früheren Belege Ji^Qr] , Debra ganz deutlich ihre Abkunft von
dem aksl. dtbrt beweisen. Wenn über das Wort etwas zu bemerken ist, so ist
hervorzuheben, daß die ganze Nachbarschaft von Dibra slavische Namens-
gebung aufweist. Die Bevölkerung dieses Gebietes ist heute in ihrer Gänze
albanisch und geht erst im Osten in das mazedonische Sprachgebiet über. Im
Mundo der albanischen Einwohner von Dibra lautet der Name ihrer Stadt Di-
bra, wie ich z. B. belege aus L'umo Sksudo, ksndime per skole ts para, 3. Teil,
S. 84, Z. 16, oder (L'umo Skfudo ist bekanntlich nicht allzusehr verläßlich, da
für Dui£3 , was die dortige Form ist, die skutarinische Aussprache geboten
wird, ebenda S. 79 Dur ci) Skumbi, gazet' e pcrjavtsme, 3. Jahrgang, Nr. 10 (86),
S. 1, Kolonne 2, Z. 10, ebenda Nr. 10— G9, S. 2, Kolonne 4, Z. 10, der als gegisch
ganz besonders zu berücksichtigen ist, sowie Shkupi, II. Jahrgang, Nr. 21, S. 2,
Kolonne 1,Z. 90.
Wie sollte es sich erklären, daß die albanische Benennung Dibre gegen
die slavische lautlich abweicht? Eigentlich ist nicht von vornherein ersicht-
lich, warum die lautliche Differenz in der slavischen und albanischen Benenn-
ung der Stadt vorhanden ist, wo sie beide auf dasselbe Wort zurückgehen.
Es ist bekannt, daß auf die slavische Überflutung Albaniens ein unge-
meines Wiedererstarken des albanischen Elementes gefolgt ist, das nament-
lich in Altserbien außerordentlichen Gewinn für das albanische Sprachgebiet
gebracht hat. Die slavischen Namen in Albanien reichen bis an die adriatische
Küste, es nimmt Gustav Meyer in seinem alban. etymol. Wörterb. S. 14 s. v.
arber sogar an, daß die Benennung der südlichsten albanischen Landschaft, der
Gegend nördlich von Korfu, die L'abfri, ihren Namen dem slavischen Einfall
verdanke, indem Arbfrl im slavischen Munde der Liquidametathese unterlegen
sei, was als Zeichen angesehen werden müßte, daß das gesamte albanische
Gebiet von den Stürmen der slavischen Völkerwanderung durchbraust wurde.
Jedenfalls reichen slavische Ortsnamen durch ganz Albanien, bis an die Küste
602 Kleine Mitteilungen.
vergl. in der Müsekje südlich von Durazzo au der Krawasta-See Orte wie
Dol, Gradista, Kamne, und nur durch eine innige Berührung läßt sich der er-
heblich große altslavische Wortschatz begreifen, den die albanische Sprache
besitzt.
Die altsla vischen Bestandteile des Albanischen sind von einer ganz außer-
ordentlichen Altertümlichkeit. So sind die Nasalvokale noch heute konser-
viert, vergl. z. B. ptndar , Hüter von Feldern und Weingärten' aus ksl. p9darB
»Hüter', oder skutarinisch suudoj , regiere, residiere', wo die serbo-kroatische
u-Färbung des Nasals im Nordalbanischen niedergeschlagen ist, aus asl. S9diti
,richten', usw. Aber nicht nur diese Erhaltung der Nasalvokale, die heute im
Rumänischen und andern Sprachen bewahrt werden, ist beachtenswert, son-
dern auch die Erhaltung der slavischen Halbvokale. So erkennt Meyer im
alb. etym. Wörterb. S. 250 im Tuge , Löffel' das alte Grundwort *l'i.ga von
Hzica, serb. lazica , Löffel' und daß die Balkansprachen in der frühbalkanischen
Zeit der alten Südslaven das 'h als u hörten und wiedergaben beweist unwider-
leglich das rumänische Wort für 100, sutä, das eine sehr alte Entlehnung
von s'bto ist, geradeso wie die Albaner ihre eigene Bezeichnung für 100
aufgaben und dafür das lateinische centum als kint übernommen haben.
Möglichenfalls ist auch albanisch ul'k ,Wolf' nach Endzeliu, Kuhns Zeit-
schrift Bd. 44, S. 61 aus einem altsüd-slav. vilk-h entlehnt (Endzelin schreibt
VT>lkx, was für Gründe er für diese Schreibung hat, weiß ich nicht, ich
schrieb VLlkx, mache ihn aber auf sul'e aufmerksam), wobei Endzelin her-
vorhebt: die Verbindung vu kennt ja das Albanesische, wie es scheint,
nur in jüngeren Lehnwörtern. Er nimmt also, mit andern Worten gesagt, an,
daß aus dem slavischen Halbvokal ein u entstanden sei, vor welchem dann
das V schwand. Uns interessiert vor allem dieses u, das aus t> entstanden ist.
Das lettische ulks ,Wolf', für das Endzelin 1. c. Entlehnung aus dem Russischen
angenommen hat: »Das mir nur aus UUmaun bekannte ulks ist eher (mit laut-
gesetzlichem Verlust eines u vor u) aus dem Russischen entlehnt, zu einer
Zeit, da lür volk noch v^lkt (von hier scheint ein vxlki. fürs Südslavische aus
Versehen gesetzt worden zu seinlj gesprochen wurde (russ. x wird ja auch
sonst in Lehnwörtern durch lett. u wiedergegeben) ■', ist nach seiner Darlegung
fremd. Damit könnte man im bisherigen Glauben an die Ererbheit von alban.
ul'k erschüttert werden, die Pekmezi in seiner alban. Gram. S. 20 unter Ansatz
eines tiolq"os vertritt. Endzelins Standpunkt ist indessen auch begründet
genug, um eine Erwägung anzuregen. Freilich betont er »möglichenfalls«.
Mag aber alb. ul'k entlehnt sein oder nicht — auf dieses Beispiel kommt es
nicht an — , daß der slavische Halbvokal % durch u wiedergegeben wurde,
das steht nicht in der Frage. Viele Belege heranzubringen, darf man freilich
nicht verlangen, da der altslavische Bestandteil des albanischen Sprachgutes
natürlicher Weise nicht allzuviele der wenigen Wörter besitzen wird, die den
slavischen Halbvokal zwischen zwei Verschlußlauten aufweisen. Auf solches
Material kommt es hauptsächlich an, da man dem Vertreter von Liquidagrup-
pen kein Vertrauen schenken darf. Übrigens ist die Annahme, daß das rumä-
nische sutä aus sxto entlehnt sei, in keiner Weise zu ixmgehen, damit ist aber
auch ein unwiderlegbarer Zeuge für die Wiedergabe des t mit u erwiesen
Kleine Mitteilungen. G03
Daß altslavische Entlehnungen also eine höchst altertümliche Form zeigen,
braucht nach dem bisher Angeführten nicht weiter betont zu werden. Was
aber der Sprachschatz der Allgemeinheit spiegelt, das kann auch das Gut der
Karte, das kann auch der Einzellandschaft in der Benennung geographischer
Ortlichkeiten zukommen.
Wir kehren zu dem Namen der Stadt Dibra hiermit zurück. Ein Blick
auf die Karte zeigt sofort: hier war einmal alles unter slavischem Einfluß. Die
ganze Namengebung zeigt noch heute das Land, das der Slave besetzte, oder
wenigstens doch beherrschte. Wir müssen uns hier freilich bloß an den We-
sten, an. das Tal des Drin halten, um eventuellen Vorwürfen zu entgehen, aber
auch hier ist alles slavisch: der Ort Chrbel ist nach bulgar. hrtbel , Scharte'
benannt, weiter südlich folgt Grazdan, Makelari, Blata e siper, Blata e eper
Gorica, IV2 Stunden von Dibra liegt die warme Quelle Banica, so daß schon
angesichts dieser Namen eine Behauptung, Dibra könne nicht Debri. gleich
aksl. dtbrx ,(p('<Quy^, Schlucht, Kluft, Tal' sein, widerlegt ist. Denn dieses
Wort erscheint im Serbokroatischen , Slovenischen , im Cechischen usw. in
der Toponomastik so weit verwendet, daß namentlich dem serbokroat. Dabar
gegenüber die Entstehung der Bezeichnung aus dtbri. ohne weiteres zuzu-
geben ist. Wenn übrigens der Westen lauter slavische Namen zeigt, so ist
eine Entstellung eines älteren Namens durch die Slaven widerlegt. Bei Blata
e sipare und Blata e eptre hätte nichts näher gelegen als dieAlbanisierung mit
bal'te , Schlamm, Sumpf; nichts dergleichen ist erfolgt, also braucht auch nicht
umgekehrt angenommen zu werden, daß ein älteres alban. Dibra im Slavischen
zu Dibr-B geworden sei. Wenn es lautgesetzlich möglich gewesen wäre, würde
noch immer zu fragen sein, wieso die Inlautgruppe br auf albanischem Boden
möglich sei. Die ganze Umgebung von Dibra ist slavisch benannt, (der Ort
ma^Lcrari ist ganz offensichtlich jung gegründet, da das Wort selbst im Al-
banischen jung ist = neugr. fj.ixeXXc<qis = aksl. makelart) , so daß auch der
Name von Dibra nicht anders als slavisch sein kann.
Aus der Erklärung des Namens von Dibra durch aksl. dtbrt ergibt sich
ohne weiteres die Erklärung der Differenz in der heutigen Benennung durch
Slaven und Albaner: das albanische i ist der Eeflex des alten l, so wie es das
e auf bulg. Boden ist. Im Namen der Stadt Dibra ist also noch ein Überrest
der alten Artikulation des Halbvokales b erhalten, der in l'uge — ^Ixga, Hzlca
für ■!> sein Gegenstück hat und von der Aussprache des alten x und b in alter
Zeit berichtet; lux müssen wir als stimmlose u und i betrachten. Die gleiche
Wiedergabe von x und b zeigen die baltischen Lehnwörter, etwa die des
Altpreußischen aus dem Urpolnischen. Vgl. Trautmann, Altpreuß. Sprach-
denkm. S. IXX. K. Treimer.
Zur Entdeckung des -^Glagolita Clozianus«.
B. Kopitar schrieb im Jahre 1836: »Hodiernus demum arcis et codicis
dominus, lUustriss. Comes Paris Cloz, Tridentinus S. Hieronymi thesaurum
examinatnrus curiosius, miserat folii 9 r. primarum octo lincarum diligentissi-
mam in charta pellucida imitationem ad ipsos glagolitas dalmatas! Mirabuntur
604 Kleine Mitteilungen.
ipsi quidem, si suam lectionem cum hac nostra editione contulerint!« (Glago-
lita Clozianus, Vindobonae MDCCCXXXVI, S. V.)
Eine Erklärung zu dieser etwas ironisch klingenden Bemerkung Kopitars
finden wir in dem großen handschriftlichen Werke des in weiteren Kreisen
unlängst noch ganz unbekannten kroatischen Schriftstellers aus Vrbnik auf
der Insel Krk (Veglia), Ivan Feretici; >Fragmen Historiae Civitatis et lusulae
Vegliae-Komad skazanja i povidanja od Grada i Ottoka Kerskoga illiti Vegl-
skoga«. (Reinschrift aus dem Jahre 1819). In der späteren Ergänzung zu
Seite 49 bespricht er die Entdeckung des Glagolita Clozianus: »welcher von
dem heiligen Hieronymus eigenhändig geschrieben und bibliae pars in lingua
croatica scripta enthält«. Dies alles erfährt Feretic aus dem Briefe des Grafen
Paris Cloz, den dieser an Ivan Antun Sintic, Bischof von Krk, richtete.
Der Brief des Grafen Cloz nach der Abschrift Feretiö' lautet:
Monsignore !
In prima dimando perdono, se senza l'onore d'una personale cogno-
scenza, io mi prendo la libertä di presentarmi con questa lettera. Un
manoscritto, preteso Tautografo di S. Girolamo, me ne apre la strada e
rimportanza di tale oggetto farä le mie scuse. Verso l'ultimi del mese
d'Ottobre ritornai da una gita, fatta nella mia Signoria di Mariestein,
Sita nelle vicinanze di Kufstein, e colä levai dal mio Archivio il predetto
Ms., forse per quattro secoli intatto, coli' idea di farlo, se mai possibile,
maggiormente comprovare. Tale scritto e sopra la carta pergamena, e
riguardo al materiale nulla sembra ostare all' autenticitä, perche sopra
questa gia si scriveva diversi secoli prima della nascita del nostro Santo,
che venne al mondo nel 330 circa, e mori nel 420. Vide Pergamena-Cam-
bres nel suo Dizionario universale. Riguardo alla lingua, io non la conosco,
ne so in quäle era scritto. Occhiudo un pajo di righe copiate, o per
meglio dire, malmente dipinte dal predetto Ms., onde poter rilevare ee
questa lingua esisteva al tempo del prelodato nostro Santo. Sopra Io
stesso Ms. in pergamena si trova in latino l'Autentica seguente. Nota.
»Isti quinterni hie intus ligati etc.
Leteralmente con M. di Gio. Ferdinando Barone de Schürf in Alle-
1) I. Feretic (1769—1839) »Parochialis et Decanalis Ecclesiae Verbeni-
censis sacerdos<, war ein sehr fleißiger kroatischer Schriftsteller. Er verfaßte
zwei historische Werke über die Insel Veglia, dichtete sehr viel, befaßte sich
mit Botanik, sogar mit Medizin. Davon wurde nichts gedruckt. Er studierte
einige Jahre in Venedig, wo er sich die italienische und lateinische Sprache
aneignete. Als Historiker kritiklos, bietet er eine Fülle von wertvollen Notizen
über die Vergangenheit der politisch und kulturhistorisch so interessanten
Insel Krk. Professor M. Bartoli würdigt auch Feretic' Nachrichten über das
Romanische der genannten Insel (Das Dalmatische I. 226 — 227). Der biedere
sacerdos verbenicensis wurde so neurasthenisch, daß er sein Leben durch
Selbstmord beendete. Näheres über sein Leben und Wirken in meinen Artikeln
»Viaski i stari romanski jezik na Krku« (Zbornik za nar. zivot i obicaje IX.
12— 20)< und »Pop Ivan Feretic, krcki istorik« (Gracta za povijestknjizevnosti
hrvatske VII. 329—361).
Kleine Mitteilungen. 605
mano, Qaesto libro scrisse di proprio pugno S. Girolamo in lingua
Crobata«.
Nota bene, che questo Barone Schürf, mio antecessore, come Dinasta
di Mariestein era insignito delle primarie cariche, e uomo superiore ad
ogni eccezione.
Forse che a Veglia vi siano dei dati e delle memorie, confirmanti la
predetta autentica; forse si ritroverä lo spoglio, fatto dopo la morte di
Giovanni Frangepane, Sig.-re di quell' isola. Forse esiste l'altra parte di
questo libro, che non venne in mano del sacerdote Luca de Eenaldi ec.
lo mi prendo l'ardire di pregarla, Monsignore, di fare possibilmente
rillevare le circostanze neir autentica espresse, ed io ben volentieri mi
sottoraeto alla spesa per tali indagini necessarie, che ella si compiacerä
d'indicarmi. Se tale manoscritto e veramente autografo del nostro Santo,
io pubblicherö il possedimento; affinche la storia e la S. Chiesa ne possa
rittrare il maggior friitto possibile. Io di nuovo supplico MonsigJ'e di
scusare la libertä, con la quäle ricorro in tale circostanza, e nello stesso
tempo colgo con sommo piacere il fortunato incontro di esternare la mag-
giore mia stima e rispetto, con cxxi ho l'onore die Professarmi
Trento adi 3 Gennajo 1829.
Di Monsignore
Umilisso e Divotissimo Servitore
Paride Conte Cloz.
Feretic fügte folgende Worte hinzu:
Fu data larisposta, etutto quello si ha verificato, che contal'auten-
tica, ma nessun avanzo non si pote trovare del resto di quella opera
manoscritta, che con tanta . . . ietä e premura il Sig"" Barone desiderava
e ricercava. Chi sa in che mano infortunata era essa caduta. Io piutosto
sono persuaso a credere, che l'autentica sia veritiera, e che Tautografo
sia proprio del pugno di S. Girolamo. Si dovrebbe andare a Trento per
rilevare la ferma e stabile veritä. Ciö molto preme e molto interessa.
Per sfnggire qualunque faticha e difficoltä, procurasi provedere: »Glago-
lita Cloziano< del Kopitar, ed ivi si vede dilucidato tutto l'occorribile.
Wie man sieht, beruft sich hier Feretic auf die Kopitarsche Ausgabe des
^Glagolita Cloziauus«; seine Bemerkung stammt also aus den letzten Jahren
seines Lebens.
Aus der früheren kroatischen Darstellung Feretic' im Werke selbst er-
fahren wir, daß Bischof Sintic ihn mit der Aufgabe betraute, die Sache zu unter-
suchen und dem Grafen Cloz zu antworten. Feretic nahm wahr, daß die Schrift
in den in Mariestein abgeschriebenen, oder besser gesagt nachgezeichneten
zwei Zeilen, wohl glagolitisch, aber von der »jetzigen« (d. i. eckigen) sehr
verschieden sei. Feretic sagt weiter: »Od ovih (d. i. Lettern) i ja nikoliko vi-
dil, dali mnogo zlo potegnjenich, jer potegnjene od italijana, koji ne pozniva
ni nasega jezika ni glagolskogapisma; sve potezi tako zlocesto bijase ucinil,
da se jedva mogase koja besida dvignuti i razumiti. Poklam ista slova Jesu
mnogo razlicna, premda i glagolska, od sadasnjega glagolskoga pisma«. Da-
rum richtete er im Namen des Bischofs Sintic an den Grafen Cloz das An-
606 Kleine Mitteilnngen.
suchen, das Manuskript behufs Untersuchung nach Krk zn senden. Der Graf
wollte aber diesem Wunsche, erzählt Feretic, nicht willfahren.
Was weiter mit der berühmten Handschrift geschehen ist, wissen wir aus
den Prolegomena Kapitars.
Ivan Feretic und Bischof Sintic sind jedenfalls die glagolitae dalmatae
Kopitars. I. Milcetic.
Zur Bibliographie der kroatisch-kajkavischen Literatur,
Für die folgenden Notizen glaube ich ein Interesse bei den slavischen
Forschern zu finden, da die Notizen einige interesante Momente aus der älte-
ren kroatischen Literatur zeigen. Um nicht in die Länge das Besprechen zu
ziehen, gehe ich zur Sache über. Sämtliche Kleinigkeiten sind in der kg. Za-
greber Universitätsbibliothek aufbewahrt.
I. Es ist mir nicht bekannt, daß irgendwo mitgeteilt wurde, daß zu Th.
Miklousic, »Huta pri Szavi ili lyübav za lyi'ibav. Igrokaz Narodni vu dvöjem
Zpelyivanyu Pri Predävanyu Iliriuma napervoztävlyen Vu Zagrebu dän 1 vi
Vszeszvetschaka 1822« ein deutsches Original gefunden wurde. Safafik er-
wähnt in seiner Geschichte, daß dieses Werkchen aus dem Deutschen über-
setzt wurde. Ich habe diese Behauptung im Jahre 1894 in Vijenac 708 über-
nommen. Bei der jetzigen Bearbeitung der kroatischen kajkavischen Literatur
gelang es mir, die Safariksche Behauptung auch beweisen zu können. Die
vollständige Beweisführung kann ich doch nicht durchführen, weil das mir zur
Verfügung stehende Exemplar, wie es scheint, nicht vollständig ist. Mir ist
nämlich bei der Hand: >Prolog sammt damit verbundenen Tableaux und Schluß-
gesang welcher bey Gelegenheit des von Seite der königlichen Frey-Stadt
Agrara am Iten November 1822 gegebenen Frey-Theaters zur Feyer der durch
Seine Excellenz Herrn Grafen Joseph Majlath. von Szekely, Commandeur des
königlichen ungarischen St. Stephans-Orden, goldenen Civil Ehren-Kreutzes
Ritter, k. k. wirklichen geheimen Rath, Kämmerer, Königlich ungarischen
Schatzmeister, dann Präsident der Königlichen ungarischen Hofkammer, und
Obergespann des Veröczer Comitats, als Allerhöchst bevollmächtigten König-
lichen Hof-Kommissär vollzogenen Uibergabe des jenseits der Save gelegenen
Croatischen Gebiethes vorgetragen wurde. Agram, gedruckt mit von Novoßr-
schen Schriften«.
Dieser große Titel ist wortgetreu in's Kroatische übersetzt als »Predgovor
z-Prilosenemi Pokazi y dokonchnum Peszmum Vu obchinzkom zlobodnem
od zträne Krälyevzkoga Varasha Zagrebechkoga naredyenem, Igrokazu, Pri
Predävanyu Prekszavzkeh Horvatzkeh Kotarov po Nyih Excellenczie Gospo-
dinu Grofu Josefu Mailäth od Szekkelya kakti Kralyevskomu z-Punum
Oblaztjum pravitelu Dän 1 Vszeszvetschaka 1822 odicheno dovershenem na-
pervopoztavlyen. Vu Zagrebu Pritizkan Szlo vami Novooszelzkemi« . Im Prolog
so wie in Predgovor ist die vollständige Übereinstimmung, d. h. Prolog wurde
im Predgovor nach den damaligen kajkavischen literarischen Auffassungen
übersetzt. Schon aus dem Titelblatt kann man herablesen, wie es mit dem
Übersetzen steht. Hier werde ich nur noch einige Zeilen hervorheben.
Kleine Mitteilungen. 607
Auf der S. 4 steht es : Das Theater stellt eine kurze Waldgegend vor.
Gledalische napervoztavlya malu lozicu. Erstes Tableaux. Pokaz I. Die
Kunst, die Handlung, die Industrie stehen in trauriger Stellung neben
ihren Attributen, ein Kroatischer Bürger und ein Bauer, beyde in ihrer Landes-
tracht stehen an beyden Stellen des Theaters nachdenkend, und ebenfalls
traurig, hiezu kömmt Croatiens Schutzgeist. In der Miklousic'schen Über-
setzung heißt es: (Mestria, Tergovina, y Gozpodaria, vu Zpodobah Vilh, z-pri-
mernemi szvojemi Czimeri saloztne ztoje: j^den takaj Varaschan, y jeden la-
danyzki chlovek, vu narodnoj szvoji opravi, vszaki na szvojem kräju,
zamishlyeni, y saloztni glediju: nad to dojde zverhu Horvatzke Zemlye zkoz-
nujüchi Duh, y govori;). — In dieser Weise entwickelt sich die Übersetzung
weiter. Nur am Ende des Prologs steht »Chor«, welches Wort vom kroatischen
Übersetzer nicht erwähnt wird.
Die drei Blätter, die ich in der Hand hatte , scheinen eine weitere Ent-
wicklung gehabt zu haben. Mir scheint nämlich, daß auch die ganze >Huta
pri Savi« in der deutschen Sprache abgefaßt und hier abgedruckt wurde, so
wie es in der kroatischen Ausgabe ist. Die damaligen sozialen Zustände in
Zagreb waren solche, daß das intelligentere Publikum lieber die Vorstellung
in der deutschen Sprache als in der kroatischen anhören mochte. Die deutsche
Theatergesellschaft hat die Vorstellung im Jahre 1822 ermöglicht. Darin
finde ich auch einen Beweis, daß in Zagreb schon im zweiten Dezennium des
XIX. Jahrh. das deutsche Theater mit einer geordneten Gesellschaft deut-
sche Vorstellungen ausführte.
II. Die Buchdruckerei von Novosel in Zagreb unterhielt einigermaßen
die literarische Verbindung am Ende des XVIII. Jhdts. So erschien hier auch
auf 1 Seiten: »Szlavnem Varmegyam od Erdölszke y Topolovechke ban-
derialszke kompagnie vu vremenu szvojega raszpuschenya szlavnu szlavu da-
vali jeszu. Dneva petoga Januara Letta 1798. Vu Zagrebu, Pritizkano
vu czesz. kraly. szlobodnoj Novoszelszkoj 8zlovotizki<.
Bei Kukuljevic finde ich nirgends die Erwähnung dieser Flugschrift.
Aus jenen Jahren, in denen dieses kleine Schriftchen erschien, gibt es in der
kroatischen kajkavischen Literatur sehr wenig dichterische Produkte. Es
ist bekannt, daß diese Jahre in mancher Beziehung für alle dramatischen Ver-
hältnisse viel zu wünschen übrig ließen.
In literarischer Hinsicht ist das oben erwähnte Schriftchen interessant,
weil es uns in militärischen Sachen nicht poetische, sondern in gebundenerForm
dem täglichen Leben entnommene Vorfälle vorführt. Im ganzen sind es 5 Stro-
phen. Der Verf dieser Strophen ist unbekannt. Doch ist es interessant, was das
Militär, und es scheint fremdes gewesen zu sein, den Kroaten zu sagen hatte :
Moramofze raziti, z-Bogom vfzi horvati,
Gofzpoda y Mufi, Bog vam za vfze plati,
Za kruh y za vino, za zob y za fzeno.
Z-jednum rechjum za vfze kaj je potroffeno.
Es wird weiter um Entschuldigung gebeten, wenn was von den Soldaten
dem Volke angetan wurde. Der Bruder des Kaisers verabschiedete sich von
608 Kleine Mitteilungen.
den Soldaten in Zagreb. Was er sagte, ist richtig, denn die Soldaten haben
alles nur für's Vaterland geleistet. Vaterlandsliebe wird hervorgehoben.
III. In einem Bändchen Plausus ab archigymnasio r. zagrab. datus 1790
findet man von Pctar Katancic ein lateinisches Lyricon an Joannes Erdödy
mit der Hervorhebung des lUyriums (Ulyrici ad mare Nigrumque, Hadriacum
et Thermaicum sinum). Das Gedicht wurde in Fructus autumnales 1794 S. 20
abgedruckt. Weiter ist Glasak Ljuhice Vile shuinske k-feftri Milici u gori
zelenoj nixe grada Sainobora. Dieser Glasak besingt den Grafen Joannes Er-
dödy, der Beschützer und Kuhm der Slavonska zem|a werden sollte.
Auch dieses Gedicht erschien später in Fructus autumnales S. 61. Nach
diesem Glasak ist Magyar Laut (Magyarische Leier) abgedruckt. Auch
diese Leier ist dem Erdödy bei seiner Ernennung zum Banus gewidmet. Ich
hebe es hervor, daß Katancic sagt: Joannes ist Horvät es Magyar (Kroate und
Ungar). In Kroatien wie in Ungarn haben die Erdödy gekämpft und Janos
erscheint als Kroate und Ungar zur selben Zeit durch seine Arbeiten.
Ich weiß nicht, ob Katancic auch andere ung. Lieder verfaßte. Aber ein
Zeichen der Zeit war es, daß im J. 1790 von den Studenten des Zagreber Ober-
gymnasiums ein solches Buch herausgegeben wurde und daß Katancicsche
kroatische Lieder in diese Ausgabe Eingang fanden.
Zagreb. -Ö-. Surmin.
Zur Reduplizierung der Präposifio7i si.
Zu den Notizen über die Reduplizierung der Präposition st>, beziehungs-
weise zt, die in den letzten Jahrgängen dieses Archivs (XXXI, 477; XXXII,
620 flf.; XXXIII, 318 u. 611 und XXXIV, 621) enthalten sind, könnte noch eine
diesbezügliche Mitteilung angereiht werden.
Dieselbe Erscheinung der Reduplizierung von s^ (zt) ist nämlich auch
im Resianischen stark vertreten und diesbezügliche Beispiele kann man in
Baudouin de Courtenay's Materialien zur südslavischen Dialektologie (I. Re-
sianische Texte. St. Petersburg 1895) zusammensuchen. Mögen nun hier einige
angeführt werden: 6" zaz n^u, mit ihr; 83 flajso zez vodo, die Flasche mit dem
Wasser; 98 zaz ml», mit mir; 9 12 zaz n^in, mit ihm; ll^ zaz wardjo zes soldadi,
mit der Garde mit den Soldaten; l\^ zez ninvelikin guston, mit großem Ver-
gnügen; 12 10 zes rasti, vom Laubbaum herunter; 20'5 2iskorbo, mit dem Korbe;
293 zas kon^ämi,, mit den Pferden; 31 10 ziz i;in, mit ihm; 395 ztz ii^in und z ij^in,
mit ihm; Bin zbs planyne, von der Alpe; 1492 sbs trave, aus dem Grase; \öQ*
zas fjimi., mit ihnen; 1755 siz doma (z doma, vom Hause); 205'? ;:(72ij^u, mit ihr;
zaz T\in, mit ihm; zaz mnu, mit mir; 205 n zas cupynon, mit dem Spitzhaken;
20512 zas dask>mii, mit Brettern; 235 1 zaz vcer sucon, mit wahrem Herzen
(con ver cuore); 235ii Na stüjy zas Tvin bratron, sie wohnt mit deinem Bruder;
2554 siz ij^in, mit ihm; 255« u. >o siz i^^ü, mit ihr; 3298 Zwon Lenärtou ziz brado
(mit dem Barte); 422 n zaz mastjo, mit Butter . . . usw.
Interessant ist der Vokalwechsel in der Reduplikationssilbe: zbz [sbs),
zez, ZIZ, zaz . . . sowie die Assimilation (beziehungsweise Dissimilation) im An-
und Auslaut derselben: zis, lis, zu, siz, siz. . .
Kleine Mitteilungen. 609
Das Beispiel ziz mlü {c-k A«hH* mecum) finden wir schon in Miklosich' Laut-
lehre II. Aufl. pag. 317 vorgemerkt. Es scheint, daß das »s« im Anlaut manch-
mal auch dann redupliziert wird, wenn es nicht gerade die Präposition dar-
stellt. So finden wir z. B. bei Pletersnik (II, 471) zwei solche Beispiele, näm-
lich sesljav und sesamojda, die hier einbezogen werden könnten, voraus-
gesetzt, daß die angenommene Erklärung derselben richtig ist. Im asl. c'kc;KA'K
(vas) c-KCfrtiaHHHTv lindigena) können wir ebenso wie in c;Rc1iA'ii (vicinus) Zu-
sammensetzung mii c;r (cum) annehmen. Ob das gleiche auch bei chcKAaKhN'K
[axXaßtji'of) der Fall ist, scheint schon bedeutend fraglicher. Reduplizierung
der Präposition ist aber entschieden anzunehmen in folgenden asl. Beispielen:
C'hCBASdTH und ChCKrfi.SC'BdTH für C'hKrfi.SaTH Und ChKA.SORdTH (COlHgarC), CKCKp-HITH
für c'hKp'hiTH (abscondere), c-KCKcivTdTH für c-hKo^rdTH (componere, sepelire) [ob
von K.T^T'h (angulus), der Ruhestätte stiller Winkel?? kaum!], cKc.u-tcHTH für ck-
iwfccHTH (commiscere), c-ucu-fcujfHHie für chAv-kmeHHi«; (commistio), cKcp-kcTH für
cTvp-fccTH (obviam fieri), ckctkophth für cktkophth (conficere), ckctokt» für c-k-
T^K-K (facultates), c-KCTAPH-TiTH für c'KTArH;KTH (coutrahere), c-hCTASdTH CA für
c'kT/Ä.sdTH CA (disputare) und c-kc-kaa^tphth (conicere) von cKAtorpHTH (spectare)
zu AvoTpHTH (spectare), c'h.cT;K»;HTH für c-kt-i^skhth (affligere) zu T;R;t;HTH (urgere'.
Um auf die Erklärung der beiden Beispiele zurückzukommen: sesljav
ist nicht von sesljati (s statt s sprechen) abzuleiten, denn es bedeutet nicht
blaesus, sondern flagranter cupiens und geht auf sljä (Lust, Verlangen) zurück.
Pletersnik (II, 503) schreibt sla statt slja und (S. 507) slav statt sljav (lüstern,
begierig). Die Ableitung dieses Wortes von der Wurzel sul (brennen) mit dem
Suffix -ja (vgl.postelja, zelja u.a.) habe ich imLjubljanski Zvon (XIII, 698) dar-
zulegen versucht und die Bedeutung von sljä als brennendes Verlangen
(Brunst d^vf^og und ini^va ia) nachgewiesen.
Sesamojda (riechende Nießwurz, helleborus graveolens) halte ich für sa-
möjeda (etwa selbstätzende oder beizende Pflanze), zu vergleichen mit samo-
jeja (ranunculus acer); beide im zweiten Teil auf die Wurzel jad zurückzu-
führen; vgl. jedek = ätzend, beizend. — Der scharfe Hahnenfuß führt auch
den Namen slanovrat und dieser Name ist in seinem ersten Bestandteile auch
auf die Wurzel sul (brennen) zurückzuführen, während der zweite Bestandteil
auf vort (drehen, wenden, bohren, wühlen) zu beruhen scheint. Vgl. vratfc
(tanacetum); der Rainfarn oder das Wurmkraut ist als Arzneimittel von ter-
minaler Wirkung, das die Eingeweide aufwühlt. Die Wirkung der in diesen
Pflanzen enthaltenen ätherischen Öle und beizenden Säfte ist ein scharfes
Brennen, ein ätzendes Jucken.
Der scharfe Hahnenfuß scheint, nach dem Namen pizdogriz (vgl. srbo-
ritka Hagebutte) zu schließen, als kitzelndes, juckendes Aphrodisiacum be-
kannt zu sein und hat wahrscheinlich auch wie Belladonna, Bilsenkraut und
Honigklee, wie Safran, Senf und Schierling im Atzpflaster Verwendung ge-
funden. Die Namen samojeja oder samojeda und solnovrat oder slanovrat
scheinen darauf hinzudeuten, daß diese Pflanze scharfe, ätzende Säfte enthält,
die Brennen und Jucken hervorrufen. — Die Kürzung *samöjda aus samojeda,
ähnlich wie b6jda aus bäjöda [(paai 6ti), morda oder a»0/ka'» (aus Ai^^KexTi aj)
menda aus menim da = (meuBu da), haben wir wohl der Betonung auf der
Archiv für slavische Philologie. XXXV 39
610 Kleine Mitteilungen,
Antepenultima zu verdanken. Die gleiche Betonung in samo-kompositis
haben wir auch in samotezni voz oder satnötezuilc (Handwagen) und in samö-
strina [samöstrelinn) oder samöstrica ( samöstrelica) die Billichfalle (die von
selbst losgehende).
Sesljav und sesamojda wären also zwei Beispiele von redupliziertem s-
Anlaut ohne Rückbeziehung auf die Präposition st, — oder sollte in c;RCAtaR'k
eine Schwächung des crtiaK-K enthalten sein, wie in c;?iK-k(\'k subalbus , c;s^r;RCT'K
aliquantum densus, c;RA\pdK'K (Dämmerung) usw. L. P.
Zur slovenischen Ortsnamenkunde.
Altslovenisches ^ im Anlaut wird bekanntlich im Neuslovenischen zu
vo, z. B. ;RrA'K vogel, x^-Aih. voz, x^si voza, ;r.3A'k vozel, xstiktv vozek, sic-fcHHUd
vosenica, s.ta-k votel, *tpoka votroba, s;\-aTH vohati usw. Dies muß man sich
auch bei der Ei'klärung der Ortsnamen gegenwärtig halten — und es sind die
verschiedenen Vodole nicht, wie manche anzunehmen scheinen, von voda
(Wasser) + Suffix -olx abzuleiten, sondern sie sind einfach mit dem altslove-
nischen ^aoa-y>. (vallis) zu vergleichen. Wenn auch das Appellativum vodol
(Seitental) in unseren Wörterbüchern nicht vorkommt, aber als Nomen pro-
prium ist es gleichwohl in Ortsnamen noch häufig erhalten. Als Beweis für
die Richtigkeit der Parallele von asl. ;fiAOA'K und nsl. vodol möge uns folgen-
des Beispiel dienen.
In der Gemeinde Haimburg (sloven. Vobre) im Bezirke Völkermarkt
(Kärnten) ist das Dorf Wandelitzen (sloven. Vodovnica). Die deutsche (?)
Namensform Wandelitzen entspricht einem asl. ;RA«AHHd, die slovenische einem
;KA«AkHHi;A, die erste, direkt aus dem Substantiv ;ra«ak, ist einfach deminuie-
rend, die zweite aber, aus dem Adjektiv ;KA^rtiiH'k abgeleitet, hat die Substan-
tivierung des genannten Adjektivs vollzogen.
Einen übernommenen Namen pflegt die Entlehnerin entweder möglichst
unverändert fortzuerhalten, wie sie ihn übernommen hat, oder etwaige Ver-
änderungen werden meistenteils gleich bei der Übernahme nach den Normen
der übernehmenden Sprache vollzogen. Die Übernehmerin scheint jedoch
dann konservativer zu verfahren als die Schöpferin des Namens selbst.
Während z. B. das Slovenische den deutschen Namen Susenberg in der Form
Zuzemperk übernommen, dann aber denselben keinen weiteren Veränderungen
unterzogen hat, ist im Deutschen selbst von da an noch die ganze Dipthon-
gierungs- undUmlautsentwickliing durchgemacht worden : (Susen-, Sausen-.
Sausen-, Seisenberg). Ebenso hat das Deutsche den slovenischen Namen
^AOAHUd in der Form Wandelitzen zu einer Zeit übernommen, wo der Nasal
noch deutlich vernehmbar war, und hat demnach in der ersten Silbe die Nasalie-
rung erhalten, während im Slovenischen selbst dieselbe in der späteren Periode
verschwunden ist, so daß wir aus ;siA«'Ai»nHi;d ein Vodolnica und nach erfolgter
Velarisation des >!« ein Vodovnica bekommen haben.
Daß auch der Name Vobre das >v« im Anlaut erst vorgesteckt hat und auf
ein ursprüngliches Obre (von obrin = avarin, der Avare, Riese) zurückzuführen
Kleine Mitteilungen. 611
sei, bekundet der deutsche Name Haimburg (statt Hennburg gleich Hiinen-
burch d. i. Burg der Hunnen od. Riesen), im XII Jahrhundert Huninburc.
Soteska 'Talenge, Engpaß' erweckt bezüglich der Ableitung noch einige
Zweifel, sollen wir das Wort mit soseske 'Gemeinde', gosposka 'Obrigkeit',
vojska 'Kriegsheer' und zenska 'Weibsperson' in Parallele stellen, somit die
Ableitung mit dem Suffix -tsko statuieren, oder sollen wir das >sk« zum
Stamme rechnen. Zusammensetzung mit dem Präfix sü (sa) wird in beiden
Füllen angenommen. Miklosich stellt (Etym. Wb. 357) das Wort unter -tisk
(trudere , durch Steigerung -tcski. angustus). — Die gewöhnliche Aussprache
»soteska« mit betontem »e« (i) in der zweiten Silbe verträgt sich ganz gut mit
dieser Etymologie. Wir haben jedoch neben »soteska« mit betontem ■£ in den
steierischen Dialekten auch die Bedeutungsform > soteska« (coxLCKa), und da
ist vom offenen i der Steigerungssilbe »-teski.« nichts mehr zu merken —
und wir müßten nun zur Erklärung dieser Erscheinung nach Vondräk (Vrgl.
sl. Gr. I, 66; konstatieren, daß unbetontes i nur noch als t. gehört wird und
daß dieser Halbvokal nun allmählich schwindet, um schließlich ganz zu ver-
schwinden. So haben wir z. B. in Unterkrain an der Gurk den Ortsnamen
»Soteska 'Ainöd'« und im Cillierkreise bei Neukirchen in Steiermark »Söcka
'Einöd'«. Auch das verträgt sich noch mit der angeführten Erklärung, also
mit -teski. 'angustus'. Nun haben wir aber in Steiermark mehrere Orte namens
Sotensko oder Sotonsko und für einen von diesen, nämlich für Sotensko bei
Kalobie hat uns Zahn (Ortsnameubuch 468) aus dem Jahre i'MS die urkund-
liche Form »Zoteska« verzeichnet. Wenn wir daneben die altslovenischen
Formen c-kt/asiith ca, axEi'ovafini und T^i^athHT», aiEros in Berücksichtigung
ziehen, so kommen wir auf die Wurzel teng, durch Steigerung tong, woraus
sich dann mit dem Suffix -Lsko die Formen *tezLskx und *tazi>sk'i. gewinnen
lassen und daraus mit erhaltenem Nasal wieder *tensk und *tonsk. Es fragt
sich jetzt nur, ob die verschiedenen Sotensko die Lokalprobe mit dieser Er-
klärung aushalten, ob sie wirklich Engen sind, wo sich die Talwände zu-
sammenziehen. Fiat applicatio! Und was ist Ainöd? Valvasor (XI, 11) meint:
eine rechte Einöde, eine wahrhafte Wildnis. Er denkt dabei an den Begriff
»samota, puscava«. Es hat jedoch schon Grimm (III, 240) konstatiert, daß im
vorangestellten <'m ein Pleonasmus vorliegt, da in öih selbst schon die Vor-
stellung der Einsamkeit und Verlassenheit liegt. Ich möchte nur noch hinzu-
fügen, daß der mit slov. Soteska korrespondierende Ortsname Ainöd nicht
den Begriff »desertum, solitudo« zum Ausdruck bringen will, sondern genau
dem Begriff »angustiae« entspricht. Es ist das bei Grimm (III, 472) verzeich-
nete »Engede 'angustiae'«. — Vgl. Izvestja mnz. drustva zaKranjsko. XVIII,
98. Anm. L. P.
Em Zusatz zu Archiv Bd. XXIII, S. 409 {mittlerer Absatz).
Äußerung der Hofkommission
über Vodniks Geschichte des Herzogthums Krain.
Mit hoher Hofverordnung 10 X^^er^ daß dieses Werk zwar ganz zweck-
mäßig befunden. — jedoch es ganz recht daran sey, es dergestalt umzuar-
39*
612 Kleine Mitteilungen.
beiten, daß es auch für das Görzer-Gymnasium und für die Schüler von Triest.
von wo ohnehin mehrere am Laib. Gym. studieren, zu Gebrauche dienen könne.
Die h. Hofst. versieht sich daher zu dem Diensteifer des P. V. — wobei
er zugleich Gelegenheit haben wird, an das bereits verfaßte Manuscript,
welches hie und dort einer mehreren Ausfeilung in der Textirung und den
Ausdrücken, sowie einer Revision in Hinsicht auf Chronologie und die Facta
empfänglich seyn dürfte, die letzte Hand anzulegen und gegen alle gegrün-
dete Kritik zu verwahren — vermehrt und ausgebessert, sodann aber zur
weitern Approbation der hohen Hofstelle anher vorgelegt werde.
Sollten die Directionen zur Erreichung der hohen Absicht einen Vor-
schub von Seite der Landesstelle dienlich oder erforderlich finden, so haben
sie solchen an die Hand zu geben.
L. 11. Jänner 1808.
Die beanständeten Stellen:
1) Aguntum Intichen p. IS. 595.
2) huldigen Alberto lü. Leop. IIL p. 31
3) mit seinen getreuen Ständen in Unterhandlung trat p. 32.
4) Im 10. Jarh. Carnioliae — Carnia = Carniola — bis — pag. 33.
5) Lothar schenkt Triest dem B. Jvan p. 35 Thalberg?
6) ad anü 880. pag. 36.
7) gleich den von Steierm. pag. 44 Landeshandveste Gratz nach Xer-
höhung pag. 44.
8) Gottscheer unter K. Karl IV. ? aiio 1509 pag. 46.
9) Wahl eines geistl. Verordneten
General Einnehmer p. 51. 1599.
10) Gegenstände ihrer Wirksamkeit pag. 62.
11) Eigene Landeshauptm. pag. 64.
12) Fiume ungarisch pag. d» L. F.
Der neue Lehrstuhl für SlamstiJc an der Universität Leyden.
Mit lebhaftester Befriedigung vernahmen weitere slavische Kreise, daß
dem Studium des Slavischen in Holland durch Errichtung eines besonderen
Lehrstuhls dafür, und zwar an der altberühmten, gerade durch erfolgreichste
Pflege der Philologie in der Geschichte der Wissenschaften so bewährten
Universität Leyden, der Eingang verschafft ist; sie ersahen darin eine An-
erkennung der Bedeutung dieses Studiums und fühlten sich der Nation und
ihren Vertretern, die die Mittel hierzu bewilligten , zu großem Danke ver-
pflichtet.
Leider mischt sich in diesen Dank und Freude ein unbehagliches Gefühl,
hervorgerufen durch den Titel, den der neue Lehrstuhl führt, denn dieser
Titel ist mehr als eine bloße Etikette; er ist selbst ein Programm und zwar
ein — verkehrtes, leider!
»Balto-Slavische Sprachen« : das weitere Publikum wird erstaunt fragen,
was das »Balto« zu bedeuten hat; es weiß ja von deutschen »Balten-^, von
Finnen und Schweden am baltischen Meere, aber es ahnt nicht, daß deutsche
Kleine Mitteilungen. 613
Wissenschaft ein ganzes Volk gerade nach dem benannte, womit dieses Volk
nie etwas zu tun hatte. Gemeint sind nämlich darunter vor allem die Litauer
die — Holländer werden dies gar nicht verstehen — eine halbe Meile vor dem
Meere angelangt, ihm für ewig den Rücken gekehrt haben ; ein armes, kleines
Volk, ohne Kultur, Literatur, ja ohne eigene Geschichte, dessen einziges Ver-
dienst darin besteht, sich in seiner ärmlichen Isolierung eine altertümliche,
dem Slavischen am nächsten stehende Sprache konserviert zu haben.
Der »Balto-Slavische« Lehrstuhl ist eine Zurücksetzung, Herabminderung
des Slavischen selbst, woran am wenigsten die gedacht haben, die die Mittel
hierfür bewilligten.
Der Titel deutet weiter an, daß das slavistische Studium in Leyden ein
ausschließlich eng linguistisches werden soll und dies war gerade dasjenige,
was Holland und seine Jugend am wenigsten brauchten, was das bewilligende
Parlament am wenigsten im Sinne hatte, was slavische Kreise am wenigsten
wünschten und erwarteten.
Wir hofften, daß ein berufener erster Vertreter der Slavistik in Holland
in erster Reihe Hollands Jugend mit slavischer Art und slavischem Geiste be-
kannt machen wird, daß es vor allem Rußlands Kultur, Literatur, Geschichte,
Landeskunde sein werden, die der wohl ausgerüstete Fachmann mit Liebe
und Wärme den Zuhörern vorführen wird, als das wichtigste und interessan-
teste Problem des neuen Wissenszweiges. Paradigmen und Vokabeln einzu-
üben, Lautregeln abzuklappern, dazu reicht auch schließlich ein Lektor aus.
In Berlin wird zurzeit eine neue zweite Gesellschaft für die Pflege des Russi-
schen, d. h. nicht der Sprache, sondern der Kultur gegründet; in Leydens
Lehrplan fehlt auch jetzt noch, trotz des neuen Lehrstuhles, ein Lehrstuhl für
slavische Sprach- und Literaturgeschichte, die ja zugleich Kulturgeschichte
ist oder sein soll: die »Balto-Slavische« Sprachkunde kann diesen Mangel am
wenigsten ersetzen.
Denn was ist es, was wir von einem Slavisten im Auslande vor allem er-
warten und verlangen? Daß er den Geist vom Geiste nähre, daß er vermittle
zwischen der Jugend seines Landesund jenem gewaltigen Reiche namentlich,
mit seinen 150 Millionen Einwohnern, seinen unerschöpften Schätzen, seiner
eigenartigen Kultur, wie sie uns, vergeistigt und verklärt, aus den Werken
eines Tolstoj und Dostojewskij aufleuchtet. Und reichen Zeit und Kräfte aus,
so kennzeichne er auch anderer Slaven Art, namentlich die, der russischen
direkt entgegengesetzte, der Polen mit ihrer eigenen Literatur, Kultur, Ge-
schichte.
Einen Dolmetscher der Geister, nicht der Sprachen , wünschten wir für
den neuen Lehrstuhl, einen Slavisten, der auf Grund längerer Reisen und tief-
dringender Studien persönliche lebhaftere Beziehungen zur Slaven-, nament-
lich Russenwelt unterhielte, der Land und Leute wohl kennend, der hollän-
dischen Jugend etwas von seiner eigenen Begeisterung und Liebe mitteilen,
ihren Sinn für Verständnis und Schätzung fremder Art schärfen, an der Er-
weiterung ihres geistigen Horizontes durch kundige Auslese des Wissens-
werten mitarbeiten würde.
Einst war Holland der gebende, Rußland der empfangende Teil ; heute
614 Kleine Mitteilungen.
könnte Eußland seine Schuld tilgen, aus den eigenen Schätzen geistiger Er-
fahrung, praktischer Betätigung, ethischer Ideale, künstlerischer Werte den
Holländer mit schöpfen lassen, was alles der »Balto-Slavische« Lehrstuhl aus
seinem Programm ausschließt. Und für diese einzig dankbare Rolle, der auch
das exakteste Sprachstudium nie gleichkommen kann, besaß Holland einen
Vertreter: daß es gerade eine Dame ist, macht Holland nur mehr Ehre.
Der »Balto-Slavische« Lehrstuhl ist ein verunglücktes Experiment, sein
Vertreter von vornherein verurteilt, vor leeren Bänken zu dozieren und als
wissenschaftliche Spezialität, wie etwa Ägyptisch oder Hebräisch sich einzu-
spinnen, wenn er dem »Balto-Slavischen« Programm treu bleiben will.
Das erfolgreich lebenskräftige Studium der Slavistik verlangt und ver-
heißt anderes: lebender, großer Völker Art und Sitte, wie sie sich in Ge-
schichte und Literatur, in alter und neuer Kultur ausgeprägt haben, dem
Wissensdurstigen zu enthüllen. Nicht um geistreiche Phrasen nur, um flüch-
tige oberflächliche Bilder aus der Vogelperspektive, um feuilletonistische
Plaudereien handelt es sich hierbei — das bleibe der Publizistik vorbehalten;
damit sind nicht zu verwechseln Ergebnisse langjährigen, heißen Bemühens,
auch wenn sie von einer Dame vorgetragen werden.
Leyden ist Hollands angesehenste, doch nicht einzige Universität. Da
nun das Eis gebrochen, der Anfang, wie er auch sei, gemacht ist, so erwarten
wir und wünschen, daß dieser Lehrstuhl nicht der einzige bleibe und hofien,
daß der Fehler, der bei der Festlegung eines »Balto-Slavischen« Programmes
begangen wurde, nicht wiederholt weide.
Möge etwa Amsterdam die unverdiente Schmälerung, die der Slavistik
durch den »Balto-Slavischen« Lehrstuhl widerfuhr, wett machen — die geeig-
netste Persönlichkeit, die slavische Philologie d. i. Geisteskuude, nicht Lin-
guistik — bloße Sprachkunde — vertreten wird, ist vorhanden; mögen ihre
Kräfte nicht ungenützt, möge ihre rückhaltlose Hingabe an dieses Studium
nicht unbelohnt bleiben. A. Brückner.
Bibliographische Notizen
zu Petar Petretic^ Ivan Ivanisevic und Jeroiiim Kavanin.
Als ich mich im Mai und Juni 1909 zu Studienzwecken in Bologna und
Padova aufhielt, durchsuchte ich bei der Gelegenheit auch das erzbischöf-
liche Archiv zu Bologna, wo ein Teil erhaltener Archivalien der Bologner
Universität aufbewahrt wird, und das Universitätsarchiv in Padova. Meinen
früheren Plan , eine vollständige Statistik unserer Studenten an diesen Uni-
versitäten zu liefern, habe ich leider aufgeben müssen, als ich erfahren habe,
daß eine große Menge der Universitätsakten, auch jener, die für die Geschichte
der Universität selbst viel wichtiger waren, irgendwo weggetragen oder ver-
loren gegangen sind und man weiß nicht per quäle fatalitä. (SerafinoMazzetti:
Repertorio di tutti i professori antichi e moderni della famosa universitä e
del celebre istituto delle scienze di Bologna. Bologna 1847, 5). Außerdem
befindet sich ein Teil der Bologner Universitätsakten in Privathänden in Mo-
dena (eine Juristen-Matrikel von 1553 — 1613, matricola dello studio Bolognese,
Kleine Mitteilungen. 615
sec. XVII, No. 460. Luigi Lodi: Catalogo dei codici e degli autografi posse-
duti dal Marchese Giuseppe Camporil, Modena 1895, 234). Die Akten der
Padovaner Universität sind auch unvollständig erhalten, besonders aber die
Matrikeln. Man fuhrt als einen Hauptgrund dafür an, daß die Sekretäre
verschiedener Sektionen ihre Bücher selbständig geführt haben und daß man
sie nach ihrem Tode dem Nachfolger übergab, ma ordinariamente incompleto.
(Giuseppe Giomo: L'archivio antico della universitä di Padova. VenezialS93,
5—6).
Als ich das Erhaltene durchging, fand ich unter anderen auch diese
Notiz vom 14. Oktober 1680: lUustr. d. Päd. Pot. mandavit, quod fiant matri-
culae dd. discipulorum Nationis Dalmatae vigore ducalis excellentissimi
Senatus. (Matr. leg.) und die folgenden drei Notizen über Petar Petretic, Ivan
Ivanisevic und Jeronim Kavananin. Da ich mich mit diesen Schriftstellern
nicht näher zu befassen beabsichtige, so teile ich hier die Notizen mit, damit
sie ein anderer verwerten kann.
I. D.Petrus Petrettits al. Savinius lUyrus wurde an der Uni-
versität Bologna data fide am 3. November 1632 als artista immatrikuliert.
(Fase. Matricula scol. artist. registrum III 1621—1642.)
II. D. Joannes Ivanissevich Dalmata wurde am 23. Juli 1628 als
legista in die .Matrikel der Padovaner Universität eingetragen. Als ein beson-
deres Zeichen seines Äußeren wird angeführt, daß er cum cicatrice in fronte
sei. (Matr. dscp. leg.).
III. Zum ersten Male wird am 15. Juni 1667 D. Hieronimus Caua-
gninus Spalatensis als legista erwähnt. Dann begegnet man ihm noch
unter den neu eingeschriebenen am 5. September 1667 und am 8. November
1669. (Matr. dscp. leg.). V. Corovic.
Zu deti altpolnischen Texten des Vaterunser usw.
Es sei auch an dieser Stelle auf das Werk des Herrn Privatdozenteu
Dr. Seppelt aufmerksam gemacht: Die Breslauer Diözesansynode vom Jahre
1446. Breslau, Goerlich 1912. Das Werk enthält eine Ausgabe des Protokolls
und der Statuten der genannten Synode, nach dem Druck vom Jahre 1475 und
vier Handschriften der Breslauer Universitätsbibliothek. Diese Statuten geben
u. a. auch den deutschen und den polnischen Text des Vaterunser, des Ave
Maria und des Glaubensbekenntnisses wieder, und zwar enthalten alle fünf Text-
zeugen den deutschen Text (Seppelt S. 74 f.), der polnische dagegen fehlt in
zwei Handschriften (B, C nach Seppelts Bezeichnung), wir sind also für die
polnischen Teile auf den Druck (E) und die Hss. A u. D angewiesen. Der Text
des Druckes ist bekanntlich schon von Krynski veröffentlicht (Prace fil. I, 61 >,
der der Hs. D von Nehring (Archiv I, 72). Zu beiden Ausgaben gibt Seppelt
einige Verbesserungen, außerdem aber den noch gar nicht herausgegebenen
Text von A, der uns Veranlassung gibt, das Seppeltsche Werk hier zu
nennen!).
1) Bystron in seiner bekannten Vergleichung der Vaterunsertexte Prace
fil. I, 345 ff., hat die Hs. A nicht benutzen können.
616 Kleine Mitteilungen.
Die Textverwandtscbaft mit D und E braucht nicht weiter hervorge-
hoben zu werden. Die Texte D und E sind bekanntlich stark von Cechismen
durchsetzt A ist von Cechismen im ganzen frei, hat aber eine Reihe spe-
zieller Fehler, Verschreibungen usw., im ganzen ist es ein Text, der in alt-
polnischer Zeit, was Unkorrektheit betrifft, nicht viele Seitenstücke haben
dürfte.
Der Text steht in nächster Verwandtschaft zu dem ebenfalls schon von
Nehring abgedruckten der Hs. I Q 69. Die Abweichungen sind folgende (ich
zitiere nach den Zeilen des Nehringschen Abdrucks): \. genze: gecze, 2.na-
nyebyesyech : na nyebyech, 3. ivolya : wolva, 4. nanyebye : na tiiebte, 5. ivscJiedny
: wschedim, 5. ofpusczy : oj) oppusczy, 6. nasche : nache, 6. icyny : vyan, 6. otpu-
tschamy : utputschamy, 8. napokiischenye : na pukuschynye, 9. zbaw : zbaws,
10. Sdrzowa: Sdezowa, 10. niylosczy : miloscr.ye , 10. pebia : palna, 11, bogus-
lawyona: bogusslawyona, 11. gyesz:gyest, 12. boguslawy oft: bogusslawyon, 13. sy-
wota : zyavota, 13. ttcego : twoga, Id. Ihs : ihus, \h. ottsa: ottscha, IQ.ttoorzi-
czyelya : tworzyczyelya , 17. zyemye : zyomie, 17. aiciesu : a w esu , 17. szma
: sziua, 18. gedzinego : gedznego, 19. poradzill : jjorodzil, 20. maryey : mariey,
• 20. dzeioicze : dze witcze. 21. vmancz-m : vmanczen, 21. poticzkiin : ponczkin,
21. vkrzizowan: vkizizowaii , 22. vmark: vuiarl, 22. pogrzebyon : pogizebyon,
2i. nyebyofa: nyelyosa, 2'3. szyedzy : sziedzy, 2'6. prawiczi: prawiicze, 2\. otcza
: ottza, 24. ivschechmoganczego : wschemoganczego, 25. przidzy :przidye, 25. sand-
zicz : sandzicze, 25. martwe : maitwe, 26. wswetitego : n zwyentego, 26. czyrkoff
: czyrbnff, 27. odpusche^iye : odposchenye, 28. grzechou : gizechey, 28. smartwich
: stvartich, 28. lostanye : ivstamy, 28. y y : ye, 29. wyetczny : wetczfiye, 29. zy-
weth : zymech.
Die ganz nahe Verwandtschaft beider Texte braucht nicht erst hervor-
gehoben zu werden. Auf den ersten Blick stellt sich das Verhältnis so dar,
als sei A eine von einem Sprachunkundigen verfertigte Abschrift von I Q 69:
die meisten Abweichungen sind ja in der Tat Schreibfehler, die auf eine sehr
geringe Kenntnis der Sprache schließen lassen. Doch ist zu bedenken, daß
A an einigen Stellen gegenüber 1 Q 69 das richtige bietet: pnrodzd, vmarl,
przidye and daß die gelegentliche Ersetzung von ?/ durch «nicht wie das Werk
eines bloßen Abschreibers aussieht. Es hat also entweder der Schreiber von A
doch etwas Polnisch gekonnt, oder: die Verwandtschaft zwischen A und
I Q 69 ist nicht so direkt, wie sie auf den ersten Blick aussieht.
Zu Nehrings und Krynskis Abdruck der Texte E und D bringt Seppelt
eine Reihe von Verbesserungen; die Verlesung i für r findet sich, so wie in
A, auch in dem Text D, wo Nehring sie nicht bemerkt oder stillschweigend
verbessert hat: bizucha, wyatze, fivoizita/a, vkizizowan, tizeti, p>^~igdcze, gizie-
chow, pizicbä. E bietet an ein paar Stellen v, u, wo die früheren Herausgeber
tv lasen.
Breslau, im Juni 1913. Paul Diels.
Kleine Mitteilungen. 617
Zivei Briefe an Kopitar.
a)
FiirstMilos von Serbien anKopitar.
Im serbischen Staats-Archiv (Abt. KHOKesa Kanuejapiija. ÜHCMa suaTHHx
KifauatcBHHKa) befindet sich die Kopie folgenden Briefes. Die Kopie ist vom
Dimitrije Davidovic abgeschrieben :
Koaia nacMa kx F. öudioieKapy BapxoJiOMeio KonMiapy y Beiy.
y TonquÄepy 28 lO^ifl 1832.
HMe B. r. lyBCHo e y cpöcKOMi posy To.aHKO, aa ra CBaKia CpÖHHi., laKO u
n, ÄOÖpo no3HaeMo; ocoöhto cy mh /üaBHÄOBHhi h ByKX MJoro o BaMa roBopiiJiH h
BHiue nyxa n03ÄpaB.ii Barne H3py^uBa.!in. To mh Äae noBOÄi» mucihtm , ja exe Bu
ycpÄHU H peBHOCHH KT. CpöcTBy H iiasaiu ce , aa neheie M0.i6y CpÖHHa npespixH,
KOH ce KX BaMa et obumt. nucMOMt oöpaha.
R. caMX paÄt uapisaxu sa ceöe *aMii.iiflpHi.iH rpÖT», u aosHao caMt fla 6bi Hafi-
6oJii 6ti.!io , ysexH oöpasaut kt. iomc oä^ Äpyru rpöoBa BaacHti ^aMu^iiii , sa Koe
caMt qyo, aa ce y Eeiy y leiuKoft KaHue.!i;iapiii Mory äoöhtu. 3axo h ao.iasHM'B
MOJHXH BacB yixHBiüuie, aa 6bi iiixo npe usbojiujih aaTH KonHpaxH 3a mchc h no-
CjiaxH MU ao 20 HafiöjiaropoaHiH h Haii3Haiuxe.ui.HiH rpöoBa oat HCMaiKH h MatjapcKu
*aMHJiifl , KOH 6li HCxopiH Hauien, napoaa h o6cxoaxe.ii.ciBaMa HaiicxoaHin 6i.t.ih,
KOH cy BaMa oat cbIw apyrbi yienti Myacena h nauiH h HBOCxpauu naüödi no3Ha-
na. H3B0JrHie kx xoMe aoaam h Bauie MHinie, koh 6bi oat rpöoBa peiCHM HaMCXo-
ähIh 6bio sa mchc i).
UIio 6yae rpouiKa na xo, a hy aparoBOJtuo h ci. öjaroaapnochy npHSHaiH BaMi
HvTu npcKO r. Kypxia üäm npeKO V. TnpKc y Eeiy,
b)
y KoTopy 25,/13. JynHJa 835.
ityöesHH npujaxe.by.
HaaaM ce, aa cie npHMH.jH hhcmo Moje, Koje caM BaM oaasae npHJe 4 He^cte
nociao. IIo tom caM ja oaaBae yaapuo npcKo Tpö.ta, Byane h IlauixpoBHha, oaaHse
npeuiao caM y IIpHoropcKy HaxHJy ItpMUHuy, a H3 H>e ÜKaaapcKHM ÖJtaxoM (jese-
poM) Ha PnjeKy lIpuojeBuha, h oaaHac npcKO PHJeiKe uaxHJe na II,exHH)e. B.ia-
auKa je npHJe HeKOJHKO aana 6uo oxnmaoy Epaa, ho ja söor pl)aBH nyxoBa HHJecaM
ce CMHJo ycyauiH Hhu sa h.hm, nero ce c IIexHtt>a spaxHM npcKO CxaH>eBHha y Ko-
xop, u aaHac mucjhm oaanae nohu npeKo HoBora y /lyöpoBHUK , a oaaHae c npsoM
npuJiUKOM npcKO CnAeia h lÜHöeHHKa y Baaap h hoxom nciaKO xaMo k BaMa. Ako
6ii exe MH uiTO HHcajiH, MOJUM Bac, aa MH nncMO onpaBHxe y 3aaap, na Hena mc
iCKa Ha noHixH (aoK ue aol)eM ja aa nnxaM sa»).
Ha OBOMe nyxy momg npcKO IlauiTpoBHha h IIpMHUHe aocxa caM ce HaMyiHO
ajiu ue acaJiHM, jep caM M.;ioro Jinjenajc cxBapa lyo (hiio ce xHie namera jesHKa u
HapoaHH oÖHqaja) h bh^co (c ÖJiaxa caM BHljeo uanpcMa ce Cicaaap, a Hcnoa ca-
Mora SCaetaKa apoEcsao caM ce). üaHixpoBHhKu oöuiajn oko jKcnHaöe M.!ioro BpH-
jeae. üamxpoBHhu roBope re Mjeexo Ije; a na npajy pHJeiu HHr5)e HeMajy m nero
1) Dieser Satz ist an Margo geschrieben.
618 Kleine Mitteilungen.
H MJecTo H>era, h. ii. eoäoh (m. boäom), roBopuH (m. roBopHM) u t. a. (obo ja, Kao
H ocxajo OBaKO KOJeiuTO, caMO BaMa jaB^taM).
KaÄ u3ul)eTe y Joae^ftabt , mojum Bac , nosapaBuie Mojy Hceuy k i)euy, h Ka-
HCHie UM, Äa call sapaBO, u Äa caM ce noBpamo uaxpar.
ilH-rao caM oä ^yuaapa y SBicner 3£itfc()rift 0 CjiaBeHCKOj jinrepaTypu!
H OH ohe aa nociaHC sam h IIIa<i>*apuKOB apyr! —
y UpHoj ropu ce sa caa HHUixa uecTiixo ne MO>Ke lUTaMnaxu (jeaan je uock u
®e§er u Srutfer u ose).
^iHxao caM y oniuxuM HOEHHawa, aa cy PycKH uap u cyjiTaH npoiecxiipa^iu
npoTHB CpncKO KOHCXHxyuHJe. Ja caM oana Kaaao, aa he xaKO öhih, KaKo caM lyo,
aa cy MüJioma bucouccxbo iia3Ba;iH, a ocoöhio Kaa caM y onuixiiM HOBUHaMa
Hiixao OHO npejiyao iihcmo oa aapoaa Mu..iomy.
Baiu . . . aKOuiftii
ByK.
Dieser Brief sollte in der EyKota üpeniicKa I nach Nr. 280 folgen.
Vier Briefe an Theodor Paclovic.
a) Von P. J Safai-ik:
(Euer Wjohlgeboren!
. . . ange Oct. habe ich Ihnen 12 Exx. Staro^. Heft 2 zugeschickt: ...daß
Sie dieselben richtig erhalten haben. Wiewohl ich . . . Packet bis Wien fran-
kiren ließ, so fürchte ich doch, . . . den Abnehmern das Porto beschwerlich
fallen wird, .... bitte bei der Berechnung allemal den Preis eines Ex
Compensation der Porto Auslagen abzuziehen. Ich . . . daß ich bei dem
theuren Druck nicht mehr . . . kann. Ich erhielt von Ihnen als Pränumeration
. . das letzte Heft 10 f. CM. Den Betrag für das . . . 2te Heft nach Abzug
von 50 X. für jede ... die letzte ausgerechnet 2 f. 30 x. CM., macht 1" fl. 30 x.
CM., welches ich mir, so bald als nur möglich ist, auf sicherem Wege zuzu-
mitteln höflichst bitte, da ich wegen der Druckkosten und der Fortsetzung
des Werkes in großer Noth und Sorge bin, so weit, daß ich befürchte, ich
werde mit der ganzen Unternehmung stecken bleiben. — Für den Cepöcidft
HapeaHbuT: Jlucii danke ich Ihnen herzlich: das für Museum bestimmte Ex.
habe ich übergeben.
Mit vorzüglichster Hochachtung verharrend
Prag 27 Nov. 1836. Ew. Wohlgeboren
ergebenster
Paul Jos. Schaffarik
Die Adresse: Stephansgasse Nro. 6-10
Se. Wohlgeboren Herrn Theodor v. Pavlovics Beeidetem Landes-
advocaten in Pesth.
Prag y Juni 1837.
Wohlgeborner Herr ! Hochgeehrter Freund!
Beide Ihre sehr schätzbare Zuschriften, vom 12 Mai und 27 April 1. J.
(sammt 10 f. CM.), sind mir richtig zugekommen. Von Belgrad habe ich auch
Kleine Mitteilungen. 619
schon das Desiderirte erhalten, und werde Hrn.Zsivauovics nächstens meinen
Dank abstatten.
Mit Theilnahme habe ich Ihre Ankündigung gelesen. Ich habe nichts
zu bemerken. Nur wünschte ich, daß Ihr Institut mehr unter die Controlle
der Öffentlichkeit gestellt wird, besonders was die Rechnungen anbelangt,
ganz so wie es mit dem hiesigen der Fall ist. Ohne jährliche Rechnungen in
dem Ljetopis ist kein Zutrauen auf die Dauer möglich. Auch wünschte ich
1) Daß der Ljetopis unter dem Titel erscheint Hobuü Jltr. CpöcKiii, ob: I etc.,
also mit der allerhöchsten Approbation des Institus eine neue Aera datirt.
2) paß den Vf. für ihre Beiträge zur Zeitschrift ein Honorar, ungefehr 8 f.
CM. per Druckbogen ausgesetzt wird, ä) Daß man eine strenge Auswahl
macht zwischen den zum Drucke geeigneten Aufsätzen, Werken, und nicht
alles schlechte Unkraut drucken lasse, welches der Literatur gar nicht nützt.
Ohne diese moralische Strenge und Ordnung wird Ihr Institut bei dem
besten Willen nur eine ephemere Erscheinung seyn und nicht gedeihen. Nach
solchen Grundsätzen verfahren hier die Böhmen, und deshalb ruht auf ihrer
Sache der Segen.
Es wäre sehr gut, wenn Sie dem Museum 1 Ex. des Hap. üncxt u. des
Ä'ir. (durch Buchhändler an mich) von Zeit zu Zeit regelmäßig schicken möch-
ten. Ich möchte gern über Serbien in uns. Zeitschr. rel'eriren.
Meine Geschäfte haben sich unerwarteter Weise sehr vermehrt. Mehreres
— ein andermal.
Hochachtungsvoll Ihr ergeb. Diener u. Freund
Schaflarik
Wie könnte man ein Ex. von Obradowics' Werken, gedruckt in Belgrad,
für mich bekommen? An wen sollte ich mich wenden?
Die Adresse:
Sr. Wohlgeboren Herrn Theodor Pavlovics Beeidetem Landes- und
Tabular-Advocaten (pl. tit.) in Pesth.
Prag den 11 Juli 1857.
Hochgeehrtester Herr und Freund !
Ihr Brief vom 6 July versetzte mich in große Bestürzung und Besorgniß.
Sie melden mir, in Ihrem Packet von Heft IV sei zwar der Zettel vom Packet
an Joannovics, aber keine Bücher gewesen! Wie ist das möglich? Die Sache
muß sich aufklären. Es ist nicht so sehr der Verlust von 9 Exx., die mir da-
durch verstümmelt werden, wiewohl auch das bedeutend ist: es ist etwas an-
deres. In dem Packet lag ein altserbisches Minej von 153S.fol., den ich gegen
Revers von einer Kirche hatte und durch Joannovics zurückstellen wollte.
Ich bitte Sie um alles in der Welt, suchen Sie der Sache auf die Spur und auf
den Grund zu kommen. Begeben Sie sich sogleich selbst persönlich zum
Buchhändler und sprechen mit ihm, von wem und wie er das Packet bekam.
Melden Sie mir dann unverzüglich das Resultat. Ich werde hier auch nach-
fragen: so eben breche ich auf zum Calve.
Das Packet an Joannovics lag drin in Ihrem Packet. Ich habe es selbst
gepackt.
ß20 Kleine Mitteilungen.
Mein Ehrenwort hängt an dem Minej.
Mit dem 5ten Heft ist das Werk noch nicht geschlossen: das VIte wird
nachfolgen, und an die Praenameranten gratis verabfolgt. Dies nur neben-
bei, denn mit dem Geld hat es keine Eile.
Auf den Dosithej kann ich schon warten, wenn es nur gewiß ver-
schafift wird.
Mit Ungeduld erwarte ich das Endresultat Ihrer Nachforschung.
Hochachtungsvoll
Ihr ergebenster Freund u. Diener
Schaffarik
Die Adresse :
Sr. Wohlgeboren Herrn Theodor v. Pavlovics Beeidetem Landes-
und Tabular-Advocat (pl. tit.) Pest.
b) Von Vuk Stef. Karadzic.
EjiaropoÄHB ii BiicoKoyqcHH FocnoÄHue!
■'lurao caM OHaj Moj v.ÄSiVLa.K y Hapo/i;HOMe JlHCTy. HcxHHa aa exe hciuto
HsociaBUJiH 6e3 npaBora yspoKa, a u uiTaMnapcKUJex norpjeuiaKa HMa (h. n. ^ocht ej
MJecTO ^ocHTuje, pacKoiuHJe M. pacKOiuj e u i. a.); aju ceh luia MyÄparo:
y Bac ce 3a caÄ apyKqHJo ne Moace. Hero je rjiaBHa norpjeiuKa, Koja ce Moace u
Mopa nonpaBHTH, mxo aeMaxe Jb h h., Hero Kpnuxe ca jil u hb. Bh ipeöa la cjioBa
(u Ma.!ia u BejiuKa) aa naquHUxe, u to Jiiijeno u sro.iHO npcMa ocxajujeM cJOBUMa:
aa HC öyay uu laaiba hu seha, hh xaiba hu aeö.ba. Kaj xa cüOBa UMajy y Mockbu u
y Ilexepöypry KaKO ux hc 6h y Ileuixu 6u.io? KaKO Bu Kaacexe aa BaM ipeöajy
OÄMax BaM hx mraivinap Mopa HaquHHxu, Kao mxo cy h sa mchc y ByÄUMy npaBU.'iu
Ja ce HaAaM aa hexe Bh to ojMax uaquHuxH, na KaKO mh jaBuxe aa exe HaqHHu.iu
OÄMax hy BaM Qocjaxu npuMJepe U3 ^yßpoBaiKHJex u ilajiMaxuHCKujex cnucaxe.i>a,
Kao ÄOÄaxaK k ohomo q.iaHKy, na onaa u apyro HMa Kojeuixa.
Xohexe Jiu mh cjaxu Bame uobuhb, Kao uixo caM BaM npuje nucao?
IIpujiOyKeHO OBÄJe HHCaMue noma.i)Uxe oAMax, moüum Bac, T. M-iaaeHOBHhy.
OieKyjyhH Bamer oaroEopa, c ucxuhum nciuiauHJeM ocxajeM
Barn
noKopau cjiyra
ByK Cxe*. Kapa^Hh
y Bcqy 3./15. Mapxa 847". (Sonbfh-afje No. 3G2)
Diese Briefe teilte der Zeitschrift Herr Dr. Tihomir O&tojic mit.
Gogols Sujet für den Revisor.
In dem neulich lebhaft hervortretenden Gegensatz der Auffassung dar-
über, ob Gogol Rußland wirklich gekannt oder mehr nach der inneren An-
schauung die Typen seiner Werke gcschafl'en — auf Gogol sind namentlich
die kleinrussischen Nationalistsn nicht gut zu sprechen, weil er sich der rus-
sischen Sprache bediente und so gleichsam ein Abtrünniger des Kleinrussen-
tums wurde — vertritt S. A. Vengerov, der bekannte russische Literaturhisto-
Kleine Mitteilungen. 621
riker, den Standpunkt: Gogol habe das reale russische Leben gar nicht
gekannt (vgl. Ilucaicii. rpaHCÄaiiuux-roro.'ii.. Cllön, 1913 ii3ä. IIpoMeTeil},
während Herr Michailov in einem im Allrussischen Literarischen Verein ge-
haltenen Vortrag unter dem Titel: Hat Gogol Rußland gekannt? den großen
Schriftsteller in Schutz nimmt. Darüber referiert in Nr. 3ül vom 3. (IH.) Nov.
1913 der Zeitung Piu-t Prof. Batjuskov in einem sehr geluugenen Artikel, der
nach meinem Dafürhalten zwischen den beiden entgegengesetzten Ansichten
vermittelt und das Richtige trifft. Wir entnehmen diesem Artikel eine Stelle,
die sich auf das Sujet fiir den Gogolschen Revisor bezieht. Batjuskov sagt:
Das Sujet Revisors war Gogol von Puskin mitgeteilt. Puskin brachte es aus
Borovici mit. Der Ort der Handluui; war Ustjuzna im Novgoroder Gouverne-
ment. Die Erzählung ist nicht erdichtet, sondern auf tatsächlichem Ereignis
begründet, das noch in der Erinnerung der ältesten Bewohner von Ustjuzna
fortlebt. Selbst die Namen haben sich im Gedächtnis erhalten: Chlestakov
hieß in Wirklichkeit Mavrin. Da er ein Neife des Senators Mavrin war, so
hat man ihn, als er nach Ustjuzna kam, irrtümlich für den gleichnamigen
Würdenträger gehalten und so entstand die Komödie. Diese Notiz bekam
Batjuskov von Th. J. Rodicev und N. A. Okunev aus Ustjuzna und äußert
aus diesem Anlaß den berechtigten Wunsch, daß die beiden Herrn die ganze
Geschichte in allen Einzelheiten mitteilen möchten, da sie den Ausgangspunkt
der unsterblichen Komödie Gogols bildete. V. J.
Das älteste Heilands- Ikon.
Im 42. Kapitel der altrussischen Nestor-Chronik (Ed. Miklosich S. 70,
Z. 1 — 3) findet sich folgender Passus über das nach altkirchlicher Überliefe-
rung älteste Heilandsbild :
Luka Jevangelist pervoje napsav posla v Rim, jakoze glagolet' Vasilij.
Ikona na pervyj obraz prechodit', den ich nach seinem Zusamenhang also ver-
deutsche: Lukas der Evangelist zeichnete [und malte] zuerst Heilandsbilder
und sandte sie nach Rom, wie Sankt Basilius (der Große von Cäsarea im
IV. Jahrhundert) erzählt. Dieses Ikon (oder Heilandsbild) beruht auf der ur-
sprünglichen Gestalt (oder stellt das Porträt und Antlitz der Heilandes dar].
In welchem Sinne der Chronist hier dis Zeitwort prechodit' (i. e. eigent-
lich geht voraus, geht hervor?) verstanden hat, erscheint ebenso fraglich als
die nach meiner Übersetzung angenommene Deutung seines Ausdrucks na
pervyj obraz i. e. entsprechend dem ersten Bildnis oder Ebenbild des Heilan-
des selbst? Sind Ikona und Obraz hier als Synonyme gebraucht, oder sollte
jenes nur das von Lukas gezeichnete (gemalte) Abbild, dieses die ursprüng-
liche, lebende Person ausdrücken?
Den kunstgebildeten Lesern und Mitforschern des A. i. S. Ph. sei mir
gestattet diese Frage zur weiteren Besprechung zu überlassen.
0 X 0 n i a e , Octobris die IV°. E. Krebs.
622 KJeine Mitteilnngen.
Eine wissenschaftliche Frage Dr. V. Ob/als, brieflich gestellt an
Sfojan Novakovic.
y I];e.T>y 9. 5. 1S93.
Bejeyqeini rocno;iiiHe!
'X.BBijia, Jiena 3a pasnpaBy >CTpyMCKa o6;iacT y XIV. BeK3'<. IIpoiiiTax jy
Be.lMKHM SaHHMaibCM. MCHC OCOÖUTO 3aHIlMIIBa lIHTaibe y KOJUKO je ^ipHCaBHO
cpncKO rocnouTBO yxcHa^io Ha erHiiqKe oanoinaje y MaupflOHiiju. Ciir^-pno Hiije
öHJa cpncKa B^nacx y ÄyuiaHOBO aoöa h KaiUH.e y XIV. h noieiKy XV. ECKa 6e3
yriJiHBa Ha CTAH^Ky npoMCHy y ManeaoHHJH. Kao siiare iiMa y MaueflOHCKUM ÄHJa-
.leKTHMa aocTa iipra cpoaHHX cpncnoMy jesiiKy h. np y = x^, h, i). Ja 6hx peKao,
jia. cy cpncKH khcsobh u öo.tapn ca cboj'hm oöHTO.-bHMa ii BOJHunnMa nyno yieua^H
Ha npBooHTHe waueÄOH. Änja-ieKie Kpo3 qiiTaB XIV. bgk, h nociiije CMpTH^yiuanoBe
fteroBH »Theilfürsten«. CaMO yienaj nchKe upicne curypno niije 6ho thko snaxan,
aa dir ocxaBuo xojhko npoMCHC y HapoÄHiiM ÄHJaJieKXUMa. Ako je h BCJiuKa Behnna
MaueÄOH. pyKonuca XIV. h XV. BCKa cpncKe pe^aKuiije, xo jom yscK ne mo/KC, aa
npoxyMa^H cpÖHSMe y HapoÄHHM roBopuMa, jep6o upKBeHH je jesHK BeoMa nesHaxHO
yxenao na mcheh roBop.
Menii joui Äoca^a HHJe ca cbhm paaroBCTHO nHxaH.e o h. 1) y Mauej- üHJaj.
ya h, t) HMa y cbhm Mauej. Äujaj. h iux (nm) ; jeano Mopa, ;i;a 6yÄe »secnndarno«,
jep HHJe Moryhe, ^a ce npoxyiviaiu hii h U3 uix hu oöpaxHO. Mo>KÄa mh MO/Kere
KaaaxH, rje 6h Morao Hahn HSBope , aa onpeae.iHM yxeuaj cpncKo ap/KacHe BJacT»
Ha exHorpa'i>HMKe OÄHOuiaje y MaueaoHHJH — jep nyno paame oko Hcxopaje cpncKe
y XIV. BCKy. Beh ^pHHOB je cnoM-ayo jcäho mccxo H3 ÖHsan. HcxopHKa o cpncKH
KOJOHHsauHJH MancaoHifje, a xo hh aocra. BeoMa 6h 6ho BaMa saxBajan , ano 6h
MU y TOM HHxaHiy noMorjw; noBHJa .iHxepaxypa ($JiopHHCKiH, ycneHCKifi, ^pHHOB,
JnpeiOK) MH je noanaxa.
Ca OaJHIHUM IHXOBaH.eM
Bam
B. 06jraK.
Lexikalische Lesekörner.
III.
Den im letzten Bande des Archivs (XXXIV, 311) erschienenen Nach-
trägen zu Bernekers Etymologischem Wörterbuch lasse ich weitere Beiträge
und Bemerkungen folgen.
S. 297 ffava: es fehlt r. dial. päea »Krähe.
S. 320 cjnUtm: 7a\ dem von B. angeführten r. dial. pajAMa 'viel, sehr' vgl.
DahP I 921, wo der Herausgeber, dessen Quellen hier allerdings nicht zuver-
lässig sind, s. V. eojThMuU' nicht enjiA.Ma angibt, sondern dial. zo^Amo, pojAjVhui
eajiejvo, zajinMO.
S. 3"M (inlmp; B. gibt die Betonung von r. pomm!! anders an als SRJ. Er
betont wie DahP 1918 zojiiMn. SRJ. I 846 dagegen zujomA.
S. 349 grrdn, gv^sti: r. zpßdi'i, zpucmi'i ist allerdings, wie B. bemerkt, nicht
mehr im lebenden Gebrauch; aber das Partizip z'pndijmai könnte angeführt
werden [na com, epjidymiü; ifndyw.in iWKO.iv,hij!^. Tjtndyui.ee = 6yjymee, 6y-
Kleine Mitteilungen. 623
aymnocTi, {nponumo ^?OM^^l^aeM^, p'pjtdijmazo ^aeM^) wird nicht nur von Lomo-
nosov und Puskin gebraucht, sondern kommt auch noch in der heutigen
Schriftsprache recht häufig vor.
S. 391) chnp-: hierher gehören auch noch r. zonamh »8pringen<. r. eönnymb
»springen; sehlagen«, die Interjektion eom, ferner ennäh-'h »kleinruBsischer
Tanz« usw. Vgl. Dahl'' I 026.
Posen. W. Christiani.
Glämod.
Def Name der Stadt Glaraoc in Bosnien ist bezüglich der Ableitung mit
dem Suffix >-oc« wohl zu vergleichen mitDragoc (Gebirge in Montenegro) und
Miroc (Berg an der Donau\ — Wie dem Namen Dragoc wahrscheinlich das
Appellativum »draga« (vallis, saltus) zur Grundlage dient, demnach Dragoc so
viel bedeutet als mons saltuosus, schluchtenreiches Gebirge, — ebenso scheint
auch Miroc eine Ableitung von »mir — miris« (Wohlgeruch) darzustellen, also
gleichviel als mons odorum d. i. ein Gebirge, wo wohlriechende Heilkräuter
ihr Gedeihen finden, zu bedeuten. So präsentiert sich uns nämlich die Miroc
planina auch im serbischen Volksliede vom Wettgesang des Helden Milos mit
der Vila Ravijojla. Man vergleiche mit den Versen
Ode vila u Miroc planinu,
Da nähere po Mirocu bilja,
Da zagasi rane na junakn
die bemerkenswerte Variante
Ode vila u svoju planinu.
Da nähere trave svakojake
I u travi svake mirisove. —
Der Ortsname Glamoc aber ist vermutlich auf das Appellativum »glama«
zurückzuführen und dieses glama bedeutet ein Erzgemenge (glama srebro
pomijesano sa zlatom; po Srbiji imade mjesta i brda, kojima je ime Glama. —
Ivekovic-Broz I, 306). Demnach würde Glamoc so viel bedeuten als Erz-
gebirge (Goldberg, Silberberg). — Die Erze kommen bekanntlich in der Natur
gewöhnlich nicht rein und gediegen vor, sondern mit anderen (^het «AP«),
mit Sand und Erde gemischt , und müssen aus diesen Metallmischungen erst
durch Amalgamierung gewonnen werden. Das Wort glama halte ich für eine
aphäretische Kürzung aus [amajlgama, möchte jedoch dieses Amalgama nicht
aus dem griechischen nülayaa (Erweichung) mit «-copulativum ableiten, wie
es gewöhnlich aufgefaßt wird, sondern vermute dahinter irgend einen türkisch-
arabischen Ausdruck für Goldsilber oder Metallgemenge oder den Ort, wo
derleiErze gewonnen werden (Bergwerk^, oder dieSehraelzhütten,wo diese Erze
gemengt und geschieden werden).
Der nach der Aphäresis übrig gebliebene Teil Igama mußte jedoch, da
sich die Liquidae l und r im Anlaut mit einem unmittelbar nachfolgenden
Konsonanten absolut nicht vertragen, entweder einen Halbvokal einschieben
(.iT-raMa), oder eine Metathesis der beiden Konsonanten des Anlautes eintreten
lassen (r.iaMä), so daß die Liquida nachgestellt wird, denn der Übergang von
624 Kleine Mitteilungen.
jedem beliebigen Konsonanten zur Liquida läßt sich leicht und glatt vollziehen,
während der umgekehrte Fall, nämlich der Übergang von einer anlauten-
den Liquida zu irgend einem anderen Konsonanten, lautphysiologische
Schwierigkeiten bereitet und so zur Metathesis Veranlassung bietet. Vgl.
zlica aus jn>;Kima, zmul aus mzul (muzol v. modiolus 'Trinkbecher], zmeriti aus
mzeriti 'blinzeln', dresen (Flohkraut) aus rüdesen, andrkva mit rüdükva usw.
Bosnien soll schon unter den Römern einen blühenden Bergbau betrieben
haben, der aber im Mittelalter sehr zurückging und unter der Türkenherrschaft
fast ganz aufhörte. Vielleicht hat sich bei dem häufig begegnenden Orts-
namen Glama eine Erinnerung an einstige Bergwerke und Schmelzhütten er-
halten — und es scheint der Ortsname in jene Kategorie zu gehören wie z. B.
Srebrenica und Olovo oder wie Ilidza (Schwefeltherme) und Tuzla (Salzsole).
^^___ L.P.
MoroBapH ii KaxajiaHH.
Dans le beau recit des incursions des corsaires et troupiers espagnoles
sur le Mont Athos au commencement meme du XIV. siecle on lit dans la
biographie de l'archeveque Daniel ce curieux passage : Gha\k k« Rf.sK«jKKHKiHA\K
I63WK«A\K, leJKt (ppovrw H TovphKW, McH :Ke h TarapH, MoP'jfeapH JKt h Kara-
AaHH H npOMHH A»HOr«'HA\{HOKaHHH l€3hmH tipHlUhAKlUf TOPAa BK Gb{TO\-H> , etcV.
(Alors arriverent au Mont Athos les tribus impies au noms mille fois pronon-
ces, les Francs et les Turcs, les laces et les Tartares, les Mogovares et les
Catalanes, etc.), et plus tard encore: «DpovsH h 9\\M\am, .3okcia\h KaraAaHH h
M^röBapH HAOiDf iip-k.sK A^l^pe Bk cbow ch stMAw^j (Les Francs et les Romains,
appell^s Catalans et Mogovars, se rendirent outre mer dans leurs pays).
Nous appuyons sur les mots A\c'roBapH h KaraAaHH pour contribuer ä
leur eclaircissement.
Le Dictionaire de l'Academie yougoslave de Zagreb (Rjecnik hrvatskoga
ili srpskoga jezika VI, 895) s. v. mogovari donne comme explication:
nekakav narod va|ada u zapadnoj Europi (un peuple quelconque,
probablement de TEurope occidentale).
Une explication tres precise ressort de la citation que nous tirons du
livre de M. Gustave Schlumberger Expedition des »Almugavares« ou
routiers catalans en Orient de Tan 13ü2 ä Tan 1311. Paris 1902.
Le livre parle de memes gens que le biographe serbe. Nous y lisons p. 1 — 3
ce qui suit:
>La paix de Calatabellota, conclue en 1302, vingt ans apres la date
sanglante des Vepres siciliennes, entre les Aragonais pretendant ä la coui-onne
de Sicile comme heritiers du roi Manfred et les Angevins de Naples, eu met-
tant par le mariage de Frederic d'Aragon avec Eleonore d'Anjou un terme
aux longues et terribles guerres qui avaient couvert de ruines la Sicile et le
midi de la Feninsule ital enne, avait laisse sans emploi, sans solde, par con-
sequent sans pain, les celebres vieilles bandes qui, sous le nom de >Com-
1) DaniciCjG., /Khbotu Kpa-teBa u apxHenncKona cpncKHX. y 3arpe6y. 1866,
p. 341. 2) Ibidem.
Kleine Mitteilungen. 625
pagnies catalanes« avaient, dnrant ce long espace de temps, avec leurs capi-
taines eprouves, servi sous la banniere de trois rois: don Pedre, dit le Grand,
roi d' Aragon, et ses deux fils, don Jayme, roi d'Aragon, et don Fadrique ou
Fredöric III, roi de Sicile. Ces fameux aventuriers, fortement constitnes en
groupes de compagnies franches sons la direction de chcfs excellents, comp-
taient parrai les meilleurs troupes d'Europe. »En Sicile ila avaient, dit Mon-
cada, leur illustre compatriote et historien, triomphe dans cinq combats sur
mer et gagn6 sur terre trois batailles rangees , sans compter les rencontres
importantes, la prise de plusieura places fortes et la defense de plusieurs
autres sontenue avec une opiniätrete sans exemple et des efforta de valeur qui
passent encore aujourdhui notre croyance«. Ce nom de »Catalans« leur ve-
iiait de la province espagnole d'oü la plupart d'entre eux etaient originaires,
mais on comptait encore parini eux de nombreux Navarrais, de gens de l'Ara-
gon, de Majorque, de la Cerdagne, du Roussillon, meme da Bas-Languedoc.
II s'appelaient encore tres souvent Almugavares ou Almogavares, del'etrange
nom d'origine arabe, donne ä cette epoque du moyen äge au gens de pied re-
crutes en Espagne. Au nombre de plusieurs milliers, ils avaient ete contre
les troupes franco-italiennes de Charles d'Anjou et de son 61s Charles II les
plus fermes et les plus valeureux soutiens des princes de la maison d'Aragon
et n'avaieut pas peu contribue au succes definitif de ceux-ci.<
Bei grade. Stojan Novakovic.
Notiz vo?i einem bosnischen Kalendei'.
Jaycza capta per regem Mathiam die nat. domini (24. Dezember 1403).
Retulit palatinus Thomas Nädasdi ex veteri quodam calcndario Böse nie;
idiomatis. Viennae in aula die <3. Julij 1560. hora 4. p. m.
Sanderberg 10. Jan. 1466 (recte Scanderbeg \ 17 Jänner 1468).
Aus der Bibliothek in Hedervär. Thallöczy.
Nekrologe.
f Prof. Dr. Anton Malecki.
Am 7. Oktober 1913 ist Dr. Anton Malecki, der Nestor der polnischen
Wissenschaft und Literatur , der betagteste Repräsentant des polnischen
geistigen und kulturellen Lebens, in Lemberg dahin geschieden.
Der Reihe nach zweiter Nachfolger des Verstorbenen auf der Universi-
tätslehrkanzel, die er einst so ruhmvoll bekleidete, erfülle ich eine für mich
ehrenhafte Pflicht, indem ich mir erlaube, ein kurzgefaßtes Zeugnis für den
Menschen und ausgezeichneten Gelehrten abzulegen.
Aus Anlaß des Slowacki-Stipendiums, dessen Stifter Prof. Malecki war,
und welches zum ersten Male mir, als absolviertem Philosophie-Hörer, erteilt
wurde, bin ich mit ihm im Jahre 1883 persönlich bekannt geworden. Die er-
quickende Freundlichkeit und das aufmunternde Wort, das der hoch-
gestellte Mann dem Jüngling nicht vorenthielt, sind mir bis jetzt im Gedächt-
nis geblieben, sowie seine hellen Augen, die mich während des ganzen langen
Archiv fftr slavische Philologie. XXXV. 40
626 Kleine Mitteilungen.
Gespräches so wohlwollend anblickten. In den folgenden 30 Jahren hat sich
Malecki wenig geändert; der ihm angeborene, kräftige Optimismus und eine
beneidenswerte Harmonie des äußeren und inneren Lebens spendeten dem
Greis fast bis an den letzten Tag seines Daseins ein jugendliches Gemüt,
lebendige Arbeitslust und männliche Tatkraft.
Als Sohn eines Agronomen 1821 zu Objezierze in Preußisch-Polen ge-
boren, genoß er die Mittelschulbildung auf dem Gymnasium zu Posen, worauf
er an der Universität Berlin dem philologischen und historischen Studium
oblag. Auf Grund der Inaugural-Dissertation »De Academia vetere« promo-
vierte ihn die Berliner Hochschule und nachdem er die vorgeschriebene Prü-
fung bestanden hatte, wurde er an demselben Maria Magdalene-Gymnasium,
wo er einst seine grundlegenden Kenntnisse gewann, als Lehrer angestellt.
In den Jahren 185U— 54 war er außerordentlicher Professor der klassischen
Philologie an der Krakauer Jagelionischen Universität, während der poli-
tischen Reaktion entfernt, kehrte er in seine Heimat zurück, wo er nicht lange
eine neue Berufung nach Innsbruck erwartete (1854 — 1856). Seiner Neigung
folgend, begann er daselbst Slavistik zu studieren und sich zur Übernahme
der Lehrkanzel für polnische Sprache und Literatur an der Lemberger Uni-
versität vorzubereiten, die er im August 1856 wirklich erhielt und 17 Jahre
hindurch bekleidete. In diesen Zeitraum fällt die schönste Epoche der öffent-
lichen, wissenschaftlichen Lehrtätigkeit Maleckis. Es erfüllte sich sein Ver-
langen: er trug über polnische Grammatik und polnische Literatur vor, warf,
dank seinen tiefen Forschungen und glänzenden Gedanken, ein wahrhaft
wissenschaftliches — man kann sagen — zu seiner Zeit ganz neues Licht auf
die geistige Kultur Polens, vor allem aber erschloß er vor einer früher uner-
hörten, großen Menge von Hörern die Hallen des vaterländischen Schrifttums
und führte sie durch dieselben mittelst seiner wunderschönen Rednergabe.
Im J. 1872 Rector Magnificus der Lemberger Universität, zog er sich im
nächstfolgenden vom öffentlichen Lehramte zurück, wurde Mitglied der Kra-
kauer Akademie der Wissenschaften, Landtagsabgeordneter, lebenslängliches
Mitglied des österreichischen Herrenhauses, Vize-Kurator des gräflich Osso-
linskiächen Nationalinstitutes usw., hörte jedoch nie auf, im Gebiete der ge-
liebten Wissenschaft : der polnischen Sprache, Literatur und Geschichte rast-
los zu arbeiten.
Malecki war ein mit ungewöhnlichen Eigenschaften ausgestatteter
Schriftsteller und Gelehrter; von früher Jugend an verstand er einerseits
hohe Geistesbegabung mit Fleiß, feurigen Eifer mit gesunder Vernunft zu ver-
binden, andererseits Frische, Gründlichkeit und möglichst große Breite der
Studien vor Pedanterie und geistiger Einengung zu bewahren. Infolgedessen
studierte er, klassischer Philolog vom Fach, an der Universität mit demselben
Interesse allgemeine Geschichte, Philosophie, polnische Sprache und Lite-
ratur, wie römische und griechische Autoren, und betätigte sich im Mannes-
alter selbständig auf allen diesen Gebieten, suchte sogar im Reiche der Dich-
tung einen Namen zu gewinnen.
Seiner schriftstellerischen Neigung gab Malecki sehr früh Ausdruck.
Schon als Student betrat er im J. 1842 in der Posener Zeitschrift >Oredownik
Kleine Mitteilungen. 627
Naukowy« seine literarische Laufbahn, indem er hier (S. 246ff., 254ff.) einen
kuisaXz^Ozijciui pismachAdamaMickieivicza< publizierte, die erste kritische
Biographie des größten polnischen Dichter-Genius, verfaßt auf Grund der Er-
zählung von dessen Bruder Franz. Demselben Trieb entsprossen einige Jahre
später: das historische Trauerspiel -^List zelaznyf- (Poznan 1851; 2. Ausg., ib.
1856; ins Deutsche übersetzt von E. Pol, 1856), das Lustspiel ^Grochotcy wie-
7iiec czyli Mazury w Krakowskieiw^ (Poznan 1855; 2. verb. Ausg. 1897), wieder-
um ein Trauerspiel fJadiviga'^ (in einem kleinen Auszug in »Kölko Rodzinne«,
Lwöw, 1860, gedruckt) und die Übersetzung der Sophokleischen Tragödien:
»Elekirat und " Antygonat , von denen nur die erste im Druck erschien
(Poznan 1S54). Die genannten originellen, dramatischen Werke gehören zu
den gelungensten Proben auf dem Gebiete der polnischen szenischen Litera-
tur, — die »Elektro^, in der kein Gedanke des Originals auf Kosten der Über-
tragung geopfert wird, zeichnet sich durch den gravitätischen Gang ihrer
Rhythmen aus.
Die rein wissenschaftliche Tätigkeit Maleckis ging in drei Richtungen:
in der der klassischen und slavisch-polnischen Philologie, — der polnischen
Literaturhistorik und literarischen Kritik, — der polnischen politischen und
kulturellen Geschichte.
Der * Dissertatio mauguralis<: •»DeAcadernia feiere (1844), die schon ihrem
Inhalt und ihrer Form nach die Grundlage, Umrisse und Methoden des künf-
tigen wissenschaftlichen Charakters ihres Verfassers klar zur Geltung brachte,
folgte das erst während der Krakauer Professur entstandene, größere Werk:
»Prelekcye oßlologii klasycznej ijejencyklopedyi^miane lo pölroczu Utniem 1850*
(Krakow, 1850, 8«, S. 252). Bis vor kurzem das einzige Werk dieser Art im
polnischen Schrifttum, war das zitierte Buch unbestritten ein Gewinn der
Berliner Studien Maleckis, die er im reiferen Alter durch strenge Arbeit be-
festigte, ergänzte und zuletzt zu einem originellen Gedankengebäude neu zu
gestalten wußte. Die ^Prelekcye«. widerlegen nicht nur die Einwendungen,
die man gegen die klassische Philologie erhebt und erhob, — sie schildern
nicht nur die Bedeutung dieser Disziplin und stellen den Begriff >Euzyklopä-
die der Philologie« klar, sondern sie sind auch von besonderer Wichtigkeit
für den Verfasser selbst, der, als künftiger Literaturhistoriker und Kritiker,
hier zum ersten Male seine Ansicht über die dreierlei Art des Kunstschaffens
(Symbolismus, Klassizismus und Romantismus) in der Poesie, sowie in allen
anderen Künsten, ausspricht und seine Behauptungen an Beispielen aus dem
griechischen Drama glänzend beweist. Seiner Vorliebe für diese Gattung
der hellenischen Dichtung gibt er noch einmal Ausdruck in dem Aufsatze
»O dramacie starozytnej Grecyi* (Biblioteka Ossolinskich, Lwöw, 1866, B. IX
bis X).
Zur Philologie zog es Malecki schon als Hörer der Berliner Universität,
wo damals unter anderen über die vergleichende Linguistik Bopp und über
die neueste polnische Literatur Privatdozent Wojciech Cybulski (1842 — 45)
lasen. Von jenem erhielt er die Grundlage und Methode zur Weiterführung
eigener Studien in der großen Wissenschaft, dieser wies ihm, was hervorzu-
heben ist, für sein Leben lang die Richtung einer idealistischen Kritik.
40*
628 Kleine Mitteilungen.
Gut geschult , begann er während der Innsbrucker Zeit Slavistik zu be-
treiben, und die nächste Frucht dieses Studiums war ein Inaugurations-Vor-
trag an der Lemberger Universität (1857): * Über den Nutzen des Studiums der
altslavischen Sprache*. Von der österreichischen Regierung zum Professor
der polnischen Philologie ernannt, wendet sich Malecki gänzlich sprachwissen-
schaftlichen und literaturhistorischen Forschungen zu.
Was die ersteren anbelangt, so war für ihn, außer seiner Lehrerpflicht,
ein Ansporn zum verdoppelten Fleiße der von den galizischen Ständen (1S45)
eröffnete und öfters wiederholte Konkurs für die beste Grammatik der pol-
nischen Sprache. Seine Arbeit war in dieser Hinsicht erfolgreich, — im Jahre
1863 erschien ein stattliches und mit dem Ehrenpreise gekröntes Buch: » Gra-
matyka j^zyka 2}olskiego wifkiza . . . Dzieio przez Statiy galicyjskie ic r. 1845
zazqdane, a w r. 1863 prcz Wydzial scjmoivy mvieiiczone nagrodq^ (Lwöw, 1863,
80, pg. XXII, 427). Das Werk, dessen Auflage in 2000 Exemplaren in kurzer
Zeit vollständig vergriffen wurde, war die erste Grammatik der polnischen
Sprache, die zwei wissenschaftliche Elemente verband: vergleichende Methode
und historische Evolution. Polnischer Grimm und polnischer Miklosich in
einer Person, war Malecki, — dank seiner Begabung und seinem nicht gewöhn-
lichen Orientierungssinn, imstande, den strengsten linguistischen Anforde-
rungen seiner Zeit Genüge zu tun und sowohl die Theorie, als auch den
Sprachstoff selbst, der in der reichen polnischen Literatur von der ältesten
bis zur neuesten Zeit niedergelegt war, zu beherrschen. Infolgedessen hatte
sein Buch einen ungeheuren Einfluß auf die polnische Schriftsprache, ihre
formelle Gestaltung, vor allem aber auf die grammatische und stilistische
Korrektheit der Rede, und hat im Verlaufe eines halben Jahrhunderts fast
nichts von seiner Bedeutung verloren.
Die hohe Stellung Maleckis als Gesetzgeber in Sachen der Muttersprache
gewann durch seine ^Gramatyka j^zyka pofskiego mniejsza, dla uiytku gimna-
zyöio i szkoi realnych uiozona< (Lwöw, 1863, 8«, pg. XXIII, 298) ihren uner-
schütterlichen Grund und Boden. Bis zum J. 1910 erlebte dieses Schulkom-
pendium der galizischen und außergalizischen polnischen, öffentlichen und
privaten Lehranstalten elf Ausgaben, es erfuhr Umarbeitungen und Verände-
rungen, ungeachtet dessen aber blieb es immer zu schwer für die lernende
Jugend, die stets an den reichen, der ganzen , besonders der poetischen Lite-
ratur entnommenen Beispielen mehr Gefallen fand, als an dem eigentlichen
Inhalt des Buches.
Die letzte sprachwissenschaftliche Unternehmung Maleckis im großen
Stile war seine » Gramatyka liistoryczno-poröivnatocza ji'zyka polskiego^ , die in
zwei Bänden 1879 erschien (Bd. I pg. XII, 490; II, 546). Der Überzeugung
ihres Verfassers nach sollte sie der Sprachforschung neue Horizonte eröffnen,
unterdessen blieb sie nur ein Fehltritt, der sich von der modernen Wissen-
schaft lossagt und sich ihr mit unbegründet rechthaberischen Meinungen ent-
gegenzustellen sucht.
Als weitere Früchte der philologischen Beschäftigung Maleckis sind zu
bezeichnen: » W spraicie jiisotcni polskiej. O naturze spnigi'iski j i prakiyiz-
nych stqd nastrpsticach dla ortograßi polskiej« (Lwöw, 1868, 8", pg. 32) und ein
Kleine Mitteilnngen. 629
kurzer Artikel verwandten Inhalts: » Uwagi do uchival Komitciti, tvyznaczo-
nego jjrzez peine j)ostedze7Üe Akademii Umiejrtnoxci do pisoivni jjolskiejt. (Lwöw
1885, 40, pg. 2). Viel größere Wichtigkeit als diese orthographischen Erörte-
rungen besitzen seine textkritischen Arbeiten wie: *Zyiüot sgo Btazeja* (Lwöw,
»Biblioteka Ossoliiiskich«, 1864, IV, pg. 173 ff.) mit philologischen Erläute-
rungen von Malecki und Wagilewicz, und vor allem die musterhafte Ausgabe
des größten polnischen Sprachdenkmals aus der Hälfte des XV. Jahrh.
*Biblia krölowSJ Zoßi, zony Jagieliy, z kodeksu szaroszpatackiego , nakludem
ks. Jerzego Liihomirskiego* (Lwöw, 1871, 40, pg. L, 350, 7 Taf.). Erwähnung
verdienen zuletzt noch zwei Aufsätze aus dem Bereiche der slavischen Philo-
logie und Altertumswissenschaft: »Poröwnanie pierivotiiych zwiazköw spo-
iecz7iych u Germanöw iu Slowian* (Poznan, >Przeglad Poznanski«, 1846) und
»Co rozumiec o runach sitowia7iskich i autentycznosci nap)is6io tia mikorzyy'ishich
kamieniach'^ (Poznan, 1872, 80, pg. 23).
Die Domäne , welche die Feder Maleckis vor allem anderen beherrscht
hat, war die der Literaturgeschichte und der literarischen Kritik. Dank den
Vorlesungen Cybulskis sowie der eigenen Anlage und Neigung, die Malecki
schon in der Mickiewicz-Biographie so deutlich an den Tag gelegt hat, er-
schienen bald zwei Studien: »0 stanoicisku i dzieiach autora Irydyona< (Poz-
nan, »Rok«, 1845) und ylrydyoni- (Poznan, »Przeglad Poznanski<, 1846). Die
beiden Schriften, die den Einfluß der Hegeischen Ästhetik verraten, legen von
dem feinen analytischen Talent des jungen Forschers ein ausgezeichnetes
Zeugnis ab und empfehlen sich durch ihren Inhalt und ihre Form so, daß selbst
der Schöpfer des herrlichen -Irydion«, Krasinski, fragte, wer denn dieser
Malecki sei.
Unerklärlicherweise Weise verflossen beinahe 15 Jahre, bis die unter-
brochene kritische Tätigkeit Maleckis im Jahre 1859 wiederum lebendig
wurde. Von dieser Zeit an veröffentlichte er folgende wichtigere Disserta-
tionen und Werke: ■"Ändrzej Morsztyn, poeta polski XVII w., i jego ijtiien-
nicyt (Petersburg, in Ohryzkos «^Pismo zbiorowe«, 1859); » Wybör möw staropol-
skich sivieckich, sejmoioych i innych'!- (Krakow, 1860, 80, pg. XXVIII, 227), be-
gleitet von einer vortrefflichen Vorrede über die polnische Redekunst ; Andrzej
Frycz Modrzetvski« (Lwöw, »Biblioteka Ossolinskich« , Bd. V, 1864); *Filo-
maci w Wiltiie* (Lwöw, »Album dla Zagrzebia«, 1881, p. 257); -»Jana Kocha-
nowskiego miodosc* (Krakow, »Przeglq.d Polski', 18S4 — 5, I, pg. 193 ff.) u. a.
Wenn in den Schriften, die KrasiAski gewidmet waren, die Analyse und
ästhetische Würdigung in den Vordergrund traten, — wenn in der folgenden
Gruppe, mit ^Morsztyn<- angefangen, vor allem das historische Interesse den
Verfasser anzog, so finden wir diese drei Elemente im monumentalen Werke
über Julius Slowacki innig vereint. Malecki hatte das Glück, daß ihm der
ganze Nachlaß des gewaltigen Lyrikers und Dramatikers anvertraut wurde.
Mit Begeisterung ging er an das Sichten all der Handschriften, Entwürfe,
Tagebücher und einer überaus reichhaltigen Korrespondenz. Im J. 1862 er-
schien die erste Frucht dieser Arbeit: * Miodosc Juliusza Sfowackiego* (War-
szawa, »Ksi^zka zbiorowa dla Woycickiego«), als erstes Kapitel der großartig
angelegten Biographie , und vier Jahre später, in Lemberg, das Ganze unter
630 Kleine Mitteilungen.
dem Titel ^Juliusz Sfowac1xi,jcgo zycie i dzie^a w xtoswiAu do irspöhzesnej cpo-
kU (1866—7, 80, Bd. I, pg. XVI, 269; II, 348). Die zweite verbesserte und
vermehrte Ausgabe wurde 1881 in drei Bänden (Lemberg, Bd. I, pg. XII, 305;
II, 347; III, 286), die dritte in der Umarbeitung des Lemberger Universitäts-
dozenten Dr. B. Gubrynowicz und mit Zugabe einiger Briefe, 1901 publiziert
(Lemberg, Bd. I, pg. XII, 283; II, 332; III, 308). Die polnische Kritik ist bis
jetzt der einhelligen Meinung geblieben, daß Maleckis Werk als eine wahre
Offenbarung seiner Zeit dasteht. Es war das erste, das sich zur Aufgabe stellte,
den geahnten, riesigen, in vielen Äußerungen jedoch rätselhaften Dichter-
genius zu erklären, und diese Aufgabe vortrefflich zu lösen wußte. Es wird
hier einerseits auf Grund der unbekannten Korrespondenz des Dichters das
Gesamtbild seines Lebensganges geschildert, andererseits ein eingehender,
historisch-ästhetischer Kommentar zu seinen Schöpfungen gegeben, aber so,
daß beide Teile sich zu einem idealen Ganzen vereinigen. Die Slowacki-
Biographie und die gleichzeitig mit ihr in drei Bänden veröffentlichten nach-
gelassenen Schriften i Pisma postniertne« (Lwow, 1866) sind al* eine ungewöhn-
liche, literarisch -wissenschaftliche Tat anzusehen, deren auch am hundert-
jährigen Geburtstage des Dichters (1909) in ganz Polen aufs rühmlichste
gedacht wurde.
Überdies haben sich unter Maleckis hinterlassenen Papieren umfang-
reiche Notizen für die Universitätsvorträge bis zum J. 1873 erhalten. Aus
diesen Blättern sieht man, daß der Professor die Geschichte des gesamten
polnischen Schrifttums behandelte, tiefe imd ausgedehnte Studien anstellte,
um den Erforderungen der Wissenschaft, sowie denen des immer mehr wach-
senden Stoffes Genüge zu leisten; aus der Tradition weiß man, daß der wissen-
schaftliche Einfluß, den er auf seine zahlreichen Hörer ausübte, noch von der
moralischen Einwirkung übertroffen wurde, denn er lehrte seine Landsleute
die Bedeutung der Nationalliteratur und Sprache kennen und dieselben mit
männlicher Kraft lieben. Unvergeßlich ist Malecki als Professor der Lem-
berger Universität dadurch, daß er der erste war, der die Rechte der polnischen
Sprache tapfer vertrat und zur Polonisierung der germanisierten Hochschule
mächtig beitrug.
In der Überzeugung, daß sein Lehreramt erfüllt ist, vertauschte Malecki
(1873) die Professur gegen das Vize-Kuratorium im Ossolinskischen National-
institute. Von nun an beginnt eine ganz neue Epoche im Leben des Ge-
lehrten: der Philolog und Literaturhistoriker stellt sich fast gänzlich auf
den Boden der Geschichte in allen ihren Gebieten. Unter der Losung: Revi-
sion der Ansichten über die polnische Vergangenheit, knüpft er aufs neue an
seine Bestrebungen der Jahre 1846— 5.5 an, in denen er den oben angeführten
Aufsatz über Slaven und Germanen schrieb, in Innsbruck eine polnische Ge-
schichte anfing usw., und pflügt nun durch vier Dezennien das Gefilde der
neuen Wissenschaft. Es wäre zu lang, alle seine Arbeiten, die der Geschichts-
forschung angehören, anzuführen, — es genügt, um die Unermüdlichkeit des
Verfassers zu zeigen, folgende separat herausgegebene zu nennen: ^Karta z
dziejoiv JJniversytetu hrakowskiego* (Krakow, 1874, 8", pg. 64); Studya heral-
dyrzne* (Lwöw, 1890, SO, Bd. I, pg. 351; II, 339); ^Grzywny käme w daicnej
Kleine Mitteilungen. 63 1
Polsce i najdawniejsza tiasza grzi/wna mennicza*. (ib. 1893, 8^, pg. 2ß); ^iMii-
nosc ivolnmo ksii;clzc Henryhowsldej'>. (ib. 1894, pg. 3.3); ^Kronila Baszka czyli
t. z. Kronika IFielkopohka* (ib. 1894, pg. 33); *Stndyum nadhullq hmocentegn
II zr. 1137* (Poznan, 1894, pg. 53); »Lechici w swietle historycziiej krytykio.
(Lwöw, 1897, 80, pg. 267; zweite durchgesehene Ausg. ib. 1007, pg. 264).
Die wichtigeren Schriften Maleckis vorwiegend literaturhistorischen In-
halts liegen im Sammelwerke >Z dziejöw % literatury, pisma j^om»icjsze« (Lwow,
1S96, 80, pg. VI, 370; 7 Aufsätze), solche historischen Inhalts im zweibändigen
Buche t>Z przeszlosci dziejowej, pisma pomniy'sze<^ (Krakow-Warszawa, 1897, 8",
Bd.I, pg. 276: II, 265; 9 Aufsätze) veröffentlicht vor.
So ist das lange Leben vollbracht worden. Die dem Jüngling durch
Veranlagung und Neigung vorgezeichnete Bahn verließ der Mann und Greis
nie, — - sein beharrlicher Fleiß gestaltete sie zu einer überaus erfolgreichen.
Ganz der Wissenschaft und wissenschaftlich produktiver Arbeit gewidmet,
liebte er das öffentliche Leben wenig, — man fand ihn jedoch überall tätig,
wo es sich um das Wohl seines Vaterlandes handelte. Der Tod Maieckis be-
raubt die polnische Nation eines ihrer wirksamsten und angesehensten füh-
renden Geister, aber das Gefühl des Verlustes lindert die Überzeugung, daß
der Dahingeschiedene die ihm vorgezeichneteu Aufgaben völlig gelöst hat.
Lemberg. Dr. W. Bruchialski.
Vsevolorl Fedorovic Miller,
geb. 7./19. April 184S, gest. 5./18. Nov. 1913.
Die vergleichende Sprachwissenschaft und Ethnographie haben durch
den plötzlichen Tod des Prof emer. der Moskauer Universität, zuletzt wirk-
lichen Mitgliedes der Russischen Abteilung der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften in St. Petersburg, Vsevolod Miller, einen sehr schweren
Verlust erlitten. Der im 66. Lebensjahre Dahingeschiedene zeichnete sich
durch ein sehr ausgedehntes und seltenes Wissen, voll energischer For-
schungsinitiative ans. Als Sohn eines in Moskau wohl bekannten Dichters
und Übersetzers, Herausgebers einer literar. Zeitung, widmete er sich nach
Vollendung der Universitätsstudien an der historisch-philologischen Fakultät
im J. 1870 der vergleichenden Sprachwissenschaft in jener realen Richtung,
wie sie damals durch die Vertreter der philolog. Disziplinen der Moskauer
Universität, u. a. Petrov und Bnslajev, repräsentiert wurde. Zuerst machte
er Studien im Bereiche der litauischen Sprache, indem er im Gouvernement
Suwalki den dortigen lit. Dialekt an Ort und Stelle studierte und Volkslieder
sammelte. Davon erschien eine Sammlung von mehr als 100 Volksliedern und
einigen Märchen, alles in russischer Transkription, in den »UsBicTiü mockob-
cKaro yuHBepcuTexa* (1873). Zur selbenZeit beschäftigte er sich eingehender mit
den beiden arischen Sprachen , wovon seine im J. 1876 erschienene Disser-
tation »OiepKH apiiicKOH MHeo.ioriii et> cbhsii ct. ÄpeBHinmefi Kyjii.^"poii I. Aq-
BHHM -iIiocKypi.1 < ein schönes Zeugnis abgibt (vgl. die Anzeige im Archiv II,
669 — 679). Doch mit dieser Stubenarbeit begnügte sich der junge Gelehrte
nicht, er wollte aus dem reichen Reservoir von wenig erforschten Sprachen
632 Kleine Mitteilungen.
des großen russischen Reiches neues Material an Ort und Stelle schöpfen, um
darauf seine sprachwissenschaftlichen Studien zu begründen. Ihn zog es nach
dem sprachenreichen Kaukasus, wo er die Sprache und das Leben der Os-
seten zum Gegenstande eines intensiven Studiums machte. In den J. 1882
bis 1887 erschienen in Moskau drei Hefte seiner OceTuacKie anoAti (im ersten
Texte, im zweiten Grammatik, im dritten Ethnographisches). Im Zusammen-
hang damit stehen die später (im J. 1S91) von ihm und Stackeiberg heraus-
gegebenen (in den Schriften der kais. Akademie) > fünf ossetische Erzählungen
im Digorischen Dialekt« , ferner die im XI. Heft der orientalischen Publika-
tionen des Lazarevschen Institutes in Moskau erschienenen /luropcKin cKasaHia
(1902). Schon früher hatte er im Terekgebiet des Kaukasus und mit einem
von dort stammenden Moskauer Studenten einen iranischen Mischdialekt
studiert und im J. 1892 in MaTepiajiLi äjh iisyieiiiK eBpeficKo-TaicKaro >j3biKa
zuerst die Texte herausgegeben, nachher folgte die grammatische Analyse
im Heft III und VII der TpyÄw no BocroKOüixlHiio des vorerwähnten Lazarev-
schen Institutes (1901 — 2). Während Vs. Miller an der Universität die Professur
des Sanskrits inne hatte, wurde er mit der Aufsicht und Bearbeitung der Samm-
lungen des ethnographischen Daschkov-Museums in Moskau betraut. In die-
ser Eigenschaft gab er vier Hefte von CucTCMaTuiecKoe onucanie KOJ.TeKuifi
^auiKOBCKaroBxuorp.Mysen (18S7 — 1895.) heraus. Ebenso wurde unter seiner Re-
daktion von diesem Museum ein CöopiiuKi. MaTeplajicB-L no arHorpa^iu heraus-
gegeben. Als Vorsitzender der ethnographischen Abteilung der Gesellschaft
für Naturforschung, Anthropologie und Ethnographie beteiligte er sich mit
verschiedenen Beiträgen an den Tpyati aTHorpa*. oTAiJia.. Auch der Begrün-
dung der inhaltsreichen Zeitschrift 3THorpa*aqecKoe oöospiHie (erscheint seit
1889 in Moskau) stand er sehr nahe. Doch für uns beanspruchen das größte
Interesse seine der russischen, vornehmlich epischen Volksdichtung gewid-
meten Forschungen. Schon im J. 1871 trat er mit der kritischen Prüfung der
Methode Stasovs gegen dessen Schlußfolgerungen betreffs der Entstehung der
russ. Bylinen auf im 3. Heft der EeciÄti O.A. P. Cji. Im J. 1877 lieferte er einen
beachtenswerten Beitrag zur Erklärung des Igorliedes: Bstäsiat, na Ciobo o
no.!iKy IlropeBi. Vgl. auch im 5K.M. H. np. 1878 (B.CC): IIo noBoay Tpo;iHa ii
EoaHa; im J.1879 ibid. (B.CCVI) erschien seine Abhandlung: OiroJiocKH *HHCKaro
anoca bx pyccKOMX. Später gab er zuerst in der Monatsschrift PyccKaji mbicüb
und daraus abgesondert (1892) seine sehr wichtigen 3KCKy pci.i bt. oöjacTtpyccKaro
HapoÄHaro 3noca heraus, mit denen er sich neben Alexander Wesselofsky auf
diesem unermeßlichen Forschungsgebiete würdigdiesem zur Seite stellte. Diese
Neigung zum vergleichenden Studium des russischen Folklors macht es er-
klärlich, warum er um diese Zeit an der Moskauer Universität den Lehrstuhl
für vergleichende Grammatik und Sanskrit gegen den der russischen Literatur-
geschichte eintauschte. Von nun an konnte man beobachten, wie zwei her-
vorragende Forscher auf demselben Gebiete parallel arbeiteten und prinzipiell
auf gleichem Standpunkte stehend, doch vielfach in den Resultaten vonein-
ander abwichen. Es wäre ein dankbares Thema, die Forschungsmethode
der beiden Gelehrten einer vergleichenden Prüfung zu unterziehen. Vs. Miller
äußert sich darüber nur kurz in der Vorrede zum zweiten Band (1910) seiner
Kleine Mitteilungen. f)33
OiepKii pyccKoii HapoÄuoii cjioccciiocth. EbLiuHM (der erste Band war schon
1897 erschienen). In diesen zwei Bänden sind seine durch verschiedene
Zeitschriften zerstreuten Abhandlungen gesammelt und wieder abgedruckt,
wodurch ich von der Pflicht der Einzelanführung enthoben bin. Ich will noch
erwähnen, daß er im Jahre 1894 in Gemeinschaft mit Tichonravov >PyccKi;i
6bi.iiiHi,i cxapoü K HOBOÜ aanucH« und im Jahre 1908 »Bbi.;iuHw hoeoü h iieÄaBueü
aanucH ust. pasiiuxt Micriiocxeii Pocciu« herausgab.
Man sieht schon aus dieser flüchtigen Aufzählung der Hauptwerke
wissenschaftlicher Tätigkeit Vsev. Millers, welch segensreiches Leben der un-
erbittliche Tod frühzeitig geknickt hat. Noch im Monate Mai hatte ich das
Vergnügen, ihn als Akademiker in Petersburg zu begrüßen, ich fand ihn
geistesfrisch und rüstig, verkehrte mit ihm in den Akademiesitzungen und
wohnte einer interessanten unter seinem Vorsitz abgehaltenen volksmusika-
lischen Sitzung der ethnographischen Abteilung der Geographischen Gesell-
schaft bei. Ich war über seinen Entschluß , aus Moskau nach Petersburg zu
ziehen, um hier als wirkliches Mitglied der Russischen Abteilung der kaiserl.
Akademie der Wissenschaften der wissenschaftlichen Tätigkeit im Bereich
der slavistischen Studien neue Impulse zu geben, im hohen Grade erfreut.
Das grausame Schicksal wollte es, daß ich als älterer dem jüngeren Kollegen
diese Zeilen als den letzten Abschiedsgruß mit schwerem Herzen nieder-
schreiben muß.
Wien, 10./23. Nov. 1913. V. J.
Sachregister.
Albanisches Lehr- u. Leseb. 591—598.
Alphabet. Zum ältest. slav. A. 62 — 67 ;
s. Konstantin.
Altcechisch s. Katharinenlegende.
Altkirchenslavisch. Die neuesten For-
schungen d. Altkirchenslavisch. 213 ;
Charakteristik d. nltkirchenslavisch.
Spr. nach Lauten u. Formen behufs
Darlegung ihres makedo-bulgarisch.
Ursprungs 212-214; lexikal. Cha-
rakteristik d. altkirchenslav.Sprache
214—224.
Altpolnisch s. Ezdrasfragment, Vater-
unser.
Aufstand v. Brine s. Kuhacevic.
Aussprache d. sloven. Schriftsprache
560—562.
Autoren d. beiden pannonisch. Legen-
den 211.
Basiliscus s. Martyrium.
Beiträge s. kirchensl. Literatur.
Betonung. Zur Bezeichnung d. serbo-
kroat. Betonung 60—62.
Bibelübersetzung, kirchenslav. 207.
Bibliographie. Kroat.-glagol. B. 558 —
56U; Zur B. d. kroat.-kajkavischen
Literatur 606—608.
Bibliograph. Notizen zu Petar Petretic,
Ivan Ivanisevic u. Jeronim Kavanin
614—615.
Böhmen, s. Rechtsgeschichte.
Brevier Veits 16, s. Parömienbuch.
Breviere. Bis zu welchem Maße be-
stätigen d. kroat.-glagol. Br. d. An-
nahme einer vollst. Übersetz, d. hl.
Schrift durch d. hl. Methodius 12—
44; Spuren grioch. Ursprungs in d.
kroat.-glagol. Brevieren 16 — 18.
Brief d. Papstes Hadrian IL in d. elav.
Vita Methodii 204.
Briefe. Zwei Br. des Fürsten Milos v.
Serbien an Kopitaröl" — 618; Vier
Br. an Th. Pavlovic 618—620.
Cechisch s. Literaturgeschichte.
Chronologie d. ersten christl. Fürsten
von Bulgarien u. Wirksamkeit Rie-
mens', Bischofs V. Velika 209—210,
Dialektforschung. Zur sloven. D. 329
—337.
Dibra 601—603.
Dorabrowski-Marsch 319—320.
Efremov-Kormcaja. Die Sprache der
E.-K. 302—306.
Endungen, -e und -f in der slav. De-
klination 321—324.
Entstehungsgeschichte d. kirchenslav.
Spr. 202—226.
Entstehungsjahr d. slavischen Schrift
209.
Erzählung v. Kater u. d. Leuchter 518
—520.
Euchologium Sinaiticum 213.
Ezdrasfragment. Das neugefund. alt-
poln. E. 1—11.
Folkloristische Studien 514—524.
Geflügeltes Wort. Ein poln. gefl. W.
319—320.
Genesis. Textus libri G. (cap.XXXLII
— L) codicis glag. e. r. bibliothecae
Aulicae Vindobonensis 19 — 44.
Glagolita Clozianus. Zur Entdeckung
des Gl. Cl. 603—606.
Glagolitische Schrift. Verbreitung d.
glag. Sehr, bis nach dem nördlichen
Rußland 210,212.
Gogols Sujet für d. Revisor 620—621.
Grammatik, serbokroat., von Dr. VI.
(^oroviö 294—296.
Halbvokale. Zum Schicksal der H. im
Slowakischen 324—328.
Havlicek. Meinungen u. Urteil K. H.s
über Rußland 524—525.
Heilandsbild. Das älteste H. 621.
Interpunktion. Die I. in d. slav. Über-
setzungen griech. Kirchenlieder 413
—437.
Iteration. Über d. I. von Synonymen
im Russ. u. in and. Sprachen 68—72.
Sachregister.
635
Katharina, Kaiserin v.RuCl. Memoiren
derK. K.II. 285— 287.
Kalender, bosn. erwähnt 625.
Katharinenlegende. Die altcechische
K. d. Stockholm-Brünner Handschr.
553—558.
Kijever Blätter 208.
Kinder- u. Hausmärchen. Anmerkgn.
zu den K.- u. H. der Brüder Grimm
269—273.
Kirchenslavische Literatur. Kleine
Beiträge zur Gesch. d. ksl. L. 150 —
170. •
Kirchenslav. Sprache s. Entstehungs-
geschichte.
Klemens. Der slav. Bischof Kl. Sein
Leben u Wirken 577 — 585.
Konstantins »Alphabetisches Gebet«
151 — 179; Rekonstruktion von K.s
»Alphabetischem Gebete« 1G4— 175.
Kroatien s. Schrifttum.
Kroatisch s. Sprichwörter, Kuhacevic.
Kroatische Schriftsteller s. Urknndl.
Kroatisch - glagolitisch s. Breviere,
Bibliographie.
Kroatisch - kajkavische Literatur s.
Bibliographie.
Kuhacevic. Der kroat. Schriftsteller
K. u. d. Aufstand v. Brine 73—130,
8. Religiös. Gedichte, Narikovane,
Sendschreiben, Siebenjähriger Krieg.
Lautwandel idg. qh zu slav. ch 357.
Legende vom Pagen der hl. Elisabeth
V. Portugal 515—518.
Lehnwörter. Zu d. serbokroat. L. aus
d. Türkischen 344—346.
Lemberger Ausgabe d. Särospat. alt-
poln. Bibelhandschr. s. Sophienbib.
Lexikalische Lesekörner 622—623.
Literaturgeschichte, cech. 530 — 548.
Lokativ in den serbokroat. Ortsnamen
340—348.
Märchen. Der Held im deutsch, u.iuss.
M. 287—294; Das M. vom Zauberer
u. seinem Lehrling 520—524.
Martyrium d. Basiliscus 44 — 55. .^ Das
Verhältnis der altkirchenslav. Über-
setzung des M.s zum griech. Texte
51—55.
Mazedo-bulgarischer Ursprung d. alt-
kirchenslav. Sprache s. Altkirchen-
slavische Sprache.
Memoiren M. Kuhacevic' 129; M. der
Kais. Katharina s. Katharina.
Metathese von / und v im Slovenischen
333—337.
Methods Beteiligung an d. Bibelüber-
setzung 12, 207, s. Taufe.
Mittelkarstdialckt. Phonologie d.Gör-
zer Mittclkarstdialektes (Vokal a) 1 30
—150.
Mogovaren und Katalanen 621 — 625.
Montenegros Ehrenkranz 598—601.
Moskauer Samml. mittelgriech. Sprich-
wörter s. Sprichwörter.
Nachricht der slav. Legende, daß Me-
thod mit Hilfe zweier schnellschrei-
bender Priester alle Bücher der hl.
Schrift mit Ausnahme d. Makkabäer
aus d. griech. Sprache in die slav.
im Verlaufe v. 6 Monaten übersetzt
habe 207, s. Method.
Narikovane von Kuhacevic u. sein Ver-
hältnis zu Relkovic' Satir 1 14 — 119.
Nekrologe (Malecki, V.T. Miller) 625
—633.
Neruda, eine Monographie über N. 526
—529.
Notiz von einem bosnischen Kalender
625.
Notizen u. Auszüge ans d. Handschr.
d. Kaiserl. Öffentl. Biblioth. in Peters-
burg u. anderer Petersb. Biblioth.
z. poln, Geschichte 226—252.
Oberkrainische Mundart. Über die
aus Dentalen entstand. Spiranten
d. oberkr. M. 329—333.
Ortsnamen: Pest und Varazdin 212.
Zur sloven. Ortsnamenkunde 610—
611.
Pannonische Legende. Erklärung dei
Worte der P.. L. vom hl. Methodius
inbez. auf d. Übers, der hl. Sehr. 12.
Päpstliche Regesten. Beweisführnng.
daß d. iraXI. Jahrh. in Monte Casino
gemachte Abschrift der p. R. das
Originalregister d. Briefe Johan-
nes Vni als ihre Vorlage voraussetzt
205—206.
Parömienbuch. Verhältnis d. kroat.-
glagol. Breviarien zum P. 14 — 16.
Phonologie s. Mittelkarstdialekt.
Polemik gegen die Jngendschrift Prof.
Goetz' »Geschichte d. Slavenapostel
Constantinus u. Methodius« 204.
Poljica. Statut der P. 262—269.
Polnisch s. Geflügeltes Wort, Notizen.
Psalterbruchstück, südruss , Lysiaks
aus dem XHI.- XIV. Jahrh. 585—
588.
636
Sachregister.
Reduplizierung d.Präpos. 156, 608 — 610.
Rechtsgeschichte d. Länder d. böhm.
Krone 562.
Regesten, päpstliche, s. Päpstl. R.
Reise d. beiden slav. Missionäre nach
Venedig 204, s. Polemik.
ReligiüseGedichte v. Kuhacevic 126.
Revisor s. Gogol.
Russisch s. Iteration, Märchen.
Russische Vokale. Einige Bemerkgn.
zu Scerbas »R. V.«, veranl. durch d.
Rezens. v. A. Thomson 563—577, s.
Volkslieder.
Särospataker altpoln. Bibelhandschr.
s. Sophienbibel.
Satir. Relkovic'S. inRagusa437 — 443.
Sendschreiben v. Kuhacevic 1 19 — 126.
Serbien s. Staat u. Gesellschaft
Serbisch s. Sprichwörter.
Serbokroatisch s. Betonung, Gramma-
tik, Lehnwörter.
Schrifttum in Kroatien. Einige Be-
merkungen z. Geschichte des Schrift-
tums in Kroatien 379 — 413.
Schulausgaben Hölders , cechischer
Dichter und Schriftsteller 589-594
(»Babicka^ v. Boz. Nemcovä 590—
592; »Kytice« v. Erben 592—593;
Humoristische Novelle im Vormärz
593—594; »Pohorskä vesnice« v.
Boz. Nemcovä 594).
Siebenjähriger Krieg in Kuhacevic'
Gedichten 126-129.
Slavischs. Alphabet, Vergl. Grammatik.
Slavisch-baltische Studien 307 — 317.
Slavische Deklination s. Endungen.
Slavisehe Schrift s. Entstehungsgesch.
Slav. Übersetzungen griech. Kirchen-
lieder s. Interpunktion.
Slavistik. Der neue Lehrstuhl für Sla-
vistik an d. Univ. Leyden 612 — 614.
Slovenisch s. Aussprache, Dialektfor-
schung , Metathese , Mittelkarst-
dialekt,0berkrainisch.Mundart,0rt8-
namenkunde.
Slowakisch s. Halbvokale.
Sophienbibel 3; Die Särospat. altpoln.
Bibelhandschrift (sog. S.) u. d. Lem-
berger Ausgabe v. J. 1871 179—201,
477—500.
Sprichwörter. Die kroat. u. serb. Spr.
im Verhältnis zu d. griech. u. röm.
280—284; Die Moskauer Sammlung
raittelgriech. Spr. 280—284,
Staat u. Gesellschaft im mitteralterl.
Serbien 252—262.
Staroslovan.Vierteljahrschr. zur Pflege
d. altslav. Sprache, Geschichte und
Kultur 300—302.
Studien über slav. ch 355 — 379.
Synonyma s. Iteration.
Taute Bonvojs durch Methodius 206.
Tolstoj. Wechselbezieh. zwisch.Tolstoj
u. d. deutsch. Literat. 452 — 476: T.s
erste Reise nach Deutschi. (1857)
454 — 456; T. über deutsche Kunst
456; T. über deutsche Literatur
(Goethe, Schiller, Hebbel, Auerbach,
Schopenhauer) 457 — 4.'>9; Krieg und
Frieden 459—461; T.s Einfluß auf
die deutsche Literat. (Hauptmann, J.
J. David, Halbe) 461—466; deutsche
Übersetz, v. T.s Werken 467 — 474;
deutsche T.-Literatnr 474 — 476.
Übersetzung d. hl. Schrift durch d. hl.
Methodius s. Breviere, Methods Be-
teiligung, Nachricht, Pannonische
Legende.
Ukrainisch s. Wortforschung.
Urkundliches über einige kroatische
Schriftsteller (Krmpotic , Ivanosic,
Bosnak, Stefanac) 443 — 452.
Vaterunser. Zu den d. altpoln. Texten
d. V. 615—616.
Verbot, die Messe in slav. Sprache zu
lesen, erlassen v. Papst Johann VIII
im J. 879 205.
Vergleichende Grammatik d. slavisch.
Sprachen. Ein praktischer Behelf,
alle slav. Sprach, in Wort u. Schrift
zu verstehen 298 — 300.
Visio Tundali 501—513.
Vokalharmonie 138.
Volkslieder,ru88i8che, aus d. Sammlung
P.V.Kirejevskij 273— 2S0.
Westen. Schlagwort v. > faulen W.«
317—318.
Wien. Die Namen W.s 296-298.
Worterklärungen 337 — 348.
Wortforschung. Beiträge z. ukrainisch.
W. 349—355.
Zadruga-Frage 255—256.
Zapiski z r^kopisow usw. s. Notizen.
Zeitrechnung, türkisch-bulg. 54S— 553.
Namenregister.
637
Namenregister.
Abicht 64—65, 413—437.
Adamec, Fr. 535.
Adämek, B. 537.
Aeneas Silvius 531.
Afanasjev 291, 515, 521.
Albert, Ed. 536.
Alexander VII. 232.
Allatius 578.
Altenkirch 280-281,283.
Amata, J. S. 228.
Amerling, K. S. 534.
Araphilochius 577.
Andreas Kretes 431.
Andrejew 468.
Antilovic 387.
Aranza 43S.
Arbes, J. 535, 546.
Asböth 2—7,10,212,318.
Athanasios v. Faros 579
—580.
Auerbach, B. 455, 457.
V. Auersperg, J. H. 391,
402—403.
Aurednicek 536.
Babiaczyk 3, 8—11, 180
—182, 185—186, 188—
1S9, 192,195,198—199,
325,477, 491.
Babic, J. J. 409.
Babicka, H. 537.
de Backer 398.
Balascev 584.
Baibin, B. 532.
Banduri 63—64.
Banfi, Ch 404—405.
Bartal 267.
Bartholomae 356, 367.
Bartos Fr. 535.
Bartos Pisar 531.
Bartosek v. Drahynic 531.
Batjuskov 621.
Baudouin de Courtenay
308,330—331,334,337,
504, 608.
Bayen 94.
Beckovsky 532.
Bedier, J. 520.
Beethoven 456.
Behr, S. 453.
Belinskij 525.
Benesevi6 303, 306.
Benesovä, B. 548,
Benfey 520, 523.
Bercic 225.
Berndl, L. u. D. 474.
BernekerSö- 59,212,221,
294, 296, 312—313, 338
—339, 371, 373, 377,
476, 622.
Bezruc 540, 547.
Bezsonov, P. 274, 275.
Bilek 536, 547.
Bily, Fr. 537.
Birukof, P. 476.
Blahoslav. J, 540.
Blasius 524.
Blau, 0. 550.
Blumenthal, 0. 457, 469,
475.
Bocek, A. 532.
Bodjanskij 152, 156—179,
525.
Boehme 285—287.
Bogisic 259.
Bogorodickij 571.
Boisacq 371,
Bücklin 456.
Bolte, J. 269-273, 290—
291,
Bolzano 534.
Bopp 307,
Borecky, J. 536,
Bofivoj 206.
Bornbach 231, 233.
Bosnak 408, 449—450,
Bousek, S. 536.
Boyer 68.
Bozdech 535, 540.
Brandl 536.
z Bratric Jenik 543 — 544,
Braun, E. 238.
Braun, J. 537.
Bremer 571, 576.
Brentano, A. 299.
Brentano, H. 473.
Bretholz 205.
Brezina, Ot. 538, 540.
Breznik 131.
z Brezove Vavfinec 531.
Broch, Ol. 598—601.
Broz-Ivekoviö 340—341,
343—344,
Bruere 438.
Brugmann 308, 310, 312,
316, 338, 357,
Bruchnalski,W. 625—63 1 .
Brückner 191, 206—207,
297, 489, 502,
Buci6, M. 384, 386, 389.
Budmani 344.
Büchmann 319.
Bulic 569.
Bury, J. B. 550—552.
Buttoraz 94.
Byron 634.
Carablak 258.
Caspar, E. 205.
Chalupa 536.
Chalupny 533.
Changalov 521.
Chelcicky 531, 540.
Chmelensky 533.
Chocholousek 533, 593.
Chrabr 65, 67, 203, 210.
Cbrisogogno 390.
Christ, W. 414— 416, 419,
427, 431, 433—435.
Christian 206, 530,
Christiani, W. 69, 317—
318,319—320,622—623,
Chwalczewski 232—233.
V. Cimburk Ctibor 631.
Cloz, P. 604—605.
Cognikovich 84.
Comenius 190—193, 489,
532, 540, 546.
Conev, B. 203, 213—214.
Constantinus (Cyrillus),
Konstantin 151—179,
204, 207, 211, 221, 579
—583, 585.
Cordova 101.
Cornova 543.
Coronius 392.
Cosquin, E. 514—524,
Croiset van der Kop 226
—252.
Crusius 45.
Cumont 44.
Cyrill 8. Constantinus.
Czacki, T. 235.
Czambel 325—327, 548.
6apek, B. K. 537.
Öecetka 537.
638
Öech, L. 537, 547.
Cech, Sv. 536, 540, 546.
Celakovsky 282, 526, 533
^ 534, 54ü, 546.
Cenkov 536,
Öensky, F. 535.
Öervinka, 0. 536.
Öolid, M. 95.
Colic, V. 94, 111.
Öorovic, V1.294— 296, 614
, —615.
Culic, J. 438.
Cupr, Fr. 534.
Dacicky, M. 531.
Dahl 623.
Dalimil 206, 531.
Daniele 257— 258,261 ,281 ,
501—505.
Danilewski 475.
Dantyszka 232.
Dastich, J. 535.
V. Dauu SO, 101, 107.
David, J. J. 465.
Demetrios Chomatiuos
579.
Derechkay, J. 389.
V. Diankovec 402.
Diels, P. 320, 321—324,
324—328, 615—616.
Diesterweg 455.
Dobner 210, 543.
Dobrila 95.
Dobronoki 401.
Dobrovolskij 516.
Dobrovsky 151— 152,206,
210—211,532—533,540,
542, 544.
Dohnal, A. (Hausmann)
534, 540.
Dolansky 558.
Domitrovic, P. 396, 405.
Donatli, 0. 526—529, 530
—539, 539—541, 541 —
545, 545—548, 589—
594, 634—664.
Dostäl-Lutinov 536.
Dostojevskij 453, 469,613.
Draasinovich 94.
Draskovid, G. 384, 410.
Draskovid, J. 410.
Drechsler 60.
Dreyling 101.
Driesen 317 — 318.
Droysen 454.
Namenregister.
Drtil, A. 537.
z Dube Ondr. 531.
Du ßois Reymond 454.
Dudik 205, 536, 553.
Dukat 403.
Dumenchich 94.
Diimmler 205.
Dunin Borkowski 319.
Durdik, J. 535.
Durdik, P. 535.
Durych, F. 542.
Dvornicic, B. 395.
Dvorak, A. 548.
Dvoi-äk, Z. 536.
Dyk, V. 538, 540.
Ehrhardt 45.
Emier 536.
I Endzelin 307 — 317, 602.
I Ephrämos Syros 155.
Erben 526, 533, 540, 546,
553, 555, 592—593.
Erdeödi, E. 391.
Erdeödi, N. 401.
Erdeödi, S. 391, 401.
Erdeödi, Th. 401, 410.
Etienne, R. 186—187.
Eusignius 44,
Fancer, Fr. 379—413.
Federowski 516.
Fein, N. 589—592.
Feist 362, 367.
Feretic, J. 604—606.
Fick 362—363.
Finkel, L. 319—320.
Flajshans 547, 553, 557.
Fontane, Th. 466.
Fortunatov 307,
Fraenkl 454.
France, R. 329—337.
Francev 525.
Franic 444,
Franko, I. 150—179.
Frankopan,G. 391, 402—
403.
Frankopan, Kath. 385,
401—402.
Frankopan, N. 401, 404.
Fric 540.
Froehde 362.
Fröbel, J. 455.
GaVsser 414, 416.
Gaj 443.
Galezowski 227.
Gall zu Brindel 96—87,
94, 98, 101, 108.
Galovic, N. 394, 404, 406
—407, 409.
Gebauer 325, 340, 547.
553—554.
Gedeonov 317.
Geitler 62, 64, 65.
Gindely 536, 547.
Giulay 446.
Giustiniano, S. 232.
Gleye, C. E. 280—284.
V. Gliimer, CI. 468—469.
Goethe 457.
Goetz 204—205, 212.
Gogol 620—621.
Golant, N. M. 468.
Golebowski 235.
Golubin8kij577— 578,481 .
Gorazd 211.
Gorkij 468.
Gorskij 210—211, 577.
Grabowski, G. 236,
Graff, P. 453, 469.
Granovskij 525.
Grau, S. 232.
Gregor XV. 232.
Gregorios v. Nazianz 155.
Gregorius Dialogus 213,
Grienberger 296—298.
Griese, T. 232.
Griesebacb, E. 468.
Grigorij (v.BuIgarien)213.
Grigorovic 225, 578, 581,
Grimm J. 270.
Grimm, H. 272.
Grimm, W. 270, 611.
Grünau 233.
Guudnlic 346.
Gussew 475.
Gütscbow 476.
Habdelic 394—395, 403—
406, 410, 412.
Hadrian II. 304.
Hahn 517.
Hajdecki 320.
! Häjek V. Libocan V. 536.
Häjek v. Hodetin J. 531.
Häjek, T. 531.
Hajnal 397.
Halbe, M. 465—466.
Hälek 533—535, 540.
Hallerstein 82.
Halm, H. 452—476.
Hanisch, E. I— 11, 179—
201, 298—302, 319,477
—500.
Hanka 532, 544.
Namenregister.
639
Hanus, 1.541— 545, 547.
Hanus, I. J. 534.
Harant v. Polzic 531.
V. Harrach 86, 101.
Haraänyi 1—7, 181, 189
—194, 198.
Hattala 535.
Hauptmann, G. 458, 402
—465.
Havelka 535.
Havlasa, I. 537.
Havlicek, K. 524—525,
52B, 534—535, 540.
Havllk 547.
Haxthausen 525.
Hebel 457—458.
Heine 527, 534.
Heller, S. 537.
Henckel, W. 453, 409.
Herben 537, 540.
Herberstein 82—83, 8S.
Herites 537.
Hermann, E. 313.
Herrmann, I. 537.
Herscheasohn 274 — 275.
Herzen, AI. 285.
Heß, A. 274.
Heyduk 534, 540, 580.
Hilarius v.Leitmeritz 531 .
Hubert, J. 537, 540, 548.
Hildburgshausen 84 — 86,
100.
Hilferding 548—550.
Hinderer 106.
Hirt 307, 314, 316—317.
Hjärne, H. 599.
Hladik, 537.
Hliebowicz 236.
Hnatjuk 294.
Hofmann, K. 520.
Holecek, J. 537.
Hoievac 98, 102, 109.
Holina, A. 529.
Holy, J. 538.
Hordynskyj, J. 585—588.
Horky, K. 548.
Hornostay, G. 236.
Horvath, I. 390.
Horvvath, G. 241.
Hosius 232.
Hosek, J. 537.
Hrase, J. V. 535.
Hrelianovich 83.
Hromädko 544.
Hruby, J. 537.
Hruby, V. 298—300.
Huber, A. 531.
Hujer 321.
Hus 531, 539, 540.
z Hvezdy, J. 533—534.
Hybl, Fr. 204, 206, 208.
Hyna, F. 534.
Ignatios Diakonos 155.
Ilesic, Fr. 500—562.
Hjinskij 213.
Innozenz X. 232.
Ivanickij 516.
Ivanisevic, T. 615.
Ivanosic, A. 447 — 448.
Ivanov 318.
Ivsic 343.
Jablonsky 533, 540.
Jahn, M. 537,
Jagic 51 — 55, 62, 65 — 00,
202—220,252—262,262
—269, 269—273, 273—
280,280—284,285—287,
318—319, 322, 346—
347,388,403, 412—413,
431,433,430—437,501 —
513,577-585,587-588,
620—621,631—633.
Jakubec, Joa. 536.
Jakubec, Jan 541 — 545,
545—548.
Janda, J. B. 535.
Janezic 147.
Jaros, G. 537.
Jedlicka B. 553.
Jelagin, V. A. 274,
Jelinek, B. 536.
Jelinek, E. 537.
Jenko 103, 107—109, 125
— 126.
Jensen, A. 598—601.
Jei'äbek, Fr. V. 535, 540.
Jesenskä, E. 547.
Jevsejev 13—14, 18, 203,
213, 224, 580.
Jiräsek 536, 540, 547.
Jirecek, H. 536.
Jirecek, J. 189— 190, 535,
547.
Jirecek, K. 206, 252—262,
548—553.
Joannes archidiac. Gori-
censis 383.
Joannovid 619.
Johann YHI. 204—205.
Jokl, N. 307—317, 591—
598.
Jungmann, J. 532 — 533,
540, 542, 540,
Juntae, Ph. 420.
Juijevic 387.
Justi, J. H. G. 543.
Kacanovskij 517.
Kalajdoyic 162.
Kaiina 533.
Kaliucük 534.
Kaliaovvski, M. 241, 244.
Kalousek 536, 547.
Kamaryt 533.
Kaminek, K. 537.
Kaminsky, B. 536.
Kapper, S. 534.
Kapras, J. 535, 562.
Karadzic 517, 020.
Kuramzin 285.
Karäsek ze Lvovic, J.537
—538.
Karlowicz 510, 623.
Kasic, B. 60.
Kasumovic, J. 280 — 2S4.
Katancic 119, 608.
Kavanin, J. 615.
Kebrle 553.
Keglevic, F. 391, 401.
Keglevic, G. 391.
Keller 455.
Khol, Fr. 548.
Kidric 67.
Kielczewski, K. 240.
Kirejevskij, P. V. 273—
2S0.
Kläcel 534.
Klästersky, A. 530.
Klemens (v. Macedonien)
204, 209, 211, 213.
Klemens Alexandrinos
155.
Klicpera, Iv. 537.
Klicpera, Kl. 533.
Klostermann, K. 537.
Kluyver 358.
Kobilovid 307.
Kocel 204.
Kohl 524.
Köhler, R. 271, 273,289.
Kochanowski 118.
Kojalovic 235.
Kolär, J. J, 535, 540.
Kolcov 08.
z Koldina, Kr. 531.
Kollär, J. 532—534, 540,
540.
Komensky s. Comenius.
Konäc, M. 531.
Koniäs, A. 532.
640
Namenregister.
Koniecpolski, R. 240—
244.
Koriikoviö, B.Cognicovich
82.
Konstanc, G. 532.
Konstantin s. Constantin.
Konstantin d. Sizilier 155.
Kopitar 210—212, 603—
6U4, 617—618,
Kornilovic 286.
Korzeniowski, J. 226 —
252.
Korzon 320.
Kosina 535.
Kosmäk, V. 547, 540.
Kosmas 530.
Köstlin 418.
Kostreneic, M. 269.
Kott, Fr. St. 535.
Koubek, J. P. 534, 540.
Kovacic 301.
Kovacic-Vodopija 390.
Kozlovßkij 356, 358.
Kozlowski 233.
Krabice, B. 531.
Krajaceviö, M. 387, 390—
392, 394-395, 397, 400
—401,403,412—413.
Krajacevic, V. 395.
Krajacic 390.
Kräi 533.
Kramaric 386,
Krasko 548.
Kräsnohorskä, El. 536,
540, 546—547.
Krcelid 380.
Krebs, H. 621,
Krejci, F. V. 526, 529.
Kretschmer 309, 312.
Krizanic 387.
Krmpotic, J. 444—447,
Krofta 205.
Krumbacher 208, 280—
281,
Krynski 615—616,
Kn bin 291.
Kucera, K. 536.
Kuhac 387.
Kuhacevid, F. 97,113, 120
—124,
Kuhaceviö, J. 73, 111.
Kuhaeevic, L. 104—100,
113, 120.
Kuhacevid, M.T, 73—130,
Kukucin 548,
Kukujevid 73, 380, 382,
388, 395, 404, 406—408,
438,501—502,558,607.
Kulbakin203, 213,
Kunik 548, 550.
Knnz 299,
Kuripesic 387,
Kuthen 531,
Kutusow (Kutuzov) 460.
Kuun, G. 550.
Kvapil 536.
Kvicala 535,
de Lagarde, P. 370.
Laichter, J. 537,
Lamanskij 203,
de Lamberty 233.
Lambertz, M. 59J— 598.
Lang, P. 555.
Langer, Fr. 548.
Langer, J, 533, 540, 593.
Laszowski 382,
Laudon 117—128.
Lausus, M. 405.
Lavrov 209— 21 1, 213,578.
Lebedev 224.
Leciejewski 319, 322,
Leger, K. 536,
Lenau 534.
Leo d. Weise 155,
Lepar, L 535,
Lepsius 134.
Leskien 59, 304, 311,323,
327, 581.
Lewinski, J. 475.
Lid^n 361, 366, 370.
Lier, J. 537,
Linda 544,
Linde 10,
Lindner, G. A. 535.
Liszt 317, 455.
Loos :U9,
Lopasid 395,
LosJ82.
Lostäk, L. 536.
Löwenfeld, R. 454—456,
469,471—472,475—470.
V. Löwis 287—294.
Löwenwolde 101.
^.ubic, P. 390, 394, 404—
406,410.
Lubienski, St. 239, 241—
242,
Lucari, L. 390—391,393.
Lüdtke, W. 44—51.
Lumaga 82—83.
Luther 455,
Luzar 334—335.
Luzicka 535,
Lysiak, Th, 586,
Maciejowski 233,
Magdalenic 390.
Magdic, M. 73—74, 84,94
—95, 111, 129.
Mähen, J. 537, 548.
Mahlow 313.
Mächa 526, 533, 540.
Machäcek, Th. 529, 533,
Mächal, J. 541—545, 547,
Machar, I. S. 538, 540, 547,
Makar, A, 394, 404, 406,
Makarius 577.
Makovicka, E. 535.
Malachowski 231.
Malecki 3, 182—183, 187
—190, 193—195, 200,
625—631,
Malinsky 537.
Malkosic 387.
V. Maltitz 455.
V. Maltzew, A, 415.
Malysevskij 577.
Maretic 344.
Marignola 206, 531.
Marichich 94.
Marinov 517,
Marinovid, M. 438—443,
Markov, A. V. 274.
Märten, M. 537.
Marquart 550 — 551.
Masaryk 525, 533.
Matejka, J. 537.
Matic, T, 73—130,262—
269, 319, 437—443, 443
—452,
Matzenauer 366, 535,
Maximin 44.
Mayer, J. M. 548.
Mayer, R. 534, 540,
Mazarin 116,
Mazuranid VI, 267,
Meillet307— 308, 310,312
—314, 316—317, 356,
358,
Melich 212.
Mencik 553,
Meninski 345—346,
Merhaut 537,
Meringer 357.
Mereschkowski 476.
Methodios v. Olympos
155.
Methodius (mährisch-
Namenregister.
641
pannonischer) 2ü4—
208,211,579—583,585.
Meyer, G. 360, 597—598,
6ül— 602.
Meyer, Ph. 419.
Michajlov 14—15, 203,
224, 587, 621.
Mickiewicz 319.
Mikkola 308, 311, 314,
548—553.
Miklosich 296, 333, 337,
340, 345, 347, 376,577,
609.
Miklonsic 380, 606—607.
Mikulid, Th. 401.
Milcetic, I. 501—502, 558
—560, 603—606.
Miletic 214.
Miller, Vs.r.273— 280,631
—633.
Milos Fürst v.Serbien6l7
—618.
Milovec, B. 385, 389—390,
394—395,397,398—403,
405—406.
Mislenovic 393.
Miskatovic 343.
zMitrovicV.Vr. 531,540.
Mladenov, S. 211, 338.
Mogorich, M. 409.
Mokry, 0. 536.
Molke 102.
Mosovsky 531.
Mrnaveeviö, S. 402.
Mrstik, A. 537, 540.
Mrstik, V. 537, 540.
Mscislawski 241.
Mucke, E. 562.
Murko 213.
Mazik 536.
Nadasdi, F. 398—399, 402.
Nadasdi, Th. 625.
Nadaadi-Draakovic, M. M.
394, 407.
Nachtigall 203, 224—225,
587.
Naruazewicz 228.
Naum 213, 581, 583.
Nebesky, V. B. 534—535,
540.
Nehring 190—191, 319,
615—616.
Nejedly,J.532— 533, 542,
544.
Nömcovä, B. 529, 534,
540, 589—594.
Neruda, J. 526—529, 533
—535, 540, 546.
Neumann, St. K. 547.
Nevostrujev 210—211,
577.
Nicolaus Arbensis 210.
Nikiforos Uranos 155.
NiloB 155.
Nitsch, K. 2—7.
Novak, A. 526—529, 530
—539, 541—542, 545—
548.
Noväk, J. V. 530—532.
Noväkovä, Ter. 537, 546,
547.
Novakoviö,St. 578, 583—
584, 622, 624—625.
Novotny,V.204— 206,547.
Oblak 213—214, 622.
Obnorskij.S.P. 302—306.
Oginski, M. 320.
Okunev, N. A. 621.
Oncukov 516.
Orlov, AI. 286.
Orlowski 320.
v.d.Osten-Sacken 55 — 59,
312.
V. Ottersdorf, S. 531.
Ovid 523.
Fächer 95, 111, 116, 129.
Pajan 93.
Palacky,Fr. 532, 534,540,
546.
Palkovic 544.
Pafikewycz, I. 585 — 588.
Paranikas 414, 427, 434
—435.
Pasquale de Valeriis 84,
Pastrnek 202—226, 325,
547, 557.
Patera 536.
Patrubany 369.
Paulus V. Ancona 205.
Pavich V. Pfauental, A.
262—263.
Pavlov, A. S. 303.
Pavlovic 387, 618—620.
Pawlowski, B. 320.
Pecirka 553.
Pedersen 308—310, 312,
316,355—356,358,360,
366, 370—371.
Peisker 256.
Pekar 206,
Pekmezi, G. 594—598,602.
Archiv für Hlavisclie Philologie. XXXV.
Pelikan 553—554.
Pellico Silvio 112.
Pelzel 543, 545.
Pergosid 385—387.
Pernus, J. 336.
Persson 371.
Petar II. Njegos 598, 600.
Petersson, H. 355—379.
Petretic, P. 407, 615.
Petris, J. 501.
Petrovid, L. 387.
Petrovskij 211, 551.
Pfleger Moravsky 535,540,
546.
Philaret 577.
Philippos Solitarios 162.
Piasecki P. 242.
Picek 533.
Piekosinski 185, 191,195,
201.
Pintar, L. 333—337, 608
—610, 610—611, 611—
612, 623—624.
Pippich 537.
Pipping 571.
Pisaf, B. 531,
Piter 543.
Pitra 41^—416.
Plachy, S. 531.
Pletersnik 343, 609,
Podlipskä, Z. 535, 546.
Pogodin 314.
Pognar, M. 386.
Pogorelov 203, 213, 225,
587.
Pokoiny, R. 536.
Poläk, M. Zd. 540.
Polivka, G, 269—273, 287
—294, 514—524, 524—
525.
Pongraz 402.
Poniatowski 286.
Popov, A. 430, 548.
Popovic 346.
Popruzenko 225.
Portner 84, 94, 99, 101—
102, 106.
Porzezinski 307—308.
Potemkin 286.
de Pozi 88.
Prasek 536, 547.
Pravda 534—535, 540.
Prazäk 526.
Preissovä, G. 537.
Prellvitz 368, 373.
Pressol, L. 392.
Prochäzka, A. 038.
41
642
Namenregister.
Prochäzka, F. F. 543, 545.
Prochäzka, Fr. S. 536.
Pucic, 0. 257.
Pulkava 531.
Purkyne 534, 540.
Puskin 285, 534.
Pypin 285.
Quis, L. 536, 540.
Raczynski, E. 234.
Racki 205—207, 209, 262,
383.
Radic 390.
Radioff 255, 353—354, 550
551.
Radziwill, M. K. 231,234,
23ü.
Rais, K. V. 537, 546.
Ranina, D. 438.
Rank. J. 535,
Ratkaj, J. 394.
Raunach 79 — SO.
Relkovic.M.A. 115—119,
437—443.
Resetar 60—62, G2— 67,
208, 262—263, 269, 294
—296, 296—298, 342,
438,560—562,598,600.
Reuter, Fr. 458.
Reznicek 537.
Ritig, S. 205, 209.
Rodicev, Th. J. 621.
Rodovsky, B. 531.
Rohäcek, Fr. 537.
Rohde, E. 523.
V. Rokycana, J. 531.
Rokyta 536, 547.
Romanov 516, 521.
Rosa, V. 532.
Roskoschny, H. 472.
Röttger, F. 46^, 471.
Rozdolskyj 294.
V. Rozwadowski 179, 182,
188, 310, 317.
Rubes 533, 540.
Rucic, J. 401.
Rulik 545.
Rumjancov, N. P. 152.
Rybicka, A. 535.
Sabatier 7.
Sabina 534, 535.
Samoiloff 571, 576.
SartoriuSjN. s.Krajacevic.
Sedläcek 536, 547.
Seliscev 521 — 525.
I Semenovic 9.
Seppelt 615 — 616.
Seppenburg 100.
Serebkowicz, Ch. 240.
Sergejenko 474 — 476.
Sertich 94, 98.
Seuron, A. 476.
Severianov 51.
Seykora, 0. 554.
Sezima, K. 537, 538.
Schauer, H. G. 537.
Scheftelowitz 370.
Schelling 273.
Scherbachich, G. 388.
Scherzer 105—106, 477.
Schiller 457.
Schleicher 307.
Sehloissnig 100.
Schlumberger, 6. 624.
Schmidt, J. 309, 313.
Schmitt, H. 472, 475.
Scholz, B. 453, 473.
Schopenhauer 455, 457.
Schrader 357.
Schrauf 403.
Schuchardt 339—340.
SchultheisB, T. 69—72.
Schulz, F. 535, 546.
Schuyler, E. 458.
SimeonMetaphrastes 155.
Simonyi 29S.
Siuts, H. 291.
Skok, P. 337—348.
Skala ze Zhore, P. 532.
Slabinus, M. 392.
Slcädek,J.V. 536, 540,547.
Smetana, A. 534.
Smetänka 537, 553—558.
Smiciklas, T. 381, 395.
Smolcic, L. 401.
Snopek 205, 578.
Sobieski, J. 234.
Sobieski, W. 229.
Sobolevskij 64, 152, 153
—179,208,213,578,583.
Sodic 98.
Sokol, I. 535.
Sommervogel 398, 406—
407.
Sonnenfels, J. 543.
Sotwel 397.
Sova, A. 536. 538, 510.
Späcil, J. 536.
Speranskij (18, 273—280.
Spina, Fr. 553—558.
Spiro 475.
Sreznevskij 62, 64, 152—
179, 212 578.
Staszic, St.. 235.
Starcevic, S. 60—62.
Stasek,Ant.535,537,546.
Stauber 78.
Stepanov, N. V. 551.
Stephanus s. Etienne.
Steyer, W. 532.
Stocki, R. 349-355.
Stöger 398, 406.
Stojanovic 209, 213, 518.
Sträneckä 537.
Straporola 523.
Strauch, D. Ae. 238.
Streitberg 314.
Strenge, E. 453, 469,471.
Stroupeznicky 537.
Strzygowski 203.
Stubenberg 78.
Suidas 368.
Sumin, J. 537, 547.
Sutner, B. 458,461.
Svätek, J. 535.
Svatopluk V. Mähren 205
—206.
Svetlä, K. 535, 546.
Svoboda, W. A. 542, 544.
Svobodovä, R. 547.
Sylvius Aeneas 531.
Synesios 155.
Synkellos, El. 155.
Szabö 406.
Szamota, St. 382.
Szöreny, AI. 404.
Szykowski, P. 240.
Safarik 176,211,258,380,
525, 532, 540, 546, 583,
606, 618—620.
Salda, F. H. 538.
Sambar, M. 412.
Scepkiu210, 213.
Scerba 563—577.
Sedivy 544.
Sein 277—279.
Sembera, A. V. 532.
Sevyrev317— 318,524—
525.
Sikuten 390.
Simäcek 537, 540.
Simunid, M. 409.
^intic, A. 604—606.
Skäba 537.
Namenregister.
643
Skampa 536.
Skrabec561,
Skrinarid 386—387.
Slejhar, I. K. 537, 547.
Smilovsky 535.
Snaidr 533.
Sole, V. 534, 540.
Spatny 535.
Stefanac 450—452.
Stech 537.
Stepänek, K. 537, 544.
Stitny 531, 539.
Stolba 537.
Strekelj.K. 130—150, 561.
Stulc 533.
Subert,F.A.533, 537, 540.
Sumavsky, Fr. 535.
Surmin 267, 380, 390, 606
—608.
Täborsky, Fr. 536.
Tajovsky 548.
Targowski, S. 240.
Tarnowski, J. 240.
Taussig, F. 589—593.
Teneromo, J. 475.
Tösnohlidek, R. 537.
Thallöczy 625,
Tham, K. I. 544.
TheodoroB Prodromoa
155.
Theodoros Studites 155.
Theophylaktos 580.
Thomayer, J. 547.
Thomson, A. 563—577.
Tieftrunk, K. 536.
Tiktin 350, 352.
Tille 529.
Tkalci<5 380, 382.
Tobolka 524.
Tolstoj, A. A. 474.
Tolstoj, L. N. 452—476,
613.
Tolvay 403.
Tomaschek 258, 548, 550.
Tomek 536, 547.
Tomsa 545.
Torbiömsson 366.
Trachtenberg 68.
Treimer, K. 601—603.
Treuhand 517.
Trubetzkoj, P. 475.
Trebizsky, V.B. 536,540.
Tunickij, N. L. 577—585.
Turcin 390.
Turgenev 285, 453.
Turinsky 533.
Turnovsky, J. L. 535.
Tyi 533, 593.
Tyrs 535.
Uher, J. 537.
Uhlenbeck 356—357.
Ullraann t>02.
Undolskij 578.
Ungar 543.
Urban VIII. 232.
Uspenskij 549.
Vajs, J. 12—42, 203,208,
224, 558—560.
Valdec, St. 318.
Valjavec 210, 587.
Vamb6ry 550.
Vasarheli, G. 404.
Väsa, P. 539—541.
Vasek, A. 535.
VavAk, F. 543—544.
Vele8lavin,D.A. 531,540.
Vengerov, S. A. 620.
Vercellone 7.
Verniö, M. 390.
Verstovskij 317.
Vikova-Kunötickä 537.
VinaHcky 540.
Vitezovic. P. 408.
Vlcek V. Cenov 531.
Vlcek, J. 541—545, 547.
Vl6ek, V. 535, 546.
Vobornik 537.
Vocel 532, 540.
Vodäk 537.
Vodopija 8. Kovaciö.
Vojinoviö 517.
Vojkovic, J. 401.
Vok V. Rosenberg, P. 553.
Volf, G. 225.
Vondräk68,204,208,211,
213,307, 311—312,338,
371, 542.
Voronov 577, 580.
Voskresenskij 210, 577.
Vragovic, P. 389—390,
393.
Vramec 386—387.
Vrchlicky 529, 536, 540,
547.
Vudragovid, Kl. 104,107,
113, 126.
Vnk 60—62.
Vnkasovid 445— 446.
Vukelich 94, 98.
Vybiral 589—594.
Vychodil, P. 536—537.
Vykoukal, Fr. 537.
Vymazal 535.
Wackernagel 367.
Wagner, A. 502—503, 505.
Wagner, S. 456.
Walde 58—59, 309, 312,
358,370.
Wattenbach 206, 208.
Wenden, P. 241.
Wenzig, I. 535.
Wesseleny, Fr. 408.
Wes8elof8ky,A.514— 515,
520.
Wessely 297.
Wiedemann 308,311,362.
Winter, Z. ö36, 540.
Wolf, L. 474.
Wolfsohn, W. 455, 468.
Wolganow 454.
Wybicki, J. 319.
Zabel, E. 476.
Zahn 611.
Zahradnik 534.
Zäkrejs, F. 535.
Zahiski, J.^228— 229.
Zbarawski 244.
Zeleny, V. 536.
Zeman, Fr. A. 535.
Zenos 296.
Zeyer 536, 540.
Zielinski 523.
Zikmund 535,
Zikovä, L. 537.
Zima 544.
Zlatarski, V.N, 209,551,
583.
Zlobicky, J.^V. 543.
Zola 549.
ZrinBki,'G. 401.
Zrin8ki,Nik.385,388,402.
Zrin8ki,Pet.385, 387, 402.
Zubaty 314,321,338,547.
V. Zerotin, K. 540.
Zidi6|(? Sidich) S. J. 409.
Zizka,';J.,531.,
ilukovskij 320.
Zunkovic 301—302.
41*
644
Wortregister.
Wortregister.
ayxavQos 58.
auster 58.
auszrä 58.
az 555.
babäna 349.
baildisati 345.
bärzast, barzav, barzilo
337—338.
baska 349.
bataleu 349,
baterisati 346.
bäus 349.
baza, bez, 6o3x 325.
bend'üh 349.
bestvo 57.
ÖIlTB-KaSHUTB 68.
bybäk 349.
bynda 349.
byrka 349.
blamäüka 349.
bläna 349.
blich 349.
blymaty 349.
Wyndä 349.
blyndyj 349.
böida 609.
bokör 350.
bokrejda 349.
bord'iih 350.
bosörka 350,
bosorkün 350.
bränd za 350.
brendüsa 350.
bruman 506.
brytnäl' 350.
büc 350.
öysy-CTany 68.
bud'zök 350.
bühas 350.
bnnkos 350.
burd^j 350.
busa 350.
bystri. 56—57.
byt, bit, bitek 348.
btdrx 57.
Cärigräd, Cäribrod, Cari-
brdo, Cesargrad 346.
uapt-rocyaapB 68.
centaurea 343.
clez 339.
cyngel' 351.
cynhaköra 351.
cyrka 351.
döra 351.
cumba 338.
ciipka 351.
cvyst 351.
cabäk 351.
cäge 346.
cäika 351.
capäs 351.
cfektisati 345.
cemesyty 351.
cerköty 351.
cest'-cti 326.
cet6n 351.
chabiti 365.
chabiti se 358.
chivitt 362.
chlestätB (chlesnütB) 377
378
chleb-B 358.
chlebB 378.
chlöpatB 379.
choditi 355.
cholitB 369.
chop- 623.
chramt, choromy 373.
chranq(chraniti)366— 367.
chrapavT. 372.
chrjäpatB 376.
chrBbBt-B 371—372.
ch^pati (chupati) 369 —
370.
chudziec 342.
churavy, chyra, chvoratB
361.
chylid, chyly, chilyj 352.
chvosti) 370.
cynär 351.
cynceryji 351.
Ööjluk (Cojluk) 341—342.
cri.n'B 57.
CBban-B 338—341.
CBb'Brx 339.
qyÄO-ÄHBO 68.
cumiu 351.
cuväf352.
dädos 352.
daräba 352.
daska, deska, dska, cka
325.
däzd, d6sc, döst', äohcäb
325.
dedinny 555,
Dibra 601—603.
doba 555.
döga 352.
Dragoc 623.
dresen 624.
duse 321—324.
eglenisati 344, 345.
facärnyj 352.
faj 352.
feiel'uvaty 352.
ficka 352.
ßekeu 352.
folösyty sa 352.
gärir 353.
gard 353.
gäura 353.
gava 622.
gdo 507.
gyrla 353.
glämoc 623—624.
glävten fgvävten) 334 —
336.
glubina, glubok 506.
gogomän 352.
golem-i 622.
golme, roJiOMii 622.
rope-nyacÄa 68.
ropecTB-ne^aJB 68.
gorgän -353.
götka 353,
grä^ 320,
gropa 353.
gros 353.
gred9 622.
gurgül'a 353.
gwava 333, 334.
hacä 353.
halabän 353.
hal'aväty 353.
harat'aty 353.
harst 57.
hisnik 506.
hlapsl 318—319.
Wortregister.
645
hom6k 353.
hrsam 346.
(h)uja, hüjav 342—343.
hujati 343.
huzvä 353.
uayT-B-tayT-B 68.
i^czstwo 8.
istupiti 267.
jaiäk353.
jemny 555.
jme 555.
(justro. 55 — 59.
(j)utro 55—59.
kacabäjka 353.
käjla 353.
kätap 353.
kana, kna, ki-na 346.
kantarijün, -üna 343.
kap 354.
käpiu 354.
kapus 354.
karäzija 354.
karmäk 354.
katlamä 354.
kavi'ik 354.
kazämak, krzämak 346.
keisati 345, 346.
kendyryda 354.
xeyzcevQiou 343.
kidisati 345.
kilic 346.
kima, kirnet 346.
kirsnan 57.
khika 354.
kljuce 321—324.
koba, kobica 340.
köda 354.
koköna 354.
koli 555.
kolomboc 343.
konarä 354.
kondäs 354.
konfitüry 354.
kopa, köpana 340.
Kopocxa 57.
kotäl, kotol 326.
K0BW.3i.-TpaBa 68.
Kpajiii-BopoBaJH 68.
krasta 57.
krdisati 346.
ki-luic 346.
ki-sla 346.
kfzluk 346.
krtchta 59.
kristx 212.
kuhä 354.
kuländisati 345.
kumän 355.
kuräj 355.
kurbet 355.
kurkür 354.
kurmej 355.
küzba 354.
xvjxßog 338.
kysyr 354.
kytäk326— 327.
Iädäne,lädän8ki343— 344.
ran, len 325.
lastäc 507.
lauxnoB 57.
Lavtar 336.
lea (led) 329.
lest'-lsti 326.
lev 326.
le 506.
luge 602.
luna 57.
lupiti 375.
.iio6oBi.-TOCKa 68.
Ijubodeati 507.
Itga, Itzica 602.
mach, mech, Moxt 325.
machätB 362 — 365.
manigoldi 509.
mascenie 507.
menda 609.
metwa 332.
nelze 555.
nemar 507.
UCBO-ILHHKT. - nOÄTIOpeM-
miIKT> 68.
obiatowanie,obietowanie
9,
obljubljen 508.
odne 507.
ochaba. ochabiti e^ 358.
ochl^n^ti, ochl^danie 377.
okan''n 507.
orol 326, 327.
osändisati 345.
osol 336, 327.
ospop 329, 331.
ostrva 344.
OTCUt-ÖaxiomKa 68.
otpocziwadlo 10.
oyos 326, 327.
pechovati 57.
pendar 602.
Pest 212.
pesta 57.
piaeta 57.
plest 358—359.
pochäbiti. 365 — 366.
pochylx, prihuliti se 360.
pokalanie, pokalenie 9.
nopa-BpeMji 68.
nopa-spcMaiKO 68,
postata 555.
posuditi 555.
npasÄa-ucTHna 68.
pralo (pravo) 336.
praviti 507. ^
preh {prep, pres) 329, 331,
333.
preljubodeistvo 507.
prinaiti 266.
prsura 504.
prychanie 57.
pryskat' 57.
nyTB-aopoJKKa 68.
paaocTB-BecejibO 68.
räzi 346.
raz, razka, rez 325.
redovnik 507.
Ht (ryt) 555.
roznyewac 11.
rf5kama319.
samojeda, samojeja 509.
seif, sciphi, schip 339.
scodella 339.
sesamojda 609.
sesljav 609.
sestär 326.
sila 555.
Skala 376.
skillings, Bktlegx, sk-B-
lezB, skl^ZB 339.
skrovny 555.
CKyKa-ropecTB 68.
slja, sljav 609.
sobota 507.
Bocha, posocha 356 — 357
Bolnovrat, slanovrat 609.
Bopet 507.
soteska 611.
spfp 331.
srkletli 346.
stäti 555.
stoprve 507.
cyHÄyKT.-.üapeu'B 68.
suahko 329.
swyebodnye 11.
szoriti 555, 556.
sagT. (sagatB) 359 — 360.
646
Wortregister.
Saljem., saliti., sala 367 —
369.
saritB, garkatB 372—374.
Bceljag 339.
BcelK 376.
seludi (solud) 376.
seluchä 374—376.
selupina 374.
sest'B 360.
sip-B 370-371.
skTp 341.
spital 507.
sury (soury) 360 — 361.
s^pa, sepa 369.
swiadomie 11.
tasöeslavno 507.
takmo 507.
tistament 507.
Topn>-6a3api. 68.
TOCKOBaTB-ropcBaxB 68.
trat 502.
tükati se, tikati, tykati,
tykac 344.
Ty<ia-6yp>i 68.
tuzöti 555.
ohstäwa 332.
uFk 602.
upoly 555.
uroki 11.
UBtro 8. justro.
utro s. jutro.
uzwöm 332.
v = u 182—183.
Varazdin212.
vdovne 555.
veksi 506.
Vel6bit 348.
Velehrad 347.
vept 333.
Viden 296—298.
vladafie 343, 344.
vlas 555.
Vobra 610.
vos 326.
vraidovati 507.
Vucedraga, Vuceravan
347.
Vu6ikal 347.
Vu6ipo}e 347.
vuski 507.
BHKynx-BwpyqKa 68.
vzofiti 556.
Wandelitzen (Vodovnica)
610.
tcoJ>tl§ 332.
wöku 334.
uapB-rocyÄapB 68.
lyÄO-ÄHBO 68.
zaj6 331.
zastava 267.
zaz, zas, zaz, zez, zes, zis.
sii, siz 608.
zbinlati 337.
zdila, zdjela 339.
zTs 329.
zban 339, 340.
ibel 340.
ietica 348.
zila 58.
zlica 624.
imeriti 624.
zmul 624.
zveplo 506.
O. Donath.
Druck von Breitkopf & Hirtel in Leipzig.
c
PG Archiv für slavische
1 Philologie
A8
Bd.35
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