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Full text of "Archiv für slavische Philologie"

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ARCHIV 

FÜR 


SLAVISCHE  PHILOLOGIE. 


UNTER  MITWIRKUNG 


VON 


P.DIELS,  F.FORTÜNATOV,  K.JIRECEK,  L.MILETIC,  ST.NOVAKOVIC, 

BRESLAU,        ST.  PETERSBURG,  WIEN,  SOFIA,  BELGRAD, 

G.POLl'VKA,  M.RESETAR,  W.  SCHULZE,  A.  SOBOLEVSKIJ, 

PRAG,  WIEN,  BERLIN,  ST.  PETERSBURG 


HERAUSGEGEBEN 


V.  J  A  G  I  C, 


FUNFUNDDREISSIGSTER  BAND. 


530874 

BERLIN,  "^    '^^^ 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 
1914. 


PO 


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Inhalt. 

Abhandlungen.  Seite 

Das  neugefundene  altpolnische  Ezdrasfragment,  von  E.  Hani seh  ...  l 
Bis  zu  welchem  Maße  bestätigen  die  kroatisch-glagolitischen  Breviere  die 

Annahme  einer  vollständigen  Übersetzung  der  hl.  Schrift  durch  den 

hl.  Methodius,  von  Jos.  Vajs 12 

Das  Martyrium  des  Basiliscus,  von  W.  Liidtke, 44 

Das  Verhältnis  der  altkirchenslavischen  Übersetzung  zu  diesem  Texte, 

von  V.  Jagic 51 

Slavisch  (j'jii^ro,  (y)Ms/ro,  von  V.  d.  Osten-Sacken 55 

Zur  Bezeichnung  der  serbokroatischen  Betonung,  von  M.  Re  setar ...     66 

Zum  ältesten  slavischen  Alphabet,  von  M.  Re  setar 62 

Über  die  Iteration  v.  Synonymen  im  Russischen  u.  in  anderen  Sprachen, 

von  Chris tiani-Schultheiss 68 

Der  kroatische  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  der  Aufstand  von  Brine, 

von  T.  Matic 73 

Phonologie  d^es  Görzer  Mittelkarstdialektes.    Erster  Teil:  Vokalismus, 

von  K.  Strekelj 130 

Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslavischen  Literatur,  von  I. 

Franko  (I) 150 

Die  Särospataker  altpolnische  Bibelhandschrift  (sogenannte  >Sofienbibel«) 

und  die  Lemberger  Ausgabe  vom  Jahre  1S71,  von  E.  Hanisch  179,  477 
-e  und -p  in  den  Endungen  der  slavischen  Deklination,  von  P.  Diels  .  .  321 
Zum  Schicksale  der  Halbvokale  im  Slowakischen,  von  F.  Di  eis    ....   324 

Zur  slovenischen  Dialektforschung,  von  R.  Franc6 329 

Einige  Worterklärungen,  von  P.  S kok 337 

Beiträge  zur  ukrainischen  Wortforschung,  von  R.  Stock i 349 

Studien  über  slav.  c7(,  von  H.  Peters  so  n 355 

Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  des  Schrifttums  in  Kroatien,  von 

Fr.  Fancev 397 

^Die  Interpunktion  in  d.  slavischen  Übersetzungen  griechischer  Kirchen- 
lieder, von  R.  Ab  ich  t    413 

Relkovic' -Sa<«r  in  Ragusa,  von  T.  Matiö 437 

Urkundliches  über  einige  kroatische  Schriftsteller,  von  T.  Mati(5 .  .  .  .  443 
Wechselbeziehungen  zwischen  L.  N.Tolstoj  und  der  deutschen  Literatur, 

vonH.  Halm 452 

Zur  Visio  Tundali,  von  V.  Ja giö  (altkroat.  Übersetzungsfragment)  .    .    .  501 

Kritischer  Anzeiger. 

Jagic,  Entstehungsgeschichte  der  kirchenslavischen  Sprache ,  angez.  von 

Fr.  Pastrnek 202 

Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisöw,  angez.  von  Croiset  V.  d.  Kop  .  .  .  226 
Jirecek,  Staat  und  Gesellschaft  im  mittelalt.  Serbien,  angez.  v.  V.  Jagic  252 
T.  Matid,  Statut  der  Poljica  (deutsche  Übersetzung),  angez.  v.  V.  Jagic  .  262 
Bolte-Polivka,  Anmerkgn.  zu  Grimms  Märchen  (B.I.),  angez.  v.  V.  Jagid  269 
Miller-Speranskij,  Kirejevskijs  russ.  Volkslieder  (russ.),  angez.  v.  V.  Jagid  273 
Gleye,  Zu  mittelgriechischen  Sprichwörtern  und  Kasumovid,  Serbokroa- 
tische Sprichwörter  (kroat.),  angez.  von  V.  Jagic    280 

Boehme,  Memoiren  der  Kaiserin  Katharina,  angez.  V.  V.  Jagic 285 

V.  Löwis,  Held  im  deutsch,  u.  russ.  Märchen,  angez.  von  G.  PoHvka  .    .   287 

Corovic,  Serbokroat.  Grammatik,  angez.  von  M.  Re  setar 296 

Die  Namen  Wiens,  angez.  von  M.  R  esetar 296 

Hruby,  Vergl.  Grammatik  d.  slav.  Sprachen,  angez.  von  E.  Hanisch  .  .  298 
Staroslovan.  Vierteljahrschrift,  angez.  von  E.  Hanisch 30O 


IV  Inhalt. 

Seile 

Obnorskij,  Die  Sprache  der  Efremov  Kormcaja.  angez.  v.  V.  Jagic.    .    .  302 
Endzelin,  Slavisch-baltische  Studien  (russ.),  angez.  von  Norbert  Jokl  .   307 

E.  Cosquin,  Drei  folkloristische  Beiträge  (franz.),  angez.  v.  Q.  Polivka  .   514 
Seliscev,  Havliceks  Ansichten  über  Rußland  (russ.),  angez.  v.G.  Polivka  524 

A.  Noväk  über  Jan  Nerudajcech.),  angez.  V.  0.  Donath 526 

J.  V.  Noväk  u.  A.  Noväk,  Übersicht  der  böhmischen  Literaturgeschichte 

(cech.),  angez.  v.  0.  Donath 530 

F.  Väsa,  Katechismus  der  böhm.  Literaturgeschichte  (cech.),  angez.  v. 

0.  Donath 539 

Böhmische  Literatur  des  XIX  Jahrb.,  2.  Aufl.  (cech.),  angez.  v.  O.Donath  541 

Jakubec  u.  Noväk,  Geschichte  d.  cechisch.  Literat,  angez.  v.  0.  Donath  545 

I.  Mikkola,  Türk.-bulg.  Jahreszählung  (russ.),  angez.  v.  K.  Jirecek  .    .    .  548 

Spina,  Altcech.  Katharinenlegende,  angez.  V.  E.  Smetanka 553 

Milcetic,  Glagolitische  Bibliographie  (kroat.),  angez.  v.  J.  Vajs 558 

Ilesic,  Die  Aussprache  des  Slovenischen  (sloven.),  angez.  v.  M.  Resetar  560 

^apras,  Rechtegeschichte  d.  Krone  Böhmens  (cech.),  angez.  v.  E.  Mucke  562 

Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezeiision  Thomsons 563 

Thomsons  Gegenbemerkungen  auf  Scerbas  Bemerkungen 574 

Tunickij,  Der  hl.  Klemens,  slov.  Bischof  (russ.),  angez.  v.  V.  Jagic  .    .    .  577- 

Hordynskyj,  Ein südruss. Psalterfragment (klruss.),  angez.v.I.  Pankewycz  585 

Schulausgaben  tschech.  Schriftsteller,  angez.  V.  B.  Vyb oral 589 

Lambertz-Pekmezi,  Albanisches  Lehr-  und  Lesebuch,  angez.  v.  N.  Jokl .  594 

Jensen,  Montenegros  Ehrenkranz  (schwed.),  angez.  V.  0.  B roch    ....  598 

Kleine  Mitteilungen. 

Nochmals  das  Schlagwort  *rHu.!io!l:  sanaat',  von  W.  Christiani  ....  317 

Hlapsl  =  Knieriem,  von  V.  Jagic 318 

Florianer  Psalter  103,  26:  r(>kama,  von  E.  Hanisch 319 

Ein^polnisches  geflügeltes  Wort,  von  W.  Christian!      319 

Zu  Zukovskijs  Gedicht  yrpo  Ha  ropi,  von  Paul  Diels 320 

Berichtigung,  von  Nik OS  Ve es 320 

Dibra.  von  K.  Treimer 601 

Zur  Entdeckung  des  »Glagolita  Clozianus«,  von  I.  Milcetic  .    .  ^.    .    .    .  603 
Zur  Bibliographie  der  kroatisch-kajkavi sehen  Literatur,  von  B.  Surmin  606 

Zur  Reduplizierung  der  Präposition  57,,  von  L.  Pintar 608 

Zur  slovenischen  Ortsnamenkunde,  von  L.  Pintar 610 

Ein  Zusatz  zu  Archiv  Bd.XXIII,  S.409  (mittlerer  Absatz),  von  L.  Pintar    611 
Der  neue  Lehrstuhl  für  Slavistik  an  der  Universität  Leyden,  von  A. 

Brückner 612 

Bibliographische  Notizen  zu  Petar  Petretic,  Ivan  Ivanisevid  und  Jeronim 

Kavanin,  von  V.  Öorovid 614 

Zu  den  altpolnischen  Texten  des  Vaterunser  usw.,  von  P.  Di  eis  .   •    .    .  615 
Zwei  Briefe  an  Kopitar  u.  Vier  Briefe  an  Th.  Paviovic,  von  T.  Ostojiö  .   617 

Gogols  Sujet  für  den  Revisor,  von  V.  Jagic 620 

Das  älteste  Heilands-Ikon,  von  H.  Krebs 621 

Eine  wissenschaftliche  Frage  Dr.  V.  Oblaks,  brieflich  gestellt  an  Stojan 

Novakovic,  von  St.  No  vakovic 622 

Lexikalische  Lesekörner,  von  W.  Chris tiani 622 

Glämoc,  von  L.  Pintar 623 

MoroBapii  H  KaxajiaHu,  par  St.  No  vakovid 624 

Notiz  von  einem  bosnischen  Kalender,  von  Thallöczy 625 

Nekrologe:  Prof  Dr.  Anton  Malecki,  von  W.  Bruchnalski 625 

Vsevolod  Fedorovic  Miller,  von  V.  Jagic 631 

Sach-,  Namen- und  Wortregister,  von  0.  Donath 634 


Das  neu  gefundene  altpolnische  Ezdrasfragment. 


I. 

Im  Jahre  19 OS  entdeckte  der  Bibliothekar  des  Särospataker  refor- 
mierten Kollegiums,  Herr  Harsanyi,  ein  neues  Fragment  der  in  der  dor- 
tigen Bibliothek  aufbewahrten  altpolnischen  Bibelhandschriffc  (der  sogen. 
»Sofienbibel«).  Es  fand  sich  als  Einband  einer  Chronik,  die  ein  früherer 
Bibliothekar  der  Hochschule,  J.  Cs^csi,  verfaßt  und  unter  dem  Titel: 
»Memoria  Rerum  Quarundam  Belli,  Hungarici  Adversus  Domum  Austria- 
cam  Anno  MDCCni  Suscepti«  im  Jahre  1709  hatte  erscheinen  lassen. 
Wir  haben  es  daher  nur  mit  einem  einzigen  Blatte  zu  tun  und  zwar,  der 
Größe  des  eingebundenen  Buches  entsprechend ,  auch  nur  mit  der  ziem- 
lich genauen  oberen  Hälfte  dieses  Blattes.  Da  das  Buch  1709  erschie- 
nen ist,  haben  wir  dieses  Jahr  als  den  frühesten  Termin  für  die  Entfer- 
nung des  Blattes  aus  dem  Kodex  zu  betrachten,  während  das  Jahr  1751 
der  bekannten  Inschrift  auf  der  Innenseite  des  Einbandes,  welche  die 
auch  heute  noch  vorhandene  Blätterzahl  angibt:  »Nunc  habet  1S5, 
15  May  1751«  als  spätester  Termin  anzusehen  ist  —  vielleicht  hat 
Csecsi  selbst  diese,  für  einen  Bibliothekar  allerdings  besonders  eigen- 
artige Tat  vollbracht. 

Herr  Harsanyi,  der  selbst  nicht  Slavist  ist  und  auch  kein  slavisches 
Idiom  praktisch  beherrscht,  erkannte  bald  an  dem  Schriftcharakter,  der 
Schreibung  in  zwei  Kolumnen  und  aus  einigen  ihm  als  polnisch  bekann- 
ten Wörtern,  daß  das  Bruchstück  der  ältesten  polnischen  Bibel  angehören 
müsse.  Aber  auch  für  die  Einreihung  des  Blattes  in  den  Zusammenhang 
der  erhaltenen  185  bot  sich  ihm  eine  Handhabe.  Schlägt  man  nämlich 
den  Kodex  auf,  so  findet  sich  vielfach  in  der  Mitte  des  oberen  Randes 
des  linken  Blattes  in  roter  Schrift  die  eine  Hälfte,  gegenüber  dann  rechts 
die  Ergänzung  der  Buchitberschrift  des  auf  diesen  beiden  Seiten  ge- 
gebenen biblischen  Textes,  also:  Gene — sis.  So  zeigt  z.B.  das  Blatt  129, 
wo  der  noch  erhaltene  Teil  von  Paralipomenon  I.  erst  mit  Kap.  V  Vers  2 
beginnt,  nur  die  Ergänzung :  pomenon  auf  der  recto-Seite.  Ganz  ebenso 
finden  wir  nun  auf  unserem  Fragment  recto :  sowi,  verso :  Ezdra.  Durch 
dieses  »Ezdra  sowi«  ist  der  Text  mithin  als  Bruchstück  aus  Ezdras  ge- 
kennzeichnet. Und  zwar  enthält  das  Fragment  Ezdras I  cap.VI  20 — 22, 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  j 


2  E.  Hanisch, 

VII  1 ;  7 — 1 1 ;  14 — 18 1).  Da  nun  das  heutige  Blatt  157  noch  den  Para- 
lipomenontext  gibt,  mit  InS  aber  Ezdras  I  Kap.  VII  2S  anfängt,  so  ist 
das  neugefundene  Bruchstück  zwischen  beide  Blätter  als  15  Sa  einzu- 
schalten, auf  das  das  heutige  158.  also  unmittelbar  folgte. 

Der  Text  der  beiden  vorderen  Kolumnen  ist  vielfach  recht  schwer 
zu  lesen,  da  die  recto-Seite  die  Außenseite  des  Einbandes  bildete  und 
mithin  sehr  hart  mitgenommen  wurde.  So  ist  es  nicht  zu  verwundern, 
daß  bei  der  Lesung  der  vielfach  undeutlichen  Buchstaben  der  Finder  und 
erste  Herausgeber,  Herr  Harsanyi,  zumal  ihm,  wie  erwähnt,  slavistische 
Kenntnisse  nicht  helfend  zur  Seite  standen,  das  Eichtige  mehrfach  nicht 
getroffen  hat.  Er  gab  den  Text  im  4.  Kapitel  seiner  Abhandlung  2):  A 
Särospataki  lengyel  biblia  s  ujonnan  fölfedezett  harmadik  töredeke  (hä- 
rom  hasonmässalj«  mit  photographischer  Wiedergabe  des  Fragments 
heraus  3).  Die  Anzeige  der  Schrift  durch  Asböth  in  »Nyelvtudomäny  a 
Magyar  Tudomauyos  Akademia«  III  (1910)  p.  59  —  67  brachte  nur  we- 
nig Besserungen.  Erst  K.  Kitsch  hat  im  »Rocznik  Slaw'istyczny«  III 
(1910)  p.  174 — 177  wesentliche  Verbesserungsvorschläge  gemacht  oder 
Vermutungen  geäußert,  die  sich  vielfach  bestätigen.  Mit  Berücksich- 
tigung dieser  Arbeiten  habe  ich  bei  meinem  Aufenthalte  in  Särospatak 
(1912)*)  noch  einmal  das  Fragment  genau  studiert  und  meine  Lesungen 
zur  größeren  Sicherheit  noch  mit  Herrn  Harsanyi  eingehend  besprochen, 
so  daß  der  im  Folgenden  gebotene  Text  den  tatsächlichen  Zustand  des 
Originales  wiedergibt. 

II.  Der  Text. 

Recto 
a  b 

fowi 

ifrahelfkich  yffinow  kaplanf  ki- 
ck ylTinow  nauczonich  ylpyeva 
kow  yzwrotnich  yzNatinneycz 


czifcyeny  kaplany  ynavczeny  ge 
den  iako  drvgiz  mrjß  ywßitci 
f(vcz  czifcy  ku  obyatowanyv  ba 


1)  Harsanyi  gibt  p.  60  fälschlich  15—18  an.  Doch  die  Worte:  »wt- 
wey  r^ce<  geben  das  Ende  des  V.  14  (>in  manu  tua«),  wie  Nitsch  bereits  be- 
merkt hat. 

2J  Erschienen  als  Sonderabdruck  und  in  der  Zeitschrift:  Magyar  Künyv- 
szemle  (>Ungarische  Bücher-Rundschau«)  Budapest  190Ü. 

^J  Die  übrigen  Kapitel  der  Schrift  besprach  ich:  »Zur  Geschichte  der 
Särospataker  altpolnischen  Bibel«.   (Halle  1913.) 

*j  Über  meine  Kollationierung  der  Särospataker  Hs.  mit  Maleckis  Aus- 
gabe berichte  ich  im  nächsten  Hefte  dieser  Zeitschrift. 


Das  neugefundene  altpolnische  Ezdrasfragment. 


ranka  wyelykonocznego  wßi 
5  tkim  finom  iryczftwa  ygych  bra- 
totom  ykaplanom  yfobye.  y.  gedly 
finowye  ilrahelfci  giß  ly(>  bily 
wrocyly  zir^czftwa  ywßitci.  kto 
rzi  fyfJ  l^czily  otpokalenya  naro 

10  dow  zemfkich  knym  abi  ßuka 
ly  paria  boga  ifrahelfkego.  y 
czinyly  fwj^^to  przefnycz  zafyedm 
dny  wvyfyelyv.  bo  bil  ge  bog 
obradowal  abil  obrocyl  fyerce 

15  Afyerowo  knym  abi  gym  poma 
gol  dzalacz  domv  pana  boga 
POtich  flo  vn  ilralielfkego 
wyech  wkrolewftwye 

19  Arta]serla  krolya  perfkego  Ez- 


fkich  lyata  lyodmego  krolya 
5  Artaxarse  aprzifly  do  ierufale 
ma  myelyrjcza  py^tego  to  geft 
lyata  lyodmego  krolyowanya 
gego.  bo  pyrwi  dzen  myefy^icza 
pyrwego  pocz^ly  gydz  zbabylo 

10  na  apyrwego  dnya  myefyocza 
py^tego  przifly  do  ierufalema 
przes  r^ko  dobr^  boga  IVego 
nad  fobr^  Tedi  Ezdras  przipra 
wyl  l'yerce  fwe  abi  l'cygal  za 

15  kon  bozi  abi  vczil  ifrahela  przi- 
kazanyv  bozemv  yf^dom.aten 
prz[epis  lijftu  wirzeczenya 
giß  dal  ^k]rol  Artexerfes  Ezdra 

19  Ibwy  kaplanowy  amj'ftrzowy 


Kolumne  a  Z.  1 .  Vor  cziscyeny  sieht  man  ein  eigenartiges  Zeichen 
y,  welches  Nitsch  als  0  lesen  will  (ocziscyeny).  Doch  dagegen  spricht 
die  für  ein  0  ungewöhnliche  Form  und  die  Schreibung  vor  Anfang  der 
Zeile.  Die  Zeilen  beginnen  alle  in  dem  gleichen  Abstände  vom  Rande, 
der  gewöhnlich  durch  eine  senkrechte  Linie  dem  Schreiber  gekennzeich- 
net war.  Da  vor  dem  czi-  kein  Raum  für  ein  o  ist,  haben  wir  es  mit 
einem  jener  Zeichen  zu  tun,  wie  sie  gelegentlich  auch  sonst  im  Kodex 
sich  finden,  so  ist  z.  B.  einige  Blätter  später,  Blatt  170  recto  a,  am  Rande 
eine  Hand  gemalt  (gelb),  deren  Daumen  und  Zeigefinger  auf  den  Text 
(nach  rechts  also]  hinweisen.  Ob  diese  und  andere  Zeichen  eine  beson- 
dere Bedeutung  haben,  kann  ich  nicht  sagen.  Sprachlich  ist  für  das 
»purificati«  des  lat.  Textes  die  Form  ocziscyeny  vielleicht  vorzuziehen, 
wie  auch  die  Zahl  der  Belege  bei  Babiaczyk  mehr  für  das  Compositum 
als  das  Simplex  spricht.  Das  »czi-«  ist  übrigens  so  eng  geschrieben, 
das  es  fast  wie  cy-  aussieht,  doch  ist  an  czi-  festzuhalten  (vgl.  Z.  3 
czifcy).  Z.  2  drvgiz  nicht  drugiz ,  wie  Harsänyi  1.  c.  las.  Z.  3  frjcz,  so 
schon  Nitsch  richtig  gegenüber  Harsänyi,  der  socz  gibt.  Z.  5/6  brato- 
tom.  Wir  haben  hier  eine  jener  dittographischen  Verschreibungen ,  an 
denen  die  Handschrift  sehr  reich  ist.  Die  Ausgabe  Maieckis  hat  in  die- 
sem wie  in  andern  Punkten  den  Text  stark  normalisiert.  In  bratotom 
liegt  also  nur  Verschreibung  für  das  übliche  bratom  vor.  Die  Lesung 
ist  unzweifelhaft,  wie  jetzt  auch  Herr  Harsänyi  anerkennt,  der  »brato- 
lom«  las  (Nitschs  und  Asböths  Lesungen  erledigen  sich  damit  ebenfalls). 
In  diesem  Teile  der  Hs.  (Blatt  96  — 185)  finden  sich  zahlreiche  Verschrei- 


4  E.  Hanisch, 

buDgen  aller  Art,  so  z.  B.  Blatt  ISO  recto  a  allein  sieben  Korrekturen. 
Z.  6  y.  gedly,  nicht  ygedly  (Hars.  n.  Kitsch).  Ebenso  steht  Z.  8  ywszi- 
tci.  kto/rzi  ein  Punkt  vor  kto-,  wie  Nitsch  bereits  aus  der  photogra- 
phischen Wiedergabe  gegenüber  Harsanyi  bemerkt  hat.  Z.  11  schließt 
mit  ifrahelfkego.  y,  in  Harsänyis  Ausgabe  ist  infolge  Druckfehlers  (p.60) 
die  Zeilentrennung  nicht  bemerkt,  ebenso  wie  sie  dort  Z.  1 4  hinter  syerce 
ausgefallen  ist.  Z.  12  fwy^to  (so  schon  richtig  Nitsch)  nicht  swirjto  (Har- 
sanyi). Z.  14.  Deutlich:  obradowal  (»laetificaverat«),  wie  schon  Asböth 
und  Nitsch  bemerkt  haben,  gegenüber  otratowal  (Harsanyi).  Das  obrocyl 
derselben  Zeile,  welches  schon  Nitsch  für  Harsänyis  -tyl  verbessert  hat, 
weist  über  dem  c  einen  kleinen  Eindruck  auf,  der  es  dem  t  sehr  ähnlich 
macht,  doch  ist  c  zu  lesen.  Z.  15,  Asyerowo,  von  Nitsch  mit  Frage- 
zeichen versehen,  ist  sicher,  ebenso  Z.  15/lG  die  Verschreibung  pomagol 
für  -gal  (so  las  Harsanyi).  Gänzlich  mißverstanden  hat  man  bisher 
Z.  17/18.  Harsanyi  las:  »Gych  Eloim  israhelskego  /  (.)  wyech« ,  was 
Nitsch  bereits  angezweifelt  hatte.  Bei  der  Lesung  dieser  auf  dem  Blatt 
etwas  verwischten  Stelle  ging  ich  von  der  Wahrnehmung  aus,  daß  das 
Harsänyische  > Eloim«  deutliche  Spuren  roter  Farbe  aufwies,  wie  ja  bei 
Kapitelanfängen  der  Hs.  eben  der  erste  Buchstabe  eines  Kapitels  und  die 
Kapitelzahl  gewöhnlich  mit  roter  Farbe  geschrieben  sind.  Da  nun  viel- 
fach, wenn  von  dem  vorhergehenden  Kapitel  nur  ein,  zwei  Worte  übrig 
sind,  diese  hinter  die  erste  Zeile  des  neuen  Kapitels  treten ,  getrennt  nur 
durch  die  in  roter  Farbe  gemalten  Zahlzeichen  des  Kapitels,  so  ging  ich 
bei  der  Deutung  der  Stelle  von  dieser  Tatsache  aus. 

Wir  haben  z.  B.  einen  derartigen  Fall:    Blatt  153  recto  b  (=  Mal. 

276): 

Potem  apota  xxxu  gest 
key 

oder:  Blatt  155  recto  b  (=  Mai.  279): 

Voszmy  xxxini  gego 

In  beiden  Fällen  gehört  gest  und  gego  dem  vorhergehenden  Kapitel 
an,  wie  hier  eben  auch  israhelskego;  das  »im«  Harsänyis  ist  rot  und  bedeutet 
die  Kapitelzahl  vn  =  VH.  Das  angebliche  G  von  Gych  ist  ein  großes  0, 
da  der  zweite  Buchstabe  des  Kapitels  vielfach  groß  geschrieben  und  gelb 
ausgemalt  ist  (von  der  gelben  Farbe  ist  aber  nichts  mehr  zu  sehen). 
■Ganz  außer  acht  hat  Harsanyi  den  auf  der  photographischen  Wieder- 
gabe auch  noch  deutlich  wahrnehmbaren,  den  Anfang  der  ersten  und 


Das  neugefundene  altpolnische  Ezdrasfragment.  5 

zweiten  ^)  Zeile,  wie  üblich  ausfüllenden  Buchstaben  P  gelassen.  Mithin 
erhalten  wir  die  obige  Lesung:  pana  boga  israhelskego  =  Domini  Dei 
Israel  als  Schluß  des  Kap.  VI  22,  und  als  Anfang  von  VII  1 :  Potich 
slo/wyech  (»Post  haec  autem  verba«),  wie  z.  B.  Blatt  107  verso  b 
(=  Mal.  195b  35):  Potich  slow/yech  (»Post  verba  haec«).  Bei  Zeile  19 
ist  der  Anfang  zerstört ,  also  Arta-  zu  ergänzen.  Von  den  Buchstaben 
dieser  Zeile  ist  nur  die  obere  Hälfte  erhalten,  doch  deutlich  lesbar. 

Diese  Spalte  recto  a  enthält  also  I.  Ezdras  VI  20— 22  und  VII  1. 

V 

Kolumne  b.  Z.  2/3  yspyevakow  (»et  de  cantoribus«)  über  der  En- 
dung -kow  findet  sich  eine  eigenartige  Korrektur,  die,  da  dieser  Teil  des 
Frgm.  gelitten  hat,  sich  nicht  klar  deuten  läßt.  Über  der  ersten  Hälfte 
des  w  sehen  wir  nämlich  einen  Buchstaben,  der  m.  E.  sowohl  ein  v  wie 
ein  p  bedeuten  könnte.  Herr  Harsänyi  hält  diesen  Buchstaben  eher  für 
ein  p.  Meinem  Dafürhalten  nach  könnte  es  vielleicht  auch  eine  über- 
schriebene  Verbesserung  für  den  ersten,  vielleicht  etwas  undeutlichen, 
Teil  des  w  sein  2).  Die  Korrektur  hat  Ähnlichkeit  mit  dem  v  im  Worte 
fame'*'  =  samemv  auf  Blatt  2  recto  a  (=  Mal:.  3  a  35),  wo,  wie  mehrfach 
gerade  am  Zeilenschluß,  der  Schreiber  abkürzt,  während  die  Lemberger 
Ausgabe  samemu  gibt.  In  Z.  3/4  deutlich  yzNatinneyczf kich ,  wie 
Nitsch  bereits  gegenüber  Harsänyis  Lesung :  y  zNatinue-  richtig  hervor- 
hebt. Der  Name  auch  in  verso  b  1 1 .  Z.  5  ist  Artaxarfe  nicht  Arta- 
xerse  (so  Hars.)  zu  lesen,  vgl.  demgegenüber  Z.  1 8  und  a  1 9.  Mit  Nitsch 
ist  Z.  10  myefyocza  (gegen  Hars.:  myesy^^-)  zu  schreiben.  Derselbe 
Fehler,  o  für  ^,  liegt  vor  Z.  12  przes  r^ko  dobr^.  Diese  etwas  undeut- 
liche Stelle  las  Harsänyi  fälschlich :  przes  voly^  dobr^^,  Nitsch  verbesserte 
das  in:  rrjk^i  (»iuxta  manum  Dei  bonam«),  Z,  12  schließt  mit  fwego,  in 
der  Transkription  des  Textes  ist  in  der  Harsänyischen  Ausgabe  hinter 
swego  und  ebenso  hinter  dem  folgenden  nad  sob^  ein  Trennungsstrich 
versehentlich  angegeben.  Z.  15/lG  las  Harsänyi  przikaziliwv,  was  As- 
böth  in  przikazaniow  verbesserte.  Nitsch  setzte  richtig  dafür  przika- 
zanyv,  was  auch  tatsächlich  noch  recht  deutlich  in  dem  Original  zu  er- 


1)  So  erledigt  sich  bei  Harsänyi:  (.)  wyech,  denn  es  fehlt  eben  hier  in  der 
zweiten  Zeile  kein  Buchstabe.  —  Übrigens  zeigt  das  von  Wierzbowski  heraus- 
gegebene Jeremiasfragment  die  gleiche  Schreibweise  beim  Beginn  des  14. 
Kapitels,  vgl.  das  Faksimile  in:  Prace  filologiczne  IV  (1893)  p.  296. 

2)  Eine  solche  nur  teilweise  Korrektur  eines  Buchstabens  kann  ich  aber 
aus  den  übrigen  Teilen  der  Bibelhs.  nicht  belegen. 


6 


E.  Hanisch, 


kennen  ist  (»doceret  in  Israhel  praeceptum«].  In  Z.  17  ist  bei  prz[epis 
lijftn  das  Frgm.  beschädigt,  daher  sind  die  eingeklammerten  Buchstaben 
hier  sehr  undeutlich.  Das  letzte  Wort  dieser  Zeile  las  Harsanyi  vyrzeczen- 
ya,  Nitsch  wyrz-.  Das  Frgm.  zeigt  aber  deutlich  wirzeczenya.  [K]rol 
Z.  18  beschädigt.  Der  Name  des  Königs  heißt  hier  deutlich:  Artexerfes 
(so  schon  richtig  Nitsch  gegenüber  Hars. :  Artax-°)  vgl.  oben  Z,  5. 
In  recto  b  lesen  wir  I  Ezdras  VII  7 — 11. 


Verso. 
Ezdra 


wtwey  r^ce  abi  nyofl  frzebro  s 
fob^  yzloto  goß  krol  ygego  racz- 
ce  dobrr^  volyr;  bogu  ifrahelf  kemv 
obyatowaly  gegoß  wierufalem 

5  geft  otpocziwadio  awszitko  ßrze 
bro  yzloto  ktore  naydzeß  wewßi 
tkey  wlolcy  babylonfkey.  alyvd 
h(jdze\j  chcyecz  obyatowacz  obya 
ti  akaplani  giß  dobrowolnye  o 

10  ffyerowaly  domv  boga  fwego 
geß  geft  wienilalem  fwyebod 
nye  wezmy  arpylnofcyr;  fticli  pye 
ny^dzi  kupy  cyelce  fkopi  barani 
ypaly(5ce  obyati.  aofyeruy  ge  na 

15  oltarzu  wkofcyele  boga  twego 
ktori  geft  wierufalem.  aczfokolybi 
fy^  lyvbylo  tobye  ytwey  bracy 
zoftatnego  frzebra  yzlota  abifcye 

19  vczinyly  vczincye  podle  voley  bo 


a  az  do  fta  lagvycz  oleia.    Ale  sol 
abi  bila  dana  przes  myari.  w 
ßitko  czfo  przif luße  kfliißbye 
boga  nyebyef  kego  fpylnofcy(^ 

5  b^dz  dano  do  domv  bozego  abi 
fnad  nyeroznyewal  przecyw 
krolewftwu  krolyowu  yfynow 
gego.    Przeto  wam  davami 
nafwyadomye  zewßech  kapla 

10  uow  ynanczonich  yfpyevakow 
ywrotuicb  y  Natinneow  yf lug 
tego  bozego  domv  abi  nyemye- 
ly  moczi  bracz  mita  auy  dany 
any  vrokow  nanych  Ati  tak  Ez- 

15  draßv  podle  mridrofcy  boga  twe- 
go gen  geft  wtvey  r^^ce  vftaw 
ff^dze  iwlodarze.  abi  vczily  lyvd 
kako  mair;  zywy  bicz  a^^dzrj 

19  wßemv  lyvdu  gen  geft  za 


Die  verso-Seite  ist,  wie  oben  bereits  bemerkt,  viel  besser  erhalten, 
daher  bestehen  auch  hier  kaum  Zweifel  au  der  Lesung  der  einzelnen 
Worte,  a  2  muß  es  yzloto  heißen  (so  schon  Nitsch,  Harsanyi:  y  zloto); 
Z.  4  ist,  durch  Versehen  des  Setzers,  bei  Harsanyi  byatowaly  anstatt  des 
(deutlichen)  obyatowaly  zu  lesen.  Z.  5  ist  mit  Nitsch  awszitko  (Harsa- 
nyi :  awszytko)  zu  schreiben.  Z.  1 3  fk"pi  ist  o  nachträgliche  Korrektur 
des  Schreibers  wie  i  in  ktor^  Z.  16. 

Verso  a  gibt  den  Text  von  I.  Ezdras  Kap.  VII  14 — 18,  nicht  erst 
von  15,  wie  ich  schon  oben  erwähnt  habe.  Verso  b  Z.  2/3  las  Harsanyi 
to/  szitko,  was  bereits  Asboth  und  Nitsch  richtig  gestellt  haben.  Z.  10 
muß  man  yfpyevakow  (Hars.  yspyeuakow)  schreiben.    Z.  11  las  Harsä- 


Das  neugefundene  altpolnische  Ezdrasfragment.  7 

nyi  Natiuneow,  was  Asböth  und  Nitsch  schon  verbessert  haben,  vgl. 
recto  b  3, 

In  Z.  14  der  Transskription  Harsänyis  (p.  61)  steht  irrtümlich:  Ati 
Ez-  also  mit  Auslassung  des  ganz  deutlichen  tak,  Z.  1 S  muß  es  af(^dz(j 
(»iudicent«)  heißen.  Harsiinyi  las  das  am  Ende  beschädigte  Wort: 
afj^dzi  ...  Es  ist  aber  bei  genauer  Prüfung  am  Ende  nicht  i,  sondern  ("^ 
zu  schreiben ,  wie  aus  der  deutlichen  Rundung  des  Buchstabens  und  dem 
Reste  des  senkrechten  Striches  (der  Punkt  eines  i  unterscheidet  sich  da- 
von ganz  wesentlich!)  hervorgeht.  Durch  die  zu  ergänzende  Rundung 
(rechts!)  ist  auch  der  Raum  der  Zeile  ungefähr  ausgefüllt.  Übrigens  ist 
in  der  Handschrift  mehrfach  das  Ende  der  Zeilen  nicht  immer  dort,  wo 
der  abgestrichene  Rand  des  Blattes  beginnt  (im  Gegensatz  zum  Zeilen- 
anfang, wie  ich  nochmals  wegen  verso  a  1  bemerke) :  es  wird  gelegent- 
lich darüber  hinausgeschrieben  oder  es  bleibt  auch  ein  kleiner  Raum. 
So  würde  auch  das  (^  am  Ende  die  Zeile  eben  nicht  völlig  ausfüllen,  ohne 
daß  aber  deswegen  etwas  zu  ergänzen  ist.  Z.  19  hat  Harsänyi  fälsch- 
lich niszemv ,  was  aber  schon  Asböth  und  Nitsch  richtig  in  wszemv  ver- 
besserten. Auch  verso  a  und  b  zeigt  die  Z.  19,  wie  ebenso  die  recto- 
Seite,  nur  die  obere  Hälfte  der  Buchstaben. 

Die  Kolumne  verso  b  bietet  I.  Ezdras  VII  22 — 25. 

III. 

Es  bleibt  jetzt  noch  übrig,  den  Gewinn,  welchen  uns  das  neue  Bibel- 
fragment bringt,  zu  verzeichnen.  Bereits  Asböth  hat  kurz  die  bemerkens- 
werten Worte  zusammengestellt.  Außerdem  würden  noch  die  sehr  zahl- 
reichen Abweichungen  des  polnischen  Textes  aus  den  lateinischen  Vari- 
anten zu  erklären  sein.  Leider  läßt  sich  hier  nur  die  Abweichung  des 
Textes  im  Einzelnen  vermerken,  während  nur  gelegentlich,  auf  Umwegen, 
einzelne  dieser  Varianten  durch  lateinische  Lesarten  zu  belegen  sind,  da 
die  Vulgataausgabe  von  Sabatier  (Paris  1751)  gerade  zu  Ezdras  I  alte 
Lesarten  nicht  gibt,  also  keine  erhalten  sind.  Auch  Vercellones  Werk 
läßt  sich  hier  nicht  heranziehen,  da  es  nicht  bis  Ezdras  durchgeführt  ist. 

Indem  ich  jetzt  versweise  vorgehe,  konstatiere  ich  die  wichtigeren 
Varianten  und  hebe  das  Beachtenswerte  hervor. 

Kap.  VI.  Vers  20. 

Vulg.  Levitae  quasi  unus  =  r.  a.  1/2  navczeny  geden  iako  drvgiz 
m^ß.  »levita«  ist  in  der  Särospataker  Bibel  durch  sluga  koscielny,  uczo- 
uy,  nauczony  wiedergegeben.  Vgl.  auch  Ezdr.  IX  1  (=  Mai.  2S5b  36): 


E.  HaniBch, 


kaplany  a  nauczeny  =  sacerdotes  et  Levitae  zu  der  Stelle  unseres  Frag- 
mentes. 

Vulg.  ad  immolandum  pascha:  r,  a.  3/4:  ku  obyatowanyv  baranka 
wyelykonocznego.  Bei  Babiaczyk  Lexik,  s.  v.  ist  bisher  nur  einmal 
obiatowanie  belegt:  IV.  Reg.  23,5:  ad  sacrificandum  =  ku  obyato- 
wanyv (Mal.  229a  11,  wo  aber  ungenau  obyatowanyu  geschrieben  ist). 
Auch  die  Form  mit  e  ist  in  diesem  Worte  nur  einmal  aus  der  Bibel  zu 
belegen:  obyetowanya  (71a  26).  Nur  in  dem  Fragment  ist  auch  wieli- 
konocny  belegt,  sonst  wielkonocny  (einmal) :  wyelkonocuego  cyelcza 
(192b  18)  =  vitulum  pascualem  I  Reg.  28,  24,  mit  einem  Fehler,  den 
auch,  wie  L.  Malinowski  Prace  Filol.  IV  (1893)  pp.  160  u.  161 1)  gezeigt 
hat,  ein  alter  czechischer  Text  (Zablockischer  Kod.)  aufweist.  Als  Sub- 
stantiv ist  wielkanoc  neben  wielikanoc  im  Texte  bezeugt. 

Vulg.  transmigrationis  =  r.  a.  5:  ifjczftwa,  so  auch  Z.  8.  Bei 
Babiaczyk  steht  für  i^cstwo  nur  die  Bedeutung  »captivitas« ,  »ergastu- 
lum«  verzeichnet.  Es  ist  auch  völlig  ausgeschlossen,  daß  hier  i^czstwo 
=  transmigratio  sein  sollte.  Ich  nehme  mit  Bestimmtheit  an ,  daß  hier 
die  lat.  Vorlage  der  slavischen  Übersetzung  »captivitas«  las.  Ich  kann 
das  auch  durch  eine  andere  Stelle  wahrscheinlich  machen.  Im  Jeremias- 
fragment  (Prace  Filol.  IV  293 ff.)  lesen  wir:  Przenyesyon  gest  wszitek 
dom  Judzski  przenyesyenym  swyrzchowanim  (p.  300)  =  Vulg.  Jerem. 
XIII  19:  translata  est  omnis  Juda  trausmigratione  perfecta.  Hier  ist 
der  Vulgatawortlaut  auch  im  poln.  Text  zu  spüren.  Aber  gerade  zu 
dieser  Stelle  heißt  es  alt:  translatus  est  omnis  Juda  captivitate  perfecta. 
Also  hier  haben  wir  eine  Lesung  »captivitas«,  die  wir  durchaus  auch  für 
unser  Fragment  als  Variante  in  Anspruch  nehmen  dürfen,  wenn  sie  eben 
auch  zufällig  gerade  nicht  belegt  ist.  Zugleich  lehrt  damit  diese  Stelle 
wiederum,  wie  peinlich  und  sorgfältig  der  slavische  Übersetzer  bei  der 
Wiedergabe  jedes  einzelnen  Wortes  des  heiligen  Textes  verfuhr ,  um  nur 
ja  den  lateinischen  Ausdruck  durch  die  wortgetreueste  slavische  Über- 
setzung in  jedem  einzelnen  Falle  wiederzuspiegeln. 

Vers  21.  Vulg.  se  separaverant.  =  r.  a.  9  sj^^i  Ir^czily.  Dieses  Ver- 

*)  >Oba  teksty  oddajfj  lad.  vitulum  pascualem,  co  zuaczy  »cielca  pas- 
tewnego«  przez  welikonocznieho«  —  »wyelkonocnego«,  a  to  wskutek  bled- 
nego  odczytania  lad.  pascualem,  pascalem,  jako  paschalem«.  Ich  nehme  an, 
daß  die  lat.  Vorlage  hier  wirklich  pascalem  las,  also  nicht  einen  Fehler  aus 
Unkenntnis ! 


Das  neugefundene  altpolnisehe  Ezdrasfragment.  9 

bum  ist  sonst  in  der  Bibel  nicht  vorhanden.  Heute  heißt  iaczyc  > ver- 
binden, vereinigen«.  Im  Czech.  hat  louciti  se,  je  nachdem  die  Bedeu- 
tung »sich  trennen«  und  »sich  vereinigen«.  Beide  Bedeutungen  waren 
auch  im  Altpolnischen ^j  vorhanden,  die  Bedeutung  »sich  trennen«  auch 
jetzt  noch  dialektisch  2). 

Vulg. :  a  coinquinatione  =  otpokalenia  9.  Im  Lexikon  von  Babia- 
czyk  sind  mehrere  Belege  für  pokalanie  »Makel«,  nur  einmal  (326a  12): 
na  pokalenye  {=  in  pollutionem«),  wozu  mit  Recht  czech.  pokälenie 
verglichen  ist.  Unsere  Stelle  ist  also  der  zweite  Beleg  für  diese  Laut- 
gestalt. 

Vers  22,  Vulg.  cor  regis  Assur:  lyerce  Afyerowo.  Im  Lexikon  hat 
Babiaczyk,  der,  wie  er  sagt  3),  die  Eigennamen  und  die  davon  gebildeten 
Adjektiva  nicht  vollständig  aufzählt,  nur  die  Form  Asyrski,  einmal 
(I17b  36)  Assyrzkey  belegt.  Diese  letzte  Schreibung  kann  vielleicht 
durch  das  darüber  stehende  z  von  nalodzach  hervorgerufen  sein:  ich 
werde  derartige  Beeinflussungen  bei  meinem  Kollationsbericht  mehrfach 
zu  erwähnen  haben,  da  das  Auge  der  Schreiber  vielfach  abirrte.  Eine 
andere  Form,  Asurski,  hat  Babiaczyk  nicht  notiert:  218b  4  krol  Asur- 
ski.  Schwankungen  bei  Volksnamen  sind  garnichts  Seltenes.  Ich  will 
nur  zum  Belege  dafür  auf  S.  191  verweisen,  wo  wir  die  vier  Varianten 
finden:  fylystinske,  fylystinowye ,  fylysteyskey,  Fylysteowye,  und  alle 
auf  nur  einer  Seite! 

Kap.  VII. 

Vers  7.  Vulg.  et  de  filiis  Sacerdotum  et  de  filiis  Levitarum  =  yf- 
finow  in  beiden  Fällen,  recto  b  1^  2,  d.  h.  also:  i  z  synöw,  vgl.  Z.  3: 
yzwrotnich,  yzNatinneyczfkich.  In  ylpyevakow  haben  wir,  wie  öfter  in 
der  Handschrift  vor  Sibilanten,  das  z  nicht  geschrieben. 

Vers  S.  Vulg.  ipse  est  annus  septimus  regis:  to  geft  lyata  fyodmego 
krolyowanya  gego  (r.b.  6  fl'.).  Hier  liegt  oflenbar  wieder  eine  Variante  vor, 
zu  der  sich  uns  aber  ein  Anhalt  bietet  durch  die  Lesart  des  Kap.  VI  1 5 : 
qui  est  annus  sextus  regni  (sie !)  Darii  regis. 

Vers  9.  Vulg.  coepit,  venit:  poczjvly,  przifly  r.b  9  und  11.  Daß 
der  Numerus  in  dem  polnischen  Texte  gegenüber  der  Vulg.  sehr  oft  ab- 
weicht, hat  Semenovic  reichlich  belegt^).    Doch  in  lateinischen  Bibel- 


1)  Linde  s.  v.  l^czyc  u.  leksza. 

2)  L.  Malinowski  in  Prace  Filol.  IV  (1893)  657. 

3)  In  der  »Einleitung«  p.  8. 

4)  Prace  Filol.  VI  478. 


j  0  E.  Hanisch, 

handschriften  fanden  sich  derartige  Schwankungen  überaus  häufig,  wes- 
halb die  amtlichen  »Correctiones  biblicae«  bei  ihnen  besonders  wichtig 
erscheinenden  Fällen  ausdrücklich  warnend  sich  vernehmen  lassen.  So 
z.  B.  I.  Ezdras  I.  5  bemerken  die  Correctiones  Romanae:  »Ut  ascende- 
rent  ad  aedificandum,  Retinendum  est  Plurale:  ascenderent,  non  mu- 
tandum  in  singulare:  ascenderet^).«  Diese  Stelle  ist  wiederum  Beweis 
genug,  daß  der  slavische  Text  auch  hier  nicht  aus  Willkür  oder  Unkennt- 
nis abwich,  sondern  den  Anschluß  an  die  lateinische  Vorlage  aufs  engste 
wahrte. 

Vers  10.  Vulg.  ut  investigaret  legem  Domini:  abi  fcigal  zakon  bozi 
(r.  b.  14/15).  scigac  bei  ßabiaczyk  nur  in  der  Bedeutung  »persequi«, 
»verfolgen«  belegt.  Bei  Linde  s.  v.  finden  sich  dagegen  Beispiele  für 
»in  den  Spuren  wandeln«  =  nasladowac  (=  »investigare«). 

Vers  1 1 .  Vulg.  exemplar  epistolae  edicti :  przepis  liftu  wirzeczenya. 
In  dem  Lexikon  von  Babiaczyk  ist  przepis  (=  exemplar)  nicht  notiert 
und  wyrzeczenie  nur  einmal  belegt  in  dem  Sinne  »beschlossene  Ansicht«  : 
276a  13  wirzeczenym  (decernente  sententia).  Hier  also  der  zweite  Be- 
leg mit  der  Bedeutung:  edictum. 

Vers  15.  Vulg.  sponte  obtulerunt  =  verso  a  3/4  dohrrj  voly^  oby- 
atowaly.  Sonst  entspricht  dem  sponte  nur  eine  präpositiouale  Verbin- 
dung (s.  Babiaczyk  s.  v.  wola),  also :  z  dobrey  woley  u.  ähnl.  Im  V.  IG 
lesen  wir  in  gleicher  Bedeutung:  dobrowolnye  (Z.  9),  also  das  Adverb, 
was  auch  sonst  noch  in  der  Bibel  vorkommt.  —  Die  Form  obyat-  ist  hier 
wie  Vers  16  (zweimal:  verso  a  S  und  14)  belegt.  So  hat  das  Fragment 
nur  diese  Lautgestalt,  vgl.  auch  Kap.  VI  Vers  20,  während  im  Lexikon 
die  e-Form  mindestens  die  gleiche  Zahl  der  Belege  aufweist  wie  die  a-Form. 
Dagegen  ist  also  in  unserem  Fragment  nur  die  Form  ofier-  belegt,  näm- 
lich verso  alO,  14,  während  für  die  andern  Teile  der  Bibel  Babiaczyk 
ofier-  und  ofiar-  mehrfach  bezeugt. 

Vulg.  Deo  Israhel,  cuius  in  Jerusalem  tabernaculum  est.  Hier  ist 
»tabernaculum«  mit  dem  nur  au  dieser  Stelle  in  der  Bibel  belegten:  ot- 
pocziwadlo  wiedergegeben,  das  bereits  Asboth  richtig  als  Trausskription 
aus  dem  Czechischen  erklärt  hat:  czech.  odpocivadlo  »Ruheplatz«, 
»Ruhestätte«,  vgl.  das  polnische  odpoczywac  »ausruhen«,  »rasten«. 


1)  Diese  Stelle  ist  im  SArospataker  Text  nicht  erbalten.  Darauf  kommt 
es  ja  auch  hier  gar  nicht  an,  sondern  lediglich  auf  das  Prinzip  des  Über- 
setzungsverfahrens ! 


Das  neugefundene  altpolnische  Ezdrasfragmeüt.  1 1 

Vers  17.  Vulg.  libere  accipe :  fwyebodnye  wezmy.  Jetzt  schreibt 
man  nur:  swoboda  und  swobodny.  Das  Wort  kommt  in  dem  Bibeltext 
nur  hier  vor. 

Vers  23.  Vulg.  irascatur:  roznyewal  (verso  b6).  Neben  rozgniewac 
ist  auch  bei  Babiaczyk  mehrfach  rozniewac  belegt. 

Vers.  24.  Vulg.  Vobis  quoque  notum  facimus  :  Przeto  warn  dawami 
nafwyadomye;  swiadomie  findet  sich  bei  Babiaczyk  bisher  nur  einmal: 
"wswem  swyadomyv  (316a  12,  Mal.  schreibt:  swyadomyu)  in  der  Be- 
deutung »Gewissen«.  Hier  also:  »zur  Kenntnis  geben«.  Zu  swiadomie 
ist  zu  vergleichen  czech.  svedomi. 

Vulg.  ut  vectigal  et  tributum  et  annonas  non  habeatis  potestatem 
imponendi  super  eos:  abi  nyemyely  moczi  bracz  mita  any  dany  any 
vrokow  nanych  (verso  b  12 ff.),  myto  also  hier  =  »vectigal«,  sonst  nur 
noch  einmal  bezeugt:  lila  13  mito  (Vulg.  pretinm)  lest  zaslvsbr>  (Mal.za 
slusbrj),  vgl.  deutsch:  Maut.  —  vrokow,  d.  i.  also:  uroköw  =  annonas. 
Mit  Recht  hat  Babiaczyk  uroki  (nicht  wroki)  gelesen  und  das  czech. 
liroky  dazu  verglichen:  nur  möchte  ich  in  dem  Belege  231a  2  vloszil 
vroki  nazemye  (Vulg.  imposuit  mulctam  bzw.  multam  terrae  centum  ta- 
lentis  argenti  etc.)  nicht  mit  »Geldschätzung«,  wie  Babiaczyk,  sondern, 
auf  Grund  unserer  jetzigen  Stelle  und  gestützt  durch  das  Czechische  wie 
auch  durch  den  Sinn  mit  »Jahresabgabe«  übersetzen. 

Vers  25.  Vulg.  ut  iudicent  omni  populo,  qui  est  trans  fliimen,  bis 
videlicet,  qui  uoverunt  legem  Dei  tui,  sed  et  imperitos  docete  libere: 
abi  vczily  lyvd  kako  mai^  zywy  bicz  afridzrj  wßemv  lyvdu  gen  geft  za  .  . . 
(verso  b  17  — 19).  Der  polnische  Text  weicht  also  hier  stark  von  der 
heutigen  Vulgata  ab ! 

Beuthen  O.S.  E.  Hanisch. 


Bis  zu  welcliem  Maße  bestätigen  die  kroatiscli-glago- 
litisclien  Breyiere  die  Anualime  einer  yollständigen 
Übersetzung  der  hl.  Schrift  durch  den  hl.  Methodius. 

I. 

In  dem  Artikel,  betitelt  »Die  kroatisch-glagolitisclieii  Bre- 
viere und  das  Officium  der  abendländischen  Kirche  vom 
VI. — X.  Jahrhundert«  i)  habe  ich  eine  Mutmaßung  ausgesprochen^ 
mittels  welcher  ich  den  Sinn  der  Worte  der  pannonischen  Legende  vom 
hl.  Methodius  in  bezug  auf  die  Übersetzung  der  hl.  Schrift  zu  erklären 
mich  bestrebe.  Die  daselbst  ausgesprochenen  Gedanken  kann  man  un- 
gefähr in  folgende  Worte  zusammenfassen :  So  wie  es  sichergestellt  ist, 
daß  im  Anfange  der  mährischen  Mission  der  hl.  Cyrillus  teils  allein^  teils 
gemeinschaftlich  mit  seinem  Bruder  bei  der  Übersetzung  der  hl.  Schrift 
durch  die  liturgischen  Texte  der  morgenländischen  Kirche 
beeinflußt  wurde,  so  scheint  es,  daß  der  hl.  Methodius  gegen  das 
Ende  seines  Lebens  biblische  Texte  übersetzte,  insofern  es  dieselben 
für  die  liturgischen  Bücher  des  abendländischen  Ritus  be- 
nötigte. Im  ersten  Falle  entstanden  neben  dem  Psalter  ein  Evangeli- 
arium  (Aprakos)  und  Parömienbuch  (Paremejnik),  im  anderen  Falle  die 
Texte  der  abendländischen  Liturgie  (lectiones  de  scriptura  occurente  per 
anni  circulum). 

Diese  Annahme  sprach  ich  nicht  a  priori  aus,  sondern  auf  Grund 
der  Texte^  von  denen  ich  bewiesen  hatte:  1.  daß  sie  aus  der  Zeit  der 
mährischen  Mission  und  nicht  aus  der  Zeit  Simeons ,  Kaisers  von  Bulga- 
rien, herstammen;  2.  daß  sie  die  Grenzen  des  Parömienbuches  über- 
schreiten. Zu  diesem  Ende  studierte  ich  die  in  kroatisch-glagolitischen 
Brevieren  enthaltenen  Texte  und  beschränkte  mich  absichtlich  auf  die- 
selben. 

Die  cyrillischen  Texte  berücksichte  ich  nur  insofern^  soweit  es  sich 
um  die  gegenseitigen  Beziehungen  des  cyrillischen  zum  glagolitischen 
Texte  handelte,  eventuell  soweit  ich  die  Anziennität  des  glagolitischen 
Textes  beweisen  wollte. 

Selbstverständlich  ist  es,  daß  mir  die  Behauptungen  und  Beweis- 


# 


1)  Cfr.  Arch.  f.  slav.  Phil.  Bd.  XXXIV,  S.  483-496. 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  n.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.   1 3 

führungen  des  Professors  der  Petersburger  geistlichen  Akademie  Jevse- 
jev,  der  die  Worte  der  pannouischen  Legende  in  betreff  der  Übersetz- 
ung der  hl.  Schrift  gern  wörtlich  nehmen  möchte  und  deshalb  von 
einer  vollständigen  methodianischen  Übersetzung  spricht,  nicht 
gleichgültig  bleiben  konnten. 

Trotz  der  Schwierigkeiten,  die  ihm  bei  dieser  Annahme  begegnen 
—  er  wird  nämlich  genötigt,  zu  einer  zweiten  Hypothese,  daß  ein  über- 
wiegender Teil  der  Übersetzung  verloren  ging,  Zuflucht  zu  nehmen  — 
ist  es  freilich  sonderbar,  wie  er  einerseits  in  der  Übersetzung  des  Buches 
Daniels  die  Bestätigung  der  Worte  der  pannouischen  Legende  sehen 
und  andererseits  behaupten  kann,  daß  der  hl.  Methodius  an  dieser  voll- 
ständigen methodianischen  Übersetzung  (insoweit  es  das  Buch  Daniels 
betrifft)  keinen  persönlichen  Auteil  gehabt  hätte  ^j.  Mir 
wenigstens  kommt  es  vor,  daß  er  sich  schon  da  widerspricht;  es  wird 
seine  Aufgabe  sein,  diesen  Gegenstand  näher  zu  beleuchten  und  zu  be- 
weisen. 

Uns  handelt  es  sich  nur  darum,  welches  Verhältnis  zwischen  den 
beiden  angeführten  Annahmen  bestände,  zwischen  der  Annahme  Jevse- 
jevs  und  der  meinigen.  Ich  lasse  mich  auf  diese  Frage  ein,  da  ich  dazu 
aufgefordert  und  durch  Umstände  sozusagen  genötigt  wurde.  Ich  gestehe, 
daß  die  Resultate  der  Forschungen  Jevsejevs  mich  keines- 
wegs wankend  gemacht  haben.  Hier  will  ich  nur  darauf  hin- 
weisen, was  gegen  seine  Annahme  von  den  glagolitischen  Denkmälern 
vorgebracht  werden  könnte. 

Prof.  Jevsejev  ist  gezwungen  zu  erklären,  daß  eine  ganze  Reihe  von 
den  übersetzten  Texten  »der  vollständigen  meth.  Übersetzung«  ver- 
loren gegangen  sei,  daß  wir  dieselben  entweder  nicht  kennen,  oder  daß 
sie  vollständig  verloren  gingen. 

Worüber  aber  man  sich  dabei  wundern  muß,  ist,  daß  die  unbe- 
kannten Bruchstücke  der  methodianischen  Übersetzung  bereits  im 
XIII.  Jahrhunderte  selbst  den  kroatischen  Glagoliten  un- 
bekannt waren,  welche  dieselben  ohne  Zweifel  in  ihre  Breviere  auf- 
genommen haben  würden ,  so  wie  sie  die  parömeischen  Perikopen  auf- 
genommen haben,  da  sie  derselben  bedurften,  und  in  deren  Ermangelung 


^)  Knnra  üpopoKa  Aaniu.ia  Et  ÄpeEiie-CvTaBaHCKOMt  nepeEOÄ^-     MocKsa 
1905.     Cip.  XXIX.   Vgl.  Archiv  f.  sl.  Phil.  XXVII,  S.  449—454.; 


14  Jos.  Vajs, 

— -  wie   wir  weiter  unten   sehen  werden  —  bloße  Paraphrasen  zu 
Hilfe  nahmen. 

Dieser  Umstand  ist  um  so  verhängnisvoller  und  beachtungswürdiger, 
da  Professor  Jevsejev  über  den  Ort,  wo  die  vollständige  metho- 
dianische  Übersetzung  entstanden  sein  mochte,  sprechend, 
ihren  Ursprung  irgendwohin  nördlich  von  Bulgarien  —  tiach 
Kroatien  verlegt  (1.  c.  p.  XXVIII). 

Meine  Behauptung  will  ich  beweisen  durch  Analyse  einiger  Kapitel 
(XXXVII — L)  der  Genesis,  wegen  deren  Eigenart  und  Wichtigkeit.  Wenn 
die  Glagoliten  nicht  einmal  eine  vollständige  Übersetzung  der  Genesis 
hatten,  ist  schwer  nur  einigermaßen  wahrscheinlich  anzunehmen,  daß  sie 
die  Übersetzung  anderer  oder  gar  aller  Bücher  der  hl.  Schrift  gehabt 
hätten. 

Größerer  Verständlichkeit  wegen  schicke  ich  einige  bekannte  Daten 
voraus.  Wie  Professor  Michajlov  ^)  gezeigt  hatte,  wurden  aus  der  Ge- 
nesis im  Parömienbuch  nur  die  ersten  9  Kapitel  (mit  kleinen  Auslas- 
sungen) und  das  L.  Kapitel  erhalten;  von  den  übrigen  Hauptstücken 
wurde  in  das  Prophetologium  entweder  sehr  wenig  (z.  B.  aus  dem 
Kapitel  X.,  das  32  Verse  zählt,  nur  2)  oder  gar  nichts  aufgenommen. 
Ganz  weggelassener  Hauptstücke  gibt  es  im  Teste  des  Parömienbuches 
22;  für  unsere  Analyse  ist  das  bemerkenswert,  daß  es  unter  anderen  die 
Kapitel  XXXII— XLII,  XLIV,  XLVH— VIU  sind.  Soviel  kennt  man 
aus  den  slavischen  Parömienbüchern. 

Die  kroatisch-glagolitischen  Breviarieu  enthalten  —  wie  schon  Prof. 
Michajlov  bemerkt  —  vor  allem  jene  9  ersten  Kapitel  (mit  einigen  ge- 
ringen Weglassungeu)  und  das  letzte  (L.)  Kapitel.  Weiter  wurden  in 
guter,  auf  griechischem  Original  aufgebauter  Übersetzung  gerade  jene 
Stücke  erhalten,  die  man  im  Parömienbuch  findet;  für  unsere  Analj^se 
sind  von  Bedeutung  besonders:  XLIII.  25 — 31,  XLV.  1  — 16,  XLVI. 
1 — 7,  XLIX.  1 — 2,  8 — 12,  33.  Die  Übereinstimmung  des  Parömien- 
buches mit  den  glagolitischen  Brevieren  ist  nicht  zufällig.  Auch  die 
sprachlichen  Eigenheiten  geben  Zeugnis  davon,  daß  die  Übersetzung  der 
oben  angeführten  vollständigen  Kapitel  sowie  dieser  Teile  aus  dem  Pa- 


1)  A.  B.  Miixaii-ioEX,  Kt  Bonpocy  o  jm-repaiypnoMi.  uaci^j^iu  cbb.  Kupujja 
II  Meeo;[iH  ex  r.iaro.i.  xopBaTCKuxi.  Mucca.iaxx  u  öpeDiapiuxi.  BapuiaBa  1904. 
Crp.  53. 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  n.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.   15 

römienbuche  in  die  kroatisch-glagolitischen  Breviere  hertib ergenommen 
worden  sei.     (Siehe  Michajlov  1.  c.  p.  61 — 62.) 

Aber  auch  die  übrigen  Bruchstücke  aus  der  Genesis ,  also  auch  die, 
welche  im  Parömienbuche  nicht  enthalten  sind,  sind  für  unsere 
Thesis  sehr  wichtig.  Wir  haben  da  wieder  zuerst  die  Übersetzung 
einiger  Kapitel,  an  der  zwar  der  Einfluß  der  Vulgata  sich  bemerkbar 
macht,  die  aber  im  Grunde  doch  eine  alte  nach  griechischem  Originale 
hergerichtete  Übersetzung  ist  (Kap. XXXVII.  2 — 22).  Wir  haben  da  weiter 
eine  Paraphrase  des  übrigen  Textes  der  Genesis,  welche  Paraphrase 
durch  ihren  sprachlichen  Charakter  wieder  auf  einen  guten 
Kenner  der  altkirchenslavischen  Sprache  und  was  besonders 
bemerkenswert  ist,  mit  griechischer  Phraseologie  hinweist. 

Auf  dem  Blatte  176c — 177b  Cod.  c.  r.  bibl.  Aulicae  Vindobonen. 
N.  3  haben  wir  eine  treue  Übersetzung  des  Kapitels  XXXVII.  2 — 22, 
welche  —  wie  wir  weiter  zeigen  werden  —  die  Spuren  einer  nach  grie- 
chischem Originale  gemachten  Übersetzung  trägt,  die  jedoch  in  dem 
Parömienbuch  nicht  vorkommt;  den  Inhalt  der  Erzählung  bilden  die 
Begebenheiten  aus  dem  Leben  des  ägyptischen  Josefs. 

Von  da  folgt  die  Paraphrase  mit  einigen  apokryphischen  Zugaben, 
z.  B.  von  dem  Wehklagen  Josefs  am  Grabe  seiner  Mutter  Rachel,  von 
der  Freundschaft  Josefs  mit  dem  Weibe  Putiphars  bis  zum  Blatt  179b 
V.  14;  der  folgende  Teil  (fol.  179  b  14 — 179c  22)  ist  die  getreue  im 
Parömienbuche  enthaltene  Übersetzung;  der  weitere  Text  fol.  179c  23 
—  180a  25  ist  wieder  nur  eine  Paraphrase,  nach  welcher  wieder  eine 
getreue  auch  im  Parömienbuche  enthaltene  Übersetzung  fol.  ISOa  22 
— 180d  7  folgt. 

Nach  einer  kurzen  Paraphrase  (ISOd  8 — 17)  haben  wir  wieder  eine 
dem  Parömienbuch  entnommene  Übersetzung  180d  18 — 18 la  19;  ähn- 
lich kommt  nach  einer  Paraphrase  (fol.  181  a  20 — 18  Ic  20)  wieder  eine 
getreue  mit  dem  Parömientexte  übereinstimmende  Übersetzung  fol.  181  c 
21  —  181d  17.  Mit  einer  wertvollen  Übersetzung  des  letzten  (L.)  Ka- 
pitels fol.  181  d  22 — -182d  13  endet  der  Text  der  Genesis  auch  in  den 
glagolitischen  Brevieren  gleich  dem  Parömienbuche. 

Ich  halte  es  für  zwecklos  hier  erst  beweisen  zu  wollen,  daß  der 
glagolitische  Text  der  vorerwähnten  Perikopen  der  Kapitel  XLIU,  XLV, 
XLVI,  XLIX,  sowie  auch  des  ganzen  letzten  Kapitels  L  nur  Echo  des 
Textes  des  slavischen  Parömienbuches  sei;  dies  bewies  schon  zur  Ge- 
nüge Prof.  Michajlov  (1.  c.  S.  87—95). 


16  Jos.  Vajs, 

Schweigend  kann  ich  jedoch  nicht  jene  Stellen  übergehen,  in  welchen 
der  Text  des  Breviers  Veit's  nicht  nur  über  die  cyrillischen,  sondern  auch 
über  die  glagolitischen  Texte  hervorragt. 

Solche  Stellen  sind: 

a)  mit  lexikalischen  Eigenheiten : 

caAHH   ISld  26,  KparpT».  iSOc  25,  EpaTpura  lS2d  1,  B'wra 

180c  27,  IKHTCAk  lS2b  S,  0B/\0KH3dTH  ISOc  2S,  ISld  24,  ;RTpC»Bd 

179c  16. 

b)  Mit  morphologischen  Eigenheiten  (Archaismen): 

a)  mit  nominalen  Eigenheiten:  nom.  pL:  K3i4UJiv/i,'iiJfH  lS2b 
25,  norp-kB'ium  ib.  26—27,  SAa^k  182c  4 — 5;  dat.  pl. :  napaOHO- 
KCiiii'  (cHAHHy')  lS2a  6; 

ß)  mit  verbalen  Eigenheiten:  5- Aorist:  ßjrkce  17Üb  15,  no- 
rptcf  182b  18—19,   182d  13;  cA-Aorist:  p'&me  179b  24,  c  12; 

starker  Aorist:  OKp-kTiw  ISlb  10,  lS2a  7,  KkS^BHrOY 
181a  8,  U3HJi,oy  lS2  3i  20,hl;  npn^OY  ISOd  5,   np-Kii^OY  182a  4. 


Mehr  jedoch  ziehen  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich  die  übrigen 
Texte,  d.  h.  solche,  die  in  dem  ParÖmienbuche  nicht  enthalten  sind. 
Es  ist  vor  allem  die  Übersetzung  des  Kap.  XXXVII  2—22,  29—33; 
und  weiter  die  Paraphrase  des  übrigen  Textes  bis  zum  Ende  des 
Buches,  insofern  sie  in  den  oben  angeführten  Texten  nicht  enthalten  sind. 

Der  Text  des  Kapitels  XXXVII  ist  eine  nach  griechischem  Muster 
gemachte  Übersetzung,  die  später  nach  der  lateinischen  Vulgata  stark 
umgearbeitet  wurde;  nichtsdestoweniger  findet  man  daselbst  noch  Spuren 
des  griechischen  Ursprungs.    Und  dies  vor  allem 

a)  in  den  Eigennamen  BaabAH  (gen.  sing.  BdXXag,  lat.  Balae), 
OcHnii  ([loorjfp,  Joseph),  Po^KHiuik  (Poiißii^i^  a,xic]x'Povßiu^  "Fovßeii-i, 
Rüben)  i),  Go^Y*'^'^  i^^/Jl-h  Sichem); 

b)  wichtige  Stellen  im  Texte  ^  die  auf  griechischen  Ursprung  hin- 
weisen : 

1.  HE  0\fKHlJHrji'  ^\iiif  (ro,  V.  22,  Sept.  ov  narä^of-iev 
avTov  eis  ^vyJiv^  Vulg.  non  interficiatis  animam  eins! 

2.  SB'kpe  AWTOJ  noTAkTH  ...  V.  20  ^rjQior  TtovriQov  -/.ax- 


1)  Cfr.  The  Old  Testament  in  Greek  by  A.  Brocke  and  N.Mac 
Lean.    Cambridge  1906.  I. 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.   17 

ecpayEV  ctvröv^  Vulg.  fera  pessima;  dasselbe  weiter  unten  v.  33; 
die  Vnlgata  hat  auch  hier:  fera  pessima. 

Auf  den  alten  Ursprung  der  Übersetzung  weisen  c)  einige  lexika- 
lische Eigenheiten  hin:  AOyHd  ((TfA^vjj)  v.9;  CfAO  {jtEdlov)  vv.  7,  15; 
fTfpb  {vio)  V.  15;    rpfA^l"  [eQxetai)  v.  18; 

d)  einige  morphologische  Archaismen:  nom.  adj.  AWTOt  (Sß'fepf) 
V.  20,  33;  acc.  part.  K/\c>y;i,fLpi^  (OBp'kT«  mi  h  MOY^Kk  ertp'  kao\'- 
^EijJii  Ha  CCA'R,  Vulg.  Invenitque  eum  vir  errantem  in  agro  v.  15). 

Nicht  minder  wichtig  ist  der  sprachliche  Charakter  der  darauf  fol- 
genden Paraphrase ;  da  handelt  es  sich  wieder  um  einen  alten  Text  grie- 
chischen Ursprungs. 

Es  kommen  hier  bemerkenswerte  Eigenheiten  vor : 

a)  lexikalische:  Eigennamen,  wie  Pa\'HAiv  f  Pa//}A) ;  Po^BHIUlii 
{'Povßi^i);  npo^i,pc>iuiK  [rtQÖÖQo^iog]  177d  16;  naTpHKHH  {TtarQiy.tog) 
178a  11,  b  11,  d  24;  naTpHKHH H  17Sa  18,  179a  7;  tTtfih  [rig]  178a 
12,  b  17,   po>K^EHHi€  179a  18;   np'RAiCKH   CTKOpHTH  178a  20. 

b)  morphologische  Eigentümlichkeiten: 

a)  nominelle:  instrum.  sing.  u,pEBOM'  (noKfAlvHH6lui')  178b  16; 
gen.  plur.  lUiHorh,  17Sc  15,  TOifHHk  17Sd  2,  KpacHk  ib.,  X'^^VA'^ 
ib.  3,  A<^^P<^<^^P^^3Hk  ib.  5,  X'^VA'»  ib.  6,  MHOroocHAkHk  ib.  10, 
HfCKOYA"*»  ib.  10 — 11,  MHcrocKO^A"*^  H  TAa^Hk  ib.  12 — 13; 
dat.pl.  raa^HOLr  (aIvTOm')  179a  13. 

ß)  verbale:  3  plur.  imperf.  iiiHMC»rp£A'R'S\-c>Y  177c  5;  aor.  3 
plur.  BHHAOV  179a  14,  ocptTOy  179dll,  180a  18,  OTH^oy  ISOd 
9;  1.  sing.  OKpIvTk  181b  10;  part.  oyTlvUj'iiJf  I78a  3 — 4,  ocraßAk 
179a  25,  b  2;  BSBpaijJkuik  cc  179a  26,  CTBop'ma  179  d  17,  OBpaqj'- 
me  Cf  180d  8—9,  OBpaqj'  ce  ISlb  24,  CTBop'  181c  17. 

c)  syntaktische:  npo^am«  h  na  cpfKp'HHU.'RY'  177c  13 — 14 
erinnert  an  die  Satzfügung  im  Evangelium  Cod.  Marianus  97,  22:  MO- 
jKaui«  KO  ce  Mrpo  npoAanc»  k^uth  na  luikHOSt;  ibid.  366,  14 
— 15  npo/k,aHO  K'kicT'K  Ha  t  n-kH/ÄS'k.  —  tiKO  mw^hth  ce  bcSm' 
I77d  21 — 23  {wäre  cum  inf.);  1iKC»  f;i,HHOMOY  bhth  OK'kUJfHO\' 
a  Apc»YroMOY  b  can'  cboh  npkBH  bhhth  176b  24 — 26;  -kKOiKf 
CHaKAtiTH  ikhto  17Sd  17 — 18. 

Auf  Grund  der  vorangeschickten  Analyse  gelangen  wir  zu  folgen- 
den Schlußfolgerungen : 

1 .  Es  ist  augenscheinlich,  daß  die  kroatischen  Glagoliten  den  Pa- 

Arcliiv  für  slavisclie  Philologie.    XXXV.  2 


18  Jos.  Vajs, 

römientext  (nebst  den  9  ersten  Kapiteln)  des  letzten  (L.)  Kapitels  bei  der 
Hand  hatten  zugleich  mit  Perikopen  der  Kapitel  XLIII,  XLV,  XL  VI, 
XLIX,  welche  sie  ebenfalls  in  ihre  Breviere  aufgenommen  hatten. 

2.  Die  Übersetzung  des  Kap.  XXXVII  2 — 22  setzt  eine  ursprüng- 
liche Übersetzung  aus  dem  Griechischen  voraus,  die  später 
nach  der  Vulgata  verbessert  wurde. 

3.  Die  Paraphrase,  welche  die  Lücke  zwischen  Kap.  XL — L  erfüllt, 
ist  gi'iechischen  Ursprungs.  Die  Analyse  weist  auf  einen  Autor,  der 
einesteils  guter  Kenner  der  kirchenslavischen  Sprache, 
anderenteils  ein  Stilist  nach  griechischem  Muster  war;  die 
lexikalischen  Eigentümlichkeiten  verraten,  daß  er  den  ältesten  Arbeiten 
slavischer  Übersetzung  nahe  gewesen  sein  mußte. 

Diese  drei  Punkte  führen  uns  zu  dem  Schlüsse,  daß  den  kroati- 
schen Glagoliten  der  ursprüngliche  Text  des  Parömien- 
buches  bekannt  war,  den  sie  auch  in  ihre  Bücher  herüber- 
genommen haben,  nicht  aber  der  vollständige  Text,  da  sie 
sich  sonst  kaum  mit  Paraphrasen  geholfen  hätten,  und  dies 
um  so  mehr,  da  die  Paraphrasen  mit  apokryphischen  Epi- 
soden vermengt  sind,  die  im  Bibeltexte  überhaupt  nicht 
vor  kommen. 

Wie  sollen  wir  jedoch  die  Übersetzung,  (nicht  eine  bloße  Para- 
phrase) des  Kapitels  XXXVII  2 — 22  erklären?  Es  ist  eines  von 
den  Stücken,  die  immer  im  Systeme  der  biblischen  Lesun- 
gen nach  dem  abendländischen  Ritus  gelesen  zu  werden 
pflegten.  Somit  liegt  darin  wieder  eine  Bestätigung  meiner 
Annahme  vor,  daß  der  hl.  Methodius  am  Ende  seines  Lebens  die 
Übersetzung  der  hl.  Schrift  aus  liturgischen  Gründen  in  Angriff  nahm,  und 
zwar  diesmal  nach  dem  abendländischen  Ritus.  Die  Möglichkeit  ist 
nicht  ausgeschlossen,  daß  er  selbst  mit  seinen  skoropisci  auch  die 
Paraphrasen  minder  wichtiger  Texte  besorgt  hatte.  Wieder  nur  ein 
neuer  erleichternder  Standpunkt  in  der  Auslegung  der  Worte  der  metho- 
dianischen  pannonischen  Legende. 

Somit  hoffe  ich,  bewiesen  zu  haben,  daß  die  kroatischen  Breviere 
keineswegs  der  Hypothese  Jevsejevs  günstig  sind ,  scheinen  vielmehr  für 
meine  Annahme  zu  sprechen,  die  ich  durch  gegenwärtigen  Artikel  dar- 
gelegt habe. 


Die  kroat-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.   19 

II. 

Textus  libri  Genesis  (cap.  XXXYII— L)   codicis  glag.  c.  r. 
bibliothecae  Aulicae  Yindobonensis  N.  3. 

Fol.  176c.  Gen.  XXXVII. 

2       OcHHk    }K.(    irji,4\    B'kUJE    lUCC-  5 

THMa^eceTe  A'kTk  na- 
cUme  CTa^iJ  ci^  cpaT- 

HfW    CBOfK»    Ol^Je    OrpOHf    CH. 
11    B'KllIE    Ch.    CHbMH    RaA'AH 

H  3fA'nH  iKfH  (-|-  superscr.  aua)  ouia  CBO-     lo 

erc.     Oy<>V'^h  ^*  kpthk»  c- 

BOio  oy  c>u,a  rp'kYOiui'  ro- 

P'ujhm'.     3     HsAk  oyBO  aioBAauje 

OcHna  nane  CHOßk  cßC»H\*' 

Tcro  pa^H  'bKO  ß  crapoc-  15 

TH  po^HA'  ce  fiuiOY  K'Ruie.     Gt- 

BOpH    >K£    «MOY    CO\fKHK>    C^KP^^IU- 

«Hoy  ßEA'MH  AOKacaKMjjoY  c- 

E    JiL,A}K.(    J\,0    3M6.      4       IiHAO\'llJe    JK- 

E    KpaTH'E    ErO,    'tKO    0    OlJta    BElji-  20 

E    BCky'    CHOB'    AKtßAaUJE    c- 

E,       HEHaßHA'SV^V    «rO,    HH    lUlO^K- 

ayoY  fiuio^*  meco  MHpcTßop'Ha 
r/\aTH.     6     Peme  ike  OcHnk  kpth- 

H    CßOEH  :  CAHlJJ'kTE    CkHk    MOH  25 

HIKE    BHA'SY';       7       K'KY'^Mk    MH    CK- 
Hpat<M[JE    CHOnH    Ha    CEA't    H    b'- 

craH'SiiJE  cHonk  moh  h  CT(a) 

2* 


20  Jos.  Vajs, 

l?Ol.l76d.      yjj^    BaiiiH    Hie    CHOnH    OKpbCT' 

cToei|jf  noKAdHa^oy  ce  c- 

T 

Honoy  MOEM^Y.     8     OßEifjaBiiiEH;- 

E  BpTH'fe  ero  p'kuif  emioy  :  e^,- 

A  TH  i;pk  Hamk  boy^euih,  hah  5 

MH    nOßHHEM    Ce    BAaCTH    T- 
BOfH.      Gh'S   BHCTHH0\"   p'kMk 
CkHk    TOAH    CAOBECK    RO^'H- 
t    (sie)    BH    BpTHH    fPO    B    HEHABHC- 

t'  fMoy.     9     yijPoyrH  jk«  naKH  ckhk         10 

TaKOJKA«    BH^t    H>Kf    Bk3B- 

-kipae  BpTHH  ptH«  :  bh^'S^'  n- 

0    CHOy    A'kKH    CAKHU,E    H    A  Oy  H  0^ 

H  cA"MöVHaAfC£  (sie)  SB-tSAC^V  n- 
cKAanaTH  a  iuihIc.     10    OrA*»  ik«  15 

CH    CkHk    Ol^Oy    CBOtMOY    H    BpTHH 

BkaBtcTH,   Honp-kTH   fMOy  0- 
i;k  H  p(Hf  :  Mto  TfB't  npocn-t- 

«t'    CkH'    TBOH,    H;K£    BHA'^^M^ 

€CH    MEA»?;    «A^    <*3k    H    MATH    T-  20 

KO't    H    BpTH'k    TBCk    ROKAOH- 

HM    CS    TfB-K    Ha    3MH.       11       SaBHA" 

'Sy^V  ^*  ^"^"^V  EpTH-s  «ro  a  ou^k 

pliHk  A't^f^^V  i^'^i^^f  pacina- 

Tpame.     12     6rAa  Hif  BpTH'k  «rc»  25 

nactyoy  cTaAa  oijfa  cb- 

oero  RptBHBaYOY  b  Goy^tM- 

'K;     13     pfMf  K  HEiuioy  H3/\k  :  Bp^H'k 


10 


Die  kroat-glagol.  Breviere  n.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  21 

Fol.  177a.    ^ß^^  nacoyT'  oß^«  ß  OovX'" 

fM-K  noHAH  nouJAic  K  HHMb  (sic). 

Oh  JKf  oßeniaßi.  ptMt:     14    roT- 

OBk  fCM'.    HsAk  h;«  piM«  (MOV : 

HAH  H  bhh;a"^  a^^^  ^^^  "P^^'  ^ 

n-KlUHa    COVTI*    0    KpaTHH    TRO- 

(H  H  0  ct^a'^K'  "  npHUJiiA'  ^^- 

Sß-feCTH    MH-k    MTO    TßOpHT' 

C6    0    HH^'.       IloCAaH    >KJ    Ol^fMI^ 

l   AOAa  tKpOHCKdro  npHA« 

B  Oovv«"';  1^  oKptTf  h;«  h  my- 

JKIi   eT«p'   KAOVA^H*«^   "'^   ^^^~ 
-K   H   ßnpOCH   H   MfCO   hckaa'   kh. 

16  Oh  :k(  oßfUJAßK  p«M£  «moy  •  ^P" 

dTH£    MO«    HMJOY,    ßkBß-KCT- 
H    MH{'k    KJAt    HdCO^TI^    CTAA-». 

T 

17  PjM«    JK«    tMOV    MOVJKK    Th.  :  OCT- 

o\fnniu«  0  M-KcTA  cero,  cah- 
lUAX  '/Kf  e  TAtonie  :  ha'Sm'  ß  J\^- 

TAHh.       IIa«    ^«    OCHHI^    HO    KpA- 
THH    CBOfH    H    OKp-feTe    «    ß    \^- 

TAH-K.     18     Ohh  >k6  ovap-Riue  h  3  A" 

AAJKA    npHJKA«    "«^^   npHUl- 

a'    kh    K    HHM',    nOMHCAHUJt    OYK- 

HTH    trO    H    OTAH    PAd^OY  :  CC 

cbHHHKK  rpfA«T^'      20     noHAtre 

AA    OYKHfMk    H    H    BAOJKHM'    H    B    M- 
HCTtpHOY    BfT'pY    H    pJMtW'  : 


15 


20 


25 


22  Jos.  Vajs, 

Fol.  177b. 

3B'fep£    AWTOW    (sie)    AK»TC>«    nO- 
TAkTH    H,    H    TOrA'i    'feBHT    C(, 

MTO  npccn-tA'  KC»v%v,eT'  eu- 

oy  cbH'  fro.     21     G/\HiuaB  JKf  ch« 

Po^KHll'    YOT'tlUt    HBCaßH-  5 

TH    0    pO^Kh.    HX"'^);     Hf    Oy  RH 'S  HM    J<L,Ult 
«rO    222)    HH    npOAHKdHLl'    KpkKH    J- 
rO    Ha    ßAOJKHTC    H    B    MHCT- 

epHoy  CHK>  'fe'^f  fCTk  B  noy- 

CTHHH    CfH^    pO\,'KH    >K«    BaUJ«  10 

Cb.KAIC»AHT£    HfROpOHHH. 

Gf  h;(  ri\MUi  x'otc  h3k- 

dBHTH     H     0    pO\j'KK    H^'    HM    Bk3B- 

paTH  (superscr.  th)  h  Kb.  oi^oy  cBoemioy. 

(sequitur  responsorium  vv.  15 — 25.) 
233)     OpHrnaA  luov  iKf  OcHHoy 

K    KpTHH    CBOfH    H    U,- 

tAOBaB'moY  e  kah- 


1)  Textus  graecus  addit :  y.cd  elneu. 

2)  Textus  glagoliticus  omittit  comma  :  dnev  6'i  avToXg  Pov^r-v. 

3;  Incipit  paraphrasis  vv.  23— 33.    Cap.  XXXVIII,   in  quo  fornicatio 
Thamar  describitur,  omittitur. 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  23 


Fol.  177c. 


Heiui'  ou,a,  BpaTH-fe  }K(  (Uiu- 

i    H,    H    KCaA"lUC    H    K    HHCTf- 

pHoy  no  rAoy  pc^EHMORoy;  t- 
c»Y  jKf  6M0Y  coij'njoy  cj  Hs'yaAH- 

TH  iuiHiuic»rpeA't'^\'<>V-     Hw^v,-  5 

a  :Kf  peM£  k  KparHn  cbo- 
m  :  ce  HsiuiaAHTH  hühmop- 
p«A'2>VT''^  noHA'tTe  j>^&  npo- 
^aäuik  H  Hük  H  poVKH  Haiue  H«  n- 
CCKpoyHtT  et,  T'Kao  (superscr.  lui)  oyso        10 
EpaTh.  Haiuk  (CT'.     Ha  a(superscr.)KH£ 

H3Bf  A  U^*    "    Hl{JHCT(pHH    OT- 

aH  PoYBHiuia  npo^aiuf  h  II 3'- 

MaAHTOim'  Ha  cpeKp'HHnlv\-'. 

PcYBHM  EO  HHKoeroHif  3aa  15 

CTBCpUTH    fMOr    ll3BC»AHa' 

K'tmr,  np'fe'/KAf  kc>  Y'^'T^iM^m' 

oyKHTH  ero  ch.  wt  npucTa 

CBtT'k,  no  Tom  jk«  mhot- 

0  npocfLpoy  i  nc»coKb.cTBO-  20 

Baillf    fMO\-,    Ha    HHMTOJKf 

oycn-t.     Hko  OTaH  iro  tipoA- 
a^^^ujE  (sie)  H,  pH3c»\'  ero  HyoyiiJ 

C    OY    CCB£    K>»tE    CBAKKAH    B- 

'KYOY    >K'    HfrO.       Po\fBHM    JKe    H-  25 

A«    K    MHCTtpHlJ    BHA'feT- 

H  h;  h«  OEp'fcTb  ^6  ero  np'kA- 

P'fi    PH3H    CBOe    H    UlhA'^'    1^'    ^P" 


24  Jos.  Vajs, 

•  aTHH  piHf  :  orpoMt  m  '6b- 

H    Ce    MH'K,    A3K    KdMO    HA^'V^ 

Ohh  7K(  (rj!k,A  npc»;\,auiE  ii,  om- 

OHHUjf  pH3oy  ero  b  Kp'ii'  ko- 

SAHifja  H  nccAaiiiE  Kb  oi^OY  5 

TAhMlJe  :  CHIO    OEp'feTOM'    f- 

A<*  KAKC>  cHa  TBoero  kt'? 

OÜ^k    BHA'kBb    PH30Y    0- 

CHnOBOY   np1iAplv  pH3H   c- 

BOe    C    n/\aM(M'    H    pfMt:    SKtL-  10 

pe  AKtTce  norakTH  cHa  lui- 

c»fro  OcHna.     HsMaAHTH  (sie) 

»;f  HH^E  KO^nHiut  OcHna, 

H/i,'kYO\'  R  rioyT'  cbc»h  uj  h- 

hm';  npHUJkA'uiEM  iVit  hm'  k  M'b-  15 

CToy  llpcApOMa,  H/k,tJKe 

B'k  norpEBEHa  Pa^HA'  u- 

ATH  «ro,  Ham  naanaTH 

OcHnb  H  pH;i,aTH  s'feAO  h- 

apHi^ae  Hin«  Pd^Hi\^^  uat-  20 

fpe    CEO»    'kKC»    HOy^HTH 

C(    BCklU'   bh^eijjhm'   £ro, 

II    TAATH    'kKO    MapH    H'KKHE 
TBCpHTk    H    MapOA'tHUk    (CT'. 

BnpamaYOY  7K(  ii  o  paSAHM-  25 

HH)C'   p'kHf)^'    J\,A    nOBtCT' 
hm'    paSOyMHO    C>    MHC»3'R\'k. 

Oh  ^«  HcnoBt^t  hm'  o  b'- 


Die  kroat-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  25 
Fol.  178a.    c'^^\  0  HH\'iKf  BnpamaYoy  h, 

rp-kBCHa  tcTh.     Ohh  jKe  o^t- 

'tm'UJE    H    CAOBECH    BATHMH 

H    OBEljJaß'mE    EMOY    HHKOf^KC    p-  5 

aBOTH   CTßOpHTH    Ha   naM- 

(    aWEBtHt:    AWBHTH    H    H    B- 

«A'^^Y^V    H    Cb    COBOW.       npHlUKA'- 

U1(U    }K(    HM'    ß'    BlOHTk    BH/\,t- 

l\l(    H    MH03H    A"B'^'*X'*''*V    ^^    "^P"  1^ 

acoT-fe  ero.     IlaTpHKH  H;e 
fTfp'  0  MkCTHHY'  MOtf^i*  nap- 

aOHOB'    BH/l.'KBb     H    Ji, 0 K  fi  <:> C> - 

BpaSliH'     COYUJIi     KO^HH     H     CTBO- 

p'    i;'tHOY    C    npOA'JKMiiHMH    H.  15 

H  nocTaBH  h  crpoHTea- 
a  ^OMOY  CBoero,     /Ktna  ^( 
narpHHHa  (sie)  :K«i\'tKM|jH  nac- 

HTHTH    C6    KpaCOTH    OCHH- 

OBH    H    BCJCOT'k     np'KAlOBH     C-  20 

TBOpHTH    m    HHM',    OcHHOy    }K- 

t    HfpaMHBUJOY    CTBOpHTH 

no  BEsaKOHHK»  le.     Gh-K  npcr- 

H'KßaBUJH    C£    Ha    HK    OKACB- 

era  h  k'  mo^^kio  cBOfMoy  pa  25 

WHJH  :  -kKO  paBK  tboh  Ochri^ 
HC  rocnoJK;i,K>  ctB'fe  Ha  np- 

tAK»KC»A'tHi;OY    IUI«    ^OT'k    HM^TH. 


26  Jos-  "Vajs, 

FoLlvSb.     JIj    TkKMC»    JKf    CAOBfCH    CH- 

MH    AkH^HHMH    rAilUJC    Ha    Hb,    Hk 
pHSCy   «rO    KA3MU(,    lOJKf    o\-- 

no^OTt  t(  ckbp'hhhe  hciia'-  5 

HHTH,       Il-R    KO    paSkJKHSaf- 
Ma   3pEL|JH    KpaCOTH    fPO;    c- 

fro  pa^H  x^OT-b-kme  a^  "- 

aMf    OYim»?PHTk    H    mCyjKk    ({    Hf- 

jKt  paa'Hi'/KHsaaa  (sie)  et  kh  10 

SpCljJH    Ha   Hk.      üarpHKN   jk« 
H«    YOT-K    0>fllilOpHTH    H,    Ha    fMk 
BCaAH    H    ß    TkMHHU,<?\%    K    HfM- 
OyjKf    no    TCIUl'    K-RCTa    H    Aß- 

a  CAOY^KHTfAa  u[pfBa  ß-  15 

cajK^eHa  noBfA'6HHs(ü'  superscr.)  U,pe- 

bom'  3a  fTepo\'  bhho\-. 

lijKe  KHAa  K'kujfTa  e^"- 

Hk  YA-kKap'  a  aP^^V"  MkßkHk- 

HH;    BH^'KBlUEMa   }K(    Hivia  20 

paSAHHkHk    CkH'    H    HOBtA''^- 

Biua  OcHHoy,     OcHnk  cßa- 
sa  Hiuia  pa3AHMH£  cHa 

'RuifHOY'  A  Apo\'roMO\-  B   can'  25 

CßOH    npkBH    BHHTH.       PsHf    HC- 
E    OcHRk    K'    \'OTflJJC»YIUIO\'    BHH- 
TH B  can'  CBOH  :  homehh  iui- 


Die  kroai-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  27 


Fol.  178  c. 


Mf  (sie)  trji,A  TfK-R  ^\,OKpo   KoyA- 
(T  H  Bk3ß1iCTH  napacHoy 

J^A     HSBfTb    (sie)     U(    0    C((    OY>KHHU,f 

1vK0   TaA'^KH'fe   BSfTK    eciuik 

H    Ck/l.'K    HEBMH'Hk    B'nO\fL]JE-  5 

Hb  ecM';  TpH  o\fE(:>  oijie  a'""  c- 
oyTk  no  HH^JK«  BcnoiuifHn'' 
CAcyniKH  TBOf  napaoHb  h 

BhSBfA^''''   T'f    n*^    CTentH' 

AP'Kbhh  :  Tkr^a  romehh  U(.  lo 

GeiuioY  JKf  Bk3BeAf"*^V  khb'- 
luoY  no  TAOY  ocHnoBoy  Ha  c- 
Te(3uperscr.nf)H'  aP'^khh    kaiosh  a  np- 
M»  caH  bha'Kth;  BnpamaB' 

JKC     0    lUlHOr'    paSAP'KlJUHTH    Ck-  15 

Hk    frO    H    H«    OEp'kTk    IIEMaAkH' 
KHCH!       GAOY^HT'f'^'*    '*^« 

ero  HJKe  Kt:  H3Eiji,tHh.  h- 

C   TkMkHHl^f    ROimeHOlfB    Oc- 

Hna    Bk3ß1vCTH    eMO\f    0    Hl-  20 

Mk  H  KaKO  B'kujE  cKasa- 

Ak   CkHk    ero    H    CkHk   AP^V^~ 

A    ero,    t/KJ    Cf    H    SKHCTa 

HMa.      U,pk    H^E    CAHLUaBk    C- 

HE    0    OcHH'S    pa^l^    KH    H    HO-  25 

CAaBk    nOBEA'k    H    npHBE- 

CTH    k'    CEB1v    HC    TkMHHl^E, 

H    ROB'RA'^    f^'^^y    CkHk    CB- 


28  Jos.  Vajs, 

Fol.  178a.    ^^  j,^j  .  ßH^^t^K  ßOAk    36- 

TOyHHk    H    KpaCHb    AP'^V"'^" 

H    CEA^HIO    JfOYA'^    KOAk    R- 

0/KHpaCMH.       II    KAaCk    TaK- 

OHCA«    •^-    A*5  ßP^^KP'*3Hk  5 

APOvroyK»    Ä  MHK>  V'^VA'^  ^- 
AacK  noH;Hpa£iuiH.     Gah- 

LUaB    /KE    OcHnk    CkHk    l^pCBk 

H     Bk3B'kCTH     KHTH     -öS-     All- 

Tk     MHOrOOBHAkHk    H     HCCKCy-  10 

A'Hk,       Ho    CHX"    >K«    AP^^V'^V'^     '^^ 

A'tTk    MHOrO    CKOYA"'*    "    ^' 

AA^Hk.       ÜEMaAkH    }¥i(    BHBk 

L^pk  0  cEMk  ßnpocH  OcHna, 

HTO    nO^OBaAC    KU    TBOp-  15 

HTH.       OCHR    JK«    CB-kTOBa- 

UJ(    H    'tKOH^f     CHaEA'^TH    :K- 

HTO.     lJ,p^  >Ke  pasoifWliBk  0- 

CHRA    'SKO    MKk    MOYAP*^     "     ^^'^- 

BOHBk    KTk    ROCTaBH    H  20 

CTpOHTfAa    HaA«»^    ßCflO    3- 

(MAEIO    CBOCK)    H    BCAAH    H 

Ha    KOAfCHHi;OY    CBOIO. 

ßHA'tB    Hif    CR«    RATpHKRH 

BcaARßi^H  ero  Bk  tiuihh-  25 

u,c>\f  cyBok  c«  3'Sao  h  uikA' 

K    JKfH't     CRC    TpfRfTOMk    b'- 
SB'KCTH    (R    KAKO^    CABOy 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  n.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  29 

lol.  179a.     npH-KT'  OcHnk   o   i^pa.      Gh'S   'A{( 
oyTOAH  H  noB'^A'^'^^iP"  fMoy 
AOKpoTOY  ocHnoBoy  h  Boro- 
KOHHoy  iuiovaP*5ct'  ero   h   naKO 

B(3    KHHH    CK/\fBfTa     H     K     HEMOy.  5 

T 

OcHnk   TKt   npHfM'  BAacT'  0  n- 

apaoHa  h«  oMkCTH  naTpHKH- 

to   Hk   nane  mhos'Sy'  awBAa- 

me   H   (sie).     Crpctme   jKe   Ocnn'   ßca 

AOBp-k  H  CHaBA'S  M0\-Apc»c-  10 

THW    CBOfK»    MHOJKkCTBO    JK- 

IlpHUJkA'ujEM   >Kc   raa^HOM'  A- 

'kTOM'    BHHAC»\f    BpaTH-K    OC- 

HnoBa   B'  GwnkT'  ko^hmt'  jk-  15 

HTA    H   npHiiJkA'mc   K    Heiuioy   nc»3- 

HaHH    BHUJE    hm'    HC    n03HaiC)l|IE    cpo; 

BnpamaEMH   jk«   hm'  poM^^CHHe   (sie) 

CH   cKasamc   h   ou,a    oijje  h   ep- 

ara   ch  hmo\'I4JE  RcHH'^MHHa.  20 

OcHnk  iK(  cAHiuaB'  cma  h 

RcHH'kMHHa   SAP^Ba    CO\'HJ- 

a  pa/i,k  EH  3lvao.     IIoBea- 

t    JK6    HMk    npHBCCTH    ReHH^- 

MHHa    GfMHOHa    OCTaBAk    0\'  25 

C(K(.       OhH    H;E    B3BpaL|JkUJ£ 

c£  Kk  oi^o\'  noB-S^ame  jmo\' 


30  Jos.  Vajs, 

Fol.  179b.    g^^^  ^^^^  ^^  ^,^^  noKfAli  h- 

lUl'   OCTdBA'    GflUlHOHa    npHK- 

fCTH     BjHH'kMHHA.        Oll,k    IKf    R- 

OyCTH    Ht    rO/l,0\f6    HTM    ÜJ    HHM- 

H    RfHHtiMHHa.       PfHf    JKf    HMk  5 

ßkSHiltTf     0    COVA*>V    ^    ^'^' 

MH  A^^P"  "  HA'tTf  (supeiscr.  K   tahhoy)  3M(  h 

(rjli,A    OEpflJJfTe    H    nOKAOH- 

BO    lUlOH     CTBOpH    H    KAM     MC-  10 

THß',    A**    BHnO\'CTHA'    KH 

ctro  KpaTA  BAUifro  c' 

KAiuiH  H  OHoro  croH^t  A9^- 

>kht'  ßb  c»\f3AY'.  1)  Geii.XLm25  Ohh  h;«  npH- 

lillvAUJE    Kh.    6K»nkT'    KHlvCC  15 

OcHnoy  A^^P"  ^  A'^^'  "^^  W 
Hiui-kx-ov  K  po^Kay'  cßony', 

H    nOKAOHHlUf    Cf    fMC\'    A<^    3- 

EME.     26     KnpocH  :ke  e  Ocnnk 

n\E  :  A*2>KP'S  AH  SAP-JEH  20 

ECTE    H    3AP^^K    A"    *CT' 

oi^h.  Baujk  cTapku,ii  etojk- 

E  nOBlvA'*^^'^*  1^"  <^4^^  ^- 

o\f4Ja.     27     Ohh  >ke   ptuJE  a^^^P'^ 

3AP<*ß"^    fCT'    H    OL(JE    JKHB'  25 

ECT    paBk    TBOH    OH,k    HAUJk 

H    A'^Kp'b    BAP'^Bk    ECTk. 

1)  Cf.  Cod.  S.  Simeonis  ed.  M.  Steininger,  p.  21;  sequitur  textus  pro- 
phetologii. 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  31 
Fol.  179c.      pj^j    jj-j    OcHRk  :  KAtth.    KUh    MKb 

TA.     Ohh  iKt  naA^^f  O'*'^"  "- 

OKAOHHLUE    C£    eMO\-    J^O    SM«. 

28       IlbSp-kß    JK£    OMHMa    OCHIIK 

BHA'S    BfHH-KMHHa    KpaT-  5 

a  CKoero  co\'i[ja  H3'  e- 
^HHOf  yaTip«  m  hhiui'  h 
ptMf  hm'  :  ce  AH  ecT'  Kpar' 

Kam'    lUlkHUJH    0    HflUl/Kf    noK- 

'KA^c't*  mhU,  f^o^Ke  h  10 

p-Ry'  Baiiii'  npHKfCTH  k'  m- 
Ht?    Ohh  TVie  ptme  emoY  :  «h  th 

Cf    fCT'.       OcHRk    /K6    EAKH    H 

rat  :  b^  bakh  h  romoyh  t- 

E  Hf;i,o;     29     cMO\'HJaüje  bo  cf  (-  15 

MC>\"  o^TpoBa  ero  o  Bpar- 

'K  cbojm'  h  HCKaiuc  naaK- 

aTH  cf.     Ii3bm';i,mf  (sie)  b  ao- 

JKHHHO\f    HAABa    (sic)    Ct    TO^; 

30    O^IUIHB    JK6    CH    AHU.C    HSH^C  20 

E.hHK    K    BpaTHH    HO\-Af    C£    3- 

AP'jKaTH    Ce    0    CAk3k  1)    H    H- 

£  MO»;auj£  ce  3AP'JKaTH 
3pe  BCty'  Kparii  cboh- 

^k.       FOCTHB    JKE    «    A""    H'SKH-  25 

£  noBEA-b  A'*'*'"  mm'  -/KH- 
Ta  eahbo:ke  yot-Rx-o^-; 

i)  Explicit  textus  prophetologii ;  sequitur  paraphrasis  continens  vv.  31 
—34  cap.  XLIII,  cap.  XLIV,  v.  1  cap.  XLV. 


1 

1 


32  Jos.  Vajs, 

J^ Ol.  179  a.    noBfA-k  jk«  h  HaiuKoy  kaojk- 

HTH    Bli    Bp'tTHljJt    ReHH'KM- 

HHOBO  'kH;c  (superscr.)  HapHi^amc  ce  KoH;i,d 

Y0T6    OyCTaBHTH    C\-    CfK- 

i  BEHH'bMHHa.     Geiuio\'  :ke  E-  5 

I 

HB  mo^*  oncycTH  e  hth  h  no- 

C/\a    B    CAt^' 

hy'   HC  bat'  MAUJKH   H   C»\'  HEro- 

H;e    OepELflETk    (!)    K»    npHBE^O^/-- 

Tk    (!)    H    K    HEIUIO\^.       IIOCAAHH    HiE  10 

HAHkh'UJE    HCKATH    OBp'kTO\' 

K»    Bh.    Bp-kTHUlH     BEHHliMHH- 

CB-R    H    EM'uIE    BE^liV^^V    "    ^^ 

OcHHO^f.       RkSBpaTHUJE    IKE 

CE    BpdTHiv    ErO    B    CA'fe^N,'  15 

ErO    H    MHOrO    TAAUJE    HA    Hk    0    C- 

EM'    MHEl|JE    H    CHE    CTBOp'lUA. 

Ho    TOM    HIE    MAYO\'    OcHHA 

A4  E;i,HHoro  0  HH\'  oy-^p'jKH 

t'    CErC    }KE    OnoyCTHT'    HT-  20 

H    Kk    Oi;0\f;    rAA\'0\'    KO    'SKO    Ol^k 
ErO    BEAMH    AWBHTh. 

(sequitur  responsorium  vv.  23 — 28) 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  33 
Fol.  180a.     Ilp-K^KA«  ^f  cfro 

rAaAk    Et    Po^RHUij'  5 

k'  Kpt\THH  c(superscr.)BOfH  pr- 

KH:    J!i,A    AH    Hf    P'^Yk    K- 
AM'    H8    MOStTf    CKP- 
P^UJHTH    KK    OrpCl^-S    H    H- 

c  CAOYmacT«  im«;  c«  k-  10 

PHH(!)    trO    ß3HCK0y£T    Cf. 
Hk    H    BCH    rAAAH    K-b^Oy   pfK- 

oyni«  :  ;k,0CT0H'k  (sie)  ch'S  rp^nii- 

Mk,  'kKO  ckrp'feujHYOim'  b  Kpa- 

Tlv  HLUfiuik;  BHA0\'i4Je  TO\*r-  15 

c»Y  ji,iui  ero  frA<i  npoiuaujc 

HH  Hl  cAO\'iiiaYoiui',  Toro  pa- 

AH    OEp'feTO\"    HH    CKP'bH    CHf. 

OcHHk    }K.(    MCp'/l,OBaB'    E- 

paTHK>    CBOK»    pfM«    HMk  :  RpH-  20 

BAHJK-kT«    et    Kk    lUIH-K.       IIpHEA- 

H^KUJELI    Cf    hm'    K    H{M0\*    PAA    H- 

Mk  :  aSk   ECMk    OcHHk    EpaTk 

Baujk  jrojK«  BH  npoA^vc- 

T(  Bk  GionkT'.  Gen.  XLV  2^)  G(  JKf  pfKk  H-    25 

cnoycTH  TACk  c  pa./VOc- 

THK»    H    C    nAAHfM';    CAHUJA- 

HO  jKe  EH  BCKiui'  ewn'qiaHO- 


1)  Incipit  textus  prophetologii  (Gen.  XLV  2 — 16). 


Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV. 


34  Jos.  Vajs, 

°*  M'    H    OifCAHlUaHO    KH    ß    A'^'^^V 

napaoHOB'k.     [BparH-t  :kc  o- 

CHnoBa  Ht  MO^Ka^OY  Oßfuj- 

aTH  OcHRoy  OBO  :k(  pa^oc- 

THK»  "Kko  noBHauie  h,  obo  jk-  5 

(  crpa^oM'  'kKO  npo^amt  h.] 

5       PfHf    :K<    hm'    OcHRk  :  H£    CKp'Kt:- 
Tf    HH    H^tCTOKO    BaiUl'    'KBA- 

AH  c(  -kKO  npo^acTt  mc  cIj- 

MO,    B    2KHB0T'    BO    HOCAa    ME  10 

Ell  np'K^i,  BaMH;     6     et  ko  BTopoe 
AtTO  raa^i*  «ct'  Ha  3mh, 
H  oip«  npoMHy'  n«Tk  a-Rtk  b' 

HHY>KE    H'kCTIi    OpaHHli    HH    JKf- 

TBH.       7       lik    >Kf    B  HCTHHOy    HOC-  15 

Aa  ME  np'fe/k,  BaMH  ocraB- 
HTH   BaM'  ccrantK'  na  3mh 

H    np'kRHT'KTH    BaM'    OCTa- 

HaK'  Bf  ah;     8     he  bh  rocaac- 

TE    ME    CKMO    HIi    Bk    H    CTBOpH  20 

ME  tkKO  OL^a  RapaoHoy  H  ra 

BCEMOY   A^MOy    ErO    H    KHE3- 

a    BCEE    3ME    GlCRkTa. 

9      nOTblJiaBUJECE   oyKO   b'3- 

HAliTE    Kh    CU^OV    HLUEMO\f    H    p'-  25 

l^-kTE    EMOXflCHl^E    TAETK 

CHW    TBOH    OcHHk  :  CTBOpHA' 

ME    ECT'    Bk    ra    BCEE    3ME 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  35 
Fol.  180c.     d^tiiTa;  chhah  cyK^  k»^  mh-S 

H    Hf    OCraHH       10       H    ßCfAHlUH    C- 

c  B  3MH  HapHnafM-k  'ht- 
cHiuit  k'  BwnT-s,  EOVA^iu"  ^- 

(    KAH3'    MH-S    TH    H    CH0B6  5 

TBOH    H    CHOBt    CHOBk    TBO- 

H^'    H    OBU,t    TBO£    H    HOyTA 

TBCS    H    «AHKO    ICT'    TBOf- 

ro      11      H    np'KRHT'kK»   T(   Toy.      0- 

i|je  KO  '£b-  AtTb  TAa^a  c-  lo 

«rO    fCT'.      rioAkSH-K«    >K- 

E    TH    tCT'    CHHTH    Kh.    MH'fe    H- 

€h;6  hctahth  c(  rA&ji,o- 

MK    H    TfB-k    H    MfA^^^*'    TBOHM' 

H    BCkM'    COyilJtM'    TBOHM'.  15 

[Gt    H;«    pfKk    PAA    HMk]  :  12    C(    OMf- 

Cd    BAUIA    BHA«T'    OyCT- 

A    MOtC    TAAUJA    (!)    K    BAM';    BIi3- 

B'kcT'kTf  o^KC  c»i;o\*  HmMO\' 

BCO\'    CAABO\f    MOK»    COyilJOY  20 

b'    BnT-K    (!)    H    fAHKO    BH/k.tCTf. 
IIoTklllABUJC    Hie    C(    HH3B(A'^- 

Tf  c>u,A  Hujfro  ckMO.     14     Ge 

ptKk    HAHA/^E    HA    B  H 10    ßcHH- 

'KMHHA    BpATpA    CBOffO    H  25 

HAAKA    et    TOy.      [BfH'-tMHH'    Hi« 

HAAKA    C(    HA    BHH    fPO]      15       H    0  k'- 

A0KH30Ye    OcHHk    BCO\"    Bp- 

3* 


36  Jos.  Yajs, 

Fol.  180a.    ^rJ,^^^^  cboio  n/xana  et  o  hh\'\ 
Ho  cfiui  iKt  B'srAame  Epar- 
H'k  ero  K  HfMOY;     16     ii  npoiuiKMf  ce  rn- 
ack  K  ^^omoAf  napaoHCK'K  pa- 
E  :  npH^oy  KpaTHli  ocHnoß-  5 

a.  Rspa^oßa  TKt  et  nap- 
aoHK  H  Bc«  cao\'rn  eroi). 
BpaTHt  'A'x(  ocHnoBa  ok- 
paLiruiE  cf  0TH/k,0Y  no  racy*  o- 

CHROBOY   H    H^tvyOY   Kk   ou,o\-   c-  10 

BOfMOy    H    npHlLlk^UJf    K    HfMOY    B- 

SB-kCTHQJf    CIUIO\f    0    OcHR'K, 

H    KaKO    nOBfAlC    CHHTH    fMOV' 

K'    CtK'k    Ca    BCfeMH    COlfUJHI^H 

irO.       Ouk    JKf    CAHluaBk    0  15 

OcHnt  B3paAC»Bt»  cf  pa- 

AOCTHIO    BfAHfK»    3liAC». 

Gen.  XL  VI  12)  H  bsa^ht  c(  cam'  h  Bca  c- 
BO'fe  H  npH^e  Ha  CToyAfH'^U' 

KAfTBkHH    H    nOIKp'R    TO^    JK-  20 

p'TBOy    B0\-    CIXA    CBO«rO    Hc- 

aKa,     2     Gahuia  jke  h  30BOV- 

IjJk    C(    HOLjJHIO    Bk    CH'b    rAHM|Jk 

eMOY  :  liKOBf,  liKOBt;  oh  JKe 

OBCLjJa    EMOY    rA£  :  CE    EClUk.  25 

3     PfM£  Htf  «luioy  ßli  :  Hs'  ecMk 
Kp'knkK'  Kk  ciu,A  TBOjro;  m  k- 

OH    et,    H    CHH4,H    Bk    6nTk    (!)    b'    p- 


1)  Explicit  textus  prophetologii;  cfr.  cod.  S.  Simeonis,  p.  21— 22.    Se- 
quilar paraphrasis  complectens  vv.  IT — 28  einsdem  capitis. 

2)  Cfr.  cod.  S.  Simeonis  p.  22—23;  repetitur  textus  prophetologii  i.  e. 
vv.  1 — 7  capitis  XLVL 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  37 


Fol.  181a. 


10 


OA«^    Bf  AH    CTßOpOV    T«    K    HfMh.; 
4       a3    Hif    CHHAOV    C    TOKOW    TAMO, 

H  ask  0  TOVA^V  npHß«A<>V  '^^^ 
Bh3ßpai|jaicnJA  cf.  H  Ochh  c- 
uHk  TßOH  bsaoh^ht'  povu'k  c- 

BCH    HA    OHH    TBOH.      5       ßcTAß' 
JK6  'ElKCBIi    0    CTOVAfHU.^^    1^'^^- 
TßkHArO    H    BkSABH'^'^V    C"" 
0B6    -kKOBAH    HsTvA    OH,A    CB- 
OfrO    H    JKfHH    CBOe    HA    KCAfC- 
HHU,AX'    'kKOJKC    nOCAA    OcHR' 
BkSABHrHOVTH    CK    KCtlUlk 

cTtn^AHHEM'  (ro.     Ehha«  ^- 

f    'BkOBK    B    BwRKT'    CK    BCÜmiK 

HMtHHtim'    CBOHim'    fJK6    CT«-  15 

JK«    (sie)    B    3UU    jfAHAH'kHCU'K    H    BC- 

E  ckime  tro  m  hhuji',     7     chobc  «rc 
H  cHOBf  cTiOB  «ro,  A^ipfp" 
tro  H  A«4^^P"  AfiPfP"»^  *'''^^)- 
Bt  >Ke  H)^'    dP    H  -Sh-  c  poAfipHM- 
H  ce  b'  BionT-K  o  Ochra.     Gtb- 

OpH    Hif    OCHRK    AWKKB'    KO\f    0^^- 

OAHOY  CK  oiTesm'  ch  h  ck  bco\-  m- 
fAAAHio  fro  pAA^V^  ^^  ^  ""X- 

H    BCfAH     i    b'    Bm-RT-S    B    3MH  25 

HApHU,A«IUlt    "KfCHMli:.       OkHT- 
A    B    HCTHHOV    liSAK    B    BlORT-fi 
B'    3MH    HApHU.AtM'fe   lifCHM- 


20 


1)  Explicit  textus  prophetologii;  sequenti  paraphrasi  continentur  omnia, 
quae  capitibus  XLVII  et  XLVIII  narrantur. 


38  Jos.  Vajs, 

*     t  H  ßAaA<»TH  noMt  fw;  pac- 
naoAH  JK«  ce  h  mho:kh  ce  ßt- 

a'MH    H    >KH    ß    H«H      ÄS.    AtTh. 

GxßopeHH  h;c  co^t'  bch  a"- 

H   H;HBOTa  ero    b-  h    •>•    h    oS-  a-  5 

tTk.       6rA<»    >K6    BAHJKHTH    C- 
C    BH/k.'feUJe    A"»^    OVMp'THt    C- 

ßojro  npH3BA  CHA  cBoero 

OCHRA.       PtHf    JK£    K    HfMO\-  :  Aljl- 

E  OEp'kTk  liier'  np-KA  ^«H«-  10 

MK    TBOHM',    nOAO^H    pO\'KO\-    T- 

BOK>  noA'  KfAP*^V  '^*^'^  "  ^" 

JI 
TBOpHLUH    Cbk    MHOW    LlCTIv. 

H  m  rp-kBAH  ma  (!)  b  GtonTü,  i\w 

Aa  CRAK»  Ck  OUH  c(superscr.)BOHiuiH  hs'-      15 

HCCH    U(    H3'    3111«    Cff    H    CKp- 

HH    MC    B    rpOK-fe    BfljJKUJHYki). 

OCHH    JKf    OBfLjJAB'    011,0^    CB- 

OfMO\"    pCHf  :  A3k    CTBOpO\'    C- 

^Kf    nOBfAtA'    (CH    MH-R    OMf.  20 

Oh    JKf    p(Mf    fIUlC»\- :  KAkHH    Cf    B   H- 

CTHHOy    MH'K.       6mOV'    JKf    KA6B'- 

ujoy  ce  noKAOHH  et  H3Ak  rct\'. 

Obpaijj'   C(   K  AC»>KA   3'rAA- 

BHK».       Ocnn    >Kt    OTHA«.       GhM-  25 

H    }Vi    (MHH0VBUJHMH2)    Bk3B'S- 

qjfHO    BH    OcHROy    'RKO    MASA- 

uit  et  (?)  c^K  tro.     Oh  m;j  nofiuik 


1)  Vulg.  condasque  in  sepulchro  maioncm  meorum  (XLVII  30). 

2)  Vulg.  His  ita  transactis  (XLVIII  1). 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  a.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  39 

Fol.  181c.     ^ß^  j"fj„  cBO'fe  MaHacHK)  h 

6np'kMa  no^e  (sie)  k  h«mo\-.     PtHtHO 
:Kf  KH  CTap'i^oy  :  c«  cHk  tbo- 

H    OcHnk    rpiAfT'    K    TfK'S. 

Oh  }Ke  o^Kp-kRH  ce  h  ct^f  H'*  5 

AOJK'fe.      H   BUJb^UJCV   K   HEiuioy   0- 

CHnO\"    peMf  :  Bli    BCEMCTH    1i- 

BH    Cf    MH-k    B    3MH    ]C'»H<*H1v- 

HCl^'K,    BABH    }Ki    M£    H    0m(  :  4- 

3li    Tf    npHBaBAK)    H    O^MHOMi-  10 

K>    H    CTBOpoy    T(    B    AK>/l,H    B- 

fAH«,  ;i,aM  JK«  (th  superscr.)  3MK>   CUM»   H 

CbMEHH    TBOeUO^f    nO    TfK'b 

Bli    OKAACT'    B'KHH0\'I0. 

BaBH    JKe    llKOBK    CHH    OCHR-  15 

OBa  ManacHK»  h  Bnp'kima  c- 

BO't    CTBOp'.       'fejKt    H    KlvCT- 

a  no  OcHR'K  crap'feHiija  n- 

AEMEHH  CH.  Gen.XLIXli).  H  npHSBaBk 'Hk- 

OBI^    BC£    CHH    CBOC    pCM£  20 

HMk  :  2  nc)CAO\'UjaHTE  cTioBE 

•kKOBAH    CAOBrCk    HsAA 

oi^a  Baujfro.     8     [lK';i,a  >Kf  ch- 

E    MOH,    TIE(    BC^BaAtTk 

KpaTH-fe  TBCb;  po\'H,'fe  TBO-  25 

h  Ha  nA«nja\''  Bpar'  tboh^', 

H  noKAOHfT  ce  Tee1v  cho- 

Be  ou,a  TBoero.     9     GKOvwfHk 


1)  Cfr.  Cod.  S.  Simeonis  p.  23;  cap.  XLIX  vv.  1—2,  8—12,  33. 


40  Jos.  Vajs, 

Fol.  18 Id.    ^^i^ß^ß,^  Hw^a   o  A'kTopa- 

CAH    CHI    MOH    K3HA«    ß'3- 

Air'.     Ilocna  'Kko  Ah.Kh.  »  t.K- 

0    CKOYMKH'    AfckBOBI»;    KTO    b'S- 

KOYAHTK    H?       10      He    OCKO\-A'ß«T'    K  5 

Hf3'    0    HhJAM    "M    KAA^HKa    0 

BfApH  ero,  A*^"Af^*  npH^- 
jt'  nH;e  noiuAHM'  «ctl,  h  tr 
KO\f;i,eT'  noHiHAAHH«  Hapc»- 

J^h.       11       lIpHBISd«    AOSt    JKptB-  10 

(    CBOf    H    p0^fMH^H    AC»3'S    OC- 

AfTf  CBOtro;  HcnepfTk 
bhhom'  oa^JK^k»  cboio  h  Kp- 

BHK»  rpo3A<>ßoV  <»A'Shh*  ^- 

BC»6.     12     Kpam'ujH  kta  omh  tr-  15 

0    BHHa    H    30BH    (sic)  1)    «PO    MA'kKa 

cB'bTA'kHiuH2).     33     IloHMaHMaH-  (sie) 
hmh3)  JKf  sanoB-kA'"^"  'Kko- 
Bk  HMHH^E  cynaiuf  CHH  npo- 

CTpk    H03li    CBOH    Ha    AO/Kt  20 

0\'Mp'k    H    npHAOJKIH'    BH    K    AIO^- 

fM'  cbohm'.     Gen.  L.  1    Hana^i^  JKt  Oc- 
HRiw   Ha  AHU,f  oua  CBOfrO 

nAAMf    H    OBAOBHSa    H.       2       SdR- 

OBtA'^   >Ke    OTpOKOM'    CBO-  25 

hm'  EaAHM'  A<*  mact'mh  n- 

CMaSAAH    KHUJ«    Oll,A    CBO- 

tro;     3     HMHJKf  sanoB-kA"  "c- 


1)  Ol  oJovTef. 

2)  Explicit  textus  prophetologii ;  seqnentem  v.  33  prophetologion  iungit 
capiti  L,  cfr.  cod.  S.  Sim.  p.  23. 

3)  Vulg.  Finitisque  mandatis  (XLIX  33).    GKK^HksaHHAAH?  .  . . 


Die  kroat.-glagol.  Breviere  u.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  41 

Fol.l82a.     HAiiHawijiHiuiHi)  hsha^^V  '^'   A""> 
CHi^k  KO  HpaBd  K'bme  Tpo\|^nk  n- 
omasaHHY'.     FI/xaKa  tks  tro  6m>- 
HkT'    dP    A""-     1     ^''A'*  *'*^*  nptHA- 
c>\'  A"H  HAaMa  raa  Ocunk  k  c-  5 

hahhm'  napaoHCtßoy'  rae  :  a- 
ilje  okp'Rt'  mct'  npIvAii  anu^- 
ein'  BaujHM'  ra'tTf  Eh  o^uih  n- 
apaoHa  raiciije  :  CHi;e  ratTh. 
OcHnii  :  5  oi^k  moh  saKae  ui  ra-  lo 

(  :  ce  o\-MHpaK>.     B  rpoB-K  ikc  iuic>- 
eiui'  HC«  (!)2)  HCKona^'  b  3MH  ya- 
KaH'kHcu.'E  norpEBH  me;  »  um 
c\'BO  no^'CTH  Hilf  A<*  ia^i^A'  "'5- 
rpfBO\-  OL^a  tuioerc»  h  ßpaiijc^  15 

cf.     6     P(Hi  'iKi  napaoH'  OcHno\'  : 

B3HAH    nOrpfBH    OU,A    TBO- 

7     H  BSHAf  OcHHk  norpscT' 

oi;a  cBOEro  h  b'3ha<?V  ^^"  20 

t  m  hhm'  bcm  orpcmi  napao- 

HOBH    H    BC6    CTap'KUJHHH    ,\<>- 

MOY^frO;    BCf    JK£    CTap-tLUHH- 

H    3Me    eWRTbCKHf,      8       H    BCH    ^0- 

MOBHHl^H    OCHHOBH    H    BpaT-  25 

Ht:  ero  Toan  BkCk  a*^"^'  »^lii- 
a  iro  m  hhm'.     OcraBHiue  ;k- 

(    POA«^    H    CKOTH    TOaH    HO\fTa 


1)  Vulg.  Quibus  iussa  explentibua  transierunt  quadraginta  dies.  (L  3). 

2)  recte  hjke:  Vulg.  quod  (sepulcrum)  fodi  mihi;  cod.  B  !£'»'  xw  fxvTSfXBUo 


42  Jos.  Vaja, 

B  3UH  eicnkcut:  (ae).     9     Hsh^ov  »;e 

UJ    HHU'    KOACCHHl^E    H    CHOVSHHl^- 

t    UH^rHC    [corr.  t  H  KH   n^'K'  ß«i\H    B'SAO. 

10  W^wm'xuii  'AHi  Ha  rovLiHo"  araroßo,  e^K«  ec- 

T'  OK  OHk  noAk  lip^aHa  Bkna'- 

CTKRUii  cro  naaMfu'  beahe-  g 

U  k    31EA0    H    CTBOpHUJE    EMOV    HA- 

aMk    -Ä-    ^HH    H      iö      HOipH         11        Kh^'S- 

KLUE    JKE    JKHTEAH    3UE    yaH- 

aHtlHCKHE    HAaMk    BEAH    Ha    T- 

OlfMHli    TCU       p-feUlE  :  RAaMK    REA-  10 

H  KT    Eicnr'fcHELi'  Ha  roruHlk 

araTOB'K,  CEro  pa;i,H  nap- 

•fcUJE   HUE   UtkCTOy  Touoy   [Ia- 

aMk  EicnTkCKH  ect'  OK  oh'  noA' 

lip;k,aHa.     12     Gteophuje  ovko  iu-  15 

Oy   TaKO    CHRE    ErO,    HKO'/KE    3- 

anoRU^i,"*^  HUk.     13     IIphhecüje  h 
R  3U»  Y'JM'iHli^HCKOV  Rorpt:- 

C  E    H     K    REipEpli    COVroyKtH    W- 

»:e  KOvriH  flRpaau'  r  cte/K-  20 

cJHHE  rpoKa  0  BnpoHa  y^teh- 
cKciro   K   XerpohIv  npl!MO  A\- 

aUKpHH.       \i       fjkr^r'.pjTH    >t'.E    Cf    0- 

cHrik  r'  fiwriTK  h  KparHlc  «ro 

M   KCM   K?, kijj  k  ,v' m  f  H   iij   hhm'   n-  25 

orpECT     oii.a  Ero  norpEKiii- 

t     M    KäKpaTHIHE    CE.       15       FiHAIJK'- 

ijjE  ;f.«  KpaTHlJ  ocHnoBa 


Die  kroat-güigol.  Breviere  n.  d.  Übers,  der  hl.  Schrift  durch  Method.  43 


FoLlS2c 


•SKO    C'VUp'K    CIJ.I1.    H\'      p'KUJ«    B    CfK- 
•t  ;   l^A    KJKC    BCnCUtHJT     Oc- 
HRK    SACE^V*    HlüOy    H    B3AJHH«U' 
BSAJCT'    HJUk    BCa    3k.\J- 

•t  1;;k«  CTBopH\-ou'  tuev.  5 

16       II    npHlUk4,lU£    Kk    OCHHOV    p-tUJf    (U- 
eV  :  OU.k    TBCH    3.\KAf    Ti    RptLH;- 

;i,i  Hf^K«  o\*up1i  r,\s  :  17  chu.«  p'- 
u.'feTe  OcHnov  :  öaJ'+^a'  H«npa- 

B4,H    H\'"    H    rp'S\'H    M\*'.    "K^KS    3k.\-  10 

d    CTBCpHLUf    TtB'k:    HHHE    C\'K- 

0  npHUH   H£npjBA,H  paEk  Ea  pa- 
^H  cu,a  TBOtro  c«:  ^K«  uh  t- 
BCH  paEH.     n.\aKa  ^Kf  ce  Och- 

nk   CH    r7\  hMjJ  f  U    HUk   K   HfUCV.   19^)  H  p«M-    15 
{    hu"  :  Hf    BCHTf    CS.    E^H     EC    iCUh. 

a3k:  ^O  BH  cBfijjacTf  c>  uh'S  b* 
3.\c.  Ek  :Ki  cBfijja  0  UHt:  b  A'^- 

EpC.    A'i    ECV'AfT"    •^KO    H    AH^'k^    np- 

tnHT'^HH   Ecv'AC'V'r    ak^ah   u-  20 

H03H.       21       II    TAa    HUk  ;   Hl    E0HT6    Cf.    a- 

3k    np'fenHTlih?    BH    H    A"^un    B'^- 

UJf    H    crT^KlUH    (    H    TAA     HUk    B    Cpk- 

HH.      '22    II     ;KHTk    ÜCHHk    A-^Tk      b-     H      S-I 

23      BHA'ti    :Kf    A'feTH    fnp-^UCBH  25 

AC  TpfTarc  pcAAi  CH0B6  ;k- 

t    Uap\'HpCBH    CHa    UaHaCHHH- 

a  pCAHLUf   c(  Ha   crtrHcv  cch- 
1)  V.  IS  om. 


44  J-  Vajs,  Die  kroat.-glagol.  Breviere  usw. 

Fol.  182d.    n^^B^y      24     II  pfMC  Ochrk  BpaTpHH  c- 
BOfH  rAJ  :  a3k  o^MMpa  (sie);  nocfeiiie- 

HHJIUI    JK«    nOC'tTHT'    ßACh    Rk 

H    BkSBfA^T''    KH    0    3Ü(    Cd    Ha 

3MK»   fWJKe   KMT   Ci   oi^eiui'   Ha-  5 

iuhm'  Kh  aspaaMOBk  h  HcaKOBK 

H    'feKOB/X'.       25      II    SaKAE    OcHRk    CHH 

H3T\BH  rae  :  b  nocSipsHM  hmhjk- 
e  nockTHTk  bh  rk  bI^  b3h«c- 

•kT«    KOCTH    lUlOf    0    COV^OV*    C    B-  10 

aMH.     26     II  oYMpt:  Ocnnk  bhb    b    h 

■'S-    A'kTk.       IloAO^KHIiJE    H    B    pa- 

u,%  norp'kcE  h  b'  6H>nT'R. 

Prag,  27.  März  1913.  Dr.  Jos.  Vajs. 


Das  Martyrium  des  Basiliscus. 

Von  W.  Lüdtke. 


Das  Martyrium  des  Basiliscus  hat  wegen  der  genauen  Ortsangaben, 
die  es  enthält,  als  Quelle  zur  Topographie  des  Pontus  auch  für  den  His- 
toriker einiges  Interesse.  Schon  Cumont  i)  hat  hierauf  hingewiesen  und 
bedauert,  daß  der  griechische  Text  noch  nicht  gedruckt  sei.  Der  latei- 
nische Text,  der  in  den  Acta  Sanctorum  unterm  3. März  (T.  I  p.  237flf.) 
nach  einer  Handschrift  von  S.  Maximin  gedruckt  ist,  ist  ausführlicher 
(Bibliotheca  hagiographica  latina  No.l021).  In  ihm  nennt  sich  Eusignius 
als  Verfasser,  der  in  dem  griechischen  Texte  und  dem  aus  ihm  geflosse- 
nen Codex  Suprasliensis  gar  nicht  vorkommt.   Auch  die  topographischen 


1)  Franz  Cumont  et  Eugene  Cumont,  Voyage  d'exploration  arch^ologique 
dans  le  Pont  (Stiidia  Pontica.  2)  Bruxelles  1906  S.  247  f. 


Das  Martyrium  des  Basiliscus.  45 

Angaben  stimmen  in  den  Texten  nicht  überein  i).  Die  Paragraphen- 
Zahlen  aus  den  Acta  Sanctorum  habe  ich  in  meiner  Ausgabe  an  den 
Rand  gesetzt. 

Der  Codex  Monacensis  gr.  366,  nach  dem  ich  den  Text  abdrucke, 
ist  von  Ehrhard  (Römische  Quartalschrift  für  christl.  Altertumskunde 
und  für  Kirchengeschichte  11,  1S97,  S.  123 — 127)  beschrieben  worden. 
Martin  Crusius  hat  ihn  1577  in  Tübingen  kopiert  und  sich  auf  Fol.  240 
eingetragen;  die  Tübinger  Abschrift  hat  die  Signatur  Mb.  12:  vgl.  W. 
Schmid,  Die  griechischen  Handschriften  der  Universitätsbibliothek  in 
Tübingen,  Tübinger  Progr.  v.  1902,  S.  2 9 f.  Ehrhard  ist  geneigt,  den 
Kodex  ins  Ende  des  9.  Jahrhunderts  zu  datieren.  Aber  dieser  Ansatz  ist 
vielleicht  doch  etwas  zu  hoch.  Mir  ist  nur  eine  griechische  Handschrift 
bekannt  geworden,  die  denselben  Text  enthält.  Kirsopp  Lake,  The 
early  days  of  monasticism  on  mount  Athos,  Oxford  1909,  S.  110  führt 
aus  dem  Handschriftenschatze  der  Laura  unsere  Passio  mit  etwas  ab- 
weichendem Initium  an:  zaza  rovg  y,aiQovg  Tfjg  ßaoiXelag  Ma^i- 
{.iiavov  .  ,  .  Nicht  zugänglich  war  mir  die  Bibliotheca  bagiographica 
graeca^  No.  241  zitierte  neugriechische  Übersetzung  (Agapios,  Ka?.o- 
xaiQivif],  Venedig  1780,  S.  62 — 65). 

Die  Münchener  Hs.,  ein  Lese-Menäum  für  den  Mai,  hat  Basiliscus 
unterm  22.  Mai,  während  er  nach  dem  Suprasliensis  am  5.  März,  nach 
dem  lateinischen  Kodex  am  21.  Juni  gefeiert  wird.  In  meinem  Abdruck 
habe  ich  nur  einige  unwesentliche  Kleinigkeiten  nicht  notiert;  den  Zir- 
kumflex der  Hs.  in  Baatllaxog  habe  ich  beibehalten.  Vom  Supra- 
sliensis habe  ich  nur  die  wichtigsten  Varianten  angegeben. 

(Fol.  101a)  Iß'  Mrjvl  tö)  civrip  x/i'  f.ic<QTVQLOV  xov  ayiov 
ficcQTVQog  BaaiXioy.ov. 

Kaz'  Ikslvov  top  y.aiQov  Tijg  ßaaiXslag  Ma^tj-iLavoü  rjl^s  1 

diüdoxog  JäaKli]7tiod6Tov  eregog  fjyefuov  uvöuavi  ^Ay^innag 

5  xai  aTtfiEL^)  sig  ttjv  äraroXfArjv  y^öjqav  aQ^ai  rovg  ;^(>fc(JT<«- 

vovg  rov  Trsi&eip  ILgxe  &vsiv  avrovg  rolg  d-eolg.  b   de  i^ia- 

■AccQiog  BaoüdOY.og  rjv  Iv  Tfj  cfvlaxi]  -/.kakov  y.cu  TtQ0O8v%6- 

1)  Die  Verwirrung  ist  darauf  zurückzuführen,  daß  man  das  Doxi  Xovuicclc 
=  Omala  (9  km  nördlich  von  Komana)  in  der  Nähe  von  Amasia  suchte  und 
unsern  Basiliscus  in  Beziehung  zum  hl.  Theodor  brachte ;  vgl.  Delehaye ,  Les 
legendes  grecques  des  saints  militaires.   1909.  S.  202— 213:  S. 42. 

2j   Ratid  anr]Q%ETO. 


46  W.  Lüdtke, 

fievog  'Jial  UycüV   'Kvqu^)  i.tvria&r]Tl  fiov  /.al  cpaveqav  rrV 
kfiriv  yiXfjaLP  7T0ir]00V,  Yva  /.li]  xf^oQiaS^w  twv  ayiiov  ctvdqwv. 
•/.al  d(pd-elg  avrcp  b  -/.VQtog  elTtev  ^'Ei.ivrja0^r]v  oov  /mI  %yqa\pa 
oov  To  bvoua  TtQO^)  TÜv  Gvv  ooi  i-iaQTVQiov  GV  de  6Xv7trjd-i]g, 

5  ort  eayÜTtog  lxlri^r]g;  ttoXIüv  rtQoä^sig-  all'  aneld^iov ovvra- 
^ai  rotg  avyyevsai  oov  /.al  IXd-iov  [laqrvqEi  IvKo^iävaig'  /.al 
(Fol.  101b)  [Cr]  cpoßrid^fig  ivxalg  ßaoävoig  f.n]öe  riTzrj^fjg  Iv  talg 
ansÜMlg^  oti  eyio  eifti  fiera  oov'  auX  ov  ^irj  oe  dör/.rjoei  (pößog 
avd^qioTCov^  xoi  b  BaoiXloxog  avaorag  rcgoor^vlaro  /.al  eßlsTie  2 

10  rag  d^vqag  Tfjg  (pvXaKfjg  ävEq)y{-iEvag.  ojg  öh  OQ^-Qog  eyeveto, 
avaorag  TiaQS/äleL  rovg  cpvXaoaovrag  avrov  ozqaruorag  Xe- 
yiov  'z/or£  f.iOL  evöooiv^)  «wg  oXlyiov  fjiiieQtop,  OTtiog  ajieX&iov 
övvrä^w(.iaL  rolg  ovyyeveai  f.iov  Iv  rtp  xoiQuo  Xov(.uaX(öv'  xai 
ro  XoLTiov  (fd^doco  TtQog  rov  aXiqd-ivöv  (.lov  ovyyevia  rov  xi)- 

15  QLÖv  {.lov  'irjoovv  XQioröp.'  ol  öh  OTQaruoraL  ecprjoav^]  avrcp' 
Zfi  b  AVQLÖg  oov,  ei  /.li]  eq>oßov[^ie&a,  /a;  (^ieXXi]g  ovvröi.icog 
eTTitrjrüod^aL^)  Ttaga  rov  aq^ovrog,  artsXvouev  av  oe.'  b  öh 
äyiogBaoiXlo/og  aiTtev  avrolg'^zlEVTE  ovv  ädeXcpol  f^iov,  arckX- 
&iüfiev  bfiov  jTQiv  IX&elv  eig  Ko^iävav^)  rov  fjy€i.i6va'  ol  öh 

20  orgaraorai  ovvfiX&ov  rip  ayiio  BaoiXto/o)  y.al  a/teXd^övreg 
efieivav  ovv  avrcp  ev  rcp  or/oj  avrov.  y.al  Idiov"^)  rovg  adeX-Z 
(povg  '/al  rr]v  fir^reQa  uirov  TCaq^/äXei  Xiywv  avrovg'  ^^E(.i- 
^eivare   Iv  rfj  Ttiorsi  rov  XQiarov  y.al  rrgooev^aoS-E  Ttqog 
y.VQiov  ttsqI  ef.iov,   OTtwg  rEXeicod^ä)   Iv  rf]  b^ioXoyia  ravrj}' 

25  lyM  yaq  arCEi^n  acp'  vf-itov,  /al  ov/iri  oipeod-e  /<£  y.ara  odQy.a. 
ccTteXd^iov  de  rtQog  /vqlov  Ttqeoßevoo)  vtcIq  vf-iiov  /al  vrteg 
oXov  rov  ed-vovg  rCov  %QLOrLavCov^  'iva  ro  Xoittov  Ttavorjrai  rj 
eiöioXoXarQeia  rcop  äaeßiov  yal  eXO-i]  fj  xäqig  rov  Xqiorov 
eig  Ttäaav  rf^v  yfiv^ 

;^0  'O  de  r\ye[dov'AyqlTi7tag  eloeXd^MV  eig  rr^v  ^A^iaoetov  nö-  4 

Xlv  ovve/äXeoe  rovg  itqürovg  rfjg  TtöXewg.  rjv  de  vabg  dqxalog 


*)  Rd.  Bvxi 

2)  Cod.  nqiLW 

*]  Rd,  elnoi'. 

6)  iniC^Tsla&at  am  Jld  nachgetragen. 

*)  Der  Akzent  über  o  radiert. 

■J)  siö'üiy. 


Das  Martyrium  des  Basiliscus.  47 

'/.alovi-uvog  Ilizaaog  ytal  ereqog  ^eqaitLiov  ey/LOxa  avrov' 
xcu  ^vGiav  eftiTsleoag  KrjTec  tovg  deafuüvag  %QiGTiavovg. 
körjlüid^r]  de  avT(p  ra  tibqI  tov  uyiov  BaoiXiGAOV  milevae 
öe  6  r^yef.uov  TraQaGTrjvai  avrov  -/.ul  rovg  aXXovg  deGf.uorag 

5  eig  Ti^v  TCÖXiv  Ko(.i(xvav^)  y.al  l-/.el  auvovg  y.QLveGd-ui  kiycov^  5 
iavTov  räy^iov^)   e/.7toQev£Gd-at  ajib  ^^f^iaoelag'   slTtev  de  6 
fiye/.uüv  Tcp  (Fol.  102a)  ^layiGTQiavcp  /.cd  rolg  GTQarabraig' 
^^eG(.iLov  avTov  ^laGTi^avTsg  äyccyere.'  ol  de  cciteX&övxeg  eig 
Xov/.iiala'^)  Gvvelaßor  top  ayiov  BaGillG/ov  y.ai  örjGavreg 

10  ÖvgIv  aXvGBGiv  ejtoirjGav  avrcp  vrcoör](.iaTa  -/.cu  rjXovg  ö^elg 
IvknijQav  eig  rovg  Ttööag  avrov  /.ai  i.iaGrL^avreg  avrov  eitl 
roGOVTOV  7]?.avvor  Loore  ra  aif-iara  avrov  rrjv  yfjv  TtXrjQto- 
Gai**)  ecog  rCov  ÖGrecov  avrov.  roiavrag  yaq  rag  naqayyeXiag 
eiyov  ol  anoGraXivreg  Traget  tov  f]ye^iövog  Ttqog  avröv. 

15  MTtayöfxevog  de  ö  iiäqrvg  rov  XgiGrou  a7to  Xovj-iiaXiöv  7 

ercl  rrjV  Kof.iävav  Iv  TtoXXfj  ßaaävo)  wv  rJQ^aro  ipdX?.ojv  b 
ayiog  Xiycov  "Eav^]  7taQarci^r]rai  t/i'  e^ie  Trage^ißoXrj,  ov 
(poßrjd^ijGeraL  'fj  -/.agdiu  f.iov.  (Ps.  26.  3)  v.vqiog  e^ioi  ßor]d-6g, 
y.äyiü  ert6ipof.iai  rovg  Ix&Qovg  /.lov  (Ps.  117.  7)  KVQie  b  ^ebg 

20  owGÖv  fie  Ix  Grö^iarog  Xeövrcov  (Ps.  21.  22]  -/.ai  cpvXa^öv  ^le 
^erä  rCüv  ayitov  gov.'  riQOGev^a^ievov  de  avrov  rjyyiGav  eig  8 
XCOQiov  ^a-KotäqoJV  x&qlv  rov  ccTtoG/iäGai  iiiv.q6v  rj  de  deG- 
TtOLva  rov  x^^^Qiov  '^EXXrjvlg  tqv,  fj  ovof-ia  Tgouivr].   k^eviGe   de 
rovg  avdqag  rovg  TraQeiXrjfpörag  rov  ciyiov  BaGiXiG/.ov  ovrag 

25  TiXeiio  dey.arqelg'  avrCov  de  eG&iövrcov  ev  rfj  oiaia  TtQOGedrj- 
Gav  rov  ayiov  Inl  devdqov  TtXarävov  ^rjqov.  e^ay/.oviG^itvog 
u)V  rjv^aro  e^tl  tioXv  ,  -/.al  oyXog  Gvvrjx^^]  nqbg  avröv   /.al    *) 
ev&eiog  eyevero  GeiGf^ibg  xal  r^y/jg  wGre  avaTtrjdfjGai  rovg  rtaq- 
eiXr]q)6rag^)  avrov  Ix  rov   cpößov.   eX^övrcov  de  rü)v  oxXiov  IQ 

30  TCQog  avrov  Ttävreg  l^evitovro  ßXeTtovreg  ro  devdqov  (pvXXoig 


1)  Akzent  auf  dem  letzten  «  radiert. 

3)  Akzent  auf  i  radiert  und  nicht  wieder  gesetzt. 

4)  nh,Qü>aui-   die  Nägel  aber  gingen  hinein  euis  Svpr.;  et  intraverunt 
clavi  usque  ad  ossa  pedum  perforantes  Lat. 

5)  Hd.  si'XV- 

^)   Kd.  nuqa'kaßoyxttg. 


48  W.  Lüdtke, 

Y.ofxtüv^),  OL  TtQOByivcooy.ov  avTo  ttqo  tcoXXov  ^ijqöv  yial  Ttrjyr] 
vöarog  avfjXd^ev  etog  Trjg  rj^iegag  tavtr^g.  ^etooi^oavTeg  de  ol 
o^Koi  TU  d-uvi-iäaiu  rov  -/.vqiov  ovvtd-lißov  dlh]?Mvg,  rig  av- 
Tov  aipsrai^)  rov  y.Qaaiteöov.  iöovaa^}  öh  fj  öeortoiva  rov 
5  ywQiovto  yeyovbg  e/tiarevas  rcj)  y.VQio)  avv  ol(o  rcp  oiv.oi  ca'rijg. 
T^VEyv.av  61  -/.al  daiuoviL.of^itvovg  v.cu  Id-eqcinev&riGav  v.al 
TColXa  oriiula  irtolEi^  /.aX  Tiävteg  eöö^a^or  rov  ^söp.  aal  ol 
rov  fjysi.i6vog  eTtiorevoav  reo  '/.vqio)  -/.al  eXvoav  avTov  rCov 
ÖEGi-iCüv.  (Fol.  102b)  ev-9-iiog  öe  rjXS^ev  dyeXrj  ßoCov  tz  tov  oqovg  w 

10  y.(u  TtQoaezvpr^aav  avtip. 

TleQiitciTOVVviov  de  avrwv  ev  rf]  bötp  Iv  Ttavrl  tötio)  eyl- 
vovro  ai]uela  öia  rov  ayiov  BaoüJoy.ov  7tQoaevxof.iepov  zai 
Xeyovtog'  "Ev  Ttavrl  rörcco  Tfjg  deoTioriag  avvov  evXoyei  f] 
ipvxrj  f^tov  TOV  yvQiov.'  (Ps.  102.  22)  TcaQayev6(.ievoL  de  ev  tlvl  12 

15  7W(>/m  TjS-eXov  yevoaGd-aL  yal  MyovoLv  auröj'  '0dye,  idov 
yciQ  TQirt]  i]i.ieQa  eariv,  äcp^  tjg  ovöevbg  eyevaco^  b  de  /.lay.d- 
Qiog  elnev  'TD.rjQrjg  eif.u^)  d&avdTwv  ßQiof.idTCüv  ymI  ovk 
oQeyoj-iaL^)  d^vt]rü)v  edeG{.idrtov^).  vf-iäg  TQecpei  dgrog,  ef.ie  de 
Xöyog  d^eov'  vfiäg  evcpQaivei  oivog,  e/^ie  de  i]  xdQ^g  rov  dyiov 

20  TtvevfiaTog'  vf.ic(g  eviaxvsi  TQOfprj^  e/^ie  de  Xquorög'  v^iäg  x^Q- 
TaLet  y.Qea,  ef.ie  de  euxar  vf.iäg  diavaTcavet  ^Coa,  Ifik  de  ö 
XqiGTÖg'  v{.ic(gayJ7rei  iz-idvia,  efie  dh  drA-aioaviny  vf.ielg  dydX- 
Xeo-d'e  yelcüTi,  eyco  de  Tfj  ipaXf.icpdla'^)'  v^ielg  Teg/teo-d^e  XQ^~ 
Gcß^  eyu  de  Xqlgt(o^)'  vnelg  TcqoGdoy.ÜTe  idelv  dqxovra  tcqög- 

25  y.aiQov  eyco  de  TtQOGdoy.Co  ßaGi'Aea  auoviov  ovra'  eqel^)  b 
y.ÜQiög  f-iov  devre  ol  evXoyr]i.ievoL  tov  Ttargog  fxov,  y.Xr]Qovo- 
^itjoare  Trjv  r^TOiLiaGf.ievriv  Vf-ilv  ßaGiXeiav  aTto  KaraßoXijg 
y.ÖGiWv'  (Matth.25.  34.) 

O&aGdvTcov  de  avTWV  tT]   ercavQLOV  eig  tyjv  Ko(.idvav  XL 

30  1Y/.0V0V  TtaQa  TtoXXCov  rag  Tii.icoQiag,  dg  euoiei  b  f]yej.iiov  Tolg 

I)  xojuiöi'iK,  die  letzten  vier  Buchstaben  halb  ausradiert. 

2j   Jid.  hnilaßETcu. 

3)  Bidovaa. 

*)  Md.  i  71  u(i  •/(]}. 

5)  Rd.  ovx  kni&vuü). 

ß)    Rd.  tQOCpüJl'. 

7)  xpcd/xoyö'ice  ausradiert. 

8j  eyw  öe  Xinazo)  am  Rd.  nachgetragen. 

9)  Rd.  Xe'yei. 


Das  Martyrium  des  Basiliscus.  49 

XQiOTiavolg.  slael^iov  de  ö  iiaytatQiavbg  rrQogrovi]ys{.i6va  eiprj 
TtccQElvaL  TOP  BaGtXlGxov.  y.cu  lx€?.evasv  b  fiyeiuov  eiaay- 
d-fjvai  avTov  eig  tov  vaov  tov  ^ircölliovog  v.ai  &vGai'  si  de 
fii]  ^eX^G}],  Gvvt6(.i(i)  ^^avccTi^  avaXCoGai  avröv.  e^eXd-övteg  öe 
5  y.(XL  Tvnxovxeg  avxuv  eXeyov  '^EiGeXd-iov  eig  rov  vaov  S^voov. 
exeXevGe  yaq  6  riye(.uov  i)  d^vGavrä  oe  uTcaXXayfivai  fj  /o)  S^iJ- 
oavTÜ  oe  y.ay.(ög  ccTCoS-avelv.  Gxeipca  ouv  y.ad-^  layrov,  ^iva  /.irj 
Tiaxiög  ccTiod-civjjg  äxQirwg^)  mGrevcov  eig  rov  (.li]  bqio^ievov 
-d-eöv^  b  ayiog  (.läqTvg  eircev  "Eyto  olda  ort  b  ei.ibg  S-ebg  Jtäv- 

10  Toxe  bqäxai  Aal  ecpoQä  xovg  a^Lovg  avxov  dovXovg.  et  de  xd- 
ycü  GLyr]GCü,  vrceq  ei.iov  eircäxioGav  xa  ^avi-iocGia  xov  d-eov 
{.lov  a  eiüQcr/.aGiv  (Fol.  103a)  ev  xf]  bSq»  ol  ayayövxeg  iie.^  ol  öh 
l.iex^  avxov  GXQaxuoxat  elitov  ' iJXijd^Cog  [.leyäXag  övvä^ieig 
el8oi.iev  /<£r'  avxoü  ovxeg.' 

15  Tovtcor  öe  yevoaevcov  e^tjX&ov  ol  xtjg  xd^ecog  y.al  eio-  15 

riveyyiav  xov  BaGiXlay.ov  Ttqog  xov  f^yei-iöva,  y.al  Xeyei  avxo)  b 
■fiyeiubv  '2v  et  BaGiXlGAog  b  7teQifpi]fiog'j'  b  aytog  eircev 
'^Eycb  eii.u.^  b  rjyei^uov  eircev  '^Jia  xi  ovv  ov  ^veig  v.axa  xo 
ßaGcXfA-ov  rtQÖoxayi-ia-/  b  ayiog  BaoiXlGy.og  eircev  'Tig  goc 

20  eircev  oxt  ov  Mco',  eyio  rcävxoxe  d^vco  xco  ^eco  d^volav  alve- 
Geiog.^  (Ps.  49.  14.)  o  de  v^yei-iLov  äyovGag  exaQ>j  '^al  eircev 
'XaQig  xolg  eif^ieveGi  S-eolg.^  yal  eyyiGag  b  BaGcXlGy.og  xcp 
ßcoficp  eircev  xolg  leqevGLV  'TL  xo  ovoiia  xov  S-eoü  vficdv,' 
OL  de  elrcov  '^JircöXXcov.^  BaGiXLGy.og  eircev  "^H  rcQOGr]yoQla 

25  xov  d-eov  V(.udv  xrjv  drccoXeiav^)  xCov  rccGxevövxcov  eig  avxov 
Gri^ialver  rcäg  yaq  b  rcLGxevtov  eig  avxov  arcoXelxat  eig  xov 
aiCovaJ'  b  fjyeadjv  eircev '  ^JIolov  ovoi.ia  ey^ei  b  d^eog  ov  elrcag 
S^vetv^  BaGiXlGyog  eircev  "'0  e^ibg  debg  ave/ApqaGcög  eGxi 
yal  ayaxäXrjrcxog,  ärceQLv6t]xog,  äveydu  yqxog  yal  aÖQaxog.   b 

30  fiyefiitjv  eircev  '^Tl  ovv,  ovofia  ovy  eyei  b  debg  ov  elrcag  &v- 
eiv^  BaGiXlGyog  Xeyet'  "^Ta  ev  xfj  S-ela  ygacpf]  e^upeqo^ieva 
dvöf-iaxa  xov  ■&eov  uov,  ei  yeXeveig,  Xeyio.^  b  v^yeiitov  eircev 
'udeye  dcpößcogJ'  BaGiXlG/.og  eircev  ^IlaxljQ  yaXeXxai  yal  rcav- 
xoyqäxcoQ  yal  y.vQiog  yal  debg  yal  rca^ißaGiXevg  y.cu  y.vQiog 


1)  axexfjac  —  «xpiTWi-  om.  Supr. 

2)  anöX'kü}  Nebenform  von  hnoXlviu:  Vogeser,  Zur  Sprache  der  grie- 
chischen Heiligenlegenden,  Diss.  München  1907.  S.  1". 

Archiv  für  slavische  Philologie.    SXXV.  4 


50  W.  Lüdtke, 

^aßaiod-  -Aal  Jäöcopa'i^)  /.ul  oiorrjQ  /.cd  eÜGTtlayxvog  -Kai  oix- 
'viQi.ivjv  Kai  kX£ri(.uov  yial  f-iaKQÖd-vnog  /.cd  iroXveXeog.  tovzm 
lyio  d-iiLo  ^voLCiv  alviasiog.^  b  fiyei-iiop  UTtEV  *  OYct)  ^eXecg 
^ecpj  i-iövov  S^vaov  -/.ul  uitciXlc('§ov  fjinäg  tr]Tr]i.iaTog.  ov  yccQ 
5  e/lrjd^r^g  cptloaog)elr.'  Baaillazog  elTtev  ^ÜQÖaexs  Tt^v  d^v- 
oiav  i^iou.'  -/.cd  öiaTtetdaag  zag  /«r^ag  sig  rov  ovqavhv  eircev 
''02)  d-ehg  b  7iavToy.qäzcoQ  b  f.iuvog  uyad-og  /.ul  eva/tlccyxvog, 
b  ircay.ovLov  Ttävrcov  rCov  Iv  ah^d^eia  ool  dovXevdvriov^  öel^ov 
■/al  sig  6/<f,  TOP  uvü^lov  öovIöp  aov,  TrjV  oijv  aycid-6Tr]Ta,  b 

10  Ttoirjoag  rov  ovqccvov^)  v.al  /.lOQcpioocig  avthv  eiy.oi't  ayicx  aov, 
b  E(.iTtvEvoag  fif.ilv  7ivev(.ia  ayior  aou  y.vQie  'lt]aov  Xqiaze, 
eTCÜy.ovoov  tf^g  cpiorfjg  f^iov  xal  y.iviqoov  rov  avciiGd-rjTOv  yal 
v.io(pov  uvÖQidpva  rovrov  '/.cd  Qfj^or  ccvrov  y.cd  ovvrqupov  y.ai 
SiaayÖQTCiaop  ccvröjv  ttjv  f.iic(Qäp  d-vaiav^  yal  dsl^ov  avrolg 

15  OTL  oh  ei  ^ebg  ^löpog,  cpavtqcoGov  (Fol.  103b)  eig  e^ie  Trjp  dvva- 
f.iiv  rfjg  d-eÖTYiTÖg  aov  iv  rfi  äqcx  tuvvri^  yal  eu-d-icog  Ttgoaev-  16 
^ccf^iipov  avTOV  /.ccTfi},d-e  tvvq  ovqavöd-EV  yal  epsTCvqiae  top 
vc(up  ycd  TOP  ipsvöiowj-iop  avrüp  S-eov  Ertoir]öEP  cogeI  ipuf-i- 
liop  Ietitöv.   idtov^)  Öe   b  fjyEiitüp  scpvyEP  e^co,  yal  Ttäoa  f] 

20  Tcö}.ig  ETuqäyßi]  utto  rov  cpößou  rov  yspouepov.  e^ielpe  Öe  egco 
b  aytog  ipct'/.lcop  yal  kEytop'  ^JäpaGTrirco  b  -S-EÖg,  ycd  dic(G/oq- 
TTiGd-^TCooap  Ol  iy&qol  ctvrov  /cd  rpvyETcoaap  ano  TtqoGÖiJiov 
avrov  OL  fiiGovvTEg  avröp.  (Ps.67.1.)  nvq  Iviuttwp  ccvtoü  Jtqo- 
TtoqEVGETcii  yal  (ployiel  yv/lco  rovg  ex^qovg  uvrov."  (Ps.96.3.) 

25  ycd  eIuev  b  riyEf.uov  rov  utcogteIXcu  GTqaruorag  /cd  t/ßakelp 
avrop  £■/  rov  paov  •  ETtay^d-wg  yaq  Eßqvxs  rovg  odovrccg  yccr' 
avToü.  /cd  eItcev  Ttqog  avröp'  '^MTtoPEVorif.iEPE  y.cd  isqöovls 
yal  7täGt]g  rijg  riov  d^eCbp  EUj-iePEiag  cV/.körqiE,  ötu  ri  alXcog 
ElTtag  yal  aXXcog  ETTolrjaag',  sleyEg  d^VELV  yal  uvrl  rfjg  S-vGiag 

30  T^  (.layeici  gov  itvq  nqoorjPEyyag  rcp  pacp  ^)  yal  rov  S-eop  r^xdiv 
EPETtvqiGag.  yal  eI  /.li]  )]g  {.läyog^TtccvTcog log  r^j-iäg  av  ro  nvq  yar- 
EcpAE^ev  eI  /f/;  ecpvyo^iEP^),  /al  ge  er/s  yavoai  svdop  {.lEipapra  ' 


1)  xcd  yldioi'uC  om.  Siqjt: 

2)  Rd.  Ev-xi. 

3)  ovquvoy]  Menschen  Supr. 

5)    TOllll!    J'«Ol||l|l|. 

C)  ecpvywf.iEi'. 


Das  Martyrium  des  Basiliscus.  51 

aX)!  e^ieivag  üTtad^r^g  (vdov  u)v  tov  rcvQÖg.  vvv  bf.inX6-/r^G6v  ^loi 
T«  Ttegi  rfjg  (.layeiag  aov  /.al  TtqoöEkd-tov  d-voov  y.cd  mcoXvto  17 
öe.  Ei  de  ov  ^Elr]g,  ovi>t6u(i>  d^uvärdj  TtuQctöidCi)  ae/  6  aytog 
BaoUlo/.og  eiTtev  ^  Ov  d^vio  y.ißörjXoLg  zcu  dipvxotg,  uX)M  rcp 
5  S^ecp  i-iov  Tcp  £v  rolg  ovqavolg  d-voiav  alveoeiog.  ra  dh  or^(.iela 
tov  TivQog  uTceq  eidsg  xal  aXla  jtXsiova  noiCo  iv  övö(.iaTi 
rov  TtatQog  -/.al  vlov  '/.al  aylov  Ttvevi.iarog!' 

Qv^i(o&£ig  de  o  fjy£f.uop  exslsvoev  avrhv  uitoY.EcpuXia- 
d^fjrai,.  u/tfjyayov  dh  e^co  Trjg  nüXuog  y.cu  aTC£y.e(pc'cXiaciv  av- 

10  TOP ')  eig  xÖTtov  Xeyöfiei'ov  zlLOOyMqov.  b  de  fjyeficüp  eKiXsvas  19 
ro  oüf.ia  avrov  Qirpfjvat  slg  tov  7torai.i6v.  tovto  öl  eXaßov 
OL  GTtovduloi  xQiaviarol  Tiaqa  tov  GTrexovXuTOQog  öeöco-AÖTsg 
avTc^  TQidy.ovTa  xQvalvovg,  xal  or/odöiu^oe  to  f.iaqTVQLOV  ccv- 
Tov  Maolvog  xig  yQiotiavog  iv  Kof^iüvaig.  yivovTai  öh  dvi^d- 

15  i-Uig  TtoXXcu  Iv  Tio  TÖTto)  l'/.sivo),  /.cd  Ttäi'Teg  ol  drcoXavovTeg 
TÜiv  oi]f.i6Uüv  öo^dtovGt  7iaTeQu  -/cd  vlov  /cd  ayiov  jxveviia' 
vvv  /cd  del  /al  eig  tovg  alCovccg  tCov  cdc'ovcov  di-iriv. 

Das  Yerhältnis  der  altkircheiislaYischen  Übersetzung 
zu  diesem  Texte. 

Da  wir,  dank  sei  es  dem  Interesse  des  Herrn  Bibliothekars  Dr.  W. 
Lüdtke,  in  der  Lage  sind,  abermals  einen  griechischen  Beleg  für  den  so 
wichtigen  Codex  Suprasliensis  zu  liefern  (vergl.  Arch.  XV.  321 — 337, 
XVI.  140—153,  XVm.  138—192),  so  möge  mir  gestattet  sein,  auf  das 
Verhältnis  der  slav.  Übersetzung  zu  dem  hier  abgedruckten  griechischen 
Texte  etwas  näher  einzugehen.  Im  Ganzen  muß  man  sagen,  daß  die 
slavische  Übersetzung  wirklich  aus  einer  griechischen  Vorlage,  die  die- 
ser griechische  Text  sehr  genau  wiedergibt,  geflossen  ist.  Die  Über- 
setzung stimmt  zumeist  ganz  wörtlich  mit  dem  hier  gegebenen  griechi- 
schen Text  überein.  Kur  selten  begegnen  kleine  Abweichungen,  die 
meistens  aus  kleinen  Auslassungen  im  slavischen  Texte  bestehen.  Noch 
seltener  sind  Verschiedenheiten  in  der  slavischen  Wiedergabe  des  grie- 
chischen Textes ,  wobei  wenigstens  an  einer  Stelle  die  slavische  Über- 
setzung eine  richtigere  Lesart  voraussetzt,  als  sie  der  hier  gedruckte 
griechische  Text  bietet.  Bei  der  nachfolgenden  Kollation  lege  ich  den 
kirchenslavischen  Text  der  akad.  Ausgabe  Severianovs  zu  Grunde,  wo 


1)  hinter  aiTof  eine  halbe  Zeile  radiert. 

4* 


52  "V^-  Jagic. 

fol.  der  Handschrift  und  die  Zählung  der  Zeilen  gegeben  ist.  Darnach 
steht  der  slavische  Text  auf  fol.  S  (das  erste  Blatt  des  zweiten  Quater- 
nions)  bis  fol.  12. 

fol.  Sr.  18:  Mrirl  tm  aurcp  y.ß'  :  WkcMl^A  lUiapTa  KT»-  r;l,fHb. 
Ausgelassen  ist  in  der  Übersetzung  i^iaQTVQog. 

fol.Sr.  20 — 21:  Jioy.hj/tuedÖTov  :  kt^  acKAHnHW/i,a  M'Sctc». 

fol.  Sr.  23:  aq^ai  rovg  xQtGTLavovg  tov  jreid-Eiv  ügte  d^VELV '. 
npUBfCTH    KpkCTHßH'kl    JKph,TH. 

fol.  8v.  1 — 2:  7TQ0  rCov  ovv  aol  iiaqrvQiov  :  C'K  c;riijthTmh 
Ck  TOKOKR  npkKOie  lUlJRHf HMKU  (scheint  richtig  zu  sein,  griechisch 
etwa  so:  iiEza  tiop  ovp  ool  TtqötEQOV  oder  nqCoxov  ovtcov  ftaQrvQcov). 

fol.Sv.  4:  TtoVuov  TtQoae^sig :  uix  MH03liYT^  CTap'feH  K;F»^emH. 
Freie  Übersetzung,  das  zweite  lautet  nc»yc>AHBT\  ca. 

fol.Sv.  7:  [.ir]de  fjTT)j&j]g  Iv  aTteÜMlg:  diese  Worte  sind  in  der 
slavischen  Übersetzung  ausgelassen. 

fol.Sv.  10:  to'ccarag  7tQoai]'0^aTo:  das  erste  Wort  fehlt  in  der 
Übersetzung. 

fol.Sv.  17:  Zf]  b  y.vQLÖg  aou:  die  Worte  fehlen  in  der  Übersetzung. 
»  »  (i  /<^  hpoßovfieO^a:  in  der  Übersetzung  als  unab- 
hängiger Satz  KOHiui'K  ca. 

fol.Sv.  IS:  luj  ^lü^h^g  auvToi-iwg  €7titif]T£lG-d-ai  7taQcc  rov  aq- 
Xovtog'.  slav.  Übersetzung  anders:  ijs^ä  B'kCKop'S  HaMbH;f^  HCKaTH 
TfGf  (HaMKM;^  steht  hier  wohl  für  HankHA^TT».);  HaHkH;i^T'K  HCKa- 
TH  TfK6  ist  aktive  Ausdrucksweise  für  /</)  i^ie?yh]g  eiti'CrjTela&ai;  der 
Ausdruck  Ttaqa  rov  aq^ovrog  ist  in  der  Übersetzung  ausgefallen,  eben- 
so der  ganze  Nachsatz:  airelvonev  av  ae. 

fol.  9r.  9:  ^e^arcitov  \  Gfpa4>niun\,  die  griech.  Worte  h/yiora 
avrov  beziehen  sich  auf  ^EQaTtiwr,  die  slav.  Übersetzung  aber  bringt 
OH'k  7\{t  EAH3'K  i€ro  mit  d-voiav  IniiElf-oag  in  Zusammenbang. 

fol.Qr.  10:  nach  ICrjtEi  :  HCKaaiiiE,  fehlen  in  der  Übersetzung  die 
Worte  Tovg  öeoi-uoTag  xQioriavovg,  lörfLto&i^  de  avTco  ra  tteqI  tov 
aylov  Ba(7i/j'o/.ov,  es  steht  nur  t'Rli  ßacHAHCKa,  wo  der  Ausdruck 
TlvM  nicht  ganz  klar  ist. 

fol.  9r.  13 — 14:  yltyco^'  tawov  rcr/iov  ly.rroQSVtod^aL  :  yCT'kiiJf 
RO  CKOpo  OTHTH  (als  Wäre  es  im  Griechischen  IßovlsTO  yccQ  r.  ly.Ti.). 

fol. 9r.  17:  eig  Xovf^iialü  ist  in  der  slavischen  Übersetzung  weg- 
gelassen. 


I 
I 


1 


Das  Verhältnis  der  altkirchenslav.  Übers,  zu  diesem  Texte.  53 

fol.Dr.  IS:  nach  ö^aavrsg  :  CKßASAß^iut  fehlt  in  der  Über- 
setzung das  folgende  dvolv  aXvaeoLV. 

fol.  9r.  19:  im  Griechischen  ist  viioöri(.icczc(,  im  Slavischen  Singular 
OHO^iUT/i;,  und  im  weiteren  Verlauf  statt  hirciqqav  eig  tovg  rcööag 
avxov  steht  in  der  Übersetzung:  ß'KHOSHiiia  BT»,  ohoylut;r,  also 
sig  TU  vitodrif.iata-^  nun  folgt  in  der  Übersetzung:  H  CKCYin*  h  (also 
y.al  VTtedrjaav  avTÖv,  das  im  griechischen  nicht  vorhanden  ist). 

fol.  9r.  22:  für  Tth]Qidoca  steht  im  Slavischen  ein  präziserer  Aus- 
druck nOAHiiJTU.  Der  im  Griechischen  nachfolgende  Satz  ew^^  rüi^ 
öarecov  avvov  lautet  in  der  Übersetzung  vernünftiger:  rBOSA""'  KO 
ßTs>HH;i,C>iiJa  ;\0  KOCTH  icrc» ,  d.  h.  rjXoi  yc<Q  dorild^ov  'kog  tüv  ÖG- 
rhov  avToD. 

fol. 9r.  26:  ä/io  Xavi-iialiov  ist  unübersetzt  geblieben. 

fol. 9v.  4:  fehlt  in  der  Übersetzung  der  Name  z/cr/.o'CäQcov. 

fol. 9v.  10:  für  i/tl  devdqov  TtlaTc'd'ov  lautet  die  Übersetzung: 
;i,;i^B'R  aBopoBti,  also  depdqov  wird  durch  a^gt*  und  itlchavog  durch 
aBOpi».  wiedergegeben. 

fol.  9v.  10 — 11:  das  Partizip  e^ayxovia^ievog  üv  wird  verdeut- 
licht durch  onaKTki  n;£  ct»j  CKBasaHT*,  umgekehrt  steht  17  für  zwei 
griechische  Worte  (fvlloig  '/.oi^iCov  der  eine  slavische Ausdruck  okahct- 
BkH'kB'ivUia  (sc.  A'^Ka). 

fol. 9v.  18:  Ttiqyi  vdarog:  in  der  Übersetzung  nur  TcTOMi%HHK'k 
(bc^'ki  ist  ausgelassen). 

fol.  9v.  19:  vor  ecog  xrig  fji.ieQag  ravvrig  steht  im  Slavischen  lecTT^ 
',i\(  H  {eOTt  de  '/.eil). 

fol.  9v.  22:  statt  rov  y.qaOTzidov  steht  in  der  Übersetzung  K'k 
ffmov  (d.  h.  avTov). 

fol.9v.  24:  für  ro  yeyovbg  steht  iu  der  Übersetzung  BikiB'LiiJEie 
MOVfAO  (d.  h.  zugefügt  noch  or^i.islov). 

fol. 9v.  26:  \i?i.(t\i  dciuiovi'Coi^ih'ovg  (b'^cäuitä/ä  ca)  folgt  in  der 
Übersetzung  noch  K'K  HfiuiOV'  (d.  h.  itQog  avtöv). 

fol.  9v.  28:  bei  ol  rov  r^yei-idvog  steht  in  der  Übersetzung  noch 
CAOYr"Ki  [uireQiTCd  oder  didycoroi,  dovXoi). 

fol.  lOr.  6:  zrijg  deoirotiag  fehlt  in  der  Übersetzung. 

fol.  10 r.  13:  fehlt  die  Übersetzung  der  Worte:  -/.cd  ovy.  dQiyoi.iat 
d^tn]zCüv  lÖ€a/.ic(Tcov. 

fol.  10  r.  18:    im   Griechischen   nnv  X^iarög,  in   der  Übersetzung 


54  V.  Jagic, 

fol.  lOr.  24:  aWoviov  ovra  :  die  Übersetzung  gibt  B'KHkHaaro 
(also  Tov  auoviov). 

fol.  10 r.  27:  das  Zitat  hat  im  Griechischen  noch  die  Worte  aiio 
'/.ataßoXfig  y.öo^iov,  die  slavische  Übersetzung  des  Zitates  bricht  vor 
diesen  Worten  ab. 

fol.  10  V.  6:  im  Griechischen  e^el^övreg,  in  der  slavischen  Über- 
setzung H3E(j!i,^iut  (d.  h.  e^ayay6vT£g). 

fol.  10 V,  10:  dxQiTwg  TriOTSVco)',  die  slavische  Übersetzung  nur 
B'kpcvfA. 

fol.  10  V.  14:  ä^iovg  avrov  dovlovg,  das  letzte  Wort  in  der  Über- 
setzung weggelassen,  im  nächstfolgendem  Text  ist  v;teQ  If^iov  richtig 
auf  unävioouv  bezogen,  in  der  slavischen  Übersetzung  dagegen  auf 
(ji.yr]ocü  :  noMAkMA^  C(K(  pa^M. 

fol.  10 V.  19:  ^isT  avTov  orrsg .  in  der  Übersetzung  Ck  liUWh. 
H/V^iLLiTf  (d.  h.  EQ%6nevoi).  Im  nächstfolgenden  steht  tovviop  de  yt- 
vofxipiov,  in  der  Übersetzung  aber  CHiu'  iKf  rAaro/\;¥»iiJTfrjnv  (also 
Tovvcov  de  leyövTcor). 

fol.  lOv.  20:  e^fiXd-ov  oi  Trjg  Ta^ecog  /«}  uoi']veyy.m>  tov  Baoi- 
Xloy.ov  TCQog  tov  fjy6i.iöva,  in  der  Übersetzung  anders:  npHUJE^'kUJE 
no/MiJÄ  cacHAHCKa  h  BhB(;i,omÄ  h  k'k  KoieBO^'fe. 

fol.  lOv.  23:  6  ayiog:  in  der  Übersetzung  CH'K  JKf,  ebenso  ib.  25. 

fol.  11  r.  1:  Tip  ß(.o(.i^}  :  K'K  Kpa^'S,  bezeichnende  Übersetzung. 

fol.  llr.  13:  dem  Infinitiv  ^veiv  entspricht  Präsens  JKkp;5\. 

fol.  llr.  19:  ist  /ml  Jiidcovai  in  der  Übersetzung  ausgelassen. 

fol.  llr.  21:  in  der  Übersetzung  fehlt  der  Ausdruck  für  /.cd  tto- 
Iveleog. 

fol.  llr.  23:  nach  ■i.SE;?;^"  h^^ct^  {ccTTcclla^ov  fji,iäg)  ist  die  Über- 
setzung von  tt]Ti]naTog  ausgeblieben. 

fol.  11  V.  2:  ist  in  der  Übersetzung  CTj.TBOpHß'KiH  HACßliKa  rich- 
tiger als  in  dem  griechischen  Text  6  Tioirioag  tov  ovqavöv  (wahr- 
scheinlich in  der  Abbreviatur  mit  avd-qiOTtov  verwechselt),  der  nach- 
folgende Satz  zeigt,  daß  hier  vom  Menschen,  nicht  vom  Himmel,  die 
Rede  ist. 

fol.  11 V.  3:  6  ei^iTtvsvaag  wurde  als  Aorist  dg  tviirv.  aufgefaßt 
und  durch  HHif  B'K.a.Sh;^  übersetzt. 

fol.  1 1 V.  21 :  Tovg  ex&Qovg  avTOV  ist  nicht  richtig  wiedergegeben 
durch  Bpar'Ki  cboa,  statt  Bpar'Ki  i€ro,  so  lautet  das  Zitat  aus  dem 
Ps.  96.  3  in  allen  alten  Texten  der  kirchenslav.  Übersetzung. 


Das  Verhältnis  der  altkirchenslav.  Übers,  zu  diesem  Texte.  55 

fol.  1 1 V.  25:  fehlt  die  Übersetzung  von  y.ai  hgöaule. 

fol.  12r.  1:  nach  f.idyog  :  batiJCBT\  folgt  im  Griechischen  der  un- 
übersetzt  gebliebene  Ausdruck  TtavTcog. 

fol.  12 r.  3:  für  th/e  y.avoaL  lautet  die  Übersetzung  einfach:  Gid 
nO/KfrATv  und  in   der  nächsten  Zeile  ist  arta&rig  umschrieben  durch 

HHHIiCO^K£    npHJ€MTv    ßp^t^^a. 

fol.  12  r.  8 — 9:  ist  ciyiog  vor  Baoilioy.og  unübersetzt  geblieben. 
Das  Adjektiv  y.lßSr]?^og  wurde  als  Substantiv  durch  KO^MMpiv  (Dativ 
KOYrmHpfyk)  übersetzt  und  das  nächste  Adjektiv  uipv^og  ohne  y.al  da- 
mit verbunden  (UfSAC'V"''^"'*''"'^''^)- 

fol.  12  r.  12 — 13:  nach  TrAs/oj/a  :  KOAbUiH  folgt  in  der  Über- 
setzung noch  cn\"K  [rovvcov)^  und  statt  noiCo  steht  in  der  Übersetzung 
das  Futurum  CT\TKOp;R. 

fol.  12  r.  19:  das  Adjektiv  a/rovdaloi,  das  vor  xQiariavoi  steht, 
wurde  unübersetzt  gelassen. 

fol.  r2r.  21 :  das  griech.  Wort  to  (.laQxvQLOV  im  christlichen  Sinne 
für  die  Stätte  der  heil.  Reliquien  gebraucht  wurde  durch  u,p'KK'Ki  (Ak- 
kusat. upTvK'Kßf)  übersetzt. 

Ich  will  noch  erwähnen,  daß  die  Zitate  aus  der  heil.  Schrift  mit  der 
vorhandenen  alten  Übersetzung  nicht  immer  wörtlich  tibereinstimmen. 
Abweichungen  fand  ich  Ps.  117.  7  in  alten  Texten  ß'KSbpJÄ  Ha  Kpariü 
MOi/Ä,  hier  fol.  9v.  1  oyskp/^?;  Bpariü  mO/ä;  Ps.  102.  22:  ßk  ßkC'KX'T». 
MlvCT'lvYT».  »€ro  KAarocACKfCTKHTT».  A'^V"^'*  ''•'*^'^  rocnoA«» 
fol.  lOr.  6 — 7,  dagegen  in  alten  Psalmentexten:  Ha  ßkCKKOMk  m-kCTt 
KaaA'kiHkCTiu  i€rc>  BaarocAOßfCTßH  ji,.  u.  r.;  Ps.  93.  3  ornk 
np'K^k  HHiin»,  j^A  noH;i,fTTv  fol.  llv.  20,  in  alten  Texten:  crHk 
np-k^'k  HHMk  np-k^-kHAfTTv.  Endlich  Matth.  25.  34  npH^'STf: 
hier  H/i,'kTf,  Hac/X'^^OYKTe  (oder  Haca'bA"T'0-  l^ier  npHiLiliTf. 

V.J. 


Slayiscli  (j)utro,  (j)ustro. 


Die  Tatsache,  daß  neben  gemeinalavisch-- w^ro, /«f/'o  »Morgen« 
vereinzelt  auch  Formen  vorkommen,  die  ein  ustro^justro  repräsentieren 
(abg.  za  iistra  =  za  utra  > morgens«,  bulg.  dial.  zasfra  »morgen«,  poln. 


56  V.  d.  Osten-Sacken, 

alt  j'ustrzenka  »Stella  matutina«  usw.),  ist,  wie  Berneker  Et.  Wb.  s.  v. 
j'utro  hervorhebt,  von  den  Etymologen  meistens  nicht  beachtet  worden. 
Es  ist  darum  auch  begreiflich,  daß  man  vielfach  aus  lautlichen  Gründen 
daran  Anstoß  nahm,  utro,  juiro  mit  lit.  auszrä,  lat.  aurora  »Morgen- 
röte« usw.  zu  verbinden  und  anderweitige  Anknüpfungen  für  das  Wort 
suchte,  die  teilweise  a  priori  auch  ganz  annehmbar  erscheinen.  Anders 
aber  gestaltet  sich  die  Sache,  wenn  man  der  zwar  seltenen,  aber  doch 
nicht  weg  zu  interpretierenden,  Nebenform  mit  -str-  die  gebührende  Auf- 
merksamkeit schenkt.  Der  Kernpunkt  der  heute  zulässigen  Frage- 
stellung ist  der:  wie  erklärt  sich  das  Nebeneinander  von  utro  und  ustro  ? 
Daß  letzteres  zur  Sippe  idg.  *awe5- »leuchten«  gehört,  kann  kaum  bezwei- 
felt werden  und  wird  hier  im  folgenden  als  Tatsache,  die  keines  Beweises 
bedarf,  angenommen  werden.  Ebensowenig  kann  man  den  Zusammen- 
hang der  beiden  Formen  miteinander  leugnen. 

Bevor  ich  meine  Ansichten  über  die  lautliche  und  psychologische 
Entstehung  der  beiden  Formen  darlege,  möchte  ich  vorausschicken ,  daß 
ich  die  Doppelheit  w-,  ju-  im  Anlaut  für  bedeutungslos  für  die  Etymo- 
logie halte.  Man  könnte  ja  daran  denken,  nur  u-  für  den  lautlich  be- 
rechtigten Anlaut  zu  halten ,  und  das  ju-  dem  Einflüsse  der  zwiefachen 
Lautgestalt  der  Partikel  ju^  u  »schon«  oder  des  ebenfalls  mit  utro, 
j'utro  von  mehreren  Forschern  verbundenen  abg.  Jug'b  »Süden«  zuzu- 
schreiben; aber  die  Einmischung  solcher  Worte  erscheint  mir  doch  un- 
nütz. Man  kann  ebensogut  unabhängigen  Sandhi  annehmen.  Der  älteste 
Anlaut  ist  ti-  aus  cm-.  Bernekers  frühere  Ansicht  in  I.  F.  X,  156,  daß 
u-  auf  *ö^j?-  und  jM-  Siui  ^cm-  zurückgehe,  ist  mit  den  Ablautsverhält- 
nissen der  Sippe  unvereinbar  und  scheint  auch  von  Berneker  selbst  auf- 
gegeben worden  zu  sein. 

Als  Grundform  von  ustro  setzt  Berneker  Et.  Wb.  *aus-ro-  an,  wie 
er  auch  abg.  hystr^  »verschlagen«  ksl.  »schnell,  rasch«  (s.  v.)  auf  uridg. 
*h]ms-ro-  zurückführt,  während  er  I.  F.  X,  15G  als  zu  erwartende  Ent- 
sprechung von  lit.  auszrä,  ein  slav.  *uchrOj  *juchro  angenommen  hatte. 
Ich  würde  in  historischer  Zeit  für  '^ausro  eine  Form  *uro  erwarten  mit 
einer  allerdings  wahrscheinlichen  Zwischenstufe  *uc/iro. 

Die  beiden  Beispiele  uatro  und  bystr^  genügen  m.  E.  nicht,  den 
Lautwandel  von  uridg.  -sr-  zu  slav.  -sir-  nach  denjenigen  Lauten,  die 
vor  Vokalen  ein  ursprüngliches  -s-  in  slavisch  -r/i-  wandeln,  im  ge- 
ringsten wahrscheinlich  zu  machen.  Bei  hystr^  ist  es,  da  Bernekers 
Etymologie  durchaus  nicht  die  einzige  mögliche  ist.  nicht  einmal  sicher, 


Slavisch  [J]utro,  {j]ustro.  57 

daß  ursprüngliches  postvokalisches  -s-  oder  sogar  tiberliaupt  vorsla- 
visches  -s-  vorliegt,  wenn  letzteres  allerdings  auch  wahrscheinlich  ist. 
Da  slav.  -str-  die  verschiedensten  uridg.  Lautgruppen  repräsentieren 
kann,  stehen  zur  Erklärung  von  hijstro  Tor  und  Tür  offen.  Es  könnte 
z.  B.  '^bhüd-sro-^  *bJmd-tro,  *b/nid-stro-  zu  abg.  h^deti  »wachen«, 
h^dr^  »munter«  usw.  oder  *bJmg-stro-,  bJmk-stro-  zu  lit.  bü-gstu  bügti 
»fliehen«,  baugsztüs  »scheu,  furchtsam«,  buldüs  »listig,  schlau«  vor- 
liegen; bei  Anerkennung  von  Bernekers  Etymologie  kann  i!ro-Suffix  an- 
genommen werden. 

Nach  fo,  2i,  ^,  y,  u,  S  aus  /-Diphthongen,  r,  k  ist  -s-,  soweit  Bei- 
spiele vorliegen,  nur  vor  Verschlußlauten  erhalten,  vgl.  z.  B.  x\\%^.  pry~ 
skai'  »spritzen«  neben  ksl.  prychanhje  »das  Schnauben« ;  sloven.  pesta^ 
'poln.  piasta  »Stämpfel«  neben  czech.  jySchoi-ati  »stampfen« ;  abg.  krasta, 
russ.  horösta  »Krätze«  zu  mndd.  liarst  »Rechen,  Harke«;  abg.  bhtvo 
»Flucht«  aus  *heg-stvo  zu  bSgnoti  »fliehen,  laufen«. 

Vor  Nasalen  liegen  uns  die  beiden  Worte  abg.  6r^n^  »schwarz«  = 
preuß.  kirsnan  ds.  und  abg.  luna  »Mond«  =  preuß.  lauxnos  »Gestirne« 
vor,  aus  denen  wir  schließen  können,  daß  diejenigen  Laute,  die  ein 
antevokalisches  -s-  in  -cli-  wandeln  resp.  mit  dem  -s-  zusammen  zu  -cli- 
werden,  auch  dann,  wenn  auf  das  -s-  ein  Nasal  folgt,  den  dentalen 
Sibilanten  nicht  intakt  gelassen  haben.  Sie  dürften  ihn  zunächst  in  der- 
selben Richtung  wie  vor  Vokalen  verschoben  haben  und  haben  ihn  dann 
an  den  Nasal  assimiliert  mit  nachheriger  Vereinfachung  der  Geminata. 
Ob  dieser  aus  -s-  verschobene  Laut  vor  seiner  Assimilation  dem  histo- 
rischen -cIl-  phonetisch  nahe  stand ,  wird  sich  kaum  feststellen  lassen. 
Da  Gutturale  außer  in  besonderen  Fällen  [prysnqti  »spritzen«  aus 
*prgsknoti^  tSsm  »eng«  aus  *tesJcm  usw.)  vor  Nasalen  erhalten  bleiben, 
können  wir  vielleicht  denken,  daß  der  betreffende  Laut  eher  ein  Hauch- 
laut als  ein  gutturaler  Spirant  war.  Der  Einfachheit  halber  können  wir 
diesen  Laut  -ch-  schreiben ,  Avie  auch  Berneker  s,  v.  öwm  für  urslav. 
*dh7'm  die  Vorstufe  *dbreIino  annimmt,  denn  um  ein  ideelles  -c/i-  han- 
delt es  sich  jedenfalls. 

Vor  Liquiden  scheinen  Beispiele  für  die  Behandlung  des  -s-  nach 
den  betreffenden  den  Wandel  zu  -c/i-  veranlassenden  Lauten  zu  fehlen. 
A  priori  ist  es  unwahrscheinlich,  daß  diese  Behandlung  derjenigen  des 
-6-  vor  Verschlußlauten  gleich  gewesen  sei  im  Gegensatze  zu  der  Be- 
handlung des  -s-  vor  Nasalen.  Ohne  zwingende  Beweise  kann  man, 
scheint  es  mir,  die  erstgenannte  Möglichkeit  ablehnen.    Auch  das  ist 


58  V.  d.  Osten-Sacken, 

unwahrscheinlich,  daß  -sr-  schon  zu  -str-  geworden  war,  bevor  die  Ver- 
schiebung des  -s-  nach  -c/i-  hin  einsetzte.  Denn  die  Anfänge  des  letzt- 
genannten Wandels  waren  zweifellos  uralt,  und  sie  werden  ja  auch  von 
vielen  Forschern  mit  dem  arischen  Wandel  von  -s-  zu  s  in  Verbindung 
gesetzt.  Es  ist  kaum  zu  denken,  daß  der  dentale  Sibilant  in  den  be- 
treflfenden  Stellungen  noch  intakt  war  zu  der  Zeit,  als  das  sonstige  -sr- 
zu  -sir-  wurde,  ein  Lautwandel,  der  zwar  urslavisch  ist,  aber  mit  der 
gleichen  Entwicklung  in  einzelnen  anderen  idg.  Sprachen  schwerlich  et- 
was zu  tun  hat. 

Also  ist  anzunehmen,  daß  ein  *ausro-  zunächst  zu  *uchro  mit 
ideellem  -ch-  und  dann  weiter  zu  *i(7to,  *uro  geworden  wäre^). 

Die  Form  ustro  kann  m.  E.,  wenn  sie  überhaupt  eine  ursprachliche 
Form  fortsetzt,  lautlich  nur  auf  *cmstro-  zurückgeführt  werden.  Die 
Existenz  eines  ursprachlichen  fe?-^  /r-Formans  neben  dem  in  lit.  cniszro, 
griech.  ayxauQog  »dem  Morgen  nahe«,  ai.  tisrä-h  »rötlich,  morgend- 
lich« usw.  klar  vorliegenden  r-Formans  scheint  bei  unserer  Sippe  durch 
lat.  allster  Gen.  ausin  »Südwind«,  aisl.  cmstr  »Ost«,  ahd.  östar  »ost- 
wärts« usw.  festzustehen,  wenn  auch  die  Abgrenzung  der  beiden  For- 
mantien gegeneinander  nicht  immer  leicht  ist.  Die  Substantiva  in  der 
Bedeutung  »Frühlicht,  Morgenröte,  Morgen«  von  unserer  Wurzel  schei- 
nen allerdings  nur  ursprgl.  -7~o-^  nicht  -tro-  zu  enthalten.  Vgl.  Walde 
Et.Wb.s.  V.  aurora^  aiisier.  Es  ist  also  vielleicht  am  ansprechendsten, 
eine  vorslavische  oder  vielleicht  auch  erst  urslavische  Umgestaltung  von 
*aus7'o-  durch  Einfluß  von  *mfsiro-  »östlich,  Ostwind«  anzunehmen. 

Was  nun  die  Entstehung  von  ufro  anbelangt ,  so  scheint  mir  mehr 
als  ein  guter  Kern  in  Bernekers  jetzt  in  Et.  Wb.  von  ihm  selbst  verwor- 
fenem und  auch  schon  gleich  zu  Anfang  als  »etwas  gekünstelt«  bezeich- 
netem Eventualvorschlag  in  I.  F.  XI 56  zu  stecken,  wonach  ufro  laut- 
lich auf  ein  unursprüngliches  *ucIifro  zurückgehe.  Der  bei  der  Schaffung 


ij  Daß  nach  anderen  Lauten,  als  denjenigen,  die  s  in  ch  wandeln,  ein 
ursprüngliches  -s-  geschwunden  sei,  erscheint  mir  nicht  recht  plausibel  trotz 
abg.  zila  »Ader«  =  urbalt.  *gi)isla;  nach  -n-  würde  ich  unbedingt  Bewahrung 
des  -s-  erwarten;  denn  nicht  -s-  schwindet,  sondern  ein  aus  -s-  nach  -ch-  hin 
verschobener  Laut,  der  aber  nach  -»-  überhaupt  nicht  entstehen  konnte,  Für 
den  Schwund  eines  -s-  fehlen  im  Slavischen  Analogien.  Ich  möchte  zila  über 
*z>chla  auf  urslav.  oder  vorurslavisch  *g'islä  zurückführen,  das  seinerseits 
durch  Haplologie  aus  einem  *gilslä  entstanden  sein  kann ;  auf  *gilslä  kann 
auch  urbalt.  *ginslä  durch  Dissimilation  zurückgehen. 


Slavisch  lj;U(ro,  {j]ustro.  59 

von  *uchtro  vorliegende  psychologische  Vorgang  braucht  dabei  nicht 
direkt  als  Kontamination  von  tistro  mit  einem  ^uchro  aufgefaßt  zu  wer- 
den. Die  induzierenden  Worte  können  auch  andere  cA-haltige  Formen 
der  Wurzel  '^mj.es-  »leuchten«  gewesen  sein.  Der  Kernpunkt  der  Sache 
ist  der,  daß  der  als  charakteristischer  Wurzelauslaut  der  Sippe  emp- 
fundene Laut  -cJi-  sekundär  in  ein  Wort  eingeführt  wurde,  das  in  interner 
Entwicklung  kein  -ch-  erzielt  hatte,  das  mit  seinem  ^us-  innerhalb  der 
Sippe  *uc]i-  »leuchten«  isoliert  dastand,  wenn  auch  die  Zusammen- 
gehörigkeit noch  gefühlt  wurde.  Im  Slavisch en  scheinen  geeignete 
Worte  in  historischer  Zeit  nicht  mehr  vorhanden  zu  sein,  doch  enthalten 
viele  der  außerslavischen  Worte  der  Sippe  das  -s-  in  solchen  Stellungen, 
wo  wir  -eil-  erwarten  würden;  s.  Beispiele  bei  Walde  Et.  Wb.  a.  a.  0. 
So  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  -ch-  als  Wurzelauslaut  empfun- 
den wurde. 

Genau  in  derselben  Weise,  wie  ich  mir  die  Entstehung  von  "^ucTitro 
denke,  ist  vorpoln.  oder  urpoln.  "^knclda^  »Bröckchen«  entstanden;  vgl. 
Verf.  I.  F.  XXIV  24 6 ff.  und  auch  Berneker  Et.  Wb.  s.  v.  kncha,  der 
diese  Auffassung  zu  teilen  scheint.  Weniger  sicher  kann  man  ein  urslav. 
*D€rchti  »dreschen«  heranziehen;  vgl.  Leskien  Gram.  abg.  Spr.  56.  In 
bezug  auf  die  Natur  des  ch  gilt  hier  dasselbe,  was  oben  bei  dem  für 
*dbrchm,  *luch?ia  postulierten  -ch-  erwogen  worden  ist,  nämlich,  daß 
es  dem  historisch  bezeugten  ch  nicht  notwendig  phonetisch  gleich  ge- 
wesen zu  sein  braucht.  Es  war  derjenige  Laut,  der  zu  der  betreffenden 
Zeit  der  Reflex  des  ursprünglichen  s  nach  zt  usw.  war. 

Daß  aus  *uchtro  die  Form  ufro  werden  konnte,  hat  seine  Parallele 
an  apoln.  h^ta  aus  *knchta  (Verf.  a.  a.  0.).  Allerdings  handelt  es  sich 
in  letzterem  Falle  vielleicht  um  einen  urpolnischen  Lautwandel,  während 
in  ersterem  Falle  gemeinslavische  Assimilation  und  Geminaten Verein- 
fachung angenommen  werden  muß.  Eine  weitere  Parallele  ist  die  Be- 
handlung der  Lautgruppe  -ht-  in  pei^  »quintus«  usw. 

Mitau.  IV.  Frhr.  v.  d.  Oste7i-Sacken. 


60  M.  Resetar, 


Zur  Bezeiclmiing  der  serbokroatisclien  Betonung. 


Prof.  Drechsler  hat  im  HrvatsJco  Kolo^  Band  VII  (Agram  1912), 
S.  356,  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  Sime  Starcevic  in  seiner  Nova 
Ricsöslovica  iliricskä  (Triest  1812)  als  erster  und  noch  vor  Vuk  die 
vier  sbkr.  Akzente  festgesetzt  und  ganz  genau  bezeichnet  habe,  was  inso- 
fern richtig  ist,  als  tatsächlich  dieser  Schriftsteller  zuerst  den  fallenden 
vom  steigenden  Akzent  auch  in  kurzen  Silben  unterschied,  während  der- 
selbe Unterschied  in  langen  Silben  schon  dem  Grammatiker  B.  Kasic 
(1604)  bekannt  war.  Da  also  dieses  Werk  des  Starcevic  für  die  Ge- 
schichte der  sbkr.  Akzentbezeichnung  von  Wichtigkeit,  aber  nicht  leicht 
zugänglich  ist,  so  empfiehlt  es  sich,  seine  Ausführungen  wiederzugeben, 
die  lauten,  wie  folgt:  »Ako  malo  protrösesh  glasove  besidah,  vidi  chesh 
bärzo,  da  se  u  uashem  jeziku  samo  csetiri  nahode:  jedan  je  posve  krätak 
'ka.o: pas, neho^  did, drügi  je  malo  uzdignut  pak  bärzo  spushtan  kao :  govu- 
ritij  toltko ^  griJiota^  trechi  je  malo  potegnüt  na  dugljc  kao:  kärärn^ 
pitäm,  vcxem,  a  csetvarti  je  posve  raztegnüt  kao:  käzati^  vezati,pisati 
(S.  113).«  Auf  den  Seiten  114 — 117  gibt  Starcevic  einige  Regeln  für 
die  Anwendung  der  Akzentzeichen,  woraus  ich  nur  erwähnen  möchte, 
daß  er  aufS.  1 14  ausdrücklich  erwähnt,  der  »kurze«  Akzent  werde  durch 
ein  eigenes  Zeichen  nicht  bezeichnet,  da  jede  unbezeichnete  Silbe  »kurz« 
[na  kratko)  auszusprechen  sei,  ferner,  daß  der  Autor  auf  S.  116  darauf 
aufmerksam  macht,  in  dem  Buche,  besonders  in  den  ersten  Bogen  seien 
die  Akzentzeichen  häufig  unrichtig  oder  überhaupt  nicht  gesetzt  worden, 
weil  die  Setzer  ungeübt,  der  Vorrat  an  Akzenten  in  der  Druckerei  ein 
geringer  gewesen  und  manches  auch  seinem  Auge  entgangen  sei.  In 
der  Hauptsache  aber  hat  Starcevic  gewiß  das  Richtige  getroffen ,  denn 
aus  der  von  ihm  gegebenen  Definition  seiner  vier  Akzente  sowie  aus  der 
Art  und  Weise,  wie  er  seine  Akzentzeichen  anwendet,  ist  mit  vollkom- 
mener Sicherheit  zu  schließen,  daß  er  den  kurzfallenden  Akzent  (Vuks  "  ) 
unbezeichnet  läßt,  dagegen  den  kurzsteigenden  (Vuks  ^)  mit  dem  Zirkum- 
flex, den  langfallenden  (Vuks  ^)  mit  dem  Gravis  und  den  langsteigenden 
(Vuks  ')  mit  dem  Akut  bezeichnet.  Ebenso  sicher  ist  es  aber,  daß  Star- 
cevic nicht  nur  die  langfallend  betonten,  sondern  auch  die  unbetonten 
Längen  mit  dem  Gravis  bezeichnet,  so  daß  er  auf  diese  Weise  mit  der 


Zur  Bezeichnung  der  serbokroatischen  Betonung.  61 

Bezeichnung  der  Betonung  auch  eine  solche  der  Quantität  verbindet,  was 
übrigens  die  meisten  vor  ihm  und  bekanntlich  auch  Vuk  selbst  tat,  der 
—  ganz  wie  Starcevic  —  für  fallend  betonte  und  unbetonte  Längen  ein 
und  dasselbe  Zeichen  C^)  anwendet.  Auf  diese  Weise  gebraucht  Star- 
cevic den  Gravis  schon  bei  seinen  typischen  Beispielen  für  den  lang- 
fallenden Akzent:  liäräm  ^  pltäm,  vexem  =  karäm^  pitäm^  vezem; 
weitere  Beispiele  finden  sich  auf  jeder  Seite  des  Werkes,  so  daß  es  voll- 
kommen überflüssig  wäre,  noch  welche  anzuführen,  obschon  nicht  gesagt 
werden  kann,  daß  Starcevic  die  unbetonten  Längen  konsequent  so  be- 
zeichnet; im  Gegenteil,  außerhalb  der  (tatsächlich  oder  nach  seiner  An- 
nahme) langen  Endsilben  geschieht  dies  ziemlich  selten.  Noch  wichtiger 
ist  es,  daß  Starcevic  nicht  nur  die  fallend  betonte  Kürze  —  seiner  Be- 
zeichnungsart entsprechend —  unbezeichnet  läßt,  sondern  dies  in  der  Regel 
auch  bei  einer  steigend  betonten  Kürze  tut,  so  daß  der  Zirkumflex  bei  ihm 
ziemlich  selten  vorkommt,  besonders  in  dem  Falle,  wenn  einer  steigend  be- 
tonten Kürze  eine  unbetonte  Länge  folgt,  so  daß  er  z.B.  im  Paradigma  von 
zena  (S.  31)  folgende  Formen  anführt:  Nom.  sg.  Ooa  [XenaJ,  Gen.  sg. 
ÖDe  {Xe7ie),  Dat.  sg.  Ovo/  [Xetii),  Nom.  pl.  Ove  {Xene),  Dat.  pl,  Ovim 
[Xe?iam),  also  lauter  Fälle,  wo  wir  auf  der  ersten  Silbe  den  Zirkum- 
flex erwarten  würden.  Überhaupt  kommt  bei  ihm  selten  der  Fall  vor, 
daß  auf  einem  und  demselben  Worte  der  Zirkumflex  und  der  Gravis 
stehen,  z.  B.  Riesa  slovniku  ^  liicsösldväcah  113,  putuväuje  114.  Es 
finden  sich  dagegen  nicht  selten  Beispiele,  wo  eine  kurzbetonte  Silbe 
vor  einer  unbetonten  Länge  ein  eigenes  Zeichen  bekommt,  aber  dann 
scheint  es,  daß  Starcevic  sich  als  Regel  gestellt  hatte,  auch  die  betonte 
Kürze  mit  dem  Gravis  zu  bezeichnen,  während — nach  seiner  Bezeichnungs- 
art —  in  diesem  Falle  eine  fallend  betonte  Kürze  ohne  jeden  Akzent 
sein  und  eine  steigend  betonte  Kürze  den  Zirkumflex  haben  sollte;  auf 
diese  Weise  bezeichnet  z.  B.  der  Gravis  den  kurzfallenden  Akzent  in 
hesidah.,  driigi^  trecM  113,  sväkö  114  usw.,  und  den  kurzsteigenden  in 
o«o,  potribitiih  (=  potribitijih) ,  sädä  113,  razümi^  kädä,  dvi.,  vechi 
114  usw.;  die  Beispiele  sind  so  zahlreich,  daß  man  sie  kaum  alle  auf 
Rechnung  der  Setzer  stellen  könnte,  weswegen  ich  hier  an  eine  allerdings 
allzuhäufige Ungenauigkeit  in  der  Akzentbezeichnung  des  Starcevic  denke, 
die  geeignet  wäre,  seine  richtige  Auffassung  der  kurzen  Akzente  in 
Zweifel  zu  ziehen,  wenn  wir  nicht  sehen  würden,  daß  er  dort,  wo  er  Bei- 
spiele für  bestimmte  Akzente  anführt  (auf  S.  1 13 — 117),  fast  ausnahms- 
los das  Richtige  trifft;  als  wirkliche  Ausnahme  könnte  ich  nur  tele  114 


62  M.  Resetar, 

(=:  tele)  anführen,   das  er  unter  den  Beispielen  für  den  glas  Jcratki^ 
d.  h.  für  den  kurzfallenden  Akzent  erwähnt. 

Die  von  Starcevic  zum  Ausdrucke  gebrachte  Betonung  ist  ohne 
Zweifel  die  seiner  Heimat,  nämlich  der  Lika  in  Kroatien,  wo  Katholiken 
und  Orthodoxe  den  reinsten  sVo-Dialekt  mit  neuerer  Betonung  sprechen, 
so  daß  in  letzterer  Beziehung  seine  Aussprache  prinzipiell  mit  derjenigen 
Vuks  vollkommen  übereinstimmt.  Selbstverständlich  werden  regioneile 
Eigentümlichkeiten  gewiß  zu  konstatieren  sein,  doch  dies  kann  nur 
jemand  genau  feststellen,  dem  eben  der  Likaer  Dialekt  gut  bekannt 
ist.  Ein  Plus  dürfte  aber  von  Starcevic  hineinspekuliert  worden  sein, 
so  z.  B.  das  Gesetz  auf  S.  115,  daß  das  -ga  aller  Adjektiva  lang 
ist:  clohrogä^  velikogä  usw.,  was  vielleicht  durch  ein  tatsächlich  vor- 
handenes fögä^  onogä,  ovogä  veranlaßt  wurde,  oder  das  weitere  Gesetz, 
daß  die  Endsilben  aller  Personen  des  Präsens  lang  sind:  govorim^  go- 
voris/i,  govori,  govonmd,  govorite,  govore.  Doch  wenn  man  von  diesen 
und  ähnlichen  kaum  begründeten  Behauptungen,  sowie  von  den  früher 
besprochenen  ungenauen  Akzentbezeichnungen  absieht,  verbleibt  nichts- 
destoweniger die  Tatsache  bestehen,  daß  Sime  Starcevic  zuerst  die  beiden 
sbkr.  Akzente  auch  in  kurzen  Silben  prinzipiell  genau  unterschied  und 
mit  den  erwähnten  Abweichungen,  auch  bezeichnete. 

31.  Resetar. 


Zum  ältesten  slavisclien  Alphabet- 


Als  solches  kann  das  glagolitische  Äbecenarium  hulgaricum  be- 
zeichnet werden,  das  spätestens  in  das  XII.  Jahrhundert  gehört,  leider 
aber  für  uns  nunmehr  vollständig  nur  in  der  Reproduktion  in  Kopitars 
Glagolita  Clozianus,  Tafel  I,  zugänglich  ist,  da  die  betreffende  Pariser 
Handschrift  verschollen  ist  (vgl.  Enzyklopädie  der  slav.  Philologie, 
Heft  3,  S.  136).  Zu  dem,  was  über  dieses  Alphabet  bis  jetzt,  besonders 
von  Sreznevskij  (^penii.  r.iarojiH'i.  naMüTHiiKH,  S.  16ff.),  Geitler 
(Die  alban,  u.  slav.  Schriften)  und  Jagic  (o.  c,  S.  135 — 137)  gesagt  wor- 
den ist,  möchte  ich  noch  einige  Bemerkungen  hinzufügen.  Zunächst 
glaube  ich,  daß  man  ohne  weiteres  annehmen  soll,  daß  der  Schreiber 
(Abschreiber)  des  Alphabets  kein  Slave  war,  denn  bei  der  Wiedergabe 
der  Buchstabennamen  mit  lateinischen  Lettern  hätte  ein  Slave  für  sJovo 


Zum  ältesten  slavischen  Alphabet.  63 

kaum  cslüuo  und  auch  für  huk'ovi  wohl  nicht  hocohi  geschrieben;  wenn 
er  aber  kein  Slave  war,  so  dürfte  er  am  ehesten  ein  Grieche  gewesen 
sein,  wofür  der  Umstand  zu  sprechen  scheint,  daß  er  für  mysUfe,  mit 
sekundärem  t  zwischen  s  und  /,  muftlite  schreibt,  was  am  leichtesten  bei 
einem  Griechen  vorauszusetzen  ist  •);  vielleicht  ist  auf  denselben  Grund 
auch  der  weitere  Umstand  zurückzuführen ,  daß  das  v  von  buk^vi  mit  b 
[böcobi),  sowie  in  farcnie  das  d  von  ^r^vb  und  in  fa  das  s  von  sa  mit  s 
wiedergegeben  wird,  da  bekanntlich  die  Laute  6,  6,  s  dem  Neu- 
griechischen fremd  sind,  obschon  bezüglich  der  Laute  <? — s  und  noch 
mehr  bezüglich  des  z  von  zielte  (geschrieben  giuete)  auch  ein  Romane 
oder  Germane  hätte  zu  dieser  Zeit  in  Verlegenheit  sein  können.  Wenn 
wir  aber  an  einen  Griechen  als  den  ursprünglichen  Aufzeichner  unse- 
res Alphabets  denken  wollen,  so  könnte  man  daraus  folgern,  daß  das 
uns  vorliegende  Alphabet  eine  Abschrift,  und  zwar  von  einer  (in  be- 
zug  auf  die  Buchstabennamen)  griechischen  Vorlage  ist,  was  uns  auch 
die  UnVollständigkeit  und  teilweise  Unkorrektheit  des  Alphabets  erklären 
würde. 

Au  zweiter  Stelle  möchte  ich  hervorheben,  daß  die  mehrsilbigen 
Buchstabenuamen  in  der  Regel  akzentuiert  sind,  und  zwar  zumeist  auf 
der  ersten  Silbe:  böcoli^  uedde^  glägoU^  dobro ^  giuete^  zello^  zemia 
ife^  ifei^  cäco,  lüddie^  pöcoi,  cßöuo\  auf  der  letzten  Silbe  betont  sind 
reci,  faraue,  peller,  wozu  auch  hieft  und  Jtier  gerechnet  werden  könn- 
ten; auf  der  vorletzten  Silbe  betont  ist  nur  muftlite^  während  tordo  und 
eventuell  die  drei  letzten  Namen  hiet^  iufz^  hie  unbetont  sind.  Diese 
Betonung  stimmt  nur  zum  Teil  mit  derjenigen  überein,  die  heutzutage 
bei  den  orthodoxen  Slaven  üblich  ist  ufid  im  Grunde  die  seit  sehr  alter 
Zeit  in  Rußland  übliche  Betonung  darstellt,  denn  gegenüber  den  anfangs- 
betonten Formen  des  Abec.  bulg.  hat  man  im  Russ.  rjiaroiEi.,  ;i;o6pö, 
2C  H  B  'i  T  e ,  3  '£  .1 6 ,  3  e  M  .1  fl ,  n  0  K  6  il ;  es  ist  aber  schwer  zu  sagen,  ob 
die  Betonung  des  Abec.  bulg.  etwa  auf  einer  älteren  südslavischen  Ak- 
zentuation  beruht,  da  sich  in  bezug  auf  die  Buchstabennamen  eine  alte 
Südslavische  Tradition  nicht  erhalten  hat;  doch  ist  es  sehr  fraglich,  ob 
eine  Betonung  zemia^  pocoi  auch  im  Südslavischen  alt  sein  könnte. 

Die  Mängel  des  Abec.  bulo-.  wurden  schon  längst  konstatiert  und 


11 


So  haben  wir  in  dem  von  Banduri  herausgegebenen  mit  griechischen 
Lettern  geschriebeneu  slavischen  Alphabet  ebenfalls  aS-'Z-ößia  für  slovo;  es  ist 
daher  möglich,  daß  das  cj'louo  des  Abec.  bulg.  aus  stloun  verschrieben  ist. 


64  M.  Eesetar, 

zumeist  auch  erklärt;  es  verbleiben  aber  nocli  immer  einzelne  Punkte, 
die  einer  Erklärung  bedürfen;  ich  möchte  daher  einige  Bemerkungen 
vorbringen,  die  den  Gegenstand  allerdings  lange  nicht  erschöpfen.  Bis 
zum  Buchstaben  T  geht  allerdings  alles  in  Ordnung,  wenn  man  davon 
absieht,  daß  das  Zeichen  a?  (cyrill.  1s)  fehlt;  aber  mit  dem  darauffolgen- 
den Buchstaben  beginnen  die  Schwierigkeiten;  das  Zeichen,  das  einem 
glagol.  T  ziemlich  gleich  ist  und  den  Namen  liic  trägt,  wurde  von  Sre- 
znevskij  (S.  1 9)  ganz  einfach  als  u  (glagol.  a»)  gedeutet,  obschon  der  Buch- 
stabe im  Slavischen  sonst  OYK'K  heißt  und  im  griechischen  Alphabet 
Banduris  an  derselben  Stelle  ?;'/,  also  nach  neugriechischer  Aussprache 
ih  steht;  mit  viel  größerer  Begründung  hat  daher  Geitler  (S.  S9)  dieses 
Zeichen  als  eine  Abart  des  glagol.  Zeichens  für  das  griech.  v  aufgefaßt,  da 
hier  im  griech.  Alphabet  tatsächlich  das  v  zu  stehen  kommt.  Es  ist 
nämlich  leicht  möglich,  wie  Geitler  richtig  vermutete,  daß  erst  später  im 
Doppelzeichen  »  (cyrillisch  oy)  der  zweite  Bestandteil  sich  von  dem  selb- 
ständigen Zeichen  für  griech.  i'  differenzierte  und  daß  dann  das  Doppel- 
zeichen das  einfache  Y  verdrängte  (S.  173);  zur  Bekräftigung  dieser  Ansicht 
kann  die  Tatsache  angeführt  werden,  daß  die  ältesten  cyrillischen  alphabe- 
tischen Lieder  nach  dem  mit  dem  Buchstaben  T  anfangenden  Verse  einen 
solchen  aufweisen,  der  mit  v  (l'nc»CTaci%)  beginnt,  was  nicht  eine  bloße 
Nachahmung  des  griech.  Alphabets  sein  dürfte,  da  diese  Lieder  sonst 
streng  die  Reihenfolge  der  slav.  Buchstaben  befolgen,  wobei  sie  sogar  für 
das  glagol.  h\  einen  Platz  haben,  indem  hinter  den  beiden  /-Zeichen  in 
dem  einen  Liede  ein  Vers  mit  reOHKi  anlautet,  also  mit  demjenigen 
griech.  Laute,  der  glagolitisch  eben  durch  av  wiedergegeben  wurde,  wäh- 
rend im  zweiten  an  dieser  Stelle  ein  ohne  Zweifel  verdorbener  mit  i\6- 
THTT».!)  anlautender  Vers  steht  (vgl.  Sobolevskij  in  CöopiiiiKi.  pyccK. 
otä^Ji.  Bd.  88,  S.  13  und  9),  was  den  besten  Beweis  dafür  liefert,  daß 
diese  alphabetischen  Lieder  ursprünglich  glagolitisch  geschrieben  waren; 
jüngere  Lieder  dieser  Art,  die  nicht  von  einer  glagol.  Vorlage  stammen, 
haben  hinter  dem  t  tatsächlich  ein  u  (vgl.  z.  B.  bei  Sobolevskij  o.  c. 
S.  31.  34).  Man  kann  somit  mit  gutem  Grund  vermuten,  daß  das  xVbec. 
bulg.,  welches  kein  besonderes  oy-Zeichen  hat  und  hinter  dem  T  ein  ein- 


1)  Ea  ist  Interessant,  daß  auch  in  der  Moskauer  Handschrift  des  be- 
kannten Aufsatzes  Cbrabrs,  der  ebenfalls  auf  eine  glagol.  Vorlage  zurück- 
geht, das  Zeichen  a«  durch  ein  cyrill.  a  vertreten  ist  (vgl.  Abicht  im  Archiv  f., 
slav.  Phil.  XXXI,  213). 


Zum  ältesten  slavischen  Alphabet  65 

faches  y-Zeichen  folgen  läßt,  den  Zustand  des  ursprünglichen  glagol. 
Alphabets  bewahrt  hat. 

Hinter  dem  \j'-Zeichen  steht  im  Abec.  bulg.  unter  dem  Namen  ot  ein 
Buchstabe,  der  bis  jetzt  gewöhnlich  als  w  gedeutet  wurde ;  erst  Jagic 
(S.  136)  hat  wegen  der  einem  besonderen  glagol.  \'-Zeichen  sehr  ähn- 
lichen Form  des  Buchstabens  einen  Irrtum  des  Schreibers  angenommen, 
der  den  Namen  des  W  dem  \'  gegeben  habe.  Letztere  Annahme  dürfte 
kaum  richtig  sein,  denn  dann  müßte  man  auch  annehmen,  daß  das  Abec. 
bulg.,  da  das  gewöhnliche  glagol.  \'-Zeichen,  allerdings  verstellt,  hinter 
dem  üJ  unter  dem  Namen  liier  steht,  zweimal  das  \'  enthalte,  wie  dies  in 
dem  sogleich  zu  erwähnenden  cyrillisch-glagol.  Alphabet  tatsächlich  der 
Fall  ist.  Es  ist  daher  die  Erklärung  Geitlers  (S.  125)  wahrscheinlicher, 
»daß  einmal  bei  gewissen  glagolitischen  Schreibern  ein  bestimmtes  h  be- 
stand, das  dem  ot  anderer  Schreiber  zum  Verwechseln  ähnlich  war  oder 
wurde«,  wodurch  es  sich  auch  erklärt,  daß  im  Psalt.  sinait.  an  einer  Stelle 
(pag.  176)  ein  y  durch  ein  ganz  wie  ein  gewöhnliches  W  aussehendes 
Zeichen  ersetzt  ist. 

Doch,  wenn  man  auch  zugeben  will,  daß  das  Zeichen  des  Abec.  bulg., 
das  den  Nameu  ot  trägt,  eigentlich  ein  ^  ist,  so  bleibt  es  dennoch  fest, 
daß  der  Schreiber  an  dieser  Stelle  ein  W  setzen  wollte,  bezw.  in  seiner 
Vorlage  hatte.  Diese  Konstatierung  ist  wegen  des  darauffolgenden  Buch- 
stabens wichtig;  dem  ot  folgt  nämlich  unter  dem  Namen yje  ein  glagol.  l^, 
weswegen  man  auch  bis  jetzt  allgemein  dachte,  pe  stehe  für  ce.  Die 
Sache  dürfte  aber  nicht  so  einfach  sein,  denn  auch  in  der  Handschrift 
Chrabrs  der  Moskauer  Geistlichen  Akademie,  die  aus  einer  glagolitischen 
Vorlage  geflossen  ist,  folgt  in  der  Reihenfolge  der  nach  dem  griechischen 
Alphabet  gebildeten  Zeichen:  H  n'fe,  \i\'h,^  TT»,  worin  Jagic  (Ilscjii- 
ÄOBanifl  I,  317)  die  sehr  mangelhafte  Wiedergabe  der  drei  dem  glagolit. 
Alphabet  fremden  griechischen  Buchstaben  )/',  ^,  !}  sah,  während  Abicht 
(Archiv  für  slav.  Phil.  XXXI,  211  —  212)  auch  für  diese  drei  Zeichen  die 
Reihenfolge  des  griech.  Alphabets  annimmt  und  sie  als  d-^  §,  ijj  deutet. 
Ob  ip  oder  ^,  die  Tatsache  bleibt  bestehen ,  daß  auch  in  dieser  Hand- 
schrift dem  ot  ein  pe  folgt!  Da  es  sich  aber  um  eine  evident  verdorbene 
Stelle  handelt,  möchte  ich  der  Sache  keine  allzugroße  Wichtigkeit  bei- 
legen, wenn  sie  nicht  auch  in  den  schon  erwähnten,  auf  glagolitische 
Vorlagen  zurückgehenden  alphabetischen  Liedern  eine  Bestätigung  finden 
würde:  in  beiden  nämlich  steht  zwischen  dem  mit  W  und  dem  mit 
U,  anlautenden  Verse  ein  solcher,  der  mit  n  anlautet  (njMaAb,  bezw. 

Archiv  für  slavisclie  Pliilologie.  XXXV.  5 


66  M.  Resetar, 

n'bCHbMH).  Und  auch  im  cyrillisch -glagolitischen  Alphabet,  das  von 
Jagic  (o.  c.  S.  137)  erwähnt  wird  und  in  einer  lateinischen  Handschrift 
spätestens  aus  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrh.  nachher  eingetragen 
wurde,  folgt  im  cyrillischen  Teil  dem  w  ein  Zeichen,  das  von  Jagic  mit 
einem  latein.  fi  verglichen  wird,  das  aber  auf  der  photographischen  Re- 
produktion ganz  wie  das  (auf  seinem  Platze  stehende)  cyrill.  n  aussieht 
und  von  welchem  es  sich  nur  dadurch  unterscheidet,  daß  der  horizontale 
Balken  links  etwas  hervorragt  und  der  rechte  vertikale  Balken  unten  mit 
einem  nach  rechts  hervorstehenden  kleinen  horizontalen  Strich  abge- 
schlossen ist,  so  daß  an  der  Identität  der  beiden  Zeichen  nicht  zu  zwei- 
feln ist;  in  dem  glagol.  Teile  folgt  dagegen  dem  )^-Zeichen  ein  Buchstabe, 
der  von  Jagic  irrtümlich  mit  dem  besonderen,  schon  erwähnten  Y-Zeichen 
(welches  sich  genau  unter  dem  ersteren,  aber  in  der  folgenden  Linie  be- 
findet) als  ein  Zeichen  zusammengenommen  wurde;   dieser  Buchstabe, 

v      , 
etwa  wie  @ ,  ist  wahrscheinlich  als  W  zu  deuten  und  steht  vor  einem 

A   ' 

Zeichen,  das  einem  glagol.  m  ähnelt  und  sich  somit  dort  befindet,  wo  in 
den  oben  erwähnten  Denkmälern  pe,  n1v,  n  steht. 

Das  sind  recht  auffallende  Erscheinungen,  die  zur  Vorsicht  mahnen 
und  das  pe  des  Abec.  bulg.  in  ganz  anderem  Lichte  erscheinen  lassen  : 
wenn  das  Abec.  bulg.  hinter  ot  ein  pe  und  eine  Handschrift  Chrabrs 
hinter  WT  ein  n1i  folgen  läßt,  wenn  zwei  in  keinem  inneren  Zu- 
sammenhange stehende  alphabetische  Lieder  hinter  w  die  gewöhn- 
liche alphabetische  Reihenfolge  durchbrechen  und  dem  W  ein  n  folgen 
lassen,  wenn  das  cyrill.-glagol.  Alphabet  hinter  dem  cyrill.  W  wiederum  ein 
n  und  hinter  dem  wahrscheinlich  als  glagol.  W  zu  deutenden  Buchstaben 
ein  besonderes  Zeichen  hat  und  nicht  das  an  anderer  Stelle  vorkommende 
i\i,  so  ist  es  kaum  anzunehmen,  daß  dieses  merkwürdige  Übereinstimmen 
von  fünf  ganz  verschiedenen,  ihrem  Ursprünge  nach  glagolitischen  Denk- 
mälern durch  bloßes  Versehen  herbeigeführt  worden  sei.  Wenn  man 
aber  nach  einem  Grunde  sucht,  so  ist  er  schwer  zu  finden;  jedenfalls 
dürfte  es  auch  kein  Zufall  sein,  daß  dieses  rätselhafte  pe  dort  auftritt, 
wo  nach  dem  gewöhnlichen  glagolit.  Zahlsystem  die  ohne  Zweifel  erst 
später  entstandene  Ligatur  i|J  (800)  ihren  Platz  hat,  nämlich  zwischen 
W  (700)  und  1^  (900).  Es  muß  also  hier  im  ursprünglichen  glagol. 
Alphabet  etwas  anderes  gestanden  haben,  aber  was?  Vielleicht  doch  ein 
y\^,  das  im  griech.  Alphabet  in  der  unmittelbaren  Nähe  des  co  sich  befindet, 
allerdings  vor  und  nicht  nach  ihm  und  mit  anderem  Zahlwert  (700);  dann 
müßte  man  annehmen,  daß  spätere  (glagolitische)  Abschreiber  der  beiden 


Zum  ältesten  slavischen  Alphabet.  (37 

alphabetischen  Gebete  das  ungewöhnliche  ?/^  eliminierten  (wie  auch  im 
ersteren  das  ungewöhnliche  ac  von  den  späteren,  cyrillischen,  Abschreibern 
eliminiert  wurde] ;  vielleicht  stand  hier  eine  Form  von  vjraAlun»,  und  dann 
könnte  das  (i'kCkHlUlH  des  zweiten  Liedes  eine  Übersetzung  davon  sein. 
Relativ  leicht  läßt  sich  die  Sache  in  bezug  auf  das  Abec.  bulg.  erklären: 
der  Abschreiber  hatte  (wie  die  beiden  alphab.  Gebete!)  dieReihenfolge  ot^ 
pe^  ce  vor  sich  und  hat,  da  er  das  zweite  als  überflüssig  betrachtete,  dessen 
Namen  mit  dem  dritten  Zeichen  verbunden.  Daß  aber  an  Stelle  des  vor- 
ausgesetzten i|J  in  allen  diesen  fünf  Denkmälern  der  Buchstabe  n  (»pe«, 
n1v  usw.)  genommen  wurde,  steht  vielleicht  damit  im  Zusammenhange, 
daß  der  Laut  /j  ja  der  erste  Bestandteil  des  ip  (=  /jä)  ist. 

Und  da  wir  im  Abec.  bulg.  auch  das  älteste  slavische  Alphabet  mit 
ausgeschriebenen  Buchstabennamen  haben,  so  möchte  ich  zuletzt  noch 
erwähnen,  daß  es  kaum  richtig  sein  dürfte,  daß  —  wie  vielfach  ange- 
nommen wird  —  die  slavischen  Buchstabennamen  erst  geraume  Zeit  nach 
dem  Entstehen  des  slav.  Alphabets  selbst  aufgetreten  sind ;  ich  bin  viel- 
mehr der  Ansicht,  daß  Kyrill  selbst  auch  die  Namen  der  Buchstaben  ge- 
schaffen hat:  er  stand  allzusehr  unter  dem  Einflüsse  der  griechischen 
Gelehrsamkeit,  als  daß  er  sich  hätte  denken  können,  daß  man  die  Buch- 
staben anders  als  mit  vollemNamen  bezeichnen  könnte;  aus  dem  Umstand 
nun,  daß  er  den  slav.  Buchstaben  zumeist  auch  slavische  Namen  gab, 
ergibt  sich  eine  treffende  Parallele  zur  Tatsache,  daß  er  sowohl  in  bezug 
auf  die  Gestalt  als  auch  bezüglich  des  Zahlwertes  der  glagolit.  Buchstaben 
seinen  eigenen  Weg  ging.  Man  darf  somit  das  Zeugnis  Chrabrs,  der  wohl 
noch  Zeitgenossen  der  beiden  Slaveuapostel  gekannt  haben  dürfte,  nicht 
einfach  ignorieren,  da  er  ausdrücklich  sagt:  whh  (die  Griechen)  oyco 
dA^a  a  CK  (Kyrill)  d3k;  jedenfalls  waren  schon  zu  Chrabrs  Zeiten  die 
slav.  Buchstabennamen  geläufig,  denn  er  dekliniert  sie  auch:  IVT  &3A 
HaM/ÄTb  WROie;  Ende  des  IX.  oder  spätestens  Anfang  des  X.  Jahrh. 
waren  also  die  slav.  Buchstabennamen  schon  da,  sie  sind  somit  bedeutend 
älter  als  die  ältesten  slav.  Schriftdenkmäler!  M.  Re^etar. 

Nachtrag.  —  Dr.  Kidric  hat  m  Nävi  Zapiski^\\  145  ein  vorwiegend 
cyrillisches  Alphabetwn  Sclaiiorum  aus  einer  latein.  Hft.  des  XVI.  Jhs.  in  der 
Wiener  Hofbibliothek  veröffentlicht,  in  welchem  an  Stelle  des  w  drei  Buch- 
staben mit  dem  Namen  »ob«,  »od«  und  »ho<  stehen:  die  zwei  ersten  sind  ganz 
phantastisch,  der  dritte  dagegen  einem  cyrill.  w  ziemlich  ähnlich;  darauf  folgt 
unter  dem  Namen  »pi«  ein  Zeichen,  das  als  cyrill.  ijj  oder  griech.  rp  gedeutet 
werden  kann,  und  vor  »si  (n)«  und  >zers  (h)«  steht.  —  Cyrill.  i|j  zwischen  w  und 
u,  findet  man  im  cyrill.  Alphabet  in  einer  griech.  Hft.  der  Wiener  Hof  bibliothek 

(Kopitar,  Glagol,  Cloz.  XXIX). 

5* 


68  Christiani-Schultheiss, 

Über  die  Iteration  you  Synonymen  im  Enssisclien 
und  in  anderen  Sprachen. 


Die  Iteration  von  Synonymen  erwähnt  Vondräk  Vergl.  Slav.  CTramm. 
IL  540/1  ganz  kurz.  Zu  den  von  ihm  angeführten,  Boyer  und  Speranski's 
Manuel  entnommenen  wenigen  Beispielen  aus  dem  Russischen  bemerkt 
er,  die  Iteration  von  Synonymen  sei  überaus  häufig.  Die  im  Manuel  278 
verzeichneten  Beispiele  sind  nur  gering  an  Zahl.  Einige  andere  folgen 
hier. 

Wir  begegnen  im  Russischen  erstens  der  Verknüpfung  von  begriffs- 
ähnlichen Substantiven.  Man  kann  sie  einteilen  in  Konkreta  und  Ab- 
strakta.  Konkreta  sind:  KOBtijiB-TpaBa,  iieBOibiiiiK'B-noATiopeMLU.HK'B, 
oTeu;i.-6aTiomKa,  cyn^iyKX-japeui'B  (»Oxonpy  h  cyHAyKH-Jiapi^i.i  ko- 
BaHH«).  Aus  einem  der  in  Trachtenbergs  »EjiaTHaH  MyatiKa«  Peters- 
burg 190S,  abgedruckten  »ocTpo^Kiitia  n'Sciiii«  (S.  93,  Z.  6  v.  u.),  nyxL- 
ÄopoatKa  (»Mhmo  btofo  OKOiuKa  .leaciixi.  nyxfc-AopoatKa,  KaKi  no  3xoii 
no  ÄOpoacK'i  MHoro  H;i;yxx-iAyxx«.  Ebd.  S.  9S,  Z.  7/S  v.  o.),  xoprt- 
6a3apx>  (»TaKOBa  h  yy^a-Anna  hb  iiaxa^HBajix. ,  KaKt  Hamojrt  h  ^lyAo- 
AHBO  BO  rpaA^  KicB^:  CpeAH  xopry-öaaapy ,  cepsAB  njioiii,aAH«  Ebd. 
S.  85),  xyqa-6ypK  (Kol'cov,  Jlicx)  i^apL-rocy^apt  (vgl.  ii;apcxBO-rocy- 
AapcxBO,  Kol'cov  >ypa«).  —  Abstrakta  sind:  BtiKynxi-BtipyyKa,  nopa- 
BpeMH,  nopa-BpcMii^iKO,  npaBAa-iicxima,  ^yAO-AHBO.  Bei  Kol'cov  finden 
sich  u.  A. :  rope-nyacAa  (»Cx  xoit  nopti  n  ci.  ropeM'L-Hy^KAOio  IIo  ^ly- 
3K.HMX  yrjraMx,  cKHxaiocfl. «),  ropecxt-neyajiL  (»Bx  aojroxoe  BpeMH  Xaii- 
jiBMX  Ky^pii  bbioxch;  Ci.  ropecxn-ne^iaJiH  Pyctiii  ciKyxcH«.),  pa^ocxt- 
BecejiLe  (»Cx  pa^ocxH-Bccejitfl  XM'fejieMx  Ky^pn  BtK)xc;i. «),  CKyna-ro- 
pecxL  und  .iioöoBL-xocKa,  ebenfalls  ein  Synonymenkompositum,  da  beide 
Komponenten  Gefühlsbegriffe  sind,  wie  Liebe  und  Sehnsucht. 

Nicht  nur  begriffsähnliche  Substantiva  werden  verknüpft,  sondern 
auch  Verba  z.  B.  ÖHXfc-KasniixL,  öy^y-cxany,  Kpajin-BopoBajiH,  xocko- 
Baxb-ropeBaxt  i). 

Diese  Art  der  Ausdrucksweise  ist  vor  allem  der  dichterischen  und 


1)  Einige  Beispiele  aus  den  »ocxpoiKutia  nicHU«  :  »Yaci.  Kant  Kpa.iii-Bo- 
poBaju  Äoopw  MojoAUtK  (Trachtenberg  86);  mbi  sa  to  ero  ÖBeMt-KasHuiii.  (Ebd. 
87);  He  Be.m  MeH-i  KaauuTL-ElniaTu«  (Ebd.). 


über  d.  Iteration  v.  Synonymen  im  Eussischen  u.  in  and.  Sprachen.      69 

der  Volkssprache  eigen.  In  den  Bylinen  wird  man  viele  Beispiele  finden, 
die  gesammelt  zu  werden  verdienen.  Die  Verbindung  von  begrififsähn- 
lichen  Wörtern  scheint  mir  eine  Eigentümlichkeit  des  Russischen  zu  sein. 
Für  die  vergleichende  Syntax  wären  Beobachtungen  über  diese  Erschei- 
nung in  den  anderen  Slavinen  erwünscht. 

Ob  es  durch  die  folgenden  Ausführungen  von  Herrn  Schultheiß 
wahrscheinlich  gemacht  werden  kann,  daß  die  Erscheinung  der  alier- 
ältesten  Stufe  des  Slavischen  nicht  fern  gelegen  hat,  möge  der  Leser 
selbst  beurteilen. 

Posen.  TV.  Christiani. 

*  * 

* 

Die  Richtlinien ,  in  denen  sich  die  Geschichte  dieser  sprachlichen 
Erscheinung  als  einer  allgemeinen  nach  sprachpsychologischen  Gesetzen 
bewegen  kann ,  sind  besonders  deshalb  schwer  nachzuzeichnen ,  weil  die 
sie  ermöglichenden  Faktoren  auf  Gebieten  liegen,  die  mit  ihr  an  sich 
nichts  zu  tun  haben.  Darum  wird  es  manchem  scheinen,  daß  den  im 
Folgenden  aufgesuchten  Beziehungen  in  Wirklichkeit  die  ihnen  beigelegte 
Bedeutung  nicht  zukommt.  Denn  die  Möglichkeit  der  Verknüpfung  von 
synonymen  Begriffen  ist  selbstverständlich  in  jeder  Sprache  vorhanden, 
und  erst  die  Beschränkung  auf  gewisse  Kategorien  ermöglicht  uns  die 
Aufstellung  eines  Stammbaumes ,  die  Aufzeigung  eines  historischen  Zu- 
sammenhanges. 

Das  Japanische,  das  ursprünglich  alles  Auszudrückende  als  einen 
äußeren  oder  inneren  Verlauf  begreift,  während  z.  B.  für  das  Indogerma- 
nische die  Tätigkeit,  für  das  Georgische  die  Ortsbeziehung  das  Wesent- 
liche ist,  kann  sich  zur  Veranschaulichung  der  sinnlichen  Eindrücke  der 
Synonymenanhäufung  bedienen.  So  wird  das  Japanische ,  um  ein  Bei- 
spiel für  den  äußeren  Verlauf  eines  Geschehens  zu  geben ,  zur  Veran- 
schaulichung eines  Durchdringens  [osoku-irimashi)  naturgemäß  zwei 
Ausdrücke  gebrauchen,  und  ebenso  könnte  in  dieser  Sprache  der  innere 
(seelische)  Verlauf  etwa  des  Aufgeregtseins  in  derselben  Weise  durch 
zwei  Synonyma  gegeben  werden.  Für  diese  Auffassung  sind  z.  B.  Natur- 
ereignisse wie  Sturm,  Regen,  Hagel,  die  wir  unter  die  Kategorie  der  Sub- 
stantiva  einreihen ,  Arten  eines  Verlaufes ,  wogegen  Begriffe  von  ganz 
gegenständlichem  Charakter ,  wie  Kraft  oder  Liebe ,  der  Iteration  nicht 
unterliegen  können.  Diese  Urstufe,  die  zum  Ausdruck  von  Urteilen 
ihrem  Wesen  nach  unfähig  ist,  hat  das  heutige  Japanisch  natürlich  längst 
überschritten. 


70  Christiani-Schultheiss, 

Die  nächste  Stufe  der  Entwicklung  liegt  da  vor,  wo  es  gilt  Gefühls- 
eindrücke besonders  hervorzuheben.  Hierher  gehören  Ausdrücke,  wie 
russ.  ciiJia-Momb,  ujao-ahbo  ,  paAocTb-Bsce.ite ,  0Tei];i>-6aTK)mKa,  Kpa- 
.iH-BopoBajiH.  Sie  können  bereits  auf  dieser  Stufe  gebildet  werden. 

Ein  Unterschied  zwischen  der  ersten  Stufe  und  der  zweiten  besteht 
darin,  daß  in  jener  die  Begriffsiteration  mit  der  Iteration  des  ganzen  Ge- 
dankens zusammenfallen  kann.    Jetzt  handelt  es  sich  nämlich  um  einen 
Gefühlsausdruck,  der  der  Verdeutlichung  bedarf  und  dadurch  aus  der 
Umgebung  des  ganzen  Gedankens  (Satzes)  als  ein  maßgebender  Teil  her- 
ausgehoben wird.    Wenn  man  will,  kann  man  auch  hier  noch  eine  Ge- 
dankeniteration sehen  wollen,  wie  ja  überhaupt  der  Ausdruck  des  Gefühls 
(des  Subjektiven)  die  nächstliegende  und  ganz  entsprechende  Entwick- 
lungsstufe nach  der  (objektiven)  Verlaufsdarstellung  ist.  Auf  dieser  Stufe 
spielt  die  Bedeutung  des  Gefühlsausdruckes  als  eines  im  Sinne  der  Logik 
geltungtragenden  Faktors  noch  keine  oder  eine  sekundäre  Rolle;  darum 
kann  der  Gefühlsausdruck,  wo  auf  ihn  ein  Ton  gelegt,  die  Aufmerksam- 
keit des  Hörers  auf  ihn  gelenkt  werden  soll,  nicht  durch  die  logischen 
Mittel  der  Voranstellnng  oder  etwa  einer  betonenden  Partikel  verstärkt 
werden.    Ein  weiterer  Grund  liegt  darin,  daß  die  Verstärkung  des  Ge- 
fühlsausdrucks naturgemäß  und  zunächst  wieder  durch  einen  Gefühls- 
a,u3druck  gesucht  werden  wird :  der  symbolische  Charakter  des  Sprach- 
äußeren bringt  es  ja  mit  sich,  daß  zur  Veranschaulichung  des  volleren 
Inhalts  ein  volleres  Lautsubstrat  gewählt  werden  wird.    Dem  Bewußt- 
sein der  Verschwommenheit  bei  den  Bezeichnungen  für  Gefühlseindrücke, 
das  auch  für  die  höheren  Stufen  der  Sprachentwicklung  gilt,  muß  hier 
ebenfalls  ein  nicht  geringer  Einfluß  beigemessen  werden.  Zu  weiterer  Aus- 
dehnung wird  aber  das  Prinzip  der  Sj^nonymenkomposition  nur  in  Spra- 
chen gelangen  können,   deren  scharfe  rhythmische  Gliederung  im  all- 
gemeinen eine  solche  verkürzte  Sprechweise  erleichtert.    Denn  als  das 
primum   movens   möchten  wir   das  Streben  nach  Verkürzung  ansehen, 
welches  den  Sprecher  veranlaßt,  das ,  was  er  in  mehrere  Ausdrücke  (Ur- 
teile) zerlegen  könnte,  in  einem  Synonymenkompositum  niederzulegen. 
Man  beachte,  daß  das  Türkische,  das  wir  vorwiegend  hier  im  Auge  haben 
müssen,  die  Partikel  und  nicht  nur  zwischen  Sätzen  (was  nicht  beispiel- 
los  wäre),   sondern   auch  zwischen  beigeordneten  Satzteilen  zu  unter- 
drücken liebt,   wodurch  unstreitig  sowohl  rhythmisch  wie   logisch  die 
innere  Einheit  solcher  Begriffe  ganz  besonders  plastisch  zum  Ausdruck 
kommt:  osm.  usaqlar  hir  dihiiq^  hir  qaJnceh  getiirsünler  'die  Burschen 


über  d.  Iteration  v.  Synonymen  im  Russischen  u.  in  and.  Sprachen.      71 

sollen  eine  Pfeife,  einen  Kaffee  bringen\  Ein  Beispiel,  nach  dessen 
Analogie  sich  der  Leser  leicht  den  ganzen  Umfang  dieser  Erscheinung 
wird  ausdenken  können,  wäre  aus  dem  Türkischen:  dürlemek  toparla- 
maq  'zusammenpacken\  Das  Gefiihlsmoment  liegt  hier  in  der  Vorstel- 
lung der  Eile. 

Die  dritte  Stufe  soll  durch  das  Chinesische  veranschaulicht  werden. 
Wir  haben'  auf  ihr  zu  unterscheiden  eine  Kategorie  der  Komposition 
a)  von  synonymen  Verben  und  b)  von  synonymen  Substantiven.  Für  die 
verbale  Kategorie  gilt  in  dieser  Sprache  das  Prinzip  der  begrifflichen 
Teilung  in  Verba  der  Bewegung  und  Verba  der  Richtung,  —  ein  dem 
Sinologen  wohlbekanntes  grammatisches  Prinzip.  Die  Entstehung  der 
ersten  Kategorie  aus  der  am  Türkischen  gezeigten  Stufe  haben  wir  uns 
so  vorzustellen,  daß  das  Gefühlsmäßige  zurücktritt  und  jede  Bewegung 
durch  ein  Kompositum  ausgedrückt  werden  kann.  Ebenso  können  wir 
uns  aber  auch  die  erste  Stufe  als  Ausgangspunkt  denken,  so  daß  dann 
die  zweite  und  dritte  als  in  der  Entwicklung  gleichstehend  erscheinen 
würden.  Wir  müßten  dann  annehmen,  daß  der  erste  Teil  des  eine  Be- 
wegung ausdrückenden  Kompositums  mehr  die  Bewegung,  der  zweite  die 
Richtung  zu  bezeichnen  begann.  Aber  der  Unterschied  braucht  nicht 
ganz  deutlich  gefühlt  zu  werden.  So  würde  man  es  sich  zu  erklären 
haben,  daß  wir  auf  derselben  Stufe  zugleich  einer  reichen  Produktion 
an  solchen  Verknüpfungen  auf  substantivisch-abstraktem  Gebiet  begegnen, 
wo  ein  solcher  Unterschied  in  der  Bedeutung  beider  Komponenten  prin- 
zipiell nicht  aufgestellt  werden  kann.  Ist  erst  einmal  das  Prinzip  vor- 
handen, so  findet  es  reiche  Nahrung  im  dichterischen,  logischen  und  rhe- 
torischen Bedürfnis,  d.  h.  im  Streben  nach  Ausschmückung,  nach  Ver- 
deutlichung oder  nach  Mannigfaltigkeit  des  Ausdrucks.  Vieles  wird 
stereotyp,  geht  in  den  Vokabelschatz  über,  besonders  (wenn  auch  nicht 
ausschließlich)  deshalb ,  weil  der  Reichtum  der  Sprache  an  abstrakten 
Grundwörtern  zu  gering  ist,  um  ohne  Wurzelkonglomerationen  auszu- 
kommen. Wie  weit  ein  Bedeutungsunterschied  zwischen  den  einzelnen 
und  den  verbundenen  Wurzeln  oder  ihren  Teilen  gefühlt  wird,  ist  gleich- 
gültig. ^ 

Wir  haben  bis  jetzt  bei  der  Untersuchung  unseres  Problems  still- 
schweigend angenommen,  es  gelte  durch  die  Verknüpfung  von  Syno- 
nymen einen  auf  ihnen  ruhenden  Nachdruck  zu  bezeichnen.  Hat  nun 
aber  eine  Sprache  in  ihrer  Entwicklung  die  Möglichkeit  erlangt,  den 
Nachdruck  durch  andere  Mittel  zu  bezeichnen,  so  beginnen  die  Kompo- 


72  Chris  tiani-Schultheiss, 

Sita  an  Gewicht  zu  verlieren,  ihre  Bedeutung  im  Sprachleben  tritt  zurück. 
Finden  sie  sich  daher  als  vereinzelte  Rudimente  noch  in  dieser  oder  jener 
Sprache,  so  kann  auf  ihre  genauere  Klassifikation  zunächst  kein  beson- 
derer Wert  gelegt  werden. 

Daß  solche  Rudimente  auf  einen  größeren  Reichtum  in  früherer 
Zeit  hinweisen ,   zeigt  bereits  folgendes  Beispiel  aus  dem  Armenischen : 

asxarh  gite^  ddka  mer  darderin  daph  sahman  'die  ganze  Welt  weiß, 
nicht  gibt  (es)  unserer  Schmerzen  Maß-Grenze'.  An  diesem  Beispiel  ist 
eigentümlich  und  deutet  auf  eine  spätere  Entwicklungsstufe ,  daß  hier 
ein  negativer  Gedanke  zum  Ausdruck  gelangt:  man  sieht  sofort,  daß  zu 
einem  solchen  Ausmalen  eines  Mangels  die  Synonymenkomposition  ein 
ungemein  wirksames  Mittel  sein  kann,  dessen  Anwendung  zu  untersuchen 
wäre.  Der  positive  Gebrauch  dieser  Ausdrucksweise  kann  dem  gegen- 
über mehr  zurücktreten  und  die  negative  Anwendung  allein  übrigbleiben. 
Wir  nehmen  dies  für  das  Armenische  an,  da  wir  aus  demselben  keine 
Fälle  für  den  positiven  Gebrauch  zu  finden  vermögen. 

Im  weiteren  Sinne  gehören  auch  die  in  der  klassischen  Philologie 
längst  anerkannten  Kategorien  Hendiadyoin,  Tautologie,  genitivus  expli- 
cativus,  genitivus  africanus  hierher.  Vergl.  endlich  die  für  das  Sächsi- 
sche charakteristischen  komischen  Verlegenheitsbildungen  wie  »An- 
schauungsstandpunkt«, »Akzentbetonung«;  »sofort  momentan  augen- 
blicklich«; »fortwährend  egalweg«;  »es  kommt  dann  also  demgemäß 
auf  den  Fall  drauf  an«.  Man  kann  sich  nicht  wundern,  daß  ein  Dialekt, 
in  dem  eine  solche  behagliche  Breite  des  Ausdrucks  Platz  gegriffen  hat, 
mit  einer  gewissen  Vorliebe  immer  wieder  auf  derlei  Häufungen  zurück- 
kommt; auch  der  gebildete  Sachse  verrät  sich  gelegentlich  durch  Neu- 
schöpfungen dieser  Art.  Thüringisch  ist  (aus  dem  Ende  des  17.  Jhdt.): 
»nebst  andern  Instrumenten  musikalischer  Gesänger«.  Solche  unge- 
schickte Häufung  in  der  Wiedergabe  ungegliederter  Eindrücke  ist  für  die 
Darstellungsweise  der  Ungebildeten  beinahe  typisch. 

Das  geistige  Band,  welches  die  aus  dem  Russischen  gesammelten 
Belege  zusammenhält,  ist  schwach,  und  schon  dieser  Umstand  läßt  uns 
vermuten,  daß  hier  nur  spärliche  Überreste  eines  ehemaligen  Reichtums 
vorliegen.  An  eine  Übernahme  aus  dem  Türkischen  vermögen  wir  nicht 
recht  zu  glauben,  da  zwischen  den  in  beiden  Sprachen  zu  belegenden 
Ausdrucksweisen  eine  weite  Lücke  klafft. 

T.  Schultheüs. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kubacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.       73 

Der  kroatische  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  und 
der  Aufstand  von  Brine. 

VonT.  Matic. 


I. 

Als  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts  die  Macht  der  Türken  soweit 
gebrochen  war,  daß  die  Länder  der  Habsburger  Monarchie  türkische  In- 
vasionen in  Zukunft  nicht  mehr  ernstlich  zu  befürchten  hatten,  brach 
insbesondere  für  die  Grenzgebiete  eine  neue  Zeit  an.  Die  militärisch 
organisierte  Grenze,  deren  Bevölkerung  in  immerwährenden  Kämpfen  mit 
dem  Feinde  zu  einem  Soldatenvolk  par  excellence  geworden  war,  verlor 
ihre  eigentliche  Daseinsberechtigung.  Da  es  der  Staat  aber  im  eigenen 
Interesse  für  ratsam  hielt,  diese  erprobten  Krieger  nicht  ohne  weiteres 
gänzlich  zum  Pfluge  zurückkehren  zu  lassen,  schritt  man  in  der  ersten 
Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  an  eine  Reorganisierung  der  Militär- 
grenze, deren  Zweck  es  war,  aus  der  Bauernmiliz  eine  reguläre  Armee 
zu  bilden,  die,  da  sie  nun  in  der  Heimat  entbehrlich  war,  anderswo  den 
Interessen  des  Reiches  dienen  sollte.  Die  Reform  stieß  in  der  Bevölkerung 
auf  entschiedenen  Widerstand,  der  stellenweise  in  bewaffneten  Aufstand 
umschlug.  Die  Staatsgewalt  setzte  doch  ihren  Willen  durch  und  schuf  den 
auch  unserer  Generation  noch  wohlbekannten,  jetzt  im  Aussterben  be- 
griffenen Typus  des  Grenzers,  der  in  seiner  sprichwörtlichen  und  uner- 
schütterlichen Kaisertreue  von  Schlachtfeld  zu  Schlachtfeld  wanderte, 
ohne  zu  fragen,  ob  das  vergossene  Blut  auch  seinem  Lande  und  seinem 
Volke  je  einen  Nutzen  bringen  sollte. 

In  die  Übergangszeit,  in  der  man  bestrebt  war,  die  alte  Militärgrenze, 
die  so  lange  an  der  Scheide  der  zwei  Machtsphären,  der  christlichen  und 
der  ottomanischen,  Wache  stand,  umzubilden,  fällt  das  Leben  des  kroati- 
schen Schriftstellers  Matesa  Ante  Kuhacevic.  Noch  vor  vier  Dezennien 
wußte  man  von  ihm  so  gut  wie  gar  nichts.  Durch  die  Abhandlung  Kukule- 
vic'  Hrvati  za  naslednocja  rata  (Rad  38)  auf  ihn  aufmerksam  gemacht, 
gab  Prof.  M.  Magdic  1878  die  in  einer  Handschrift ,  welche  sich  damals 
im  Besitze  Jakov  Kuhacevic'  in  Zengg  befand ,  erhaltenen  Gedichte 
Matesa  Ante  Kuhacevic'  heraus  (Zivot  i  djela  Senanina  Matese  Ant.  pl. 
Kuhacevica.    Seii  1878.).    Die  lateinische  Autobiographie  des  Dichters, 


74  T.  Matic, 

die  in  derselben  Handschrift  enthalten  war,  veröffentlichte  er  nicht,  was 
sehr  zu  bedauern  ist,  weil  dieselbe  jetzt  unerreichbar  zu  sein  scheint  i). 
Auf  Grund  dieser  Autobiographie,  die  bis  zum  Jahre  1765  reicht,  erzählt 
Magdic  in  der  Vorrede  zur  genannten  Ausgabe  in  kurzen  Zügen  den  Lebens- 
lauf Kuhacevic'.  Die  Familie  war  eine  angesehene  Patrizierfamilie  von 
Zengg,  in  welcher  Stadt  auch  Matesa  1697  geboren  wurde.  Früh  ver- 
waist, kam  er  ins  Haus  seines  Onkels  Luka,  eines  Geistlichen,  welcher 
der  Erziehung  des  Neffen  sehr  viel  Sorgfalt  widmete.  Der  junge  Kuhacevic 
studierte  zunächst  im  Jesuitenkollegium  in  Fiume,  absolvierte  nachher 
philosophische  und  juristische  Studien  zu  Graz  und  befaßte  sich  als  ab- 
solvierter Jurist  mit  technischen  Studien  an  der  Militärakademie  in  Wien, 
Bereits  als  junger  Mann  wurde  er  von  seiner  Vaterstadt  mit  der  Ver- 
tretung ihrer  Interessen  am  kaiserlichen  Hofe  betraut.  In  den  öffentlichen 
Dienst  eingeti-eten,  war  er  zunächst  ageus  iuratus  bellicus,  beteiligte  sich 
als  Kommandant  eines  Zengger  Schiffes  am  sogenannten  polnischen  Erb- 
folgekriege, bekleidete  nachher  das  Amt  eines  Syndikus  in  der  Lika  und 
kam  während  des  bayerischen  Erbfolgekrieges  mit  den  Karlstädter 
Grenzern  als  Auditor  nach  Bayern.  Bald  nach  seiner  Rückkehr  in  die 
Heimat  brach  die  durch  die  Reorganisation  der  Militärgrenze  unter 
Prinzen  v.  Hildburgshausen  hervorgerufene  Unzufriedenheit  der  Grenzer 
in  einen  offenen  Aufstand  aus,  der  in  der  Geschichte  als  Aufstand  von 
Brine  und  der  Lika  bekannt  ist.  In  dieser  kritischen  Zeit  (1746)  begab 
sich  Kuhacevic  als  Abgesandter  der  Stadt  Zengg  nach  Wien,  wurde  aber 
dort  als  einer  von  den  Anstiftern  des  erwähnten  Aufstandes  eingesperrt, 
nach  Karlstadt  als  Gefangener  gebracht  und  in  Untersuchung  gezogen. 
Der  Prozeß  dauerte  volle  drei  Jahre  und  endete  mit  Verurteilung  K's 
zum  lebenslänglichen  Kerker  und  Verlust  der  Ehre  und  des  Vermögens. 
Bis  zum  Jahre  1756  war  K.  auf  dem  Spielberge,  von  da  an  bis  17  72  in 
Graz  eingesperrt  und  wurde  1772  im  Gnadenwege  aus  dem  Gefängnisse 
entlassen.  Es  war  ihm  aber  nicht  mehr  beschiedeu,  die  Heimat  zu 
sehen:  er  starb  nach  seiner  Freilassung  in  Grazil. 


1)  Meine  Bemühungen,  von  den  jetzt  in  Triest  lebenden  Mitgliedern  der 
Familie  Kuhacevic  eine  sei  es  positive,  sei  es  negative  Antwort  über  die 
Existenz  und  den  gegenwärtigen  Aufbewahrungsort  der  Handschrift  zu  er- 
langen, blieben  erfolglos. 

-,  Magdic  nahm  nach  einer  in  der  Familie  K.  erhaltenen  Tradition  an, 
daß  Matesa  im  Juh  1772  in  Agram  gestorben  sei.  Cf.  die  Abhandlung  Fächers 
in  Nastavni  rjesnik  XII,  6. 


Dor  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Briiie.       75 

Kuhacevic  hatte  entschieden  viel  vom  freien  und  kühnen  Geiste 
seiner  Heimat,  der  Uskokenstadt  Zengg,  die  der  kaiserlichen  Regierung 
und  der  Republik  Venedig  so  viel  zu  schaffen  gab,  geerbt.  Doch  seine 
Zeit,  die  Zeit  der  fortschreitenden  absolutistischen  Zentralisation,  verlangte 
eine  absolute  Unterordnung  und  Einschränkung  der  Individualität: 
K.  wollte  sich  nicht  fügen  und  wurde  ins  Verderben  gestürzt.  Im  Ge- 
fängnisse griff  er  zur  Feder  und  schrieb  eine  Autobiographie  und  ein 
Bändchen  Gedichte,  zum  großen  Teile  Episteln  an  Verwandte,  denen  er 
sein  trauriges  Los  klagt  und  im  innigen  Vertrauen  an  Gott  für  sie  und 
sich  selbst  Trost  sucht.  In  der  kroatischen  Literatur,  die  an  autobio- 
graphischen Werken  und  Memoiren  ohnehin  nicht  viel  aufzuweisen  hat, 
ist  K,  eine  interessante  Erscheinung,  jedoch  entschieden  interessanter 
als  Mensch  denn  als  Schriftsteller. 

Um  für  die  Kenntnis  Kuhacevic'  und  seiner  Umgebung  reichere 
Quellen  aufzuschließen,  als  es  seine  erhaltenen  Schriften  sind,  habe  ich 
das  im  Wiener  Kriegsarchive  vorhandene  Material,  insbesondere  die  Akten 
über  den  Aufstand  von  Brine  und  der  Lika  studiert  und  werde  versuchen, 
die  Resultate  dieser  Studien  zusammenzufassen. 

n. 

Die  erste  Erwähnung  Kuhacevic'  in  den  Akten  des  Archivs  fällt 
ins  Jahr  1725 :  am  23.  März  dieses  Jahres  wurde  der  innerösterreichischen 
Kriegsstelle  ein  »Anlangen  des  Mathiae  Kuhatsewitsh  umb  die  Carl- 
städterische Auditoriat-Stelle«  ^)  abgetreten.  Diese  Bewerbung  hatte 
offenbar  keinen  Erfolg,  denn  bereits  im  Januar  1726  wird  ein  Gesuch 
Kuhacevic'  »umb  Erlaubnus  die  Ingenieur -Academie  frequentiren  zu 
derfen«  an  Grafen  von  Starhemberg  geleitet:  » . . .  der  wolle  ohnschwehr 
verordnen,  daß  derSupplicant  invermelte  Ingenieur- Academie  zu  frequen- 
tiren admittiret  werde«  2) 

Kuhacevic  stand  also  bereits  an  der  Schwelle  des  Mannesalters,  als 
er  nach  absolvierten  juristischen  Studien  den  Entschluß  gefaßt  hatte, 
in  die  technische  Militärakademie  einzutreten.  Über  seine  Wiener 
Studentenzeit  finden  wir  nur  eine  einzige  Notiz  und  diese  bezieht  sich 
auf  sein  flottes  Studentenleben.  Es  handelt  sich  um  eine  Eingabe  einer 
gewissen  »Sallerin  Coecilia  ca  H.  Antonium  Kuhaschewitsch  Artillerie- 


1)  1725  Reg.  Prot.  322. 

2)  1726  Exp.  Prot.  94. 


76  T.  Matic, 

Scholarn«,  av eiche  bittet  »womit  ihr  ex  capite  deflorationis  et  impraeg- 
nationis  auf  des  Beklagten  bey  dem  Schneidermeister  Schatz  in  depositum 
gegebene  1 7 1  f.  ein  ghrt.  Verbott  dann  bis  zu  Erörtterung  der  bey  Einen 
Lob.  Wiennerischen  Consistorio  zwischen  ihr  und  den  Beklagten  hangen- 
den Strittsach  ob  summum  in  mora  periculum  in  den  würkhlichen 
Personalarrest  ver williget  werden  möchte«  ^).  Am  4.  Juni  beschloß  der 
Hofkriegsrat,  diesem  Begehren  nicht  stattzugeben:  »Widernmh  hinaus- 
zugeben, und  wan  wegen  ingebettenen  Verbott-  und  Arrests-Bewilligung 
an  den  kay.  Hof-Kriegs-Rath  die  gewöhnliche  Requisitoriales  von  dem 
hiesigen  Erz-Bischöfflichen  Consistorio,  allwo  dise  Klagsach  bereits 
anhängig  gemacht  worden  ist,  ergehen  werden,  folget  fernrer  Bescheidt«  i). 
Da  dieses  Mädchen  »ob  summum  in  mora  periculum«  um  Arretierung 
Kuhacevic' angesucht  hatte,  dürfte  sie  eine  Veranlassung  gehabt  haben  zu 
befürchten,  daß  K.  Wien  zu  verlassen  gedenke.  Wohl  waren  seine  Studien 
bereits  zu  Ende,  denn  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1729  finden 
wir  K.  zwar  in  Wien,  doch  wird  er  nicht  mehr  als  Student  bezeichnet, 
sondern  tritt  im  Namen  der  »Communität  zu  Zeng«  mit  der  Bitte  auf, 
»damit  ihre  verarrestirte  Richter  gegen  der  angebottenen  Caution  des 
Arrests  entlassen  werden  möchten«.  Der  Beschluß,  den  der  Hofkriegs- 
rat in  Beantwortung  dieses  Ansuchens  am  18.  Februar  1729  gefaßt 
hatte,  ist  sehr  scharf  gehalten  und  spricht  K.  rundweg  den  Charakter 
eines  Ablegaten  ab:  »Widerumb  hinauszugeben  mit  dem  Bedeuten,  es 
seye  dem  kay.  Hof-Kriegs-Rath  von  einem  alhier  seyn  sollenden  Zenge- 
rischen  Ablegato  nichts  bekhant,  indeme  die  hier  geweste  dasige  Depu- 
tirte  auf  Ihro  K.  M.  Allergdsten  Befelch  zuruckhzugehen  schon  vor 
einiger  Zeith  beordret  worden,  allwo  sie  mit  der  übrigen  Zengerischen 
Communität  sowohl  über  invermelte  als  andere  bey  dem  kay.  Hof  an- 
hängig gemachte  Angelegenheiten  die  ausfallende  Allergnädigste  kay. 
Resolution  in  gezimbender  Submission,  Gehorsamb  und  Ruhe  abzu- 
warthen  haben«  2j.  Offenbar  war  die  Stadtgemeinde  Zengg  beim  Hof- 
kriegsrate in  Ungnaden. 

Im  nächsten  Jahre  beAvarb  sich  K.  zu  wiederholten  Malen  —  als 
Techniker  und  als  Jurist  —  um  Anstellung  im  Staatsdienste,  jedoch 
ohne  Erfolg.  Im  Februar  1730  erstattete  der  innerösterreichische 
Ki-iegsrat  einen  Bericht   ȟber  das  .  .  .  Ansuchen  des  in  architectura 


1)  1728  Just.  Prot.  218. 

2)  1729  Exp.  Prot.  255. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Briiie.       77 

militari  erfahrenen  so  genanten  Kuliaschewisch  umb  zu  Zeug  in  seinen 
Vatterland  employret  zu  werden«  ^j.  Als  Erledigung  dieses  Gesuches 
wurde  K.  mitgeteilt,  er  »könne  die  i-ö.  Meergränzen  sambt  der  Licca 
und  Corobavia  cum  suis  dependentijs  abmessen  und  entwerfien,  wo  man 
sodann  bey  eraignenden  Aperturen  auf  selben  reflectiren  werde«  ^).  Auch 
die  Bewerbung  Kuhacevic' um  die  Stelle  eines  Feldschreibers  zuOgulin  blieb 
erfolglos  3).  Als  ihn  Dapp  darauf  im  Juli  zur  interimistischen  Versehung 
der  Syndikusstelle  in  der  Lika  vorgeschlagen  hatte,  äußerte  sich  der 
innerösterreichische  Kriegsrat  in  einem  an  den  Hofkriegsrat  gerichteten 
Berichte  gegen  diesen  Vorschlag  »beyfügend  die  Ursache,  warumben  er 
Kriegs-Rath  aber  solchen  hierzu  anzustellen  vor  Herrn-Dienst  nicht 
thuenlich  zu  seyn  erachte«  *].  Welche  Bedenken  der  innerösterreichische 
Kriegsrat  gegen  Kuhacevic  geltend  gemacht  hat,  können  wir,  da  der 
Akt  selbst  nicht  erhalten  ist,  aus  dem  Texte  des  Protokolls  nicht  ersehen. 
Es  scheint  aber,  daß  K.  durch  seine  innigen  Beziehungen  zur  Stadt- 
gemeinde Zengg  und  das  Eintreten  für  die  alten  Sitten  und  Rechte  seiner 
Vaterstadt  gegen  die  Neuerungen  der  Militärverwaltung  das  Vertrauen 
des  Kriegsrates  verspielt  hatte.  Auch  kurz  vor  dieser  abfälligen  Be- 
urteilung seitens  des  innerösterreichischen  Kriegsrates  hatte  K.  — ■ 
wieder  »im  Nahmen  der  Communität  zu  Zengg«  —  gegen  die  von 
Teuflfenbach  »beschehene  Inhibition,  daß  die  Convocirung  erdeüter 
Communitet  durch  den  Glockenschlag  nicht  beschehen  solle«  ^)  vor  dem 
Hofkriegsrate  Klage  geführt  und  um  Aufhebung  dieses  Verbotes  au- 
gesucht. Solche  Proteste,  mag  es  sich  auch  um  Kleinigkeiten  gehandelt 
haben,  wurden  von  den  Militärbehörden  gewiß  nicht  gerne  gesehen.  — 
Erst  gegen  Ende  des  darauffolgenden  Jahres  gelang  es  Kuhacevic,  ein 
stallum  agendi  als  Kriegsagent  »fiirnemblich  in  Erwegang  der  von 
demselben  besitzenden  Kundigkeit  deren  Croatischen  und  Illirischen 
Sprachen«  6)  zu  erlangen. 

Obwohl  sich  K.  zur  Zeit  des  polnischen  Erbfolgekrieges  unter  den- 
jenigen Bürgern  von  Zengg  befand,  die  auf  der  Seite  Kaiser  Karls  VI. 


1)  1730  Exp.  Prot.  2G1. 

2)  1730  Reg.  Prot.  245. 

3)  1730  Exp.  Prot.  695  und  1730  Reg.  Prot.  306. 

4)  1730  Exp.  Prot.  1348. 

5)  1730  Exp.  Prot.  942. 

6)  1731  Just.  Prot.  6S4. 


78  T.  Matic, 

mit  ihren  SchiflFen  französische,  spanische  und  sardinische  Schiffe  ver- 
folgten i),  wurde  dennoch  sein  zu  dieser  Zeit  (1734)  eingereichtes  Gesuch 
»umb  als  Auditor  zu  Zeng  angestellet  zu  werden«  ^)  nicht  berücksichtigt. 
Im  Jahre  1735  scheint  er  vom  Schiffskommando  bereits  zurückgetreten 
zu  sein,  denn  im  Juni  dieses  Jahres  verfügte  der  Hofkriegsrat,  daß  K. 
»Musquetier-Plaz  in  der  Fortezza  ob  Ottoschaz  entweder  persöhnlich  zu 
vertretten  oder  aber  gar  zu  resigniren  angehalten  werden  wolle«  ^). 

Um  diese  Zeit  geriet  Kuhacevic  mit  dem  Generalobersten  von  Karl- 
stadt, Stubenberg,  in  einen  Konflikt,  mit  dem  sich  auch  der  Hofkriegsrat 
zu  befassen  hatte.  Trotzdem  K.  von  der  obersten  Militärbehörde  als 
Kriegsagent  bestellt  war,  wurde  ihm  von  Stubenberg  —  aus  welchen 
Gründen,  wissen  wir  nicht  —  verboten,  dieses  Amt  auszuüben.  K.  be- 
schwerte sich  gegen  das  eigenmächtige  Vorgehen  des  Generals,  der  ihm 
nicht  gestattete  » für  die  Partheyen  Memorialien  zu  verfassen  und  für  selbe 
zu  agentiren«.  Der  Hofkriegsrat  nahm  Kuhacevic'  Rechte  in  Schutz  und 
beschloß  »Stubenberg  zu  bedeuten,  daß  er  dem  supplicirenden  Kuhasche- 
vich  in  seiner  zu  Carlstatt  und  dorthiger  Orthen  treibenden  Agentie  keine 
Hinternuß  machen  solle«*). 

Alsbald  sollte  sich  aber  den  deutschen  Kommandanten  im  Karl- 
städter Generalate  eine  Gelegenheit  bieten,  den  von  ihnen  nicht  gerne 
gesehenen  Kuhacevic  schärfer  anzupacken.  Die  innerösterreichische 
Kriegsstelle  erstattete  im  Januar  1736  an  den  Hofkriegsrat  eine  Anzeige, 
die  nichts  weniger  besagte,  als  daß  K.  die  unzufriedenen  Zengger 
zur  Rebellion  zuverleiten  trachte,  was  aus  zwei  Briefen  Kuhacevic' 
hervorgehe,  die  bei  einem  aus  einer  Zengger  Familie  stammenden  Sol- 
daten gefunden  worden  seien:  »I.  Ö.  Krgs-Stelle  zeiget  an,  wasgestalten 
bey  einem  aus  invermelten  Ursachen  in  Graz  verarrestirten  Soldaten 
Nahmens  Peter  Stauber  von  Zenckh  beykommeude  2  Original- Schreiben 
von  dem  Agenten  Kuchachevich  gefunden  worden,  woraus  erhelle,  wie 
besagter  Agent  eine  Irritung  (sie)  und  Complot  deren  Malcontenten,  ja 
obged.  Stauber  Selbsten  anzuleithen  erweckhe  und  gegen  den  tit.  Raunach 
ingemelte  Beschwärden  vorbringe,  worüber  also  von  dem  Carlstätteri- 
schen  General  eine  Inquisitionscommission  nacherZeng  abgeordnet,  wovon 

1)  1734  Reg.  Prot.  308,  929,  1049  und  1751.  Cf.  Vanicek,  Spezial- 
geschichte  der  Militärgrenze,  Bd.  I,  S.  365—368. 

2)  1734  Reg.  Prot.  603. 

3)  1735  Reg.  Prot.  962. 

4)  1735  Reg.  Prot.  1383. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.       79 

die  einkommende  Acta  sie  überschicken  werden;  fragen  sich  aber  an, 
wie  sie  sich  respu  obbenanten  Kuchachevich  zu  verhalten  hätten«  ^).  Der 
Hofkriegsrat  zog  Kuhacevic  unverzüglich  zur  Verantwortung:  »  .  ,  .  daß 
wider  ihne  verschiedene  Innzüchten,  daß  er  eine  Irritirung  und  Complot 
deren  Malcontenten  zu  Zeng  gegen  den  Raunach  formentiret  (sie)  und  zu 
solchem  Ende  verschiedene  Adhaerenten  an  sich  zu  bringen  gesuchet 
und  wider  ihne  Raunach  aufgehezet  habe,  alhier  angebracht  worden 
seyen,  solle  sich  dahero  sothanner  Mtisshandlungen  halber  verant- 
worthen«  2).  Von  der  Einleitung  des  Verfahrens  gegen  Kuhacevic  wurde 
auch  die  Kriegsstelle  verständigt  3),  die  nun  ihrerseits  weiter  nach  Be- 
weisen suchte,  um  K.  des  ihm  imputierten  Verbrechens  der  Aufwieglung 
gegen  die  vom  Kaiser  eingesetzten  Militärkommandanten  zu  überführen, 
und  sendete  im  März  desselben  Jahres  dem  Hofkriegsrate  »das  wider 
den  Commendanten  zu  Zeng  mit  sehr  ehrenrührischeu  Expressionen  an- 
gefüllte, ihnen  zugekommene  doch  ohne  Nahmens-Unterschrift  verfaste 
Schreiben,  der  aber  hierbey  in  copia  von  dem  tit.  General-Obristen  von 
Stubenberg  angelegten  Nachricht  nach  müsse  gedachte  Schrift  von  dem 
Agenten  Kuchechevich  aus  invermelten  Anzeigen  verfasset  worden  seyn ; 
dahero  das  erforderliche  vorzukehren  seyn  möge,  womit  gegen  den  Ver- 
fasser eine  scharfe  Remonstration  aus  angezogenen  Ursachen  vor- 
genohmen  werde«  ^).  Gleichzeitig  berichtete  die  Kriegsstelle  auch  über 
die  von  der  eingesetzten  Kommission  geführte  Untersuchung,  deren 
Resultat  für  Kuhacevic  sehr  ungünstig  sei :  »  .  .  .  wasmassen  sich  bey 
der  angeordneten  Inquisitionscommission  in  pcto  einer  von  dem  Krgs- 
Agenten  Kuchachevich  angestiften  Irritirung  und  Complot  unter  einigen 
in  Zeng  befündlichen  Malcontenten  gegen  den  aldasigen  Commendanten 
tit.  Raunach  nach  genauer  Untersuchung  die  wider  gedachten  tit. 
Raunach  angezogene  Imputata  unwahrhaft  befunden  haben,  mithin  aus 
angezogenen  Umbständen  und  Ursachen  ged.  Kuchachevich  als  Haubt- 
instrument  solcher  gefährlichen  Aufwicklungen  zu  gebührender  Straff 
gezohen  und  zu  Verhüthung  ferner  dergleichen  Unruhen  das  behörige 
vorgekehret  werden   möge«^j.     Unter  solchen  Umständen  war  es  kein 


1)  1736  Exp.  Prot.  89. 

2)  1736  Reg.  Prot.  130. 

3)  1736  Reg.  Prot.  141. 

4)  1736  Exp.  Prot.  410. 

5)  1736  Exp.  Prot.  415. 


80  T.  Matic, 

Wunder,  daß  am  8.  März  1736  Daun  vom  Hofkriegsrate  beauftragt 
wurde,  er  »solle  den  Kriegs-Agenten  Mathiam  Antonium  Kuhacevich 
mit  aller  Praecaution  und  Stille  arretiren  und  die  bey  selben  etwo  be- 
findende Schrififten  obsignieren  lassen,  fehrner  aber  deßwegen  die  be- 
hörige Anzeiige  erstatten«  '). 

Diese  Angelegenheit,  die  für  Kuhacevic  schlimm  zu  enden  drohte, 
nahm  plötzlich  eine  andere  Wendung,  ohne  daß  man  aus  vorhandenen 
Protokollen  (die  Akten  sind  nicht  erhalten)  den  Grund  erfahren  könnte. 
Wahrscheinlich  hat  sich  der  Hofkriegsrat  aus  den  inzwischen  vorgelegten 
Akten  überzeugt ,  daß  die  Schuld  Kuhacevic'  von  der  Untersuchungs- 
kommission und  der  Kriegsstelle  stark  übertrieben  wurde,  denn  am 
27.  März  erhielt  Daun  Auftrag,  den  Kriegsagenten  Kuhacevic  aus  dem 
Arrest  zu  entlassen  2).  Auch  der  Beschuldigte  wurde  mittels  eines  be- 
sonderen Erlasses  des  Hofkriegsrates  davon  in  Kenntnis  gesetzt:  »cum 
annexo,  daß  er  sich  künfi'tighin  von  seiner  anzüglichen  Schreibarth  in 
denen  führenden  Correspondenzen  enthalten  solle  3).  Wenn  der  Hof- 
kriegsrat glaubte,  daß  K.  sich  mit  der  Wiedererlangung  der  Freiheit  und 
der  Ermahnung,  sich  in  Hinkunft  in  seinen  Briefen  zu  mäßigen,  be- 
gnügen würde,  so  hat  er  sich  gründlich  getäuscht,  denn  kaum  in  Freiheit 
gesetzt  strengte  Kuhacevic  gegen  den  Kommandanten  von  Zengg  einen 
formellen  Rechtsstreit  an:  »Kuchacevich  Mathias  Antoni,  Kriegs- Agent, 
bittet  umb  gnädigste  Communicirung  der  wieder  ihne  denuncirten  Incul- 
pationen  zu  seiner  weithern  Verantworttung,  dann  auch  gnädiger  Ver- 
heißung zur  billichen  Satisfaction  wieder  die  Denuucianten,  mit  A  incl. 
L«4j  Es  ist  schade,  daß  die  so  reichlich  mit  Beilagen  versehene  Ein- 
gabe nicht  erhalten  ist,  denn  sie  hätte  uns  einerseits  einen  inter- 
essanten Einblick  in  die  gespannten  gegenseitigen  Beziehungen  der 
Bürger  von  Zengg  und  des  dortigen  Kommandanten  gewährt  und  an- 
derseits manchen  wertvollen  Beitrag  zur  Kenntnis  des  unruhigen,  nicht 
so  leicht  einzuschüchternden  Kuhacevic  geliefert.  —  Der  Kommandant 
von  Zengg,  Freiherr  v.  Raunach,  wollte  natürlich  nicht  zurückbleiben : 
er  ersuchte  ungefähr  um  dieselbe  Zeit  (im  April  173G)  den  Hofkriegsrat 
»ihme  wegen  des  von  den  Kriegs-Agenten  Mathias  Antoni  Kuchacevich 


1)  1736  Reg.  Prot.  320. 

2)  1736  Reg.  Prot.  413. 
3j  1736  Reg.  Prot.  428. 

4)  1736  Just  Prot.  285;  cf.  auch  1736  Exp.  Prot.  423. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.       81 

verübten  Unfugs  die  billiche  Satisfaction  zu  verschaffen«  i)  und  ging  so 
weit,  daß  er  an  den  Hofkriegsrat  mit  der  Bitte  herantrat  »dem  Kriegs- 
Agenten  Kuchacewiz  ohne  weitherer  Nehmung  (?)  wegen  deren  wieder 
ihne  begangenen  Vermessenheiten  ex  ofifo  zu  bestraffen  und  daß  von 
selben  die  schuldigste  Parition  geleistet  werde«  2).  Der  Hofkriegsrat  ging 
darauf  nicht  ein,  sondern  verwies  Raunach  auf  den  von  der  Gerichts- 
ordnung vorgezeichneten  Weg.  Kuhacevic  verlangte  wieder  seinerseits 
unablässig,  Raunach  soll  ihm  durch  die  Mitteilung  der  gegen  ihn  »denun- 
cirten  Inculpationen»  die  Verteidigung  ermöglichen,  welcher  Meinung 
auch  der  Hofkriegsrat  beitrat  3).  Der  Streit  mit  Kuhacevic  scheint 
Raunach  endlich  sehr  unangenehm  geworden  zu  sein,  denn  im  September 
1736  bat  er  den  Hofkriegsrat,  ihn  von  den  von  K.  »machenden  Unruhen 
zu  befreyen«  4).  Aber  auch  der  Hofkriegsrat  selbst  hielt  es  für  ratsam, 
diesen  Streit  in  kurzem  Wege  zu  erledigen  und  richtete  an  Kuhacevic 
ein  Schreiben,  in  welchem  er  »geanthet«  wird,  »daß  selber  über  dessen 
von  den  Hof-Kriegs-Rath  vor  einiger  Zeit  alhier  beschehene  Arretirung 
einen  Rechtsstritt  gegen  den  Raunach  anzufangen  sich  anmaßet«^). 
Nach  diesem  Erlasse  des  Hofkriegsrates  wird  der  Rechtsstreit  Raunach- 
Kuhacevic  nicht  mehr  erwähnt.  Es  ist  aber  für  K.  charakteristisch,  daß 
er  sich  inmitten  dieses  von  ihm  gegen  den  Kommandanten  von  Zengg 
angestrengten  Prozesses  um  die  in  derselben  Stadt  erledigte  Syndikus- 
stelle bewarb^). 

Durch  die  Konflikte  mit  den  in  der  Stadt  Zengg  verhaßten  Komman- 
danten und  durch  sein  mannhaftes  Auftreten  gegen  diese  unbeliebten 
Fremdlinge  hat  sich  Kuhacevic  Sympathien  seiner  Landsleute  erworben. 
Als  er  sich  im  Jahre  1737  um  das  erledigte  Syndikat  in  der  Lika 
bewarb'^),  traten  sämtliche  Capitaines  zu  Zengg  bei  der  inner- 
österreichischen Kriegsstelle  für  ihn  ein  und  schlugen  ihn  für  die 
erledigte  Stelle  vor.  Die  Kriegsstelle  ging  auf  diesen  Vorschlag  nicht 
ein,  worauf  die  Anhänger  Kuhacevic'  vor  dem  Hofkriegsrate  gegen  die 
innerösterreichische  Kriegsstelle  Beschwerde  führten:    »  .  . .  daß  solche 


'} 

1736  Just. 

Prot. 

286. 

•') 

1736  Just. 

Prot. 

344. 

3) 

1736  Just. 

Prot. 

350,  491, 

577 

und  1186. 

') 

1736  Exp. 

Prot. 

1788. 

S) 

1736  Reg. 

Prot. 

1289, 

f^) 

1736  Exp. 

Prot. 

1277. 

'} 

1737  Reg. 

Prot. 

1410. 

Arch 

iv  für  slavische  Philologie. 

XXSV. 

82  T.  Matic, 

den  von  ihnen  zu  den  liccaner  Syndicat  vorgeschlagenen  Mathias 
Kuhacevich  verworffen«,  und  baten,  »solchen  dahin  ohne  weithers  an- 
zustellen« i).  Die  Kriegsstelle  wich  von  ihrem  Standpunkte  natürlich 
nicht  ab  und  stützte  sich  darauf,  »daß  bis  anhero  ungewöhnlich  ge- 
wesen seye,  obged.  Krieger  als  Auditorn  zu  Graz  in  derley  Fällen  zu 
vernehmen  noch  minder  der  Concurrenten  Memorialien  denen  liccani- 
schen  Capitaneaten  und  Volck  alda  zum  Vorschlag  hinauszugeben*  ^). 

Noch  während  dieses  Kampfes  um  die  Syudikusstelle  in  der  Lika 
berichtete  im  April  1738  die  Kriegsstelle  an  den  Hofkriegsrat  über  die 
unbefugte  Entlassung  eines  gewissen  Konikovic  aus  dem  Arrest  und 
verlangte  für  die  dabei  beteiligten  Baron  Hallerstein  und  Syndikus 
Kuhacevic  eine  Bestrafung  3].  Der  Hofkriegsrat  hat  auf  Grund  dieser 
Anzeige  K.  auf  zwei  Monate  ab  officio  suspendiert.  Kuhacevic  wird  also 
zu  dieser  Zeit  bereits  als  Syndikus  bezeichnet,  —  wahrscheinlich  ist 
er  inzwischen  provisorisch  mit  der  Leitung  des  Zengger  Syndikates  be- 
traut worden,  denn  im  Juni  1739  wird  ein  Gesuch  Kuhacevic'  »umb  die 
Confirmation  in  der  Syndicatstelle  zu  Zeng  mit  Beylegung  des  Auditor- 
tituls«  erwähnt*). 

Die  Beziehungen  Kuhacevic'  zum  neuen  Kommandanten  von  Zengg^ 
Obersten  Lumaga,  waren  alles  eher  als  freundschaftlich :  Lumaga  hat 
ihn  1740  —  aus  uns  unbekannten  Gründen  —  ganz  einfach  des  Dienstes 
enthoben.  Doch  wegen  dieser  Entlassung  geriet  Lumaga  in  Konflikt 
mit  dem  Verwalter  des  Karlstädter  Generalates,  Herberstein,  der  somit 
für  K.  eingetreten  zu  sein  scheint^).  K.  hat  es  natürlich  seinerseits  nicht 
unterlassen,  sein  Recht  vor  dem  Hofkriegsrate  auch  selbst  zu  vertreten, 
und  hat  (im  Mai  d.  J.)  eine  Bittschrift  eingereicht,  »vermöge  welcher  in 
das  Zengerische  Castell-Gerichts-Syndicat  widerumb  restituiret  zu  werden 
anlanget«  ^).  Die  innerösterreichische  Kriegsstelle  hätte  eine  Bestätigung 
der  Entlassung  Kuhacevic'  nicht  ungern  gesehen,  denn  Herbersteins  und 
Lumagas  in  dieser  Angelegenheit  erstatteten  Berichten  hat  die  Kriegs- 
stelle als  ihre  »gutachtliche  Meinung«  beigefügt,  daß  den  Kommandanten 


1)  1738  Exp.  Prot.  213. 

2)  1738  Exp.  Prot.  1901. 
3j  1738  Exp.  Prot.  1183. 

4)  1739  Reg.  Prot.  1226;  cf.  auch  1739  Reg.  Prot.  2115. 

5)  1740  Exp.  Prot.  2334. 

6)  1740  Exp.  Prot.  2357;  cf.  auch  1740  Exp.  Prot.  2374  und  2379  sowie 
1740  Exp.  Prot.  779. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.       83 

von  Zengg  »die  Authorität  einen  Syndicum  abzusezen  nicht  wider- 
sprochen werden  könne« ').  Und  doch  entschied  der  Hofkriegsrat  zu- 
gunsten Kuhacevic'.  Dem  Kommandanten  Lumaga  wurde  als  Erledi- 
gung des  Hofkriegsrates  mitgeteilt:  »  .  .  .  daß  der  zu  Zengg  befindliche 
Syndicus  Kuhascevich  aus  denen  angezeigten  Ursachen  von  seiner 
Charge  übersezet  worden,  seye  Unrecht  beschehen«,  und  es  wurde  ihm 
aufgetragen,  »solche  (die  Charge)  demselben  sogleich  widerumb  einzu- 
raumben  und  den  statt  seiner  aufgenohmenen  Hreglianovich  zu  entlassen ; 
annectendo ,  daß  selber  die  in  Herrndienst  vorfallende  Bericht  immediate 
dem  Herberstein  und  der  Kriegs- Stolle,  allenfalls  kein  periculum  in  mora 
obhanden  wäre,  abzustatten  habe  «2),  Es  ist  begreiflich,  daß  Lumaga 
schon  um  seines  Ansehens  willen  alles  aufbot,  um  den  von  ihm  ein- 
gesetzten Syndikus  gegen  Kuhacevic  zu  halten.  Zu  diesem  Zwecke 
richtete  er  an  den  Hofkriegsrat  ein  Gesuch,  »womit  der  von  ihme  zu 
Triest  (sie)  statt  des  Kuacevich  in  die  dasige  Syndici  Stolle  eingesezte 
Hrelianovich  qua  talis  bestättiget  werden  möge«  3).  Doch  der  gewünschte 
Erfolg  blieb  aus,  denn  der  Hofkriegsrat  verfügte:  »es  habe  sein  Ver- 
bleiben, daß  der  Kuacevich  in  die  ihme  zu  Triest  (sie)  abgenohmen 
wordene  Syndici  StöUe  nach  ehevoriger  Entlassung  des  Hrelianovich 
ohne  weithers  einzusezen  seye;  committendo,  die  gegen  demselben 
habende  Beschwährden  bey  der  I.  Ö.  Kriegs-Stölle  anzubringen«  *). 
Lumaga  reichte  tatsächlich  gegen  K.  bei  der  innerösterreichischen 
Kriegsstelle  eine  Klage  ein,  und  mit  der  Untersuchung  der  vorgebrachten 
Beschuldigungen  wurde  der  Grenzauditor  Widmann  betraut.  Auf  Grund 
des  Berichtes  über  die  durchgeführte  Untersuchung  war  die  inner- 
österreichische Kriegsstelle  der  Meinung,  daß  »ihme  Syndico  (sc. 
Kuhacevic)  nicht  nur  seine  Function  beizulassen,  sondern  gründlich  zu 
untersuchen  wäre,  in  was  Criminal-Causis  ged.  Obriste  Lumaga  einige 
Geld-Straffen  dictiren  lassen,  umb  es  allenfalls  gegen  ihne  zu  anthen«^). 
Als  nach  dem  Tode  Kaiser  Karls  VI.  Bayern  und  Preußen  in  den 
Krieg  gegen  Maria  Theresia  zogen,  wurde  Kuhacevic  als  Auditor  mit 
den  Karlstädter  Grenzern  im  Januar  1742  6)  auf  den  Kriegsschauplatz 


1)  1740  Exp.  Prot.  2357. 

2)  1740  Reg.  Prot.  2098. 

3)  1740  Reg.  Prot.  3140. 
*)  1740  Reg.  Prot.  3142. 

5)  1741  Exp.  Prot.  1273—1274. 
6j  Magdic,  Zivot  i  djela  II. 

6* 


84  T.  Matic, 

nach  Bayern  gesendet.  Im  Sommer  desselben  Jahres  bat  K.  »augestelter 
Auditor  bey  denen  bei  der  Armee  in  Bayern  stehenden  Carstätter  (sie) 
Gränizern  .  . .  umb  das  Confirmationsdecret  und  Conferierung  des  Leuth.- 
Tituls«  ^),  was  ihm  unmittelbar  darauf  vom  Hofkriegsrate  auch  bewilligt 
und  seinem  Kommandanten  Herberstein  mitgeteilt  wurde:  ».  .  .  sonsten 
seye  auch  dem  Zenggerischen  Syndico  Mathiae  Kuhachevich  das  Auditor- 
und  Leuth.-Decret  verwilliget  worden,  des  lezteren  Character  jedoch 
nur  ad  honores  .  .  .« 2).  Mit  der  Armee  zog  Kuhacevic  von  Bayern  nach 
Böhmen,  dann  nach  Elsaß  und  durch  die  Rheiupfalz  wieder  nach  Bayern 
und  Böhmen  3j.  Leider  sind  über  die  Eindrücke,  die  der  Aufenthalt 
im  Auslande  auf  K.  gemacht  hat,  keine  Nachrichten  erhalten.  Vielleicht 
war  in  der  Autobiographie  auch  darüber  etwas  enthalten,  was  in  Magdic' 
kurzem  Auszuge  vor  der  Ausgabe  der  Schriften  Kuhacevic'  nicht  er- 
wähnt wurde. 

Im  Februar  1744  war  Kuhacevic  bereits  nach  Zengg  zurückgekehrt, 
wie  es  aus  einer  in  diese  Zeit  fallenden  Notiz  hervorgeht:  »Kuhacevich, 
Auditor  und  Leuth.  zu  Zeng,  langet  an,  ihme  den  Haubtmannscaracteur 
heyzulegen« '^).  Nach  Magdic^)  wäre  Kuhacevic  bald  darauf,  Ende  1745, 
in  den  Ruhestand  getreten,  was  nach  den  Protokollen  des  Hofkriegsrates 
nicht  richtig  ist,  denn  im  September  1746  berichtete  General  Hildburgs- 
hausen, der  von  der  Kaiserin  mit  der  Reorganisation  der  Karlstädter 
Grenze  betraut  war,  ȟber  das  untern  26.  Aug.  beschehene  hofkriegs- 
räthliche  Insistiren  wegen  Endigung  deren  von  dem  Priester  Pasquale  de 
Valeriis  wider  den  Zengerischen  Corsaren  Cognikovich  formirten  Klag 
und  remonstriret,  warumben  diser  Process  bisanhero  nicht  zu  Ende  ge- 
bracht worden,  wie  und  warumben  hieran  unter  anderen  haubtsächlich 
der  Obristwachtmeister  Portner  und  Auditor  Kuhachevich  die  meiste 
Schuld  hätten,  folglich  auch  was  die  Ursach  seye,  daß  die  Cognikovi- 
chische  Haabschafften  nicht  sequestriret  worden,  und  wie  alle  bisherige 
Unordnungen  zu  Zeng  dahero  entstehen  thätten,  weillen  dise  zu  einer 
Freystatt  erhoben  worden,  auch  solche  nicht  cessiren  würden,  bis  nicht 
■die  Statt  wider  der  Militär- Jurisdiction  untergeben  seyn  wird« '').    Diese 


1)  1742  Exp.  Prot.  1804. 

2)  1742  Reg.  Prot.  1387. 

3)  Magdic  0.  c.  11. 

4)  1744  Exp.  Prot.  554. 

5)  Magdic  0.  c.  12. 

6j  1746  Exp.  Prot.  2335;  cf.  auch  1746  Reg.  Prot.  2008. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brit'ie.       85 

Notiz  über  den  Bericht  Hildburghausens  verrät  schon  den  Willen,  mit 
den  Zenggern  endgültig  abzurechnen.  Offenbar  paßte  das  kleine,  der 
Militärverwaltung  so  abgeneigte  und  auf  seine  Privilegien  sehr  eifer- 
süchtige Städtchen  ganz  und  gar  nicht  in  die  Pläne  des  kaiserlichen 
Generals,  der  ins  Karlstädter  Generalat  mit  der  Mission  entsendet  war, 
eine  im  zentralistisch-absolutistischen  Geiste  entworfene  Reorganisation 
des  Generalates  durchzuführen. 

Das  ganze  Generalat  teilte  Hildburgshausen  in  vier  Regimenter  ein, 
die  mit  den  ebenfalls  neuformierten  vier  Husareneskadronen  ungefähr 
18  000  Mann  stark  waren.  Die  neuen  Formationen  wurden  einheitlich 
organisiert,  alle  bisherigen  Sonderrechte  aufgehoben,  die  einheimischen 
Knezen  abgeschafft  und  die  höheren  Offizierstellen  (einschließlich  der 
Hauptmannsposten)  mit  Fremden  besetzt.  Ursprünglich  war  die  Hälfte 
der  Mannschaft  zur  Verwendung  außerhalb  des  Landes  bestimmt,  doch 
bald  darauf  wurde  der  Ausmarsch  in  drei  Touren  eingeführt^). 

Die  neue  Einrichtung  wurde  in  der  Umgebung  von  Brine  und  bald 
darauf  auch  in  der  Lika  mit  einem  Aufstande  beantwortet.  Man  ver- 
langte mit  Ungestüm  die  Wiedereinführung  der  alten  Einrichtung  und 
bedrohte  insbesondere  die  neuernannten  Offiziere  als  Repräsentanten  der 
neuen  Ordnung.  Zu  blutigen  Zusammenstößen  der  Aufständischen  mit 
den  kaiserlichen  Truppen  kam  es  nicht,  weil  die  ersteren  vorgezogen 
hatten,  eine  Deputation  nach  Wien  zur  Kaiserin  zu  entsenden,  um  auf 
diese  Weise  die  Wiederherstellung  ihrer  alten  Rechte  durchzusetzen  2), 

III. 

Nach  allem,  was  wir  bisher  über  die  Beziehungen  Kuhacevic'  zu 
den  Vertretern  der  Militärgewalt  im  Karlstädter  Generalate  wissen,  ist 
es  nicht  schwer  zu  erraten,  auf  welcher  Seite  seine  Sympathien  waren. 
Wir  könnten  uns  Kuhacevic  im  Augenblicke,  wo  die  durch  Reformen  im 
Volke  hervorgerufene  Unzufriedenheit  zu  wachsen  und  bestimmtere 
Formen  anzunehmen  begann,  als  einen  gleichgültig  imd  müßig  beiseite 
stehenden  Zuschauer  gar  nicht  denken. 

Als  sich  Ende  August  1746  3)  aus  den  aufrührerischen  Gebieten  des 
Karlstädter  Generalates  eine  Deputation  nach  Wien  begeben  hatte,  um  sich 


1)  Vanicek,  Spezialgeschichte  der  Militärgrenze,  I.  Bd.,  S.  499. 

2)  Vanicek,  ib.,  I.  Bd.,  S.  5uO— 506. 

3)  Vanicek,  o.  c,  I.  Bd.,  S.  504. 


86  T.  Matic, 

bei  der  Kaiserin  gegen  die  neuen  Reformen  zu  beschweren,  wurde  der  Hof- 
kriegsratspräsident Graf  Harrach  beauftragt,  über  die  eingereichten  Be- 
schwerden eine  genaue  Untersuchung  einzuleiten.  Um  die  Untersuchung 
zu  vereinfachen,  wurde  eine  besondere  Kommission  eingesetzt,  die  im 
Hause  des  Prinzen  von  Hildburgshausen  die  Deputierten  »mit  aller 
Accuratesse  und  Punctualität«  verhört  und  über  deren  Verhör  dem  Hof- 
kriegsrate einen  ausführlichen  Bericht  vorgelegt  hat.  Auf  Grund  dieses 
Berichtes  hat  nun  auch  der  Hofkriegsrat  die  Deputierten  einvernommen, 
die  alles,  was  sie  in  den  früheren  Verhören  ausgesagt  hatten,  vollauf  be- 
stätigten 1). 

Als  Ergebnis  dieser  Voruntersuchung  wurde  der  Kaiserin  berichtet : 
»  .  .  .  dass  theils  die  Zengnianer,  theils  einige  Commendanten,  beson- 
ders der  Obristwachtmeister  Baron  Gall  zu  Brindel  (allwo  die  Auf- 
ruhr angefangen)  nebst  seiner  Ehe-Consortin,  einer  gebohreneu 
Zengerin,  und  theils  der  Auditor  Kuhasevich,  ebenmäßig  ein 
Zengnianer,  die  wahre  und  fürnehmste  Urheber  des  ganzen 
Aufstandes  seyen«^).  Die  Zengger  hätten  den  Verlust  ihrer  Stipendien 
für  eine  Folge  der  neuen  Einrichtungen  gehalten  und  sich  der  Hoffnung 
hingegeben,  nach  der  Abschaffung  dieser  Einrichtung  ihre  Stipendien 
von  der  krainischen  Landschaft  wieder  zu  erlangen.  »Hiernechst  hat 
ihnen  Zengnianereu  die  eingelegte  tetitsche  Garnison,  wo- 
durch denenselben  ein  Zaum  angeleget  und  haubtsächlich 
das  unbeschränkte  Contrabandiren  verhindert  wird,  über 
die  Massen  in  die  Augen  gestochen,  dahero  selbe  eine  so  andere 
Emissarien  ausgeschicket  und  dem  Volckh  alles  Übel  von  der  Einrich- 
tung, wie  nemblich  ihnen  die  Mondur  bloß  zu  dem  Ende,  um  sie  zu  obli- 
gaten Soldaten  zu  machen,  ausgetheilet  würde,  daß  sie  solche  bezahlen 
müsten ,  auch  daß  die  versprochene  Besoldungen  nur  ein  Blendwerk  und 
kein  Fundus  darzu  bej^handen  wäre;  und  sonsten  alles,  was  sie  zu  Ge- 
hässigmachung  der  Einrichtung  und  Aufwieglung  des  ohnehin  arg- 
wöhnischen Volcks  nur  immer  erdenken  können,  beybringen,  ja  endlichen 
dasselbe  gar  animieren  lassen,  daß  es  sich  auf  Zeng  begeben  und  mit 
ihnen  die  teütsche  Garnison  von  dannen  vertreiben  helflfen 
solte,  welches  leztere  jedoch   pur  und   allein  aus  Furcht  nicht  unter- 


1)  Bericht  des  Hofkriegsratspräsidenten  an  die  Kaiserin  dd.  24.  Dez. 
1746  (Akt:  1747  Jan.  610). 

2)  Ibid. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Briiie.       87 

nohmen  worden«  ^).  Der  Kommandant  von  Brine,  Baron  Gall,  und  seine 
Gemahlin  »haben  beede  vor  entstandener  Aufruhr  sich  mit  dem  Auditor 
Kuhasevich,  nach  aydlicher  Aussage  seines  eigenen  mit  ihme  hier  an- 
wesenden Cammeradens,  des  llaubtmanns  Chiolich  (welches  auch,  und 
was  noch  ferners  hiernach  folget,  von  denen  übrigen  Deputirten  eben- 
fals  aydlich  bestättiget  worden),  zu  villen  Stunden  unterredet,  und 
gleich  darauf,  da  die  Tumultuanten  schon  würkhlich  ohnweit  Zeng 
gelaagert  waren,  die  Br.  Gallin  sich  dahin  nacher  Zeng  verfüget,  al- 
da  mit  dem  Kuhasevich  auf  das  neue  Unterredung  gepflogen  und  nicht 
allein  die  Brindlerische  Deputii'te  (wie  sie  es  nachher©  dem  Matte 
Sertich  Selbsten  geoifenbaret)  an  den  schon  damahls  als  Zengerischer 
Deputirter  ernennt  gCAvesten  Kuhasevich  bestens  recommandiret,  son- 
dern auch,  daß  er  selbigen,  um  die  neue  Einrichtung  zu  praecipitiren 
und  die  alte  Gewohnheiten  wider  emporzubringen,  an  Hände  stehen  solle, 
gebetten«  ^). 

Kuhacevic  hatte  sich  als  Deputierter  der  Stadt  Zengg  im  August  2) 
nach  Wien  begeben  und  soll  mit  der  Grenzerdeputation  gleich  nach  ihrer 
Ankunft  in  Verkehr  getreten  sein :  »  .  . .  wie  aber  die  Brindler  Deputirte 
alhier  in  Wienn  kaum  angelanget,  seynd  von  ihme  denenselbeu  allerhand 
gefährliche  Anschläge  an  Ilande  gegeben  und  sogar  in  dem  ersteren  be- 
reits verfertigt  gewesten  Memorial  eine  sehr  bedenkhliche  Clausul  einge- 
fliket  worden ,  so  ganz  handgreiflich  aus  deme  erhellet,  daß  die  übrige 
Handschrifft  sothanen  Memorials  in  guter  teütscher  Sprache,  diser  An- 
hang aber  in  vollkommenen  Croatisch-Teütschen  beygesezet  seye.  Und 
hat  er  weiters  ihnen  Brindleren  bey  ihrer  lezteren  Anherokunfft  den 
Vorschlag,  daß  Sie  ihn  vor  ihren  Agenten  eigens  begehren  solten, 
wonach  er  schon  alles  in  die  Wege  richten  und  das  Steüer-Ruder  führen, 
sofort  ihnen  den  Endzweck  in  Beybehaltung  der  alten  Gebräuchen  zu 
erlangen  trachten  wolle,  gemachet;  ja  sogar,  als  er  in  ihren  Punctis  ver- 
merket, wie  selbe  die  Mundirung  anzunehmen  sich  erkläret,  sie  in  fol- 
genden Terminis:  daß  sie  sich  durch  Annehmung  der  Mondur  auch  der 
neuen  Einrichtung  unterwerffen  thäten,  wo  alsdan  alles  verlohren  und  es 
um  ihre  Freyheit  gethan  seyn  würde,  —  sothanen  Punct  auszulassen  auf 
das  nachdrücklichste  ermahnet,  sich  annebst  erfrechet,  die  vh.  (?)  be- 
rührte  Deputierte,   da  von  Euer   Kay.  König.  Mtt.  ihnen   die 


1)  Ibid. 

2)  Magdic,  Zivotidjela,  S.  12. 


88  T.  Matic, 

Stunde  zur  Audienz  bereits  gegeben  wäre,  davon  abzuhalten 
und  selbe  zu  überreden  zu  suchen,  ehender  die  Audienz  nicht  zu 
nehmen  oder  einige  Klag-Puncten  zu  überreichen,  bis  nicht 
vor  allem  er  Kuhasevich  ihnen  qua  Procurator  zugeordnet 
seye.  Dasjenige  aber,  so  dessen  geführtes  böses  Absehen  am 
allermeisten  bestärket,  hat  sich  in  seinen  intercipirten 
Schrifften  geäusseret:  angesehen  darinnen  verschidene  Correspon- 
denzen,  wo  er  nicht  allein  dem  Feldt-Marschalllieut.  Gr.  v.  Herberstein 
dan  denen  Malcontenten  in  bedeuckhlichen  Terminis  zugeschriben  und 
seine  Freude  über  die  schon  eingebildete  Umbstttrzung  der  neuen 
Einrichtung  entdecket,  sondern  auch  mit  denen  Zeugnianern  darüber 
Briefe  gewechslet  sich  vorgefunden,  unter  welchen  forderst  von  einem 
Zenger  Correspondenten  ein  Schreiben  vorhanden,  woiinnen  er  sich 
rühmet,  wasgestalten  sein  Antrag  gewesen,  sich  der  teütschen 
Garnison  bey  ihrer  Ankunfft  mit  gewaffneter  Hand  zu 
wider sezen,  selber  angegen  von  seinen  Cammeraden  (die  er  gleich- 
sam als  zaghaffte  Gemüther  anklaget)  hiereinfahls  nicht  secundiret  wor- 
den seye. 

Nebst  disen  hat  man  ein  von  ihme  Kuhasevich  aufgeseztes  Coucept 
einer  sogenanten  Synoptischen  Information  gegen  die  Einrichtung 
gefunden,  welches  alleinig  genug  und  hinläuglich  ist,  ein  derley  Feuer, 
wie  in  dem  Generalat  entstanden,  anzustellen.  Dise  Information  ist  mit 
dem  lateinischen  unter  oben  allegirten  Beschwärdten  befindlichen,  nach 
Anzeige  derer  Deputirten  in  dem  Generalat  gefasten  Pro  memoria 
sowohl  in  substantia  als  auch  in  stylo  völlig  gleich  und  mit 
denen  nemblichen  Unwahrheiten  gegen  die  Einrichtung,  wie  sie  dem 
Volck  in  dem  Generalat  beygebracht  und  deren  Ungrundjezo  von  ihnen 
Deputirten  schon  angezogenermassen  einhellig  erkennet  und  bekennet 
worden,  angefüllet;  woraus  dan  eine  grosse  Einverständnus  zwischen 
ihme  und  denen  Rebellen  abzunehmen  ist.  Er  hat  auch  in  solcher  die 
abscheulichsten  Argumenta,  wordurch  einem  jeden,  welcher  von  dem 
wahren  Systemate  nicht  unterrichtet  ist,  die  allergehässigste  Idee  von 
selbigen  inspiriret  werden  mag,  hirfür  gesuchet  und  darüber  noch  in 
erdeüter  Schriift  unverschämbt  angeführet,  daß  würkhlich  über4000Lic- 
caner  der  Einrichtung  halber  emigriret  wären,  wo  doch  nach  eigenem 
Bericht  des  verstorbenen  Obristens  de  Pozi  (der  ganz  gewiß  kein  Freund 
der  Einrichtung  gewesen)  nur  einigwenige  wegen  der  eingerissenen 
Hungers-Noth,  keinerdings  aber  wegen  der  neuen  Einrichtung,  auch  bey 


i 


Der  kroat.  Schriftseiler  M.  A.  Kuhacevic  n.  d.  Aufstand  v.  Brine.       89 

weitem  nicht  so  ville  Hundert,  als  er  von  Tausenden  redet,  aus  dem 
Land  gezohen  seind«  .  .  .  ^), 

Die  Synoptische  Information,  die  Kuhacevic  so  sehr  belastete, 
wird  auch  in  seinen  Schriften  als  Hauptgrundlage  der  gegen  ihn  er- 
hobenen Anklage  und  des  in  der  Folge  gefällten  Urteiles  bezeichnet: 

Ovdi  ces  rec:  »Pismo  je  ti  vrat  slomilo, 

koje  je  otajno  tvo  pero  slozilo. 
Cisto  si  pred  sudom  rekal  i  valoval, 

prot  znaiiu  i  dusi  da  s'  ga  pod  pero  klal.« 
To  j'  istina,  vindar  'z  nega  ne  izhodi, 

puntarskoj  da  podah  zrok  kakov  prigodi. 
Pismo  anda  ni  mi  moglo  vrat  slomiti 

i  kako  puntara  na  smrt  odsuditi, 
sto  s'  u  nem  uzdrzi  star  stalis  krajine, 

nov  red  i  zrok,  da  se  ov  slaksa  il  zdigne, 
jer  daprem  novi  red  jest  vec  neg  potriban, 

vindar  da  j'  sadasni  opcini  skod|ivan. 
Opcinskoga  dobra  iz  prave  lubavi, 

sto  znah  i  cuh,  pero  na  hartu  postavi. 
Svidok  je  Bog  mili,  po  dusi  i  znafiu 

iipucene  podah  u  tom  dugovanu. 
Da  pak  odoh  na  se,  sto  me  na  to  spravi? 

Evo  ti,  poslusaj  od  toga  zrok  pravi : 
tvoja  od  muk  grozna,  ovo  j'  uzrocilo 

bogolubna  sudca  nespodobno  dilo. 
Jer  kadgod  ue  rekoh,  sto  si  zelil  znati, 

groznju  od  muk  morah  na  pleca  pobrati. 
K  tomu  i  ufaiie,  ako  pojdem  na  se, 

da  morebit  stignem  polaksane  za  se; 
jer  ostrocu  resta,  s  kojom  me  drzase, 

iz  tela  mi  dusu  silom  izganase^). 

So  spricht  Kuhacevic  in  seinem  List  na  sudca  od  Korane  (Sendschreiben 
an  den  Richter  von  der  Korana)  und  erklärt  in  einer  Fußnote,  daß  unter 
»pismo«  die  Synoptica  informatio  circa  vetus  et  novum  regula- 
rtientum  generalaius  Carlostadiensis  gemeint  ist.  Diese  Schrift  wurde 
von  Kuhacevic  dem  Beichtvater  der  Kaiserin  übergeben  ^j.    Im  Berichte 


1)  Bericht  des  Hofkriegsratspräsidenten  an  die  Kaiserin  dd.  24.  Dez. 
1746  (Akt:  1747  Jan.  610). 

2)  Magdic,  Zivot  i  djela,  S.  65—66. 

3)  Bericht  des  Hofkriegsrates  an  die  Kaiserin  dd.  10.  Juli  1749,  Blatt  35 
(Akt:  1749  Okt.  549). 


90  T.  Matic, 

des  Hofkriegsratspräsidenten  vom  21,  Dezember  1746  wird,  wie  wir  ge- 
sellen haben,  ausdrücklich  gesagt,  Kuhacevic'  Stjnoptica  informatio  sei 
»mit  dem  lateinischen  unter  oben  allegirten  Beschwärdten  befindlichen, 
nach  Anzeige  derer  Deputirten  in  dem  Generalat  gefasten  Pro  memoria 
sowohl  in  substantia  als  auch  in  Stylo  völlig  gleich  und  mit  denen 
nemblichen  Unwahrheiten  gegen  die  Einrichtung,  wie  sie 
dem  Volck  in  dem  Generalat  beygebracht  und  deren  Un- 
grund  jezo  von  ihnen  Deputirten  schon  angezogenermassen 
einhellig  erkennet  und  bekennet  worden,  angefüllet.«  lu  den 
Akten  des  Kriegsarchivs  befindet  sich  weder  dieses  Pro  memoria  noch 
Kuhacevic'  Information:  es  sind  überhaupt  nur  die  dienstlichen  Berichte 
der  Instanzen,  die  sich  mit  dem  Aufstaude  von  Brine  zu  befassen  hatten, 
erhalten,  während  das  übrige,  sehr  interessante  Material  (Protokolle  über 
die  Verhöre,  konfiszierte  Korrespondenzen  und  Papiere  der  Beschuldigten 
u.  dgl.)  ausgeschieden  und  ohne  Zweifel  veruichtet  wurde,  Kach  dem 
erwähnten  Berichte  des  Hofkriegsratspräsidenten  hat  Kuhacevic  in  der 
Synoptica  informatio  gegen  die  neue  Einrichtung  im  ganzen  und  großen 
dieselben  Beschwerden  vorgebracht  wie  die  von  den  Grenzern  nach  Wien 
gesendete  Deputation.  Die  Beschwerden  der  letzteren  sind  in  demselben 
Berichte  in  zwölf  Punkte  zusammengefaßt  und  jedem  Punkte  seitens  der 
üntersuchungskommission  eine  Widerlegung  beigefügt.  Da  nun  diese 
Beschwerden  einerseits  nicht  nur  bei  der  Beurteilung  der  Beteiligung 
Kuhacevic'  an  der  Protestbewegung  sondern  auch  als  Ausgangspunkt 
der  im  Karlstädter  Generalate  ausgebrochenen  Unruhen  sehr  in  Betracht 
kommen,  anderseits  aber  deren  Widerruf  vor  dem  Hofkriegsrate  das 
klägliche  Scheitern  der  Aktion  der  Deputierten  und  in  der  Folge  des 
ganzen  Aufstandes  grell  illustriert,  wollen  wir  sie  in  ihren  Grundzügen 
kennen  lernen, 

»Nun  bestehet  —  heißt  es  im  Berichte^)  —  der  erste  Punct  ihrer 
teutschen  und  lateinischen  Beschwährungsschriflft  in  deme,  daß  sie  ehe- 
dessen  mit  ihren  Grundstücken  und  dem  Holzschlag  nach  Gefahlen  ge- 
schaltet und  gewaltet  hätten,  nunmehro  aber  verbotten  seye,  die 
Terrains  weder  vergrösseren,  noch  verkaufen,  noch  ver- 
hypotheciren  oder  per  testamentum  etiam  ad  pias  causas 
leg  Iren,  wie  auch  in  denen  Waldungen  nicht  mehr  nach  Belieben  Holz 


1)  Bericht  des  Hofkriegsratspräsidenten  dd.  24.  Dez.  1746   (Akt:  1747 
Jan.  610). 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.       91 

schlagen  zu  können».  Diese  Beschwerde  suchte  man  hauptsächlich  durch 
Hervorhebung  des  Umstandes  zu  entkräften,  daß  »die  Grundstücke 
ihnen  Gränzeren  nur  zu  ihrer  Nuzniessung,  nicht  aber  als  ein  freyes 
Eigenthum,  und  zwar  mit  dem  ausdrückhlichen  Beding,  daß  sie  davon 
ihre  Militärdienste  praestiren  müssen,  aus  allerhöchst  kay.  Gnaden  ver- 
lihen  worden».  Bemerkenswert  ist  es,  was  im  Anschlüsse  darauf  über 
den  Zeitpunkt  sowie  die  Art  und  Weise  der  Ausrottung  der  Wälder  im 
kroatischen  Küstenlande  gesagt  wird:  »Es  erinneren  sich  noch  Leüthe 
gar  wohl,  daß  hiebevor  die  ganze  Meer-Seithen  mit  dem  schönsten  Ge- 
hölz versehen,  und  da  andurch  der  starke  Bora-Wind  angehalten  wurde, 
auch  die  Menge  guter  Baufelder  alda  zu  finden  gewesen;  nachdeme  aber 
die  Gränizer  seithero  sich  vorbemelter  Freyheit  ohnerlaubter  Weise  ge- 
brauchet, 'so  ist  nunmehro  durch  sothane  Unordnung  nicht  nur  das  er- 
wachsene Stammholz  daselbsten  völlig  ausgerottet,  sondern  auch  das 
Erdreich  dem  gewaltsamen  Bora -Wind  dergestalten  losgestellet ,  daß 
anjezo  an  dem  ganzen  Lido  nichts  als  der  pure  rauhe  Felsen  zu  sehen 
ist».  —  »Angehend  den  zweyten  Beschwärungs-Punct,  daß  die  Zenger 
Haubtmannschaift  anstat  derer  ehehin  zu  stellen  gehabten  4  Compag.  zu 
Fuss  und  1er  zu  Pferdt  dermahlen  9  Compag.  formiren  müste»,  wird 
vom  Berichterstatter  eingewendet,  daß  die  Lage  der  armen  Bevölkerung 
dadurch  gar  nicht  verschlechtert  sei,  denn  früher  habe  man  die  Reichen 
ungerechterweise  vom  Militärdienste  befreit.  Der  dritte  Beschwerdepunkt 
bezog  sich  auf  die  Aufhebung  der  früheren  Bestimmung,  nach  welcher 
eine  Witwe,  die  im  Hause  keinen  »streitbahren  Mann»  hatte,  drei  Jahre 
von  der  Stellung  eines  Ersatzmannes  befreit  war.  Diese  Beschwerde 
sollen  die  Deputierten  selbst  als  unbegründet  fallen  gelassen  haben, 
»  .  .  .  selbe  erkeneten  aber  die  jezige  Einrichtung  vill  besser  zu  seyn, 
da  nemblich  die  Wittiben,  weillen  sie  die  Grundstücke  genüsseten,  auch 
gleich  denen  anderen  ihren  Mann  beyzuschaffen  haben,  um  so  mehr  als 
sonsten  diesfältiger  Abgang  die  anderen  zu  hart  betreffen  würde». 
»Viertens  wird  als  ein  Gravamen  von  ihnen  angeführet,  daß  zur  Zeit 
der  Ablösung,  da  die  Helfte  derer  Regimenter  im  Feld 
stünde  und  die  andere  Helfte  dahin  marchiren  solte,  die 
Häuser  lär,  folgsamb  die  Haus-  und  Feld-Arbeiten  erligen 
bleiben  müsten  .  .  .«  »Fünfftens  seynd  sie  Deputierte  über  die  wegen 
Praeterirung  derer  nationalen  Kneesen  und  Porkulaben,  dan 
wegen  Anstellung  frembder  Officiers  führende  Klagen  ebenfahls 
befraget,    von  selben   aber  geantwortet  worden,    wie  ihnen  von   einer 


92  T.  Matic, 

deiiey  Klage  nichts  bekant  seye  und  vilmehr  das  Gegentbeil  sieb  er- 
weise, da  einige  Kneesen  würkblicb  promoviret,  die  andere  hingegen  in 
ihrer  Würde  und  anbey  in  dem  Genuß  ihrer  Poschasbinen  gelassen  .  .  . « , 
»Über  den  6.  Punct,  daß  die  Gränizer  zu  20  und  30  Officiers  in  einem 
Haus  leiden  müsten,  haben  sie  Deputirte  die  Erläuterung  gegeben  und 
seynd  sogar  in  folgende  Formalia  herausgebrochen:  daß  dise  Be- 
schwärdte  nur  eine  leere  Vorstellung  und  des  Teüffels  Gedanken  ge- 
wesen seye,  der  solches  hineingeschriben  habe:  .  .  .«.  »Respectu  des 
siebenden  Beschwährungs-Puncts,  daß  die  sogenante  Venturiner,  welche 
keiue  Gründe  besizen,  jedannoch  im  Feld  dienen  oder  Contributionen 
bezahlen  müsten,  ist  auf  weiteres  Verlangen  von  ged.  Deputirten  die 
Auskunfft  erstattet  worden,  wasmassen  sie  von  keiner  Contributions- 
Anlaag  wisseten  oder  vernehmen  hätten  .  .  .«  Daß  es  so  viel  Venturiner 
gebe,  sei  die  reichere  Bevölkerung,  besonders  aber  die  Zengger  schuld, 
die  den  Grenzern  »mit  unbeschreiblichem  Wucher«  auf  deren  Gründe 
Geld  geborgt  hätten,  »bis  sie  selbige  nach  und  nach  an  sich  gerissen 
haben«,  ohne  jedoch  die  mit  dem  Grundbesitze  verbundenen  Pflichten  zu 
erfüllen.  »Achtens:  erscheinet  zwar  aus  ihrer  schrifftlichen  Klage  in 
Angelegenheit  derer  Stipendien,  daß  solche  theils  gänzlich  aufgehoben, 
theils  dergestalten ,  daß  weder  Infant,  noch  Cavall.  dabey  bestehen 
könte,  herabgesezet  worden  wären«,  während  in  der  Tat  die  äußerst 
seltenen  Fälle  der  aufgehobenen  von  der  Zahl  der  neuverliehenen  Stipen- 
dien bei  weitem  tibertroffen  wtirden;  außerdem  komme  auch  die  gegen- 
wärtige regelmäßige  Auszahlung  der  Stipendien  im  Vergleiche  mit  der 
bisherigen  Unordnung  den  Grenzern  sehr  zustatten,  so  daß  infolgedessen 
auch  eventuelle  Verminderungen  der  Stipendien  bloß  scheinbar  seien. 
Die  Deputierten  sollen,  nachdem  sie  in  diesem  Sinne  aufgeklärt  wurden, 
diesen  Beschwerdepunkt  mit  Bedauern  als  unbegründet  zurückgezogen 
haben:  »  .  .  .  und  haben  hierauf  dieselbe  sich  darvor  bedanket,  auch 
entschuldiget,  daß  sie  aus  Mangel  hinlänglicher  Wissenschafft  zu  diser 
Beschwärde  von  anderen  verführet  worden  seyen.  Ein  gleiches  haben  sie 
—  neuntens  —  wegen  der  Mondur  beygebracht:  daß  sie  nur  von  an- 
deren, absonderlich  von  denen  Zengeren,  wie  es  der  Catalinitsch  und 
Biundich  unter  ihnen  ausgestreüet ,  tiberredet  und  zu  glauben  verleitet 
worden  wären,  daß  selbe  die  empfangende  Mondur  wtirden  bezahlen 
müssen«.  —  »Auf  die  Beschwehrde,  daß  —  zehntens  —  alt  erlebte  und 
tiber  60-jährige  Leüthe  in  das  Feld  zu  ziehen  gezwungen  wären,  zeiget 
sich  gerade  das  Widerspiel  .  .  .«      »Eilfi'tens  haben  sie  Deputirte  nicht 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.       93 

minder  bekennen  müssen,  die  Praestation  der  Robath,  Vorspann  und 
das  Saum-Treiben  nicht  nach  der  neuen  Verfassung,  sondern  nach  dem 
vorhinigen  alten  Gebrauch  beschehen  zu  seyn.  In  gegenwärtiger  Ein- 
richtungs-Norma  ist  ausdrückhlich  vorgesehen,  daß  das  Saum-Treiben 
ausser  Landes,  ingleichen  daß  Robath  vor  die  Officiers  gänzlich  abge- 
stellet  und  einerseits  ohne  Vorweisung  einer  Anschaffung  vom  Commando 
niemanden  einige  Vorspahu  verabfolget,  andererseits  aber  solches  nicht 
umbsonst,  wie  vorhin,  genohmen,  sondern  nach  der  ausgeworffenen  Tax 
bezahlet  werden  solle«.  —  »Anbetreffend  —  zwölfftens  —  die  wegen 
deren  nach  Ottoschaz  zu  geben  habenden  Ordonnanzen  geregte  Be- 
schwärten, hierauf  haben  sie  Deputirte  gemeldet,  daß  selbe  nicht  so  vill 
über  die  Ordonnanzen  sich  beklageten,  sondern  nur  die  Gemüther  derer 
Brindleren  mehrer  denen  Zengeren  als  Ottoschanern  geneigt  wären,  an 
welchem  lezten  Ort  folgsam,  wan  die  Zenger  von  dem  Militari  ausge- 
schlossen worden,  die  Officiers  zu  stehen,  somit  auch  die  Ordonnanzen 
dahin  abzuschicken  kommen«. 

IV. 

Als  Kuhacevic  die  Mitglieder  der  Grenzerdeputatiou  zu  überreden 
trachtete,  ihre  Beschwerden  nicht  allein  vorzubringen,  sondern  zu  ver- 
langen, daß  er  ihnen  als  »Agent«  oder  »Prokurator«  beigegeben  werde, 
hat  er  wohl  gewußt,  daß  sie,  sich  selbst  überlassen,  ein  Spielballen  in  den 
Händen  derjenigen  sein  werden,  die  bestrebt  waren,  die  Beschwerden 
der  Deputation  möglichst  zu  entkräften.  Die  Deputierten  waren  ja  ein- 
fache, ungebildete  Leute,  die  es  wohl  verstanden  haben,  zu  Hause  Lärm 
zu  schlagen  und  zu  drohen,  die  aber  weder  die  nötige  Intelligenz  noch 
den  Mut  hatten,  ihre  Klagen  vor  hohen  Würdenträgern  des  Staates  zu 
vertreten.  Was  Kuhacevic  befürchtet  hatte,  traf  auch  ein:  die  Deputierten 
ließen  sich  einer  nach  dem  anderen  von  den  Mitgliedern  der  kaiserlichen 
Kommission  belehren,  daß  ihre  Beschwerden  ganz  und  gar  unstichhältig 
und  grundlos  seien:  »In  der  ersten  bey  Hof-Kriegs-Rath  beschehenen 
Vorberufung  derer  dreyen  Deputirten  haben  dise  bey  Verlesung  ihrer 
Klag-Puncten  mehrere  theils  die  Achslen  geschupft,  theils  selbige  gar 
geläugnet  und  dem  Schrifften-Steller  dessen  die  Schuld  beigemessen, 
theils  vor  pure  Unwahrheiten  erkennen  zu  müssen  erkläret,  — ja,  daß 
sie  es  schon  untereinander  Selbsten  gesprochen  und  der  alte  90-jährige 
Mann  mit  Nahmen  Pajan  seinen  Cameraden  gleich  nach  der  Audienz  mit 
folgenden  Worten:  »Hab  ichs  euch  nicht  allezeit  und  schon  zu  Haus  ge- 


94  T.  Matic, 

sagt,  daß  wir  mit  lauter  s.  v.  Lügen  anhero  kommen»  zugeredet  zu  haben 
von  frej'en  Stucken  gestanden.  Von  denen  übrigen  ist  in  denen  Special- 
Verhören  das  nembliche  fast  bey  jedem  Punct  erwehnet  und  nur  jeder- 
zeit gegen  die  Zenger,  so  sie  verführet,  und  andere,  welche  ihnen 
das  gute  von  der  Einrichtung  nebst  allem,  was  zu  ihrem  Trost  und 
Nuzen  dabey  gereichet,  verborgen  und  verheelet,  im  Gegentheil  aber  dem 
Voick  so  villen  bösen  Argwohn  beygebracht,  sich  beklaget  worden«  ^). 

Nachdem  also  die  Untersuchungskommission  zur  Überzeugung  ge- 
langt war,  daß  die  Beschwerden  der  Deputation  gar  nicht  begründet 
seien,  sondern  daß  »die  Supplicanten  villmehr  revoltiret  und  eine  ordent- 
liche Aufruhr  erweket  haben,  als  wurden  die  siben  Abgeordnete  den 
6.  Novembris  ejusdem  anni  allhier  arrestiret  praeliminariter,  wegen  der 
entstandenen  Aufruhr  examiniret  und  drey  darvon,  nemlich  der  Mathe 
Sertich  oder  Suaka,  Radivoy  Marichich  und  der  alte  Jure  Dumenchich 
nebst  des  Quicciardischen  Infanterie-Regiments  Leuth.  und  Auditor 
Matthia  Anton  Kuhacevich ,  welcher  ohne  Erlaubnuß  seiner  vorgesezten 
Oberen  als  Deputirter  von  der  Statt  Zeug  anhero  sich  begeben  und  die 
entstandene  Aufruhr  in  allweeg  zu  unterstützen  gesuchet  hat,  ge- 
schlossener nacher  Carlstatt  zur  weiteren  Inquisition  abgeschiket,  die 
übrige  vier:  Jure  Drassinovich ,  Ossip  Vukelich,  Miho  Buttoraz  und 
Nicola  Bayen  aber  des  Arrests  entlassen«  -). 

Seine  Verhaftung  führte  Kuhacevic  auf  eine  vom  Zengger  Bischof 

V 

Vuk  Colic  Freiherrn  v.  Löwensberg  an  einen  hohen  kaiserlichen  Würden- 
träger gesendete  Denunziation  zurück.  Nach  Magdic  —  der  diese  Nach- 
richt wohl  aus  Kuhacevic'  Autobiographie  schöpfte  —  soll  derBischof  ge- 
schrieben haben,  daß  der  Aufruhr  in  der  Lika  und  dem  Küstenlande 
gleich  aufhören  würde,  sobald  Major  Gall,  Major  Portner  und  Auditor 
Kuhacevic  verhaftet  seien  3).  Im  Sendschreiben  an  seinen  Vetter  Frano 
sagt  Kuhacevic: 

Toti  (sc.  in  "Wien)  me  niki  duh,  Bog  se  znaj  ke  vire, 
razpisa,  kot  da  bih  uzrok  puntarije*) 

und  bemerkt  in  einer  Fußnote,  daß  unter  diesem  duh  (Geist)  »od 
primorskih  stran  vladika»  zu  verstehen  sei.    Da  der  Zengger  Bischof  im 


1)  Akt:  1747  Jan.  610. 

2)  Bericht  des  Hofkriegsrates  an  die  Kaiserin  dd.  10.  Juli  1749,  Blatt 
(Akt:  1749  Okt.  549). 

3j  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  13. 
4)  Ib.,  p.  49. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Briiie.       95 

kroatiachen  Ktistenlande  der  einzige  Bischof  war,  kann  Kuliacevic  nur 
an  ihn  gedacht  haben.  Anspielungen  an  den  dah  und  lukavi  dtih^  der 
Kuhacevic  durch  Anzeige  zugrunde  gerichtet  haben  soll,  begegnet  man 
noch  einigemale  in  seinen  Sendschreiben  *).  In  den  Akten  des  Kriegs- 
archivs wird  das  Einschreiten  des  Bischofs  von  Zengg  gegen  Kuhacevic 
mit  keinem  Worte  erwähnt:  alsGrund  der  Verhaftung  Kuhacevic' wird  viel- 
mehr —  wie  wir  gesehen  haben  —  nur  das  Resultat  der  gegen  ihn  und  die 
Deputierten  in  Wien  durchgeführten  Voruntersuchung  augegeben.  In 
dieser  Untersuchung  ist  auch  ein  Bruder  des  Zengger  Bischofs,  Haupt- 
mann Matija  Colic,  der  mit  Kuhacevic  als  Deputierter  der  Stadt  Zengg 
nach  Wien  gekommen  war,  verhört  worden  und  hat  unter  Eid  ausgesagt, 
daß  Kuhacevic  mit  Gall  und  dessen  Gemahlin  den  Aufstand  vorbereitet 
und  gefördert  habe  2).  Vielleicht  hat  diese  belastende  Aussage  des  Haupt- 
mannes Colic  Kuhacevic  Anlaß  gegeben,  an  ein  Einschreiten  des  Bischofs 
Colic,  dessen  Bruders,  zu  denken?  Nach  Fächer 3)  hätte  Kuhacevic 
gegen  den  Bischof  eine  Satire  geschrieben,  weshalb  ihn  dann  der  Bischof 
aus  Rache  angezeigt  hätte.  Magdic,  der  Herausgeber  der  Werke 
Kuhacevic',  hat  in  Zengg  den  Text  eines  angeblich  von  Kuhacevic 
stammenden  gegen  den  Bischof  Colic  gerichteten  Pamphletes  erhalten ; 
bis  in  unsere  Tage  sogar  soll  sich  in  Zengg  die  Tradition  erhalten  haben, 
daß  Kuhacevic'  Satire  gegen  Colic  Mädchen  im  Kolo  gesungen  hätten^]. 
Meinem  Wunsche,  darüber  näheres  zu  erfahren,  kam  mit  der  größten 
Bereitwilligkeit  H.  Stadtsenator  Dr.  Dobrila  entgegen ,  doch  seineu  Be- 
mühungen, unter  den  alten  Zenggern  irgendwelche  Erinnerungen  an  Ku- 
hacevic oder  seine  Satire  zu  finden,  waren  erfolglos. 

Sowohl  für  die  Behandlung  der  Deputierten  in  der  Untersuchung 
als  auch  für  die  Stimmung  in  den  höchsten  Kreisen  ist  die  Stelle  charak- 
teristisch, wo  der  Hofkriegsratspräsident  in  dem  erwähnten,  der  Kaiserin 
vorgelegten  Berichte  seine  Ansicht  über  die  weitere  Behandlung  der  am 
Aufstande  beteiligten  motiviert:  »Da  ist  das  vergnüglichste,  daß  durch 
den  einzigen  daselbst  erschollenen  Ruf,  daß  die  Deputirte  alhier  mit 
Arrest  beleget,  zum  Verhör  beruffen  und  mit  einiger  Schärfe  angegriffen 
worden,  in  dem  Generalat  und  bey  denen  Aufwieglern  von  Brindel  und 
Zeug  die  Unruhe  völlig  dergestalten  wider  beygelegt  worden  seye ,  daß 


1)  Ib.,  p.  32—33,  44,  45,  53,  wohl  auch  17. 

2)  Akt:  1747  Jan.  610. 

3j  Nastavni  vjesnik  XII,  p.  8. 
*)  Nastavni  vjesnik  XII,  p.  8. 


96  T.  Matic, 

alle  bishero  widerspenstig  sich  bezeigte  Orthschafl'ten  nicht  nur  allein  um 
die  Monduren  geschiket  und  selbe  abheilen  lassen,  sondern  auch  sich 
zum  Ansmarche  ganz  williglich  selbsten  erbothen  haben,  also  zwar,  daß 
die  vollkommene  Einrichtung  des  Carlstädter  Generalats  würklich  zu 
seiner  Consistenz  gelanget  und  nun  an  deme  ist,  daß  durch  ihn  Prinzen 
Hildburghausen  diejenige  Battaillonen,  welche  von  dem  ersten  in  Welsch- 
land angetragenen  Quanto  zurukgebliben  ad  motum  gebracht  und  denen 
anderen  nachgesendet  werden.  Wie  nun  aber  aus  disem  Vorgang  die 
Erfahrnus  lehret,  daß  mit  derley  Leüthen  weit  mehrer  durch 
Schär ffe  als  mit  der  Euer  kay.  könig.  Mtt.  angestambten  Milde  zu 
richten  ist,  welches  sich  aus  deme  leicht  abnehmen  lasset,  daß,  als 
das  erstere  Decret  auf  dero  allerhöchsten  Befehl  durch  mich  Kriegs- 
Praesidenten  denen  Deputirten  zugestellet  und  sie  dabey  mit  aller  Ge- 
lassenheit und  gelinde  tractiret  worden,  ein  solches  die  Tumultuanten 
nur  desto  insolenter  gemachet  und  auch  mehrere,  so  vorhin  mit  ver- 
meintlichen Beschwärdeu  zurukgehalten  haben,  damit  hervorgebrochen 
seynd,  hingegen  die  von  beschehener  Arretirung  gedachter  Deputirten 
ihnen  eingelangte  Nachricht  selbe  alsobald  in  Forcht  und  endlichen  zur 
Ruhe  gebracht  habe,  also  erachtete  man  auch  weiters  nur  allein  gegen 
die  Aufwigler  oder  Rädelführer  sothaner  Empörung  mit  der  schon  eben 
an  Hände  gegebenen  Inquisition  auch  gebührender  Schärfe  durch  reale 
Bestraffung  fürgehen  zu  lassen,  damit  die  Leüthe  daran  sich  spieglen 
und  von  ferneren  derley  Unternehmungen  abgeschröcket,  der  Ruhestand 
aber  desto  sicherer  alda  beybehalten  und  bevestiget  werden  möge.« 
Die  Kaiserin  setzte  dazu  ihr  »placet<:  mit  dem  Vorbehalte  »daß,  ehe  als 
der  Proces  und  die  Bestraffung  vorgehet,  selbe  hieher  zu  meiner  Ein- 
sicht geschickt  werde  und  ad  aprobandum«  ^). 

Die  Beschuldigten  durften  sich  keinen  rosigen  Hoffnungen  hingeben, 
am  allerwenigsten  aber  Kuhaoevic,  der  nach  den  Ergebnissen  der  in 
Wien  durchgeführten  Voruntersuchung  als  einer  von  den  Anstiftern  des 
Aufstandes  galt  und  mit  Rücksicht  auf  sein  Vorleben  alles  eher  als  Milde 
und  Entgegenkommen  seitens  der  Militärbehörden  zu  erwarten  hatte.  Er 
war  sich  seiner  kritischen  Lage  auch  vollkommen  bewußt:  denn  nur  als 
eine  Verzweiflungstat  kann  mau  sich  den  aussichtslosen  Fluchtversuch 
erklären,  den  Kuhacevic  trotz  der  milden  Behandlung,  die  ihm  während 


1)  Akt:  1747  Jan.  610. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brifie.       97 

seiner  Überführung  nach  Karlstadt  i)  nach  eigener  Aussage  zuteil  wurde, 
in  der  Nähe  von  Rudolfswert  unternahm.  Im  Sendschreiben  an  Frano 
Kuhacevic  sagt  er  darüber  selbst: 

Donikle  na  putu  goscahu  kot  brata 

pa  cic  moga  biga  pratise  kot  tata 

und  bemerkt  dazu  in  einer  Fußnote:  »Nedaleko  od  Novoga  mesta  vas 
smucen  skocih  iz  hintova  i  stavih  se  u  trk  za  pobignut«,  worauf  man  ihn 
dann  »vezana«  (gefesselt)  weiter  nach  Karlstadt  führte,  wo  er  am 
21,  Januar  1747  eintraft). 

In  Karlstadt  wurden  36  Personen  in  Untersuchung  gezogen,  die 
nahezu  drei  Jahre  dauerte.  In  dem  wiederholt  erwähnten  Sendschreiben 
an  Frano  Kuhacevic  erzählt  unser  Gefangener,  welche  unsäglichen  Qualen 
er  während  dieser  Zeit  auszustehen  hatte: 

Bacihu  u  turan  skoro  kot  lupeza, 

zacupase  noge  u  tarna  zeleza, 
vrh  nih  pak  z  manimi  na  kriz  okovase, 

za  da  j'  tuznom  srcu  jedno  malo  lakse. 
Tu  med  strazom  lezah  kot  pan  odsiceni  .... 
Strasna  opaz  na  me,  dvze  za  visc'aca; 

strah  je,  da  poletim,  ne  bude  zapaca. 
Stoga  ostra  straza  dan  i  noc  cuvase 

i  z  golim  oruzjem  sploh  uza  me  stase  .... 
Obuzdani  bihu  svikolici  udi 

a  zivot  privezan,  —  sad  vrh  toga  sudi. 
Ne  smidu  se  oci  pomolit  na  stakla 

samo  za  povirit,  je  1'  se  magla  makla. 
Usi  zatvoreni  ne  cuju  'zvan  zvone 

al  na  mostu  buku,  kad  se  kola  gone. 
Nos  namesto  zraka,  namesto  mirisa 

davi  se  s  patuhom  vodenoga  plisa. 
Jezik  u  procipu:  smis  potribna  reöi, 

pak  drz'  prst  na  usti,  ak'  se  nes  opeci. 
Euki  meja  stavna,  nima  testir  nujna 

'zvan  obroka  drzat  noza  ni  piruna. 
Noge  u  skripeli,  zelezna  povlaka 

ne  da  Jim  ucinit  jednoga  koraka. 
Puca  na  njih  koza,  tuzue  skriplu  kosti,  — 

ni  mila  ni  draga,  da  od  muk  oprosti. 


1)  K.  wurde  von  Wien  am  12.  Januar  1747  unter  militärischer  Bedeckung 
nach  Karlstadt  abgeschoben  (Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  49). 

2)  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  49. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  7 


98  T.  Matic, 

K  ovomu  prilozi,  straza  ne  da  spati, 

a  okov  ne  pusca  iz  loznice  stati. 

Ni  knig,  ni  zabavi,  mane  pogovora,  — 
npitaj,  pitane  nima  odgovora*). 

Nach  neun  Monaten  wurde  Kuhacevic  aus  diesem  Turme  in  einen  Keller 
des  Generalspalastes  und  dann  krankheitshalber  in  eine  Kammer  des- 
selben Gebäudes  überführt,  wo  es  ihm  kaum  etwas  besser  ging 2).  im 
Prozesse  selbst  soll  der  Untersuchungsrichter  durch  Androhung  der 
Tortur  Kuhacevic  zu  unwahren  Selbstanklagen  gezwungen  haben: 

Nac  ja  i  ne  mislih,  htihu  'z  mene  znati; 

ako  Jim  ne  povis,  grozna  od  muk  prati ...  .3) 
....  morah  jim  rec,  da  je  istina, 

ca  eiste  znah,  da  ni  nego  neistina .... 
I  to  ne  za  drago  'zvan  za  ne  cut  büke 

i  groznu  veliku,  kad  tajah,  od  muke*) 

Insbesondere  soll  Kuhacevic  unter  diesem  Drucke  vor  dem  Gerichte  er- 
klärt haben,  daß  er  die  Synoptica  informatio  gegen  sein  besseres  Wissen 
und  Gewissen  (»prot  znanu  i  dusi«)  geschrieben  habe^). 

Unter  den  unmittelbaren  und  aktiven  Verschwörern  wird 
Kuhacevic  nicht  erwähnt.  In  der  Untersuchung  soll  »hinlänglich 
erhoben«  worden  sein,  daß  der  Kommandant  von  Brine,  Major 
Gall,  und  seine  Gattin,  dann  Leutnant  Holevac,  Feldwebel  Ive  Vukelic 
Mali,  Knez  von  Jezerani  Mate  Sertic,  Korporale  Miho  Sodic  und  Jurko 
Sertic  sowie  der  gemeine  Husar  Mate  Sertic  den  Aufruhr  »angesponnen 
und  zum  voraus,  wie  selbe  anzufangen  und  auszuführen  seyn  möchte, 
concertiret  haben«  6).  Die  geheimen  Besprechungen  fanden  zu  Brine  im 
Schlosse  des  Majors  Gall  statt.  Unter  anderem  sei  auch  beschlossen 
worden:  »  .  .  .  die  neu  avancirte  Officiers,  welche  einheimisch, 
zu  degradiren,  die  fremde  aber  fortzujagen,  ...  die  teütsche 
Guarnison  aus  Zeng  zu  verjagen« ''). 

Das  Kriegsgericht   von  Karlstadt  hat  dreizehn  Angeklagte,    die 


1)  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  50 — 51. 

2)  Ibid.,  p.  52,  55—56. 

3)  Ibid.,  p.  53. 

4)  Ibid.,  p.  54. 

5)  Ibid.,  p.  65—66. 

6)  Bericht  des  Hofkriegsrates  an  die  Kaiserin  dd.  10.  Juli  1749,  Blatt  9 
(Akt:  1749  Okt.  549). 

7)  Ibid.,  Blatt  10. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brlne.       99 

»confeasi  aut  convicti  aut  utrumque«  waren,  zum  Tode  verurteilt. 
Gegen  Kuhacevic  wurde  vorläufig  kein  Urteil  gefällt,  denn 
er  gehörte  zur  Gruppe  der  Angeklagten,  von  denen  das  Kriegsgericht 
meinte,  »daß,  obschon  selbe  zum  Theill  des  criminis  perduellionis 
confessi  et  convicti,  das  factum  principale  et  atrocius,  nemblich  daß  sie 
die  Rebellion  angestiftet  und  excitiret  haben,  aber  dannoch  beständig 
negiren,  insolang,  bis  die  13  vorhergehende  Maleficanten  vom  Leben 
zum  Todt  hingerichtet  worden  seynd,  nicht,  sondern  allererst,  wann  der 
Mathe  Sertich  oder  Suaka  und  Miho  Sodich  ihre  ratione  des  geheimen 
Conspirations-Complot  wider  sie  gethanne  Aussage  mit  ihrem  Todt 
bestättiget  haben  werden,  nach  denen  vorgeschribenen  Criminal-Rechten 
und  Kriegs-Articuln  abgeurteillet  und  bestrafet  werden  sollen«  i). 

Das  Ergebnis  der  vom  Karlstädter  Kriegsgerichte  geführten  Unter- 
suchung wurde  samt  den  gefällten  Urteilen  dem  Hofkriegsrate  vorgelegt, 
von  diesem  einer  Revision  unterzogen  und  über  die  Revision  der  Kaiserin 
Bericht  erstattet:  »Der  gehorsambste  Hof-Kriegs-Rath,  welcher  die  ohn- 
gemein  voluminöse  Inquisitions-Acta  erstlich  commissionaliter  genau  und 
allen  Fleises  hat  durchgehen  lassen,  sodan  in  consilio  abermahlen  aus- 
führlich durchgangen  hat,  befindet,  nachdeme  die  procedirte  27  Personen 
des  criminis  perduellionis,  consequenter  laesae  Majestatis,  theills  aber 
zugleich  veneficii  sich  theillhaftig  gemachet  haben,  an  deme  keinen  An- 
stand, daß  nicht  allein  die  13  beraits  abgeurteillte,  sondern  auch  die 
meiste  von  denen  übrigen  Inquisiten  poenä  Ultimi  supplicii  beleget  zu 
werden  gar  wohl  verdienet  haben;  nachdeme  aber  doch  dieselbe  nicht 
alle  in  pari  gradu  gesindiget,  sondern  einer  mehr  als  der  andere  an  der 
Rebellion  Anteill  hat,  einige  auch  derenselben  nur  in  etwas  überzeiget 
seynd,  als  hat  er  jeglichem  a  proportione  seines  Verbrechens  die  Straffe 
ausgemessen«  2j.  Die  gegen  die  einzelnen  Angeklagten  in  der  Unter- 
suchung festgestellten  belastenden  Momente  wurden  zusammengefaßt 
und  auf  deren  Grund  gaben  die  Votanten  des  Hofkriegsrates  ihr  Votum 
ab.  Kuhacevic  galt  als  einer  von  den  Anstiftern  der  Rebellion:  »Matthias 
Anton  Kuhacevich,  Leutenant  und  Auditor  von  dem  Quicciardischen 
Infanterie-Regiment,  ist  eben  wie  der  vorhergehende  Carl  Joseph  Portner 
indiciret,  massen  er  nicht  allein  wider  die  Subordination  in  deme,  daß 
er  ohne  Wissen  und  Willen  seiner  Oberen  die  Deputation  von  der  Statt 


1)  Ibid.,  Blatt  12—13. 

2)  Ibid.,  Blatt  14. 


100  T.  Matic, 

Zeng  auf  sich  genohmen,  derselben  mit  einem  Ayd  sich  verpflichtet  und 
anhero  nacher  Wienn  die  neue  Militär-Einrichtung  zu  impugniren  sich 
begeben,  sondern  auch  in  deme  namhaft  sich  vergangen  hat,  daß  er 
Euer  kay.  könig.  May.  Beichtvatter  eine  sogenante  informa- 
tionem  synopticam  übergeben  und  alda,  um  nur  die  publicirte 
Militär-Einrichtung  hinwiderumen  aufheben  zu  machen,  ville  Ohnwahr- 
heiten  fälschlich  vorgestellet,  unter  anderen  Ohnwahrheiten  aber  haubt- 
sächlich  wahrscheinlich  zu  machen  gesuchet  hat,  als  ob  eine  namhafte 
Anzahl  deren  aldasigeu  Landes-Insassen  wegen  sotaner  Militär-Einrich- 
tung in  das  Turcicum  beraita  emigriret  wären,  dan  daß  nicht  allein  der 
Bassa  zu  Vakup  sondern  auch  ville  andere  Orthschaften,  als  Vinodol  und 
Fiume,  in  die  entstandene  Rebellion  sich  einmischen  und  mithalten 
weiten;  übrigens,  wo  er  immer  Gelegenheit  gehabt  oder  können  hat,  die 
Revoltanten  durch  sein  Solicitiren  und  Zuschreiben  in  ihrem 
Vorhaben  solchergestalten  zu  unterstützen  und  ihr  Vor- 
haben zu  beförderen  gesuchet  hat,  daß  er  de  rigore  poenä  mortis 
abgestraffet  zu  werden  gar  wohl  verdienet  habe ;  allein,  da  nun  derselbe 
ratione  dessen,  daß  er  ein  Mitglied  des  geheimen  Consprirations-Complot 
seyn  solle,  nicht  überzeiget  werden  kan,  als  hat  das  zusammengesezte 
Kriegs-Recht  sein  End-Urtheill  gleichwie  respectu  des  Portner  dermahlen 
suspendiret  und  geglaubet,  vorhero  die  Execution  deren  beraits  ab- 
geurteillten  abzuwarten,  um  zu  sehen,  ob  er  des  geheimen  Complots  nicht 
überwisen  werde«  ^).  Außerdem  soll  der  eigentliche  Leiter  aller  Vor- 
bereitungen für  den  Aufstand,  Major  Gall  von  Brine  »mit  dem  inquirirten 
Leuth.  und  Auditor  Matthia  Anton  Kuhacevich,  da  er  hier  in  Wienn  als 
Deputirter  von  der  Statt  Zeng  gestanden  ist  und  die  neue  Militär-Ein- 
richtung zu  hintertreiben  gesuchet  hat,  Brief  gewechslet,  nachmahlen 
aber,  da  er  nacher  Carlstatt  beruffen  worden  ist,  seiner  Ehe-Consortin, 
daß  sie  sotane  von  dem  Kuhacevich  empfangene  Briefe  verbrennen  solle, 
zugeschrieben«  2)  haben. 

Hinsichtlich  der  wider  Kuhacevic  zu  verhängenden  Strafe  waren  die 
Votanten  des  Hofkriegsrates  nicht  einig.  Die  Räte  Seppenburg  und 
Schloissnig  vertraten  die  Ansicht,  daß  Kuhacevic  »in  Ansehung  dessen, 
daß  er  bey  seiner  allhier  beschehenen  Ankunft  gleich  bei  seinem  vor- 
gesezten    commandirenden    Generalen   Prinzen    zu    Sachsen    Hilburgs- 


1)  Ibid.,  Blatt  34—35. 

2)  Ibid.,  Blatt  26. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     101 

hausen  als  Deputirter  sich  angemeldet  und  derselbe  ihme  gleichsam 
connivendo  verstattet  hat,  dan  daß  er  sein  vorrecensirtes  Verbrechen 
durch  den  langwührigen,  und  zwar  seith  den  6  Novembris  746  in  Eysen, 
mithin  über  dritthalb  Jahr  hart  erleidenden  Arrest  beraits  in  etwas  ab- 
gebüsset  habe,  simpliciter  et  reservato  honore  zu  cassiren  seye«.  Dieser 
milden  Affassung  trat  Feldmarschall  Löwenwolde  ganz  entschieden  ent- 
gegen und  beantragte  unterstützt  von  Dreyling,  daß  Kuhacevic:  »um 
willen  er  nicht  allein  die  Subordination  übertretten,  sondern  auch  durch 
seine  informationem  synopticam  Euer  kay,  könig.  May.  ville  Ohuwahr- 
heiten  vorgestellet,  wie  auch  ansonsten  die  entstandene  Rebellion  in 
allweeg  zu  beförderen  und  zu  unterstützen  gesuchet  hat,  cum  infamia 
cassiret,  alsdan  aus  allen  Euer  May.  Erb-Königreichen  und  Landen  gleich- 
wie der  Carl  Joseph  Portner  abgeschaflfet  werden  solle  .  .  .«  i). 

Als  dritte  Instanz,  die  das  Ergebnis  der  Untersuchung  nochmals 
zu  überprüfen  und  auf  Grund  dessen  hinsichtlich  der  wider  die  An- 
geklagten zu  verhängenden  Strafen  den  endgültigen  Antrag  zu  stellen 
hatte,  wurde  von  der  Kaiserin  ein  aus  vier  Generalen  bestehendes  iu- 
dicium  revisorium  unter  dem  Vorsitze  des  Hofkriegspräsidenten  Grafen 
V.  Harrach  eingesetzt.  In  diesem  Richterkollegium  kam  nun  eine  viel 
strengere  Auffassung  der  Schuld  Kuhacevic'  zur  Geltung.  Nur  ein  ein- 
ziger General,  F  M  L.  Cordoua,  trat  der  von  Löwenwolde  und  Dreyling 
vertretenen,  also  strengeren  Ansicht  des  Hofkriegsrates  bei  2).  Der 
strengste  war  Graf  Daun:  »Der  Obristwachtmaister  Gall  und  Auditor 
Kuhacevich  wären  nach  seinem  Befund  solchergestalten  aggraviret,  daß 
beede  mit  dem  Schwerd  vom  Leben  zum  Tode  hinzurichten«  wären ^j. 
Daun  wird  wohl  seit  der  aufrührerisch  gefärbten  Affäre,  in  der  er  1736 
gegen  Kuhacevic  einzuschreiten  beauftragt  war,  von  unserm  Angeklagten 
eine  sehr  schlechte  Meinung  gehabt  haben,  die  nun  seine  Beurteilung 
der  Mitschuld  Kuhacevic'  am  Aufstande  von  Brine  in  einem  für  diesen 
ungünstigen  Sinne  beeinflußt  haben  mag.  Mit  Stimmenmehrheit  wurde 
die  Ansicht  der  übrigen  zwei  Generale  (FM.  Hohenems  und  F  ZM.  Molke) 
und  des  Hofkriegspräsidenten  angenommen  und  als  Beschluß  des  iu- 
dicium   revisorium   der  Kaiserin    vorgelegt.    Danach   sollten  Gall  und 


1)  Ibid.,  Blatt  35—36. 

-)  ProthocoUum  commissionis  28va  Julii  et  SaAugusti  1749  habitae,  El.  12 
(Akt:  1749  Okt.  549). 
3)  Ibid.,  Blatt  17. 


102  T.  Matid, 

Kuhacevic  »cum  infamia  .  .  .  cassiret,  jedoch  .  .  .  leblänglicli  in  einer 
entfernten Vöstung  gefänglich  gehalten«  werden,  während  für  die  übrigen 
zwei  Offiziere  (Portner  und  Holevac),  die  in  den  Aufstand  verwickelt 
waren,  insoferne  eine  mildere  Strafe  vorgeschlagen  wurde,  als  ihnen  die 
infamia  nachgesehen  werden  sollte.  Außerdem  beantragte  das  iudicium 
revisorium  für  alle  diese  vier  Angeklagten  die  Konfiskation  des  Ver- 
mögens und  sprach  sich  gegen  eine  eventuell  im  Gnadenwege  in  Aus- 
sicht genommene  Nachsicht  der  lebenslänglichen  Gefäagnisstrafe  mit 
aller  Entschiedenheit  aus:  »  .  .  .  weillen  dise  Gefängnuß  nicht  so  wohl 
zur  Straf  als  zur  Sicherheit  des  Generalats  und  um  hierdurch  alle  nach- 
teillige,  durch  derenselben  Beyhilf  in  widrig  besorgliche  Unternehmungen 
abzuhinderen,  wider  sie  also  verhenget  und  anzuordnen  für  nöthig  be- 
funden worden«.  Die  Kommandanten  der  Festungen,  wo  die  Verurteilten 
ihre  Strafen  abzubüßen  hatten,  sollen  beauftragt  werden  »wegen  deren 
genügsamen  Verwahrung,  auch  Abschneidung  aller  Correspondenz«  die 
nötigen  Vorkehrungen  zu  trefl'en^). 

Gegen  Kuhacevic  wurde  also  dieselbe  Strafe  verhängt  wie  gegen 
Gall,  der  nach  den  Ergebnissen  der  Untersuchung  als  kaiserlicher  Offizier 
die  Vorbereitungen  für  den  Aufstand  leitete  und  in  dessen  Hause  die  ge- 
heimen Zusammenkünfte  der  Verschwörer  stattfanden.  Es  wurde  sogar 
Leutnant  Holevac,  welcher  nicht  nur  der  unmittelbaren  Teilnahme  am  Auf- 
stande, sondern  auch  des  Mordes  überfuhrt  war,  weil  er  durch  Vergiftung 
eines  Komplizen  die  Entdeckung  der  Anstifter  der  Verschwörung  zu  ver- 
hindern gesucht  hatte,  milder  abgeurteilt  als  Kuhacevic.  Die  Gründe,  von 
denen  sich  die  Mitglieder  des  Revisionsgerichtes  bei  der  Anwendung  dieser 
außerordentlichen  Strenge  gegen  Kuhacevic  leiten  ließen,  sind  wohl  am 
besten  in  dem  Zusatz  gekennzeichnet,  den  FZM.  Molke  seinem  Votum 
hinzufügen  zu  müssen  glaubte  und  in  dem  er  verlangte,  daß  Kuhacevic 
»auch  aller  Briefwechsl  und  Correspondenz  . . .  abzuschneiden 
wäre,  um  ihme  als  einem  sehr  gefährlichen  Menschen  alle  Ge- 
legenheit zubenehmen,  durch  seine  Schreiberey  in  publico 
mehreres  Ohnheill  zu  stiften  <-2).  Die  Furcht  vor  der  scharfen 
Feder  und  Agitation  des  rührigen  Mannes,  der  in  seiner  Heimat  als  Vor- 
kämpfer gegen  die  absolutistischen  Übergriffe  der  Militärverwaltung  und 
ihrer  dem  Volke  meistens  fremden  Vertreter  Sympathien  genoß,  diktierte 


1)  Ibid.,  Blatt  21—22. 

2)  Ibid.,  Blatt  15. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  n.  d.  Aufstand  v.  Brine.     103 

gegen  Kuhacevic  eine  Strafe,  die  ihn   für  immer  unschädlicli  machen 
sollte. 

Der  Antrag  des  Revisionsgerichtes  wurde  von  der  Kaiserin  bestätigt 
und  somit  auch  das  Schicksal  Kuhacevic'  besiegelt.  Auditor  Jenko,  der 
die  Untersuchung  gegen  die  Aufständischen  in  Karlstadt  geleitet  hatte 
und  auch  in  den  Sitzungen  des  Revisionsgerichtes,  in  denen  diese  An- 
gelegenheit verhandelt  wurde,  anwesend  war,  traf  am  6.  November  1749 
»mit  samentlichen  Inquisitions- Acten  des  gewesten  Tumults-Process«  in 
Karlstadt  ein.  Gleich  darauf  sollte  »die  Sentenz  nach  allerhöchst  k.  k. 
Vorschrifft  eingeleitet,  sodan  publiciret  und  ad  executionem  mit  aller 
Vorsichtigkeit  gebracht  werden«  i).  Das  Urteil  wurde  am  20.  November 
1749  in  Karlstadt  öffentlich  vor  dem  Generalatspalaste  (»prid  dvorom  pod 
bubau«)  verkündet  2)  und  am  4.  Dezember  wurde  Kuhacevic  mit  einem 
Bauernwagen  unter  starker  Bedeckung  von  Karlstadt  nach  Brunn  ab- 
geschickt, wo  er  auf  dem  Spielberge  seine  Strafe  abbüßen  sollte  ^j.  Sein 
ganzes  Vermögen,  das  nach  dem  Ausweise  der  »in  Inquisitions-  und  Con- 
fiscations-Sachen  angeordneten  Commission«  gegen  zweitausend  Gulden 
betrugt),  wurde  eingezogen  und  größtenteils  zur  Deckung  der  Kosten  der 
»Arretirung,  Alimentirung,  Exequirung,  Verschickung  und  Convoyrung« 
sowie  der  Schulden  Kuhacevic'  verwendet. 

V. 

Am  7.  Januar  1750  traf  Kuhacevic  auf  dem  Spielberge  ein.  Das  be- 
rüchtigte Staatsgefängnis  machte  auf  ihn  —  im  Vergleiche  mit  dem  Karl- 
städter Gefängnisse  - —  einen  beruhigenden  Eindruck: 

Na  sedam  jenuara  na  Spilberg  dojdosmo, 

povo]niie  mesto,  neg  drzah,  najdosmo. 
Neg  stupib  iz  koli  kmetskoga  hintova, 

zeh  poses  zatvora  za  m'  popri  gotova. 
Dase  8va  potribna,  nis  mi  se  ne  skrati 

'zvan  jednoga  pera,  za  ne  moc  pisati. 
Vidivsi  ovn  sprav  pak  sprav  od  Korane, 

omah  se  zaprise  sve  me  stare  rane; 
pozabih  tegoce,  ke  poda  Korana, 

zadobih  bo|i  zrak,  neg  bi  ondi  hrana. 


1)  1749  Just.  Prot.  1075. 

2)  Magdic,  Zivot  1  djela,  p.  56. 

3)  Ibid.,  p.  57.    Cf.  auch  den  Bericht  des  Generals  Scherzer  dd.  5.  Dez. 
1749  (Akt:  1749  Dez.  333). 

4)  Akt:  1750  Dez.  523. 


104  T.  Matic, 

Krv  pokoj  dostignu,  pamet  se  razibra, 

petit  se  otvori,  srce  se  razigra. 
U  sam  sebi  rekoh:   »Boze,  tebi  hvala, 

ki  nie  oslododi  koranskoga  hala! 
Tebi  hvala  budi,  ti  iz  zla  ucini, 

da  se  zlo  u  dobro  'z  nenade  promini, 
jer  da  j'  po  naravi,  kü  sam  muku  trpil, 

bil  bi  se  odavna  u  prah  priobratil.« 
U  negve  se  po  tom  bacih  sasvira  rnke, 

pih  casu  samoce  prez  ikakve  muke.  *) 

Am  schwersten  drückte  ihn  die  wider  ihn  verhängte  Infamie,  die  ihn  als 
eine  Art  moralischen  Aussatzes  von  jedem  Verkehr  mit  den  übrigen  Ge- 
fangenen ausschloßt). 

Sein  Onkel  Luka  Kuhacevic,  Domprobst  und  Pfarrer  zu  Zengg,  hatte 
schon  während  der  Untersuchung  im  Oktober  1749  an  den  Hofkriegsrat 
ein  Gesuch  gerichtet,  in  welchem  er  die  Bitte  vorgebracht  hatte  »seinen 
Vetter,  den  Carlstätterischen  Generalats- Auditor  Mathias  Anton  Kuhace- 
vich  aus  dem  schwähren  Arrest  zu  Carlstatt  zu  entlassen  oder  demselben 
wenigst  zu  erlauben,  daß  er  über  die  ihme  beygebrachte  Imputationes 
denen  Rechten  nach  sich  gewöhnlich  mündlich  oder  schriflftlich  verant- 
worthen  und  defendiren  könne  3).  Zu  dieser  Zeit  nahte  der  Prozeß  bereits 
seinem  Ende.  Die  strenge  Strafe,  die  wider  den  Neffen  verhängt  wurde, 
muß  auf  den  alten  Mann  einen  vernichtenden  Eindruck  gemacht  haben. 
Das  Geld  und  die  Wertsachen  des  Verurteilten,  die  bei  ihm  deponiert 
waren,  mußte  er  dem  Fiskus  ausfolgen  4).  Jede  Hoffnung  gab  er  docli 
nicht  auf  und  wurde  nicht  müde,  um  Begnadigung  seines  Neffen  ein  Ge- 
such nach  dem  anderen  einzureichen.  Im  Jahre  1750  begab  er  sich  mit 
der  Schwester  des  Matesa,  Klara  Vudragovic,  sogar  persönlich  nach  Wien, 
wurde  von  der  Kaiserin  empfangen  und  feierte  sein  fünfzigjähriges 
Priesterjubiläum  in  Schönbrunn,  —  eine  Begnadigung  des  Matesa  er- 
wirkte er  aber  nicht ^).    Um  wenigstens  einen  Teil  des  konfiszierten  Ver- 


1)  Magdic,  Zivot  1  djela,  p.  58 — 59. 

2)  Ibid.,  p.  56  und  59. 

3)  1749  Just.  Prot.  993. 

4)  Akt:  1749  Dez.  536. 

5)  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  41.  —  In  der  Vorrede  (p.  17 — 18)  sagt 
diö,  die  Kaiserin  habe  bei  dieser  Gelegenheit  versprochen,  unserem  Matesa 
den  früheren  Rang  (>ca8t«)  eines  kaiserlichen  Auditors  wiederzugeben,  was 
auch  tatsächlich  am  20.  Mai  1752  geschehen  sei.  —  Magdic  dürfte  die  betref- 
fende Stelle  der  Autobiographie  mißverstanden  haben,  denn  den  Auditorsrang 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     105 

mögens  zu  retten,  trat  er  mit  Geldforderungen  gegen  Matesa  auf  ^).  Im 
November  1751  reichte  er  -wieder  ein  Gesuch  ein:  »womit  ihme  das  se- 
questrierte Vermögen  seines  Vötter  des  cassirten  Auditor  Kuhatschevich, 
da  er  auf  die  Erziehung  dessen  Sohns^)  sehr  villes  verwendet,  ausgefolget  und 
die  wider  solchen  verhängte  nota  infamiae  widerumb  aufgehoben  werden 
möchte«.  In  der  Erledigung  wurde  auf  »die  dem  Supplicauten  in  Sachen 
widerholt  schon  ertheilte  Verbscheidungen  mit  dem  Beysatz«  hingewiesen, 
»selber  habe  bey  der  hierinfahls  zu  Laybach  angeordneten  Commission 
seine  Nothdurflft  anzubringen«  3). 

Durch  die  Mißerfolge  entmutigt,  scheint  er  die  Hoffnung  auf  die  Be- 
freiung des  Verurteilten  und  Rettung  seines  Vermögens  aufgegeben  zu 
haben,  so  daß  er  sich  in  Hinkunft  vor  allem  bemühte,  wenigstens  die 
Aufhebung  der  Infamie  zu  erwirken.  Im  Mai  1752  legte  der  Karlstädter 
General  Scherzer  dem  Hofkriegsrate  ein  an  die  Kaiserin  gerichtetes  Ge- 
such des  Domprobstes  Luka  Kuhacevic,  in  welchem  dieser  bat,  seinem 
Neffen,  »damit  selber  mit  denen  anderen  sich  auf  dem  sogenanten  Spiell- 
berg  befindlichen  ehrlichen  Arrestanten  sprechen  und  dem  Gottesdienst 
verrichten  möge,  dem  vorhin  geführten  ehrlichen  Nahmen  anwiederumen 
allermildest  zu  ertheillen«^).  Der  General  verwahrte  sich  in  seinem  Re- 
ferate zunächst  entschieden  gegen  die  Zumutung,  daß  er  um  des  Ver- 
urteilten selbst  willen  für  ihn  eintreten  wolle:  »Diesen  gefährlichen  Mann 
völlig  zu  adgratiiren,  kan  und  wird  niemahlen  von  mir  angerathen  werden. « 
Doch  mit  Rücksicht  auf  den  alten  Geistlichen,  »so  auf  dieses  unglück- 
lichen Staats-Gefangenen  Auferziehung  vieles,  obschon  sehr  übel,  an- 


erhielt Kuhacevic  nie  zurück:  am  29.  Mai  1752  wurde  ihm  —  wie  wir  gleich 
sehen  werden  —  nur  ein  Dekret  eingehändigt,  mit  welchem  ihm  die  »Ehre« 
wiedergegeben  d.  h.  die  Infamie  aufgehoben  wurde: 
Dvajstdeveti  maja  od  vojske  tanaca 

dobih  dekret,  da  nis  zivom  od  zapaca, 
postene  vazeto  da  mi  se  povrace, 

za  da  sam  opeta  brez  truha  i  mac'e  (ib.  59). 
1)  1751  Reg.  Prot.  905. 

-)  Das  Kind  Kuhacevic'  war  zu  dieser  Zeit  nicht  mehr  am  Leben, 
denn  bei  der  Durchführung  der  Konfiskation  des  Vermögens  anderer  Verur- 
teilten wurden  die  Kinder  berücksichtigt,  während  bei  K.  keine  erwähnt  wer- 
den. Wenn  er  noch  welche  am  Leben  gehabt  hätte,  hätte  er  sie  in  seinen 
Sendschreiben  gewiß  nicht  mit  Stillschweigen  übergangen. 

3)  1751  Just.  Prot.  805. 

4)  Akt:  1752  Exp.  Mai  303. 


]  06  T.  Matic, 

gewendet«,  stelle  er  den  Antrag,  die  Kaiserin  möge  die  über  Kuhacevic 
verhängte  Infamie  aufheben,  »damit  derselbe  doch  die  Zeit  seiner  lebens- 
länglichen Gefängnuß  mit  andern  Arrestanten  und  alldaselbst  Comman- 
dirten  einen  Umgang  haben  und  nicht  zur  äußersten  Kleiumüthigkeit 
verleithet  werden  möge«^).  Trotz  dieser  vorsichtigen  Stilisierung  des 
Antrages,  waren  der  Hofkriegsrat  und  das  Generalkriegskommissariat 
über  diesen  Vorschlag  Scherzers  geradezu  empört:  »Die  Sentenz,  so  wider 
disen  Delinquenten  ausgefallen,  ist  ohnedeme  mehr  nach  der  Milde  als 
nach  dem  Rigor  deren  Gesäzen  geföhlet  worden,  indeme  sein  Delictum  so 
groß  wäre,  daß  er  das  Leben  ohne  allen  Anstand  verwürkhet.  Man  hätte 
dahero  niemahlen  vermuthet,  daß  Baron  Scherzer,  welcher  alstätts  auf 
die  Bestraffung  derley  Müssethättern  zu  halten  für  nöthig  ermessen,  zu 
einer  so  übermässigen  Guade  aurathen  solte;  zweiflet  auch,  ob  selber, 
wan  von  hier  aus  dise  Suppliqne  umb  sein  Gutachten  wäre  geschicket 
worden,  sich  so  leicht  in  der  Sache  würde  haben  finden  lassen;  vor- 
mainte  also,  dass  der  treulose  Delinquent  anderen  zum  Bey- 
spill  noch  längerhin  so  wie  dermahlen  in  seiner  Ehren- 
Schmach  belassen  und  keiue  neue  Gnade  ihme  zu  Theill  werden 
solte«  2j.  Und  doch  hob  die  Kaiserin  die  Infamie  auf.  Die  Mit- 
teilung dieser  kaiserlichen  Entscheidung  3)  begrüßte  Kuhacevic  als  Er- 
lösung und  Rückkehr  zu  neuem  Leben: 

Na  'v  86  glas  probudih,  uova  krv  pristupi, 

sasvirn  stari  Adam  od  mene  odstupi. 
Udi  se  digose,  svak  tanac  izvodi, 

srcu  cast  podase  kot  jednom  vojvodi .  .  . 
Po  tom  mi  se  zivot  jos  bo^e  pojavi, 

sad  sprovajam  vrime  prez  svake  zabavi*). 

Noch  einmal  vor  seinem  Tode  versuchte  Luka  K.  —  auch  diesmal 
ohne  Erfolg  —  die  Freilassung  des  Matesa  zu  erwirken^).  —  Als  im 
Jahre  1756  infolge  des  Ausbruches  des  siebenjährigen  Krieges  kaiserliche 
Truppen  nach  Böhmen  und  Mähren  eingezogen  waren,  wurde  derBrünner 
General  Hinderer  vom  Hofkriegsrat  beauftragt,  die  Gefangenen  Malaczky, 
Portner,  Kuhacevic  und  Radosic  nach  Wien  zu  schicken.   Daß  diese  Maß- 


1)  Ibid. 

2)  Akt:  1752  Exp.  May  394. 

3)  1752  Exp.  Prot.  901. 

*)  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  59  und  60.   Cf.  auch  p.  29. 
5)   1755  Prot.  Publ.  924. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brifie.     1 07 

regel  auf  das  Mißtrauen,  welches  die  oberste  Militärbehörde  gegen  diese 
Gefangenen  hegte,  zurückzuführen  war,  sieht  man  aus  dem  hinzugefügten 
allgemeinen  Auftrage:  »auch  diejenige  Arrestanten,  denen  nicht  recht 
zu  trauen,  ferrers  (sie)  anhero  zu  bringen«  ij.  Zur  Kriegszeit  pflegt  man 
ja  unverläßliche  Elemente  weiter  ins  Innere  des  Landes  zu  schicken,  und 
so  beschloß  dasHofkriegskommissariat  am  30.  Oktober  1756  »die  weitere 
Abführung  nacher  Graz  deren  von  Brunn  hieher  gebrachten  Staats- 
gefangenen Malazky,  Portner  und  Kukaczowiz«  2].  In  den  ersten  Tagen 
Dezembers  war  Kuhacevic  noch  in  Wien  und  ist  gegen  Weihnachten  nach 
Graz  abgeschickt  worden,  denn  am  29.  Dezember  berichtete  General 
Kheul,  daß  Gefangene,  darunter  auch  »Kuhacevicis«,  »in  Vestungsarrest 
nacher  Graz  richtig  eingetroffen«  2). 

Nachdem  Luka  Kuhacevic  am  9.  August  175S  in  hohem  Alter  ge- 
storben war,  bemühte  sich  nun  die  Schwester  des  Matesa,  Ivlara  Vudra- 
govic,  dessen  Begnadigung  zu  erwirken.  Im  Jahre  1763  langte  beim 
Hofkriegsrate  ihre  Bittschrift  »mit  des  Kriegs-Praesidenten  Feld-Mar- 
schallen Leopold  Grafen  von  Dann  Nahmen  Allerhöchst  eigenhändig  be- 
mercket«  ein  und  wurde  auf  Grund  eines  von  Jenko  erstatteten  Berichtes 
in  der  Sitzung  am  27.  Juni  1763  in  Verhandlung  gezogen.  Der  Referent 
wies  darauf  hin  » daß  Ihro  Maytt.  nicht  nur  allein  auf  öftere  seinerwegen 
eingereichte  Gesuchs -Schrifften  ihme  Kuchachevich  keine  Gnade  an- 
gedeühen  zu  lassen  entschlossen,  sondern  auch  allerst  bey  der  vor  zweyen 
Jahren  fürgewesten  Gnadens-Zeit  und  allermüldest  ertheilten  General- 
Pardon  diesen  Arrestanten  ausdrücklichen  hievon  ausgeschlossen  haben«, 
und  weil  von  Kuhacevic  »als  einen  sehr  verschmüzten  Kopf  zu 
keiner  Zeit  etwas  guthes  anzuhoffen,  dessen  Befreyung  auch 
von  üblen  Beyspill  und  Folge  seyn  dörffte«,  wurde  beantragt 
»daß  selber  noch  ferners  in  dem  rechtlich  zuerkenten,  wohl  verdienten 
Arrest  aufzubehalten«  sei*). 

Im  Jahre  1765  wird  in  den  Protokollen  des  Hof kriegsrates  wieder 
erwähnt,  daß  Witwe  Klara  Vudragovic  um  Freilassung  ihres  Bruders  ein- 


1)  1756  Prot.  Publ.  2008. 

2)  1756  Prot.  Publ.  2380. 

3)  1756  Prot.  Publ.  2823.  —  Nach  Magdic'  Vorworte  wurde  K.  am 
15.  September  vom  Spielberg  nach  Wien  und  am  18.  Dezember  von  Wien  nach 
Graz  abgeschickt,  wo  er  nach  drei  Tagen  eintraf.   (Zivot  i  djela,  p.  18). 

*)  Protocollum  Consilij  Aulae  Bellicj  in  Judicialibus  dd.  27.  Junij  1763, 
Blatt  1—2  (Akt:  1763  Just.  Exp.  Jnnij  1025). 


108  T.  Matic, 

gereicht  hat  *).  Wohl  auf  ein  solches  Gesuch  ist  das  Handbillet  zurück- 
zuführen, das  die  Kaiserin  an  den  Hofkriegsrat  mit  der  Anfrage  richtete, 
ob  nicht  Kuhacevic  und  einigen  anderen  Gefangenen,  die  »auf  ewig  zu 
Graz  sizen,  sich  alle  ruhig  aufführen  sollen  und  alt  seyen«,  »Gnade  ge- 
geben werden«  könnte 2).  Es  war  ein  fataler  Zufall  (oder  vielleicht  war 
es  auch  kein  Zufall),  daß  mit  dem  Berichte  über  Kuhacevic  wieder  Jenko, 
sein  Untersuchungsrichter  von  Karlstadt,  betraut  wurde,  und  so  »schien« 
es  dem  Hofkriegsrate  auch  diesmal,  »daß  gedachtem  Arrestanten 
als  einen  in  Land  sehr  gefährlichen  und  arglistigen  Men- 
schen ohne  offenbahrer  Gefahr  eines  mehrmaligen  derley 
landesverrätherischen  Beginnens  gahr  keine  Gnade  an- 
zugedeyhen,  sondern  er  in  den  wohl  verdienten  Arrest  durch  seine 
noch  übrige  Lebens-Zeit  zu  belassen  seye«^).  Auf  diesen  Bericht  hin 
gab  die  Kaiserin  zu,  daß  »zwar  weder  der  Holliewacz  noch  der  Kohatsche- 
wiz  auf  freyen  Fuss  gestellet  und  noch  weniger  ...  in  ihr  Vaterland 
zurückgelassen  werden«  können,  »da  aber  diese  Leute  schon  gegen 
20  Jahr  das  harte  Gefängnüß  ertragen,  sehr  alt  sind  und  sich  ganz  ruhig 
betragen,  so  will  Ich  ihnen  ex  special!  gestatten,  zur  Tagszeit  außer 
ihrem  Gefängnüß  in  der  Festung  herumzugehen,  doch  aber  sollen  sie  zur 
Nacht  wie  dermalen  allzeit  versperrter  schlafen«^). 

An  diesem  Glauben,  Kuhacevic  sei  ein  äußerst  gefährlicher  Manu, 
hielt  man  fest  und  ging  so  weit,  daß  man  sogar  den  eigentlichen 
Urheber  des  Aufstandes  von  Brine,  den  ebenfalls  zum  lebens- 
länglichen Kerker  verurteilten  und  in  Kufstein  seine  Strafe  abbüßenden 
Major  Gall  begnadigte  und  in  Freiheit  setzte,  unseren 
Kuhacevic  aber  auch  weiter  im  Gefängnisse  behielt.  Auf 
diesen  wirklich  auffallenden  Umstand  berief  sich  auch  Kuhacevic,  als  er 
im  Jahre  1767  mit  seinem  Leidensgenossen  Holevac  um  Begnadigung  ein- 
reichte: ».  .  .  sie  führen  zur  Beweg-Ursach  an  und  bitten  um  Arrest- 
Befreyung,  weil  auch  der  geweste  Major  Baron  v.  Gall,  obwohlen  er  als 
Urheber  dieser  Aufruhr  gewesen,  samt  seiner  Ehe-Consortin  vor  bey- 
läuffig  2  Jahren  aus  seinem  Arrest  zu  Kuflfstein,  wozu  er  lebenslänglich 
condemniret  gewesen,   befreyet  und  nach  seinem  Vatterland   entlassen 


1)  1765  Prot.  Publ.  545  und  1159. 

2)  Protocollum  Consilii  Aulae  Bellici  in  Judicialibus  dd.  30.  Aug.  1765, 
Blatt  1  (Akt:  1765  Just.  Exp.  Aug.  710;. 

3)  Ibid.,  Blatt  3—4. 

4)  Ibid.,  Blatt  11. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.Kuliacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     109 

worden.«  Mit  dem  Referate  wurde  wieder  Jenko  betraut.  Nachdem  er 
die  agitatorische  Tätigkeit  Kuhacevic'  zur  Zeit  des  Aufstandes  hervor- 
gehoben hatte:  ».  .  .  der  Kuhachevich  als  gewester  Auditor  des  Otto- 
chaner  Regiments  hat  das  Volck  durch  seine  Schrifften  und  Reden  auf- 
gehezt,  um  sich  der  damaliligen  Militär-Einrichtung  oder  Regulirung  der 
Graniz-Regimenter  durch  eine  Zusammenrottirung  und  Verjagung  teutscher 
Officiers  zu  widersetzen«,  führte  er  gegen  Kuhacevic  ein  angeblich  gegen 
ihn  gefälltes,  in  den  Akten  des  Kriegsarchivs  —  meines  Wissens  wenig- 
stens —  nicht  nachweisbares  Todesurteil  ins  Treffen:  »,  .  .  und  wie  be- 
sagte beede  Arrestanten  (sc.  Kuhacevic  und  Holevac)  durch  das  gehaltene 
Kriegs-Recht  zum  Todt  verurtheilet,  auch  nur  aus  allerhöchsten  Gnaden 
beede  sogleich  bey  publicirtem  Todtes-Urtheil  zur  lebenslänglicher  Ge- 
fängnus  abgegeben  worden,  so  könte  von  Seiten  des  allergehorsamsten 
Hof-Kriegs-Raths  zu  einer  zweyten  Begnadigung  um  so  weniger  an- 
gerathen  werden,  als  der  geweste  Auditor  Kuhachevich  als  ein 
gebohrner  Zenger  im  Lande  noch  viele  Bekante  und  Be- 
freündte  hat,  daher  o  von  ihme  als  einen  verschmitzten  Kopf 
nach  seiner  Entlassung  nichts  gutes  zu  erwarten  .  .  .«^).  Auch 
ein  im  nächstfolgenden  Jahre  eingereichtes  Gesuch  der  Schwester  Kuhace- 
vic' scheiterte  wieder  an  einem  von  Jenko  erstatteten  Berichte :  » ,  .  .  daß 
von  dem  Kuhachevich  als  einen  gefährlichen  Menschen  in  dem  Generalat, 
wo  er  gebürtig,  nichts  gutes  zu  hoffen  .  .  . « 2) 

Als  Klara  Vudragovic  wieder  im  Jahre  1772  um  Begnadigung  ihres 
Bruders  eingereicht  hatte,  fand  sich  endlich  ein  Referent,  der  den  durch 
eine  sechsundzwanzigjährige  Haft  gebrochenen  fünfundsiebzigj ährigen 
Greis  nicht  mehr  für  staatsgefährlich  hielt.  Auf  Grund  eines  von  Schmelte 
erstatteten  Berichtes  wurde  vom  Hofkriegsrate  die  Begnadigung  Kuhace- 
vic' beantragt:  »Obwohlen  zwar  der  Bittstellerinn  Bruder  sich  nicht  allein 
der  in  dem  Karlstädter  Generalat  sich  geäußerten  Aufruhr  mitschuldig 
gemachet,  dann  denen  Übelgesinnten  mit  Rath  und  That  an  Händen  ge- 
gangen, sondern  auch  als  ein  Deputirter  von  Zenck  zerschiedene  wider  die 
Granitz-Einrichtungen  auf  Meütereyen  abzielende  Schriften  verfasset  .  .  , 
so  wird  jedoch  von  Euer  Majestaet  vordringenden  Milde  alleinig  abhangen, 
ob  Allerhöchst  dieselbe  ihm  Kuhachevich  in  Rücksicht  seines  aufhaben- 
den sechs  und  sieb enzigj ährigen  Alters,  dann  daß  er  sich  während  dieses 
durch  so  lange  Zeit  befahrenen  Arrests  stättshin  ruhig  und  geduldig  be- 

1)  Akt:  1767  Publ.  46  Sept.  465. 

2)  Akt:  1768  Justiz  46  Febr.  538. 


110  T.  Matic, 

tragen,  die  dermalen  noch  befahrende  Festungs-Einschränkung  gänzlich 
nachzusehen  allergnädigst  geruhen  wollen«  i).  Die  Kaiserin  setzte  ihr 
»placet«  bei  und  Kuhacevic  wurde  am  19.  Juni  1762  in  Freiheit  gesetzt. 
Rührend  ist  das  Schreiben,  das  er  zwei  Tage  nachher  an  seine 
Schwester  gerichtet  hat  und  in  dem  er  ihr  für  ihre  Bemühungen  um  seine 
Freilassung  dankt. 

Za  ov  dar,  i  ne  mal,  kü  cete  jabuku? 

Srebrna  je  slaba,  zlate  ni  na  ruku. 
Ni  triba  pitati:  sam  sehe  darivam, 

od  mene  bo|ega  sad  ja  dara  nimam. 
Uzmite  me  k  sebi,  s  manom  zapovite, 

prez  najmane  pitat:    »Koju  art  umite?« 
Ni  arti,  kü  ne  znam  (nauci  nevo|a 

s  onim  vetrom  jadrit,  s  kojim  ne  bi  voja),  — 
ni  arti,  kü  ne  znam:  kuhar  sam  i  pecar, 

vrtlar,  pet|ar,  zidar,  krojac  i  poatolar, 
ditinski  ucite|,  preceptor  prez  mita, 

gospodar  i  sluga  od  svakoga  zita. 
Znam  postej  nacinat,  sude  prat,  mest  kucu, 

evaki  posal  cinit  i  krpat  obucu. 
Znam  mucat  kot  osal,  kad  s'  tepe  al  psuje, 

znam  i  rec  istinu,  kad  s'  Bog  uvridnje. 
S  vrimenom  obiino  znam  jisti  i  piti, 

ma  i  znam  s  vrimenom  glad,  zeju  trpiti. 
S  vrimenom  znam  vesel  i  znam  tuzan  biti, 

s  vrimenom  znam  plesat  i  znam  bugariti. 
Sve  znam,  —  zapovite,  cagod  vas  je  voja, 

mä  sluzba  od  vase  bit  ce  misli  boja. 
Bit  cu  vam  pokoran  u  svem  do  oltara,  — 

nadaje  se  ne  smi,  jer  Bog  nima  para^). 

Jedoch  sein  innigster  Wunsch,  die  letzten  Tage  bei  der  Schwester 
in  der  Heimat  zuzubringen,  ging  nicht  in  Erfüllung.  Er  dürfte  unmittelbar 
nach  seiner  Begnadigung  so  erkrankt  sein,  daß  an  die  Reise  in  die  Heimat 
nicht  mehr  zu  denken  war.  In  dem  erwähnten,  zwei  Tage  nach  der  Frei- 
lassung verfaßten  Sendschreiben  wird  von  einer  Krankheit  noch  nichts  er- 
wähnt, Kuhacevic  gibt  sich  vielmehr  der  freudigen  Hoffnung  hin,  seine 
Schwester  bald  zu  sehen : 

Sad  sam  prost  i  secem,  kamo  j'  meni  drago, 

spoznivam,  da  j'  slobod'  nad  kamene  drago  . . . 


1)  Akt:  1772,98,  289. 

2)  Magdi(5,  Zivot  i  djela,  p.  85, 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Briiie.     1 1 1 

S  tim  vas  Bog  veseli,  stojte  dobre  voje, 

na  sastanku  nasem  bit  ce  vrime  bojei). 

Dieser  sehnlichste  Wunsch  ging  —  wie  gesagt  —  nicht  in  Erfüllung: 
Kuhacevic  starb  in  Graz  in  den  ersten  Tagen  des  Monates  September  1772 
und  wurde  ferne  von  der  Heimat,  auf  dem  seit  1783  aufgelassenen  Fried- 
hofe beim  Franziskanerkloster  begraben  2). 

VI. 

Wenn  die  von  H.  Fächer  erwähnte  Tradition  über  die  Satire,  die 
Kuhacevic  gegen  den  Bischof  von  Zengg  Vuk  Colic  geschrieben 
haben  soll,  verläßlich  ist,  und  wenn  der  Text  eines  solchen  Pamphletes? 
den  H.  Magdic  seiner  Zeit  abgeschrieben  und  an  Jakob  Kuhacevic  ge- 
sendet hat,  wirklich  von  unserem  Kuhacevic  stammt 3),  so  wäre  diese 
Satire  das  einzige  in  kroatischer  Sprache  verfaßte  literarische  Produkt 
Kuhacevic',  dessen  Entstehung  mit  Gewißheit  in  die  Zeit  vor  der  Verhaftung 
des  Autors  zu  verlegen  wäre.  Die  Verläßlichkeit  dieser  Tradition  entzieht 


1)  Ibid.,  p.  84  und  86. 

2)  Die  in  der  Familie  Kuhacevic  bis  auf  unsere  Zeit  erhaltene  und  von 
H.  Magdic  (Zivot  i  djela,  p.  18)  mitgeteilte  Tradition,  Matesa  sei  im  Juli  auf 
der  Rückreise  in  Agram  gestorben,  ist  bereits  von  H.  Fächer  (Nastavni  vjes- 
nik  XII,  p.  6)  richtiggestellt  worden,  der  auf  Grund  einer  Notiz  in  den  Zenger 
Pfarrmatrikeln  festgestellt  hat,  daß  K.  am  7.  September  in  Graz  starb  (»1772, 
7i3ar.  Dojde  glas,  da  priminu  na  7.  ovoga  u  Gratzu  Gdn.  Auditor  Mattessa  pl. 
Kuhacevich  od  let  76«).  Dank  dem  freundlichsten  Entgegenkommen  Herrn 
M.  ^ubsas  in  Graz  kann  ich  hier  die  unseren  Kuhacevic  betreffende  Stelle  aus 
dem  Liber  mortuorum  (tom.  XV,  p.  144)  der  Grazer  Stadtpfarre  zum  Heil.  Blut 
mitteilen: 

Sept.  1772. 
Dies  (obitus  seu  sepulturae) :  9. 

Sepeliens:  i  ^  ^  Gerardus  Rietmiller. 

Provisus:   J 

Mortui:  Hr.  Mathias  Goiazewitsch,  gewester  Auditor  von  Zenckh 

Religion:  Cath. 

Coemeterium :  PP.  Francis :  Freydthof. 

Locus  [mortis] :  Stadt  Herrngasse. 

No.:  142  sub  Mag. 

Annorum:  78. 

Mensium:  — 

Dierum:  — 

3)  Nastavni  vjesnik  XII,  p.  8. 


1  j  2  T.  Matic, 

sich  allerdings  völlig  unserer  Beurteilung.  Auf  die  immerbin  nicht  zu 
übersehende  Tatsache,  daß  von  einer  Anzeige  des  Bischofs,  die  aus  Rache 
für  die  Satire  erfolgt  und  für  Kubacevic"  Verhaftung  entscheidend  ge- 
wesen sein  soll,  in  den  Akten  des  Kriegsarchivs  nicht  die  geringste  Spur 
zu  konstatieren  ist,  habe  ich  gelegentlich  bereits  hingewiesen.  Im  übrigen 
aber  würde  diese  Satire,  die  den  Bischof  wegen  seiner  dem  geistlichen 
Stande  wenig  entsprechenden  Lebensweise  gegeißelt  haben  soll,  ganz  zu 
dem  passen,  was  uns  über  Kuhacevic  aus  der  Zeit  vor  seiner  Verhaftung 
bekannt  ist:  er  war  ja  ein  kampflustiger  Mann,  der  seine  Angriffe  gerne 
gegen  die  Vertreter  der  Autorität  richtete. 

Unter  dem  furchtbaren  Eindrucke  der  Untersuchung  und  der  Ver- 
urteilung zum  lebenslänglichen  Kerker  vollzog  sich  in  der  Seele  Kuhacevic' 
ein  Wandel :  eine  ruhige,  tief  empfundene  Religiosität  wurde  der  hervor- 
ragende Zug  seiner  Persönlichkeit.  Der  zähe,  unbeugsame  Kämpfer  von 
einst  schimmert  auch  jetzt  hie  und  da  —  insbesondere  im  Sendschreiben 
Na  suclca  od  Korane  —  durch,  jedoch  statt  der  trotzigen  Kampfes- 
stimmung tritt  uns  hier  Resignation  und  Ruhe  entgegen.  Irreligiös  war 
K.  auch  früher  nicht,  jedoch  —  Avie  er  selbst  in  der  Autobiographie  ge- 
steht ^)  —  bestand  seine  Religiosität  in  äußeren  Handlungen  ohne  tiefere 
innere  Grundlage.  Das  Unglück,  welches  über  Kuhacevic  hereinbrach, 
zeitigte  in  ihm  dieses  psychologisch  erklärliche  Erwachen  und  Erstarken 
der  Religiosität,  das  sich  auch  im  seelischen  Leben  des  weltbekannten 
Spielberger  Gefangenen  Silvio  Pellico  vollzog,  der  —  ebenfalls  ein  Opfer 
der  Vaterlandsliebe  —  ein  halbes  Jahrhundert  nach  Kuhacevic'  Tode  in 
das  berüchtigte  Brünner  Gefängnis  gebracht  wurde. 

Wäre  Kuhacevic  nicht  als  Gefangener  auf  den  Spielberg  gekommen, 
hätte  er  sich  wahrscheinlich  nie  mit  der  Schriftstellerei  befaßt.  Im  Gegen- 
satze zu  Pellico  war  er  nicht  literarisch  veranlagt.  Wenn  er  vor  seiner 
Verhaftung  zur  Feder  griff,  so  geschah  es  im  Kampfe ,  wo  das  ge- 
schriebene Wort  für  ihn  nichts  weiter  als  eine  gegen  Gegner  gerichtete 
Waffe    war     [Synoptica  informatio   und  allenfalls   die   Satire   gegen 

V 

Colic).  Der  Brennpunkt  seines  Interesses  war  das  öffentliche  Leben.  Er 
begnügte  sich  aber  nicht  mit  einem  ruhigen  Studium  und  der  Beobachtung 
dieses  Lebens,  sondern  griff  mit  dem  seinem  Temperament  eigenen  Feuer 
in  dasselbe  aktiv  ein.  Hätte  er  zu  einer  anderen  Zeit  und  nicht  zur  Zeit 
des  fortschreitenden  zentralistischen  Absolutismus  gelebt,  so  hätte  er  sich, 


1)  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  16—17. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Knhacevic  a.  d.  Aufstand  v.  Brine.     113 

seinem  ausgesprochenen  Interesse  für  die  öffentlichen  Angelegenheiten 
folgend,  wohl  einen  anderen  Platz  im  Leben  und  nicht  das  Spielberger 
Gefängnis  errungen.  Das  aktive  Eingreifen  ins  öffentliche  Leben  war  zur 
Zeit  Kuhacevic'  ein  äußerst  gefährliches  Spiel.  Sein  Onkel  Luka  scheint 
das  Treiben  des  Neffen  nicht  gebilligt  zu  haben.  Der  in  der  Schule  des 
Lebens  ergraute  Mann  fürchtete,  daß  man  —  wenn  sich  sein  Matesa  auch 
keinen  Fehltritt  zu  Schulden  kommen  ließe  —  vor  keinen  Mitteln  zurück- 
schrecken würde,  um  den  unangenehmen  Mann  unschädlich  zu  machen. 
Als  Gefangener  erinnerte  sich  Kuhacevic  der  Ratschläge  seines  Onkels 
und  bedauerte,  dieselben  nicht  beherzigt  zu  haben: 

Da  slidim  hegov  svet,  ki  mi  je  veckrat  daval, 

ne  bi  se  vikovnom  sad  u  koeu  ka^al. 
Govorase  cesto:  »Ni  me  strah,  da  c  fallt, 

krivo  svidocanstvo  neg  da  de  t'  oparit«  i). 

Im  Gefängnisse  war  es  Kuhacevic  anfangs  nicht  erlaubt  zuschreiben. 
Während  der  Untersuchungshaft  (1746 — 1749)  war  selbstverständlich 
jede  Korrespondenz  verboten,  das  iudicium  revisorium  aber  beantragte, 
dieses  Verbot  für  Kuhacevic  und  seine  Leidensgenossen  auch  nach  der 
Fällung  des  Urteils  aufrecht  zu  erhalten  2).  Das  Verbot  wurde  nach  dem 
Eintreffen  Kuhacevic'  auf  dem  Spielberge  gewissenhaft  befolgt: 

Dase  sva  potribna,  nis  mi  se  ne  skrati 

'zvan  jednoga  pera,  za  ne  moc  pisati^). 

Wahrscheinlich  wurde  nach  der  Aufhebung  der  Infamie  (1752)  auch 
dieses  Verbot  zurückgezogen.  Die  Sendschreiben  Kuhacevic'  sind  — 
abgesehen  von  dem  nach  der  Entlassung  aus  dem  Gefängnisse  an  seine 
Schwester  Klara  gerichteten  —  nicht  datiert,  jedoch  die  beiden  ersten 
{Na  svoga  Gna  strica  popa  Luhu  K.  und  Na  popa  Franu  K.)^  die 
auch  chronologisch  an  die  Spitze  der  Sendschreiben  zu  setzen  sind,  er- 
wähnen die  Aufhebung  der  Infamie  bereits  als  eine  vollzogene  Tatsache  4) 
und  speziell  eine  Stelle  des  Sendschreibens  Na  popa  Franu  K.  weist 
darauf  hin,  daß  dieses  nicht  lange  nachher  verfaßt  wurde: 


1)  Ibid.,  p.  77. 

2)  Prothocollum   Commissionis  28>'a  Juli!  et  5^  Augusti  1749  habitae, 
Blatt  22  (Akt:  1749  Okt.  549). 

3)  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  58. 

4)  Ibid.,  p.  29  und  59. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    SXXV.  8 


114  T.  Matic, 

Po  tom  (d.h.  nach  der  Zurückziehung  der  Infamie)  misezivot  Jos  bojepojavi, 
sad  sprovajam  vrime  prez  svake  zabavi'). 

Die  schriftstellerische  Tätigkeit  Kuhacevic'  fällt  somit  in  die  Jahre 
1752—1772. 

Unstreitig  das  interessanteste  und  charakteristischeste  unter  den  Ge- 
dichten Kuhacevic'  ist  Nm-ikovane  staroga  Sena  vrh  mladoga  Sena  po 
vili  Slovinkini^),  in  welchem  der  Dichter  die  Sitten,  die  in  seiner  Vater- 
stadt herrschen,  tadelt  und  den  Landsleuten  ihre  Vorfahren  als  nach- 
zuahmendes Muster  vorhält.  Wann  dieses  Gedicht  entstanden  ist,  läßt 
sich  nicht  genau  bestimmen.  Eine  Stelle  könnte  vielleicht  auf  den  ersten 
Blick  in  dem  Sinne  gedeutet  werden,  daß  das  Narikovane  noch  zur  Zeit, 
als  Kuhacevic  in  seiner  Vaterstadt  weilte,  also  vor  dessen  Verhaftung 
entstanden  sei: 

Ne  znam  kuda,  kamo,  komu  se  uteci, 

za  ne  gjedat  tuzan  u  gradu  hal  veci. 
Kudgod  oko  bacim,  ogni  su  i  meci, 

ovivicu:  »Bodü«,  oni  zdravi:  »Peel!« 
Ak  tegnem  okrenut  moj  plac  na  kuntradu, 

rec  ce  mi,  ne  hajem  za  tu  sedu  bradu  .  .  . 
Dam  pogled  na  zide,  ulice  i  place, 

cut  6u  da  govore:   »Pust'  norca  da  place!« 3) 

Meines  Erachtens  dürfen  diese  Worte  nicht  buchstäblich  so  aufgefaßt 
werden,  als  ob  Kuhacevic  dieses  Gedicht  tatsächlich  in  Zengg  nieder- 
geschrieben hätte.  Gegen  solche  Auffassung  spricht  schon  die  in  den  an- 
geführten Versen  enthaltene  Anspielung  an  den  grauen  Bart  des  Dich- 
ters. Als  Kuhacevic  im  August  1746  seine  Vaterstadt  für  immer  ver- 
lassen hatte,  war  er  noch  nicht  volle  49  Jahre  alt  und  stand  somit  im 
besten  Mannesalter.  Hätte  er  also  das  Gedicht  vor  seiner  Verhaftung  ver- 
faßt, so  hätte  er  sich  wohl  nicht  Graubart  oder  etwas  weiter  einen  elenden 
alten  Krauskopf  genannt: 

Pober'  BS  od  ovud,  j  adna  kustro  stara, 
tvä  stara  navada  neg  srce  umara^). 

Auch  die  religiös  gefärbten  Ermahnungen,  die  er  an  die  Mädchen 
von  Zeng  richtet,  und  der  in  demselben  Geiste  gehaltene  Schluß  des  Ge- 


1)  Ibid.,  p.  60. 

2j  Ibid.,  p.  97-105. 

3)  Ibid.,  p.  101. 

4)  Ibid.  p.  104. . 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhaceviö  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.    115 

dichtes  ^)  sprechen  ebenfalls  dafür,  daß  das  Gedicht  im  Gefängnisse  ent- 
standen ist. 

Der  Tadel  des  Dichters  richtet  sich  vor  allem  gegen  den  aus  der 
Fremde  eingeführten  Luxus,  der  alte  Sitten  und  Traditionen  der  Vater- 
stadt Kuhacevic'  untergraben  und  in  der  Bevölkerung  die  rücksichts- 
loseste Geldsucht  wachgerufen  habe,  die  die  bürgerlichen,  von  Vorfahren 
geerbten  Tugenden  zu  vernichten  drohe. 

Ungefähr  um  dieselbe  Zeit  nahm  noch  ein  kroatischer  Schriftsteller, 
M.  A.  Relkovic,  den  Kampf  gegen  die  Sitten  seiner  Landsleute  auf. 
Relkovic  hatte  mehr  Glück:  sein  Satir  fand  im  Volke  in  Slavonien  eine 
außerordentliche  Aufnahme,  während  Kuhacevic'  ISarikovane  erst  hun- 
dert Jahre  nach  dem  Tode  des  Autors  aus  dem  Staube  ausgegraben  und 
veröffentlicht  wurde,  um  für  alle  Zeiten  auf  den  engen  Kreis  der  Leser, 
die  der  Geschichte  der  kroatischen  Literatur  ein  Interesse  entgegen- 
bringen, beschränkt  zu  bleiben.  Trotz  des  den  Werken  der  beiden 
Autoren  gemeinsamen  Grundgedankens,  gegen  die  nach  ihrer  Ansicht  zu 
tadelnden  Sitten  der  Landsleute  zu  kämpfen,  sind  Satir  und  Narikovane 
doch  zwei  grundverschiedene  Werke,  weil  auch  die  Denkweise  ihrer 
Autoren  eine  durchaus  verschiedene  war.  Der  temperamentvolle,  impul- 
sive Kuhacevic  ist  im  Vergleich  mit  Relkovic,  dem  ruhigen  Sohne  der 
slavonischen  Ebene,  ein  echtes  Kind  seiner  Heimat,  des  von  der  Sonne 
abgebrannten,  im  Meere  sich  spiegelnden  Steinnestes  Zengg.  Mit  seiner 
ganzen  feurigen  Seele  hing  Kuhacevic  an  den  ruhmreichen  Traditionen 
seiner  Vaterstadt,  während  Relkovic  in  seiner  Heimat  kaum  etwas  finden 
konnte,  was  seine  Brust  mit  Stolz  und  Begeisterung  erfüllen  würde.  Die 
nahezu  zweihundertjährige  türkische  Herrschaft  hat  den  alten  Ruhm 
Slavoniens,  an  den  Relkovic  fest  zu  glauben  schien,  völlig  vernichtet. 
Kein  Wunder  also,  daß  die  neuen  Bestrebungen  der  Staatsgewalt,  parallel 
mit  der  militärischen  Einrichtung  Slavoniens  auch  die  ökonomische  Wieder- 
geburt des  arg  verfalleneu  Landes  und  die  Bildung  des  vernachlässigten 
Volkes  zu  fördern,  von  Relkovic  mit  Begeisterung  begrüßt  wurden  und 
an  ihm  einen  eifrigen  Anhänger  und  Mitarbeiter  gewannen.  Relkovic 
nahm  keinen  Anstoß  daran,  daß  die  Träger  der  Reformen,  die  seiner 
Heimat  eine  neue,  bessere  Zukunft  bringen  sollten.  Fremde  waren  und 
daß  in  der  reorganisierten  slavonischen  Militärgrenze  —  denn  auch  diese 
wurde  in  den  ersten  Regierungsjahren  der  Kaiserin  Maria  Theresia  einer 


1)  Ibid.,  p.  101  und  104. 

8* 


116  T.  Matic, 

Reorganisation  unterzogen  —  die  höheren  Stellen  und  somit  auch  die 
führende  Rolle  Fremden  zufielen.  Im  Gegensatze  dazu  war  Kuhacevic 
ein  erbitterter  Gegner  der  Fremden,  die  als  Kommandanten  in  seine 
Heimat  eingezogen  waren,  so  daß  er  sich  —  nach  den  Untersuchungs- 
akten —  nicht  scheute,  für  eine  gewaltsame  Vertreibung  fremder  Sol- 
daten aus  Zengg  Propaganda  zu  machen,  und  auch  der  Aufstand,  der 
infolge  der  Durchführung  der  Reorganisation  ausgebrochen  war  und  in 
den  K.  verwickelt  war,  richtete  sich  ganz  entschieden  gegen  die  neu- 
importierten Offiziere.  Seine  Ideale  und  das  Heil  seines  Vaterlandes 
suchte  Kuhacevic  nicht  in  der  Fremde :  in  ihr  selbst,  in  ihrer  Vergangen- 
heit soll  die  Uskokenstadt,  die  seine  Heimat  war,  die  Kraft  der  eigenen 
Wiedergeburt  und  die  Wege  zur  besseren  Zukunft  suchen.  Während 
Relkovic  nie  müde  wurde,  seinen  Landsleuten  unbedingten  Gehorsam 
sowie  vorbehaltlose,  dankbare  Anerkennung  der  von  der  Kaiserin  ge- 
schaffenen Einrichtungen  zu  predigen,  und  es  ihm  nie  einfiel,  diese  In- 
stitutionen einer  Kritik  zu  unterziehen,  hielt  Kuhacevic,  als  er  bereits  auf 
dem  Spielberge  hinter  Schloß  und  Riegel  saß  und  vor  seiner  Seele  nur 
die  düstere,  hoffnungslose  Perspektive  des  lebenslänglichen  Kerkers  lag, 
noch  immer  an  der  Ansicht  fest,  daß  es  nicht  strafbar  sei,  aus  Vater- 
landsliebe an  öffentlichen  Einrichtungen  Kritik  zu  üben.  Er  verteidigte 
sich  nur  gegen  die  Beschuldigung,  seine  Synoptica  ijiformatio  habe  den 
Aufstand  hervorgerufen : 

vindar  z  nega  ne  izhodi, 

puntarskoj  da  podah  zrok  kakov  prigodi .  . . 

Opcinskoga  dobra  iz  prave  Jubavi, 

sto  znah  1  cuh,  pero  na  hartu  postavi^). 

Das  Milieu  der  Vaterstadt  Kuhacevic',  die  in  der  Vergangenheit 
unter  den  kroatischen  Städten  durch  ihren  ausgesprochenen  Freiheitssinn 
hervorragte,  —  die  im  Vergleich  mit  Relkovic  höhere  Intelligenz  Kuhace- 
vic' ,  insbesondere  seine  aus  westlichen  Quellen  geschöpfte  politische  Bil- 
dung (Machiavelli  und  Mazarin  erwähnt  er  in  seinem  fünften  Sendschreiben, 
und  H.  Fächer,  der  handschriftliches,  mir  nicht  zugängliches  Material 
zur  Verfügung  hatte,  sagt  ausdrücklich,  Machiavelli  sei  —  nach  eigener 
Aussage  Kuhacevic'  —  sein  Lieblingsschriftsteller  gewesen ,  dessen  be- 
rühmtes Werk  II  Principe  er  sehr  gern  gelesen,  weil  die  Tendenz  dieses 


Ibid.,  p.  65. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     117 

Werkes  seinen  Ansichten  am  besten  entsprochen  habe  i),  —  alle  diese 
Momente  mußten  Kuhacevic  zu  einem  von  Relkovic  grundverschiedenen 
Manne  erziehen. 

Dementsprechend  stehen  auch  die  Gedanken  des  Narikovane  im 
entschiedenen  Gegensatze  zu  Relkovic'  Satir.  Die  an  Heldentaten  reiche 
Vergangenheit  seiner  Vaterstadt  zieht  die  Blicke  Kuhacevic'  zu  sich,  — 
daß  diese  Zeiten  entschwunden,  erfüllt  sein  Herz  mit  Kummer : 

'  Bubni  se  ne  cuju,  barjak  se  ne  vije, 

zastave  prez  boje,  dusmanin  se  smije. 
Vojvode  odose,  glavari  pomrise, 

od  Sena  se  drugo  'zvan  ime  ne  pise^). 

Von  der  Gegenwart  verspricht  er  sich  nichts  gutes: 

Na  mestu  je  Sen  grad,  gdi  su  negva  dila, 

kä  su  od  postena  svemu  gradu  bila? 
Gdi  ^ubav  bratimska,  vez  dobra  svakoga, 

kä  slaze  i  miri  z  bogatim  uboga? 
Gdi  je  nosua  gradska,  gdi  prvane  ruho, 

koje  veselilo  i  oko  i  uho? 
Gdi  postena  kola  i  prez  truha  tanci, 

veseje,  pivane  i  od  mira  danci? 
Gdi  stara  pravica,  lik  bolnu  cloviku, 

gdi  slog  i  jedinstvo  po  krvi  i  mliku? 
Gdi  slavno  oruzje,  zastave,  barjaci, 

vojvode,  glavari,  od  boja  junaei? 
Gdi  najzad  lipi  glas,  s  kirn  Seilane  zvahu, 

da  nih  za  sokole  posvuda  drzahu? 
Nis  toga  nij'  vidit,  sve  se  prikopiti, 

slava  i  cast  senska  pod  noge  se  hiti^;. 

Allen  Neuerungen  steht  Kuhacevic  mißtrauisch  gegenüber,  weil  diese  an 
den  alten  Sitten,  den  Grundlagen,  auf  denen  der  Ruhm  Zenggs  aufgebaut 
war,  rüttelten: 

Nikoji  gradani  zadobu  kre^uta, 

odstupe  obisni  od  staroga  puta, 
inostransku  modu,  vrutak  od  pakosti, 

u  moj  grad  upe|u,  —  Bog  nim  grihe  prosti ... 
Od  ovuda  pompe,  gosc'ena,  gospodstvo, 

pace  razsap  kuce  i  smisno  ubostvo*). 


1)  Nastavni  vjesnik  XII,  p.  7. 

2j  Magdic,  Zivot  i  djela,  p.  99. 

'*]  Ibid.,  p.  97—98. 

4)  Ibid.,  p.  100. 


118  T.  Matid, 

In  dieser  Liebe  zu  den  althergebracliten  Sitten  geht  Kuhacevic  so  weit, 
daß  er  den  Niedergang  der  Stadt  dem  Verfall  der  alten  kriegerischen 
Gesinnung  und  dem  Handel,  auf  den  sich  seine  Mitbürger  mit  Eifer  ver- 
legt hatten,  zuschreibt : 

Nika  pako  dica  slaba,  ma  bahata, 

drzed  biti  bozi,  odstupe  od  rata. 
Prez  razgrist  poslidna,  militar  odhite, 

trgovske  za  klobuk  postave  si  kite. 
>Vivat«,  zavapihu,  »trgovina  nasa! 

Svak  od  nas  u  gradu  bit  ce  kot  cel  pasa. 
Blazeni  ml  sada  i  nasi  porodi, 

plivat  demo  svigdar  kot  u^e  na  vodi.« 
Po  tom  dignu  glavu,  kot  kad  groce  puran, 

stahu  babilonski  z  mislom  gradit  turan. 
A  Bog,  kl  sve  vidi,  sve  zna  i  sve  cuje, 

sprzi  prut,  za  da  se  'zabran  ne  otruje, 
slog  dice  pomrsi,  put  gradi  suspeti, 

blazenstvo  nihovo  skrblami  oprti. 
Pripusti  gradane  radit  polak  yo]e, 

za  da  budu  sami  zrok  svoje  nevoje. 
ükroti  orlove,  da  se  onim  mole, 

ke  nikad  drzahu  za  osle  i  volei). 

Kuhacevic  ging  somit  vom  Gedanken  aus,  daß  die  Zengger,  wenn  sie  — 
statt  sich  mit  dem  Handel  zu  befassen  —  an  den  Heldentraditionen  ihrer 
Vorfahren  festgehalten  hätten,  nicht  so  leicht  ein  Spielballen  in  den  Hän- 
den der  neuen,  ihrer  Stadt  gar  nicht  freundlich  gesinnten  Militärverwal- 
tung geworden  wären.  Ähnlich  hat  auch  Kochanowski,  als  er  ungefähr 
zwei  Jahrhunderte  vor  Kuhacevic  die  Schattenseiten  des  polnischen  Adels 
in  seinem  Satt/r  geißelte,  auf  den  Niedergang  des  alten  Heldengeistes 
und  die  Beschäftigung  mit  der  Landwirtschaft  als  Hauptursachen  des 
politischen  Verfalles  hingewiesen. 

Diese  allzu  schwärmerische  Begeisterung  für  die  vergangenen  Zeiten 
verdunkelte  Kuhacevic'  Blick  und  ließ  ihn  der  herannahenden  neuen 
Zeit  nicht  mit  der  nötigen  Seelenruhe  in  die  Augen  blicken.  In  dieser 
Beziehung  unterscheidet  sich  Relkovic  wesentlich  von  Kuhacevic:  R. 
faßte  mit  Ruhe  und  Nüchternheit  alles,  was  er  um  sich  sah,  ins  Auge  und 
von  allerlei  Gaben,  die  die  neue  Zeit  in  ihrem  Schöße  brachte,  bot  er 
seinem  Volke,  was  er  fürs  beste  hielt.  Die  gefährlichen  Momente  des 
neuen  Systems,  die  die  Individualität  seines  Volkes  zu  untergraben  drohten, 


1)  Ibid.,  p.  100—101. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     119 

schien  er  nicht  zu  merken  oder  merkte  sie  in  der  Tat  nicht,  —  auf  jeden 
Fall  stürmte  er  gegen  sie  nicht  los.  Jede  Erscheinung  beurteilte  er  ohne 
Schwärmerei  nur  vom  Standpunkte  des  Fortschrittes  des  Volkes.  Relko- 
vic  wäre  überglücklich  gewesen,  wenn  er  unter  seinen  Landsleuten  eine 
auf  die  Hebung  des  Handels  hinsteuernde  Bewegung  bemerkt  hätte,  und 
nie  wäre  es  ihm  eingefallen,  diese  Bestrebung  als  Zerstörerin  des  alten 
Ruhmes  zu  brandmarken.  Auch  in  der  Beurteilung  der  bald  nach  ihnen 
so  sehr  gepriesenen  Volkssitten  und  Volkslieder  gehen  Kuhacevic  und 
Relkovic  wesentlich  auseinander.  Während  Relkovic  den  Nationaltanz 
Kolo  als  Zeitverlust  und  aus  moralischen  Gründen  verwerflichen  Überrest 
aus  der  Zeit  der  Türken  verurteilt  und  gegen  die  Volkslieder,  die  den 
Nationalhelden  Kralevic  Marko  feiern,  loszieht,  wirft  Kuhacevic  seinen 
Landsleuten  erbittert  vor,  daß  sie  sich  dem  Kolotanz  und  dem  Volksliede 
entfremden: 

Gdi  postena  kola  i  prez  truha  tanci, 

veseje,  pivafie  i  od  mira  danci?  .  .  . 
0  kolu  nij'  traga,  tanci  su  po  noci, 

kä  vrata  odpire  svake  vrsti  zlocii). 

Für  Kuhacevic  war  der  Kolotanz  —  ebenso  wie  später  für  den  berühmten 
Katancic,  der  diese  Volkssitte  gegen  Relkovic'  Satir  in  Schutz  nahm  — 
eine  Überlieferung  unserer  Vorfahren  und  deshalb  schon  an  und  für  sich 
unantastbar,  über  jede  Kritik  erhaben.  Um  aber  gerecht  zu  sein,  darf 
man  auch  den  Umstand  nicht  aus  den  Augen  verlieren,  daß  Relkovic,  als 
er  den  Satir  schrieb,  noch  ein  junger  Mann  und  somit  neuen  Ideen  zu- 
gänglicher war  als  Kuhacevic,  der  sein  Narikovane  in  einem  Alter  ver- 
faßt hat,  in  dem  man  schon  von  Natur  aus  hinneigt,  ein  laudator  tem- 
poris  acti  zu  werden,  auch  wenn  man  nicht  alle  Zukunftshoflnungen  auf 
eine  so  furchtbare  Weise  begraben  hat,  wie  es  bei  Kuhacevic  der 
Fall  war. 

Neben  dem  Narikovane  dürften  die  Sendschreiben  Kuhacevic'  das 
meiste  Interesse  in  Anspruch  nehmen.  Es  gibt  deren  acht,  jedoch  nur 
sechs  stammen  ganz  von  Kuhacevic,  weil  das  vierte  und  sechste  Send- 
schreiben —  von  seinen  Bekannten  an  ihn  gerichtet  —  von  ihm  nur 
versifiziert  und  mit  den  eigenen  Sendschreiben  zu  einer  Sammlung  ver- 
einigt wurden. 

Das  erste  Sendschreiben  ist  an  den  Erzieher  und  Onkel  des  Dichters, 

1)  Ibid.,  p.  98. 


120  T.  Matiö, 

den  alten  Domprobst  Luka  Kuhacevic  gerichtet:  Na  svoga  Gna  strica 
popa  Luku  Kuhaöevica ,  plotana ,  kanonika  i  prepozita  katedral- 
crikve  senske  und  wurde  —  wie  wir  bereits  gesagt  haben  —  wohl  nicht 
lange  nach  der  Aufhebung  der  Infamie  (1752)  verfaßt.  Das  Sendschreiben 
zeigt  uns  Kuhacevic  von  einer  Seite,  von  der  wir  ihn  bisher  nicht  ge- 
kannt haben.  Es  ist  rührend,  mit  welch  zarter  Liebe  und  Ehrfurcht  der 
schwer  geprüfte  Mann  an  seinem  Wohltäter  hing : 

Poklon,  pozdrav]ene,  gospodine  strice, 

srea  flastar  moga  i  oka  zinice! 
Znam,  tuga  i  zalost  da  Vam  dusu  ko^e 

i  srce  da  hnce  cic  moje  nevo|e, 
jer  Jubav,  s  kom  ste  me  z  ditinstva  ravnali, 

s  kom  na  noge  digli  i  na  skule  dali, 
nadhaja  ocinsku  .  . .  *) 

Kuhacevic,  der  ins  tiefste  Elend  gestürzt  war  und  selbst  so  sehr  des 
Trostes  bedurfte,  tiberwältigte  seinen  Schmerz  und  wollte  den  Greis,  der 
durch  das  entsetzliche  Schicksal  des  Neflfen,  den  er  an  Vaters  statt  von 
der  zarten  Kindheit  an  auf  erzogen,  gebrochen  war,  trösten: 

Vas  plac,  Vasa  zalost  cuda  me  vec  muce 

neg  kalez,  koji  pih  ocito  1  muce. 
ä  Prez  odmaka  anda  odiacih  kripiti, 

za  dignut  Vam  suze  al  makar  otriti. 
To  j'  moj  cij  jedini;  ufane  mi  pravi, 

da  6vL  ga  dostignut  od  Vase  Jubavii). 

Die  bitteren  physischen  und  seelischen  Leiden,  die  er  seit  der  Ver- 
haftung ausgestanden  hat  und  die  im  zweiten,  an  seinen  Vetter  Frano  K. 
gerichteten  Sendschreiben  in  ihrer  vollen  Grausamkeit  geschildert  sind, 
verschweigt  er  dem  Onkel  und  sucht  sein  Schicksal  in  milderem  Lichte 
zu  schildern.  Jeder  Mensch  habe  sein  Kreuz,  und  deshalb  möge  sein 
Onkel,  der  im  Leben  von  manchem,  vielleicht  auch  schwereren  Schick- 
salsschlag getroffen  worden  sei,  den  Blick  zum  Gekreuzigten  heben  und 
sich  ins  Unvermeidliche  fügen,  um  so  mehr  als  das  Schicksal  seines 
Neffen  nicht  so  schrecklich  sei,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  vielleicht  er- 
scheinen könnte.  Für  die  Seelenstimmung  des  Gefangenen  sind  die  vielen 
Zitate  aus  der  Bibel  und  den  Kirchenvätern  charakteristisch,  an  denen 
nicht  nur  dieses  Sendschreiben  —  etwa  mit  Rücksicht  auf  den  geistlichen 
Stand  seines  Onkels  —  sondern  seine  Gedichte  im  allgemeinen  reich  sind. 

1)  Ibid.,  p.  25. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     121 

Über  die  Bemühungen  des  Onkels,  ihn  aus  dem  Gefängnisse  zu  be- 
freien ,  war  Kuhacevic  wohl  unterrichtet.  Er  hebt  insbesondere  die  dem 
Onkel  zuteil  gewordene  Ehre  hervor,  daß  er  sein  fünfzigjähriges  Priester- 
jubiläum im  kaiserlichen  Schloß  zu  Schoubrunn  feiern  konnte,  und  fügt 
hinzu : 

S  tim  vese|em  htiste  da  me  oslobode; 

vrag  skolnika  svoga,  da  smete,  podbode. 
•  I  smele.  U  kom  bi  ufaiie  velo, 

ta  spod  ruke  ze|no  prikopiti  deloi). 

Wer  war  nun  dieser  Schüler  des  Teufels,  auf  den  man  große  Hoff- 
nungen setzte,  der  aber  den  Erfolg  heimlich  (»spod  ruke«)  vereitelt  hat? 
Den  Zengger  Bischof,  den  Kuhacevic  für  den  Urheber  des  über  ihn  herein- 
gebrochenen Unheils  hielt,  erwähnt  er  auch  in  diesem  Sendschreiben  als 
den  Geist,  der  den  Onkel  und  ihn  ins  Elend  gestürzt  hat,  und  sagt  in 
einer  Fußnote  ausdrücklich,  daß  er  unter  diesem  Geiste  den  Bischof  ge- 
meint hat 2).  Hätte  er  ihn  auch  unter  dem  Schüler  des  Teufels  verstanden, 
so  hätte  er  wohl  daraus  kein  Hehl  gemacht.  Gegen  diese  Annahme  spricht 
auch  der  Umstand,  daß  der  Onkel  auf  diesen  »Schüler  des  Teufels«  hin- 
sichtlich der  Befreiung  Kuhacevic'  große  Hoffnungen  baute.  Es  wird  sich 
hier  wohl  um  eine  dem  Hofe  oder  dem  Hofkriegsrate  nahegestandene 
Persönlichkeit  handeln,  die  unser  Dichter  nicht  nennen  wollte,  sondern 
sich  mit  einer  unklaren  Anspielung  begnügte,  die  der  Empfänger  des 
Sendschreibens,  sein  Onkel,  ohnehin  verstand. 

Viel  aufrichtiger  schilderte  Kuhacevic  sein  Schicksal  im  zweiten 
Sendschreiben  Na popa  Franu  Kuhadevica'. 

Zdravo,  brate  Frane!  Evo  knige  na  te: 

i  zalost  i  radost  sobom  nosu  za  te. 
Srce  ml  povida  tvoje  zeju  voje, 

da  bi  nid  znat  prohod  od  moje  nevo^e. 
Provan  si  prijate]  kot  skroz  ogan  zlato, 

ne  pita  svidoka  moje  pero  na  to. 
Ne  mogu  od  mane,  brate,  prijate]u, 

neg  da  (ma  u  suku)  tvoju  'zpunim  zeJu. 

Und  nun  beginnt  die  Schilderung  der  unsäglichen  Qualen,  die  Kuhacevic 
seit  der  Verhaftung  in  Wien  bis  zur  Verurteilung  zum  lebenslänglichen 
Kerker  und  während  der  Internierung  auf  dem  Spielberge  ausgestanden 


1)  Ibid.,  p.  41. 

2j  Ibid.,  p.  32  und  33. 


122  T.  Matic, 

hat.  Die  Untersuchungshaft  in  Kaiistadt  schildert  Kuhacevic  in  düster- 
sten Farben,  so  daß  er  die  nach  der  Beendigung  des  Prozesses  erfolgte 
Überführung  auf  den  Spielberg  und  die  Behandlung  in  diesem  berüch- 
tigten Gefängnisse  als  Erlösung  begrüßte.  Auf  diese  Stellen  des  Send- 
schreibens hatte  ich  schon  Gelegenheit  hinzuweisen.  Als  1752  die  Infamie, 
die  ihn  von  jedem  Verkehr  mit  den  übrigen  Gefangenen  ausschloß,  auf- 
gehoben wurde,  schien  sich  Kuhacevic  mit  seinem  harten  Schicksale  so 
ziemlich  versöhnt  zu  haben;  eine  stille  Hoffnung,  doch  noch  einmal  als 
freier  Mann  zu  leben,  tröstete  ihn  in  den  schlimmsten  Stunden: 

Z  laka  Bog  'z  ovoga  przuna  izbavi. 
Ufane  ne  vara:  pohodi  cid  zloce, 

cic  dobrote  svoje  oslobodit  hoce. 
Kra|icino  srce  on  drzi  na  dlanu, 

cinit  ce  da  ona  moju  'zlici  ranu, 
i  to  sve  vec,  budnc  ona  po  uaravi 

nagnnta  da  bolne,  kad  more,  ozdravi. 
Ma  kada  de,  velis,  ota  rados  priti? 

Makar'kad  tegnedu  zlotvori  umriti. 
Grisi  me  i  oto,  vindar  srce  gori: 

vidit  cemo  Boga,  kad  nas  smrt  umori*). 

Den  im  August  erfolgten  Tod  seines  Onkels  erfuhrKuhacevidaus  einem 
Schreiben  seines  Vetters  Frano,  welches  er  in  Verse  gebracht  und  unter 
eigene  Sendschreiben  aufgenommen  hat  [List  öetvrti.  Od  popa  Fratie 
Kuhadevica  na  svoga  hratuSeda  u  vikovnom  przumi  naliodecega). 
Die  Antwort  Kuhacevic'  auf  dieses  Schreiben  ist  dem  Andenken  an  den 
Verewigten  gewidmet  und  mit  Gefühl  und  Wärme  geschrieben  [List  peti. 
Odgovor  na  6etv7'ti.).  Er  gedenkt  mit  Dankbarkeit  der  opferfreudigen 
Liebe  seines  Wohltäters: 

Sirotu  odhrani,  na  skule  odpravi, 

za  svrsit  moj  nauk  svoju  moe  postavi. 
Sve  vrime  nauka  nis  mi  ne  suskrati, 

sva  za  me  potribua  posteno  izplati. 
Po  nanku  pako  prije  me  u  kucn, 

blagodarno  poda  hranu  i  obucu; 
stogod  ga  zaprosih,  iz  srca  nakloni, 

nis  svoga  od  mene  nikad  ne  ukloni. 
U  ovqj  nevo|i  ca  on  ne  namini, 

ki  korak  pod  starost  za  me  ne  ucini! 
Nakani  za  sebe  cisto  ogoliti 

za  mene  opeta  slobodna  viditi. 

1)  Ibid.,  p.  61. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevid  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     123 

Ne  mognc  doc  ci|u  (tak  Bog  hti  imati), 

cid  mene  zalosc'om  svoj  zitak  suskrati. 

Hoc  vece  Jubavi,  hoö  vrucija  posla, 

hoc  milije  smrti  neg  je  ova  dosla?  ^] 

Er  weiß  wohl,  daß  sein  Onkel  ein  einfacher,  aber  makelloser, 
herzensguter  und  edler  Mensch  war: 

Ni  bil  politicus,  ni  stal  Machiavella, 

8  tim  priprosta  bihu  sva  negova  dela. 
Ne  bise  statista,  ni  stal  Mazarina 

nit  znal  cinit  vidit,  da  j'  brdo  dolina  . .  .2) 
Ne  bi  od  nauka,  ni  bil  philosophus 

al  ki  od  sadasne  feie  theologus. 
Bil  je  glagojita  (Jerolime  sveti, 

glago^ite  nisu  sad  vec  za  prijeti  — 
glago^ite  puni  med  sobom  |ubavi, 

pod  kimi  grad  cvase  i  bise  u  slavi, 
glago^ite  zitkom  svomu  pelda  stadu, 

u  svakoj  prigodi  lip  miris  svem  gradu) . .  .3) 

Man  sieht,  wie  sehr  die  schlichten  Glagoliten  Kuhacevic  am  Herzen 
lagen:  sie  gehörten  ja  auch  zu  den  Traditionen  Zenggs,  die  er  so  sehr 
liebte.  Diesen  in  Kuhacevic'  Persönlichkeit  stark  hervortretenden  Zug, 
ich  meine  die  hingebungsvolle  Liebe  zur  heimatlichen  Scholle  und  zu 
den  Konnationalen,  rühmt  unser  Dichter  auch  seinem  dahingeschiedenen 
Onkel  nach: 

Nagnut  domovini,  nitkom  ne  naskodi, 

mnogoga  s  umicom  od  zla  oslobodi. 
Pun  opcinska  dobra,  kad  grad  sto  zadobi, 
vesel,  a  zalostan,  kada  sto  izgubi*). 

Im  Hause  des  Onkels  wurden  wohl  auch  ins  Herz  des  jungen  Kuhacevic 
die  ersten  Keime  dieser  Ileimatsliebe  gelegt,  die  sich  dann  in  der  Folge 
mächtig  entwickeln  und  für  sein  ganzes  Leben  entscheidend  werden 
sollte.  Es  ist  aber  charakteristisch,  daß  die  Liebe  Kuhacevic'  vor  allem 
seiner  Vaterstadt,  dem  grad  gewidmet  war. 

Die  zwei  folgenden  Sendschreiben  beziehen  sich  auf  den  Tod  des 
wiederholt  erwähnten  Frano  Kuhacevic.  Ein  Landsmann  des  Dichters 
teilte  ihm  den  Tod  des  Verwandten  mit,  welches  Schreiben  Matesa  in 
Verse  brachte  und  mit  einem  Sendschreiben  {List  sedmi.    Odgovor  na 


1)  Ibid.,  p.  72. 

2)  Ibid.,  p.  74. 

3)  Ibid.,  p.  73. 
*)  Ibid.,  p.  75. 


1 24  T.  Matid, 

sesii)  beantwortete,  in  dem  er  den  Verewigten  als  treuen,  verläßlichen 
Freund  beweint.  Nacli  dem  Tode  des  alten  Luka  war  Frano  Vertrauens- 
mann unseres  Gefangenen.  Bereits  im  Sendschreiben,  mit  welchem  Frano 
ihm  den  Tod  des  Onkels  mitteilte,  versicherte  er  Matesa,  er  werde  ihm 
an  die  Hand  gehen: 

U  ostalom  ne  dvoj,  na  ruku  cu  t'  biti 

i  kot  pravi  tvoj  brat  za  te  cu  skrbiti. 
U  dein  cu  'zkazat  Jubav,  ka  me  veze, 

da  mi  tvoji  krizi  usrid  srca  leze*). 

Diese  Worte  können  nur  so  aufgefaßt  werden,  daß  Frano  nun,  da 
der  Onkel  verschieden  war,  die  Aktion  zur  Befreiung  des  Gefangenen 
zu  leiten  gedenke.  In  diesem  Sinne  hat  ihm  auch  Matesa  gedankt: 
Metimtoga,  brate,  hvalim  na  Jubavi, 
kü  mi  izkazujes  u  ovoj  drzavi. 
Hvala  na  kripjenu  i  na  dobroj  vo|i, 

kü  imas  za  meni  pomoc  u  nevo]i .  . . 
Cin'  za  me,  sto  mores,  —  Bog  ti  bil  na  ruku, 

on  stostruko  platil  vas  tvoj  trud  i  muku. 
Ako  tegnem  izac,  poznat  ces  u  cinu, 

da  nisi  jednoga  vezal  opacinu^). 

Frano  wird  wohl  der  Schwester  des  Matesa  bei  den  Schritten,  die  sie, 
um  Begnadigung  ihres  Bruders  zu  erwirken,  nach  dem  Tode  des  Onkels 
unternommen  hatte,  als  Berater  zur  Seite  gestanden  sein. 

Den  Namen  des  Landsmannes,  der  ihm  den  Tod  des  Frano  ge- 
meldet hat,  hat  Matesa  wohl  absichtlich  verschwiegen.  Dieser  Anonymus 
muß  eine  Vertrauensperson  der  beiden  Vettern  gewesen  sein,  denn  er 
erwähnt  in  seinem  Schreiben  ein  bei  ihm  deponiertes  pisttio  (Brief, 
Schriftstück)  des  verstorbenen  Frano  und  fragt  Matesa,  was  er  damit 

tun  soll: 

Pokojnoga  pismo  i  sad  je  pri  meni; 

sto  sam  istim  cinec,  zapovite  meni  3). 

Im  Antwortschreiben  beauftragte  ihn  Matesa,  dieses  pismo  zu  ver- 
brennen : 

Veran  si,  ne  dvojim:  sto  pitas,  izgori*). 

Ein  vom  verstorbenen  Frano  für  Matesa  hinterlassener  Brief,  kann 
es  nicht  gewesen  sein,  denn  in  diesem  Falle  hätte  ihn  Matesa  wohl  nicht 


1)  Ibid.,  p.  70. 

2)  Ibid.,  p.  78. 

3)  Ibid.,  p.  80. 

4)  Ibid.,  p.  83. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     125 

verbrennen  lassen.  Es  fällt  auch  auf,  wie  vorsichtig  der  Gefangene 
seinen  Auftrag  ins  Sendschreiben  eingeflochten  hat,  so  daß  man  bei 
flüchtiger  Lektüre  gar  nicht  merken  würde,  um  was  es  sich  eigentlich 
handelt. 

Sein  letztes  Sendschreiben  [List  osmi.  Na  gospu  Klaru  Vuclra- 
govic)  schrieb  Kuhacevic  nach  seiner  Freilassung  an  die  Schwester,  die 
sich  so  viel  bemüht  hat,  um  seine  Begnadigung  zu  erwirken.  Sonderbar 
muß  es  dem  nach  sechsundzwanzigjährigem  Gefängnis  freigelassenen 
Greis  ums  Herz  gewesen  sein,  als  er  sich  zwar  frei,  aber  alt  und  gebrochen, 
ohne  Hab'  und  Gut,  nur  auf  die  Hilfe  der  Schwester  angewiesen  in  der 
Welt  sah.  Er  freut  sich  der  wiedererlangten  Freiheit,  dankt  innigst  der 
Schwester  für  ihre  Güte,  doch  zwischen  den  Zeilen  dringt  eine  gewisse 
Bitterkeit,  die  Kuhacevic  angesichts  seiner  Hilflosigkeit  empfand. 

Eine  Stelle  für  sich  nimmt  das  dritte,  Na  sudca  od  Kora7ie  be- 
titelte Sendschreiben  ein:  während  die  übrigen  liebevolle  Schreiben  an 
Verwandte  uud  Freunde  sind,  ist  dieses  an  den  Untersuchungsrichter  in 
Kuhacevic'  Prozesse ,  den  Auditor  Jenko,  gerichtet  und  unterzieht  einer 
scharfen  Kritik,  zum  Teil  auch  vom  juridischen  Standpunkte,  das  nach 
Kuhacevic'  Ansicht  unkorrekte  Vorgehen  des  Richters: 

Ti  mi  proces  peja  i  po  tvom  naputka 

sada  ovdi  sidim  u  vikovnom  kutu. 
PeJa,  —  all  kako?  Nu  1'  kak'  zakon  kaze? 

Mucim,  jer  po  tuci  zvonit  ne  pomaze. 
Posegni  u  iiadra,  dusa  ce  ti  reci. 

srzbu  u  tom  bozju  hoces  li  uteci. 
Mogucni  mogucno  prot  slabim  vojuju, 

ma  se  i  mogucno  muce  i  tuguju. 
Pökle  svist  zadobih,  nit  cuh  niti  sam  stal, 

da  se  j'  ovak'  proces  kot  se  j'  meni  pejali). 

Der  Gefangene  verzeiht  ihm,  segnet  ihn  sogar,  weil  er  im  Ge- 
fängnisse das  unschätzbare,  in  der  Welt  verspielte  Seelenglück  wieder 
gefunden  habe.  Nach  einer  juridischen  Analyse  der  gegen  ihn  ge- 
richteten Beweisführung,  kommt  Kuhacevic  zum  Schlüsse,  das  gegen  ihn 
gefällte  strenge  Urteil  sei  durch  die  Ergebnisse  dieser  Beweisführung 
nicht  genügend   motiviert,    und  fragt,    warum   er  eigentlich  verurteilt 

wurde : 

Otvor'  anda  srce,  povi  za  utihu, 

po  cem  na  me  smucne  oball  pregrihu. 


1)  Ibid.,  p.  62—53. 


126  T.  Matic, 

Slaba  j'  moja  pamet  za  ta  zrok  doseci; 

u  dvojbi  ostajem,  ako  ne  c'es  reci. 
Da  recem,  da  tvoj  sud  bi  jedna  osveta, 

fallt  du:  ni  ti  zla  nit  zlu  dah  suspeta. 
Eecem,  da  te  na  to  dignu  respet  svita 

al  koja  otajna  tvoga  Jubav  mita, 
8  tim  cu  zabludit,  drzim  te  za  sudca, 

ki  u  svakom  vrldnom  nima  zboru  truca. 
A  rec,  da  je  uzrok  ekspedit  Kaife, 

ni  testir,  jer  ta  ric  ne  trpi  tarife. 
Ekspedit  lipa  ric,  kad  ric  bozju  slidi, 

ma  se  to  ekspedit  malo  kadi  vidi. 
Sumna  je  zestoka.  Stav' na  prsi  ruke: 

ni  r  list  Placentinov  bil  zrok  te  odluke? 
Ma  zaman  ti  mucis,  nee  da  gres  u  po^e, 

hoc  da  SU  skroviti  tvoje  puti  voje. 
Muci,  —  nistar  zato,  —  pokri  Piacentina: 

ne  daj  znat  uzroka,  za  da  j'  dusa  mirna^). 

Wer  ist  mm  dieser  Placentinus,  dessen  Brief  bei  der  Verurteilung 
Kuhacevic'  den  Richter  beeinflußt  haben  soll?  Jedenfalls  hat  er 
wenigstens  in  diesem  Punkte  seinem  Untersuchnngsrichter  ein  Unrecht 
getan,  denn  wie  wir  jetzt  aus  den  Akten  des  Kriegsarchivs  wissen, 
wurde  das  Urteil  gegen  Kuhacevic  auf  Grund  eines  Beschlusses  des  von 
der  Kaiserin  eingesetzten,  aus  Generalen  bestehenden  iudicium  revi- 
sorium  gefällt. 

Eine  besondere  Gruppe  unter  den  Gedichten  Kuhacevic'  bilden  die 
religiösen  Gedichte,  ausschließlich  Paraphrasen  der  Heiligen  Schrift 
[Evan^ele  od  pozdravlena  andehka  nach  Lukas  I,  26 — 3 S)  oder  ein- 
zelner Gebete  [Pater  noster^  Ave  Ilaria,  Salve  regina ;  3Iolitva 
nevo\niha  u  przimu  nahodecega  ist  ebenfalls  eine  Paraphrase  von  Ave 
Maria).  Diese  Gedichte  haben  somit  kein  weiteres  Interesse  für  uns,  da 
von  Kuhacevic  nur  deren  äußere  Form  ist.  Die  seelischen  Vorgänge,  die 
Kuhacevic  in  den  bittersten  Stunden  seines  Lebens  zur  Religion  zurück- 
geführt haben,  werden  in  seinen  religiösen  Gedichten  mit  keiner  Silbe 
erwähnt.  Kuhacevic  dachte  nicht  daran ,  den  Inhalt  für  seine  Verse  in 
seinem  Innern,  in  seiner  Seele  zu  suchen. 

Eine  Reihe  von  umfangreichen  Gedichten  Kuhacevic'  befaßt  sich 
mit  dem  siebenjährigen  Kriege.  Über  die  Ereignisse  des  Krieges  zeigte 
er  sich  in  Gedichten,  besonders  aber  in  den  beigegebenen  Fußnoten  sehr 


1)  Ibid.,  p.  66-67. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     127 

gut  unterrichtet.  Selbstverständlich  waren  seine  Sympathien  auf  der 
Seite  der  kaiserlichen  Armee,  vor  allem  aber  werden  die  Heldentaten  des 
Generals  Luudon  gefeiert.  Der  Ruhm  Laudons  war  für  Kuhacevic  Ruhm 
Kroatiens : 

Vrat  alomil  dusmanu  austrijanske  kuce, 

bil  slava  i  dika  hrvacke  obuce: 
ova  ga  porodi,  s  nom  vitestvo  stece, 

sve  dobro,  ko  ima,  iz  ove  potece  *). 

Laudon,  der  eine  Zierde  des  kroatischen  Volkes  sei  (»slava  hrvacka 
kolina«2jj  möge  noch  größere  Erfolge  erringen  und  der  Welt  zeigen,  was 
für  Helden  es  unter  den  Kroaten  gebe : 

Stupil  Jos  na  vise  i  dal  svitu  znati 

ke  vrsti  viteze  ractaju  Hrvati^). 

Neben  diesem  für  Kuhacevic  auch  sonst  charakteristischen  Zuge 
des  Patriotismus  tritt  besonders  stark  der  Gedanke  hervor,  alle  mensch- 
lichen Siege  und  Niederlagen,  alle  Freuden  und  Leiden  seien  auf  Gott 
zurückzuführen,  —  ein  Gedanke,  der  das  Seelenleben  des  Gefangenen 
beherrschte.  Die  Mottos  der  Gedichte  sind  der  Bibel  entnommen  und 
auch  in  den  Text  sind  vielfach  Stellen  aus  derselben  eingeflochten,  — 
naturgemäß  paßten  zum  kriegerischen  Inhalte  besser  Zitate  aus  dem 
Alten  Testamente.  Kuhacevic  ging  sogar  so  weit,  daß  er  den  Text  ein- 
zelner Kirchenhymnen  seinen  Zwecken  anpaßte.  So  hat  er  die  Hymne 
Lauda  Sion  benützt,  um  nach  der  Eroberung  der  schlesischen  Stadt 
Schweidnitz  danach  ein  kurioses  Lobgedicht  zu  Ehren  Laudons  —  in 
lateinischer  und  in  kroatischer  Sprache  —  zu  machen: 

Lauda.  Schweidnic,  nunc  Laudonem,  j  Hvali,  Schweidnic,  sad  Laudona 
lauda  novum  Gedeonem  i  novoga  Gedeona. 


in  tubis  et  tympanis.  Viteskoga  hvali  pasu, 

Lauda  et  hoc  laudi  addo,  |  hval'  cestita  arambasu 

quod  sit  dignus  omni  laude 
in  choris  et  cymbalis 

etc. 


s  cimgod  mores,  hval'  prez  sale, 
jer  dostojan  svake  hvale 

etc.  <) 


1)  Ibid.,  p.  137.  —  Laudon,  der  bekanntlich  aus  Livland  stammte,  hat 
nach  seinem  Übertritt  aus  dem  russischen  in  den  österreichischen  Dienst  zu- 
nächst als  Hauptmann  unter  Trenk  und  darauf  vom  Jahre  1746  bis  zum  Aus- 
bruch des  siebenjährigen  Krieges  als  Major  in  Bunic  im  Karlstädter  Genera- 
late  gedient. 

2j  Ibid.,  p.  118. 

3)  Ibid.,  p.  144. 

4)  Ibid.,  p,  146—147. 


128  T.  Matid, 

Seltsam  ist  auch  die  Art  und  Weise,  wie  Kuhacevic  die  Worte  des 
Psalmisten  »Persequar  inimicos  meos  et  comprehendam  illos  et  non  con- 
vertav,  donec  deficiant«  den  Verhältnissen  angepaßt  und  Laudon  in  den 
Mund  gelegt  hat: 

Grem  Fouqueta  nac  u  sanci, 
pokoja  mu  ne  cu  dati, 
tirat  cu  ga  iz  svih  klanci, 

dok  se  tegae  sam  pridati. 
Ja  cu  sipat  smrt  i  rane, 

dok  svojimi  na  tla  pane  ^]. 

Der  in  der  kroatischen  Literatur  des  achtzehnten  Jahrhundertes 
auch  sonst  bekannten  pseudoklassizistischen  Einführung  der  altklassi- 
schen Gestalten  ins  moderne  Leben  begegnen  wir  auch  bei  Kuhacevic. 
Seine  Vila  Slovinkina  erfährt  Neuigkeiten  vom  Kriegsschauplatze  durch 
den  beflügelten  Postboten  Merkurij : 

Eto  Merkurija!   Ak' me  glas  ne  vara, 

rozicem  odposteveseloudara^) 
oder 
>Merkuriju  dragi,  glasonose  mili, 

kamo  tak'  veselo?   Povi  malo  vili.< 
»Draga  vilo,  rece,  pusti  me  letiti, 

grem  svoj  Europi  radost  navistiti« 
»Kü  radost?   Mo|u  te,  povi  ml  u  kratko, 

ako  zelis,  vila  da  pocine  slatko.« 
Tad  on  pun  vese]a,  prez  naprvo  iti, 

prionu  radostno  ovak'  bugariti . .  .3). 

Für  diese  mit  allerlei  Schmuck  —  auch  das  klassische  »lo  Victoria!  lo 
Paean!  lo  Triumphe!«  durfte  nicht  fehlen  —  ausgestatteten  Gedichte 
können  wir  uns  nicht  erwärmen.  Die  an  und  für  sich  nicht  fesselnde,  et- 
was schwerfällige  Erzählung  Kuhacevic'  wird  vielfach  durch  Digressionen 
unterbrochen,  die  noch  weniger  geeignet  sind,  das  Interesse  des  Lesers 
zu  wecken. 

Warum  hat  Kuhacevic  diese  Gedichte  geschrieben  ?  Waren  sie  für 
ihn  bloß  ein  Zeitvertreib  in  der  Langweile  des  Gefängnisses  oder  ver- 
folgte er  dabei  vielleicht  auch  andere  Zwecke?  Eines  fällt  mir  auf: 
sonst  finden  wir  in  den  Gedichten  Kuhacevic'  (von  den  Mottos  sehe  ich 
hier   ab)   keine  lateinischen  Einschiebsel,  —  diese  begegnen  uns  nur 


1)  Ibid.,  p.  131. 

2)  Ibid.,  p.  139. 
3J  Ibid.,  p.  131. 


Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  u.  d.  Aufstand  v.  Brine.     129 

in  den  Gedichten  über  den  siebenjährigen  Krieg  und  sind  so  gewählt, 
daß  aus  ihnen  auch  einer,  der  der  kroatischen  Sprache  nicht  mächtig  ist, 
auf  den  ersten  Blick  ersehen  kann,  daß  die  Gedichte  der  Verherrlichung 
der  Kaiserin  und  insbesondere  Laudons  gewidmet  sind.  Es  liegt  nun 
der  Gedanke  nahe,  daß  Kuhacevic  vielleicht  hoffte,  durch  diese  Gedichte 
die  Aufmerksamkeit  des  Generals  und  durch  ihn  auch  die  Aufmerksam- 
keit hoher,  der  Kaiserin  nahestehender  Kreise  auf  sein  bitteres  Schicksal 
zu  lenken  und  sie  zu  seinen  Gunsten  umzustimmen.  Das  ist  natürlich 
nur  eine  Vermutung,  denn  wir  wissen  nicht  einmal,  ob  unserem  Ge- 
fangenen überhaupt  welche  Wege  offen  standen,  um  seine  Gedichte  an 
Laudon  zu  senden,  und  noch  weniger,  ob  er  es  —  falls  er  auch  diese 
Absicht  hatte  —  versucht  und  ausgeführt  hat. 

H.  Fächer  erwähnt  noch  ein  Gedicht  Kuhacevic',  welches  in  der 
von  H.  Magdic  benützten  Handschrift  nicht  enthalten  ist  und  deshalb 
von  ihm  auch  nicht  herausgegeben  wurde.  Das  Gedicht  hat  den  Titel: 
Utiha  nevohiih  u  zrcalu  od  pravde  s  jednom  istinitom  peldom  u 
nevo\i  hivsega  rasvijetletm^  po  istomu  skroz  jn'iproste  verse  na  svitlo 
dana*.  Der  Inhalt  der  Utiha  deckt  sich  mit  dem  des  Sendschreibens 
Na  popa  Fra7iu  Kuhaöevica:  es  wird  —  mitunter  mit  denselben  Worten 
wie  im  Sendschreiben  —  der  Prozeß  und  die  Gefangenschaft  Kuhacevic' 
geschildert,  doch  dürfte  diese  Schilderung  viel  eingehender  sein,  da  die 
Utiha  nach  der  Angabe  H.  Fächers  1791  Verse  gegenüber  etwa  300 
Versen  des  Sendschreibens  zählt  i). 

Noch  weniger  wissen  wir  über  Kuhacevic'  Memoiren.  Sie  wurden 
nach  dem  Jahre  1878  gefunden  und  sollen  Kuhacevic'  Aufzeichnungen 
über  bedeutendere,  in  seiner  Heimat  und  im  Auslande  vorgekommene  Er- 
eignisse enthalten 2).  Wo  sind  gegenwärtig  diese  Memoiren  ?  Welche  Zeit 
umfassen  sie?  Sind  sie  in  welchem  Zusammenhange  mit  der  lateinischen 
Autobiographie,  die  wir  aus  dem  Vorworte  Magdic'  wenigstens  einiger- 
maßen kennen?  Lauter  Fragen,  auf  die  ich  keine  Antwort  zu  geben 
vermag. 

Daß  Kuhacevic  seine  Schriften  nicht  für  immer  begraben  wissen 
wollte,  zeigt  das  Gedicht  Na  stalca^  welches  in  der  Handschrift  an  der 
Spitze  der  Dichtungen  steht.  Aber  auch  die  Handschrift  selbst  —  falls 
sie  in  ihrer  gegenwärtigen  Form  von  K.  stammt  —  weist  durch  die  auf 


1)  Nastavni  vjesnik  XII,  p.  20. 

2)  Ibid.,  p.  7. 

Archiv  für  slavisclie  Philologie.  XXXV. 


130  T.  Matic,  Der  kroat.  Schriftsteller  M.  A.  Kuhacevic  usw. 

das  Abschreiben  und  Ordnen  der  Gedichte  verwendete  Sorgfalt  anf  den 
Wunsch  hin,  sie  der  Nachwelt  zu  überliefern.  Im  Manuskripte  der  TJtiha 
nevolnih  heißt  es  im  Titel  sogar  ausdrücklich  »na  svitlo  dana«.  Hat 
K.  in  den  düstern  Tagen  der  Gefangenschaft  vielleicht  an  eine  Veröffent- 
lichung seiner  Schriften  im  Drucke  gedacht?  Unsere  Kenntnisse  über 
die  erhaltenen  Manuskripte  und  ihre  Entstehung  sind  leider  zu  gering, 
um  dieser  Frage  näher  treten  zu  können. 

* 
In  die  Reihen  bedeutender  Schriftsteller  gehört  Kuhacevic  gewiß 

nicht.    Ein  Mann  von  starker  Individualität,  der  so  seelenerschütterndes 

erlebt  hat,  hätte,  wenn  er  ein  begabter  Schriftsteller  gewesen  wäre,  der 

Nachwelt  wohl  bedeutendere  literarische  Produkte  hinterlassen.     Der 

innere  Wert  seiner  Schriften  lockt  den  Leser  wenig;    sie  interessieren 

uns  vor  allem  insoferne,  als  sie  die  Persönlichkeit  des  Autors  beleuchten, 

eines  Mannes ,  der  —  für  seine  Zeit  bezeichnend  genug  —  als  Sohn 

einer  bürgerlichen  Familie  und  auf  sich  selbst  vertrauend  den  Mut  hatte, 

gegen  die  Fremden,  die  in  seinem  Vaterlande  die  Macht  an  sich  gerissen 

hatten,   unverzagt  aufzutreten,   und   in  diesem   ungleichen  Kampfe  als 

Opfer  seiner  Gesinnung  fiel. 


Plionologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes*). 

Erster  Teil:  Vokalismiis. 

Von 

Prof.  Dr.  K.  Strekelj. 


Erstes  Kapitel. 
Vokal  a. 
§  1.    In   diesem  Kapitel  wird  jenes  a  in  Betracht  gezogen,  welches 
im  Alt-  und  gleicherweise  im  Neuslovenischen  entweder  den  korrespon- 
dierenden Laut  teils  des  idg.  d,  lit.  ö,  teils  des  idg.  ö,  lit.  ö,  u  (i/o),  — 
oder  den  Ablaut  des  'K,  'Kl,  0,  'S,  —  oder  drittens  das  Produkt  der  Dehnung 


*)  Im  Nachlasse  des  Professors  Dr.  K.  Strekelj  fand  sich  ein  hand- 
schriftliches Faszikel  vor,  das  unter  dem  oben  zitierten  Titel  die  zu  seiner 
»Morphologie»  als  Ergänzung  geplante  Phonologie  teils  im  fertigen  fdas  hier 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  131 

des  slav.  o  bei  der  Bildung  der  verba  iterativa  und  in  der  Lautgruppe 
>tort,  tolt«,  oder  der  Kontraktion  aus  aje  bei  Verben  V.  1,  oder  endlich 
den  Reflex  des  'k  (urspr.  e)  nach  6^  i,  i,y  repräsentiert.  Weil  denselben 
Wandlungen  unterworfen,  findet  hier  auch  das  a  der  Fremdwörter  Be- 
rücksichtigung, mag  es  nun  da  als  selbständiger  Vokal  auftreten  oder  die 
Stellung  des  ersten  Komponenten  in  Diphthongen  einnehmen  (ital.,  frl. 
aii^  ai^  d.  a?,  e?',  eu^  äu,  au).  Nicht  beachtet  wurden  hier  jene  Fälle,  in 
denen  fremdes  a  bereits  in  altslavischer  Periode  durch  o  vertreten  er- 
scheint. 

I.  a  bleibt  a. 

§  2.  Der  gewöhnlichste  Reflex  des  asl.  wie  fremden  a  ist  ein  offenes, 
reines  (sog.  italienisches)  a.  Es  findet  sich  sowohl  als  Akzentträger,  als 
auch  nach  der  Tonsilbe;  vor  der  letzteren  ist  es  nur  m  faj'htuöba 
»Feuchtigkeit«  anzutrefien. 

§  3.  In  der  Tonsilbe  ist  es  meistens  lang:  häla  Kugel,  Braut- 
ausstattung, cak.  bäla  fascis  lintei,  aus  ven.  lala  quantitä  di  roba  messa 
insieme  e  rinvolta  in  tela  o  simil  materia  ^].  hläna  Balken  als  Faßunter- 
lage, Q:2i^.blänja^  ix\.  plague  yqvl.  pia7ia,  id.  yärba  Pelargonium  sp.,  ven. 
ai'ba  und  erba  :  erba  rosa  geranio  rosa,  Pelargonium  Radula,  welches 
als  arbaroza  auch  ins  Kroat.  eingedrungen  ist :  y  ist  in  yärba  zur  Ver- 
meidung des  vokalischen  Anlautes  vorgeschlagen,  järit  coire  (von 
Tieren),  yarc  Zuchtwidder:  Si&X.  jar^  amarus,  iratus,  serb.  yara  Hitze, 
russ.  Hpümh  ApaaiiHTi,  KHnaTHTb,  pasaturaxt  noxoTL,  öhtb  bT)  nopi, 
B'B  TBUK'i,  RpÜMhCR  noxoTHn^iaxt,  pocTHTLCH  (Dalb);   ferner  vergl.  d. 


zum  Abdruck  kommende)  teils  im  unfertigen  Zustande  enthält.  Die  Witwe 
des  Verstorbenen  hat  uns  das  ganze  Material  zur  wissenschaftlichen  Verwer- 
tung überlassen.  Die  Redaktion  hofft  neben  diesem  schon  endgiltig  ausgear- 
beiteten Teil,  der  allerdings  schon  vor  längerer  Zeit  fertig  gewesen  und  später 
nicht  mehr  durchgesehen  worden  zu  sein  scheint,  auch  das  übrige  Material, 
mit  freundlichst  versprochener  Mithilfe  seines  Schülers  (Prof  Breznik  in 
St.  Vid  bei  Laibach)  in  druckfertigen  Zustand  bringen  und  in  unserer  Zeit- 
schrift, wi3  es  auch  der  Wunsch  des  verstorbenen  Verfassers  war,  publizieren 
zu  können.  V.  J. 

*)  In  der  älteren  Vorlage  stand  hier  in  Klammern  folgender  Zusatz:  »Am 
Karst  gebt  die  Braut,  wenn  sie  arm  ist,  vor  der  Hochzeit  in  der  Umgegend 
verschiedene  milde  Gaben,  meist  Getreide,  einsammeln:  bere  w  bälu.  Mit  ihr 
geht  ein  älteres  Weib  herum,  häba  genannt*  Dazu  die  Randbemerkung:  cf. 
serb.  ba'iica  zensko  celjade  koje  prati  nevjestu,  pronuba;  paraninfa,  donna  che 
accompagna  la  sposa.    Rjec.  1131. 

9* 


132  K.  Strekelj, 

Brunst  v.  hrenne?i^  ital.  caldo  geil,  essere  in  caldo  bespringen.  Im 
cak,  auch  von  Vögeln:  ptici  se  jaru^  üblicher  noch  ist  das  Verbumy«r- 
citi^  jarciti  se,  vgl.  das  agram,  akad.  W.  s.  v.  *),  wofür  slov.  parüi  se,  das 
jedoch  nicht  nuipara Hitze  zurückgeht,  sondern  auf/)ar,  d. Paa?;  steh  paa- 
ren beruht,  mätast  dumm,  ital.  matto.  nä  en  tibi,  näte  en  vobis.  näyolin 
Nelke,  ahd.  nagal,  nagul,  mhd.  nagel  Gewürznelke,  n'dgelvn  Dianthus. 
näpa  Rauchfangmantel  über  dem  Herde,  auch  cak.  näpa  tabula  super 
foco  ad  imponenda  vasa;  frl.  näpe  cappa  che  sovrasta  al  focolare,  ital. 
nappa.  räkla  Pfahl  zur  Stütze  von  Weinreben  und  Schlingpflanzen;  das 
Wort  ist  deutsch  und  ins  Slovenische  in  verschiedenen  Formen  einge- 
drungen: ragla,  raglj'a,  raglica,  raha,  ralila,  raja,  rajica,  rakla,  alles 
in  der  Bedeutung  'Stange,  Stecken,  Pfahl :  mhd.  rahe  Stange  (cf.  Kluge 
s.  ragen,  Rahe,  regen);  kämt,  rägg'l,  räk'l  f.  eine  Stange,  welche  noch 
mit  einem  Teile  der  zugestutzten  Äste  versehen  ist,  bair.  die  Rahen, 
Rachen.  Kaum  richtig  leitet  Schuchardt  68  das  kämt.  Wort  aus  dem 
Slov.  ab;  beachte  jedoch  österr.  Stägl  Stahl,  kämt,  seg-n  sehen,  sigst 
siehst  usw.  Auch  ins  Cech.  ist  das  Wort  eingedrungen  als  rähno  Stange, 
desgleichen  ins  Friaul.  räcli  frasca  troncone ,  ramo  d'albero  co'suoi  ra- 
moscelli  che  si  pone  a  sostegno  delle  piante  scandenti,  raclä  infrascare, 
plantare  accante  ai  legumi  scandenti  la  frasca.  räza  Ritz  an  der  Haut: 
vgl.  asl.  uraziti  percutere,  nsl.  naraziti  verletzen,  navraziti  eine  halb- 
verharschte Wunde  aufreißen,  Wz.  rSz.  späka  Mißgeburt,  Teufel:  iz- 
pak-a.  täpa  f.  Stück  Holz ,  um  damit  das  Rollen  der  Fässer  oder  (beim 
Wagenschleif)  die  Bewegung  des  Rades  zu  hindern:  frl.  tapp  m.,  id. 
träJtter  Ort  im  Stalle,  wo  von  den  oberen  Räumen  Heu  heruntergeschüttet 
wird:  d.  Trachter.  zävor  Knüttel,  um  das  Kettenband  fest  anzuziehen 
und  zu  sperren,  Wz.  ver  .  .  . 

§  4.  Schon  aus  den  angeführten  Beispielen  ersieht  man,  daß  selbst 
ursprünglich  kurzes  und  unbetontes  a ,  falls  es  durch  offenes  a  vertreten 
wird,  in  der  Tonsilbe  lang  wird.  Kurz  ist  ofl'enes  a  nur  dann,  wenn  dar- 
auf ein/,  n  oder  lo  mit  einem  zweiten  Konsonanten  folgt;  die  Kürze  ist 
demnach  abhängig  von  dem  physiologischen  Charakter  des  nachfolgen- 
den Konsonanten,  der  gleichsam  der  zweite  Komponent  eines  Diphthongs 
wird  und  als  solcher  einen  Teil  der  Länge  des  a  übernimmt.    Während 


1)  Die  Zusammenstellung  von  Ja;j^  mit  jan  usw.  wird  jetzt  aufgegeben  zu 
Gunsten  von  Jaro,  wo«,  vgl.  Berneker  440,  Walde^GO.  Anm.  von  Dr.  A. 
Breznik. 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  133 

indes  diese  Erscheinung  bei  a  mit  nachfolgendem  ii  +  Kons,  ziemlich 
konsequent  eintritt,  macht  sich  bei  a  vor/  oder  lo  -\-  Konsonant  häufig 
ein  Schwanken  bemerkbar,  indem  dieselben  Wörter  auch  mit  langem  r/, 
ja  andere  nur  so  gesprochen  werden.  Die  Kürze  dieses  a  scheint  jedoch 
immer  weiter  um  sich  zu  greifen  und  sich  neuer  Wörter  zu  bemächtigen. 
Beispiele:  bänyr  Türpfosten  aus  d.  Wang^  pl.  die  Wetigei\  vgl.  Arch. 
XI.  467;  bänk  Verk  aufs  tisch :  ital.  hanco.  hräj'da  und  hräjda  Feld  mit 
hübschen  Weinreben;  cak.  hräjda  ordo  vitium,  aus  ven.  braida^  frl. 
braide,  d.  Gebreite:  'wie  herrlich  liegen  die  schönen,  reichen  Gebreite 
nicht  da',  Goethe,  Herrmann  und  Dorothea  IV.  186.  drzäwnik  und 
drzäwnik  Reichsratsabgeordneter,  yänk  Gang ,  Balkon ,  Chor  in  der 
Kirche;  auch  bei  Belostenec  I.  776:  mesaula  med  dvema  hizama  prehod 
ili  ganjk. 

ymäjna  und  ymäjna  Gemeindeland:  mhd.  gemeine  Eigentum  einer 
Gemeinde,  känkor  krebsartiges  Geschwür,  Türangel,  aus  ven.  '■cancaro 
tumore  o  ulcere',  in  Triest  auch  'arpione,  cardine,  ganghero'.  mänkor  zu- 
mindest: frl.  mancul  almanco.  nänkor  nicht  einmal,  Analogiebildung 
nach  mänkor  aus  dem  daneben  gebräuchlichen  nänka:  triest.  nanca  nem- 
meno,  neppure,  frl.  nänghe.  parafänk  und  parafänk  aus  frl.  i)arefäng^ 
ital.  parafango  cuojo  che  cuopre  le  parte  anteriore  del  calesse  e  la  di- 
fende  dalla  pioggia  o  dal  fango.  pränyat  stolzieren,  spazieren:  mhd. 
brangeji.)  prangen,  tir.  prangen  geziert  aufziehen,  kämt,  prängin^ 
prangen,  stolz  tun,  geschmückt  einhergehen  .  .  , 

§  5.  Nach  der  Tonsilbe  findet  sich  a  als  ofi^enes  a: 

a)  in  Wurzelbestandteilen:  üöbras  Gesicht  :  obrazx  .  .  . 

b)  in  stammbildenden  Suffixen:  a)  ar  aus  arh  [ario)  im  nom.  sg., 
während  in  den  übrigen  Kasus  nach  §  17c  a  auch  mit  e  abwechseln  kann: 

mükar  wer  mit  Mehl  zu  tun  hat,  gen.  mükarja  und  mükarja 

ß)  ast:  mutast  stumm,  ital.  muto.  yüöbast  höckerig,  ital.  gobbo  .... 
y)  at:  kösmat  mit  Haaren  bewachsen  ...  ö)  bei  Verben  V.l.  zweiter 
Betonungsreihe  (cf.  Morph.  1 13ff.) :  im  Infinitiv,  1-Partizip  fem.  und  neutr. 
sg.,  I.  II.  III.  praes.  sg.  u.  plur.,  n-Partizip.  Über  die  Abwechslung  des 
a  mit  üf,  £  in  diesen  Fällen  vgl.  Morph.  111.  Ferner  im  Infinitiv  der 
Verba  III.  2  ;  V.  1.  erster  Betonungsreihe;  V.  2,  VI  (s.  Morph.  102  ;  HO, 
111;  119,  120;   121). 

c)  in  Kasussuffixen:  «)  im  nom.  sg.  der  Substantiva  der  a-Deklina- 
tion,  der  femininen  Adjektiva,  Pronomina,  Partizipia  und  adjektivischen 
Numeralia;  desgleichen  im  nom.  sing,  einiger  maskulinen  Eigennamen: 


134  K.  Strekelj, 

yä/aJagd:  kämt,  jag  ff  f.;  Hepa;  möja\  tekla]  pisana\  prva;  lyka 
Lukas  ...  ß)  im  gen.  s.  der  t  (o)-  und  o-Deklination ,  sowie  in  der  En- 
dung ya  der  pronominalen  und  zusammengesetzten  Deklination:  wrdya 
des  Teufels,  doch  buyejmie  :  dajat  b.  Almosen  geben,  aus  v  hoga  ime, 
da  durch  die  Zusammenrückung  mit  ime  resp.  jerme  der  Genitiv  nicht 
mehr  herausgefühlt  wird ;  pid'a  des  Feldes ;  neya  eius ;  yrdya  des  häß- 
lichen ...  j')  im  nom.  dual,   der  maskulinen  Nomons   und  Pronomens: 

dvä  hläpca  zwei  Knechte;  Tiepa\  tista ö)  in  der  Endung  öÄ,  am, 

{an),  ami  bei  Substantiven,  die  sich  von  der  nominalen  a-Deklination  auf 
die  Neutra  (o-Deklination)  und  dann  auch  auf  die  Masculina  (i,-Dekl.) 
und  zuweilen  auch  auf  die  anderen  Deklinationen  verbreitete. 

II.  a  wird  vertreten  durch  a. 
§  6.  Ein  häufiger  Vertreter  des  a  ist  a,  ein  Laut,  den  physiologisch 
genau  zu  bestimmen  ich  außer  stände  bin.  Er  kommt  dem  i>,  Lepsius' 
e  nahe,  doch  so,  daß  daraus  noch  immer  ein  a  herausklingt;  vom  offenen 
a  unterscheidet  es  sich  durch  geringere  Tonhöhe ,  weshalb  ich  es  in  der 
Morphologie  4,5  als  »ein  gleichsam  reduziertes  a«  charakterisierte.  Lang 
kommt  es  nie  vor;  sollte  es  gelängt  werden,  so  wird  es  sofort  durch  ä 
abgewechselt. 

§  7.  In  kurzen  Tonsilben  finden  wir  a  durch  «  vertreten: 
a)  bei  mehreren  einsilbigen  Substantiven,  Adjektiven  und  Infinitiven; 
bei  den  beiden  erstgenannten  wird  es  zu  ä,  sobald  diese  Wörter  durch 
die  Deklination  um  eine  oder  mehrere  Silben  anwachsen  oder  sonst  eine 
Änderung  erleiden:  fatit  Knabe,  Bursche,  \\,^\.  fatite,  bair.  Faiit  Junge. 
ylas  Glas,  yvant  mhd.  gewant,  bair.  Gwancl  Gewand,  kaut  mhd.  bair. 
^aw^  gerichtliche  Versteigerung ,  frl.  p/iaw^ncanto.  s Zop  schwach,  spas 
Spaß;/«^  7Ki  spas  frl.  lä  a  spass,  triest.  andar  a  spasso  spazieren  gehen; 
auch  ins  cak.  als  spas  eingedrungen,  vamp  dicker  Bauch,  Rindsmagen, 
nhd.  Wampe,  Wampen  ...  Im  Gen.,  resp.  im  Fem.  tritt  sofort  ä  für  a 
ein:  fänta,  släba  usw.;  cf.  Morph.  15,  74,  95  f.,  104,  120 f.  Die  Prä- 
positionen 7ia,  nat,  za  (na,  nad,  za)  erhalten  den  Akzent  («a,  nid,  zu] 
nur  in  Gegensätzen;  ne  na  yöri,  pöd  yöru  smo  nietlikries.  Pa<^  jawohl 
ist  ursprünglich  zweisilbig ;  serb.  pä6e  und  pu6e  imo.  In  allen  Formen 
behält  sein  a  nur  kaÖ  Schlange,  das  neben  käöa  gesprochen  wird,  ohne 
gerade  das  Männchen  einer  Schlange  zu  bezeichnen ;  manche  gebrauchen 
es  nur  von  einer  giftigen  Schlange,  daher  denn  auch  am  Ostersonntag 
Fenchel  gegessen  wird  und  man  einander  zuruft:   Jlj,  ßj   köramad, 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  135 

*I>«  t^  m  lüjej pisan  kuö.    Über  rat  vgl.  Morph.  74.    Merke  das  drei- 
silbige kontrohant^  gen.  kontrohänta  Kontrebande. 

b)  bei  einigen  mehrsilbigen  Wörtern,  in  denen  der  Akzent  von  einer 
folgenden  Silbe  auf  die  jetzige  Tonsilbe  zurücksprang  und  zwar 

ci)  um  eine  Silbe:  Ido  auf,  interj.,  tir.  allo^  alle^  kämt,  allö^  allä 
i^  —  \  —^)  vorwärts,  frisch,  frz.  allons\  fayl'ai  lodern  =  yörit  ku  fä- 
yl'a  :  brennen  wie  eine  Fackel;  urslav.  betont  ^fugljäti.  yluHk  Gläs- 
chen, gen.  ylaska^  urspr.  betont  glazik^  glaskä.  hladn  kühl;  serb. 
hlädan.  kalat  an  einem  Seil  in  die  Höhe  ziehen;  ital.  calare  sinken,  in 
die  Höhe  ziehen,  triest.  calm'  acqua  attingere:  urspr.  betont  kaläti. 
koladhk  kleines  radförmiges  Gebäck,  gen.  koladka,  aus  *koladik,  *ko- 
laökä.  kraftn,  kruftno  kräftig  aus  kraftin.  krahk,  gen.  kralka  Zaun- 
könig aus  *krarik,  kraVkä.  mac%k  ein  Bißchen  für  ^malnk  aus 
*mahce,  malce  von  malo.  mama  aus  d.  Matnä,  in  der  nordwestl.  Zone 
mäma.  masin  fett,  serb.  mästan.  mladn  lau;  cf.  serb.  mlak  id.,  cak. 
mljädan  tepidus.  mrad?i  dunkel,  serb.  mräöan.  papat  essen  (Kinder- 
spr.),  it.  pappare,  ([.pappen.  7>)0(5a672  langsam,  jörasw  staubig,  serb. 
präsan.  slad^k  süß,  urspr.  sladik,  altslav.  slächk^  nach  der  Analogie 
von  la/iik,  serb.  sladak^  russ.  cojiödKiü.  kam  'aliquis'  verdankt 
sein  a  dem  Diflerenzierungstrieb,  um  das  Wort  von  käs7i  'qualis?'  zu 
scheiden. 

ß)  um  zwei  Silben :  j^ayb^a^  flattern;  n^\.  ßafotäti.  makolat 
durch  allzu  zärtliche  Behandlung  verderben,  frl.  macolä  guastare.  pa- 
landrat  schlendern,  häßlich  gehen :  cf.  halandra  herumschweifende  Per- 
son, Taugenichts,  eig.  wandernd,  pilgernd;  Schnellers  Rom.  Mundarten 
in  Südtirol  110;  frl.  j!?a/awc/ra/?  baggiano ,  gaglioflfo.  p/«/>oZa^  flackern, 
lodern ;  nsl.  7J/a/)o/a/^.  stramholat  beim  Tragen  ungeschickt  bewegen; 
cf.  ital.  stramho  schief,  frl.  stramboläd  strano,  strambolött  errore  qua- 
luuque.  Auch  facht  dürfte  hierher  gehören,  indem  das  o  des  ital.  faz- 
zoletto,  frl.  fazzolett  erst  nach  der  Entlehnung  und  Zurückziehung  des 
Akzentes  schwand,  weil  ^on^ifecht  zu  erwarten  wäre. 

Überblickt  man  nun  die  Beispiele  sub  b),  so  sieht  man,  daß  auf  die 
Silbe  mit  «  stets  eine  resp.  zwei  mit  einem  nicht  palatalen  Vokal  als  Silben- 
akzentträger  folgen.  Ursprüngliche  Lauge  hindert  natürlich  nicht,  daß 
a  mit  a  abwechselt,  weil  zur  Zeit,  wo  diese  Abwechslung  durch  die  Ak- 
zentverschiebung vor  sich  ging,  der  Slovene  längst  keine  Längen  vor  der 
akzentuierten  Silbe  mehr  kannte. 


136  K.  Strekelj, 

§  8.  In  unbetonten  Silben  vor  der  Tonsilbe  tritt  a  für  a  ein, 
wenn  der  Wortakzentträger  ein  dunkel  gefärbter  Vokal  ist  {a,  a,  o,  iio, 
^,  ^).  Hierbei  kann  die  a  enthaltende  Silbe  durch  eine  andere,  einen  der 
dunklen  Vokale  a,  o,  z/,  ^,  r  enthaltende  Silbe  von  der  Worttonsilbe  ge- 
trennt sein:  hcdüöta  großer  Wurfstein,  triest.  halota  paliotta.  hluyü 
Ware,  Vieh,  mit  progressiver  Akzentverschiebung,  cak.  blägo^  hlägo  pe- 
cudes,  opes.  yalänt  sanftmütig,  bescheiden,  ital.  galante,  matörn  träge, 
übelgelaunt;  asl.  mator-  senex.  patitah'm  Dummkopf,  frl.  patitalön  id.. . 
Dieselbe  Erscheinung  tritt  auch  bei  tia,  jiad,  za,  raz  ein,  und  zwar 
mögen  dieselben  als  Präfixe  oder  als  Präpositionen  [raz  wird  als  solche 
nicht  gebraucht)  vorkommen :  6^  nusäjat  wohin  steigen,  woher  man  leicht 
herunter  fallen  kann;  na  yoru  auf  den  Berg;  razdäjat  verteilen  .  .  . 

§  9.  Auch  in  Wörtern  mit  hellem  Wortakzentträger  (/,  y,  te)  tritt 
für  a  in  unbetonten  Silben  vor  der  Worttonsilbe  a  dann  ein,  wenn  die 
Silbe,  die  dieses  a  bietet,  von  der  Worttonsilbe  durch  eine  andere,  o  oder 
u  enthaltende  Silbe  getrennt  erscheint:  hlayonica  einzige,  bruderlose 
Tochter  im  Hause,  Vermögenserbin;  im  nordwestl.  Karstdialekt  hluyu- 
nica  vom  Thema  hlagoiija  von  hlago ;  cak.  hlagar,  hlagarica  Universal- 
erbe, —  in  (Novice  IX.  158).  ipanoliety  ipanyoUet  Zigarette,  frl.  sjja- 
gnolett.     tcihoUerat  intabulieren.     tawolin  Tischchen,  ital.  tavolino  . .  . 

§  10.  Selbst  in  Silben,  die  entweder  unmittelbar  vor  einer  e  ent- 
haltenden Worttonsilbe  stehen  oder  von  ihr  durch  eine  andere,  a  enthal- 
tende Silbe  getrennt  sind,  wechselt  a  mit  a,  wenngleich  e  eher  als  heller 
Vokal  anzusehen  ist,  und  demnach  durchgehends  der  Lautwechsel  a—>e 
zu  erwarten  wäre,  der  in  der  Tat  im  behandelten  Dialekte  sehr  häufig 
eintritt,  während  in  der  angrenzenden  nordwestlichen  Zone  nur  a  herrscht. 
Der  Grund  kann  einerseits  in  der  breiten  Aussprache  des  e  (wie  ea), 
andererseits  darin  liegen^  daß  die  meisten  hierher  gehörigen  Wörter  junge 
Entlehnungen  sind ;  der  Kraft  der  Analogie  ist  es  noch  nicht  gelungen, 
den  den  Lautgesetzen  entsprechenden  Wandel  in  e  an  die  Stelle  des  dem 
fremdartigen  a  näheren  a  zu  setzen,  z.  B.  hacleia  neben  hedesa  dickes 
aufgeputztes  Frauenzimmer,  Äbtisse:  ital.  hadessa.  havela  neb.  hevela 
Baumwolle:  ital.  havella^  frl.  havele.  materja  neb.  meterja  Straßen- 
schotter: ital.  materia.  paj'ccpet  Brustwehr:  ital.  parapetto.  patent 
Patent.  Sakrament  Sakrament,  saksebe  auseinander:  vbsak^  sehe;  a 
hat  sich,  abgesehen  davon,  daß  dies  eine  bloße  Zusammenrückung  ist, 
wohl  durch  die  Analogie  jener  Formen  des  Pronomens  vbsako  erhalten, 
die  a  bieten  (Morph.  92).     testament,  tastament  und  testemetit  Testa- 


Phonologie  des  Gürzer  Mittelkarstdialektes.  137 

ment  .  .  .  Man  merke:  mecesn  Lärche,  wohl  für  *ma-sosna.  po7itspe 
Brustnadel,  Brosche;  ital.  pontapettOi  ix\.  pontapett. 

§  11.  Folgt  auf  eine  Silbe  mit  a  eine  Worttonsilbe  mit  dunkel  ge- 
färbtem Vokal,  dem  jedoch  ein  j  oder  n  unmittelbar  vorangeht,  so  wird 
jenes  a  in  einigen  Wörtern  zu  «,  häufiger  aber,  den  Lautgesetzen  des 
Mittelkarstdialektes  entsprechend,  zu  e.  Diese  Schwankungen  sind  wohl 
auf  dieselben  Ursachen  zurtickzufiihren,  wie  das  schwankende  Verhalten 
der  a  enthaltenden  Silben  vor  Worttonsilben  mit  e  (§  10).  Gewöhnlicher 
ist  a  in:  hataljün  Bataillon,  dacjär  Verzehrungssteuereinnehmer,  ge- 
bildet von  ital.  daziere^  triest.  dazier  gabelliere  mit  Anlehnung  an  die 
zahlreichen  Substantiva  auf  är\  doch  wird  auch  dtrjär  gesprochen, 
yciJJöt  schlechter  Mensch;  frl.  galiott ,  ital.  galeotto.  mujuölha  ||  mE- 
Jüölka  Trinkgefäß  aus  Ton:  Majolika;  im  nsl.  mijolika,  serb.  milojha 
scheint  eher  der  Einfluß  des  ital.  mido  als  des  ahd.  mtol  zu  suchen  zu 
sein;  vgl.  über  das  Wort  Mussafia,  Beitrag  zur  Kunde  der  nordital. 
Mundarten  sub  mizuol.  majuör  Major,  puiiöka  Kommißbrot,  triest. 
■pagnoca^  ital.  pagnotta.  pusjün  Leidensgeschichte  Christi:  lat.  passio. 
taljän  Italiano.  zdajäwo  und  zdEJäwc  Verräter:  izdaj'avec  .  .  .  Hin- 
gegen ist  E  gebräuchlicher  in:  frEj'ün  Lebemann:  frl.  frajön,  triest. 
fraion  crapulone.  pEJiin  Strohsack:  triest.  paion  pagliericcio ,  ital.  j^a- 
glione.  stEcjim  m. :  ital.  stazioyie^  d.  Station.  stEJün  m.  Jahreszeit: 
ital.  stagione  ^  frl.  stagion  f.  stsnäk  m.  Schöpfeimer:  triest.  stagnaco 
secchia,  ital.  stagnata.  —  Ähnliche  Abwechslung  zeigt  a  in  zweitvorher- 
gehender Silbe  bei:  mErsJün,  rtiEjermi  neben  marajün,  majarün'.  Ori- 
ganum  majorana:  frl.  majarbn.  rriEtErjäl  Baumaterial.  tEhlcjün  In- 
tabulation. 

§  12.  Nach  der  Worttonsilbe  findet  sich  u  für«  in  folgenden 
Wörtern:  kietnara  On.,  ital.  Chettinara.  körahaö  Peitschenstiel,  serb. 
korhad^  cech.  korahad.^  türk.  kerhad.  köramad  Fenchel :  nsl.  ko?norac^ 
kroat.  komorad ^  morad^  koromaö.  pulcmdrat  schlendern  (§  7  b,  ß). 
roso/?aÄ  Schellkraut :  russ.  poeonacB  Name  verschiedener  Pflanzen,  cech. 
rosopastka  Roemeria.  Hierher  gehören  auch  die  femin.  Substantiva  auf 
arca  (Morph.  65^  66),  insofern  ihr  ar,  sei  es  bloß  auf  der  Analogie  des 
Suffixes  arh  beruht  oder  sie  wirklich  durch  dieses  Suffix  auf  slovenischem 
Boden  gebildet  sind;  dies  gilt,  so  lange  das  Kasussuffix  kein  i  ist.  Ferner 
wird  zu  cc  das  a  folgender  Suffixe  und  zwar  in  dem  Falle,  daß  der  Dia- 
lekt in  der  folgenden  Silbe  ^  bietet,  nämlich  bei:  a)  avhch  :  diel(xv^c 
Arbeiter  neben  dieloivc.    b)  asi^  im  gen.  sg.  nom.  acc.  pl.  der  femininen 


138  K.  Strekelj, 

und  in  den  diesen  Kasus  gleichlautendenden  neutralen  und  maskulinen 
Formen:  jyiütccsU,  yüöbash:  nsl.  mutaste,  c)  im  nom.  pl.  der  neutralen 
und  femininen  Form  des  1-Partizips  und  im  gen.  sg.,  nom.  acc.  pl.  der 
femininen  sowie  acc.  pl.  der  maskulinen,  und  nom.  acc.  pl.  der  neutralen 
Form  des  n-Partizips  der  VerbaV.  1  zweiter  Betonungsreihe,  sowie  jener 
Yerba  V  2  und  VI,  welche  den  Akzent  nicht  auf  dem  thematischen  a 
haben  (Morph.  106 ff.,  120,  121). 

lU.  a  wird  vertreten  durch  s. 

§  13.  Ein  Charakteristikon  des  Mittelkarstdialektes  ist  die  Ver- 
tretung des  a  durch  «,  das  sich  vom  offenen,  stets  laugbetonten,  von  mir 
durch  e  bezeichneten  E-Laute,  geradeso  wie  a  vom  A-Laute,  durch  eine 
geringere  Tonhöhe  unterscheidet,  so  daß  es  gleichsam  reduziert  erscheint 
und  etwas  dumpf  klingt.  Es  kommt  als  Vertreter  des  a  nur  in  kurzbe- 
tonten und  unbetonten  Silben  vor. 

§  14.  In  kurzbetonten,  6  für  a  bietenden  Silben  mehrsilbiger 
Wörter  ist  der  Akzent  nicht  ursprünglich,  sondern  es  hat  in  diesem  Falle 
in  relativ  später  Periode  die  regressive  Akzentverschiebung  stattgefun- 
den. Der  Grund  der  Wandlung  des  a  in  e  liegt  in  der  sogenannten 
Vokalharmonie,  teilweise  auch  in  der  Wirkung  der  Analogie.  Die  Vokal- 
harmonie besteht  hier  darin ,  daß  der  a-Laut  durch  einen  nachfolgenden 
betonten  hellen  Vokal  (?',  y,  le)  oder  durch  nachfolgendes y,  w,  /'in  seiner 
Artikulation  der  Artikulation  dieser  Vokale,  resp.  Konsonanten  näher 
gebracht  wird.  Aus  asl.  ^gradisth^  nsl.  gradid,  cak.  gradic  urbicula 
ward  zunächst  yj-edic  und  nach  der  Akzentverschiebung  yredic.  Häufig 
ist  jedoch  diese  Wandlung  nur  durch  die  Wirkung  der  Analogie  erklärbar. 
Wie  entstand  z.  B.  /tlep^e  junger  Knecht?  Nach  §  13  ist  £  kein  ganz 
heller  Vokal,  wie  i,  ?/,  ?e;  folglich  muß  der  Grund  der  Wandlung  des  a 
in  £  anderswo  gesucht  werden.  Nsl.  lautet  das  Wort  hlapde,  gen.  hlcqj- 
6eta  usw.  Diese  letztere  Form  und  überhaupt  die  Casus  obliqui  müssen 
in  unserem  Dialekt  für  nsl.  e  ein  ?e'  eintreten  lassen,  infolge  davon  muß 
aber  in  diesen  Kasus  das  a  durch  £  abwechseln:  hhpöieta  usw.  Dieser 
Wechsel  ward  nun  mit  der  Zeit  auch  in  den  Nominativ  übertragen,  wo- 
rauf die  Akzentverschiebung  stattfand,  hhpöe^  /lUpde.  Die  regressive 
Akzentverschiebung  geht  auch  hier  (cf.  §  7  b,  /5,  §  12)  bisweilen  um 
zwei  Silben  zurück:  skhiddet  Bettwärmer,  gen.  skendsPieta:  ital.  scal- 
daletti:  das  a  der  beiden  ersten  Silben  erscheint  durch  £  vertreten  durch 
die  Wirkung  der  Analogie  der  übrigen  Kasus.    Diese  Erscheinung  der 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  139 

Wandlung  des  a  in  e  ist  konsequenter  im  mittleren  als  im  nordwestlichen 
Karstdialekt  durchgeführt,  indem  der  letztere  das  a  meist  nur  durch  u 
vertreten  läßt.  Der  Einwirkung  des  letzteren  und  anderer  Nachbar- 
dialekte sind  denn  auch  einige  Schwankungen  im  Mittelkarstdialekte  zu- 
zuschreiben. Beispiele:  mti,  in  Krain  anti  etwa  doch?  aus  a-no-ti. 
fmtic  uoben.  fctntic^  fente  noben yants  Bürschchen:  bair.  Fant,  yebrc 
gen.  yehrica  Pn. :  nsl.  Gabrid.  Ji^'hstic  kleine  Eiche:  asl.  *chvrastistb. 
Jhjce  Ei;  russ.  niiufi.  kelic  kleine  Viehtränke:  cak.  kalic  lacunula. 
klendic  kurzer  Weg  zwischen  zwei  Mauern:  nsl.  Manec.  ÄTe/2c  Zaun- 
könig: nsl.  kralU.  mede  Kätzchen;  nsl.  made.  pr  mhmi  bei  der  Mama. 
mestit  neben  niastit  zertreten  (cf.  Et.W.  185:  maza-2).  mlhcUc  das 
Junge;  cak.  mlacUc  iuvenis ;  pomledit^  nsl.  pomladiti.  mletic  Dre- 
scher; cak.  mlatic.  s^  mreöit  neb.  mru6it  Dämmern,  pllö^k  aus 
*2)al'ÖT>k  von  päl'ca  aus  palica.  polij-hit  verderben;  asl.  chabiti  pes- 
sumdare,  paßt  nicht  zu  russ.  noxaÖHTL;  Pletersnik  schreibt  pohäbiti^ 
pohäbim.  pozlhtit,  nsl.  pozlatiti]  pozUcen  nsl.  pozlaÖen.  prhsit  neb. 
p7'(xsit  stauben ;  nsl.  prasiti.  ridic  Cichorium  intybus :  triest.  radicio ; 
ital.  radicchio.  redi  nom.  pl.  masc,  nsl.  radi  gern,  rhhl'at  neben 
rahl'at  lockern;  Wz.  räch  :  rahel  locker,  rikl'at  aus  *raJkTäti,  d.  rei- 
tein, smo  semi  wir  sind  allein,  in  Krain  samt;  ne  semin,  na  samSmh 
=  7ia  samoti.  skhkl'at  neben  ikakl'at  hüpfen,  nsl.  skaklati.  slebit 
schwächen,  nsl.  slabiti.  teskid  Männchen  des  Rotkehlchens:  nsl.  taidi- 
ca,  das  etymol.  dunkel  ist.  vhhtic  Gabe  am  Allerheiligentage:  vähte, 
vähti  aus  d.  Weichtag  Weihtag.  vth  neb.  vcde  gen.  vsUeta  Valentin. 
Auch  toshki  neben  wsaki  paßt  nicht  zur  urspr.  Betonung:  cak.  säki,  serb. 
svaki,  russ.  vsjäkij.  Auch  na,  za,  da  unterliegen  diesem  Gesetze;  dhbi, 
dhb  ut:  da  bi.  nhjt,  nhj'dem,  nljdi:  russ.  iiaäTii.  he  dni  am  Boden 
(Morph.  43).    zejt,  zhJdEm'.  russ.  saHTH. 

§  15.  Desgleichen  wird  in  einigen  einsilbigen  Wörtern  gekürztes 
a  Yorj,  n  durch  e  vertreten,  solange  sie  einsilbig  bleiben:  chjt  Zeit  gen. 
cdj'fa.  klj  was,  nsl.  kaj.  krhj  Ort.  7iej  nsl.  naj  aus  nehaj.  pej  et, 
vero,  autem;  nsl.  ^;a,  im  Idrijcatale  ^Jty,  cak.  joa.  sf/"  nsl,  5^;' doch, 
wohl,  ja.  skrb'i  Rand,  Kante,  Spitze,  gen.  skreiia  und  skräha\  cf. 
cak.  skränj  tempus  asl.  nkranija,  cech.  skran.  zdsj,  nsl.  zdaj  :  shda. 
Ferner  ist  zu  merken  Imper.  dej\  nsl.  daj,  wonach  auch  dljmo,  deße 
gebildet  ward. 

§  16.  Unbetontes  a  vor  der  Tonsilbe  findet  sich  durch  e  ver- 
treten, wenn  die  Tonsilbe  einen  hellen  Vokal  enthält.     Die  a  bietende 


140       ^  K.  Strekelj, 

Silbe  kann  der  Tonsilbe  entweder  unmittelbar  vorangehen  oder  davon 
durch  eine  oder  mehrere  solche  Silben  getrennt  sein ,  die  r  oder  e  zum 
Silbenakzentträger  haben.  Haben  mehrere  Silben  vor  der  Tonsilbe  den 
Vokal  a,  so  wird,  wenn  keine  Silbe,  die  nicht  r  oder  s  zum  Silbenakzent- 
träger hat,  dazwischensteht,  das  a  sämtlicher  Silben  zu  e.  Abweichungen 
von  diesem  Gesetze  sind  sehr  selten;  mir  ist  nur  adij'o  ital.  addio  und 
pcdudin  ein  Ochsenname,  frl.  paladhi  aufgefallen,  wo  wohl  noch  die 
Wirkung  der  fremden  Sprache  den  Lautwandel  verhinderte.  Beispiele : 
hEdierat  Acht  geben;  frl.  hadd^  ahadä,  ven.  hadare;  vgl.  ni^ta  ne  badira 
bei  Marjanovic  130.  belin  ven.  halin  de  le  sbochie,  borela;  frl.  halvn 
palla  piccola  che  serve  di  lecco  nel  giuoco  alle  palle,  ed  a  cui  i  giuoca- 
tori  fanno  di  accostarsi  colle  altre  palle.  fe7Üela^0Qk\  tr'iest.  Ja?iella 
flauella,  frl.  fanele  panno  lano  di  tessitura  poco  serrata,  se  ne  fanno  per 
lo  piü  le  camiciuole ;  aus  dem  Ital.  ist  das  Wort  mit  ausgestoßenem  /  ins 
Türkische  übergegangen;  das  /  also  nicht  auf  türkischem  Boden  ausge- 
fallen, wie  Miklosich  lehrt  (Die  slavischen  etc.  Elemente  im  türk.  Sprach- 
schatze 25).  yelieta  Seidenraupenkokon;  triest.  ven.  galeta ,  frl.  gu- 
lete  id.  yhvedica  Art  Trauben  mit  dicken  Beeren:  cf.  nsl.  glavada  Dick- 
kopf. Ä'fi/fWiVa  Magnet,  Blitzableiter;  ital.  calamita.  Ä-£r€^?e7Fäßchen; 
frl.  caratell,  ital.  caratello.  ktsiela  Kirchenstock:  frl.  casselle,  ven.  cas- 
sella^  lat.  capsella.  kesetin  Schublade:  frl.  cassettin.  Jcevelter  Seiden- 
raupe :  triest.  cavalier  bacco.  khnica  Holzscheit,  aus  klanica  Wz.  kol : 
klati.  mesma  Schuhfleck;  misit  nsl.  masiti  stopfen,  flicken:  die  Wort- 
gruppe ist  etymol.  dunkel.  pElxer  Straßenaufseher:  bair.  PäJier:  ital. 
parliere,  pesiet  Maßstab;  ital.  passetto  halber  Stab  (als  Maß);  frl.  pas- 
setto  braccio.  plträer  Korb  aus  Weidenruten,  am  Kopfe  zu  tragen: 
triest.  pianer  paniere;  wegen  des  pia-^  pla-  für  j^a  vgl.  Mussafia,  Bei- 
trag z.  K.  d.  nordital.  Mundarten  sub  piädena,  wozu  jedoch  nun  die 
Selbstkorrektur  Miklosich's  im  Et.Wb.  248:  pladütii  und  auch  nsl.  p/a- 
denj  zu  stellen  ist,  das  auch  im  Westen  vorkommt,  rtmpin  Haken; 
frl.  ramp)n^  triest.  rampin  gancio,  rampino,  uncino  per  pescar  robe 
cascate  nei  pozzi  ecc.  pJtznica  eine  der  beiden  Handhaben  am  Pfluge, 
nsl.  plaznica.  reselika  Prunus  Mahaleb  ;  serb.  raseJjka  id.  Schnchardt 
76  führt  als  Slavismus  in  der  Sprache  der  Italiener  von  Lesina,  »rasselca 
Mahalebkirsche «  an;  am  Karst  kommt  der  Riedname  iv  resietkah  vor. 
skeviec  aus  ven.  scavezzo,  frl.  sghavezz  vino  allungato  con  acqua.  spe- 
cekemifiar  Rauchfangkehrer ;  ital.  spazzacamino.  spsyleta  Schnur; 
ital.  spaghetta  cordellina.     tehin  Tabinstoflf:  ital.  tabino.    Das  gleiche 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  141 

Schicksal  erleidet  unter  gleicher  Voraussetzung  das  proklitisch  stehende 
wa,  za^  da  :  W£  7'iix)i\  nsl.  na  nivi.  ze  nimi^  nsl.  za  nimi\  de  pride^  nsl. 
da  pride.  Das  Suffix  arija  [arh  -\-  ija)  wird  natürlich  e^'ij'a  :  kurherija 
Hurerei.  ivosUriJa  Eselei;  das  Thema  auf  arh  kommt  nicht  vor,  vgl. 
d.  Schelmerei^  kämt,  öslarei  Eselei ,  doch  scheint  ivufiyerija  wegen  im 
direkt  aus  dem  ital.  Ungheria  Ungarn  entlehnt  zu  sein.  —  Über  das 
Schwanken  zwischen  a  und  £  für  a  vgl.  oben  §§  10,  11. 

§  17.  Unbetontes   a  nach   der  Tonsilbe   findet  man  durch  e 
vertreten : 

a)  wenn  der  Silbe  mit  a  ein  j\  w,  /',  c  [sc]  vorangeht:  lörjeö  Hof 
gen.  borJä6a\  ich  halte  Oblak's  Vermutung  (Archiv  XIV.  227),  daß  das 
Wort  aus  frl.  bajärz,  beärz  (mlat.  bayarzium)  entlehnt  sei,  für  richtig: 
aus  bajarz  und  bejarz  [beärz]  ward  zunächst  *boJär6  und  ^bejärS^  dar- 
aus aber  durch  Metathese ,  die  in  Fremdwörtern  nicht  befremdend  ist, 
horjäö  und  berjäd^  welch  letzteres  ich  in  Görz  neben  herjeö  gehört  habe. 
An  nsl.  obor  Einfriedung  (Duino),  cech.  obora  ist  nicht  zu  denken,  Aveil 
das  Suffix  ja6  unerklärt  bliebe.  brsl'En  Hedera  helix,  neben  wbbrsls,n\ 
nsl.  serb.  brsljan^  cak.  brsljän.  plJEn  betrunken  :  pijan.  pUcela 
Pfeife, Unterschenkel:  aäl.  jns iah. ..  In  enkst  emmal:  näl.  e^ikrat  scheint 
s  nicht  direkter  Vertreter  des  a,  sondern  des  ^  zu  sein,  das  für  r  eintrat; 
enkrat,  enkrt,  enkht.,  enkat  (in  Innerkrain);  dasselbe  gilt  von  dväk^t^ 
triket,  teket  :  takrat.  Das  Suffix  njak  [hn-jak^)  wird  zunächst  nek., 
woraus  weiter  durch  Einwirkung  des  Suffixes  nik^.^  auch  nik  hervor- 
gehen kann:  kijrhek  neben  kyn'iik  Hühnersteige:  nsl.  kurnjak.  wüöhcet 
f.  beruht  betreffs  des  £  nicht  auf  aj  (cajt),  sondern  geht,  wenn  nicht 
schon  auf  mhd.  höchztt^  wenigstens  auf  eine  dialektische  d.  Form,  die 
kein  a  kennt,  zurück,  etwa  kämt.  hoacJtzef. 

b)  wenn  dem  a  ein  /,  w,  /',  c  [sc]  nachfolgt :  kosten  nsl.  köstanj\ 
cak.  kostänj.  naUs  absichtlich  aus  ^nuhsc.^  nsl.  navlas6.  pipsn  dem 
Pipan  (Pn.)  gehörig.  sÄ-ore/ beinahe :  nsl.  skoraj\  cak.  sköro.  spärenya 
aus  sparanga\  ital.  sparago.  wtüiery  :  vhdera^  wdterm  hesternus  : 
*vhderanh.  toösten  Peitschenstiel,  gen.  loostäna  mit  Suffix  aii  für  das  ge- 
wöhnliche h7l^  [osthtih).,  wahrscheinlich  nach  kosten.,  kostäna.  zdäwnej\ 
asl.  izdavhna.  zdyrEj'c  On.  aus  '^zagradhch.  Hierher  gehören  auch 
andere,  ziemlich  häufige  Adverbia  auf  nsl.  aj,  in  früherer  Zeit  a :  vleko- 
mej.  Ferner  trifft  dieser  Lautwandel  das  unbetonte  thematische  a  des 
Imperativs,  der  HI.  plur.  und  des  Verbalsubstantivs  von  Verben  V.  1, 
zweiter  Betonungsreihe,  V.  2  und  VI.  (Morph.  113  ff.):  dUJej.,  dlelejmo^ 


142  K.  Strekelj, 

diehjte^  diehju^  dielme  —  von  welchen  Formen  sich  das  e  auch  auf 
solche  ausbreitet,  wo  dem  unbetonten  thematischen  a  kein  /  nachfolgt 
und  eigentlich  f/,  a  zu  erwarten  wäre  (vgl.  Morph.  111). 

c)  auf  dem  gleichen  Grunde  wie  der  sub  b)  behandelte  Lautwandel 
beruht  auch  der  Wandel  des«  in  e  bei  unbetontem  Suffixe  fl??>,nsl.or,  wenn 
dasselbe  durch  ein  thematologisches  oder  morphologisches  Suffix  erweitert 
wird,  d.  h.y  wieder  zum  Vorschein  kommt:  mükar^  mükerja^  mük^rjow 
(Morph.  3  2, 85).  Dieser  noch  schwankende  Wandel  trat  zunächst  wohl  nur 
dort  ein,  wo  die  nächste  Silbe  ein  ?',  \j  enthält  (dat.,  loc.  sg.,  nom.pl.);  von 

j  begünstigt  verbreitete  sich  t  auch  in  andere  Formen  und  Kasus,  ja  sogar 
in  den  nom.  sg. ;  denn  sluösEr  ist  wohl  zunächst  nsl.  slöaar^  biiosner 
auf  nsl.  bösnar^  rümsr  auf  nsl.  römar,  dann  erst  auf  das  fremde  Vorbild 
desselben  zurückzuführen:  d.  Schlosse?-,  bair.  Forstner  (bei  Belostenec 
schon  saltuarius  lug<4r,  ybs/2ar  I.  1076,  gruarius yos/iwr,  lugar  I.  616), 
ital.  romero.  Man  beachte,  daß  das  Friaul.  stets  ar  für  arius  und  auch 
der  deutsche  Dialekt  Kärntens  die  Endung  ar  beibehalten  haben ;  cf. 
Pirona  XXXIV.  und  Lexer  VIII.  sub  e.  Auch  lilmtr  Zahl  verdankt  sein 
£  der  Analogie  der  übrigen  Kasus:  lümerja  etc.,  frl.  lümar  und  nümar. 
Das  gleiche  gilt  von  yäsp&r,  ital.  Gasparo,  kämt.  Gasc/iper. 

d)  Der  Lautwandel  a  in  £  tritt  in  unbetonten  stammbildenden  Suf- 
fixen vor  einer  nachfolgenden  i  enthaltenden  Silbe  ein:  a)jan  [janim] : 
TrzäÖBni  und  durch  Anaglogie  darnach  Trzddens  aus  TrzäÖane  (Morph. 
12,  13).  ß)  UV  {av^)  :  smrkotv,  nsl".  smrkov  rotzig,  nom.  pl.  masc. 
smrksvi  (Morph.  79,  85).  y]  arca  (aus  arh-ira  oder  arb-bca)  im  dat. 
loc.  sg.  büöbnerci  von  büöbfiarca.  d)  arka  (aus  arh-'bkd]'.  dat.  loc. 
sg.  hciSerki  von  hvi'darka.  e)  eist  :  nom.  pl.  masc.  ytibesti,  my- 
/£5^<  :  nsl.  gobast,  mutast.  t)  ava  :  zästava  Wolkensäule,  dat.  sg. 
zästevi  neb.  zästavi\  pönava,  asl.  pony,  dat.  loc.  pönEvi.  rj)  themat.  a 
der  Verba  III.  2,  V.  1  zweite  Betonungsreihe,  V.  2,  VI.  in  jenen  Formen 
des  I-  und  n-Partizips,  in  denen  die  nächste  Silbe  ein  ^  enhält:  diehliy 
diehni,  diehnih^  nsl.  delali,  delani,  dSlanih. 

e)  Merkwürdig  sind:  vanüöyref  Weinberg,  gen.  vanuoyrada;  russ. 
BHHorp:'iAT>  und  ka/oivret  Spinnrad  (Morph.  38).  Man  muß  annehmen, 
daß  £  im  loc.  sg.,  nom.  pl.  [vanüöyredi,  kalöwrsti)  eine  so  große  Assi- 
milationskraft gehabt  habe,  daß  das  zu  erwartende  «  beim  ersteren  Worte 
im  nom.  sg.,  bei  letzterem  aber  durchgehends  in  £  gewandelt  wurde. 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  143 

IV.  a  wird  vertreten  durch  e. 
§  18.  Bisweilen  erscheint  a  vertreten  durch  e^  welches  stets  lang 
betont  ist  (§  13).  Dieser  Lautwandel  ist  geradeso  vor  sich  gegangen, 
wie  der  Lautwandel  a— >£,  nur  tat  hier  der  Dialekt  noch  einen  Schritt 
weiter  und  längte  das  b.  Die  hierher  gehörigen  Wörter  zeigen  fast  durch- 
gehends  regressive  Akzentverschiebung,  gewöhnlich  um  eine,  seltener 
um  zwei  Silben.  Neben  Formen  mit  e  findet  man  noch  vielfach  solche 
mit  6  (in  der  nordwestlichen  Zone  mit  a),  was  zugleich  als  ein  Zeugnis  für 
das  geringe  Alter  der  in  Rede  stehenden  Erscheinung  gilt:  dejat  neben 
däjat  geben:  r.  AaBiixi,  asl.  dajati  betonen  die  Russen  dajäti.  dostejat 
neben  dostäjat  erhalten;  r.  AOCTanaTt;  ebenso  zastejat  zurückbleiben 
(im  Gehen),  felü  neben  felif  und  fcdit  fehlen;  bair. /o/e??,  mhd.  välen^ 
ital.  fallare,  nsl.  im  Isonzotale  faUt.  frence^  in  Krain  france^  gen. 
franceta  :  Franz.  yesit  neben  ylsit  und  ycisit  löschen  :  r.  racHTL  serb. 
gäsiii.  yledit^  yVkdit^  yladit  und  ylädit  glatten  :  nsl.  gläditi  neben 
gladiti.  s^  ylesii  neben  ylhsit,  ylusif,  yläsit  einen  Laut  von  sich  geben  : 
serb.  gläsiti.  yredit^  woyredit  umzäunen  :  serb.  gräditi.  hUdit^  hfe- 
ptt,  lüadit  kühlen  :  russ.  xoj[o;i;nTt,  serb.  hluditi.  jermolin  ÄTßnkose 
aus  triest.  armelin  albicocca,  durch  die  Zwischenstufen:  '^jarmeUn^ 
*Jer7neUn^  Jhrnielin^  Jlunolm.  kedit^  khdit^  kadit  rauchen;  serb.  kd- 
diti,  r.  KaAUTL.  /cezit^  khzit^  kazit  verderben,  r.  Ka3iiTfc.  meyEzn  neb. 
meyszin  Magazin,  mertn  gen.  mertiiia,  mrtina  :  Martin,  cak.  martin. 
pertit^  pertif^  pärtit  teilen  ;  ital.  pariire.  s^pomledii^  pomlldif^  potn- 
ladit  sich  verjüngen;  serh. pomlädüi  se.  presSic,presw  junges  Schwein; 
cak.  prascic.  ^res?»  Schwein;  nsl.  ^:>rßse.  s e di t,  shdit,  sadit  T^ü&nzen', 
r.  ca^HTt.  skelit,  skalit  trüben;  r.  KajiiiTB.  s^  icsmredit^  icsmrhdii, 
lüsmradit  zu  stinken  anfangen,  in  Fäulnis  übergehen;  nsl.  smraditi., 
smradim.  te-steri  die  alten  Leute  im  Hause,  d.  h.  der  Großvater  nebst 
der  Großmutter  :  nsl.  start  :  tu  stari.  tejit^  tajit  leugnen;  r.  xaHXb. 
veje7i,  vaj'en  gewohnt  :  nsl.  vaj'en.  velit,  valit  wälzen,  zvelit  Junge 
werfen,  r.  BajiHTt.  vel'at^  vd'äm  :  ital.  valere,  woraus  vaJjäti^  serb. 
valjati.  Auch  in  Präfixen,  resp.  Präpositionen  und  Konjunktionen:  wr/, 
nad^  za^  da  wird  a  bisweilen  durch  e  vertreten :  nebrzn  On.  aus  nsl. 
na-hrezini\  zunächst  schwand  das  Kasussuffix  «',  wodurch  man  eine 
mask.  Form  erhielt,  während  das  Ital.  noch  an  der  ursprünglichen  Form 
festhält:  Nabresina.  7ie-dni  nehen  ne-d/it,  nadni  am  Boden.  ?iaf/ wird 
nur  in  Gegensätzen  Jied:  ü  si  biw  pöd-nin^  jest  ned-nin  du  standest 
unterhalb,  ich  oberhalb  desselben,    neönt^  naönt  beginnen,  anschneiden, 


144  K.  Strekelj, 

anzapfen,  nsl.  dial.  naöniti  für  asl.  naÖeti  mit  Anlehnung  an  das  Prä- 
sens, neynt  neigen,  r.  narHyxi.  nepnt  anziehen ;  nsl.  dial.  napniti  für 
asl.  napeti  nach  Analogie  des  Präsens,  nerdit  machen ;  r.  HapHAi'iTfc ; 
nerJEH^  nsl.  narejen.  zeönt  beginnen,  nsl.  dial.  zadnitiiüv  2i'&\.  zaÖqti 
nach  dem  Präsens,    zcpt't  zumachen ;  nsl.  zapreti. 

Nicht  in  der  Vokalharmonie  begründet  ist  die  Vertretung  des  a 
durch  e  in:  delö  weit,  in  Krain  daleÖ ^  serb.  daleko.  mres  Kälte  (nur 
nom.  sg.).  5/;eJfl^  absetzen,  ausverkaufen,  neben  sjoat^a?':  ital.  spacciare, 
ven.  spazzar,  frl.  spazzä.  tehJc  Helleborus  sp. :  nsl.  talog.  Jest  ego  asl. 
az^^  jazh,  nsl.  j'est  aus  jaz-ti  verdankt  sein  e  dem  Einflüsse  des  voran- 
gehenden j. 

V.  a  wird  vertreten  durch  o. 
§  19.  Die  Abwechslung  des  a  durch  o  findet  man  bei  Fremdwörtern 
bekanntlich  bereits  im  Altslovenischen ;  diese  alten  Fälle  sollen  deswegen 
bei  der  Behandlung  der  Schicksale  des  o  in  betracht  kommen.  Jüngeren 
derartigen  Vertretungen  begegnet  man  nicht  bloß  vor  oder  nach  der  Ton- 
silbe, sondern  auch  in  dieser  selbst.  Sie  sind  zurückzuführen  teils  auf 
den  dumpfen  Klang  des  a  in  der  fremden  Sprache  [ao)^  aus  welcher  die 
Wörter  stammen,  teils  auch  auf  die  Assimilationskraft  gewisser  Konso- 
nanten. 

§  20.  In  der  Tonsilbe  wird  a  durch  o  vertreten: 
a)  in  Fremdwörtern,  die  meist  dem  bairisch-österreichischen  deut- 
schen Dialekte  entnommen  sind,  wo  a  bekanntlich  häufig  wie  Brücke's 
ao  lautet.  Dieses  o  ist  meist  lang  betont;  wenn/  oder  /'  folgt,  ist  es  ge- 
wöhnlich kurz:  ajznpön  Eisenbahn,  höh  Speckseite  des  Schweins;  ahd. 
hacho^  pacho  Speckseite,  mhd.  hache  Schinken,  geräucherte  Speckseite, 
tir.  hächen,  cech.  hoch  id.  dy'ot  Draht,  dröhant  und  drbhant  Gerichts- 
diener; mhd.  drahatit,  trahant  Fußsoldat;  auch  drahant  wird  gespro- 
chen, ybio^  gen.  yöla  :  smeti  ybw  der  hl.  Gallus.  hblt^  interj  d.  haltl 
woraus  ital.  alto  ;  hbltolä  mit  Anlehnung  an  hblt  aus  frl.  alto-lä.  klöftr 
Klafter,  ^ro/"  Krapfen,  löyr  Soldateulager.  Ibjin  Leiter,  bair.  Laite7\ 
?;?o/,s/r  Meister,  bair.  Maister.  nörc  Narr;  znörit  närrisch  werden,  pöca 
Ruten,  Schlag  auf  die  flache  Hand,  tir.  hätzen^  kämt,  patze  id.  wöd- 
Vi7it  Adventzeit.  Ob  kUf  Ohrfeige,  klbfnt,  klbfat  ohrfeigen  hierher  zu 
zählen  ist,  bleibt  dahingestellt;  vgl.  nsl.  klofilta  Ohrfeige,  klöfniti,  klo- 
fäti,  cech.  klofcoväni  das  Ohrfeigen  und  vgl.  lat.  colapha^  colapJiizare; 
aber  auch  Entlehnung  aus  d.  klopfen^  resp.  die  Annahme  einer  einhei- 
mischen onomatopoetischen  Neubildung  wäre  nicht  unmöglich. 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  145 

b)  vor  w,  mag  dieses  auf  w,  v  oder  l  beruhen:  föws  falsch,  ylbiona 
titio;  asl.  glavhnja.  löwrs^  röichk  Laurentius.  pdtohk  Paulas,  daneben 
päiül.  proxo  ^  asl.  pravh.  röwiia  Ebene:  ^ratwia'y  röwnat  das  Ge- 
treide reinigen,  züchten,  nähren :  nsl.  ravnati.  söwdan  Schiefer ;  ital. 
terra  saldana^  frl.  saldäm  sorto  di  roccia  siliceo-calcare,  arenacea,  fria- 
bile.  shbicna  und  skäwna  Vertiefung  im  Felsen,  ausgehöhlt  durch  an- 
gesammeltes Regenwasser:  nsl.  shälhina.  ipröwh  Sprache,  Spruch. 
zmöwc  Kot  scheint  trotz  des  Bedeutungsunterschiedes  auf  d.  Schmalz 
zu  beruhen;  vgl.  mhd.  smalzen^  schmelzen,  zerfließen;  zmöwc  wird  da- 
her ursprünglich  als  »Schneewasser«  zu  denken  sein,  zöw  leid  :  asl. 
zah.  Hierher  gehören  ferner  die  einsilbigen  /-Partizipia  im  masc.  sg., 
falls  sie  kurz  betont  sind  und  im  Nsl.  auf  al  ausgehen  (Morph.  95,  99, 
120,  121).    Hbwt  Gestalt  hat  in  der  Deklination  ä  :  ^täivta. 

§  21.  Nicht  minder  häufig  ist  die  Vertretung  des  a  durch  o  vor 
der  Tonsilbe:  io(/?7  Stechspaten;  cak.  hacWj]  ital.  hadile:  das  Volk 
lehnte  das  Fremdwort  an  hosti^  hoclem  pungere  an.  Kolcmdär^  ital. 
calendario.  komiela  neben  ksmiela  Kameel ;  frl.  camele,  ven.  camelo. 
kondrieya  neben  kendrieya  Sessel ;  cak.  kandrega^  kantrlda ;  istrorum. 
cantrida  [candridä),  canh-igä,  oberital.  cadrega,  ven.  carega,  cariega, 
frl.  ghadree;  vgl.  Schuchardt  37.  kopäc  fähig;  ital.  capace.  kowcieta 
Strumpf;  ital.  calzetta.  lowrenc  Laurentius.  mojstrija  Meisterschaft 
beruht  auf  mdjstr.  mortiär  Seemann,  cak.  mornär  aus  ital.  marinaro. 
norica  Närrin  beruht  auf  7iörc.  posäm  neben  joasam,  Inf.  pasat  vorbei- 
gehen; ital.  passare.  posiet  neben  pesiet  Maßstab  ;  ital.  2^<^ssetto  halber 
Stab  (als  Maß),  povliha  ein  Schimpfwort  für  einen  dummen  Menschen, 
von  päwl  Paulus,  roivnica  beruht  auf  röwna.  soläta  Salat,  Häuptel- 
salat; triest.  salata  latucca,  frl.  saläte  id.  ital.  insalata.  soUtr  Sal- 
peter, d.  Saliter  (15.  Jhrh.)  aus  Salniter.  sowtär  Flurschütz;  ital.  sal- 
taro.  tohäk  Tabak;  vgl.  indessen  auch  d.  Tohack.  tokvin  Geldtasche; 
frl.  tacuin,  ital.  taccuino.  wohrihtat  abrichten  (Soldaten).  icohrW  A.'^xil 
mhd.  dbrille^  frl.  ven.  avrll.  wokänc^  Ferien,  ital.  vacanze.  womär 
Kasten;  lat.  armarium.  womtrija  das  Ave -Marialäuten ,  mit  Aus- 
stoßung des  ve  von  ave\  im  Görzschen  omarija.  wopälta  Tabaktrafik; 
d.  Abalde,  ital.  appalto  Pacht,  ven.  apalto.  loopHi  Militär-Abschied. 
woräpci  die  Araber,  wordjän  neben  wrdjän  Flurschütz ,  frl.  uardiän. 
Auch  hier  begünstigt  ein  nachfolgendes  iv  die  Vertretung  des  a  durch  o, 
wie  man  aus  dem  Präfix,  resp.  Präposition  na  und  za  ersieht:  zowretn 
neben  zöwrsm  beginne  zu  sieden,  nsl.  zaivrhn;  zoiorielca  kahmiger 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  10 


146  K.  Strekelj, 

Wein:  zavr^lo  vino.  noiväihnem  gebe  ein,  erleuchte,  noiopik  senkrecht : 

nsl.  navpiJc.    noiodil  ohne  Ziel  weiter  :  navdil' .  .  . 

§  22.  Nach   der  Tonsilbe   ist  a  durch  o  vertreten  in:  ändoht 

Andacht,  feierlicher  Gottesdienst,   fäjmostr  Pfarrer  :  Pfarrmeister,  fä- 

ros  Pfarrhaus  könnte   auch  auf  mhd.   hüs  beruhen,  aber  nsl.  färovz 

spricht  dagegen,    känkor  Türangel,  Krebs  (§  4).    7iäsot  neben  ndsaf, 

gen.  näsoda  und  näsada  Lage  zum  Dreschen,    püslof  Buchstabe ;  bei 

Belostenec  pusiuba.   wadrzoJi  Ursache,    zämoh  und  zämah  Verschluß. 

ia/ro^  Sakristei;  ital.  sagrato,  frl.  sagräd^  segräd  cimitero.  Das  gleiche 

tritt   ein:    bei    den    Suffixen    avhcb,    av^ka,    av^ca    (Morph.   35,  40), 

dann  beim  Suffixe  av^  im  nom.  sg.  (Morph.  78,  79,  83,  84),  sowie  im 

masc.  sg.   des   /-Partizips   der  Verba  I.,   II.  2,  V.  1,  2,  3    (Morph.  99; 

103;  HO). 

VI.   a  wird  vertreten  durch  ^. 

§  23.  Diese  Vertretung  kommt  vor  in;  näp^k  unrichtig  (durch  An- 
lehnung an  Adj.  a,ui^k):  na  opak^^  ferner  beim  fem.  und  neutr.  plur. 
des  /-Partizips  der  Verba  III.  2,  V.  1  zweiter  Betonungsreihe,  V.  2,  VI., 
dann,  wenn  in  der  nächsten  Silbe  wieder  ein  ^  folgt  und  diese  bei- 
den Silben  der  Tonsilbe  nachfolgen:  slihh,  dwhh,  mäz^h,  v1erv^h. 
Das  gleiche  gilt  von  denselben  Verben  im  sg.  gen.  des  fem.,  plur.  nom., 
acc.  des  Fem.  und  Neutr.  des  ;?-Partizips,  dann  von  den  gleichen  Formen 
der  Adjektiva  auf  av^^  ast^,  sowie  von  den  gleichen  Kasus  der  Sub- 
stantiva  auf  ara,  arca  :  j^^^'^^^'^^''^  dEklieth  geputzte  Mädchen,  p>i^'^^^T' 
riftb  eines  bunten  Kopftuches,  kihv^  d^kUetb  ungelenke,  verschlafene 
Mädchen  :  kilav.  müt^st^  zem  der  tauben  Frau,  s  k^etn^r^  von  Che- 
tinara.  milkhrc^  der  Mehlhändlerin.  Diese  Assimilation  des  a  an  das 
^  der  folgenden  Silbe  ist  wohl  durch  die  Vermittlungsstufe  a  vor  sich 
gegangen  {a-a-^)^  das  sich  noch  immer  neben  ^  erhält,  gestützt  auf  die 
übrigen  Formen,  wo  a  und  a  gesprochen  wird.  Es  beruht  demnach  auch 
^  für  a  auf  dem  Gesetze  der  Vokalharmonie. 

VII.  a  wird  vertreten  durch  i. 
§  24.  Ein  i  vertritt  das  a  in  äwzlih  d.  Aufschlag^  Zoll,  vielleicht 
mit  Anlehnung  an  hritih^j'esih,  miedih.  Für  den  Ausgang  asl.  nak^ 
findet  man  neben  hek  auch  nik  infolge  der  Anlehnung  an  das  Suffix 
n^k^,  das  sich  im  Mittelkarstdialekte  seinerseits  betreffs  des  n  dem  nak^, 
resp.  nek  anschloß  und  stets  palatales  w  aufweist:  kiltnik  dens  molaris, 
serb.  kutnjak.    tcritmk  Fußtritt  in  den  Hinteren,  cak.  trUnjuk  ictus 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  147 

calcis  .  .  .  tniökin^  midkn,  midkano  klein  dürfte  direkt  aus  dem  Italie- 
nischen —  miccichino  sehr  wenig,  miccinino  ganz  klein  wenig  —  ent- 
lehnt oder  zumindest  durch  die  genannten  italienischen  Wörter,  sowie 
andere  ähnliche  Bildungen  (frl.  pitinin,  ital.  piccinino\  am  nordwest- 
lichen Karst  wird  auch  mitikin  gesprochen)  in  der  Entwicklung  aus  nsl, 
mäjhen  für  maljahen  gefördert  worden  sein;  beachte  das  tolmeinische 
m?7m,  aus  mejhn^  maj'hn  wie  M  für  klj\  käj\  ferner  nsl.  mijolka  (§11) 
und  nibrdelj  aus  najholjdelj  [najboljdlje]^  die  längste  Weile  (Janezic, 
slovar^  212),  sowie  cak.  mici  parvus,  micalian  parvulus,  wo  c  auf  frem- 
den Ursprung  deutet:  Skrabec  schreibt  stets  majhin  majhina^  wohl  auf 
den  Dialekt  seiner  Heimat  sich  stützend.  Dunkel  ist  /e,  welches  prokli- 
tisch  dem  Imperativus  adhortativus  beigefügt  wird:  lidej-ya  gib  ihm  nur, 
nur  fest  auf  ihn  los !  U-vrz-ya  wirf  ihn  nur.  Nsl.  lautet  die  Partikel  le^ 
woneben  Miklosich  Et.  Wb.  162  auch  le,  nur,  nur  zu  schreibt.  Wenn 
diese  Partikel  nicht  auch  im  Cech.,Poln.Klr.  (allerdings  in  etwas  anderer 
Bedeutung)  gebraucht  wäre,  könnte  man  an  Entlehnung  aus  dem  südd. 
lei  denken,  einer  »aus  gleich,  glei  verkürzten  Füllpartikel,  die  nicht 
eigentümlich  kärntnerisch  ist,  wie  Lexer  vermuthet«  (Schöpf  380/81), 
sondern  auch  in  Bayern  und  Tirol  gesprochen  wird,  in  den  meisten 
Fällen  unübersetzbar  ist  und  "^nur,  bloß,  gerade  eben,  gar'  bedeutet.  Die 
Entwicklung  des  U  aus  d.  lei  d.  i.  laj  ginge  dann  etwa  so  vor  sich,  wie 
die  von  ki  aus  kaj.  Daß  das  /  schwinden  und  le  das  Piesultat  bilden 
kann,  zeigt  das  le  von  tä-le  dieser  da,  aus  glej\  vgl.  c.  hie:  tamhle, 
tuhle  usw. 

VIU.  Sonstige  Vertreter  des  a. 

§  25.  a)  Durch  te  erscheint  a  vertreten  in:  drieta  Schusterdraht; 
wahrscheinlich  ist  vom  Plur.  Drähte  auszugehen.  6ien6a  Geschwätz, 
Schwätzer :  frl.  ciancis  Geschwätz,  ital.  ciancia,  ven.  cianzar  schwätzen : 
daneben  danöat,  dandäm. 

b)  Durch  üö,  das  auf  der  Mittelstufe  nsl.  6  beruht,  erscheint  a  ver- 
treten in:  hüöynar  d.  Wagner,  mudssr,  müösar  ein  Gefäß,  mit  welchem 
Wein  geschöpft  wird:  bayr.  Maser  Trinkgeschirr,  züötlar  Sattler. 
hüötr,  büötra  Gevatter,  Gevatterin,  muß  wohl  von  k^motr^  und  Com- 
puter geti-ennt  werden,  b  für  f  [v]  spricht  für  die  Entlehnung  aus  ahd. 
gevatero,  mhd.  gevater,  gevatere  m.  f. 

c)  Durch  w,  wobei  gleichfalls  ö  die  Mittelstufe  bildet,  erscheint  a 
vertreten  in:  kümba,  nsl.  kämba  Krummholz  am  Joche,  mhd.  kambe 
(vgl.  Archiv  XI.  461).     läntvsr  Landwehr,  luntkäria  Landkarte,  mit 

10* 


148  K.  Strekelj, 

Anlehnung  an  das  betonte  lant  in  lünlVE7\  psjimtar  Beamter,  pü- 
ylowc  Knirps  :  nsl.  päglavec.  punysniet  neben  panyEtiiet  Bayonnet : 
bayr.  Bangenet.  Merke  kükr  nsl.  köker  für  kakor.  Das  ii  in  inajarün 
usw.  beruht  auf  dem  frl.  o:  majarön  (§  11). 

§  26.  Wie  die  dem  Slavischen  mißliebige  Gruppe  tart.,  talt^  tant 
gemieden  wird,  wird  bei  der  Darlegung  der  Schicksale  des  r,  ^,  w  gezeigt 
werden.  [Metathesis  trat  ein  in:  ramcida  neb.  armäda^  ven.  armada 
Armee,  ramünka  Harmonika,  raz^näl  neb.  arzhnäl  Arsenal,  romär 
neben  lomar  und  ivoniär  setzt  schon  ormar  voraus:  lat.  armarium. 

Svarabhakti-a  findet  sich  in  sarahat^  gen.  saraJa^a Waldrebe; 
cak.  skrahotdvina,  nsl.  srabot,  srobot  und  in  saräj'at  neben  Arafat 
sprechen,  d.  schreien.  Es  ist  indes  unsicher,  ob  a  hier  nicht  für  o  (cf. 
sörohot  im  Görzschen),  resp.  für  e  (cf.  upitie  non  serai  bei  Skalar  275b) 
steht,  welch  beide  Laute  nach  den  Gesetzen  der  Vokalharmonie  in  a 
übergehen  müßten. 

IX.  a  im  Anlaute. 

§  27.  Im  Anlaute  hat  sich  a  nur  in  Fremdwörtern  erhalten:  ädam 
Adam.  ä)ia,  änca  Anna,  älitat  achten;  ähteriya  Achtung,  Achtsam- 
keit, ämbo  Ambo  im  Lottospiel,  casärska  äkwula  Reichsadler  :  ital. 
aquila.  äjer  Luft,  ital.  aere,  frl.  äjm-^  ajer.  äks  m.  die  Achse,  äles 
Alexius,  gen.  äJesa  neb.  alesa  (Klanec).  älmozna  Almosen.  änyVc 
angelus.  ära  Drangabe.  äivzlih  Aufschlag.  Ferner  findet  sich  a  im 
Anlaute  bei  deutschen  Lehnwörtern,  bei  denen  die  anlautende  Spirans  h 
geschwunden  ist :  äntvel'a  Handtuch  :  mhd.  ]ia7it  -  twehele.  äntverh 
Handwerk,  äwtman  neben  yäxotman  Hauptmann.  Als  a  findet  sich 
anlautendes,  unbetontes  a  in:  amerka  Amerika  neben  merka.  akördo 
gleichgestimmt,  handelseins,  ital.  accordo.  afär  Geschäft,  ital.  affare. 
antun  neben  ntün  Anton.  Einigen  Entlehnungen  wird  j  vorgeschlagen: 
jermolin  Aprikose  :  triest.  artneUn.  Die  gleiche  Erscheinung  findet  sich 
bei  einheimischen  Wörtern  und  alten  Entlehnungen;  sie  ist  allgemein  slo- 
venisch:  jäpno  Kalk,  jäpko  Apfel  :  asl.  ahhko  malum  AbeUicum. 
jäyhe  Lamm  usw.  —  Über  den  Schwund  des  anlautenden  a  vgl.  §  29. 

X.  a  im  Auslaute. 

§  28.  Auslautendes  a  vertritt  durch  Anlehnung  an  andere  einhei- 
mische fem.  Substantiva  die  fremden  Suffixe  der  Lehnwörter,  bes.  mhd. 
nhd,  frl.  e,  oder  ist  eine  Zugabe  zu  konsonantisch  auslautenden  Suffixen: 
jäya  Jagd  kämt,  die  Jagg.    ylihenya  Vergleich  :  *mhd.  gelichung  Glei- 


Phonologie  des  Görzer  Mittelkarstdialektes.  149 

chung  .  .  .  Bisweilen  tritt  a  an  Maskulina,  so  daß  ein  Geschlechtswandel 
eintritt:  püna  Faustschlag  aus  ital.  pugno^  frl.  pwjn.  paiäfa  Ohrfeige; 
triest.  pataf  wl.  ceffata.  pedöca  große  Laus;  triest.  pidocio,  ital.  pi- 
docchio.  petröJJa^  patrölja  Petroleum;  ital.  petrolio.  razolja  ital. 
rosolio.  spdya  Spagat,  it.  ven.  spago.  täpa  frl.  tapp  m.  (§  9).  —  In 
Adverbien  ward  auslautendem  a  durch  Einfluß  von  Formen  mit  verstär- 
kendem i  (Et.  Wb.  94:  i  1)  ein/  angefügt,  durch  dessen  Wirkung  der 
Lautwandel  von  a  in  £  eintrat:  vieko7nej\  zdij  (§  15,  17  b). 

XL   Schwund  des  a. 
§  29.  Der  Schwund  des  a  ist  bemerkbar: 

a)  im  Wortanlaut  von  Fremdwörtern;  doch  kann  derselbe  nicht 
stets  mit  Sicherheit  bezeugt  werden,  da  häufig  schon  die  Sprache,  aus 
welcher  entlehnt  wurde,  dialektisch  den  Schwund  aufweist.  Solche  un- 
sichere Fälle  sind:  hedesa  dickes  Frauenzimmer,  ist  wohl  ital.  dial.  ha- 
dessa^  frl.  hadesse  und  nicht  ahhadessa.  ineza  *^Agnes',  ital.  Agnese^ 
frl.  Gnese^  kämt.  Neas,  ptolimia  n.  palima  ApoUonia,  ven.  Polona^ 
Polo7iia.  töne  Anton,  frl.  ital.  d.  To7ii\  lojze  Alois,  d.  Loisl.  mälja 
Amalie;  d.  Malchen\  peiik  k.'^'^^Wi^  frl.  piticc.  re'^^  Arrest,  frl.  rest 
neben  arest  ''avanzo'';  cak.  rest.  rost  Braten,  ital,  arrosto^  triest.  rosto. 
sesrn  Straßen räuber,  ital.  assassino^  ven.  sassin,  frl.  sassi?i.  rmya 
Häring,  d.  dial.  Renge,  frl.  renghe.  vanc,  vancat  Best,  Ersparnis,  er- 
sparen, frl.  vanzar,  ital.  avvanzare.  vezierat  avisieren,  triest.  avisa, 
frl.  Visa. 

Auf  dem  Boden  des  Karstdialektes  ist  a  geschwunden  in:  merha, 
merkänski  Amerika,  amerikanisch,  pälta  neben  wopalta  'Abalde', 
Tabaktrafik,  tastat  Zeugnis,  ital.  attestato.  vcmtüör  der  Kunde,  ital. 
awentore,  ven.  avventor.  lookät  Advokat,  ital.  avvocato.  In  läntus, 
auch  svieto  oder  hözje  driewct  genannt,  schwand  der  Diphthong  aj : 
AilantJms. 

In  Gruppen  a7it,  art  schwand  a  in:  ntün  Anton,  ndrejc  Andreas, 
rcnija  Arznei,  mhd.  arzenie. 

b)  im  Wortanlaut  von  einheimischen  Partikeln:  nti  aus  aiüi,  anoti^ 
wenn  es  proklitisch  ist:  ^ti  72e?  'wohl  nicht'.  //  aus  ali,  wenn  es  enkli- 
tisch ist :  ti  li  wön  'du  oder  er'. 

c)  In  Gruppen  tart,  trat,  tant,  talt:  diese  Fälle  sind  bei  r,  resp.  «, 
/  behandelt. 

d)  Vereinzeltes :  7iäp6'bivb  aus*?ia  o/iaJwz?. 'verkehrt,  falsch';  aus  7iao- 


150  I-  Franko, 

pah^  ward  zunächst  durch  Anlehnung  an  Adjektiva  auf  ^h  nap^k  und  das 
Wort  dann  so  behandelt,  als  enthielte  es  von  allem  Anfang  an  Stelle  des  a  ein 
^,'h.  Auch  im /-Partizip  von  dMati.  wenn  es  dreisilbig  ist,  kann  a  ausfallen, 
wobei  natürlich  die  im  §  23  angeführte  Abwechslung  vorausgegangen 
ist:  diehh,  daraus  ward  zunächst  dielh  und  in  Anlehnung  daran  dann 
auch  dzelli,  diella.  Eine  ganze  Silbe  mit  a  ist  geschwunden  in  ivopasa 
aus  *upasa  für  it.  uva  passa  'Weinbeerlein,  Zibeben^,  frl.  iwe  passe. 
Schwund  zeigen  auch  die  Fremdwörter :  paspört  Reisepaß ,  Vorzimmer, 
ital.  passaporto.  mazlän  Art  Stoff,  ital.  mezzalana^  frl.  mezeJane., 
miezelane^  wenn  nicht  eine  dial.  Form  mit  u  zugrunde  liegt,  cf.  c.  me- 
zulan.  In  xoödrt  schlagen,  prügeln  aus  udriti  ist  kein  a  ausgefallen; 
udriti  ist  eine  Neubildung  zum  Imperativ  udri  (im  Serb.  wird  nach  Vuk 
meist  nur  der  Imperativ  gebraucht) ,  als  ob  dieser  zu  einem  Verbum  der 
IV.  Klasse  (wie  moli,  prosi)  gehörte  und  nicht  aus  u-dhr-i  (zu  dbrq, 
dr^ti)  entstanden  wäre.  Im  Karstdialekt  erhält  die  Neubildung  imper- 
fektive Bedeutung,  während  dieselbe  im  Serbischen  perfektiv  ist. 


Kleine  Beiträge 
zur  Geschichte  der  kirchenslavischen  Literatur. 

Ich  habe  mir  vorgenommen,  in  den  Publikationen  der  Sevcenko-Ge- 
sellschaft  der  Wissenschaften  in  Lemberg  eine  Reihe  mehr  oder  weniger 
wichtiger  kirchenslavischer  Texte  mit  mehr  oder  weniger  ausführlichen 
Studien  zu  veröffentlichen  als  eine  Vorarbeit  zu  einer  breit  angelegten 
Literaturgeschichte  des  südrussischen  (ukrainischen)  Volkes.  Die  Texte 
sollen  vorwiegend  den  in  Lemberg  befindlichen  kirchenslavischen  Hand- 
schriften entnommen  Averden,  wobei  es  jedoch  nicht  ausgeschlossen  ist, 
daß  auch  andersweitig  publizierte  Texte  reproduziert,  respektive  kritisch 
bearbeitet  werden,  je  nachdem  sich  die  Gelegenheit  darbietet,  ihnen  eine 
mehr  oder  weniger  wichtige  literarische  oder  historische  Erkenntnis  zu 
entnehmen,  welche  bisher  entweder  ganz  unbekannt,  oder  nicht  allgemein 
bekannt,  bezweifelt  oder  bestritten  wird.  Ich  habe  mir  keinen  detail- 
lierten Plan  aufgestellt  und  wurde  zu  dieser  Arbeit  nur  durch  den  Reich- 
tum und  Mannigfaltigkeit  der  handschriftlichen  Schätze  bewogen,  welche 
eine  reiche  Ausbeute  für  die  literatur  -  historische ,  sprachliche  und  ge- 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  151 

schichtliche   Forschung   versprechen    und    bisher   verhältnismäßig    nur 
wenig  ausgenützt  wurden. 

Aus  dieser  meiner  Absicht  erwuchs  naturgemäß  auch  der  Vorsatz, 
die  wichtigsten  Resultate  meiner  Studien  und  Forschungen  auch  einem 
breitereu  europäischen  Publikum  in  möglichst  knapper  und  präziser  Form 
mitzuteilen,  in  der  Hoffnung,  hiermit  zu  den  allgemeinen  slavistischen 
Studien,  für  welche  auch  außer  der  Slavenwelt  in  wissenschaftlichen 
Kreisen  vielfache  Interessen  sich  regen,  manches  beizutragen*). 

I.  Konstantins   »Alphabetisches  Gebet«. 

Dieses  kleine  Denkmal  der  kirchenslavischen  Sprache,  schon  fast 
ein  ganzes  Jahrhundert  lang  bekannt,  mehrfach  herausgegeben,  aber 
doch  zu  wenig  beachtet  und  nicht  immer  richtig  behandelt  und  geschätzt, 
verdient  wohl  seines  Inhalts,  seiner  Form  und  seines  Verfassers  wegen 
an  die  Spitze  des  kirchenslavischen  Schrifttums  gestellt  zu  werden.  Es 
ist  meines  Erachtens  nicht  nur  das  erste  literarische  Produkt  der  kir- 
chenslavischen Sprache  —  schriftliche  Produkte  in  dieser  Sprache  können 
ihm  manche  vorangegangen  sein,  —  es  ist  ein  Gedicht  von  ausgesprochen 
reiner  und  kunstvoller  Form,  von  hohem  poetischen  Wert  und  von  einem 
mächtigen  religiösen  Gefühl  getragen;  es  ist  überdies,  was  man  bisher 
nicht  ganz  grundlos,  aber  doch  aus  Mangel  an  tieferer  Erkenntnis  über- 
sehen hat,  das  Produkt  des  ersten  Lehrers  der  Slaven,  Konstantin  des 
Philosophen. 

Zum  erstenmal  wurde  dieses  Gebet  in  der  russischen  Ausgabe  des 
Werkes  von  Joseph  Dobrovsky  über  Cyrill  und  Method  in  zwei  Versionen, 
gewiß  ohne  Wissen  und  Willen  des  Verfassers  veröffentlicht  i).    Beide 


*)  Wir  gönnen  gern  Raum  diesen  >kleiuen Beiträgen«  des  verdienstvollen 
Forschers  auf  dem  Gebiete  der  altkirchenslavischen  Literatur,  wobei  selbst- 
verständlich den  Lesern,  die  den  einzelnen  hier  angeregten  Fragen  oder  Deu- 
tungen näher  stehen,  frei  gestellt  werden  muß  zu  den  Resultaten  oder  Kom- 
binationen des  Verfassers  Stellung  zu  nehmen.  So  gleich  beim  L  Beitrage 
wird  nicht  jedermann  die  Überzeugung  teilen,  daß  diese  alphabetisch  geord- 
neten Verszeilen  vom  ersten  Begründer  des  slavischen  Schrifttums,  Konstan- 
tin, herrühren  sollten.  Auch  die  Rekonstruktionsversuche ,  um  regelmäßige 
dekasyllabische  Verszeilen  zu  gewinnen,  sind  nicht  immer  überzeugend. 

V.  J. 

1)  Kupii.i.it  u  MeeoÄiir,  c.iOBeHCKie  nepBoyquie.'m.  IIcxopuKo-KpiiTiiqecKoe 
usc.iiaoBaHie  locu'i-a  ^oöpoBCKaro.  IlepeBOÄt  ct,  HiMCUKaro.  MocKBa.  Bx  Tiino- 
rpa<i.ii  CeMena  Ce.3HBaHOBCKaro  1825.  4-to,  S.VII-f-  150  +  4  unpaginierte.  Die 
Vorrede  ist  gezeichnet  von  Michael  Pogodin. 


152  I.  Franko, 

Texte,  aus  russischen  ziemlich  späten  Handschriften,  sind  in  prosaischer 
Form  abgedruckt,  der  erste  S.  109,  der  andere  S.  151.  Zum  zweiten- 
mal wurde  es  aus  einer  bedeutend  älteren  Handschrift  veröffentlicht  von 
Joseph  Bodjanskij  in  seinem  Werke  über  den  Ursprung  der  slavischen 
Schriftzeichen  S.  LIX — LX^).  Ebenfalls  einen  altertümlichen  Text  (vor 
dem  Jahre  1300)  veröffentlichte  I.  Sreznevskij  im  J.  1SG3  in  der  Chresto- 
mathie, welche  seiner  Kompilation  »/tpesHie  naMüTiiHKn  pyccKaro  nstiKa« 
einverleibt  wurde  2).  In  der  neuesten  Zeit  machte  sich  Prof.  A.  Sobo- 
levskij  mit  diesem  Gebete  viel  zu  schaffen.  Er  veröffentlichte  es  im 
J.  1S84  in  der  Monatsschrift  »PyccKiii  ^I^iJio.ioriniecKin;  BicTHiiKi.«,  im 
J.  1S92  in  der  Zeitschrift  »En6jiiorpa*Tb«,  im  J.  1900  in  dem  »CöopiiHKi. 
3a  Hapo;i;HH  yMOTBopeHHa,  nayKa  h  KimyKimHa«  (Kit.  XVI  ii  XVII  S.314 
— 324)  in  Sofia  in  Bulgarien  3)  und  schließlich  im  J.  1910  in  seiner 
Publikation  »MaxepiajiM  n  nscji^AOBaniH  b-l  oöjacTH  cjaBHHCKoä  *hjio- 
.lorin  H  apxeojroriii«  (CöopiiiiK'B  OTß^ijiemE  pyecKaro  asLiKa  ii  cjio- 
BecHOCTH  Hmh.  AKa^eMin  HayKTi  t.  LXXXVIII,  S.  9 — 10).  Die 
Publikationen  von  Bodjanskij,  Sreznevskij  und  Sobolevskij  sind  sämtlich 
in  versifizierter  Form  gedruckt.  Noch  eine  Version  dieses  Gebetes  ver- 
öffentlichte ich  aus  der  Handschrift  der  »Ila-iea  To.iKOEaa«  des  Basili- 
anerklosters  in  Krechov  in  Ostgalizien  im  ersten  Bande  der  Publikation 
»IlaMHTKH  yKpaiHCLKO-pyetKoT  mobh  i  jiTTepaxypH« ,  Lemberg  1896 
S.  LV.  Dieser  Text,  welcher  sich  den  Versionen  des  Dobrovsky  am 
meisten  nähert  und  um  zwei  Zeilen  ärmer  ist  als  die  anderen  Varianten, 
wurde  auch  in  Prosaform  gedruckt.  Was  die  handschriftlichen  Quellen 
anbelangt,  aus  welchen  diese  Werke  genommen  wurden,  so  ist  Dobrovskys 
aus  einem  papiernen  Chronograph  aus  dem  J.  1494,  damals  Eigentum 
des  russischen  Kanzlers,  Grafen  N.  P.  Rumjancov,  der  zweite  aber  aus 
einem  handschriftlichen  Azbukovnik  des  Volokolamschen  Klosters,  un- 
bestimmten Datums  genommen,  der  Text  des  Bodjanskij  aus  einer  hand- 
schriftlichen Paläa  aus  dem  XVII.  Jahrb.,  der  des  Sreznevskij  aus  einer 
pergamentenen  Sammlung  der  Predigten  des  Johannes  Chrysostomus, 
der  des  Sobolevskij  aus  einer  nicht  näher  bezeichneten  Pergamenthand- 


1)  0.  EoÄflECKifi,  0  EpeMenii  npoucxoHCÄenia  ciaBaHCKuxt  nucBMent.  Co- 

UHHCHie  et  19-TBIO  CHHMKaMH.     MocKBa  1855. 

2)  H.  CpeaHeBCKifi,  ^pesHie  naMHXHHKH  pyccKaro  nnctMa  ii  asiiKa  (X — 
XIV  BiKOBt).    Oömee  nospeMeHHoe  cöospinie.    C.  IleTepöyprt  1863  S.  191. 

3)  A.n.  CoöoJieBCKiM,  HepKOBHOciaBaHCKiiTi  crHXOTBopeHH/i  b^  IX — X 
BiKt  H  TixuoTO  suaieHUG  3a  'lepKOBuocjiaBaHCKHK  eaiiKT.,  S.  314 — 320. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  153 

Schrift  der  Moskauer  Synodalbibliothek  aus  dem  XII — XIII  Jhd.  (Cöop- 

HHK'B  3a  Hap.  yMOTB.  S.  3 1 5). 

Trotz  der,  wie  wir  sehen,  ziemlich  zahlreichen  bisherigen  Publika- 
tionen läßt  der  Text  des  Gebetes  noch  Manches  zu  wtinschen  übrig,  be- 
sonders darum,  weil  die  Herausgeber  den  Text  aus  ziemlich  fehlerhaften 
Kopien  meist  sklavisch  getreu  wiedergaben,  oder  sich  Besserungen  und 
Transkriptionen  der  Abkürzungen  erlaubten,  welche  dem  Urtexte  nicht 
immer  entsprachen.  Es  muß  aber  hervorgehoben  werden,  daß  das  Ge- 
bet wegen  seiner  poetischen  Form  und  des  Akrostichons,  in  welchem  die 
Buchstaben  des  cyrillischen  Alphabets  zu  Versanfängen  verwendet  wur- 
den, an  die  Sprache  und  die  Betonung  der  Wörter  ganz  bestimmte  For- 
derungen stellt,  die,  wenn  sie  richtig  erkannt  werden,  zu  einer  rich- 
tigen Rekonstruktion  des  Urtextes  behilflich  sein  können.  An  eine 
solche  Rekonstruktion  mit  Zuhilfenahme  aller  bisher  bekannten  Varianten 
wurde  aber  von  russischen  Gelehrten  bisher  nicht  gedacht,  obwohl  Prof. 
Sobolevskij  in  seiner  letzten  Ausgabe  vier  Verse  mit  Sternchen  bezeich- 
net, welche  von  ihm  rekonstruiert,  nach  seiner  Meinung  aber  dennoch 
verschiedene  Zweifel  erwecken  (MaTepiajiu  S.  9). 

Von  den  russischen  Gelehrten  hat  sich  nur  Prof.  Sobolevskij  mit 
der  poetischen  Form  des  Gebetes  Konstantins  befaßt,  und  hat  über  das 
Metrum  dieses  Gedichtes  eine  Ansicht  ausgesprochen,  die  mir  auf  einem 
Mißverständnis  zu  beruhen  scheint.  Diese  Ansicht,  die  er  in  seiner  bulga- 
rischen Publikation  (op.cit.S.  314 — 315)  ausführlich  entwickelt  hat,  möge 
hierin  deutscher  Übersetzung  unverkürzt  folgen:  »Die  byzantinischen 
Griechen  hatten  große  Lust  zum  Verseschreiben.  Wie  bekannt,  sind  unsere 
Kirchenlieder  in  griechischen  Originalen  nichts  anderes,  als  Gedichte  in 
verschiedenen  Versmaßen  abgefaßt.  Es  gibt  eine  große  Zahl  auch  nicht- 
kirchlicher griechischer  Gedichte  vom  verschiedenartigsten  Inhalt  und 
verschiedener  Größe  aus  der  byzantinischen  Periode.  Wir  haben  sehr 
lange  Gedichte,  ganze  Chronographe  in  Versen.  Sogar  die  großen  Kirchen- 
väter Gregorios  Theologos  und  Theodoros  Studites  verachteten  die  Be- 
schäftigung mit  Versemachen  nicht.  Byzantinische  Gedichte  erscheinen 
nicht  selten  mit  einem  Akrostichon  in  dieser  oder  jener  Form.  Eine 
ziemlich  große  Anzahl  hat  ein  alphabetisches  Akrostichon,  d.  h.  die  An- 
fangsbuchstaben der  Verse  oder  der  Distichen  oder  der  Strophen  be- 
ginnen mit  den  Buchstaben  des  griechischen  Alphabets  in  seiner  gewöhn- 
lichen Reihenfolge.« 

»Das  byzantinische  Versmaß,  bekannt  unter  dem  Namen  politischer 


154  I-  Franko, 

Vers  [aTi'xog  TCoXiVLy.6g)  hatte  verschiedene  Formen.  Eine  von  den- 
selben war  die  Folge  des  iambischen  Trimeters  der  altgriechischen  Dich- 
ter, welcher  uns  aus  den  Tragödien  des  Sophokles  und  Euripides  bekannt 
ist.  Die  griechische  Sprache  in  der  byzantinischen  Epoche  unterschied 
nicht  mehr  die  Längen  und  Kürzen  der  Vokale ,  darum  war  auch  der 
politische  Vers  etwas  den  jetzigen  französischen  oder  polnischen  Versen 
Ähnliches:  er  war  nur  auf  der  Silbenzahl  gegründet.  Man  kann  be- 
merken, daß  in  dem  politischen  Vers,  so  wie  in  dem  klassischen  Jambus 
die  Zäsur  gewöhnlich  nach  der  fünften  Silbe  lag,  und  was  das  Wichtigste 
ist,  die  vorletzte  Silbe  des  Verses  mußte  eine  Betonung  haben.  Freilich 
manche  byzantinischen  Dichter  wichen  von  dieser  Regel  ab,  es  waren 
aber  die  gelehrtesten  Männer  ihrer  Zeit,  welche  echt  griechisch  zu  schrei- 
ben versuchten ;  ihre  Verse  sind  nicht  geAvöhnliche  politische  Verse  jeuer 
Zeit,  sondern  klassische  Jamben,  und  zwar,  soviel  es  möglich  war,  mit 
allen  ihren  Besonderheiten.« 

»Einige  von  den  ersten  slavischen  Schriftstellern,  welche  sich  der 
kirchenslavischen  Sprache  bedienten  (für  uns  ist  es  gleichgültig,  ob  sie 
Griechen  waren,  welche  sich  mit  der  kirchenslavischen  Sprache  gut  ver- 
traut machten,  oder  Slaven,  welche  sich  griechische  Bildung  aneigneten) 
hatten  eine  ebensolche  Vorliebe  für  das  Versemachen,  wie  die  Byzan- 
tiner. Die  Zahl  der  kirchenslavischen  Gedichte,  welche  auf  uns  gekommen 
sind,  ist  ziemlich  groß.  Ich  sage  dies  besonders  von  den  alten  Gedichten, 
welche  noch  jener  Epoche  der  Geschichte  der  kirchenslavischen  Sprache 
angehören,  in  welcher  die  Zeichen  'b  und  t  noch  als  Vokale  galten  und 
Silben  bildeten,  was  man  nicht  später  über  das  X.  Jhdt.  hinaus  an- 
setzen darf.« 

>  Es  versteht  sich,  daß  diese  kirchenslavischen  Gedichte  nicht  in  Ori- 
ginalen oder  Autographen  ihrer  Verfasser  auf  uns  gekommen  sind,  son- 
dern in  Abschriften  aus  früherer  oder  späterer  Zeit,  in  welcher  i,  und  h 
oft  weggelassen  wurden  und  die  Sprache  überhaupt  sich  erneuerte.  Dar- 
aus entsteht  das  Bedürfnis,  diese  Texte  zu  rekonstruieren,  was  gar  nicht 
schwierig  ist.  Man  muß  nur  an  manchen  Stellen  die  alten  i.  und  t  wie- 
der einsetzen ,  an  die  Stelle  der  aro,  yMy,  mmi.  usw.  in  der  Endung  der 
Adjektiva  ältere  Formen  aaro,  yyMy,  lihmT)  usw.,  anstatt  axi>,  ixi>  u.  ä. 
in  den  Endungen  der  Imperfekta  ältere  Formen  aaxi, ,  iaxi.  usw.  ein- 
setzen, und  dies  auch  nicht  immer,  und  die  Rekonstruktion  ist  fertig. « 

Diese  Ausführung  des  Prof.  Sob.  ist  kurz,  aber  ungenau.  Vor  allem 
darf  als   bekannt  vorausgesetzt  werden,  daß  die  ältesten  christlichen 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  ]  55 

Dichter,  Gregorios  von  Nazianz  (330 — 390),  Synesios  (geb.  um  370), 
Methodios  vom  Olympos  (gest.  311)  und  Ephrämos  Syros  (gest.  373) 
kaum  zu  den  Byzantinern  gezählt  werden  können,  da  sie  vorwiegend  in 
Kleinasien  oder  Syrien  gelebt  haben  und  noch  zur  antiken  Literatur- 
geschichte gezählt  werden.  In  der  Dichtung  des  Gregorios  überwiegt 
noch  das  antike  Versmaß,  Hexameter,  jambische  Trimeter  und  das  Ana- 
kreontische.  In  Hexametern  ist  auch  die  fast  2000  Verse  umfassende 
Autobiographie  des  Dichters  abgefaßt.  Doch  sind  unter  seinen  Ge- 
dichten zwei  Lieder  (das  Abendlied  und  die  Ermahnung  zur  Jungfrau- 
schaft) in  neueren,  freien  Versmaßen  verfaßt,  deren  Grundlage  nicht  die 
Quantität,  sondern  die  Betonung  der  Silben  bildet.  Diese  neue  Dichtungs- 
art kam  wahrscheinlich  in  Ägypten  auf,  da  wir  bereits  am  Schlüsse  der 
kleinen  Schrift  des  Klemens  Alexandrinos  Tlaidayioyüg  einen  in  freien 
Versen  abgefaßten  Hymnus  besitzen.  Ähnliche  Hymnen  schrieb  auch 
Synesios.  In  Syrien  begann  eine  ähnliche  Richtung  in  der  christlichen 
Poesie  unter  dem  Einfluß  der  hebräischeu  Psalmen,  und  zwar  in  syri- 
scher Sprache  ^). 

Von  den  späteren  byzantinischen  Dichtern,  welche  Verse  mit  Akro- 
stichen geschrieben  haben,  nennen  wir  Nilos,  Elias  Synkellos,  Ignatioa 
Diakonos,  Leo  den  Weisen,  Konstantin  den  Sizilier,  Simeon  Metaphrastes, 
Nikiforos  Uranos,  Theodoros  Prodromos,  Kyriakos  den  Metropoliten  von 
Chonä  und  den  Nikiphoros  Kallistos  Xanthopulos.  Von  den  Gedichten 
des  Theodoros  Studites  sind  die  meisten  Epigramme  und  Epitaphien, 
in  klassischen  Distichen  verfaßt  ^j. 

»Es  versteht  sich  von  selbst«  —  lesen  wir  weiter  in  Sobolevskij's 
bulgarischem  Text —  »daß  man  solcherweise  nicht  alle  Verse  restituieren 
kann.  Für  einige  Verse  müssen  größere  oder  kleinere  Verbesserungen 
gemacht  werden ,  aber  solche  Verse  werde  ich  nicht  benützen  und  lasse 
sie  bei  Seite. «  Dieser  Passus  bezieht  sich  auf  die  Benützung  der  Verse 
zur  Rekonstruktion  der  altkirchenslavischen  Betonung,  welche  trotz  der 
hier  angedeuteten  Vorsicht,  aber  deshalb,  weil  seine  Auffassung  der 
kirchenslavischen  Versifikation  und  speziell  des  Versmaßes  des  alphabe- 
tischen Gebets  nicht  richtig-  ist,  wie  wir  weiter  sehen  werden,  nach  meiner 


1)  Wilhelm  Christ,  Geschichte  der  griechischen  Literatur  bis  auf  die 
Zeit  Justinians.    München  1905  S.  937— 8. 

2j  K.  Krumbacher,  Geschichte  der  byzantinischen  Literatur,  2.  Aufl. 
München  1897,  S.  717—18.    Über  das  politische  Versmaß  ebenda  S.  650— 52. 


156  I.  Franko, 

Ansicht  auch  verfehlt  erscheint.  Ich  lasse  hier  noch  den  Schluß  der 
Ausführung  des  Prof.  Sob.  folgen: 

»Das  Versmaß  der  kirchenslavischen  Gedichte  ist  der  byzantinische 
politische  Vers  von  12  Silben;  seine  Theorie  muß  auch  byzantinisch 
sein.  Dieselbe  Zäsur  nach  der  fünften  Silbe,  welche  bei  den  Byzantinern, 
wenn  auch  nicht  immer,  obligat  ist,  ist  auch  bei  den  Slaven  üblich.  Dar- 
um muß  auch  vorausgesetzt  werden,  daß  die  Betonung  des  letzten  Wortes 
in  jedem  Verse  auf  der  vorletzten  Silbe  für  die  Slaven  ebenso  obligat  war, 
wie  sie  für  die  Byzantiner  gewesen  ist.«  Diesen  letzten  Satz  gibt  Prof. 
Sobolevskij  in  Kursivschrift,  offenbar  weil  er  ihm  eine  große  Wichtigkeit 
zuerkennt;  leider  zeigt  er  sich,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  in  vielen 
Fällen  unrichtig. 

Nachdem  wir  diesen  Ausführungen  des  Prof.  Sob.  bis  hierher  ge- 
folgt sind,  wollen  wir  nun  die  überlieferten  Texte  des  alphabetischen 
Gebetes  näher  betrachten.  Da  den  meisten  Lesern  dieser  Zeitschrift  die 
oben  zitierten  Werke  unzugänglich  sein  dürften,  so  scheint  es  mir  zweck- 
mäßig zu  sein,  hier  alle  drei  in  Prosa  veröffentlichten  Texte,  sowie  einen 
in  Versen  in  jener  Form  zu  setzen,  wie  sie  publiziert  wurden.  Ich  be- 
zeichne diese  Texte:  Dj,  D2,  B  (Bodjanskij),  S  (Sreznevskij),  Sb  (Sobo- 
levskij bulgarische  Publikation),  Sp  (Sobol.  Petersburger  PubL),  Sob. 
(Sobolevskij  beide  Texte),  F  (Franko). 

Dl.      B  A-b^    S.  T.  r.    KOHCTATHMT».     OhAOCO^^T».     HapHSCMUH 

Khpha'K  CTßopHATv  rpaiuoTX,'  CACBfCHKiMTv  (wahrscheinlich  cao- 

EtHbCKI^rJI'k)    IdaklKOlUlli    FMUS    AHTHU,W     BO    Ji,l\h    MH\'dH     l^pA 

FpfMKaro  H  BO  jü,hh  kh3/ä  Ak»ph  HoBropo/k,CKa,  tro^KTv  chcmt». 

PSCKAA  3(MA/fV  npni^f.  Gl)  rpAMCTlJ.  FpfHCKÖlO  rpdMOT\' 
CTBOpHlUa  3.  MV^KTi  :  [laAHMH,  KaMHAHCJH,  GilHOHTk,  QnH- 
yapJH,  /^HWHH.  GHU,f  peM£  CTWH  RmPHAT^:  »flsTi  CHMTk  CAO- 
BOMTk  MAM»  li\'.      hf  BCea  TSapi    SHJKHTeAK»,    BHfJiaa    H    HfBHMaa. 

Fa    AXA    nocAH    H^HBCYHJaro,    ;i,a    b^o^hct^k    mh    b    cpi^AU,* 

CACBO,  f/Ke  BO\f/l,fT'K  Ha  ÖCRg  BCf  >KHBOVl|JH  B3anOBf;i,f  TH. 
S.  KO  (  CB-feTHAHiK  JKH3HH.  3aK0  TBOH  CBtTTi  CTf3Ay'T*,  HJKC 
HiptTT».     fl'ACKa     CAOBa     H     npOCHT'K    Mfi^    TBOß    npHlÜTH    CAO- 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  157 

BEHCKOE  nA£M/f^.  Ko  Kpi|JHitO  BO  IVBpdTHliia  CA  BCH  AICE  TBOH 
HapfljlH     )C0l4Jf,     MATH     TBOfd     \'OHJf     Bf.       Hd     MHt:     HH't     PpO- 

crpaHO   CAOBO   noA^VHJKe    ivn'k   h  ch-S  h   CTeMiv  A^'t,   npocA- 

IjJHMlv  nOIUI01|JH  CO  T{B£.  P\fi;H  CBOH  BkICnpk  BOS^^X^  npHO  CH- 
AOy  npHraTH  H  IUI\-APO  CC  TtB«,  TW  BO  Ji^AdliH  A*^HHKiMli  CH- 
aS,  CynOCTACb  >KC  BC/AKSiO  Hl^'kAHllJH.  OapdWH/ft  M/\  3A0BKI 
H3KdBH,  \-fpOYBHyiiCKyiO  MJ  MKICAb  H  ^yWK  Ji,AH'AU,  \K>  MTHdia 
H     npTda    TpU,£.       IlfMaAk     M0K>     Ha     paCTk     npfAOJKH,    l^'fcAOMy- 

ApfHO  ji,A    HaMH\'  ncark  Mwca  TBoa  npcAHBHaa  3fAC>.     Ulfc- 

TOKpKIAATW  CHA\'  HpiKMli.  ClUfCTBÖW  HOCAt^^V  ©V^'*''^'*'  ^^^ 
HMCHH  i  H  A'^^<>V  nOCAfA^V^?  ^^'^  CT».TB0piO  tlTAKOe  CAOBO, 
YBAAy  B03A<iA  npT'RH  TpU,H  BO  (AHHOMTk  llJKTB'b,  K>7K( 
nOfTTv  BCiÄKa  B03paCTh.  WHTv  H  CTapi».  CTBOHyk  pa30YIUlOM'K, 
M3W    HOBT».    \'BaA\-     B03A^'3     Wl^K»     H     CH\^    H     CTM^     AV^»     ^^\' 

HTb  H  cAABa  \Xi  maa  TBapH  h  A'^V^^"''^  BHEnpEBpeAHMKira 
E^k^  aMH-« 

Der  zweite  Text  (D2)  wird  hier  nach  dem  ihm  beigefügten  Alphabet 
nicht  per  extensum,  wie  im  ersten  Drucke,  sondern  jeder  Vers  besonders 
gedruckt : 

*ü.       fl3'K    CACBOWK    CHMTv    MOAWCA    Br^*. 
B.       Ii>Ke    BCf/Ä    TBapH    3H^KHTfAK», 
B.       BHAHMKlifV    H    HEBHAHMKI/iV, 

r.     Fha  aV^  nocAH  jKHBÖi|jarc», 

A-       Aa    BAOX'HfT'K    B    Cpi;H    MOfM'k    CAOBO, 

6.     Bnce  BÖA^T'k  Ha  oYcn-kYii.  Bcfewk 
/K.     /KhbSljjhm'k  b  3anoB'feAfY''^  TBonyk. 

S.       S'feAO    BO    C^'TL    OyCH'kUJHH    KTi    >KH3HH. 

H.     Hjk«  HHjeTTk  {iraMrcACKa  CAOBa, 


158  I-  Franko, 

I.  I    AlvTk    TU    KC»    HH'k    CAOßfHkCKO    nAtM/Ä^) 

K.  Kti    B03HfCmi»02)    OKpATHllia    KCH, 

A.  AwAif    TBOH    Hap£L|JHCk    Y"2>TAipf, 

M.  Math  tkoca  BjKf  npocATi».  S'kAO. 

H.  No    lUIHli    HH'K    npOCTpAHHO    CAOKO  J\,AH7K(, 

0.  Omc  h  Gne  h  bcectkih  Aiue, 

n.  npOC/ÄllKM^*    nHl|Ja    OY    TfBf. 

P.  Pyi^'S   CBOH    BKICnpk    B'KSA'felO    npHO, 

G.  Gha8    npi/ÄTH    H    M8/l,pOCTk    CD    TfBf. 

T.  TkI    BO    ;l,d£LiJH    ^OCTOHHKiyT*    CHAÖ, 

Ol/".  OlfnOCTACK    >Kf    BCK>    U,'6AHUJH. 

<1).  OapaCHA    M/Ä    3A0EW    HSBABH, 

X.  XfpSBHMCKÖ    MH    MkiCAk    H    OXfWK    nO^^H  }K(, 

T  'c  ~ 

(x).  Gl)    MTHd/Ä    H    BCfCTaA    TpOHUf, 

ÜEMaAK    lUIOK»    Ha    pa^OCTK    np£AOH;H; 

1^.  l^liAOyYAP*"*^    HAMHÖ    HHCaTH 

M,  4K»/^fCa    TBOA    npiJi,HßHAA. 

111.  lUeCTOKpWAT».    CHA8    B-KCnpiHMT». 

1|1.  lllfCTBi«    TBOpA    nOCAÖH^H    ÖHHTtAK», 

Tl.  ÜMtHH  fro  H  ^-kAÖ  nocA'kA^'*^ 

ZI.  Mß'fe    CkTBOpM»    (iraHrfAbCKOC    CAOBO, 

h.  H    YBAAS    B'K3A<*1«    TpOHU,H    B'k    BjKTB'fe, 

'S.  MjKf    nOfTTi    BC/ftKli    B'KSpaCT'K 

H).  IOht^  h  cTapii  cBOHiUTk  paaöiuioiui'k, 

M.  MSKIKT».    HOBTi    ^B^^^^    B'kSA'»''^    npHO 


1)  In  einer  anderen  Handschrift:  I  A-krur-K  rc  cm  cMRiatiCM  nAfMA. 

2)  In  einer  anderen  Handschrift:  K-k  KpniitHiw. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenelav.  Literatur.  159 

Q.  (x)n,ö  H  CHÖ  H  BCeCTMÖ  AXV)  «MÖJKe  MKTk  II 
J\(fi}K.AßA  H  CAAKA  HG  CCCA  TBapH  H  ;\,kl)C^Hira 
B-K    BC/A    B-kKhJ    H    Ha    B'kKhJ. 

Hmhhk.« 

Die  Vergleichung  dieser  beiden  Versionen  ergibt  in  der  ersten  viele 
Merkmale  einer  nordrussischen,  in  der  zweiten  aber  noch  mehr  Merk- 
male einer  südrussischen  Redaktion,  wobei  es  nicht  schwer  ist  zu  be- 
merken, daß  die  zweite  bedeutend  korrekter  ist,  als  die  erste.  Süd- 
russischer Redaktion  ist  auch  jener  Text,  welcher  von  mir  aus  der 
Handschrift  der  Krechover  »Tolkovaja  Paleja«  (XVI.  Jhdt.)  veröffent- 
licht wurde.  Auch  dieser  Teil  bildet  einen  Teil  des  kleinen  Artikels 
>Gi)  rpaMOTli«  und  lautet: 

»ÜBT».  CHIUl  CAOBOM  MOAtO  B^.  BjKf  BCf A  TBapH  SHHiHTfAlO 
BH/l,HMIÜ/{V  H  H£BH^HIUIkl<ft,  Va  JS^^A  ROCAH  H^UB/AllJarO,  J^A 
BAO^HtT  LIH  KT».  C(iJi,U,6  CAOBO,  f^KE  By^fT  Ha  dfCn-fe^T».  BCkllil'k 
;KHB\'LpHllil'k  B  3anOBlx/l,f\-  TM.  S.  EO  6  CB-tTHAHHKT».  ^H3HH. 
SaKOHT».  TBOH  Cß-kT  CTtS/ÄMTi  lUlOHM'k.  H^Kf  HljJfTIi  eirrAhCKa 
CAOBfCa  H  npOCHT  Ji,Aßhl  TBO/Ä  HpiATH  CAOBJHCKO  HAEM/fV  K^k 
KPHJEHIK»    KCl    WBpaTHUJ/!V    BCH,    AlC>/l,l6    TBOH     HapEL|JM    Y<>T/Äl|Jf, 

Math  tboe/A  y*^''''^4'*  Gjkc.     No  mh'R  hh'S  npocTpaHHO  no- 

;k,a>Kk    CAOBO,  QmE    H    GhE    H    CTWH  J^lUt,   npOC/Äl|JEIl)l\'    nOMOLjJH 
(D    TEEf,    TkI     EO     ^aeUlH    /l,OCTOHHh.iy    CHAV/-,    0\'nocTack    >KE 

BC/i^KYi<>  i^'kAHmH.     ^apaoH/Ä  ma  saoetv.i  hseabh,  Xepybhu- 

CK\f     lUIH     MklCAk    H     O^yii     A^^A"»?    ^    MCTHA/Ä     H    RpTaA    Tpi^E, 

ÜEHaAk  luioK»  Ha  pa/VOCTk  rpeaojkh,  U,'kAoiiiiAP"<^  hamhy  nHca- 

TH    HlO^ECa    TBO/Ä    npE^HBHa/«^     S'tAO,    UlECTOBpHAaTkiy    CHAY 

npiHiii'k  G'kUJECTBYio  no  caK^V  o^htaa  moeto,  Hmehh  ero  h 
A'feA\f  nocA'b/k,y/Ä,  Mb-K  cTBopw  eirrAkCKOE  caoeo,  X^^'^V  ^'^^~ 

Ji,AA     npT-feH    Tpi;H     BO     eAMHOIUI     B>KTBlv,    K)jK£     n06T    BCAKA 
KOSpaCTTv,  0\'H'k  H  CTap'k    CTs.  TBOHM  pa3\f MOIUI,  Hf^klirk  HOBTv 


160  .  I-  Franko, 

YßaA\-    ß03A<»'«^    WU,\0    H    CHV    H    CTM\-   AVV»    ^^\'    ^^^    "    CAdBd 
lÜ    BCeA  TBdpH    H    A'^X'^"'<*    ^    HfnpeBpf^OMKia    Bl^KM    amiHHIi«!). 

Von  den  Texten,  welche  in  der  Form  von  Versen  veröffentlicht 
wurden,  gebe  ich  hier  nur  den  Text  Bodjanskij's;  der  Text  des  Sreznev- 
skij  steht  ihm  ziemlich  nahe.  Der  Text  Bodjanskij's  hat  eine  ausführ- 
liche, sehr  bemerkenswerte  Inschrift: 

»npcAcn^  w  Xt  cKKaaaHHia   ctto   e\iA\\Kr(AH\a,    ck- 

TBOpfHlk      K0CTAHTHHTs.Mb,      HML^KE      H       np'K/\OJK«HHI€ 
ETvICTK    OTTi     rpkMkCKa     raSTüKa     B'K     CAOB'SHkCK'k    TO- 

rojKA^  cKKasdHHra  i€BanrfAh,CKaarc.« 

flSTv    CAOBOMfck    CHLlk    MOAIO    CA    Roy : 
BT  BCfra    TBapH    H    3H/KAHTf'^'^ 
ElHAHMKIHMIi    H    H{BH;i,HMklHMnk, 

Fa  JS^^a  nocKAH  /KHBOYHJaaro, 

JS^A    ß'KJi,'K\mTh    B'K    cpR^kL^C    HIH    CAOBO, 

16h««  BoyA*'"''^  ^^  oYcntjCTs.  Bkckiui'h. 
üvHBOYMJHHM'k  B'K  3anc>B't;A"*X''^  'TH. 

S'feAO    BO    l€CTL    CK'kTHAkHHK'K    ^KHBHH 
SaKOHTv    TBOH    H    CßliTT^    CTkaaMT^. 
H^KE    HljJETb    eBHTEAkCKa    CAOBA 

H  npocHTk  A^^P''^  TBora  npHraTH, 

AfTHTb    BO    H'KIH't    H    GaOB'feHkCKO    nA«M/Ä, 
Kl»,    KpkUJeHHK»    OBpaTHlUa    CA    BkCH, 
AWA"*^    TECH    Hap{l4JH    C/Ä    Y*^TAHJe, 

Mhaocth  TBOiera  Re  npocATk  s'bAO, 

H'K    Ll'kH't    H'KIH-k    npOCTpaHO    CAOBO    A^^A*»» 

Ose,  Ghc  h  np'fecT'KiH  J^iu(, 


1)  HaMATKU  yKpaiHCLKO-pycBKoT  MOBu  i  JiiTepaTypu,  t.  I.,  ct.  LV — LVI. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  161 

üpOCAljJOYOYMOY    nOMOlJJH    (D    TtKf. 

Foyi^'k  KO  cßOH  rop'k  B'kSA'feK»  npHCHO, 
Ghaov  npHraTH  h  mo\'aP<>^'*''*  ^V  t«k<- 
Ttü  bo  AaieuJH  A'^^t'^m^'^mti.  cHAoy, 

\fnOCTaCli  >Kf  BkCABOyK»    l^'kAHUJH, 

.  Oapaoma  ma  s^kaobu  H3BaBH, 

XtpOBliCBOy    MH    MTüCAIi    H    0\fU'h.    A^^A^^j 

Q  HkCTbHara,  np-Kcrara  TpoHi;«. 
n-kMaAk  MOK»  Ha  pa^ocTb  np^bao^KH, 
U,'feAC>Mo\'AP'^"*^  A**  HaMkHOY  niicaTH 
MK»/k,(ca  TKora  np'b^^HBKHara  sI^ac». 

llIfCTkKpHAaT'k    CHAOAf    B'h.CnpHHM'k 
lllkCTBOYlO    HTklH'K    nO    CA'fe/l.OY    OyMHTfAlO, 

Hmehh  \eK>  H  /k.'kAOY  nocA-k^oyia, 

Mü'k    CKTBOpK»    6BaHhrfAkCK0    CAOBO, 
XbAAOY    KTiSA^ira    Tpi^H    et».    BH;h.CTB'fe, 
lO^Kf    nOI€Tk    Bh.CifVK'kH    BTiSAP^CTTk 
IOhI»    H    CTap'K,    CBOHMh.    pa3C»YM0IUIIi, 

MskiKii  HOBTi,  YB^'^^^V  B'kaA'ira  npHCHO 
Qi^oY,  Gnoif  H  np'bcTOYOYMo\'  Ay^Vj 

I€MO\fJKf    MkCTk    H    ^pk'^aBa    H    CAABa 

Ot'k  Bcera  TBapH  h  ai^X''*""'^ 

Rtv    BCA    K-RKTvI    H    Ha    B'kK'KI,    aiUlHHli.« 

Auch  dieser  Text  gehört  nach  seinen  sprachlichen  Eigentümlich- 
keiten zu  der  südrussischen  literarischen  Tradition.  Er  weist,  wie  wir 
sehen,  weder  deutliche  Bulgarismen,  oder  Serbismen,  noch  Großrussismen 
auf,  obwohl  auch  er,  wie  wir  sehen  werden,  im  Vergleich  mit  dem  zu  er- 
reichendem Urtexte  zahlreiche  Veränderungen  erlitten  hat. 

Bei  der  Rekonstruktion  des  Textes  auf  Grund  der  bisher  bekannten 

Archiv  für  slavisclie  Philologie.     XXXV.  ]  1 


162  I-  Franko, 

Varianten  muß  vor  allem  die  poetische  Form  des  Denkmals  in  Betracht 
gezogen  werden.  Im  Texte  Bodjanskij's,  sowie  auch  in  allen  übrigen 
bisher  in  Versform  veröffentlichten  hat  das  Gedicht  40  Verse,  während 
die  Zahl  der  im  Akrostichon  verwendeten  Buchstaben  nur  32  beträgt; 
die  im  späteren  cyrillischen  Alphabet  gebräuchlichen  Buchstaben  §  und 
\|r  fehlen  hier  ganz;  dies  kann  als  ein  Zeichen  dafür  betrachtet  werden, 
daß  sie  dem  Verfasser  des  Gebetes  noch  nicht  bekannt  waren.  Andere 
Buchstaben  ('S,  ivi,  Kl,  'K  und  k)  konnten  im  Akrostichon  darum  nicht 
verwendet  werden,  weil  sie  nirgends  am  Anfange  eines  Wortes  stehen, 
obwohl  sie  im  Texte  des  Gebetes  vorkommen. 

Was  die  Versform  des  Gebetes  betrifft,  so  halte  ich  das  vom  Prof. 
Sob.  Gesagte  über  das  zwölfsilbige  Versmaß  des  Gedichtes  nicht  für  stich- 
haltig. Von  den  40  Versen  des  Gedichtes  haben  in  den  Texten  des  Sob. 
nur  6  die  von  ihm  geforderte  Zahl  von  12  Silben,  dagegen  sind  10  Verse 
11-silbig,  14  10-silbig,  4  9-silbig  und  3  nur  8-silbig.  Im  Texte  Srez- 
nevskij's,  welcher  vor  dem  J.  1300  geschrieben  wurde,  haben  nur  6 
Verse  je  12  Silben,  10  je  11,  7  je  9  und  9  je  8  Silben.  Nimmt  man 
noch  in  Betracht  die  Bemerkung  Sobolevskijs ,  daß  einzelne  Vokale,  wie 
a,  0,  y,  H  im  Notfalle  auch  doppelt  gelesen  werden  können,  so  ist  die 
Bestimmung  des  Vermaßes  als  12-silbig  ganz  fiktiv,  da  man  bei  solchem 
Verfahren  in  keinem  Verse  die  Silbenzahl  genau  und  zuverlässig  be- 
stimmen kann. 

Es  sei  noch  hinzugefügt,  daß  auch  die  vom  Prof.  Sob,  gegebene 
Bezeichnung  dieses  Vermaßes  als  »politischer  Vers«  ungenau  ist,  weil 
die  von  ihm  angegebene  und  charakterisierte  Versform  von  12  Silben 
mit  der  Zäsur  nach  der  fünften  Silbe  wohl  auf  den  antiken  tragischen 
Trimeter  iambicus,  nicht  aber  auf  den  byzantinischen  politischen  Vers 
paßt.  Prof.  Sob.  konnte  schon  im  ziemlich  alten  und  in  Rußland  wohl- 
bekannten Werke  des  Kalajdovic  *)  ein  Specimen  des  politischen  Verses 
finden.  Es  ist  ein  kleines  Gedicht  des  Philippos  Solitarios  über  die  60 
Bücher  des  alten  und  neuen  Testamentes,  welches  ich  hier  folgen  lasse: 

Tb  TIvev[.ia  rb  Tcaväyiov  —  eaöcfias  IlQocprjTag 

Tfi  ETtiTCvoia  Tji  avTov  —  reo  törs  äQiörj?.cog' 

Tovg  JiTtoarökovg  rtäXiv  61  —  oixoiiog  ixez^  e-Aslrovg. 


1)  KoHCiaHTuui.  KajaiiaoBU'n.,  loanui.  EKcapxi.  EojirapcKiii.  ITs- 
c.iiÄOBaHie,  oöxflCHfliomee  HCiopiio  cJOBencKaro  asLina  ii  jiUTepaiypti  IX  u  X  cto- 
jiiTiik.    MocKBa.  1824.  S.  95. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  163 

Kai  oocpio&evTsg  Ttaq'  avrov  —  Kccy^elvoc  re  xai  ovtol 
^Eviqxri&evTeQ  Eyqaxpav  —  v.al  eircov  arteg  siTtov, 
'Of-iov  Tcc  övvcc{.i(p6TBqa  —  e^äxiOTa  BißUa: 
Trjg  üalaiäg  rgidyiovra  —  xal  xqia  Ircl  xo'ÖTOig, 
Tf^g  Nsag  de  ye  uy.0OL  —  /.al  enra  Ttqog  tolg  aXkoig' 
Kai  ravta  dieGTtccQrjaav  —  eig  TtöXsig  re  xat  /w^ag, 
^Ev  cclg  Xqlotov  to  6vof.ia  —  övof.MterciL  Ttdvrcog. 

Die  Striche  in  der  Mitte  jedes  Verses  sind  von  mir  mit  Absicht  ge- 
setzt, um  die  Zäsur  zu  markieren.  Aus  diesem  Beispiel  ersehen  wir,  daß 
die  von  Prof.  Sobolevskij  gegebene  Definition  des  politischen  Verses 
nicht  stimmt,  da  ja  jeder  Vers  aus  15  Silben  besteht,  welche  regelmäßig 
durch  die  Zäsur  in  zwei  Teile  zu  je  acht  und  sieben  Silben  geteilt  wer- 
den. Die  Probe  Prof.  Sobolevskijs ,  die  Zäsur  in  slavischen  Versen  zu 
markieren,  kann  nicht  als  gelungen  gelten.  In  der  bulgarischen  Publi- 
kation (op.  cit.  S.  315)  lesen  wir  über  das  Alphabetische  Gebet  folgendes: 
»Der  Verfasser  ist  ein  Schüler  des  Cyrill  und  Method.  Er  ist  wohlbekannt 
mit  der  byzantinischen  Theorie  des  Versbaues  und  hält  streng  die  Zäsur 
nach  der  5ten  Silbe: 

flSTk  CAOKOMk  —  CHMk  MOAK>C/Ä  BoPy : 
BoJKf  ßkCf/Ä  —  TßapH  H  3hm;aht(aio, 
ElH;i,HMklHMli    —    H    HtBHAHMWHM'K.« 

Wenn  man  aber  das  Kirchenslavische  in  gewöhnlicher  Weise  liest, 
so  daß  die  Halblaute  nicht  als  volle  Laute  gelten  —  und  so  soll  man 
nach  meiner  Meinung  mit  wenigen  Ausnahmen  diesen  Text  lesen — ,  so  be- 
merkt man,  daß  bei  der  vom  Prof.  Sobolevskij  angegebenen  Teilung  die 
Zäsur  regelmäßig  nicht  nach  der  fünften,  sondern  nach  der  vierten  Silbe 
zu  stehen  kommt.  Und  dies  ist  auch  richtig,  weil  das  Versmaß  dieses 
kirchenslavischen  Gedichtes  keinesfalls  dem  byzantinischen  politischen 
Vers  nachgebildet  ist,  sondern  einen  ganz  regelmäßig  herstellbaren  tro- 
chäischen zehnsilbigen  Versbau  aufweist,  den  Versbau,  welchem  wir  in 
den  schönsten  epischen  Volksliedern  der  Bulgaren,  Serben  und  Südrussen 
begegnen.  Von  dieser  metrischen  Voraussetzung  ausgehend,  lasse  ich 
jetzt  meine  Rekonstruktion  des  Gedichtes  nach  allen  mir  vorliegenden 
Texten  folgen.  Die  Bezeichnung  der  Texte  habe  ich  schon  oben  ge- 
geben. 

11* 


164  I-  Franko, 

V.  1.  Di:  CHMTi  caokom'k;  Sb.  und  Sp.:  moaij^  ca;  D^  By, 
D2  Eir^*,  B.  und  S.:  Boy,  Sb.  und  Sp.:  Bor\*.  Der  metrische  Bau  des 
Verses  verlangt,  daß  das  i^  in  dem  ersten  Worte  als  eine  besondere  Silbe 
gelesen  werde.  Also  wird  dieser  erste  Vers  in  der  Transkription  in  la- 
teinischen Lettern  klingen  wie  folgt  (ich  lese  das  Tv  nach  der  Analogie 
der  kleinrussischen  Aussprache  als  kurzes  0) :  Azo  slovom  sim  molju 
sja  Bogu. 

V.  2.  D^:  Bf,  D2  Bh^i,  B  und  S:  Bf,  Sb  und  Sp:  BoJKf ;  D^ :  BCfa, 
D2:  ßC«A,  B  und  S:  ßcfia,  Sb:  BkCf/fv,  Sp:  Bkcci^;  Di:  TRapi,  S: 
TBapHH;    B  und  Sb  und  Sp:   h  3HJKAHTfAK>;  D, ,  D2,  F:  3h>kh- 

TIAW  ohne  h.  Aus  diesen  Varianten  ergibt  sich  der  Text  dieses  Verses 
in  lat.  Umschrift:  Boze,  vseja  tvari  zizditelju. 

V.  3.  Di:  BH^Hiuiaa  h  H(BH;i,HMaa,  D2:  Bh;v,hmiüa  h  hjbh- 
;i,HMy<ft,  B,  S  und  beide  Sob.:  Bhahmkihmii   h  hebhahmkihm'K. 

Die  Konstruktion  im  Zusammenhang  mit  dem  vorhergehenden  Verse  er- 
fordert oflfenbar  einen  Genitiv  sing,  fem.,  wie  es  die  Varianten  D  und  F 
haben,  also:  Vidimyja  i  nevidimyja. 

V.  4.  Dl,  S,  B:  Pa,  D2:  Fha,  Sb  und  Sp:  TocnoAa;  Di:  jkh- 
Boyiparc»,  D2  iKHBSijjaro,  B  und  S:  ^KHEO^iliaaro,  Sb  und  Sp:  :kh- 

B;^L|jaro,  F:  H^HB/^iparo.  Das  erste  Wort  dieses  Verses,  mag  es  klingen 
Focno^a  oder  rocnO;l,H/Ä,  bietet  eine  Schwierigkeit  für  die  Reinheit  des 
Metrums,  weil  der  Vers  dadurch  um  eine  Silbe  länger  wird.  Diese  Schwierig- 
keit weiß  ich  nicht  zu  beseitigen;  das  kleinrussische  Focn^a,  wie  es  in 
der  Eile  ausgesprochen  wird,  würde  sie  heben  oder  fast  unhörbar  machen. 
Das  letzte  Wort  des  Verses,  trotzdem  es  in  allen  früheren  Varianten  >  jkh- 
B\'ijJaro«  klingt,  scheint  mir  in  meinem  Texte  eine  bessere  Form  er- 
halten zu  haben,  da  JKHB\'i|iiH  nur  lebendig,  :KHB/ftqjHH  dagegen  leben- 
spendend, belebend  bedeutet.  Und  so  nehme  ich  für  diesen  Vers  folgen- 
den Klang  an:  Gospda  ducha  posli  zyvjastago. 

V.  5.  Dl,  Do:  B,\,ctYHtT'K,  B,  S:  BTiAT^Y"f'ri^,  Sb,  Sp:  bt^at^Y" 

HfTTi;    Di:  MH  BCp^K^lHf,  ^2'  ß  Cp,\lJ^H  MOfMT».,   B  und  S:    BTi    cpk- 

Ji,h.u,(  MH,  Sb  ebenso,  Sp:  k'K  cp'K^\kU,f.  Aus  der  Zusammenstellung 
dieser  Varianten  ziehe  ich  den  Schluß,  daß  B'K^'kX'Hn'b  dreisilbig, 
cpd^ku^c  aber  nur  zweisilbig  gelesen  werden  müssen,  so  daß  der  Vers 
in  lateinischer  Umschrift  lauten  wird:  Da  vodochnet'  v  serdce  moje  slovo. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  165 

V.  6.  Dj:  BOVAfT'K,  D2:  KÖAtT'k;  B,  S:  BOY^CTk,  Sb,  Sp: 
k;»rA*t"'^;  Di:  Ha  Scnf^  ßctY»  ^2-  oycntYii  bcSm'k,  B,  S:  oYcn-kyii 
KbCivM'K,  Sb,  Sp:  \'cn'KY"^?  F:  cyctU^t»-  Diese  letzte  Variante, 
obwohl  vereinzelt,  ist  bemerkenswert  durch  eine  Vorhersage  der  Popu- 
larität des  Gedichtes ;  wegen  ihrer  Vereinzelung  lasse  ich  sie  doch  bei- 
seite bei  der  Rekonstruktion  des  Textes.  Da  aber  der  überlieferte  Text 
in  allen  Varianten  für  den  Versbau  um  zwei  Silben  zu  kurz  ist,  so  scheint 
es  mir  nicht  unangemessen  zu  sein,  am  Schlüsse  des  Verses  noch  das 
fehlende  Hauptwort  AK»/k,fli;n%  hinzuzufügen.  So  erhalten  wir  den  Text 
dieses  Verses:  Jeze  budet'  na  uspech  vsem  Ijudem. 

V.  7.  Dl :  /Khbovujh,  Dj:  iKHBSiiiHyK,  B,  S:  /KhboyuJHHM'k, 
Sb,  Sp:  /KHB;RijJHmui'K;  Dj:  B3dnoBfA*Y  th,  D2:  b  sanoBt/i.fY'k 
TBOHyT»,  alle  übrigen:  kt^  sanoB'k^kY'k  th.  Das  Metrum  dieses 
Verses  erfordert,  daß  das  B'K  in  der  zweiten  Hälfte  als  eine  besondere 
Silbe  gelesen  werde,  und  so  erhalten  wir  den  Wortlaut:  Zivustiim  vo 
zapovedech  ti  (oder  Zivustiim  v  zapovedech  tvoich). 

V.  8.  Di:  s.  BO  i  CB'kTHAHiK,  Do:  S'feAO  BO  c^Tb.  ovcn-biiJHH 

KTk,  B,  S,  Sob.:  lecTT»,  ck'KthakhhK'K.  Hier  scheint  mir  der  ein- 
zige Text  Do  die  richtige  Lesart  aufbewahrt  zu  haben ,  und  so  rekon- 
struiere ich  diesen  Vers:  Zelo  bo  sut'  uspesni  ko  zizni. 

V.  9.  Dl!  3aK0H  TßOH  CEfTTk  CTfSAM'K,  Do  vac,  B,  S:  3a- 

KOHTk  TECH  H  CB'feT'K  CrkSaiUlTk  ;  Sob.:  CTkS/ÄM'K,  F:  CTfS/ftMTk 
MOHM'k.  Die  letzte  Variante  vervollständigt  diesen  Vers  sehr  natürlich, 
während  die  Lesart  aller  Varianten  in  Verbindung  mit  dem  vorher- 
gehenden Verse  statt  des  sing.  SaKOHT*  ein  plural  3aK0HH  fordert. 
Der  so  rekonstruierte  Vers  lautet:  zakoni  tvoi  svet  stezjam  mojim.  Die 
einzige  Anomalie  dieses  Verses  bildet  die  Zäsur  nach  der  fünften  und 
nicht  nach  der  vierten  Silbe.  Verse  mit  solcher  Zäsur  haben  wir  aber 
auch  in  der  Volkspoesie,  vergleiche  das  ruthenische  Volkslied: 

Oh  BHÖnpajia,  nepeönpajia, 
HeMa  TaKoro  hk  h  ro  Maaa, 

Mit  diesem  Verse  schließt  meines  Erachtens  die  allgemeine  Einleitung 
des  Gedichtes,  in  welcher  sich  der  Dichter  an  Gott  wendet  und  ihn  um 
Beistand  bittet  für  ein  großes  und  folgenschweres  Werk,  welches  für 
viele  Menschen  heilbringend  sein  soll.    Was  weiter  folgt,  ist  die  Charak- 


166  I-  Franko, 

teristik  des  slawischen  Volkes,  welches  sich  aus  der  Finsternis ,  in  der  es 
bisher  gelebt  hatte,  dem  belebenden  Worte  und  der  Taufe  zudrängt. 

V.  10.  D:  HHJfT'k,  B,  S:  HiptTk,  Sob.:  HHJer^k;  F.  CAOBtcd. 
Dieser  Vers  bietet  keine  Schwierigkeiten  dar,  da  die  letzte  Variante 
offenbar  ein  Mißverständnis  ist;  er  lautet  also:  Ize  istet'  jevangelska 
slova. 

V.  11.  D],  Sb,  Sp:  npocHTTk,  B,  S:  npocHTk,  Dj  vac.  Dieser 
Vers  bietet  auch  keine  Schwierigkeiten  (bis  auf  die  Zäsur)  und  lautet;  I 
prosit'  dary  tvoja  prijati. 

V.  12.  Von  diesem  Verse  hat  Dj  nur  die  Worte:  CAOßfHCKoe  RAf- 
MA,  D2  dagegen:  1  A'kTk  th  ko  hh'K,  GAOKfHkCKO  UAtfA/fi  und  die 
Variante  aus  einer  anderen  Handschrift:  I  AliTHTlv  KO  CHf  Gaa- 
BEHkCKO  RAtM/Ä,  B,  S:  AtTHTh  BO  HKIH'b  H  GAOß'tHkCKO  RAf- 
MA,  Sb,  Sp:  AeTHT'K.  Der  Vers  bietet  einige  Schwierigkeiten.  Die 
alphabetische  Ordnung  der  Anfangsworte  fordert  hier  den  Buchstaben  I, 
also  ist  das  Wort  AfTHTk,  welches  die  älteren  Texte  haben,  hier  unzu- 
lässig. Außerdem  ist  der  Vers  für  den  normalen  Bau  der  Zeilen  zu  lang, 
da  er  um  eine  Silbe  zu  viel  und  einen  anderen,  nämlich  den  jambischen 
Rhythmus  hat.    Aus  der  Verlegenheit  hilft  uns  hier  D2,  wo  wir  statt 

HUHt:  ein  kürzeres  Wort  AH^"»)  wenn  auch  in'tümlich  geschrieben  CH«, 
sowie  das  Bindewort  I  am  Anfang  des  Verses  finden.  Der  so  rekonstru- 
ierte Vers  dürfte  nun  lauten:  I  letit'  bo  dnes  Slovensko  plemja  (oder:  I 
letit'  nyne  Slovensko  plemja). 

V.  13.    Dj:  Ko    KPL|J£H'|K>  KO  WKpaTHlUd  CA  BCH,   Do:  Kt».  B03- 

hecehIk*    OBpdTHUJd    C/A    BCH,    in  einer   anderen  Handschrift:   Ktv 

KpjljJfHiK»,  B:  K'K  Kpiil|JfHHK>  OBpaTHUJA  C/Ä  BkCH,  S:  Kls.  Kß(- 
LpEHHK),     Sb:    Klk    KpkllJfHHW     OBpdTHllJ/Ä     CA,     F:    KpL|J(HIKi     BO. 

Dieser  Vers  bietet  auch  insofern  eine  Schwierigkeit,  als  er  auch  wenig- 
stens um  eine  Silbe  zu  lang  ist.  Die  Konjektur  KpcTOy  statt  KpEijJCHilO 
scheint  mir  diese  Schwierigkeit  aufzuheben,  um  dem  Verse  sogar  eine 
tiefere  und  allgemeinere  Bedeutung  zu  geben,  und  so  nehme  ich  für 
diesen  Vers  den  folgenden  Wortlaut  an:  Ko  krestu  bo  obratisa  sja  vsi 
(oder  ohne  Präposition:  kresten'ju  bo  obratisa  sja  vsi). 

V.  14.  D^:  AK»f  TBOH  HapcijJH  \*oijjf,  Do:  Aw^'^  tboh  ha- 
pCLjJHCk  X'<>TAi|Jt,  alle  übrigen  Texte:  awa»««  tboh   HApfqJH  CA 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.         167 

yOTAllJf.  Der  Vers  bietet  eine  bedeutende  Schwierigkeit  wegen  seiner 
Länge,  welche  in  den  ältesten  Varianten  zwölf  Silben  beträgt.  Die  ab- 
gekürzte Form  des  Textes  D2  »HapfiiJHCk«  scheint  mir  nicht  ursprüng- 
lich zu  sein.  Da  ich  keine  Möglichkeit  sehe  eine  Abkürzung  zu  bewerk- 
stelligen, so  lasse  ich  diesen  Vers  in  seiner  überlieferten  Form  stehen. 
Es  sei  noch  hinzugefügt,  daß  seine  Zäsur  ebenfalls  anormal  nach  der 
fünften  Silbe  ist,  und  der  zweite  Halbvers  eine  anormale  rhythmische 
Form  -  v^  I  -  ^  ^  I  -  ^  I  aufweist.  Man  könnte  etwa  lesen:  Ljud'je 
tvoji  naresti  s  hotjaste. 

V.  15.  Di:  ruiACTH  recta  x^mf  Eie,  D2:  Math  TßOfA  IiJKf 
npocATTk,  alle  übrigen  Texte:  Mhaocth  TßOiera,  B«,  npoc/ÄTK 
3'kAO.  Das  letzte  Wort  in  diesen  Texten  ist  offenbar  überzählig,  da  der 
Vers  ohne  dasselbe  voll  und  gut  gebaut  ist  und  einen  guten  Sinn  gibt. 
Die  Zäsur  ist  etwas  ungewöhnlich,  weil  sie  nicht  nach  der  vierten,  son- 
dern nach  der  dritten  Silbe  kommt.  Natürlich  entsteht  die  Frage,  ob 
das  überzählige  Wort  3'tAO  mit  dem  anormalen  Bau  dieser  zwei  Verse 
nicht  in  irgendeinem  Zusammenhange  steht.  Es  ist  zu  bemerken,  daß 
der  Text  Dj  auch  ein  anderes  Zeitwort,  und  zwar  im  Singular,  Y'^'iiifT'k 
statt  npocATK  aufweist.  Dieses  YOiytT^K  fordert  nun  im  vorher- 
gehenden Verse  ein  Hauptwort  auch  im  Singular,  also  z.  B.  AW;i,'k 
TßOH  statt  AK>;i,Hi€  TBOH.  Wenn  man  diese  Variante  und  auch  die 
Form  HapEijJHCk  gelten  lassen  wollte,  so  hätte  man  den  Vers  14  in  der 
Form:  AW^'k  tboh  HapcL^HCk  y^^t^^^lM^  3'kAO,  und  beide  Verse  in 
Lateinschrift:  Ljud  tvoj  narestis'  chotjaste  zelo,  Milosti  tvojeja  chostet' 
(oder  prosit')  Boze. 

Diese  sechs  Verse  bilden ,  wie  wir  sehen ,  einen  besonderen  Absatz 
des  Gebetes,  welcher  die  Charakteristik  des  slavischen  Stammes  in  seiner 
Bereitschaft  zur  Annahme  des  Christentums  enthält. 

V.  16.  Dl :  Ha  lUiH'fe  HH-k,  D2:  Ho,  alle  übrigen  Texte:  H'K 
mi'KH't;  D:  hh-K,  B,  S:  irhJH'k,  Sob.:  hmh'K;  D2:  npocrpaHHO, 
alle  übrigen:  npocTpaHO;  Di:  caobo  noA<iH>Kf,  D2.  A^»^(,  alle 
übrigen:  ^ajKAi^,  F:  no/l,a>Kii  caobo.  Der  Vers  bietet  nur  scheinbare 
Schwierigkeiten,  welche  durch  die  Verschiedenheit  des  Wortes  ji,A}Kßi,h, 
no;i,a>K^b,  ;i,an/K«  und  no;i,aH;Kf,  sowie  durch  die  Stellung  dieses 
Wortes  am  Ende  des  Verses  verursacht  werden.  Durch  die  Annahme 
der  einsilbigen  Form  und  ihre  Umstellung  auf  den  vorletzten  Platz  des 


168  I-  Franko, 

Verses,  wie  in  dem  Texte  F,  werden  diese  Schwierigkeiten  behoben  und 
wir  bekommen  diesen  Vers  in  der  wünschenswerten  Regelmäßigkeit:  No 
mne  nyne  prostrano  dazd'  slovo. 

V.  17.  Dl.-  CÜLit  H  CHt  H  CTfiui'K  A^K,  Dj :  Omj  h  Gut 
H  EcecTWH  J^uit,  B,  S:  Om«,  Gut  h  np'bcTkiH  j^int,  Sob,:  Oti».- 
Hf,  GkiHt  H  IIp'kCBATbdH  ^0\'UJ(.  Der  Vers  bietet  keine  Schwierig- 
keiten und  dürfte  im  Urtext  geklungen  haben:  Otce,  Syne  (vielleicht 
eher  Synu?)  i  pr^svjatyj  Düse. 

V.  18.  Di:  npoc/ftqjHM'K,  D2:  npoc/Äijjfiui\',  B,  S:  üpoC/ÄifiOY- 
cyMOV,  Sob.:  np0C/Äi|J\'\^M\-;  Dj:  (C,  D2:  nnnJd  o^,  Sob:  OTT».. 
Die  altertümliche  Form  des  Partizipiums:  npocAipoifOV'^^V;  welche 
die  drei  altrussischen  Texte  aufweisen,  erscheint  durch  den  Versbau  des 
Gedichtes  ausgeschlossen,  und  wird  füglich  der  später  üblichen  kirchen- 
slavischen  Form:  npoC/ÄHJfMOY  weichen  müssen.  So  bekommen  wir 
den  Wortlaut  dieses  Verses:  Prosjastemu  pomosti  et  tebe. 

V.  19.  Di:  Pvi^H,  D2:  P\fu,%  B,  S:  PcY^%  Sob.:  9;f.u,%  D: 
CBOH,  alle  übrigen:  KO  cboh;  Di:  BKicnpk  BOSAfK»,  D2:  B'KSA'Sk», 
B:  rop'k  b'ksa'^m»,  S:  bosa'^'O,  Sb:  ropt  b^ksa^»*,  Sp:  rop'fe 
BT^SAlvi*;  D:  npcHO,  alle  übrigen:  npHCHO,  F  fehlt  dieser  Vers.  Die 
Texte  D  haben  für  diesen  Vers  offenbar  einen  älteren,  ursprünglichen 
und  der  Versform  entsprechenden  Wortlaut  aufbewahrt,  als  die  älteren 
Abschriften,  und  so  lese  ich  diesen  Vers:  Ruce  svoji  vyspr'  vozdeju  pris- 
no  (oder  wenn  man  vyspr'  zweisilbig  liest:  vzdeju  prisno). 

V.  20.  Di:  CD  TtKf,  B,  S:  oy  TfKf,  Sob.:  \f  T(Kt,  F  fehlt.  Dieser 
Vers  bietet  eine  gewisse  Schwierigkeit,  da  er  in  der  allen  Varianten  ge- 
meinsamen Lesung  elf  Silben  aufweist.  Die  Schwierigkeit  könnte  viel- 
leicht dadurch  behoben  werden,  daß  man  in  dem  Verbum  npHiaTH  statt 
des  Infinitivs  Supinum  setzt:  npHraTT*.  So  bekäme  der  Vers,  auch  mit 
Ausschluß  des  älteren  aber  weniger  richtigen  o^  TfEf  statt  (ü  TfKf, 
folgenden  Wortlaut:  Silu  prijat  i  mudrost'  ot  tebe.  Freilich  darf  man 
nicht  übersehen,  daß  bei  der  Annahme  des  Supinums  statt  des  Akkusa- 
tivs der  Genitiv  stehen  sollte.  Darum  ist  es  vielleicht  doch  einfacher, 
beim  Infinitiv  zu  bleiben  und  die  Konjunktion  i  auszulassen,  d.  h.  die 
beiden  Akkusative  asyndetisch  zu  nehmen :  silu  prijati,  mudrost'  ot  tebe. 

V.  21.  D  und  F:  a^'CTCHhwm'K;  alle  übrigen:   a^^^'^*^""*^'^''*- 

Ob  die  Form  A^^TCHHOMTv  im  Dativ  pluralis  an  dieser  Stelle  richtiger 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  1 69 

ist,  als  die  der  zusammengesetzten  Deklination  AOCTOHHkiMi*,  wage 
ich  nicht  zu  entscheiden,  ziehe  aber  in  meiner  Rekonstruktion  die  von 
drei  Abschriften  überlieferte  Form ;  AOCTOHHKIMTsl  vor,  und  lese  diesen 
Vers  so:  Ty  bo  dajesi  dostojnym  silu.  Die  Zäsur  steht  nach  der  fünften 
Silbe. 

V.22.  Di,F:  o^nocTack,  D2,B,S:  ynocTack,  Sob.:  V^nocrack; 
Dj:  bcakSw  HL^'kAHiUH,  Do:  ßcw  i^'kAHLUH,  B,  S:  biiCAKO\'io,  Sb: 
bt^C/Ak;?;»^,.  Sp:  BkC/ÄK;^l7R.  Der  Vers  bietet  keine  Schwierigkeiten 
und  das  im  Anfangsworte  stehende  große  V  (izica)  verdient  entschieden 
den  Vorzug  vor  dem  in  anderen  Texten  überlieferten  \'  oder  0\',  da  es 
ja  dem  griechischen  Worte  VTtÖGtaaig  (Wesen,  Geschöpf)  angehört.  So 
lautet  denn  dieser  Vera  wie  folgt:  Ypostas  ze  vsjakuju  celisi. 

V.  23.  D:  OapaoH/Ä,  F:  C>apawH/Ä,  B,  S:  <I>apacuLia,  Sob.: 
<I>apaoiiiA;  D,  F:  saokw,  alle  übrigen:  a'KAOCki.  Der  Text  dieses 
Verses  lautet  also:  Faraonja  (oder  Faraosa)  mja  zloby  izbavi. 

V.  24.  Dj:  Y^P^V'^"'^"^^'^^'^?  Da:  XtpSEHMCKÖ,  F:  ^fp^BHiii- 
CK\f,  B,  S:  XfpoBkCKOY,  Sob.:  XfpORkCK;^;  D^ :  luii,  D2,  B,  S,  Sob., 
F:  mh;  D^:  ;i,aHJKf,  D2:  noAi>H>Kf,  alle  übrigen:  ;i,a/KA'*- 

Die  Form  »XfpoBkCKOY«,  welche  alle  drei  altrussischen  Texte  auf- 
weisen, beruht  offenbar  auf  einem  alten  Schreibversehen.  Die  vollstän- 
digste Form  des  D^  ist  die  richtigste,  und  so  lautet  denn  dieser  Vers: 
Cheruvimskuju  mi  mysl'  i  um  dazd'.  Die  Zäsur  in  diesem  Verse  ist  wie- 
der anormal  nach  der  fünften  Silbe,  wirkt  aber  bei  dem  Vortrag  des 
Verses  gar  nicht  störend. 

V.  25.  Di:  H  npcTaa,  Dji  h  BCfCTaA.  Die  altrussischen  Texte 
haben  hier  die  richtige  Lesung:  0  cestnaja,  presvjataja  Trojce. 

V.  26.  B:  n-RMaaii;  Sob.:  mckr;  D^  :  npf^'^'^HiH.  Diese  Vari- 
anten ausgenommen,  bieten  alle  Texte  eine  richtige  Lesung:  Pecal'  moju 
na  radost'  prelozi. 

V.  27.  D:  l^'KAOMyAPf"«^,  B,  S:  l^1i/\0M0\fAP»^"*5^  Sob.:  l^-k- 
AOM;^/i,piiHO;  D, :  a^  HanHy,  D^:  HaMH\',  B,  S:  A'*  HaMkHOV,  Sob.: 
Ad  HaMkH;^;  D^:  ncaTh,  Dj:  nncaTH,  B,  S,  Sob.:  nkcaTH,  F:  a<* 
fehlt,  HHcaTH.  Das  Metrum  des  Verses  verlangt,  daß  das  erste  Wort 
viersilbig  und  das  letzte  dreisilbig  ausgesprochen  werde ;  dies  entscheidet 
bei  der  Wahl  der  Varianten,  und  so  wird  dieser  Vers  lauten :  Celomudrno 
da  nacnu  pisati. 


170  1-  Franko, 

V.  28.   Di:  HK>/i,ca  TßOd,    D2:  Hio^jca  tboh,    B,  S:  TKora, 
Sob.:  tboa;   Di:  npE/k^HBHaa  3fA0,   Dj:  npi^HBHaA,  B,  S:  np'k- 

/k^HBkHara  3'tAO,  Sob.:  np'KA"ß'^n^'^  SliAO.  Das  Metrum  des  Ver- 
ses verlangt,  daß  das  vorletzte  Wort  dreisilbig  ausgesprochen  werde, 
und  so  wird  der  Vers  lauten:  Cjudesa  tvoja  predivna  zelo.  Die  Zäsur  in 
diesem  Verse  fällt  auch  nach  der  fünften  Silbe. 

V.  29.  D^:  mfCTOKpwAaTiüY,  D2:  IJJfCTOKphJA'K,  B,  S:  llIfCTik- 

KpHAaTTi,  Sob.:  llIfCTOKpHAaTh.iYT^;  D^:  npiMyk,  D2:  B'KcnpiHM'k, 

alle  übrigen:  B'KcnpHMM'K.  Das  Metrum  des  Verses  verlangt,  daß  das 
erste  Wort  viersilbig  und  nicht  fünfsilbig  ausgesprochen  werde,  also 
bleibt  die  alte  substantivale  Form  uifCTOKpHAaT'k.  Als  das  vorletzte 
Wort  dieses  Verses  muß  nach  Analogie  des  Verses  27  die  Partikel  /i,a 
eingesetzt  werden ,  da  dieser  Vers  offenbar  eine  poetische  Parallele  zu 
jenem  bildet.  Und  so  wird  dieser  Vers  lauten :  Sestokrylat  silu  da  vos- 
priim  (oder  ohne  da :  Sestokrylatych  silu  vospriim). 

V.  30.   D^:  ciu£Ctb8k5   nccAfA*2»V  o^hta/A  Motro,    D2:  IUk- 

TBie  TBOpA  nCCA^'H^H  ÖMHTfAK»,  B,  S:  llIkCTBOyK»  HKIH'K  HO 
CA'kA^V  O^HMTfAM»,  F:  CklUeCTB^^K»  no  CA'k/l,\*  OVHTA/ft  luiofro, 
Sob.:  UlkCTBoytÄ  .  . .  yMHTf AK».  Dieser  Vers,  zusammen  mit  dem  fol- 
genden, vielleicht  der  wichtigste  in  dem  ganzen  Gedichte,  weil  er  bisher  als 
entscheidend  bei  der  Bestimmung  des  Verfassers  betrachtet  wurde,  bietet 
sowohl  in  Hinsicht  auf  seinen  anormalen  Bau,  als  auch  in  Hinsicht  auf 
die  Varianten  besondere  Schwierigkeiten,  ein  Zeichen,  daß  schon  in  alten 
Zeiten  manches  an  ihm  gebessert  oder  verdorben  wurde.  Die  traditio- 
nelle Lesung  der  altrussischen  Texte  (B,  S,  Sob.)  bietet  hier  einen  Dualis 
»OY^HTtAW«,  also  zwei  Lehrer,  deren  Namen  und  Werke  der  Verfasser 
des  Gedichtes  nachfolgen  will.  Dies  war  der  Grund,  warum  die  älteren 
Slavisten,  von  Safarik  angefangen  (Das  Aufblühen  des  slavischen 
Schrifttums  S.  20)  dieses  Gebet  einem  Schüler  des  Konstantin  und  Method, 
Konstantin  dem  Bulgaren  zuschrieben.  Schon  Bodjanskij  hat  dagegen 
bemerkt^),  daß  diese  Stelle  eine  logische  Kontradiktion  enthält,  da  ja 
ein  Mann  wohl  Schüler  von  zwei  Lehrern  sein  kann,  der  beiden  Namen 
aber  nicht  nachfolgen  kann.  In  der  ältesten  bekannten  Liste  der  Schüler 


^)    0.    EoÄHHCKiä,      0    BpCMeHH    npOHCXO^ÄCHlH    CJaBHHCKHIT.    EUCBMeHT. 

S.  LXI. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  171 

des  Konstantin  wird  ein  Konstantin  nicht  genannt.  Konstantin  der  Bul- 
gare selbst  in  seiner  Übersetzung  des  OßaHrtAi«  yMMTeAkHOe  nennt 
nur  Methodius  als  seinen  Lehrer  (CoöojeBCKiä,  MaTepia.«,!  h  mcÄi- 
ÄOBanifl  S.  128).  Die  beiden  Varianten  D  sowie  die  Lektion  F  haben  in 
diesen  Versen  einen  Singularis ,  wie  es  Bodjanskij  postuliert  hat.  Der 
Text  des  Sreznevskij  hat  in  dem  folgenden  Vers,  inkongruent  mit  dem 
vorhergehenden  Dualis  oy^HTfAio  den  Singularis:  HlUlfHH  I6ro,  wäh- 
rend B  und  Sob. :  I6m»  haben.  Das  Wortmaterial,  welches  diese  zwei 
Verse  in  den  bekannten  Varianten  aufweisen,  erlaubt  es  vielleicht  aus 
den  zwei  Versen  drei  zu  rekonstruieren.  Aus  den  Worten  des  D2,  zu- 
sammengestellt mit  dem,  was  die  anderen  Varianten  enthalten,  wäre  der 
Vers  30  also  zu  gestalten:  lllfCTBHie  TBopA  nc»CA\'JK\-  HUH-ß. 
Vers  31  würde  dann  mit  einem  8  beginnen  und  also  lauten:  J^mht«aw 
MOI€MOY    110    CA'RA'^'V- 

V.  32.   D:  ero,  B:  i€K> ,  S:  i€ro,    Sob.:  lew;   D^:  nocAfA^V^» 

D2:  nocAtA^'«^,  B,  S:  nocA-feA^V^j  Sob.:  nocAtAV'^-  ^^^^  ^^^ 
oben  Gesagten  würde  dieser  Vers  lauten:  Imeni  jego  i  delu  posleduja. 
Er  wäre  also  anormal,  da  er  zwölf  Silben  enthält  und  die  Zäsur  nach 
der  fünften  Silbe  hat.  Doch  läßt  sich  diese  Schwierigkeit  durch  ein 
ziemlich  einfaches  Mittel  beseitigen,  indem  man  das  strittige  Wort  I€l0 
oder  lero  entfernt,  wodurch  der  Sinn  des  Textes  nicht  nur  nichts  leidet, 
sondern  im  Gegenteil  klarer  und  ausdrucksvoller  wird.  Diese  Rekon- 
struktion bringt  mich  auf  den  Gedanken ,  daß  die  letzten  Worte  des  vor- 
hergehenden und  das  letzte  Wort  dieses  Verses  ei^entli^^h  eine  Tauto- 
logie enthalten,  von  welcher  der  Urtext  vielleicht  frei  war.  Der  Ge- 
danke liegt  sehr  nahe,  daß  in  dem  vorhergehenden  Verse  am  Schluß 
statt  der  Worte  no  ca'Ra^Y  ursprünglich  der  Name  jenes  Lehrers  ge- 
standen hat,  welcher  dreisilbig  gewesen  sein  muß,  also  weder  Konstantin 
noch  Methodius  gelautet  haben  kann.  Am  wenigsten  kann  er  KvpHAAA 
gelautet  haben,  —  was  rhythmisch  zulässig  wäre  — ,  da  ja  Konstantin 
diesen  Namen  nur  50  Tage  vor  seinem  Tode  getragen  hat.  Das  Nächst- 
liegende und  Natürlichste  ist  hier,  den  Namen  Hico^Cd  oder  XpHCTOCd 
zu  setzen ,  was  sowohl  dem  Sinn  und  der  Tendenz,  als  auch  der  poeti- 
schen Form  des  Gedichtes  am  besten  entsprechen  würde,  weil  ja  Kon- 
stantin als  Christ  und  Lehrer  sowohl  dem  Namen,  als  auch  dem  Werke 
des  Christus  nachgefolgt  ist. 

V.  33.  Dj!  fvrACKOE,  D2:  GrdHrfAi^cKO«,  B,  S:  fßdHrfAkCKC», 


172  I-  Franko, 

Sob. :  EßaHrcAkCKO.  Der  Vers  bietet  keine  Schwierigkeiten,  da  die  ad- 
jektivalen  Formen  der  beiden  Texte  D  aus  metrischen  Gründen  den 
älteren  substantivalen  in  dem  Worte  eKaHrf/\kCKC»  weichen  müssen;  und 
so  lautet  dieser  Vers :  Jave  stvorju  jevangelsko  slovo. 

V.  34 — 35.  Dj:  YKaA\f  ß03A<»'^,  Di"  H  yBaaS  ß'k3A<»K',  B: 
XßaAoy  B'KSA'ira,  S:  XBaay,  Sb:  XBaa;^  BivSAa/Ä,  Sp:  Xßaa;^ 
Ei».3ji,&a;  Di:  npcT'RH  rpoHi^H,  D2:  TpoHi;H  B'K  Bh^ctb'S,  B,  S: 
Tp^H  B'K  KJKfckCTß-R,  Sob. :  TpOHU,H  BTv  BOJKkCTBli.  Dieser  Vcrs 
ist  wieder  überzählig  an  Worten  und  Silben,  wenn  er  aber  mit  D^  zu- 
sammengestellt wird,  wo  nach  dem  Worte  TpOHmi  noch  zwei  Worte: 
BO  f^HHOMT»,  folgen,  welche  dogmatisch  sehr  wichtig  sind  und  in  dem 
Urtexte  des  Gebetes  gewiß  nicht  fehlen  durften,  so  bekommen  wir  mit 
einer  kleinen  Ergänzung,  welche  jedem  mit  dem  kirchenslavischen  Stil 
Vertrauten  selbstverständlich  erscheinen  wird,  zwei  Verse  mit  folgendem 
Wortlaut:  Chvalu  vozdaja  presvjatej  Trojci  Vo  jedinom  bozestve  sla- 
vimej. 

V.  36.  Dj:  K»>Kf,  D2:  Mh;«,  B,  S:  K)>Kf,  Sob.:  K^M^e;  Dj:  kca- 

Ka     B03AP<*CTk,    D2:     BCAKT».     BT^SpaCTT»,,    B,    S:     BkCiaKklH     BT^a- 

ApacTTk,  Sob.:  BkC/AKbJH  B'k3AP^»CT'k.  Dieser  Vers  in  allen  Vari- 
anten ist  um  zwei  Silben  zu  kurz,  wahrscheinlich  darum,  daß  am  Ende 
durch  irgend  ein  Versehen  das  Wort  HTUHt:  weggelassen  wurde.  Von 
den  beiden  Formen  des  Wortes  B'k3AP«*CT'K  und  B'ka^l.paCTk  ziehe 
ich  die  zweite,  vielleicht  ursprünglichere,  jedenfalls  seltenere  Form  vor, 
und  so  lautet  dieser  Vers  in  meiner  Rekonstruktion:  Juze  pojet'  vsjaka 
vozdrast'  nyne. 

V.  37.     D2:    [OhTi    H    CTapTi    CBOHMHhk    paSÖMCMTi,     D^ :    CTBO- 

HMTk,  F:  o^fHT».  CT».  TKOHMTv,  alle  übrigen  Texte:  CBOHluik  pa3C»\f- 
MOMk.  Dieser  Vers  bietet  insofern  eine  Schwierigkeit,  daß  alle  Vari- 
anten einen  zu  kurzen,  nur  achtsilbigen  Vers  darbieten.  Die  hand- 
schriftliche Tradition  weist  einige  Unsicherheiten  auf,  welche  beweisen, 
daß  der  Text  im  Laufe  der  Zeit  nicht  intakt  geblieben  ist.  Dies  erlaubt 
uns,  eine  ziemlich  einfache  Remedur  an  dem  Verse  vorzunehmen,  welche 
ohne  Beifügung  eines  neuen  Wortes  den  rhythmischen  Bau  des  Verses 
vollständig  herzustellen  erlaubt.  Diese  Remedur  besteht  darin,  daß  wir 
statt  der  Einzahl  die  Mehrzahl  der  Hauptwörter  annehmen,  wodurch  wir 
die  Form  erhalten :  Juni,  stari  razumy  svojimi. 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  173 

V.  38.  Dl  und  F:  Das  Schlußwort  npHCHO  vac,  Dj:  npCHO;  B, 
S:  MsTJK'k,  Sob.:  AsKlKTk.  Der  Vers  bietet  keine  Schwierigkeiten 
und  lautet:  Jazyk  nov,  chvalu  vozdaja  prisno,  wobei  die  Zäsur  lieber 
nach  der  dritten,  als  nach  der  fünften  Silbe  zu  setzen  ist. 

V.  39.     Di:  WUKJ   H    CH\f   H    CTM\-  A)C^>    ^2'   ^U^    "   G"^   " 

Bc«ctm8  AV^»  B)  S:  Oiiov,  Ghov  h  np-kcrovoVMOV  AV^V» 
Sob.:    Orknw,    Guhov    h    Ilp-kcß/ÄTVMV    AVXV-      ^^^    ^®" 

lautet,  den  einfachsten  Varianten  folgend:  Otcu,  Synu  i  svjatomu 
Duchu. 

V.  40.    Dl  und  F:  tfJiy  MCTk  H  C^ARA,  D2:  fMÖJKf  HfCTk  H  A«P- 

jKaRa  H  CAaea,  B,  S:  IBmov^kj  mkctk  h  aP"^^'»»^  "  cAdßa,  Sb: 
I6M\'/Kf  .  .  .  A>^P^<^B<*)  Sp. :  6M\-JKf  .  .  .  j!L,Q'K7KäE.A.  Die  natür- 
lichste Rekonstruktion  auf  Grund  dieser  Varianten  wird  lauten:  Jemu  ze 
cest',  slava  i  derzava. 

V.  41.  Dl :  (C  Bcera  TBapH  h  a»^Y'*"'<*)  ^2:  kcia  .  .  .  A^^V^" 
Hira,  B,  S:  Ot'k  Kcta  TßapH  h  a^^V^^hh^,  Sb:  ßkCfA  .  .  .  A'^Y'*" 
HH/Ä,  Sp:  ßiicciifv.  Der  Vers  bietet  weiter  keine  Schwierigkeiten  und 
lautet:  Ot  vseja  tvari  i  dychanija,  wobei  die  Zäsur  nach  der  fünften 
Silbe  denselben  in  zwei  gleiche  Hälften  teilt. 

V.  42.   Di:  ß  HcnpEep^AHMkira   ß'S'^  aiuiH,   D2:  ßi».   ßCA  ßl:- 

Klü  H  Ha  ß'KKlü.    HMHHb,    B:  Rl».  ßC/fi  ß'kKU  H    Ha    ß'KKKi,    aMHH'k, 

S:  BCA    ß-kKiJ    H   Ha  ß'feK'ki.   aMMHii,    Sob. :  ßKCA,   F:  H    Hfnpt- 

BpEA<^Miüa  ß'bKU  aiuiHHk.  Dieser  letzte  Vers  liegt  uns  in  zwei  Vari- 
anten vor,  welche  beide  den  Erfordernissen  der  metrischen  Form  ent- 
sprechen. Bei  meiner  Rekonstruktion  ziehe  ich  den  Wortlaut  des  Dj  vor, 
welcher  durch  F  unterstützt  wird,  und  zwar  wegen  des  seltenen  und  von 
dem  Verfasser  des  Gedichtes  wahrscheinlich  nach  dem  Muster  des  Grie- 
chischen konstruierten  Wortes  Htnp'bßpEAOMMH,  welches  wir  etwas 
später,  in  dem  altbulgarischen  Lobgedicht  auf  den  Zaren  Simeon  wieder- 
finden, wahrscheinlich  als  eine  gelegentliche  Anleihe.  In  dieser  Variante 
würde  dieser  Schlußvers  lauten :  V  neprebredomyja  veky,  amin ;  in  der 
von  anderen  Handschriften  überlieferten  Form  lautet  er:  Vo  vsja  veky  i 
na  veky,  amin  —  eine  zwar  regelrecht  gebaute,  aber  doch  mit  einer 
Tautologie  behaftete  Form. 


174  I-  Franko, 

Auf  Grund  dieser  Analyse  lasse  ich  nun  den  Text  des  Gebetes  in 
der  von  mir  rekonstruierten  Form  in  lateinischer  Schrift  folgen  ^). 

Azo  slovom  sim  molja  s^  Bogu: 
»Boze,  vseje  tvari  zizditelju 
Vidimyj^  i  nevidimyj^, 
Gosp'da  Ducha  posli  ziv^stago, 
Da  vodochnet'  v  serdce  moje  slovo, 
Jeze  badet'  na  uspech  vsem  Ijudem 
Zivastiim  vo  zapovedech  ti. 
Zelo  bo  sat'  uspesni  ko  zizni 
Zakoni  tvoji,  svet  stezjam  mojim. 

Ize  istet'  jevangelska  slova 

I  prosit'  dary  tvoje  prijeti, 

I  letit'  bo  dnes',  slovensko  plemf, 

Ko  krestu  (oder  kresten'ju)  bo  obratis^  s^  vsi, 

Ljud  tvoj  narestis'  choteste  zelo, 

Milosti  tvojeje  prosit'  Boze. 

No  mne  nyne  prostrano  dazd'  slovo, 
Otce,  Syne  i  presvetyj  Düse, 
Prosestumu  pomosti  ot  tebe, 
Ruce  svoji  vyspr'  vozdeja  prisno, 
Sila  prijfti,  mudrost'  ot  tebe. 
Ty  bo  dajesi  dostojnym  sila, 
Ypostas'  ze  vsjakaja  celisi. 

Faraonj^  me  zloby  izbavi, 
Cheruvimskaja  mi  mysl'  i  um  dazd', 
0  cestnaja,  presvetaja  Trojce! 
Pecal'  moja  na  radost'  prelozi, 
Sestokrilat  sila  da  vospriim, 
Sestvije  tvorj^  posluza  nyne 
Ucitelju  mojemu  Christosu, 
Imeni  i  delu  posleduje. 

Jave  stvorja  jevangel'sko  slovo, 
Chvala  vozdaje  presv^tej  Trpjci 


^)  Die  Anwendung  der  Nasalzeichen  rührt  von  mir  her.  V.  X 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  175 

Vo  jedinom  bozestve  slavimej, 
Jf^ze  pojet'  vsjaka  vozdrast'  nyne, 
Juni  stari  razumy  svojimi, 
Jezyk  nov,  chvala  vozdaje  prisno 
Otcu,  Synu  i  sv^tomu  Duchu, 
Jemuze  cest',  slava  i  derzava 
Ot  vseje  tvari  i  dychanija 
V  neprebredomyj^  veky,  amin'. « 

Ich  werde  vielleicht  nicht  überflüssige  Arbeit  leisten,  wenn  ich 
für  ein  mit  der  kirchenslavischen  Sprache  weniger  vertrautes  Publikum 
dieser  meiner  Rekonstruktion  des  ältesten  slavischen  Gedichtes  eine 
möglichst  getreue,  dem  Wortlaute  Vers  für  Vers  folgende  deutsche 
Übersetzung  anschließe. 

Ich  mit  diesem  Worte  bete  Gott  an : 
»Gott,  Erzeuger  aller  Lebewesen, 
Der  sichtbaren  und  der  unsichtbaren, 
Schicke  den  Herrn  Geist,  den  Lebensspender, 
Daß  er  in  mein  Herz  ein  Wort  einhauche 
Welches  allen  Leuten  nützlich  sein  wird. 
Welche  leben  in  deinen  Geboten. 
Sehr  fruchtbringend  sind  ja  in  dem  Leben 
Deine  G'setze  —  Licht  für  meine  Pfade. 

Nach  dem  Wort  des  Evangeliums  suchend, 
Deine  Gaben  zu  empfangen  bittend, 
Flieget  heute  das  Volk  der  Slovenen ; 
Denn  zum  Kreuze  wendeten  sich  alle 
Und  begehrend  sich  dein  Volk  zu  nennen, 
Von  dir,  Gott,  erbtiten  deine  Gnade. 

Mir  gib  aber  heut  ein  Wort,  ein  starkes, 
Gott,  0  Vater,  Sohn  und  Geist  allheil'ger. 
Welcher  Hilfe  sich  von  dir  erbittet. 
Meine  Hände  heb'  empor  ich  immer, 
Kraft  und  Weisheit  von  dir  zu  empfangen ; 
Denn  du  kannst  dem  Würd'gen  Kraft  verleihen, 
Jeglichem  Geschöpf  Genesen  geben. 


176  I-  Franko, 

Rette  mich  vom  Zorne  des  Pharao, 
Gib  mir  Sinn  und  Wissen  der  Cherubim, 
0  ehrwürd'ge  und  allheil'ge  Dreiheit! 
Meinen  Kummer  wandle  du  in  Freude, 
Daß  ich  herzensrein  heb'  an  zu  schreiben 
Deine  so  sehr  wunderbaren  Werke. 

Der  Sechsflügeligen  Kraft  empfangend 
Möcht'  ich  mich  aufmachen,  heut'  zu  dienen 
Meinem  Lehrer,  dem  Herrn  Jesus  Christus, 
Seinem  Namen  und  dem  Werke  folgend, 
Kund  zu  tun  das  Wort  des  Evangeliums, 
Lob  zu  spenden  der  allheil'gen  Dreiheit, 
Die  in  einer  Gottheit  wir  verehren, 
Welche  heut'  besinget  jedes  Alter, 
Jung  und  alt  nach  jeglichem  Verständnis, 
Neues  Volk,  Lob  spendend  immerdar  dem 
Vater,  Sohne  und  dem  heil'gen  Geiste, 
Welchem  Ruhm  gehört,  Gewalt  und  Ehre 
Von  alldem,  was  Leben  hat  und  Odem 
In  unabgehbare  Zeiten.    Amen. 

Daß  der  Verfasser  unseres  Gebetes  nicht  Konstantin,  der  Bruder 
des  Method,  sondern  Konstantin  der  Bulgare  gewesen  ist,  mutmaßte 
schon  Safarik  (Aufblühen  des  slavischen  Schrifttums  S.  20),  welchem 
auch  bekannt  war,  daß  dieser  Konstantin  zur  Zeit  des  bulgarischen 
Zaren  Simeon  Bischof  in  üpicJiaBa,  der  Hauptstadt  des  bulgarischen 
Reiches  war  und  um  das  Jahr  906  auf  Wunsch  des  Zaren  Simeon  eine 
polemische  Schrift  des  Athanasios  von  Alexandrien  gegen  die  Arianer 
aus  dem  Griechischen  übersetzte  (Bodjanskij  op.  cit.  S.  LX).  Prof.  Sobo- 
levskij  widmet  der  literarischen  Wirksamkeit  dieses  Konstantin  einen 
kleinen  Exkurs  u.  d.  T. :  »F^'i  acHJii.  KoHCTaiiTuii'L  BojirapcKin?  (Ma- 
Tepiajiti  H  H3CJiiA0Banifl  S.  127 — 9),  in  welchem  er  zu  begründen  sucht, 
Konstantin  habe  in  Solun  oder  in  der  Nähe  von  Solun  gewohnt.  Von 
seinen  literarischen  Arbeiten  spricht  er  etwas  ausführlicher  nur  von 
seinem  »Lehrhaften  Evangelium«,  welches  um  das  Jahr  894  aus  dem 
Griechischen  übersetzt  wurde,  als  Konstantin  noch  Presbyter  war.  Diese 
Übersetzung,  nach  den  Worten  eines  russischen  Forschers,  des  Metro- 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  177 

politen  Antonins  ^!.  »zeichnet  sich  dmxh  Ivlarheit.  Einfachheit.  Allgemein- 
verständiichkeit  aus«. 

Hatte  das  lehrhafte  EvaDgelinm  des  Konstantin  des  Bulgaren  eine 
Vorrede?  Prof.  Sobolevskij  wirft  diese  Frage  gar  nicht  auf.  da  es  ihm 
genügt,  das  versifizierte  Gebet  des  Konstantin  eben  als  die  VoiTede  zu 
dieser  Übersetzung  zu  betrachten.  Nach  meiner  Meinung  ist  es  ganz 
statthaft  diese  Frage  aufzuwerfen,  obwohl  die  auf  uns  gekommenen  Ab- 
schriften dieses  Werkes,  welches,  soviel  mir  bekannt,  bisher  noch  nicht 
veröflfentlicbt  wurde  Prof.  Sobolevskij  spricht  op.  cit.  S.  127  von  einer 
altrussischen  Handschrift  aus  dem  XH. — Xlll.  und  zwei  altserbischen 
aus  dem  XIII. — XIY.  Jahrh.  .  wie  es  scheint,  keine  Vorrede  besitzen. 
I.  I.  Sreznevskij  hat  in  seinem  Werke  >  JpeBffie  naM^TraincH  pyecKaro 
iiHCBMa  n  asLiKa«  1S63  S.  ly  1 — 2  imAnschluE  an  das  versifizierte  Gebet 
des  Konstantin  aus  derselben  alten  Handschrift  noch  die  folgende  prosa- 
ische Vorrede  herausgegeben,  welche  nicht  nur  durch  ihre  Form,  sondern 
auch  durch  ihren  Ton.  Charakter  und  Inhalt  von  dem  Gebete  gnindver- 
schieden  ist.    Hier  ihr  Text : 

ßKOIKf     piM£     fTfpTh,    Hs>C.\C«BkLI,K    TpHrOpiv.    H     >  Rk    SaKCH-fe    FhH 

noc>v;H.\Tn  cns  ,\Hh  H  HoijjKc.  raKo;Kf  pfHf  npcpoK-K.  H  jp.\3- 
BUA'^  pf'^f:   'IJf  ncTan\"K  mh.\c>ctm  tbck^m  hm  ncTHMki  tbo- 

Kr.ra  OTIv  C'li.KOp.\  M'h.HvMW.  H  ß-KSBl^llJC V  HM,-!S  TBOH;  Ep.\THH 
MCKr.H.    nCCpli^k    ;K£     LJ.pKBf     BT^CYBJ.MC    T.^<-. 

»OfrO    p.\AH     H     '^31»,    C>V*ü.\.\H:.HhJH    Kc«CTaHTf1  Hlk    KTi    B.\M't,. 

KparuH;   uc[j.    iV'nn    :k6    h    chckj,   M\\i    n    rpi^R-fe.    h-k    ycljjc>v; 

Ua.\0  B£C-K,A,v''K.\TH.  H  H(  3.\3k^MiTi  MTsHt;,  U'Ept;TahJ  EC>  H  U'Ck- 
.\J  B.».\aaU.\ra  HH-KTA-i  npCr.VJB'KLU.i  SAMtiCKl^Mtv  r.\.\C'KMh,.  H 
K.»M6H6      COV;\'.\      BO.VOV'      MCTC>MkLlL\      IKJI-KK^Lp  H  H  M  Tv.         BTi3Bf.\H- 

SHiija   KO  Cn>  A'^'Va  Fh.a  bk  bcIj^Tv.     rRyk    :Kf    h   cv'HHHk;K£- 


^]  M  H  T  p  0  n  0  j  H  n>  A  u  t  o  h  i  ä .  ll.^:s  nciopüi  xp  h  : :  i  :■.  ^ ; :-; ; :":  .-  ■: :  r. ; ;  5  ;  z.  II.^s. 
2-oe.   Caö.  1S95. 

AkWt  f&t  slarischd  Philglogie.    SXS.T,  12 


178  I-  Franko, 

HHi6    M0I6    O^B-^Ht^EHO  BMB'klllE  B'KphHhJHMM    {Tfpkl  MABKM  Ck- 

KasaHMiB  cTaaro  tEaHrAHra  np-kAOH^HTH  ott».  rpkMbCKa  msKiKa 

BT»,  CAOß'KHkCK'K,  0^6013^1^  '^i  CA  HA^ATH,  CTp^Kn-KTkNOlB 
CaOBECk  BH/l,'bB'k  KhllUl  tit^OC'\'lA'^HH\ä  11  CHAkI  rJIOI6»  CO^Lpr 
HTs.    naKKl    CTvMpkTH    3kpA    KO\'A<^VMJ'"^    ^'^    WCAC»\'UJaHHI€,    Ha- 

HaY'K  Hj  BkCEro  Morki  nanHcaTH,  ht».  c\'CTaBAi€Hara  Hf/i.'kAk- 
Hara  i€BaHrAHa  h,,  npocA  iiioahtbtvi  Y"^AWBhu,k  Bkck^'k  ha 
nocn-RuiEHHie,  j^a   cno^OBHTk   M/A   vubiiijjhh  Iitv  h  Fk  HaiiJk 

Ic\'    Xt».    A*2>    KC»HkU,a    CTs.BpkUJHTH    WB'&liJaHHie    BT».    CAaBC>\'    Ba 

(C'Ha,  cHa  H  nptcTro  aX^^-    ^^i^h"»»« 

Hier  die  deutsche  Übersetzung  dieses  Gebetes:  >Gut  ist  von  Gott 
anzufangen  und  mit  Gott  zu  enden  <• ,  wie  der  Gregorius  Theologos  sagte, 
und  »Im  Gesetze  des  Herrn  sich  unterrichten  Tag  und  Nacht«,  wie  der 
Prophet  sagte,  und  >  Die  Worte  des  Herrn  austeilen  an  bedürftige  Seelen«, 
wie  auch  David  sprach:  -»Deine  Gnade  und  deine  Wahrheit  hab'  ich 
nicht  verheimlicht  vor  der  großen  Menge,  und  deinen  Namen  werde  ich 
verkünden  meinen  Brüdern,  und  in  der  Mitte  des  Tempels  werde  ich 
dich  verherrlichen. « 

Deswegen  will  auch  ich,  demütiger  Konstantin  zu  euch,  meine  Brü- 
der, Väter  und  Söhne,  ein  Weniges,  wenn  auch  ungebildet,  reden.  Nehmet 
es  mir  nicht  für  ungut,  denn  ich  finde,  daß  auch  der  Esel  Balaams  einst 
mit  Menschen-Stimme  redete,  und  der  trockene  Stein  Wasser  ausließ  den 
Durstenden.  Denn  ruhmvoll  geworden  sind  die  Werke  des  Herrn  an  uns 
Allen.  Deshalb  wurde  auch  meine  Wenigkeit  durch  einige  gläubige 
Menschen  veranlaßt,  die  Erzählungen  des  heiligen  Evangeliums  aus  der 
griechischen  Sprache  in  die  slavische  zu  übersetzen.  Doch  ich  fürchtete 
anzufangen  [sehend],  daß  die  Schwierigkeiten  der  Sprache  mein  Wissen 
und  meine  Kräfte  überstiegen.  Andererseits  aber  den  künftigen  Tod 
sehend  für  den  Ungehorsam,  begann  ich,  da  ich  nicht  alles  aufschreiben 
konnte,  nur  die  vorgeschriebenen  50  Sonntags-Evangelien,  und  bitte  alle, 
welche  Christum  lieben,  für  mich  um  seine  Beihilfe  zu  beten,  damit  unser 
gemeinsamer  Gott  und  Herr,  Jesus  Christus  mir  vergönne  das  Ver- 
sprochene zu  Ende  zu  führen  zum  Ruhm  Gottes  des  Vaters,  des  Sohnes 
und  des  allheiligen  Geistes.    Amen.« 


Kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der  kirchenslav.  Literatur.  179 

Aus  dem  Texte  dieser  Vorrede  merkt  man  gleich  einen  unselbstän- 
digen Geist,  welcher  auf  fremde  Veranlassung  in  einer  relativ  friedlichen 
und  ruhmreichen  Zeit  eine  nicht  sehr  bedeutende,  und  nur  sprachliche 
Schwierigkeiten  darbietende  Arbeit  unternimmt.  Die  Stellung  des  bul- 
garischen Bischofs  Konstantin,  welcher  nur  Übersetzungen  hinterließ  und 
kein  Apostelamt  ausübte,  wie  sein  Vorgänger,  Konstantin  der  Philosoph, 
ist  hiermit  sehr  gut  charakterisiert. 

(Geschrieben  24.  Dez.  1911  bis  5.  Jänner  1912,  umgearbeitet  im 
März  1913.)  Dr.  Iwati  Franko. 


Die  Särospataker  altpolnische  Bibelhandsclirift 

(sogenaniite  »Sofienbibel«)  und  die  Lemberger  Ausgabe 

vom  Jahre  1871, 


I.  Allgemeine  Darlegung  des  Verhältnisses  der  Ausgabe  zur  Handschrift. 

Der  Glaube  an  die  unbedingte  Zuverlässigkeit  der  Lemberger  Aus- 
gabe der  Särospataker  altpolnischen  Bibelhandschrift  ist,  nach  anfäng- 
licher Überschätzung  ihrer  Treue,  in  neuerer  Zeit  immer  mehr  ins  Wanken 
geraten.  Besonders  hat  v.  Rozwadowski  unlängst  seinem  Zweifel  ganz 
unverhohlen  öffentlich  Ausdruck  verliehen  i). 

Und  in  der  Tat  genügt  es,  die  der  Ausgabe  beigegebenen  Faksimiles 
mit  dem  gedruckten  Text  zu  vergleichen,  um  diese  Zweifel  nachdrück- 
lichst begründen  zu  können.  Ich  habe  darauf  bereits  in  meiner  Schrift: 
»Zur  Geschichte  der  Särospataker  altpolnischen  Bibelhandschrift«  2)  hin- 
gewiesen 3)  und  will  hier  vollständiger  die  Unstimmigkeiten  zwischen 
Druck  und  Faksimile  verzeichnen : 


1)  Materialy  1  Prace  komisyi  jezyk.  Ak.  Umiejetn.  w  Krakowie  IV  435: 
»A  przyznam  zie,  iQ  brak  scislosci,  jaki  okazali  nasi  historyci  i  prawnicy, 
usposabia  dose  pesymistycznie  taMe  np.  co  do  wiarygodnosci  wydania  Biblji 
krölowej  Zofji,  zrobionego  jak  wiadomo  na  podstawie  podobizny,  dokonanej 
przez  Piekosiilskiego ;  sq  tam  bardzo  dziwne  rzeczy«. 

2)  Als  Sonderabdruck  und  in  der  Festschrift  für  Alfred  Hillebrandt, 
Halle  1913. 

3)  S.  6. 

12* 


IgO  E.  Hanisch, 

I.  Fakaimile:  avszrzal,  yvczynyl,  avkasz,  nyebeskyem,  temv;  Druck: 
la  9  A  uazrzal,  a  12  u.  15  y  uczynyl,  a  21  a  ukasz,  b  23  nyebeskym 
(bei  Babiaczyk  nicht  verbessert),  2a  9  temu. 

IL  Faksimile:  vznamyonal,  przybliszay^^cz,  knyemv,  Nalyasllysm; 
Druck:  41a  6  uznamyonal,  a  7  przyblyszay^cz ,  a  8  k  nyemu,  a  8  Na- 
lyasllysm (das  »ysm«  soll  wohl  gesperrt  sein,  Babiaczyk  gibt  diese 
Schreibweise  des  Druckes,  nicht  die  richtige  des  Faks.  im  Lexikon  wieder, 
also  scheint  er  sie  für  handschriftlich  gehalten  zu  haben!) 

Das  IIL  Faksimile  und  der  Druck  S.  54  a  13  ff.  stimmen  tiberein. 

IV.  Faksimile:  ywy^iczszich,  asymom;  Druck:  83a  2  y  w^czszich, 
a  7  a  synom. 

V.  Faksimile:  panv,  vrosly,  gvslicz,  anadvmarlimi ,  nyebodzecze, 
dazu  l'ata;  Druck:  84a  26  panu,  a  28  urosly,  a  30  guslicz,  a  33  a  nad 
umarlimi,  a  34  nye  b^^dzecze,  a  27  lata. 

VI.  Faksimile:  vmarl,  vkradla,  wdomv,  dann :  przekrila  und  Ataly^; 
Druck:  21  Ib  27  umarl,  b  31  ukradla,  b  35  w  domu,  b  34  przekrila  und 
Ataly^. 

Ich  will  dabei  von  vornherein  ganz  davon  absehen,  daß  die  Zu- 
sammenschreibung und  Trennung  der  Wörter  in  der  Ausgabe  nicht  der 
Handschrift  entspricht,  da  in  der  Vorrede  i)  der  Herausgeber  ausdrück- 
lich bemerkt,  daß  er  die  Schreibweise  der  Hs.  hierin  nicht  beibehält. 
Ich  halte  es  allerdings  nicht  für  angemessen,  daß  man,  während  mau 
in  jeder  andern  Beziehung  die  Schreibweise  der  Handschriften  möglichst 
getreu  wiederzugeben  sucht,  in  der  Wortzusammenschreibung  ganz  will- 
kürlich von  den  Anschauungen  moderner  Rechtschreibung  ausgeht.  Ich 
habe  in  meiner  Schrift:  »Die  Zusammenschreibung  von  Wörtern  in  älte- 
ren polnischen  und  czechischen  Handschriften«  2)  zu  zeigen  gesucht,  daß 
aus  der  Zusammenschreibung  und  Trennung  der  Wörter  doch  auch  man- 
ches gelernt  werden  kann. 

Wenn  ich  also  von  diesem  Punkte  absehe,  so  ist  es  doch  recht  will- 
kürlich, wenn  das  v  =  u  der  Hs.  durch  u  wiedergegeben  wird,  wenn  die 
Korrekturen  der  Hs.  (Ataly^)  im  Druck  nicht  angemerkt  sind,  wenn  auf- 
fallende Zeichen  (przekrila)  unbeachtet  bleiben  oder  gar  eigenmächtige 
Verbesserungen  (vgl.  nye  b^dzecze!)  vollzogen  werden.  So  erhält  man 
also  allein  schon  aus  den  Faksimiles  recht  bedenkliche  Zeichen  für  die 


1)  S.  XXXIX. 

2)  Beuthen  O./S.  1913. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      181 

Treue  der  Ausgabe.  Auf  Grund  solcher  Tatsachen  und  der  bei  eingehen- 
der Beschäftigung  mit  diesem  Sprachdenkmal  sich  immer  mehr  ver- 
größernden Bedenken  gegen  die  Ausgabe  beschloß  ich ,  durch  eine  Kol- 
lation der  Hs.  mich  von  dem  wahren  Sachverhalte  zu  überzeugen. 

Diese  Vergleichung  von  Hs.  und  Ausgabe,  die  ich  im  Juli  1912 
vornahm 3]  täuschte  meine  Erwartungen  nicht:  die  Lemberger  Ausgabe 
entspricht  nicht  den  philologischen  Anforderungen,  die  man  zu  stellen 
berechtigt  ist.  Es  sind  nicht  nur,  wie  schon  der  Vergleich  der  Faksimiles 
oben  zeigte,  ganz  beliebige  Änderungen  vorgenommen  worden ,  sondern 
es  sind  auch  Fehler  und  Versehen  aller  Art  mit  untergelaufen.  Das 
Schlimmste  aber  ist  doch  m.  E.,  daß  es  in  der  Ausgabe  an  der  einheit- 
lichen Durchführung  der  für  die  Herausgabe  angenommenen  Grund- 
sätze völlig  fehlt.  Ich  werde  weiterhin  zeigen,  daß  alles,  was  als  grund- 
sätzlich für  die  Ausgabe  gelten  könnte,  fast  ausnahmslos  durchbrochen 
wird.  Aber  gerade  durch  diesen  Mangel  an  Konsequenz  kann  der  Ein- 
druck der  Genauigkeit  erweckt  werden.  Ich  wüßte  kaum  eine  Fehler- 
kategorie, die  sich  in  der  Ausgabe  nicht  nachweisen  ließe :  selbst  Druck- 
fehler, die  nicht  berichtigt  sind,  werde  ich  zu  verbessern  haben. 

Dieser  Zustand  der  Ausgabe  muß  natürlich  für  den  verhängnisvoll 
werden,  der  darauf  ein  Speziallexikon  des  polnischen  Bibeltextes  auf- 
baut. Herr  Babiaczyk,  der  das  getan  hat,  erklärt  zwar  in  der  Einleitung 
zu  seinem  arbeitsreichen  Werke,  daß  »der  Name  des  Herausgebers«  für 
die  Korrektheit  der  Ausgabe  bürge ^),  doch  darf  man  nicht  übersehen, 
daß  der  Herausgeber  hier  nicht  zugleich  auch  der  Abschreiber  der  Hs. 
war,  die  durch  ihre  Länge  an  den  Kopierenden  die  höchsten  Anforderungen 
stellte.  In  dieser  Arbeitsteilung  lag  von  vornherein  2)  eine  bedenkliche 
Gefahr  und  die  größte  Fehlerquelle.  Und  so  mußte  eben  auch  die  müh- 
selige Arbeit  des  Lexikographen,  wenn  er  sich  nicht  einer  Kollation  der 
Hs.  unterziehen  wollte,  vielfach  Unzuverlässiges  geben,  weil  eben  aut  un- 
zuverlässigem Texte  beruhend.  Und  wenn  ich  jetzt,  auf  Grund  meiner 
Vergleichung,   das  Speziallexikon   des  Herrn  Babiaczyk  betrachte,  so 


1)  Ich  möchte  auch  hier  noch  das  Entgegenkommen,  dessen  ich  mich  in 
Särospatak  zu  erfreuen  hatte,  hervorheben  und  besonders  der  steten  Bereit- 
willigkeit des  Bibliothekars,  Herrn  Harsänyi,  gedenken. 

-)  Im  >Lexikon  zur  Altpolnischen  Bibel  1455  (Sophienbibel)«  S.  11  der 
Einleitung. 

3)  Zumal  der  Herausgeber  die  Hs.  nie  gesehen  hat. 


Ig2  E.  Haniscb, 

kann  ich  das  vielfach  beanstandete  Urteil  ^)  v.  Rozwadowskis  und  f^os' 
nicht  für  so  ungerechtfertigt  erklären. 

Wenn  ich  sagte,  daß  die  Ausgabe  in  der  Zusammen  Schreibung  und 
Trennung  der  Worte  nicht  der  Hs.  folgt,  so  ist  auch  dieses  Prinzip  durch- 
brochen. So  lesen  wir  9a  7  :  ygego,  wie  in  der  Hs.,  statt  des  erwarteten: 
y  gego,  oder  auch  49b  2:  stoysze  —  und  gerade  hier  trennt  einmal  die 
Hs.  die  Worte  in:  stoy  sze!  Wer  sich  nun  nicht  die  Mühe  nimmt,  die 
Prolegomena  der  Ausgabe  zu  lesen  —  und  ich  fürchte,  daß  es  deren 
viele  geben  wird,  da  ein  rascher  Durchblick  über  den  Inhalt  durch  das 
Fehlen  von  Kapitelüberschriften  recht  erschwert  ist  —  der  kann  natür- 
lich auf  Grund  solcher  Versehen  zu  der  Annahme  verleitet  werden ,  daß 
der  Druck  auch  in  der  Zusammenschreibung  der  Hs.  folgt.  Und  doch 
ist  hier  mit  der  wundeste  Punkt  der  Ausgabe  2). 

Aus  den  Faksimiles  geht  hervor,  daß  für  das  v  =  u  der  Hs.  immer 
u  gedruckt  werden  sollte.  Trotzdem  lesen  wir  179a  30:  vswytnye  (»illu- 
cescat«);  das  dem  Texte  beigegebene  Lexikon  enthält  aber  das  Wort: 
uswit,  so  daß  also  hier  im  Verbum  doch  ebenfalls  das  v  =  u  gelesen 
wurde 3).  Völlig  rätselhaft  ist  es  aber,  wenn  113a  4  zu  der  Schreibung: 
vsile  bemerkt  wird:  »v  tu  znaczy  u,  wiec  usile«^).  Man  wird  sich  diese 
eigentümliche  Bemerkung  kaum  erklären  können,  zumal  wenn  man  sich 
noch  einmal  blos  die  erste  Seite  der  Ausgabe  und  ihr  Faksimile  vor 
Augen  hält!  Das  v  =  u  der  Hs.  ist  in  den  einzelnen  Teilen  des  Textes 
nicht  durchgehend ,  so  ist  z.  B.  in  dem  zweiten  Abschnitt  (S.  4 1  bis 
78)  v  =  u  viel  seltener  als  etwa  im  vierten,  wo  v  so  häufig  ist,  daß 
ein  u  (sehr  dem  »n«  ähnlich!)  geradezu  auffällig  wirkt.  Im  fünften  Teile 
scheint  es  nach  y,  i,  dann  überhaupt  nach  Vokal  bevorzugt  zu  werden, 
z.B.  173b 32:  knaszemu  gymyenyv  oder  176b  24:  ktwemu  lyvdu.  Eine 
genauere  Bemerkung  hätte  156a  30:  v  vszu  vertragen;   zwar  wird  es 


>)  Im  Roczü.  Slawist.  I  (1908)  S.  173flf.  u.  176  ff. 

2)  Ich  verweise  auf  meine  Bemerkungen  in  meiner  > Zusammenschreibung 
usw.^  S.  13  ff. 

3)  Anders  verhält  es  sich  z.  B.  in:  vroki,  welches  Malecki  als:  wroki 
las  (vgl.  das  Lexik,  d.  Ausgabe  S.  348).  Das  Richtige  bei  Babiaczyk  in  seinem 
Lexikon  s.  v.  uroki,  vgl.  auch  meine  Bemerkungen  zum  Ezdrasfragm.  Archiv 
XXXV  S.  10. 

4)  Man  vgl.  dazu  133a  16  u.  143b  15:  usilu  (Hs.  vsilv):  hier  also,  wie  es 
eben  in  der  Absicht  der  Ausgabe  lag,  ist  das  v  bemerkungslos  durch  u  wieder- 
gegeben, wie  auch  an  allen  übrigen  Stellen. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      183 

durch  nebengesetztes :  uszu  glossiert,  doch  hat  die  Hs.  wszu,  eine  Schreib- 
art, die  für  unsere  Hs.  sehr  auffällig  und  doch  mit  Fällen  wie  104a  23; 
nyewsrz^  (=  uzrza)  nicht  gleichzusetzen  ist.  Fälschlich  ist  das  v  der  Hs. 
durch  0  wiedergegeben  im  Druck  S.  92a  18  u.  20:  copysz  und  vor  allem 
179a  10:  y  ostal  bil  für  »ustal«.  Die  Stelle  lautet:  yvstal  bil  lyvd 
przelys  barzo  =  Vulg.  I.  Reg.  XIV  3 1 :  Defatigatus  est  autem  populus 
nimis.  Das  y  =  et  wird  durch  den  griechischen  Text  gerechtfertigt 
{■/.al  ly.o.rlaoev  6  Xaog  ocfodga).  Dem  defatigatus  kann  ein  ostal  nicht 
entsprechen,  und  in  der  Tat  hat  Babiaczyk  s.  v.  ostac  nur  diesen  einen 
Beleg  für  diese  Bedeutung  angeführt.  Man  wird  aber  dem  lateinischen 
Texte  sofort  gerecht,  wenn  man  ustac  dafür  einsetzt,  was  auch  in  der 
Hs.  tatsächlich  steht;  man  vergleiche  nur  die  zahlreichen  Belegstellen, 
die  s.  V.  ustac  angeführt  sind!  So  muß  also  (Jiese  Stelle  im  Speziallexikon 
s.  V.  ostac  gestrichen  werden. 

Da  die  Ausgabe  keinen  Unterschied  zwischen  v  (=  u)  und  u  machen 
wollte,  so  wäre  auch  die  Unterscheidung  der  beiden,  im  fünften  Teile 
der  Hs.  auftretenden  Zeichen  für  y  nicht  notwendig  gewesen,  weil  beide 
Zeichen  nebeneinander  auch  in  den  andern  Hs.  jener  Zeit  auftreten, 
ebenso  gut  hätten  die  beiden  Arten  des  s  und  des  r  angemerkt  werden 
können;  gerade  so  wenig  wie  bei  letzteren  beiden  (und  dem  v  =  u),  ist 
m.  E.  auch  in  der  Verwendung  der  beiden  »y«  ein  tiefer  begründeter 
Unterschied  anzuerkennen,  wie  ihn  Matecki  Prolegom.  XLVHI  annimmt, 
es  waren  eben  Buchstabenvarianten,  wie  sie  auch  jedes  moderne  Alpha- 
bet kennt.  Bemerken  will  ich  aber  doch,  daß  auch  hier  die  konsequente 
Vermerkung  dieses  Buchstaben  fehlt,  so  ist  175b  3  zgYj  |  n^li,  196b  25 
pacholr^k,  u.  a.  m.  mit  -/j  nicht  mit  y,  was  die  Ausgabe  hat,  geschrieben, 
während  21  Sa  27  w  Samary  mit  dem  bekannten  y  zu  schreiben  ist,  wäh- 
rend die  Ausgabe  hier  tj  bietet. 

Daß  auch  das  ^  in  der  Ausgabe  gesetzt  ist,  wo  die  Hs.  nur  o  hat, 
ist  anfangs  schon  aus  den  Faksimiles  belegt  worden,  auch  bei  der  Wieder- 
gabe des  durchstrichen en  a  wäre  an  den  einzelnen  Stellen  manches  zu 
erwähnen  gewesen,  was  ich  im  speziellen  Teile  dieser  Abhandlung  tun  will. 
Die  Ausgabe  setzt  gewöhnlich  a  für  dieses  Zeichen. 

Die  zahlreichen  Dittographien  der  Hs.  sind  im  Druck  beseitigt 
worden.  Ob  das:  prawim  pravem  wyecznim  90b  34  als  Dittographie 
aufzufassen  ist,  ist  zweifelhaft,  man  kann  in  »prawem«  ebenso  gut  eine 
Korrektur  des  pravim  sehen,    dessen  Interpunglerung  (zum  Zeichen  der 


184  E.  Hanisch, 

Nichtgeltung)  nur  vergessen  worden  ist^).  In  der  Vulg.  heißt  es  Levit. 
24,  8  auch  nur:  foedere  sempiterno,  entsprechend  der  Septuaginta  und 
dem  masoretischen  Texte.  Hat  die  Ausgabe  hier  die  Hs.  getreu  wieder- 
gegeben, warum  ist  das  nicht  in  andern  Fällen  derart  geschehen?  Es 
kommt  ja  freilich  für  den  Text  zunächst  nicht  in  Frage,  ob  es  z.  B.  Sb  33 
drus  I  gego  drugego  heißt  oder  nur  einfaches  » drugego «  steht.  Aber  für 
die  Beurteilung  der  ganzen  Hs.  ist  es  doch  von  Wert,  ob  man  weiß,  daß 
derartige  Versehen  häufig  sind  —  und  das  ist  in  unserer  Hs.  der  Fall  — 
oder  ob  mit  peinlicher  Genauigkeit  geschrieben  wurde;  im  letzteren  Falle 
wird  man  viel  vorsichtiger  mit  Konjekturen  sein  müssen.  Bedenklicher 
ist  es  aber  doch  schon ,  wenn  IIb  10  ein  handschriftliches :  zyw  swego 
wyeku  |  wyeku  swego  in  der  Ausgabe  einfach  in:  zyw  wyeku  swego 
zusammengezogen  ist.  Die  Stellung  des  poln.  Pronomens  durfte  dabei 
natürlich  in  keiner  Weise  ausschlaggebend  sein  für  die  Wahl  der  Lesart. 
So  hätte  man  doch  auch  solche  Dittographien  nicht  beseitigen  sollen  wie : 
sino  I  nowye,  was  235a  32  in  sinowye  verbessert  wurde.  Durch  solche 
Änderungen  wird  der  Charakter  einer  Hs.  doch  nur  völlig  verwischt. 

Aus  diesem  Grunde  mußte  auch  durchaus  jede  der  zahlreichen 
Korrekturen  der  Hs.  im  Druck  notiert  werden.  Wenn  also  10b  15  in 
der  Hs.  steht:  Krwye  waszych  zywotow  brj;  dr>  pozywal  poszr^dal  sroky, 
so  durfte  weder  das  pozywal  beseitigt  noch  die  Verbesserung  s  r^ky  ein- 
gesetzt werden.  Das  »pozywal*,  durch  Unterstreichen  vom  Schreiber 
getilgt,  entstand  wohl  als  Nachhall  des  diktierten:  zywotow,  kontaminiert 
mit:  poszr^dal,  ist  also  m.  E.  eine  Unterstützung  der  Tradition,  daß  wir 
in  diesem  Bibelkodex  einen  diktierten,  nicht  einen  bloß  abgeschriebenen 
Text  vor  uns  haben.  Unzulässig  ist  auch  z.  B.  die  bemerkungslose  Wieder- 
gabe der  Korrektur:  udzalal  250.1.  30.  In  der  Hs.  steht  vdzal'^  und  am 
linken  Rande  der  Hs,  ^al,  d.  h.  ursprünglich  war  haplographisch  vdzal 
geschrieben  worden,  der  Schreiber  merkte  das  bald  und  schrieb  hastig 
und  daher  fehlerhaft :  la  darüber,  das  wurde  wieder  zu  tilgen  gesucht 
(doch  deutlich  ist  es  sichtbar  geblieben)  und  am  Eande  nun  das  richtige 
»al«  nachgetragen. 

Die  Abbreviaturen  sollten  wohl  auch  nicht  in  der  Ausgabe  beibe- 
halten werden,  und  so  sind  in  der  Regel,  aber  nicht  einheitlich,  die  Worte 
ausgeschrieben.  Statt  der  zahlreichen:  ge'^  (gego),  get  (gest),  pote  (potem) 


1)  In  einem  Glossar  des  XV.  Jahrh.  ist  prawym  prawem  die  Übersetzung 
von  iure  hereditario. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      185 

usw.  amEndewiein  der  Mitte  derZeile,  hat  die  Ausgabe  die  vollen  Worte*). 
Ich  will  gleich  hier  bemerken ,  daß  die  einzelnen  Teile  der  Hs.  sich  hier 
verschieden  verhalten ;  der  älteste  Teil  z.  B.  bringt  nur  wenige  und  nur 
auf  bestimmte  Worte  beschränkte  Abkürzungen  und  meist  am  Zeilenschluß. 
Auch  in  den,  die  Doppelung  der  Buchstaben  bezeichnenden  Strichen  ist 
in  der  Ausgabe  keine  Konsequenz.  Wir  finden  also  z.  B.  295a  28  w 
vynnyczach  statt  wvynyczach  der  Hs.,  dagegen  291b  21  polstruney  (der 
Hs.  entsprechend  mit  dem  Strich  über  dem  o),  was  auch  daher  Babiaczyk 
s.  V.  anmerkt,  aber  das  get  derselben  Seite  (a  4  und  11)  ist  als  »gest« 
in  der  Ausgabe  voll  wiedergegeben.  Wo  sich  freilich  die  Abkürzungen 
derselben  Art  häufen,  da  hat  auch  die  Ausgabe  die  Kürzungen  beibehalten. 
Man  vergleiche  etwa  S.  330b  2 2  ff.  das  si^  =  sina^).  Doch  ist  auch  auf 
dieser  Seite  das  get  (b  30)  und  do'  (b  34)  als  gest  und  domu  gedruckt. 
Solche  Willkürlichkeit  der  Wiedergabe  kann  natürlich  im  Einzelfall  ein- 
mal auch  zum  Irrtum  verführen.  Wenn  man  z.B.  296b  14  Nabucho- 
donozor  in  der  Ausgabe  findet,  gegen  Nabuchodo?^  der  Hs.,  so  wird  man 
das  aus  dem  Grundsatze  der  Ausgabe  heraus  verstehen  können  3).  Was 
soll  aber  wenige  Seiten  vorher,  283b  19,  Nabuchodonor*,  wo  der  Heraus- 
geber durch  den  beigefügten  Stern  die  Wortform  hervorheben  will? 
Denn  auch  hier  hat  die  Hs.  als  Abbreviatur  NabuchodonoT,  ebenfalls, 
wie  oben ,  am  Zeilenende.  Vielleicht  bat  man  hierin  mehr  ein  Versehen 
des  Abschreibers  der  Hs.  als  des  Herausgebers  zu  erkennen.  Jedenfalls 
wären  diese  (und  zahlreiche  andere)  Fehler  nicht  untergelaufen ,  wenn 
Herr  Maiecki  die  Hs.  mit  eigenen  Augen  gesehen  hätte. 

Und  so  gibt  es  eine  große  Reihe  von  Ungenauigkeiten  und  Fehlern, 
die  offensichtlich  dem  Kopisten,  nicht  dem  Herausgeber  zur  Last  zu  legen 
sind.  Vor  allem  sind  hierher  die  vielen  Auslassungen  zu  rechnen.  So 
ist  z.  B.  33  b  18  eine  ganze  Zeile  ausgelassen  worden.  Die  Ausgabe  hat: 
to  wszitko  szry  bil  Jacob  w  gymyenye  przesylne,  in  der  Hs.  heißt  es  aber: 
to  wszitko  azfj  do-  ]  stalo  Jacobowy.  Yrozplodzyl  sz^  bil  |  Jacob  wgy- 
myenye  przesylne.    Daß  hier  ein  Versehen  des  Herrn  Piekosinski  vor- 


1)  Im  speziellen  Teile  werde  ich  die  Abkürzungen  jedesmal  anmerken, 
auch  ob  sie  am  Zeilenschlaß  oder  in  der  Zeilenmitte  stehen. 

2)  Ich  will  hier  auf  das:  syna  der  Hs.  hinweisen  (also  mit  Strich  über  ,n'), 
was  der  Druck  40a  25  ohne  jede  Bemerkung  als:  syna  gibt. 

3)  Freilich  ist  auf  derselben  Seite  in  dem  bald  darauffolgenden  Katalog 
das  häufige:  synow  durch  Sy"",  wie  in  der  Hs.,  abkürzend  wiedergegeben 
(b  29 ff.)! 


186  E.  Hanisch, 

liegt,  ergibt  sich  aus  der  Bemerkung,  die  der  Herausgeber  zu  dieser  Stelle 
(bei  wszitko)  macht:  »Tu  wypuszczone  3  wyrazy  znachodzace  sie  w  Wul- 
gdcie,  przez  nieuwage  tJömacza«. 

In  dem  speziellen  Teile  dieser  Abhandlung  werde  ich  auf  die  sonsti- 
gen Auslassungen  der  Ausgabe  aufmerksam  machen,  hier  will  ich  ja  nur 
auf  diejenigen  Ungenauigkeiten  und  Fehler  hinweisen,  die  für  das  Ver- 
hältnis der  Ausgabe  zur  Hs.  typisch  sind.  Da  stimmen  z.  B.  die  Kapitel- 
überschriften der  Hs.  nicht  mit  denen  der  Ausgabe  überein.  So  steht 
294a  nicht  das  Zahlzeichen  V  sondern  :  py^te,  und  zwar,  wie  es  in  den 
Handschriften  überhaupt  üblich  ist,  bunt,  hier  rot,  gemalt.  Ebenso  stimmt 
es  mit  der  Zahl  Xin  S.  14b  nicht;  die  Hs.  schreibt:  trzeczyenaszczye 
capitula,  ferner  fehlt  S.  12  b  hinter  der  XI  das  Wort  kapytula,  welches 
die  Hs.  enthält  usw. 

Daß  an  einer  Stelle  der  Ausgabe,  13ob,  eine  falsche  Markierung 
der  zu  vergleichenden  Vulgatasteile  in  der  Ausgabe  vorliegt  i),  hat  be- 
reits Herr  Babiaczyk  Einleitg.  S.  46  notiert.  Wenn  nun  Herr  Babiaczyk 
(ibid.)  wünscht,  daß  bei  einer  zweiten  Ausgabe  des  Werkes  »die  Ein- 
teilung der  Kapitel  auch  nach  Versen,  der  Vi.  entsprechend,  erfolge,  da- 
mit die  Übersicht  über  das  Sprachmaterial  einfacher  und  der  Vergleich 
mit  der  VI.  leichter  erreichbar  wäre«,  so  ist  das  ein  Verlangen,  welches 
ich  sicherlich  teile  und  in  der  von  mir  geplanten  Neuausgabe  auch  würde 
durchzuführen  suchen.  Doch  ist  dabei  nicht  zu  vergessen,  daß  eine 
recht  prinzipielle  Frage  hier  zu  stellen  ist:  nämlich  welche  Vers-  und 
Kapiteleinteiluug?  Es  kann  Herrn  Babiaczyk  bei  seiner  Arbeit  nicht 
entgangen  sein,  daß  mit  der  heutigen  Verseinteilung  dem  polnischen  Texte 
an  sehr  vielen  Stellen  garnicht  beizukommen  ist.  Das  liegt  eben  daran, 
daß  unsere  heutige  Einteilung  der  Verse  und  Kapitel  von  der  in  den 
Vulgataausgaben  des  Pariser  Buchdruckers  Robert  Etienne  (Stephanus) 
eingeführten  abhängig  ist,  d.  h.  aus  der  Mitte  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts stammt.  Ursprünglich  war  der  Text  ja  nur  in  Bücher  geteilt, 
Hieronymus  hatte  dann  durch  Kola  und  Kommata  eine  eingehendere 
Gliederung  in  Sätze  geschaffen.  Eine  den  praktischen  Bedürfnissen  des 
Zitierens  entsprechende  Kapiteleinteilung  und  eine  weitere  Gliederung  in 
Verse  (allerdings  eine  rein  zufällige,  nämlich  nach  den  Zeilen  seines 
Handexemplars)  gab  Hugo  von  St.  Caro  im  dreizehnten  Jahrhundert;  diese 


1)  Das  Blatt  7  7  der  Hs.  beginnt  nicht  mit  Deuteronom.  XVII.  16,  son- 
dern schon  mit  Vers  2. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      1 87 

kam  auch  allgemein  in  Brauch,  bis  sie  eben  durch  die  Neueinteilung  des 
Stephanus  im  sechzehnten  Jahrhundert  ersetzt  wurde.  Daher  wird  also 
eine  Einteilung  nach  der  heutigen  Weise  bei  älteren,  zumal  stark  variie- 
renden Bibeltexten  immer  auf  Schwierigkeiten  stoßen.  Das  hat  ja  schon 
der  Herausgeber  unseres  Sprachdenkmals  merken  müssen,  als  er  die  Ein- 
teilung der  Kapitel  in  der  heutigen  Weise  durchführen  wollte :  es  stimmte 
eben  nicht  überall.  So  z.  B.  beginnt  Malecki  S.  60  b  nach  der  heutigen 
Weise:  Exodus  XVI.  In  der  Hs.  gehört  aber  der  heutige  Vers  1  dieses 
Kapitels  noch  zu  XV  und  erst  mit  heutigem  XVI  2  beginnt  6 1  a  4  der 
neue  Abschnitt  ^j,  der  in  der  Hs.  dui'ch  Zeilenabsatz  und  (rote)  Kapitel- 
zahl in  der  üblichen  Weise  angemerkt  ist.  Dagegen  ist  in  der  Ausgabe 
an  anderer  Stelle  auf  diese  Verschiedenheit  der  Kapiteleinteilung  nicht 
hingewiesen  worden;  z.  B.  47a  beginnt  nicht,  wie  die  Ausgabe  hat, 
Exodus  Vn  in  der  heutigen  Weise,  sondern  schon  mit  den  Worten:  Imo- 
wyl  gest  pan  (a  15)  =  heutige  Vulg.  VI  29.  An  anderen  Stellen,  wo  in 
der  Hs.  eine  Kapitelzahl  fehlt,  z.  B.  37b,  ist  in  der  Ausgabe  nach  der 
heutigen  Weise  eine  Zahl,  XXXUI,  darüber  gesetzt;  die  Hs.  fährt  aber 
in  der  Zeile  fort,  ohne  Absatz:  Potem  Jacob,  wobei  noch  zu  bemerken 
ist,  daß  das  P  gelb  ausgetuscht  ist,  aber  die  bei  Kapitel  anfangen  übliche 
rote  Ausmalung  fehlt ^j.  Bemerken  möchte  ich  auch  noch,  daß  der 
Absatz  im  Druck  304  b  26/27  nicht  begründet  wird  durch  die  Verhält- 
nisse der  Hs.  Vielmehr  heißt  es  ohne  Absatz :  pana  boga  israhelskego 
Apote  I  gdi  usw.,  also  ohne  jede  Unterbrechung.  Malecki  sagt:  »W 
przekiadzie  Leopolity  i  Budnego,  z  ktörymi  te  ksiege  poröwnywam, 
nie  majac  jöj  w  lacinskiej  Wulgacie:  w  tem  juz  miejscu  poczyna  sie 
rozdzial  VIU. «  Ich  bemerke  dazu ,  daß  auch  die  lat.  Vulgata  hier  bei 
TTT.  Ezdras  das  achte  Kapitel  beginnt:  Et  post  hunc  regnante  Arta- 
xerxe  usw. 

Indem  ich  also  die  zahlreichen  einzelnen  Abweichungen  hier  über- 
gehe, da  ich  sie  späterhin  richtig  stellen  werde,  will  ich  nur  noch  hervor- 
heben, daß  natürlich  auch  gar  manches  im  Speziallexikon  sich  jetzt 
ändern  muß.  Schon  oben  lag  ein  solcher  Fall  vor  (ustac  st.  ostac).  Aber 
nicht  nur,  daß  einzelne  Belege  fortfallen,  nein,  es  müssen  auch  manche 


1)  Malecki  hat  das  S.  61a  unterm  Text  richtig  angemerkt. 

2)  Vielleicht  handelt  es  sich  um  ein  Versehen  der  Hs.,  denn  im  ganzen 
weiteren  Verlaufe  dieses  Kapitels  fehlt  ein  Absatz  oder  eine  Bezeichnung 
eines  neuen  Kapitels.    Das  beginnt  erst  3Sb,  und  zwar  als  XXXIV.! 


188  E.  Hanisch, 

Worte  des  Lexikons  ganz  gestrichen  werden,  soweit  es  sich  dabei  um 
Hapaxlegomena  des  Textes  handelt.  Es  muß  also  fallen  das  jedy  300a  3  S, 
da  nicht  gedi,  sondern  mit  unzweifelhafter  Deutlichkeit  nur  gdi  in  der 
Hs.  steht,  dann  wicina,  denn  die  Hs.  hat  vycyamy,  nicht,  wie  die  Aus- 
gabe, vycynamy  328b  7.  Es  ist  mithin  von  dem  auch  sonst  bekannten 
Worte  wie  auszugehen.  Bedenken  erregte  mir  auch  von  vornherein,  wegen 
des  »comportant«  des  lateinischen  Textes,  das:  svosz^  wodj^  152a  5 
der  Ausgabe.  Ich  fand  auch,  meiner  Erwartung  entsprechend,  in  der 
Hs.  ein  deutliches:  snoszr^,  womit  zugleich  auch  der  einzige  Beleg  für 
»swozic«  des  Speziallexikons  —  vor  »w«  wäre  doch  wohl  nur  zwozic  zu 
schreiben!  —  beseitigt  ist.  Ebenso  ist  das  auch  sonst  noch  auffällige 
chroszlyna  des  Druckes  (2b  28)  in  chr^szlyna  der  Hs.  gemäß  umzuwan- 
deln. Ich  möchte  hierzu  das  Chrostlino  der  »Bulla  z  r.  1136«  ver- 
gleichen 1]. 

Wenn  ich  anfangs  sagte,  daß  auch  Druckfehler  noch  die  Unsicher- 
heit des  in  der  Ausgabe  gebotenen  Textes  erhöhen,  so  bin  ich  dafür  noch 
Belege  schuldig.  Nur  als  Druckfehler  kann  ich  mir  erklären:  gwazdi 
293b  32  (Hs.  gwyazdi),  53a  27  debidczy^tha  (Hs.  dobidczy^tha),  308b  38 
gzechi  (Hs.  grzechi),  316a  l  przes  to  dobr^  (Hs.  przes  t^  dobr^),  denn 
sonst  würde  der  Herausgeber,  wie  anderwärts,  so  auch  hier,  diese  auf- 
fälligen 2)  (wenn  auch  freilich  nach  Ausweis  der  Hs.  falschen)  Schrei- 
bungen durch  einen  Stern  hervorgehoben  haben ,  wie  z.  B.  das  Juerusa- 
lema*  273  a  11,  was  in  der  Kopie  der  Hs.  gestanden  haben  muß.  Die 
Hs.  selbst  hat  auch  hier  das  zu  erwartende :  ierusalema.  Ebenso  muß  ein 
Fehler  der  Kopie  sein  s  przistrzeszo*,  309b  2,  von  Maiecki  also  durch 
einen  Stern  hervorgehoben  und  von  Babiaczyk  im  Lexikon  so  notiert. 
Die  Hs.  hat  hier  richtig:  sprzistrzesza.  Schließlich  sei  noch  das  poczny 
293b  35  erwähnt.  Die  Vulgata  hat  an  dieser  Stelle  (Nehem.  IV  22  3)); 
et  sint  nobis  vices  und  die  Ausgabe :  a  b^Jdzcye  nam  poczny.    Maiecki 


1]  Vgl.  V.  Rozwadoweki  in  der  Ausgabe  dieser  Bulle :  Mat.  i  Pr.  Kom. 
J(?z.  w  Krak.  IV  S.  447. 

2)  Herr  Babiaczyk  hat  glücklicherweise  nicht  alle  dieser  falschen  Formen 
verzeichnet. 

3)  Dieses  Kapitel  wird  verschieden  eingeteilt:  teilweise  werden  nämlich 
die  Verse  1 — 17  der  offiziellen  Vulgatazählung  zu  Kap.  III  genommen  als  III. 
33—38^  wozu  noch  hinzukommt,  daß  Vulgata  III.  30  dabei  in  zwei  Verse  (30 
u.  31)  zerlegt  wird.  Eine  solche  Einteilungsdifferenz  hat  z.B.  die  Polyglotten- 
bibel von  Stier  u.  Theile  in  allen  vier  Texten  (griech.,  hebr.,  deutseh,  lat.). 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      189 

hat  hinter  »poczny«  ein  Fragezeichen  gesetzt,  weil  ihm  die  Stelle  auffällig 
schien,  also  stand  es  so  jedenfalls  in  der  Kopie  der  Hs.  In  der  Hs.  selbst 
lesen  wir  aber  für  das  verschriebene  »poczny«  ein  verständliches:  po- 
moczny,  so  daß  auch  die  Erörterung  Babiaczyks  s.  v.  poczac  hinfällig 
wird.  Das  »pomocen«  ist  noch  einmal  belegt,  wenige  Seiten  später: 
305b  35  ktorekoly  b^drj  tobye  pomoczni  (=  quaecunque  tibi  sub- 
venerint). 

Schon  für  die  Textgeschichte  interessant  ist  es,  wenn  wir  erfahren, 
daß  186b  6  in  den  Worten:  Ale  gdisz  slunce  wesczdlo,  das  czechische 
slunce  eine  Korrektur  am  Rande  ist,  also  erst  nachträglich  hingeschrieben 
wurde.  Noch  lehrreicher  scheint  mir  aber  eine  in  der  Ausgabe  ebenfalls 
nicht  vermerkte  Konjektur  308b  26.  Der  Druck  hat:  cziudzokraynow. 
Die  Hs.  las  nun  aber  ursprünglich  »czidzokraynow« ;  dieser  Czechismus 
wurde  bald  erkannt,  so  interpungierte  man  das  >i«  und  schrieb  v  (d.  i. 

V 

also  u)  darüber:  czidzokraynow.  So  zeigt  die  Hs.  schon  in  ihrer  äußeren 
Gestalt  die  Richtigkeit  der  Annahme  Jireceks^):  »prichäzime  k  resultätu 
nezäpornemu,  ze  nejvetsi  cäst  polskeho  textu  neni  nez  zpolsteny  prepis 
cesköho  prekladu«.  Und  zwar  nicht  nur  für  den  ältesten  Teil  dieser 
Handschrift. 

n.  Die  Handschrift. 

Malecki  hat  in  den  Prolegomena  der  Ausgabe  die  Beschaffenheit 
der  Handschrift  eingehend  geschildert.  Seitdem  hat  sich  nichts  geändert, 
wie  auch  der  Bibliothekar  des  Särospataker  Reformierten  Kollegiums, 
Herr  Istvän  Harsänyi,  in  seiner  Schrift:  A  Särospataki  Lengyel  Biblia  s 
ujonnan  fölfedezett  harmadik  töredöke  ^)  zeigt.  So  kann  ich  hier  auf  diese 
Darstellungen  verweisen.  Bemerken  will  ich  aber  noch,  daß  es  vielfach 
sehr  schwer  ist,  die  Zahl  der  aus  dem  Kodex  herausgerissenen  Blätter 
anzugeben;  man  wird  das  am  besten  nach  dem  Umfange  des  fehlenden 
Textes  abschätzen. 

Man  hat  nach  den  Ausführungen  der  Prolegomena  meist  angenom- 


1)  In  Öas.  C.  M.  1872,  310. 

2)  Budapest  1909  als  Separatabdruck  u.  im  XVII. Bande  der  ungarischen 
Zeltschrift:  »Magyar  Könyvszemle«.  Das  Wichtigste  dieser  Schrift  ist  die 
Wiedergabe  des  von  Herrn  Harsänyi  gefundenen  Ezdrasfragmentes  S.  59ff. 
mit  photogr.  Reproduktion. 


190  E.  Hanisch, 

men  ^),  äaß  unser  Bibeltext  in  den  Zeiten  der  Königin  Sofie  begonnen 
wurde,  und  spricht  daher  gewöhnlich  auch  von  der  »Sofienbibel«.  Dem- 
gegenüber hat  Herr  Harsänyi  die  ältere  Annahme  wieder  aufgefrischt, 
indem  er  unsere  Handschrift  bis  in  die  Zeit  der  Königin  Hedwig  hinauf- 
rückte. Ein  strenger  Beweis  ist  für  keine  der  beiden  Hypothesen  er- 
bracht, ebensowenig  auch,  daß  unsere  Bibel  ursprünglich  für  den  Ge- 
brauch des  Königshauses  überhaupt  bestimmt  war;  mir  scheint  die  an 
manchen  Stellen  doch  recht  bedenkliche  Flüchtigkeit  eher  dagegen  zu 
sprechen.  Jedenfalls  muß  ich  betonen,  daß  aus  der  Bibel  selbst  kein 
Anhalt  für  irgendwelche  Besitzerliste  ^j  gegeben  ist.  Nur  das  erscheint 
mir  sehr  wahrscheinlich,  daß  der  Kodex  etwa  von  Beginn  des  zweiten 
Viertels  des  XVH,  Jahrhunderts  ab  in  der  Bibliothek  des  Särospataker 
Reformierten  Kollegiums  sich  befindet,  weshalb  ich  auch  den  Namen 
»Särospataker  Handschrift«  für  den  allein  richtigen  halte  3);  jeder  andere 
Name  entbehrt  der  historischen  Berechtigung  und  stützt  sich  lediglich 
auf  vorläufig  nicht  bewiesene  Annahmen.  "Wie  man  also  nicht  mehr  vom 
»Margaretenpsalter«  redet,  sondern  seit  Nehring  vom  »Psalter  von 
St.  Florian«,  so  sollte  man  auch  in  unserm  Falle  die  hypothetische  Be- 
nennung beiseite  lassen. 

Das  Wichtigste  erscheint  mir  also,  daß  etwa  seit  1627  das  Refor- 
mierte Kollegium  Besitzer  der  Handschrift  ist.  Damit  ist  eine  weitere 
Hypothese  hinfällig  geworden,  die  ebenfalls  seit  dem  Erscheinen  der 
Ausgabe  wohl  allgemeine  Annahme  gefunden  hatte,  nämlich,  daß  Come- 
nius,  als  er  von  Lissa  (in  Posen)  nach  Särospatak  im  Jahre  1650  zum 
Rektor  der  dortigen  Schule  berufen  wurde,  diese  Bibel  nach  Särospatak 
mitgenommen  hätte.  Das  hatte  bereits  Jirecek  in  der  Anzeige  der 
Maleckischen  Ausgabe  angezweifelt*):  »k  tomuto  domneni  Malecköho 
nelze  pristoupiti,  jednak  proto,  ze  se  kodex  dostal  kollegiu  saryspotoc- 
kemu  darem  Jiieho  Räköce,  1.  1648  zemreleho,  jednak  ze  naprosto  neni 


1)  Ich  muß  hier  manches  kurz  wiederholen,  was  ich  eingehender  in 
meiner  Schrift:  »Zur  Geschichte  der  Särospataker  altpolnischen  Bibelhand- 
schrift« (Sonderabdruck  und  in  der  Festschrift  für  Alfred  Hillebrandt.  Halle 
1913)  ausgeführt  habe,  weswegen  ich  hier  auf  diese  Abhandlung  zur  genaueren 
Kenntnisnahme  verweise. 

2)  Herr  Harsänyi  stellt  eine  solche  auf  in  seiner  Schrift  S.  5S,  vgl.  auch 
>Zur  Geschichte  der  Särosp.  altp.  Bhs.«  S.  21  f. 

3)  Vgl.  »Zur  Geschichte  usw.«  S.  5 f. 

4)  Öasop.  Cesk.  Mus.  1872  S.  305 f. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      191 

domyslitedluo,  co  by  Komynskeho  bylo  k  tomu  primelo,  abi  bibli  staro- 
polsküu  byl  s  sebou  vozil,  jda  za  ücelem  eiste  paedagogickym  do  über«. 
Trotz  dieser  durch  ihre  Einfachheit  schlagenden  Einwendung  hatte  die 
Comenius-Hypothese  ziemlich  allgemeine  Annahme  gefunden,  so  bei 
Nehring,  Altpoln.  Sprachdenkm.  S.  116,  und  mit  einigem  Vorbehalt  auch 
in  Brückners  »Geschichte  der  polnischen  Literatur«  (1901)  S.  23.  Doch 
schon  in  »Literatura  religijna  w  Polsce  sredniowiecznej*  II  (1903)  S.  65 
gab  Brückner  zu  bedenken:  »Zeby  ja  (Biblia)  Jan  Komensky  z  Leszna 
do  Szarosz-Pataku  wywozii,  gdy  go  na  rektora  kollegium  Kakoczy 
r.  IG 50  powolywai,  nie  myslimy,  pocözby  sie  on  ax;  do  Wcgier  z  takim 
niepotrzebnym  i  niepoczesnym  ciezarem,  wozil?  Inny  tu  jakis  zaszedi 
przypadek  nieznany«. 

Ich  habe  die  Ausführung  hier  vorausgeschickt,  um  eine  Vermutung 
meinerseits  hier  zu  wiederholen,  die  ich  auch  bereits  in  meiner  Schrift 
»Zur  Geschichte  usw.«  S.  13 f.  ausführlicher  vorgebracht  habe.  Es  war 
nämlich  Herrn  Piekosinski  offenbar  entgangen,  daß  der  obere  Rand  des 
Blattes  13G  verso  außer  der  üblichen,  den  Inhalt  der  beiden  Textkolumnen 
angebenden  Überschrift  Paralyp  auch  noch  folgende  Buchstaben  in  dieser 
Gruppierung  enthält: 

Paralyp 
L.  I.  C.  S.  P. 

Herr  HarSc4nyi  hat  in  seiner  genannten  Schrift  S.  1 5  als  erster  darauf 
aufmerksam  gemacht,  ohne  sich  aber  mit  einer  Deutung  der  Buchstaben 
zu  befassen.  Da  nun  nach  Tinte  und  Form  diese  Buchstaben  dem 
XVII.  Jahrhundert  zuerteilt  werden  müssen,  so  glaubte  ich  sie  auffassen 
zu  können  als:  Legi  lohannes  Comenius  Saros-Patakini.  Daß  Comenius, 
der  selbst  doch  Slave  war,  diese  nach  Särospatak  verschlagene  Hand- 
schrift dort  eingesehen  hat,  ist  mir  unzweifelhaft.  Die  Deutung,  die  mir 
Herr  Harsanyi  mündlich  gab:  Leopolita  Jan  Csiadz  Scholae  Pater  (oder 
Saros  Patakini)  erscheint  mir  schon  aus  graphischen  Gründen  nicht 
möglich  1). 

Wenn  man  nun  fragt,  warum  diese  Buchstaben  gerade  an  dieser 
Stelle  stehen,  so  scheint  mir  das  nicht  aus  dem  Grunde  zu  sein,  weil 
Comenius  nur  gerade  bis  dahin  die  Handschrift  benutzt  hat,  sondern,  weil 


1)  Ich  teile  hier  noch  eine  sehr  einleuchtende  Deutung  dieser  Buchstaten 
mit,  die  Herr  Prof.  Brückner  mir  erst  kürzlich  brieflich  gab:  »über  iste  Col- 
legii  Saros  Patakini  <. 


192  E.  Hanisch, 

zu  seiner  Zeit  dort  etwa  die  Mitte  der  Handschrift  war ,  d.  h.  also :  der 
Kodex  enthielt  damals  etwa  noch  die  Psalmen. 

In  diese  späte  Zeit  des  XVII.  Jahrhunderts  weisen  noch  zwei  Spuren 
der  Benutzung  unserer  Handschrift.  Ich  habe  in  meiner  genannten 
Schrift  1)  darauf  verwiesen,  daß  S.  104b  13  der  Ausgabe  zu  der  Stelle: 
Ale  robota  wasza^)  ein  auffallendes  Glossem  zugeschrieben  ist:  dzatiky. 
Das  »robota«  des  polnischen  Textes  ist,  wie  Babiaczyk  gezeigt  hat,  die 
Herübernahme  eines  czechischen  robata  (z.  B.  in  der  Olmützer  Bibel). 
Da  dem  Übersetzer  dieses  Wort  unbekannt  war,  so  übernahm  er  eben, 
um  nichts  Falsches  für  diesen  ihm  fehlenden  Begriff  einzusetzen,  wie  in 
zahlreichen  anderen  Fällen,  so  auch  an  dieser  Stelle  den  czechischen 
Ausdruck.  Nun,  im  XVII.  Jahrhundert  also,  hatte  jemand  diese  Bibel 
in  den  Händen,  der  hinreichend  polnisch  verstand,  um  den  Text  lesen 
zu  können,  zugleich  aber  auch  das  Wort  »robota«  im  richtigen  Sinne, 
also  als  Czechismus,  erfaßte.  Es  scheint  mir  ganz  evident,  daß  das  in 
Särospatak  eben  nur  ein  einziger  Mann  jener  Zeit  imstande  war:  Come- 
nius.  Und  so  schreibe  ich  diese  Glosse  ihm  zu;  Tinte,  Buchstabenform 
und  allgemeine  Erwägung  scheinen  mir  hier  das  gleiche  Resultat  zu 
ergeben.  Es  bleibt  aber  doch  übrig,  die  Schreibweise  dzatiky  zu  erklären. 
Man  würde  doch  dzatki  oder  dziatki  erwarten.  Ich  glaube  nun,  daß 
Comenius,  dessen  sprachliche  Studien  bekannt  sind,  hier  eine  antikisie- 
rende Form  schaffen  wollte,  und  so  künstlich  aus  czech.  deti  und  poln. 
dziatki,  vielleicht  unter  dem  Eindruck  der  vielen  Czechismen  des  polni- 
schen Textes,  einen  Kompromiß  schuf. 

Die  zweite  Spur  dieser  späten  Benutzung  findet  sich  184  a  34.  Die 
Ausgabe  hat  hier  nur :  Tedi  Mycol  wsy^wszi  geno  drewno  y  poloszila 
na  loszu.  Das  »drewno«  ist  hier  ==  statuam  der  Vulgata  und  Babiaczyk 
hat  darauf  hingewiesen,  daß  Leopolita  an  dieser  Stelle  obraz  liest.  Nun 
ist  über  di'ewno  von  viel  späterer  Hand  ein  Zeichen  ^  und  am  Rande  die 
Glosse:  obraz  eingetragen.  Ob  nun  jemand,  der  den  späteren  Leopolita- 
text kannte  (oder  gar  kollationierte?),  die  Glosse  hingeschrieben  hat, 
oder  ob  etwa  auch  diese  Eintragung  von  Comenius  herrührt  (die  Schrift- 
charaktere und  die  Zeit  würden  ja  stimmen),  das  wage  ich  nicht  zu  ent- 
scheiden.   Herr  Harsänyi,  den  ich  auf  diese  späte  Glossierung  aufmerk- 


1}  S.  13. 

-]  Die  Lemberger  Ausgabe  zeigt  hier  nur:  wasz,  die Hs.  hat  aber:  wasza; 
es  ist  zwar  das  zweite  a  etwas  verblaßt,  aber  ganz  deutlich  lesbar. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      193 

sam  machte,  hält  dafür,  daß  auch  sie  von  Comenius  stammt  i),  was  auch 
mh"  das  Wahrscheinlichere  ist. 

Sehen  wir  also  hier  wirkliche,  echte  Glossen  einer  späteren  Zeit,  so 
finden  wir  auch  sonst  noch  im  Text  das  Eingreifen  eines  Korrektors  und 
zwar  besonders  im  fünften  Teile  der  Handschrift.  Wenn  ich  sage  im 
fünften  Teile,  so  wende  ich  mich  damit  zugleich  gegen  die  bisherige  Auf- 
fassung, die  von  Malecki-Piekosinski  herrührt  2),  und  den  fünf  Teilen  der 
Handschrift  auch  fünf  Schreiber  entsprechen  läßt.  Dem  ist  nun  aber  nicht 
so.  DieEinteilungMaieckis  ist:  I.Blatt  1 — 21  (=S.  1 — 40  der  Ausgabe), 
n.  Blatt  22—40  (=  41—78),  HI.  Blatt  45—47  (=  S.  78—83), 
IV.  Blatt  48—95  (=  S.  81—171),  V.Blatt  96—185  (=  S.  171—335). 

Es  ist  nun  aber  ganz  unzweifelhaft 3),  daß  der  erste  Teil  nicht  von 
einer  Hand,  sondern  von  zweien  herrührt.  Der  erste  Schreiber  schrieb 
Blatt  1 — 20  recto  in  deutlicher,  ebenmäßiger  Schrift.  Ganz  unvermittelt 
setzt  nun  Blatt  20  verso,  also  bei  den  Worten  splaczyem  swyelykym 
(die  Ausgabe  hat  ungenau  38a  4  s  placzem  s  wyelykym),  eine  ohne 
jeden  Zwang  sehr  zusammengedrängte  Schrift  ein,  die  sich  ganz  auffällig 
von  der  Hand  des  vorhergehenden  Schreibers  abhebt.  Allerdings  treffen 
wir  die  gleichen  Schriftcharaktere  und  dasselbe  orthographische  System, 
so  daß  also  dieser  zweite  Schreiber  ohne  längere  Unterbrechung  dem 
ersten  zeitlich  unmittelbar  folgen  muß.  Von  ihm  stammt  nur  noch 
Blatt  21,  das  Übrige  ging  verloren,  denn  mit  dem  wuchtigen  »Gessen«, 
dem  ersten  Worte  des  heutigen  Blattes  22  (=  S.  41  der  Ausgabe),  be- 
ginnt der  nunmehrige  dritte  Schreiber  (der  zweite  Maleckis).  Ebenso 
muß  ich  die  Einheit  des  fünften  Teiles  in  Zweifel  ziehen.  Man  begegnet 
nämlich,  von  Zeit  zu  Zeit  wechselnd,  in  diesem  Abschnitt  immer  wieder 
den  gleichen  Eigentümlichkeiten  der  Schrift,  so  daß  man  den  Eindruck 
bekommt,  daß  dieser  Teil  von  zwei  sich  abwechselnden  Schreibern  ab- 
gefaßt wurde.  Die  einzelnen  Teilabschnitte  voneinander  zu  sondern, 
würde  freilich  sehr  schwierig  sein;  ich  konnte  mich,  schon  aus  Zeit- 
mangel, nicht  eingehender  damit  befassen. 

Nach  Lage  der  Dinge  kann  also  an  der  bisherigen  Fünfteilung  fest- 
gehalten werden,  freilich  in  dem  Sinne,  daß  man  darunter  fünf  nach  Zeit 
und  System  scharf  voneinander  geschiedene  Abschnitte  versteht,  deren 


1)  Ich  will  hier  bemerken,  daß  weder  dzatiky,  noch  obraz  in  der  Aus- 
gabe vermerkt  sind. 

2)  Prolegomena  S.  XXIV  und  XLIVff. 

3)  Vgl.  »Zur  Gesch.  d.  Särosp.  altpoln.  Bibelhs.«  S.  10 ff. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  13 


194  E.  Hanisch, 

erster  von  zwei  aufeinander  folgenden,  deren  letzter  von  zwei  einander 
ablösenden  Schreibern  herrührt  •). 

Namentlich  im  letzten  Teile,  der  durch  zahlreiche  Abbreviaturen  und 
Verschreibungen  usw.  einen  flüchtigeren  Eindruck  macht,  begegnen  wir 
nun  aber  mehrfach  noch  der  Hand  eines  Korrektors,  der  oflfenbar  gleich- 
zeitig mit  den  Schreibern  ist  und  ihre  Arbeit  noch  einmal  durchsah,  ohne 
freilich  in  allen  Fällen  die  zahlreichen  Versehen  richtig  zu  stellen.  Man 
erkennt  diesen  Korrektor  an  der  viel  schwärzeren  Tinte;  allerdings  sind 
auch  manchmal  die  Korrekturen  der  Schreiber  etwas  schwärzer  als  der 
übrige  Kontext,  daher  kann  man  im  Einzelfalle  manchmal  zweifelhaft 
werden,  ob  die  Verbesserung  von  dem  Schreiber  selbst  oder  von  dem 
Korrektor  erst  nachträglich  vollzogen  wurde.  Solche  spätere  Korrekturen 
des  fünften  Teiles  sind  z.  B.  die  Punkte  unter  229a  8:  apobral  apobral 
gych,  wo  der  Korrektor  die  Dittographie  erkannte,  oder  2 3 (3a  IS:  spo  | 
kolenia  Israhelowa  Isacharowa,  das  interlinear  nachgetragene  ch  am 
Ende  von  koscyelni'^'^  247b  25,  das  vo  in  israhelo^''  248a  14,  das  w  in 

W  10 

wsyadeczstwye   248a  22,    das   ro    in    awprocech    248a  30,  das   (^  in 

0 
atrzsai(ic  249a  9,  das  r  in  ysrzebne  251a  1,  das  v  in  wogny^  254a  28, 

das  y  in  swy^jtichysi  nowye  256a  6,   das  w  in  ^stala  2G2b  25,  das 

obyati  y 

obyati  264  a  12:  zszone  panv  |,  das  1  in  amya^  268a  6,  das  y  in  krola 

p 
276b  1,   das  p  in  apoysal  281b  13,    andere  Fälle  sind  strittig,  z.  B. 

31 8b  4  iakon;  hier  ist  das  n  radiert  und  am  rechten  Rande  sauber  kon 
korrigiert,  so  daß  also  iako  kon  gelesen  werden  soll,  m.  E.  ist  kon  von 
anderer  Hand  verbessert,  Herr  Harsänyi  ist  nicht  dieser  Ansicht.  Jeden- 
falls aber  steht  fest,  daß  wir  außer  den  Verbesserungen  der  Schreiber 
selbst  auch  die  nachbessernde  Hand  eines  Korrektors  (der  vielleicht  der 
Übersetzer  des  Abschnittes  war?)  zu  unterscheiden  haben. 

Auch  in  früheren  Teilen  der  Handschrift  treffen  wir  schon  auf  eine 
solche  nachträgliche  Korrektur,  z.  B.  S.  83 b  29:  rzeptay^czy.  Das  aus- 
lautende y  dieses  Wortes  ist  auf  der  Rasur  eines  vorherigen  m  geschrie- 
ben, der  rechte  lange  senkrechte  Strich    des  y  ist   dann  von  späterer 


1)  Auch  an  dieser  Stelle  will  ich,  wie  >Zur  Geschichte  usw.«  S.  11  Anm.  1 
ausdrücklich  hervorheben ,  daß  meine  Ansicht  hinsichtlich  der  Zahl  der 
Schreiber  jetzt  auch  von  Herrn  Harsänyi,  nachdem  er  in  seiner  erwähnten 
Schrift  S.  13  den  Angaben  Maleckis  gefolgt  war,  geteilt  wird. 


Die  Scirosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      195 

Hand  oben  nachgebessert,  wie  man  aus  der  viel  schwärzeren  Tinte  er- 
sehen kanni). 

Auch  hinsichtlich  der  bei  einzelnen  Buchstaben  des  letzten  Ab- 
schnittes stehenden  Striche  ^j  ist  die  Lemberger  Ausgabe  durchaus  nicht 
zuverlässig,  wie  ich  im  speziellen  Teile  an  den  betreflfenden  Stellen  zeigen 
werde.  In  der  Ausgabe  sind  die  fehlenden  Ausmalungen  der  Kapitel- 
initialen angegeben,  doch  fehlt  die  Angabe  einer  eigentümlichen  Rand- 
malerei 306  a  =  Blatt  170  recto  a.  Hier  ist  am  Rande  eine  gelb  gemalte 
Hand,  deren  Daumen  und  Zeigefinger  nach  rechts,  also  auf  den  Text, 
hinweisen.  Es  zieht  sich  diese  Randverzierung  etwa  von  a  1 6  bis  a  1 9 
hin.  Der  Vollständigkeit  wegen  will  ich  noch  hier  anführen,  daß  an 
einigen  Stellen  der  Handschrift  dort ,  wo  im  Kodex  ein  Kapitelanfang 
nach  der  heutigen  Vulgata  unbezeichnet  war,  dieser  mit  Bleistift  in 
römischen  Zahlen  vermerkt  ist,  z.  B.  S.  39b  und  40b.  Ich  bin  zu  der 
Annahme  geneigt,  daß  diese  Bleistiftnotizen  von  Herrn  Piekosinski  her- 
stammen, jedenfalls  sind  sie  aber  ganz  jungen  Datums. 

III.  Die  Abweichungen  der  Ausgabe  von  der  Handschrift. 

Im  folgenden  wende  ich  mich  jetzt  zu  der  Feststellung  der  einzelnen 
Abweichungen  des  Druckes  von  der  Hs.  Ich  gehe  dabei ,  zur  leichteren 
Orientierung,  nach  den  Seitenzahlen  der  Ausgabe,  die  ich  durch  Dr. 
(Druck)  abkürze.  Um  nicht  zu  weitläufig  zu  werden,  bringe  ich  nur  die 
wichtigeren  Abweichungen  3) ,  aber  alle  Abbreviaturen,  Dittographien 
und  Korrekturen  der  Hs.  Ferner  werde  ich  auch  alle  Zeichen ,  die  man 
als  diakritisch  deuten  könnte,  erwähnen.  Doch  werde  ich  auch  mehr- 
fach die  Übereinstimmung  von  Hs.  und  Dr.  hervorheben,  wenn  der  Fall 
von  einiger  Bedeutung  erscheint ^j. 

I.  Teil.    Erster  Schreiber  S.  1 — 38a  4  der  Ausgabe. 

S.  la — ,  b  23  Dr.  nyebeskym,  Hs.  nyebeskyem,  vgl.  das  Faksimile, 
bei  Babiaczyk  nicht  richtig  gestellt.  —  S.  2a  6  Dr.  und  Hs.  rodzay^^. 
b  18  Dr.  chroszlyna,  Hs.  ch;|r(jszlyna.  —  S.  3a  1  Dr.  w  obliczye,  Hs. 
woblyczye.  a  35  Dr.  samemu,  Hs.  same^j.  Also  Abbreviatur  am  Zeilen- 
schluß,   a  38  Dr.  wszitka.    Die  Hs.  hat  hier  kein  klares  »a«  ;  das  »a« 


1)  Vgl.  »Zur  Gesch.  usw.«  S.12. 

2)  Von  Malecki  erwähnt  in  Prolegom.  S.XLVII. 

3)  Ich  notiere  also  für  gewöhnlich  nicht,  wo  für  u  ein  v  in  der  Hs.  steht 
n.  ähnl. 

*)  Also  besonders  dann,  wenn  Malecki  etwas  zweifelhaft  war. 

13* 


196  E.  Hanisch, 

hat  deutlich  die  Form  eines  o,  dann  ist  daraus  ein  a  gemacht  worden, 
das  aber  einen  Querstrich  (a)  hat.  Es  liegt  hier  wohl  ein  ursprüngliches, 
doch  gleich  im  Schreiben  bemerktes  Versehen  (o  statt  a)  vor;  das  vorher- 
gehende Wort  geht  nämlich  auf  (^  aus  (szemy^)  und  mit  dem  folgenden 
zwyerz(j;  ta  schließt  die  Zeile,  b  11  Dr.  u.  Hs.  semye.  b  26  Dr.  u.  Hs. 
goroczszy.  —  S.  4a — .  b  7  Dr.  nyeprzyazn,  Hs.  nyeprzyyazn.  b  12  Dr. 
poczy^czya*.  Das  a  der  Ausgabe  entspricht  dem  mit  einem  Längs-  (vgl.  ^) 
und  Querstrich  (vgl.  3a  38)  versehenen  a  der  Hs.  (ä).  —  S.  5a  26  Dr. 
smarscza*.  Das  aiu  der  Hs.  wie  4  b  12/13.  a33Dr.  precz,  Hs.  przecz,  doch 
ist  das  erste  z  verblaßt,  vielleicht  vom  Schreiber  schon  getilgt?  b  5  Dr.  glos 
twego  brata,  Hs.  dittographisch :  glos  twego  twego  brata.  b  24  Dr.  znamy^^ 
na  Kaymye.    In  der  Hs.  ist  die  Präposition  darüber  geschrieben :  zna- 

na 

my(^  Kaymye.  b  35  Dr.  Mawyela  a  Mawyel,  Hs.  deutlich  manyela  ama- 
myel,  also  n  und  m!  —  S.  6  a  10  Dr.  sestrze,  Hs.  szestrze.  all  Dr. 
Y  rzekl,  Hs.  Yrzel.  b  22  Dr.  gest,  Hs.  gt  |,  also  Abbreviatur  am  Zeilen- 
ende, b  31  Dr.  Malalael,  Hs.  Malael,  aber  b  26  Dr.  und  Hs.  Malaleel, 
b  34  Dr.  und  Hs.  Malael,  b36  Malaeel.  —  S.  7a  17  Dr.  Matuzale,  Hs. 
Natuzale,  a  9  u.  19  Hs.  u.  Dr.  Matuzale,  ebenso  all  Matuzaela  Hs.  und 
Dr.  a  24  Dr.  Lamech,  Hs.  lamet.  b  10  Dr.  m^szowye,  Hs.  moszowye. 
b  12  Hs.  und  Dr.  syn  boszy.  vgl.  b  3.  —  S.8a  Dr.  A  konce,  Hs.  Akouce^). 
b  5  Dr.  gednego,  Hs.  gendnego.  b  19  Dr.  gemu,  Hs.  ge^,  Abbreviatur 
in  Zeilenmitte,  b  33  Dr.  myesz^cza  drugego,  Hs.  dittographisch:  mye- 
sz^icza  drusjgego  drugego.  —  S.  9a  28  Dr.  nad  zemy^,  das  in  der  Hs. 
am  Zeilenanfange  steht  (nadzemy^^).  Die  Zeile  der  Hs.  (wie  auch  hier 
gerade  im  Druck  a  28)  schließt  mit  wszitky;  der  Anfang  der  nächsten 
Zeile,  also  unter  nadzemyrj,  beginnt  wieder  in  der  Hs.  nadzemy^j  gori, 
Dr.  a  29  nur  gori.  b  1  Dr.  und  PIs.  nyebyesky  (rechts  darüber  steht 
robaky.  Einfluß?).  —  S.  10a  1/2  Dr.  gol^bek,  Hs.  golobek.  a2  Dr. 
sz;>,  Hs.  szo.  a  9  Dr.  sest  a  pyrwe  lato,  so  auch  Hs.  sesta  pyrwe  lato  2). 
b  15  Dr.  h^d^  posz^idal  s  r^ky,  Hs.  b^d(^  pozywal  posz^jdal  sroky  (vgl. 
oben  Abschnitt  I).  b  29  Dr.  wyelikyemu,  Hs.  wyelikye''|,  also  Abbre- 
viatur am  Zeilenschluß,  b  32  Dr.  und  Hs.  mnogi.  —  S.  IIa — ,  b4  Dr» 
a  bjidz,  Hs.  abodz.  b  10  Dr.  zyw  wyeku  swego  dzewy^dzset,  Hs.  zyw 
swego  wyeku  |  wyeku  swego  dzewy^dz  set,  also  Dittographie  und  auf- 

*)  Vgl.  meine  »Zusammenschreibung  von  Wörtern  in  älteren  poln.  und 
cech.  Hs.«  S.  22.    Daselbst  auch  über:  okono  (9  b  25). 

2)  Zu  sesta  vgl.  meine  »Zusainmenschreibung  usw.«  S.  21. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      197 

fällige  Trennung  des  dzewy^dz  set  i) !  b  1 6  Dr.  u.  Hs.  Potek.  b  3 1  Dr.  kro- 
lewstwa  w  Babylony.  In  der  Hs.  scheint  ursprünglich  am  Zeilenschluß  für 
krolewstwa  wbabys  |  etwas  anderes  gestanden  zu  haben,  was  getilgt  wurde ; 
diese  Worte  wurden  dann  in  gröberen  Buchstaben  über  die  Rasur  geschrie- 
ben.—  S.  12a 35  Dr.Decla  (wieVulgata),  Hs.  deda.  b4  Dr.  podlug,  Hs.  po 
dlug2),  b  5  Dr.  und  Hs.  yrjzyku.  Genet.  Sg.,  Einfluß  des  vorhergehenden 
rodu,  vgl.  auch  Babiaczyk  s.  v.  j^zyk.  b  10  Dr.  nur  die  Kapitelzahl  XI, 
die  Hs.  hat  noch  (in  Rot):  kapytula.  b  13  Dr.  und  Hs.  nalazu,  vgl.  Ba- 
byaczyk  s.  v.  nalesc.  b  19  Dr.  wisok^,  Hs.  wisoko.  b  22  Dr.  sst^pyl, 
Hs.  sj'stopyl,  — -  S.  13  a  22  Dr.  und  Hs.  dwye  szczye  lat  y  dwa  roky. 
Ich  erwähne  das,  wegen  der  Bedenken  von  Semenovic  Archiv  IX  546. 
b  7  Dr.  Melche,  Hs.  Malche,  dagegen  b  6  Dr.  und  Hs.  Melcha.  b  12  Dr. 
u.  Hs.  zon^  Aabramowa.  —  S.  14  a  4  Dr.  a  gydze,  Hs.  ygydze.  a  9  Dr.  u.  Hs. 
tujto.  a25  Hs.  u.  Dr.  przy.  a31  Hs.  u.  Dr.  schalyly.  b  1 1  Dr.  als  Kapitel- 
überschrift XIII.  Das  steht  nicht  in  der  Hs.,  sondern  die  ganze  Zeile  heißt 
hier:  czsosz  gymyal  trzeczyenaszczye  capitula.   Die  letzten  beiden  Worte 

als  Kapitelüberschrift,  in  Rot.  b20  Dr.  Betelem.  DieHs.  hat  hier  eine  Kör- 
te 
rektur:  bedlem,  also  »te«  über  d  verbessert,  das  »d«  aber  nicht  getilgt.  — 

r 

S.  15a  10  Dr.  Yordana,  Hs.  mit  Korrektur:  yodana.  a  30  Dr.  moczne* 
twego*  syemy(>,  Hs.  ebenso  bis  auf  twego,  wofür  man  twege  lesen  kann, 
allerdings  ähnelt  das  e  (am  Ende)  etwas  einem  o.  a  33  Dr.  und  Hs. 
wswyedzawszy,  vgl.  Babiaczyk  s.  v.  wzwiesc.  a  35  Dr.  gest  u  Ebron, 
Hs.  get  I  webron.  Also  auch  Abbreviatur  am  Zeilenschluß  (letzte  Zeile 
von  8  verso  a).  b  3  Dr.  aChadorlaomor,  Hs.  Achador  aomor.  b  5  Dr.  Bara, 
Hs. Baza.  b 20  Dr.  w  Sabye,  Hs.  wsobye.  b 20  Dr.  Chariathaym, Hs.  chana- 
cHaym^j.  Also  beim  h  rechts  ein  Strich  (vgl.  dann  im  V.  Teile!),  b  26  Dr. 
w  Azonthamar,  Hs.  w  azon  thamar.  b36  Dr.  glribokich,  Hs.  globokich.  — 
S.  16a  27  Hs.  und  Dr.  krolowye,  dann  a  37  dage  gest.  b  10  Dr.  u.  Hs. 
Oddyelyo.  b  14  Dr.  przemyn^lo,  Hs.  przemynolo.  b  23  Dr.  u.  Hs.  mnogy. 
b  27  Dr.  ly^jdzwy,  Hs.  lyodzwy.  —  S.  17a  18  Dr.  u.  Hs.  wtrzy  zemye. 
a  34  Dr.  und  Hs.  zaluby  (nicht  zasluby).  b  15  Dr.  poy^^wszy,  Hs.  po=| 
y^y^vwszy.  Diese  Dittographie  wurde  gemerkt  und  daher  das  erste,  die 
Zeile  beginnende  y^-  zu  tilgen  gesucht,  doch  ist  es  noch  ganz  deutlich  sicht- 


1)  Vgl.  >Zusammenschreibung<  S.  13ff. 

2)  Vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  19. 

3)  Es  ist  vielfach  sehr  schwer  ch  und  th  zu  unterscheiden. 


198  E.  Hanisch, 

bar.  b  20  Dr.  und  Hs.  swu  und  rzekl.  b  31  Dr.  angyol,  Hs.  angyrjl.  — 
S.  18a  1  Dr.  angyol,  Hs.  angy^^l.  b  28  Dr.  und  Hs.  mnogi.  —  S.  19a  14 
Dr.  po  nyem,  Hs.  powyem.  a  20  Dr.  ustawy(^),  Hs.  vstawy  (gerade  dar- 
über rosplodzy).  b  1  Dr.  y  czudzoszemczi,  Hs.  yczudzoszenczi;  vorher  geht: 
zakupyenczi.  —  S.  20a  9  Dr.  u.  Hs.  Dopyoro.  a  19  Dr.  ot^d*,  Hs. 
ot=|t^d.  a  21  Dr.  przeczyw,  Hs.  prze  czyAv^).  a  34  Dr.  wolanye,  Hs. 
mit  Korrektur  wola°^^,  vgl.  a  35  wolya.  b  2  Dr.  napeinyly  to,  Hs.  na- 
pelnyly  ly  to.  b  7  Dr.  sprawyedlywego  z  nyesprawyedlywim.  In  der  Hs. 
ist  die  Präposition  darüber  geschrieben,  also  Korrektur  -wego^  nyespraw-. 
b  10  Dr.  odpuszczysz,  Hs.  od  puszczysz,  also  Trennung 2).    b  15  Dr.  nye 

y 
przyslussa,  Hs.  nyeprzslussa,  also  darüber  y  korrigiert.  —  S.  21a  15  Dr. 

przestal  s*  mowycz,  die  Hs.  hat  hier  kein  »s«,  es  ist  ein  verschriebener 

Buchstabe,  den  ich  (und  Herr  Harsänyi)  für  »1«  halte  (Nachhall  m.  E. 

von  »przestal«).    Es  liegt  also  (gegen  Babiaczyk  1.  c.  Einleitung  S.  31) 

keine  Textverderbnis  vor,  sondern  einfache  Verschreibung.     a  25  Dr. 

nogi  wassze,  Hs.  dittographisch  nogi  wawassze.  a  33  Dr.  y  mlodzy,  Hs. 

1 
mit  Korrektur  ymodzy.     b  1 6  Dr.  wpuszczyly,  in  Hs.  zwischen  w  und  p 

ein  Raum  frei  für  einen  Buchstaben,  der  getilgt  wurde  und  wohl  i  (nicht 
y)  war,  also  wipuszczyly  ursprünglich,  b  26  Dr.  wolya*.  Das  a  ist  also 
wieder  das  durchstrichene  k  (vgl.  oben  S.  5a  26).  —  S.  22a  28  Dr. 
alisz,  Hs.  alysz.  b  33  Dr.  gemu,  Hs.  ge^  |,  also  Abbreviatur  am  Zeilen- 
schluß. —  S.  23a  3  Dr.  poczy^lasta,  Hs.  poczy^ila  sta,  also  eine  auf- 
fällige Trennung  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  20).  a  23  Dr.  A 
wwszako,  Hs.  aw;|szako.  b  29  Dr.  Otocz,  Hs.  mit  bemerkenswerter 
Trennung  o  tocz.  —  S.  24a  27  Dr.  und  Hs.  igrita.  a  28/29  Dr.  und 
Hs.  kasz  dzewce  vgl.  Babiaczyk  s.  v.  kazac.  b  23  Dr.  gemzeto,  Hs. 
genze  to.  Also  n,  nicht  m.  Ich  will  hier  bemerken,  daß  in  diesem  Teile 
der  Hs.  das  enklitische  -to  gewöhnlich  selbständig  geschrieben  wird. 
Das  ist  wohl  entweder  als  persönliche  grammatische  Erkenntnis  dieses 
Schreibers  zu  betrachten,  oder  als  Tradition  der  Schreibschule,  aus  der 
er  hervorging  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  17  ff.),  b  35  Dr.  Abi- 
melech,  Ils.  abi  malech,  also  getrennt  und  a  statt  e.  —  S.  25a  14  Dr. 
und  Hs.  drzewa.  a  1 9  Dr.  rzekl,  Hs.  dittographisch  rzekl  rzekl.  a  2  0  Dr. 
und  Hs.  comu.    a  23  Dr.  z  mey  rriky,  Hs.  zmey  roky,    a  26/27  Dr.  und 


1)  Vgl.  »Zasammenscbreibung  usw.«  8.19. 
-)  Vgl.  »Zusammenschreibung  usw.«  S.lOf. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      J  99 

Hs.  zalubyla  (nicht  zaslubyla,  vgl.  oben  17a  34  und  Babiaczyk  s.  v. 
zalubic).  b  21  Dr.  ogen,  Hs.  ogem.  b  25  Dr.  a  ogen,  Hs.  yogen  (also 
hier  n,  vgl.b21  m).  b37Dr,  rrjky.  InderHs.  ist  das  (>  etwas  undeutlich, 
so  daß  man  auch  o  lesen  könnte.  —  S.  26a  S  Hs.  wie  Dr.  to  yze  ge  vgl. 
Babiaczyk,  Einleitung  S.  42.  a  18  Dr.  y  grodi,  Hs.  ygrodi,  wobei  aber 
das  g  aus  ursprünglichem  d  (Einfluß  der  zweiten  Silbe)  korrigiert  ist. 
a  19  Dr.  b^^dzesz,  Hs.  bodzesz.  a  20  Dr.  und  Hs.  posegnano.  b  7  Dr. 
Ath*,  die  Hs.  Ath,  wobei  das  th,  wie  oft,  dem  ch  ganz  ähnlich  ist  (Vul- 
gata  Heth),  ebenso  liegt  es  b  10,  dagegen  b  17  Dr.  und  Hs.  Eth,  b  25  Dr. 
und  Hs.  Heth.  b  30  Dr.  y  s  t^  yaskyny^i,  Hs.  ysto  yaskyny^.  — 
S.  27  a  6  Dr.  za  czczokoly,  Hs.  zaczczy  koly.  Also  Trennung  und  y 
statt  0,  gerade  darüber  steht  das  y  von  zawazy  (a  5).  a  22  Dr.  y  s  t(i 
yaskynyr:^,  Hs.  ysto  yaskynyrj  (vgl.  oben  26b  30).  a  25  Dr.  gemu,  Hs. 
ge^l,  also  Abbreviatur  am  Zeilenschluß.  bl5  Dr.  und  Hs.  sonrj.  — 
S.  28a  1  Dr.  ktor^sz,  Hs.  ktorosz.  a  7/8  Dr.  na  pleczoma,  Hs.  naple- 
czomu.  a  17/18  Dr.  wylbl^dom,  Hs.  wyelblodom,  dasselbe  in  der  Hs. 
(gegenüber  dem  Dr.)  a  21,  doch  stimmt  Hs.  und  Dr.  a  25  wyelbl^idowye. 
b  4  Hs.  und  Dr.  prawdrj  czyst^.  b  1 8  Dr.  wyelblr^dow,  Hs.  wyelblodow 
ebenso  b  23  Dr.  wyelblrjdi,  Hs.  wyelblodi.  b  22  Dr.  A  wwyodl,  die  Hs. 
schreibt  Aw  w^'odl  (vgl.  dazu  »Zusammenschreibung«  S.  19).  —  S.  29a  2 
Dr.  gemu,  Hs.  ge^|,  also  am  Zeilenschluß,    a  15/16  Dr.  Tedi  przyszedl, 

sm 

Hs.  mitKorrektur:  Tedi  przyszedl.  a24  Dr.  wyelblr^dom,  Hs.  wyelblodom 
a  3 1  Dr.  A  ona,  Hs.  Aom,  also  m,  nicht  n,  und  kein  a.    b  1 0  Dr.  czso, 

s 

Hs.  mit  Korrektur:  czo.  b  18  Dr.  pana  twego  syna,  die  Hs.  pana  sy 
(das  »sy«  ist  dann  als Verschreibnng  bemerkt  und  durchgestrichen)  twego 
syna.  b  20  Dr.  Abramow  usliszal.  Die  Hs.  hat  Abramow  vczynyl 
vsl;  I  szal.  Also  in  der  Ausgabe  fehlt  vczynyl  und  dann  ist  vslszal  zu 
schreiben,  b  25  Dr.  uczyniwszy,  Hs.  vczywszy.  —  S.  30a  28  Hs.  und 
Dr.  hrjd^  rod.  b  5  Dr.  ly^iknye,  Hs.  lyoknye.  b  22  Dr.  Panem  twim 
gegosm  ostawyl.  Die  Hs.  hat  vstawyl  (allerdings  nähert  sich  die  Gestalt 
des  »V«  dem  »o«  etwas,  so  daß  die  Verwechslung  leicht  war,  vielleicht 
lag  auch  ursprünglich  eine  Verschreibung  vor).  Damit  stimmt  auch  der 
Vulgatatext  Genes.  27,  37:  constitui.  Der  Beleg  bei  Babiaczyk  unter 
»ostawic«  ist  also  (der  einzige  für  »constituere« !]  zu  streichen  und  zu 
»ustawic«  zu  zählen.  Ich  wiU  hier  auch  darauf  verweisen,  daß  es  dann 
weiter  heißt  (b  23/25)  nach  der  Hs.  (und  dem  Dr.):  y  nadwyele  wyna 
yoles  I  yu  gestm  gi  panem  ustawyl.    Also  wieder  ustawj^I,  wozu  hier  die 


200  E.  Hanisch, 

Vulgata  (Genes.  27,  37)  heute  liest:  frumento  et  vino  stabilivi  eum.  Für 
»vino'<  gibt  es  aber  eine  Variante:  oleo.  —  S.  31a  2  Dr.  zolostni*,  Hs.  richtig 
zalostni.  a  32  Hs.  (und  Dr.)  kulabanowu  (es  folgen  noch  vier  Worte  auf 
-u).  b  10  Dr.  syostr(>,  Hs.  syostro|  am  Zeilenschluß,  darüber  endet  die 
Zeile  Ysmahelo;  wrj.  b  37  Dr.  A  Irjkl,  Hs.  Alokl.  —  S.  32a  11  Hs. 
und  Dr.  czy^/szczy.  b  25  Dr.  gemu,  Hs.  ge""!  Zeilenende!  —  S.  33a  29 
Dr.  wy^cey,  Hs.  wyocey.  a  30  Dr.  gemu,  Hs.  ge^  |  Zeilenschluß!  b  19  Dr. 
wszitko  szr^  bil  Jacob  w  gymyenye  przesylne.  Dazu  Anmerkung:  »Tu 
wypuszczone  3  wyrazy  znachodzace  sie  w  Wulgacie,  przez  nieuwage 
tlömacza«.  Hs.  wszitko  8zr>  do;|stalo  Jacobowy.  Irozplodzyl  szr^  bil  | 
Jacob  wgymyenye  przesylne.  —  S.  34  a  2  Dr.  gemu,  Hs.  ge^'  |  Zeilenende! 
a  8  Dr.  a  pzredwczorayszym,  Hs.  aprzed  wczorayszym.  b  4  Dr.  otjrjl, 
Hs.  otyol.  b  13  Dr.  und  Hs.  strzecz.  —  S.  35a  6  Hs.  und  Dr.  wnrjkow. 
b  14  Dr.  yaczyem  wszitky  skodi,  Hs.  yaczyem  skodi  wszitki  |  skodi. 
b  31  Dr.  gest,  Hs.  gtl,  Zeilenende!  —  S.  36a  18  Dr.  und  Hs.  myecz 
mee  ]  (Zeilenende),  b  21  Dr.  ku  gednemu,  Hs.  kugedne^  |,  Zeilenende! 
b  35  Dr.  brata  mego  Ezau,  Hs.  brata  ]  mego  mego  Ezau.  —  S.  37a  6/7 
Dr.  kooz  dwy*  ssczye,  Hs.  deutlich  kooz  dwye  ssczye.  a  9  Dr.  wyel- 
blj^dow,  Hs.  wyel-|blodow.  b  20  Dr.  temu,  Hs.  te''  |,  Zeilenende,  b  21 
Dr.  wy  [dzyal]  gesm.  Die  Hs.  hat  hier  tatsächlich  die  Maieckische  Ergän- 
zung, nämlich  ganz  deutlich:  wy-|dzal.  b  30  Im  Druck  ein  Kapitelab- 
satz, der  in  der  Hs.  nicht  ist.  Es  folgt  vielmehr  in  derselben  Zeile  fort- 
fahrend auf  das:  szmyerczy  unmittelbar:  Potem,  wobei  noch  hervorzuheben 
ist,  daß  das  P  schwarz  geschrieben  ist,  nicht,  wie  bei  Kapitelanfängen 
sonst,  rot.    b  33  Dr.  swemu,  Hs.  swe^  ',  Zeilenende! 

Zweiter  Schreiber  S.  38a  4  bis  S.  40  der  Ausgabe. 

S.  38a  4  Dr.  s  placzem,  Hs.  splaczyem.  a  9  Dr.  slugr^,  Hs.  slugo. 
a  26  Dr.  gemu,  Hs.  hier  im  Zeileninneren  ge'''.  a  26  27  Dr.  Ezau: 
Podzmi  pospolu,  Ha.  Esa:  v.  Podz  mi  sso  pospolu.  Also  das  »v«  in  Ezav 
steht  auf  der  nächsten  Zeile  und  eine  (durchgestrichene)  Verschreibung : 
SSO.  b  7  Dr.  gest,  Hs.  gt  |,  Zeilenende,  b  10  Dr.  Mezopotamyey,  Hs. 
Mezopotanyey,  also  n,  nicht  m.  bil  Dr.  myasta  y  kupyl  to  polye.  In 
der  Hs.  sind  die  Worte  ykupyl  to  polye  an  dem  rechten  Rande  nachge- 
tragen. Bei  myasta  zeigt  ein  liegendes  Kreuz  x  den  Nachtrag  am  Rande 
an.  b  22  Dr.  swemu,  Hs.  am  Zeilenanfange  hier  die  Abbreviatur  swe^. 
b  35  Dr.  gemu,  Hs.  ge^,  im  Zeileninnern.  —  S.  39a  29  Dr.  und  Hs. 
dzewkye.  b  10  Dr.  zwy^zawszy,  Hs.  zwyozawszy.  b  18  In  der  Aus- 
gabe ist  die  Kapitelzahl  XXXV  gesetzt,  die  in  der  Hs.  ursprünglich  nicht 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      201 

8teht^  eine  ganz  späte  Hand  (Piekosinski?)  hat  hier  die  Zahl  XXXIIII 
mit  Bleistift  (dünn  und  klein)  hingeschrieben,    b  34  Dr.  na  wszitka,  Hs. 

w 

mit  Korrektur*  naszitka.  —  S.  40a  1/2  Dr.  w  zemy,  Hs.  wzemye,  doch 
ist  das  e  am  Ende  verlöscht  (aber  noch  deutlich),  a  5  Dr.  Dosbora*,  Hs. 
Dolbora,  das  1  ist  deutlich,  a  7  Dr.  temu,  Hs.  te",  im  Zeileninnern. 
a  13  Dr.  gemu,  Hs.  ge^,  im  Zeileninnern.  Es  mehren  sich  also  hier  beim 
zweiten  Schreiber  schon  die  Abbreviaturen  im  Zeileninnern,  man  ver- 
gleiche dazu  den  ersten  Schreiber !  a  1 7  Dr.  ktorom*  dal,  Hs,  ktor^m.  | 
dal.  Vulgata  (Genes.  35, 12)  terramque,  quam  dedi.  a  22  Dr.  odt^rjd,  Hs. 
trennt  od  t^rjd.  a  25  Dr.  syna,  Hs.  syna,  also  ii!  a  28  Dr.  gemu,  Hs.  am 
Zeilenanfang  hier  ge^.  a  33  Dr.  To,  Hs.  kto,  hier  ist  das  k  entweder 
absichtlich  ausgewischt  oder  im  Laufe  der  Zeit  verblaßt,  doch  ist  das  k 
noch  deutlich  erkennbar,  b  2  Dr.  nye  moglo  utagycz ,  Hs.  nyeniogla 
vtagycz,  es  ist  aber  das  a  in  mogla  etwas  weniger  deutlich  als  sonst  die 
a  der  Hs.  b  8  Dr.  Syno*  Zelphe,  Hs.  Syno;  | zelphe.  b  20  Dr.  hat  die 
Kapitelzahl  XXXVI.  In  der  Hs.  ursprünglich  keine  Kapitelüberschrift, 
doch  hier  (wie  vorher  39b)  von  ganz  später  Hand  (Piekosinski?)  mit 
Blei  XXXV.  Im  ersten  Worte  des  Kapitels  Tocz  ist  das  T,  wie  üblich  bei 
Kapitelanfängen,  rot. 

(Fortsetzung  folgt.) 
Beuthen  0.  'S.  Erdmann  Hanisch. 


Kritischer  Anzeiger. 


Entstehungsgeschichte    der   kirchenslavischen  Sprache. 

Neue  berichtigte  und  erweiterte  Ausgabe  von  V.  Jagic.    Berlin, 

Weidmannsche  Buchhandlung.    1913.  VIII  +  540  SS.  in  8^. 

Die  vorliegende  Neuauflage  des  rühmlichst  bekannten  Werkes  unseres 
Altmeisters  blieb  dem  bewährten  Plane  der  ersten,  im  Jahre  1900  (in  den  Denk- 
schriften der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften,  philos.-hist.  Kl.,  Bd.  XLVII) 
erschienenen  Ausgabe  treu  und  rüttelte  auch  nicht  an  den  festen  Ergebnissen 
in  den  einzelnen  Fragen,  welche  in  ihrer  Gesamtheit  das  Problem  über  die 
Entstehung  der  ältesten  slavischen  Schriftsprache  und  über  Umfang  und 
Charakter  der  ersten  Übersetzungen  darstellen.  In  dieser  Beziehung  enthielt 
das  Werk  schon  in  seiner  ersten  Fassung  die  Summe  der  Ansichten,  zu  denen 
der  Verfasser  im  Verlaufe  seiner  langjährigen  Arbeit  auf  dem  Gebiete  der 
altkirchenslavischen  Philologie  gelangt  war  und  durfte  als  endgültige  For- 
mulierung derselben  gelten.  Die  Neuauflage  ist  zugleich  ein  Beweis,  daß  die 
wissenschaftliche  Diskussion  des  eben  verflossenen  Dezeniums,  soweit  sie  die 
historischen  Ereignisse  im  IX.  Jahrhundert  betraf,  nicht  imstande  war,  an  den 
Darlegungen  des  Verf.  Änderungen  hervorzurufen.  Dieser  Teil  des  Buches 
dürfte  wohl  für  eine  lange  Reihe  von  Jahren  den  festen  Ausgangspunkt  für 
jegliche  weitere  Forschung  bilden.  Ohne  Änderung  blieb  ferner  der  Teil  des 
Buches,  welcher  gewissermaßen  die  innere  Geschichte  des  Problems  im 
Schöße  der  slavischen  Philologie  vorführt.  Zu  einer  Umarbeitung  dieses 
Teiles  fehlte  jeglicher  Anlaß.  Denn  was  über  die  Frage  nach  der  Heimat  der 
altkirchenslav.  Sprache  von  den  Hauptvertretern  unserer  Wissenschaft,  von 
Dobrovsky,  Kopitar,  Vostokov,  Safarik,  Miklosich  gelehrt  und  schließlich 
von  dem  Verf.  selbst  bereits  im  Jahre  1870  (im  I.  Bde  dieser  Zeitschr.)  und 
später  in  Vorlesungen  und  gelegentlichen  Abhandlungen  dargelegt  wurde, 
war  in  der  Tat  bereits  in  der  ersten  Auflage  so  klar  und  trefflich,  so  plastisch 
und  eingehend  kritisch  erörtert  worden,  daß  eine  der  Sache  besser  angepaßte 
Fassung  kaum  möglich  erscheint.  Dagegen  erfuhr  der  dritte,  der  lexikalische 
Teil  des  Buches  eine  sehr  wesentliche  Erweiterung.  In  diesem  Abschnitt  ist 
die  vorliegende  zweite  Auflage  gänzlich  umgearbeitet  und  bietet  eine  neue 
Grundlage  für  weitere  Untersuchungen  und  Beiträge.  Für  diesen  Zweig  der  For- 
schung brachten  nämlich  die  eben  verflossenen  Jahre  eine  reiche  und  ergiebige 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kircbenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    203 

Literatur.  Der  Verf.  selbst  hatte  inzwischen  seine  neuen  Arbeiten  über  den 
Psalter  veröffentlicht  (Einleitung  zu  dem  Werke  >Die  Miniaturen  des  serbi- 
schen Psalters«  von  Josef  Strzygowski,  Wien  1906,  Denkschr. ;  Psalterium 
bononiense,  Berolini  19Ü7,,  es  hatte  ferner  Prof.  B.  Conev  die  Analyse  eines 
mittelbulgarischeu  Evangelientextes  (Dobrejsovo  cetveroevangelie,  Sofia  1906) 
und  Prof.  S.  M.  Kulbakin  eines  solchen  Aposteltextes  (des  Ochrider,  Sofia 
1907)  publiziert  und  zahlreiche  andere  Spezialarbeiten  von  Pogorelov,  Mi- 
chajlov,  Jevsejev,  Nachtigal,  Vajs  über  einzelne  Bücher  des  Alten  Testamentes 
ergaben  eine  solche  Fülle  neuen  lexikalischen  Materials,  daß  eine  Heran- 
ziehung desselben  notwendig  zur  Umarbeitung  der  einzelnen  Stichworte  und 
in  der  Folge  auch  zu  mannigfacher  Berichtigung  früher  gefaßter  Ansichten 
führen  mußte.  Der  Fortschritt  gegenüber  der  ersten  Auflage  ist  in  dieser 
Beziehung  ganz  besonders  hoch  anzuschlagen.  Erst  jetzt  sind  wir  imstande, 
uns  über  jene  charakteristische  Evolution,  welche  früher  als  lexikalischer 
Dualismus  bezeichnet  wurde,  eine  etwas  richtigere  Vorstellung  zu  bilden. 
Der  Verf.  selbst  trachtet,  wo  dies  nur  einigermaßen  möglich  ist,  zu  bestimmen, 
in  welche  Schichten  die  einzelnen  lexikalischen  Varianten  zu  versetzen  und 
welchem  lokalen  Hintergrund  sie  zuzuweisen  wären.  Weiteren  Spezialunter- 
suchungen dürfte  es  vorbehalten  sein,  die  in  diesem  lexikalischen  Teil  des 
Buches  niedergelegten  reichhaltigen  Bemerkungen  näher  zu  prüfen  und  daran 
etwaige  Korrekturen  anzubringen.  Gegenwärtig  darf  es  wohl  als  ausgemacht 
gelten,  daß  dieser  glänzende  Abschnitt  der  vorliegenden  zweiten  Auflage 
einen  gewaltigen  Schritt  auf  dem  Wege  zur  systematischen  Zergliederung  des 
reichhaltigen,  in  den  altkirchenslav.  Quellen  niedergelegten  lexikalischen 
Materials  bildet  und  als  eine  würdige  Fortsetzung  in  der  Reihe  der  Unter- 
suchungen des  Verf.,  die  mit  der  Analyse  des  Assemanianus  im  Jahre  18G5 
begannen,  sich  darstellt. 

Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  gehe  ich  an  die  Besprechung 
der  sehr  zahlreichen  Zusätze,  Erweiterungen  und  Umarbeitungen,  welche  die 
neue  Ausgabe  charakterisieren,  indem  ich  dabei  die  Reihenfolge  beobachte, 
wie  sie  im  Buche  selbst  vorliegt. 

In  dem  ersten,  dem  geschichtlichen  Teile  (Kap.  1 — 52)  sind  die  Zusätze 
und  Änderungen  ganz  kurz  gehalten.  Der  Verf.  beschränkt  sich  darauf,  mit 
wenigen  Worten  den  Standpunkt  anzudeuten,  welchen  er  gegenüber  den  Er- 
gebnissen neuerer  Publikationen  in  diesen  Fragen  einnimmt.  Da  es  sich  hier- 
bei durchwegs  um  wichtige  Bemerkungen  handelt,  hebe  ich  die  einzelnen 
Fälle  hervor. 

Anlaß  zu  verschiedenen  Deutungen  bietet  gleich  das  Entstehungsjahr 
der  slavischen  Schrift.  Nach  der  Darstellung  der  sogenannten  pannonischen 
Legenden  ergibt  sich  dafür  das  Jahr  Sü3.  Dagegen  scheint  die  Nachricht  des 
Mönchs  Chrabrx  zu  sprechen,  der  ausdrücklich  das  Jahr  6363  als  solches  be- 
zeichnet. Nach  der  üblichen  Weltära  (550S)  ergäbe  dies  das  Jahr  855  und 
demgemäß  wurde  z.  B.  von  Lamauskij  u.  a.  dieses  Jahr  als  das  Entstehungs- 
jahr  angenommen.  Doch  die  Rechnung  nach  der  Weltära  5500  ermöglicht  es, 
auch  bei  Chrabrx  die  Jahreszahl  S63  zu  finden  und  dieser  Berechnung  stimmt 
diesmal  der  Verf.  ausdrücklich  zu  S.  14). 


204  Kritischer  Anzeiger. 

Eine  gewisse  Schwierigkeit  bildet  bekanntlich  die  Deutung  der  Reise 
der  beiden  slavischen  Missionäre  nach  Venedig,  worüber  die  Konstantin- 
legende so  ausführlich  berichtet.  Es  ist  nicht  recht  klar,  welchen  Zweck 
dieser  Aufenthalt  und  die  daselbst  stattgehabten  Disputationen  gehabt  haben. 
Prof.  W.  Novotny  (Ces.  cas.  histor.  XVII,  1911,  272fg.)  versuchte  die  Sache 
so  aufzuklären,  daß  die  Brüder  von  Venedig  aus  nach  Konstantinopel  sich 
begeben  wollten.  Der  Verf.  teilt  diese  Meinung  nicht  und  verweist  mit  Recht 
darauf,  daß  die  Reise  nicht  aus  Mähren,  sondern  aus  Westpannonien  unter- 
nommen wurde.  »Die  gastliche  Aufnahme,  die  sie  (die  beiden  Missionäre)  bei 
Kocel  fanden,  der  kurz  vorher  mit  Salzburg  sehr  enge  Beziehungen  hatte, 
widerspricht  entschieden  der  Annahme,  daß  sie  jetzt  noch  an  Konstantinopel 
gedacht  haben  und  nicht  vielmehr  an  die  nächste  Nachbarschaft,  also  etwa 
Aquileia  —  Venedig,  wo  nicht  Rom«  (S.  26). 

Von  Interesse  ist  es  auch  daraufhinzuweisen,  daß  die  ziemlich  scharfe 
Polemik  gegen  die  Jugendschrift  Prof.  Goetz'  > Geschichte  der  Slavenapostel 
Constantinus  und  Methodius«  (Gotha  1S97)  in  der  Ausdrucksweise  wohl  ge- 
mildert (vgl.  S.  33— 36,61),  in  der  Sache  jedoch  aufrecht  gebalten  wird.  Die  Er- 
klärung dafür  bringt  die  Anmerkung  auf  S.  61,  wo  auch  eine  briefliche  Mit- 
teilung Prof.  Götz'  selbst  zitiert  wird,  worin  derselbe  ohne  weiteres  zugibt,  in 
seiner  »Geschichte  der  Slavenapostel«  ohne  genügende  Ausrüstung  einen 
sehr  schwankenden  Grund  betreten  zu  haben. 

Auf  S.  41—42  lesen  wir  einen  Zusatz,  welcher  den  in  der  slavischen 
Vita  Methodii  enthaltenen  Brief  des  Papstes  Hadrian  IL  betrifft.  Prof.  Von- 
dräk  ist  bekanntlich  der  Ansicht,  daß  dieser  Brief  nicht  authentisch  ist  [vgl. 
Bd.  XX,  141  fg.  dieser  Zeitschr.).  In  der  vorliegenden  Auflage  wird  nun  eine 
Mitteilung  Prof.  Vondräk's  zum  Abdruck  gebracht,  aus  welcher  hervorgeht, 
daß  er  nicht  so  weit  gehen  möchte,  dem  Urheber  der  Legende  (das  ist  nach 
seiner  Ansicht  bekanntlich  —  Klemens)  eine  absichtliche  Fälschung  zuzu- 
schreiben, sondern  eher  an  eine  verschiedene  Darstellung  denkt,  bei  welcher 
unwillkürlich  Gedanken  aus  dem  Briefe  Johanns  VIII.  vom  Jahre  880  einge- 
flochten wurden.  Der  Verf.  fand  keinen  Anlaß,  zu  dieser  mildernden  Auf- 
fassung Stellung  zu  nehmen.  Dagegen  widerlegt  der  Verf.  den  hauptsäch- 
lichsten Grund,  welchen  Dr.  Fr.  Hybl  (Ges.  cas.  bist.  XIV,  1908)  gegen  die 
Echtheit  des  Briefes  Hadrians  II.  ins  Feld  geführt  hatte,  mit  folgenden  Er- 
wägungen: »Er  (Dr.  Hybl)  findet  hauptsächlich  Anstoß  daran,  daß  in  diesem 
Brief  die  Bewilligung ,  die  Messe  in  slavischer  Sprache  zu  lesen,  nicht  aus- 
drücklich ausgesprochen  sei.  Mir  scheint  im  Gegenteil  gerade  darin  ein  Be- 
weis der  Echtheit  eines  solchen  Briefes  (wohl  nicht  in  wörtlicher  Wiedergabe, 
sondern  nur  seinem  wesentlichen  Inhalte  nach)  zu  liegen.  Der  Papst  hielt 
sich  an  die  uns  auch  sonst  bekannte  Tatsache,  daß  Methodius  nach  dem 
leuchtenden  Beispiele  seines  verstorbenen  Bruders  mit  der  Übersetzung  und 
auf  Grund  derselben  mit  der  Erklärung  aller  auf  den  gottesdienstlichen  und 
rituellen  Brauch  bezugnehmenden  Schriften  in  die  slavische  Sprache  mit 
Billigung  des  Papstes  beschäftigt  war.  Der  Zweck  dieser  Tätigkeit  wird  aus- 
drücklich auf  die  Ausübung  der  Messe  und  des  Taufritus  ausgedehnt.  Nur 
bezüglich  der  Messe  folgt  die  Einschränkung,  die  durchaus  nicht  gerade  aus 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    205 

der  gleichen  Einschvänkuug  des  Papstes  Johannes  VIII.  herübergenommen 
sein  muß.  Hätte  ein  Fälscher,  der  offenbar  diesen  Brief  zugunsten  der  slavi- 
schen  Liturgie  fabriziert  hätte,  so  vorsichtig,  mit  solchen  Klauseln,  die  Auße- 
rimg des  Papstes  ausgestattet?  Nein,  gerade  die  Zurückhaltung  in  der 
Sprache  dieses  Briefes  gegenüber  einer  neuen,  weite,  noch  unbekannte  Fol- 
gen in  sich  enthaltenden  Tatsache  spricht  stark  für  die  Echtheit  des  Briefes 
in  seinem  wesentlichen  Inhalt«  (S.  42). 

Die  sogenannte  pannonische  Legende  vom  hl.  Method  spricht  bekannt- 
lich von  einem  »mährischen  König«,  der  Zeuge  war  des  Streites  zwischen 
Methodius  und  den  deutschen  Bischöfen.  Man  nahm  vielfach  an,  daß  dabei 
an  König  Ludwig  den  Deutschen  zu  denken  sei  (Dümmler,  Dudik,  Goetz  u.a.). 
Der  Verf.  pflichtet  dagegen  der  Ansicht  bei,  daß  der  »mährische  König«  nie- 
mand anderes  als  Svetoplxkx  sein  könne,  wie  dies  schon  Racki  angenommen 
und  in  neuerer  Zeit  besonders  B.  Bretholz  (Mitteilungen  des  Instituts  für 
österr.  Geschichtsforschung,  Bd.  XVI,  1895,  342  fg.)  dargelegt  hat,  welcher 
Deutung  ich  (Dejiny  slov.  ap.,  101)  und  auch  Prof.  W.  Novotny  (Ceske  dejiny 
I,  348)  zustimmte. 

Ein  schwerwiegendes  Ereignis  im  Leben  Methods  bildet  das  im  Jahre  879 
von  Papst  Johann  VIII.  erlassene  und  durch  den  Legaten  Paulus  von  Ancona 
überbrachte  Verbot,  die  Messe  in  slavischer  Sprache  zu  lesen.  So  sicher  es 
ist,  daß  dieses  Verbot  dem  Methodius  eingehändigt  wurde,  ebensowenig  kann 
bezweifelt  werden,  daß  dieser  dem  Befehle  des  Papstes  nicht  nachkommen 
konnte.  Von  Seiten  der  katholischen  Kirchenhistoriker  werden  immer  wieder 
Versuche  unternommen,  dieses  Verhalten  Methods  zu  rechtfertigen,  allerdings 
mit  wenig  Erfolg.  Die  älteren  Ausführungen  Racki's  (Viek  i  djel.  299)  wies 
der  Verf.  schon  in  der  ersten  Auflage  zurück,  während  die  Ansichten  von 
Fr.  Snopek  (List.  pap.  Hadriana  IL,  Olmütz  1896)  einfach  verzeichnet  wurden. 
Das  letztere  geschieht  diesmal  mit  dem  neuesten  Versuch  Dr.  S.  Ritigs  (Povijest 
i  pravo  slovenstine  u  crkv.  bogosl..  Agram  1910),  der  das  Verhalten  Methods 
gegenüber  dem  Befehle  des  Papstes  Johannes  VIII.  auf  das  jus  remonstrantiae 
zurückzuführen  sucht. 

Eine  wichtige  Tatsache  wird  auf  S.  57  und  besonders  S.  64 — 65,  68  hinzu- 
gefügt, nämlich  die  von  Erich  Caspar  (Studien  zum  Register  Johannes  VIII. , 
im  NA.  der  Ges.  für  alt.  d.  Geschichtskunde,  XXXVI,  1910,  S.  79—156)  erfolg- 
reich durchgeführte  Beweisführung,  daß  die  im  XL  Jahrhundert  in  Monte 
Cassino  gemachte  Abschrift  der  päpstlichen  Regesten,  worin  bekanntlich  auch 
der  Brief  vom  Jahre  8S0  enthalten  ist,  das  Originalregister  der  Briefe  Jo- 
hannes VIII.  als  ihre  Vorlage  voraussetzt.  Die  Zweifel  an  der  Echtheit  dieses 
päpstlichen  Dokumentes  (jetzt  abgedruckt  MS.  Epp.  t.  VII,  222  n.  255),  das 
die  feierliche  Anerkennung  der  slavischen  Liturgie  ausspricht,  dürften  nun 
verstummen.  Vgl.  auch  die  zustimmenden  Äußerungen  der  böhmischen  Histo- 
riker Prof.  Novotny  (Gas.  pro  mod.  filol.  I,  1911,  74—75)  und  Prof.  K.  Krofta 
(Ges.  cas.  hist.,  XVIL  1911,  257). 

Beachtenswert  ist  die  Berichtigung  auf  S.  65,  welche  sich  auf  die  Worte 
desselben  päpstlichen  Briefes  vom  Jahre  880  bezieht,  wie  man  sie  früher  all- 
gemein las:  coram  positis  fratribus  vestris.    Von  diesem  Wortlaut  ging  auch 


206  Kritischer  Anzeiger. 

der  Verf.  in  der  ersten  Auflage  aus.  Nun  zeigte  es  sich ,  daß  diese  Lesart 
nicht  richtig  ist.  Deshalb  die  notwendige  Berichtigung.  »Da  in  dem  Original 
nicht  fratribus  vestris,  sondern  fratribus  nostris  steht,  so  entfallen  alle  Kom- 
binationen darüber,  wer  von  den  dem  Methodius  nahegestandenen  Bischöfen 
oder  aus  den  mit  ihm  benachbarten  Gegenden  dabei  hätte  sein  können.  Es 
sind  wohl  hauptsächlich  römische  und  italienische  Bischöfe  gemeint  gewesen, 
möglicherweise  allerdings  auch  der  Erzbischof  von  Salzburg ,  wie  es  Racki 
(V.  i  d.  329)  vermutete«. 

Mehrfache  Änderungen  erfuhr  der  Abschnitt,  welcher  von  der  Taufe 
Borivojs  durch  Methodius  handelt  (S.  70 — 73).  Zunächst  wurde  das  Zitat  aus 
Marignola,  als  historisch  wertlos,  ausgeschieden  und  nur  die  Darstellung  be- 
lassen, welche  die  mährische  Legende  bietet,  wobei  ausdrücklich  bemerkt 
wird,  daß  diese  Quelle  nach  den  Forschungen  Prof.Pekars  als  älter  anzusetzen 
sei  (in  die  zweite  Hälfte  des  XIL,  spätestens  in  die  erste  Hälfte  des  XIIL  Jahr- 
hunderts), als  Dobrovsky  meinte  (ins  XIV.  Jahrhundert).  Dazu  kam  nun  die 
Christianlegende,  als  neu  erforschte  Quelle,  die  von  Prof  Pekar  für  älter  als 
Kosmas  erklärt  und  ins  X.  Jahrhundert  versetzt  wird  (vgl.  dessen  aus- 
führliche Abhandlung:  Die  Wenzels-  und  Ludmilalegenden  und  die  Echt- 
heit Christians.  Prag  1906).  Der  Verf  billigt  allerdings  diese  Chronologie 
nicht,  sondern  findet,  daß  die  »Ausschmückung  im  Gegensatz  zur  schlichteren 
Darstellung  in  der  mährischen  Legende,  der  auch  die  Translatio  bekannt  ist, 
wofür  Christian  ganz  kuriose  Dinge  erzähle,  nicht  für  das  von  Prof  Pekar  der 
Legende  Christians  zugeschriebene  sehr  hohe  Alter  (X.  Jahrhundert)  spreche« 
(S.  71).  Vgl.  auch  die  Anmerkung  auf  S.  103.  Die  merkwürdige  Nachricht 
des  sogenannten  Dalimil  —  diese  altböhmische  Eeimchronik  stammt  bekannt- 
lich aus  den  Jahren  1308—1318  —  blieb  auch  in  der  neuen  Auflage  ohne 
Änderung.  Dagegen  schließt  der  ganze  Abschnitt  mit  folgenden  Worten, 
die  neu  hinzugefügt  sind:  >Die  neiiesten  Geschichtsschreiber  verhalten  sich 
zur  Frage  über  die  Taufe  Borivojs  verschieden.  Neben  Wattenbach  und 
Dümmler,  die  entschieden  dafür  waren,  sind  die  neueren  deutschen  Geschichts- 
schreiber dagegen,  während  die  slavischen  durchwegs  an  der  Darstellung  der 
böhmischen  Quellen  und  der  slavischen  Wenzelslegende  festhalten.  Vgl.  die 
Übersicht  der  einschlägigen  Literatur  bei  Pekar  S.  2u0 — 2U4  und  V.  Novotny 
I,  1,  S.  381 — 385.  Die  Nichterwähnung  Borivojs  in  der  Vita  Methodii  ist  zwar 
auffallend,  die  Taufe  könnte  aber  als  eine  intime  Sache,  die  sich  am  Hofe 
Svatopluks  abspielte,  aufgefaßt  worden  sein,  wovon  man  als  einem  einzelnen 
Akte  nicht  gerade  Erwähnung  machen  mußte«  (S.  73).  Aus  dieser  Schluß- 
bemerkung scheint  hervorzugehen,  daß  der  Verf.  nicht  mehr  so  starr  an  dem 
ablehnenden  Standpunkt  der  ersten  Auflage  festhält. 

Die  Nachricht  der  slavischen  Vita  Methodii  von  einer  Reise  des  Apostels 
zum  Kaiser  (nach  Koustantinopel)  wird  jetzt  allgemein  als  geschichtlich  an- 
genommen. Vgl.  die  Zustimmung  bei  Dr.  Hybl  (Ces.  cas.  bist.  XIV,  S.  409 — 
412),  bei  Prof.  Jirecek  (Gesch.  d.  Serben.  I,  1911,  176)  u.  a. 

Einen  bezeichnenden  Satz  lesen  wir  als  Zusatz  im  Text  auf  S.  81: 
»Brückner  lacht  sie  aus«.  Nämlich  die  Erzählung  der  Legende  von  dem  Zu- 
sammentreffen Methods  mit  den  Magyaren  an  der  Donau,  dessen  Möglichkeit 


Jagic,  Entstehungsgeach.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    207 

hervorragende  Historiker,  wie  Dümmler  (Meth.  198)  nnd  Racki  (Viek  i  djel. 
361 — 362),  zugaben.  Auch  der  Verf.  verzeichnet  die  Nachricht,  ohne  an  ihrer 
Tatsächlichkeit  zu  zweifeln.  Der  Standpunkt  Prof.  Brückners  ist  bekanntlich 
ein  anderer.  Seine  Beurteilung  der  slavischen  Legenden  als  historischer 
Quellen  ist  in  vielen  Punkten  grundsätzlich  ablehnend.  Der  obige  Satz  zeigt, 
wie  scharf  der  Gegensatz  zwischen  den  Ansichten  des  Verf.  und  denen  Prof. 
Brückners  in  dieser  Beziehung  ist.  Es  ist  unter  solchen  Umständen  begreif- 
lich, daß  der  Verf  sich  nicht  entschließen  konnte,  in  die  Neuauflage  seiner 
> Entstehungsgeschichte <  eine  fortlaufende  Polemik  gegen  die  einzelnen  im 
XXVIII.  Bd.  dieser  Zeitschr.,  S.  186— 229,  veröffentlichten  »Thesen«  Prof. 
Brückners  aufzunehmen.  Soviel  ich  merke,  wird  weder  früher  noch  später 
von  Prof  Brückner  im  Texte  gesprochen.  Eine  Erklärung  dafür  geben  einer- 
seits die  Worte  der  Vorrede:  »Innerhalb  der  zwölf  Jahre,  seit  dem  Erscheinen 
derselben  (der  ersten  Ausgabe  der  vorliegenden  Schrift),  sind  allerlei  neue, 
nicht  nur  mit  meiner  Darstellung,  sondern  auch  untereinander  kaum  verein- 
bare Ansichten  laut  geworden,  deren  Bekämpfung  und  Widerlegung  mir 
widerstrebte«  (S.  VII) ,  anderseits  die  Anmerkung  auf  S.  94,  in  welcher  es 
heißt:  »Die  Thesen  Brückners  stehen  bei  allem  Scharfsinn  seiner  Kritik  dieser 
merkwürdigen  Kulturerscheinung  gegenüber  auf  einem  Standpunkte,  den  ich 
nicht  teilen  kann.  In  die  Polemik  sich  einzulassen,  wäre  um  so  weniger  an- 
gezeigt, als  ja  unsere  beiden  Standpunkte  ganz  unvereinbar  sind.« 

Mehrfache  Änderungen  erfuhr  der  Abschnitt  (S.  81 — 83),  welcher  über  die 
Nachricht  der  slavischen  Legende  handelt,  daß  Method  mit  Hilfe  zweier  schnell- 
schreibender Priester  »alle  Bücher«  (sc.  der  heil.  Schrift)  »mit  Ausnahme  der 
Makkabäer  aus  der  griechischen  Sprache  in  die  slavische  im  Verlaufe  von 
sechs  Monaten«  übersetzt  habe.  In  der  ersten  Ausgabe  stand  der  Verf  auf  dem 
Standpunkt,  daß  »diese  Notiz  im  vollen  Wortlaute  gewiß  nicht  genau  sei«, 
und  daß  man  »bei  den  sehr  ungenauen  Resultaten  der  bisherigen  Forschungen 
nicht  den  Eindruck  gewinne,  daß  gerade  das  ganze  Alte  und  Neue  Testament 
zu  Methods  Zeiten  bereits  übersetzt  war,  oder  daß  Method  das  ganze  Alte 
Testament  übersetzt  habe«;  »viel  wahrscheinlicher  klinge  es,  zu  sagen,  daß 
Methodius  entweder  bloß  das  sogenannte  Parömienbuch  übersetzte,  worin 
Lektionen  des  Alten  Testamentes  aus  verschiedenen  Büchern  enthalten  sind, 
oder  etwa  die  Hauptteile  des  Alten  Testamentes,  z.  B.  den  Pentateuch  oder 
die  Propheten«.  Es  darf  als  erfreuliches  Ergebnis  der  Spezialforschungen 
über  einzelne  Bücher  des  Alten  Testamentes,  worüber  später  (im  lexikalischen 
Teile)  gehandelt  wird,  gelten,  daß  der  Verf  diese  Ansichten  vielfach  geändert 
hat.  Der  gegenwärtige  Standpunkt  des  Verf.s  ließe  sich  etwa  folgendermaßen 
definieren.  Die  Nachricht  der  Legende,  daß  Konstantin  in  Gemeinschaft  mit 
Methodius  zunächst  das  Evangelium,  den  Apostolus,  den  Psalter  und  eine 
Auswahl  der  Kirchenoffizien  übersetzte,  dürfte  wohl  richtig  sein.  Als  sehr 
wahrscheinlich  kann  weiter  angenommen  werden,  daß  darauf,  gewissermaßen 
als  weitere  Etappe  in  der  Übersetzungstätigkeit,  das  sogenannte  Parömien- 
buch, worin  Lektionen  des  Alten  Testamentes  aus  verschiedenen  Büchern 
enthalten  sind,  sei  es  von  Konstantin,  sei  es  von  Methodius,  aber  in  seinen 
früheren  Jahren,  übersetzt  wurde.    Den  Abschluß  des  Werkes,  der  in  den 


208  Kritischer  Anzeiger. 

letzten  Lebensabschnitt  des  Methodius  fiel,  bildete  dann  die  Übersetzung  der 
Hauptteile  des  Alten  Testamentes.  Das  Ergebnis  dieser  eifrigen  Tätigkeit 
war  somit,  daß  im  großen  und  ganzen  die  Übersetzung  der  Bibel  schon  zu 
Lebzeiten  des  Methodius  zu  Ende  geführt  wurde.  Vgl.  jetzt  die  Ausführungen 
von  Prof.  Resetar  (Bd.  XXXIV,  234  fg.  dieser  Zeitschr.)  und  von  Dr.  Vajs 
(ebd.  483fg.).  Mit  der  weiteren  Notiz  der  Legende,  daß  Method  (gegen  das 
Ende  seines  Lebens)  auch  den  Nomokanon  und  den  Paterik  übersetzt  habe, 
kann  man  sich,  sagt  der  Verf.,  ganz  einverstanden  erklären.  In  bezug  auf  den 
Nomokanen  sind  keine  neueren  Forschungen  zu  verzeichnen.  Dagegen  hat 
Prof.  Sobolevskij  (Sbornik  LXXXVIII,  Beil.  Nr.  3, 1910,  S.  1 1 1)  die  Vermutung 
ausgesprochen,  daß  unter  denOttcBskyje  k-Lnigy  derLegende  der  sogenannte 
Paterik  rimskij  (Besedy  papy  Grigorija  Velikago)  zu  verstehen  sei.  Doch 
fehlen  noch  nähere  Untersuchungen,  um  diese  Annahme  zu  stützen.  Diese 
ganze  Frage  liegt,  sagt  der  Verf.,  noch  sehr  im  Dunkeln,  wie  auch  die  Frage 
nach  den  griechischen  ra  naxeniy.ä  (Krumbacher,  Byz.  Literaturgesch.2  188). 

Eine  vielseitige  Beachtung  beanspruchen  die  Kijever  Blätter,  welche 
der  Verf.  mit  Recht  als  einen  sicheren ,  sehr  alten  Beleg  dafür  ansieht,  daß 
entweder  Method  selbst,  oder  die  zunächst  auf  ihn  folgende  Zeit  bereit  war, 
den  ganzen  Ritus  der  römischen  Kirche  entsprechend  einzurichten  (S.  88). 
Gegenüber  den  zuletzt  namentlich  von  Prof.  Vondräk  (0  püvodu  Kijevskych 
listü,  Prag  1904)  und  Prof.  Sobolevskij  (zuletzt  in  Sbornik  a.  a.  0.  S.  üOfg.) 
vertretenen  Theorien  über  Ursprung  und  Schicksale  dieser  Fragmente  beharrt 
der  Verf.  auf  seinen  mehrmals  dargelegten  Ansichten,  daß  die  jetzige  Form 
der  Bruchstücke  mährischen  Einfluß  verrate,  während  die  erste  aus  dem 
Lateinischen  geflossene  Übersetzung  des  Werkes  weiter  unten  im  Süden,  im 
Bereich  der  pannonischen  Slovenen  oder  Kroaten  entstanden  sei  (S.  89).  Die 
Einbeziehung  der  »Kroaten«  ist  hier  neu.  Vgl.  die  betreffende  Stelle  im 
XXIV.  Bd.  dieser  Zeitschr.,  S.  263.  Ohne  Zweifel  richtig  ist  ferner  die  Be- 
merkung, daß  die  Kijever  Blätter  ein  Beweis  seien  für  die  schon  in  jener  alten 
Zeit  (IX. — X.  Jahrhundert)  bestehende  Existenz  der  Laute  c,  z  im  Altmähri- 
schen, und  daß  an  dieser  Tatsache  die  Theorien  Prof.  Vondraks  nichts  zu 
ändern  vermögen  (S.  218),  Später  formuliert  der  Verf. —  man  sieht  eben, 
welche  überaus  wichtige  Rolle  diese  Blätter  spielen  —  seine  Meinung  noch- 
mals in  folgendem  Zusatz:  »Auf  der  Balkanhalbinsel  ist  für  dieses  Denkmal 
sowohl  sprachlich  wie  auch  inhaltlich  kaum  so  leicht  einen  Platz  zu  finden, 
wo  man  es  unterbringen  sollte.  Sprachlich  läßt  es  sich  von  dem  böhmisch- 
mährisch-slovakischen  Sprachgebiet  nicht  leicht  trennen.  Inhaltlich  ist  es 
ein  Bruchstück  eines  auf  lateinischer  Vorlage  beruhenden  Sakramentariums, 
dessen  Übersetzung  außerhalb  des  alten  Schauplatzes  der  slavischen  Liturgie 
(Mähren-Pannonien)  nur  noch  in  Böhmen  im  Norden  und  in  Kroatien  im  Süden 
hat  stattfinden  können«  (S.  24(i). 

Der  Brief  des  Papstes  Stephanus  V.  (vom  Jahre  885,  von  "Wattenbach  in 
Heiligenkreuz  entdeckt)  verursacht  bekanntlich  große  Schwierigkeit.  Der 
Verf.  nahm  in  der  ersten  Auflage  den  Standpunkt  ein,  daß  dieser  Brief  in 
seinem  Inhalte  verdächtig  ist.  In  der  vorliegenden  Neuauflage  wird  dieser 
Standpunkt  festgehalten,  insbesondere  gegenüber  Dr.  Hybl  (Ges.  fcas.  bist. 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kircheuslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    209 

XIV,  190S),  und  außerdem  durch  den  Hinweis  unterstützt,  daß  der  Brief  nach 
dem  echten  Dokumente  vom  Jahre  880  verfaßt  wurde  (S.  9J,  93),  wobei  auf 
die  zu  gleichem  Resultate  führenden,  jedoch  von  anderen  Erwägungen  aus- 
gehenden Erörterungen  Dr.  Eitigs  (a.  a.  0.  S.  Iü2;  hingewiesen  wird.  Mit 
Nachdruck  wird  ferner  hervorgehoben  (S.  90,  911,  daß  der  Brief  den  Methodius 
noch  am  Leben  voraussetzt,  obwohl  er  faktisch  schon  tot  war.  Auf  die  Worte : 
Anathema  vero  pro  contemnenda  catholica  fide  qui  indixit,  in  caput  redun- 
dabit  eins,  legt  der  Verf.  nun  weniger  Wert,  da  die  Kirchenhistoriker  erklären, 
so  was  könnte  auch  vom  toten  Methodius  ausgesagt  werden  (Eitig  a.  a.  0. 
S.  100). 

Sehr  bald  nach  dem  Tode  Methods  begann  die  Leidensgeschichte  seiner 
Jünger.  In  Übereinstimmung  mit  Eacki  (V.  id.  371)  setzt  der  Verf.  dafür 
das  Jahr  8S6  an  und  diese  Zeitbestimmung  findet  nun  eine  Bestätigung  in  der 
Vita  des  heil.  Naum  von  Ochrid,  welche  Prof.  Lavrov  ans  Licht  gebracht  hat 
(Izvestija  XII,  1907,  Heft  4,  S.  1—51).  Die  Nachrichten  dieser  neuen  Quelle 
werden  sorgfältig  verzeichnet  (S.  96). 

Die  grundlegende  Bedeutung  der  slavischen  Legende  vom  heil.  Wenzel 
für  die  Geschichte  der  slavischen  Liturgie  in  Böhmen  war  bereits  in  der  ersten 
Auflage  richtig  gewürdigt.  Die  auf  S.  102—103  (Anm.)  besprochene  neuere 
Literatur  über  diese  Legende  vermochte  die  Darstellung  im  Texte  nicht  zu 
ändern. 

Über  die  Chronologie  der  ersten  christlichen  Fürsten  von  Bulgarien  und 
der  Wirksamkeit  des  nachmaligen  Bischofs  von  Velika,  Klemens,  gibt  jetzt 
Aufschluß  eine  längere  Anmerkung  auf  S.  113 — 114,  welche  von  Prof.  Zlatarskl 
herrührt.  Daraus  ergibt  sich,  daß  Klemens  schon  um  das  Jahr  885 — 886  seine 
Lehr-  und  Missionstätigkeit  in  der  mazedonischen  Gegend,  die  Kutmicevica 
hieß,  begonnen  hatte.  Wenn  diese  Zeitbestimmung,  gegen  welche  der  Verf. 
Bedenken  hat,  richtig  ist,  dann  muß  man  die  Vertreibung  der  Jünger  aus 
Mähren  unmittelbar  nach  dem  Tode  des  Methodius  (6.  April  885)  ansetzen. 
Klemens  wird  bekanntlich  als  Autor  mehrerer  Homilien  »episkopt  slovenBskx« 
genannt;  darauf  gründet  der  Verf.  die  ansprechende  Vermutung,  daß  der  in 
der  griechischen  Kiemensiegende  vorkommende  Ausdruck  ßovlytcqo)  ylwaat, 
ein  Ersatz  sei  für  das  ursprünglichere,  ältere  ad^Xoßeyixiö  (S.  116).  Was  die 
Sprache  der  zum  größten  Teile  erhaltenen  Werke  Klemens'  betrifft,  so  ist  von 
Wichtigkeit  zu  betonen,  daß  sie  >mit  den  ältesten  Texten  des  Neuen  Testa- 
mentes identisch«  ist.  Als  Beleg  führt  nun  der  Verf.  mehrere  Ausdrücke  aus 
den  von  Prof.  Stojanovic  (Sbornik  LXXX,  Nr.  1)  veröffentlichten  Homilien, 
die  dem  ältesten  kirchenslavischen  Wortvorrat  angehören  (S.  119).  Daß 
Klemens  die  glagolitische  Schrift  in  Mazedonien  durch  die  cyrillische  ersetzt 
hätte,  ist  wenig  wahrscheinlich  und  kann  durch  die  spätere,  wenig  verläßliche 
Legende  nicht  glaubhaft  gemacht  werden.  Auch  die  Entdeckung  einer  cyril- 
lischen Inschrift  am  Ostufer  des  Sees  von  Prespa  im  westlichen  Mazedonien, 
die  das  genaue  Datum  993  trägt  (vgl.  Bd.  XXI,  S.  543 — 557  dieser  Zeitschr.), 
kann,  wie  der  Verf.  hier  mit  Nachdruck  betont  (S.  124;,  nicht  zum  Beweise 
dienen,  daß  um  jene  Zeit  die  cyrillische  Schrift  in  Mazedonien  die  herrschende 
war.    Ihre  Verwendung  auf  dem  Grabsteine,  den  der  bulgarische  Zar  Samuel 

Archiv  für  slavische  Philologie.   XXXV.  14 


210  Kritischer  Anzeiger. 

seinem  Vater  Nikola,  seiner  Mutter  und  seinem  Bruder  aufgestellt  hat,  bringt 
der  Verf.  mit  dem  Gebrauch  der  Unzialschrift  in  Parallele,  neben  welcher  in 
Büchern  die  glagolitische  Schrift,  gleichsam  als  die  Minuskel  angewendet 
wurde  [ebd.). 

Über  die  Verbreitung  der  glagolitischen  Schrift  bis  nach  dem  nördlichen 
Rußland  bietet  nun  die  Entdeckung  der  glagolitischen  Inschrift  in  der  Sophien- 
kathedrale von  Alt-Novgorod  sichere  Beweise  [vgl.  V.  Scepkin,  Novgor.  nad- 
pisi  Grafitti.  Moskva  1902;.  Weitere  Belege  für  glagolitische  Einstreuungen 
in  cyrillischen  Handschriften  fand  Prof.  Lavrov  (S.  127).  Auch  der  Münch 
Chrabrt  dürfte  insbesondere,  wenn  er  in  Mazedonien  lebte,  die  glagolitische 
Schrift  vor  Augen  gehabt  haben  (S.  129). 

Die  Anpassung  der  ursprünglichen  slavischen  Texte  an  lateinische  Vor- 
lagen in  Kroatien  geschah  frühzeitig.  »Wenigstens  betreffs  des  Psalters  hat 
Valjavec  (Rad,  Bd.  98 — 100)  den  Nachweis  geliefert,  daß  die  Hauptände- 
rungen, die  nach  der  lateinischen  Vorlage  fVulgata)  gemacht  wurden,  einem 
Anonymus  aus  recht  alter  Zeit  zuzuschreiben  sind«  (S.  137).  Diese  Ände- 
rungen blieben  dann  in  allen  späteren  Abschriften  stehen. 

Zu  Gunsten  des  hohen  Alters  der  glagolitischen  Schrift  pflegte  man  sich 
früher  allgemein,  insbesondere  seit  Dobner  dieses  aus  Assemani  geholte  Ar- 
gument zur  Geltung  brachte,  auf  den  angeblichen  Schreiber  eines  glagoliti- 
schen Psalters  vom  Jahre  1222,  namens  Nicolaus  Arbensis,  zu  berufen.  Nun- 
mehr wissen  wir  aus  der  Abhandlung  des  Verfassers  (vgl.  Bd.  XXXIII  dieser 
Zeitschr.),  daß  dies  alles  eine  Fälschung  war,  und  deshalb  scheidet  dieser 
Name  wohl  für  immer  aus  der  Diskussion  über  den  kroatischen  Glagolitis- 
mus  ;S.  139). 

Dobrovskys  und  Kopitars  Ansichten  über  die  hier  behandelten  Fragen 
waren  bereits  in  der  ersten  Ausgabe  auf  Grund  ihrer  umfangreichen  und 
äußerst  gehaltvollen  Korrespondenz  erschöpfend  dargelegt  worden.  Es  fehlte 
jeder  Anlaß,  an  diesem  von  berufenster  Hand  entworfenen  Bilde  Änderungen 
anzubringen.  So  finden  wir  denn  in  der  Neuauflage  nur  einzelne,  sozusagen 
feiner  abgeschliffene  Wendungen,  welche  frühere,  etwas  schärfer  gefaßte  Ur- 
teile mildern.  So  z.  B.  las  man  im  Anschluß  an  den  Wunsch  Dobrovskys,^ 
die  orthodoxen  Serben  mögen  sich  ermannen  und  etwas  für  die  kirchen- 
slavische  Sprache  tun,  den  tadelnden  Satz  des  Verfs:  »Ich  brauche  nicht  hin- 
zuzufügen, weil  es  bekannt  ist,  daß  der  Wunsch  Dobrovskys  bis  auf  den 
heutigen  Tag  nicht  in  Erfüllung  ging«  (I,  75).  In  der  Neuauflage  lesen  wir 
jedoch  die  milden  Worte:  »Ich  brauche  nicht  hinzuzufügen,  weil  es  bekannt  ist, 
daß  der  Wunsch  Dobrovskys  nach  Maßgabe  der  bescheidenen  Kräfte  und 
Mittel  allmählich  in  Erfüllung  gebt«  (S.  142).  Ähnlich  gemildert  ist  das  urteil 
über  die  Vorarbeiten  zur  Geschichte  der  kirchenslavischen  Bibelübersetzung. 
Der  Verf.  anerkennt,  daß  Dobrovsky,  bei  ganz  beschränkten  Hilfsmitteln,  eine- 
solche  Arbeit,  wie  das  später  durch  Gorskij  und  Nevostrujev  geschah,  über- 
haupt nicht  hätte  leisten  können.  Anderseits  ist  der  scharfe  Tadel  über  die 
russischen  Leistungen,  die  auf  die  südslavischen  Vorbedingungen  entweder 
gar  nicht  (z.  B.  bei  Gorskij  und  Nevostrujev)  oder  nur  ungenügend  (z.  B.  bei 
Voskresenskij)  Rücksicht  nahmen  (I,  77),  abgeschwächt  und  lautet  jetzt  ganz. 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    211 

sanft:  »Allerdings  hätte  bei  ihm  (sc.  Dobrovsky) ,  wenn  er  überhaupt  diese 
Fragen  in  Angriff  genommen  hätte,  die  Bearbeitung  eine  andere  Gestalt  be- 
kommen, da  er  sich  nicht  so,  wie  Gorskij  und  Nevostrujev,  auf  die  Quellen 
russischer  Provenienz  beschränkt  hätte«  (S.  145).  Vgl.  auch  die  geänderte  Stili- 
sierung des  Satzes,  der  davon  sprach,  daß  »wir  in  den  letzten  dreißig  Jahren 
dieses  Jahrhunderts«  die  von  Safarik  geforderte  Vertiefung  »des  Studiums 
der  Übersetzungen  unseres  Cyrills  ehrlich  befolgt  haben«  (II,  19),  dahin,  daß 
nunmehr  ganz  allgemein  bemerkt  wird,  »man  habe  seit  jener  Zeit  (seit  Safarik) 
bis  auf  den  heutigen  Tag  die  genannte  Forderung  mit  mehr  oder  weniger 
Glück  und  Erfolg  befolgt«  (S.  191).  Als  einzige  Spezialarbeit  in  bezug  auf 
das  Verhältnis  zwischen  Dobrovsky  und  Kopitar  wird  Prof  N.  M.  Petrovskijs 
Abhandlung  verzeichnet  (Kopitar  i  Institutiones  Dobrovskago,  SPb.  1911), 
doch  ohne  Eingehen  auf  ihre  Einzelheiten  (S.  148),  Unter  den  Germanismen 
der  altkirchenslavischen  Sprache,  auf  deren  »Pannonität«  Kopitar  ein  so 
großes  Gewicht  legte,  ist  wichtig  das  Wort  *ci.n.ky;  ein  entsprechendes  got. 
*kirika  ist  nicht  belegt.  In  der  ersten  Auflage  (I,  Si)  beschränkte  sich  der 
Verf  auf  die  Feststellung  dieser  Tatsache.  Um  Mißverständnissen  vorzu- 
beugen wird  nun  ausdrücklich  anerkannt,  daß  ein  got.  *kirika  wohl  anzu- 
nehmen sei  (S.  15.!)).  Indessen  sind  die  Meinungen  über  diese  aus  dem  Ger- 
manischen entlehnten  Worte  geteilt,  wie  die  Abhandlung  Dr.  S.  Mladenovs 
(Starite  germ.  elementi  v  slavjanskite  ezici,  Sofia  1910)  und  auch  Prof.  Von- 
drüks  Äußerungen  (Aksl.  Gramm.2,  Berlin  1912)  zeigen.  Mit  den  Ergebnissen 
der  Untersuchung  Mladenovs  ist  der  Verf  nicht  immer  einverstanden  (S.  150), 
sie  lösen  noch  nicht  endgültig  die  Frage,  aus  welchen  Zeiten  die  Entlehnungen 
herrühren  (S.  176).  Der  Hinweis  auf  den  Versuch  Prof.  Vondraks  (Cas.  ces. 
mus.  1900,  29  fg.),  aus  dem  slavischen  Reflex  für  das  got.  5  ein  Kriterium  der 
Zeitbestimmung  abzuleiten ,  ist  in  der  Neuauflage  nicht  mehr  enthalten  (vgl. 
S.  176). 

Safafiks  Ansicht  über  die  Autoren  der  beiden  »pannonischen«  Legenden 
war  die,  daß  er  die  Vita  Constantini  zugleich  mit  der  Lobrede  dem  nach- 
maligen Bischof  Klemens  zuschrieb,  während  er  die  Vita  Methodii  für  das 
Werks  Gorazds  ansah.  Diese  letztere  Ansicht  wurde  meist  mit  Stillschweigen 
übergangen,  da  in  der  Tat  dafür  kein  Anhaltspunkt  vorhanden  sei,  sagte  der 
Verf.  in  der  ersten  Auflage  (II,  13),  unterdrückte  jedoch  diese  Bemerkung  in 
der  Neuauflage.  Was  die  erstere  Vermutung  Safariks  betrifft,  so  verzeichnet 
der  Verf  nunmehr  einfach ,  daß  Prof.  Lavrov  und  Prof.  Vondräk  dieselbe 
billigen  (die  zustimmende  Form  des  Ausdrucks  »mit  Erfolg  verfechten«  ist 
bei  Seite  geblieben),  wendet  sich  jedoch  gegen  die  Behauptung  der  genannten 
Forscher,  daß  demselben  Klemens  auch  die  Vita  Methodii  zuzuschreiben  sei 
(S.  180). 

Auf  einzelne  Unrichtigkeiten  in  den  ältesten  slavischen  Übersetzungen, 
die  eine  mangelhafte  Kenntnis  des  griechischen  Textes  verraten,  wurde  von  den 
Vertretern  der  pannonischen  Heimat  der  Sprache  (Kopitar,  Safarik)  ein  großes 
Gewicht  gelegt.  Der  Verf  führt  solche  Mißverständnisse  an,  bemerkt  jedoch, 
man  dürfe  ihnen  jedoch  keine  große  Bedeutung  beimessen,  zumal  sie  nicht 
gerade  von  Konstantin  oder  Method  herrühren  müßten  (S.  185).    Auch  die 

14* 


212  Ej-iÜBchef  Anzeiger. 

angebliche  Beeinflussung  durch  lateinische  Vorlagen,  die  Kopitar  im  Kalender 
des  Ostromir.  Ev.  entdeckte,  wird  zunächst  als  ungelöste  Frage  in  Schwebe 
gelassen  (S.  172,  184). 

Eine  beachtenswerte  Erklärung  über  die  ursprüngliche  Heimat  des 
Wortes  krhsH  wurde  auf  S.  203  eingeflochten.  Sie  lautet:  »Was  kp^ct-k  anbe- 
langt, so  ist  das  Wort,  von  ■/Q'-'^^ö;  abgeleitet,  in  doppelter  Bedeutung  als 
Kreuz  und  Taufe,  bei  den  Slaven  der  Balkanhalbinsel  wohl  schon  vor  dem 
Auftreten  der  Slavenapostel  bekannt  und  im  Gebrauch  gewesen.  Der  Aus- 
druck wird  den  beiden  Männern,  als  sie  ans  Werk  gingen,  noch  unten  in  ihrer 
Heimat  zur  Kenntnis  gekommen  und  von  ihnen  mit  der  Sprache  nach  Mähren 
gebracht  worden  sein.  Das  magyarische  kereszt  fand  in  gleicher  Weise  Auf- 
nahme nicht  erst  oben  im  Zentrum  oder  Westen  Pannoniens,  sondern  im  Süd- 
osten«. Es  mag  hier  bemerkt  werden,  daß  Prof.  Berneker,  offenbar  wegen  k 
und  5,  an  der  Entlehnung  des  Wortes  Kp^cr-h  aus  dem  Althochdeutschen  fest- 
hält (Slav.  etymol.  Wörterb.,  Lief.  8,  S.  634). 

Am  Schlüsse  der  Erörterungen  über  die  glagolitische  Schrift  (S.  209) 
verweist  der  Verf.  auf  sein  inzwischen  erschienenes,  großes  Werk:  Glagoli- 
ceskoje  pistmo,  im  3.  Hefte  der  Enzyklopädie  der  slavischen  Philologie 
(St.  Petersburg  1911),  wo  in  eingehendster  Weise:  1.  über  die  Erforschung 
des  Gegenstandes,  2.  über  die  erhaltenen  Denkmäler,  3.  über  die  paläogra- 
phische  Entwickelung  der  glagolitischen  Schrift  gehandelt  wird  (S.  51 — 262) 
und  wo  auf  36  Tafeln  alle  Erscheinungsformen  zur  Darstellung  gelangen. 
Aus  diesem  Werke  stammt  auch  die  Anmerkung  über  das  Verhältnis  Srez- 
nevskijs  zur  glagolitischen  Schrift  und  insbesondere  zu  den  glagolitischen 
Buchstaben  in  der  griechischen  Urkunde  vom  Jahre  982  (S.  243).  Auch  über 
eine  besondere  Abart  der  glagolitischen  Schrift,  die  man  als  bosnisch  bezeich- 
nen könnte,  bietet  das  genannte  Werk  nähere  Aufschlüsse  (S.  257). 

Zu  den  Belegen  und  Erklärungen  über  die  beiden  Ortsnamen  Pest  und 
Varazdin  bringt  die  neue  Auflage  beachtenswerte  Zusätze.  Betreffs  des 
ersteren  Namens  wird  auf  den  Nachweis  eines  ehemaligen  Ortsnamens  Pest 
bei  Ilok  inSyrmien,  außerdem  auf  die  weiteren  Bemerkungen  Dr.  Melichs 
(Bd.  XXXII,  S.  102-103  dieser  Zeitschr.)  und  Prof.  Äsböths  (Izv.  VII,  4, 
247 — 249)  verwiesen  (S.  221,  Anm.).  >Was  aber  den  Ortsnamen  Varazdin  an- 
belangt, so  ist  seine  Lautgruppe  zd  gar  nicht  slavisch,  da  die  magyarische 
Form  des  Namens  varasd  von  dem  bekannten  Substantiv  vcU-as  (jetzt  vüi-os) 
und  dem  Deminutivsuffix  d  abgeleitet  wird ;  der  Zusatz  m  rührt  von  der  lati- 
nisierten Form  Varasdinum  her  (vgl.  Bd.  XXXII,  S.  104  dieser  Zeitschr.).  Die 
Kajkroaten  sprechen  noch  heute  nicht  varos,  sondern  varas.<  So  lautet  jetzt 
die  Erklärung,  die  auf  S.  222  hinzugefügt  wurde.  Auf  die  abweichenden  An- 
sichten Prof.  Äsbüths  über  die  magyarischen  Eeflexe  des  slav.  st  im  Anlaute 
und  Inlaute  (Izv.  VII,  4,  249 — 261)  lenkt  'der  Verf.  später  nochmals  die  Auf- 
merksamkeit (S.  231). 

Als  ein  weiterer,  sehr  charakteristischer  Beleg  dafür,  daß  der  Verf.  jeg- 
liche Schärfe  der  Polemik,  die  in  der  ersten  Auflage  Platz  fand,  bei  der  neuen 
Umarbeitung  sorgfältig  beseitigte  (vgl.  das  oben  über  die  gegen  Prof.  Goetz 
gerichteten  Bemerkungen,  weiter  über  die  serbischeu  und  russischen  Arbeiten 


Jagic,  Eütstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    213 

Angeführte),  mag  gelten,  daß  der  gegen  (den  im  Texte  nicht  genannten!  Prof. 
Murko  (II,  40)  gemünzte  Passus  einfach  unterdrückt  wurde,  und  daß  in  der 
Neuauflage  ruhig  darauf  verwiesen  wird,  die  Auseinandersetzungen  desVerf  s, 
die  das  im  Jahre  1876  Vorgebrachte  wiederholten,  mit  den  späteren  Ansichten 
Dr.  Oblaks  (Bd.  XV,  S.  363  fg.  dieser  Zeitschr.,  aus  dem  Jahre  1893)  zu  ver- 
gleichen (S.  229). 

Einen  wichtigen  Beitrag  zur  Erforschung  des  Euchologium  Sinaiticum 
bringt  der  in  den  Text  eingeflochtene  Zusatz  auf  S.  252 — 253.  Es  wird  darin 
gezeigt,  daß  auch  »spätere  cyrillische  Texte  (in  diesem  Falle  serbischer  Re- 
daktion) mit  jenen  des  Euchologiums  auf  eine  uralte  Übersetzung,  auf  ein 
selbst  über  den  Text  des  Euchologiums  hinausgehendes  Prototypon  zurück- 
gehen, wobei  nur  gewisse  Änderungen  im  lexikalischen  Ausdruck  und  einigen 
grammatischen  Formen  vorkommen.«  Auf  die  Belege  folgt  eine  Probe  der 
Textvergleichung  dieser  aus  der  Grigorovicschen  Sammlung  des  Rumjancev- 
Museums  stammenden  Fragmente  mit  dem  Euchologium,  deren  Ergebnis  ist, 
daß  in  diesen  späten  Sprachdenkmälern  mancher  ursprüngliche  Ausdruck  und 
manche  richtigere  Lesart  sich  erhalten  hat.  Ähnliche  Gebete  aus  cyrillischen 
Handschriften  teilte  Prof.  Sobolevskij  mit  (Sbornik  LXXXVIII,  Nr.  3, 100—104). 
Auch  diese  sind  im  wesentlichen  mit  jenen  des  Euchologiums  identisch. 
Welche  Bedeutung  dem  Umstände  beizumessen  sei,  daß  diese  Texte  in  den 
betreffenden  Handschriften  hinter  den  aus  dem  Lateinischen  ins  Kirchen- 
slavische  übersetzten  Reden  des  Gregorius  Dialogus  stehen,  bedürfe  noch 
näherer  Prüfung  (S.  253). 

In  dem  Kapitel,  welches  über  »die  neuesten  Forschungen  des  Altkirchen- 
slavischen«  handelt  (S.  257 — 262)  werden  sorgfältig  die  Arbeiten  verzeichnet, 
die  im  Verlaufe  des  letzten  Dezeniums  erschienen  sind;  Prof.  Vondräks  Ab- 
handlung über  die  Kijever  und  Prager  Fragmente  (Prag  1904)  und  dessen 
Altkirchenslav.  Gramm,  in  2.  Aufl.  (Berlin  1912,  Weidmannsche  Buchh.),  Prof. 
Lavrovs  Studien  über  die  Werke  des  bulgarischen  Klemens  und  über  seinen 
Mitarbeiter  Naum  (Izv.  III,  VI,  XII),  Prof.  Sobolevskija  Veröffentlichungen 
über  Klemens,  Grigorij,  über  Texte,  die  auf  lateinischer  Grundlage  beruhen 
(Izv.  VIII— XI),  Prof.  Stojanovic'  über  Klemens  (Sbornik  LXXX)  u.  a.,  beson- 
ders die  Studien  über  mittelbulgarische  Sprachdenkmäler  Kulbakins,Iljinskijs, 
Conevs  u.  a.  Das  gleiche  geschieht  auch  im  folgenden,  der  Übersicht  »der 
Iexikalischen<  Erforschung  gewidmeten  Kapitel,  wobei  insbesondere  die 
neueren  Untersuchungen  von  J.  E.  Jevsejev  über  die  Propheten  Jesaias  und 
Daniel,  V.  Scepkins  über  die  Savvina  kniga,  V.  Pogorelovs  über  den  Psalter 
und  dessen  Kommentar  genannt  werden.  Daran  schließen  sich  im  Kap.  52 
allgemeine  Erörterungen  an,  die  dartun,  daß  schon  auf  dem  mährisch-panno- 
nischen  Boden  gewisse  lexikalische  Varianten  aufgetaucht  sind.  Doch  der 
Inhalt  dieser  drei  Kapitel  erfuhr  in  der  zweiten  Ausgabe  keine  wesentliche 
Änderung. 

Es  folgt  nun  als  53. Kapitel  (S.  270—281)  die  Charakteristik  der  altkirchen- 
slavischen  Sprache  nach  Lauten  und  Formen,  wobei  auch  die  Syntax  heran- 
gezogen wird,  zu  dem  Behufe,  um  ihren  mazedo-bulgarischen  Ursprung  dar- 
zutun.   Dieses  Kapitel  stimmt  mit  dem  58.  der  ersten  Auflage  im  wesentlichen 


214  Kritischer  Anzeiger. 

überein.  Doch  gibt  es  auch  beachtenswerte  Zusätze,  welche  Zeugnis  ablegen 
von  der  unermüdlichen  Aufmerksamkeit,  die  der  Verf.  allen  Erscheinungen 
auf  diesem  Gebiete  widmet.  Für  die  einheitliche  Aussprache  des  glagol.  A 
als  ä  im  Südostbulgarischen  bietet  jetzt  die  Studie  Prof.Miletics,  Die  Rhodope- 
mundarten  (Schriften  der  Balkankomm.  X,  Wien  1912),  reichhaltige  Belege; 
für  den  fortwährenden  Wechsel  zwischen  c  und  «0  die  Abhandlung  desselben 
Verfassers  Das  Ostbulgarische  (ebd.  II,  1903).  Im  Sinne  dieser  Forschungen 
wird  nun  die  Darstellung  des  Lautes  durch  Oblak  als  '^a  bei  Seite  gelassen 
(S.  272).  Mit  Rücksicht  auf  die  Ansichten  des  Prof.  Conevs  über  die  Alter- 
tümlichkeit des  Vokalismus  in  den  Rhodopemundarten  (Bxlgarski  Star.  I, 
28 — 31)  und  auf  die  vorerwähnte  Studie  Prof.  Miletics  wird  die  Reihe  der  laut- 
lichen Merkmale  um  die  beiden  Vokale  t.  und  i.  erweitert,  als  einer  Erschei- 
nung, welche  entschieden  nach  dem  Süden,  in  das  bulgarische  Sprachgebiet 
führt  (S.  273 — 274).  Bei  der  syntaktischen  Eigentümlichkeit,  die  sich  als 
dativus  adnominalis  äußert,  fügt  der  Verf.  einige  neue  Belege  hinzu,  welche 
ein  Schwanken  zwischen  Gen.  und  Dat.  dartun,  z.  B.  Matth.  13,  39  K'fHKHdNHt 
B-kKv>\-  Zg.,  aber  ßi-Ka  Mar.  (S.  280). 

»Der  letzte  Teil  des  Buches,  der  die  lexikalische  Charakteristik  der  alt- 
kirchenslavischen  Sprache  in  ihrem  ersten  und  ältesten  Entwickelungsstadium 
bietet,  wurde  für  die  neue  Ausgabe  einer  gründlichen  Umarbeitung  unter- 
zogen, die  jetzt  beinahe  die  Hälfte  des  Gesamtumfanges  (S.  281 — 479)  ein- 
nimmt und  hoffentlich  nicht  nur  eine  Erweiterung  nach  äußerem  Umfang, 
sondern  auch  eine  Vertiefung  in  die  Frage  selbst,  mit  neuen  aus  der  Verglei- 
chung  der  ältesten  Denkmäler  untereinander  sich  ergebenden  Beobachtungen 
und  Anregungen  gewährt.«  So  urteilt  der  Verf.  selbst  in  der  Vorrede  (S.  VIII 
über  die  gestellte  Aufgabe  und  ihre  Lösung. 

Wie  äußert  sich  die  Erweiterung,  wie  die  Vertiefung?  Bei  der  Analyse 
des  lexikalischen  Materials  blieb  der  Verf.  auch  in  der  neuen  Ausgabe  dem 
Grundsatze  treu,  zunächst  den  Wortvorrat  des  Neuen  Testaments  (der  Evan- 
gelien, der  Episteln  und  der  Apokalypse),  ferner  des  Psalters  ins  Auge  zu 
fassen  und  denselben  in  drei  Gruppen  zu  zerlegen.  Die  I.  Gruppe  umfaßt 
nunmehr:  »Abweichungen  bei  der  Ableitung  von  derselben  Wurzel«,  jetzt 
ungefähr  unter  124  (S.  282-299),  früher  unter  102  Stichworten  [S.  61— 63);  die 
II.  Gruppe:  »Unübersetzte  Ausdrücke  und  ihr  Ersatz«,  jetzt  ungefähr  unter 
129  (S.  299—322),  früher  als  III.  Gruppe  unter  124  Stichworten  (S.  69—70); 
die  III.  Gruppe:  »Abweichende  slavische  Ausdrücke  bei  der  Wiedergabe  des- 
selben griechischen  Wortes«,  jetzt  ungefähr  unter  38G  (S.  323 — 421),  früher  als 
II.  Gruppe  unter  309  Stichworten  (S.  63—68).  Die  Gesamtheit  der  Stich- 
worte war  demnach  früher  ungefähr  535  und  ist  jetzt  auf  ungefähr  640  ge- 
stiegen. Die  Vermehrung  äußert  sich  also  nicht  so  sehr  in  der  Zahl  der  neu 
aufgenommenen  Stichworte  (die  hauptsächlich  aus  Apostelgeschichte  und 
dem  Psalter  stammen) ,  obschon  auch  diese  Bereicherung  ansehnlich  ist,  als 
vielmehr  in  ihrer  ausführlichen  Bearbeitung,  in  der  genauen  und  vollständigen 
Anführung  der  Quellen,  in  zahlreichen  neuen  Belegen  und  Hinweisungen, 
ferner  in  Berichtigungen  aller  Art.  In  der  ersten  Ausgabe  waren  es  eben  zu- 
meist bloße  Stichworte  mit  literarischen  Hinweisungen,  die  einander  gegen- 


Jagic,  Entstehungsgescli.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    215 

übergestellt  waren;  diesmal  haben  wir  vor  uns  kleine  Abhandlungen  über 
jeden  einzelnen  Ausdruck,  über  sein  Vorkommen,  seine  Bedeutung  und  seine 
mutmaßliche  Provenienz,  mit  einem  Worte,  Grundlagen  eines  Speziallexikons 
der  ältesten  kirchenslavischen  Sprachechichten. 

Es  ist  nicht  leicht  möglich,  die  ganze  Fülle  der  in  diesem  fortlaufenden 
Kommentar  niedergelegten  neuen  Erklärungen  und  Bemerkungen  vorzu- 
führen. Ich  begnüge  mich,  ein  Bild  davon  in  der  Weise  zu  entwerfen,  indem 
ich  die  neue  Zutaten,  nach  gewissen  Gesichtspunkten  geordnet,  andeute. 

Als  neue  Stichworte  erscheinen  in  der  I.  Gruppe,  das  an  erster  Stelle 
angeführte  Wort  als  das  ursprüngliche  aufgefaßt:  Ke^aKonne  {at'o/jtec]  Ev.  Ap. : 
KtiaKöHtHKe ;  KAdroß'kcTOKdTH  {EvccyyelH^EaO^cii)  Ev.  Ap. :  KAaroB'kcTiiCTKCiBdTH;  kc\-h 
(^wfJOi)  Ev. :  Kv^\-raK•K;  BapHTH  [noocp&äacti]  Ps.:  np-kAT^ßapHTH;  BikZEpaTHTH  [uno- 
axosipai]  Ps.:  'fT'hBpaTHTH;  btiZ.wacth  ca  und  ckmacth  ca  [TaQcc/^^jt^ai)  Ev.  Ep. 
Ps.:  B-KZA»;siTHTH  CA,  c'ka\;kthth;  rA^sKHNa  [ßa&os')  Ps.:  rAiiRHHa;  i,\i  K-KPAa,  fA<* 
KaKO  [ui,nojE\  Ps.:  ,\&  »i  Kor^a;  zhahhisi  [ol  yrixiaxoi)  Ps.:  ZHai6A\HH;  HcraaB-h  [rcixsis) 
Ps. :  pacrarüK-K;  hcthnkhtv  {(<).r,()-rjs)  Ev. :  HCTOBii;  amiCtk,  A\KUJTtHH£  (fxt)V'z»7<Tijr)  Ps. : 

OTTiAMillJTtNHE ;     A\ACTH    Ps. :     A\SiTHTH ;      CA-fch     (l'XßiO»')     Ev. :     IMH]      OHpivUJTf     odeF 

«HpTiUJTK  (ffxrrw^t/a)  Ps.:  cfA»;  nAOA^ßHTTi  (/«oTro^Jooof)  Ps. :  nAOA^HOCkHii;  noci»- 
TCBdTH  [nEf&slu]  Ps.:  «ckroBaTH;  npaBKAa  [EvO-VTrjg]  Ps.:  npaK^CTk,  npaßiiiHH ; 
np'fcA\HA«cTHB'K  [tioXveXbo;]  Vs.'.  A\HorcA»HA«cTHB'K ;  ccA«  [ay.Tjvüifxa]  Ps. :  cfAienHie; 
covfiUHA'j  [(povyiop)  Ps. :  cii)^AK,  HCKX'Aii;  c;s^A'ii  [/.olfxa)  Ps. :  co\fAi»Ka;  TBapK  [7ioi?]U(t 
Ps. :  TsoptHHf;  TOKTi  qvaii]  Ev.:  tcm^hhe;  TpKn-kAHKTv  [ncc/.q6&vtj.os)  Ps.:  AiM^ro- 
Tp^n-kAHRii;  o\wh.  o^ikackh-k   'ty.aTaais]  Ps.:  oy^tacK. 

Berichtigungen  in  der  Aufstellung  der  älteren  Form  findet  mau  in  der 
I.Gruppe  bei  folgenden  Stichwörtern:  B-K^dATiKaTH  [neivcio)]  Ev.  Ps.:  b-kzaa- 
KaTH,  AAKaTH,  früher  umgekehrt  unter  AacarH;  A«HAe»:E  (fwf)  Ev. :  A^HhAfn:«, 
früher  umgekehrt ;  a<>\'\'<>th  (TiJ'iw) :  a'w\'»th,  früher  umgekehrt;  ^eAVKH-h,  ztAiAhH-h, 
diese  Formen  werden  als  ursprünglich  angesehen,  obwohl  das  Stichwort 
^cAMvCK-K  blieb;  dagegen  wird  HCKeckCK-K  als  ältere  Form  angesehen,  nach  wel- 
cher erst  ^eamvck-k,  5eA\AKCK'K  umgebildet  wurde;  ka^hth  Ißvi'ovxiCett')'-  HCKa^HTH 
CA  {Evvovy^ia&T;i'ai)]  iipoKa^a  und  nf^K.ä;Kt»\\i  [ItTTQa]  ohne  Unterschied;  p-wKapK 
[aXiEvs]  und  pTsiKHTB-h  wechsclu  ab;  MAOB-fcH^  und  MAOB-kqKCKii  wechseln  ab. 

Anderwärts  eingereiht  wurden  einige  Stichworte,  die  ursprünglich  in  der 
I.  Gruppe  waren:  HeKtcKCK-K  erscheint  jetzt  unter  zfAthCK-K,  wie  oben  angemerkt 
wurde;  nc^HfHie,  die  Konjunktion,  ist  jetzt  in  der  III.  Gruppe;  noB-kA^TH  ist 
jetzt  unter  ynoB-fcA'tTH  zugleich  behandelt;  xKAra  {ßnüais)  ist  jetzt  in  der 
III.  Gruppe;  dagegen  erscheint  nun  in  der  I.  Gruppe  Bii^K-fccTHTH  'Jcnuyytllüi), 
abwechselnd  mit  H'jB-fcA'tTH,  das  früher  in  der  IL  (jetzt  III.]  Gruppe  eingereiht 
war;  auch  ik^tk  erscheint  später,  in  der  III.  Gruppe. 

Genauere  und  richtigere  Erklärung  des  gegenseitigen  Verhältnisses  und 
der  Bedeutung  lesen  wir  bei  folgenden  Stichworten  der  1.  Gruppe:  Bbc-fcK-h 
(77 fV),  wird  später  durch  bivck  ersetzt,  allerdings  geschieht  dieser  Ersatz  meistens 
nur  in  bestimmten  Fällen,  z.  B.  in  Verbindung  mit  einem  Substantiv  Ps.  9.  26 
Ha  BKctKo  BpliA^A  [ly  nai'zi  y.aiQÜ)  Sin.  Bon.,  dagegen  ha  Bck  Bp-fcAtma  Pog. ; 
A^Ba  [nand-ii'Oi]  in  der  Bedeutung  virgo  immer  in  dieser  Form  in  Ev.  und  Ap., 
auch  im  Psalter,  A'^ßH^a  dagegen  ist  -AOQÜaioy  puella,  dieser  Unterschied  wird 


216  Kritischer  Anzeiger. 

in  alten  Texten  streng  beobachtet;  ^anoB-feA-krH  —  ^jncR-kA'iTH,  n^K-fcA'tTH  — 
nC'K'kAdTH:  eigentlich  sollte  der  Unterschied  in  der  Aktionsart  liegen  iind  das 
ist  in  alten  Texten  wirklich  der  Fall,  während  spätere  Denkmäler,  ohne  Rück- 
sicht auf  Aktionsart,  den  Formen  -<iTH  den  Vorzug  geben ;  KouiKHHua  (anvQt^) 
wird  in  alten  Texten  von  k^muk  {xötfiyo^-)  auseinander  gehalten,  doch  steht 
auch  in  letzter  Bedeutung  KoiuKiiHHa,  z.  B.  Zg.  Mt.  IG.  9;  ah\-o  ist  nEQiaaov, 
,\Hm6  TTEQiaaoTSQoi',  doch  kann  ahujc  auch  für  den  griechischen  Positiv  stehen, 
z.  B.  Joh.  10.  10,  Mar.  Ostr. ;  a\h,vk  r-kith:  die  Bemerkung  der  1.  Ausg.,  daß 
dies  vielleicht  der  ursprünglichere  Ausdruck  sei  für  a\hi\ccp'ka«'R<jth  [an^ccy- 
xriuad-ai),  findet  sich  in  der  2.  Ausg.  nicht  mehr;  ctipüriiahth  —  ijnpdRKAdTH 
[6ixca6w) :  der  Unterschied  war  in  der  Aktionsart,  wurde  jedoch  später  nicht 
beachtet;  otath  und  r-k^ath  («?'^w,  >.«ßEiy)  werden  gleichmäßig  gebraucht, 
ohne  daß  man  darin  irgend  ein  Kriterium  erblicken  könnte;  nontAT».  —  ntneA-K 
(arrocToir) :  die  Bemerkung  der  1.  Ausg.,  die  erste  Form  sei  mehr  cordwest-, 
die  zweite  südslavisch,  wurde  diesmal  nicht  mehr  wiederholt;  npk-H^AHx-d  — 
np-feH^AHüje:  eigentlich  ist  das  letztere  ein  Komparativ,  der  Unterschied  ist 
später  verwischt,  z.  B.  im  Ostr. ;  nhpta  [(^iloi'Eiy.iic) :  an  einer  einzigen  Stelle  des 
Evangeliums  wird  es  durch  pdcnkpra  ersetzt,  das  übrigens  die  älteste  Übersetzung 
in  der  Bedeutung  ay/iau«  kennt;  cAiiimaTH  —  cAo\"iiidTH  («xoi'w):  überall  in  dem 
evangelischen  Text  wird  der  Unterschied  beobachtet,  daß  die  letzte  Form  in 
der  Bedeutung  »hören  auf  etwas  und  folgen«  angewendet  wird;  cA»*KOKKHHHd 
[avx7],  der  Baum)  —  eA\*Kiii  {avy.ov,  die  Frucht):  die  ältesten  Evangelientexte 
beobachten  diesen  Unterschied  ganz  genau;  \-pdA\'K  (otxoi,-  olxia)  wechselt  ab 
mit  xP'>'"HHd,  beides  schon  in  den  ältesten  Denkmälern  nebeneinander. 

Auch  in  der  IL  Gruppe  sind  zahlreiche  neue  Stichworte  hinzugekommen. 
Zunächst  die  Benennungen  der  Monatsnamen  und  der  kirchlichen  Festtage, 
die  aus  den  Kalenderangaben  in  den  Aprakosevangelien  (Assem.,  Sav.,  Ostr., 
Trn.)  geschöpft  sind.  Die  Übereinstimmung  in  den  Ausdrücken  zeigt,  daß 
die  Benennungen  südslavischen  Ursprungs,  zumeist  uralt  sind.  So  die  Namen 
der  Monate:  ^apsb-k  (August),  Rp-fc^oK-h,  Rpi^c'^oA-K  (April),  np^cHHhu,k  (Januaf, 
cTcvA'H-h  (Dezember) ,  mp-krkhtv  (Juli),  HioKTi  (Juni),  Tp-kEknii  (Mai),  cchj'\"1jih 
(März),  rpoYA'iH'K  (November),  AHCT'MiJA'h  (Oktober),  pkihht».  (September),  c-fcMKH-h 
(Februar).  Daneben  finden  sich,  besonders  im  Ostr.,  auch  die  ursprünglichen 
(fremden)  Benennungen.  Dasselbe  wiederholt  sich  bei  den  Namen  der  Fest- 
tage. Zahlreiche  Benennungen  blieben  unübersetzt,  andere  führen  dagegen 
frühzeitig  slavische  Namen,  so  z.  B.  R^jr^ftaEAieHHie  [O-EOfpäi'Eia  oder  IniopavEia)^ 

AA/ÄCOnOYCTTi    [hnÖy.^EiOg]^     ORp-kzaHHie    [tIEQITOII?;],    UR^iTKNAUl    HtA'tAtJl    {y.VQlCtXJ]    TWJ' 

ß(uwi')  u.  a.  >Man  ersieht  aus  dieser  Zusammenstellung«,  sagt  der  Verf.  (S.301), 
>daß  man  sich  nach  keinen  bestimmten  Grundsätzen  richtete,  sondern  man- 
ches übersetzte,  manches  auch  nicht«.  Es  waltete  dabei  häufig  der  Zufall, 
z  .  B.  lesen  wir  im  Ostr.  für  die  Stadt  KovaxavTivovno'kig  eine  doppelte  Be- 
nennung, bald  Kl^cTAHTHHB  odcr  koct/athhw  rpAAA,  bald  i;pd  rpdAA,  jedesmal  im 
G  enitiv. 

Außerdem  sind  neue  Stichworte:  AHa<>fA»A  [avüO^Ena]  A.t^.:  np^KAAT-K;  ah- 
THRdT'K  J(t'&v7i(iiog]  Ap. :  MdA\'kcTKHHKTi ;  raurpfHA  [Y(<yyQ«it'(i)  Ap. :  KpKTcpwk; 
P'^HT -K    j'o^i-)  Ap.:  «^dp(^A'kH^H;    saammkcka  (IAAt^j'/?)  Ev.  Gal. ,  Ap.  Christ. ,  sonst 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    217 

regelmäßig  n^^^dH•KlHH;  HAOA^Aarpii  {EMüiXoläTQT]^-]  Ap.,  Apok.:  H,\,oAo»;kpKu,K  und 
andere  Ausdrücke;  HAOA^AarpHia  (6/(f(t)yloÄ«T()£/«)  Ap.:  kci\'-a\h)ka\'k  cAo\,-roEaHHie 
und  andere  Ausdrücke;  kahoh-k  [xaycljy)  Ap.:  hpakhao;  ahto^-pph«  [XEixovqyia) 
Ev.,  Ap.:  CAo\';KhRA,  cAw/-:KfHHi€ ;  THTTiAT».  [xhlos]  Ev. :  spät  atiChhua;  Tpanf^d 
(TOftTieC«)  Ev. :  AiifKd,  jedoch  nur  an  solchen  Stellen,  wo  von  Zöllnern  die  Eede 
ist  und  wo  damit  Bretter,  die  an  offenen  Plätzen  aufgestellt  zu  werden 
pflegen,  gemeint  sind;  ^»a^c^^-^.  [cpi'/.öoocpoi]  Ap.:  np-feA^;RApiii\-K  Karp.;  «jjha«- 
ca^Hxa  [(pi).oao(pia)  Ap. :  xhiTpocTKi«  Christ.  Ausgefallen  ist  hier  das  Stichwort 
AC'XTvTop'K  —  Kp-hAtd,  doch  erscheint  es  in  der  III.  Gruppe;  dagegen  ist  entfernt 
KHH-Kc-K  —  .\&\\w ;  ferner  chkaphh,  bei  welchem  überhaupt  keine  Übersetzung  an- 
geführt wurde. 

Berichtigungen  und  nähere  Erklärungen  finden  wir  bei:  AHHdph  (cF7?r«- 
Qiov)  Ev.,  das  zumeist  durch  n-kHA^K  wiedergegeben  wird,  erst  später  durch 
cptKpTvHHK-K;  AHiaBOATi  ((Ff ßjioAoiT),  dagegen  neiipHia^HK  [6  noy/jQÖ^]  Ev.,  Ap. ;  ahh- 
KCH-K  [ö'idxot'Os):  cAov,-rd,  cAoy/KHTiAK,  doch  wird  eine  Bedeutungsunterscheidung 
beobachtet;  fuHCKon-K  [tniaxonog]  als  terminus  technicus  für  den  kirchlichen 
Würdenträger  unübersetzt;  khphm  [xei^la]  Ev.  Karp.,  Nikol.,  Hval. :  ovkp«h, 
doch  zweifelhaft,  ob  wirklich  der  unübersetzte  Ausdruck  ursprünglich  ist, 
oder  ob  nicht,  wie  unter  npaKTcpii  [TiqäxTüyQ)  bemerkt  wird,  in  die  Denkmäler 
Nikol.,  Hval.,  Karp.  dieser  konservative  Zug  erst  nachträglich  eingeführt 
wurde;  0A0KdK'KT0A»dT'K  (bXoxccvi(.o/uc()  Ev. :  die  Übersetzung  B'KCfC'KjKdrAieAA'ii  ist 
jedenfalls  sehr  alt;  napAKAHTii  [nc(Qax?,7;Tog)  Ev. :  x-cia^tah,  jedoch  in  anderer 
Bedeutung;  pabbh  (^«,.9i<)  Ev.:  schwerlich  wäre  es  richtig  zu  behaupten,  daß 
ursprünglich  das  Wort  an  keiner  Stelle  übersetzt  war  durch  ciYMMTfAi«;  x-HT^n-k 
iXiTojy)  Ev. :  ph^a,  doch  wurde  gewiß  ein  Unterschied  gemacht.  Formale  Be- 
richtigungen erfuhren  die  Stichworte:  a^mch-k  [öni/noyioy],  früher  a'^-wch-k; 
tp^cHBH  [sQvaißrj),  früher  (qicirh;  Hnoh-pHTi»  [vnoxqiTt]s),  früher  ■.ynoKpHT'K;  Kpo- 
Tdtjj'h  [xQOTntpoi]^  früher  kpot««!)!»;  naponcHAA  [naooxpis],  früher  naponcHAii;  ptAi», 
ptA"»  [Qt<S«)i  früher  ptAi^,  P^At»!;  cattv  [ac'aoy),  früher  catti,  cata;  co<J)ohht'k,  coYKTi- 
4>HTTi  [av^(pvTos)]  <j)Hi3iAb  [(p i(cXr)^  frühcr  4'"'>'^'>- 

Am  größten  ist  die  Anzahl  neuer  Stichworte  in  der  III.  Gruppe,  die  früher 
als  zweite  galt:  Kf^EOAKH-K  [aw^^og]  Ev. :  Kt^AiimvH'ii,  möglicherweise  durch  ein 
Versehen  aus  dem  richtigen  entstanden;  K£^ci\fA\hHii  [uTaxiog,  uopQOiv)  Ap.: 

KeiUTHHkHTv  («TftXTOi),   Später  HJC'KAlTdCAIiH'K  [uCpQüJt'];    KfZTi  C;KA\KH'fcHHI<I  [ayuyjlQQi- 

T(t)g)  Ap.:  Kt^k  Ko-fc^HH,  doch  alt  Kf^-K  «r-KB-krA;  Kf^j-KACRHB-K  Ap.  Karp.,  wohl 
spätere  Änderung  für  aysSlxcixog,  das  die  älteren  Texte  origineller,  wenn  auch 
freier  übersetzen  durch  TpKn-fcAHB-K  ^•kacim'k;  Gt^A^ATiBK  c-ktbophth  Ap.,  alte 
Übersetzung  des  griechischen  xaTttffre'A^.et»';  KtujTHCAhH-h  {uniQceyTog]  Ap.,  später 
RCCKOHkMb.H'K ;  K£c-feA^B<»TH  (für  na^axvyxäyij})  Ap. ,  später  npHAo^'HATH  CA  u.a.; 
EtujTkCTHie  [uTi^ula)  Ap.:  A*CAJKA«HHje;  KAArcB-kcTHTH  [Evayyekiaaa^at)  Ev.,  in 
mittelbulgarischen  Texten  ersetzt  durch  nponoB-fcAATH ;  KAAroAHMHTH  ca  (bvttqo- 
aionijaai)  Ap. ,  später  vielleicht  nur  mißverständlich  KAArcBtAHMATH  ca;  EAAr«- 
«EpA^HKCTBo  {Evaxi;fioavyr])  Ap.  Christ.,  die  andere  Ausdrucksweise  kaap«- 
KcvujTKHKCTBo  Sis.,  Karp.  scheint  origineller  zu  sein;  k^ai«  {n):Eloy),  auch  naMc, 

BAUlTf,    AMvH^HIAte;     EpAlUhll»    {ß^üjjua,    ßQloais)    Ev.,    Ap.:    laAli    Ochr.  ;     BeAliA»H    [icog 

ffqpöd'^rt)  Ps.,  später  a»  ^'fcrta;  BtctAHi«  («/«AAtKfftf),  paa^ctk  {xccqü),  ursprünglich 


218  Kritischer  Anzeiger. 

auseinandergehalten,  später  verwechselt;  Biv^AdrdTH  [Inn'iO^r^ui,  auch  einfach 
Tld-rj/Lii)  Ev.,  doch  schon  in  ältesten  Texten  B-hCKAdA-iis^T-h.  Mt.  23.  4,  an  anderen 
Stellen  Varianten,  die  jedoch  gleich  ursprünglich  zu  sein  scheinen;  K-KAara- 
AHUJTe  {ß(iXafTiot')  Ev.,  später  HAx-kHHie;  B-KAdtaTH  CA  [iaacci'i^ead-ai)  Ev.,  dafür 
frühzeitig  nörpsiJKaTH  ca  u.  a.  Umschreibungen;  B-hNHAvarH  [nooaixEii']  Ev., 
dafür  kawcth;  btiCKovphth  ca  [•/.ani'lCouai]  Ps. :  btv^a'W'Whth  ca;  B-KCx-OT-krH  [Ini- 
S-vLiiw)  Ps.:  B'K>j:Ae'\'fcTH,  schon  in  den  ältesten  Texten;  AßHJtuHHie  {y.ii'i]aig)  Ev., 
später  BTiZA»;RuiT£HHie;  AP'Jf'K  [rinLog]  Ps.,  nachher  Hi^cTKH-h;  xkyw  [naiöia] 
wechselt  ab  mit  otpomata  in  den  ältesten  evangelischen  Texten;  tA-fc  iiihb-k 
[t]^i&av7]s)  Ev.,  später  fAßa  hihb-k;  niHA'JBHH-h  {'lovöalo^-)  ist  origineller  als  Hh>AfH, 
das  jedoch  in  den  älteren  Texten  allein  üblich  ist;  niHTfAh.  [noViTrig],  v(i&-a-^,\wi 
{noXlzai],  in  evangelischen  Texten,  dazu  h;hb;k  [nolnEvouni),  wofür  später 

MiHTeAKCTBOBATH;    }KAA<>TH    {änpäiü)     Ev. ,    RUCh     JKfA-kTH ;     ^dE-kTTw     [Siad-t'jXI])     UUd 

laB-fciuTaTH,  für  dieses  einmal  im  Ps.  Pog.  ^anoB-kA<>,  doch  wohl  nur  aus  Un- 
genauigkeit;  7acT;Rni»HHKT\  {ayTih]nrit}o)  Ps.:  zaujTHThLHHKii ,  P'JaioujtiiHhk'k; 
lawiTH  [kfxcfoüaaui]  Ps.,  in  jüngeren  Texten  ^arpaAUTH;  ^Harn  [yivbjay.u))  wechselt 
mit  B'fcA'tTH  [oWa]  Ev.,  Ps.;  zt^aoea  [y.ay.iu,  Tioyi]oia)  wird  im  Psalter  auch  für 
xa/.ovnyic<  verwendet  und  in  dieser  Bedeutung  später  durch  ^'KACA'kHCTBo  er- 
setzt;   das    Adj.    ZTiACEHBTi    {n0in,0Ev6j^l£l'0g)  V&.,    SOUSt    Az-RKas-K,    A;RKdBKH'K;    H\l 

(onov)  Ev.,  vi.  ha£h;«,  HJKAf,  im  Ps.  auch  andere  Ausdrücke;  H^ßA-kmTH:  part. 

HZBATkKTi  Ps.,  später  HCTpKrk;   HCKOHKHaTH  CA    (JxAf/TTüj)  Ps.,    dafür  auch  OCK;RA'feTH, 

welchem  Verbum  vielleicht  die  Priorität  gebührt;  HcnA-krH  —  Hcna-kBA;  (av?.- 
Xiyco]  Ev.:  B-hZKKparH;  Hcn>>\-cTHrH  {a(p[T]/ui)  Ps. :  C'craBHTH,  ein  älterer  Ausdruck 
dürfte  oTnovcTHTH  sein;  HüJT£ZH;?iTH  {(tcpco'zog-  yiyyoiAdi]  Ev.,  später  H£bhaha\'k 
R-wcTT»;  KpacoTa  [shnQineia]  Ap.,  Ps.,  daneben  A-knora,  BeAkA-kn^ra,  später  KAar«- 
A-knHj;  h'p-knocTK  (xQaiKt'üJua)  Ps. :  APi^^+^'^Ka;  Ao\j-na  [aekri'/;)  und  AxlcAUh  iurp')  ur- 
sprünglich auseinandergehalten,  erst  später  auch  vertauscht;  Ai-^;^  in  Zu- 
sammensetzungen, wie  B-KA-kz;*^  {l/ußccli'ü}),  HZAkz;si  [tUo^oaat],  chA-kz*  (y.caa- 
ß(uino)  Ev. :  in  späteren  Texten  dafür  häufig  ha^r  in  Zusammensetzungen; 
AVATvMaHHie  (fff  j'/;)  Ap. :  KfZA\A'hBHi6 ;  A\p'kH:a  [ö'lyTvo)')  und  ckrK  {rxccyig),  später  ver- 
wechselt, auch  fürHfBCATi  {GC(yi]i't])  später  Avp-knia;  a\;s^hhth  [ßaaaviCta,  xolacpi^w) 
Ev.,  im  Ps.  nur  einmal  anstatt  hckcvchth,  wohl  infolge  eines  lapsus  calami; 
HaHHHaHHi«  [kniTrjdEv/Lta]  Ps.  allgemein,  an  einer  Stelle  (80.  13)  steht  jedoch  für 
x«ra  T«  iniT>]ö'evuc(rc<  no  nopTfAvi».  Sin.,  Pog.,  Bon.,  was  erst  nachträglich  ge- 
ändert wurde  in  n»  Ha'iHHaHHio  Sof.,  Buc;  HtnACAiJ  (ffTeto«)  Ev.,  Ps.,  vereinzelt 
später  AAOBHi^a  Ps.  Toi. ;  «g-krTi  {ev/O  Ps.  neben  AvoAHTBa,  das  im  Ev.  und  Apost. 
angewendet  wird;  okpo'ihth  [avt^xM]:  «kp^mat-k  Zg.,  dafür  ccaa^tt»  Mar.  und 
später  auch  andere  Ausdrücke;  C'cokk  ixojQig)  Joh.  20.  7,  dagegen  cokk  cahh-ki 
[xKT  i&iay  /uot'ovg)  Marc.  9.2,  wofür  cn'krAo  jahhki  in  Nik. ;  «ckcTH  {7TEQii%co]  Ps. 
21.  IT  ursprünglich,  dafür  später  auch  «api^^iith  Mon. ;  «-TpacAk  HCBa,  auch  h«bo- 
pacAh.  (to  vEÖcpvxoi')  Ps.,  später  HOBOHacajKA«m»H'>  Mon.;  on'kcTHTH  ca  ((pvXc'aao/LKti) 
Ps.  Pog.,  Bon.,  ursprünglicher  als  cKx-paHBR  ca  Sin.;  nancHTh  '}'Oju),)  Ev.,  Ps.,  da- 
neben nacTBHHa,  dann  auch  hcmpt»;  rhbo  [noatg)  Ev.:  nHTHe;  hac^ahth  ca  [nh;- 
i>r»'w)  Ps.,  später  avHCHuint  et  Mon.;  noKHTH  in  pass.  Anwendung  noRntcH-h  ktii\"k 
Ps. :  npHCBAH,T.)^'K,  ci\|'tazBAi€H'K ;  norcvKHTH  {dtacpl^EiQü})  Ps.  77.  38.  45,  später  pacTK- 
A-kxH;    noAoiKHTH   und    nocTasuTH  werden  ursprünglich  auseinandergehalten, 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    219 

später  finden  sich  auch  Verwechselungen,  z.  B.  Ps.  106.  33,  Mon.;  ncHejKf  (tnel, 
i7iEC(fi,),  dafür  später  auch  ^atu,  hamiHu;  nocpaAinTH  {yMiaiax^^^)i  dafür  Ps.  43.  8 
n^Tp-kRHTH  Sin.,  Pog.,  Sof.;  npurEO^AHTH  Ps.  21.  17  für  b()vaa(x),  jüngere  Texte 
HCKondTH;  npHZhp-fcTH  [nQoaixm')  Ps.  für  das  sonst  übliche  e-khath;  hphct^rmth 
(iyyi^to)  Ps.  nur  ausnahmsweise,  sonst  npHKAHHiHTH  ca  ;  np«^bp-kTH  {nQOK^Eiy)  Ps. 
138.  3,  später  hpckhaIvTh ;  np^^cr-K  ktiIth  [((voQO-oi^ai)  Ps.  19.9,  später  hciipaehth 
ca;  iipi-A-K  [h'iönioi']  Ev.,  Ap.,  Apok.,  doch  Ps.  9.  25  np-kA'K  ah^camv  iro  [tfiönioi' 
nviov),  wofür  spätere  Texte  npi'Ak  iiHA\k  haben;  np-kKovTHTH  [neQixoa/uia})  Ps., 
dafür  np-tcvK-pdCHTH ;  np-kHfAiardHHie  A'^VP  oder  A^yuiA  [oXiyo^pvxi^f)  Ps.  54,  9,  da- 
fürspäter A»dA'>A'>VLUHie ;  oATA  {niioi'a),  dagegen  kuetv  [nreQyKTfxö^)  Ps.,  in  ande- 
ren Texten  auch  np-kAkiurtHiiie;  pdzra  vi.  pozra  (xA^-jW«),  später  ao^a;  pa^rop-fcTH 
CA  [ixxavd^Tii'ai]  Ps.,  dafür  andere  Verba,  wie  E-K^rcp-krH  ca,  pah;a£ujth  ca  u.  a. ; 
pd^APdHiHTH  CA  für  ('.ycißc'dXo/^cei  Ps.  77,  21,  sonst  für  na^o^vreiy;  (i&t^ap^\-uihth 
für  x(cT(cyaysiy  Ps.  58. 12,  erst  später  hh^aohchth,  dafür  sonst  HH^-KsecTH;  pa^hth 
CA  —  pdZHA<^  caPs.,  dafür  pACTiinATH,  pACTCHHTH,  pAzniHATH ;  pAZd^Av-kTH  [yiyywaxw) 
und  iic^HATH  werden  ursprünglich  auseinandergehalten,  später  jedoch  auch 
verwechselt;  phza  [l/uchtoy]  und  «a£J«a*>  [(/.lazia^ös)  werden  später  vertauscht; 
cfA-fc  als  Adv.  in  den  Verbindungen  a«  c'A-fc,  ottv  ctA-k  Ev.,  Ap.,  Ps.,  doch  in 
diesem  Texte  (Ps.)  auch  «t-k  H-hiH-k;  cTAp-kHuiHHA  als  erster  Teil  eines  synt. 
Ausdruckes  entspricht  dem  griech.  ciqyi-  am  Anfang  oder  -kqxvs  am  Schlüsse 
eines  Kompositums,  z.  B.  cTAp-fcnmnnA  cratht£A£a\t».  ((qxi^q^^'S'  (in  den  alten 
Texten  allerdings  zumeist  unübersetzt  apjfHiep-kH),  oder  cTAp-fcHiuHHa  rpaAA  noXi- 
Tc'tQX'ii-:  erst  spätere  Texte  bilden  Komposita,  wie  rpAACHAHAAhHHKii  u.  dgl.; 
c-kAdrATH  {av/nß('(?J.(i))  Luc.  2.  19:  cTiK'KKci\'nA'fcisiilJH  in  einem  mittelb,  Text;  ckta- 
ZATH  [Ctjxicü]  Joh.  16.  19  allg.,  doch  EiinpAiiJACTc  CA  Sav.  und  mittelb.;  ckH«  (xöq- 
Tog)  und  Tp-fcEA  vi.  TpAKA  [xöoTog]  werdeu  synonymisch  gebraucht;  tbophth 
[iQyäCofxca)  Ps,,  dafür  später  a'^aath;  TsphA*  [((acpaXüys)  Ap.,  dagegen  ck^-pahivH'» 
Ev.  neben  TBpKA'b  u.a.;  Tpk\"KTii  [Ietitoi')  Ev.,  dann  auch  A\-kAi^MHi;A,  hata; 

Tp-kEA    vi.  TpABA  [x'^Öt]]    WCChSClt    ab    mit   ZAAKTv;    TC>\'»;AfnA£A\eHhHHK'K    [uXXöqjvXos) 

Ps.  151.  6  ursprünglicher  als  khoiia{a\£hkiihk'k;  xhAra  ßqüais,  ff?-*,),  dann  MpiiKiv 
[ars)  und  a\oak;  t;r'ia  [ofißoog]  Ev.,  Ps.,  später  auch  at^hiaii  Ps.,  Mon.;  ovaaphth 
[oani^w]  Ev.,  später  auch  zao\"iuhth.  dijpazhth;  ci\'A\AiHHTH  [vnoxäaaoj]  Ps.  17.  48, 
wohl  ursprünglich,  dafür  später  U'>bhh;rth  (ca)  ;  cvhtiibath  [GTvyväCoi]  Ev.  scheint 
ein  später  Ausdruck  für  api^^ciaobath  zu  sein;  c>\,-ctat'k  [y^maaüx^r^s]  Ps.  139.  12, 
dagegen  le^wMkHk  Ps.,  Mon.;  c>\-ctpaujhth  ca  [<^eiIicio})  und  ci\'RoraTH  ca  scheinen 
Synonyma  zu  sein;  v^vKpAllJfH'K  [xExaV.ionianivos)  Ps.  143.  12  in  allen  alten 
Texten,  dagegen  ovA'JKpfnw  Mon.;  o\-tch;kth  in  Mar.  8.  32:  o^ToncujA,  dagegen 
i>\i'A\piiiiA  Ostr.,  Karp.,  Nik.,  nach  dem  griech.  hnid^arov;  ovrpkHeKdTH  [oqOqICü)) 
Ps.  ist  eine  Neubildung,  freier  und  schöner  paho  npH)(OH;AA\';R  Ps.  77.  34 ;  oyTAii- 
cT-kTH  (Zogr.,Gal.)  oder  vielleicht  richtiger  oTATiCT-kTH  (Mar.),  scheint  ursprüng- 
licher zu  sein  (Mat.  13.  15),  als  ovAERfA-fc  Ap.;  \-AASirA  [cpQcty/uog)  Ev.,  Ap.,  dafür 
auch  onA^TTi,  'jrpAAA,  rpAA-K,  dieses  Wort  wohl  in  seiner  uralten  Bedeutung ; 
XAdATv  [ai'Qci)  Ps.  106.  29,  thujhha  Mih.,  Mon.;  \-pAAnv  [ö'm/uk]  Ev.:  KA-kTK  Trn. 
(Luc.  5.  19);  lUTHT-h  [bnXoy)  wechselt  ab  mit  oq^'a-mc,  lAA'b  [ixöf^syog]  Ps., 
später  KAH^K. 

Anderwärts  eingereiht  sind  die  Stichwörter :  sii^K-kcTHTH  in  der  I.  Gruppe; 


220  Kritischer  Anzeiger. 

BTiHKiHTH  Unter  K'KA\tTdTH;  £,\nn«' untcF  ccoKh ;  jKe.\iHHi€  Unter  MOjfC'Th  Und  auch 

KliCX-C'T'kTH  ;   KA-fcTK  bei  X^M-h.  UUd  \-pdA\Ts,;   K^BhHHKfi  Unter  K«RTv;  KC'VP'K  Und  AAJKdW 

unter  KCKumh;  Aior-fc  unter  rope;  A;RKaRii  unter  t^-ka'k  und  Henpiira^HK ;  HeB^AT^ 
unter  A\p'fc:KA;  h;r5Kaa  unter  HfKOA«;  orpa^-k  unter  ckaa^k;  iicR-fcA-fcTH  unter  ß-K^R'fc- 
cTHTH  in  der  I.  Gruppe;  pact^hhth  unter  pazhth  ca;  co\-i6TkH-k  unter  RezoyAVKHii. 
Gänzlich  ausgefallen  sind  nur  die  Stichworte:  a\£tath,  p,fiKA,  TAT^cT-krH  und 

0\'A\'hlTH. 

Kichtigere  Ansetzung  des  älteren  Ausdrucks  und  Erklärung  des  gegen- 
seitigen Verhältnisses  beobachtet  man  bei  folgenden  Stichwörtern:  R£^dK«nK- 

HHKTi,    adj.   EfZAKOHhH'K    [(Cl'OfJO^)  UUd  ZAKOHOIip-tcT;RnhHHK'K,  adj.  ZAKCHCnp-fccT-RnKH-h 

[nufiäyo/uof) ,  werden  ursprünglich  auseinandergehalten,  ebenso  Re^AKc^HKie 
[afofiia]  und  idKC>H'>iip'fccT;RnA£HHi€  [naoavouin);  RAar-K  (/o'/ffrof),  allgemein, 
dagegen  au^ah^  Ant.  Pand.  beruht  auf  einer  Verwechslung  von  yor^aTÖs  und 
•/qiaios;  KAar^A'kTKHArii  und  RAAr^A-fcTtAhHAra  {xEX«oiio)j.Uyri)  Luc.  1.  2S,  das 
spätere  «kpaa^kaham  ist  dem  griech.  Worte  angepaßt;  ka;rahth  —  npi-AkcTHTH : 
beide  Ausdrücke  sind  schon  in  der  ältesten  Übersetzung  nachweisbar  und 
werden  mit  richtigem  Verständnis  angewendet;  KOA-k^Hh  —  HJA^r-h,  beide  Aus- 
drücke schon  in  den  ältesten  Texten;  KAdAtiKa  [^sanöxr^g,  r^ye^ü»')  —  K-hHA^K 
(«();^(ijr),  früher  umgekehrt;  ep-kt-k,  ßp-KTKn-h,  Bp'liTl^^pdA'^  [y.i.nog],  alle  drei 
Ausdrücke  in  den  ältesten  evang.  Texten;  Ri-AKH-K  —  Rp-kAi^Hii,  früher  umge- 
kehrt; rpAA^  —  beschränkt  sich  auf  die  Formen  des  Praesens,  Imperativs 
und  des  Partiz.  praes.,  während  Imperfekt-  und  Aoristform  von  ha;'^  im  Ge- 
brauch sind,  so  wenigstens  im  Evang.  und  Apost. ;  A«'A\'h  [olxla,  olxog],  dagegen 
jfpaAVTi,  wo  vom  Gotteshaus  die  Rede  ist,  dem  gegenüber  scheint  x-paA\HHa  eine 
gewisse  peiorative  Bedeutung  zu  haben,  später  allerdings  tritt  ein  Schwanken 
ein;  a\xahth  —  avo^ahth  {•/Qorl^o}]  ist  wohl  älter  als  K-KCH-krH,  mag  auch  dieses 
Verbum  schon  in  den  ältesten  Texten  vorkommen;  HenpHra^NK  (o  noi'r-QÖg]  im 
Sinne  von  o  crtß/JoÄos-,  dagegen  ^t^a-kh  (o  7ioy>jQug)  in  gewöhnlicher  Bedeutung; 
HHiTi,  HHzc>v  und  A«'^^T  ('««rw)  sind  synonyme  Ausdrücke ;  nAAT-h  {qüxo^),  aber 
np-hTTi  {Xiyoi'),  für  letzteres  auch  nAar-h  (Ass.),  akh-k  (Trn.);  n^R-kAHTH  [ytxrjacei) 
Ev.,  Ap.,  Apok. ,  dagegen  Rom.  3.  4  np-fcuhpHiuH  [vixr^aEig\  da  es  sich  ums  Ge- 
richt handelt,  daher  sehr  passend;  n«rpM;jn,'RTH  Marc.  4.  37,  dazu  als  Variante 
noTUH;RTH,  früher  war  dieses  Verbum  an  erster  Stelle  angeführt;  npHHHCTH,  ktv- 
M-kHHTH,  HmKiuTeBATH  (für  Xoy  1^,0 1.1  Cd)  slud  ursprünglich;  paHa  und  "fc^Ka  (la^Ba 
■nh]yTj)  wechseln  ab  in  den  ältesten  Texten;  ;KTpcEa  —  Mp'fcßo  [xoiXia]:  Mp-feßo 
wird  jetzt  vom  Verf.  für  ursprünglicher  angesehen. 

Auf  genaue  Kenntnis  der  griechischen  Vorlage  und  auf  ein  feines  slavi- 
sches  Sprachgefühl  der  ersten  Übersetzer  wurde  in  der  ersten  Ausgabe  wohl 
hingewiesen  (II.  48);  in  der  zweiten  Ausgabe  wird  dies  jedoch  ganz  besonders 
bei  zahlreichen  Stichworten  dargelegt.  Gelegenheit  bot  hier  das  Material  der 
III.  Gruppe  und  finden  wir  diesbezügliche  Bemerkungen  bei:  npi-AKCTHTH  in 
dem  pass.  Ausdruck:  a<>  h'  np-kAhujTJHH  E;RAfT£  Luc.  21. 8  und  np-kAKiurmH  KiJCTf 
Joh.  7.  47  für  nXccyäouai,  welches  sonst  durch  ka;rahth  übersetzt  wird  (S.  327); 
HAAB-K  für  'Aevxög,  wo  von  hhbtü  die  Rede  ist  Joh.  4.  35,  während  sonst  RiiAT»  in 
der  Bedeutung  ktvxög  erscheint  (S.  329);  E-hAHBarH  für  ßaV.w  bei  dem  Objekte 
BHHo  und  B-KcaAHTH  für    dasselbe  griechische  Verbum,    wo  von  dem  Ein- 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    22 1 

stecken  ins  Geiängnis  gesprochen  wird  (S.  333);  Hcnrt-fcßfAi'h  (avXXi^ojfAey)  Mt. 
13.  28,  wo  vom  Ausjäten  die  Rede  ist  (S.  352);  HtnpHi-jjHii.  (o  Tioyi]Q6g)^  wenn 
damit  der  böse  Geist  (Teufel)  gemeint  ist  (S.  369);  chHhM-K  oc-fcAf  a\a  Ps.  21.  17 
für  nEQiix(o;  hciio\,'cthth  mit  dem  Objekt  to  nysi/fu«  Mt.  27.  50  für  cccprjxs,  das 
sonst  durch  ot-krovcthth  wiedergegeben  wird  (S.  377);  nrtOAHTH  ca  Ps.  143.  13 
für  nXrj&vyco ;  np-knivpHiiJH  für  vixr^asig  Rom.  3.  4,  wo  es  sich  ums  Gericht  han- 
delt (S.  379);  »iHBtujH,  iKHK-kamj  Joh.  1.  39.  40  für  ^ivM  (S.  3S1);  iiopTK  für  iti- 
'/■run  in  der  Ausdrucksweise  ■m-'k  no\-oTH  ha-ktiicktü,  orii  no)fOTH  rt\;KJKKCK'w  Joh. 
1.  13  (S.  384);  npoHOCHTH  Marc.  1.  45  für  diag)rj/^nCo/ur(t  (S.  380);  pa7K-krH;RT'K  ca 
Marc.  14.  27  für  ö'taaxoQnl^ouai,  wo  von  Schafen  die  Rede  ist  (S.  39o);  hcto- 
MkHHK-K  Kp-KKt  Marc.  5.  29  und  hctomkhhk-k  EOATii  Joh.  4.  14  für  nr^y/j,  das  sonst 
durch  cTc>\-,\fHKi;K  [(pQian)  oder  KAaAAZK  übersetzt  wird  (S.  397);  ckktüth  ca  an 
zahlreichen  evangelischen  Stellen  für  n?./;nov/uKi  (S.  399);  chX'paHHTH  {(pvläTru)), 
cKKAwcTH  {TrjQtco ,  avfxr^Qiu}),  cTp-kiuTH  dcm  Siuuc  nach  auseinandergehalten 
(S.  402— 4U3);  T-fcrto  {auj/xu]  und  nA-KTk  (ffapl)  genau  geschieden  (S.  407);  hhiutk 
(rrrw/o'i-)  und  ^vKorii  (eigentlich  niyrjs)  werden  gut  angewendet  (S.  40S);  »vf^p-fc- 
iiHTH  mit  dem  Objekt  cp-KAi^i,«,  besser  als  o\-TBpkAHTH  {(nrjQiCw)  im  Psalter 
(S.  411);  TiiAMiHHu,d  von  cTpajKA  (beides  (pvh(y.r;)  richtig  unterschieden  (S.  414); 
der  Ausdruck  M£uj;5iTii  ca\ok'kbh  Luc.  6.  44  für  avX'/Jyw,  ein  altslavischer  ter- 
minus  technicus  des  Landlebens  (S.  416).  Daraus  ergibt  sich  wohl,  wie  der 
Verf.  später  zusammenfassend  bemerkt  (S.  422 — 423),  daß  der  Übersetzer  des 
griechischen  Evangelientextes  (und  überhaupt  der  ersten  Bücher,  auch  des 
Apostolus  und  Psalters)  ein  sehr  feiner  Kenner  der  slavischen  Sprache  war, 
der  in  seinem  Bestreben,  eine  genaue  Übersetzung  der  griechischen  Vorlage 
zu  liefern,  den  slavischen  Sprachgebrauch  nicht  außer  acht  ließ,  sondern  nach 
Möglichkeit  geltend  machte.  Bei  dieser  Gelegenheit  möge  es  mir  gestattet 
sein,  daraufhinzuweisen,  daß  ich  im  XXV.  Bd.,  1903,  S.  390  dieser  Zeitschr. 
nachdrücklich  von  der  Vorzüglichkeit  der  ersten  Übersetzungen  biblischer 
Texte  gesprochen  und  dies  an  einigen  sehr  bezeichnenden  Ausdrücken  des 
Psalters  dargetan  habe.  Konstantins  wahrhafte  Kunst  in  der  Übersetzung 
der  Evangelien  zeigen  auch  die  von  Prof.  Berneker  (IF.  XXXI,  1912,  399— 
412)  gesammelten  und  erläuterten  Beispiele,  die  sich  zum  Teile  mit  den  im 
Vorstehenden  aus  der  »Entstehungsgeschichte«  herausgehobenen  Belegen 
decken. 

Ungemein  wichtig  sind  die  gelegentlichen  Bemerkungen  über  den 
lokalen  Hintergrund  einzelner  Ausdrücke.  Auf  diesen  Punkt  wurde  schon 
in  der  ersten  Auflage  gebührend  Rücksicht  genommen,  in  der  vorliegenden 
zweiten  Ausgabe  geschieht  dies  jedoch  viel  eingehender  und  systematischer. 
Es  dürfte  sich  empfehlen  die  Belege  nach  diesem  lokalen  Gesichtspunkt  zu 
gruppieren. 

In  die  mährisch-pannonischen  Gegenden  wird  die  Heimat  zahlreicher 
Ausdrücke  verlegt,  wobei  die  nähere  Bestimmung  allerdings  verschiedenartig 
formuliert  wird:  aakath,  das  Simplex,  das  eine  Eigentümlichkeit  des  Zogr.  ist 
und  auch  im  Psalter  wiederkehrt,  könnte  man  >als  pannonische  Modifikation 
des  aus  dem  Süden  gekommenen  AAiiKdTH  erklären»  (S.  284);  ß-kp^^  iath  »lebt 
noch  jetzt  im  slovenischen  rer;'eft-tJe?ja?«e?H<  (S.  285);  A'iJKf  a«  («;^o«)  »gilt  für 


222  Kritischer  Anzeiger. 

älter  als  aoh^j  a«*:  dm-i  do  ist  cakavisch,  dort  do  stokavisch  (S.  286;;  nkcarH 
»ist  ein  mährisch-pannonischer  Zug  der  Sprache ,  der  auf  dem  südslavischen 
Gebiete  der  Form  nHcarH  weichen  mußte'  (S.  294);  dK-w  »könnte  man  fast  als 
einen  Slovazismus  bezeichnen«  (S.  298);  »bei  Neutris  auf  -kctk«  und  -kcTEHt 
ist  zu  bemerken,  daß  die  böhmische  Sprache  noch  heute  Neigung  zu  den  Bil- 
dungen auf  -stii  (alt  -stoie)  zeigt,  während  das  Slovakische  gleich  den  süd- 
slavischen Dialekten  den  Auslaut  -stvo  vorzieht«  (S.  299);  p-kcHora,  p-kcHOTHKkH-h 
wurde  »gewiß  erst  später,  auf  dem  pannonischen  Boden«  hier  und  da  einge- 
fügt für  HCTHHa,-  HCTHHKH-K  {(dr;x^sicc,  uh]'yt]i),  besonders  häufig  im  Psalter 
(S.  352);  HCTA^dTH  Joh.  21. 12  »erinnert  durch  die  Wortwurzel  und  Bedeutung 
an  das  böhmische  o^acAa  u.  ä.  (S.  353);  cnpuHa,  cKpHHHi^a  »verrät  südwestslavi- 
schen  Ursprung«  (S.  355);  kokoujii  —  KvypHua,  »diese  beiden  Ausdrücke  schei- 
nen südslavische  und  nordwestslavische  Sprachsphären  zu  charakterisieren« 
(S.  355);  KpHHiK  erscheint  »nur  in  den  westslavischen  Denkmälern  katholischen 
Charakters<  (S.  356);  a«;kahth  ist  »für  die  westslavischen  Beziehungen  des 
ältesten  Kirchenslavischen  charakteristisch'  (S.  365) ;  hcpcahth  »klingt  noch 
nach  im  altböhmischen  neroditi  (nolo)  (S.  370);  «arapii  (ifvaiaaxt'^Qioy)  »ein 
lautredendes  Zeugnis  der  westlichen  Beeinflussung  der  altkirchenslavischen 
Sprache«  (S.  372);  aujwT-h  »das  Auftreten  dieses  Wortes  im  Psalter  spricht 
für  dessen  mährisch-pannonischen  Ursprung,  womit  auch  die  böhmische 
Sprache  übereinstimmt«  (396);  cTo\-AfHKij,h  »scheint  der  westlichen,  KajA^'^^i'  der 
östlichen  Hälfte  der  slavischen  Sprachenwelt  näher  gelegen  zuhaben«  (S. 398); 
A-kK-hi  darf  man  »als  eine  spätere  pannonische  oder  kroatische  Einschaltung 
ansehen«  (S.  418).  Die  Zahl  dieser  »mährisch-pannonischen«  Spuren  im  alt- 
kirchenslavischen Lexikon  ist  allerdings  nicht  groß.  Es  kommen  dazu  noch 
die  Ausdrücke  wie  c'KHhA\'K,  die  Präposition  B-hi-  (S.  264 — 265),  ferner  A\aAij- 
AtoujTh  Evang.,  das  noch  jetzt  im  Böhmischen  und  Slovakischen  als  malomoc, 
malomocny,  malomocenstvi  lebt  (S.  269),  ferner  das  vereinzelt  dastehende 
npax-MtH'h  der  Sav.  Kn.,  dem  slovakisch-böhmische  Ausdrücke  jn-ucJinef,  präck- 
nivet\  prachnivy  (morsch,  faul)  am  nächsten  liegen  (S.  26S),  weiter  aus  den 
Parömien  die  Worte:  KA(nhii,h,  das  im  Slovakischen  und  Böhmischen  fortlebt 
(klepec  Falle),  ferner  can-h  oder  canK  (öcpig),  wozu  das  slovakisch-böhmische  sah 
(Drache,  Lindwurm)  eine  vortreffliche  Parallele  bietet  (S.  268),  endlich  das  im 
Cudover  Psalter,  im  Galiz.  Evang.  und  in  Prophetentexten  vorkommende  Ad- 
verbium  ^anATh  ((V^m«,  illico),zu  dem  im  Böhmisch-slovakischen  u  ;:«^je^i  Pa- 
rallelen vorliegen  (S.  268). 

In  Zusammenhang  mit  diesem  in  die  mährisch-pannonischen  Gegenden, 
beziehungsweise  überhaupt  nach  dem  Westen  weisenden  lexikalischen  Wort- 
vorrat empfiehlt  es  sich  die  Spuren  derjenigen  Ausdrücke  zu  verfolgen,  welche 
unmittelbar  aus  dem  Lateinischen  stammen  können.  Der  Verf.  bezeichnet  als 
solche  mehrere  Worte,  deren  Ursprung  aus  dem  Lateinischen  allerdings  in 
verschiedener  Weise  angedeutet  wird:  bei  A\HA«cp'hA'T»^  (o/xT/(),«wr)  »könnte 
man  an  misericors  denken«  (S.  289);  ahbpa  {lixqa)  Joh.  12.  3  und  19.  39,  Zg., 
Ass.,  Nik.  »dieser  Form  scheint  das  lateinische  libra  zugrunde  zu  liegen« 
(S.  313);  pH^Aia  in  den  ältesten  glagolitischen  Texten  anstatt  Aw-po:  »das 
ist  wohl  nicht   die  Übersetzung  von   xQ>'^!'"i   ^^  dieses  durch  noA\a^aHHie 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    223 

wiedergegeben  wird  (Job.  2.  20.  27) ,  sondern  die  lateinische  Anwendung 
des  cbrisraa  dürfte  damit  zum  Ausdruck  kommen«  S.  313);  o,\£h  ,  cA-kH 
»ist  wobl  nicht  die  Wiedergabe  des  griechischen  f).r.ioi',  sondern  des  lateini- 
schen oleum«  ;S.  314);  AiKtua,  >aus  dem  lateinischen  missa«,  ist  beschränkt 
auf  Denkmäler,  wie  die  Kijever  Blätter,  kommt  auch  in  den  pannonischen 
Legenden  vor«  S.364).  Besonders  schwerwiegend  sind  solche  Belege,  welche 
eine  direkte  Abhängigkeit  von  lateinischen  Vorlagen  dartun  sollen.  Als  solche 
finden  wir  angeführt:  iidAi»H£RhH'hiH  {Inioiaiog],  vom  uQxog  (panis  quotidianus) 
im  Vaterunser  gebraucht,  erscheint  im  Zg.  (und  auch  Trn.),  dafür  A'HfRhHiJH  in 
Sav.  Kn.:  »ob  nicht  dafür  das  lateinische  quotidianus  maßgebend  war?«  S.367); 
KTkZK'fccH  CA  [id'r^yzctio]  Matth.  27.  5,  Zg.,  Mar.,  Archang.,  Karp.  »kommt  dem 
lateinischen  se  suspendit  sehr  nahe  und  ist  möglicherweise  durch  die  Ein- 
sichtnahme in  den  lateinischen  Text  zu  erklären  (S.  263);  besonders  aus  dem 
Psalter  104,  42  i-a\i  HAvfc  (quod  habuit);  118.  130  pa^ovi-Ax-K  Mn-h.  (intellectum  dat; ; 
67.  28  KTi  ov"A\-fc  o\f}KdciiH'k  (in  mentis  excessu,  tv  ixataaei),  diese  drei  Beispiele 
auf  S.  249,  außerdem  9.  25  np-tAi^  ahucmk  «ro  [h'wniov  ahzov ,  in  conspectu 
eius),  eine  auffallende  Übereinstimmung  (S.  387). 

Dem  gegenüber  finden  sich  nnr  wenige  Belege,  bei  denen  auf  den  bul- 
garischen Hintergrund  eines  Ausdruckes  hingewiesen  wird.  So  bei  B-h^dA-K- 
KdTH,  das  mehr  »altbulgarischen  Klang«  habe,  als  B-K^AdKATH  (8.283);  umpaz- 
AKH-K  [tyxvos),  »ein  noch  Jetzt  im  Bulgarischen  in  diesem  Sinne  gebräuchliches 
Wort«  (S.  369);  ccThN-h,  ein  Bulgarismus,  bekannt  aus  den  Übersetzungen  des 
Job.  Exarchus  (S.  382);  CiÄXh  für  pfMt,  aufgekommen  in  der  frühesten  bulgari- 
schen Periode  (S.  404). 

Ein  großes  Gewicht  wird  in  der  vorliegenden  zweiten  Auflage  auf  solche 
Spuren  gelegt,  welche  zeigen,  daß  zwischen  den  Perikopentexten  des  Evan- 
geliums und  dem  vollständigen  Tetroevangelium  ein  gewisser  Unterschied  in 
lexikalischer  Beziehung  zu  merken  sei.  Solche  Beobachtungen  finden  sich  an 
zahlreichen  Stellen:  K-himr-KHHH  erscheint  Matth.  23.  13.  15.  23,  Mar.,  Zg.,  diese 
drei  Stellen  sind  jedoch  im  ältesten  Evangeliarium  nicht  vertreten  (S.  289); 
B-fecTKUHK-K  für  dHTvrfA-K  Luc.  7.  24,  Mar.;  9.  52,  Mar.,  Zogr.,  diese  beiden  Stellen 
fehlen  im  Evangeliarium  (S.302);  onond  [■/.aianiTaaua]  Marc.  15.  38,  Mar., Zogr., 
an  einer  Stelle,  die  im  Evangelarium  nicht  enthalten  war,  während  sonst  das 
griechische  Wort  unübersetzt  blieb;  AtoujKHd  [niou)  Matth.  10.  10,  Mar.,  Zogr., 
Bp-kxHiiJTe  Luc.  10.  4,  Mar.,  Zogr.,  an  zwei  Stellen,  die  im  Lektionarium  nicht 
vertreten  sind,  während  sonst  das  griechische  Wort  unübersetzt  blieb;  bosbcaa 
[axocarjyös]  Luc.  22,  4,  Mar.,  Zogr.,  die  Stelle  ist  nicht  im  Lektionarium;  mw^- 
PH16  [aiyiaXog)  Matth.  13,  2,  Zg.,  Mar.,  im  Lektionarium  nicht  vertreten,  sonst 
Kp-fer-h.;  HfHKUJTeBdHHf  [noöcpaais]  Marc.  12.  40,  Mar.,  Zg.,  Karp.,  in  den  Lektio- 
narien ist  die  Stelle  nicht  vorhanden  (S.  329);  BpH^TKn-K  [anr,)Mioi')  Matth.  21.13, 
Marc.  11. 17,  Luc.  19,  46:  diese  drei  Stellen  sind  in  den  Lektionarien  nicht  ent- 
halten (S.331);  HCKOYiufHHe  [nEuncaiuös]  Luc.4.13,  11,7:  diese  beiden  Stellen  sind 
in  den  Lektionarien  nicht  enthalten  (S.  252);  goyktibh  Luc.  16,  6,  7,  Mar,,  Zog., 
jedoch  nicht  in  den  Evangeliarien  (S.  357);  AdAHH,  die  Stellen,  bis  auf  Job.  0. 
17,  sind  in  den  Evangeliarien  nicht  enthalten  (S.  358);  nendAk  [Ivnr;)  kommt  im 
Evangelientexte  nur  an  Stellen  vor,  die  in  den  Evangelistarien  nicht  enthalten 


224  Kritischer  Anzeiger. 

sind ;  die  einzige  Stelle  Job.  IG.  21,  wo  im  Ostr.  lUMdAH  für  d^Xiipeu);  angewendet 
wird,  findet  sich  im  Assem.  nicht  (S.  394);  nnp-K  [doxv)  Luc  14. 13;  diese  Stelle 
ist  in  den  Lektionarien  nicht  vertreten.  Für  die  Texte  des  Apostolus  liefert 
das  Wort  HtoEp-fc^dHHie  [(y.qoßvaiia)  Eom.  4.  9.  10.  11.  12,  Christin.,  da  diese 
Stellen  in  den  Perikopen  nicht  vorkommen,  ein  Beispiel  (S.  301).  Der  Verf. 
bedauert  S.  479;  auf  diese  Unterschiede  nicht  größeres  Gewicht  gelegt  zu 
haben,  um  sie  im  Zusammenhange  zu  behandeln.  Es  würden  sich  vielleicht 
für  die  Charakteristik  der  Ergänzungsarbeit  bei  der  Übersetzung  des  vollen 
Evangelientextes  gegenüber  den  schon  früher  übersetzten  Perikopen  gewisse 
gemeinsame  Züge  herausfinden  lassen. 

Nachdem  auf  diese  Weise  der  Wortvorrat  des  Neuen  Testamentes  und 
des  Psalters  aufs  eingehendste  analysiert  wurde,  schreitet  der  Verf.  an  die 
lexikalische  Durchforschung  der  Bücher  des  Alten  Testamentes.  Das  Vor- 
gehen ist  nun  ein  anderes,  wie  es  eben  durch  die  Unzulänglichkeit  der  Hilfs- 
mittel und  den  Mangel  an  Vorarbeiten  bedingt  ist.  Vorsichtig  werden  die 
einzelnen  Bücher  des  Alten  Testaments  in  Verhandlung  gezogen  und  ihr 
Lexikon  wird  an  den  früher  gewonnenen  Ergebnissen  auf  seine  Altertümlich- 
keit hin  geprüft,  wobei  immer  wieder  an  den  drei  Wortgruppen  festgehalten 
wird,  nach  welchen  die  betrefi"enden  Belege  angeführt  werden.  Dieser  Vor- 
gang wurde  bereits  in  der  ersten  Auflage  eingehalten  und  zunächst  die  Über- 
setzung des  Propheten  Isaias  auf  Grund  der  Studie  Iv.  Evs.  Jevsejevs  unter- 
sucht; als  Resultat  der  nunmehr  erweiterten  lexikalischen  Erforschung 
erscheint,  daß  der  Text  der  im  liturgischen  Parümienbuche  enthaltenen  Lek- 
tionen gegenüber  dem  vollen  Texte  des  Propheten  als  älter  anzusehen  sei 
(S.  425).  Zu  demselben  Ergebnis  gelangt  der  Verf.  bei  der  sprachlichen  Ana- 
lyse des  Propheten  Daniel,  die  an  der  Hand  der  neuen  Publikation  Jevsejevs 
über  dieses  Buch  (1905)  vorgenommen  wird.  Für  die  weiteren  Propheten 
lieferten  die  Untersuchungen  Dr.  Nachtigals  (1902)  und  Dr.  Vajs'  (Oseas  1910, 
Joel  1908)  neues  Material,  das  vom  Verf.  in  gleicher  Weise  ausgebeutet  und 
nach  den  drei  Wortgruppen  systematisch  eingereiht  wurde.  Auch  hier  zeigt 
es  sich,  daß  in  dem  Texte  der  glagolitischen  Prophetenperikopen  noch  die 
älteste  Überlieferung  sich  erhalten  hat,  die  auch  in  den  ältesten  cyrillischen 
Parömien  wiederkehrt  (S.  445).  Daran  reiht  sich  die  Vergleichung  des  ersten 
Buches  Mosis,  der  Genesis,  auf  welches  zum  Teil  bereits  in  der  ersten  Aus- 
gabe Rücksicht  genommen  wurde.  Der  Verf.  konnte  nun  die  neuere  Publi- 
kation Prof.  A.  V.  Michajlovs  (1904)  heranziehen,  dagegen  dessen  jüngste 
Ausgabe  des  Parümientextes  der  Genesis  (1912;  nicht  mehr  benützen.  Die 
lexikalische  Analyse,  abermals  nach  den  drei  Verzeichnissen  angeordnet, 
bringt  reichhaltige  Belege  für  die  Annahme,  daß  in  der  Tat  die  Übersetzung 
der  ältesten  Bestandteile  des  Liber  Genesis,  die  in  dem  Parümienbuche  ent- 
halten war,  sich  in  den  Überlieferungen  des  ältesten  kirchenslavischen  Sprach- 
typus bewegte  (S.  457).  Für  die  übrigen  Bücher  des  Alten  Testamentes  gibt 
es  nur  wenige  geeignete  Vorarbeiten.  Die  Monographie  Lebedevs  über  den 
Propheten  Josue  (1890)  war  schon  in  der  ersten  Ausgabe  herangezogen  wor- 
den. Nun  kamen  hinzu  die  Beiträge  von  Dr.  Vajs  über  das  Buch  Ruth  (1905), 
über  das  Buch  Job  (1903),  über  Proverbia  (1910),  Ecclesiastes  (1905),  Eccle- 


Jagic,  Entstehungsgesch.  d.  kirchenslav.  Spr.,  angez.  v.  Pastrnek.    225 

siasticns  (1910),  die  Studien  Dr.Nachtigals  (1902)  und  Prof.  M.  S.  Poprnzenkos 
(1S94)  über  die  Libri  Regum.  Die  Lücken  suchte  der  Verf.  wenigstens  einiger- 
maßen auszufüllen ,  indem  er  den  glagolitischen  Text  bei  Bercic  zum  Ver- 
gleiche mit  dem  Paremejnik  Grigorovics  (leider  sind  davon  bisher  nur  die 
ersten  drei  Hefte  erschienen)  heranzieht,  um  Belege  auch  für  die  übrigen 
Bücher  des  Alten  Testamentes  (für  Exodus,  Deuteronomium,  Paralipomena, 
Esdra,  Tobias,  Judith),  wenigstens  ganz  kurz,  hinzuzufügen.  Zum  Schlüsse 
wird  auf  die  umfangreichen  Studien  Vas.  Pogorelova  über  den  Psalter  und 
besonders  über  den  Kommentar  desselben  (1901 — 1910)  verwiesen  und  einige 
Ergebnisse  derselben  kritisch  berührt,  nicht  ohne  Ausdruck  des  Bedauerns, 
daß  dieses  wichtige  Material  erst  spät  zur  Hand  war  (S.  471).  Doch  wird  der 
in  den  beiden  Ausgaben  Pogorelovs  enthaltene  Wortschatz  in  dem  altkirchen- 
slavisch-griechischen  Wörterverzeichnis  verwertet,  welches  dieser  zweiten 
Ausgabe  der  »Entstehungsgeschichte«  beigefügt  ist  (486—514),  als  unentbehr- 
liche Ergänzung  des  in  der  ersten  Ausgabe  schon  vorhandenen,  nunmehr 
jedoch  erweiterten  griechisch-slavischen  Glossars  (S.  515 — 540). 

Als  Hauptergebnis  dieser  Einzeluntersuchungen  über  die  Bücher  des 
Alten  Testamentes  —  mit  Ausnahme  des  Psalters  —  die  allerdings  noch  lange 
nicht  abgeschlossen  sind,  darf  gelten,  daß  wenigstens  die  im  ältesten  Parö- 
mienbuche  enthaltenen  Lektionen  bereits  in  der  ersten  Periode  des  kirchen- 
slavischen  Schrifttums  übersetzt  wurden.  Ob  auch  die  Ergänzung  zu  voll- 
ständigen Texten  noch  in  die  erste  Periode  fällt  und  im  Sinne  der  Legende 
von  Method  und  seinen  Mitarbeitern  stammt,  das  läßt  sich  aus  den  bisherigen 
lexikalischen  Forschungen  mit  Bestimmtheit  noch  nicht  folgern.  Immerhin 
bleibt  es  beachtenswert,  daß  der  Verf  in  dieser  zweiten  Ausgabe  die  Nach- 
richt der  Legende,  daß  Methodius  mit  Hilfe  zweier  schnellschreibenden  Prie- 
ster alle  Bücher  (der  heil.  Schrift),  mit  Ausnahme  der  Makkabäer,  übersetzte, 
nicht  mehr  so  entschieden  verwirft,  wie  dies  in  der  ersten  Ausgabe  der  Fall 
war.  Dieses  aus  erneuerter  Prüfung  des  Gegenstandes  geschöpfte  Ergebnis 
ist  in  vielfacher  Beziehung  wichtig  und  wurde  von  mir  bereits  oben,  bei  der 
Besprechung  des  historischen  Teiles  des  vorliegenden  Werkes  verzeichnet. 

Schließlich  mag  hervorgehoben  werden,  daß  die  in  der  ersten  Auflage, 
gleichsam  als  Anhang,  veröffentlichte  Polemik  gegen  Georg  Volf  (II,  81 — 84) 
diesmal  mit  Eecht  gänzlich  ausgefallen  ist.  Aus  dem  neuen  Buche  ist  somit 
jegliche  unfruchtbare  polemische  Bemerkung,  wie  dies  oben  bereits  vermerkt 
wurde,  mit  ruhiger  Hand  beseitigt  worden. 

Die  vorliegende  Neuauflage  der  »Entstehungsgeschichte  der  kirchen- 
slavischen  Sprache«  ist  somit  ein  Werk,  das  die  festbegründeten  und  wohl- 
bewährten Ansichten  des  Verf.s  mit  den  Ergebnissen  der  Forschungen  des 
letzten  Dezeniums  zu  einem  Ganzen  verbindet  und  das  die  Fragen,  die  sich 
an  die  Anfänge  des  slavischen  Schrifttums  knüpfen,  in  erschöpfendster  Weise 
behandelt.  Kein  slavischer  Philologe  kann  sich  rühmen,  zur  Aufhellung 
dieser  Fragen  und  zur  historischen  Kenntnis  des  Altkirchenslavischen  mehr 
beigetragen  zu  haben,  als  der  verehrte  Verf.  des  Buches.  Seit  dem  Jahre  1863, 
wo  die  erste  diesbezügliche  Studie  in  der  Tisucnica  erschien,  sind  fünfzig  Jahre 
verflossen,  Jahre  der  emsigsten  und  von  reichstem  Erfolge  gekrönten  wissen- 

Archiv  für  slavisclie  Philologie.  XXXV.  15 


226  Kritischer  Anzeiger. 

schaftlichen  Arbeit,  welche  in  erster  Reihe  dem  Studium  der  illtesten  slavi- 
schen  Schrift  und  Sprache  gewidmet  ist.  So  darf  das  vorliegende  Buch  förm- 
lich ein  Jubiläumswerk  genannt  werden,  in  welchem  in  der  Tat  die  Ergebnisse 
dieser  ganzen,  unermeßlichen  Arbeit  in  ihren  Resultaten  niedergelegt  sind. 
Und  außerdem  erfüllt  das  Buch  auch  eine  intime  Sendung.  Der  Verf.  widmet 
es  »seinen  lieben  Freunden,  Fachgenossen  und  Schülern  zum  Andenken«, 
gewissermaßen  als  Dank  für  den  ihm  zu  Ehren  anläßlich  des  siebzigsten  Ge- 
burtsjahres dargebrachten  »Zbornik  u  slavu  Vatroslava  Jagica«  (Berlin  190S, 
Weidmannsche  Buchhandlung). 

Prag.  Fr.  Pastrtiek. 


Jözef  Korze7iioivski\  »Zapiski  z   R^kopisöw   Cesarskiej 

Biblioteki  Publicznej  w  Petersburgu  i  innych  Bibliotek 

Petersburskich.« 

Sprawozdanie  z  podrozy  nankowych  odbytych  w  1891—1892 

i  w  1907  R.    Krakow  1910,  8»  maj.,  XLI  +  407  Seiten. 

Als  elfter  Band  des  von  der  Krakauer  Akademie  der  Wissen- 
schaften herausgegebenen  »Archiwum  do  dziejow  literatury  i 
oswiatywPolsce«  erschien  im  Jahre  1910  der  erste  Teil  der  Arbeit  Jö- 
zef Korzeniowki's:  »Zapiski  i  wyciagi  z  rekopisöw  bibliotek 
polskich  i  obcych,  do  polski  sie  odno sz^cych«,  welcher  die  aus 
polnischen  Bibliotheken  stammenden  Handschriften  St.-Petersburgs,  in  erster 
Reihe  die,  welche  sich  in  der  Kaiserlichen  Öffentlichen  Bibliothek 
befinden,  behandelt. 

Die  wiederholten  Plünderungen  der  polnischen  öffentlichen  sowohl  wie 
Privatbibliotheken  infolge  der  Kriege  mit  Rußland  und  Schweden,  das  Hin- 
überschaffen am  Ende  des  XVIII.  Jahrhdts.  vollständiger  polnischer  Archive 
und  Bibliotheken  nach  St.-Petersburg  und  weit  nach  dem  Innern  Rußlands 
hat  eine  massenhafte  Anhäufung  polnischer  und  anderssprachiger  aus  pol- 
nischen Bibliotheken  herkünftiger  Handschriften  im  Zarenreiche  veranlaßt, 
welche,  sowie  auch  die  in  den  schwedischen  Bibliotheken  befindlichen,  für 
die  Kenntnis  der  polnischen  Geschichte  und  der  polnischen  Kultur  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  vom  größten  Wert  sind. 

Nur  wenige  haben  sich  bis  jetzt  um  diese  Schätze  gekümmert i);  verschie- 
dene Umstände  traten  obendrein  dem  Studium  der  Dokumente  hemmend  in 
den  Weg,  nicht  am  wenigsten  diese,  daß  die  Handschriften  sich  über  vielen 
Stellen  verbreitet  befinden,  das  Zusammengehörige  manchmal  getrennt  ist 
und  die  Handschriften  entweder  gar  nicht  oder  mangelhaft,  oft  sogar  fehler- 
haft verzeichnet  sind.    Die  Notwendigkeit  einer  sachkundigen  Beschreibung 


1)  Die  Krakauer  Akademie  der  Wissenschaften  hat  im  J.  1911  eine  Ex- 
pedition zur  Registrierung  der  in  schwedischen  Bibliotheken  befindlichen 
Hdn.  veranstaltet,  von  deren  Ergebnissen  ein  offizieller  Bericht  jedoch  noch 
nicht  vorliegt. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.      227 

dieser  Handschriften  wurde  schon  längst  lebhaft  gefühlt;  eifrig  bemühte  sich 
um  diese  Frage  Jözef  Korzeniowski,  der  Bibliothekar  der  Jagelloni- 
scheu  Bibliothek  zu  Krakau,  der  im  Jahre  1S91  bei  der  Krakauer  Aka- 
demie der  Wissenschaften  darum  anhielt,  daß  er  durch  ihre  Bemühung  das 
Stipendium  »Sniadecki*  aus  der  Stiftung  D.  S.  Galezo  wskis  zu  dem  ge- 
nannten Zwecke  benutzen  dürfe.  J.  Korzeniowski  hatte  dabei  vor  allem 
die  polnischen  und  lateinischen  historischen  Handschriften 
der  St.-Petersburger  Kaiserlichen  Öffentlichen  Bibliothek  im 
Auge,  zielte  auch  auf  das  aus  polnischen  Quellen  stammende  handschriftliche 
Material  der  Bibliothek  des  Hauptstabes  zu  St.-Petersburg  ab 
und  dachte  ebenfalls  an  die  in  Schweden,  hauptsächlich  in  Stockholm 
befindlichen  aus  Polen  stammenden  und  sich  auf  Polen  beziehenden  Hand- 
schriften. Die  Erfüllung  seines  Wunsches  durch  die  Krakauer  Akademie 
der  Wissenschaften  und  die  Unterstützung,  welche  die  Historische 
Kommission  der  Akademie  obendrein  verlieh,  ermöglichten  dem  Herrn 
Korzeniowski  in  den  Jahren  1891  und  1892  einen  längeren  Aufenthalt  in  St.- 
Petersburg  und  erlaubten  ihm  auch  einen  Anfang  zu  machen  mit  seinen 
Untersuchungen  in  Stockholm.  Nachdem  J.  Korzeniowski  im  J.  1907  noch 
einmal  in  St.-Petersburg  war  um  in  der  Kaiserlichen  Öffentlichen  Bibliothek 
seine  früheren  Aufzeichnungen  mit  den  von  ihm  benutzten  Handschriften  zu 
vergleichen,  veröffentlichte  er  im  J.  1910,  wie  vorhin  angegeben,  das  Resul- 
tat eines  Teiles  seiner  Untersuchungen. 

Der  Band  '■Notizen  und  Auszüge  aus  den  Handschriften 
polnischer  und  fremder,  auf  Polen  sich  b  eziehender  Biblio- 
theken« [SOmaj.,  XLI  -|-  377  Seiten  nebst  Namensregister]  umfaßt  die  Be- 
schreibung von  491  Handschriften,  von  welchen  die  NN.  1 — 415  der  Kaiser- 
lichen Öffentlichen  Bibliothek,  die  NN.  425— 460  der  Bibliothek 
des  Hauptstabes  [heutzutage  Haupt-  und  Generalstabes],  die 
NN.  461 — 470  der  Bibliothek  der  Römisch-Katholischen  Geist- 
lichen Akademie  angehören  und  die  NN.  41G — 424  und  471 — 491  sich  mit 
den  Autographen-  und  Dokumentensammlungen  der  K.  Öffentlichen 
Bibliothek  befassen. 

Unter  den  untersuchten  Handschriften  der  zuletztgenannten  Bibliothek 
befinden  sich  260  lateinische,  101  polnische,  34  verschiedenspra- 
chige, 4  deutsche,  1  spanische  und  15  italienische.  Format  und 
Signatur  dieser,  so  wie  aller  anderen  beschriebenen  Handschriften ,  sind  auf 
S.  XXXV — XLI  verzeichnet  worden.  Dieser  Aufzählung  geht  auf  S.  XXI — 
XXXIV  eine  Inhaltsübersicht  der  genannten  Handschriften  voran ,  worin  die 
Gruppen,  zu  welchen  die  einzelnen  gehören,  in  alphabetischer  Reihenfolge 
aufgeführt  worden  sind. 

Über  die  verschiedenen  Wege,  die  man  bei  der  Beschreibung  von  Hand- 
schriftensammlungen einschlagen  kann,  spricht  der  Autor  sich  auf  S.  VIII 
der  Einleitung  zu  seiner  Arbeit  aus  und  zeigt  darauf  hin,  wie  er  bei  dem  um- 
fangreichen, nicht  einheitlichen  Material  sich  nur  zur  Zusammenstellung  einer 
Art  von  »  catalogue  raisonne  «  bestimmen  konnte. 

Es  folgt  darauf  [S.  IX — XV]  eine  Aufzählung  der  verschiedenen  St.- 

15* 


228  Kritischer  Anzeiger. 

Petersburger  Bibliotheken,  die  aus  Polen  herkünftige  Handschriften  zu  ihren 
Sammlungen  zählen,  eine  flüchtige  Übersicht  über  das,  was  sie  daraus  er- 
hielten und  eine  kurzgefaßte  Geschichte  der  reichen  polnischen  Bibliotheken, 
die  erbeutet  und  zerstückelt  wurden,  wozu  die  Geschichte  der  polnischen 
und  litauischen  »Metryki<,  der  so  wichtigen  Archive  des  König- 
reichs Polen  und  des  Großfürstentums  Litauen  gehört.  Hieran 
schließt  sich  eine  Angabe  der  meisten  derer  an,  die  sich  in  einer  oder  anderer 
Weise  mit  den  polnischen  Handschriften  der  russischen  Biblio- 
theken befaßt  haben. 

Auf  diese  lehrreiche  Darstellung  folgt  [S.  XV — XVIII]  eine  kurze  In- 
haltsangabe des  Bestandes  der  K.  Öffentlichen  Bibliothek  zu  St.-Petersburg 
am  Ende  des  Jahres  1909  und  ein  Verzeichnis  der  Sammlungen,  die  bis  zum 
Jahre  1850,  als  in  der  Geschichte  der  Verwaltung  der  Bibliothek  eine  neue 
Periode  eintrat,  infolge  von  Kriegen,  Ankäufen  oder  Konfiskation  ihr  Eigen- 
tum wurden.  Den  Grundstock  bildet  bekanntlich  die  Bib  liothek  J.  Zalu- 
ski's  ,  die  am  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  aus  Warschau  hinübergeschafft 
wurde. 

Danach  gibt  der  Autor  [S.  XVIII — XIX]  eine  kurze  Aufzählung  der  von 
ihm  untersuchten  Handschriften,  nach  den  Jahrhunderten,  aus  welchen  sie 
stammen,  geordnet,  und  spricht  [S.  XIX — XX]  einen  Augenblick  über  den 
Bestand  der  Bibliotheken  des  Hauptstabes  und  der  Katholischen 
Geistlichen  Akademie,  von  welchen  erstere  die  aus  der  Gräflich 
Czartoryski'schen  Bibliothek  zu  Pulawa  herstammenden  Hand- 
schriften besitzt,  worunter  18  Bände  der  sogenannten  Portefeuille  [Tek]  des 
Naruszewicz,  23  Bände  statistischer  Beschreibungen  polnischer  Kirch- 
spiele, Tagebücher  der  polnischen  Landtage,  unter  welchen  das  bis  zur  Zeit 
von  J.  Korzeniowski's  Untersuchungen  unbekannte  des  Landtages  vom 
Jahre  1590/1591. 

Unter  den  Handschriften  der  Katholischen  Geistlichen  Aka- 
demie ist  wohl  die  interessanteste  der  schöne  Kodex:  die  Werke  des  Georg 
von  Trapesund,  der  im  Anfange  des  XVI.  Jh.  dem  Humanisten  J.  S. 
Am  ata,  Professor  der  Krakauer  Universität,  angehört  hat. 

Nach  der  inhaltsreichen  Einleitung  folgt  dann  die  Beschreibung  der 
einzelnen  Handschriften.  Hierbei  geht  der  Autor  in  folgender  Weise  vor: 
nachdem  die  Sprache,  in  welcher  der  Text  gehalten  ist,  das  Format  und  die 
Signatur  der  Handschrift  angegeben  sind,  folgt  die  Erwähnung,  ob  diese  eine 
Pergament-  oder  Papierhandschrift  ist,  die  Angabe  ihrer  Größe  in  mm,  ob  sie 
von  einer  oder  mehreren  Händen  geschrieben  wurde  und  in  welchem  Jahr- 
hundert, die  Anzahl  ihrer  Seiten  und,  wenn  nötig,  einiges  über  den  Einband. 
Es  folgt  der  Titel,  wenn  dieser  verzeichnet  worden  ist,  und  eine  Übersicht 
des  Inhaltes.  In  kleiner  Schrift  ist  darunter  die  Geschichte  der  Handschrift, 
so  weit  diese  bekannt  ist,  und  die  Literatur  über  sie,  insoweit  der  Autor 
diese  kannte,  mitgeteilt. 

Bei  der  Größe  des  Materials  und  der  Verschiedenheit  des  Inhalts  der 
Handschriften  ist  es  selbstverständlich ,  daß  umfangreiche  Manuskripte  nicht 
detailliert  beschrieben  werden  konnten  und  z.  B.  die  Bände  der  »Tek  Na- 


Korzeniowski ,  Zapiski  z  rekopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.    229 

ruszewicza«  bloß  chronologisch  verzeichnet  wurden.  Ebenso  begreiflich 
ist  es,  daß  in  den  Literaturangaben  Lücken  sind,  die  den,  der  sich  mit  der 
einen  oder  anderen  von  J.  Korzeniowski  beschriebenen  Handschrift  be- 
fassen will,  zur  Vorsicht  mahnen. 

Vorsicht  gebietet  gelegentlich  auch  die  Inhaltsangabe  der  Handschriften. 
Als  Beispiel  führe  ich  zwei  Handschriften  an,  die  ich  mir,  veranlaßt  durch  eine 
Frage  des  Herrn  Professors  "W.  Sobieski  zuKrakau,  näher  ansah;  es  sind  dies 
die  Handschriften  der  St.-Petersburger  K.  Ü.  Bibliothek,  verzeichnet  als  Pol. 
F. IV  No.  111  und  Pol.  F.  IV  No.  11 9 1).  Bezüglich  der  zuerstgenannten  Hand- 
schrift gibt  J.  Korzenowski  für  S.  40^ — 491^  an:  »Akta  sejmikow  odbytych 
1600  r.  w  Proszowicach  i  Nowem  Miescie  Korczynie<.  In  der  Hdschr.  jedoch 
finden  wir  auf  S.  40"^  zu  Ende  der  Aufschrift:  »Instructia  na  seymik  .  .  .  do 
Proszewic  ...  y  na  generalny  do  Korczyna  ...»  die  Jahreszahl  MDCV  ge- 
schrieben, und  auf  S.  491j  die  Datierung  23.  Febr.  1606  nebst  der  Bemerkung : 
»Pisan  w  Nowym  Miescie  KorczjTiie  na  Seymiku  Glöwnym.« 

In  der  Beschreibung  der  Hds.  Pol.  Fol.  IV  No.  119  verzeichnet  der  Autor 
unter  Buchstabe  d~)  »str.  283  sqq.  Mowy  poslöw,  grawamina,  odpowiedz 
krölewska  na  sejmie  warszawskim  1606  r.«,  worauf  unter  Buchstabe  e  folgt: 
»Str.  625  sqq.  .  .  .«  Unter  d  sind  also  —  muß  man  annehmen  —  die  Seiten  der 
Hds.  283 — 625  verzeichnet;  über  den  Warschauer  Reichstag  vom  Jahre  1606 
ist  aber  nur  bis  auf  S.  343  die  Rede ;  die  weiteren  Mitteilungen  bis  auf  S.  625 
beziehen  sich  auf  die  Reichstage  zu  Ste^yc,  Lublin  und  andere. 

Nebenbei  sei  bemerkt,  daß  ein  Teil  der  Berichte  über  den  Warschauer 
Reichstag  in  dieser  Hds.,  nämlich  der  Inhalt  von  S.  295— 305:  »Grawamina 
stanu  rycerskiego  .  .  .«,  ebenfalls  in  der  Hds.  Pol.  F.  IV  No.  111  vorkommt, 
nämlich  auf  S.  76  ff. 

Am  Ende  seiner  Beschreibung  der  Hds.  Pol.  F.  IV  No.  119  gibt  sich 
beim  Autor  eine  kleine  Verstimmung  kund  gegen  J.  Zaluski,  aus  dessen 
Bibliothek  die  beiden  genannten  Hdss.  stammen,  und  der  über  dem  Anfange 
der  zuletzgenannten  verzeichnete : » Sigismundi  Terti j  Regis  Poloniae  et  Sueciae 
Rerum  gestarum  Tomus  Tertius  Andreas  Lisiecki.«  Der  Autor  übersah  aber, 
daß  Zaluski  in  diesen  Worten  bloß  wiederholte,  was  in  dem  gelben  Leder  der 
alten  Einbanddecke  der  Handschrift  eingedruckt  war  und  noch  deutlich  zu 
lesen  ist.  Zaluski  fügte  in  Klammem  hinzu:  »ab  anno  1605  ad  A.  1614«; 
nicht  »A.D.  1614«,  wie  Autor  angibt. 

Mit  diesen  Bemerkungen  meinerseits  ist  aber  nicht  im  geringsten  ge- 
meint herabzusetzen  den  Wert  der  mühsamen,  fleißigen,  von  vielen  Kennt- 
nissen zeugenden  Arbeit  des  Herrn  J.  Korzeniowski,  der  Alle,  die  sich 
dem  Studium  polnischer  Handschriften  widmen,  zu  großem  Danke  ver- 
pflichtet hat.  Denn  sein  Werk  ist  die  erste  systematische  Katalogisierung 
polnischer  Manuskripte  und  hat  obendrein  das  Verdienst,  auf  das  Schicksal 
der  reichen  polnischen  Bibliotheken  und  auf  die  Schätze,  die  diese  enthielten, 
aufmerksam  gemacht  zu  haben,  wodurch  hoftentlich  mancher  angeregt  werden 


1)  S.  224/225  und  226/227  J.  Korzeniow  ski's  Beschreibung. 
2j  S.  227. 


230  Kritischer  Anzeiger. 

wird,  sich  dem  näheren  Studium  der  polnischen  Kultur  vergangener  Jahrhun- 
derte zu  widmen. 

Mir  sei  es  gestattet  eine  kleine  Ergänzung  zu  seiner  so  nützlichen  Arbeit 
hier  mitzuteilen. 

Mich  zeitweise  in  St. -Petersburg  aufhaltend  und  mich  bei  meinen  Stu- 
dien über  die  polnische  Kultur  des  XVI. — XVII.  Jahrhunderts  und  ihren  Ein- 
fluß auf  die  russische  des  XVII.— XVIII.  Jahrhunderts*)  mit  Dank  auch  der 
obengenannten  Arbeit  J.Korzeniowski's  bedienend,  lenkte  ich  meine  Auf- 
merksamkeit auf  die  polnischen  Handschriften  der  Bibliothek  des 
Haupt- und  Generalstabes. 

In  der  Einleitung  zu  seinem  Werke,  auf  S.  XIX,  weist  der  Autor  auf  die 
Herkunft  und  die  Wichtigkeit  dieser  Handschriften  hin  und  fügt  hinzu,  daß 
nicht  alle  in  jener  Bibliothek  befindlichen  Handschriften,  die  im  gedruckten 
Katalog-)  aufgezählt  sind,  ihm  zu  der  Zeit,  als  er  darüber  arbeitete,  zugäng- 
lich waren.  Die,  von  welchen  er  Kenntnis  nehmen  konnte  —  36  Nummern  — 
beschrieb  er  auf  S.  333—350  seines  Buches. 

Als  nun  vor  kurzem  einige  dieser  Handschriften  mich  besonders  inter- 
essierten und  mir  mit  größter  Bereitwilligkeit  die  Gelegenheit  gegeben  war, 
in  der  Bibliothek  des  Haupt-  und  Generalstabes  zu  arbeiten,  war 
meine  Enttäuschung  groß,  als  gerade  die  von  mir  zur  Einsicht  gewünschten 
Handschriften  sich  als  nicht  mehr  vorhanden  herausstellten.  Die  übrigen 
ließen  sich  unter  andern  als  die  von  J.  Korzeniowski  verzeichneten  Num- 
mern vorfinden. 

Überzeugt,  daß  niemand  mehr  als  der  Autor  selber  es  bedauern  wird,  daß 
er  bei  seinem  letzten  Aufenthalte  in  St.-Petersburg  im  Jahre  1907  die  Gelegen- 
heit nicht  benutzt  hat,  um  sich  zu  überzeugen,  ob  die  von  ihm  angeführten 
Handschriften  in  der  Tat  noch  in  der  Bibliothek  des  Haupt-  und  Gene- 
ralstabes vorhanden  seien,  glaube  ich  sowohl  ihm  selber  als  allen,  die  sein 
Buch  bei  ihren  Studien  benutzen,  einen  Dienst  zu  erweisen  durch  die  Mit- 
teilung des  Eesultates  meiner  Nachforschungen  in  genannter  Bibliothek. 

In  erster  Reihe  seien  die  Nummern  verzeichnet,  unter  welchen  die  vom 
Autor  beschriebenen  Handschriften  heutzutage  in  der  Bibliothek  des 
Haupt-  und  Generalstabes  aufgeführt  sind. 

Nummern,  unter  welchen  die  H  d  s  s.  sich  vorfinden 
beiJ.Korzeniowski[No.425 — 460       im  heutigen  Bestände  derBiblio- 
seines  Buches^:  thek: 


No.  37.5291)  [77— 1,2— 1]  2) 


No.  217—1 — 1    [Achtzehn  Bände  des 
sogenannten   »Tek   Naruszewicza*]. 


1)  Vgl.  ASPh.,  Bd.  XXX,  S.  57—89. 

2)  »CucxeMaTuiecKiM  KaTajTortBuöJiioTeKurjiaBuaroIIlTaöai 
qacrtll,  CnÖ.  1880,  No.  37529— 37561. 

3)  Nummer  des  gedruckten  Katalogs. 

*)  Standnummer  der  Handschriften  in  der  Bibliothek. 


Korzeniowski,  Zapiaki  z  r^kopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     231 


No.  37531  [79—2—4]. 
No.  37533  [61—4—5]. 

No.  37537  [87—3—16]. 
No.  37538  [43  —  1—10]. 
No.  37543  [17a— 2— 36]. 

No.  37545  [156-3—2]. 

No.  37553  [15—6—18]. 
No.  37555  [17—6—8]. 

No.  37560  [144a— 1-41] 

No.  37561  [146^—1—1]. 
No.  37571  [146a— 1—2]. 
No.  37723  [92—7—21]. 

No.  37724a  [82—2-11]. 


No.  286— 2— 35  [Dokumente,  die  sich 
auf  die  Konfederation  von  Bar  be- 
ziehen]. 

No.  287—1—8  [Tagebuch  der  Wahl 
und  der  Krönung  des  Königs  Michail 
und  Abschriften  von  Briefen  und 
Dokumenten  aus  den  Jahren  1669 — 
1670]. 

No.  287 — 1—24  [Handlungen  der  pol- 
nischen Artillerie -Generäle  vom  J. 
1756  und  Rechte,  der  Artillerie  ge- 
geben]. 

No.  286— 2— 21  [Abschrift  des  Brief- 
wechsels des  polnischen  Gesandten 
J.  N.  MaiachoicsJd  in  Dresden  1789 
—1792]. 

No.  286—2—5  [Vortrag,  abgehalten 
in  der  literarischen  Abteilung  der 
Gesellschaft  der  »Freunde  der  Wis- 
senschaft<  im  J.  1805,  über  das  po- 
litische Gleichgewicht]. 

No.  216—1—7  [Rapporte  der  Inge- 
nieurschulen der  Jahre  1790  und 
1791]. 

No.  286—2—8  [Beschreibung  der  Be- 
lagerung Wiens  im  J.  1683]. 

No.  216—2—4  [Tagebuch  der  Reise 
31.  K.  Badziwiih  durch  Europa  im 
J.  1677]. 

No.  216—2—24  [Dokumente,  die  sich 
auf  Schulangelegenheiten  in  Polen 
und  Litauen  der  Jahre  1809—1824 
beziehen]. 

No.  216—1—1  [Statistische  Beschrei- 
bung der  polnischen  Kirchspiele  der 
Jahre  1784-1786]. 

No.  216—1 — 5  [Liste  der  kirchlichen 
Einnahmen  im  Krakauer  wojewod- 
ztwo]. 

No.  287  —  1  —  20  [Beschreibung  der 
Rigaer  Unruhen  vom  J.  1521;  in 
deutscher  Sprache]. 

No.  286— 1—9  [BornhacJis  Erzählung 
vom  Aufruhr  zu  Danzig  1522—1526]. 


232 


Kritischer  Anzeiger. 


No.  37725  [60—2—3], 
No.  37731  [153^—1  —  14]. 

No.  37800  [58—2—1]. 
No.  37801  [56—2—9]. 

No.  37802  [56—2-8], 

No.  37806  [56—2—6]. 

No.  37808  [56—2-11]. 

No.  37810  [56—2—10], 

No.  37812  [149—7—31]. 
No.  37814  [146^—1—24], 
No.  37817  [56—2—7]. 

No.  37S33  [71—2—15]. 


No.  287—1—3  [S.  Grau's  Danziger 
Geschichte  und  andere  Aufsätze  in 
deutscher  Sprache]. 

No.  216—2—27  [Abschriften  von  Brie- 
fen Albrechts  von  Preußen  an  die 
Bischöfe  J.  Danti/szka,  T.  Griese 
und  S.  Hosius], 

No.  287—2—10  [Italienische  Doku- 
mente aus  dem  XVII.  Jhd.]. 

No.  2S7— 2— 12  [Italienische  Doku- 
mente ,  die  sich  auf  das  Konklave 
vom  J.  1655  beziehen]. 

No.  287—2—17  [Italienische  Doku- 
mente, die  sich  auf  die  Papstwahl 
Innocenz  X.  beziehen]. 

No.  287—2—15  [Italienisches  Doku- 
ment vom  J.  1652:  Mitteilung  des 
Venezianischen  Gesandten  ä.  Giusti- 
niano]. 

No.287 — 2 — 13  [Abschrift  einer  Samm- 
lung von  Vorschriften  Gregors  X  V. 
und  Urhans  VIII.  für  die  päpst- 
lichen Gesandten]. 

No.  287 — 2  —  14  [Sammlung  von  Vor- 
schriften der  Päpste  Imiocenz  X.  u. 
Alexajider  VII  für  ihre  Gesandten]. 

No.  45 — 8 — 46  [Mitteilungen  Venezia- 
nischer Gesandten  aus  d.  XVII.  Jh.] 

No.  2 1 6 — 2 — 2  [Sammlung  italienischer 
Dokumente  aus  dem  XVII.  Jh.] 

No.  287—2-16  [Mitteilung  des  Vene- 
zianischen Gesandten  in  Eom  vom 
J.  1647]. 

No.  286—2—7  [Abschriften  von  Do- 
kumenten, die  sich  auf  Kurland  und 
Livland  beziehen,  aus  dem  XVI., 
XVII.  und  XVm.  Jh.l. 


Die  Handschrift  No.  37530  [82—1—8]  ,  polnische  politische  Doku- 
mente der  Jahre  1585 — 1606  und  ein  ungedrucktes  polnisches  Gedicht  enthal- 
tend, hat  bis  jetzt  die  alte  Signatur  No.  82— 1— S  behalten;  man  glaubte  sie 
schon  verloren,  fand  sie  aber  in  den  Vitrinen  wieder. 

Wie  aus  dem  Vergleiche  der  oben  vorgeführten  Liste  mit  den  von  J. 
Korzeniowski  verzeichneten  Handschriften  ersichtlich,  sind  von  diesen 
letzteren  die  folgenden  nicht  mehr  in  der  Bibliothek  vorhanden : 

No.  37532   [89— 1— 6]  =  Korz.    No.  428    [Chwalczewski's  Chronik, 


Korzeniowski,  Zapiski  z  r^kopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     233 

Fragmente  von  Tagebüchern  der  Landesversammlnngen  der  J.  1548  und  1550, 
Polnische  Gedichte,  das  Testament  des  Krakauer  Bischofs  Maciejowski 
und  andere  Dokumente. 

No.  37534  [18—1—36]  =  Korz.  No.  430  [Tagebuch  der  polnischen 
Landesversammlung  zu  Grodno  im  J.  1784], 

No.  37542  [89—2—1]  =  Korz.  No.  433  [Sammlung  ursprünglicher  Briefe 
des  Königs  Jan  III.]. 

No.  37544  [96—2—102]  =  Korz.  No.  435  [Dokumente  der  Jahre  1696 
— 1718,  die  sich  auf  die  Geschichte  Polens  beziehen]. 

No.  37724b  [85— 2— 10]  =  Korz.  No.  444  [B ornb ach' s  Erzählung  des 
Danziger  Aufruhrs,  geschrieben  im  J.  1587]. 

No.37728[89— 2— 12]  =  Korz.  No.446  [S.Grunau's  »Chronik Preußens« 
in  gekürzter  Form]. 

No.  37807  [96— 2—101]  =  Korz.  No.  452  [Auszüge  aus  Dokumenten, 
die  sich  auf  Spanien  beziehen  und  abgedruckt  sind  in  De  Lamberty:  »Me- 
moires  pour  servir  ä  Thistoire  du  XVHIieine  siecle]. 

No.  37809  [93—4 — 7]  =  Korz.  No.  454  [Drei  Briefe  eines  italienischen 
Diplomaten  aus  dem  Anfange  des  XVIII.  Jhs.]. 

No.  37815  [82— 3—4]  =  Korz.  No.  458  [Mitteilungen  Venezianischer 
Gesandten  und  Verträge  Veneziens ,  mit  italienischen  Fürstentümern  ab- 
geschlossen]. 

Von  diesen  ist  die  Handschrift  No.  37534  [18a — 1 — 36]  nicht  mehr  aufzu- 
finden und  muß  also  als  verlustig  betrachtet  werden.  Die  andern  Hand- 
schriften sind  bei  Gelegenheit  der  Feuersbrunst  im  Gebäude  des  Haupt-  und 
Generalstabes  vom  Jahre  1901  leider  verbrannt.  Unica,  wie  die  Chronik 
Chwalczewski's,  ungedruckte  polnische  Gedichte,  historische  Dokumente 
sind  dabei  vernichtet  worden.  Vor  dem  Untergange  bewahrt  ist  die  oben- 
genannte Handschrift  No.  217—1—21  =No.  37724*  [82—2—11]  bei  J.  Korze- 
niowski;  sie  hat  aber  durch  den  Feuerschaden  sehr  gelitten,  auch  ist  der 
Einband  verkohlt.  Verbrannt  ist  ebenfalls  der  Einband  der  Handschriften 
No.  287—1—24  =  Korz.  No.  37537  [87—3—16]  und  No.  287—1—20  =  Korz. 
Nor.  37723  [92 — 7 — 21];  die  zuerst  genannte  dieser  beiden  Handschriften  ist 
obendrein  vom  Rauche  geschwärzt;  von  der  zuletzt  genannten  sind  die  letzten 
Seiten  vom  Feuer  verzehrt  worden.  Verbrannt  sind  leider  auch  die  folgen- 
den fünf  von  Korzenowski  nicht  erwähnten,  aber  im  gedruckten  Katalog 
der  Bibliothek  verzeichneten  Handschriften : 

No.  37536  [95 — 2 — 18]  [Tagebuch  der  Landesversammlung,  im  Jahre  1764 
in  Warschau  abgehalten,  in  40]. 

No. 37539  [3la — 2—14]  [Kozlowski's  Geschichte  des  ersten,  später 
neunten  Regimentes  des  Fürstentums  Warschau,  in  4°]. 

No.  37541  [80—1—18]  [Dokumente  der  Jahre  1503—1613,  die  sich  auf 
die  Geschichte  Polens  beziehen,  in  folio]. 

No.  37550  [30a— 2— 64]  [Statistische  Tabelle  des  Kalischer  Departements, 
in  SO]. 

No.  37554  [82—1—90]  [Abfahrt  des  Moskauer  Zaren  Dimitrius  nach 


234  Kritischer  Anzeiger. 

Moskau  mit  G.  Mniszek,  Wojewoden  von  Sandomir  und  anderen  Edelleuten 
im  J.  1604,  in  folio]. 

Weitere  zwei  der  dort  angeführten  Handschriften  : 

No.  37552  [75—1 — 1]  [im  Katalog  angeführt  unter  dem  Titel  »Teki  Krö- 
lewieckiej«  1413  —  1524,  16  Bände  in  8»] 

und  No.  37557  [165—1 — 12]  [Sammlung  origineller  Dokumente  und  Briefe 
in  polnischer  Sprache,  in  folio] 

sind  nicht  mehr  aufzufinden  und  müssen  also  als  dem  Bestände  der  Bibliothek 
nicht  mehr  angehörig  betrachtet  werden. 

Diesen  großen  "Verlusten  gegenüber  steht  aber  ein  erfreulicher  Zu- 
wachs; ich  fand  nämlich  in  der  genannten  Bibliothek  eine  Reihe  von  Hand- 
schriften, die  im  gedruckten  Katalog  größtenteils  gar  nicht  vorkommen  und 
im  handschriftlichen  Verzeichnis  öfters  unrichtig  aufgeführt  sind. 

Ihre  Beschreibung  lasse  ich  hier  folgen: 

I. 
No.  216— 2— 5. — Papierhandschrift,  195  mm  bei  155  mm,  von  einer  Hand 
im  XVII.  Jh.  geschrieben,  654  numerierte  Seiten,  broschiert,  besonders  gut 
erhalten. 

Bemerkung:  z  Archivum  Zolkiewskiego  Sobieskich.  —  Auf  der 
Innenseite  des  Umschlags  ex  libris:  Wappen  äerüadziiviUs  mit  der  gedruckten 
Unterschrift:  »Ex  Bibliotheca  Radiviliana  ducali  Nesvisiensi«;  es  folgt  dar- 
unter eine  kleine  Vignette  mit  der  Inschrift:  Loc.V,  No.  25. 

Titel:  >Peregrinacie  jasnie  wielmo^ne  je''  Mci  Pana  Jakuba  Sobi  e- 
skiego,  woiewody  ziem  ruskich,  po  roznych  cudzoziemskich  panstwach; 
taHe  drogi  do  Baden  z  krulem  Wiadyslawem  IV  odprawione  y  krotkie  opi- 
sanie«. 

Anfang:  »Anno  Domini  1607,  Wyiechalem  ja  z  Krakowa  do  Franciey 
do  Pary^a  .  .  .  <; 

Unten  am  Titelblatte  ist  mit  verbleichter  Tinte  geschrieben :  »Ta  xionszka 
lest  mi  darowana  od  krolewicza  Jme  Konstantego  anno  1719«. 

Es  ist  die  Originalhandschrift  der  Beschreibung  der  beiden  Reisen  Ja- 
kob Sobieski's,  des  Vaters  des  Königs  Jan  III. ,  durch  Europa.  Der 
Krakauer  Kastellan  reiste  1607  von  Krakau  über  Frankreich,  Belgien,  Holland, 
Deutschland  nach  Italien,  war  1613  in  Krakau  zurück  und  fing  1638  von  dort 
aus  seine  Reise  nach  Baden  mit  dem  Könige  Wladyslaw  IV.  an  (Hds.  S.539ff.). 

Auf  S.  539  der  Handschrift  sagt  der  Autor,  daß  er  seine  Erinnerungen 
im  Jahre  1642  in  polnischer  Sprache  schrieb. 

Unter  dem  Titel  >Dwie  podrö^e  Jaköba  Sobieskiego,  ojca 
kröla  Jana  III,  po  krajach  europejskich  w  latach  1607 — 1613  i  1638«  gab 
Edw.  Raczynski  Sobieski's  Reisebeschreibung  heraus;  erste  Ausgabe 
Mröwka  pozn.  1821,  zweite  Poznan  1833. 

IL 
No.  216—2—19.  —  Papierhandschrift,  240  mm  bei  190  mm;  von  einer 
Hand  im  Anfange  des  XIX.  Jhs.  geschrieben,  nicht  paginiert,  in  braunem 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisow,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     235 

Lederband,  worauf  in  vergoldeten  Buchstaben :  »0  ziemiorodztwie  Kar- 
patöw«;  darüber  auf  einem  grünen  Lederstreifen  die  Nummer  4742.  Unter 
dem  allgemeinen  Titel  in  kleineren,  ebenfalls  vergoldeten  Buchstaben:  »Opi- 
eanie  woyskowe  Karpatöw  miedzy  Wegrami  j  Galicya. 

Die  Seiten  nur  an  einer  Seite  beschrieben;  in  der  Handschrift  sind  hie 
und  da  mit  Bleistift  Korrekturen  angebracht. 

Die  Beschreibung  der  Karpaten  zerfällt  in  drei  Teile.  Am  Ende  isi^i 
von  einer  andern  Hand  geschrieben:  »w  Wiedniu,  w  Grudniu  1810«;  und  fol- 
gende Bemerkung:  >przerobione  z  niemieckiego.  Original  znayduie  si^  w 
Kollekcyi  planöw  i  rysunköw  lit.  C,  no  53«. 

Diese  Handschrift  enthält  die  zum  Drucke  vorbereitete  genaue  Abschrift 
der  Originalhandschrift  des  Stanislaw  Staszic:  »0  ziemiorodztwie 
Karpatöw  i  innych  gor  i  rownin  Polski«,  die  im  Jahre  1815  in  War- 
6 chau  mit  Hinzufügung  eines  Atlasses  herausgegeben  und  dort  im  folgenden 
Jahre  [1816]  noch  einmal  gedruckt  wurde.  Die  Unterzeichnung  der  Abschrift 
ist  ohne  Zweifel  die  des  Staszic  selber,  der  1810  in  Wien  war. 

IIL 

No.  206—1—8.  —  Papierhandschrift  aus  dem  XIX.  Jh.,  320  mm  bei 
200  mm,  broschiert,  373  Seiten,  von  welchen  die  fünf  ersten  nicht  paginiert; 
die  hierauf  zunächst  folgende  Seite  ist  als  die  29.  verzeichnet.  Die  Handschrift 
hat  durch  nicht  sorgfältige  Aufbewahrung  gelitten. 

Auf  der  ersten  Seite  ist  [später]  in  russischer  Sprache  geschrieben: 
»^HecHUKT.  ccHMa  Jlio6.iiiHCKaro  et.  anoxy  coeÄHHCHiH  uapcTBa 
ndLCKaro  ex  BejEHKUMt  KHKKecTBOMt  jiHTOBCKHM'B»;  darunter  von 
einer  andren  Hand:  »Tresc  rekopismu  bibliotheki  J.  Wo  Tadeusza  Cza- 
ckiego^.  Auf  der  Kehrseite  befindet  sich  eine  kurzgefaßte  Nachricht  über  die 
Lubliner  Union,  worunter  nachfolgende  Bemerkung:  »tresc  wypisal  Lukasz 
Golebiowski«.  Es  folgt  [S.  3 — 5]:  »Dyariusz  Seymu  Unii,  czyli 
ziednoczenia  Korony  Polskiey  z  W.  Xiestwem  Litewskim  w  1569 
roku«;  es  ist  dieses  das  Inhaltsverzeichnis,  von  L.  Golebiowski  unter- 
zeichnet; das  Tagebuch  fängt  mit  der  30.  Seite  an.  Sowohl  diese  wie  die 
373.  Seite  stammt  von  einer  andern  Hand  her. 

»Dyariusz  Lubelskiego  seymu  Unii  r.  1569«  wurde  von  T.  A. 
Dzialynski  im  Jahre  1856  in  Posen  als  dritter  Band  der  »Zrodlopisma 
do  dziejöw  Unii  Korony  Polskiej  i  W.  X.  Litewskiego«  heraus- 
gegeben.  »Dzialynski  kannte  die  obengenannte  Handschrift  nicht. 

Im  Jahre  1869  [St-Petersburg]  besorgte  M.  0.  Ko^i.üobiii'b  die  Heraus- 
gabe des  »ÄueEHnKt  JIioöjiHHCKaro  ceÜMa  1569  roÄa«  für  die  Ärchäo- 
graphische  Kommission  und  benutzte  dabei,  wie  er  in  der  Einleitung  sagt, 
eine  Handschrift  der  Bibliothek  des  General-  (Haupt-)  Stabes, 
dort  mit  der  Nummer  7731  verzeichnet,  die  —  wie  er  meint  —  die  späteste 
Abschrift  des  genannten  Tagebuches  ist  und  im  XVII.  Jh.  geschrieben  sein 
soll.  Wo  diese  Handschrift  sich  befand  bevor  sie  der  Bibliothek  des  Haupt- 
und  Generalstabes  einverleibt  wurde,  erwähnt  Koh.iobuh-i.  leider  nicht. 


236  Kritischer  Anzeiger. 

IV. 

No.165 — 1—11 1).  — Papierhandschrift  aus  dem  Ende  des  XVI.  und  dem 
Anfange  des  XVII.  Jhs.,  330  mm  bei  210  mm,  gebunden  [später],  59  nicht 
numerierte  Seiten.  Die  Handschrift  hat  Feuerschaden  erlitten  [die  Ränder 
der  Seiten  sind  geschwärzt  und  links  oben  fehlt  ein  Paar  cm^  großes  Stück 
der  Handschrift  über  ihre  ganze  Dicke]. 

Auf  der  Rückseite  des  Einbandes  ist  russisch  verzeichnet:  »CoÖpaHle 
noÄJiHHHHXT>  nac ewh  li  ÄCKpeiOB'i.BpeMeHtKopo.üflCurHaMyHaall 
Asry  CTa«. 

S.  1—2:  Brief  vom  Jahre  1570  des  Wojewoden  von  Minsk,  Gabryel 
Hornostay,  an  Mik.  Krzyszt.  Radziwill. 

S.  3—4:  Brief  vom  Jahre  1569  an  denselben. 

S.  5:  Brief  vom  Jahre  1510  [die  Adresse  ist  nicht  erhalten  geblieben]. 

S.  6—7:  Fragment  eines  Briefes  an  M.  K.  Radziwill  vom  Jahre  1570. 

S.  8 — 9:  Brief  an  denselben  vom  Jahre  1568. 

S.  10:  Brief  an  denselben  ebenfalls  vom  Jahre  1568. 

S.  11 — 12:  Brief  an  denselben  im  Auftrage  des  Königs  Sigismund  II. 
August. 

S.  13—14:  Brief  an  denselben  im  Auftrage  des  Königs  vom  Jahre  1569. 

S.  15—16:  Brief  des  Gabriel  Grabowski  an  den  Wojewoden  von 
Troki  vom  Jahre  1551. 

Neben  der  Adresse  ist  später  verzeichnet  worden:  No.  13  Fase.  128 
Publicznych. 

S.  16—30:  Panegyrici  zur  Gelegenheit  der  Heirat  Sigismund  II 
August  und  Sigismund  III. 

Es  ist  dies  die  Abschrift  der  1605  im  Verlage  der  Witwe  Jac. 
Siebeneycher  in  Krakau  gedruckten  Broschüre. 

S.  31 — 32:  »Dekret  miedzypanem  starost^ Zmoydzkym  a  panemHliebo- 
wiczem«  vom  Jahre  1563. 

S.  33 — 34:  Ein  lateinischer  Brief  vom  Jahre  1557,  wobei  verzeichnet 
ist:  No.  224  Fase.  13  Publicznych. 

S.  35— 36:  »Przywilej  na  Prawo  Maideburskie  miastu  Wilens- 
kiemu  < ,  in  lateinischer  Sprache. 

Am  Ende  ist  verzeichnet:  No.  3  Fase.  109  Publicznych. 

S.  37—40:  »Kopija  przywilegii  kröla  Zygmunta  Augusta  na  Statut 
W.  X.  Litewskiego,  dan  w  Breczku  1564^. 

S.  41—42:  Ein  nicht  zu  Ende  geführtes  lateinisches  Schreiben  vom 
Jahre  1663. 

S.  43—50:  Abschrift  eines  Dekretes  Sigismunds  II  August,  auf  die 
innere  Verwaltung  Polens  sich  beziehend,  wobei  verzeichnet  ist:  No.233  Fase. 
13  Publicznych.  Die  Abschrift  wurde  1663  in  Wilno  fertiggestellt, 

S.  51 — 52:  »Kopija  z  przywileju  Inflanckiego  na  unija  im  danego«,  1569. 

S.  53—59:  »Minuta  listöw  wielkich<.  Es  handelt  sich  hier  um  Überein- 
künfte, welche  polnische  Gesandte  zur  Zeit  Sigismunds  II  August  mit 


1)  Diese  Nummer  ist  die  des  > Katalogs  der  Vitrinen«. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  r^kopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     237 

dem  Moskauer  Großfürsten  abschließen.  Verzeichnet  ist  am  Ende:  No.  9 
Fase  4  Publicznych. 

V. 

No.  216—1—4:.  —  Papierhandschrift  aus  dem  XVI.  Jh.,  320  mm  bei  21mm, 
gebunden  [viel  später  ,  96  Seiten.  Die  Handschrift  hatte  gelitten  durch  nicht 
sorgfältige  Aufbewahrung;  die  beschädigten  vergilbten  Blätter  wurden  später 
beigeklebt. 

Die  Handschrift  ist  in  westrussischer  skoropis'  des  XVI.  Jhs.  geschrie- 
ben; sie  enthält  38  Originalbriefe  in  westrussischer  Sprache,  von  denen  der 
letzte  nicht  zu  Ende  geführt  ist;  vom  19.  Briefe  fehlt  der  Anfang. 

Auf  der  ersten  leeren  Seite  ist  von  einer  alten  Hand  folgendes  verzeich- 
net: »Listy  po  rusku  pisane  in  materia  woyny  z  Moskwq.  roku 
1573  do  Senatoröw  y  Ead  uaznaczonych  od  kröla  y  rzeczypospolitey,  od 
osoby,  ktörey  imienia  niemasz;  znac,  ie  to  byl  posiel  albo  poslanik  polski«. 

Über  dem  Anfange  ist  in  noch  älterer  Zeit  verzeichnet  worden:  »Listy 
Stare  po  rusku  pisane  od  roznych  P.  P.  xi^^at  dygnitarzöw 
W.X.Litewskiego  do  P.P.  Sapiehow,  Chodkiewiczu  w,  Hlebowi- 
czüw  y  innych  .    Ein  Verzeichnis  der  Briefe  geht  diesen  voran. 

Der  4.,  13.,  14.  und  20.  Brief  ist  an  »ITaHi.  TpouKÜi«  gerichtet;  der  9., 
15.,  16., 27.  und 31.  an  den  Wojewoden;  der  12.  an  den  »Focysapi.  KopojiB«; 
der  17.,  18.,  21.,  22,  und  28.  an  die  Katsherren  des  Großfürstentums 
Litauen. 

VI. 

No.  411—3—26.  —  Papierhandschrift  vom  Ende  des  XVIII.  Jhs.,  340  mm 
bei  195  mm,  von  verschiedenen  Händen  geschrieben,  broschiert,  174  Seiten. 

Die  Aufschrift  lautet:  »Tabella  miast,  wsiöw  y  osiadlosci 
wonychwprowincyiW.X.  Litewskiegoznayduiqcychsiezklas- 
syffikacyq  tychze  jakiey  sa  natury  oraz y  glöw  z  taryff 

lustratorskich  wyci^gniona«. 

S.  1 — 8 :  TaryfFa  miast  y  wsiöw  w  wojewodz.  Wilenskim  bed^cych  z  wy- 
raieniem  ich  osiadlosci  y  dystynkcy^  ni^ey  w  rubrykach  wyra:?ona  z  taryffy 
podymnego.    Eoku  1775  ulo^ona. 

S.      9 —  21 :  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Oszmanskim. 

S.    22—  29:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Lidzkim. 

S.    30—  40:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Wilkomierskim. 

S.    41—45:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Braslawskim. 

S.    46 —  53:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  wojewodztwie  Trockim. 

S.    54—  63:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Grodzienskim. 

S.    64 —  68:  Taryft'a  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Kowienskim. 

S.    69 —  74:  Taryffa  miast  y  wsiöw  powiatu  Upitskiego. 

S.    75 —  95:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  xiestwie  Zmudzkim. 

S.    96 — 105:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  wojewodztwie  Polockim. 

S.  106 — 123:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  wojewodztwie  Nowogrodzkim. 

S.  124—129:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Sloninskim. 


238  Kritischer  Anzeiger. 

S.  130—133:  Taryffa  miast  y  wsiöw  powiatu  Wolkowyskiego. 

S.  134 — 137:  Taryffa  miast  y  wsiöw  powiatu  Orzanskiego. 

S.  138 — 151 :  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  wojewodztwie  Brzeskim. 

S.  152 — 157:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Pinskim. 

S.  158 — 169:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  wojewodztwie  Minskim. 

S.  170—171 :  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Moiyrskim. 

S.  172—174:  Taryffa  miast  y  wsiöw  w  powiecie  Rzeczyskim. 

VII. 

No.  216—1 — 3.  —  Papierhandschrift  vom  Anfange  des  XIX.  Jhs.,  350  mm 
bei  230  mm,  von  einer  Hand  geschrieben,  gebunden  in  grünem  Lederband, 
121  Seiten  und  sechs  kolorierte  Handzeicbnungen. 

Der  Titel  lautet:  »Naukapraktycznafortyfikacyipodziemney 
czyli  o  podkopach  do  u^ytku  kompanij  minieröw  polskich 
z  naynowszych  autoröw  wyieta  i  na  oyczysty  iezyk  przelozona 
przez  M.  Eouget«. 

Die  Handschrift  wurde  im  Jahre  1815  in  Warschau  geschrieben  und  ist, 
wie  die  erste  Seite  bekundet,  dem  Großfürsten  Konstantin  Pavlovic  ge- 
widmet worden:  >Jego  Ces.  Xi^^(?cey  Miosci  Konstantemu  Pawlowiczowi 
W.  X.  Rossyiskiemu,  naczelnemu  dowodzey  woyska  polskiego«. 

VIII. 

No.  287—2—5.  —  Papierhandschrift  aus  dem  Ende  des  XVII.  Jhs., 
330  mm  bei  210  mm,  von  verschiedenen  Händen  geschrieben,  gebunden  in 
grünem  Lederband ;  die  Seiten  sind  nicht  numeriert ;  die  Handschrift  ist  1 50  mm 
dick.  Auf  der  Rückseite  des  Bandes  ist  in  vergoldeten  Ziffern  auf  einem  Leder- 
Btreifen  die  Nummer  2896  verzeichnet.  Der  Titel  lautet:  »Historicus  de 
tumultuGedanensi  et  dimissioneD.  AegidiiStrauchii«,  Anno  1674. 

Commentarius  fideliter  conscriptus  ab  Arnoldo  ä  Bobari.  Nach 
einigen  unbeschriebenen  Seiten  fängt  der  Text  in  deutscher  Sprache  an;  alle 
sich  auf  die  Unruhen  und.die  Entlassung  St  rauch 's  beziehenden  Akten,  Bro- 
schüren, Mitteilungen,  sei  es  in  deutscher  oder  in  lateinischer  Sprache,  sind  in 
den  Text  eingefügt;  größtenteils  ist  auch  das  handschriftliches  Material, 
vereinzelt  kommt  gedrucktes  vor;  die  spätesten  Dokumente  sind  1681  datiert. 
Dem  Ende  der  Handschrift  sind  die  Abdrücke  zweier  Gravüren  beigegeben, 
Abbildungen  des  Feuerwerks  in  Danzig  zur  Krünungsfeier  Johann  III.  zum 
König  von  Polen  im  Jahre  1G76.  Verfertiger  des  kunstvollen  Feuerwerks  war 
der  durch  sein  in  vielen  Sprachen  übersetztes  Buch  über  die  Artillerie  be- 
kannte »Artillerie-Haubtman«  Ernst  Braun. 

Die  Handschrift  ist  ungedruckt  geblieben. 

IX. 

No.  287-2—2.  —  Papierhandschrift  aus  der  2.  Hälfte  des  XVIIL  Jhs., 
390  mm  bei  240  mm,  gebunden  [später],  195  Seiten. 

Die  Handschrift  enthält  Abschriften  von  Briefen  und  offiziellen  Doku- 
menten aus  den  Archiven  des  polnischen  Königs  und  einiger  Privatpersonen. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     239 

S.  1— liJ:  31  lateinische  Briefe  an  den  Pabst  Urban  VIII.  von  welchen 
30  vom  Könige  Sigismund  III.  herstammen  und  einer  von  seinem  Sohne 
Wladyslaw.  Am  Ende  ist  das  Jahr  1624  verzeichnet. 

S.  17 — 19:  Über  dem  Anfange  ist  verzeichnet:  Ex.  Ms.  Arch.  Radz. 
Nesv.  Brief  des  Herzogs  Friedrichs  von  Lifland  und  Kurland  an 
die  Senatoren  des  Großfiirstentums  Litauen:  »Fridericus  ad  Ordines  M.  D.  Litt. 
Hom.  congregatos  scribit  pro  restituendo  Ducat.  filio  Wilhelmi  fratris  ßui«, 
datiert  Frawenburg  24  Nov.  1624  und  unterzeichnet:  Friedericus  dei  gratia 
Livoniae,  Curlandiae  ac  Semigaliae  Dux. 

S.  20:  Oben  an  der  Seite:  Ex  Epis.  Ms.  Lubien.  in  Arch.  St  an.  Aug.  Regia. 
Brief  Stanislaus  Lubienski's,  Kardinals  de  Torri,  vom 
3.  Dez.  1624. 

S.  21—211':  Ex  Ms.  Biblioth.  Zalusc.  No.  398. 

Literae  summi  Pontificis  UrbaniVIII  adVlaisIaum,  Poloniae 
Principem  Romam  venientem,  A»  1624,  28.  Nov. 
S.  22-33b:  Ex.  Ms.  Arch.  Radz.  Nesv. 

Capita  summaria  Sueticae  commissionis  habitae  sub  Area  Dahlensi, 
19.  Maji  1624. 

S.  34 — 36:  Ex  tom  V  Hist.  Pruss.  per  Lengnichum. 

Responsum  Consiliariorum  terr.  Prussiae  ad  legationem  Sigis- 
mundi  III  regis  Poloniae,  30  Maji  1624,  Marienburg.  JEs  ist  dieses  Gottfried 
Lengnich:  »Geschichte  der  Lande  Preußen,  Kön.  Polnischen  An- 
teils, seit  d.  J.  1606  bis  auf  das  Ableben  Königs  Sigismundi  III«, 
Danzig  1727,  pars  V,  documenta  (No.  4S).; 

S.  37:  Ex  Epis.  Ms.  Lubien.  in  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Stanislaus  Lubienski  Francisco  Cardinali  Barberino, 
7  Junij  1624.— 

S.  38—411':  Ex  tom.  V  Hist.  Pruss.  p.  Lengnichum. 

Responsum  consiliariorum  terr.  Prusssiae  ad  legationem  Sigis- 
mundi III,  reg.  Poloniae,  11.  Junij  1625,  [Es  ist  dieses  Docum.  No.  49.] 
S.  42—43:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Respons.  J.  K.  Mci  P.  X.  Eustachiuszowi  Wollowiczowi,  bis- 
kupowi  Wilenskiemu,  Januszowi  Skuminowi  Tyszkiewiczowi,  woje- 
wodzie  Mscislawskiemu,  yKrzysztofowi  Zawiszy,  poslom  konwok.  Wi- 
leüskiey,  14  Julij  1624  w  Warszawie.  Das  Dokument  ist  in  polnischer  Sprache 
verfaßt.  Am  Ende  ist  folgendes  verzeichnet:  scrip.  Mi.  Kalinowski. 
S.  44-  -44'-  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Copia  literarum  ducis  Radivily  ad  Pontum,  20  Julij  1624. 
S.  45 — 45b:  Ex  Epist.  Ms.  Lubien.  in  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Stanislaus  Lubienski  duci  Curlandiae,  30  Julij  1625. 
S.  46 — 4&b:    Occasio  apologiae  inter  Komorowskie  et  Rylskie, 
Julij  1624. 

S.  49— 49b:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Brief  der  schwedischen  Senatoren  an  die  des  litauischen  Goßfürsten- 
tumes  vom  11.  August  1624. 


240  Kritischer  Anzeiger, 

S.  50 — 51:  Ein  Brief  der  genannten  Senatoren  an  die  Litauens  vom 
2.  August  1624. 

S.  52 — 54:  Ex.  Ms.  Arch.  St  an.  Aug.  reg. 

Brief  des  Joh.  Albertus,  Koadjutors  des  Bischofes  von  Razeburg 
an  den  König  vom  7.  Sept.  1624. 

S.  55—57:  Instructio  venerabili  Remiano  Koniecpolski,  sacrae 
regiae  majestatis  secretario,  ad  sanct.  dominum  Urbanum  VIII  internuntio, 
Varsavia  1624. 

S.  58—60:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg: 

Instructio  gen.  Samueli  Targowski,  s^e  i^e  maj.  secretario, 
ad  Gabrielem  Bethlem  Transylvaniae  principem  nuntio,  Varsavia  Sept. 
1624. 

S.  61— 62b:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Instructio  gen.  Petro  Szykowski,  s^e  r"  maj.  aulico,  ad  111.  princ. 
Guilhelmum  sac.  Rom.  Imp.  archicamerarium  et  electorem  in  Prussia  ducem 
nuntio,  Varsavia  1624. 

S.63 — 64b:  Kopialista  do  Zygmuntalll,  polskiego  yszwedzkiego  krola, 
od  Sultan  Amurata,  cesarza  tureckiego,  przez  Abdylzausza  przy  oddaniu 
y  potwierdzeniu  pakt  wi^cznego  przymierza  z  Chrysztophem  Sereb- 
kowiczem,  przyniesione  w  Warszawie  1624. 

Die  Abschrift  ist  in  polnischer  Sprache  geschrieben. 

S.  65 — 65  b;  ExMs.  Arch.Comitii  Joan.Tarnowski,  Gast.  Konarski  Lecz. 
Joannes  Hagenawa  Moravia  ad  Sigismundum  III,  1624, 

S,  66 — 69b:  Kopia  listu  od  Sultan  Murada,  Achmedowego  syna,  do 
krola  Zygmunta  III  o  wst^pieniu  na  cesarstwo,  o  kupach  i  gromadzieniu  sie 
woyski  polskich  i  o  zatrzymaniu  Mechmet  czausza;  1633. 

Die  Abschrift  ist  in  polnischer  Sprache  geschrieben;  am  Ende  be- 
findet sich  nachfolgende  Bemerkung:  »Ta  kopia  przepisana  z  originalu  pa- 
pierowego  po  turecku  pisanego,  na  ktörym  z  drugiey  strony  przetlumaczenie 
znajduie  8i§  po  polsku,  roku  panskiego  1785,  23  Nov«. 

S.  70:  Ex  Ms.  Ossolens. 

Lateinischer  Brief  ohne  Unterschrift. 

S,  71 — 73b:  Kopia  listu  do  krola  od  cesarza  tureckiego  przy  od- 
dawaniu  y  potwierdzeniu  pakt  przymierza  wiecznego  z  korona  polska;  z  Kon- 
stantynopola  roku  1624, 

S.  74— 75b:    Ex  Ms.  Bibl.  Zal.  No,  398. 

Responsum  Srmi  Regis  ad  Imperator.  Turcarum  [in  latei- 
nischer Sprache], 

S.  76 — 83b:  Pacta  przywiezione  przez  P,  Krzysztofa  Serebkowicza 
y  Abdy  Cansza,  oddan.  w  Warszawie  7  Mali  1624  [in  polnischer  Sprache]. 

S,  84—86:  Ex  Ms,  Bibl.  Zal,  No,  398, 

Copia  literarum  a  Srmo  Rege  ad  Imperat.  Turcarum  post  obla- 
tionem  pactorum,  20  Aug.  1624  [in  lateinischer  Sprache], 

S,  87 — 90:  Instrukcya  urodzonemu  Krzysztophowi  Kielczew- 
skiemu,  sekretarzowi  y  posiancowi  kröla  do  cesarza  tureckiego,  Sultan 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     241 

Amur  ata,  dana  w  Warszawie  dnia  21  kwietnia  1624  [in  polnischer  Sprache]. 
S.  91—93:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Ang.  reg. 

PoselstwoodShahingereja  Hana  Tatarskiego  do  Zygmuntalll 
kröla;  1624  [in  polnischer  Sprache  . 

S.  94 — 97  b;  Propozjxj'a  krola  na  Seymie  koronnym  Warszawskim  przez 
xiedza  kanclerza  podana  w  rokii  1624  [in  polnischer  Sprache'. 
S.  9S:  Ex  Epis.  Ms.  Lubien.  in  Arch.   Stan.  Aug.  reg. 
Stanislaus  Lubienski 

Cosmo  de  Torres. 
S.  99 — 101:  Ex  tom  V  Hist.  Pruss.  per  Lengnichum. 

Instructio  consiliariorum  terr.  Pruss.  data  nunciis  eorum  ad  comitia 
Varsaviensia  missis,  24  Jan.  1624  [dieses  ist  Docum.  No.  4-5]. 
S.  102 — 104:  Ex  tom  V  Hist.  Pruss.  p.  Lengnichum. 

Responsum  consiliariorum  terr.  Pruss.  ad  legationem  regiam,  24  Jan. 
1624  [dieses  ist  der  zweite  Teil  vom  Docum.  No.  46]. 
S.  105 — 10.51':  Ex  orig.  Archiv.  Alex.  Lubom. 

List  J.  K.  Mci  Zygmunta  III  do  P.  Koniecpolskiego,  hetmana 
polnego,  8  Febr.  1624  [in  polnischer  Sprache]. 
S.  106—1061':  Ex  Ms.  Bibl.  Zaiuscy. 

Instructio  commissariis  ad  tractandas  inducias  cum  Sveticis  data, 
27  Febr.  1624. 

S.  107 — 107^:  Ex  orig.  Arch.  Alex.  Lubom. 

List  J.  K.  Mci  do  P.  hetmana  polnego,  29  Febr.  1624. 
S.  108 — 1U9:  Kopia  listu  PoutusowegodoP.  woiewodyMscisIaw- 
skiego  y  do  P.  Wenden,  9  Martij  1624. 

S.  110— 111'^:  Ex  orig.  Arch.  Radziw.  Nes. 

Instrukcya  woiewodstwa  Nowogrodzkiego.  Wypis  z  knih  Horod- 
zkich  zamkowych  wojewodstwa  Nowohrodskoho,  1624. 
S.  112— 114b:  Ex.  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Responsum  sacr.  reg.  maj.  illustri  et  gnoso  dom.  Gasparo  Hor- 
warth  etadmodum  rndo  dom.  archidiacono  Vratislaviensi  oratoribus  sacr. 
cesareae  mjtis,  Varsavia  24  Martij  1624  [in  lateinischer  Sprache]. 

Am  Ende  befindet  sich  die  Bemerkung:  scrip.  Mi.  Kalinowski. 
S.  115—116:  Ex  Ms.  Archiv.  Radziw.  Nes. 

Laudum  woiewodstwa  Brzeskiego,  26  Maji  1624  [in  polnischer 
Sprache]. 

S.  117:  Ex  Epis.  Ms.  Lubien.  in  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Stanislaus  Lubienski  Joanni  Baptistae  Lancelloro, 
30  Martij  1624  [in  lateinischer  Sprache]. 

S.  118 — 125:  Pacta  Ser.  Sigismundi  III  Poloniae  et  Sweciae  regis  cum 
Sultan  Amurate,  imper.  Turcarum,  anno  1624  in  Martio. 

S.  126—127:  Ex.  Epist.  Ms.  Lubien.  in  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 
Stanislaus  Lubienski 
Carolo  episcopoVratislaviensi  nomine  praepositiMiecho- 
viensis,  8  Apr.  1624. 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  16 


242  Kritischer  Anzeiger. 

S.  128— 12Sb:  Ex  Epist.  Ms.  Lubien.  in  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 
Stanislaus  Lnbienski 

Armenio  Agnelini,  12  Apr.  1624. 
S.  129 — 131b:  Ex  tom  V  Hist.  Pruss.  p.  Lengnichum. 

Eesponsum  consiliariorum  terr.  Pruss.  ad.  legationem  regiam,  23  Apr. 
1626  [dieses  ist  Docum.  No.  50]. 

S.  132— 134b:  Ex  Ms.  Arch.  Radz.  Nesv. 

Protestacya  poslow  koronnych  y  Litewskich,  uczyniona  po  seymie 
w  roku  1624. 

Wypis  z  knych  hospodarskich  z  zamku  naszoho  wojewodztwa 
Nowohrodskoho. 

Am  Ende  die  Bemerkung:  Pawel  Piasecki,  pisarz. 
S.  135 — 137:  Ex  tom  V  Hist.  Pruss.  p.  Lengnichum. 

Responsum  consiliariorum  terr.  Pruss.  ad  legationem  regiam,  24  Apr. 
1624  [dieses  ist  Docum.  No.  47]. 

S.  138— 138b:  Ex.  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Copia  literarum  a  commissariisSueticis  ad  commissarios  regni  Polo- 
niae,  4  Maji  1624. 

S.  139 — 142:    Copia  literarum  a  commissariis  regni  Sveciae  ad  commis- 
sarios regni  Poloniae,  magn.  duc.  Lithuaniae,  8  Maji  1624. 
S.  143—145:  Ex  Ms.  Bibl.  Zaiusc.  No.  398. 

Puncta  conventa  commissariorum  nostrorum,  8  Maij  1624. 
S.  146:    Ex  Ms.  Lubien.  in  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 
Stanislaus  Lubienski 

Cosmo  Cardinali  de  Torres. 
S.  147 — 148^:  Apologia  pro  libertate  reipublicae  et  legibus  regni  Polo- 
niae contra  callidos  novi  juris  repertores  posterior  auctior  et  correctior,  to 
iest  powod  iasny  z  historyi  z  zwyczaiow  z  spraw  z  statutow  y  konstitucyi 
koronnego. 

S.  149— 149b:  Ex  Specim.  Eccl.  Ruth.  Kulczyn. 

Literae  Josephi  Rutski,  archiep.  Russiae,  ad  cardinalem  Octa- 
vium  Bandinum,   protectorem  Russiae,  27  Jan.  1624  [J.  Kulczynski: 
»Specimen  ecclesiae  Ruthenicae«,  Romae  1733,  1759,  1859]. 
S.  150 — 150^:  Ex  Specim.  eccl.  Ruth.  Kulczyn. 

Sacrae  congregationi  de  Propaganda  fide  episcopi  Ruthen!  Uniti, 
30  Jan.  1624. 

S.  151:  Ex  Ms.  Bibl.  Zaiusc.  No.  398. 

Decretum  summ,  pontificis  Urbani  VIII  in  congregatioue  de  Pro- 
paganda fide  habita  die  7  Febr.  1634  de  transitu  Ruthenorum  Unitorum  a 
Graeco  ad  latinum  ritum. 

Am  Ende  befindet  sich  die  folgende  Unterzeichnung:  Oct.  Cardinalis 
Bandinus. 

S.  152:  Ex  Ms.  Bibl.  Zaiusc.  No.  398. 

Rescriptum  Urbani  VIII  Papae  in  congregatioue  de  Propaganda 
fide  habita  die  7  Febr.  1624  ad  episcopi  Kijoviensis  petitionem. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisow,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     243 

Am  Ende  befindet  sich  nachfolgende  Unterzeichnung:  Oct.  Cardinalis 
Bandinus. 

S.  153— 153b:  Ex  Specim.  eccl.  Ruth.  Kulczyn. 

Sigismundo  III  regi  Poloniae  Urbanus  P.P.  VIII,  10  Febr.  1624. 
S.  154— 154b:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.398. 

Copia  literarnm  summ.  Pontificis  Urbani  VIII  ad  Srmum  regem  in 
causa  Unionis  Ruthenorura,  10  Febr.  1624. 

S.  155— 155b:  Ex  Specim.  eccl.  Euth.  Kulczyn. 

Josephi  metropolitae  Russiae  decretum,  11  Febr.  1624. 
S.156— 15Gb:  ExMs.  Arch.  Radziw.  Nesv. 

Summa  instrukcyj  P.  poslom  wojewodzstwa  Wolynskiego  daney 
26  Martii  1624. 

S.  157:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Decretum  congreg.  de  propag.  fide  30  Apr.  1024. 
Am  Ende  befindet  sich  die  nachfolgende  Unterzeichnung:  Oct.  cardi- 
nalis  Bandinus. 

S.  158:  Ex  Specim.  eccl.  Ruth.  Kulczyn. 
Octavius  cardinalis  Bandinus 

Prefectus  s.  congr.  de  prop.  fide,  4  Maij  1624. 
S.  159:  ExMs.  Bibl.  Zalusc.  No.398. 

Literae  cardinalis  Bandini  ad  archiepiscopum  Kijovien- 
sem,  4  Maij  1624. 

S.  160:  Ex  Specim.  eccl.  Ruth.  Kulczyn. 
Josepho  metropolitae  Russiae 

Oct.  cardinalis  Bandinus,  4  Maij  1624. 
S.  161  — 161b:  Ex  Specim.  eccl.  Ruth.  Kulczyn. 
Sigismundo  III  regi  Poloniae 

Urbanus  P.P.  VIII,  11  Maij  1624. 
S.  162:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  36S. 

Decretum  congr.  de  prop.  fide  31  Maij  1624. 
Am  Ende  befinden  sich  die  nachfolgenden  Unterzeichnungen:   Oct. 
card.  Bandinus  und  Fran.  Ing.  secret. 
S.  163:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Decretum  summ,  pontificis  Urbani  VIII  in  congr.  de  prop.  fide 
31  Maij  1624. 

Am  Ende  befindet  sich  die  folgende  Unterzeichnung:  Oct.  card.  Ban- 
dinus. 

S.  164:  Decretum  7  Julij  1624. 

S.  165 — 166b:  Instructio  secreta  ven.  Remiano  Koniecpolski  sacr. 
reg.  majest.  secretario  ad  sanct.  dom.  Urbanum  VIII  internuntio,  data  Var- 
saviae  15  Sept.  1624. 

S.  167:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Brief  der  polnischen  und  lithauischen  Ratsherren  an  die  schwedi- 
schen, datiert  aus  Warschau,  23  Oct.  1 624. 

S.  168—169:  Ex  Ms.  Bibl  Zalusc.  No.  398. 

Copia  literarum  aRigensibus  ad  duc.  Radivilium,  15  Nov.  1624. 

16* 


244  Kritischer  Anzeiger. 

S.  170— 170b:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Urbanus  VIII  ad  duc.  Zbarawski,  castell.  Cracoviensein,  1624. 
S.  171 :  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Urbanus  VIII  ad  srmum  regem,  1624, 
S.  172:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Urbanus  VIII  ad  episc.  Luceoriensem,  1624. 
S.  173:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  N.  398. 

Urbanus  VIII  ad  episc.  Premisliensem,  1624. 
S.  174:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  39S. 

Urbanus  VIII  ad  episc.  Kijoviensem,  1624. 
S.  175:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Urbanus  VIII  ad  episc.  Vilnensem,  1624. 
S.  176:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Urbanus  VIII  ad  episc.  Chelmensem,  1624. 
S.  177:  Ex  Ms.  Bibl.  Zalusc.  No.  398. 

Urbanus  VIII  ad  episc.  Camenecensem,  1624. 
S.  178:  ExMs.  Bibl.  Zalusc.  No.398. 

Urbanus  VIII  ad  duc.  Zbarawski  regi  stab.  praefectum,  1624. 
S.  179 — 179b:  List  Szahingiereja  do  x.  Zbarawskiego,  1624 

[in  polnischer  Sprache]. 
S.  180—1821^^:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

List  X.  Zbarawskiego,  kaszt.  Krakowskiego,  do  kröla  Jmsci,  z 
Myslemic  16  Sept.  1624  [in  polnischer  Sprache]. 
S.  183  ist  leer  geblieben. 

S.  184 — 186:  Instrukcyia  domowego  kumtora  w  Toruniu  do  xia^f^t  i  pa- 
nöw  w  kraju  niemieckim. 

S.  187  und  188  sind  leer  geblieben. 

S.  189:  Komp.  pieniedzy  y  rozchodow. 

S.  190— 191b:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Rosprawa  szczesliwa  z  Tatary  P.  Stanislawa  Koniecpolskiego, 
hetmana  polnego  koronnego  na  Podolu  pod  Szmankowcami  w  roku  1624, 
6  Febr. 

Am  Ende  befindet  sich  nachfolgende  Bemerkung:    scrip.  Mi.  Kali- 
nowski. 

S.  192:  Ex  Ms.  Arch.  Stan.  Aug.  reg. 

Znaczne  zwyci^stwo  P.  Stanislawa  Koniecpolskiego  nad 
Kantymirem  Baszq  Bialogrodzkim,  ktöry  z  wielkim  woyskiem  tatar- 
skim  pod  Przemyslem  u  Medyki  stanqwszy,  ai  ku  Wisle  y  Krakowu 
wojowal,  otrzymane  dnia  20  Junij  162-5  roku  pod  Haliczem. 

Unterzeichnet  ist  das  Dokument  von  Lukasz  Miaskowski. 
Am  Ende  nachfolgende  Bemerkung:  scrip.  Mi.  Kalinowski. 
Wie  aus  dieser  detaillierten  Beschreibung  hervorgeht,  ist  die  Hand- 
schrift No.  287 — 2 — 2  von  großem  Werte  für  die  Geschichte  des  für  Polen  so 
bedeutungsvollen  Jahres  1624;  alle  darauf  sich  beziehenden  Dokumente  mit 
Angabe  der  Fundstellen  sind  in  ihr  zusammengetragen. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     245 

X. 

No.  280—2—1.  —  Papierhandschrift  aus  dem  XVIII.  Jh.,  290  mm  bei 
180  mm,  412  nicht  numerierte  Seiten.  Die  Handschrift  ist  aus  dem  Einbände 
herausgerissen  und  hat  Beschädigung  erlitten.  Die  durcheinander  geworfenen 
Hefte  nnd  Seiten  sind  von  mir  nach  den  angegebenen  Jahreszahlen  geordnet 
worden. 

Wie  das  Nachfolgende  bezeugt,  haben  wir  es  hier  zu  tun  mit  einem  Teil 
des  Staatsarchivs  des  Großfürstentums  Litauen,  worin  die  vom  Herrscher  ver- 
liehenen und  unterzeichneten  Akten  eingetragen  wurden. 

a)  Regestr  xiegi  krola  Zygmunta  I  Augusta  y  Zygmunta  I  od  1522 
de  1527  roku  przywilejow. 

b)  Regestr  xiQgi  krola  Zygmunta  I  od  1528  do  1534  röinych  spraw. 

c)  Liber  copiarum  aliarumque  rerum  necessario  inscrip.  ab  1532  ad  1534, 
reg.  Alexandri. 

d)  Regestr  xiegi  spraw  s^dowych  y  przywilejow  krola  Zygmunta  I  od 
1533—1535. 

e)  Teil  eines  Registers  der  Jahre  1534 — 1535,  sich  beziehend  auf  gericht- 
liche Privilegien. 

/)  Metryki  W.  X.  Litt^xiega  za  krüla  Zygmunta  Augusta  roku  1544  ; 
uchwal  na  seymach  W.  X.  Litt»  a^  do  Unij  Lubelskiey. 

g)  RöinychlegacyiyposelstwxiegazakrolaZygm.  Augusta  y  Stefana 
od  roku  1545,  gdzie  tak^e  znajduia  sie  granice  dobr  Smolenskich. 

h)  Liber  sec.  actorumjudiciariorum  curiae  ser.  princ.  dom.  Sigismundi 
Augusti,  reg.  Poloniae,  1545. 

e)  Regestr  xiegi  krola  Zygm.  Aug.  roku  1545  popisu  zamköw  ukrain- 
skich. 

k)  Regestr  spraw  ab  1546  ad  1549. 

l)  Regestr  xiegi  krula  Zygm.  Aug.  röinych  spraw  ab  1547  do  1548  roku. 

nt)  Liber  decretöw  ab  1547  ad  1550. 

n)  Regestr  ksiegi  wojewodztwa  Wilenskiego  spraw  s^dowych  ab  1549 — 

1551  Sigismundi  Augusti. 

o)  Regestr  xiegi  metriki  W.  X.  Litt«  za  kröla  Zygmunta  Aug.  od  1551 
do  1552. 

p)  Regestr  xiegi  metriki  W.  X.  Litt«  za  krola  Zygm.  Aug.  od  1551  do 

1552  spraw  rö^nych. 

r)  Regestr  xiegi  kröla  Zygm.  Aug.  roku  1552,  zawieraiaca  w  sobie  opi- 
sania  zamkow  ukrainych. 

s]  Regestr  spraw  1552 — 1553. 

t)  Regestr  xiegi  krölowey  Bony  od  1552 — 1555  rö:^nych  spraw. 

ti)  Regestr  xiegi  krula  Zygm.  Aug.  od  1552—1561  przywilejow. 

u")  Metriki  spraw  r6:Jnych,  1623. 

x]  Regestr  zebraney  xi^szki  1774.  [Kommissya  rozgraniczenia  mi^dzy 
Roslawiem  a  Branskim]. 

y)  Regestr  xi^gi  dekretow,  1774,  ohne  Ende. 

z]  Ohne  Jahreszahl:  liber  decretorum  causarum  Podlachowiensium. 


246  Kritischer  Anzeiger. 

aa)  Ohne  Jahreszahl  und  ohne  Anfang:  ein  Register  von  Privilegien 
Litauens. 

bh)  Ohne  Jahreszahl:  Regestr  xiegi  z  szpargaiöw,  zloioney  krölöw 
Wladyslawa  y  Zygmunta  III,  spraw  rö^nych. 

DieseHandschrift  ist  ein  herausgerissener  Teil  der  Handschrift  No.216 — 
1 — 2,  die  aus  13  Bänden  besteht  und  deren  Beschreibung  hier  unten  folgt. 
Die  Handschrift  No.  268—3 — 1  bildet  in  dieser  Serie  zum  Teil  den  dritten 
Band,  der  unvollständig  erhalten  geblieben  ist.  Wie  aus  der  Inhaltsangabe 
hervorgeht,  sind  Seiten  des  1.  Bandes  und  sogar  Seiten  des  7.  und  13.  Bandes 
in  diese  Handschrift  hineingeraten. 

XI. 

No.  216— 1—2.  —Papierhandschrift  aus  dem  XVIII.  Jh.,  290  mm  bei 
180  mm,  13  Bände,  von  welchen  die  meisten  unpaginiert  sind  und  alle  heraus- 
gerissen aus  dem  braun  ledernen  Einband;  12  ihrer  sind  darauf  unbefestigt 
wieder  in  die  Einbände  hineingelegt.  Auf  der  Rückseite  des  Einbandes  ist  auf 
einem  grünen  Lederstreifen  die  Nummer  26942  verzeichnet.  Die  Handschrift  ist 
von  verschiedenen  Händen  geschrieben  worden.  Im  Katalog  der  Bibliothek 
des  Haupt-  und  Generalstabes  ist  die  Handschrift  verzeichnet  als:  »Chhcoki. 

MeipHiieCKUII)  CBHÄiTejIBCTB'iB.  K.  JIuTOBCKarOBOBpeM/IUapCTBO- 
BaHifl  CurH3MyHÄa,  Kopojrü  nojiLCKaro,  1530^  «,  aber  auf  der  ersten  Seite 
des  ersten  Bandes  ist  der  richtige  Titel  verzeichnet:  »Summaryusz  xiag 
metryki  W.  X.  Lito«  und  in  Bezug  auf  die  ersten  Bände  ist  hinzugefügt : 
»pod krolami,  to  lest  xia^.etami  litewskiemi, krölem  Kazimierzem,  Alexan- 
drem, Zygmuntem  I  y  krolowy  Bony,  poczawszy  od  roku  1500  a^  doroku 
1553  bed^cych«.  Es  folgt  von  derselben  Hand  die  Bemerkung,  daß  der 
»  Summaryusz«  im  Jahre  1747  geschrieben  worden  ist. 

Auf  einem  Einzelblatte  ist  von  einer  andern  Hand  Nachfolgendes  eingetra- 
gen worden:  >Te  dwie  xiegi  pod  N™  1  y  2,  ka^.da  na  245  stronicach,  oznaczaia 
dwa  jednostayne  exemplarze  i  zawierai^  w  sobie  summaryusz  dokumentow 
na  dobra  ziemskie  w  Litwie  polo^onych,  ktore  w  pewnych  fascykulach  i  pod 
literami  ulo^one  byly,  lecz  gdzie  takowe  fascykuly  z  dokumentami  obröcili  sie, 
w  teraznieyszych  metrycznych  aktach  nieznayduie  sie  naymnieyszey  wia- 
domosci. 

Na  pocz^tkowych  dwoch  stronicach  umieszczone  s^  nastepne  wyrazy : 

10.  R.  1386  pod  tytulem  oddanie  wiernosci  Bazyliusza,  xiecia  Pin- 
skiego, krölowi  Wlady  slawowi  i  Jadwidze,  mali^ce  Jego. 

20.  Pod  tytulem  wiernosc  Swidrygailowa,  xiecia  Litewskiego,  Wia- 
dystawowi,  krulowi  Polskiemu  i  elektorowi  kr61estwa  W*?gierskiego  i 
bratu  Jego  rodzonemu  Kazimierzowi  i  caley  radzie  korony  polskiey  i 
ruskiey. 

30.  Titulo  wiernosc  Korybutowa,  xiecia  Litewskiego,  krolowi  Wia- 
dyslawowi,  bratu  swemu  milemu,  krölowey  Jadwidze  i  Ich  potomkom  w 
koronie  polskiey. 


Korzenlowski,  Zapiski  z  rekopisow,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     247 

40.  6939  od  stworzenia  swiata,  titulo  Swidrygal.  Listy  ruskie  Swi- 
drygaiia,  xi^cia  litewskiego,  ku  wyczytania  trudne  pod  pieczeci;\  — sub 
litera  E  —  sequens  nastepuie  woiewodztwo  Wilenskie  dobra. 

(Darunter)  Poswiadczam:  Stefan  Kozielt,  metrykant  litewski. 

(Band  I.)  Über  dem  Anfange  ist  'später]  geschrieben  worden:  »Peterz- 
burski  No.  1*.  Fängt  an  mit  a:  Xiega  metryki  W.  X.  Lit^  od  xia^t  Litew- 
skich  y  inszych  kroluw  na  dobra  rozdane  ante  Unionem  y  insze  listy  röfnych 
lat  pokrotce  wzmiankowane  sub  No.  lo  et  2o,  alias  Eegestr. 

Es  folgt:  sub  No.  30,  Regestr  xiegi  metriki  W.  X.  Lit^za  krölöw  Kazi- 
mierzay  Alexandra,  w  ktorey  konnotowano,  iako  wMetrykule  iakie  komu 
dobra  dano,  ale  bez  daty,  krotkie,  dwoma  wierszoma,  nie  wyra:^ai^c  gdzie 
si^  te  wioski  znayduia.  Takowe,  nie  niepewne  konnotacye  ida  ai  do  karty  po 
lacinie  notowaney  folio  55.  Kok  w  przywileiu  krola  Jmsi  Kazimierza  wy- 
raiony  6958  alias  wedtug  racbunku  od  stworzenia  swiata. 

b)  Regestr  xiegi  krola  Alexandra  roku  7013,  arendi. 

c)  Regestr  xiegi  za  krula  Alexandra  pod  rokiem  1500.  Sub.  No.  6.  In 
margine  Bemerkung  von  späterer  Zeit:  »Peterzburski  lest  No.  5«. 

d)  Regestr  xiegi  W.  X.  Lit»  za  Zygmunta  I  spraw  röinych  poselskich 
tak^e  zapisow  od  roku  1506  do  r.  1513.   Sub.  No.  7  [Peterzburski  No.  7]. 

e)  Regestr  xiegi  W.  X.  Lito  za  krola  Zygmunta  I  rö^nych  spraw  od 
r.  1506  2ii  do  r.  1513  metryki  wielkiey.   Sub  No.  8. 

/)  Regestr  xiegi  krola  Zygmunta  I  metryki  wielkiey  W.  X.  Lit^  ab  anno 
1508  ad  annum  1523.   Sub  No.  12  [Peterzburski  No.  10[. 

g)  Regestr  xiegi  kröla  Zygmunta  I  od  roku  15 IS  do  roku  1523  roinych 
spraw.   Sub  No.  13  [Peterzburski  No.  11  [. 

h)  Regestr  xiegi  metryki  W.  X.  Lito  przywilejow  za  krola  Zygmunta  I 
od  r.  1522  do  r.  1529.  Sub  No.  15  [Peterzburski  lest  No.  12^. 

Am  Ende  befindet  sich  die  Bemerkung:  »Ten  regestr  zakonczony, 
S.  H.«  und  dazu  die  Unterzeichnung  des  Revisors  L.  J.  C.  1750. 

i]  Liber  conservationum  terminorum  curialium,  qui  ad  mandatum  regiae 
Majestatis  in  conventione  generali  Petricoviensi,  anno  D.  1526.  Sub  No.  4. 
Oben  an  der  Seite  ist  geschrieben:  Sub  No.  18  [Peterzburski  No.  iest  5]. 

h)  Regestr  xiegi  krula  Z  ygmunta  I  roku  152S.  — 

(Band  II)  fängt  an  mit  «):  Regestr  xsi<?gi  krola  Zygmunta  I  od  1535 
do  1536  roku  ro^nych  spraw.   Es  folgen: 

h)  Regestr  xsiegi  krola  Zygmunta  I  metryki  W.  X.  Litf^  ab  anno  1536 
ad  annum  1 539. 

c)  Regestr  kröla  Zygmunta  I  roku  1542  y  roznych  lat  przywilejow. 

d)  Metryki  W.  X.  Litt'',  xsiega  za  kröla  Zygmunta  I. 

Granic  Inflantskich  z  wielkim  xiestwem  Litewskim  roku  1542. 

e)  Xsiega  statutöw  kröla  Zygmunta  I,  zawieraiqca  w  sobie  artykuly 
prozby,  odkazy  od  K.  Jmci  na  seymieBrzeseskim  uezynione  w  roku  1544,  ktöre 
krotko  spisaug. 


248  Kritischer  Anzeiger. 

/)  Regestr  xsiegi  metryki  W.  X.  Litt<5  od  1548  do  1549  za  krölowey  Bony 
listöw  y  przywilejow  y  innych  roinych  spraw. 

g)  Regestr  ksif^g  dwoch  krölowey  Bony;  jedney  ab  1549  ad  1553,  drn- 
giey  ab  1552  ad  1555. 

Am  Ende  befindet  sieh  nachfolgende  Bemerkung:  »Te  xsiegi  rewi- 
dawal  w  roku  1782  Stefan  Niemierzycki«. 

?i)  Xsiegi  metryki  W.  X.  Litt»  za  krola  Zygmunta  I  od  roku  1513  löi- 
nych  spraw  y  dekretow. 

Am  Ende  ist  in  anderer  Tinte  verzeichnet:  L.  J.  C.  1750. 

i]  Regestr  xsiegi  spraw  sadowych,  dekretuw  y  niektorych  przywilejow 
kröla  Zygmunta  I  metryki  W.  X.  Litt«  pod  rokiem  1500  do  1523. 

Am  Ende  befindet  sich^ nachfolgende  Bemerkung:  »Ten  regestr 
zakonczony  d.  10  martij  anno  dni  1747;«  mit  andrer  Tinte  ist  darunter  ver- 
zeichnet: 1750,  L.  C.  — 

A)  Regestr  podwierzenia  krola  Zygmunta  I,  gdzie  dekreta  naywiecey 
znayduia  sie;  akta  poznieysze  pierwey  polo^one;  od  roku  1536  do  1540. 

l)  Regestr  xsiegi  krola  Zygmunta  I  od  r.  1540  do  r.  1543  rö^nych  spraw. 

m]  Regestr  xiegi  metryki  W.  X.  Litt«  za  krola  Zygmuntal  y  syna  jego 
röinych  spraw  sadowych  w  niey  sie  zawieraif^cych  od  r.  1546  do  r.  1548. 

»?)  Actum  Wilnae  feria  Dominicam  Rogationum ,  anno  1546. 

o)  Xiega  metryki  W.  X.  Litt»  legacyi  y  poselstw  za  krola  Zygmuntal 
roku  153S.— 

2))  Regestruni  libri  electionis,  episcopi  Rig.  summo  pontifice  con- 
firmationis,  donationis,  approbationis  c.  lim.  ab  anno  1292,  in  annos  varios 
dispositi. 

r)  Regestrum  actorum  et  appellationum  terrarum  Podlachiae  ad  sacr. 
reg.  majest.  provenientium,  anno  1538. 

s)  Regestr  xsiegi  spraw  Podolskich  za  krola  Zygmunta  I,  roku  1541, 

(Ban  d  III)  ist  verzeichnet  unter  den  Nrn.  286—2—1  (s.  oben).  — 

(Band  IV)  umfaßt  298  unbroschierte  Seiten,  die  durcheinander  geraten 
sind.  In  der  Bibliothek,  der  dieser  Band  früher  angehörte,  war  er  mit  der 
Nummer  43  verzeichnet.  Revidiert  wurde  die  Handschrift  im  Jahre  1750  von 
einem,  der  seinen  Namen  mit  den  Buchstaben  J.  P.  angibt. 

Die  Handschrift  umfaßt: 

ä)  Regestr  xiegi  metryki  za  krola  Zygmunta  Augusta  od  1551 — 1562 
röinych  spraw. 

h)  Regestr  xiegi  przywilejow  od  1561 — 1566. 

c)  Regestr  xiegi  przywilejow  od  1561 — 1567. 

d)  Regestr  xiegi  metryki  od  1562 — 1565  rö:^nych  spraw. 

e)  Regestr  xiegi  metryki  od  1562—1566. 

/)  Regestr  xiegi  spraw  si^dowych  od  1563 — 1570, 

ff]  Regestr  xiegi  metryki  roku  1563,  w  ktorey  sie  znaydui?\  ograniczenia 
powiatöw. 

/()  Regestr  xi<;gi  spraw  sadowych  od  1566 — 1571. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  rekopißöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.     249 

{)  Regestr  xi^gi  przywilejöw  od  1566 — 1572. 

Je)  Regestr  xi^gi  dekretow  od  1566 — 1572. 

l)  Regestr  xiegi  spraw  s^dowych  od  1566 — 1572. 

7«)  Regestr  xiegi  przywilejöw  i  listöw  od  1569 — 1570. 

n)  Regestr  xiegi  metryki  od  1566 — 1571  roznych  spraw. 

o)  Regestr  spraw  wszytkich  do  tey  metryki  wpisanych  za  kröla  Zyg- 
munta  Augusta  od  1566  do  1572. 

p)  Regestr  xiegi  przywilejöw  od  1566  do  1574. 

r)  Regestr  xiegi  roku  1567  samych  arendöw. 

s)  Regestr  xiegi  rö^nych  listöw  od  1567  do  1569. 

t]  Regestr  xiegi  listöw  samych  od  1569  do  1571. 

m)  Regestr  xiegi  przywilejöw  i  listöw  od  1570 — 1571. 

tc)  Regestr  xiegi  kröla  Stefana  od  roku  1575  do  1578. 

x)  Metryki  W.  X.  Litt"  xiega,  w  ktörey  ani  kröla  ani  roku  niewyraia, 
zawieraif\ca  w  sobie  expedycyie  y  poselstwa. 

Auf  der  letzten  Seite  der  Handschrift  sind  allerhand  Notizen  zu- 
sammengetragen. 

[Band  V)  umfaßt  309  unbroschierte  Seiten,  die  durcheinander  liegen; 
der  Titel  ist  folgender:  »Summaryusz  xsi^g  metryki  W.  X.  Litew- 
skiego  od  r.  1574  do  r.  1605«. 

Die  Handschrift  enthält  u.  a.  »Ksiega  poselstw,  ktöre  siq  odprawo- 
waly  za  kröla  Stefana,  w  ktörey  tei  znayduia sie  granice  miedzy  Inflantami 
a  Moskwc-j  w  roku  1581«  und  »Granice  miedzy  carem  Moskiewskim  a 
niektöremi  dobrami  XaLitewskiego«. 

(Band  VI)  war  in  der  Bibliothek,  der  er  früher  angehörte,  mit  der 
Nummer  6  verzeichnet;  er  umfaßt  230  Seiten,  die  durcheinander  geraten  sind. 
Die  Handschrift  enthält  u.  a.  'Regestr  xiegi  spraw  Inflantskich  od 
r.  1589  dor.  1614c. 

(Band  VII)  ist  nicht  paginiert,  60  mm  dick;  in  der  Bibliothek,  der  er 
früher  angehörte,  war  er  mit  der  Nummer  7  verzeichnet. 

Die  Handschrift  enthält  u.  a.  a:  Inventarz  Horbowiczki,  staro- 
stwa  Mohilowskiego,  spisany  z  prowentöw  od  r.  1591  do  r.  1592  za  Zyg- 
munta  lU. 

b)  Ksiega  przywilejöw  Inflantskich  zakröla  Zygmuntalllodl  596 — 1606. 

c)  Regestr  xiegi  spraw  od  1596 — 1598. 

d)  Regestr  xiegi  metryki  od  1596—1598  przywilejöw. 

Am  Ende  dieses  Registers  ist  mit  andrer  Tinte  der  Name  » Sebas. 
Haökiewicz«  verzeichnet. 

e)  Regestr  xiegi  dekretow  od  1596  do  1600. 

/)  Regestr  xiegi  spraw  rö^nych  od  1596  do  1601. 

g]  Regestr  xiegi  przywilejöw  od  1599  do  1606. 

h]  Regestr  xi^gi  przywilejöw  i  dekretow  od  1600  do  1602. 

i)  Regestr  xiegi  dekretow  od  1608  do  1612. 


250  Kritischer  Anzeiger. 

k)  Regestr  xiegi  dekretöw  i  spraw  od  1609  do  1616. 

l)  Regestr  xi^gi  przywilejow  od  1609  do  1617. 

m)  Regestr  xiegi  przywilejow  od  1616  do  1622. 

7i)  Regestr  xiegi  dekretöw  od  1616  do  1622:  dekreta  banicyi  y  inne 
transakcye. 

o)  Regestr  xiegi  dekretöw  od  1622  do  1623. 

P)        „  „  „  „    1623  do  1631. 

r)         „  „  „  „     1631  do  1632. 

Revidiert  wurde  die  Handschrift  im  Jahre  1750  zum  Teil  von  dem,  der 
sich  L.  J.  C.  unterschreibt,  zum  Teil  von  J.  Puzyna. 

(Band  VIII)  war  in  der  Bibliothek,  der  er  früher  angehörte,  mit  No.  8 
verzeichnet;  die  Handschrift  ist  nicht  paginiert,  50  mm  dick  und  umfaßt: 
>Summaryusz  xiag  metryki  W.  X.  Lit»  pod  krölami  Wlady- 
slawem  IV  y  Janem  Kazimierzem  od  r.  1633  do  r.  1668  b^dacych«.  In 
diesem  Bande  sind  die  Dekrete  verzeichnet  bis  zum  Jahre  1618;  die  zunächst 
folgenden  befinden  sich  im 

(Band  IX).  Dieser  war  in  der  Bibliothek,  der  er  früher  angehörte,  mit 
der  Nummer  9  verzeichnet;  die  Handschrift  ist  nicht  paginiert,  60  mm  dick  und 
umfaßt  Dekrete  vom  Jahre  1616  bis  zum  Jahre  1668. 

(Band  X)  ist  nicht  paginiert  worden,  70  mm  dick  und  enthält:  >Sum- 
maryusz  xsi^g  metryki  od  r.  1633  do  r.  1695«. 

Die  Handschrift  ist  ebenso  wie  die  vorhergehenden  geschrieben 
worden  im  Jahre  1747  und  im  Jahre  1750  von  denselben  Personen  revidiert 
worden  wie  Band  VII. 

(Band  XI)  ist  nicht  paginiert  worden,  60  mm  dick  und  umfaßt:  » Sum- 
ma ryus  z  xiag  metryki  W.  X.  Lit^  pod  krölami  Mi chalemy  Janem 
od  1669  do  1690«. 

Die  verschiedenen  Abteilungen  seien  hier  verzeichnet: 

a)  Regestr  xi^gi  dekretöw  spraw  Maydeburskich  r.  1669. 

h]  Regestr  xiegi  banicyi,  sublewacyi  y  relaxacyi  od  1673. 

c)  Regestr  Maydeburskich  dekretöw  assessorskich  za  krölaMichalana 
seymie  w  Warszawie  r.  1672. 

dj  Regestr  dekretöw  ziemskich  r.  1671. 

e)  Regestr  dekretöw  ziemskich  r.  1672. 

/)  Regestr  xi^gi  przywilejow,  konfirmacyi,  konsensöw,  cessyi,  libertacyi, 
quietacyi  etc.  etc.  za  kröla  Jana  III  od  r.  1676  do  r.  1690. 

g]  Regestr  xiegi  dekretöw  od  1677  do  1689. 

h)  Regestr  xiegi  banicyi,  eadöw  assessorskich  na  seymie  w  Grodnie  1679 
aktykowanych  i  wydanych  do  r.  16S3. 

i]  Regestr  spraw  ziemskich  na  sadach  zadwornych  assessorskich  kröla 
Jana  III  w  roku  1680. 


Korzeniowski,  Zapiski  z  r^kopisöw,  angez.  v.  Croiset  v.  d.  Kop.      251 

k)  Regestr  spraw  Maydeburskich  r.  1680  rö^Dych  dni  y  miesiecy  w  War- 
szawie  s^dzonych. 

/)  Eegestr  spraw  s^dzonych  w  Warszawie  r.  1681. 
m)  Regestr  spraw  s^dzonych  w  Wilanowie  r.  1685. 
n]  Regestr  dekret6w  y  spraw  ziemskich  r.  16S2. 

0)  Regestr  xiegi  dekretow,  sadöw  kröla  Jana  III  assessorskich  ziem- 
skich y  Maydeburskich  r.  1678 — 1679. 

;))  Regestr  xiegi  dekretow  od  r.  1676  do  r.  1678. 

r)  Regestr  xiegi  dekretow  i  banicp  r.  1 685. 

5)  Regestr  dekretow  spraw  ziemskich  w  s^dach  zadwornych  assessor- 
skich w  Grodnie,  Wilnie  y  Warszawie  sadzonych. 

t)  Ksiega  banicyi  na  roku  1691  i  na  r.  1692. 

Am  Ende  letzteren  Registers  ist  Nachfolgendes  verzeichnet:  »Na 
koncu  tey  xiegi  znayduia  si^  dekreta,  ini  do  xiqg  wpisane  dawnieyszym 
czasem,  ktorych  tu  nie  kladzie  sie  regestr«.  Es  folgen: 

u]  Regestr  xiegi  banicyi  z  szpargalöw  zloiony  za  kröla  Jana  III 
roku  1654. 

tv)  Regestr  xiegi  banicyi  za  kroIa  Jana  III pod  rokiem  1689. 

x)  Regestr  xiegi  banicyi  roku  1685. 

y]  Regestr  xiegi  banicyi  roku  1679. 

(Band  XII)  ist  30  mm  dick;  die  Seiten  sind  unpaginiert  geblieben.  Die 
Handschrift  umfaßt: 

a)  Regestr  xiegi  metryki  za  kröla  J  an a  III  röinych  Supplik  po  banicyie 
wydanych  od  1693  do  1696. 

1)  Regestr  xiegi  metryki  W.  X.  Litt''  ro^nych  przywilejöw,  gleytöw, 
konsensüw,  spraw  potocznych  i  wieczystych  za  kröla  Augustall  roku  1697. 

c)  Regestr  xiegi  przywilejöw  od  1699  do  1703. 

d)  Regestr  xiegi  dekretow  od  1699  do  1710. 

e)  Regestr  xiegi  przywilejöw  od  1699  do  1710. 

/)  Consensa  na  ast^pienie  arendowanie  ab  anno  1712. 

g)  Akta  metryki  kancellaryi  mnieyszey  W.  X.  Lit«,  zawieraiace  w  sobie 
urz^dy  senatorskie,  ziemskie  y  ^olnierskie  za  kröla  Augusta  II  r.  1712. 

h)  Regestr  xiegi  przywilejöw  do  r.  1721. 

»)  Reskrypta  listy  kommissye  gleyty  przyznania  y  nadania  przywilejöw 
ab  1712  ad  1722. 

k]  Regestr  xiegi  przywilejöw  ab  1724, 

/)  Regestr  xiegi  przywilejöw  od  r.  1731  do  r.  1733. 

m]  Regestr  xiegi  metryki  od  r.  1736  do  r.  1740, 

«)  Reskrypta  od  r.  1699  do  r.  1710. 

In  diesem  Bande  befinden  sich  einzelne  losgeratene  Seiten  aus  den 
vorher  genannten  Teilen  der  Handschrift  No.  216—1—2. 

(Band  XIII)  ist  20  mm  dick;  die  Seiten  sind  nicht  paginiert  worden. 
Die  Handschrift  umfaßt  auf  115  Doppelseiten:  Regestr  xiegi  dekretow  y 
innych  spraw  roku  1720,  r.  1722,  r.  1724,  r.  1729,  r.  1730,  r.  1732,  r.  1735,  r.  1738, 
r.  1739,  r.  1740,  r.  1744,  r.  1748,  r.  1750  i  r.  1751. 


252  Kritischer  Anzeiger. 

Die  Bände  habe  ich  numeriert  nach  der  Datierung  der  in'  ihnen  ent- 
haltenen Register;  die  kurze  Angabe  ihres  Inhaltes  erhebt  keinen  Ansprach 
auf  Vollständigkeit;  die  aus  den  Einbänden  herausgerissenen  Hefte  und  Seiten 
sind  wirr  durcheinander  geraten  und  es  bedürfte  eines  speziellen  Studiums 
der  einzelnen  Teile,  um  diese  zu  ordnen  und  insoweit  dieses  möglich  ist,  in 
Übereinstimmung  zu  bringen  mit  S.  Ptaszycki's  vorzüglicher  Beschreibung 
der  noch  vorhandenen  Bücher  und  Akten  des  litauischen  Staatsarchivs :  *  OnH- 
canie  Knurt  u  aKxoBi.  ^üuiobckoS  mctphku«,  Cn6.  1887. 

Die  vorliegende  Handschrift  bringt  in  die  Rekonstrution  der  Geschichte 
des  litauischen  Staatsarchivs,  nämlich  in  die  der  polnischen  Um- 
schreibung desselben,  eine  neue  Note  hinein,  worauf  bis  heute  keiner  von 
denen,  die  in  der  Gelegenheit  gewesen  sind  sie  zu  ihren  Studien  zu  be- 
nutzen, acht  genommen  hat.  Es  ist  nämlich  im  Titel  des  ersten  Bandes 
verzeichnet  und  am  Ende  des  zweiten  Bandes  deutlich  gesagt  worden,  daß 
das  Register  der  zwei  ersten  Bände  am  10.  März  des  Jahres  1747  beendet 
wurde  und  die  Revision  im  Jahre  1750  von  einem,  der  seinen  Namen  mit  den 
Buchstaben  L.  C  andeutete,  stattfand.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Handschrift 
ist  an  verschiedenen  Stellen  von  jenem  selben  L.  (J.)  C.  und  von  J.  Puzyna 
unter  Hinzufügung  der  Jahreszahl  1750  verzeichnet  worden,  daß  sie  den  In- 
halt der  einzelnen  Hefte  revidiert  haben,  folglich  wurden  auch  diese  um  1747 
herum  geschrieben,  ob  noch  in  Wilno  oder  schon  in  Warschau  ist  leider  nicht 
angegeben  worden. 

Die  Bücher  und  Akten  der  sogenannten  Litauischen  Metrika«  werden 
heutzutage,  insoweit  sie  erhalten  geblieben  sind,  im  Archiv  des  Justiz- 
ministeriums zu  Moskau  aufbewahrt;  mit  ihrer  vollständigen  Herausgabe 
hat  die  Archäographische  Kommission  zu  St.-Peterburg  schon  einen  Anfang 
gemacht  [PyccKa;i  HcxopuiecKaa  Bnö^iioTeKa,  t.  XX  und  XXVIP;  bei  ihren 
weiteren  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  wird  es  unumgänglich  sein,  die  Hds. 
i\o.  28G— 2— 1  und  No.  21G— 1— 2  der  Bibliothek  des  Haupt-  und 
Generalstabes  zu  Rate  zu  ziehen,  die  für  die  genauere  Kenntnis  des  ur- 
sprünglichen Bestandes  des  genannten  Staatsarchivs  einen  wichtigen  Beitrag 
liefert. 

Über  die  weiteren  in  dieser  Bibliothek  befindlichen,  nicht  vonJ.  Ko- 
rzeniowski  genannten,  Handschriften  beabsichtige  ich  ein  anderes  mal  zu 
referieren.  -i.  C  Croiset  van  der  Kop. 


Staat  und  Gesellschaft  im  Mittelalterlichen  Serbien.    Studien  zur 

Kulturgeschichte  des  XIII. — XV.  Jahrhunderts.    Von  Konstantin 

Jirecek.    Wien  1912,  4o  (SA.  aus  den  Denkschriften  B.  LVI  als 

Abh.  Nr.  2  u.  3).    Erster  Teil  83  Sp.   Zweiter  Teil  74  Sp. 

Als  vor  zwei  Jahren  der  erste  Band  der  Geschichte  der  Serben  von  Prof. 
C.  Jirecek  erschienen  war  (s.  Archiv  Bd.  33,  S.  279—285),  bewunderte  man  mit 
vollem  Rechte  die  reiche  Fülle  der  kritisch  geprüften  und  beglaubigten  Daten 


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betrefifs  der  äußeren,  politischen,  Geschichte  Altserbiens  (von  ältesten  Zeiten 
bis  1371),  die  in  dieser  Vollständigkeit  noch  in  keinem  Werke  zur  Darstellung 
gekommen  war.  Allein  beim  Lesen,  das  einige  Anstrengung  kostet,  des  in- 
haltsreichen Werkes  konnte  man  sich  nicht  des  Eindrucks  erwehren,  daß 
diese  glänzende  wissenschaftliche  Leistung  dem  Leser  nur  über  eine  Seite 
des  Lebens  in  Altserbien  Auskunft  gibt,  über  die  äußere  Geschichte,  die  zu 
allen  Zeiten  am  meisten  in  die  Augen  fällt  und  dem  Gedächtnis  der  Nachwelt 
vor  allem  durch  Memoiren,  Geschichtswerke  und  Jahrbücher  überliefert  wird, 
daß  aber  die  inneren  Zustände  und  Lebensverhältnisse  des  Volkes,  seine  ge- 
sellschaftlichen, staatlichen  und  kirchlichen  Einrichtungen  dabei  gänzlich 
verhüllt  bleiben,  daß  wir  den  schöpferischen  Geist,  der  sich  in  mannigfaltigen 
Werken  des  Friedens  kund  gibt,  noch  gar  nicht  erkennen.  So  regte  sich  wohl 
bei  vielen  der  Wunsch,  daß  uns  der  gelehrte  Verfasser,  falls  er  schon  aus 
äußeren  Gründen,  wegen  des  vertragsmäßig  einzuhaltenden  Umfangs,  nicht 
in  der  Lage  war  den  Gang  seiner  Erzählung  an  passenden  Stellen  zu  unter- 
brechen und  durch  Einschaltung  von  Kapiteln  über  die  inneren  Zustände  seine 
Darstellung  zu  beleben,  möglichst  bald  in  einem  parallel  mit  seiner  Geschichte 
der  Serben  laufenden  selbständigen  Werke  alles  das  erzählen  möchte,  was 
man  sonst  über  das  Leben  des  Volkes  in  Altserbien  weiß  und  was  niemand 
so,  wie  er,  imstande  ist,  auf  Grund  seiner  erstaunlichen  Belesenheit  in  den 
Quellen  und  der  ganzen  Literatur  zn  einem  Gesamtbild  zusammenzustellen. 
Viel  früher,  als  man  hätte  hoffen  dürfen,  geht  dieser  Wunsch  in  Erfüllung. 
In  den  zwei  oben  angeführten  recht  ausfürlichen  akademischen  Abhandlungen, 
denen  noch  eine  dritte  folgen  wird,  bietet  der  Verfasser,  wie  er  sich  selbst 
ausdrückt,  >Studien  zur  Kulturgeschichte  des  XIIL — XV.  Jahrhunders«,  sie 
drehen  sich  wesentlich  um  Altserbien,  doch  verstand  der  Verfasser  aus  der 
reichen  Fundgrube  seines  Wissens  viele  Parallelen  aus  den  übrigen  Mittel- 
alterlichen Ländern,  am  meisten  aus  dem  byzantinischen,  dann  venezianischen 
und  ungarischen  staatlichen  und  gesellschaftlichen  Leben  zur  Beleuchtung 
beizubringen.  Man  sieht  es  diesen  Studien  an,  daß  sie  aus  jahrelangen  Samm- 
lungen des  weit  zerstreuten,  vielfach  noch  ungedruckten  Materials  hervorge- 
gangen sind,  unter  kritischer  Benutzung  aller  Vorabeiten,  die  über  einzelne 
hier  zur  Sprache  kommende  Fragen  vorhanden  waren.  Dabei  ist  die  Darstellung 
immer  sachlich  knapp  gehalten,  nicht  an  allgemeinen  Gesichtspunkten,  sondern 
an  realem  Inhalt,  an  der  Aufzählung  von  Einzelheiten  ungemein  reich.  Viele 
treffende  Charakteristiken  zeichnen  die  Darstellung  aus,  sie  ist  frei  von  jeder 
Voreingenommenheit,  bietet  in  scharf  gekennzeichneten  Umrissen  die  Ergeb- 
nisse aus  den  mitgeteilten  Tatsachen.  Schon  im  Vorworte,  das  wie  ein  Resum6 
klingt,  findet  man  einige  Sätze,  die  kurz  die  Tatsachen  präzisieren,  wie:  »Die 
Einrichtungen  des  mittelalterlichen  serbischen  Staates  unterscheiden  sich  in 
ihren  Grundzügen  nicht  von  denen  der  meisten  europäischen  Staaten  dieses 
Zeitalters«,  oder  »Serbien  besaß  in  seinem  Gebiet  alte  Stadtgemeinden 
romanischen  und  griechischen  Ursprungs,  aber  auf  dem  ursprünglichen  serbi- 
schen Territorium  gelangte  das  Städtewesen  nie  zur  vollen  Entwicklung«. 
>Es  war  ein  reiches  Land  . . .  besonders  in  der  Periode  1282—1355  den  ver- 
fallenden Nachbarn,  dem  byzantinischen  und  bulgarischen  Reich,  weit  über- 


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legen<.  Das  hinderte  selbstverständlich  die  verfeinerten  Byzantiner  nicht, 
über  den  Mangel  Serbiens  an  allerlei  Kulturkomfort  zu  klagen.  Bezeichnend 
ist  die  Wahrnehmung,  daß  »das  mittelalterliche  Serbien  . . .  kein  altertümlich 
konservativer  Staat<  war,  und  daß  erst  »nach  der  Erwerbung  zahlreicher 
Provinzen  des  griechischen  Kaisertums  der  Einfluß  byzantinischer  Muster 
immmer  stärker«  wurde,  «gefördert  auch  durch  die  kirchliche  Verbindung  mit 
Byzanz«.  Bedeutsam  ist  die  richtig  hervorgehobene  Tatsache,  daß  der  serbi- 
sche Staat  nicht  imstande  war  >auf  seinem  Gebiete  alles  einheitlich  zu  regeln«, 
und  daß  »besonders  die  früher  byzantinischen  Provinzen  und  das  romanisch- 
albanesische  Küstenland«  manche  Eigenheiten  behalten  haben.  Also  die  Idee 
der  serbischen  einheitlichen  Staatlichkeit  konnte  nicht  überall  durchdringen: 
»der  gebirgige  Westen  war  stets  konservativer  als  der  Osten,  mehr  autono- 
mistisch  (»und  patriarchalisch«  fügt  der  Verfasser  hinzu,  was  ich  nicht  sagen 
möchte)  in  seiner  Gesinnung.  Wichtig  ist  die  Behauptung  des  feinen  Beob- 
achters des  Gesamtzustandes  Altserbiens,  daß  die  serbische  Herrscherfamilie 
(der  Nemanjiden)  »nicht  wenige  begabte,  zielbewußte  und  weitblickende  Re- 
genten« aufzuweisen  hatte,  daß  aber  >unter  dem  Adel  sehr  auffällig  der  Mangel 
an  Sinn  für  die  Schaffung  und  Erhaltung  eines  starken  Staatswesens«  gewesen. 
Die  Folge  davon  war  auch,  daß  nach  Stephan  Dusans  Tod  »Serbien  binnen 
wenigen  Jahren  infolge  des  kurzsichtigen  Egoismus  seiner  Magnate  ganz 
untergraben  wurde«. 

Doch  ich  möchte  von  der  Reichhaltigkeit  dieser  kulturgeschichtlichen 
Schilderungen  eine  genauere  Vorstellung  geben,  darum  gehe  ich  den  Inhalt 
des  Ganzen,  soweit  es  bis  jetzt  vorliegt,  nach  einzelnen  Kapiteln  durch. 
Vorausgesetzt  muß  werden,  daß  diese  Schilderung  vornehmlich  für  die  Periode 
der  Nemanjiden  (1171 — 1371),  also  für  einen  Zeitlauf  von  nur  200  Jahren  gilt, 
doch  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache,  daß  der  Verfasser  hier  öfter,  als  es  in 
der  äußeren  Geschichte  nötig  war,  aus  dem  Rahmen  Serbiens  heraustrat  und 
die  gleichartigen  oder  auch  abweichenden  Erscheinungen  der  unter  der  vene- 
zianischen oder  ungarischen  Oberhoheit  befindlichen  ethnisch  gleichen  Nach- 
barländer in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen  zog.  Darum  ist  diese  Leistung 
wertvoll  für  den  ganzen  serbokroatischen  Volkstamm,  dessen  Einheit  unge- 
achtet der  politischen  Zersplitterung  sowohl  durch  die  Sprache  wie  durch 
mancherlei  volkstümliche  Institutionen  aufrecht  erhalten  wird. 

Das  erste  Kapitel  betitelt  sich  »Staatsrecht  und  Staatsverwaltung.  Der 
Herrscher  und  sein  Hof«.  (S.l — 23.)  Hier  kommt  zuerst  die  Benennung 
des  Landes  im  Ganzen  und  in  seinen  Teilen,  sowie  die  Titulatur  der 
Herrscher  zur  Sprache.  In  fremden  Quellen  spielt  der  allgemein  lautende 
Name  ISxlaßiviu,  Kf-laSlvot,  Sclavonia,  ganz  verschiedene  Rollen,  bis  er  zu- 
letzt jenem  Teil  Kroatiens  anhaften  blieb,  der  sich  zwischen  Drave,  Save  und 
Kulpa  erstreckte,  zum  Unterschied  von  der  engeren  Benennung  Croatia  für 
das  südlich  von  der  Kulpa  sich  ausdehnende  Land.  »Eine  ständige  Haupt- 
stadt . . .  hat  der  altserbische  Staat  nie  gehabt«.  (S.  6.)  Betreffs  des  Namens 
Stephan  liest  man  (ib.),  daß  »seit  Stephan  Nemanja  alle  serbischen  Herrscher 
Stephan,  in  der  Regel  noch  mit  einem  nationalen  Namen  daneben«  heißen. 
Wir  hätten  gern  auch  etwas  über  den  Namen  Uros  gehört,  der  sich  bekannt- 


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lieh  ebenfalls  vielfach  wiederholt  und  wohl  fremden  Ursprungs  ist  (vgl.  magyar, 
Ur  der  Herr).  Den  Titel  Kralj  nahmen  die  serb.  Herrscher  nach  dem  Vorbilde 
der  ungarischen  Könige  an,  deren  Kiräly  natürlich  slavisch,  doch  nicht  süd- 
slavischen  Ursprungs  ist.  Die  Benennung  »svetorodnyj«  möchte  ich  nicht 
gerade  befremdend  finden  (S.  10),  da  man  schon  dem  Ausdruck  »sveto  mi 
carstvo«  öfters  begegnet,  darnach  bedeutet  »svetorodnyj « nichts  anderes,  als  »na 
sveto  carstvo  rozdenyj«.  Die  Ausdrucksweise  »carstvo  mi«  für  die  Person  des 
Kaisers  und  viele  ähnliche  Titulaturen  sind  ganz  dem  byzantinischen  Zeremo- 
niell nachgebildet.  Mit  Recht  lehnt  der  Verfasser  (S.  13  Anm.  8)  die  verfehlte 
Zusammenstellung  des  Kaznict  mit  kaziti,  kazenikt  ab,  aber  auch  die  erste 
Alternative  (S.  14),  daß  kazuLci.  mit  kazni.  (Strafe)  etwas  gemeinsames  hätte» 
muß  abgelehnt  und  nur  an  fremdem  Ursprung  des  Wortes  fest  gehalten  werden 
(vgl.  Radloflf  Versuch  eines  Wörterbuches  der  Türk.  Dialekte.  Bd.  II,  S.  385 
s.  V.  KasHÜ,  KasHauu  =  Kasuaiibi).  Interessant  ist  die  Bemerkung  auf  S.  14,  wo 
von  verschiedenen  Hofwürden  die  Rede  ist,  daß  der  Name  Ban  in  Kroatien, 
Bosnien,  Ungarn  und  der  Walachei,  nie  aber  in  Serbien  erwähnt  werde;  der 
Ausdruck  ist  wohl  avarisch.  Fremd  ist  wahrscheinlich  auch  der  in  kroatischen 
ebenso  wie  in  serbischen  Urkunden  begegnende  Hofwürdenausdruck  tepcij, 
er  hat  wohl  mit  tepa  (schlagen)  ebenso  wenig  zu  tun,  wie  mit  dem  dazu- 
gehörigen tepac  (vgl.  potepati  se  —  potepuh).  Ich  finde  im  Türkisch-mongo- 
lischen tapuk  (Ergebenheit,  Dienst)  und  tapukci  (Diener,  Page)  bei  Radioff 
a.  a.  0.  III.  951.  Vielleicht  steht  damit  tepcij  in  irgend  einem  Zusammenhang. 
»Die  südslavischen  Fürsten  waren  keine  absoluten  Herren,  sondern  abhängig 
von  der  Zustimmung  ihrer  Ratgeber  und  der  Volksversammlungen«  (S.  21), 
dieser  Satz  führt  den  Verfasser  zur  kurzen  Besprechung  der  verschiedenen 
Arten  und  Benennungen  der  Volks-  oder  Ratsversammlnngen  und  damit 
schließt  das  erste  Kapitel. 

Das  zweite  Kapitel:  »Die  Bevölkerung.  Geschlechts- und  Familienver- 
fassung. Die  Grundlagen  des  Grundbesitzes«  (S.  24 — 42)  besprichtzuerst  die  eth- 
nischen Bestandteile  der  alten  serbokroatischen  Länder.  Neben  den  Serben 
(und  im  Westen  Kroaten)  kommen  vor  allem  die  Albanesen,  dann  die  Wlaclien 
und  Lateiner,  weniger  die  Griechen  in  Betracht;  die  Sachsen  als  Bergknappen 
werden  später  besprochen.  Bezüglich  der  Geschlechtsverfassung,  in  welcher 
der  Verfasser  einen  mehr  aristokratischen  nördlichen  (in  Kroatien)  und  einen 
südlichen  demokratischen  Typus  (in  Herzegovina  und  Montenegro)  unter- 
scheiden möchte,  glaube  ich  (sowie  wohl  auch  der  Verfasser),  daß  diese 
Divergenz  späteren  Zeiten  angehört,  ursprünglich  waren  gewiß  überall  die 
angesehensten  Mitglieder  der  Sippschaften  der  natürliche  Adel  (daher  auch 
der  Zusammenhang  zwischen  pleme  und  plemenit),  und  wenn  auf  S.  26  gesagt 
wird,  daß  in  der  nördlichen  (kroatischen)  Gruppe  fremde  Elemente  nur 
wenig  bemerkbar  sind,  so  bezieht  sich  das  offenbar  nur  auf  das  eigentliche 
alte  Kroatien,  während  der  nördlicher  gelegene  Teil  (das  sogenannte  Slavo- 
nien)  schon  früh  sehr  stark  durch  magyarischen  Adel  infiltriert  wurde.  Ein- 
gehend wird  die  Entfaltung  einzelner  plemena  namentlich  in  Montenegro  und 
dem  benachbarten  Albanien  behandelt,  wobei  der  Verfasser  sehr  schön  die 
viel  behandelte  Zadruga-Frage  auseinandersetzt  und  natürlich  die  Theorie 


256  Kritischer  Anzeiger. 

Peiskers,  der  in  dem  byzant.  Steuersystem  den  Keim  der  Zadruga-Erscheinung 
gefunden  zu  haben  glaubte,  als  unerweislich  zurückweist  (S.  39  Anm.  5). 
Gegen  diese  Theorie  spricht  ja  schon  die  Tatsache,  daß  die  Zadruga  ganz  auf 
patriarchalischen  Voraussetzungen  einer  durch  Verwandtschaft  zusammen- 
gehaltenen Gruppe  von  Familien  und  nicht  auf  fiskalischen  Kombinationen 
fußt.  Mir  will  es  übrigens  nicht  einleuchten,  warum  die  Zadruga  gerade  »mit 
dem  Vorherrschen  des  Hirtenlebens  in  Verbindung«  stehen  soll  (S.  37).  Mag 
auch  richtig  sein,  daß  sie  »an  Grundbesitz  nicht  gebunden«  war,  aber  in  der 
Regel  war  das  doch  der  Fall,  denn  sie  ist  »eine  durch  gemeinsamen  geneti- 
schen Ursprung  verbundene  Bruderschaft,  welche  es  vorgezogen  hat  sich  nicht 
zu  teilen  und  ihrenBesitz  gemeinschaftlich  zu  verwalten«  (S.  37)  —  so  lauten 
die  eigenen  Worte  des  Verfassers. 

Ein  ganz  kurzes  drittes  Kapitel  (S.  42—45)  ist  dem  Adel  gewidmet.  Da 
lesen  wir:  »Einen  Adel  gab  es  bei  den  Südslaven  ursprünglich  ebensowenig 
wie  bei  den  Franken,  Langobarden  und  Norwegern  in  der  älteren  Zeit .  .  . 
Erst  seit  Ende  des  XII.  Jahrh.  kann  man  in  Serbien  die  Entwickelung  eines 
Adels  verfolgen«  (S.  43).  Ist  diese  Annahme  nicht  bedingt  durch  den  Mangel 
an  Nachrichten?  Was  waren  die  Oberhäupter  einzelner  Geschlechter  anderes 
als  Adel?  Und  das  schon  wohl  seit  den  ältesten  Zeiten.  Allerdings  hat  sich 
im  späteren  Mittelalter  der  Adelstand  weiter  entwickelt,  unter  fremden  Ein- 
flüssen, einerseits  der  romanischen  Küstenstädte,  anderseits  Ungarns.  Und 
doch  war  »der  Gebrauch  der  Wappen,  der  sich  in  den  dalmatinischen  Städten, 
in  Kroatien  und  Bosnien  durch  italienischen  und  ungarischen  Einfluß  ver- 
breitet hat, . . .  nach  Serbien  in  dieser  Zeit  nicht  vorgedrungen ,  ebensowenig 
wie  zu  den  Griechen«. 

Im  vierten  Kapitel  kommt  »die  Kirche«  zur  Sprache  (S.  45—60),  deren 
Macht  im  altserbischen  Staate  sehr  groß  war,  aber  in  nationaler  Richtung  eine 
wesentliche  Stütze  der  staatlichen  Autorität,  der  Fürsten  und  Könige,  bildete 
daher  auch  die  zahllosen  großen  Schenkungen  der  serbischen  Könige  an  die 
Kirchen  und  Klöster.  Die  Errichtung  der  autokephalen  serbischen  Kirche  zu 
Anfang  des  XIII.  Jahrh.  galt  als  eine  große  nationale  Tat,  ebensowie  später 
die  vollständige  Trennung  von  Konstantinopel  durch  die  Errichtung  des 
Patriarchates  in  Pec.  Alles  das  mit  einer  Menge  beleuchtender  Einzelheiten 
aus  dem  Leben  der  Kirche,  ihren  Beziehungen  zum  Staat,  ihrer  Stellung  gegen- 
über dem  Volk  bildet  den  Inhalt  dieses  Kapitels.  Auch  das  Verhältnis  der 
katholischen  Kirche  zu  dem  im  Ganzen  orthodoxen  Staate  wird  besprochen. 
Altserbien  stand  nämlich  der  katholischen  Welt  viel  näher  als  das  später  der 
Fall  war,  wie  das  die  Ereignisse  unter  dem  erstgekrönten  König  Stephan  zeigten. 
Aber  »auch  in  den  Zeiten,  in  welchen  die  Katholiken  Serbiens  gegenüber  der 
Masse  der  orientalischen  Christen  nur  eine  kleine  Minorität  bildeten,  wußten 
die  serbischen  Könige  gute  Beziehungen  zum  päpstlichen  Stuhle  zu  pflegen 
und  in  ihrer  Stellung  mitten  zwischen  Abendland  und  Morgenland  Vorteile  für 
sich  zu  finden«  sagt  der  Historiker  (S.  53)  und  fügt  u.  a.  als  Beispiel  an:  »Die 
Rechte  des  katholischen  Erzbistums  von  Antivari  wurden  von  den  serbischen 
Königen  stets  geachtet«  (ib.''.   Selbst  von  einer  Schenkung  des  Zaren  Stephan 


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Dusan  an  das  katholische  adelige  Nonnenkloster  Santa  Clara  in  Ragusa  wird 
berichtet  (S.  58). 

Das  fünfte  Kapitel  »Die  Städte  und  Marktgemeinden«  (S.6ü — 68)  be- 
handelt begreiflicher  Weise  vor  allem  die  alten  römisch-griechischen  An- 
siedlangen im  Südwesten  des  Reiches.  »Die  serbischen  Könige  waren  diesen 
Küstenstädten  gegenüber  freigebig  und  gerecht-^;  (S.  60).  Der  kurz  skizierte 
Zustand  von  Skutari,  Drivasto,  Dulcigno,  Antivari,  Budva,  Cattaro,wie  sie  im 
XIII.  bis  XIV.  Jahrh.  blühten,  würde  im  Verhältnis  zur  Gegenwart  zu  allerlei 
Betrachtungen  Anlaß  geben  können,  die  nur  die  alte  Wahrheit  bestätigen,  daß 
es  nicht  genug  ist  eine  Stadt  zu  besitzen,  sondern  daß  man  sich  auch  um  ihr 
Wohlergehen  kümmern  muß,  dazu  gehört  aber  daß  man  Herz  und  Sinn  für  sie 
hat.  Von  den  griechischen  Städten,  die  unter  Serbien  kamen,  werden  Janina, 
Kroja,  Skopje,  Stip  erwähnt  (S.  64).  Gegenüber  diesen  alten  fremdstämmigen 
Städten  tritt  die  Bedeutung  der  slavischen  Niederlassungen  stark  zurück.  Es 
ist  bezeichnend,  daß  das  Wort  »grad»,  das  ursprünglich  nur  eine  Burg  be- 
deutete, nachher  auch  für  die  Stadt,  die  sich  ja  meistens  um  die  Burg. herum 
ausbreitete,  in  Anwendung  kam.  Sonst  bediente  man  sich  des  magyarischen 
Ausdrucks  varos  (varas).  Und  statt  trg,  das  man  in  alten  serb.  Urkunden 
noch  findet  (sowie  in  den  kroatischen),  taucht  seit  der  Türkenzeit  carsija  auf. 
Der  deutsche  Einfluß,  durch  die  aus  Ungarn  eingewanderten  Berglevite,  die 
Sachsen  waren,  vertreten,  spiegelt  sich  u.  a.  in  dem  Ausdruck  »purgar«  ab,  der 
selbst  in  einer,  in  Ragusa  cyrillisch  geschriebenen  Urkunde  vom  J.  13S8  für 
Novo  Brdo,  die  bedeutendste  Bergstadt  Serbiens,  Eingang  fand.  Der  erste 
Herausgeber  der  Urkunde  (Graf  Orsat  Pucic)  druckte  das  Wort  falsch  als 
n^vppdpK  ab,  und  Daniele  bei  der  Abfassung  des  altserb.  Wörterbuchs  verstand 
es  noch  nicht,  erst  später  kam  er  auf  die  richtige  Lesart  und  war  im  J.  186S 
hoch  erfreut,  als  uns  (Danicic,  Matkovic  und  ich)  der  damalige  Kreisvorstand 
von  Ragusa  Resetar  das  Original  vorlegen  ließ  und  die  Konjektur  Danicics 
sich  bestätigte,  d.  h.  in  der  Urkunde  stand  wirklich  nSprapoAVK  HOKORpAcu-kAVK 
(Puc.  II.  31).  Nach  den  Betrachtungen  Jireceks  reichten  die  sächischen  An- 
siedler bis  Kratovo,  wo  ebenfalls  Bergwerke  waren  (S.  68). 

Das  sechste  Kapitel  ist  betitelt:  »Hirten,  Bauern  und  Sklaven«  (S.69 — 74), 
es  spricht  von  Hirten,  die  in  etwas  späterer  Zeit  alle  ohne  Unterschied  vlasi 
(Wlache)  genannt  wurden,  während  man  ursprünglich  mit  diesem  Namen  Ro- 
manen und  Rumänen  bezeichnete.  »Die  Hirten  behielten  stets  mehr  Freiheit 
und  Freizügigheit,  während  die  Bauern  immer  mehr  an  die  Scholle  gebunden 
waren«  (S.  69).  Es  galt  selbst  als  Gesetz,  daß  der  Serbe  (d.  h.  der  serbische 
Bauer)  nicht  bei  den  Wlachen  heiraten  durfte,  d.  h.  sich  seiner  Lage  als  glebae 
adstrictus  nicht  durch  den  Übergang  zu  den  freizügigen  Hirten  (Wlachen) 
entziehen  konnte.  Der  nicht  slavische  Ursprung  dieser  ins  Gebirge  verdräng- 
ten Romanen,  die  eben  dadurch  in  das  Hirtenleben  gerieten,  wird  durch  den 
fremden  Ursprungs  Ausdruck  katun,  die  Hirtengemeinde,  charakterisiert; 
auf  slavisch  hieß  der  Häuptling  der  Hirten  celnik.  Merkwürdig  reich  ist  die 
Benennungsart  der  Bauern,  freien,  halbfreien  und  unfreien.  Da  kommen 
griechische  Ausdrücke  vor:  parik  {nänoixo^], meroTßh(ih.h  (griechisch  ?),magupLCB 
ifxciyxinos),  die  slavischen  oder  längst  slavisierten  sokalnik,  posadnik,  psart,  vla- 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  17 


258  Kritischer  Anzeiger. 

stak,  sebrB,  kmet,  godisiiik,  polovnik,  otrok,  rob,  rabotBni.  —  rabotniku.a.  Nicht 
alle  diese  Ansdrücke  sind  juridisch  determiniert,  auch  nicht  alle  hinreichend 
erklärt,  z.  B.  betreffs  meropBchi.  ist  bekannt  die  Ansicht  Safarik's,  der  diese 
Benennung  mit  den  alten  paeonischen  Noropes,  späteren  Meropes  im  Khodo- 
pegebirge  in  Zusammenhang  brachte  (Starozit.2 1.  514).  Auch  Tomaschek  ver- 
wies (Zeitschr.  f.  öst.  G.  1877,  S.  447)  auf  die  Provinz  Msoon?]  im  Rhodopege- 
birge.  Wenn  man  den  zweiten  Teil  des  Wortes  erklären  könnte,  der  erste 
würde  auch  von  ueoo  —  (aus  i;/iisQo  — )  abgeleitet  werden  können,  darin  würde 
in  dem  Worte  etwas  dem  Tagelöhner  entsprechendes  stecken.  Die  Schreibung 
MiponLxt  mit  i  scheint  auf  dem  Bestreben  zu  basieren  dem  Worte  ein  slavi- 
sches  Gepräge  zu  verleihen.  In  der  Tat  könnte  man  das  Wort  slavisch  als 
Kompositum  von  Mipa  und  nixaiii  deuten,  d.  h.  Mipontxi.  wäre  einer  der  das 
bestimmte  Maß  (als  Abgaben,  namentlich  Getreide)  füllt,  leistet.  Ich  begeistere 
mich  für  diese  Etymologie  nicht,  muß  aber  sagen,  daß  bei  der  Ableitung  von 
Meropes  der  Auslaut  -ptchi.  unerklärt  bleibt.  Sehr  geistreich  korrigiert  der 
Verfasser  (S.  71  Am.  6)  das  in  einer  Urkunde  (Mikl.  Mon.  serb.  151)  begeg- 
nende Bamauu  in  BJiamauu,  während  Daniele  Bomrauu  (Obstgärten)  lesen  wollte, 
nur  findet  die  Nennung  der  B.iamauu  als  Personen  mitten  zwischen  den  buho- 
rpaaii,  3eM.ii,  jUBajie  keinen  richtigen  Platz. 

Das  siebente  Kapitel  bespricht  »Kriegswesen  i;nd  Heeresverfassung« 
(S.  74—83),  beginnt  mit  den  Worten:  >Die  Serben  galten  im  Mittelalter  bei 
allen  Nachbarn  als  ein  kriegisches  und  tapferes  Volk«  (S.  74).  Der  Verfasser 
zitiert  auch  eine  einheimische  Quelle,  die  Äußerung  Camblaks:  dieser  rühmt 
die  Schönheit  und  Großartigkeit  des  Serbenlandes,  seine  frommen  und  weisen 
Herrscher  und  die  Eigenschaft  des  großen  und  sehr  berühmten  Serbenvolkes 
durch  Heeresmacht  andere  Völker  zu  übertreffen«.  So  konnte  man  freilich 
vor  dem  ersten  großen  Zusammenstoß  mit  den  Türken  schreiben,  der  die 
Überlegenheit  der  Osmanenkriegsmacht  gezeigt  hat  (1371).  Von  der  militäri- 
schen Organisation  des  serb.  Heeres  vermag  uns  der  Historiker  wenig  zu  be- 
richten, es  fehlen  genaue  Nachrichten.  >Eine  altserbische  Kriegsfahne  hat 
sich  nicht  erhalten«  (S.  76),  nur  die  Farbe  rot  und  blau  wird  bezeugt.  Über 
die  Bewaffnung  wird  das  wenige,  was  man  darüber  weiß,  auf  S.  77 — 78  zu- 
sammengestellt. Auch  von  Söldnern  in  serb.  Kriegsdienste  ist  die  Rede 
(Türken,  Italiener,  Deutsche). 

Das  achte  Kapitel  behandelt  das  »Recht  und  Gericht»  (IL  S.  1 — 22). 
Während  man  für  die  politische  Administration  des  Reiches,  seine  Einteilung 
in  die  Provinzen,  für  die  Stufenleiter  der  dabei  beteiligten  Vertreter  der  staat- 
lichen Gewalt  nur  sehr  unbestimmt  lautende  Belege  finden  kann  —  das  dar- 
über berichtende  steht  im  ersten  Kapitel  —  laufen  die  Nachrichten  über  das 
Recht  und  Gericht  sehr  reichlich,  da  man  hier  vor  allem  auf  das  Gesetzbuch 
des  Stephan  Dusan  hinweisen  kann  und  auch  die  älteren  Urkunden  der  serb. 
Könige,  sowie  die  in  dem  Archiv  von  Ragusa  aufbewahrten  Mitteilungen 
sehr  ergiebiges  Material  liefern.  Darum  ist  auch  in  den  »Studien«  des  Ver- 
fassers gerade  dieses  Kapitel  sehr  reichhaltig  und  übersichtlich.  Beachtens- 
wert sind  schon  die  einleitenden  Worte:  »Serbien  stand  zu  Ende  des  Mittel- 
alters in  seiner  Rechtsentwicklung  den  Staaten  von  Mitteleuropa  viel  näher 


Jirecek,  Staat  u.  Gesellsch.  im  Mittelalt.  Serbien,  angez.  v.  Jagic.    259 

als  den  Byzantinern  .  .  .  das  altserbische  Recht  erinnert  oft  an  die  Einrich- 
tungen von  Ungarn,  Böhmen  und  Polen,  ja  mitunter  an  die  »leges  barbarorum« 
der  Völkerwanderungszeit«.  Besonders  wichtig  ist  der  zwischen  Serbien  und 
Byzanz  in  der  Rechtsgeltung  hervorgehobene  Gegensatz:  >> Serbien  war  in 
dieser  Periode  ein  Adelsstaat,  mit  periodischen,  der  byzantinischen  Staats- 
verfassung ganz  fremden  Reichstagen,  mit  verschiedener  Behandlung  und 
Bestrafung  der  einzelnen  Stände  und  mit  Wahl  der  Richter  aus  den  Sj:andesge- 
nossen,  während  im  griechischen  Kaisertum  alle  Personen  vor  dem  Gesetz  jeder- 
zeit gleich  waren«.  Und  auch  in  dem  Gerichtsverfahren  ging  Serbien  andere,  d.  h. 
westeuropäisch-mittelalterliche  Wege,  als  Byzanz:  »Fremd  blieben  dem  byzan- 
tinischen Recht  die  in  Serbien  üblichen  Kollegien  der  Eideshelfer,  die  Kompo- 
sitionen für  Verbrechen  durch  Geldzahlungen,  ebenso  die  Gottesgerichte  mit 
glühendem  Eisen  . . .  die  von  den  griechischen  Rechtskundigen  als  ein  Brauch 
barbarischer  Völker  verworfen  wurden«.  Nach  dieser  allgemeinen  Charakte- 
ristik geht  die  Darstellung  auf  Einzelheiten  über,  wobei  die  Beeinflussung  des 
serbischen  Gerichtswesens  durch  byzantinische  Einzelrichtungen  seitder Ver- 
breitung der  politischen  Grenzen  des  Reiches  in  die  gewesenen  byzantinischen 
Provinzen  besonders  hervorgehoben  wird  (S.  5).  Zur  Charakteristik  des  Gesetz- 
buches des  Kaisers  Dusan  mögen  folgende  Worte  des  Verfassers  hier  wiederholt 
werden:  »Aus  byzantinischen  Rechtsbüchern  stammt  nur  wenig,  obwohl  die 
Zahl  der  Termini  griechischen  Ursprungs  nicht  unbedeutend  ist«.  Diese  auf 
jeden  Fall  auffallende  Erscheinung  dürfte  ihren  Erklärungsgrund  darin 
haben,  daß  man  in  äußeren  Formen  vielfach  die  byzantinischen  Zustände  nach- 
ahmte, aber  den  Inhalt  des  Rechtes  den  volkstümlichen  Rechtsanschauungen 
unterordnete.  Außerdem  darf  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß  neben 
dem  Gesetzbuche  Dusans  noch  eine  Reihe  byzantinischer  Gesetze  die  not- 
wendige Ergänzung  des  geltenden  Rechtes  in  Serbien  bildete,  teils  durch  die 
Einschaltung  in  den  Text  des  kanonischen  Rechtes  ;Krmcaja-Nomokanon),  teils 
durch  besondere  Übersetzung  'das  sogenannte  Gesetz  Justinians,  die  zwei 
Redaktionen  des  Syntagma  von  Blastares).  Zu  den  nach  dem  Gesetzbuch 
geübten  Strafbestimmungen  erwähnt  der  Verfasser  noch  die  Rache  und  den 
Stanak;  letztere  Institution  gehört  insofern  hierher,  als  es  sich  auch  hier 
um  die  Schlichtung  von  Srtreitfragen  handelte,  die  zwischen  zwei  oder  mehreren 
Personen,  die  verschiedenen  politischen  Einheiten  angehörten,  zu  ordnen 
waren,  also  gewissermaßen  ein  internationales  Forum  ausfindig  gemacht 
werden  mußte.  Es  ist  das  also  nur  eine  Abart  des  üblichen  Gerichts- 
verfahrens. Aus  diesem  Grunde  hätte  es  sich  vielleicht  empfohlen  den 
Stanak  vor  der  Osveta  (Rache)  zur  Sprache  zu  bringen.  Die  vom  verstorbenen 
Bogisic  darüber  geschriebene  Monographie  bereicherte  der  Verfasser  mit 
neuem  von  ihm  ans  dem  Ragus.  Archiv  geschöpften  sehr  lehrreichen  Material 
(S.  18—21). 

Das  neunte  Kapitel  ist  der  »Besiedlung,  Landwirtschaft  und  Gewerbe« 
gewidmet  (IL  S.  22 — 46).  Es  handelt  sich  hier  um  den  Nachweis  der  Dichtig- 
keit und  Bewegung  der  Bevölkerung  und  um  ihren  Lebensunterhalt.  Etwas 
davon  kam  von  ethnographischem  Standpunkte  schon  im  zweiten  Kapitel 
zur  Sprache.  Es  verdient  betont  zu  werden,  daß  der  Verfasser  für  Altserbien 

17* 


260  Kritischer  Anzeiger. 

in  den  Hirten  des  Gebirges  das  kräftigste  Element  erblickt  (S.  23)  nnd  nachdem 
er  die  nach  verschiedenen  Eichtungen  in  früheren  Jahrhunderten  wahrnehm- 
bare Expansion  hervorgehoben,  die   durch  die  türkischen  Eroberungszüge 
eine  aufgezwungene  Richtung  gegen  Norden  und  Nordwesten  bekam  (Ungarn, 
Slavonien,   Ostkroatien,   Norddalmatien),    macht  er   die  Bemerkung:    jDas 
XIV.  Jahrhundert  war  im  Südosten  Europas  überhaupt  eine  Periode  des  Vor- 
dringens .der  Hirtenbevölkerungen«  und  erwähnt  die  Wanderungen  der  Ru- 
mänen und  der  Albanesen.    »Einen  Sieg  der  Hirten  über  die  Ackerbauern 
und  Städter  bedeute  auch  der  Vorstoß  der  Türken«.    In  dieser  Beziehung 
möchte  ich  folgende  Stelle  zitieren:  »Ein  venezianischer  Beobachter  schreibt 
noch  um  1 5.59,  das  Land  an  den  grünen  Ufern  der  Bojana  könne  mit  seinen 
fruchtbaren  Saatfeldern  und  wohlbewohuten  Dörfern  mit  Italien  verglichen 
werden  ...  Im  Innern  war  im  XI. — XII.  Jahrh.  die  breite  Grenzzone  zwischen 
den  Serben  und  Byzantinern,  zwischen  den  byzantinischen  Grenzburgen  von 
Prizren,  Lipljan,  Nis  einerseits  und  dem  serbischen  Gebirge  am  Lim  und  Ibar 
anderseits,  eine  viele  Tagereisen  breite  Einöde.   Nach  der  serbischen  Okku- 
pation unter  Nemanja  (1180  f.)  wurde  dieses  von  Natur  aus  reiche  Gebiet,  be- 
sonders das  warme  Becken  des  weißen  Drim  und  der  Sitnica  rasch  kolonisiert. 
Doch  waren  die  2ü0  Jahre  der  Herrschaft  des  Hauses  des  Nemanja  eine  zu 
kurze  Zeit,  um  eine  bleibende  Veränderung  durchzuführen.  Nach  der  Fest- 
setzung der  Türken  in  Makedonien  wurden  diese  fruchtbaren  Gebiete  wieder 
ein  Grenzland  und  fielen  neuerdings  dem  Verfall  anheim.   Unter  der  türkischen 
Herrschaft  ging  das  serbische  ackerbauende  Element  bei  Prizren,  Pec  und 
auf  dem  Amselfelde  unaufhaltsam  vor  den  albanesischen  Hirten  zurück.    Die 
Dörfer  dieser  Landschaften,  ebenso  wie  der  warmen  Ebene  von  Skutari,  waren 
im  XIV.  Jahrhundert  größer  und  zahlreicher  als  heute«  (S.  24).    Nun  folgt 
die  Schilderung  der  Waldwirtschaft,  Viehzucht  und  des  Ackerbaues,  reich 
ausgestattet  mit  vielen  Einzelheiten,  wobei  der  Verfasser  nie  unterläßt  die 
termini  technici,  die  bei  einzelnen  Verrichtungen  angewendet  wurden,  beson- 
ders hervorzuheben.   Wir  wollen  hoffen,  daß  bei  dem  dritten  Heft  ein  Wort- 
register diesen  reichen  Vorrat  an  wichtigen  Ausdrücken  für  das  Nachschlagen 
erleichtern  wird.  Bei  der  Erwähnung  der  Grenzbestimmungen  zwischen  ein- 
zelnen Dörfern  und  ihren  Grundstücken  (S.  35)  hätte  ich  den  berühmten 
Razvod  aus  Istrien  vom  J.  1325  mit  einem  Worte  erwähnt,  mag  er  auch  nicht 
auf  das  altserbische  Gebiet  sich  beziehen,  aber  schon  der  Ausdruck  razvod, 
der  ebenso  in  derselben  Bedeutung  in  den  russischen  Urkunden  begegnet 
(vergl.  im  altruss.  Wörterbuch  Sreznevskij's,  s.  v.  pobeoät.)  reicht  als  terminus 
technicus  in  uralte  Zeiten  zurück  und  auch  die  anschauliche  Darstellung  des 
ganzen  Vorganges  der  Grenzbestimmungen  hat  ihre  Parallelen.  Im  Weinbau 
(S.  40),  bei  welchem  schon  im  Altkirchenslavischen  c</LinB).ovQy6g  mitunter 
durch  Kona^iB,  KonautMa  ausgedrückt  wird,  gilt  das  Wort  kopac  auch  als  Maß- 
bestimmung, so  hörte  ich  schon  in  meiner  frühesten  Jugend,  bevor  ich  noch 
einen  Weingarten  in  natura  sah,  von  »gorice  na  dva,  tri . . .  kopaca«.  Unter  den 
verschiedenen  Anlagen  des  Weingartens  war  im  Westen  auch  »brajda«  (ein 
Fremdwort)  wohl  bekannt,  das  Wort  dürfte  in  ragus.  Archiv.  Quellen  ebenso 
vorkommen,  wie  das  slavische  pritka  (cum  pritcis,  S.40).  Interessant  sind  die 


Jirecek,  Staat  n.  Gesellsch.  im  Mittelalt.  Serbien,  angez.  v.  Jagic.    261 

noch  heute  nachweisbaren  Überreste  der  deutschen  Nomenklatur  im  Bergbau, 
wie  ceh,  turf,  sljakna  (S.  46). 

Das  zehnte  Kapitel  behandelt  »Handel  und  Geldwesen«  (II.  S.  46 — 66), 
Den  Handel  trieben  zumeist  die  fremden  Kaufleute,  im  Vordergrund  standen 
die  Eagusaner,  die  durch  ihre  klage  Handelspolitik  viele  Vergünstigungen 
des  serb.  Staates  für  sich  zu  gewinnen  verstanden.  Von  den  strittigen  kleinen 
Grenzfragen  (S.  4S — 49)  würde  ich  nicht  an  dieser  Stelle  sprechen,  sondern 
anderswo,  da  das  den  Handel  zunächst  nicht  angeht.  Was  diesen  anbetrifft, 
erwähne  ich  die  Bemerkung  des  Verfassers,  daß  der  Aufschwung  des  Binnen- 
handels Ragusas  mit  Serbien  dazu  geführt  hatte,  daß  »der  ältere  Seehandel 
durch  den  Landhandel  ganz  überflügelt  wurde«.  Das  dauerte  bis  zu  den  nach 
dem  Tode  Dusans  eingetretenen  inneren  Wirren  in  Serbien  und  den  durch 
das  Vordringen  der  Türken  entstandenen  Verheerungen,  durch  die  die  Eagu- 
saner gezwungen  wurden  sich  von  neuem  mehr  mit  dem  Seehandel  zu  be- 
schäftigen. Der  Umfang  des  ragusanischen  Landhandels  beschreibt  unser 
Historiker  so:  »Über  die  Narentamündung  und  Bosnien  reichte  er  bis  in  das 
südliche  Ungarn,  in  Serbien  bis  ins  Moravatal  und  zum  Sargebirge.  In  Bul- 
garien . . .  werden  Eagusaner  nur  in  Vidin  öfters  erwähnt.  Ebenso  lag  Make- 
donien außerhalb  ihres  Bereiches,  warscheinlich  wegen  des  großen  Handels 
der  Griechen  in  diesen  Gebieten.  In  den  Archivbüchern  von  Eagusa  aus  dieser 
Periode  wird  kaum  Skopje  erwähnt;  die  Namen  von  Velbuzd  (Küstendil),  Stip, 
Prilep,  Ochrid  und  anderen  Städten  kommen  dort  überhaupt  gar  nicht  vor« 
(49).  Auch  von  den  Handelsbeziehungen  anderer  dalmatinischer  Städte  mit 
dem  Innern  der  Balkanländer  (Bosnien,  Serbien)  wird  kurz  das  nötige  gesagt, 
selbstverständlich  durfte  Venedig  nicht  übergangen  werden.  Neben  diesen 
»Lateinern«  (d.  h.  slavisch  und  italienisch  redenden  Katholiken)  spielten  keine 
große  Eolle  die  Juden  und  Armenier.  Es  fällt  aber  auf,  daß  von  Griechen 
keine  Rede  ist.  Sollen  sie  sowie  die  Kutzo-Wlachen  (Zinzaren)  ihr  Geschäft 
so  still  betrieben  haben,  daß  nichts  in  Urkunden  oder  dem  archivalischen 
Material  zu  finden  ist?  Sehr  anschaulich  schildert  der  Verfasser  die  Handels- 
routen und  Verkehrsmittel  (54 — 55),  sowie  das  Treiben  auf  den  Märkten  und 
zählt  auf  die  hauptsächlichsten  Handelsartikel  des  Exportes  und  Importes  auf, 
worunter  leider  auch  die  Sklaven  keine  unbedeutende  Eolle  spielten  (56 — 58). 
Das  Kapitel  schließt  mit  der  Aufzählung  der  Maße  und  Gewichte  und  den 
Münzen.  Unter  den  auf  S.  59—60  aufgezählten  Namen  für  Maße  vermisse  ich 
A\hH;ci\j-i\ii-^A\c\|-AK  (modiolus),  den  Ausdruck  kennen  die  serb.  Urkunden  in  beiden 
Formen  (Daniele  s.  v.). 

Das  elfte  Kapitel  ist  den  »Finanzen  des  serbischen  Eeiches«  gewidmet 
(S.  66 — 74).  Hier  ist  zunächst  von  den  Finanzbeamten  die  Eede,  die  meistens 
Ausländer,  aus  dem  Küstenland  (Cattaro)  waren.  Die  Gebahrung  mit  den 
Einnahmen  ist  wenig  bekannt.  Einnahmen  bestanden  in  Steuern  (Geld  und 
Naturalien)  und  verschiedenen  Dienstleistungen,  die  durch  originelle  slavische 
nur  zum  Teil  auch  griechische  Nomenklatur  spezialisiert  werden  (S.  68 — 70). 
Dem  griechischen  xanyixoy  scheint  dymina  (dimnina)  nachgemacht  zu  sein. 
Mit  der  Übersicht  der  Einnahmen  von  verschiedenen  Zöllen  beschließt  das 
Kapitel. 


262  Kritischer  Anzeiger. 

Das  ist  nur  ein  schwaches  Bild  von  dem  reichen  Inhalt  dieser  Kultur- 
Btudien,  denen  vielleicht  ein  Jurist,  ein  Nationalökonom,  oder  ein  anderer 
Fachmann  hie  und  da  eine  andere  Form  oder  Reihenfolge  der  Darstellung 
geben  würde,  als  es  der  Historiker  tat,  aber  über  die  Fülle  der  hier  darge- 
botenen wissenswürdigen  Belehrung  kann  nur  eine  Stimme  der  größten  An- 
erkennung herrschen.  V.  J. 


Statut  der  Poljica.  Von  Alfons  Pavich  von  Pfauenthal,  Tomo  Matic 
und  Milan  Kesetar.  Wien  1912,  lex.  8«  81  (S.-A.  aus  »Wissenschaft- 
lichen Mitteilungen  aus  Bosnien  und  der  Herzegowina«.  XII.  Band 

1912). 

Als  ich  im  Jahre  1880  in  den  Publikationen  der  russischen  >Freunde  des 
alten  Schrifttums«  eine  kommentierte  Ausgabe  des  Vinodoler  Statutes  heraus- 
gab, hatte  ich  den  lebhaften  Wunsch,  in  ähnlicher  Weise  bald  darauf  das  Pol- 
jica-Statut  zu  bearbeiten.  Doch  wie  leider  viel  zu  oft  in  meinem  Leben  blieb 
es  auch  diesmal  beim  guten  Vorsatz.  Der  Umzug  aus  Berlin  nach  Petersburg 
zeichnete  neue  Pflichten,  neue  Aufgaben  vor.  Volle  zehn  Jahre  später  hatte 
ich  doch  eine  sehr  erwünschte  Gelegenheit  bekommen  mich  auch  mit  dem 
Statute  von  Poljica  zu  beschäftigen.  Als  der  unvergeßliche  Racki  die  Redak- 
tion eines  Bandes  derMonumenta  historico-juridica,  in  welchem  Rechtsdenk- 
mäler in  der  Nationalsprache  (kroatisch)  zusammengefaßt  werden  sollten,  in 
seine  Hand  nahm,  überließ  er  mir  die  kritische  Bearbeitung  des  in  der  Tat 
einer  neuen  Ausgabe  dringend  bedürftig  gewesenen  Statutes  von  Poljica. 
Auf  Grund  der  mir  in  liberalster  Weise  nach  Wien  geschickten  handschrift- 
lichen Quellen  dieses  Statutes  brachte  ich  eine,  wie  es  mir  auch  jetzt  noch 
scheint,  ganz  einwandfreie  Ausgabe  zuwege,  die  im  IV.  B.  der  besagten  Mo- 
numenta,  und  auch  als  Sonderabdruck  erschien  unter  dem  Titel:  »CiaTyi  IIo- 
,t.H<iKH.  Ypejuo  lipo*.  B.  Jaruh  (Y  Barpeöy  189Ü.  80.  XXXII.  137).  Nach  dem 
Plane  der  Ausgabe  in  Monumenta  war  eine  Kommentierung  des  Textes  aus- 
geschlossen, ich  mußte  mich  auf  ein  Glossar  zum  Texte  mit  lateinischen  Er- 
klärungen der  Ausdrücke  beschränken.  Heute  bin  ich  in  der  angenehmen  Lage 
nicht  bedauern  zu  müssen,  daß  ich  mich  damals  mit  der  Abfassung  eines  Kom- 
mentars zum  Poljica-Statut  nicht  abgegeben  habe.  Denn  viel  vollständiger,  als 
ich  es  vermocht  hätte,  hat  diese  Aufgabe  die  oben  zitierte  Ausgabe  erfüllt,  die 
eine  Kollektivarbeit  repräsentiert  folgenden  Inhaltes:  I.  Vorwort  von  Alfons 
Pavich  von  Pfauenthal,  II.  Übersetzung  des  Statutes  mit  Einleitung  und  An- 
merkungen von  Tomo  Matic,  III.  Münzen  im  Statute  von  Poljica  von  Milan 
Resetar.  Ich  muß  vor  allem  hervorheben,  daß  diese  ganze  Publikation  der 
wahrhaft  rührenden  Liebe  und  Anhänglichkeit  des  Herrn  k.  k.  Statthalterei- 
Vizepräsideuten  von  Dalmatien,  Alfons  Pavich  von  Pfauenthal  zu  seinem  hei- 
matlichen Boden  —  und  als  solchen  betrachtet  er  eben  die  Poljica  in  Dalma- 
tien —  ihre  Entstehung  verdankt.  Er  hat  die  Wiederherstellung  einer  politi- 
schen Gemeinde  Poljica  zustande  gebracht,  er  hat  in  Wort  und  Schrift  für 
dieses   geschichtlich   merkwürdige    Gemeindewesen   Propaganda  gemacht. 


T.  Matic,  Statut  der  Poljica,  angez.  v.  Jagic.  623 

Freunde  geworben.  Und  so  ist  auch  die  vorliegende  schöne  Ausgabe  einer 
kommentierten  Übersetzung  des  Statutes  durch  seine  Initiative  und  seine  Be- 
mühungen zustande  gekommen,  sie  schließt  sich  an  das  an,  was  er  im  Glasnik 
desSarajever  Museums  vom  J.  19ü3  als  »Priuosipovjesti  Poljica«  und  in  deut- 
scher Übersetzung  als  »Beiträge  zur  Geschichte  der  Republik  Poljica  bei  Spa- 
lato<  in  den  Wissenschaftlichen  Mitteilungen  aus  Bosnien  und  Herzegowina 
vom  J.  1907  herausgegeben  hat.  Auch  diese  Ausgabe  bekam  durch  die  Be- 
mühungen des  Herrn  Statthalterei -Vizepräsidenten  mehrere  Illustrationen 
zum  Texte,  deren  einige  kunstgeschichtlich  interessant  sind  und  von  ihm  in 
dem  Vorworte  besprochen  werden. 

Doch  meine  Anzeige  bezieht  sich  auf  den  Hauptinhalt  dieser  Ausgabe, 
auf  die  kommentierte  deutsche  Übersetzung  des  Statutes,  die  Prof.  T.  Matic 
auf  S.  7—74  geliefert  hat.  Wer  die  eigentümliche  Diktion  dieses  Statutes 
kennt,  die,  nicht  frei  von  italienischem  Einfluß,  doch  sehr  viel  volkstümliche 
Präzision  zeigt,  die  sich  bis  zur  dunklen  Kürze  steigert,  wird  die  nicht  geringe 
Schwierigkeit  der  Aufgabe,  die  dem  Übersetzer  bevorstand,  ermessen  können. 
Daß  er  sie  glücklich  überwunden,  kam  nicht  nur  durch  das  fleißige  Studium 
der  einschlägigen  Literatur  und  der  urkundlichen  Parallelen,  wie  z.  B.  des 
Statutes  von  Spalato,  zustande,  das  ihm  das  Eindringen  in  den  Sinn  einzelner 
Bestimmungen  erleichterte,  sondern  auch  durch  vielfaches  Nachfragen  bei  den 
aus  Poljica  stammenden  oder  das  dortige  Volksleben  und  den  dortigen  Dialekt 
genau  kennenden  Persönlichkeiten.  In  dieser  Weise  gestalteten  sich  seine  An- 
merkungen zu  einzelnen  Punkten  oder  Paragraphen  des  Statutes  als  sehr 
schätzenswerte  Beiträge,  gleichsam  kleine  Perlen  zur  Sprache,  zu  Sitten  und 
Bräuchen  des  kleinen  Ländchens.  Nur  selten  bleibt  der  eine  oder  andere  Aus- 
druck noch  immer  dunkel.  Das  betrifft  namentlich  das  Wort  polipa  im  §  50a, 
das  auch  die  Gewährsmänner  Matic"  nicht  imstande  waren  zu  erklären.  Ich 
vermute  jetzt,  daß  polipa  eigentlich  auf  pole pa(ikavisch  ausgesprochen)  be- 
ruht und  daß  damit  eine  »beschmierte«  Hütte,  oder  vielleicht  ein  Wirtschafts- 
gebäude gemeint  war.  Sehr  nahe  stehen  die  Ausdrücke  poln.  lepianka, 
nalepa,  cech.  nalepa,  nalepek  und  nach  der  Wortbildung  am  nächsten 
poln.  polepa,  das  nach  Karlowicz  1.  einen  Lehmfnßboden,  2.  die  Lehmbe- 
kleidung  einer  Hütte  bedeutet.  Alle  diese  Ausdrücke  drehen  sich  um  eine 
Wohnstäte,  und  so  mag  auch  im  Statute  von  Poljica  mit  polipa  irgendeine 
für  Menschen  oder  Tiere  gemeinte  Wohnstätte  gemeint  gewesen  sein,  wie  es 
■auch  Prof.  Matic  richtig  vermutet.  An  eine  Korrektur  des  polipa  in  pojina 
ist  gewiß  nicht  zu  denken.  Es  ist  zu  beachten,  daß  polipa  nach  §  50a  zu  un- 
beweglichen Sachen  gerechnet  wird,  dagegen  nach  50  b  wird  selbst  ein  Haus, 
das  gomionica  heißt,  also  aus  Stein  ohne  Kalk  oder  Lehm  aufgeführt  ist, 
zu  den  beweglichen  Sachen  gerechnet. 

Gegen  die  möglichst  wörtlich  gehaltene  und  doch  mit  nötigen  in  Klam- 
mern gesetzten  Einschaltungen  versehene  Übersetzung  ist  selten  etwas  ein- 
zuwenden und  auch  das  sind  entweder  Kleinigkeiten  oder  dunkle  Stellen,  wo 
verschiedene  Auffassung  möglich  ist.  Zur  ersten  Art  würde  gehören  z.  B.  §  4  a, 
wo  man  statt  »in  was  immer  für  einer  Angelegenheit«  vielleicht  näher  an  das 
Original  sich  anschließend  »wegen  einer  Sache«  sagen  könnte  und  daher  auch 


264  Kritischer  Anzeiger. 

unten  statt  »bezüglich  des  Landes«  entsprechend  der  gleichen  Präposition  des 
Originals  »wegen  des  Landes«.  Dunkel  ist  dagegen  §  4b,  den,  wie  es  scheint, 
schon  die  alten  Abschreiber  nicht  verstanden  haben,  da  sie  statt  'od  onogaj 
obroka'  sogar  'do  ovoga  obroka'  schrieben.  Das  Appellationsrecht  wird  bis 
zum  dritten  Gerichtstermin  ausgedehnt,  nun  sollte  weiter  heißen:  und  wer  bis 
zu  diesem  Termin  nicht  appelliert,  der  verliert  das  Recht  nachher  zu  appel- 
lieren. Dieser  Sinn  ergibt  sich  auch  aus  den  Worten:  i  tko  se  ne  apela 
(sc.  do  ovoga  obroka,  diese  Worte  liest  man  auch  in  einigen  Texten,  nur 
vielleicht  an  unrichtiger  Stelle),  nije  mu  apeo  dobar  od  onogaj  obroka. 
Die  Schwierigkeit  entsteht  erst  durch  den  Zusatz:  nakomse  cinisenten- 
cija.  Soll  das  ganze  etwa  den  Sinn  haben:  wer  sich  gleich  beim  Urteilsspruch 
des  Appellationsrechtes  begibt,  der  kann  überhaupt  nicht  mehr  von  der 
Appellation  (also  auch  beim  zweiten  oder  dritten  Termin,  Gebrauch  machen.  So 
etwa  könnte  man  den  Text  in  der  jetzigen  Fassung  interpretieren.  Wenn  man 
in  5^  die  Übersetzung  »wenn  der  Geladene  gegen  die  Tagsatzung  nicht  Ein- 
spruch erhoben  hat«  (so  übersetzt  Matic  die  Worte:  Akoli  oni  roka  ne 
opovi  koga  pozivaju)  gelten  läßt,  dann  muß  man  stillschweigend  hinzu- 
denken »und  doch  nicht  erscheint«,  allein  diese  Worte  sind  im  Texte  nicht  da,  da- 
rum wird  opovedeti  hier  doch  nicht  »Einspruch  erheben«,  sondern  eher  etwas 
anderes  bedeuten,  d.h.  etwa  ja  sagen,  zustimmen  im  Sinne:  ich  werde  kommen, 
erscheinen.  Darum  hat  auch  der  Text  das  zweimalige 'ne  opovi' zum  dritten- 
mal durch  'ne  bude'  ersetzt,  und  die  späteren  Texte  schrieben  statt  opovi 
das  Wort  dode.  Der  Verfasser  selbst  hat  zu  §  54a  die  doppelte  Bedeutung 
des  Verbums  'opoviditi'  hervorgehoben.  In  §  S  möchte  ich  die  Übersetzung 
»soll  als  treulos  unserem  Herrn  und  unserem  Orte  übergeben  werden«  für 
»da  se  oda  nevirau  gospodi  nasoj  i  mistu  nasemu«  etwas  anders 
auffassen,  d.  h.  das  odati  se,  entsprechend  dem  italienischen  rendersi, 
durch  ,sich  erweisen',  , erklärt  werden'  übersetzen.  Die  Strafe  eines  solchen 
Treulosen  besteht  ja  in  der  Verbannung  (da  se  izrene  van),  nicht  in  der 
Übergabe  in  die  Gewalt  des  Herrn  und  der  Gemeinde.  Schon  die  einfache 
Form  des  Adjektivs 'ne  vi  ran'  scheint  mir  dafür  zusprechen,  ich  würde  daher 
die  Stelle  übersetzen  »soll  als  treulos  unserem  Herrn  und  unserem  Ort  an- 
gesehen (oder  erklärt)  werden«. 

Schwierig  ist  die  Deutung,  folglich  auch  Übersetzung  des  §  9,  wo  vom 
Verfall  des  Pfandes  die  Rede  ist,  die  ersten  Worte  sehen  wie  eine  Überschrift 
aus,  so  daß  die  eigentliche  Bestimmung  erst  mit  den  Worten  ako  tko  upade 
beginnt.  Die  größte  Schwierigkeit  macht  der  nach  'od  sile'  folgende  Zusatz 
»sto  imenuje  zastave«.  Prof.  Matic  übersetzt  diesen  Zusatz  »indem  er  seine 
Pfänder  nennt«,  ich  möchte  lieber  so  sagen:  »Wenn  sich  jemand  vor  dem 
Knez  und  den  Richtern  wegen  einer  Gewalttat  verpfändet,  was  man  Pfand 
nennt«  —  allerdings  fehlt  im  Text  se  bei  imenuje,  doch  auch  vor  zastavi 
in  der  ersten  Zeile  fehlt  se,  ja  man  kann  vielleicht  wirklich  ohne  das  se  aus- 
kommen und  so  konstruieren:  i  tko  zastavi  ...  od  sile  . .  .  zastave, 
»wenn jemand  Pfand  (oder  Pfänder)  deponiert«,  der  Zusatz  sto  imenuje  ist 
entweder  so  viel  wie  sto  se  imenuje  (was  man  nennt)  oder  ist  tko  Subjekt, 
also:  Wenn  jemand  vor  dem  Knez  und  den  Richtern  wegen  einer  Gewalttat 


T.  Matic,  Statut  der  Poljica,  angez.  v.  Jagic.  265 

deponiert  das,  was  er  Pfänder  nennt  .  .  .    Ich  will  nicht  sagen,  daß  auch  so 
alles  glatt  geht. 

Dunkel  ist  im  §  17b  der  letzte  Absatz:  >so  hat  er  auf  seinem  Besitze 
selbsechst  seine  Unschuld  zu  beschwören«.  Wer  ist  hier  er?  Prof  Matic  meint 
den  Beschuldigten,  ich  würde  eher  an  den  Kläger  denken,  von  dem  es  heißt, 
daß  er,  wenn  der  Eid  von  dem  Beschuldigten  auf  ihn  gewälzt  wird,  nur  zwei 
Eideshelfer  (d.  h.  selbdritt)  braucht;  wenn  aber  der  Beschuldigte  gänzlich  aus- 
bleibt, so  hat  er  (also  auch  hier  der  Kläger)  sein  Eigentumsrecht  mit  fünf  Eides- 
helfern (selbsechst)  zu  bekräftigen.  In  §  25  würde  ich  den  letzten  Absatz  im 
Sinne  der  vom  Verfasser  in  der  Anmerkung  vorgeschlagenen  Erklärung  auf- 
fassen, d.  h.  ein  Vlah  (Hirt)  kann  nur  auf  Privateigentum  (also  nicht  in  der 
Gemeinde)  und  zwar  unter  den  mit  dem  Eigentümer  freiwillig  eingegangenen 
Bedingungen  in  Poljica  Aufenthalt  finden.  Im  §  33  würde  ich  in  dem  ersten 
Absätze  eine  kleine  Änderung  in  der  Übersetzung  vornehmen  und  statt  »dem- 
jenigen für  den  sie  bestimmt  ist«  näher  ans  Original  kommend  »jener  Person« 
schreiben  (onoj  glavi);  für  das  »das  ihm  zugefallene  Grundstück«,  womit 
»na  svojoj  zdribnici«  richtig  umschrieben  wird,  wäre  es  vielleicht  er- 
laubt das  Wort  »Los«  anzuwenden.  Ich  weiß  auch  nicht,  ob  die  Worte  »Doch 
jeder  darf  nur  das  ihm  zugefallene  Grundstück  besitzen«  wirklich  das  aus- 
drücken, was  dieser  Zusatz  besagen  will.  Ist  mit  den  Worten  nicht  vielleicht 
gemeint,  daß  bei  etwaigen  nachträglichen  Teilungen  oder  Messungen  keiner 
um  sein  Los  (sein  ihm  zugefallenes  Grundstück)  kommen  soll?  Im  §  34  möchte 
ich  den  Ausdruck  uzopet,  den  ich  durch  iuxta  erklärt  hatte,  jetzt  nicht  mit 
'parallel'  übersetzen,  sondern  eher  mit  »in  entgegengesetzter  Richtung«  oder 
»rückläufig«,  also  »daß  der  Rechtsstreit  sich  rückläufig  bewege« ;  an  der  Sache 
list  selbstverständlich  damit  nichts  geändert.  Für  »so  steht  es  ihr  frei«  würde 
man  besser  sagen  »so  steht  es  ihm  frei«  (d.  h.  dem  Geklagten).  Statt  »seit 
anger  Zeit  so  gut  wie  vernachlässigt«  könnte  man  vielleicht  sagen:  »wegen 
langer  Zeit  so  gut  wie  in  Vergessenheit  verfallen«.  Im  §  35a  könnte  der  Aus- 
druck »zataknuti  se«  und  »zatac«  vielleicht  durch  Aufforderung,  auf- 
fordern wiedergegeben  werden,  vgl.  zatka  im  heutigen  Montenegrinischen, 
Schwierig  ist  die  Übersetzung  der  Phrase  »gre  uz  ruku«.  Prof.  Matic  über- 
setzt; »Die  sonstige  Schlägerei  oder  Wunde  trifft  die  Hand«,  das  ist  viel- 
leichtwörtlich richtig,  aber  dem  Sinne  nach  unklar;  die  von  Matic  hinzu- 
gefügte Erklärung  lautet  »von  der  sie  verschuldet  bzw.  beigebracht  wurde«. 
Doch  ist  damit  das  Ausmaß  der  Strafe  noch  nicht  ausgedrückt,  während  wir 
sonst  überall  die  genaue  Straf  bestimmung  finden.  Vielleicht  soll  der  ganze 
Absatz  nur  eine  Einleitung  für  die  weiter  folgenden  Einzelfälle  bilden,  und 
dann  würden  die  Worte  »gre  uz  ruku«  ausdrücken:  »die  sonstige  Schlägerei 
oder  Wunde  richtet  sich  nach  ihrer  Art«  (vgl.  svake  ruke,  srednje  ruke).  Hübsch 
hat  Prof  Matic  in  §  37 b  vor  vrazdi  das  Wörtchen  dvi  ergänzt,  ich  erwähnte 
in  der  Ausgabe  die  Lücke  ohne  ihre  Ergänzung,  die  sich  aus  41a  ergibt.  Ebenso 
ist  sehr  hübsch  der  §  47  in  seiner  originellen  Diktion  beleuchtet.  Die  Berech- 
nung der  im  §47  zitierten  unklaren  Stelle  bezüglich  der  ovni  tretintni,  die 
der  Übersetzer  als  dreijährige  Widder  auffaßt,  muß  ich  als  mir  nicht  ganz 
schier  auf  sich  beruhen  lassen.  Es  ist  im  Texte  von  20  Widdern  die  Rede,  dar- 


266  Kritischer  Anzeiger. 

nach  würde  also  der  Sinn  der  Stelle  nach  Matic  dahin  gehen,  daß  bei  der 
Lieferung  von  dreijährigen  Widdern  statt  20  nur  15  zu  geben  wären.  Oder 
soll  das  vielleicht  bedeuten,  daß  die  Widder  so  groß  sein  mußten,  daß  jeder 
von  ihnen  statt  einer  Einheit  zu  vier  Drittel  gerechnet  wurde?  Ein  dreijähriger 
Widder  sollte  tretjak  (jetzt  trecak)  heißen,  das  Adjektiv  tretintni.  auf 
tretina  (dritter  Teil)  beruhend  könnte  sich  auch  auf  die  Größe,  ohne  gerade 
die  Dreijährigkeit  auszudrücken,  beziehen.  Im  §  49 ^  finde  ich  für  prinajde, 
prinasao,  nasao  in  der  Übersetzung  das  Wort  'erwerben',  'hinzuerwerben' 
angewendet.  Da  einmal  neben  prinajde  die  Ausdrücke  pribavi  und  pri- 
kupi,  izdvori,  das  andere  Mal  zu  nasao  aie  Ausdrücke  dobio,  pribavio 
folgen,  so  möchte  ich  fragen,  ob  mit  prinajde  nicht  das  gemeint  war,  was 
der  gegenwärtige  Besitzer  des  Stammgutes  bei  seinem  Antritt  schon  als  etwas 
von  seinem  Vorgänger  hinzuerworbenes  aber  doch  vom  Stammgut  abgeson- 
dertes vorfand?  Denn  prinaitikann  wörtlich  bedeuten:  auf  etwas  kommen, 
also  finden,  was  als  nachträglich  und  nicht  ursprünglich  gilt.  Diese  Erklärung 
würde  bedeuten,  daß  der  Erbe  eines  Stammgutes  auch  solchen  Besitz  beerben 
konnte  (also  ohne  sein  Zutun  bekommen,  gleichsam  finden),  der  nicht  als  zum 
Stammgut  gehörend  angesehen  wurde,  daher  von  dem  jetzigen  Besitzer  auch 
entäußert  werden  konnte.  Im  §  51  d  würde  ich  statt  »so  sollen  sie  nach  Maß- 
gabe der  Anteile  abkaufen,  die  ihnen  bei  der  Teilung  ihres  Stammgutes  ge- 
bühren« in  näherem  Anschluß  an  das  Original  so  sagen:  »dann  sollen  sie  in 
der  Weise  und  nach  jenen  Anteilen  abkaufen,  wie  sie  bei  der  Teilung  des 
Stammgutes  vorgehen«.  Zu  §  52^  will  ich  bemerken,  daß  uvit  in  meinem 
Glossar  statt  conditio  besser  durch  pactum  hätte  erklärt  werden  sollen  und 
das  würde  mit  dem  übereinstimmen,  was  jetzt  Prof.  Matic  richtig  über  das 
Wort  sagt. 

Im  §  55a  übersetzt  Prof.  Matic  die  Worte  »Ki  bi .  .  .  pankao  ali  se  do 
virnosti  takao«  durch  »der  .  .  .  böse  Verleumdungen  oder  Verletzung  der 
Treue  sich  zu  Schulden  kommen  lassen  sollte«.  Hier  ist  die  Verleumdung  für 
pankati  richtig,  aber  do  virnosti  se  taknuti  kann,  glaub'  ich,  nichts 
anderes  bedeuten,  als  »die  Treue  anrühren«  oder  »die  Treue  angreifen«,  darum 
fasse  ich  die  in  diesem  Paragraphen  zur  Sprache  kommende  sehr  strenge 
Ahndung  etwas  anders  auf,  wobei  auch  die  Worte  suproc  mistu  nasemu, 
wie  ich  glaube,  einen  leichter  erklärbaren  Zusammenhang  bekommen,  d.  h.  ich 
übersetze  so:  Wenn  sich  jemand  finden  sollte,  wer  immer  es  sei,  ein  Vlastelin 
oder  ein  Didic  oder  ein  Geistlicher  oder  welchen  immer  Standes  Mensch,  der 
entweder  selbst  oder  durch  einen  anderen,  sei  es  schriftlich  oder  mündlich, 
böse  Verleumdungen  verbreitet  oder  die  Treue  unserer  erlauchten  veneziani- 
schen Herren  oder  ihrer  Eektoren  unserem  Ort  gegenüber  anrührt .  .  .  Die 
Beschuldigung  kulminiert  also  in  Angriffen  gegen  die  Republik  Venedig  und 
ihre  Rektoren  bezüglich  ihres  Verhältnisses  zuPoljica,  in  einer  ehrenrührigen 
Verleumdung  und  Auflehnung  gegen  die  Republik  wegen  ihres  Verhaltens 
Poljica  gegenüber  ...  So  erkläre  ich  mir  auch  die  Ausschließung  jeder  Be- 
gnadigung, selbst  wenn  sie  von  den  Vertretern  der  venezianischen  Oberhoheit 
in  Vorschlag  gebracht  werden  sollte. 

Sehr  gut  lautet  die  Erklärung  und  im  Zusammenhang  damit  auch  die 


T.  Matiö,  Statut  der  Poljica,  angez.  v.  Jagic.  267 

Übersetzung  des  §  59  a,  auch  der  Versuch  über  die  Schwierigkeit  in  §  50b  be- 
treffs zastava  hinwegzukommen,  kann  gebilligt  werden,  obgleich  ich  einen  et- 
was präziseren  Ausdruck  statt  Grundstück  vorgezogen  hätte,  aber  welchen? 
vielleicht  »Feldstück«  oder  »Anbau«?  Denn  zastava  muß  doch  etwas  be- 
stimmteres ausdrücken  als  das  gewöhnliche  zemja. 

Zu  §  61  über  istupiti,  istup-odstup  kann  man  jetzt  das  rechts- 
geschichtliche Hilfsmittel  »Prinosi  za  hrvatski  pravno-povjestni  rjecnik.  Na- 
pisao  Vladimir  Mazuranic«  S.  4-17 — 448  zu  Rate  ziehen,  woraus  man  sieht,  daß 
ich  den  Ausdruck  falsch  gedeutet  hatte  und  dadurch  auch  den  Übersetzer  auf 
fale-  hen  Weg  führte.  Es  handelt  sich  um  die  evictio,  cautio  expeditoria,  de- 
fensio  rei  venditae.  Mazuranic  zitiert  aus  den  Acta  croatica  nach  der  Ausgabe 
Surmins  'S.  ITS)  das  Beispiel,  wo  bei  einem  Kauf  die  Verkäufer  den  Käufer 
eicher  stellen:  »Ako  bi  ih  (d.  h.  den  Mikula  i  njegov  ostanak)  hotil  u  recenom 
imanji  briziti,  utiskati  i  usilovati,  da  hote  (sc.  die  Verkäufer)  vlastitim  svoim 
trudom  i  tracenjem  n  parni  i  izvan  parne  braniti  i  istupiti«.  Es  gibt  noch 
einige  Beispiele  für  das  Verbum  und  auch  istupnik  für  evictor  kann  belegt 
werden.  Vgl.  auch  Bartal  Gloss.  mediae  et  infimae  latinitatis  regni  Hungariae 
s.  V.  evictio,  evictor  u.  a.  Darnach  müßte  diese  Bestimmung  des  Pol. Statutes 
jetzt  anders  übersetzt  werden.  Im  ,§  63b  ist  die  Übersetzung  »eine  Frist  bis 
zum  (nächsten?)  Gerichtstag«  für  ,rok  na  obrok'  nicht  ganz  genau;  ich  glaube 
die  Stelle  so  verstehen  zu  müssen,  daß  man  den  schriftlichen  Beweisen  so  viel 
Gewicht  beilegte,  daß  man  selbst  bei  dem  schon  zustande  gekommenen  letzten 
obrok  noch  einen  neuen  Termin  zur  weiteren  Verhandlung  gestattete.  Dafür 
spricht  auch  der  ganze  weitere  Text.  Im  §  65  wäre  statt  'Bosheit'  vielleicht 
genauer  'Böswilligkeit'  (zle  volje)  zu  sagen. 

Im  §  68a  könnte  bei  obljubljen  auch  auf  die  Beispiele  des  Verbums 
obljubiti  in  altserbischen  Denkmälern  hingewiesen  werden,  sonst  ist 'ein- 
vernehmlich' ein  ganz  gut  gewählter  Ausdruck,  den  man  auch  durch  'gütlich' 
ersetzen  könnte,  z.  B.  gütliche  Austragung  würde  ganz  gut  klingen.  In  §  69  b 
ist  mit  den  Worten  »zu  Hause  aufsucht«  mehr  gesagt,  als  das  Original  verlangt, 
wo  es  nur  heißt:  »wenn  er  ihn  vom  Hause  vorladet«  (daß  der  Gläubiger  selbst 
ihn  zu  Hause  aufsucht,  das  steht  im  Original  nicht).  In  §  71  b  könnte  man  für 
pratez  statt  des  etwas  blassen  Ausdrucks  'Sache'  hier  vielleicht  auch  'Ware' 
anwenden  (doch  vgl.  §  77).  Im  §  72b  dürfte  für  p'ohititi  se  na  kucu  statt 
'ergreifen'  besser  sein  'angreifen'  oder  'sich  vergreifen';  ebenso  im  §  73  d  würde 
ich  den  Ausdruck  'Beeidigung'  entsprechend  dem  §  73e  auch  hier  durch 
»Eidesleistung«  ersetzen.  In  dem  letztgenannten  §  73e  wäre  es  genauer  den 
Ausdruck  s  pristavi  i  zakletvom  durch  »mit  den  Pristaven  und  der 
Eidesformel«  (statt  'dem  Eide')  zu  übersetzen,  daher  auch  in  §  73=  po  za- 
kletvi  statt  'durch  den  Eid'  würde  ich  übersetzen  »nach  der  Eidesformel«. 
Klar  sieht  man,  daß  es  sich  liier  um  die  Eidesformeln  handelt,  aus  §  76,  wo  die 
Eidesformel  angeführt  ist:  »da  nije  cestan  ni  vistan<r.  Im  §  76  statt  »daß  er 
sie  mit  dem  Kopfe  büßen  müßte«  wäre  es  besser  allgemein  auszudrücken  »daß 
sie  (sc.  Schuld)  mit  dem  Kopfe  zu  büßen  wäre-.  In  diesem  Paragraphen  hatte 
ich  an  einer  Stelle  falsche  Interpunktion  gesetzt,  die  Worte  »ako  li  bi  se  kriv 
ansao«  gehören  zu  dem  vorausgehenden  Satz  »kom  no  bi  oni  duzan«,  d.  h. 


268  Kritischer  Anzeiger. 

man  muß  übersetzen:  »so  trifft  denjenigen,  der  ihn  .  .  verleumdet,  jene  Schuld 
und  Strafe  .  .  .,  die  diesen  treffen  würde,  wenn  er  für  schuldig  befunden  wor- 
den wäre«.  Auf  diesen  Fehler  hat  M.  K.  in  Mjesecnik  pravnickoga  drustva 
(God.  XXXIX  Kn.  I  br.  s.  S.  72)  aufmerksam  gemacht  und  ich  nehme  die  Be- 
richtigung dankbar  an.  In  §  77  ist  die  kurze  Ausdrucksweise  onomu  je 
pravda  übersetzt  durch  »so  stellt  diesem  die  Rechtsprechung  zu«.  Ist 
das  nötig?  Soll  es  nicht  vielmehr  heißen:  »so  hat  dieser  vor  Gericht  zu  er- 
scheinen« ?  In  §8015  wäre  es  besser  »auf  einem  Gemeinde-Grundstück«  für  na 
opcenom  zu  sagen,  als  »auf  einem  gemeinsamen  Grundstücke«.  So  wird  ja 
opceni  auch  von  dem  Übersetzer  regelmäßig  durch 'Gemeinde-' ausgedrückt. 
Darum 'auch  in  §  96  ucinise  opceno  bedeutet  so  viel  wie:  »sie  machten 
einen  Gemeindebeschluß«;  auch  im  §  101  würde  ich  puti  opceni  ebenfalls 
durch  Gemeindewege  übersetzen  (Matic  schreibt  »die  öffentlichen  Wege«),  und 
wahrscheinlich  kann  man  auch  im  §  104  v  o  da  zi  va  ima  biti  opcena  durch 
»ein  Quellenwasser  soll  der  Gemeinde  angehörig  sein«  übersetzen.  In  demselben 
§  8üe  muß  ich  'u  miru'  nach  meiner  Auffassung  (d.  h.  von  mir  nicht  von  mer  a 
abzuleiten)  in  Schutz  nehmen,  erstens  darum,  weil  ich  keinen  Grund  für  eine 
besondere  Abmessung  der  Anteile  finde,  diese  könnte  erst  bei  einem  beson- 
deren, vielleicht  recht  spät  eintretenden  Fall  stattfinden,  und  zweitens  darum, 
weil  im  weiteren  Texte  dieses  »Ungestörtsein«  motiviert  wird  dadurch,  daß 
der  Erbauer  bei  der  Herstellung  der  Mühle  mit  einer  öffentlichen  Arbeit  von 
einer  gewissen  Dauer  zu  tun  hatte,  und  da  man  ihn  während  dieser  ganzen 
Zeit  in  Ruhe  gelassen,  so  soll  man  ihn  auch  nach  der  Fertigstellung  in  Ruhe 
lassen  und  die  Mühle  als  zu  seinem  Anteil  gehörig  ansehen.  Meine  Auffassung 
stützt  sich  übrigens  auch  darauf,  daß  ich  mir  die  Mühle  als  auf  einem  Gemeinde- 
grundstück aufgeführt  vorstelle,  Prof.  Matic  denkt  aber  an  die  Teilhaber  bei 
einem  gemeinsamen  Grundstücke,  wovon  nach  meiner  Auffassung  hier  nicht 
die  Rede  ist.  Daher  ist  die  Anm.  4  zu  §  80b  nach  meiner  Auffassung  über- 
flüssig. Im  §  841^  sind  die  Worte  »wenn  eine  solche  entdeckt  wird«  nicht  ganz 
dem  Texte  »ako  se  obnajde  taj  takova«  gleichlautend.  Hier  ist  wohl 
zimächst  von  der  Konstatierung  des  Kindesmordes  an  sich  die  Rede,  die 
eigentliche  Entdeckung  und  Ergreifung  der  Schuldigen  kommt  in  nächsten 
Zeilen  zur  Sprache:  »kad  ju  obociti,  ima  ju  hitati«,  d.  h.  wer  sie  zu 
Gesicht  bekommt,  soll  sie  ergreifen.  Im  §  92^,  92 1,  107 ^  übersetzt  Prof.  Matic 
das  Verbum  razjagmiti  durch  'verschleppen'.  Endlich  und  letztlich  kommt 
es  darauf  hinaus,  doch  zunächst  ist  an  die  Wegnahme  als  Beute,  an  Konfiskation 
in  ihrer  primitiven  Art  zu  denken.  So  steht  auch  im  §  107bzajagmu  opceno, 
was  wohl  »eine  Konfiskation  zu  Gunsten  der  Gemeinde«  bedeutet.  Im  §94  ist  die 
Beseitigung  der  Grenzzeichen  ausgedrückt  durch  die  Verba  istukao  und  is- 
tlacio,  man  sollte  anschaulicher  übersetzen,  etwa  durch  'niederschlagen'  und 
'niedertreten',  statt  der  etwas  zu  allgemein  lautenden  Ausdrücke  »ver- 
wischen«, »vernichten».  Der  §97  bleibt  auch  jetzt  mir  unverständlich.  In 
§  102  finde  ich  den  eingeklammerten  Zusatz  »in  ein  anderes  Gebiet«  eigent- 
lich überflüssig,  ich  würde  nur  zwischen  'weiter'  und  'in  der  Richtung'  nicht 
'und',  sondern  'oder'  setzen  ;dale  . . .  ili  onuj  e).  In  §  104  im  zweiten  Absätze 
dürfte  voda  rvenica  ganz  einfach  ein  Brunnenwasser  bedeuten,  es  heißt 


Bolte-Polivka,  Anmerkgn.  zu  Grimms  Märchen,  angez.  v.  Jagic.      269 

ja  in  Psalm  68,  10  der  Brunnen  (tö  (pQtKQ]  bei  Bercic  rvenik.  In  §  107^  im 
ersten  Absatz  wäre  ich  geneigt  in  razam  nichts  anderes  als  die  bekannte 
Präposition  razve,  razme ,  razmi  zu  suchen,  nur  stört  das  nächstfolgende 
Wort  vola,  welches  dann  im  Genitiv  vole  lauten  sollte,  dann  würde  razam 
voje  bedeuten  »außer  dem  freien  Willen«;  ich  gestehe,  die  Stelle  nicht  zu 
verstehen.  In  §  109,  erster  Absatz,  ist  der  Ausdruck  cira  sepostuju  etwas 
unklar,  doch  mit  Hinweis  auf  das  parallele  Wort  pocten  (entlohnt)  gut  erklärt 
von  Prof.  Matic;  es  ist  nur  auffallend,  daß  hier  das  Wort  mit  s  geschrieben  ist, 
während  sonst  die  ältere  Schreibart  mit  c  beobachtet  wird.  Ein  cim  sepos- 
tuju  wäre  auch  für  iictkiijtc>vk5tk  et  möglich,  doch  die  Bedeutung  dieses  Ver- 
bums will  zu  dieser  Stelle  nicht  stimmen.  Auch  der  letze  Absatz,  der  von 
posoba  spricht,  bleibt  mit  unklar.  Prof.  Matic  erklärt  für  den  ganzen  Zusatz 
onako  da  i  posobu  vazmu  als  Subjekt  das  Wort  gospoda,  das  erst 
hinten  folgt;  es  wäre  aber  nicht  unmöglich  die  zitierten  Worte  demselben 
Subjekte  zuzusprechen,  das  in  postuju  vorliegt,  d.h.  die  Gemeinde,  und  für 
die  Herren  (gospoda)  würde  nur  die  übliche  gospodska  globa  bleiben 
(vergl.  §  92a).  Doch  auch  da  verstehe  ich  nicht,  was  hier  posobu  vazmu 
bedeutet.  Ist  damit  eine  Interventionsgebühr,  d.  h.  eine  Entlohnung  für  die 
Mithelfer  bei  der  Ertappung  des  Diebes  gemeint?  Die  hier  gegebene  Über- 
setzung »je  nach  dem  von  ihm  angerichteten  Schaden  sollen  die  Herren  auch 
Intervention  in  Anspruch  nehmen«  befriedigt  mich  nicht.  Prof.  M.  K.  (Marko 
Kostrencic)  übersetzt  so:  "je  nach  dem  von  ihm  angerichteten  Schaden  sollen 
sie  (sc.  das  Dorf  »die  Einwohner  des  Dorfes)  Ersatz  nehmen«,  doch  posoba 
bedeutet  nicht  Ersatz. 

Ich  wollte  mit  diesen  kleinen  Zusätzen  zu  der  vortrefflichen  Leistung 
Prof.  Matic'  mein  Interesse  für  dieses  schöne  Denkmal  an  den  Tag  legen,  das 
in  der  Tat  bisher  noch  sehr  wenig  studiert  worden  ist.  Mag  es  auch  nach 
seiner  Abfassung  zu  späteren  Eechtsdenkmälern  zählen,  in  rechtsgeschicht- 
licher Beziehung  hat  es  viel  altertümliches  erhalten,  wie  z.  B.  die  Institution 
der  vrazda,  der  Eideshelfer  u.  a.,  und  daneben  ganz  neue  venezianische  Be- 
stimmungen. Diese  Mischung  der  altslavischen  oder  frühmittelalterlichen 
Rechtsauffassung  mit  späteren,  aus  der  venezianischen  Herrschaft  inDalmatien 
geflossenen  Bestimmixngen  verleiht  eben  dem  Statut  von  Poljica  einen  eigen- 
tümlichen Charakter  und  Reiz. 

Zum  Schluß  will  ich  als  eine  wertvolle  Bereicherung  dieser  Publikation 
den  von  Prof.  M.  Resetar  geschriebenen  Anhang  über  den  Wert  der  im  Statute 
erwähnten  Münzen  hervorheben.  V.  J. 


Anmerkungen  zu  den  Kinder- und  Hausmärchen  der 

Brüder  Grimm.    Neu  bearbeitet  von  Johannes  Bolte  und 

Georg  Polivka.    Erster  Band,   Nr.  1—60.    Leipzig  1913. 

80.  VIII.  556  (Preis  12  Mk.) 

Die  Kinder-  und  Hausmärchen  der  Brüder  Grimm  sind  ein  weltbekanntes 
Buch.   Jede  deutsche  Familie  besitzt  sie  und  weit  über  die  Grenzen  des  deut- 


270  Kritischer  Anzeiger. 

sehen  Sprachgebietes  sind  sie  verbreitet  und  beliebt.  Die  Brüder  Grimm  sorgten 
gleich  anfangs  dafür  ihrer  Leistung  nebst  dem  angenehmen  Lesestoffe  für  Kin- 
der und  Erwachsene  noch  eine  tiefere  Bedeutung  aufzuprägen  durch  Nach- 
weise von  Quellen  und  Parallelen  zu  den  einzelnen  Märchen.  So  entstanden 
die  Anmerkungen,  ursprünglich  als  Anhänge  zu  den  beiden  Bändchen  der 
Märchentexte  in  den  ersten  Ausgaben  vom  J.  1812  u.  1815,  dann  in  der  zweiten 
(1822)  und  dritten  (1856)  Auflage  als  abgesondertes  Bändchen.  In  der  dritten 
Ausgabe  vom  J.  1856  umfaßte  dieses  Bändchen,  als  drittes  zu  den  zwei  anderen 
die  die  Märchentexte  enthalten,  die  Anmerkungen  zu  allen  200  Nummern  auf 
270  Sedezseiten,  nebst  Zeugnissen  auf  S.  271—282  über  die  Geltung  der  Mär- 
chen zu  verschiedenen  Zeiten  und  die  Literatur  (d.  h.  die  ältere  Bibliographie) 
auf  S.  285 — 414.  Diese  ist  chronologisch-geographisch  geordnet,  mit  Strapa- 
rola,  Pentamerone,  Gesta  Romanorum,  Carl  Perrault,  Gräfin  Aulnoy  beginnend, 
und  über  Spanien,  England,  Dänemark-Schweden,  Deutschland,  Slawen,  Un- 
garn, Griechenland,  Orient  sich  ausbreitend  (S.  285 — 351).  Seit  dem  J.  1822 
kamen  Nachträge  hinzu,  auf  S.  352 — 360,  die  W.  Grimm  so  abschließt:  »Wie 
einsam  stand  unsere  Sammlung,  als  sie  zuerst  hervortrat  und  welche  reiche 
Saat  ist  seitdem  aufgegangen.  Man  lächelte  damals  nachsichtig  über  die  Be- 
hauptung, daß  hier  Gedanken  und  Anschauungen  erhalten  seien,  deren  An- 
fänge in  die  Dunkelheit  des  Altertums  zurückgingen;  jetzt  findet  sie  kaum 
noch  Widerspruch.  Man  sucht  nach  diesen  Märchen  mit  Anerkennung  ihres 
wissenschaftlichen  Wertes  und  mit  Scheu  an  ihrem  Inhalt  zu  ändern,  während 
man  sie  früher  für  nichts  als  gehaltlose  Spiele  der  Phantasie  hielt,  die  sich 
jede  Behandlung  müßten  gefallen  lassen.«  Es  folgen  noch  allgemeine  Betrach- 
tungen in  dieser  Richtung  und  Wertschätzung  avif  S.  360 — 414.  So  sah  aus  der 
Inhalt  des  Bändchens  aus  dem  Jahre  1856.  Und  nun,  nach  fast  sechzig  Jahren, 
erscheint  eine  ganz  neue  Bearbeitung  jener  Anmerkungen,  die  zwei  in  der 
Märchenkunde  wohl  bekannte  Forscher  zu  Verfassern  bat:  den  Berliner  Gymna- 
sialprofessor Johannes  Bolte  und  den  Prager  Universitätsprofessor  Georg  Po- 
Ifvka.  Dieses  Zusammenwirken  zweier  gleichen  Zielen  zustrebender  gelehrter 
Kräfte  ist  eine  erfreuliche  Erscheinung,  die  ganz  im  Sinne  der  ersten  Ver- 
fasser dieser  Anmerkungen  zu  stände  kam,  da  es  allgemein  bekannt  ist,  daß 
die  beiden  Brüder  Grimm  und  namentlich  Jakob  Grimm  die  mannigfachen  Er- 
scheinungen des  slavischen  Volkslebens  mit  besonderer  Vorliebe  in  den  Kreis 
ihrer  wissenschaftlichen  Forschungen  zogen.  Man  wird  vielleicht  sagen,  ja 
das  seien  die  Zeiten  der  Romantik  gewesen.  Gut,  doch  gewiß  gereichten  diese 
Tatsachen  dem  Ansehen  des  deutschen  Geisteslebens  nicht  zum  Nachteil  und 
sie  wurden  von  ihren  östlichen  Nachbarn  mit  aufrichtigem  Dank  quittiert. 

Welche  Bereicherung  jene  Anmerkungen  zu  Grimms  Märchen  durch  diese 
Neubearbeitung  erfuhren,  zeigt  schon  der  bedeutende  Unterschied  in  dem 
äußeren  Umfange  des  Werkes:  jetzt  umfassen  schon  die  Anmerkungen  zu  den 
ersten  60  Märchen  volle  556  Oktavseiten,  während  nach  der  letzlen  von  den 
Brüdern  Grimm  herrührenden  Bearbeitung  für  alle  Märchen  zusammen  270 
Sedezseiten  ausreichten.  Man  darf  nach  diesem  Verhältnis  die  Berechnung 
aufstellen,  daß  das  ganze  Werk  in  dieser  Neubearbeitung  mehrere  Bände  um- 
fassen wird.    Schon  in  diesem  Anwachsen  des  äußeren  Umfangs  spiegelt  sich 


Bolte-Polivka,  Anmerkgn.  zu  Grimms  Märchen,  angez.  v.  Jagic.      271 

der  mächtige  Aufschwang,  den  die  vergleichende  Märchenkunde  im  Laufe  des 
letzten  halben  Jahrhundertes  genommen,  deutlich  ab.  Noch  mehr  spricht  da- 
für die  innere  Behandlung  des  Stoffes.  Kaum  wo  ist  der  äußere  Umfang  des 
Stoffes  so  angewachsen,  wie  in  den  slavischen  Literaturen,  während  hier  hinter 
der  Sammeltätigkeit  die,  vergleichende  Erforschung  stark  zurückbleibt.  In  letz- 
terer Beziehung  steht  gerade  Prof.  Polivka  unter  allen  slavischen  Zeitgenossen 
obenan,  man  kann  ihn  füglich  einem  Reinhold  Kühler,  dessen  Andenken  dieser 
erste  Band  der  Anmerkungen  gewidmet  ist,  an  die  Seite  stellen.  Schon  durch 
diese  Erweiterung  nach  der  slavischen  Seite  gewinnt  die  Neubearbeitung  der 
Anmerkungen  zu  den  Märchen  der  Brüder  Grimm  für  die  slavische  Folkloristik 
die  größte  Bedeutung,  mag  auch  der  slavische  Stoff  einer  fremden  Vorlage 
angepaßt  sein,  d.  h.  die  deutschen  Märchen  bilden  den  Ausgangspunkt  der 
Vergleicliungen  und  Parallelen.  Daß  übrigens  selbst  bei  fremdem  Ausgangs- 
punkt die  Beziehungen  der  slavischen  Märchen  recht  lebhaft  sind,  zeigt  die 
Tatsache,  daß  Prof.  Polivka  nur  bei  ganz  wenigen  deutschen  Märchen  außer 
Stande  war  slavische  Parallelen  anzugeben.  Das  sind  Nr.  8 :  Die  Hand  mit 
dem  Messer,  Nr.  23:  Mäuschen,  Vögelchen  und  Bratwurst,  Nr.  27a:  Der  Tod 
und  der  Gänshirt,  Nr.  30 :  Läuschen  und  Flöhchen,  Nr.  38 :  Die  Frau  Füchsin, 
Nr.  41 :  Herr  Korbes,  Nr.  51 :  Der  Fundevogel.  Auf  je  eine  Parallele  beschränkt 
sich  die  Vergleichung  bei  Nr.  18:  Strohhalm,  Kohle  und  Bohne,  Nr.  26:  Eot- 
käppchen,  Nr.  42 :  Der  Herr  Gevatter,  Nr.  43 :  Frau  Trude,  Nr.  49 :  Die  sechs 
Schwäne.  Dieser  gänzliche  oder  nahezu  gänzliche  Mangel  an  slavischen  Pa- 
rallelen bei  einigen  deutschen  Märchen  kann  allerdings  auch  nur  von  einem 
Zufall  abhängig  sein.  Niemand  wird  behaupten  wollen,  daß  der  außerordent- 
lich reiche  slavische  Märchenschatz  bereits  vollständig  gehoben  sei;  auch  Prof. 
Polivka  kann  ungeachtet  seines  weit  reichenden  Überblicks  über  die  ein- 
schlägige Literatur,  dennoch  das  eine  oder  andere  übersehen  haben.  Und  doch 
wäre  es  vielleicht  schon  jetzt  nicht  unmöglich  aus  der  bald  größeren  bald  ge- 
ringeren Anzahl  der  Parallelen-  die  die  slavische  Märchenliteratur  bietet,  be- 
stimmte Schlüsse  über  die  Bodenständigkeit  einzelner  Märchen  zu  ziehen. 
Selbstverständlich  liegt  auch  außerhalb  des  Märcheuvorrates,  dessen  Heran- 
ziehung hier  durch  die  deutschen  Vorlagen  bedingt  wurde,  in  der  slavischen 
Märchenliteratur  noch  vieles  vor,  das  hier  zur  Sprache  zu  bringen  nicht  mög- 
lich war.  Wir  dürfen  von  Prof.  Polivka  bei  einer  anderen  Gelegenheit  eine 
ähnliche  Bearbeitung  des  slavischen  Märchenschatzes  mit  Zugrundelegung 
des  slavischen  Ausgangspunktes  erwarten,  was  bei  dem  dritten  Teil  der  sla- 
vischen Enzyklopädie,  die  der  Ethnographie  im  weitesten  Sinne  des  Wortes 
gewidmet  sein  wird,  der  Fall  werden  dürfte.  Daß  für  eine  solche  Aufgabe  in 
den  vorliegenden  Anmerkungen  ein  beträchtliches  Stück  Vorarbeit  bereits 
geleistet  worden  ist,  wer  könnte  das  in  Abrede  stellen. 

Sehen  wir  uns  die  Anmerkungen  etwas  näher  an.  Prof.  J.  Bolte  sagt  in 
dem  Vorworte  zur  neuen  Bearbeitung  folgendes:  >Da  sie  (d.  h.  die  Anmer- 
kungen) sich  von  Anfang  an  durch  ihre  Reichhaltigkeit  und  Zuverlässigkeit 
als  ein  höchst  wertvolles  Hilfsmittel  der  Märchenforschung  und  der  verglei- 
chenden Stofifgeschichte  erwiesen  haben,  ward  öfters  das  Verlangen  nach 
einer  Neubearbeitung  des  Werkes  laut  und  schon  vor  vierzehn  Jahren  über- 


272  Kritischer  Anzeiger. 

gab  mir  Professor  Hermann  Grimm  zu  diesem  Zwecke  die  Handexemplare 
seines  Vaters  und  seines  Oheims  .  .  .  Sobald  es  aber  an  die  Einreihung  der 
gewaltigen  Menge  neuer  Märchenaufzeichnungen  aus  allen  Ländern  der  be- 
wohnten Erde  ging,  zeigte  es  sich,  daß  der  Bearbeiter  in  der  Anordnung  so 
wie  in  der  Bewertung  der  einzelnen  Märchenmotive  öfters  eigene  Wege  einzu- 
schlagen hatte,  wenn  er  auch,  wo  es  nur  irgend  anging,  den  Wortlaut  der 
dritten  Auflage  beizubehalten  suchte.«  Aus  diesen  Worten  ist  nicht  klar  zu 
entnehmen,  was  etwa  der  Bearbeiter  in  den  Handexemplaren  der  beiden  Brü- 
der vorfand;  doch  der  größte  Teil  dürfte  ohne  Zweifel  von  ihm  und  seinem 
Mitarbeiter  herrühren.  Das  zeigt  schon  eine  flüchtige  Vergleichung  des  in  der 
Ausgabe  vom  Jahre  1856  gesammelten  Stotfes,  mit  der  reichen,  ja  fast  er- 
drückenden Fülle  des  hier  gebotenen  Materials.  Man  könnte  fast  sagen,  daß 
der  im  Nachlaß  der  beiden  Brüder  gebliebene  Stoff  meistens  nur  den  Kopf 
der  Anmerkung  zu  jedem  einzelnen  Märchen  bildet,  während  sich  der  ganze 
übrige  Inhalt  frei  ausdehnt  mit  nur  geringfügigen,  dünnen  Adern,  aus  dem 
Reste  ihrer  Angaben  eingeschaltet.  Bei  jedem  Märchen  steht  an  der  Spitze 
genaue,  zum  Teil  präziser  als  in  den  Grimmschen  Ausgaben  lautende  Angabe, 
wie,  wann  und  woher  es  in  die  Sammlung  der  Brüder  Grimm  kam.  Dann  folgt 
die  Aufzählung  zunächst  aller  deutschen  Varianten,  die  zwar  an  das  früher 
Gebotene  anknüpfen,  doch  bei  weitem  mehr  bieten,  d.  h.  alle  später  er- 
schienenen Varianten  mit  in  Betracht  ziehen.  Selbst  die  Zahl  der  Märchen  ist 
dadurch  vermehrt,  daß  neben  Nr.  6,  8,  22,  27,  33,  54  aus  der  Ausgabe  vom  J. 
IS  12  wieder  aufgenommen  wurden  Nr.  6a-:  Von  der  Nachtigall  und  der  Blind- 
schleiche ,  Nr.  S^  :  Die  Hand  mit  dem  Messer,  Nr.  22^:  Wie  Kinder  Schlachtens 
miteinander  gespielt  haben ,  Nr.  27^ :  Der  Tod  und  der  Gänsehirt,  Nr.  33^ :  Der 
gestiefelte  Kater,  Nr.  54a :  Hans  Dumm.  Die  Reclamsche  Ausgabe,  die  auf  dem 
Titelblatt  die  Bezeichnung  »Vollständige  Ausgabe«  führt,  hat  diese  Märchen 
unberücksichtigt  gelaasen.  Natürlich  auch  in  den  Anmerkungen  der  Brüder 
Grimm  im  J.  1856  wurden  sie  außer  Betracht  gelassen.  Nach  der  Aufzählung 
der  deutschen  Varianten,  die  selbst  dort  wo  sie  schon  bei  Grimm  erwähnt 
wurden,  hier  vielfach  genauer  und  eingehender  besprochen  werden,  folgen  zu- 
meist an  erster  Stelle  die  Parallelen  aus  den  übrigen  Ländern  germanischer 
Rasse  (z.B.  Vlämisch,  Niederländisch,  Dänisch,  Norwegisch,  Schwedisch, 
Isländisch,  Englisch),  dann  in  zweiter  Reihe  die  keltischen,  romanischen, 
griechischen,  albanesischen,  romanischen  Parallelen.  An  dieser  Stelle  greift 
gewöhnlich  Prof.  Polivka  mit  seinen  sehr  reichhaltigen  slavischen  Zitaten  ein, 
wobei  auch  er  nach  Maßgabe  des  vorhandenen  Materials  eine  bestimmte  geogra- 
phische Reihenfolge  beobachtet;  er  pflegt  zu  beginnen  mit  den  südslavischen 
Zitaten  (slovenisch,  serbokroatisch,  bulgarisch),  geht  dann  zu  den  Nordwest- 
slaven über  (»Wendisch«,  Slovinzisch,  Kaschubisch,  Polnisch,  Öechisch,  Slova- 
kisch)  und  beschließt  mit  den  Groß-,  Klein-  und  Weißrussen.  An  die  Slaven 
reihen  sich  dann  an  die  Ungarn,  Litauer,  Letten,  Ehsten,  Finnen  und  andere 
orientalische  Volkstämme  Rußlands,  des  Kaukasus  und  weiter  Asiens.  Auch 
hier  spielte  Prof.  Polivka,  soweit  es  sich  um  die  Publikationen  in  russischer 
oder  polnischer  Sprache  handelt,  die  Rolle  eines  sach-  und  sprachkundigen 
Vermittlers. 


Miller-Speranskij,  Kirejevskij's  russ.  Volkslieder,  angez.  v.  Jagic.    273 

Man  könnte  nicht  verlangen,  daß  in  den  zitierten  Parallelen  alle  Ab- 
weichungen von  den  deutschenGrundmärchen  einzeln  durchgenommen  werden, 
das  würde  ja  den  Umfang  des  Werkes  ins  grenzenlose  erweitern.  Die  beiden 
Bearbeiter  mußten  sich,  mit  Ausnahme  des  deutschen  Variantenmaterials,  auf 
kurze  bibliographische  Notizen  beschränken,  dennoch  wird  zur  Andeutung 
gewisser  Verschiebungen  in  einzelnen  Zügen  hie  und  da  ein  bezeichnendes 
Schlagwort  angewendet.  Auf  die  Frage,  in  welchem  Märchenmotive  das  ur- 
sprüngliche zu  finden  sei,  wird  meistens  nicht  näher  eingegangen.  Ein  gründ- 
licher Märchenkenner  wird,  wo  ihm  verschiedene  Varianten  vorliegen,  selten 
in  Verlegenheit  sein  zu  sagen,  welche  Einschaltungen,  Erweiterungen  oder 
Verschiebungen  nachträglich  in  das  eine  oder  andere  Märchen  hineingetragen 
worden  sind.  Das  spricht  zugleich  dafür,  daß  es  nicht  immer  leicht  ist  aus 
einem  Märchen  einen  knappen,  und  doch  alles  Wesentliche  wiedergebenden 
Auszug  zu  machen.  Ich  habe  vor  mehr  als  dreißig  Jahren  durch  den  brief- 
lichen Verkehr  mit  R.  Köhler  die  Richtigkeit  dieser  Behauptung  erprobt. 
Die  Namen  der  beiden  Mitarbeiter  an  diesem  großen  Werke  gewähren  volle 
Bürgschaft  dafür,  daß  ihre  Auszüge  immer  das  Wesentliche  hervorkehren. 

So  möge  denn  diese  reiche  Fundgrube  der  Märchenforschuug  der  vollen 
Aufmerksamkeit  aller  Folkloristen,  zumal  auch  im  Bereiche  der  slavischen 
Literaturen,  aufs  eindringlichste  empfohlen  werden.  V.  J. 


IlicHH  coöpaniii  II.  B.  luip'i&eBCKaro.  HoBaÄ  cepia.  IIsAanti  06me- 
CTBOM'B  JlHDÖiiTejieiiPocciHCKonCjroBecHocTH  npii  ÜMnep.  Mockobcko3ji> 
yHHBepcHxeTi.  noAt  pe^aKi^ieil  ä-  '^^-  06.  aKaÄCMHKa  B.  0.  MiLoepa 
H  npo*.  M.  H.  CnepaiicKaro.  BtinycK'B  I.  MocKBa  1911.  8^,  10. 
LXXIII.  356.  (Volkslieder  aus  der  Sammlung  P.  V.  Kirejevskij. 
Neue  Serie,  Heft  I.) 

Die  beiden  Brüder  Kirejevskij,  Ivan  und  Peter,  bilden  unter  den  groß- 
russischen Adelsgeschlechtern  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  eine 
äußerst  sympathische  Erscheinung.  Zwei  reich  begabte  Naturen,  voll  des 
edlen  Strebens  nach  einer  höheren  philosophisch-historischen  Bildung,  die  sie 
zu  einem  Aufenthalt  ins  Ausland  führte;  beide  unter  einem  gewissen  Einflüsse 
der  Philosophie  Schellings  stehend  als  Vertreter  ihrer  eigenen  originell  aufge- 
faßten philosophisch-nationalen  Romantik.  Bei  Ivan  kulminierte  diese  in  der 
philosophischen  Begründung  der  slavophilen  Richtung,  bei  Peter  in  einer 
praktischen  Betätigung,  in  der  Sammlung  der  Volkslieder,  um  auf  diese  Weise 
der  russischen  Volksseele  und  ihren  Stimmungsäußerungen  näher  zu  treten. 
Doch  über  dem  Sammeleifer  P.  Kirejevskijs  waltete  ein  eigener  Unstern.  Trotz- 
dem seine  Sammlungen  der  russischen  Volkslieder  einen  großen  Umfang  von 
vielen  Tausenden  erreicht  hatten,  erschien  während  seiner  Lebzeiten  sehr 
wenig  davon  im  Drucke.  Das  wichtigste  waren  eigentlich  die  53  Nummern  der 
christlichen  Legenden  die  er  unter  dem  Titel  »PyccKiH  napoÄHBiH  nicHu  coöpan- 
HtiH  neTpoMt  KupieBCKHMT..  ''lacTB  I-aH :  PyccKie  uapoÄHBie  cxuxu«  in  den  Mos- 
kauer ^IreHia  1848  Nr.  9  herausgab  (S.  1—226).    Das  war  jedoch  nur  ein  unbe- 

Arcliiv  für  alavisclie  Philologie.    XiXV.  18 


274  Kritischer  Anzeiger. 

deutender  Teil  der  Ganzen,  man  sprach  sogar  von  800  Legenden,  die  er  schoit 
bis  1832  gesammelt  haben  soll.  Wie  viel  davon  später  P.  Bezsonov  in  seiner 
Ausgabe  der  Ka.iiKu  nepexoacie  verwertet  haben  mag,  das  weiß  heute,  glaub 
ich,  niemand.  Ich  finde  nur  in  dem  XXIII.  Volum  des  Kirejevskischen  Nach- 
lasses bei  Speranskij  zerstreut  einen  Teil  des  Textes.  Speranskij  erzählt  (S. 
XLIII  der  Einleitung),  A.  V.  Markov  habe  durch  die  Vergleichung  der  Aus- 
gabe Bezsonovs  mit  den  Originalen  (welchen  ?)  konstatieren  können,  daß 
Bezsonov  bei  weitem  mehr  als  nur  einzelne  Nummern  aus  Kirejevskij  ge- 
schöpft habe.  Das  Schicksal  wollte  es,  daß  nach  dem  im  Jahre  1856  er- 
folgten Tode  Peter  Kirejevskijs  noch  ein  bedeutend  größerer  Teil  des 
von  ihm  gesammelten  Materials  demselben  P.  Bezsonov  in  die  Hände 
kam.  Als  nämlich  P.  Kirejevskij  starb,  fiel  der  handschriftliche  Nachlaß 
dem  gesetzlichen  Erben,  Stiefbruder  V.  A.  Jelagin  zu,  der  ihn  herauszu- 
geben beabsichtigte  und  dabei  zunächst  den  Hauptmitarbeiter  Kirejevskijs 
bei  der  jahrelang  fortgesetzten  Sammlung  der  Volkslieder,  P.  I.  Jakuskin  in 
Aussicht  nahm.  In  der  Tat  soll  Jakuskin  bereits  innerhalb  des  ersten  Jahres 
nach  dem  Tode  Kirejevskijs  (d.  h.  bis  Oktober  1S5T)  eine  Sammlung  der  histo- 
rischen Volkslieder  zum  Druck  vorbereitet  haben.  Warum  die  Herausgabe 
nicht  zu  Stande  kam,  weiß  man  nicht,  und  was  noch  merkwürdiger  klingt,  das 
ganze  handschriftliche  Material,  samt  dem  bereits  von  Jakuskin  zum  Druck 
verarbeiteten,  wurde  im  Jahre  18(i0  von  demselben  Jelagin  zurückgenommen 
und  der  bei  der  Universität  bestehenden  Gesellschaft  OumecTBo  .IroöuTCJieM 
PocciücKoft  CjioBecHocTii  zur  Aufbewahrung  und  eventuellen  Herausgabe  abge- 
treten, die  zu  diesem  Zwecke  nachher  aus  ihrer  Mitte  eine  Kommission  ein- 
setzte, in  welche  Jakuskin  keine  Aufnahme  fand.  Er  wurde  ganz  eliminiert, 
vielleicht  auf  Grund  irgend  welcher  persönlichen  Eanküne.  Dagegen  erhielt 
P.  Bezsonov  die  Vollmacht  das  Material  im  Namen  der  Kommission,  in  der 
Wirklichkeit  aber  nach  eigenem  Gutdünken  und  eigenen  Grundsätzen  heraus- 
zugeben. Man  muß  der  Energie  Bezsonovs  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen, 
denn  er  gab  in  der  Tat  zwischen  1860  und  1874  in  10  Heften  wie  es  scheint 
den  ganzen  Vorrat  an  epischen  und  historischen  Liedern  heraus,  bei  jedem 
Heft  ließ  er  sich  die  Bevollmächtigung  und  Zustimmung  seitens  der  Kommission 
ausstellen,  so  daß  alles  das,  was  er  an  dem  ihm  vorgelegenen  handschriftlichen 
Material  Kirejevskijs  durch  Anordnung,  Zusätze  usw.  änderte,  als  von  den 
Mitgliedern  der  Kommission  gebilligt  erschien.  Da  also  seinen  weitschwei- 
figen und  zum  Teil  recht  überflüssigen  Exkursen,  mit  denen  er  die  Ausgabe 
der  Volkslieder  belastete,  offenbar  kein  Hindernis  in  den  Weg  gelegt  wurde, 
so  muß  man  glauben,  daß  damals  die  Gelehrsamkeit  und  Kompetenz  Bezsonovs 
in  solchen  Fragen  das  große  Wort  zu  führen,  von  den  meisten  Mitgliedern  der 
Kommission  anerkannt,  wenn  nicht  gar  angestaunt  wurde.  Herschensohn,  von 
dem  in  dieser  neuen  Serie  der  Kirejevskijschen  Sammlung  der  Volkslieder 
eine  sehr  hübsch  geschriebene  Biographie  P.  Kirejevskijs  und  Charakte- 
ristik seiner  Lebensanschauungen  herrührt  (auf  Seite  I— XLII),  sagt  (auf 
Seite  XL)  wörtlich  folgendes:  wenn  Kirejevskij  aus  dem  Grabe  aufstehen 
und  sehen  könnte,  in  welcher  Weise  Bezsonov  seine  Volksliedersammlung 
herausgegeben,  so  würde  er  wahrscheinlich  bedauern,  daß  sie  nicht  alle  so 


Miller-Speranskij,  Kirejevskij's  russ.  Volkslieder,  angez.  v.  Jagiö.    275 

verloren  gingen,  wie  mau  von  einem  Teil  des  Materials  auf  Grund  des  gleich 
nach  dem  Tode  gemachten  Inventars  vermutete,  daß  er  in  Verlust  geraten. 
Darin  erblicke  ich  allerdings  eine  arge  Übertreibung,  aber  richtig  ist  es  immer- 
hin, daß  man  gleich  nach  dem  Erscheinen  des  ersten  von  Bezsonov  besorgten 
Heftes  auf  das  Ungebührliche  seines  Verfahrens  hätte  aufmerksam  machen 
sollen,  wenn  man  mit  ihm  nicht  einverstanden  war.  Wie  das  Verfahren 
Bezsonovs  gegenüber  dem  von  Kir^jevskij  herrührenden  Texte  beschaffen 
war,  das  könnte  man  jetzt  genau  angeben,  wenn  man  die  Ausgabe  der  Texte 
bei  Bezsonov  mit  den  Originalen  vergleichen  wollte,  die  jetzt  Prof.  Speranskij 
in  der  Übersicht  des  ganzen  vorhandenen  Materials  aufzählt,  wobei  er  auch 
die  Quellen  der  Bezsonovschen  Ausgabe  anführt.  So  spricht  er  unter  VIII, 
771 — lOSl  von  den  Originalen  zu  den  im  Hefte  1,  2,  3,  5  abgedruckten  Texten 
der  Ausgabe  Bezsonovs  (das  Heft  4  bei  Bezsonov  scheint  überhaupt  nichts 
vonKirejevskij  herrührendes  zu  enthalten) ;  eben  so  ist  der  Inhalt  des  Heftes  6, 
7  und  8  der  Bezson.  Ausgabe  enthalten  in  den  Kartons  XV,  XVII,  fürs  Heft  9 
in  den  Kartons  VI  und  XXII,  für  10  in  I,  IV,  VI,  XVIII.  Nach  diesen  also 
noch  erhaltenen  Vorlagen  (dazu  vergl.  noch  die  auf  S.  LXXII  erwähnten  acht 
Hefte  in  denen  ebenfalls  Originale  enthalten  sind  zu  den  in  Heft  1 — 8  heraus- 
gegebenen Texten)  würde  man  am  besten  beurteilen  können,  ob  Bezsonov 
dem  bei  der  Herausgabe  des  ersten  Heftes  gegebenen  Versprechen  treu  ge- 
blieben, wo  er  versprach  die  Texte  Kirejevskijs  unverändert  zum  Abdruck  zu 
bringen.  Doch  nicht  genug  an  den  10  Heften  der  episch-historischen  Lieder. 
Das  reiche  Material  Kirejevskijs  lieferte  demselben  Bezsonov  noch  viel  Stoff 
für  die  von  ihm  im  Jahre  1871  herausgegebene  Sammlung  der  weißrussischen 
Volkslieder:  > BijiopyccKifl  nicuu  .  .  ,  usÄa.!-!,  neipi.  BescoHOB^«  (M.  1871).  Er 
gesteht  es  ja  selbst  auf  S.  X— XI  seiner  »Erläuterung«,  daß  bei  Kirejevskij 
ein  ■  weißrussisches  Archiv  an  Material«  vorhanden  war  und  da  sich  zur  Aus- 
beute dieses  Materials  niemand  so  aufopferungs willig  fand,  wie  er  (Bezsonov) 
selbst,  so  habe  Kirejevskij  gern  ihm  dieses  Material  abgetreten,  wobei  er  ihm 
auch  mit  seinen  Erfahrungen  an  die  Hand  ging,  was  nach  eigenem  Geständnis 
Bezsonovs  ungefähr  ein  halbes  Jahr  in  Anspruch  nahm.  Das  weißrussische 
Material  fand  sich  in  dem  von  Speranskij  durchgesehenen  Nachlaß  nicht 
mehr  vor,  offenbar  wurde  es  von  Bezsonov  nicht  zurückgestellt  oder  gar 
vernichtet. 

Nach  dieser  nicht  ganz  einwandfreien  Ausbeute  des  von  Kirejevskij  ge- 
sammelten Materials  blieb  noch  immer  vieles  übrig,  was  weder  er  selbst  noch 
Bezsonov  unter  seinem  Namen  herausgegeben.  Jetzt  erst  erscheint,  etwa 
achtzig  Jahre  nach  Beginn  der  ersten  Sammeltätigkeit,  eine  neue  Serie  der 
Kirejevskischen  Volkelieder,  abermals  auf  Kosten  derselben  Gesellschaft,  unter 
Teilnahme  mehrerer  Moskauer  Gelehrten,  deren  zwei,  der  Akademiker  Vsev. 
Miller  und  Prof.  M.  N.  Speranskij,  als  für  die  Redaktion  verantwortlich  anzu- 
sehen sind.  Von  beiden  liegen  auch,  abgesehen  vom  Texte  der  Volkslieder, 
auch  noch  Einleitungen  vor  (von  Vs.  Miller  auf  S.  1 — 10,  von  M.  Speranskij 
auf  S.  XLIII— LXXIII).  In  der  Mitte  eingeschoben  findet  man  noch  den  schon 
erwähnten  äußerst  erwünschten  Beitrag  von  M.  Herschensohn  (S.  I— XLII). 
Während  man  aus  diesen  drei  Einleitungen  über  die  Bedeutung  P.  Kirejevskijs 

18* 


276  Kritischer  Anzeiger. 

und  über  die  Schicksale  seiner  Sammlungen  sehr  wertvolle  Mitteilungen  er- 
hält, vermisse  ich  genaue  Angaben  sowohl  über  die  Beteiligung  bei  der  Arbeit 
zur  Fertigstellung  dieses  ersten  Heftes,  wie  auch  über  den  weiteren  Plan  der 
fortzusetzenden  Ausgabe.  Man  findet  auf  S.  3 — 4  wohl  einige  Grundsätze  ange- 
geben, die  bei  dem  Druck  des  Textes  befolgt  wurden,  darunter  wird  im 
Punkte  9  betreffs  der  Betonung  etwas  gesagt,  was  nach  meinem  Dafürhalten 
einer  Änderung  in  peius  gegenüber  der  Originalhandschrift  Kirejevskijs  gleich- 
kommt, wenn  man  die  auf  S.  LVII  erwähnte  Art  und  Weise  der  Zubereitung 
des  Textes  zum  Drucke  seitens  Kirejevskijs  selbst  in  Betracht  zieht.  Auch  der 
Umfang  des  in  dieses  erste  Heft  aufgenommenen  Textes  gegenüber  dem  auf 
S.  LXII— LXXII  aufgezählten  Inventar  des  ganzen  handschriftlich  erhaltenen 
Materials  tritt  nicht  deutlich  genug  hervor;  von  dem  Inhalt  des  nächsten  Heftes 
oder  der  weiteren  Hefte  erfahren  wir  schon  gar  nichts.  Ich  lese  nur  (auf  Seite 
LXII),  ,daß  nach  den  Worten  Speranskijs  außer  dem  in  diesem  ersten  Hefte 
herausgegebenen  Material,  hauptsächlich  Hochzeitsliedern,  eine  große  Anzahl 
von  lyrischen  Liedern  noch  an  die  Reihe  kommen  soll.  Welcher  Teil  des 
ganzen  Materials  liegt  nun  in  diesem  ersten  Hefte  vor?  Augenscheinlich  sind 
hier  vor  allem  die  zwei  »grünen  Bändchen«  (Aßi  3e.ieHi,iH  lerpaÄii),  von  denen 
auf  S.  LXII  die  Rede  ist,  unter  Berücksichtigung  des  Inhaltes  der  vier  Kar- 
tons, die  unter  Nr.  I  genannt  sind,  für  die  Ausgabe  verwertet  worden.  Doch 
bei  näherer  Prüfung  der  Angaben,  die  zu  den  Texten  hinzugefügt  sind,  ergibt 
sich  auch  die  Heranziehung  anderer  Quellen.  So  z.  B.  gleich  die  ersten  8  Lieder 
scheinen  aus  dem  IV.  Karton  Bl.  198 — 215  entlehnt  zu  sein,  die  Nr.  9—32  aus 
dem  Karton  V,B1. 300— 382,  aus  Karton  H,  B1.61— 62  und  vielleicht  Karton  VI, 
Bl.  521 — 554,  usw.  Warum  das  nicht  genauer  angegeben  ist,  verstehe  ich  nicht. 
Man  bleibt  oft  im  Unklaren.  Z.B.  betreffs  Nr.  51—56  heißt  es  nur:  von  einem 
Unbekannten,  nichts  weiter.  Sind  darunter  die  Lieder  aus  Karton  XII,  Bl.  124S 
bis  1250  oder  welche  sonst  gemeint?  Oder  Nr.  67 — 93  werden  nur  als  von 
einem  Sammler  herrührend  bezeichnet.  Sind  das  die  Lieder  im  Karton  II,  Bl. 
63—71  und  XIV,  Bl.  1525—1538?  Nr.  94—108  sind  wohl  aus  Karton  XX,  Bl. 
2267—2279,  usw.  Betreffs  Nr.  124—169,  die  aus  dem  verloren  gegangenen 
Puskinschen  Heft  herrühren,  wird  auf  S.  XLVI— XLVII  referiert,  ohne  auf 
die  betreffenden  Nummern  der  Ausgabe  selbst  zu  verweisen,  so  fehlt  der  wegen 
besserer  Orientierung  wünschenswerte  Zusammenhang.  Solche  Unebenmäßig- 
keiten  kommen  auch  sonst  vor,  ich  erwähne  sie  nicht  aus  Nörgelei,  sondern 
um  bei  der  Fortsetzung  der  Ausgabe  auf  die  Vermeidung  solcher  Lücken  auf- 
merksam zu  machen. 

Mit  Recht  wird  sowohl  von  Vsev.  Miller  wie  vonM.  Speranskij  der  große 
Wert  dieser  Lieder  hervorgehoben,  deren  Aufzeichnung  in  eine  Zeit  fällt,  da 
das  russische  Volkstum  noch  weniger  dem  zerstörenden  Einfluß  der  Zeit  aus- 
gesetzt war  als  später  und  sich  in  primitiveren  Anschauungen  und  Lebens- 
formen bewegte,  als  in  der  zweiten  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts.  Das 
später  reichlich  gesammelte,  aber  früher  herausgegebene  gleichartige  Mate- 
rial läßt  sehr  interessante  Vergleichungen  zu. 

Am  nächsten  liegt  die  Vergleichung  mit  dem  reichen  Vorrat  von  gleich- 
artigen großrussischen  Volksliedern  in  der  Sammlung  BdUKopyGcx  ex  CBouxt 


Miller-Speranskij,  Kirejevskij's  russ.  Volkslieder,  angez.  v.  Jagic.    277 

nicHHX'i,  oöpasaxt.  oötiqaHXt  u  x.  n.  Maiepia-iLi  coöpaHHWo  u  npHBeÄCHEMe  bT) 
nopHÄOKT.  IT.  B.  meiinOM-B«,  (Tom-l  I,  BBin.  1  u  2.  Cllön..  1898—1900).  Beide 
Sammlungen  sind  nahezu  nach  denselben  Gesichtspunkten  geordnet,  d.  h.  wenig- 
stens bei  den  Hochzeitsliedern  steht  obenan  das  Prinzip  der  Gruppierung  nach 
den  Gouvernements,  vom  hohen  Norden  angefangen;  nur  lagert  sich  der  Stoff 
in  umgekehrter  Reihenfolge,  d.  h.  die  Kirejevskijsche  Sammlung  beginnt  mit 
Hochzeitsliedern  und  darauf  folgen  die  an  bestimmte  Festzeiten  des  Jahres 
fallendenLieder,ferner  die  Wiegenlieder,  die  Reigen-  und  Tanzlieder,  bei  Sein 
stehen  dagegen  die  Kinder-  und  Wiegenlieder  und  Reigenlieder  an  der  Spitze, 
dann  folgen  die  rituellen  und  Hochzeitslieder.  Das  in  beiden  Angaben  bei- 
gegebene Verzeichnis  von  Anfangsversen  läßt  das  Nachschlagen  zu,  wobei 
man  sich  oft  überzeugen  kann,  daß  gewisse  Anfangsverse  typisch  sich  wieder- 
holen, ohne  den  gleichen  weiteren  Verlauf  des  Inhaltes  zu  bedingen.  Und  auch 
umgekehrt  der  sonst  gleiche  Inhalt  variiert  gerade  in  den  einleitenden  Versen. 
Zuweilen  trifft  dennoch  beides  zu.  Z.  B.  bei  Kir.  Nr.  17  (aus  Mezen)  und  bei 
Sein  Nr.  1552  (aus  Gonv.  Vologda)  liest  man  folgendes  Liedchen: 


K. 

He  nasyniKa  no  «EopuKy  xo;iH.ia, 
He  naBUHoe  nepBuuo  poHUJia: 
AHHa-  To  no  ropHiiui  xoÄUJia, 
HeipoBHa  no  csiTjoH  ryjfl.!ia. 
AHHa  Ko  niKa-ty  no^xcauja, 
HcTpoBHa  3äMKy  roBopu.ia : 
Mofi  HiMeiiKiü  3aM0KX,  otomkhuoi, 
KunapiiCHMH  SBepii,  oxonpiixecB ! 
PoÄHa  MaiyniKa  Moa,  npoöyÄHca, 
Tbl  cysaptiHS  moh,  npocHHca ! 
Mui  HC  BiKX  ace  y  Bact  BiKOBaxii, 
MhI  He  roÄi>  Hce  y  Bact  roaoBaxu : 
Oany  HoieHtKy  HOicBaTu! 
He  3Haü :  cxoa  MHi  ee  npocxoaxu, 
He  3uaii  :  CHJKa  mh^  ee  npocHaiTH, 
He  3Hafi;  Jicaca  Mui  ee  npo.jeHvaxii, 
He  3Haü:  Bory  MHi  cxaiL  noMO.iuxi.ca, 
He  3HaH :  ci.  MaxyuiKoä  «yiiy  Äyiaaxu, 
Gl  noÄpyacKaMU  piiu  roBopmu? 
Vact  a  KaKT.  ace  öyay  OTCiaBaxu 

Olt  poailMOÜ  CBOeii  CIOpOHKII, 

yjKX  KaKt  ;Ke  6yÄy  a  npiicxasam 
Kt  lyjKoft,  Aa.ii.Heu  ko  cxopoHKi? 
YacT.  KaKT.  ace  öysy  BSBC-m^axH 
R  pojuxejeii  cbohxt.  öoroaaHHtixi.? 
Mui  cBeKpa-io  KaKrt  öyaexi.  sBaxu, 
KaKX  CBeKpoByniKy  nasHBaiu? 


s. 

^Ixo  He  naBa  no  cine^KaM'B  xojiHJia, 
He  naBjHHoe  nepte  poHa.3a, 
HoJUKceHa  no  cinaMi.  xoaiija, 
BHKxopoBHa  no  cinaMi.  ry.ia^a. 
Ona  THxyH)  piuB  roBopu^ia: 
Oionpuca,  saMOKi.  oxonpaca, 
KnnapiiCHaa  ÄBepB,  oxEopuca! 
OxEopiicB,  xen.iaa  cna.!itHa,  oiBopHca, 
Pa3MaxHiici, ,   uiuxT.  -  ÖpaHT.    nojoatOK'B, 

pasMaxHHca ! 
HpoöyaHca,  po^nofi  öaxioniKa,  npoöyÄiica, 
Tti  npocHUca,  po^na  MaxyuiKa,  npocHuca! 
Mni  He  toäbi  y  Baci.  roÄOBaiu, 
O^Ha  HO^Ka  y  BacB  HoqeEaxn, 
Jla,  u  la  Ha  MOJUiBi  iipocioaxu. 


Man  sieht  hier,  daß  die  spätere 
Aufzeichnung  manches  an  epischer 
Breite  eingebüßt  hat.  Die  ganze  Klage 


278 


Kritischer  Anzem-er. 


K. 

KaKT,  aeEeptuueBT.  no'iuxaTH? 
Mui  ÜBaua  6yÄeTi>  ssaTB  ÄpyroMx: 
^pyrx  cep;i;ciHLiii,  Äpyri.  cepaeiHLiä. 


über  die  besorgnisvolle  zukünftige 
Stellung  der  Frau  zu  den  neuen 
Schwiegereltern  ist  hier  ausgelassen. 


Oder  wenn  man  Nr.  20  bei  Kiröjevskij  (aus  derselben  Gegend,  in  Mezen) 
mit  einem  Liede  des  Novgorod.  Gouvernement  bei  Sein  Nr.  1712  vergleicht, 
auch  da  findet  man  größere  Breite  bei  K.,  wenn  auch  sonst  die  ganze  Erzählung 
auf  dasselbe  hinauskommt.  Ich  führe  nur  die  Schlußverse  an,  die  altertüm- 
licher in  K.  klingen,  als  in  S. : 


S. 
yacT.  KaKT.  Maptyi  cxa-ia  n^aKaxu: 
Bm  He  xaiixe  jikau  ÄOÖptie, 
He  caMa  k  kx  BaMt  saixa^a, 
oaBesjm  mchh  kohu  Äoöptie, 
^Ixo  BacH.;iBfi  AeaHacBeBHua. 


K. 

AHHyiuKa  cxa.ia  n^iaKam: 
He  acypuxe  Bti,  qyacH  jiioäii, 
E  öorOÄaHHLie  poÄureJu. 
He  caMa  a  wh  BaMi.  Ha  ÄBopt  npuui.3a. 
He  CBoeio  n  oxotok  : 
'^TO  3aBe3X  MeHfl  caMt  ugäoht»  kuksb, 
Ha  CBOHXt  Äa  na  «oöpiixt  koeüx-b, 
Ha  ÄOÖpwxT.  KOHHXt,  HaCTyniuBtixT.. 

K.  Nr.  86  aus  hohem  Norden  (Cerdyii  in  Perm)  stimmt  hübsch  überein 
mit  S.  Nr.  1763  (aus  Gouv.  Pskov);  ich  stelle  sie  nebeneinander,  bemerke  nur, 
daß  auch  hier  in  K.  die  ganze  Darstellung  prächtiger  aussieht: 


K. 

Ho  cianut.,  cinu'iKaM'E, 
Ho  iiacTbiMT)  nepexoÄHiKaMT), 
Tyxi.  u  xoÄU-ia,  ryj[a.ia 
MoJOÄafl  öoKpLiHH:, 
CBiit .  .  .  (Doppelname) 
npuxoÄU.!ia,  npiiry.!iH;ia 
Kt>  KpoBaiKi  xecoBeHtKoii, 
Ko  nepKHi  nyxoBeHBKoir, 
Ko  noÄyuiKi  KaMqaxHoii, 
Kt  oniajij  cooojBUHOMy, 
Kl.  cBoeMy  Äpyry  MH.iOMy, 
CBiix  Kx  .  .  .  (Doppelname) : 
»Yacx  TBi  CTauB  Jiu,  moü  jacKOBiiü, 
npoÖyÄHCB,  npuBixjiHBLiji: 
OxBflaaJicJi  TBOÜ  Äoöptift  kohb 
Oxx  ciojöa  OTX  ÄyöoBaro, 
Otx  KOJie^KS.  cepeöpeHaro, 
Oix  Toro  no30J[OieHaro. 
BopsaacH  ate  xBoii  öopsLiS  kohb 
BopBa.aca  bo  3e.)ieHBiÄ  caax; 


S. 
Ho  ciHiiMX  6hiJio,  no  ciHUiKaMX, 
Ho  lacTbiMX  nepexoiu^iKaMx, 
Ja  lyix  xoj;uJia,  ryjiKJia, 
Tyxx  ryjifl.ia  KpacHa  Ä^BHiia, 
Ona  xoÄio^H  noryjtuBa.ia, 
ÜBoero  ÄpyJKKa  noöyacuBaja : 

>AXX  TBI  BCXaHB-KO,  npOCHHCB  MOJOÄeiJX, 

npoöyÄHCB  Äynia,  oTeiiKiii  cbihx  ! 
OiopBa.3Cfl  xBoii  Äoöpoii  kohb 
Oix  xoBO  cxojiüa  To^enoBa, 
Oxx  KOJeiKa  cepeöpeHOBa, 
Otx  BuxoBa,  no30.ioieHOBa; 
Ohx  BopBa.;icii  Bx  sejeHoii  ca^x, 
HpiiTonTaJix  ohx  bx  caay  ipaByuiKy, 
Bce  sejicH^TO  MypaByiuKy, 
11  Kajuny  co  Ma.!iuHOio, 
\IepHy  aroÄy  CMopoauHy.« 

»Tbi  He  n.iaqB,  mo/T  ÄymcHBKa, 
Ecju  Borx  Hacx  noMu-iyeix, 
FocyÄapB  nacx  no>Ka.iyexx, 


Miller-Speranskij,  Kirejevskij's  russ.  Volkslieder,  angez.  v.  Jagic.    270 

K.  S. 

Olli.  se.ieuLiii  ca^t  noBLixonTa^n.,  HajKiiBeM'B  casti  zQÄeuhie, 

Oht.  CO  Ka;iUHoii,  co  iiaJiuHOM,  II  KajuHy  co  MaJiimoio, 

Cx  ^epuoii  uroÄoii  CMopoÄHHoio!«  ^epny  Hro^y,  CMopoAUHy. 

He  xyacu,  moh  yMHafl, 
He  neia.iBCH,  pasyMHaH  I 
EaKX  npuaei'B  secHa  KpacHaa, 
A  sa  Heil  Jiiro  len^ioe, 
'^Ito  noirayTT)  ÄoacÄU  ^acTtie, 
Orpacxeri.  ;Ke  Haiut  3e;ieHi.iu  caj;T>, 
Ohx  CO  Ka^uHoii.  co  Ma;iuHoio, 
C-h  qepuoii  flroaoii  CMopoAUHoio, 
Oh-l  CO  rpyiueä  co  sejieHoio, 
Out,  CO  HÖ^ioHiio  caAOBOH). 

Zu  dem  bei  K.  mit  verschiedenen  Varianten  versehenen  Lied  Nr.  223 
möchte  ich  noch  auf  S.  Nr.  18G0  verweisen,  oder  zu  K.  Nr.  283,  mit  verschie- 
denen in  K.  selbst  begegnenden  Parallelen,  auf  S.  Nr.  1856.  Vergleiche  auch 
K.  340  und  S.  1781.  Merkwürdig  ist  die  Parallele  K.  347  und  S.  1864:  die  erste 
Hälfte  stimmt  fast  wörtlich  überein,  doch  bei  K.  folgen  dann  noch  11  Verse, 
in  welchen  sich  das  Mädchen  mit  der  Bitte  an  den  Bruder  wendet,  er  möge  den 
Vater  und  die  Mutter  durch  Glocken  aus  dem  (ewigen)  Schlafe  wecken.  Zu 
dem  mit  epischer  Breite  ausgeführten  Liede  K.  351,  das  viele  Varianten  hat, 
vergl.  noch  S.  1832  eine  ganz  kurz  gehaltene  Parallele.  Das  Lied  K.  522  (aus 
Gouv.  Orel]  hat  seine  beinahe  identische  Parallele  in  S.  1871  (aus  Gouv.  Tula;, 
also  in  der  Nachbarschaft.  Vergl.  noch  K.  752  und  S.  1858,  oder  K.  1008  (aus 
Glazunovs  Liederbuch)  und  S.  1866.  Auch  zu  den  Festtagsliedern  gibt  es 
^enug  Parallelen,  vergl.  K.  1072  und  S.  1131,  K.  1073  und  S.  1087,  K.  1074  und 
S.  1104,  K.  1075  und  S.  1079,  K.  1076  und  S.  1111,  K.  1077  und  S.  1109,  K.  1081 
und  S.  1104,  K.  1082  und  S.  114i),  K.  1083  und  S.  1091,  K.  1086  und  S.  1105, 
K.  1089  und  S.  1092.  Noch  mache  ich  aufmerksam  auf  die  Entsprechung  K. 
1092  und  S.  1213. 

Daß  bei  vergleichendem  Studium  solche  Parallelen  ungemein  wertvoll 
sein  können,  darüber  braucht  man  kein  Wort  zu  verlieren.  Darum  möge  die 
Gesellschaft  zielbewußt  an  dem  neu  begonnenen  Werke  vorwärts  schreiten, 
der  Dank  gebührt  ihr  und  den  an  der  Arbeit  dieses  ersten  Heftes  Beteiligten 
schon  jetzt  für  dieses  schöne  erste  Heft  der  neuen  Serie. 

Als  diese  kurze  Anzeige  bereits  niedergeschrieben  war,  bekam  ich  von 
Prof.  Speranskij,  auf  dessen  Schultern  die  Hauptarbeit  des  ersten  Heftes  lag, 
einige  Erläuterungen  betreffs  meiner  oben  zur  Sprache  gebrachten  Desiderata, 
die  ich  auch  ihm  kurz  mitgeteilt  hatte.  Darnach  bestätigt  sich  meine  Vermutung, 
daß  der  wesentliche  Inhalt  des  ersten  Heftes  aus  den  zwei  »grünen  Heften«  und 
den  vier  unter  Nr.  I  auf  S.  LXII  erwähnten  Pappendeckel- Volums  besteht. 
Ferner  wird  ausdrücklich  betont,  daß  die  zwischen  die  Liedertexte  einge- 
schalteten Prosatexte  durchgehend  aus  dem  Kirejevskijschen  Material  ge- 
schöpft sind.    Auch  die  Fortsetzung  der  Publikation  sei  so  gut  wie  gesichert. 


280  Kritischer  Anzeiger. 

Für  das  nächste  Heft  habe  man  unter  seiner  Aufsicht  das  auf  S.  LXXI  unter 
Nr.  IV  erwähnte  Material  bereits  abgeschrieben,  es  werde  etwa  3500  meist 
kurze  Lieder  enthalten.  Er  werde,  wie  er  es  schon  im  vorigen  Jahre  getan, 
seine  freie  Zeit  in  den  Ferialmonaten  ganz  diesem  Gegenstande  widmen.  Wir 
können  nur  unsere  Befriedigung  darüber  äußern,  daß  auf  diese  Weise  die  Ge- 
sellschaft >.IIio6uTe.aeii  PocciftcKoii  c,!i0EecH0CTu<  endlich  von  ihrer  Schuld  be- 
freit wird,  die  sie  vor  mehr  als  fünfzig  Jahren  auf  sich  nahm,  indem  sie  sich 
moralisch  verpflichtete  das  ihr  anvertraute  Gut  herauszugeben.  V.  J. 


Hrvatske  i  srpske  narodne  poslovice,  spram  grckih  i  rimskih  poslo- 
vica  i  krilatica  Napisao  Dr.  Ivan  Kasumovic.  U  Zagrebu  1912,  8<> 
161,  196  (S.-A.  aus  Ead,  B.  189,  191).  Die  kroatischen  und  ser- 
bischen Sprichwörter  im  Verhältnis  zu  den  griechischen  und  rö- 
mischen. 
Die  Moskauer  Sammlang  mittelgriechischer  Sprichwörter  von  Carl 
Erich  Gleye.   Leipzig  1913,  8"  36  (S.-A.  aus  Philologus  LXXI). 

Ich  zitiere  diese  zwei  Schriften  ungleichen  Umfanges  —  die  eine  ist  ein 
umfangreiches  Werk,  die  andere  eine  kritische  Abhandlung  —  unter  einem, 
weil  sich  ein  gewisser  Zusammenhang  nachweisen  läßt,  mag  auch  die  vor 
kurzem  erschienene  Abhandlung  Gleyes  von  der  Existenz  des  Werkes  Kasu- 
movic' keine  Ahnung  gehabt  haben,  während  Kasumovic  die  Publikation  Krum- 
bachers, zu  welcher  die  Abhandlung  Gleyes  einen  berichtigenden  Beitrag  liefern 
will,  sehr  wohl  gekannt  und  gewissenhaft  benutzt  hat.  Die  ergänzenden  und  be- 
richtigenden Anmerkungen  Gleyes  zu  der  im  J.  1900  erschienenen  Schrift  des 
unvergeßlichen  Krumbacher  (Die  Moskauer  Sammlung  mittelgriechischer 
Sprichwörter  von  Karl  Krumbacher,  S.-A.  aus  den  Sitzungsberichten  der  K. 
bayer.  Akad.  1900,  Heft  III)  beziehen  sich  weniger  auf  den  griechischen  Text, 
den  er  nach  einer  photographischen  von  Krumbacher  besorgten  Aufnahme  des 
Moskauer  Originals,  die  sich  jetzt  in  München  befindet,  vor  sich  hatte,  mehr 
dagegen  gehen  sie  auf  den  Sinn,  auf  die  Hermeneia  einzelner  Sprichwörter 
ein,  wobei  die  von  Gleye  gelieferten  Parallelen  und  Vergleiche  sich  über  den 
Schatz  an  Sprichwörtern  und  Sprüchen  der  modernen  Literaturen,  die  rus- 
sische nicht  ausgeschlossen,  erstrecken,  also  eine  Aufgabe  verfolgen,  die 
nicht  gerade  im  Plane  Krumbachers  lag.  Darum  macht  die  kleine  Abhand- 
lung auf  den  Leser  den  Eindruck  einer  gewissen  Kälte  gegenüber  dem  unver- 
geßlichen Krumbacher,  die  ich  nicht  gutheißen  kann.  Da  der  Verfasser  dieser 
Abhandlung  der  russischen  Sprache  mächtig  ist,  so  muß  man  bedauern,  daß 
er  von  der  schönen  Studie  Kasumovic',  die  in  dem  Organ  der  Agramer  Aka- 
demie erschienen  (die  erste  Hälfte  war  schon  1911,  die  zweite  1912  gedruckt), 
keine  Kenntnis  hatte.  Sie  wäre  ja  vielleicht  für  ihn  kein  mit  sieben  Siegeln  ver- 
schlossenes Buch  gewesen.  Er  könnte  aus  dieser  Studie  noch  so  manche  Paral- 
lele verwerten  aus  dem  Bereiche  des  serbokroatischen  Sprichwörterschatzes, 
selbst  auch  nach  den  von  ihm  berücksichtigten  Zitaten  aus  Altenkirchs  Abhand- 


Gleye,  Zu  mittelgriechischen  Sprichwörtern,  angez.  v.  Jagic.        281 

lang,  die  im  30.  Bande  des  Archivs  erschienen  ist.  Ich  will  das  an  einigen  Bei- 
spielen zeigen.  Zu  Nr. 35  bei  Krumbacher  gibt  Gleye  auf  S.  13  für  das  Sprich- 
wort Kvciii'  (rnev&ovau  xvcflk  yEvyä  einen  Beleg  aus  dem  J.  Itil'J  und  einen  wei- 
teren (nach  Altenkirch)  aus  dem  J.  1712.  Kasumovic  zitiert  unter  No.  324  zwei 
ragusanische  Sprichwörter  aus  der  bekannten  von  Danicic  herausgegebenen 
Sammlung  (deren  älterer  Teil  1(597  niedergeschrieben  wurde),  deren  erstes  ganz 
wörtlich  lautet:  Kucka  presna  slijepe  rada  kucice,  das  andere  modi- 
fiziert: Nagla  macka  slijepe  misice  rodi.  Kasumovic  gibt  auch  einen 
Kommentar  dazu.  Oder  zu  Krumb.  No.  41  (bei  Gleye  S.  14),  wo  xcciqos'  upicyei 
xcci  xaiQiK  ccv  xcnäyei  zitiert  wird,  kann  man  die  bei  Kasumovic  unter  No.  900 
angeführten  Sprichwörter  heranziehen,  z.B.  vrijeme  gradi,  vrijeme  raz- 
graduje.  Zu  No.  61  (bei  Gleye  S.  22):  tkcttjq  ^hv  6  d-geipas-,  ov  /jr^u  cfg  o  yey- 
rT^ffwi- vgl.  bei  Kasumovic  Nr.  224:  Hranitelj  jekao  i  roditelj,  also  dem 
Sinne  nach  o  Q-qixpag  nur  koordiniert  zu  o  yeyfrjaa;^  nicht  höher  gestellt.  Zu 
Nr.  65  Krumb,  (bei  Gleye  S.  23):  zlevxeqa  (pvais  avyr'j&sia,  bei  Kasumovic 
Nr.  504:  Obicaj  je  druga  narav.  Zu  Nr.  74  Krumb,  (bei  Gleye  S.  24).:  Jv- 
xos'  «710  aqi&i.wv  oh  cpoßelTcn  Xc(ßelf  bei  Kasumovic  Nr.  903: 1  brojene  ovce 
vuk  j  ede.  Zu  Nr.  77  Krumb.  (Gleye  S.  26),  wo  schon  aus  Altenkirch  Parallelen 
angeführt  sind  und  wo  Gleye  auch  italienische  Parallelen  gibt,  bei  Kasumovic 
Nr.  590:  Ko  na  nebo  pljuje,  na  obraz  mu  pada,  das  am  nächsten  dem 
griech.  Text  kommt  6  micoy  sh  tov  ov^ayöv  z«  yeyeiä  xov  niiei  (der  zweite 
Teil  des  slavischen  Sprichwortes  erinnert  an  die  griech.  Redaktion  nqos  zb 
avTov  xaransaely  TtQoaconoy).  Zu  Nr.  95  Krumb.  (Gleye  S.  28):  'Ev  xaiqü  aväy- 
XTiS  vrjy  .läfiiay  /utjteqcc  xd).ei  kann  man  vgl.  bei  Kasumovic  Nr.  789:  Za  no- 
vo Iju  i  krmka  ujakom  zovnuti.  Der  Vergleich  ist  hier  auf  einen  Eber 
übertragen,  dem  die  Rolle  eines  Onkels  zugeschrieben  wird.  Selbstverständ- 
lich enthält  dermittelgriechische  Sprichwörterschatz,  den  Krumbacher  zu  drei 
verschiedenen  Zeiten  publiziert  hat  (1887,  1893,  1900),  noch  viel  mehr  Anknüp- 
fungspunkte für  die  serbokroatischen  Sprichwörter  und  die  Heranziehung 
dieses  Materials  zur  Vergleichung  bildet  eine  der  Hauptaufgaben  der  Schrift 
des  Dr.  Ivan  Kasumovic,  über  die  ich  jetzt  einige  Worte  sagen  will. 

Um  das  Werk  kurz  zu  charakterisieren,  möchte  ich  es  als  eine  in  ihrer 
Art  vortreffliche  wissenschaftliche  Leistung  bezeichnen,  die  ihre  Aufgabe, 
nämlich  die  serbokroatischen  Sprichwörter  mit  den  griechischen  und  latei- 
nischen zusammenzustellen,  glänzend  gelöst  hat.  Dem  Verfasser  sind  sowohl 
die  Ausgaben  der  serbokroatischen  Sprichwörter,  wie  die  einschlägige  Hilfs- 
literatur der  griechischen  und  lateinischen  Texte  der  Sprichwörter  genau  be- 
kannt und  zum  größten  Teil  zugänglich  gewesen,  er  hat  alles  sehr  gewissen- 
haft benutzt  und  verwertet.  Wer  sich  mit  dieser  Beschränkung  der  hier  reich- 
lich aufgestapelten  Vergleiche  und  Parallelen  zufrieden  gibt,  wird  ohne  weiteres 
das  Werk  Kasumovic'  als  musterhaft  loben  dürfen.  Eine  andere  wichtige  Frage 
bleibt  freilich  dabei  offen,  ob  diese  Beschränkung  auf  das  griechisch-römische 
geistige  Gebiet  ausreicht,  ob  damit  wirklich  auch  die  Hauptquellen  der  Ent- 
stehung der  serbokroatischen  Sprichwörter  angegeben  sind.  Ja  überhaupt  die 
Auffindung  der  Quellen  einzelner  Sprichwörter  —  das  ist  ein  sehr  schwieriges 
wissenschaftliches  Problem,  das  in  vielen  Fällen  vielleicht  ganz  unlösbar  bleibt. 


282  Kritischer  Anzeiger. 

in  anderen  nicht  in  der  gedachten  Eichtung  seine  Lösung  findet.  Jedenfalls 
würde  ein  solcher  Lüsungsversuch  eine  weiter  reichende  Umschau  erheischen, 
als  die  Berücksichtigung  von  nur  zwei  Sprachen,  mögen  diese  noch  so  wichtig 
sein  infolge  ihres  großen  kulturellen  und  zum  Teil  auch  nachbarlichen  Ein- 
flusses. Zu  diesem  Zwecke  wäre  vor  allem  die  Ausdehnung  der  Parallelen  auf 
das  Neugriechische,  dann  auf  das  Albanische  und  Rumänische,  ja  selbst  auf 
das  Italienische  von  großer  Wichtigkeit,  weil  alle  diese  Volksstämme  mit  den 
Serben  und  Kroaten  nachbarliche  und  wohl  auch  geistige  Beziehungen  pflegten. 
Mit  den  Sprichwörtern  dürfte  es  sich  nämlich  so  verhalten  wie  mit  den  Volks- 
märchen, wo  geographische  Zonen  eine  viel  größere  Rolle  spielen  als  die  eth- 
nische Verwandtschaft.  Nun  daß  auch  die  letzte  nicht  außer  acht  zu  lassen 
ist,  wenn  sie  auch  nicht  die  Begeisterung  der  Romantiker  aus  der  ersten  Hälfte 
des  XIX.  Jahrhunderts  rechtfertigt,  das  hat  der  Versuch  Celakovskys  uns  zum 
Bewußtsein  gebracht.  Die  Vereinigung  dieser  Gesichtspunkte  und  die  Ab- 
messung ihrer  Bedeutung  ist  eine  so  schwierige  Aufgabe,  daß  sie  erst  bei  vielen 
guten  Vorarbeiten  eine  Aussicht  auf  Erfolg  haben  kann.  Wo  diese  fehlen,  was 
im  gegebenen  Fall  bei  der  Abfassung  dieses  Werkes  zugegeben  werden  muß, 
dort  ist  die  erschöpfende  Behandlung  mit  der  Beschränkung  des  Umfangs  auf 
wenige  Sprachen  jedenfalls  einer  oberflächlichen  Ausdehnung  über  mehrere 
oder  alle  einschlägigen  Sprachen  vorzuziehen.  Ich  kann  also  die  von  Dr.  Kasu- 
movic  getrofl"ene  Wahl  der  Sprachen  und  die  Beschränkung  auf  dieselben  unter 
gegebenen  Umständen  nur  billigen.  Eine  dabei  übrig  gebliebene  Lücke,  nämlich 
die  Nichtberücksichtigung  der  neugriechischen  Sprichwörtersammlungen 
hat  der  Verfasser  selbst  (S.  128  der  ersten  Hälfte  =  S.  13)  so  aufrichtig  be- 
dauert, daß  wir  uns  ihm  nur  anschließen  und  die  Hoffnung  aussprechen  müssen, 
es  werde  ihm  ermöglicht  werden  bei  der  Fortsetzung  seiner  parömiologischen 
Studien  in  irgendeiner  Weise  diese  Lücke  auszufüllen.  Dann  hätten  wir  aber 
noch  einen  Wunsch,  daß  er,  wenn  er  schon  die  Rumänen  und  Albanesen  außer 
Betracht  lassen  muß,  doch  wenigstens  die  Sprichwörter  der  Bulgaren  heran- 
ziehen möchte.  Freilich  für  seine  aus  dem  ganzen  Werke  durchschimmernde 
Tendenz,  nicht  bloß  die  Parallellen,  sondern  auch  die  Quellen  der  serbokroati- 
schen Sprichwörter  anzugeben,  hätten  die  bulgarischen  Parallelen  keine  so 
große  Bedeutung.  Doch  gerade  in  diesem  Punkte  decken  sich  unsere  An- 
sichten nicht  vollständig.  In  der  sehr  hübsch  geschriebenen  Einleitung  des 
Verfassers  (auf  S.  116 — 122)  unterstreiche  ich  als  sehr  wichtig  seine  Äußerung, 
daß  jener  Dualismus,  von  dem  man  gewöhnlich  in  bezug  auf  die  Kulturrichtung 
der  Kroaten  und  Serben  spricht,  in  dem  Sprichwörtervorrat  keinen  Widerhall 
findet.  Es  freut  mich  konstatieren  zu  können,  daß  er  eine  große  Zahl  von  bei- 
nahe schönsten  serbokroatischen  Sprichwörtern  durch  ganz  gleiche  Parallelen 
aus  den  Sprichwörtern  der  Griechen  und  Römer  belegen  konnte,  der  Griechen 
natürlich  in  viel  größerem  Umfang  als  der  Römer.  Alles  das  unterschreibe  ich 
gern,  doch  bezüglich  der  Deutung  dieses  weit  ausgedehnten  Parallelismus,  den 
der  Verfasser  mit  besonderer  Vorliebe  als  Quelle  auf  der  einen  und  Entlehnung 
auf  der  anderen  Seite  auffaßt,  könnte  ich  ihm  nicht  immer  folgen.  Er  hat  ge- 
wiß recht,  wenn  er  aus  solchen  Sprüchen,  wie  weiß  wie  der  Schnee, 
schwarz  wie   der  Rabe,  süß  wie  Honig,   nichts  weiter  ableitet,  da 


Kasumovic,  Serbokroat.  Sprichwörter,  angez.  v.  Jaglc.  283 

solche  Vergleiche  jedes  A''olk  für  sieh  zu  schaifen  imstande  ist,  doch  scheint 
er  mir  die  Grenze  der  selbständigen  Schaffenskraft  manchmal  zu  eng  zu  ziehen. 
Um  gleich  an  einem  Beispiele  das  zu  zeigen,  er  möchte  nicht  zugeben,  daß 
das  Sprichwort  »Gora  se  s  gorom  ne  sastaje  a  covjek  s  covjekom 
vazda«  selbständigen,  sei  es  serbokroatischen,  sei  es  slavischen  Ursprung 
haben  könnte.  Warum?  Weil  er  schon  in  der  Sammlung  des  Michael  Aposto- 
lios  (aus  der  Mitte  des  XV.  Jalirh.)  eingetragen  fand  X)Qog  oqei  ov  /ulyviiui, 
(tvS^iyionos  d'U'cr&Qojnio.  Nun  hat  aber  Altenkirch  auch  auf  andere  Parallelen, 
slavische  und  nicht  slavische,  hingewiesen,  die  alle  zusammen  nicht  den  Ein- 
druck machen,  daß  die  in  diesem  Spruch  steckende  Weisheit  oder  Lebenser- 
fahrung gerade  aus  der  griechischen  Quelle  hätte  geschöpft  werden  müssen. 
Auch  die  Hermenia,  die  dem  griech.  Spruch  beigegeben  ist,  begünstigt  nicht 
die  Annahme  der  Entlehnung;  bei  Apostolios  lesen  wir:  et:1  twj'  uavuna&w; 
TTQos  Tivas  dir/.x£i/iiBi'(oi\  Bei  uus  aber,  wenigstens  wie  ich  so  häufig  das  rus- 
sische Sprichwort  gehört  habe,  ist  nicht  von  den  feindlich  gesinnten  Menschen 
die  Rede,  sondern  von  der  Hoffnung  des  freundlichen  Wiedersehens.  Auch 
das  zweite  Beispiel,  das  eranführt,  Vrana  vrani  ociju  ne  vadi,  muß  nach 
meinem  Dafürhalten  nicht  gerade  römischen  Ursprungs  sein  und  sonst  überall 
die  Rolle  einer  von  dort  entlehnten  Weisheit  vorstellen.  Dr.  Altenkirch  hat 
daher  wohl  mit  mehr  Recht  die  beiden  Sprichwörter  unter  den  »unentschie- 
denen Entlehnungen«  angeführt.  Es  war  darum  von  Seite  des  Verfassers  viel- 
leicht auch  darin  etwas  zu  eng  die  Grenze  gezogen,  daß  er,  wie  er  selbst  sagt, 
nur  solche  Parallelen  berücksichtigte,  wo  nicht  nur  derselbe  Gedanke,  sondern 
auch  dieselbe  Form,  d.  h.  derselbe  sprachliche  Ausdruck,  vorlag.  Gewiß  ist 
für  seinen  Zweck  diese  Vorsicht  sehr  empfehlenswert  gewesen,  doch  bei  einem 
anderen  Standpunkte,  wie  ich  ihn  in  dieser  Frage  einnehme,  sind  auch  die  in 
der  Form  etwas  abseits  stehenden,  doch  dem  ganzen  Sinne  nach  sich  decken- 
den Parallelen  nicht  minder  wichtig  und  beachtenswert.  Er  sagt  ja  selbst,  daß 
bei  mündlicher  Verbreitung  des  Sprichwortes  seine  Form  leicht  Änderungen 
unterlag.  Übrigens  finde  ich  in  seinem  Werk  doch  häufig  genug  auch  die  Über- 
tretung dieser  von  ihm  selbst  aufgestellten  Regel,  freilich  aus  Motiven,  die  ich 
nicht  immer  billigen  kann.  Z.  B.  unter  dem  Schlagwort  jaz  zitiert  der  Ver- 
fasser Nr.  254  den  Spruch  Pred  njim  jazovi,  a  za  njim  vukovi.  Daß 
dieser  Spruch  dem  griechischen  "J\u7i(>o<j,7Ey  y.nr^jurög  oniaiisi'  Ivy.oi  genau 
entspricht,  das  sieht  jedermann  ein.  Es  ist  mir  in  diesem  Falle  auch  leicht  zu 
glauben,  daß  die  serbokroatische  Aufzeichnung  (bei  Daniele)  nicht  ganz  volks- 
tümlichen Ursprung  hat.  Allein  ich  kann  mich  nicht  leicht  dazu  entschließen 
zu  'glauben,  daß  gerade  jene  ragusanische  Aufzeichnung  solche  echt  volks- 
tümliche Sprichwörter  wie:  Ako  u  seloTurci,  ako  u  goru  (vi.  upolje) 
vuci  ins  Leben  gerufen  hat.  Die  Zusammenstellung  war  also,  ungeachtet  der 
Verschiedenheit  in  der  Form,  ganz  richtig  angebracht,  nur  das  vom  Verfasser 
vermutete  oder  verlangte  Abhängigkeitsverhältnis  darf  in  Abrede  gestellt 
werden. 

Mit  diesem  Vorbehalt,  den  ich  durch  zahlreiche  Beispiele  noch  weiter 
illustrieren  könnte  (z.B.  selbst  den  Spruch  zezenkasuhladi  wäre  der  Ver- 
fasser nicht  abgeneigt  ans  dem  Griechischen  abzuleiten!  Warum  doch?),  muß 


284  Kritischer  Anzeiger, 

ich  die  Fülle  des  herangezogenen  sprichwörtlichen  Materials  und  den  uner- 
müdlichen Fleiß  des  Zusammensuchens  der  griechischen  und  teilweise  auch 
lateinischen  Parallelen  mit  unbedingter  Anerkennung  hervorheben.  Das  Buch 
Kasumovic'  wird  von  nun  an  das  grundlegende  Werk  für  jede  weitere  Forschung 
auf  dem  Gebiete  der  südslavischen  Parömiologie  bilden.  Auf  diesem  Grunde 
läßt  sich  jetzt  leicht  weiter  bauen.  Nach  einigen  Andeutungen  des  Verfassers 
selbst  zu  urteilen,  hätten  wir  die  Fortsetzung  solcher  Studien  von  ihm  selbst 
zu  erwarten.  Das  wäre  auch  das  beste,  denn  niemand  ist  bisher  so  tief  in 
diesen  Gegenstand  eingedrungen  wie  er  mit  diesem  seinem  Werk,  dessen 
glänzender  Erfolg  schon  durch  den  äußeren  Umfang  gekennzeichnet  ist.  Unter 
nicht  weniger  als  975  Schlagwörtern  —  diese  folgen  in  alphabetischer  Reihen- 
folge und  sind  in  der  Regel  genug  bezeichnend  —  hat  er  mit  Einrechnung 
von  Varianten  eine  fast  dreimal  so  große  Anzahl  von  Sprichwörtern  verwertet 
und  besprochen  und  überall  auf  die  griechischen,  zum  Teil  auch  lateinischen 
Parallelen  hingewiesen.  Die  ganze  Arbeit  schließt  sehr  hübsch  und  lehrreich 
mit  noch  zwei  Nachträgen.  Im  ersten  wird  an  einer  Reihe  von  Beispielen  ge- 
zeigt, (dazu  gehören  übrigens  noch  mehrere  Beispiele  aus  dem  2.  Nachtrage), 
wie  ein  Spruch  oder  Sprichwort  als  Quintessenz  aus  einer  Fabel  sich  losgelöst 
hat;  die  meisten  hieher  gehörigen  Fabeln  leben  auch  in  der  serbokroatischen 
Bearbeitung.  Man  muß  auch  in  der  Tat  ihre  Bekanntschaft  im  Volke  voraus- 
setzen, denn  sonst  wäre  ja  der  Spruch  unverständlich.  Im  zweiten  werden 
einige  sprichwörtlich  gebrauchte  Sprüche  auf  die  Stellen  der  heil.  Schrift  zu- 
rückgeführt. Doch  hier  finde  ich  schon  wieder  einige  Beispiele,  die  weder 
auf  den  Zitaten  der  heil.  Schrift  beruhen  noch  so  zu  erklären  sind,  wie  es  der 
Verfasser  haben  möchte,  z.  B.  Nr.  7:  carska  se  ne  porice  braucht  wohl 
nicht  erst  auf  den  Ausspruch  eines  fremden  Königs  (Konrad  III.)  zurückgeführt 
zu  werden,  Nr.  13  Kakav  pozdrav  onakav  i  odzdrav  muß  auch  nicht  auf 
fremder  Vorlage  beruhen,  Nr.  ISkupit  macku  u  mijehu  wird  wohl  nicht 
aus  dem  deutschen  »die  Katze  im  Sack  kaufen«  bis  nach  Ragusa  gekommen 
sein,  ebensowenig  glaube  ich,  daß  der  Spruch  Nr.  18  Nova  metla  dobro 
mete  erst  aus  dem  deutschen  sich  bis  nach  Ragusa  verbreitet  hat,  oder  daß 
Nr.  29  Poglasusepticapozna  und  Nr.  22Poznajese  pticapoperju 
fremd  sein  müßten,  oder  daß  Nr.  21  Tko  prvi  u  mlin  prvi  melje  nicht 
nach  eigener  Erfahrung  hätte  zustande  kommen  können.  Ich  halte  dieses 
Trachten,  überall  einen  fremden  Ursprung  zu  wittern,  für  einen  Auswuchs  des 
großen  Sammeleifers,  bei  welchem  dem  Verfasser  nicht  genug  daran  war  eine 
treffende  Parallele  gefunden  zu  haben,  er  wollte  seine  Freude  noch  potenzieren 
durch  die  Behauptung  gerade  die  Quelle  entdeckt  zu  haben.  Ich  glaube,  nicht 
viele  werden  ihm  auf  dieser  Bahn  folgen  wollen.  Zum  Glück  schadet  das  dem 
Werte  seiner  Forschung  wenig,  man  streift  eben  das  Überflüssige  ab.  Dabei 
muß  ich  jedoch  ausdrücklich  hinzufügen,  daß  in  sehr  vielen  Fällen  die  An- 
nahme einer  Entlehnung  wirklich  im  hohen  Grade  wahrscheinlich  klingt;  die 
Grenzen  zwischen  einer  Entlehnung  und  einer  unabhängigen  Entstehung  zu 
ziehen  ist  in  der  Tat  nicht  leicht.  Der  Verfasser  mag  sich  gedacht  haben, 
besser  etwas  mehr  als  etwas  zu  wenig.  Ich  meine  aber:  Ne  quid  nimis  oder 
wie  es  dafür  unter  Nr.  433  steht:  Sto  je  previse  nije  ni  s  maslom  dobro. 

V.J. 


Boehme,  Memoiren  d.  Kaiserin  Katharina,  angez.  v.  Jagic.         285 

Memoiren  der  Kaiserin  Katharina  II.  Nach  den  von  der 
Kaiserlich  russischen  Akademie  der  Wissenschaften  veröffentlichten 
Manuskripten  übersetzt  und  herausgegeben  von  Erich  Boehme. 
Erschienen  im  Insel-Verlag  zu  Leipzig  1913,  8".  Erster  Band  334, 
zweiter  Band  370  Seiten.   Preis  brosch.  12  Mk. 

In  der,  wie  man  jetzt  weiß,  sehr  reichen  russischen  Memoiren-Literatur 
des  XVIII.  Jahrhundertes  stehen  was  sowohl  die  soziale  Stellung  des  Ver- 
fassers wie  den  Inhalt  des  Gebotenen  anbelangt,  die  Memoiren  der  Kaiserin 
Katharina  II  obenan.  Von  der  Existenz  ihrer  Memoiren  wußten  einzelne  Histo- 
riker, wie  Alexander  Turgenev  und  Karamzin,  und  auch  Puschkin,  schon  zu 
Anfang  des  XIX.  Jahrhundertes.  Doch  erst  1859  gab  Alex.  Herzen  einen  Teil, 
allerdings  den  umfangreichsten,  in  London  heraus,  sowohl  in  der  französi- 
schen Originalsprache  (zweimal  in  demselben  Jahre),  wie  auch  in  der  russischen 
Übersetzung  (die  später  in  Leipzig  fünfmal  aufgelegt  wurde).  Gleichzeitig  er- 
schien auch  eine  deutsche  Übersetzung  in  Hannover,  eine  dänische  in  Kopen- 
hagen, eine  schwedische  in  Upsala  und  viel  später  (1886)  auch  eine  polnische. 
Neben  diesen  als  Hauptwerk  angesehenen  Memoiren  kamen  noch  in  russischen 
Zeitschriften  Russkij  Archiv  und  Eusskaja  Starina,  einzelne  Stücke,  gleichsam 
Zusätze  zu  den  Memoiren,  heraus,  (z.  B.  Pyccidfi  ApxuBt,  1863.  1865.  1S66.  1870. 
u.  a.),  ebenfalls  aus  der  Feder  der  Kaiserin  geflossen.  Man  glaubte,  damit  sei  der 
Vorrat  ihrer  Beteiligung  an  den  Memoiren  über  Ereignisse  des  eigenen  Lebens 
erschöpt.  Doch  war  das  durchaus  nicht  der  Fall.  Einen  Wendepunkt  in  der 
Frage  bezüglich  der  Memoiren  der  Kaiserin  Katharina  bildete  der  hochherzige 
Entschluß  des  Kaisers  Nikolaus  II  zu  gestatten,  daß  die  Kais.  Akademie  der 
Wissenschaften  die  versiegelten  Pakete  des  Staatsarchivs  und  der  Privat- 
bibliothek des  Kaisers,  dann  das  Material  der  kais.  öffentlichen  Bibliothek  in 
Petersburg  und  des  Rumjancovschen  Museums  in  Moskau  bei  der  Publikation 
aller  Werke  der  Kaiserin  benützen  dürfe.  Diese  Bewilligung  wurde  im  J.  1900 
erteilt  und  die  Kais.  Akademie  hat  mit  der  Ausgabe  ihr  Mitglied,  den  berühm- 
ten Literaturhistoriker  Alex.  N.  Pypin  betraut.  Die  vollständige  Ausgabe  ist 
auf  12  Bände  berechnet,  wovon  meines  Wissens  noch  der  sechste  aussteht; 
der  letzte,  zwölfte,  in  zwei  Halbbänden  erschienen  im  J.  1907,  enthält  die  be- 
sagten Memoiren  nach  neu  eröflneten  Quellen;  die  von  A.  Herzen  herausge- 
gebene Redaktion  umfaßt  hier  die  Seiten  197 — 437,  dagegen  alles  Voraus- 
gehende und  der  größere  Teil  des  Nachfolgenden  bringt  neue  Texte  ans  Licht, 
die  eben  in  den  versiegelten  Paketen  entdeckt  wurden.  Auf  diesem,  im 
12.  Band  der  akademischen  Ausgabe  enthaltenen  Material,  dessen  französische 
Texte  1907  auch  in  russischer  Übersetzung  erschienen  sind,  beruht  die  oben 
zitierte  deutsche  Ausgabe,  die  mit  großer  Sorgfalt  und  gründlicher  Sachkennt- 
nis Herr  Dr.  Erich  Boehme  zustande  gebracht  hat.  Sie  beginnt  mit  einer  Ein- 
leitung (S.  1 — 21),  die  über  die  genealogischen  Verhältnisse  der  beiden  Haupt- 
personen der  Memoiren  (Peter  III.  und  Katharina  IL),  dann  über  die  einzelnen 
Bestandteile  des  ganzen  Memoirenmaterials  Bericht  erstattet.   Dieses  besteht 


286  Kritischer  Anzeiger. 

nämlich  nicht  aus  systematisch  oder  chronologisch  sich  ergänzenden  Bestand- 
teilen allein,  sondern  auch  aus  parallel  nebeneinander  laufenden,  zu  verschiede- 
nen Zeiten  abgefaßten  und  nicht  immer  genau  übereinstimmenden  Stücken. 
Die  russische  akademische  Ausgabe  unterscheidet  sieben  Stücke  der  Memoiren, 
die  die  erste  Hälfte  des  12.  Bandes  bilden  (S.  1 — 495)  und  außerdem  umfaßt 
sie  verschiedene  kleinere  Sachen  (darunter  zwei  russisch  geschriebene  Stücke 
nebst  allerlei  Briefen,  Fragmenten,  Notizen,  die  den  Inhalt  des  zweiten  Halb- 
bandes (S.  499 — 701)  ausmachen,  dazu  kommen  noch  reichhaltige  Anmerkungen 
des  russischen  Herausgebers  mit  allerlei  Zusätzen  (auf  S.  705—800).  Der 
deutsche  Übersetzer  hat  von  den  sieben  Stücken  der  Memoiren  die  Nr.  1.  2. 
3.  5.  6.  7  im  ersten  Band  untergebracht,  Nr.  4  aber  an  die  Spitze  des  zweiten 
Bandes  gestellt.  Diese  Eeihenfolge  finde  ich  nach  der  ungefähren  chronolo- 
gischen Berechnung  insofern  berechtigt,  als  in  der  Tat  Nr.  4  später  abgefaßt 
wurde  als  Nr.  1.  2.  3.  Doch  würde  es  sich  empfehlen  auch  Nr.  5.  6.  7  vor 
Nr.  1.  2.  3  zu  stellen,  da  auf  Grund  der  Erwägungen  Koruilovic's  (/K.  M.  h.  np. 
1912,  Januarheft)  wohl  keinem  Zweifel  unterliegt,  daß  Nr.  5.  6.  7  früher  abge- 
faßt wurden  als  Nr.  1.  2.  3.  Man  könnte  also  dem  modernen  Leser  dieser 
Memoiren  den  Eat  erteilen  in  dieser  Reihenfolge  vorzugehen :  Nr.  5.  6.  7. 1.  2.  3 
und  dann  erst  4.  Dadurch  würde  der  aufmerksame  Leser  selbst  einen  Unter- 
schied zwischen  der  frischen  Unmittelbarkeit  der  übrigen  Aufzeichnungen,  die 
zwischen  1754  u.1774  fallen,  und  der  tendenziösen  Umarbeitung,  die  nach  1791 
bis  1794  zustande  kam,  wahrnehmen  können.  Mit  Recht  sagt  Dr.  Boehme: 
am  verläßlichsten,  weil  am  intimsten,  sind  vielleicht  die  Stücke  1  bis  3,  am 
tendenziösesten  dagegen  Stück  4  (S.  20).  Auf  diese  sieben  Stücke  der  deut- 
schen Ausgabe,  deren  letztes  (4.)  die  Seiten  1—288  des  2.  Bandes  umfaßt, 
schließen  sich  an  im  zweiten  Band  die  beiden  aus  dem  Russischen  übersetzten 
Stücke  (291 — 316)  und  nun  folgt  der  Anhang,  der  aus  der  akademischen  Aus-, 
gäbe  nur  eine  Auswahl  von  kleineren  Sachen  in  deutscher  Übersetzung  wieder- 
gibt. Nach  welchen  Gesichtspunkten  der  Herausgeber  seine  Auswahl  getroffen, 
vermag  ich  nicht  zu  bestimmen.  Man  findet  in  dem  Anhang  folgende  Texte: 
Brief  der  Kaiserin  an  Graf  Poniatowski  (akad.  Ausgabe  547 — 555),  drei  Briefe 
Peters  HL  an  die  Kaiserin  und  drei  Briefe  Aleksej  Orlov's  an  die  Kaiserin 
(akad.  Ausgabe  764 — 767,  der  dritte  Brief  ist  in  der  akad.  Ausgabe  nicht  ab- 
gedruckt, aber  er  stand  schon  im  21.  Bande  (1881)  des  Archivs  des  Fürsten 
Voroncov);  dann  ein  Schreiben  der  Kaiserin  an  Potemkin  (akad.  Ausgabe 
697 — 698),  ein  Bruchstück  der  Selbstcharakteristik  der  Kaiserin  lin  der  akad. 
Ausgabe  kann  ich  es  nicht  finden),  endlich  die  Grabschrift  (akad.  Ausgabe 
797—798)  und  die  letztwillige  Verfügung  (akad.  Ausgabe  702-703).  Das  ist 
der  Inhalt  des  Anhanges.  Den  Band  beschließt  ein  sorgfältig  abgefaßtes 
Namenverzeichnis  (S.  343—362),  Parallelen  (S.  363—365)  und  die  Quellen 
(S.  366 — 3G8).  Je  sechs  hübsch  ausgeführte  Porträte  schmücken  jeden  Band. 
So  sieht  der  Inhalt  der  beiden  Bände  aus,  zur  Empfehlung  derselben  muß  man 
noch  folgendes  anführen:  der  Herausgeber  hat  als  Übersetzer  nicht  nur  die 
schwierige  Aufgabe,  eine  genaue  und  doch  leicht  lesbare  Übersetzung  herzu- 
stellen, mit  glücklichem  Erfolge  gelöst,  sondern  den  übersetzten  Text  auch 
noch  D^it  zahlreichen  erklärenden  Anmerkungen  versehen,  die  über  einzelne 


V.  Löwis,  Held  im  deutsch,  u.  russ.  Märchen,  augez.  v.  Polivka.      287 

Angaben  auf  Grund  gleichzeitiger  Notizen  aus  anderen  Quellen  orientieren. 
Diese  Ausstattung  des  Textes  mit  Anmerkungen  verleiht  der  Ausgabe  einen 
großen  Vorzug.  V.  J. 

August  vouLöwis  ofMenar:  DerHeld  im  deutschen  und 
russischen  Märchen.  Verlegt  bei  Eugen  Diederichs.  Jena  1912. 

S.  140. 

Das  Buch  stellte  sich  weitere  Ziele  als  die  bloße  Vergleichung  des 
deutschen  und  russischen  Märchens,  es  sollte  alle  Momente,  die  die  Entwick- 
lung des  Märchenhelden  bestimmen,  untersuchen,  die  typischen  Züge  fest- 
stellen und  allerdings  auch  alle  Abweichungen  nach  Möglichkeit  anmerken. 
Das  Buch  sollte  ein  Beitrag  zur  Statistik  des  Märchens  sein.  Von  diesem 
Standpunkte  aus  erblickte  der  Verfasser  in  vielen  Motiven,  welche  nach  der 
Darlegung  besonders  englischer  Ethnologen  Überbleibsel  uralter,  vielfach 
prähistorischer  Vorstellungen  und  Gebräuche  sind,  nur  den  Ausdruck  eines 
epischen  stilistischen  Gesetzes:  so  ist  darin,  daß  der  Jüngste  die  Heldenrolle 
übernimmt,  das  Obergewicht  über  seine  älteren  Brüder  erreicht,  das  Gesetz 
zu  erblicken,  daß  der  Schwerpunkt  auf  die  letzte  Gestalt  einer  ganzen  Reihe 
gelegt  wird  (S.ll);  daß  der  jüngste  Sohn,  das  jüngste  Mädchen  als  Aschen- 
brödel auftritt,  charakterisiert  nach  seiner  Meinung  nur  die  traurige  Lage  des 
verachteten  Jüngsten,  der  zu  erniedrigenden  Diensten  gezwungen  wird  (S.  17, 
19);  ,,da3  Motiv  der  Dummheit  dient  einmal  als  Milieuschilderung  ...  ist  aber 
auch  ein  Mittel  der  Kontrastwirkung  .  .  .,  vor  allem  aber  soll  der  Aufstieg  aus 
niedersten  Tiefen  zu  dem  hohen  Ehrenplatz  auf  den  Königsthron  anschaulich 
gemacht  werden  und  die,  wenn  auch  sprunghafte  Entwicklung  des  verachteten 
törichten  Knaben  zum  ruhmreichen,  bewunderten  Helden*  (S.  50).  Dieses 
Verschweigen  recht  wahrscheinlicher  Erklärungen  einiger  grundlegenden 
Märchenmotive  ist  wohl  absichtlich,  doch  kaum  begründet;  des  Verfassers  Er- 
klärung vom  rein  stilistischen  Standpunkt  ist  wenig  plausibel,  desto  weniger,  da 
eine  bewußte  stilistische  Ausgestaltung  der  Märchen  das  Produkt  einer  langen 
Entwicklung  und  einer  höheren  Kulturstufe  ist,  die  viel  jünger  ist  als  diese 
in  hohes  Alter  hinaufreichenden  Motive. 

Für  die  stilistischen  Zwecke  des  Verfassers  empfahl  es  sich ,  zwei 
sehr  große  und  räumlich  geschiedene  Märchenkomplexe,  den  deutschen 
und  den  russischen  heranzuziehen  und  vergleichend  nebeneinander  zu  stellen. 
Er  wählte  »absichtlich  zwei  möglichst  getrennte  Gruppen,  denn  wenn  irgend- 
wo, so  mußten  sich  hier  Unterschiede  in  der  Auffassung  von  Märchenhelden 
zeigen«  (S.  4).  Er  betonte,  daß  beide  Märchenkreise  in  der  Stoffwahl  nicht 
wesentlich  variieren,  der  äußere  Rahmen  also  ungefähr  der  gleiche  ist  und 
daß  dadurch  die  Möglichkeit  gegeben  war,  die  verschiedenartige  innere 
Formung  des  Helden  in  ähnlichen  Situationen  und  unter  verwandten  Be- 
dingungen zu  untersuchen«  (S.  4).  Der  Verfasser  beschränkte  sich  aus- 
schließlich auf  den  deutschen  und  russischen  Märchenkreis  (großrussischen, 
wie  auch  weiß-  und  kleinrussischen,  wobei  jedoch  die  galizischen  und  nord- 
ungarischen Märchen  nicht  herangezogen  wurden,  wegen  Unzugänglichkeit 


288  Kritischer  Anzeiger. 

deren  Sammlungen?).  Man  könnte  darin  nicht  mit  Unrecht  ein  etwas  ein- 
seitiges Vorgehen  erblicken.  Der  deutsche  Märchenkreis  ist  nicht  ein  so 
abgeschlossener  Komplex,  daß  es  zu  dessen  Erklärung  nicht  der  Märchen- 
kreise anderer  Völker  Mittel-  und  Westeuropas  bedürfte.  Zwischen  dem 
deutscheu  und  russischen  Märchenkreise  sind  die  westslavischen,  besonders 
polnischen  und  slowakischen  eingelagert,  in  denen  man  eine  ganze  Reihe 
Übergänge  vom  mitteleuropäischen  zum  osteuropäischen  konstatieren  könnte. 
Der  russische  Märchenkomplex  ist  nicht  ganz  einheitlich,  einige  Nüancie- 
rungen  in  den  weiß-  und  kleinrussischen  Fassungen  stellt  der  Verfasser 
selbst  fest  (S.  129).  Daß  für  die  tiefere  Erkenntnis  des  russischen  Märchen- 
kreises die  Kenntnis  der  Märchen  anderer  osteuropäischer  Völkerstämme  und 
noch  weiter  nach  Osten  liegender  Völker  unbedingt  notwendig  ist,  braucht 
nicht  erst  betont  zu  werden.  Wir  können  uns  also  für  die  Begrenzung  des 
Stoffes,  wie  es  H.  v.  Löwis  für  gut  befand,  nicht  erwärmen.  Doch  wollen  wir 
nicht  mit  ihm  rechten,  sondern  weiter  sein  Buch  lesen,  wie  er  die  gestellte 
Aufgabe  gelöst  und  zu  welchen  Resultaten  er  gekommen  ist. 

Der  Verfasser  ging  von  den  deutschen  Märchen  aus,  die  Grimmschen 
KHM.  hatte  er  zugrunde  gelegt,  er  hatte  die  Arbeit  ursprünglich  im  kleinen 
auf  dieser  Basis  ausgeführt,  und  auf  diesem  Fundament  baute  er  weiter,  und 
dieses  Fundament  reichte  nach  seiner  Meinung  für  alles  weiter  hinzukommende 
Material.  Er  beschränkte  sich  nur  auf  die  Wunder-  und  Zaubermärchen, 
nahm  höchstens  noch  einige  Schwankmärchen  auf,  wie  vom  tapferen  Schneider- 
lein, vom  Jungen  mit  der  goldenen  Gans,  vom  Bürle,  der  klugen  Bauern- 
tochter u.  a.  (S.  6].  Gegen  eine  solche  Einschränkung  ist  wohl  nichts  ein- 
zuwenden. Er  untersuchte  zuerst  den  Helden  im  deutschen  Märchen  (S.  10 
bis  69),  dann  im  russischen  Märchen  (S.  70—124)  und  zwar  nach  demselben 
Plane:  er  beschrieb  zuerst  Alter  und  Äußeres,  bestimmte  dann  das  soziale 
Milieu,  3.  die  Verwandtschaftsverhältnisse,  4.  Verlöbnis  und  Heirat,  5.  den 
Gesamtcharakter  des  Helden  und  einzelne  Züge,  6.  geistige  Fähigkeiten, 
Kenntnisse  und  Kunstfertigkeiten,  7.  die  seelischen  Antriebe,  8.  Taten  und 
Erlebnisse,  endlich  9.  die  Nebenfiguren.  So  konnte  der  Verfasser  eine  er- 
schöpfende Charakteristik  des  Helden,  bzw.  der  Heldin  des  deutschen  und 
russischen  Märchens  liefern.  Er  zog  ein  sehr  reichhaltiges  Material  heran, 
doch  selbst  betont  er,  daß  er  die  benützten  Sammlungen  nicht  vollständig 
ausgenützt  hat.  Auffallend  ist  es,  daß  eine  Reihe  von  sehr  wichtigen  Publi- 
kationen ganz  übergangen  wurden,  besonders  die,  welche  im  Zbior  wiado- 
mosci  do  antropologii  krajowej  und  in  den  Materyaly  antropol.-archeolog.  i 
etnograf  der  Krakauer  Akademie  und  im  Etnograficnyj  Zbirnyk  der  Sevcenko- 
Gesellschaft  für  Wissenschaften  enthalten  sind. 

Wenn  wir  die  genannten  beiden  Abschnitte  näher  vergleichen,  bemerken 
wir  manche  Ungleichheiten.  Dieser  Umstand  kommt  offenbar  daher,  daß  der 
Verfasser  nicht  auf  stoffwissenschaftlicher  Grundlage  arbeitete,  daß  er  nicht 
gewisse  Märchenstoffe  bei  den  Deutschen  und  Russen  verfolgte  und  näher 
verglich,  sondern  die  Stellung  und  Charaktere  der  Helden  ohne  Rücksicht 
auf  den  Stoff  untersuchte.  Es  ist  bezeichnend,  daß  nur  sehr  wenige  Märchen- 
stoffe von  ihm  ausdrücklich  erwähnt  werden:  vom  Fischer  und  seiner  Frau, 


V.  Löwis,  Held  im  deutsch,  u.  russ.  Märchen,  angez.  v.  Polivka.      289 

Marienkind,  Drosselbart  u.  e.  a.  Unserer  Ansicht  nach  wäre  es  doch  viel  vor- 
teilhafter gewesen,  wenn  vorher  in  den  einzelnen  Märchenstoffen  bestimmt 
worden  wäre,  wie  sich  der  Held  entwickelte,  die  Umgebung  und  Verhältnisse, 
in  denen  er  wuchs,  sein  Ziel  erreichte  usw.,  und  dann  erst  auf  Grundlage 
solcher  Einzeluntersuchungen  ein  übersichtliches  Bild  des  Helden  entworfen 
worden  wäre.  Daß  der  Verfasser  nicht  so  vorging,  hatte  einige  Mängel  seiner 
Arbeit  zur  Folge.  In  den  Ausführungen  von  den  Verwandtschaftsverhältnissen 
des  Helden  im  russischen  Märchen  lesen  wir  u.  a.  (S.  90):  >Die  stets  älteren 
Geschwister  des  Helden  sind  in  der  Regel  nicht  bloße  Statisten,  sondern  am 
häufigsten  Gegenspieler,  und  zwar  werden  dem  männlichen  Helden  (a)  seine 
zwei  Brüder  ober  (b)  die  verräterische  Schwester  gegenübergestellt,  während 
die  weibliche  hauptsächlich  (c)  wider  die  allzu  große,  verbotene  Liebe  des 
Bruders  und  (d)  gegen  seine  neidischen  Schwestern  als  Nebenbuhlerinnen 
anzukämpfen  hat«.  Der  entsprechende  Absatz  vom  deutschen  Märchen  (S.  31) 
lautet  >Besitzt  der  Held  Geschwister,  so  sind  diese  selten  bloße  Statisten  . . . 
sondern  entweder  Widerspieler  oder  hilfreiche  Nebenpersonen<.  Darnach 
würde  es  scheinen,  als  ob  die  bei  dem  russischen  Märchen  einzeln  angeführten 
Charakterzüge  und  auch  Stoffe  dem  deutschen  Märchen  fremd  wären.  Er 
zitiert  zu  a)  Afan.  Nr.  71,  73,  79  usw.  d.  h.  von  der  Befreiung  der  Schönen  aus 
der  Unterwelt  und  den  verräterischen  Brüdern  des  Helden,  statt  welcher  frei- 
lich vielfach  hie  und  dort  die  wunderbaren  Gefährten  auftreten;  von  Brüdern 
in  dieser  Stellung  erzählt  auch  das  deutsche  Märchen,  so  Grimm  K. H.M.Nr.  91, 
Wisser  HI,  67  Nr.  10.  Zu  b)  wird  Afan.  Nr.  118  zitiert,  d.  h.  von  dem  Mädchen, 
welches  den  Bruder  seinem  Liebhaber-Räuber  u.  a.  überliefert;  das  Märchen 
wird  natürlich  auch  bei  den  Deutschen  erzählt,  vgl.  meinen  Kommentar  zu 
Kubin  Povidky  kladske  I,  Nr.  72.  Zu  c)  werden  als  Belege  angeführt  Afan. 
Nr.  65,  Oncuk.  Nr.  44,  71,  Chudak.  Nr.  55;  diese  Märchen  (mit  Ausnahme  von 
Oncuk.  Nr.  44)  erzählen  von  der  Flucht  des  Mädchens  vor  dem  Bruder,  der  es 
heiraten  will ;  es  ist  nach  meinem  Wissen  wirklich  nicht  bekannt  in  Mittel- 
und  West-Europa,  vgl.  Archiv  XXXI,  272  Nr.  71 ;  Reste  des  Märchens  wurden 
bei  den  Masuren  von  Toeppen  145,  Nr.  5  aufgezeichnet,  und  R.  Köhler  be- 
merkte (Klein.  Schrift.  1,  55),  daß  er  es  sonst  nicht  nachzuweisen  vermag; 
Oncuk.  44  erzählt  einen  anderen  Stoff,  der  zu  dem  singenden  Knochen  gehört, 
vgl.  Bolte-Polivka  Anmerk.  Grimm  K.H.M.  I,  2(38.  Zu  d)  zitierte  der  Verfasser 
Afan.  Nr.  129»,  160»  zwei  ganz  disparate  Märchenstoffe:  das  erste  (wie  auch 
Nr.l29b)  erzählt,  wie  der  Bräutigam  des  jüngsten  Mädchens,  »Finist  jasen  sokol«, 
schwer  verwundet  wegflog,  als  die  Schwestern  scharfe  Messer  ins  Fenster  ge- 
stoßen hatten;  das  zweite  erzählt  von  den  neidischen  Schwestern  der  Heldin, 
die  einen  Prinzen  geheiratet,  als  sie  ihm  versprach  goldene  Kinder  zu  gebären, 
ein  natürlich  auch  bei  den  Deutschen  bekanntes  Märchen,  vgl.  Kühler  I,  565 
Nr.  12. 

S.  92  schreibt  der  Verfasser  >. . .  vor  allem  hat  die  weibliche  Hauptfigur 
unter  dem  Oheim  zu  leiden.  In  novellenhaften  Eingängen  einzelner  Märchen 
sucht  er  gewöhnlich  seine  Nichte,  die  ihm  zur  Obhut  anvertaut  ist,  zu  ver- 
führen, wird  jedoch  abgewiesen  und  verleumdet  nun  die  Tochter  bei  ihrem 
Vater  wegen  ihres  angeblichen  lockeren  Lebenswandels  . . .  Die  Erklärung 

Arckiv  für  slavisclie  Philologe.    XXXY.  19 


290  Kritischer  Anzeiger. 

für  diese  Rolle  des  Onkels  dürfte  in  der  griechisch-orthodoxen  Kirchenordnung 
zu  finden  sein,  die  Ehen  zwischen  Blutsverwandten  verbietet . .  .<  Dieses 
Märchen  ist  ungemein  verbreitet,  auch  bei  Katholiken  und  sogar  bei  Moham- 
medanern. Es  ist  nicht  uninteressant  zu  untersuchen,  welche  soziale  Stellung 
der  Verführer  und  Verleumder  des  ihm  anvertrauten  Mädchens  einnimmmt. 
Den  Oheim  der  russischen  Fassungen  finden  wir  noch  in  einer  lettischen 
Zbiör  wiadom.  XVIII,  412  Nr.  47,  in  einer  kleinrussischen  Kolberg  Pokucie 
IV,  46  Nr.  9  und  endlich  noch  bei  den  mohammedanisierten  Bulgaren  Cöophhkx 
MKH.  IV,  147  Nr.  3.  Teilweise  noch  in  einer  polnischen  aus  Posen  Kolberg  XIV, 
18.5  Nr.  43  und  in  einer  kroatischen  Strohal  I,  61  Nr.  9,  wo  der  Oheim  zugleich 
Geistlicher  ist.  Heranzuziehen  wäre  noch  eine  kleinrussische  Fassung  aus 
Nordungarn  Exaorpa*.  36ipuBK  IX,  109  Nr.  59,  wo  an  die  Stelle  des  Oheims 
der  Bruder  getreten  ist,  er  ist  ebenfalls  Geistlicher.  Ob  hier  ein  engerer  gene- 
tischer Zusammenhang  dieser  stark  verstreuten  Fassungen  angenommen 
werden  kann,  ist  zweifelhaft.  Daß  dieserVerführer  und  Verleumder  die  Stellung 
eines  Priesters  einnimmt,  ist  sehr  stark  verbreitet,  so  bei  den  Kleinrnssen 
rpuHueuKo  IIsTb  ycTt  uapo^a  346  Nr. 323,  bei  den  kleinrussischen  Kolonisten  in 
Südungarn  EiHorpa*.  36ipHiiK  XXV,  194  Nr.  31,  bei  den  Ljutziner  Esten  Kallas 
183  Nr.  53,  bei  den  Litauern  Dowojna  Sylwestrowicz  II,  440,  Bulgaren  Illan- 
KapcBt  VIII — IX,  Nr.  120,  auch  im  katholischen  Westen  in  Italien  Busk  299 
und  in  Frankreich  Pineau  Poitou  C9  Nr.  8,  und  noch  in  mohammedanischen 
Fassungen  Eoc.  Bu.ia  II  (1S87)  S.  237,  Künos  Stambul  3S3  Nr.  49,  Adakaie  142 
Nr.  23,  Basset  Cont.  pop.  d'Afrique  33  Nr.  12.  Vereinzelt  finden  wir  diesen 
Mann  in  anderen  Stellungen,  als  Freund  des  Vaters  des  Mädchens  lUanKapeEt 
Vin — IX  N.  7,  als  Kaufmannsgehilfen  des  Vaters  /loöpoBo.iBCKiö  I,  366  Nr.  13, 
als  Lehrer  CnpocipaHOB-B  60  Nr.  13  und  in  einer  toskanischen  Fassung  Cos- 
quin  II,  327,  als  Richter  Spitta  Bey  Cont.  arab.  mod.  SO  Nr.  6,  als  Gemeinde- 
vorstand in  der  armenischen  Fassung  Chalatianz  42  Nr.  4.  CöopHUKt  KasKas. 
XXIV,  3  S.  123  Nr.  12,  als  pensionierten  Offizier  Kulda  III,  198  Nr.  26,  als 
Diener  in  einer  albanesischen  Fassung  Trnhelka  I,  37  Nr.  4;  zwei  nicht  näher 
bestimmte  Herren  übernahmen  diese  Rolle  bei  den  Heanzen  Bunker  3G1  Nr.  102, 
ein  altes  Weib  CöopuuK-B  muh.  X,  165  Nr.  2;  eigentümlich  ist  die  slowakische 
Fassung  Czambel  262  §  141 :  da  verleumdeten  auf  dieselbe  Weise  das  Mädchen 
die  > Heiden«,  welche  es  wegen  seines  gottesfürchtigen  Lebens  haßten. 

Herr  Aug.  v.  Löwis  führt  noch  andere  Märchenstoffe  an,  so  schreibt 
er  (S.  92) :  >Ungefähr  die  gleiche  Rolle  wie  der  Oheim  spielt  der  noch  unver- 
heirateten Heldin  genenüber  auch  die  Frau  des  Bruders.  Die  Motivierung 
ist  gewöhnlich  die,  daß  der  Bruder  seiner  Schwester  mit  wärmster  Liebe 
zugetan  ist,  weshalb  seine  Frau  sich  benachteiligt  glaubt,  und  durch  die 
schwersten  Verleumdungen  erreicht,  daß  die  Heldin  fortgejagt  wird».  In  dem 
betreffenden  Abschnitt  vom  deutschen  Märchen  geschieht  davon  keine  Er- 
wähnung, und  wirklich  ist  dieser  Stoff  auffallenderweise  bei  den  Deutschen 
nicht  nachgewiesen,  obzwar  er  wieder  in  Westeuropa  auftritt  und  bis  auf 
die  Insel  Mauritius  und  zu  den  Suaheli  vorgedrungen  ist;  bei  den  Südslaven 
wurde  er  bekanntlich  zur  Grundlage  einer  Reihe  von  epischen  Liedern,  (vgl. 
Bolte-PolivkaAnmerk.  Grimm  K.H.M.I,  306,  310).  Auffallend  ist  des  Verfassers 


V.  Löwis,  Held  im  deutsch,  u.  russ.  Märchen,  angez.  v.  Polivka.      291 

Bemerkung  (S.  132)  »vollständig  fehlt  R  das  Drosselbartmärchen»;  auf  groß- 
russischem Boden  scheint  es  freilich  unbekannt  zu  sein,  seine  literarische 
Bearbeitung  entstand  wonl  auf  westrussischem  Boden,  doch  ist  es  bei  den 
Weiß-  und  Kleinrussen  belegt  (Anmerk.  Grimm  K.H.M.  I,  449).  Auf  S.  117 
schreibt  der  Verfasser  »Verbreitet  ist  auf  russischem  Boden  nur  der  Typus 
'der  singende  Knochen'  und  scheint  hier  seit  langem  heimisch  zu  sein,  während 
die  einzige  mir  bekannte  Variante  zum  Machandelboom  (Manzura  S.  57)  wohl 
auf  jüngerem  Import  beruhen  dürfte«.  Gewiß  mit  Unrecht,  in  der  Anmerk. 
K.H.M.  I,  419  habe  ich  einige  klein- und  weißiussische  Fassungen  angeführt. 
Bei  dem  Helden  des  deutschen  Märchens  wird  »die  mehr  passive  Standhaftigkeit 
und  Empfindung8losigkeit<  hervorgehoben,  »gegenüber  dem  fürchterlichsten 
Spuk,  den  der  Held  in  meist  drei  Proben  über  sich  ergehen  lassen  muß,  um 
dadurch  die  ihm  bestimmte  Jungfrau  zu  erlösen«  (S.  40).  Von  dem  Helden 
des  russischen  Märchens  hebt  der  Verfasser  aus  der  Reihe  seiner  idealen 
Eigenschaften  »Standhaftigkeit  und  Furchtlosigkeit«  hervor,  »verbunden  mit 
der  Fähigkeit,  Qualen  und  Spuk  wortlos  zu  ertragen.  In  drei  Proben  wird 
der  Held  versucht  und  fast  übersteigen  sie  seine  Kräfte,  aber  im  letzten  Augen- 
blick kräht  der  Hahn  und  die  Gespenster  oder  die  zu  erlösende  leichen- 
fressende Zarentochter  sind  durch  das  Dämmern  des  jungen  Tages  unschäd- 
lich gemacht«  (S.  99).  Es  würde  demnach  scheinen,  als  ob  der  Märchenstoff 
von  der  Prinzessin  im  Sarg  den  Deutschen  fremd  wäre,  gewiß  irrtümlich,  vgl. 
neuestens  Dr.  Hans  Siuts  Jenseitsmotive  170.  —  Das  auf  S.  92  Anm.  aus 
Afanasjev  zitierte  Motiv  vom  Ausbrüten  von  Knaben  aus  Eiern  kennt  gleich- 
falls die  deutsche  Volksüberlieferung,  so  Vernaleken  K.H.M.  73  Nr.  15. 
Die  Auslegungen  des  Verfassers  vom  »Marienkind«  (Grimm  K.H.M.  Nr.  3)  sind 
nicht  zutreffend  (S.  46,  106);  er  führt  bloß  eine  Fassung  an,  worin  das  ver- 
stockte Mädchen  vor  dem  drohenden  Tod  sein  Vergehen  einbekennt,  nicht 
aber  die  andere,  wo  das  Mädchen  eben  durch  das  hartnäckige  Läugnen  die 
Gevatterin  erlöst,  vgl.  nun  die  Darlegung  Joh.  Bolte's  in  den  Anmerk.  Grimm 
K.H.M.  1, 14  und  meine  bei  denMärchen  aus  Glatz  von  Kubin  (Povidkykladsk^) 
II,  204  Nr.  60  (Närodopisny  Vestnik  VII  Beilage). 

Mit  vollem  Recht  hat  der  Verfasser  (S.  76)  die  besondere  Vorliebe  des 
russischen  Märchenerzählers  für  den  stilistischen  Schmuck  seiner  Erzählung 
hervorgehoben  und  als  eines  seiner  beliebtesten  Mittel  die  Namengebung  an- 
geführt. Er  zählt  eine  große  Anzahl  von  Namen  auf,  mit  welchen  die  Helden, 
seltener  die  Heldinnen,  bezeichnet  und  vielfach  auch  charakterisiert  werden. 
Er  erschöpfte  zwar  nicht  das  reiche  Material,  aber  führt  doch  einerseits  die 
am  meisten  gebrauchten  und  die  charakteristischsten  an  und  andererseits  sind 
die  Namen  glücklich  nach  Ursprung  und  Bedeutung  gruppiert,  wie  auch  richtig 
erklärt,  durch  gelungene  deutsche  Übersetzung  dem  der  russischen  Sprache 
unkundigen  Leser  näher  gebracht.  Der  Verfasser  besprach  gleichfalls  die 
Namengebung  der  deutschen  Märchenhelden  (S.  15)  und  berührte  hierbei  die 
Frage  von  der  Benennung  der  Helden.  Er  bemerkte  (S.  20):  »man  wird  doch  wohl 
zögern  müssen,  die  Namenlosigkeit  als  eine  Forderung  des  neueren  deutschen 
Märchenstils  anzuerkennen  und  in  ihr  ein  Hauptmerkmal  zu  erblicken,  das 
Märchen  von  Sage  scheidet,  wie  es  bisher  meist  geschehen  ist«  und  stellte  die 

19* 


292  Kritischer  Anzeiger. 

Fragen:  »Sind  alle  diese  Namen  Überbleibsel  aus  einer  Zeit,  wo  jeder  oder 
doch  mindestens  jeder  bäuerliche  Märchenheld  benannt  wurde,  oder  istNamen- 
losigkeit  das  Prius  gewesen?  Haben  sich  aus  der  Zeit  allgemeiner  Benennung 
wenigstens  die  damals  allergewühnlichsten  Namen  (Hans,  Peter  u.  a.)  bis  in 
unsere  Zeit  hinein  erhalten  oder  sind  auch  diese  erst  verhältnismäßig  junge 
Neubildungen?«  Am  Schlüsse  seines  Buches  kehrt  der  Verfasser  zu  dieser 
Frage  zurück  und  kommt  zu  dem  Ergebnis  (S.  129),  es  scheine  »nicht  als  un- 
wahrscheinlich, daß  auch  die  ursprünglich  individuell  gemeinte  Namengebung 
ein  altes  Stilmittel  der  russischen  und  wohl  auch  deutschen  Märchenerzähler 
gewesen  sei,  das  erst  im  Laufe  der  jüngeren  Entwicklung  allmählich  zugunsten 
der  heute  typischen  Namenlosigkeit  aufgegeben  worden  ist.  Hierbei  dürften 
die  Namen  Johann  (Hans)  und  Ivan  als  die  geläufigsten  und  besonders  auch 
in  bäuerlicher  Sphäre  verbreiteten  zuerst  aufgenommen  oder  mit  einem  Stoff 
von  außen  hereingetragen  worden  sein,  denen  später  die  nie  rastende  Er- 
findungsgabe der  Professionals  weitere  hinzu  gesellte  um  dem  Unterhaltungs- 
bedürfnis entgegenzukommen  . . .«.  Dem  letzten  Satze  könnten  wir  ein  Frage- 
zeichen beifügen,  unserer  Vermutung  nach  könnten  mit  mehr  Recht  die 
typischen  Namen,  die  Namen  welche  den  Ursprung  oder  die  Eigenschaften 
der  Helden  bezeichneten,  für  älter  und  ursprünglich  gehalten  werden. 

Es  ist  auffallend,  daß  der  Verfasser  bei  diesen  seinen  Untersuchungen 
die  Namen  der  mit  übernatürlichen  Kräften  ausgestalteten  Gefährten  des 
Helden  überging.  In  den  deutschen  Fassungen  haben  sie  freilich  keine  eigent- 
lichen Namen,  sondern  werden  nach  ihren  Eigenschaften  und  Künsten  be- 
nannt, wie  Jäger,  Bläser,  Laufer  (Grimm  Nr.  71)  Scharfschütz,  Schnellläufer 
(Curtze  76),  Tannendreher,  Felsenklipperer  (Grimm  Nr.  16ti),  Steenklöwer, 
Bretsager,  Holtklöwer  (Müllenhoff  437),  Bergschieber,  Baumausreißer,  Stein- 
hauer (Jahn  121),  selten  sindNamen,  die  schon  wie  wirkliche  Namen  umgestaltet 
sind:  Blasius Pausback (Simrock D.M.  186), Mülstäan-Hans'l,  Hulzhacka-Sepp'l 
(Blinker  298). 

Auch  in  den  russischen  Fassungen  sind  die  Gefährten  nach  ihren  Künsten 
und  Fähigkeiten  benannt,  tragen  Namen  die  sonst  im  Sprachgebrauch  geläufig 
sind,  doch  sind  diese  Namen  größtenteils  umgestaltet,  daß  sie  wirklichen 
Namen  gleichen.  Soz.B.klruss.Sluchälo,  Objidalo,  Obpyvalo  (Pya'ieHKo 
II,  80),  Posovajlo,  Pojidajlo,  Popyvajlo  (Nowosielski  I,  271);  wruss. 
Objidalo,  Obpivalo  (PoManoBt  VI,  261),  Abzora,  Abpojik  {Jioo-poBOJi-h- 
ckIü  I,  429),  Vodopoj,  Prozora  (PoMauoBt  III,  131).  Ähnliche  Bedeutung 
hat  gewiß  auch  Devet'pil  (OaiyK.  96)  etwa  , der  Neuntrinker'.  Dem  deut- 
schen Tannendreher  u.a.  entsprechen  die  kleinruss.  Vernydub,  Verny- 
hora  (MaHHvypa  43,  ^lyöuHCKifi  II,  265),  Verny  voda  (^lyouHCKift  II,  266),  wruss. 
Irvidub,  Vjarnihora  (PoMauoBi.  III,  70),  Vjarnikamin  (IIIeiiHi.  II,  112), 
Vjarnihor,  Lomikamjan,  Lomizjalezo  (PoManoBi,  III,  76),  auch  klruss. 
Vertodub,  Vertohor  (x^eaH.s  I,  69),  Eozomnyzelizo,  Rospychahora 
Zahatyvoda  (ilparoMaHost  1,257),  wruss.  Zapryhora,  (Federowskin,332!, 
Zapryvod  (PoMaHOB-i.  VI,  320),  grruss.  Gorokat  (OHiyKOBi  96),  klruss.  Try- 
kamin  (IIIyxeBHq91,115),Rozlyjvoda  (ib.91),  Hnybuk  (ib.ll5);  wruss.Dov- 
hosost  (PoManoB-B  VI,261)  bedeutet  dasselbe  wie  sonst  Skorochod  [Aeana- 


V.  Löwis,  Held  im  deutsch,  u.  russ.  Märchen,  angez.  v.  Polivka.      293 

ci.eBx3l,  186).  Dafür  finden  wirnochwruss.Hara  vi  k,  Dubavik  (Ao6po6ojii,cKiH 
1,430,  PoManoBT.  VI,35G),  Horovik  (ib.VI,  273),  Dub-Dubovik,  Hora-Ho- 
ro vik  (ib.VI,  340),  neben  D  üb  ovik  noch  Durovi  k  (IIIeiiin,lI,8t)),  vereinzelt 
grruss.  Gornik  (AeauacLou-i,  I,  176),  wruss.  Kamjannik  (PoMaiioBi.  III,  70). 
Kecht  häufig  sind  die  Namen  Goryha,Dubyha  (Dp.icuBeiiHi.  127,  XysAKOBt 
11,40),  auch  als  Deminut.  Goryhuska,Dubynuska  (AeanacieEx  1, 1 76),  gleich- 
gebildet sind  die  vereinzelten  Lesiha  und  Jeleha  (von  cüb  Tanne,  ib.),  noch 
Dugiha(xoTL  KaKoc  ÄepcBO  TaKiB-BAyry  corHeTt  Aean.  1, 178).  Anders  gebildet 
wruss.  Horyn,  Dubin,  Kamin-bohatyr  (PoiiaHOB-B  VI,  12-5),  auch  Horun 
(o^HCTHTciL  ropi.,  ib.321).  Auch  bloße  Adjekt.  kommen  vor:  wruss.  Horovej, 
Lesovej  (PoMaHOBt  VI,  137).  An  einer  Stelle  (ib.  VI,  147)  lesen  wir  statt 
Vernihora  den  Namen  Rasetnikov,  wie  wäre  der  zu  erklären ?  Sehr  charak- 
teristisch ist  der  Name  Usyna  (Aean.  I,  176,  Sp-iciiBefiiit  127),  Vusyha  >mit 
dem  einen  Schnurrbart  hält  er  den  Strom,  mahlt  auf  zwölf  Steine,  und  den 
anderen  hält  er  unter  dem  Himmel  (PoMaHOBt  III,  131,  ähnlich  ^oöpoEo^BCKiä  I 
436).  Klr uss.  heißt  dieser  Held  P  r  u  t  y  u  s  >  er  warf  über  das  Meer  seinen  Schnurr- 
bart und  die  Menschen  gehen  so  hinüber«  (Manacypa  43),  auch  Prudyvus 
»mit  seinem  Schnurrbart  hieb  er  die  Gipfel  der  Bäume  ab<  (HyöuHCKiii  I,  213), 
Kruty  vus  (itparoManoBT,  256),  wruss.  noch  Zapryüa  »er  schloß  denMenschen 
das  Wasser  ab  und  ließ  es  nicht«  (Federowski  II,  332).  Der  Name  Zlatovus 
(PoManoB-b  III,  70)  ist  wohl  verderbt.  Vereinzelt  hat  der  Held  den  ganz  ein- 
fachen Namen  Vusac  (PoManoBi.  VI,  119). 

Außerdem  treten  im  russischen  Märchen  noch  Personifikationen  der 
Naturmächte  auf:  der  Wind  und  der  Frost  (Nowosielskil,  271,  Kolberg  Pokucie 
IV,  100),  der  Frost,  der  Hunger  und  die  Dürre  »Posucha«  (AparoManoBt  274); 
der  Frost  »Moroz«  heißt  auch  Studenec  (AeaH,  I,  169),  oder  hat  den  Namen 
cholobzda  (cHiroM  na  ;i;i!ip  xoacy  ^lyöuncKiß  II,  265,  Hrincenko  hat  nicht  das 
Wort  in  seinem  Wörterbuch,  es  ist  vielleicht  eine  Zusammenrückung  von 
cholod-  und  bzdity ,  (Ösao  bei  Hrincenko  raati  bt.  acejyaKi,  Birpti).  Stellen- 
weise haben  die  Helden  auch  Tiernamen:  Fliege,  Habicht  (Nowosielskil,  271) 
Lysyja  Mucha  (PoMaiiout  VI,  261)i). 

Aber  hie  und  da  sind  die  Gefährten  des  Helden  nicht  mit  besonderen 
Namen  bezeichnet,  z.  B.  bei  Oncukov  215,  265.  Namen  dieser  Art  wie  Verni- 
gora,  Vernidub,  Lomizelezo  u.  a.  sind  nicht  beschränkt  auf  die  russischen 
Märchen,  sondern  kommen  auch  in  polnischen  und  slowakischen  Fassungen 
vor,  ja  sogar  die  südslawischen,  besonders  serbischen  Fassungen  können  sich 
mit  ihnen  ausweisen.  Doch  von  weiteren  Ausführungen  über  dieses  Thema 
müssen  wier  hier  ablassen. 

Am  Ende  seines  Buches  (S.  125)  hat  der  Verfasser  die  Resultate  seiner 
Untersuchungen   zusammengefaßt   und  eine  allgemeine  Charakteristik  der 


')  Einige  wenige  dieser  Namen  sind  nach  Tupikov  CjioBapi.  ÄpeBiie-pyc- 
cKHxi,  .iHiHtixT.  coöcTBeHHtixT.  HMeHT.  aus  ältcrcr  Zeit  belegt:  Vetr  1495,  Golod 
1654,  Gornik  1601,  Gorjun  1565,  Dubina  1495  u.  a.,  Dubovik  1661,  Moroz  sehr 
oft  im  16.— 17.  Jh.,  Mucha  1500  u.  a.,  Skorochod  1500  u.  a.,  Usac  1654  neben 
öfteren  Us,  Usatoj,  Jastreb  1577. 


294  Ej-itischer  Anzeiger. 

deutschen  und  russischen  Märchen  gegeben.  In  dem  Eingange  seiner  »Ergeb- 
nisse« hob  er  hervor,  wie  wichtig  für  den  Volkskundler  und  Märchenforscher 
der  heimlich  belauschte  Vortrag  des  Erzählers  sei  und  die  Kenntnis  der 
Wirkung  des  Erzählten  auf  den  Ilörerkreis.  Unsere  Sammlungen  lassen  hier 
den  Forscher  fast  durchgehends  im  Stich;  am  besten  sind  hier,  wie  auch  in 
manch  anderer  Hinsicht,  die  Märchensammlungen  Rozdol'skyjs  und  Hnatjuks, 
aber  unserem  Verfasser  waren  sie  oflfenbar  nicht  zugänglich.  Was  seine  Cha- 
rakteristik des  deutschen  und  russischen  Märchens  betrifft,  wird  man  im 
großen  und  ganzen  mit  derselben  übereinstimmen  können.  In  Einzelheiten  wird 
weitere  Forschung  manchen  Strich  umgestalten,  verbessern,  retouschieren  oder 
auch  hinzufügen,  respektive  streichen  müssen.  Das  bleibende  Verdienst  desH. 
V.  Löwis  ist,  das  russische  Märchen  dem  fremden  Publikum  näher  gebracht, 
verständlicher  und,  wie  wir  hoffen,  auch  lieber  gemacht  zu  haben,  und  be- 
sonders, das  betrifft  auch  unsere  heimischen,  slawischen  gelehrten  Kreise,  zu 
neuem,  intensiveren  Studium  des  Märchens  von  neuem  Standpunkte  aus  an- 
geregt zu  haben. 

Prag,  April  1913.  G.  FoKoka. 


Dr.  Vladimir  Corovic,  Serbokroatische  Grammatik.    Berlin  und 
Leipzig  (Sammlung  Göschen  Nr.  638),  kl.  8«,  100  S. 

Diese  zeitgemäße  Publikation  entspricht  einem  schon  lang  gefühlten  Be- 
dürfhisse nach  einer  guten,  deutsch  geschriebenen  Grammatik  dieser  Sprache, 
die  insbesondere  infolge  der  allerletzten  Ereignisse  eine  viel  größere  Bedeu- 
tung und  Wichtigkeit  gewinnt,  daher  auch  unter  den  Deutshen  von  nun  an 
voraussichtlich  viel  mehr  wird  gelernt  werden,  als  dies  bis  jetzt  der  Fall  war. 
Da  die  Grammatik  zu  der  bekannten  Sammlung  gehört,  so  mußte  sich  C.  selbst- 
verständlich an  den  für  letztere  festgesetzten  Plan  halten,  hat  daher  eine 
knappe  Darstellung  der  wichtigsten  Erscheinungen  der  Sprache  selbst  ge- 
geben, die  vor  allem  dem  gebildeten  deutschen  oder  deutsch  lesenden  Publi- 
kum zugedacht  ist,  ohne  den  Zweck  zu  verfolgen,  zu  gleicher  Zeit  einen  prak- 
tischen Unterricht  zu  erteilen.  Speziell  hat  der  Autor  vielfach  die  Russische 
Grammatik  Bernekers  berücksichtigt,  die  als  die  erste  (und  bis  jetzt  einzige) 
grammatische  Darstellung  einer  slavischen  Sprache  in  derselben  Sammlung  er- 
schienen war;  es  wird  daher  auch  von  C.  eher  zu  viel  als  zu  wenig  der  slavisti- 
sche  Standpunkt  hervorgehoben,  denn  für  Slavisten  oder  Linguisten  ist  das 
kleine  Werk  gewiß  nicht  bestimmt  —  für  Leser  dieser  Art  enthält  es  allzu- 
wenig! — ,  und  dann  sind  die  wenigen  Bemerkungen  über  das  Verhältnis  der 
sbkr.  Laute  zu  den  »vorslavischen«,  »ursprünglichen«,  »alten»,  »einstigen« 
Lauten  (S.  9)  ganz  überflüssig,  wie  auch  die  sporadischen  Erwähnungen  von 
Unterschieden  zwischen  der  Literatur-  und  Volkssprache  (z.  B.  auf  S.  27  über 
HoaceM-HOHcoM)  entbehrlich  sind.  Dagegen  wäre  es  sehr  wünschenswert  ge- 
wesen, daß  der  schon  bei  Berneker  sehr  knappe  dritte  Teil  (»Das  Wichtigste 
aus  der  Syntax«)  nicht  noch  knapper  ausgefallen  wäre  (im  ganzen  12  Seiten!); 
wenigstens  die  Hauptpunkte  in  bezug  auf  den  Gebrauch  der  Verbalformen  und 


Corovic,  Serbokroat.  Grammatik,  angez.  v.  Resetar.  295 

der  Satzbildung  hätten  erwähnt  werden  sollen,  denn  dies  gehört  entschieden 
zum  »Wichtigsten  aus  der  Syntax«. 

Somit  enthält  das  Werk  in  der  Hauptsache  nur  eine  Darstellung  der  sbkr. 
Laut-  und  Formenlehre,  die  im  Großen  und  Ganzen  erschöpfend  und  richtig 
ist,  was  bei  einem  so  guten  Kenner  der  sbkr.  Sprache  wie  C.  so  gut  wie  selbst- 
verständlich ist.  Allerdings  im  Detail  wird  manches  bei  einer  neuen  Auflage 
ausgebessert  werden  müssen,  für  die  der  Autor  hoffentlich  auch  die  notwen- 
dige Zeit  zur  Verfügung  haben  wird,  was  bei  dieser  ersten  Auflage  nicht  der 
Fall  gewesen  zu  sein  scheint,  da  die  meisten  einer  Korrektur  bedürftigen 
Stellen  auf  allzuhastige  Ausarbeitung  (vielleicht  handelte  es  sich  um  eine 
Terminarbeit!)  oder  auf  sehr  schnelle  Lesung  der  Bürstenabzüge  zurückzu- 
führen sind.  Auf  diesen  letzteren  Umstand  möchte  ich  vor  allem  die  häufigen 
sehr  störenden  Fehler  in  der  Akzentbezeichnung  zurückführen,  obschon  auch 
falsche  Akzentbezeichnungen  vorkommen,  die  nicht  auf  diese  Weise  erklärt 
werden  können,  so  z.  B.  wenn  auf  S.  23  Hüko  (es  sollte  heißen  Hiino]  unter 
den  Beispielen  für  den  langen  fallenden  (!)  Akzent  angeführt  wird.  Außerdem 
mache  ich  noch  auf  einige  Stellen  aufmerksam:  das  auf  S.  7  formulierte  Gesetz, 
daß  urslav.  e  im  jekavischen  Dialekte,  das  »vor  einem  Vokal  oder  vor  den  Konso- 
nantenj  und  (^zu  stehen  kommt,  immer  regelmäßig  zu  jwird«,  ist  nichtrichtig: 
nur  vor  0  (aus  silbenschließendem/)  und  7  und  nur  außerhalb  der  Komposi- 
tion wird  e  zu  i:  vidio  [videh],  grijati[grejati);  vor  r? bleibt  das  e  erhalten:  reiti- 
rj'edi;  vjeda-veäa.  Bei  Anführung  der  Überreste  des  Dualis  (S.  25)  hat  C.  ge- 
rade auf  die  gewöhnlichste  Dualform  vergessen:  dta  hrata  usw.;  es  ist  daher 
nicht  richtig,  wenn  er  (S.  57)  sagt:  »nach  dm,  mj)ü,  nemupu  steht  das  zugehörige 
Substantiv  im  gen.  Sg.«:  dca  brata  ist  eben  der  Nom.  acc.  des  Dualis,  eben- 
so dva  imetia,  wobei  die  Neutra  die  Endung  -a  der  Masculina  angenommen 
haben;  die  <;-  Stämme  hingegen  haben  in  diesem  Falle  den  Dualis  durch  den 
Nom  acc.  pl.  ersetzt:  dvije  (ßace  (der  Gen.  Sg.  lautet  ja  (jldve\].  Was  aber  auf 
S.  26  gegen  die  Aufstellung  von  Genusregeln  vorgebracht  wird,  ist  vollkommen 
unbegründet,  es  lassen  sich  vielmehr  sehr  einfache  Genusregeln  aufstellen, 
wobei  es  nur  genügt,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  von  den  im  Nom.  sg. 
konsonantisch  auslautenden  Substantiven  eine  relativ  geringe  Anzahl  weib- 
lichen Geschlechtes  ist.  Ganz  unzulänglich  ist,  was  auf  S.  57  über  die  Haupt- 
zahlen auf -tVa  und  -ero  gesagt  wird;  zunächst  sollte  man  nach  der  vorliegen- 
den Textierung  meinen,  daß  für  die  Zahlen  2 — 4  die  entsprechenden  Formen 
[dünjica,  dvoje  usw.)  nicht  vorhanden  seien,  dann  wird  daraus  niemand  (der  es 
nicht  schon  weiß!)  klug,  wie  und  wann  man  diese  Hauptzahlen  im  Sbkr.  an- 
wendet. Schwach  im  Allgemeinen  ist  die  Darstellung  der  Bildung  der  Verbal- 
formen ;  zunächst  hätte  auf  den  besonders  bei  den  sekundären  Verben  so  wich- 
tigen Unterschied  zwischen  Präsens-  und  Infinitivstamm  aufmerksam  gemacht 
und  genau  gesagt  werden  sollen,  von  welchem  Stamme  die  einzelnen  Formen 
gebildet  werden;  besonders  mangelhaft  ist  die  Erklärung  der  Bildung  des 
Aoristes  und  Imperfektums  —  dieser  beiden  Formen,  die  auch  den  meisten 
Slaven  fremd  sind  — ,  dann  des  Verbalsubstantivs  (S.  84) ;  wie  Ö.  die  Sache 
darstellt,  kann  der  Lernende  nicht  wissen,  ob  z.  B.  das  Imperfekt  und  der 
Aorist  vom  Infinitiv  zvati,  vidjeti,  kujiovafi  oder  vom  Präsens  zovem,  vidim, 


296  Kritischer  Anzeiger. 

kupujem  gebildet  wird.  Charakteristisch  aber  für  die  Eile,  mit  der  das  Buch 
geschrieben  wurde,  ist  der  Umstand,  daß  Ö.  (auf  S.  60),  wohl  nach  Bernekers 
russischer  Grammatik,  auch  von  einem  Partizip  praes.  passivum  spricht 
und  'S.  66)  bjeh  zu  den  Aoristformen  rechnet.  Auch  das,  was  über  hudem  als 
»Futurum<  (S.  75),  sowie  als  Hilfszeitwort  zur  Bildung  des  zusammengesetzten 
Futurums  (S.  77)  gesagt  wird,  müßte  gründlich  geändert  werden,  denn  sonst 
könnte  jemand  wirklich  glauben,  daß  >6yjeM  Aohu-ich  werde  kommen«  auch 
in  Hauptsätzen  möglich  ist!  Dies  und  noch  anderes  sollte  eben  im  Kapitel 
»Das  Wichtigste  aus  der  Syntax«  auseinandergesetzt  werden.  Ich  glaube  so- 
mit schon  durch  diese  wenigen  Bemerkungen  mein  Urteil  begründet  zu  haben, 
daß  das  Buch  zu  schnell  verfaßt  und  zu  flüchtig  korrigiert  worden  ist. 

M.  Ri  setar. 


Die  Namen  Wiens  (aus  den  Berichten  und  Mitteilungen  des 
Altertumsvereins  zu  Wien.  Bd.  XLV,  S.  3—57). 

Der  ungenannte  Autor  sucht  die  Namen  zu  erklären,  die  der  Stadt  Wien  in 
den  verschiedenen  Sprachen  zukommen.  Inbezug  auf  den  Namen  Vindobona 
akzeptiert  er,  im  Gegensatze  zu  Grienberger,  die  schon  von  Zeuss  gegebene 
Erklärung  und  deutet  auch  die  älteste  deutsche  Form  Vienne  als  keltisch 
vienne  »grabenartige  Vertiefung,  Wildbach«,  womit  —  was  schon  von  ande- 
ren angenommen  wurde  —  ursprünglich  der  Fluß  Wien  und  nach  diesem  die 
Stadt  bezeichnet  worden  sei.  Inwiefern  diese  Deutung  des  Namens  Wien  aus 
dem  Keltischen  begründet  sei,  sollen  andere  beurteilen;  für  unsere  Zeitschrift 
ist  am  wichtigsten  die  vom  Autor  gegebene  Erklärung  der  slavischen  Namen 
Wiens,  wobei  er  vorzüglich  den  böhmischen  Namen  Vi  den  und  den  serbo- 
kroatischen Bec  berücksichtigt,  denn  die  übrigen  (Biiia  im  Russischen, 
BaeHaim  Bulgarischen  und  Dunaj,  eigentlich  >Donau«  im  Slovenischen)  be- 
dürfen keiner  Erklärung.  Während  nun  Grienberger,  nach  begründeter  Zurück- 
weisung der  von  Miklosich  angenommenen  Identifizierung  des  böhm.  Viden 
mit  dem  Namen  des  Bezirkes  Wieden,  an  dem  slavischen  Ursprünge  des 
Namens  festhält,  verteidigt  unser  Autor  sehr  eifrig  die  Ansicht,  daß  umgekehrt 
der  böhmische  Name  aus  dem  deutschen  Vienne  durch  Dissimilation  des 
->m-  zu  -dn-  entstanden  sei.  Er  sucht  diese  Ansicht  durch  den  Hinweis  zu  be- 
kräftigen, daß  >das  Cechisch-Slovakische  eine  gewisse  Neigung  zur  Kombi- 
nation dn  aufweist  (S.  45)«,  was  entschieden  unrichtig  ist,  denn  das  ^echische 
nimmt  in  dieser  Beziehung  absolut  keine  Sonderstellung  unter  den  slav. 
Sprachen  ein.  Überhaupt  hat  der  Autor  sehr  konfuse  Begriffe  von  slavischen 
Lautgesetzen,  so  daß  sein  Mut,  über  slavische  Wortformen  zu  urteilen,  sehr 
befremdet;  ich  erwähne,  daß  er  z.  B.  das  d  in  böhm.  dlouhy  für  sekundär 
hält  (S.  46),  und  in  den  >Nachträgen«  als  schlagendes  Beispiel  für  die  Ent- 
wicklung eines  ebensolchen  sekundären  d  vor  n  cech.  prazdno  gegenüber 
sbkr.  prazno  anführt!!  In  Fragen  somit,  wo  eine  noch  so  bescheidene  Kennt- 
nis der  slav.  Lautgesetze  notwenig  ist,  kann  der  Autor  nicht  mitreden;  er  hat 
somit  die  Behauptung  Grienbergers  garnicht  entkräftet,  daß  es  viel  leichter 
ist,  das  deutsche  Vienne  aus  dem  böhm.  Viden  durch  Assimilation  des  -dn- 


Die  Namen  Wiens,  angez.  v.  Resetar.  297 

zu  -WM-  als  umgekehrt  Vi  den  aus  Vienne  durch  Dissimilation  des  -7in-  zu 
•dn-  zu  erklären.  In  der  Tat  dürfte  es  kaum  gelingen  aus  irgend  einer  slav. 
Sprache  ein  Beispiel  zu  finden,  wo  auf  diese  Weise  aus  -nn-  ein  -dn-  entstanden 
wäre.  Man  darf  ferner  nicht  vergessen,  daß  das  n  im  böhmischen  Namen  pa- 
latal,  im  deutschen  dagegen  nicht  palatal  ist;  es  ist  somit  auch  von  dieser 
Seite  wahrscheinlicher,  das  der  deutsche  Name  aus  dem  böhmischen  geflossen 
ist,  als  umgekehrt,  denn  es  ist  jedenfalls  wahrscheinlicher,  daß  die  Deutschen 
das  ihrer  Sprache  fehlende  n  durch  ihr  «,  als  daß  die  Slaven  das  aucli  im  Sla- 
vischen  so  gewöhnliche  n  durch  ein  ü  ersetzten.  Solange  also  nicht  aufbessere 
Art  die  Möglichkeit  der  Entwicklung  der  böhmischen  Form  aus  der  deutschen 
begründet  wird,  wird  man  wohl  bei  Grienbergers  Annahme  bleiben  müssen, 
daß  die  letztere  Form  aus  der  ersteren  abzuleiten  ist.  Ist  das  aber  richtig, 
dann  ist  dies  selbstverständlich  ein  sehr  gewichtiges  Argument  für  die  vielfach 
(auch  von  deutschen  Forschern)  vertretene  Ansicht,  daß  vor  der  Besitzergreifung 
Niederösterreichs  durch  Karl  den  Großen  das  ganze  Land  von  Slaven  be- 
wohnt war. 

Was  ist  aberViden?  Da  wir  jetzt  wissen,  daßWieden  sachlich  und 
sprachlich  in  keinem  Zusammenhange  damit  steht,  so  suchte  Grienbergerauch 
dafür  ein  slavisches  Etymon  und  wollte  den  slav.  Namen  Wiens  mit  slav. 
vedro  >Eimer«  in  Zusamenhang  bringen,  was  aber  wenig  überzeugend  ist. 
Deswegen  möchte  ich  auf  eine  von  Wessely  in  den  Blättern  des  Vereines 
für  niederösterr.  Landeskunde  Bd.  27,  S.  125,  ausgesprochene  An- 
sicht zurückkommen,  daß  der  böhm.  Name  direkt  auf  Vindo bona  zurück- 
gehe, indem  W.  annahm,  das  ü  der  altböhm.  Form  Vieden  sei  aus  slav.  f  für 
fremdsprachiges  iti  entstanden.  Die  Möglichkeit  einer  solchen  Annahme  ist 
um  so  mehr  zuzugeben,  als  es  hinlänglich  bekannt  ist,  daß  im  Slav.  aus  fremd- 
sprachigem in  ein  f  werden  kann  (ktnezi.  usw.);  daß  aber  speziell  die  Böhmen 
anch  zur  Zeit,  als  sie  mit  den  Deutschen  in  Berührung  kamen,  also  nachdem 
sie  in  Böhmen  usw.  sich  niedergelassen  hatten,  ans  fremdsprachigen  Laut- 
verbindungen Nasale,  bezw.  deren  böhmische  Reflexe  entwickeln  konnten, 
beweisen  uds  Beispiele  wie  Chub  bei  Kosmas  aus  deutschem  Kamb  durch 
Vermittlung  von  *Chob  (vgl.  Gebauer,  Eist,  mluvn.  I,  44).  Sonst  würde  die 
Entwicklung  der  fremdsprachigen  Silbe  vind-  zu  böhm.  vied-  durch  Ver- 
mittlung eines  ved-  keinen  Schwierigkeiten  begegnen,  denn  die  älteste  böhm. 
Form  des  Namens  ist  Wyednye  (aus  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrb.), 
also  nach  der  neueren  Graphik  Viedne,  d.  i.  Viedne,  worauf  sich  erst  im 
Nom.  Acc.  sg.  die  nach  Art  der  i-Stämme  gebildete  Form  Vied  eh  (gen.  fem.!) 
und  aus  dieser  nach  dem  bekannten  böhm.  Lautgesetz  das  gegenwärtige  Vi  d  e  ii 
entwickeitel).  Da  also  hinter  dem  f  eine  weiche  Silbe  folgte,  so  wurde  im 
Böhm,  aus  *Vedna  eben  Viedne  und  nicht  etwa  *Vadna,  wie  auch  z.  B.  von 
urslav.  vedn9ti  im  Infinitiv  im  Altböhm,  wohl  ein  vadni'iti  mit  a  vor  der 


1)  Auf  dieser  Form  Vieden-Videh  beruht  das  poln.  Wieden,  bezw. 
(wie  mich  Brückner  aufmerksam  macht)  das  altpoln.  Vi  den,  das  als  Masku- 
linum aufgefaßt  wurde,  was  übrigens  auch  in  böhm.  Dialekten  Mährens  und 
Schlesiens,  sowie  im  Slovakischen  geschehen  ist. 


298  Kritischer  Anzeiger. 

harten  Silbe  -dnu-,  aber  in  der  2.  eg.  praes.  vednes  mit  e  vor  der  weichen 
Silbe -dn  es  wurde.  Dadurchistnnr  die  Möglichkeit  erwiesen,  das  böhm.vied- 
direkt  auf  vind-  zurückzuführen;  somit  gewinnt  auch  die  Annahme  an  Wahr- 
scheinlichkeit, daß  das  ganze  Vi e d n e  in  ultima  analysi  doch  auf  Vindobona 
zurückgehen  kann;  allerdings  stehen  die  beiden  Formen  ziemlich  weit  von- 
einander, doch,  um  ihr  Verhältnis  richtig  auffassen  zu  können,  müßten  wir 
zuerst  wissen,  wie  zur  Zeit,  als  die  Böhmen  auf  die  Stelle  kamen,  wo  jetzt 
Wien  steht,  der  Name  des  Flusses,  bezw.  der  Ortschaft  (wenn  es  eine  solche 
zu  der  Zeit  gegeben  hat !)  im  Munde  der  Leute  lautete,  welche  dort  von  den 
Böhmen  vorgefunden  wurden,  das  aber  wissen  wir  eben  nicht!  Daß  aber  geo- 
graphische Namen  beim  Übergehen  von  Volk  zu  Volk  häufig  sehr  stark  um- 
gemodelt und  auch  verstümmelt  werden,  ist  eine  genügend  bekannte  Tatsache; 
als  ein  klassisches  Beispiel  hierfür  kann  der  Name  der  römischen  Stadt 
Aquae  Sextiae  in  Südfrankreich  dienen,  der  im  Französischen  zu  Aix, 
nach  der  heutigen  Aussprache  ciks  oder  auch  nur  äs  zusammengeschrumpft  ist! 
Bezüglich  des  sbkr.  Namens  Bec  ist  der  Autor  auf  den  wenig  glück- 
lichen Gedanken  gekommen,  von  dem  allgemein  angenommenen  ungarischen 
Ursprünge  des  Wortes  abzusehen,  angeblich  weil  letzteres  aus  dem  Ungari- 
schen nicht  erklärt  werden  könne,  und  hierfür  ein  slavisches  Etymon  zu  suchen. 
Was  nun  die  erstere  Frage  anbelangt,  so  vergleiche  man,  was  darüber  Simonyi 
im  Werke  Die  ungarische  Sprache  (Straßburg  1907,  S.  92)  sagt,  woraus 
hervorgeht,  das  Becs  als  >Wien<  mit  dem  Appellativum  becs,  das  den 
äußersten  Teil  einer  Ortschaft  bedeutet,  identisch  ist.  Jedenfalls  ist  diese 
Etymologie  viel  sicherer  als  die  vom  Autor  vorgeschlagene,  der  Bec  mit  slav. 
bezati  in  Zusammenhang  bringen  möchte,  —  eine  Etymologie,  die  nur  von 
jemand  aufgestellt  werden  kann,  der  e  von  e  (i)  im  Slavischen  nicht  genau  zu 
unterscheiden  vermag,  und  zu  deren  Begründung  dervollkommen  unbegründete 
Satz  garnicht  beiträgt,  daß  die  vor  der  Ankunft  der  Magyaren  in  Pannonien  bis 
in  die  Nähe  Wiens  lebenden  Slaven  >der  Hauptsache  nach  Kroaten  (S.  52)«  waren, 
die  den  (NB.  aus  bezati  gebildeten!)  Namen  Bec  den  Magyaren  übergeben 
hätten.  —  Insofern  sich  also  der  Autor  mit  dem  slavischen  Namen  der  Stadt 
Wien  beschäftigt,  bedeutet  seine  Schrift  absolut  keinen  Fortschritt,  denn 
weder  hat  er  die  von  Grienberger  vorgebrachte  Ansicht  umgestoßen,  daß 
Wien  aus  Vieden,  und  nicht  umgekehrt,  abzuleiten  sei,  noch  hat  er  mit 
sprachlichen  oder  historischen  Argumenten  wahrscheinlich  gemacht,  daß  die 
bei  den  Serbokroaten  übliche  Benennung  Bec  einheimischen  und  nicht  ma- 
gyarischen Ursprunges  sei.  31.  liesetar. 


V.  Hruby:  Vergleichende  Grammatik  der  slavischen  Sprachen. 
Ein  praktisches  Behelf,  alle  slavischen  Sprachen  in  Wort  und 
Schrift  zu  verstehen.    A.  Hartlebens  Verlag.    2  Mk.    (Ohne  Jahr). 

Die  bei  Hartleben  erscheinende  >Bibliothek  der  Sprachenkunde«  ent- 
hält Grammatiken  und  einige  Wörterbücher  auch  der  wichtigeren  slavischen 
Sprachen.   Freilich  sind  diese  von  recht  verschiedenem  Werte,  z.  B.  möchte 


Hruby,  Vergl.  Grammatik  d.  slav.  Sprachen,  angez.  v.  Hanisch.      299 

ich  weder  die  polnische  noch  die  russische  empfehlen:  fürs  Eussische  ist  bei 
noch  größerer  Billigkeit  Bernekers  kurzes  Lehrbuch  und  seine  Chrestomathie 
in  der  »Sammlung  Göschen«  eine  ungleich  bessere  Einführung.  Besser  sind 
die  »Grammatik  der  böhmischen  Sprache«  von  Kunz,  obwohl  ich  das  gänz- 
liche Fehlen  der  Syntax  doch  für  bedenklich  halte,  dann  die  Behandlung  des 
Lettischen  von  Brentano.  In  Hruby's  Vgl.  Grammatik  haben  wir,  bei  manchen 
Einwendungen  im  einzelnen,  ein  treffliches  Buch,  welches  seinen  Zweck,  den 
praktischen  Bedürfnissen  Rechnung  zu  tragen,  gut  erfüllen  wird. 

Der  Verfasser  hat  bereits  eine  »praktickä  rukojet  srovnavaci  jazykuv  slo- 
vanskych«  herausgegeben,  welche  gute  Aufnahme  gefunden  hatte:  die  »Vgl. 
Grammatik  der  slav.  Sprachen«  ist  nun  eine  verbesserte  Bearbeitung  jenes 
Werkes.  H.  will  nun  allen  denen  ein  praktisches  Hilfsmittel  in  die  Hand 
geben,  welchen  es  auf  das  Verstehen  (nicht  auf  das  Sprechen)  der  Slavinen 
ankommt.  »Indessen  konnte  das  Bedürfnis  der  studierenden  Jugend,  sowie 
das  Bedürfnis  derjenigen,  welche  zum  Zwecke  des  Studiums  der  Slavistik 
einer  kurzgefaßten,  übersichtlichen  Materialiensammlung  benötigen,  nicht  aus 
den  Augen  gelassen  werden.  Doch  geschieht  dies  in  einer  Art,  daß  der 
praktische  Zweck  darunter  nicht  leide«.  Diese  Bemerkung  rechtfertigt  die 
Erwähnung  des  Buches  auch  im  »Archiv  f.  slav.  Philologie«. 

Nach  einer  kurzen  »Einleitung«  (pg.  2—6)  wird  im  ersten  Abschnitt 
(pg.  7 — 89)  die  Lautlehre  behandelt  und  zwar  zunächst  in  vergleichender 
Weise  (pg.  7 — 32)  und  dann  in  Beziehung  auf  jede  einzelne  Sprache  (pg.  33  bis 
89),  nämlich:  Czechisch,  Polnisch,  Serbisch  und  Kroatisch,  Slo venisch. 
Großrussisch,  Kleinrussisch.  Nur  anhangsweise  (pg.  168 — 184)  ist  »Lausitzisch« 
und  Bulgarisch  abgetan. 

Der  zweite  Abschnitt  (pg.  89—168)  enthält  im  allgemeinen  Teil  (pg.  89 
bis  99)  das  Wichtigste  aus  der  Flexion,  Wortbildung,  sowie  syntaktische  und 
phraseologische  Bemerkungen,  während  pg.  100—168  die  diesbezüglichen  Be- 
sonderheiten der  einzelnen  Slavinen  zur  Sprache  kommen.  Kurze  prosaische, 
einige  poetische  Lesestücke  dienen  zur  praktischen  Einübung  der  gegebenen 
Eegeln.  Bei  der  Anordnung  des  Lehrstoffes  ist  zu  beanstanden,  daß  in  dem 
ersten,  die  Lautlehre  behandelnden  Abschnitt  »Grammatikalische  Vor- 
bemerkungen über  Hilfszeit-,  Bei-  und  Fürwörter«  (pg.  30—32)  untergebracht 
sind,  während  umgekehrt  im  zweiten  Abschnitt  -h  und  b  und  ähnliche  lautliche 
Dinge  (pg.  89 — 92)  an  der  Spitze  stehen.  Der  Grund  dieser  Prinzipiendurch- 
brechung liegt  offenbar  darin,  daß  der  Verfasser  von  der  Theorie  der  Praxis 
zuliebe  abweichen  wollte.  In  der  Transkription  sind  gelegentliche  Versehen 
unterlauten,  ich  finde  z.B.  pg.  11  als  polnisch  eine  Schreibung:  zywe,  pg.  12  des- 
gleichen ein  zyciem  und  ein  zydzieta  u.  a.  m.  Im  ersten  kleinrussischen  Lese- 
stück (CjoBiiHw  pg.  13)  begegnet  das  e,  dessen  Erklärung  hier  aber  fehlt.  In 
der  vergleichenden  Tabelle  pg.  21  f.  ist  es  doch  durchaus  unzulässig  als 
kirchenslav.  Formen  zu  geben :  m-Lch,  ottc,  pe8T.k  usw.  aber  Ixzl,  di.ni.,  ognt, 
slad-ikt,  dtski.  usw.  Bei  Erwähnung  des  russischen  Volllautes  (oro,  olo,  ele, 
ere)  pg.  25  hätte  die  Erklärung,  wenn  schon  auf  den  Akzent  verwiesen  wird, 
doch  etwas  deutlicher  ausfallen  dürfen,  als  nur  andeutend  (und  wohl  für  viele 
Benutzer  des  Buches  rätselhaft) :  »bei  den  Beispielen  (sbk.,  pol.,  russ.)  beachte 


300  Kritischer  Anzeiger. 

man  den  Akzent,  weil  sich  daraus  der  Grund  des  Tonwechsels  ergibt«.  Die 
südslavischen  Aorists-  und  Iraperfektsbildungen  sind  pg.  129  f.  ohne  jede  Be- 
ziehung zum  Ksl.  und  anderen  Slavinen  rein  deskriptiv  dargestellt. 

Manche  Redewendungen  hätten  besser  vermieden  werden  können,  so 
z.  B.  pg.  152  :  »Das  Russische  liebt  Komposita«  oder  gar  pg.  140:  >Das  Slove- 
nische  hat  gegen  den  freien  Instrumental  eine  Aversion«.  Solche  Wendungen 
gemahnen  an  die  Zeiten,  in  denen  der  Sprachgeist  in  den  Grammatiken  sein 
Wesen  trieb  — ,  das  schreckhafteste  Beispiel  dafür  ist  mir:  Szreniawas  Wort- 
forschungslehre der  polnischen  Sprache.  Auch  ist  zu  beanstanden:  »Unter 
den  .  .  .  Voraussetzungen  .  .  .  übergehen  sie  . .  .  in  die  weicheren  Vokale« 
(pg.  40  u.  oft).  Allerdings  findet  man  diesen  undeutschen,  manirierten  Ge- 
brauch von  >übergehen«  jetzt  schon  recht  häufig.  Der  grammatische  Fehler 
auf  dem  Titelblatt:  »Ein  praktisches  Behelf«  müßte  in  einer  Neuauflage,  in 
der  auch  noch  einige  unbedeutende  Druckfehler  (die  im  Verzeichnis  nicht  alle 
aufgenommen  wurden)  beseitigt  werden  könnten,  verbessert  werden. 

Im  ganzen  haben  wir  es  aber  doch  mit  einem,  seinem  Zweck  durchaus 
entsprechenden  Buche  zu  tun,  welches  zur  weiteren  Verbreitung  slavistischer 
Kenntnisse  unter  den  Deutschen  recht  geeignet  ist.  »Eine  ,slavische  Chresto- 
mathie' nebst  einem  Differenzialwörterbuche  soll  binnen  kurzer  Zeit  nach- 
folgen« versichert  der  Herr  Verf  unseres  (ohne  Jahreszahl  erschienenen) 
Werkes:  ich  warte  schon  über  ein  Jahr  darauf,  doch  hoffe  ich,  daß  das  Ver- 
sprechen bald  in  Erfüllung  geht. 

Beuthen  0,S.  E.  Hanisch. 

Staroslo  van.  Vierteljahrsschrift  zur  Pflege  der  altslavischeu  Sprache, 
Geschichte  und  Kultur.  —  I.  Jahrgang,  I.  Heft  mit  einer  Beilage: 
1.  Bogen  des  Werkes  »Slavische  Kunendenkmäler«,  Kremsier  1913. 
Druck  und  Verlag  von  H.  Slovak  in  Kremsier,  in  Kommission  bei 

Fr.  Ilivnac,  Prag. 

Das  erste  Heft  dieser  neuen  Zeitschrift  ist  am  15.  März  1913  erschienen 
und  enthält  auf  den  ersten  sieben  Seiten  das  Programm,  welches  mit  folgen- 
den Worten  beginnt:  »In  einer  unruhigen,  waffendröhnenden  Zeit,  hervor- 
gerufen durch  die  strebsamen  Slavenstämme  auf  dem  Balkan  .  .  .  reifte  die 
Idee  zur  Gründung  der  Zeitschrift  und  Bibliothek  »Staroslovan«  (=  >Alt- 
slave«).  Auch  wir  treten  hier  in  einen  Kampf  der  Selbsthilfe  .  .  .  mit  den 
Waffen  des  Geistes,  um  den  Widerstreit  der  Meinungen  zu  nivellieren  und 
der  Erkenntnis  jener  aus  dem  inneren,  naturgesetzlichen  Werden  hervorge- 
gangenen weltgeschichtlichen  Tatsachen  eine  Auferstehung  zu  erkämpfen,  die 
sich  aus  eigener  Kraft  nicht  zur  universellen  Geltung  emporzuringen  vermag. 
Das  Kampfobjekt  ist  hier  die  Frage:  sind  die  Slaven  Stammbewohner  in  Eu- 
ropa oder  nur  Einwanderer,  d.  h.  wie  soll  man  sich  die  schwere  Menge  sla- 
visch-sprachlicher  Belege  in  Europa  aus  dem  Altertnme  erklären,  wenn  die 
Slaven  erst  im  V.  Jahrh.  n.  Chr.  dahin  eingewandert  wären?«  Es  wird  nicht 
gleich  ersichtlich  sein,  inwiefern  die  Lösung  dieser  Frage  —  wenn  man  näm- 
lich das  eine  Frage  nennen  will  —  die  Neugründung  einer  Zeitschrift  recht- 


Staroslovan.  Vierteljahrsschrift,  angez.  v.  Hanisch.  301 

fertigen  könnte,  zumal  auf  der  letzten  Einbandseite  vom  Verlage  ein  einschlä. 
giges  Buch  empfohlen  wird:  Zunkovic ,  >Die  Slaven,  ein  Urvolk  Europas<. 
Verständlich  wird  das  aber  gleich  durch  das  Folgende:  »Die  Berufswissen- 
schaft dilettiert  leider  viel  zu  viel  mit  ungeprüften  Traditionen;  das  selbstän- 
dige, systematische  Nachdenken  bildet  selten  mehr  die  Grundlage  für  den 
Aufbau  streng  wissenschaftlicher  Führungsaufgaben,  daher  es  kommt,  daß 
ein  voreingenommenes,  schulmechanisch  fortwirkendes  Urteil  oft  umso  toll- 
kühner verteidigt  wird,  je  haltloser  sich  dasselbe  gestaltet,  nur  um  sich  das 
Umlernen  zu  ersparen.«  In  diesen  kräftigen  Worten  liegt  die  tiefere  Begrün- 
dung für  die  Notwendigkeit  der  neuen  Zeitschrift:  es  handelt  sich  nicht  allein 
um  jene  Frage,  sondern  um  einen  Kampf  gegen  die  Schlamperei ,  von  der  die 
heutige  Slavistik  ergriffen  ist,  um  ein  Eingen  nach  neuen  Grundlagen,  um 
einen  Feldzug  gegen  »die Irrlichter  dieser  geistigen  Desorientierung«  (S.2)  der 
Gegenwart. 

Mit  S.  8  beginnen  die  Abhandlungen,  so:  »Topische  Namen  der  altsla- 
vischen  Wurzel  >cer<,  »Slavische  Glossen  in  der  'Lex  Salica'«,  >Slavische  Ge- 
schichtsquellen I«  (hier  handelt  es  sich  um  »L.  A.  Gebhards  Vorrede  zur 
Geschichte  aller  wendisch -slavischen  Staaten',  Halle  1790,  die  zu  Nutz  und 
Frommen  der  Slavistik  von  Herrn  Dr.  A.  Kovacic  abgedruckt  und  'erläutert' 
wird,  um  zu  zeigen,  »inwieweit  sich  die  Ansichten  seither  zu  Ungunsten  der 
Slaven  ohne  sichtbaren  Grund  geändert  haben«),  »die  Ratfelstettner  Zollord- 
nung«, »die  Azbuka  in  der  Edda«,  »Schwayxtix.  —  Ein  Schulbeispiel  ober- 
flächlicher Forschungspflege«,  »Jus  primae  noctis  bei  den  Slaven«,  dazu  kom- 
men noch  verschiedene  Kleinigkeiten.  Dabei  zeigt  sich,  daß  den  Hauptanteil 
an  diesen  Darbietungen  Herr  M.  Zunkovic  hat;  er  ist  der  eifrigste  Mitarbeiter 
der  neuen  Zeitschrift,  in  ihm  dürfen  wir  daher  wohl  auch  den  geistigen  Nähr- 
vater der  neuen  Richtung  sehen. 

Herr  M.  Zunkovic  ist  den  Lesern  dieser  Zeitchrift  noch  aus  Bd.  XXXIII 
578 ft'.  bekannt,  wo  Jagiö  seinen  Versuch,  die  Grünberger  und  Königinhofer 
Handschrift  für  echt  zu  erklären  abwies.  Auch  die  neue  Zeitschrift  behandelt 
diese  längst  gelöste  Frage  S.71  f.  im  Zunkovicschen  Sinne,  d.  h.  also:  sie  ver- 
tritt durchaus  die  Echtheit  der  »herrlichen  altböhmischen  Dichtungen«. 
Unter  diesen  Umständen,  und  wohl  doch  überhaupt  bei  der  prinzipiellen 
Gegnerschaft  gegen  die  »Berufswissenschaft«  ist  es  nur  selbstverständlich, 
wenn  Herr  Zunkovic  in  einer  längeren  Anmerkung  S.  56  die  volle  Schale  seines 
Zornes  ausgießt  über  eine  Erklärung  von  52  Professoren  und  Dozenten  der 
böhmischen  Universität  in  Prag,  die  am  3L  Dezember  1911  diese  Hand- 
schriften als  zweifellos  gefälscht  hinstellten.  Herr  Zunkovic  muß  diesen 
Herren  insofern  alle  mildernden  Umstände  für  ihre  Schuld  von  vornherein 
versagen,  als  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  »daß  möglicherweise  kein  einziger 
dieser  Manifestanten  je  im  Leben  die  »gefälschten«  Handschriften  selbst 
näher  gesehen  oder  gar  eingehend  studiert  hat«,  da  nämlich  in  den  letzten 
20  Jahren  nur  drei,  vielleicht  vier  Personen  diese  Kuriosa  besichtigt  haben. 
Man  weiß  hierbei  wirklich  nicht,  ob  dieser  Grund  der  wissenschaftlichen 
Naivität  des  Herrn  Majors  Zunkovic  entstammt  oder  für  die  Unschuld  der 
Leser  des  »Staroslovan«  berechnet  ist.  Sollte  wirklich  Herr  Zunkovic  wissen- 


302  Kritischer  Anzeiger. 

echaftlich  so  harmlos  sein,  daß  er  glaubt,  zur  Untersuchung  der  Echtheits- 
frage einer  Urkunde  bedürfe  es  unbedingt  des  persönlichen  Augenscheins? 

Ich  erwähne  nur  noch  den  Aufsatz:  >Schwayxtix.  —  Ein  Schulbeispiel 
oberflächlicher  Forschnngspflege«,  in  dem  Herr  Zunkovic  die  streitbare  Feder 
besonders  gegen  Prof.  v.  Jagic  richtet,  der  »in  dem  Aufsatze  'Zur  slavischen 
Runenfrage'  (Arch.  f.  slav.  Philologie  1881)  alle  seine  Autorität  einsetzte,  um 
über  die  Rjetra-Altertümer  ebenso  autokratisch  den  Stab  zu  brechen,  wie 
späterhin  in  unglaublicher  Verblendung  auch  über  die  altböhmischen  Hand- 
schriften« (S.  53).  Wir  sehen:  immer  wieder  taucht  die  Echtheitsfrage  der 
beiden  Handschriften  auf.  So  fertigt  er  ihn  und  mit  ihm  die  ganze  Slavistik 
in  Bausch  und  Bogen  kurz  ab:  »Auf  welche  Fundamente  oder  Einflüsse  hin 
nun  Jagic  sein  Anathema  aufbaute,  ist  aus  nichts  zu  ersehen  und  übrigens 
heute  bereits  belanglos;  Tatsache  ist  aber,  daß  man  sich  seit  jener  Zeit  in 
slavenfeindlichen  Kreisen  trotzdem  stets  mit  großer  Sicherheit  auf  die  Ent- 
scheidung dieser  'Autorität'  beruft.  Sieht  man  aber  auch  von  der  mangelnden 
Gewissenhaftigkeit  bei  dieser  wissenschaftlichen  Nachkontrolle  im  allgemeinen 
ganz  ab,  so  ist  es  an  sich  ein  Unsinn  hier  die  Möglichkeit  einer  Fälschung  nur 
zu  vermuten«  usw. 

Der  wissenschaftliche  Wert  der  Artikel  dieser  neuen  Zeitschrift  ergibt 
sich  teils  schon  aus  den  Überschriften,  teils  aus  den  knappen  Andeutungen, 
die  ich  hier  gemacht  habe.  Wichtiger  und  beachtenswerter  als  die  Abhand- 
lungen erscheint  mir  aber  der  Ton,  auf  den  ich  durch  die  beigebrachten  wört- 
lichen Zitate  die  Aufmerksamkeit  der  Leser  des  »Archivs«  richten  wollte. 

Wenn  Herr  Zunkovic  sich  mit  den  Ergebnissen  der  heutigen  Slavistik 
nicht  befreunden  kann,  so  bleibt  es  ja  schließlich  sein  gutes  Recht,  in  Wort 
und  Schrift  den  Zwiespalt  zwischen  Wissenschaft  und  verletzter  hyperpatrio- 
tischer Empfindung  durch  ad  hoc  zugespitzte  Hypothesen  zu  überbrücken. 
Und  findet  er  bei  diesem  Bestreben  einen  willigen  Verleger,  dann  um  so  besser 
für  ihn.  Wenn  Herr  Zunkovic  aber  von  dem  Piedestal  seiner  völligen  wissen- 
schaftlichen Bedeutungslosigkeit  herab  in  vielfach  ungezogenem,  mit  törichter 
Überhebung  gemischtem  Tone  über  Gelehrte  von  unbestrittenem  Range  ur- 
teilt, 80  beginnt  die  lächerliche  Lehrhaftigkeit ,  mit  der  er  nach  der  herkömm- 
lichen Art  aller  Dilettanten  veraltete  Ladenhüter  als  neueste  tiefgründige 
Weisheit  anpreist,  einen  häßlichen,  boshaften  Beigeschmack  zu  bekommen 
und  macht  es  unmöglich,  weiterhin  auf  seine  literarischen  Machwerke  ein- 
zugehen. 

Beuthen  O./S.  Erdma?in  Hajiisch. 

C.  n.  OÖHOpCKiH.     0    H3tIKi    E*peMOBCKOH    KOpMiefi    XII  BiKa. 

CII6. 1912.  4".  86.  (SA.  aus  HacjiiAOBaHifl  no  pyccKOMy  flSLiKy  T.III^ 

Btin.  luil). 

Zu  hervorragendsten  Denkmälern  des  altrussischen  Schrifttums  zählt  die 
altkirchenslavische  Übersetzung  des  byzantinisch-kanonischen  Werkes ,  das 
sich  Syntagma  in  vierzehn  Titeln  (mit  einer  oder  zwei  Vorreden  versehen) 
nennt  und  griechisch  in  verschiedenen  Redaktionen  vertreten  ist.  Die  neueste 


Obnorskij,  Die  Sprache  der  Efremov-Kormcaja,  angez.  v.  Jagic.     303 

russische  Forschung  Prof.  Benesevic'  (KanoHiiqecKiii  cöopnuKt  XIV  Tury^oBi. 
CO  BTopoü  qeTBcpTu  VII  uiKa  no  883  r.  CIIö.  1905)  spricht  von  drei  verschie- 
denen griechischen  Redaktionen  des  Syntagma,  an  die  dritte  hält  sich  der 
slavische  Text,  der  sich  in  der  oben  zitierten  Kormcaja  saec.XII  erhalten  hat. 
Eine  lichtvolle  Analyse  des  ganzen  Inhaltes  der  Jefremovskaja  Kormcaja  im 
Zusammenhang  mit  den  Hinweisen  auf  griechische  Vorlagen  gibt  die  kleine 
aber  noch  immer  klassische  Schrift  A.  S.  Pavlovs  (Xlepuouaqa.iiHi.iii  ciaBAHO- 
pyccKiü  HOMOKaHoiix.  KasaiiB  186'»).  Alles  das  ist  vor  kurzem  von  Benesevic  in 
den  drei  Heften  der  /[peBHe-ciaBflHCKaa  KopMqan  XIV  THTyjoBi.  öea-B  tojiko- 
BaHiii  (Cnö.  1906—1907,  lex.  &o,  840)  herausgegeben  worden,  und  zwar  der 
slavische  Text  nach  der  oben  erwähnten  Kormcaja,  ergänzt  wo  es  notwendig 
war  nach  einer  jüngeren  Abschrift,  und  parallel  dazu  das  griechische  Original. 
Es  war  ein  vernünftiger  Gedanke,  daß  Benesevic  zum  leichteren  Verständnis 
der  slavischen  Übersetzung  die  griechische  Vorlage  beigegeben  hat.  Denn 
ohne  diese  Stütze  wäre  an  vielen  Stellen,  namentlich  dort,  wo  sich  der  schwül- 
stige byzantinische  Stil  in  langen,  zerdehnten  Satzgefügen  gefällt,  der  Sinn 
der  slavischen  Übersetzung  ganz  unfaßbar.  Die  slavische  Übersetzung  ist 
nämlich  nicht  eine  einmalige  Leistung,  es  gibt  Bestandteile,  die  auf  einer 
älteren  besseren  Übersetzungsarbeit  beruhen  und  auch  solche,  wo  in  der  Regel 
sehr  wenig  Rücksicht  genommen  wird  auf  die  Bedingungen  der  slavischen 
Konstruktion,  wo  man  sich  um  die  syntaktische  Konkordanz  der  zusammen- 
gehörenden Ausdrücke  in  Kasus,  Numerus  und  Genus  so  gut  wie  gar  nicht 
kümmert,  sondern  die  einzelnen  Ausdrücke  in  der  sklavisch  die  griech.  Vor- 
lage befolgenden  Art  wiedergegeben  werden  ohne  auf  den  nötigen  Zusammen- 
hang zu  achten.  Das  erwähnt  auch  der  Verfasser  der  oben  zitierten  Schrift, 
nur  merkwürdiger  Weise  nicht  am  Anfang,  sondern  gegen  Ende  seiner  Studie 
(auf  S.  83).  So  vermag  man  denn  in  sehr  vielen  Fällen  aus  der  slavischen 
Übersetzung  allein  gar  nicht  herauszufinden,  welche  Beziehungen  zwischen 
einzelnen  Ausdrücken  anzunehmen  sind.  Als  ein  abschreckendes  Beispiel 
dieser  Art  kann  die  Übersetzung  des  n^öloyos  (ed.  Benesevic  S.  1 — 4)  ange- 
führt werden,  wo  man  sehr  viel  Widersinniges  findet,  z.  B.  um  nur  etwas  zu 
erwähnen:  /u'j^^t  xov  TETayfxifov  wurde  ohne  Rücksicht  auf  die  dazugehörigen 
Substantive  /lütqov  re  x«i  x^övov  als  ein  selbständiges  Neutrum  aufgefaßt  und 
durch  A«  n«Kei\'fcHHui  wiedergegeben,  also  ao  ncB£i\'fcHHra  .  .  .  Ax-kp^i  h  A-kra  statt 
zu  sagen:  a«  nogfAlkHiiiiA  .  .  .  M-kp-hi  h  \\t&  oder  a*  ri^ßtA'kHTiiHjCK  .  .  .  A^Hip-w  h 
A-fcTd,  der  dazwischen  liegende  Dativ  rras-  xoutvtan  uv^eai,  der  zum  Partizip 
TETuyfisyov  gehört,  sollte  in  der  Übersetzung  im  Dativ,  also  TaKCB'MHA\'K  K-hs- 
ApACTtAXTi,  und  nicht  im  Instrumental  stehen.  Oder  bei  den  Worten  tnexEi^rjau 
Tovg  .  .  .  Ixxe&ivxas  xi-eongenels'  ^avövu;  .  .  .  awayccyelv  hat  der  Übersetzer 
wegen  der  vielen  Einschaltungen  den  Zusammenhang  ganz  verloren  und  wir 

lesen:     HdHd)^"h     C0\j-1|JHHA\'K    .    .    .    OT'KAOIKIvUJ£A*'K    KCrOA-fcnKHTil    KAHOHTvl  .    .    .    CKKhpdTH, 

WO  doch  die  beiden  Partizipien  (deren  erstes  übrigens  überflüssig,  zweites 
falsch  übersetzt  ist)  im  Akkus,  plur.  m.  gen.  stehen  sollten,  bezogen  auf  kahök-w. 
Auch  die  Einschaltung  vno  xcäy ,  .  .  dixa  avföifcjf  .  .  .  [txxEfhiuxas  .  .  .  xayöyas) 
ist  ganz  unrichtig  übersetzt,  der  Übersetzer  bemerkte  nicht,  daß  vno  xcöf  awö- 
&u)y  zu  exxEd^iyxa^'  gehört,  endlich  der  Dativ  des  Zweckes  oder  Grundes  enl 


304  Kritischer  Anzeiger. 

ßeßceitjaei  .  .  .  y.al  xoTjatTi  SiSa<jy.ali(^c  sollte  nicht  durch  den  Instrumental  h3- 
B-ki|jeHHi6AtK  .  .  .  RAriiiAtK  o\-H£HHi6A\K  übersctzt  werdcH,  sondern  etwa  mit  der  Prä- 
position o:  <>  H3E-fci|i£HHH  .  .  .  H  RAa3i£A\k  o\'HtHHH.  Gaöz  falsch  uud  unverstäud- 
lich  ist  auch  die  Übersetzung  der  Worte:  txäaxrig  avvod'ov  t/}  nQoat;yoQi((  tovs' 

aVir^X   fj^O^iJ'Wf    vnOTld^Elf  :  KOI€riJH;k,\0     ChROpa    Hdp£HEHHI€Alli    HA»C\-||lHHA\'h    H    tlOAC- 

jKHK-h.  Wer  soll  das  verstehen?  Und  so  geht  es  weiter,  ein  vollständiger 
Wirrwarr,  aus  dem  sich  nur  das  eine  ergibt,  daß  dem  Übersetzer  dieses  Prolo- 
gos bei  seiner  mühevollen  Arbeit  nicht  eingefallen  war,  sich  die  Frage  zu 
stellen,  ob  jemand  den  Sinn  seiner  Übersetzung  verstehen  wird.  Übrigens 
scheint  er  selbst  das  griechische  Original  bei  der  verwickelten  Ausdrucksweise 
nicht  recht  verstanden  zu  haben,  wie  das  mehrere  Beispiele  deutlich  zeigen. 
Ich  muß  dennoch  ausdrücklich  hervorheben,  daß  nicht  alle  Bestandteile  so 
verzweifelt  kopflos  übersetzt  sind,  wie  der  Prologos  und  vielleicht  die  vier- 
zehn Titel:  so  z.B.  die  Canones  Apostolorum  machen  einen  viel  besseren  Ein- 
druck, die  Übersetzung  stimmt  auch  in  einzelneu  Ausdrücken  hier  und  in  den 
14  Titeln  nicht  überein,  z.  B.  laixos-  lautet  hier  Ai«>KdMHH'h  (auch  awahhiv),  da- 
gegen in  14  Titel  RiAkUK  (auch  npccTM4,K),  6  nneaßvTEQo^  ist  im  Canon,  apost. 
immer  non-h,  in  14  Titeln  daneben  auch  npcsR^-Tep-K,  o  xXr;Qiy.6^  ist  in  14  Titeln 
unübersetzt  kahphk-k,  im  Canon,  apost.  aber  übersetzt  npHMKTKHHK-K.  Diesem 
z.  T.  recht  trostlosen  Zustand  des  slavischen  Textes  der  Kormcaja  gegenüber 
verhielt  sich  der  Herausgeber  derselben  (Prof.  Benesevic)  ganz  passiv,  ja  er 
trieb  seine  Gewissenhaftigkeit  in  der  Unantastbarkeit  der  Übersetzung  so 
weit,  daß  er  selbst  die  sinnlose  Interpunktion  des  Originals  unverändert  be- 
hielt, wodurch  der  Text  noch  mehr  an  Verständlichkeit  einbüßen  mußte. 
Auch  offenkundige  Schreibfehler  hatte  er  nicht  den  Mut  zu  beseitigen,  z.  B. 
S.  69  blieb  unangetastet  ieAHH«A\'hicTHi€,  wo  doch  jedermann  sieht,  daß  i€ahh«- 
At-wcAHie  gemeint  war  (griech.  ofiöyoia);  auf  S.  83. 16  liest  man  o  cTp'ji6HHH)f'K, 
wo  wegen  des  griechischen  tieqI  xCii'  enhrj&evömcoi'  offenbar  o  crpijteipHHjfK 
gelesen  werden  muß;  auf  S. 90.28  muß  C'Thhovak  schon  wegen  des  griechischen 
ai'n-/o}qr,aovai  in  othac>\'tk  korrigiert  werden  usw. 

Unter  solchen  erschwerenden  Umständen  soll  die  oben  zitierte  Arbeit 
ein  Bild  der  Sprache  dieses  Denkmals  geben.  Das  war  ungeachtet  des  großen 
Fleißes ,  mit  welchem  diese  kleine  Schrift  ausgearbeitet  wurde,  nicht  leicht 
zu  erreichen,  weil  eben  auf  den  allgemeinen  Charakter  der  Übersetzung  nicht 
hinreichendes  Gewicht  gelegt  worden  war,  aus  welchem  sich  so  manche  auf- 
fallende Erscheinung  des  Textes  erklärt,  ohne  daß  sie  für  die  Beurteilung  der 
Sprache  von  irgend  welcher  Bedeutung  wäre.  Ich  will  das  an  einigen  Bei- 
spielen zeigen.  Man  liest  auf  S.  10  einen  Dativ  iiccTdRAi6novi6A\c\,-.  Wenn  man 
diesem  Beispiel,  so  wie  es  gedruckt  steht.  Gewicht  beilegen  wollte,  so  müßte 
man  darin  einen  Beleg  für  die  bekannte  alte  noch  nicht  assimilierte  Zusammen- 
setzung erblicken  (vgl.  Leskien  ^  §  82)  und  man  könnte  dem  Verfasser  dieser 
Arbeit  den  Vorwurf  machen,  warum  er  nicht  auf  S.  "6  das  Beispiel  zitiert  hat. 
Allein  wenn  man  sich  die  Stelle  näher  ansieht  und  die  griech.  Vorlage,  wo 
XsiQod-tPTos  steht,  heranzieht,  stellt  es  sich  heraus,  daß  der  Text  hätte  gedruckt 
werden  sollen  nccTaEAJ€H0V|"  i6a\ov,  weil  der  Übersetzer  auch  hier  seiner  Methode 
treu  blieb,  daß  jedes  Wort  für  sich  übersetzt  werden  kann,  ohne  sich  um  den 


Obnorskij,  Die  Sprache  der  Efremov-Kormcaja,  angez.  v.  Jagic.     305 

Zusammenhang  zu  kümmern:  neol  rov  vnoxsiuti'ov  wurde  übersetzt  o  hoat»- 
rtjjKanJHHx-K,  statt  aber  ebenso  fortzufahren  und  h  nocTaBAmn-hiHjfK  zu  schreiben, 
hat  man  bei  xccl  x^i-QoO^iyTog  gar  nicht  mehr  an  den  früheren  Genetiv  gedacht, 
sondern  faßte  diesen  letzteren  Ausdruck  als  Genetivus  absolutus  auf.  Oder 
auf  S.  12  liest  man  für  u'rj  IxävTHif  Xdipava  die  Übersetzung  \\i  HA\iHM|iHH)f'K 
Moi|iK,  das  wäre  ein  sonderbarer  Gen.plur.  von  aaoijjh  [xlc  Xeixpavu),  der  auf  S.72 
hätte  erwähnt  werden  müssen,  wenn  man  es  nicht  mit  einem  einfachen  Schreib- 
fehler zu  tun  hätte,  was  in  der  Tat  der  Fall  ist,  denn  ein  neuerer  Text  schreibt 
das  richtige  aaoijjVh. 

Die  vom  Verfasser  in  der  zitierten  Schrift  gemachten  Beobachtungen 
über  alle  möglichen  Eigentümlichkeiten  der  Graphik  und  der  Phonetik  dieses 
Denkmals  zeichnen  sich  im  Rahmen  der  gestellten  Aufgabe  durch  große  Sorg- 
falt und  Genauigkeit  aus.  Diese  geht  oft  so  weit,  daß  in  beigegebenen  Zahlen 
die  Gesamtheit  aller  Fälle  zum  Ausdruck  kommt.  Dabei  werden  auch  gewisse 
Eigentümlichkeiten,  die  sich  über  einzelne  Teile  der  Handschrift  erstrecken, 
genau  kontrolliert.  Ob  man  aber  daraus  gleich  auf  die  Beteiligung  verschie- 
dener Hände  schließen  darf,  das  ist  doch  fraglich;  es  kann  ja  schon  in  der 
Vorlage,  aus  welcher  dieser  Text  geflossen,  dieselbe  Ungleichheit  der  Behand- 
lung vorhanden  gewesen  sein.  Da  müßte  der  Einblick  in  das  Original  ent- 
scheidend mitsprechen.  Zuerst  ist  von  der  Graphik  die  Rede  (S.  3 — 16),  doch 
würde  ich  die  auf  S.  14  gemachte  Beobachtung,  daß  beinahe  immer  jkk>,  ujw, 
MW,  i;w,  14JI«,  a;,\H>  geschrieben  werde,  als  eine  phonetische,  nicht  bloß  gra- 
phische Erscheinung  auffassen,  folglich  davon  erst  auf  S.  65  sprechen.  In  der 
Phonetik  sind  die  Fälle,  wo  t>.  und  h  genau  geschrieben  und  wo  sie  ausgelassen 
werden,  sehr  sorgfältig  verzeichnet,  man  erfährt  z.  B.  solche  Tatsachen,  wie 
daß  KTiTo  191  mal,  kto  66  mal  geschrieben  wurde,  oder  AA-KHon».  1 17  mal,  auiop-k 
164  mal,  oder  t-kk-kaao  69  mal,  t'kka*o  49  mal  usw.  Im  Ganzen  bekommt  man 
den  Eindruck,  daß  das  Denkmal  in  der  Wahrung  und  richtigen  Anwendung 
der  schwachen  Vokale  sehr  feinfühlig  ist.  Schade  daß  der  Verfasser  in  der 
Anmerkung  2  zur  S.  26  nicht  alle  Beispiele  der  Schreibart  ottvhth,  cT-kiarH 
aufgezählt  hat,  denn  gerade  diese  Schreibart  ist  gegenüber  der  älteren  «jthth, 
«TATH  als  etwas  sekundäres  sehr  beachtenswert.  Das  individuelle  Hervor- 
treten der  Präposition,  sei  es  als  Präfix,  sei  es  selbständig,  begegnet  in  spä- 
teren, namentlich  russischen  Quellen,  immer  häufiger.  Bei  der  Besprechung 
der  Fälle,  wo  tv  durch  o  und  k  durch  i  ersetzt  wird,  sind  namentlich  auffallend 
die  Beispiele,  die  der  Verfasser  durch  die  >künstliche  Aussprache«  zu  erklären 
versucht  (vgl.  S.31),  wie  z.  B.  koheua,  at>.ah;£hh  u.  a.  Wie  ist  aber  diese  »künst- 
liche Aussprache«  entstanden?  Der  Verfasser  meint  >durch  Nachahmung 
der  kirchlichen  Aussprache«  (S.  30).  Soll  man  nicht  manches  auf  die  Ungeübt- 
heit  und  'geistige  Beschränktheit  des  einen  oder  anderen  Schreibers  dieser 
Handschrift  setzen?  Gibt  man  diese  zu,  dann  schwindet  der  tiefere  Sinn  bei 
so  mancher  Erscheinung,  über  die  man  sich  leicht  den  Kopf  zerbrechen  könnte. 
Also  zu  den  Defekten  der  Übersetzung,  die  der  Verfasser  ohne  weiteres  zu- 
gibt, gesellen  sich  auch  noch  Defekte  der  Abschrift.  Dieses  Geständnis  läßt 
manchmal  verschiedene  Auffassung  zu.  So  z.  B.  die  auf  S.  36  aufgezählten 
Beispiele  des  Instrumentals  sing,  auf -av-k  möchte  der  Verfasser  dem  »altslavi- 

Archiv  für  slavisclie  Philologie.    XXXV.  20 


306  Kritischer  Anzeiger. 

sehen  Original<  in  die  Schuhe  schieben.  Möglich,  vielleicht  aber  auch  nicht. 
Das  Denkmal  wimmelt  ja  von  allerlei  Fehlern  (vgl.  die  Anm.  2  auf  S.  42),  bei 
solcher  Sachlage  kann  man  auch  als  Beurteiler  der  Tatsachen  sehr  leicht 
fehlen!  Die  txrt-Gruppe  ist  in  dieser  oder  ttrt-Form  in  russischer  Weise  die 
bei  weitem  vorherrschende.  Warum  aber  für  ein  Denkmal  desXII.  Jahrh.  ver- 
einzelte ort-,  ert-,  olt-Gruppen  unmöglich  oder  unbegreiflich  sein  sollten 
(S.  46),  will  mir  nicht  einleuchten.  Für  ein  nordgroßrussisches  Denkmal  (das 
ist  diese  Kormcaja,  wie  der  Wechsel  u-h  zeigt)  ist  auch  das  Auftreten  verein- 
zelter Fälle  mit  h  für  -k  nichts  außerordentliches  (S.  50).  Beachtenswert  ist  der 
Durchbruch  der  Konsonantengruppe  ck-  unter  dem  Einfluß  der  übrigen  pho- 
netisch berichtigten  Formen,  auch  vor  h  in  den  auf  -kck-k  auslautenden  Adjek- 
tiven, z.  B.  rtWAKCKHH  (S.  51).  In  den  auf  S.  55  aufgezählten  Beispielen  des  er- 
warteten Genetivs  auf  -nh«,  wo  statt  dessen  die  Nominativform  -hhk  steht, 
möchte  ich  nichts  anderes  suchen  als  die  Nachlässigkeit  des  Schreibers,  ein 
Beweis  für  die  Unbestimmtheit  der  Aussprache  des  auslautenden  Vokals  ist 
damit  wohl  nicht  gegeben.  Ähnliche  Nachlässigkeit  wiederholt  sich  auch 
sonst  recht  häufig,  z.  B.  ich  erblicke  sie  auch  in  Hd  T-fcAechH-fcMK  HutAieHHie 
613.  9  (statt  Hn-kAieHHH).  Wer  meine  Auffassung  für  pessimistisch  halten  wollte, 
dem  könnte  ich  mit  noch  viel  weitergehenden  Mißverständnissen  dienen,  als 
sie  in  der  Schrift  Obnorskijs  zur  Sprache  kamen.  Ich  will  nur  ein  Beispiel 
anführen:  Auf  S.  691  liest  man  in  der  Zeile  1 — 2  folgenden  griechischen  Text 
Tt;  xJig  vnoaTÜaEwg  xal  Ttj  jov  nQoaiönov  nQoar-yoQifc  ^Qoj/ue&a  ovtü)  liyot'Tss', 
die  Übersetzung  davon  lautet:  cKCT^Bd  HdptMfHHta  h  ahi^a  npHieAiAieM-K  ahhj  rrtwuje. 
Mag  auch  die  ganze  Übersetzung  sinnlos  aussehen,  das  Wort  ahh«  vor  rAwn« 
ist  doch  deutlich  nur  ein  Schreibfehler  statt  cHut,  griech.  ovrco.  Wie  viele  der- 
artige Fehler  mögen  sonst  noch  in  diesem  Text  stecken?  Wir  erwarten  mit 
Ungeduld  die  versprochene  Fortsetzung  der  Arbeit  Benesevic',  der  uns  (auf 
S.  I  seiner  Vorrede)  nach  der  Ausgabe  des  Textes,  die  jetzt  in  den  drei  Heften 
vorliegt,  die  Behandlung  der  Frage  über  den  Ursprung  und  das  Schicksal  des 
Nomokanons  im  slavischen  Süden  und  Rußland  in  Aussicht  gestellt  hat,  also 
wohl  auch  über  die  Beschaffenheit  der  Übersetzung  im  Verhältnis  zum  Original 
etwas  sagen  wird.  Erst  nach  einer  solchen  Vorarbeit  wird  man  befriedigende 
Resultate  von  der  Analyse  der  Sprache  des  vorliegenden  Denkmals  erwarten 
dürfen.  Soviel  man  derzeit  zu  ihrer  Charakteristik  beibringen  konnte,  hat 
diese  sehr  fleißige  Studie  geleistet,  zumal  bei  der  Beschränkung  auf  die  phone- 
tisch-grammatische und  teilweise  syntaktische  Seite  der  Sprache  des  vorlie- 
genden Denkmals.  Hätte  der  Verfasser  auch  noch  die  lexikalische  Seite  in 
den  Kreis  seiner  Studie  gezogen,  dann  wäre  allerdings  die  Beschränkung  auf 
das  eine  Denkmal  kaum  möglich  gewesen,  dann  würde  man  die  so  lehrreiche 
Vergleichung  dieses  Textes  mit  jener  älteren  Übersetzung  in  der  kano- 
nistischen  Sammlung  des  Johannes  Scholastikos  vornehmen  müssen,  die  ja 
auch  für  die  sprachliche  Seite  nicht  unwichtige  Aufschlüsse  gibt. 

V.  J. 


Endzelin,  Slavisch-baltische  Studien,  angez.  v.  Jokl.  307 

I .  BflAsejinH'B,  CjiaBflHO-öajiTiHCKie  btioabi.    XaptKOB'L,  1911. 
80.    (VIII,  208  S.) 

Der  Frage  nach  den  ältesten  gegenseitigen  Beziehungen  des  slav.  und 
des  halt.  Sprachstammes  ist  die  obige  Schrift  gewidmet,  einer  Frage,  die 
schon  im  XVIII.  Jahrh.  von  Job.  Thunmann  (Untersuchungen  über  die  alte 
Geschichte  einiger  Nordischen  Völker,  S.  1  ff.)  gestellt,  in  der  Frühzeit  der 
indogermanischen  Sprachwissenschaft  von  Bopp  (Über  die  Sprache  der  alten 
Preußen,  S.  86)  und  Schleicher  (Allgem.  Monatsschr.  f.  Wissensch.  u.  Lit.  1853, 
786  f.,  Öasopis  cesk.  Mus.  1853,  S.  320  ff.  und  an  anderen  Lit.  Gr.  S.  2,  Anm.  1 
genannten  Orten)  durch  Annahme  einer  halt. -slav.  Spracheinheit  beantwortet 
wurde.  Die  Lösung  des  Problems  in  diesem  Sinne  stand  sichtlich  unter  dem 
Einflüsse  der  Stammbaumtheorie.  Diese  Theorie  wurde  erschüttert,  die  wich- 
tigsten Gebiete  der  idg.  Sprachwissenschaft  erfuhren  eine  tiefgreifende  Um- 
gestaltung, die  Lehre  von  der  balt.-slav.  Spracheinheit  schien,  von  einem  ver- 
einzelt gebliebenen  Einspruch  abgesehen  (Baudouin  de  Courtenay,  Zum.  min. 
nar.  prosv.  346,  S.  330  f.),  unerschütterlich  zu  sein  (cf.  Hirt,  Die  Indogermanen  I, 
S.  119).  Erst  mit  Meillets  Bemerkungen  (Les  dialectes  indo-europeens,  S.  40ff.) 
setzte  auch  dieser  fast  zum  linguistischen  Dogma  gewordenen  Lehre  gegen- 
über die  belebende  Kraft  der  Kritik  ein.  So  wie  nun  Meillets  Kritik  der  für 
die  balt.-slav.  Spracheinheit  vorgebrachten  Argumente  Porzezinski  zu  einem 
scharfsinnigen  Aufsatze  (RS.  4,  S.  1  ff.)  anregte,  der  die  Frage  im  wesentlichen 
mitFortunatov  bejahend  beantwortete,  so  geht  Endzelin  in  seiner  gleichzeitig 
erschienenen  umfangreichen  Schrift  an  eine  gründliche  und  allseitige  Revi- 
sion des  Problems,  wobei  er  nicht  nur  das  gesamte,  bisher  vorgebrachte  Mate- 
rial mit  ungewöhnlicher  Erudition  und  scharfer  Kritik  prüft,  sondern  auch 
eine  Fülle  neuen  Stoffes  herbeischafft,  der  für  die  Lösung  des  Problems 
wesentlich  ist,  ohne  bis  jetzt  in  diesem  Zusammenhange  die  nötige  Beachtung 
gefunden  zu  haben.  E.s  Werk  ist  auf  diese  Weise  zu  einem  reichhaltigen 
Repertorium  der  wichtigsten  Fragen  der  halt,  und  slav.  Grammatik  geworden, 
zu  dem  jeder  wird  greifen  müssen,  der  sich  mit  diesen  schwierigen,  meist  noch 
völlig  umstrittenen  Problemen  auseinander  zu  setzen  hat.  Ref.  will  im  fol- 
genden den  reichen  Inhalt  des  hervorragenden  Werkes  skizzieren,  soweit  dies 
im  Rahmen  einer  Anzeige  möglich  ist;  wenn  er  in  einigen  Punkten  zu  anderen 
Ansichten  als  der  verehrte  Verf  gelangt  ist,  so  wird  dies  bei  der  eben  charak- 
terisierten Natur  der  behandelten  Probleme  gewiß  nicht  verwunderlich  er- 
scheinen. 

Im  ersten  Teile  der  Schrift,  der  die  slav.-balt.  Beziehungen  aus  dem  Ge- 
biete der  Lautlehre  behandelt  (S.  3 — 128),  untersucht  Verf.  zunächst  die  Frage 
der  Vertretung  der  liquida  und  nasalis  sonans  (S.  3 — 24).  Zwei  Ansichten 
stehen  an  den  äußersten  Polen  der  vorgebrachten  Lehrmeinungen;  es  sind  dies 
1.  die  Lehre,  die  aus  der  öfter  zu  beobachtenden  Verschiedenheit  des  die  Li- 
quida oder  Nasal  begleitenden  Vokals  auf  Entstehung  dieser  Vokalisierung 
in  einzelsprachlicher  Zeit  schließt  (so  Vondräk,  Vgl.  sl.  Gr.  I,  327),  2.  die  An- 
sicht, die  balt.  tV,  il,  im,  in,  ur,  ul,  um,  un,  sl.  V,  ''l,  e,  ^r,  H,  "b  mit  der  kelt., 
germ.  [ur,  ul,  um,  im)  Vertretung  vergleicht  und  diese  Vertretung  als  einen 

20* 


308  Kritischer  Anzeiger. 

dialektischen  Zug  des  idg.,  ein  Indiz  für  eine  bestimmte  Gruppierung  der  idg. 
Dialekte  betrachtet  (Meillet,  a.a.O.  S.41  f.).  Die  erste  Ansicht  bekämpft  End- 
zelin  —  wie  gleichzeitig  mit  ihm  Porzezinski  —  durch  den  Hinweis  darauf, 
daß  auch  innerhalb  der  balt.  Dialekte  selbst  in  vereinzelten  Fällen  ein  Unter- 
schied in  der  Vokalisierung  der  Liquida  oder  des  Nasals  bestehe  (niederlett. 
tumsa^  ostlett.  timsa  usw.),  daß  aber  die  weitaus  überwiegende  Mehrheit  der 
Fälle  parallele  Entwicklung  des  Vokals  in  beiden  Sprachstämmen  zeige.  Gegen 
Meillet  wendet  E.  die  Verschiedenheit  der  Stellung  des  Vokals  (kelt.  ri,  li),  die 
andersgeartete  kelt.  Vertretung  der  liqu.  son.  in  antevokalischer  Stellung  (kelt. 
ar,  al),  die  Diversität  von  Liquida  und  Nasalis  son.  in  ihren  kelt.  Vertretungen 
(bei  wechselseitigem  Farallelismus  dieser  Vertretungen  im  balt.  und  slav.)  ein. 
Immerhin  ist  der  Unterschied  gegenüber  Meillet  weniger  wesentlich  als  quan- 
titativ. Denn  E.  führt  nach  ausführlicher  Ablehnung  anderer  Erklärungsver- 
suche den  Unterschied  zwischen  balt.  ir  und  ur,  sl.  ^r  und  V  usw.  — mitMik- 
kola,  I.  F.  16,  99  —  auf  den  Unterschied  der  Reduktionsstufen  von  or  usw., 
er  usw.  zurück;  auch  dieser  Auffassung  zufolge  ist  also  die  Erscheinung  nach 
dem  ganzen  Wesen  der  Ablautvorgänge  zu  schließen,  uridg.,  freilich  nicht 
gemein-idg.,  sohin  idg.-dialektisch ,  zumal  ja  auch  E.  die  Zusammenstellung 
von  ai.  Fällen  wie  kulmala  -  Hals  der  Pfeilspitze  (cf.  lt.  celsus) ,  kulmi- 
Herde  (:  griech.  xilog  Schar),  ÄMw^;a-lahm  an  der  Hand  (:  lit.  Jcumpti 
krumm  werden)  mit  Fällen  von  i(-Vokalisierung  der  Liqu.  und  Nas.  son.  im 
balt.  und  sl.  gelten  läßt.  (In  Parenthese  sei  übrigens  bemerkt,  daß  in  der  i- 
und  ««-Vokalisierung  der  Liqu.  son.  das  alb.  gerade  in  antevokalischer  Stel- 
lung mit  dem  balt.  und  slav.  zusammengeht:  alb.  hir  Sohn,  got.  baur  Ge- 
borener, an.  burr  Sohn  (Pedersen,  K.  Z.  33,  541),  alb.  bur  Mann  :  ahd.  baro 
Mann,  gr.  cpiqxBqos  [Wiedemann,  B.B.  27,  219^).  Freilich  verweist  E.  —  und 
gewiß  mit  Recht  —  auf  die  weitaus  größere  Zahl  der  ur-,  uZ-Fälle  im  balt.  und 
slav.  und  schließt  daraus  auf  einen  näheren  Zusammenhang  dieser  beiden 
Sprachstämme.  Allein  hierbei  handelt  es  sich  nicht  um  gemeinsame  Neue- 
rungen, sondern  auch  nach  der  von  E.  vorgeschlagenen  Erklärung  (s.  o.)  um 
gemeinsame  Erhaltung  von  Altüberkommenem,  nämlich  der  Phoneme  -or-, 
-ol-  in  ihren  Reduktionsstufen.  (Zum  gleichen  Ergebnis  gelangt  man  auch  bei 
Brugmanns  Erklärung.)  Gerade  gemeinsam  vollzogene  Neuerungen  sind  nach 
einem  gewiß  unanfechtbaren  Leitsatz  Brugmanns  (Techmers  Zeitschr.  I  253) 
für  die  Frage  des  Zusammenhangs  von  Sprachstämmen  in  erster  Linie  ent- 
scheidend. Und  so  besteht  der  Unterschied  gegenüber  Meillets  Auffassung, 
die  prinzipiell  ohne  Zweifel  berechtigt  ist,  eigentlich  nur  in  der  Art  der  Zieh- 
ung der  Dialektgrenzen  innerhalb  des  Idg.,  insofern  als  bei  E.s  Auffassung 
balt.  und  slav.  in  diesem  Belange  als  eine  bereits  in  proethnischer  Zeit  näher 
zusammengehörige  Gruppe  zu  betrachten  sind.  —  Eine  Reihe  anderer,  her- 
kömmlicherweise für  die  b.-sl.  Spracheinheit  vorgebrachter  Tatsachen  ent- 
behrt nach  E.  (S.  24—28)  der  Beweiskraft,  da  sie  durchwegs  auch  auf  anderen 
Gebieten  nachweisbar  sind,  so  die  Beseitigung  der  Geminaten,  der  Zusammen- 
fall von  med.  und  med.  aspir.,  der  Wandel  des  auslautenden  in  zu  n,  der  Ab- 
fall von  auslautenden  d,  t,  der  Schwund  von  d  vor  7«,  v,  wobei  die  beiden 
letzteren  Erscheinungen  erst  im  Ursl.  durch  das  Streben  nach  Herstellung  of- 


Endzelin,  Slavisch-baltische  Studien,  angez.  v.  Jokl.  309 

fener  Silben  hervorgerufen  sein  können.  —  Mit  besonders  liebevoller  Ver- 
senkung in  die  Einzelheiten  des  halt.,  die  dem  Verf.  vermöge  seiner  tief  ein- 
dringenden Kenntnis  der  Dialekte  und  älteren  Denkmäler  dieses  Sprach- 
stammes reichlich  zur  Verfügung  stehen,  behandelt  er  hierauf  die  Schicksale 
des  idg.  s  (S.  28 — 78).  Während  bisher  die  communis  opinio  sich  im  wesent- 
lichen an  Pedersen  ,  I.  F.  5,  77  anschloß,  wonach  die  Bedingungen  des  Wan- 
dels von  s  zu  s  (das  im  sl.  dann  weiterhin  zu  ch  wird),  im  ar.,  sl.  und  balt.  im 
ganzen  die  gleichen  sind  —  nämlich  Stellung  nach  i,  v,  r,  k  — ,  läßt  E.  zwar 
die  Gleichartigkeit  der  Bedingungen  für  das  ar.  u.  sl.  gelten,  weist  jedoch  dem 
balt.  eine  Sonderstellung  zu.  Danach  wird  im  balt.  s  in  der  Eegel  zu  s  nach  -r-, 
-k-,  nach  i  jedoch  nur,  wenn  k  auf  das  s  folgte  (Suff.  lit.  -iszkas,  lit.  klszkis 
Hase,  raiszkus  offenbar  gegenüber  ,r/;vs^j  etwas  überdrüssig  werden);  Erhaltung 
des  s  über  diese  Grenzen  hinaus  erkläre  sich  durch  Systemzwang  in  der  Flexion 
oder  Wortbildung,  nach  r  auch  durch  Ausfall  eines  Konsonanten  zwischen  r 
und  s  {ilgsta  wird  lang,  degsms  Brandstelle,  smarsas  Fett,  mit  dem  man  Speisen 
abmacht  ;  got.  smairpr  Fett),  wie  denn  auch  s  von  den  ursprünglich  berech- 
tigten Fällen  aus  weiter  gewuchert  sei.  Nach  u  sei  hingegen  im  balt.  s  er- 
halten. Freilich  geht  es  insbesondere  bei  Begründung  dieser  letzteren  An- 
sichtnicht  ohne  mancherlei  Gewaltsamkeiten  ab.  Zwar,  wenn Verf  lit. Ä;/dMsz'' 
Schädel  und  seine  Sippe  nicht  mit  an.  äöms  id.  verbindet  —  wie  dies  wohl  zuerst 
Joh.  Schmidt  tat — ,  sondern  als  etymologische  Entsprechung  mitBüga,  Aist. 
Stud.I,  28  ai.  kbsa-  Behälter,  Kufe  ansetzt,  somit  das  sz  des  lit.  Wortes  auf  k  zu- 
rückführt, so  ist  dies  gewiß  durchaus  statthaft  (cf.  auch  Weigand-Hirt,  D.Wb.^, 
I,  823).  Aber  um  sz  nach  u  in  Fällen  wie  kriuszä  Hagel  (:  ksl.  kncha  Brocken 
Krümchen),  vetuszas  alt  gegenüber  aksl.  vet^ch^  zu  erklären,  muß  E.  für  die 
balt.  Wörter  Grundformen  mit  sk  ansetzen,  wobei  er  sich  auf  lt.  crüsta  und 
vetustus  und  einen  allerdings  oft  genug  za  beobachtenden  Wechsel  zwischen 
-st-  und  -sk-  beruft.  Aber  gerade  in  den  genannten  Sippen  findet  sich  in  den 
verwandten  Sprachen  keine  Spur  von  -sk- ,  abgesehen  von  der  Möglichkeit  lt. 
crusfa  in  einen  anderen  etymologischen  Zusammenhang  als  mit  Icriuszä  einzu- 
ordnen (cf  Walde,  E.  W.2,  204).  Und  lit.  j'tbze  Fischsuppe  als  Entlehnung  aus 
a\.  j'ucJia  hinzustellen,  wie  dies  E.  tut,  geht  nicht  an.  Denn  als  Vorstufe  von 
sl.  ch  ist  s  anzusetzen.  Des  weiteren  ist  der  Unterschied  zwischen  »urver- 
wandten Wörtern«  und  »Lehnwörtern«  kein  prinzipieller,  sondern  ein  durch 
die  jeweiligen  Lautgesetze  und  sonstigen  sprachlichen  Vorgänge  bestimmter 
zeitlicher  (Kretschmer,  Einl.  i.  d.  Gesch.  d.  gr.  Spr.,  S.  23).  Das  Kriterium  für 
die  Frage  »Entlehnung  oder  Urverwandtschaft«,  können  also  nur  Lautver- 
hältnisse (event.  zusammen  mit  kulturhistorischen  Erwägungen)  abgeben.  Die 
Vokalstufe  und  Intonation,  die  bei  Annahme  der  Erbworteigenschaft  des  lit. 
Wortes  anzusetzen  wären,  bereiten  keine  Schwierigkeit:  cf.  gr.  ^vfirj,  ai. 
yüsa-m.  Wir  haben  also  objektiv  keine  Möglichkeit,  Jwszt'  als  Entlehnung  aus 
dem  sl.  anzusprechen  (was  Pedersen,  I.  F.  5,  80  mit  Recht  hervorhebt).  Denn 
nehmen  wir  für  einen  Augenblick  2Ln,jüsze  sei  aus  dem  sl.  entlehnt,  so  könnte 
die  Entlehnung  doch  nur  zu  einer  Zeit  stattgefunden  haben,  da  im  sl.  noch 
die  Vorstufe  von  ch,  nämlich  s  bestand.  Wissen  wir  aber,  wie  damals  der  dem 
b1.  u  zugrunde  liegende  Diphthong  gesprochen  wurde?    Und  war  die  Mono- 


310  Kritischer  Anzeiger. 

phtongierung  wirklich  schon  eingetreten,  dann  entgleiten  uns  ja  die  Kriterien 
für  dieFrage:  Entlehnung  oder  Urverwandtschaft  förmlich  unter  den  Händen. 
E.  möchte  nun  auf  die  Entlehnung  des  lit.  Wortes  daraus  schließen,  daß  für 
eine  Grundform  *Jüskic,  *jükje  kein  Anhalt  vorliege  und  daß  auch  lett.  juka 
entlehnt  sei.  Allein  ein  solcher  Schluß  wäre  doch  nur  zwingend,  wenn  lit.  sz 
nach  u  nur  auf  ä,  sk  zurückgehen  könnte.  Dies  ist  aber  das  probandum,  nicht 
das  probatum.  Gewiß  ist  es  äußerst  schwierig,  in  dem  Wechsel  von  lit.  s  und 
sz  nach  i,  n  eine  bestimmte  Eegel  zu  erblicken,  wie  dies  Pedersen,  I.F.  5,  78  ff. 
zu  zeigen  versuchte:  nach  gestoßen  betontem  i,  u  sz,  nach  schleifendem  Vo- 
kal Rückverwandlung  von  dz  in  s,  eine  Eegel,  die  E.  S.  5Uf.  bekämpft;  aber 
leugnen  läßt  sich  sz<C.s  nach  diesen  Lauten  nicht.  So  wird  es  denn  am  rät- 
lichsten sein,  sich  mit  der  Ansicht  Meillets,  E. S.  5,  15ö  und  Rozwadowskis 
ebd.  S.  7  und  28  zu  bescheiden ,  wonach  wir  es  mit  einer  Lauttendenz  zn  tun 
haben,  die  vom  Osten  ausging,  das  Bnlt.  zwar  noch  erreichte,  sich  hier  aber 
schon  in  abgeschwächtem  Maße  geltend  machte.  Sehr  beachtenswert  ist  auch 
die  Bemerkung  Eozwadowskis  (1.  c.  9,  29),  der  auf  die  bedeutenden  Bevölke- 
rungsverscbiebungen  im  balt.  Gebiet  —  eine  Folge  der  Eroberung  durch  den 
deutschen  Eitterorden  —  hinweist.  Einen  weiteren ,  diesen  Punkt  der  Laut- 
lehre betreffenden  Unterschied  zwischen  balt.  und  sl.  erblickt  E.  in  der  Be- 
handlung von  anlautendem  ks-,  das  im  lit.  in  einer  Eeihe  von  Fällen  zu  sk- 
umgestellt  sei,  im  sl.  jedoch  ch  ergeben  habe.  Die  Erörterung  dieser  Frage 
gibt  dem  Verf.  Gelegenheit  zu  scharfsinnigen,  über  das  b.-sl.  hinausgehenden 
Ausführungen  (so  über  den  Anlaut  der  Bezeichnung  der  Sechszahl  im  idg., 
gr.  SiajQi^,  die  Etymologie  von  lit.  szdltas  kalt  usw.).    Die  Beispiele  für  lit. 

sk-  <C.  ks im  ganzen  fünf — :  lit.  sküsti  schaben  :  gr.  ^veir;  skiaudcti  niesen : 

ai.  ksäuti  dass.;  skühinti  beeilen  :  ai.  ksühhyati  schwankt,  zittert;  skalduü  spü- 
len :  ai.  ksälayati  wäscht,  zeigen  ohne  Zweifel  die  Behandlung  des  Anlauts, 
bis  auf  das  fünfte:  lit.  skujos  Nadeln  der  Bäume  (:  r.  usw.  chvoj  id.),  da  ja  sl. 
ch  in  diesem  Wort  nicht  auf  ks  zurückgehen  muß,  vielmehr  auch  kh  reflek- 
tieren kann  (Pedersen ,  Jagic-Festschr.  S.  218f.),  und  Beispiel  Nr.  3:  skübinii 
findet  bezüglich  des  Anlauts  ein  wohl  sippenverwandtes  Analogon  auch  im 
sl.:  skuhn  vello,  wie  dies  E.  selbst  hervorhebt  (cf.  Brugmann,  K.  V.  G.,  S.  S8, 
Meillet,  Einführ.  i.  d.  vgl.  Gr.  [deutsche  Ausg.j,  S.  102,  Falk-Torp  bei  Fick, 
Vgl.  W.",  Bd.  3,  S.  470).  Zudem  handelt  es  sich  ja  (Brugmann,  Gr.2  I,  867)  um 
einen  auch  sonst  nachweisbaren  Vorgang.  Der  Schluß,  die  linguistischen 
Vorfahren  der  Slaven  hätten  häufiger  als  die  der  Balten  die  Anlautgruppe  Äs- 
erhalten und  dies  bedeute  einen  alten  dialektischen  Unterschied  zwischen  b. 
und  sl.  beruht  demnach  auf  einem  zu  spärlichen  und  zu  wenig  spezifischen 
Induktionsmaterial.  Für  eine  Vergleichung  des  Schlußergebnisses  des  Verf. 
mit  dem  Meillets  scheint  dieser  Punkt  nicht  unwesentlich  zu  sein. 

Eine  bedeutsame  Übereinstimmung  zwischen  den  beiden  Sprachstämmen 
ist  der  Parallelismus  hM.jau-,  sl.y«,  der  vom  Verf.  (S.  78—84)  mit  erschöpfen- 
der Benutzung  der  Literatur  behandelt  wird.  E.,  der  nicht  geneigt  ist,  hier 
an  zufälliges  Zusammentreffen  zu  glauben,  nimmt  Entstehung  der  Lautung  aus 
eu  und  eu  an,  wobei  eu  vorerst  gekürzt  worden  sei.  Die  bei  dieser  Theorie 
sich  ergebende  Schwierigkeit  in  der  Erklärung  des  Hergangs  der  Palatalisie- 


Endzelin,  Slavisch-baltische  Studien,  angez.  v.  Jokl.  311 

rung  —  in  altem  hetero-syllabischen  eu  palatalisiert  e  den  vorhergehenden 
Konsonanten  nicht  (cf.  Leskien,  Altbulg.  Gr.  S.  14)  sucht  E.  durch  folgende 
Annahme  zu  beseitigen:  im  halt,  sowohl  als  im  sl.  sei  das  e  des  Diphthongs 
en  offen  gewesen ;  der  Übergangslaut  zwischen  diesem  e  [a]  und  u  sei  daher 
notwendig  a  gewesen,  das  allmählich  stärker  wurde,  während  das  ursprüng- 
lich offene  <>,  unsilbisch  geworden,  schließlich  j  ergab.     Dieser  Ausweg  ist 
scharfsinnig  ersonnen.   Doch  beruht  diese  Lösung  des  Problems  eben  auf  der 
Annahme  von  der  in  urbalt.  und  urslav.  Zeit  zurückreichenden  offenen  Aus- 
sprache des  e.    Denn  nur  so  kann  man  die  Entstehung  eines  Gleitlauts  der 
hinteren  Eeihe  in  en  verstehen.    Ist  aber  diese  Annalime  wirklich  zu  recht- 
fertigen?   Im  sl.  weist  ja  bekanntlich  nichts  auf  diese  Aussprache  hin  (cf. 
Vondräk,  Vgl.  sl.  Gr.  I,  32),  und  E.  nimmt  eine  Änderung  der  ursprünglichen 
Aussprache  im  sl.  an  (was  natürlich  möglich  ist).   Aber  auch  die  bereits  urlit.- 
lett.  Palatalisierung  von  ä,  g  vor  e  —  eine  Tatsache,  die  E.  S.  81  Anm.  her- 
vorhebt—  läßt  sich  nur  bei  hoher  Zungenstellung,  also  geschlossener  Aus- 
sprache des  e  für  diese  Zeit  begreifen,    eu  >■  tau  würde  also  urbalt.  offene 
Aussprache,  Palatalisierung  von  ä,  g  vor  e  urlit.-lett.  geschlossene  Aussprache 
des  e  ergeben.    Es  ergäbe  sich  also  folgende  Entwicklungsreihe:  urbalt.  of- 
fenes e,  urlit.-lett.  geschlossenes  e  und  schließlich  halt,  einzelsprachlich  offenes 
e.    Diese  Schwierigkeiten  sind,  wie  Ref.  meint,  zu  beheben,  wenn  man  mit 
Mikkola  R.S.  I,  9ff.,  Ursl.  Gr.  61  und  Wiedemann,  Lit.  Prät.  32,  184  balt.>«, 
sl.  ju  ausschließlich  auf  eu  zurückführt.    Die  bei  dieser  Auffassung  anzu- 
setzende Aussprache  des  e  im  ursl.  m,  nämlich  ««,  ijii  stimmt  gut  zu  der  auch 
aus  anderen  Daten  zu  erschließenden  Lautung  des  idg.  e  im  sl.  (cf.  Mikkola, 
Ursl.  Gr.  S.  -15).    Freilich  ergäbe  sich  dann  auch  für  das  Urbalt.  eine  Schluß- 
folgerung, vor  der  man  aber  wohl  kaum  zurückschrecken  wird  müssen:  auch 
hier  käme  dem  e  eine  der  ursl.  analoge  diphthongische  Aussprache  fä,  iä  zu ; 
während  sie  sich  aber  später  durch  spontanen  Lautwandel  zu  geschlossenem 
e  verengte  —  preuß.,  lit.,  man  vergleiche  den  analogen  Prozeß  in  einer  Reihe 
von  Slavinen  — ,  konnte  sich  im  (ursprünglich)  triphthongischen  iau,  förmlich 
unter  dem  Schutze  der  eingegangenenVerbindung,  eine  Spur  des  ursprünglichen 
erhalten.    Vielleicht  ließe  sich  auch  ein  anderer  Hinweis  auf  diese  Geltung 
des  e  im  lit.  finden.  —  Wichtig  für  die  Beurteilung  des  Zusammenhanges  von 
b.  und  sl.  ist  auch  die  Behandlung  von  e^',  die,  wie  E.  in  trefflicher  Darstellung 
(S.  84— 104)  zeigt,  durchaus  parallel  ist;  exi  wird  zu  au  (ursl.o?«)  nur  vor  hinterem 
Vokal,  bleibt  jedoch  vor  e,  i:  lit.  drevl  Höhlung,  Bienenstock,  lett.  drewe;  lit. 
devt/ni,  lett.  dewini  neun,  sl.  drevl'e  vormals  usw.    Und  gerade  diese  letztere 
Tatsache  ist  dem  b.  und  sl.  eigentümlich.    Die  gründliche  Prüfung  des  für  die 
Erscheinung  in  Betracht  kommenden  Materials  benutzt  E.  zu  etymologisch 
wichtigen  Ausführungen  über  das  bisher  dunkle  drevl'e  ( :  idg.  *dreuos  fest). 
Wenn  Verf.  aber  schließlich  die  Gleichzeitigkeit  des  Wandels  von  eii  im  b. 
und  sl.  zwar  als  möglich  zugibt,  aber  auch  das  Gegenteil,  nämlich  die  Mög- 
lichkeit von  bloß  zufälligem  Zusammentreffen  in  den  Ergebnissen  nicht  aus- 
schließt, so  scheint  dies  fast  zu  vorsichtig  zu  sein;  denn  die  Gleichheit  der 
positiven  und  negativen  Bedingungen  des  Wandels  spricht  wohl  eher  für  die 
erstere  Eventualität.   Auf  den  beiden  Sprachstämmen  gemeinsamen  Schwund 


312  Kritischer  Anzeiger. 

von  anlautendem  ii  vor  r,  l  legt  Verfasser  für  die  Beurteilung  des  Zusammen- 
hanges der  beiden  Sprachstämme  mit  Ee cht  kein  Gewicht  (S.  104),  da  diese 
Erscheinung  auch  lt.  und  abd.  ist. 

Die  unter  dem  Namen  des  Saussure'schen  Gesetzes  bekannte  Akzent- 
übertragung, die  im  lit.  und  sl.  unter  gleichen  Bedingungen  auftritt,  nimmt 
E.  als  Instanz  für  das  Vorhandensein  sprachlicher  Beziehungen  der  beiden 
Stämme  in  Anspruch,  eine  Ansicht,  die  gewiß  Zustimmung  verdient,  da  die 
ihr  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  (cf.  Vondräk,  Vgl.  sl.  Gr.  I,  206) 
keineswegs  unüberwindlich  sind*).  —  Den  Beschluß  dieses  Hauptteiles 
bildet  die  Besprechung  der  Unterschiede  zwischen  halt.  u.  sl.  Den  Unter- 
schied zwischen  halt,  a,  sl.  o  beurteilt  Verf.  mit  Recht  wie  Kretschmer  (Arch. 
f.  sl.  Phil.  27,  228  ff.)  als  sekundär,  nicht  ohne  auf  die  gegen  diese  Lehre 
erhobenen  Einwendungen  zu  reagieren  (S.  107).  I.  F.  26,  293  statuiert 
Pedersen  ein  Auseinandergehen  der  beiden  Sprachstämme  in  einem  wich- 
tigen Punkte  der  Lautlehre :  -dd[h)-  ergibt  sl.  -s-,  balt.  -zd-.  E.  nimmt  gegen 
Pedersens  Theorie  Stellung  (108 — 114),  seinen  Widerspruch  besonders  auf 
Fälle  wie  c.  hyzd  Häßlichkeit  [hyzditi  tadeln,  schmähen,  verwerfen) :  klr.  hyd 
Abscheuliches,  Ekel,  ksl.  gruzdije  coli.  Erdschollen:  gruda  Erdscholle,  r. 
grömozd'b  Haufe  unbrauchbarer  Sachen,  Gerumpel:  gromäda  großer  Haufe, 
Masse,  gründend,  die  auch  für  das  sl.  -zd-  <<  -dd[h)-  erwiesen.  Allein  keines 
dieser  drei  Beispiele  vermag  eine  solche  Behandlung  der  Lautgruppe  im 
sl.  völlig  eindeutig  zu  erweisen.  In  den  beiden  ersten  Beispielen  kann 
idg.  5-Suffix  stecken.  Cf.  zu  hyzd  gr.  äiwog  Schimpf,  Schande  <C  *g"edzh?io- 
*gUedh-s}w-  (Boisacq,  Dict.  et.  S.  176  f.,  Brugmann,  Gr.2,  I,  659,  II/l,  265, 
V.  Osten-Sacken,  K.  Z.  44,  155f).  Das  Verhältnis  des  ?a-Suff.  des  gr.  Wortes 
zum  rf-Suff.  des  sl.  entspricht  den  Beobachtungen  Meillets,  Etud.  sur  Tetym. 
et  le  vocab.  S.  321.  Mit  gruzdije  läßt  sich  lt.  rf/dus  {rddus),  -eris  zerbröckeltes 
Gestein,  Gerolle,  Schutt  <.glireudos  (Walde,  I.  F.  19,  100,  E.  W.2,  661)  ver- 
gleichen. Und  gromäda  :  ai.  gräma-  Haufe,  Schar,  lt.  gremium^  (Berneker, 
E.  W.  345),  mit  seinem  ganz  singulären  -ada  ist  morphologisch  unklar,  also 
für  die  Beweisführung  wenig  geeignet 2).  Betreffs  des  von  Pedersen,  1.  c.  293 
für  seine  Theorie  verwerteten  lit.  gramzdyti  versenken:  sl.  greznn  unter- 
sinken neigt  E.  —  nach  einem  äußerst  lehrreichen,  eine  Fülle  neuen  Materials 
bietenden  Exkurs  über  Brugmanns  Lehre  vom  Wandel  lit.  id'^zd  —  zur 
Ansicht,  dem  b.  und  sl.  Verbum  eine  Form  mit  g{h)  zugrunde  legen  zu  sollen, 
wodurch  er  Pedersens  Lehre  ihre  letzte  Stütze  entziehen  will.  Aber  die 
Ansetzung  von  g[h]  im  genannten  Verbum  läßt  sich  anderweitig  nicht  stützen. 


1)  Die  sl.  Imperative  wie  r.  nesi,  nesite,  die  den  Akzentwechsel  zeigen, 
trotzdem  die  gestoßene  Intonation  der  letzten  Silbe  erst  sl.  ist  (s.-kr.  ?nn, 
lit.  te-veze)  können  auf  akzentueller  Angleichung  an  die  Imper.  r.  terpi, 
smotri,  nosi  (also  der  Kl.  III/2  und  IV  nach  Miklosich)  beruhen,  in  welchen 
Formen  von  i,  also  von  ursprünglich  gestoßener  Intonation  (Vondräk,  1.  c. 
201,  2U2)  auszugehen  ist. 

2)  Mit  r.  grömozdz,  gromozdiU  vgl.  man  etwa  cldamostitb  zusammen- 
durcheinander  werfen:  chlmm  Plunder,  Trödel,  Gerumpel.  Bezüglich  -si-: 
zd  wäre  auf  das  von  Endzelin,  S.  127  u.  Anm.  2  gesagte  zu  verweisen. 


Endzelin,  Slavisch-baltische  Studien,  angez.  v.  Jokl.  313 

E.  beruft  sich  für  die  Etymologie  allerdings  auf  Berneker,  E.W.  Da  er 
aber  stammhaftes  s  ausschließt,  (so  Berneker  an  erster  Stelle',  bleibt  für  die 
etymologische  Erklärung  nur  das  von  Berneker  mit  Zweifel  zur  Wahl  ge- 
stellte alb.  kreO-  tauche  ins  Wasser,  das  G.  Meyer,  E.  W.  204  mit  gn-znnti 
unter  *greng[h)-  vereinigt.  Nach  Ausweis  der  alb.  Lautlehre  ist  diese  Zu- 
sammenstellung jedoch  nicht  haltbar.  Denn  die  Lautfolge  en  -\-  Spirant  — 
als  solcher  erscheint  idg.  g{h)  im  alb.  —  gibt  alb.  j  + Spirant:  cf.  alb.  viO-, 
vi&i  Ulme:  skr.  vez  Ulme,  p.  wiqz,  r.  vjaz^,  alb.  mis  Fleisch  <;  *?ne«5-:  sl. 
mpso  usw.  Einen  weiteren  Unterschied  zwischen  b.  und  sl.  erblickt  Pedersen 
in  der  Behandlung  von  idg.  A7<:  sl.  ch,  b.  k.  E.  schließt  sich  wenigstens  im 
Ergebnis  an  (S.  114 — 12S),  wiewohl  er  die  bisher  beigebrachten  Beispiele 
noch  nicht  für  zwingend  hält.  Seine  eigene  Untersuchung  stützt  die  Lehre 
durch  neue,  gewiß  beweisende  Beispiele  wie  r.  chochöh  Schopf:  lett.  zekuh 
Zopf,  r.  chomjdk-o  Hamster:  lett.  kämis  dass.  usw. 

Der  morphologische  Teil  bringt  zunächst  eine  Zusammenstellung  jener 
Suffixe,  die  dem  b.  und  slav.  gemeinsam,  u.  zw.  ausschließlich  gemeinsam 
sind  (S.  128 — 131),  daher  wohl  als  gemeinsame  Neubildungen  angesprochen 
werden  können.  Auf  den  von  Meillet,  Etud.  201  bemerkten  Unterschied  in 
der  Wortbildung  des  b.  u.  sl.  möchte  Verf  nicht  besonderes  Gewicht  legen, 
da  selbst  die  untereinander  so  nahe  verwandten  balt.  Sprachen  in  diesem 
Punkte  des  öfteren  nicht  parallel  gehen.  Wichtig  für  die  Annahme  einer 
b.-sl.  Epoche  erscheint  E.  hingegen  die  Bestimmtheitsform  des  Adjektivs, 
die  in  beiden  Sprachstämmen  mit  -io-  gebildet  wird,  während  das  Avest. 
eine  umfassendere  Verwendung  von  ya-  kennt.  Die  Entstehung  dieser  dem 
b.  und  sl.  gemeinsamen  Kategorie  hat  allerdings  E.  Hermann  in  einer  Pro- 
grammabhandlung »Das  Pronomen  ios  als  Adjektivum  (Koburg,  1897)  als 
Einengung  einer  ursprünglich  weiteren  Gebrauchsweise  erklärt  und  auf 
diese  umfassendere  Verwendung  führt  er  auch  die  ar.  Fügungen  zurück. 
Dann  aber  ist  die  b.  und  sl.  Bestimmtheitsform  durch  beiderseitigen  Verlust 
ursprünglich  vielfältigerer  Fügungen  (nicht  durch  gemeinsame  Neuschöpfung) 
entstanden,  was  bei  der  Wertung  der  Beweiskraft  dieses  Punktes  wohl  zu 
beachten  sein  dürfte.  Eine  gemeinsame,  dem  Gebiete  der  Nominalflexion 
angehörende  Neuerung  ist  der  gen.  sing,  der  o-Stämme  (sl.  -a,  lit.  -o)  S.  132 
— 138).  Freilich  hat  man  diese  Bildung  auch  außerhalb  des  b.  und  sl. 
gesucht  (im  lt.  hortö,  gr.-delph.  foixco).  Doch  verwirft  E.  diese  communis 
opinio  mit  Recht,  da  ja  dann  im  lit.  -ü  zu  erwarten  wäre.  Der  Unterschied 
zwischen  dem  b.  und  sl.  Ausgang  einerseits  und  dem  lt.  andererseits  wird  vom 
Verf.  auf  verschiedene  Kontraktionskomponenten  oder-gesetze  zurückgeführt. 
Der  pr.  Genetiv  deiivas  widerspricht,  als  Analogie-Bildung  nach  den  ä-Stämmen, 
dem  b.-sl.  Charakter  dieser  Formen  nicht.  —  Zu  den  schwierigsten  Streit- 
fragen der  b.  und  sl.  Grammatik  leitet  der  Abschnitt  über  den  nom.  pl.  der  o- 
Stämme(138 — 152).  Verf  erklärt  sich  gegen  die  weit  verbreitete,  auf  J.Schmidt 
und  Mahlow  zurückgehende  Ansicht,  wonach  lit.  vilkai  eigentlich  neutr.  pl.  (lt. 
quae)  sei,  eine  Ansicht,  die  notwendigerweise  von  allen  jenen  geteilt  wird,  die 
für  die  regelrechte  Fortsetzung  von  idg.  ai  lit.  ehalten.  Da  Endzelin  jedoch 
Izv.  otd.  russk.  jaz.  XII/1,  40  ff.  lehrt,  daß  lit.  e  auf  ei  zurückgeht,  auf  ai  nur 


314  Kritischer  Anzeiger. 

dann,  wenn  dies  in  unbetonter  Stellang  zunächst  zu  ei  wird,  da  er  weiter  in 
ausführlicher  Begründung  auch  die  Intonation  devai  auf  *devdi  zurück- 
führt (also  Intonationswechsel  in  auslautender  gestoßener  Silbe  cf.  tafp 
zwischen:  tdrpas  Zwischenraum,  fut.  aügs  :  dugti  wachsen),  so  hindert  ihn 
nichts,  den  halt.  nom.  pl.  dem  gr.  {-oi  mit  gestoßener  Intonation)  gleichzu- 
stellen. Gleichsam  ein  Korollar  der  Lehre  von  der  ursprünglich  neutralen 
Natur  des  lit.  nom.  pl.  ist  Meillets  geistvolle  Anschauung,  daß  die  gem.- 
balt.  Gleichheit  der  3.  pers.  des  Verbums  in  allen  drei  Nummeri  sich  aus 
der  Verallgemeinerung  der  Regel  t«  f(p«  TQty,£i  erkläre,  da  sie  ja  eine  Ver- 
allgemeinerung der  neutr.  Form  des  pl.  zur  Voraussetzung  hat.  Auch  diesem 
Folgesatz  tritt  E.  entgegen.  Die  Stellungnahme  zu  allen  diesen  Streitfragen 
hängt  im  wesentlichen  von  der  Anschauung  über  die  Natur  des  a«,  e  im 
lit.  ab.  Gewiß  sind  die  Anschauungen,  gegen  die  E.  polemisiert,  noch  nicht 
völlig  geklärt,  und  vermögen  die  Probleme  nicht  ganz  restlos  zu  lösen. 
Aber  auch  bei  E.'s  Lehre:  e<iei  bzw.  <[ unbetontem  ai  über  ei  bleibt  ein, 
wenn  auch  nur  unbedeutender  Rest;  denn  lit.  eszmas  Bratspieß  zeigt  e. 
Nun  nimmt  E.  Izv.  otd.  r.  j.  XU/1,  63  zwar  in  diesem  Worte  ursprüngliches 
ei  an;  da  aber  gr.  alx^ii  Lanzenspitze  sicherlich  mit  dem  lit.  Worte  verwandt 
ist,  bereiten  bei  E.'s  Ansatz  die  Ablautverhältnisse  Schwierigkeiten.  Der 
Permissiv  te-vez2  hat  bei  Zugrundelegung  von  E.'s  Erklärung  seine  gegen- 
wärtige Akzentuierung  erst  sekundär  erhalten  (cf.  gr.  cpi^oi)  u.  zw.  nachdem 
das  ursprünglich  unbetonte  ai  zu  ei  und  weiterhin  zu  e  geworden  war.  Frei- 
lich wäre  dann  eine  nähere  Erklärung  des  Hergangs  des  Wechsels  der  Akzent- 
stelle wünschenswert.  Im  Indikativ  und  in  der  anderen  Permissivform  heißt 
es  ja  veza,  te-veia.  Wechsel  der  Akzentstelle  setzt  E.'s  Lehre  auch  für  die  sl. 
Imperative  r.  nesi,  s.-kr.  nesi  voraus.  Denn  bezüglich  des  -oi,  -ai  Diphthongs 
im  sl.  Auslaut  folgt  der  Verf.  unter  Verwerfung  der  auf  Streitberg  zurückgehen- 
den Auslauttheorie:  schleifendes  e>»e  usw.  der  Lehre  Hirts,  wonach  betontes 
-oi,  -ai  e,  unbetontes  jedoch  i  ergibt.  Und  so  ergibt  sich  für  E.  die  Möglichkeit 
der  Zusammenstellung  auch  des  sl.  nom.  pl.  der  o-Stämme  mit  dem  lit.  Des 
näheren  auf  alle  verwickelten  Fragen,  die  sich  an  dieseAnschauungen  knüpfen, 
einzugehen,  würde  den  Rahmen  einer  Anzeige  weit  überschreiten.  Aus  der 
Erörterung  jener  Kasus  der  o-Stämme,  in  denen  die  beiden  Sprachstämme  aus- 
einandergehen (S.  158—170)  wäre  vor  allem  hervorzuheben  die  mit  Reserve 
vorgetragene  Erklärung  des  sl.  Instr.  plur.  auf  -y,  worin  E.  einen  Akkusativ 
erblickt.  Der  Ausgangspunkt  sei  die  gleiche  Verwendung  von  Akkusativ  und 
Instrumental  nach  den  Verben  des  Wofürhaltens,  Zuetwasmachens  usw. 
Viel  Neues  bringt  die  Erklärung  der  lit.  acc.  pl.  -ü's  >  -ws,  die  Verf  mit  Zubaty, 
Mikkola  und  Pogodin  unter  Zurückführung  auf  -ös  als  ursprüngliche  Nomina- 
tive faßt.  Gegen  Streitbergs  Lehre  idg.  -07is  >>  -ö^s,  woraus  einerseits  lit.  -m, 
andererseits  pr.  -ans  und  lit.  dial.  -uns  wird  eine  Reihe  chronologisch-gramma- 
tischer Argumente  vorgebracht,  während  die  seit  J.  Schmidt  in  der  sprach- 
wissenschaftlichen Literatur  als  '/emaitisch  bezeichnete  Form  vilkuns  über- 
haupt jeder  Gewähr  entbehrt.  Die  in  diesem  Dialekt  vorkommenden  Formen 
mit  -uns-  zeigen  ein  hier  öfter  zu  beobachtendes  nicht  lautgerechtes  n  zwischen 
langem  Vokal  und  s.    Bei  den  ä-Stämmen  (S.  171)  ist  als  wahrscheinlich  aus- 


Endzelin,  Slavisch-baltische  Studien,  angez.  v.  Jokl.  315 

schließliche  Eigenheit  des  b.  und  sl.  der  instr.  sing,  auf  *-äm  zu  nennen.  Der 
den  i-  und  i<-Stämmen  gewidmete  Abschnitt  (S.  172 — 179)  enthält  wichtige 
Aufschlüsse  über  den  el.  nom.  pl.  wie  gostbje,  trbje;  die  herkömmliche  Zurück- 
führung  auf  das  in  den  klassischen  Sprachen  und  im  ai.  nachzuweisende  -eies 
und  die  darauf  beruhende  Regel  heterosyll.  ei"^  bj  bekämpft  E.,  da  die  weni- 
gen für  diese  Regel  angeführten  Formen  nach  Ausweis  des  bei  slavischer 
Sprachforschung  in  erster  Linie  zu  beachtenden  Balt.  auf -le-  weisen:  lett.  tris 
(mit  unterbrochener  Intonation,  daher  <  *triies,  lett.  vij'u,  lit.  dial.  *viju  (cf.  3. 
pl.  vlja.  Wolter,  Lit.  Chr.  400,  25).  Die  sl.  Plurale  der  t-Stämme  können  daher 
den  lit.  auf -j/s,  lett.  -is,  pr.  -is  bildungsgleich  sein.  Freilich  ist  zu  beachten, 
daß  es  sich  trotzdem  nicht  um  gemeinsame,  sondern  auch  um  selbständige 
Bildungen  handeln  kann,  da  ja  auch  —  wie  E.  übrigens  selbst  hervorhebt  — 
gr.  Dialekte  -iss,  also  Verallgemeinerung  der  schwachen  Stammabstufung 
zeigen.  Der  sl.  loc.  sing,  der  «-Stämme  auf  -ei  ist  nach  E.  trotz  Brugmann, 
Gr.2,  n/2,  176  auch  in  lett.  Dialektformen  wie  sirdie,  üdenie,  akmetiie,  ferner  in 
zem. szall-p  >neben«  fü.T*szalie-p  uach*5za/i  wiederzuerkennen.  Der  instr.  sing. 
der  i-Stämme:  -mi  ist  dem  b.  und  sl.  ausschließlich  eigen.  Von  den  Formen 
der  Pronominalflexion  (180 — 190)  vergleicht  E.  vermutungsweise  zem.,  ostlett. 
mun  und  sl.  (ar.)  7m7ie,  das  Ostromir  mit  ^  überliefert,  miteinander  und  möchte 
darin  eine  gemeinsame  b.-sl.  Neuerung  {Grundform  *inunei)  erblicken.  Die 
schriftlit.  und  pr.  Formen  wären  dann  spätere  Bildungen.  Doch  gibt  es  für 
den  ursl.  Charakter  von  rmne  keinen  sicheren  Anhaltepunkt,  weder  aus  den 
Denkmälern  —  Zographus  hat  mbue.  Mar.  lubne  und  im?ie,  Ostr.  ?nöne  (cf.  Von- 
dräk,  Altksl.  Gr.2,  450  f.)  —  noch  aus  den  modernen  Slavinen.  Es  wird  also 
vorsichtiger  sein,  sich  für  die  Zwecke  der  Statistik  der  b.-sl.  gemeinsamen 
Neubildungen  mit  einem  non  liquet  in  dieser  Frage  zu  begnügen.  (Zu  dem  An- 
sätze ursl.  wi^we  gelangt  auch  Hujer,  IF.  30,  40  if.,  wobei  er  dessen  hypotheti- 
schen Charakter  hervorhebt,  anders  Brugmann,  ebd.  S.  50,  Anm.  1).  Mit  über- 
zeugenden Argumenten  werden  ferner  pr.  mie?i,  tien  od.  tin,  sien  od.  sin  (als 
mm,  im,  shi,  <^urb.  *men,  *ten,  *sen)  mit  aksl.  nip,  te,  se  (im  Anschluß  an  Les- 
kien) verglichen  (181 — 184).  Der  acc.  pl.  pr.  ivans,  aksl.  vy),  der  gen.  pl.  [*nös- 
söm,  *uössbm),  der  dat.  pl.  (*«ö??jws)  werden  als  gemeinsame  Neubildungen  dar- 
getan (185 — 186).  Auf  die  Übereinstimmungen  in  der  Syntax  (prädik.  Instrum., 
Gen.  in  negativen  Sätzen),  ist  nicht  viel  Gewicht  zu  legen,  da  diese  Erscheinun- 
gen auch  in  anderen  Sprachen  nachweisbar  sind  (S.  190 — 192).  Den  Beschluß 
macht  (S.  192 — 200)  eine  äußerst  interessante  Zusammenstellung  des  beiden 
Sprachstämmen  ausschließlich  gemeinsamen  Wortschatzes,  die  ihre  nahe  Ver- 
wandtschaft gerade  auf  diesem  Gebiete  in  anschaulicher  Weise  beleuchtet. 
E.  zählt  49  Verba,  154  Nomina,  und  9  Adverbia,  Präpositionen  und  Partikeln 
auf.  Wörter,  die  nur  gemeinsame  Bedeutungsentwicklung  des  b.  und  sl.  zeigen, 
in  anderer  Bedeutung  aber  auch  sonst  vorkommen,  sind  nicht  aufgenommen. 
Daß  manche  dieser  Übereinstimmungen  im  Wortschatze  auch  durch  Entlehnung 
erklärt  werden  können,  gibt  E.  selbst  zu. 

Zusammenfassend  stellt  E.  die  alten  Beziehungen  zwischen  den  sprach- 
lichen Vorfahren  der  heutigen  Balten  und  Slaven  so  dar:  Schon  in  der  Zeit 
der  idg.  Ursprache  unterschied  sich  das  »Slav.«  vom  >Balt.*,  so  daß  es  etwa 


316  Kritischer  Anzeiger. 

eine  Mittelstellung  zwischen  >Balt.«  und  >Arisch«  einnahm.  Nach  dem  Ab- 
rücken der  >Arier«  traten  »Slaven«  und  >Biilten«  in  eine  Epoche  des  Zusam- 
menlebens, ihre  Sprachen  bereichern  sich  durch  eine  ganze  Reihe  gemein- 
samen neuen  Wortmaterials  und  sind  einer  —  übrigens  nicht  bedeutenden  — 
Reihe  gemeinsamer  grammatischer  Neuerungen  ausgesetzt.  Dafür,  daß  die 
Unterschiede  zwischen  b.  und  sl.  in  die  Zeit  der  Ursprache  reichen,  wird  ins- 
besondere das  Nichtvorhandensein  von  verschiedenen  Graden  der  Verwandt- 
schaft zwischen  den  einzelnen  b.  und  den  einzelnen  sl.  Sprachen  angeführt. 
(Einen  anderen  Schluß  gründet  auf  diesen  Umstand  Hirt,  Die  Indogerm.  S.  121, 
s.  auch  unten).  Der  erste  Teil  dieses  Ergebnisses  ist  gleichbedeutend  mit  der 
Annahme  von  Unterschieden  zwischen  dem  heutigen  Balt.  und  Slav.,  die  bis 
in  die  Zeit  der  idg.  Ursprache  zurückreichen.  Gibt  es  solche?  E.  erblickt 
einen  derartigen  Unterschied  in  der  Behandlung  des  s,  allein  gerade  in  diesem 
Punkte  scheinen  Ref.  seine  Aufstellungen  zu  weit  zu  gehen  (s.  o.).  Den 
Unterschied  in  der  Behandlung  von  kh  (b.  /.-,  sl.  ch),  für  den  E.  zweifellos  rich- 
tige Beispiele  beigebracht  hat,  in  die  Zeit  der  idg.  Ursprache  zu  verlegen,  da- 
für gibt  es  keinen  chronologischen  Anhaltspunkt.  Die  Annahme,  daß  Ä7(  eine 
Zeitlang  parallel  im  b.  und  sl.  bestand  und  dann  in  relativ  junger  Zeit  im  b. 
mit  k  zusammenfiel,  im  sl.  ch  ergab,  läßt  sich  weder  beweisen  noch  widerlegen. 
(Über  eine  andere  Möglichkeit  der  Vereinigung  von  b.  k  und  sl.  ch  cf.  Pedersen, 
K.  Z.  38,  391).  Für  den  Unterschied  im  Instr.  sing,  der  o-Stämme  gibtE.  selbst 
die  Möglichkeit  eines Nebeneinanderbestebens  der  Formen  auf  -ö  und  auf -omi 
(S.  165)  zu.  Auf  keinen  Fall  ist  in  einem  solchen  Unterschied  der  Kasusbildung 
ein  trennendes  Kriterium  zu  erblicken,  da  ja  verschiedene  Bildungsformen 
eines  Kasus  bis  in  die  dialekt.  Verzweigungen  der  Einzelsprachen  hinein 
nebeneinander  bestehen  können.  Man  vgl.  ai  (klass.  Sanskrit)  vrkäh  Wölfe 
(Suff,  -ös)  gegenüber  ved.  asvämh  Pferde  (Suff,  -öses),  (Brugmann,  Gr.2,  II/2, 
211  f.).  Die  Gemeinsamkeiten  der  beiden  Sprachen  zerfallen  hingegen  in  zwei 
Kategorien,  solche,  die  bis  in  die  Zeit  der  idg.  Ursprache  zurückreichen  — 
in  der  Annahme  solcher  wird  man  Meillet  beistimmen  müssen  —  und  in  solche, 
die  jüngeren  Datums  sind  und  die  wohl  kaum  in  den  beiden  Sprachstämmen 
unabhängig  voneinander  entstanden  sind.  (Man  denke  an  das  Saussure'sche 
Gesetz,  b.  -tau,  sl.j'u,  die  gleichartige  Behandlung  des  heterosyllabischen  eii 
u.  vieles  andere,  von  E.  Beigebrachte.)  Demnach:  gemeinsamer  Ausgangspunkt 
bei  Fortbestehen  der  Gemeinsamkeiten  in  nachidg.  Zeit.  Dies  ist  nun  freilich 
ein  Ergebnis,  das  dem,  das  man  bisher  herkömmlicherweise  mit  dem  Namen 
der  b.-sl.  Spracheinheit  bezeichnete,  gar  nicht  unähnlich  ist,  sich  hingegen 
von  dem  von  E.  aufgestellten  durch  Streichung  der  in  idg.  Zeit  reichenden 
Unterschiede  unterscheidet.  Die  Bezeichnung  »Spracheinheit«  ist  nun  gewiß 
einerseits  prätentiös  —  angesichts  des  spärlichen  Materials,  das  der  Sprach- 
wissenschaft für  Rückschlüsse  auf  eine  so  entfernte  Vergangenheit  zu  Gebote 
steht  — ;  sie  ist  andererseits  irreführend,  wie  dies  E.  zum  Schluß  mit  Recht  her- 
vorhebt, da  sie  die  Vorstellung  von  vollständiger  Einheit  erweckt.  E.'s  Be- 
zeichnung >baltisch-slavische  Periode«  ist  daher  vorzuziehen.  Wie  erklären 
sich  aber,  wenn  man  eine  ursprüngliche  Sonderung  von  balt.  und  sl.  nicht  an- 
nimmt, die  vorhandenen,  zweifellos  bedeutenden  Unterschiede?  Für  ihre  Er- 


Endzelin,  Slavisch-baltiache  Studien,  angez.  v.  Jokl.  317 

klärung  könnte  man  allerdings  versucht  sein,  auf  Meillets  Begriff  des  dialecte 
natnrel  (Les  dlal.  indo-eur.  S.  4)  zu  verweisen,  der  ja  nichts  anderes  als  eine 
Gruppe  von  Mundarten  ist,  die  durch  gemeinsame  Isoglossenlinien  einge- 
schlossen sind;  innerhalb  eines  dialecte  naturel  bleibt  Eaum  genug  für  be- 
deutende Abweichungen,  die  sich  im  Laufe  der  Entwicklung  steigern  können. 
Kozwadowski  setzt  behufs  Beantwortung  der  Frage  (R.  S.  5,24,  33}  zwischen 
die  ursprüngliche  b.-sl.  Epoche  und  die  bis  in  die  Gegenwart  sich  erstreckende 
Zeit  des  nachbarlichen  Nebeneinanderlebens  eine  Periode  räumlicher  Tren- 
nung. Ein  abschließendes  Urteil  über  diese  Lehre  —  eine  ähnliche  wurde 
von  Hirt,  Die  Indogerm.  I,  S.  120  f.  ausgesprochen  —  können  erst  eingehende 
Einzelforschungen  über  die  chronologische  Interrelation  von  Gemeinsam- 
keiten und  Unterschieden  einerseits  und  die  zeitliche  Abfolge  innerhalb  der 
Gemeinsamkeiten,  ihre  Zerlegung  in  zwei  Schichten,  bringen.  —  Damit  sei 
von  dem  Werke,  das  Ref.  bei  wiederholtem  Studium  eine  Fülle  von  Belehrung 
und  Anregung  bot,  Abschied  genommen.  Wie  tief  und  nachhaltig  das  Haupt- 
problem sowohl  als  die  zahlreichen  Probleme  der  b.  und  sl.  Sprachwissen- 
schaft, in  die  es  zerfällt,  durch  diese  hervorragende  Schrift  gefördert  wurden, 
werden  die  Leser  des  »Archivs«  schon  aus  dieser  knappen  Darstellung  ihres 
Hauptinhalts  ersehen  haben. 

Wien.  Norbert  Jokl. 


Kleine    Mitteilungen. 


Nochmals  das  Schlagwort  >ihujioü  3ana^^<. 

Im  Archiv  XXXI,  318  wurde  die  Frage  nach  dem  Urheber  des  russischen 
geflügelten  Wortes  vom  »faulen  Westen«  aufgeworfen.  Aus  den  dort  mitge- 
teilten Stellen  geht  hervor ,  daß  Sevyrev  das  Wort  geprägt  haben  kann.  Ein 
weiterer  Hinweis  auf  diesen  Gelehrten  als  den  Urheber  des  Ausdrucks  findet 
sich  in  einem  vom  Redakteur  des  >E/Kero;iiiHK'i>  BlMnepaTopcKuxi.  Teaiposic 
Baron  Driesen  in  Lieferung  4  des  Jahrbuchs  für  1911  veröffentlichten  Schrei- 
ben Verstovskijs ,  des  Direktors  der  Moskauer  Hoftheater,  an  seinen  Chef 
Gedeonov  in  Petersburg.  Der  >E/KeroaHHKx«  ist  mir  nicht  zugänglich,  meine 
Quelle  ist  das  Feuilleton  »JIhctt.  b-l  Poccin«  von  M.  Ivanov  in  Nr.  12  801  der 
»Novoe  Vremja«  vom  31.  10.  (13.  11)  1911.  Verstovskij  berichtet  über  die 
Aufnahme  Liszts  in  Moskau  im  Mai  1843  und  schreibt,  was  folgt:  »Hs-b  nocjiiÄ- 
HHXT,  ÄHeü  He  npoxoÄUJ:o  noiTU  hh  o;tuoro ,  itoöbi  ue  Äasa^H  CMy  npaaaHHKa,  o*h- 
nlajitHaro  oöisa  hju  niiKHUKa.  ü,  KaK-L  ^e.ioBiKi.  0TCTa.3tiü  u  ct.  3ano3aaBiuHMH 
npH^yaaiviH,  He  HMi.i'B  hm  lecTu,  hh  y;iiOBOJiLCTBiK  öhtb  hh  na  oäeomi  nax  CHit 


318  Elleine  Mitteilungen. 

TopacecTBX,  ho  cjiuma.ji'h,  ito  euy  Besai  roEopujiH  piiu.  T.  ILa.Bjion'h  (mockobckIh 
jiiTepaxopT.) ,  aaBHO  yace  HSBiCTHtiü  esponeeii^ ,  nieBtipest  (npo*ecop'i.  pyccKoft 
cjOBecHocTu)  CO  CBOHMt  CTHnBiuHMt  SanaflOMTi,  xaKace  h^^ctujihci,  bt.  cio- 
Bo.«  Das  Eingeklammerte  hat  wohl  Ivanov  (oder  Baron  Driesen)  hinzu- 
gefügt. 

Es  wäre  dankenswert,  wenn  jemand  in  Moskau  der  von  Jagic  in  unserem 
Archiv  a.  a.  0.  gegebenen  Anregung  folgen  und  im  >MocKBHTHHUH'i€  nach  der 
Urheberschaft  Sevyrevs  forschen  wollte.  Aber  bei  dem  in  Rußland  herrschen- 
den völligen  Mangel  an  Interesse  für  solche  Dinge  ist  darauf  wohl  nicht  zu 
rechnen. 

Posen.  W.  Christiani. 

Hlapsl  =  Knieriem. 

Im  >Bozicni  Prilog<  zum  Wochenblatt  >Nase  Pravice«,  das  in  meiner 
Vaterstadt  Varazdin  erscheint,  las  ich  in  einem  Aufsatze  »Zadnji  spomen  izu- 
mrlog  starodrevnog  hrv.  sostarskog  zbora  u  Varazdinu«,  den  der  dortige  Dom- 
herr Stjepan  Valdec,  ein  85 jähriger  rüstiger  Greis,  geschrieben,  das  Wort 
*hlapsU,  das  den  Knieriem  (Knieriemen)  bedeutet.  Der  Verfasser  beschreibt 
den  >hlapsl<  und  sagt  dann:  hlapsl  mozda  dolazi  od  rieci  *Jilapec<,  sluga,  jer 
sluzi  kod  rada  sivacu.  Diese  Wortdeutung  wäre  dem  Anlaut  gerecht,  doch 
der  Auslaut  klingt  so  fremdartig,  daß  eine  solche  Verunstaltung  des  einhei- 
mischen Wortes  >hlapec*  kaum  denkbar  ist.  Angesichts  der  Tatsache,  daß 
in  den  mit  Ungarn  benachbarten  Gegenden  Kroatiens  sehr  viele  magyarische 
Ausdrücke  begegnen,  namentlich  in  einzelnen  Gewerken,  lag  am  nächsten  der 
Gedanke  auch  für  dieses  Wort  im  Magyarischen  den  Ursprung  zu  suchen,  wie 
für  bickija  (bicska),  birsag  (birsäg),  lokozas  (lakozäs)  u.  a.  Nur  der  doppelkon- 
sonantische Anlaut  störte.  Ohne  erst  im  Wörterbuch  nachzuschlagen ,  fragte 
ich  den  Freund  Prof.  Asböth,  ob  das  Wort  nicht  dennoch  magyarisch  sei.  Er 
bestätigte  es  mir  mit  dieser  launigen  Antwort:  Ich  glaube,  Sie  könnten  ruhig 
1000  Ungarn  der  Reihe  nach  fragen,  alle  würden  Ihnen  lachend  antworten: 
hlapsl  —  ungarisch?  Nein,  das  ist  rein  unmöglich.  Fragen  Sie  aber,  wie  man 
den  >Knieriemen<  ungarisch  sagt,  so  ist  das  Rätsel  gelöst,  der  heißt  nämlich 
läbszij;  das  Wort  ist  zusammengesetzt  aus  lab  =  Fuß  und  szij  =  Riemen. 
Wie  kam  der  Kroate  dazu  dem  Anlaut  /  noch  ein  h  vorzusetzen?  Prof.  Asböth 
denkt  an  die  Entlehung  in  einer  Gegend,  wo  man  in  hladan  und  ähnlichen 
Wörtern  bald  reines  l  bald  hl,  also  eine  schwankende  Aussprache  hört.  Das 
wäre  möglich,  wenn  das  Wort  irgendwo  in  Baeka  —  Banat  seinen  Ursprung 
hätte.  Allein  bei  den  Kaj-Kroaten  wird  hl  regelmäßig  nach  der  Etymologie 
ausgesprochen.  Darum  kann  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  in  hlapsl  nicht 
wirklich  hlapec  das  Musterwort  abgab,  nach  welchem  man  dann  ,lapsij'  zu 
hlapsij'  umgestaltete.  Es  hat  ja  der  Verfasser  des  Aufsatzes,  wie  wir  oben 
sahen,  wirklich  an  hlapec  gedacht.  Bezüglich  des  auslautenden  1  denke  auch 
ich  mit  Asböth  an  deutsche  Beeinflussung,  vielleicht  nicht  gerade  in  dem  Sinne, 
daß  die  Kroaten  durch  das  deutsche  Medium  lapsl  (aus  dem  magyar.  läpszij) 
das  Wort  bekommen  haben;  es  genügt  vielleicht  zu  sagen,  daß  das  Wort  als 


Kleine  Mitteilungen.  319 

Fremdwort  gefühlt  wurde  und  da  lagen  zur  Analogiebildung  aus  lajysij  in 
lapsl,  hlapsl  solche  Wörter  vor,  wie  gimpl,  kripl,  pudl,  stopsl,  strufl  u.  a. 
Übrigens  erfahre  ich  durch  Prof.  T.  Matic,  daß  auch  in  Slavonien  (Pozega) 
der  Ausdruck  bekannt  ist  und  läpsan  (Genit.  lüpsana)  lautet.  Und  auch  für 
das  Slovakische  führt  Loos  in  seinem  Wörterbuch  die  Form  lapsik  an  (Prof. 
Asböth  hält  die  von  Skultety  u.  a.  verzeichnete  Form  lapsik  für  richtiger,  denn 
80  soll  die  wirkliche  Aussprache  lauten).  F.  J. 


Florianer  Psalter  103,  26:  r^kama. 

Aufs.  251  dieses  Bandes  habe  ich  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  in 
der  Nehring'schen  Ausgabe  des  Florianer  Psalters  der  Text  103,  26  lautet: 
To  morze  welike  y  szyrokee  r(^kama,  daß  dem  gegenüber  das  Lexikon  s.  v. 
reka  aber  ausdrücklich  für  diese  Stelle  die  Form  r^^koma  notiert.  Nehring 
gibt  auch  in  den  »Corrigenda  et  addenda«  S.  248  über  diese  Verschiedenheit 
keine  Auskunft.  Es  würde  hier  der  älteste  Einfluß  von  o-Stämmen  auf 
rt-Stämme  vorliegen,  den  auch  der  Grammatiker  des  Denkmals,  Leciejeweki, 
nicht  angemerkt  hat.  Dagegen  belegt  Nehring's  Lexikon  die  zu  erwartende 
Form  r(}kama  durch  23,  4  und  97,  9,  wozu  ich  noch  105,  40  hinzufügen  kann. 
Um  nun  einen  endgültigen  Aufschluß  über  diese  Unstimmigkeit  zu  erhalten, 
richtete  ich  an  die  Bibliothek  des  regul.  Chorherrenstiftes  St.  Florian  bei  Linz 
eine  Anfrage,  auf  die  mir  der  Herr  Bibliothekar  umgehend  bereitwüligst 
folgende  Antwort  erteilte:  »In  unserer  Hs.  III,  206  (Psalterium  trilingue) 
fol.  194  Spalte  2  heißt  das  angefragte  Wort  ganz  deutlich  rj^kama  (a  nicht  o).« 
Auch  Dunin-Borkowski  hat ,  worauf  mich  der  Herr  Bibliothekar  hinwies,  be- 
reits die  richtige  Lesart  r(^kama  in  seiner  Ausgabe :  >Psalterz  kr61ow6j  Mai- 
gorzaty«  usw.,  wie  man  den  Psalter  damals  nannte. 

Beuthen  O/S.  E.  Hanisch. 

Ein  polnisches  geflügeltes  Wort. 

In  Büchmanns  > Geflügelten  Worten«  479  (25.  Aufl.,  Berlin  1912)  wird  der 
Verfasser  des  Dombrowski- Marsches  »Jeszcze  Polska  nie  zginela«  als  un- 
bekannt bezeichnet  unter  Berufung  auf  die  deutsche  Ausgabe  der  »Vorlesun- 
gen über  slawische  Literatur  und  Zustände«  von  Adam  Mickiewicz  (Lpz.  1843)_ 
Diese  noch  von  Büchmann  selbst  vor  fast  50  Jahren  in  sein  Werk  aufgenom- 
mene Angabe  trifft  seit  längerer  Zeit  nicht  mehr  zu,  sie  ist  heute  völlig  ver- 
altet. Den  späteren  Herausgebern  der  »Geflügelten  Worte«  ist  es  vermutlich 
nicht  bekannt  geworden,  daß  über  das  berühmte  Lied  der  polnischen  Legionen 
seit  1894  eine  umfangreiche  polnische  Literatur  entstanden  ist,  die  sowohl  die 
Person  des  Dichters  als  auch  die  Zeit  der  Entstehung  des  Dombrowski-Mar- 
sches  betrifft.  Als  Verfasser  des  Liedes  galt  schon  früher  Joseph  Wybicki. 
Daß  er  es  in  der  Tat  gedichtet  hat,  ist  von  Professor  L.  Finkel  in  Lem- 
berg  in  der  Broschüre  »0  piesni  legionöw«  (Lemberg  1S94.  40  S.  S»)  und 
in  der  von  Kossak  illustrierten  Prachtausgabe  des  Dombrowski-Marsches 


320  Kleine  Mitteilnngen. 

(Piesn  legionöw.  Lemberg  1894)  nachgewiesen  worden.  Über  die  Frage,  wann 
und  wo  Wybicki  das  Lied  gedichtet  hat,  haben  sich  Finkel  und  Korzon  in 
Warschau  wiederholt  geäußert,  und  zwar  Finkel  zuerst  a.  a.  0.,  dann  1910  in 
der  1910  erschienenen  zweiten  Auflage  der  genannten  Prachtausgabe  und  im 
Warschauer  >Tygodnik  Illustrowany«  (1910,  Nr.  4);  Korzon  ebenda  zuerst 
1896  (Nr.  10—13),  darauf  1911  (Nr.  1).  Finkel  behauptete  anfangs,  das  Lied 
sei  1797  in  Reggio  entstanden,  dann  vertrat  er  die  Ansicht,  es  sei  1797  in 
Paris  gedichtet  worden.  Dagegen  meinte  Korzon,  Wybicki  habe  den  Marsch 
erst  um  den  22.  Februar  1799  in  Italien  gedichtet.  In  der  Lemberger  >Gazeta 
wieczorna«  (1911,  Nr.  HO  u.  127)  pflichtete  B.  Pawlowski  Finkel  bei,  Korzons 
Ansicht  wiederholte  WaclawOrlowski  in  seiner  Broschüre  >Piesn  legionistöw. 
Jej  powstanie  i  historya«  (Krakau  1910).  Im  Krakauer  >Czas«  (1912,  Nr.  594) 
gelangte  A.  Hajdecki  in  einer  beachtenswerten  Untersuchung  >Jak  i  kiedy 
powstala  Piesii  Legionöw?«  zum  Ergebnis,  daß  Wybicki  den  Dombrowski- 
Marsch  am  15.  April  1797  in  Paris  gedichtet  habe.  Vertont  worden  ist  der 
Marsch,  wie  Hajdecki  annimmt,  unmittelbar  darauf  von  Fürst  Michael  Oginski. 
(Dieser  galt,  nebenbei  bemerkt,  von  jeher  als  Komponist  des  Marsches.) 

Endlich  hat  in  der  >Biblioteka  warszawska«  (1913,  Februarheft,  S.  377 — 
381)  Wactaw  Orlowski  in  einem  Aufsatz  >Dotychczasowe  badania  nad  pow- 
staniem  'Piesni  legionöw'«  nochmals  das  Wort  ergriffen.  Er  geht  auf  die  Aus- 
führungen Hajdeckis  ein,  an  denen  er  manches  auszusetzen  hat,  gibt  indessen 
zu,  daß  aus  einem  von  H.  gefundenen  Dokument  als  Entstehungszeit  das  Jahr 
1797  hervorgeht.  Für  den  Komponisten  hält  Orlowski  nicht  den  Fürsten 
Oginski,  sondern  den  Dichter  Wybicki,  der  mehrere  Opern  komponiert  hat. 

Posen.  W.  Chrisiiani. 


Zu  Zukovskijs  GedicJd  Ympo  na  lopih. 

Zukovskijs  Gedicht  yxpo  Ha  ropi  vom  Jahre  1S19  gilt  bisher  wohl  als 
original,  wird  wenigstens  in  den  mir  zugänglichen  Ausgaben  (Glazunov, 
10.  Ausgabe  1901,  Marks  1902,  Sytin  1902)  so  aufgefaßt.  Es  ist  aber,  wie  ein 
Vergleich  ohne  weiteres  ergibt,  eine  Übersetzung  der  ersten  beiden  Strophen 
von  Goethes  >Zueignung«.  Faul  DieU. 


Berichtigung. 

In  dem  in  Bd.  XXXIV  (1912),  S.  298— 304  veröffentlichten  Aufsatze: 
»Über  einen  Kodex  der  serbischen  Königin  Milica  oder  Helena,  als  Nonne 
Eugenia  genannt  in  den  Meteoren«  sind  einige  Druckfehler  geblieben.  Von 
diesen  Druckfehlern  möchte  ich  einen,  der  gewiß  zu  Mißverständnissen  führen 
könnte,  berichtigen:  d.h.  auf  S. 299  Z.6 — 7  statt  >dem  Ende  des  XIII.  oder 
dem  Anfang  des  XIT.  Jahrhunderts«  ist  zu  lesen  »dem  Ende  des  XIV. 
oder  dem  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts«.  Nikos  Vees. 


und  -e  in  den  Endungen  der  slavischen  Deklination. 


Bekanntlich  stehen  dem  -e  der  weichen  Stämme  (im  gen.  sing., 
nom.  acc.  plur.  der  Feminina,  sowie  im  apl.  der  Maskulina:  duse^  ^'''nj^) 
im  Russischen  und  Slowakischen,  und,  wie  man  annimmt,  auch  im  Pol- 
nischen, und  vielleicht  im  Cechischen  Endungen  gegenüber,  die  auf  eine 
andere  Grundlage  weisen:  auf  Grund  des  Altrussischen  pflegt  man  zu 
vermuten,  daß  in  den  betr.  Sprachen  nicht  slav.  -e,  sondern  slav.  -e  ent- 
stand. Man  nimmt  demnach  an,  daß  schon  in  urslavischer  Zeit  ein  Teil 
des  slav.  Sprachgebietes  bei  der  Bildung  dieses  Kasus  andere  Wege  ein- 
geschlagen habe,  als  den,  dessen  Resultate  wir  im  Altkirchenslav.  und 
in  den  südslav.  Einzelsprachen  vorfinden. 

Ich  brauche  auf  die  Literatur  der  Frage  nicht  hinzuweisen ,  da  sie 
von  Hujer,  Slovanska,  deklinace  jmennä  §  93  ff.  zusammengestellt  und 
besprochen  ist. 

Auf  die  Frage,  wie  sich  die  Entstehung  von  -e  neben  -e  sprach- 
wissenschaftlich rechtfertigen  lasse,  sind  verschiedene  Antworten  ge- 
geben worden.  Hujer  glaubt  sie  (im  Anschluß  an  Zubaty)  durch  ein 
Lautgesetz  zu  lösen ,  wonach  -*{äs  im  slav.  Auslaut  ^  -S  führt.  Die 
Endung  des  Russischen ,  Slowakischen  usw.  würde  also  auf  eine  vorsla- 
vische  Endung  ohne  Nasal  zurückgehen:  eine  solche  Endung  könnte  im 
Gen.  sing,  der  Feminina  und  im  Nom.  plur.  ursprünglich,  sie  könnte  im 
Akk.  plur.  der  Feminina  aus  -*ißns  lautgesetzlich  entstanden  sein  und 
müßte  auf  den  Akk.  plur.  der  Maskulina  übertragen  sein. 

Ich  will  hier  nicht  untersuchen,  ob  das  alles  sehr  wahrscheinlich 
ist:  der  Übergang  von  -*{äs  zu  -^,  während  im  absoluten  Auslaut  und 
vor  allen  andern  Konsonanten  -*{ä-  erhalten  bleibt;  ferner  das  Ver- 
bleiben eines  solchen  -e  nach  einem  doch  wohl  erweichten  Konsonanten, 
die  Übertragung  der  Endung  ins  Paradigma  der  Maskulina,  wo  sie  ur- 
sprünglich sicher  keine  Stelle  hatte,  die  Erhaltung  einer  nasallosen  En- 
dung -äs  gerade  nur  bei  den  weichen  Stämmen  (warum  nicht  auch  bei 
den  harten?),  das  schon  urslavische  Bestehen  einer  dialektischen  Ver- 
schiedenheit in  der  Flexion.    Über  all  dies  würde  man  vielleicht  hinweg- 

Archiy  für  slavische  Philologie.    XXXY.  21 


322  P.  Diels, 

kommen,  wenn  sich  keine  andere  Lösung  böte.  Ich  glaube  aber,  daß  es 
eine  andere  und  einfachere  gibt. 

Als  zweifellos  hat  man^  wie  bekannt,  eine  von  -e  verschiedene  En- 
dung nur  für  das  Russische  und  Slowakische  angenommen.  Das  Cechische, 
so  wie  es  vorliegt,  läßt  sich  in  beide  Gruppen  gleich  gut  einreihen :  der 
gsg.  dusS  usw.  kann  sowohl  auf  duse  wie  auf  das  vorausgesetzte  nord- 
slav.  dusi  zurückgehen ;  das  Zeugnis  des  Öecbischen  kommt  also  nicht 
in  Betracht,  auch  das  Sorbische  bietet  keinen  Grund,  von  dem  Ansatz 
duse  abzugehen.  Das  Polnische  betreffend  hat  schon  Jagic  mit  Recht 
daraufhingewiesen,  daß  die  Form  ap.  di^sze  usw.  lautgesetzlich,  durch 
Verlust  des  Nasals,  aus  duie  entstanden  sein  kann:  das  Recht  zu  einer 
solchen  Annahme  geben  die  in  den  ap.  Denkmälern  häufigen,  z  T. 
regelmäßigen.  Formen  mie^  cie,  sie  statt  wti?,  cie,  sie  in  unbetonter 
Stellung  1). 

So  bleibt  nur  das  Zeugnis  des  Russischen  und  Slowakischen  übrig: 
es  kann  nicht  bezweifelt  werden,  daß  -e  in  den  genannten  beiden  Spra- 
chen auch  im  Auslaut  -a  resp.  -'a  ergeben  muß,  das  beweist  vor  allem 
slowakisch  so,  rnss.-s/ausw.,  und  so,  meint  man,  müsse  slowakisch  duse, 
Mü6e,  altruss.  duse,  klJudS  eine  andere  Entstehung  haben,  als  das  aksl. 
duse^  klj'uöe.  Ich  glaube  aber  nicht,  daß  dieser  Schluß  wirklich  zwingend 
ist.  Es  ist  die  Frage,  ob  man  duse,  klj'uöe  und  se  ohne  weiteres  auf  eine 
Stufe  zu  stellen  berechtigt  ist. 

Ich  will  nicht  davon  sprechen,  daß  -c  in  duse,  kJjuöe  erst  durch 
Umlaut  entstanden  ist,  im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Fällen  von  aus- 
lautendem und  inlautendem  -e.  Denn  es  ist  allerdings  nicht  wahrschein- 
lich, daß  dieser  Unterschied  in  einzelsprachlicher  Zeit  noch  lautlich  fühl- 
bar gewesen  sein  sollte.  Aber  —  und  das  scheint  mir  das  Wesentliche  — 


1)  s.  Leciejewski,  Der  Lautwert  der  Nasalvokale  im  Altpolnischen,  pas- 
sim  und  bes.  S.  163,  Anm.  2.  Die  Formen  mie,  de,  sie  zeigen,  wie  sich  ein  aus- 
lautendes, unbetontes,  kurzes-?  entwickeln  konnte,  wenn  keine  Störungen 
eintraten;  die  Formen  des  nom.  und  acc.  sg.  der  -et-  und  der  -/new-Stämme 
wie  dziecip,  imip ,  die  in  den  ap.  Denkmälern  ziemlich  regelmäßig  (wiewohl 
nicht  immer)  mit  Nasalvokal  auftreten,  haben  sich  vermutlich  nicht  ganz  laut- 
gesetzlich, sondern  unter  Einfluß  der  obliquen  Kasus  entwickelt.  Wo  die 
Formen  wie  mie,  cie,  sie  in  den  ap.  Denkmälern  fehlen,  und  nur  ??»>,  ctf,  sie 
usw.  auftreten,  liegt  Ersetzung  (vielleicht  nur  in  der  Schrift;  durch  die  ortho- 
tonierten  Formen  vor.  Andere  Beispiele  für  die  Entwicklung  eines  auslauten- 
den, kurzen  slavischen  -f  gibt  es  im  Polnischen  meines  Wissens  überhaupt 
nicht. 


e  und  f  in  den  Endungen  der  slavischen  Deklination.  323 

diese  Endungen  der  -Ja-  undyä-Stämme,  dusq^  hl'ude^  waren  wahrschein- 
lich der  einzige  Fall^  wo  das  -e  einen  stark  erweichten  Konsonanten 
vor  sich  hatte:  denn  in  allen  andern  Fällen  im  Auslaut  (und  Inlaut)  ist 
q  bekanntlich  anderer  Entstehung  (aus  ew,  em  usw.)  und  hat  demnach 
einen  nur  schwach  erweichten  Konsonanten  vor  sich.  Daß  ein  solcher 
Unterschied  wohl  wirklich  bestand,  zeigen  die  Bemerkungen  Leskiens 
Archiv  f.  slav.  Philologie  XXVII,  S.  165:  Die  (allerdings  z.  T.  unregel- 
mäßige) Setzung  des  Erweichungszeichens  über  w,  /,  r  in  glagolitischen 
Texten  läßt  erkennen,  daß  diese  Konsonanten  vor  allen  hellen  Vokalen 
palatalisiert  waren,  daß  aber  die  Palatalisierung  vor  einem  etymol.  e,e,  ^ 
zweifellos  schwächer  war  als  die  Palatalisation  durch  ein  etymologisches  y 
(+ Vokal),  d.h.  also  im  N.sg.  part.  chvaJq  schwächer  als  etwa  im  G.  sg. 
voTe^  im  N.  sg.  part.  zenqi  se  schwächer  als  etwa  im  G.  sg.  vone  usw.; 
dies  gilt  zunächst  für  n,  l,  r]  für  die  Labialen  ergibt  sich  ein  gleicher 
Unterschied  durch  das  Fehlen  oder  Eintreten  der  /-Epenthese:  brSmq 
etwa  gegenüber  von  G.  sg.  f.  zeml'e  usw.,  ebenso  muß  ein  solcher  Unter- 
schied für  die  Dentale  vorausgesetzt  werden,  sowie  für  die  Zischlaute  s, 
z.  Nur  bei  den  Gutturalen  ist  ein  solcher  Unterschied  weder  orthogra- 
phisch zu  fassen  noch  mit  Sicherheit  als  vorausgegangen  zu  erschließen, 
d.  h.  ein  Unterschied  zwischen  dem  Palatalitätsgrad  von  3.  pl.  aor.  rise 
und  G.  sg.  du^c  usw.  Es  hindert  aber  nichts,  ihn  auch  hier  voraus- 
zusetzen. 

Wenn  wir  sonach  zu  der  Annahme  berechtigt  sind,  es  sei  eine  durch 
/bewirkte  urslav.  Konsonantenerweichung  in  jedem  Falle  ursprüng- 
lich stärker  gewesen,  als  eine  durch  die  Darauffolge  heller  Vokale  (ohne 
j)  bewirkte,  so  kann  man  m.  E.  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  alt- 
rnss.  und  slowak.  Formen:  duse,  kone,  kl'ade  usw.  ohne  bes.  Schwierig- 
keit in  der  Weise  lösen,  daß  man  annimmt,  es  sei  in  den  genannten  bei- 
den Sprachen  nach  einem  stark  erweichten  Konsonanten  die  Weiterent- 
wicklung des  ausl.  -e  in  der  Richtung  auf  -a  unterblieben  oder  doch  nicht 
soweit  fortgeschritten  wie  nach  einem  schwach  erweichten  Konsonanten : 
daher  im  Slowakischen  mede,  gegen  chlapdu,  &a  usw.,  im  Altruss.  ein 
Laut,  den  die  altruss.  Orthographie  i)  durch  -S  wiedergibt  kJJu6S^  gegen- 
über von  sju. 

In  diesem  Falle  enthielte  die  altruss.  Schreibung  klj'ucS  überhaupt 


1)  Die  altruss.  Formen  auf  -ja,  -a  in  diesen  Kasus  erklärt  Sobolevskij, 
sicher  mit  Recht,  für  nicht  echt  russisch,  Lekciji*  S.  153. 

21* 


324  P-  Diela, 

keinen  Hinweis  auf  ein  slavisches  -^,  sondern  es  sollte  durch  diese 
Schreibung  nur  etwa  ein  e-Laut  ausgedrückt  werden,  der  dem  sonstigen 
russ.  S  in  der  Vokalqualität  ähnelte ,  ohne  doch  mit  ihm  der  Entstehung 
nach  auch  nur  die  geringste  Gemeinschaft  zu  haben. 

Wenn  das  richtig  ist  —  und  möglich  ist  es  in  jedem  Fall  —  so 
entfallen  alle  die  Schwierigkeiten,  die  wir  bei  andern  Erklärungen  ent- 
stehen sahen.  Es  handelt  sich  dann  um  keinerlei  Flexionsverschieden- 
heit in  urslav.  und  vorslav.  Zeit,  sondern  die  in  den  slav.  Sprachen  be- 
legten Formen  der  betr.  Kasus  im  Paradigma  der  weichen  Stämme  gehen 
alle  auf  die  im  Aksl.  belegten  -(^-Formen  lautgesetzlich  zurück,  diese 
Formen  trennen  sich  von  dem  sonstigen  Schicksal  eines  auslautenden  ~e 
nur  in  den  beiden  Sprachen,  die  ein  -<?  auch  im  Auslaut  in  der  Richtung 
auf  -a  weiterentwickelt  haben,  und  zwar  geschieht  die  Trennung  in  der 
Weise,  daß  in  den  betr.  Klexionsformen  eben  diese  Weiterentwicklung 
in  der  Richtung  auf  -a  unterbleibt,  und  zwar  auf  Grund  eines  Laut- 
gesetzes, das  nur  in  diesen  Formen  wirken  konnte,  das  daher  für  uns 
nicht  weiter  beweisbar,  an  sich  aber  keineswegs  unwahrscheinlich  ist^). 

Breslau,  im  Juni  1913.  Paul  Vieh. 


1)  Unter  den  gleichen  Bedingungen  wie  dus^  usw.  standen  nur  die  For- 
men des  N.Bg.  part.  prüs.  der  weichen  Präsensstämme,  wie  (jlagol'r  usw.  Diese 
Form  ist  im  Slowakiachen  bekanntlich  nicht  mehr  vorhanden,  die  russischen 
Formen  wie  3  h  a  ;i  stehen  unter  dem  Einfluß  der  harten  Präsensstämme  und 
der  Formen  wie  t  e  p  n  a. 


Zum  Schicksal  der  Halbvokale  im  Slowakischen. 


Im  Slowakischen  zeigt  sich  bekanntlich  neben  o,  e,  die  den  mittleren 
Dialekt  charakterisieren  und  deren  Verteilung  in  der  Hauptsache  dem 
alten  Unterschied  von  ^  :  *  entspricht,  auch  ein  a  als  Vertreter  alter 
Halbvokale.  Da  die  mir  bekannten  Darstellungen  dies  entweder  nur 
als  Unregelmäßigkeit  verzeichnen  oder  darin  einen  »Anknüpfungspunkt* 
an  das  Südslavische  sehen  —  im  Grunde  bedeutet  ja  auch  dies  einen 
Verzicht  auf  jede  Erklärung,  —  so  sei  hier  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, daß  das  Auftreten  von  a  sich  doch  wohl  nicht  völlig  regellos  voll- 
zieht.   Es  handelt  sich  bekanntlich  um  einzelne  Worte,  in  denen  a  als 


Zum  Schicksal  der  Halbvokale  im  Slowakischen.  325 

Reflex  des  Halbvokals  auftritt:  sie  sind  am  vollständigsten  zusammen- 
gestellt bei  Pastrnek,  Beiträge  zur  Lautlehre  der  slovak.  Sprache  in 
Ungarn,  S.  96 ff.    Es  sind: 

haza  =  c.  hez  'Hollunder'  (Stamm-  und  GescMechtswechsel  wie 
dialektisch  im  Südslavischen} ; 

daska  neben  doska,  deska; 
sowie  die  Maskulina: 

däzd'.  neben  dezd'  und  dyst ; 

mach  =  c.  mech,  neben  moch ; 

raz^  razka  neben  roz^  rez\ 
sowie  mit  einem  entspr.  Reflex  des  h: 

Tan  =  e.  lefi,  neben  len. 

Es  "Wäre  zu  wünschen,  daß  die  Abgrenzung  der  konkurrierenden 
Formen  in  den  Dialekten  noch  genauer  erforscht  würde :  doch  läßt  sich 
das  Charakteristische  dieser  Formen  vielleicht  schon  mit  dem  vorhan- 
denen Material  erkennen.  Man  kann  das  Gesetz  empirisch  etwa  so  for- 
mulieren: a  tritt  im  Slowakischen  als  Vertreter  von  0,  h  in  den  Fällen 
auf.  wo  der  Halbvokal  (in  allen  oder  den  meisten  Formen  des  Para- 
digmas] schwinden  sollte  'oder  wenigstens  im  Cechischen  und  Polnischen 
geschwunden  ist),  tatsächlich  jedoch  nicht  schwindet:  man  bemerkt  so- 
fort ,  daß  die  genannten  Worte  im  Slowakischen  vorwiegend  oder  sogar 
regelmäßig  den  Reflex  des  Halbvokals  durch  das  ganze  Paradigma  durch- 
führen, im  Gegensatz  zur  Behandlung  der  gleichen  Worte  im  Polnischen 
und  Cechischen ,  sowie  zur  Behandlung  anderer  Worte  ähnlichen  Baues 
im  Slowakischen  selbst. 

So  steht  baza  gegenüber  von  c.  p.  bez,  bzit,  mit  durchgeführtem 
Vokal  wie  in  russ.  602'h  usw. 

daska  gegenüber  von  ac.  dska,  Gen.  pl.  desk  (s.  Gebaner,  Slovnik 
starocesky  I,  349 bi,  ebenso  gegenüber  dem  altpolnischen  cka^  Gen.  pl. 
desk  (3.  Babiaczyk,  Lexikon  zur  altpoin.  Bibel  1455,  Breslau  1906,  8. 
V.),  mit  durchgeführtem  Vokal  wie  in  russ.  jocKa  usw.,  np.  nc.  deska. 

däzd',  gen.  dazd'a  's.  Czambel,  Rukovät'  S.  303)  gegenüber  von  ac. 
desö,  dscS  '3.  Gebaner  a.  a.  0.  I,  S,  232b  ,  ap,  deszcz,  dzdia,  adj. 
didzowy  (3.  Babiaczyk,  s.  v.),  mit  durchgeführtem  Vokal  wie  nc.  desf, 
deste,  russ,  äos^jb,  ;;oa:ja. 

mach,  machu  ^s. Czambel,  Rukovät'  S.320)  gegenüber  von  c.  mech, 
mchu  (neben  mec?iu),  p.  mech,  mchu^  russ,  mcxT).  Mxa  (neben  Moxa). 


326  P-  I>iel8, 

raz,  g.  razi  (s.  Czambel,  Rukovät'  S.  342)  gegenüber  von  c.  rez, 
rzi  (neben  rezi)^  p.  r«?i,  riy,  r.  poa:b,  p»:h. 

/aw,  g.  l'ajiu  (s.  Czambel,  Rukovät'  S.  318)  gegenüber  von  c.  len, 
hm  (neben  lenu)^  p.  len,  Inu,  russ.  jrent,  Jtiia. 

Und  die  ganze  Gruppe  der  genannten  Worte  mit  erhaltenem  Halb- 
vokal steht  gegenüber  von  slowakisch  loz,  g.  Izi  (mit  Schwund  des 
Halbvokals  in  den  obliquen  Kasus  und  o  für  ^  im  Nominativ) ,  vos  :  vsi, 
lev  :  Iva  (neben  leva),  dest':  cti,  den  :  dna^  sen  :  sna  (falls  dies  echt  slo- 
wakisch ist),  lesi! :  Isti^  pen  :  pna  usw.  i). 

Noch  in  einem  zweiten  Falle  tritt  bekanntlich  im  Slowakischen  a 
für  ehemaligen  Halbvokal  auf:  im  G.  pl.  einiger  Substantiva,  deren 
Stamm  auf  eine  Konsonantengruppe  ausgeht;  die  Regeln  dafür  gibt 
Czambel,  Rukovät'  S.  54flf.  Bei  den  Feminina  ist  der  Einschub  von  ä 
regelmäßig  bei  solchen,  deren  Stamm  auf  Konsonant  -{-  Liquida  aus- 
geht wie  sestd?-,  darunter  sind  viele ,  in  denen  überhaupt  kein  Einschub- 
vokal etymologisch  zu  erwarten  ist:  a  erscheint  also  auch  hier  an  einer 
Stelle,  wo  wir  zunächst  gar  keinen  Vokal  erwarten  sollten.  Anders  frei- 
lich steht  es  mit  der  zweiten  Gruppe  von  Fällen,  wo  ein  ä  zwischen  t  -f- 
k,  V  -{-  k  eingeschoben  wird:  kytka  :  kyfdk;  wie  diese  sich  zu  den 
Fällen  wie  prtslovka  :  prisloviek  verhalten,  ist  mir  in  der  Tat  unklar; 
dasäk  hinwiederum  stimmt  zu  den  Fällen  wie  sestär.  An  die  Fälle  wie 
sestdr  schließt  sich  auch  das  Auftreten  von  d  im  G.  pl.  der  Neutra,  s. 
Czambel  a.  a.  0.,  S.  63. 

Obwohl  manche  Schwierigkeit  bleibt,  glaube  ich  auch  in  diesem 
Falle  annnehmen  zu  dürfen,  daß  die  etymologisch  berechtigten  Halb- 
vokale in  ungestörter  Entwicklung  nur  zu  6  oder  ie  führen  konnten;  ba- 


1)  Hier  reiht  sich  noch  ein  vereinzelter  Fall  an:  kotäl  neben  kotol,  g.  ko- 
täla,  kotola,  kotla.  kotdl  ist  freilich  keine  Form,  die  wir  rechtfertigen  können, 
es  heißt  ja  nur  ovos,  orol,  osol,  aber  in  diesen  Worten  tritt  eben  in  den  obliquen 
Kasus  keine  dreisilbige  Form  auf.  Das  Auftreten  von  a  ist  also  auch  hier  ge- 
knüpft an  die  regelwidrige  Erhaltung  des  Halbvokals  in  den  obliquen  Kasus. 
Es  muß  freilich  bemerkt  werden,  daß  in  andern  Fällen,  die  denen  wie  inanha, 
daska  zunächst  gleichartig  scheinen,  nicht  a,  sondern  e  auftritt,  so  in  doere 
'Türe',  menej  'weniger'  und  etwa  noch  einigen.  Hier  ist  eben  offenbar  eine 
andere  Entwicklung  eingetreten:  anstatt  daß  (oder:  bevor)  sich  a  entwickelte, 
sind  die  Formen  dvhri,  imne  einer  Analogiebildung  nach  Formen  mit  er- 
haltenem Halbvokal  unterlegen .  wie  im  Cechischen  der  Analogie  nach  dvehni 
und  mensi. 


Zum  Schicksal  der  Halbvokale  im  Slowakischen.  327 

bök^  svatieb  usw.,  und  daß  ä  als  Eiuschub vokal  vielmehr  wie  in  daska, 
macha  usw.  das  Produkt  einer  sekundären  Entwicklung  ist  ^). 

Von  den  Substantiven ,  die  nach  Czambels  Angaben  den  G.  pl.  mit 
dem  Eiuschub  ä  bilden,  fügen  sich  dem  ohne  weiteres:  sestd?;  kmotdr, 
perdl,  siddl,  jedäl^  motoviddl^  sedaddl^  ma&dl^  jaddr^  jutdr^  teddr^ 
stehdu,  hrozdn  usw.,  die  wenigen,  die  wahrscheinlich  oder  sicher  aus 
der  Reihe  herausfallen ,  d.  h.  in  denen  wir  einen  etymologisch  berech- 
tigten Halbvokal  vorauszusetzen  haben,  dürften  sich  eben  der  Überzahl 
der  andern  angeschlossen  haben,  so  hrvno  :  brvdn  (vgl.  aksl.  br^v'bno)^ 
dno  :  ddn  (aus  d^llo)  usw. 

Wir  müßten  dann  allerdings  annehmen ,  daß  auch  in  Formen  wie 
kytdk  das  a  nicht  die  direkte  Fortsetzung  eines  Halbvokals  ist,  sondern 
eine  jüngere  Entwicklung  aus  einem  älteren  *kytkj  das  selbst  wieder 
durch  eine  Analogiebildung  entstanden  sein  müßte,  wie  p.  pro^b  usw. 
Warum  diese  Analogiebildung:  *kyik  usw.  eben  nur  bei  den  Substan- 
tiven wie  kyfka^  pletka^  slivka,  atovka,  zlatocka  usw.  eingetreten  sein 
sollte  (während  bab^ka  :  bab^k^  usw.  eine  lautgesetzliche  Entwicklung 
nahmen),  das  ist  allerdings  schwer  zu  sagen;  aber  eine  andere  Erklärung 
als  die  hier  gegebene  ist  kaum  denkbar,  jedenfalls  keine  rein  lautgesetz- 
liche, denn  die  von  Czambel  gegebene  empirische  Regel:  »a  wird  ein- 
geschoben zwischen  fk  und  vk«  hat  keinen  wissenschaftlichen  Wert,  sie 
ist  ja  in  der  Tat  von  einer  Reihe  von  Ausnahmen  begleitet. 

Meine  Meinung  geht  also  dahin :  sowohl  in  den  oben  genannten  ein- 
silbigen und  zweisilbigen  Worten  [daska,  baza,  mach,  raz,  ddzd\  Tan) 
wie  als  Einschubvokal  im  G.  plur.  ist  a  durch  eine  Entwicklung  entstan- 
den, die  mit  dem  Auftreten  von  o,  e,  ö,  ic  für  Halbvokale  nichts  gemein 
hat:   0,  e,  6.  ie,  und  nur  diese,  sind  Fortsetzung  eines  Halbvokals  in 


I)  Freilich  ist  zu  bemerken,  daß  in  einem  ähnlich  gearteten  Falle  als 
Einschubvokal  nicht  a,  sondern  o  erscheint:  im  P.  prät.  niesol,  piekol,  viedol 
usw.,  hier  dürfte  eine  Analogiebildung  Platz  gegriffen  haben.  Ebenso  in  den 
Substantiven  wie  b/azon,  kinoior,  mysel',  smysel,  bäsen  usw.  Es  könnten  sich 
die  Partiz.  etwa  nach  den  Worten  wie  orol,  osol,  kotol  gerichtet  haben:  im  all- 
gemeinen nimmt  man  ja  das  Umgekehrte  an,  weil  orol,  osol,  kotol  selbst  nicht 
ganz  lautgesetzlich  erscheinen.  Ich  möchte  aber  eher  diese  Formen  für  echt 
halten:  es  könnte  sich  da  um  eine  Art  von  Umlaut  der  Halbvokale  handeln 
wie  im  Aksl. ;  dieser  Umlaut  müßte  allerdings  im  Slowakischen  anders  ge- 
staltet sein  als  die  entsprechende  Erscheinung  des  Kirchenslavischen,  deren 
Gesetze  ja  durch  die  Forschungen  Leskiens  hinreichend  bekannt  sind. 


328  P-  Diels,  Zum  Schicksal  der  Halbvokale  im  Slowakischen. 

> starker«  Position,  d.  h.  in  der  Position,  die  auch  sonst  die  Halbvokale 
als  Vollvokale  erhalten  zeigt:  den.,  loz,  svatieb,  zähradök  usw.  Man 
sollte  demnach  im  N.  sg.  der  oben  besprochenen  Maskulina  o,  e  erwarten; 
tatsächlich  sind  ja  len,  7'oz,  moch  als  Nebenformen  auch  vorhanden.  Die 
Formen  mit  a  können  demnach  nicht  vom  N.  sg.  ausgegangen  sein,  son- 
dern müssen  ihren  Ursprung  in  den  obliquen  Kasus  haben,  d.  h.  a  ist 
Reflex  des  Halbvokals  in  den  Fällen,  wo  der  Halbvokal  nach  den  all- 
gemein geltenden  Lautgesetzen  schwinden  sollte,  jedoch  aus  Gründen  der 
Sprechbarkeit  erhalten  blieb.  Ob  der  Halbvokal  in  Fällen  wie  vncha 
zunächst  etwa  ganz  schwand  (wie  im  Cech.  und  Poln.)  und  dann  erst 
wieder  zur  Erleichterung  des  Sprechens  ein  reduzierter  Vokal  ein- 
geschoben wurde,  der  sich  dann  zu  u  entwickelte ,  oder  ob  die  Entwick- 
lung in  diesen  Worten  überhaupt  nicht  zum  völligen  Schwund  des  Halb- 
vokals führte,  sondern  nur  zu  einem  reduzierten  Vokal,  das  läßt  sich 
mit  Sicherheit  wohl  nicht  ermitteln.  In  Fällen  wie  sesfdr,  motovidäl 
usw.  müssen  wir  jedenfalls  Formen  ohne  jeden  Zwischenvokal  zugrunde 
legen,  auch  da  wäre  zunächst  ein  reduzierter  Vokal  entstanden ,  der  sich 
dann  im  Verfolg  zu  a  entwickelte. 

Einschub  eines  Vokals  in  Formen  Avie  mcha  und  im  G.  pl.  kommt 
ja  außerhalb  des  Slowakischen  auch  vielfach  vor,  auch  im  Cech.  und 
Poln.,  und  mehr  noch  in  deren  Dialekten  als  in  der  Schriftsprache.  Eins 
aber  unterscheidet  die  slowak.  Entwicklung  von  solchen  Formen  wie 
poln.  dial.  mech  :  mecha  und  von  den  Genitiven  wie  poln.  rzemiosel] 
poln.  mech  :  mecha  kann  durch  den  Einfluß  der  Nominativform  er- 
klärt werden  und  poln.  rzemiosei  zu  rzemiosio  kann  als  Analogie- 
bildung zu  Fällen  yfiej'aMko  :jabiek  usw.  erklärt  werden.  Im  Slowa- 
kischen ist  beides  ausgeschlossen:  da  kann  es  sich  bei  den  Formen  wie 
macha  usw.  und  motovidäl  usw.  nur  um  eine  ganz  unbeeinflußte  Laut- 
entwicklung handeln,  nicht  aber  um  den  Einfluß  irgend  einer  Analogie. 

Breslau.  Paul  Diels. 


Zur  slovenischen  Dialektforschung.  329 


Zur  slovenischen  Dialektforschunti;. 


I. 

über  die  au3  Dentalen  entstandenen  Spiranten  der 
oberkrainerisclien  Mundart. 

Es  ist  allgemein  bekannt,  daß  der  Oberkvainer  für  das  Scliriftslo- 
venische  sladko  »stmh/co^  spricht.  Bisher  begnügte  man  sich  mit  kurzer 
Erklärung:  »im  oberkr.  ist  -dk-  zu  -hk-  geworden«,  ohne  daß  man  das 
ganze  in  Betracht  kommende  Material  herbeiziehen  würde,  geschweige 
einen  Versuch  der  Erklärung  dieses  Wandels  unternehmen  würde.  Ich 
stelle  im  folgenden  typische  Fälle  des  Wandels  der  Dentale  in  Spiranten 
zusammen.  (Das  Material  ist  entnommen  den  Dialekten  um  Smarna  gora, 
Bled  und  seine  Umgebung,  Bohinj.) 

I.  Gruppe: 

1.  a)  gräfjj  6op,  ffospop,  stirp,  hiip,  muäp^  ra^,  mep  usw.  (Bo- 
hinj). —  b)  zäp^  ospop^  sprep  (Bohinj).  —  c)  prffp  (HI.  sg.  präs.  ind. 
aet.)  (Bohinj.). 

2.  a)  zis,  les  (=  Eis),  Mis  usw.  —  b)  mq  säbq,  spg  skäle  [s  be- 
deutet verlängten  Konsonant,  oder  mit  anderen  Worten,  eine  Gemi- 
nata).  —  c)  kiiäa]  (II.  sg.  imp.).     (a,  b,  c  in  Gorje.) 

In  dieser  Gruppe  wird  also  absolut  auslautendes  (/  und  dann  auch 
das  erst  sekundär  in  den  Auslaut  getretene  d  zu  //,  resp.  s. 

IL  Gruppe. 

1.  a)  Jcröpke^  dgJiopkoti^  slaphörja^  tvopkrdiiws,^.  (Bohinj,  Gorje). 
—  b)  duhosk  (nom.  plur.)  (Boh.,  Bela). 

2.  guähk^^  stiahko,  rehk  usw.;  ferner  die  Präp.  tcöh  [ilh),  mi>I/, 
püh,  näh,  prih  usw. ;  dann  noch  adv.  pi-eh  (allgemein  oberkrain.),  prep 
(Bohinj) ;  pres  (Ravne  bei  Wocheinerfeistritz). 

In  dieser  Gruppe  wird  slov.  -tk-  zu  -pk-  resp.  -Iik-. 

Wie  schon  die  Gruppierung  lehrt,  müssen  wir  zwei  Dialektgebiete 
annehmen  und  zwar  1.  einen  Dialekt,  wo  das  t  nur  vor  k  spirantisch 
wurde  und  2.  einen  zweiten,  wo  der  Wandel  -tk-  zu  »Spirans  +  /;«  auch 
stattfand,  daneben  aber  auch  das  auslautende  -d  zur  Spirans  verschoben 
wurde.  Wo  die  beiden  Dialekte  gesprochen  werden,  ist  aus  der  Angabe 
der  größeren  Ortschaften  bereits  genügend  zu  ersehen.    Aus  dem  eben 


330  R-  Franc6, 

Gesagten  geht  auch  klar  hervor,  daß  ich  im  gewissen  Grade  die  Fälle 
mit  h  für  i  und  diejenigen  mit^  für  t  identifiziere;  sie  zeigen,  wie  später 
ersichtlich  sein  wird,  nur  verschiedene  Grade  in  der  Entwicklung  >Den- 
tal  zu  Spirant«.  Ferner  möchte  ich  noch  hinzusetzen,  daß  diese  Er- 
scheinung (also  Gruppe  II),  weil  sie  eben  beiden  Dialekten  gemeinsam 
ist,  älter  sei  als  die  sub  I,  und  dadurch  überhaupt  ein  Charakteristikon 
der  oberkrainerischen  Mundart,  während  die  Gruppe  I  nur  dem  Sonder- 
leben des  Dialektes  einiger  Dörfer  angehört. 

Über  die  Fälle  sub  I  hat  bereits  Baudouin  de  Courtenay  in  seinen 
Ot'ibth  S.  94,  95,  §  54  mit  Anm.  ausführlicher  gehandelt.  Ich  gehe 
auf  seine  Erklärung,  daß  p^  r/i,  7  aus  urslav.  Ä,  </,  g  (aus  idg.  ö,  t/,  </, 
resp.  hh^  dli^  gh)^  nicht  näher  ein,  weil  die  Annahme,  daß  die  slavischeu 
Völker  einst  für  jetzige  b,  d,  g  ein  ^,  </,  g  sprachen ,  jeden  Anhalts- 
punktes entbehrt.  Allerdings  ist  aber  zu  billigen  seine  zweite  Erklärung, 
die  er  daselbst  anführt;  ich  führe  sie  hier  mit  einiger  Modifikation  an. 
Nach  dem  Abfall  des  vorslovenischen  auslautenden  ^  (aus  ^^  h)  kamen  b, 
c?,  g  (also  als  Verschlußlaute)  in  den  absoluten  Auslaut  und  mußten 
ihre  stimmhafte  Natur  verlieren;  sie  wurden  zu  stimmlosen  ^,  f^  k.  Die 
Artikulation  dieser  Laute  kann  nun  zwiefach  sein:  1.  Die  Stimmbänder 
nähern  sich  ganz  aneinander  und  die  Stimmritze  wird  vollkommen  ge- 
sperrt [e  0).  Die  Organe  in  der  Mundhöhle  bilden  den  nötigen  Ver- 
schluß. Der  ans  der  Brust  kommende  Luftstrom  zerstört  die  Kompres- 
sion der  Stimmbänder  und  zu  gleicher  Zeit  tritt  auch  die  Lösung  des 
Mundverschlusses  ein.  So  entstehen  echte  Verschlußlaute  j)^  t,  k.  — 
2.  Die  Stimmbänder  nähern  sich  einander  gar  nicht,  sondern  lassen 
dem  Luftstrome  freien  Durchgang  [e  2).  Wird  nun  bei  dieser  Stellung 
kein  Verschluß  in  der  Mundhöhle  gebildet,  so  hört  man  einen  Hauch. 
Wird  aber  ein  Verschluß  in  der  Mundhöhle  gebildet,  so  hört  man  nach 
der  Lösung  dieses  Verschlusses  diesen  Laut  nach  dem  durch  die  Lösung 
hervorgebrachten  Laute.  Es  wird  somit  ein  gehauchter  Verschlußlaut 
gebildet:  ;/,  t\  k\  Dieser  Hauch  uimmt  aber  je  nach  der  Stellung  der 
Mundorgane  nach  der  Lösung  des  Verschlusses  eine  besondere  Natur 
auf  sich :  bei  ;/  muß  er  passieren  die  geringe  Enge  (Ritze)  zwischen  den 
Lippen,  die  sich  nach  der  Lösung  des  Verschlusses  für  p  eingestellt  hat 
und  er  wird  zu  (p ;  bei  f  muß  er  gehen  durch  die  Enge,  gebildet  nach 
der  Lösung  des  ^'-Verschlusses  zwischen  dem  Zuugenblatte  und  dem 
Rande  der  Oberzähne  und  wird  zu  [)  und  bei  /i'  muß  er  passieren  die 
nach  der  Lösung  des  ^-Verschlusses   entstandene  Enge   zwischen   der 


Zur  slovenischen  Dialektforschung.  331 

hinteren  Zunge  und  dem  harten  Gaumen  und  wird  zu  x-  So  entstanden 
also  aus  ;/,  /,  k'  ein  pf,  fp,  /c/,  die  durch  Verstärkung  des  Hauches  zu 
p(p,  tp,  kx  wurden,  um  schließlich  durch  Assimilation  zu  rp,  p,  x  resp. 
noch  weiter  zu  y,  s,  li  zu  werden.  Dadurch  findet  seine  Erklärung  die 
ganze  Gruppe  I.  Eine  besondere  Unterabteilung  b),  c)  habe  ich  sowohl 
bei  I.  1  als  I.  2  annehmen  müssen ,  da  ich  nicht  sicher  bin,  ob  die  Fälle 
sub  Ib)  und  2  b)  alt  sind  und  somit  unter  a)  gehören  oder  aber  ob  sie 
analogisch  entstanden  sind  und  unter  c)  gehören.  Baudouin  de  Courtenay 
spricht  sich  für  das  zweite  aus  (S.  91).  Nun  ist  das  aber  nicht  ganz 
so  sicher.  Das  slov.-oberkr.  zap  braucht  nicht  aus  zadi^  einem  alten 
Lokal,  entstanden  zu  sein,  sondern  die  Form  zad  (vgl.  aksl.  S^iA^^i  "'* 
sa^T^,  c.  zad)  repräsentieren.  Auch  ospup  braucht  man  nicht  auf  *od- 
is-podi  zurückzuführen ,  sondern  man  kann  in  -pop  überhaupt  keinen 
Kasus  eines  /-Stammes  ^podh  mehr  sehen,  sondern  nur  eine  Analogie 
nach  Präp.  podo.  Dasselbe  gilt  auch  für  sprep.  Diese  Adverbia  waren 
ja  stets  Neubildungen  und  Analogien  stark  ausgesetzt,  was  wir  später 
auch  betreffs  des  adv.  prep  (=  prezde)  klar  sehen  werden. 

Ich  gehe  nun  zu  unserer  II.  Gruppe  über.  Das  Gesetz,  dessen  Er- 
klärung bis  jetzt  noch  niemand  zu  unternehmen  versucht  hat,  und  das  bei- 
den Dialekten  im  großen  und  ganzen  gemeinsam  ist,  steht  trotz  der  äußer- 
lichen Ähnlichkeit  mit  dem  eben  besprochenen  nicht  im  Zusammenhang. 
Es  lautet:  tk  wurde  zu  pk  resp.  hk.  Das  dieses  Gesetz  nicht  etwa 
in  die  Wirkungssphäre  des  vorher  besprochenen  fällt,  erhellt  daraus, 
daß  hier  sowohl  dk  wie  tk  dem  Wandel  verfallen  sind,  während  dort 
nur  die  Media  (und  auch  die  nur  im  abs.  Auslaute)  die  Verschiebung 
erleidet. 

Wie  ist  nun  unsere  Verschiebung  zu  erklären?  Ich  meine,  durch 
fortdauernde  Antizipation  der  Artikulation.  Die  Zungenspitze  bildet  bei 
t  den  Verschluß  an  der  hinteren  Fläche  der  Oberzähne,  muß  aber  dann 
bei  der  Artikulation  des  k  nach  unten  gehen  und  gleich  darauf  oder  zu- 
gleich zurückgezogen  werden.  Ist  nun  ein  klein  wenig  die  /t- Artikulation 
antizipiert  worden,  so  steht  die  Zunge  entweder  nimmermehr  so  hoch, 
daß  sie  auf  der  hinteren  Fläche  der  Oberzähne  den  Verschluß  bilden 
könnte  und  sie  erreicht  nur  mehr  den  Kand  der  Oberzähne,  und  weil  sie 
zugleich  nach  rückwärts  gezogen  wird ,  auch  diesen  nicht  mehr  so  stark, 
daß  ein  echter  Verschluß  stattfinden  könnte,  so  daß  nur  eine  Enge  ent- 
steht, durch  die  der  Luftstrom  entweichend  den  Laut  p  erzeugt  (es  lautet 
der  ganze  Lautkomplex  also  pk)^  oder  aber  wird  durch  das  Zurückziehen 


332  R-  France, 

der  Zunge  eine  ähnliche  Ritze  an  der  Hinterfläche  der  Oberzähne  gebildet, 
so  daß  ein  6Ä  entsteht. 

Hat  nun  schon  einmal  die  Antizipation  der  Artikulation  stattgefun- 
den, so  kann  es  nun  bei  der  neuen  Lautung  bleiben,  oder  die  Antizipa- 
tion dauert  noch  weiter  fort.  Während  im  Dial.  des  Nordens  vom  Veldes 
und  im  Wocheinertale  die  Entwicklung  hti  pk  stehen  blieb,  gingen  die 
übrigen  oberkr.  Dialekte  noch  um  eine  Stufe  weiter.  Sprach  man  schon 
statt  tk  ein  pk,  so  konnte  —  wieder  durch  Antizipation  der  Artikulation 
—  die  Zunge  noch  mehr  nach  rückwärts  gezogen  werden  und  zwar  all- 
mählich so  weit,  daß  überhaupt  keine  interdentale  (resp.  dentale)  tonlose 
Spirans  mehr  entstehen  konnte.  Bei  der  /c-Artikulation  wird  aber  die 
Hinterzunge  gehoben.  Nun  hat  die  Zungenfläche  bei  ihrem  Zurück- 
ziehen noch  nicht  die  Stelle  des  Ä-Verschlusses  erreicht  als  schon  eine 
Enge  (wegen  der  Antizipation)  entstand  und  der  Luftstrom  erzeugt  an 
dieser  Enge  die  velare  Spirans  7.  Die  ganze  Entwicklung  läßt  sich  gra- 
phisch ungefähr  so  wiedergeben:  fk — pk — pxk—pyk — yk — hk.  Da- 
durch finden  ihre  Erklärung  die  Fälle  sub  H.  2. 

Ich  habe  darunter  angeführt  auch  mehrere  Präp.  auf  ursprüng- 
liches -d  und  -t.  Wenn  ich  diesen  Fall  da  einreihe,  so  geschieht  das 
aus  besonderen  Gründen.  Wir  sehen  nämlich,  daß  ein  t  vor  p,  v,  l  usw. 
erhalten  bleibt  (z.  B,  sv^tvo^  m'etwa^  ineüe  usw.),  die  Präp.  aber  immer 
ein  -h  aufweist.  Wir  haben  es  hier  mit  ungemein  starker  Analogie  zu 
tun.  Weil  z.  B.  die  Präp.  OT'K  in  den  Verbindungen  wie  CTT^  KÄ^\e, 
OT'K  Kpaid,  OT'kK'KJAaTH  u.  ä.  regelrecht  zu  oIl-  werden  mußte,  wäh- 
rend sie  anderswo  als  ot-  blieb,  hat  die  Sprache  dann  die  eine  Form  ver- 
allgemeinert, und  zwar  in  unserem  Falle  oh-.  (Vgl.  die  Verallgemeine- 
rung des  schrift-slov.  od  für  altes  CTTl  aus  Fällen,  wo  es  vor  stimm- 
hafter Konsonanz  stand.)  Schöne  Belege  für  analogisches  opjoh-  zeigen 
uns  z.  B.  folgende  Formen:  tooptie,  wo  die  Präp.  loop-  erst  spät  dazu- 
trat,  während  die  regelrechte  Form  nur  tootVe  (aus  looill)  sein  kann  (ich 
habe  sie  noch  in  Wocheinerfeistritz  gehört).  Ferner  noch:  icoh  tau, 
wohtärgou,  (e  use  ul)p^s^^^ca  u.  ä.  m.  Ja,  wir  haben  sogar  eine  Form, 
die  uns  deutlich  die  ungemein  starke  Macht  der  Analogie  zeigt,  da  in 
ihr  an  die  Stelle  der  Präp.  0  (dial.  ti)  die  Präp.  OTTi  (dial.  uh)  trat. 
Den  Angrifi"spunkt  zu  dieser  Analogie  bot  der  gleichlautende  Anlaut: 
uhstäwa  =  ostaki.  Trat  nun  die  Präp.  uh  <^  OTTv  vor  stimmhalte 
Konsonanz,  so  mußte  der  auslautende  Spirant  natürlich  stimmhaft  wer- 
den: u:z^xvÖ7n  {odIo?m),  ti^dät  [oddati]  u.  ä.  Statt  g  hört  man  öfters  auch 


Zur  slovenischen  Dialektforschung.  333 

g.  Dasselbe,  was  mit  der  Präp.  OTi^  geschehen  ist,  geschah  in  gleicher 
Weise  auch  mit  no^viv,  Ha^'k,  iipliATi,  slov.  med  (mit  d  statt/ nach 
den  eben  erwähnten  Präp.). 

Es  bleibt  uns  zu  besprechen  noch  das  Adv.  preJi^  P'>'?p-,  pres.  Im 
Aksl.  lautet  dieses  Adv.  nplJ/K^\,f,  im  Schriftslov.  ganz  regelrecht  prej'e 
(mity  aus  -di-).  Unsere  Formen  können  aber  absolut  nicht  auf  *perdie 
zurückgehen.  Ich  betrachte  sie  für  Kontaminationsformen  des  slov.  Adv. 
prej\e)  und  der  etym.  dazu  gehörigen  Präp.  pred.  Von  der  Präp.  ist 
das  auslautende  -d  in  das  Adv.  geraten,  e  (aksl.  1j)  blieb  aber  bewahrt  (f). 
Und  unsere  Formen  gehen  auf  ein  *pred  zurück.  Dieselbe  Kontamina- 
tionsform hört  man  auch  in  Laibach  als  pret, 

Schwierigkeiten  bereitet  aber  der  von  mir  in  ßavne  ober  Wocheiner- 
feistritz  gehörte  Inf.  vSpt  (aksl.  ß'kyi.'tTH).  Nach  Abfall  des  -i  und 
Ausfall  des  durch  Reduktion  aus  e  entstandenen  %  lautete  die  Form  *vedt, 
die  zu  *vett  werden  mußte.  Geschah  nun  hier  jetzt  dasselbe,  was  in  der 
idg.  Grundsprache,  wo  tt  zu  tpt  wurde  {oloO-a,  got.  loaist  <^uoid-tha)^ 
und  hier  bei  uns  weiter  zu  pt'?    Ich  wage  es  nicht  zu  entscheiden. 

n. 

Die  »Metathese«  von  /  und  v  im  Slovenischen. 

Im  Arch.  f.  slav.  Phil.  XXXIV,  S.  625,  626  spricht  L.  Pintar  über 
eine  sprachliche  Erscheinung  der  slovenischen  Dialekte,  daß  nämlich  der 
Fall  möglich  ist,  >daß  in  demselben  Worte  die  Laute  /  und  v  vorkommen 
und  daß  bei  gleichzeitiger  Velarisation  des  l  das  folgende  oder  voraus- 
gehende V  durch  /  ersetzt  wird«.  Dieser  Fall  muß  nach  meinem  Dafür- 
halten einer  Berichtigung  unterworfen  werden.  Pintar  spricht  nämlich 
von  einer  Metathese  der  beiden  in  Betracht  kommenden  Laute,  was 
durchaus  nicht  richtig  sein  kann.  Denn,  spricht  man  von  einer  Meta- 
these, so  muß  man  jede  Beeinflussung  der  fraglichen  Lautgruppe  von 
außen  leugnen  und  der  einzige  Grund  für  das  Auftreten  derselben  müßte 
dann  eben  in  dem  Umstände  liegen,  daß  die  beiden  Laute  [l  und  v)  nicht 
weit  voneinander  vorkommen.  Dies  ist  jedoch  nicht  der  Fall;  wir  haben 
es  hier  mit  Analogiebildungen  zu  tun  und  das  Vorkommen  von  l  und  v 
nebeneinander  spielt  im  allgemeinen  gar  keine  Rolle. 

Wie  schon  Pintar  erwähnt,  hat  bereits  Mikiosich  Fälle  vrie  hritle, 
mrtli  (mit  /  statt  t))  dadurch  erklärt,  daß  sie  analogisch  nach  ^^^.•«^üa, 
gwäle  entstanden  sind.    (Vgl.  Gr.  I.  338.)    Dieselbe  Erklärung  hat  auch 


334  R-  Franc6, 

Baudouin  de  Courtenay  gegeben,  wenn  er  darüber  in  seinem  »Eoxhhcko- 
nocaccKiS  roEopt«  (§  42)  und  besonders  S.  S4,  Anm.  2  sagt:  »IIpH 
3T0M'B  KaKX  öy^To  6hl  coBepuiHjocb  öe3co3iiaTeJibHoe  pimenie  i^tjiaro 
pa^a  nponopmiit  et  o^hoh  HeiiSBicTHoä,  hjh,  To^inie  roBopa,  saM^na 
^eTBepxaro  ne  ^OAXo;^HL^a^o  'uiena  noACÖiitixt  nponopi],ifi  ^tpyrHMTb, 
BnojHi  coBnaAaromHMT,  et  oömnMX  xapaKTepojit  ;iaHHoä  nponopii;iH. 
TaK'B  HanpHM']&p'B ,  Bt  nponopi^in  :  metwa  :  gwäwa  =  metle  :  gwave 
yeTBepTtiS  ^iJieHi.  gwave  c^HTaexcn  (KOHeqHO,  öescosHarejitHo)  necoor- 
Bi&TCTBBHHLiM-i.  H  noBTOMy  saM^HfleTCfl  q^ieHOMT)  gwale. «  Diese  Art 
der  Auffassung  unserer  Fälle  ist  entschieden  einzig  und  allein  richtig. 
Unsere  Aufgabe  ist  es  nun  zu  prüfen,  ob  sich  die  Formen,  die  Pintar 
anführt,  dieser  Erklärung  fügen,  oder  ob  sie  wirklich  mit  Notwendigkeit 
auf  eine  Metathese  von  /  und  v  hinweisen. 

Man  muß  mit  Nachdruck  betonen ,  daß  die  fraglichen  Wörter,  die 
nach  Pintar  diese  Metathese  aufweisen,  in  Oberkrain  vorkommen,  also  in 
jenem  Gebiete  der  slov.  Sprache,  wo  ursprüngliches  i  (das  /  vor  Vokalen 
hinterer  Reihe  und  unmittelbar  vor  Konsonanz)  zu  labiolabialem  tv  wurde. 
Dieses  tv  <^  i  konnte  mit  dem  ursprünglichen  etym.  v  vermischt  werden. 
So  wurde  die  Deklination  givava,  givave  nach  der  von  skawa,  skale  zu 
gwava,  gwale  usw.  Dasselbe  geschah  bei  den  ursprünglichen  w-Stäm- 
men.  Die  Deklination  wöku,  loölcoe^  ^cökv^,  xookvo  wurde  durch  Ein- 
wirkung derselben  Analogie  zu  wöku^  wökle,  icökh^  wokvo  umgestaltet. 
Da  kann  man  doch  von  keiner  Metathese  sprechen;  denn  wäre  dies  der 
Fall,  dann  müßte  ein  Gen.  sg.  tcöklc  aus  lökve  entstanden  sein,  also 
noch  zu  einer  Zeit,  wo  das  anlautende  /  vor  o  als  i  gesprochen  wurde. 
Dieses  ist  aber  unmöglich,  denn  dann  fehlt  uns  ein  Erklärungsversuch 
für  Fälle  wie  cerkle,  bükle^  britle^  xigmth  (=  uganitve)^  mrtU  usw., 
wo  neben  dem  /,  das  analogisch  wie  oben  für  ursprünglich  v  eingetreten 
ist,  in  demselben  Worte  kein  v  vorkommt.  Diese  Fälle  sprechen  somit 
entschieden  dafür,  daß  wir  es  hier  nur  mit  einer  Analogie  zu  tun  haben. 

Aber  auch  die  anderen  von  Pintar  angeführten  Formen  lassen  viel 
an  Beweiskraft  zu  wünschen  übrig.  Nach  ihm  soll  für  eine  Metathese 
von  /  und  v  das  Wort  i>glävten<i.  sprechen.  Das  Wort  ist  verzeichnet 
von  Luzar  in  Zbornik  Slov.  Mat.  II.  32.  Jedoch  aus  dem  dort  an- 
geführten ersieht  man  folgendes.  Luzar  setzt  die  Belege  unter  dem  In- 
dex ^glavten^ ;  er  sagt  aber  gleich  weiter  (in  Klammern),  daß  das  Wort 
als  gvävte7i,  gvälten^  gvävtek  und  gvaltek  ausgesprochen  wird.  Sein 
Index  ist  somit  unter  dem  Einflüsse  des  Schriftslovenischen  entstanden. 


Zur  elovenisclien  Dialektforschnnj?.  335 

Allerdings  führt  er  daun  noch  die  Aussprache  mit  (jl-  an:  »tisocaka  bo 
se  lahko  glävtek«  und  »Glavtnez  (gov.  tudi  gvaltnez]  je  (glävten)  clovek, 
hotec  sam  vse  veljati«.  Wie  man  sieht,  dürfen  diese  Anweisungen  keinen 
hohen  Grad  des  Glaubens  verlangen,  da  Luzar  nicht  die  richtige  mund- 
artliche Aussprache  angibt  (vgl.  noch  das  später  uns  noch  beschäftigende 
»to  naredi  glavt,  da  je  ucitelj  moral  od  nas«).  Es  ist  schon  von  diesem 
Standpunkte  aus  nicht  ratsam,  auf  ein  so  unsicheres  Material  die  Erklä- 
rung eines  sprachlichen  Phänomens  zu  bauen.  Aber  nehmen  wir  trotz- 
dem an,  daß  das,  was  Luzar  sagt,  wahr  ist;  können  wir  das  nicht  anders 
als  durch  Metathese  von  l  und  v  erklären?  Ich  glaube,  wohl.  Das 
deutsche  ■»  Gewalt <!.^  das  diesen  Wörtern  zugrunde  liegt,  mußte  in  Ober- 
krain  zu  gvaut  werden;  regelrechte  Entsprechungen  sind  somit  Wörter 
wie  gvävten^  gvävtek.  Daneben  kommt  gvolten^  gvältek  vor.  Das  l 
kann  hier  nicht  auf  das  alte  i  vor  Konsonanz  zurückgehen,  es  kann  auch 
durch  Metathese  nicht  ins  Leben  gerufen  worden  sein,  da  hier  überhaupt 
nur  V  vorkam  und  kein  /.  Ich  glaube  nicht  zu  irren,  wenn  ich  sage,  daß 
hier  das  Wort  noch  einmal  entlehnt  wurde,  aber  diesmal  zu  einer  Zeit, 
wo  das  Gesetz  »vorkonsonantisches  i~^w^  u<  nicht  mehr  wirkte.  Einen 
ähnlichen  Fall  haben  wir  auch  in  glävt  »(böses,  schlimmes)  Gerede«. 
Auch  hier  ist  l  vor  a^  also  einem  Vokal  der  hinteren  Reihe,  geblieben, 
weil  das  Wort  erst  später,  nach  der  Wirkung  des  erwähnten  Gesetzes, 
entlehnt  wurde  (aus  deutsch  »Gelaut«). 

Nun  aber  zu  glätten  statt  gväüten.  Dieses  Wort  in  dieser  Form 
ist  wirklich  für  die  Annahme  einer  Metathese ,  wie  sie  Pintar  annimmt, 
sehr  verlockend.  Lautgesetzlich  kann  es  nicht  entstanden  sein.  Ich 
meine  vielmehr,  daß  wir  es  hier  mit  einer  Kontaminationsform  zu  tun 
haben,  und  zwar  sind  da  zusammengeflossen  die  bereits  erwähnten  Wör- 
ter gvmit  (Gewalt)  und  glaitt  (Gerede).  Daß  die  Bedeutungen  nicht  so 
sehr  voneinander  abweichen,  daß  eine  wechselseitige  Beeinflussung  der 
Laute  ausgeschlossen  wäre,  liegt  auf  der  Hand.  Vergleiche  z.  B.  die  von 
Luzar  angeführten  Sätze:  »to  naredi  glavt,  da  je  ucitelj  moral  od  nas« 
und  »tak  glävt  cez  koga  poganjati«.  Das  gl-  in  glävten  stammt  somit 
aus  dem  Worte  gläct.  Für  diese  Auffassung  des  •»glävten'!^  scheint  mir 
noch  ein  anderes  Moment  deutlich  zu  sprechen.  Neben  glavtnez  (Prahl- 
hans) wird  auch  (nach  Luzar)  gvaltnez  gesprochen.  Das  Wort  glavtnez 
geht  bestimmt  auf  »Gelaut«  zurück,  bedeutet  also  »ein  Mensch,  der  viel 
von  sich  spricht«.  In  gvaltnez,  was  dasselbe  bedeutet,  haben  wir  keine 
Metathese  von  l-v  zu  v-l  mit  Notwendigkeit  anzunehmen,   sondern   es 


336  R-  France, 

liegt  uns  da  wieder  eine  Kontaminationsform  vor,  oder  besser  gesagt: 
gläütnez  ist  ganz  nach  gvalt,  gvalten^  gvaltek  umgestaltet  worden,  hat 
aber  die  Bedeutung  beibehalten,  dies  desto  leichter,  weil  die  Bedeutungen 
von  gvautjgvalt  und  glaut  einander  so  nahe  liegen. 

Nun  geht  Pintar  bei  seiner  Metathese  von  l  und  v  noch  weiter.  Er 
nimmt  sie  »auch  vor  dumpfen  Vokalen«  an  und  stützt  das  auf  einen  ein- 
zigen Beleg,  nämlich  auf  ■»pralo<(^  statt  tpravo«-.  Aber  da  kann  man 
ja  von  einer  Metathese  gar  nicht  sprechen,  da  ja  in  diesem  Worte  /  und 
V  nicht  nebeneinander  vorkommen.  Unser  Beispiel  spricht  somit  wieder 
für  das  analogische  Auftreten  des  /.  Weil  man  [ta)  heu,  [ta]  hciva,  [ta) 
bele,  {ia)  heh  sagte  und  sprach,  fing  man  auch  an  [ta]  praii,  {ta)  prava^ 
[ta)  prale,  [ta)  prah  zu  sprechen.  Von  den  Formen,  wo  l  vorkam,  ist 
dieses  /  noch  in  andere  Formen  eingedrungen,  und  an  Stelle  eines  [ta] 
prati,  [ta)  pravo  trat  schließlich  ein  [ta)  pral,  [ta)  pralo.  Dieser  Fall 
ist  somit  nichts  anderes  als  ein  Beispiel  einer  doppelten  Analogie. 

Die  bisher  erwähnten  Fälle,  auf  die  Pintar  seine  Meinung  der  Meta- 
these von  /  und  v  stützt,  lassen  sich  somit  alle  gut  durch  Analogie  er- 
klären und  zwar  wird  diese  Erklärung  als  allein  richtig  erwiesen  durch 
ebenso  analogisch  entstandene  Wörter,  wo  /  und  v  in  demselben  Worte 
nicht  vorkommen  {britle^  prale  usw.).  Noch  weniger  sicher  dürfen  wir 
von  allem  Anfang  an  die  Personen-  resp.  Ortsnamen,  die  Pintar  anführt, 
hinstellen.  Auch  da  kann  man  andere,  wahrscheinlichere  Erklärungen 
vorbringen.  Zunächst  besprechen  wir  den  Eigennamen  »Lat'/ar«,  der 
nach  Pintar  aus  d.  Walter  entstanden  sein  soll.  Diese  Herleitung  scheint 
auch  mir  richtig  zu  sein ,  sehe  aber  in  der  Form  Lavtar  noch  nicht  die 
Notwendigkeit  der  Annahme  einer  Metathese.  Die  Form  Lavtar  wird 
wohl  so  zu  erklären  sein,  daß  das  aus  d.  Walter  in  Oberkrain  entstan- 
dene Vavtar  unter  dem  Einflüsse  der  Schriftsprache  von  Lehrern  resp. 
in  früherer  Zeit  von  Pfarrern  als  Lavtar  geschrieben  wurde  und  so  auch 
dann  schließlich  gesprochen.  Dabei  möchte  ich  auf  folgendes  aufmerk- 
sam machen.  Oberkrainer,  die  lesen  können,  ersetzen  sehr  oft  das  aus 
l  entstandene  w  durch  das  /  der  Schriftsprache.  Dabei  braucht  man  nicht 
an  mehr  gebildete  Leute  vom  Lande  zu  denken.  Ein  einfacher  Maurer 
aus  Lees  bei  Veldes  (Jozef  Pernus,  S7  Jahre  alt),  wechselt  z.  B.  sehr  oft 
w  mit  l\  so  sprach  er  z,  B.  nebeneinander:  strwa^  drzäwa,  dewal  [de- 
lali)  und  na  släm,  ruguvilo^  togslaj  uddla  usw.  Dasselbe  war  gewiß  der 
Fall  bei  den  Pfarrern,  besonders  noch,  wenn  die  aus  einer  Gegend  ge- 
kommen sind,  wo  das  i  vor  Vokalen  hinterer  Reihe  nicht  zu  tv,  son- 


Zur  slovenischen  Dialektforschung.  337 

dern  zu  /  wurde.  Und  so  haben  sie  gemeint,  das  erste  v  in  dem  ge- 
sprochenen Vavtar  sei  identisch  mit  dem  v  in  wani  (lani),  was  [las),  was 
{läz),  w(iS^n  [laden)  und  schrieben  es  deshalb  mit  l,  Lavtar.  Das 
Schriftbild  hat  schließlich  auch  über  die  Aussprache  den  Sieg  davonge- 
tragen. Dieser  Name  mit  dieser  Aussprache  konnte  dann  noch  Orts- 
namen wie  Lavterski  vrh  beeinflussen.  Hier  speziell  kommen  dann  noch 
volksetymologische  Umgestaltungen  in  Betracht,  weil  der  Name  dem 
Volke  seinem  Ursprünge  und  seiner  Bedeutung  nach  nicht  mehr  verständ- 
lich war  (vgl.  z.  B.  » Bajtarski  vrh«.  für  und  neben  »  Valtarski  vrh<s. 
(aus  dem  J.  1584  >  Walter sskhiuoi^eh^).  (Izv.  muz.  dr.  I.  S.  7S).  —  Auf 
das  einmal  vorkommende  »  ]^olscha7'ieherg<^  kann  man,  solange  die  Ety- 
mologie dieses  Ortsnamens  nicht  vorliegt,  nicht  bauen.  —  Schließlich 
muß  ich  noch  erwähnen  das  bei  den  slov.  protest.  Schriftstellern  vor- 
kommende zhiulati^  das  nach  Pintar  »ein  interessantes  Beispiel  für  diese 
Konsonantenversetzung«  (nämlich  von  /und  -o)  sein  soll.  Das  ist  wohl  ein 
Versehen,  das  dem  Prof.  Pintar  in  Schnelligkeit  passiert  ist;  hier  haben 
wir  es  fürwahr  mit  einer  Metathese  zu  tun ,  aber  nicht  zwischen  /  und  v 
(resp.  umgekehrt),  sondern  zwischen  v  und  h  [zhiu-  gegen  cvib-)^  also 
zwischen  zwei  labialen  Lauten. 

Ich  glaube  klar  genug  nachgewiesen  zu  haben,  daß  eine  »Metathese« 
von  l  und  v  keinen  festen  Anhaltspunkt  und  überhaupt  keinen  Boden  hat 
und  daß  zur  Erklärung  die  genannten  Formen,  welche  bereits  Miklosich 
und  Baudouin  de  Courtenay  gegeben  haben,  nämlich  die  Analogie  infolge 
der  Vermischung  des  aus  l  entstandenem  w  mit  ursprünglichem  v  allein, 
richtig  und  berechtigt  ist.  Ra7novs  France. 


Einige  Worterklärungen. 


1.  harzast  SiA].  gräulich  <^  alb.  hard-. 
Die  im  Ak.  Wbch.  1191  angegebene  Herleitung  von  ital.  verza,  rum. 
varzä  <^  lat.  vir[i]dia  ist  schon  wegen  der  Bedeutung  unrichtig.  Das 
skr.  Adj.  ist  vielmehr  identisch  mit  bulg.  harzav^  barziv  =  siv,  sur,  sto 
ima  bely  i  crxny  vlakna  razmeseni,  aus  Gerov,  welches  schon  Miklo- 
sich Et.  Wbch.  8  richtig  auf  alb.  bard-  'weiß'  zurückgeführt  hat  (cf.  auch 
alb.  baröulör  "grau'). 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXSV.  •  22 


338  P-  Skok, 

harzast  gehört  wohl  der  Hirtensprache  an ;  man  hat  nämlich  bar- 
zasta  koza  (in  Serbien  und  Dalmatien  nach  dem  Ak.  Wbch.),  =  koja 
nije  ni  bijela  ni  sarena;  bärzilo  Bocksname.  Das  Wort  erscheint  weiter 
als  Ortsname  in  Bärzilovica  (Serbien,  Kreis  Belgrad)  und  dann  im  Spitz 
namen  Bärzilovac  Ak.  Wbch,  a.  a.  0.,  lauter  Ableitungen  von  der  Bocks- 
benennung barzilo,  vgl.  jarar,  welches  als  Appellativum,  Personenname 
und  Ortsname  vorkommt,  s.  Ak.  Wbch.  IV.  464. 

Auch  die  im  Ak.  Wbch.  angegebene  Bedeutung  =  fulvus,  kao  ze- 
lenkast  i  crvenkast  usw.  scheint  nicht  zu  stimmen,  wie  das  Angeführte 
beweist.    Das  Adj.  scheint  vielmehr  'gräulich'  zu  bedeuten. 

2.   6bbam  sm.  <^  ahd.  seif  -{■  a?i. 

Die  Etymologie  von  asl.  chbam  sextarius  und  seinen  modern-slavi- 
schen  Entsprechungen  bezeichnet  Berneker,  Slav.  etym.  Wörterbuch 
1908,  S.  165  als  dunkel.  Zubatys  Zusammenstellung  mit  lit.  hhnbü 
kibti  wird  daselbst  als  nicht  sonderlich  einleuchtend  abgelehnt  mit  der 
Bemerkung,  daß  Z.s  Meinung  auch  dem  Wechsel  von  b  und  v  in  ab.  dh- 
vam  nicht  gerecht  wird.  Seitdem  hat  Mladenov  in  P<I»B.  LXII,  S.  260 
bis  262  versucht,  dieses  Wort  mit  idg.  *Ja'u-b  in  Zusammenhang  zu 
bringen.  Die  Schwundstufe  von  dieser  idg.  Wurzel  mit  dem  Nasalinfix 
liegt  bekanntlich  in  griech.  xtJ'^t</^og,  lat.-kelt.  cumba  vor.  Nun  soll 
nach  der  Meinung  Ml.s,  welcher  auch  Z.s  Etymologie  ablehnt  und  auf 
den  Wechsel  von  r  und  b  nicht  weiter  eingeht,  die  Quelle  von  h  im  slav. 
Worte  nicht  idg.  /,  sondern  idg.  m  (nasalierte  Schwundstufe)  sein.  Er 
setzt  daher  *krnbanos  als  vorslavische  Grundform  an.  */imb  sucht  er 
weiter  in  aksl.  dbbzn. 

Dieser  Etymologie  gegenüber  ist  aber  gleich  zu  bemerken,  daß 
schon  in  griech.  y.vußog,  lat.-kelt.  cumba  die  von  Ml.  geforderte  nasa- 
lierte Schwundstufe  vorliegt  (idg.  qumb  s.  Boisacq,  Dict.  6tym.  de  la 
langue  grecque  8.  534).  Idg.  qumb  hätte  aber  im  Slav.  etwas  ganz 
anderes  ergeben.  Vor  der  Schwundstufe  ?^  erwartet  man  bekanntlich 
kein  <5.  m,~^h  auch  in  diesem  Falle  anzunehmen,  da  das  einzige  Bei- 
spiel hg^k^  nach  Brugmann,  Kurze  vergl.  Grammatik  §  196  Anm.  2, 
S.  130  noch  nicht  aufgeklärt  ist,  muß  zumindestens  als  sehr  gewagt  be- 
trachtet werden.  Aus  ^m  würde  man  nach  Vondräk,  Vgl.  slav.  Gramm. 
I,  S.  337  angesichts  von  s^to  entweder  ^  oder  angesichts  von  fynqSta^  ty- 
sqsta  e  q  erwarten.  Wie  man  also  sieht,  widersprechen  der  Etymologie 
Ml.s  schwere  lautliche  Bedenken.    Es  ist  daher  noch  immer  am  besten, 


Einige  Worterklärungen.  339 

an  der  herrschenden  Ansicht  festzuhalten ,  daß  in  ^hh^r^  eine  Entleh- 
nung aus  dem  Germanischen  (s.  jetzt  Berneker  a.  a.  0.)  vorliegt,  wie  das 
bei  vielen  slavischen  Bezeichnungen  von  Gefäßen  der  Fall  ist  {c(.k^b'bh, 
kothh  usw.). 

Ich  halte  nun  auch  dhham  für  ein  germ.  Lehnwort.  Die  Grundlage 
des  slav.  Wortes  suche  ich  im  ahd.  srif^)^  welches  zunächst  in  der  Be- 
deutung Gefäß  vorkommt,  vgl.  noch  nhd.  KüJdscIiiße  (in  der  Brauerei) 
=  hölzerne  Gefäße,  in  denen  man  das  Bier  abkühlen  läßt,  3.  Grimms 
Wbch.  IX,  22,  25  ;  ahd.  sciphi-=  Trinkgeschirr  mit  breitem  Boden,  mnd. 
schip  =  kleines  Scheflelmaß  für  trockene  Dinge,  Weigand  II,  707.  Für 
das  Verhältnis  der  Bedeutungen :  Gefäß — Fahrzeug  vgl.  noch  ixz.vaisseau 
und  Schuchardt,  Zeitschrift  für  romanische  Philologie  XXXIII,  653. 

Lautlich  ließe  sich  die  Sache  folgendermaßen  rechtfertigen.  Germ. 
k  vor  i  ergibt  im  Slav.  verschiedene  Resultate:  ^,  c  und  (5,  die  alle  in 
slavischen  Behandlungen  von  got.  tiJiillings  zu  finden  sind.  Vgl.  Miklo- 
sich,  Die  Fremdwörter  in  den  slavischen  Sprachen  S.  53  und  Et.  Wbch. 
S.  300  s.  V.  skle?i,gü^  skülengü.  Man  hat  demnach:  \.  k:  asl.  sk^Iez^, 
sklezb  neben  sihIeg^\  2.  c  wie  in  chrkg,  in  clez  im  Statut  von  Vrbnik,  s. 
Afsl.Ph.  XXXI,  628  in  der  Fußnote  von  Jagic  (cf.  auch  Ak.  Wbch.  I, 
817);  3.  aruss.  sdeljag 'Müuzq'  im  Afsl.Ph.  a.  a.  0.  Wie  cak.  clez^ 
asl.  kl^zh  (s.  Miklosich  Et.  Wbch.  300)  zeigen,  finden  wir  bei  den  slav. 
Behandlungen  von  &killings  den  Schwund  vom  anlautenden  s  wie  bei 
dish  :  lit.  skgstas,  cipiti  zu  nkaip,  skr.  skh'zak,  sklizavica  neben  kli- 
zaii  se  usw.,  in  Zumberak  kopiti  neben  skr.  skopiti^  slov.  auch  skopiti 
neben  kopiti  (s.  Miklosich  Et.  Wbch.  S.  302  s.  v.  skopici).  Diesen 
Schwund  hätten  wir  auch  in  dhham  von  seif.  Indessen  ist  auch  bei  den 
slav.  Behandlungen  von  seif  gleichwie  bei  denjenigen  von  skillings  nicht 
immer  notwendig,  diesen  Schwund  anzunehmen.  Wie  skr.  zdila^  zdjela^ 
slov.  zdela^  aus  ital.  scodella  den  Schwund  von  k  zeigen,  so  kann  klr. 
zba7i^  poln.  dzhan  entweder  auf  *ti[k)ban  oder  auf  *cbcm  zurückgehen. 
Sonst  zeigen  die  slavischen  Formen  tiberall  die  Angleichung  des  c  an  das 
folgende  b  aus  deutsch  y,  und  zwar  entweder  als  i:  russ.  zbam,  £ba- 
niih,  ibanok^,  klr.  zba?i,  c.  zbä?i^  skr.  zban,  zban^  wozu  ich  zbana  aus 
Zumberak 2)  hinzufüge,  oder  als  f/l:  skr. dzbän,  westbulg.  (Vidin)  dziban, 


*)  Wegen  deutsch  />>  slav.  b  s.  balla  <<  Fackel,  berma,  berla,  Berneker 
50,  unten  koba,  Ara6e  <;ahd.  grävio  usw.,  s.  Gebauer  I,  441/2. 

2)  In  Bosnien  erscheint  das  Wort  in  der  Bedeutung  'hölzernes  Wasser- 
gefäß', wofür  daselbst  noch  andere  Fremdausdrücke  wie  brema,  föcija  oder 

22* 


340  P.  Skok, 

dzubati  (s.  Mladenov  a.  a.  0.).  Die  Angleichung  des  b  an  das  vorher- 
gehende ö  findet  statt  in  abg.  dhvam,  russ.  ^van^,  dcanech^),  6  hat  sich 
erhalten  in  cech.  dbä^i  und  der  magyarischen  Entlehnung  csobd?i,  cso- 
bäny,  woraus  in  skr.  döba/ia  rtickentlehnt  wurde. 

Was  das  Suffix  -an  anbelangt,  so  ist  es  gerade  bei  den  entlehnten 
Bezeichnungen  von  Gefäßen  öfter  anzutreffen,  wie  z.  B.  1 .  bei  skr.  krbän 
neben  cech.  krb,  krban,  krbanS  und  skr.  /crbufa  Berueker  568  und  alb. 
kerbe  (Meyer,  Alb.Wbch.  188),  aus  deutsch  Korb:  2.  cech.  kubana  == 
velikä  nädoba  hlinena  zährdlitä  na  vodu,  na  mlöko  (Kott,  Cesko-nemecky 
slovarV],  763),  welches  ofi'enbar  mit  kub^  Berneker  636  zusammen- 
hängt. 3.  Hierher  hat  man  noch  zu  stellen  slov.  skr.  bg.  kopana,  ko- 
panica,  daraus  entlehnt  arum.  cupane^  dacorum.  copaie  'Trog'  (s.  Zeit- 
schrift f.  rom.  Phil.  XXXIII,  653),  welches  schwerlich  mit  kopati  etwas 
zu  tun  hat,  wie  Miklosich  Et.  Wbch.  128  und  nach  ihm  das  Ak.  Wbch. 
meinen 2).  Schon  Strekelj,  Zur  slav.  Lehnwörterkunde  81,  lehnt  die 
Miklosichsche  Meinung  ab  und  bringt  kopana  in  Verbindung  mit  slov. 
kopa  'Trog' 3)^  j^it_  copa^  ahd.  chuopha^  cJiuofa^  cJiofa  erscheint  weiter 
im  skr.  koba  Art  Kübel,  köbica  Ak.  Wbch.  V,  133,  4. 

Indessen  ist  seif  mit  dem  Suffixe  -il :  ahd.  scifel  cymba ,  navicula, 
scifelin  cymbia,  kahnförmiges  Trinkgefäß,  cf.  Schuchardt,  Zeitschr.  f. 
rom.  Phil.  XXXIII,  653,  in  slavische  Sprachen  eingedrungen.  Hierher 
ziehe  ich  cech.  zbel  =  drevenä  nädoba  na  vodu  (vyssi  nez  putenka)  k 
vrchu  uzsi  (Kott.  o.  c.  V,  784) ;  bei  Gebauer,  Slovnik  starocesky  I,  160 
dbel',  sdbel,  worauf  daselbst  hingewiesen  wird,  fehlt  noch.  Von  den 
Slaven  ging  das  Wort  zu  den  Magyaren  über:  csobolyö  (oder  csobolö) 
Wasserlagel,  ein  hölzernes  Gefäß  für  Trinkwasser,  daraus  wiederum  slo- 
vak.  öobolüy  dbola^  s.  Miklosich,  Slav.  Elemente  im  Magyarischen  S.  89, 
wo  die  Sache  anders  dargestellt  wird. 


vücija  gebräuchlich  sind.  In  Bovic  (Kroatien)  dient  das  mit  zban  bezeichnete 
hölzerne  Gefäß,  wie  mir  Prof.  Simic  mitteilt,  zum  Auffangen  von  Schnaps  beim 
Schnapsbrennen.  Zbäiia  bedeutet  in  Zumberak  ein  größeres  aus  Dauben  ge- 
machtes Gefäß  mit  zwei  Henkeln  am  oberen  Rande  zum  Aufbewahren  von 
Schmalz.  Die  hölzerne  Decke  besteht  aus  zwei  Teilen,  die  ebenso  rund  sind 
wie  das  Gefäß  selbst.  In  Warasdin  heißt  dieses  Gefäß  hanjica. 

1)  Vgl.  OS.  cvor  aus  chori,,  Mikl.  Et.  Wbch.  37  s.v.  cihrä. 

2)  Den  bei  Broz-Ivekovic  I,  560  und  im  Ak.  Wbch.  angeführten  Bedeu- 
tungen ist  noch  hinzuzufügen  die  in  Petrovac  (Bosnien)  vorkommende :  höl- 
zerner Löffel  mit  kurzem  Griff  zum  Schöpfen  von  Mehl  aus  den  Säcken. 

3)  Die  irrige  Meinung  Mikl.s  erscheint  jetzt  noch  bei  Berneker  563. 


Einige  Worterklärungen.  34  \ 

Dagegen  hat  skr.  skip ,  sAü/pa 'Wasch trog',  trotzdem  es  Mikl.  Et. 
Wbch  310  mit  ahd.  srifin  Zusammenhang  bringt,  mit  dem  ahd.  Worte 
direkt  nichts  zu  tun.  Das  skr.  Wort  kommt  vor  nach  den  Angaben  bei 
Broz-Ivekovic  in  der  Hercegovina  und  Montenegro  in  der  Bedeutung 
größerer  hölzerner  Schüssel,  was  anderswo  hurlica  genannt  wird,  in  der 
Bocche  von  Cattaro  Waschtrog  i).  Das  Wort  ist  also  auf  das  Gebiet  be- 
schränkt, wo  sich  der  romanische  Einfluß  am  meisten  geltend  macht. 
Deshalb  geht  skr.  Skip  zurück  auf  abruzz.  schifa  'große  Butte',  sie. 
schifu  'Trog',  ital.  schifo  'Mörtel-,  Kalkmulde'. 

3.  Cöjluk. 
Dieser  Ortsname  ist  auf  dem  skr.  Gebiet  nicht  selten.  Doch  muß 
man  zunächst  den  Anfangsbuchstaben  näher  begründen,  da  es  auch 
Öojluk  geschrieben  wird.  Meine  Erkundigungen,  die  ich  mir  bei  den 
glaubwürdigen,  die  betreffenden  Ortschaften  kennenden  Leuten  holte,  so- 
wie die  neueren  amtlichen  Publikationen  sprechen  für  c  und  nicht  für  6. 
Ak.  Wbch  I,  57  schreibt  Cöiluk  in  der  Lika  bei  Udbina^].  Von  einem 
gebürtigen  Likaner  hörte  ich  den  Spruch : 

Ja  Bam  momak  Iz  Ööjluka, 
Volim  kruva  nego  luka. 

V 

Ak.  Wbch.  a.  a.  0.  kennt  noch  Cojluk  in  Bosnien.  Popis  zitelj- 
stva,  Sarajevo  1S95,  bringt  aus  dem  Bezirke  Krupa  zwei  gleichnamige 


1)  Prof.  Dr.  Jelic  (Zara)  teilt  mir  darüber  noch  brieflich  mit:  ^Skip  ist  ein 
Trog  aus  einem  Stück  Buchenholz.  Das  Stück  stellt  die  Hälfte  des  Baum- 
stammes im  Sinne  der  Länge  dar.  Gewöhnliche  Länge  0,70.  Breite  0,40,  Tiefe 
0,30  m.  Als  wasserdichtes  Gefäß  dient  sldp  zu  allen  möglichen  Zwecken  so- 
wohl für  Flüssigkeiten  als  für  Massen.  Daraus  kann  also  eine  größere  An- 
zahl Personen  speisen;  den  Haustieren  wird  daraus  Nahrung  verabreicht  oder 
es  dient  zur  Übertragung  von  Erde,  Mörtel  und  Schutt.  Das  Gefäß  ist  gang 
und  gäbe  in  Nin  (Nona)  und  Umgebung,  dürfte  aber  auch  in  Nord-Dalmatien 
allgemein  vorkommen.  In  der  Umgebung  von  Spalato  heißt  derselbe  Gegen- 
stand masuric.'i  (S.  über  das  letzte  Wort  meinen  Artikel  Zur  Kunde  des  ro- 
man.  Elements  in  der  skr.  Sprache,  Zeitschrift  f.  rom.  Ph.  XXXVI,  651,  14). 
In  Nevesinje  Herzegowina)  ist  skip  ein  aus  einem  Stück  Eschen-  oder  Birnen- 
holz kahnartig  gemachtes  und  zur  Aufbewahrung  von  Milch  bestimmtes  Ge- 
fäß. In  der  Lika  (Gegend  von  Podlapac)  dient  es  zum  Waschen  von  kleinen 
Kindern.  In  Bosnien  (Sarajevo,  Banja  Luka)  und  Kroatien-Slavonien  scheint 
es  nicht  mehr  vorzukommen. 

-)  Desgleichen  auch  Politicko  i  sudbeno  razdieljenje  kralj.  Hrvatske 
etc.    Zagreb  1895,  S.  23,  wie  auch  in  der  Ausgabe  1903. 


342  P-  Skok, 

Ortschaften,  dann  je  einmal  aus  den  Bezirken  Jajce,  Petrovac  und  Bu- 
gojno.  Auch  in  dieser  Publikation  der  bosn.  -herceg.  Landesregierung 
wird  nur  Coj'luk  geschrieben.  Ein  aus  Petrovac  gebürtiger  Herr  sichert 
mir  die  Aussprache  Cdjluk.  Diese  Aussprache  wird  neuerlich  bestätigt 
im  Sarajever  Amtsblatt  Sarajevski  list  Nr.  79  (vom  9.  April  1912)  S.  2, 
Spalte  3,  in  einer  Nachricht  aus  Bos.  Krupa  vom  6.  April:  tezak  Luka 
Ciric  iz  Oojluka  blizu  Krupe  etc.  Die  neusten  Rezultati  popisa  zitelj- 
stva  u  Bos.  i  Herc,  od  10.  X.  1910,  Sarajevo  1912,  S.  2S6,  bieten  eine 
Ortschaft  Cojluk  in  der  Dorfgemeinde  Vinac  bei  Jajce.  Ein  Stadtviertel 
von  Virovitica  heißt  ferner  Coluk^  welches  sicher  hierher  gehört. 

Da  für  die  Feststellung  von  Etymologie  von  großer  Wichtigkeit  ist, 
ob  c  oder  d  zugrunde  liegt,  so  schien  es  geboten,  bei  dieser  Frage  länger 
zu  verweilen.  Es  ist  nämlich  bekannt,  daß  die  türkischen  Lehnwörter 
im  Skr.  für  ttirk.  k  immer  c  zeigen.  Unser  Ortsname  ist  auch  türkischen 
Ursprungs,  wie  schon  das  Suffix  ~Iuk  vermuten  läßt.  Cojluk  geht  zu- 
rück auf  türk.  köjlük  *).  köjlük  (=  seliste)  kommt  als  Ortsname  im 
Vilajet  Diari-bekir  (Kleinasien)  vor.  Es  ist  gleich  gebildet  wie  das  be- 
kannte Hissarlik  (=  Gradiste]  bei  Troja. 

4.   {h)üja  sf.  'Zorn'. 

Dieses  Wort  ist  in  ganz  Bosnien  sehr  gebräuchlich,  jedoch  bisher 
von  keinem  skr.  Lexikographen,  soweit  ich  sehe,  in  dieser  Bedeutung 
gebucht  worden.  Ich  weiß  nicht,  ob  das  angeführte  Wort  identisch  ist 
mit  dem  im  Ak.  Wbch.  III,  7  29  angeführten,  wo  gesagt  wird  huj'a  kaze 
se  kod  ladara  stacija,  kada  se  na  konjima  lada  vuce. 

{fi)iija  ist  meiner  Ansicht  nach  eine  Ableitung  mittels  -Ja  vom  Adj. 
chud^  schlimm ,  böse',  di  ^  J  ist  auf  dem  stokavischen  Gebiet  zwar 
auffallend,  kommt  aber  doch  vor,  siehe  jetzt  Resetar,  Der  stokavische 
Dialekts.  136,  §61. 

Zu  identifizieren  sind  mit  dem  besprochenen  Worte  Jiuja  =  mrsava 
kokos,  mrsavo  celjade;  vgl.  für  die  Bedeutungsentwicklung  poln.  chu- 
dziec,  chuj'ec  'unverschnittener  Eber,  Stammschwein'.  Wie  man  sieht, 
entwickelt  sich  der  Begriff  des  Bösen,  Schlimmen  nach  zwei  Richtungen ; 
erstens  nach  der  Richtung  des  Schlechten  und  Minderwertigen ,  welche 
Bedeutung  in  /tuj'a  :  magere  Henne,  magerer  Mensch,  dann  in  hujav  = 


1)  kyifiylu-h  —  a  place  of  (so  many)  villages,  Redhouse,  Turkish  and  eng- 
lishlexiconS.  1606. 


Einige  Worterklärungen.  343 

bijedan,  nevoljan,  jadan,  /tuj'avdiua  =  h.ujsLYO  celjade,  Ak.  Wbch.  III. 
729,  vorliegt;  zweitens  nach  der  Richtung  des  Zornigen,  Aufbrausen- 
den, wozu  skr.  {hyilju  "^Zorn',  poln.  chudziec^  chujec  'un verschnittener 
Eber  gehören. 

Dagegen  sind  zu  trennen  von  unserem  Worte  uja  'die  Rast,  Er- 
holung', respiratio,  requies;  iij'äne  'das  Rasten,  Ausschnauben  ;  üjati 
'ausrasten';  tya^e 'heulen' bei  Broz-Ivekovic  11,  632;  /f?{;a^« 'ausrasten' 
Ak.  Wbch.  III,  729.  Diese  Wörter  sind  gewiß  onomatopoetische  Bil- 
dungen, von  hu^  mit  welcher  Silbe  man  das  Ausatmen  bezeichnet. 

5.  kantarljün^  -üna  sm.  'Tausendguldenkraut'. 
Dieses  Wort  ist  in  Bosnien  sehr  gebräuchlich,  ist  aber,  soweit  ich 
sehe,  noch  nirgends  gebucht  worden.  Es  ist  griech.  v.EvravQiov,  lat. 
centaurea^  centaurium,  ceutaurion,  centauris  (Thesaurus  linguae  latinae 
in.  812),  angeglichen  an  die  Endung  -one  ~^-un^  welche  in  ital.  Lehn- 
wörtern sehr  häufig  vorkommt. 

6.  kolo7nhoc  sm.  'Mais'. 
Nach  Ak.  Wbch.  V,  212  werden  in  Vasojevici  (Montenegro)  Mais- 
stelzen (krcamak)  so  benannt  und  in  der  Umgebung  von  Bar  und  Ulcin 
Kukuruz  selbst.  Das  Wort  wird  a.  a.  0.  noch  aus  Bocche  di  Cattaro  be- 
legt. Es  ist  alb.  scut.  kalamöts  'Mais',  kalamhök^  ngr.  xaXaf.i7t6/.ij  s. 
Meyer,  Alb.  Wbch.  17  0. 

7.  lädciiie  sn.  'Land,  Dorf',  lädänski  adj.  'ländlich,  bäuerlich,  dörflich'. 

Dieses  in  Kroatien  sehr  bekannte  Wort  ist  im  Ak.  Wbch.  V,  865 
nur  als  Name  zweier  Dörfer  im  Warasdiner  Komitat  nachgewiesen.  Heut- 
zutage ist  es  auch  in  die  Schriftsprache  eingedrungen  i)  und  hat  sein 
einstiges  aufs  Kajkavische  undSlovenische  beschränktes  Gebiet  bedeutend 
erweitert.  Es  bedeutet  'das  flache  Land,  frz.  la  campagne'  im  Gegen- 
satz zu  Stadt,  z.  B.  mi  ladanski  ludi^),  na  ladaiiu  boraviti  usw.;  im  Slov. 
(Pletersnik,  Slovar  I.  495)  =  Besitz,  Landgut;  ladanstvo  =  Land  (opp. 
Stadt). 

Schon  Budmani  im  Ak.  Wbch.  a.  a.  0.  hat  das  Wort  richtig  als  eine 
kajkavische  Form   des   schriftsprachlichen   vladane  aufgefaßt.    In  der 


1)  Nach  einer  freundschaftlichen  Mitteilung  von  Prof.  Ivsic  soll  die  An- 
nahme bestehen,  daß  es  Miskatovic  in  die  Literatursprache  eingeführt  hat. 

2)  Ladanjska  opozicija  ist  der  Titel  einer  Komödie  von  Derencin. 


344  P-  Skok, 

Bedeutung:  »Besitz,  Landgut,  Land  überhaupt  (opp.  zu  Stadt)«  ist  das 
kajkavische  Wort  meiner  Ansicht  nach  nichts  anderes  als  eine  Über- 
setzung von  mittellat.  dominium  (oder  dominicum)  i),  auch  domanium 
(nach  dem  frz.  domaine)  Herrschaft  über  etwas,  Eigentum,  Gut.  Es  ist 
dies  eine  Übersetzung,  die  noch  lebhaft  an  die  feudalen  Verhältnisse  er- 
innert, an  die  Zeit  nämlich,  wo  noch  der  heutige  Gegensatz  zwischen 
Land  und  Stadt  eigentlich  dem  Gegensatz  von  dem  unter  dem  Besitz  der 
Adeligen  stehenden  Lande  (dominium)  und  der  von  freien  Bürgern  be- 
wohnten Stadt  gleichkam,  so  daß  das  adelige  dominium  gewissermaßen 
als  Vertreter  des  Ländlichen  überhaupt  galt.  Das  kajk.-slov.  Wort  ent- 
wickelt sich  demnach  von  der  Bedeutung  'Gut  am  Lande'  zu  'Land,  Dorf 
überhaupt\ 

8.  Ostrva  sf. 
In  Montenegro  bedeutet  es  nach  Broz-Ivekovic  I,  927:  kao  stuba 
udarena  u  zemlju  (pred  kolibom),  te  se  vjesaju  puske;  in  Zumberak  (Akz. 
ostrva)  dagegen :  behauener  Baum,  wo  nur  größere  Äste  gelassen  wer- 
den, die  kleineren  dagegen  entfernt,  dient  zum  Kleetrocknen  auf  dem 
Felde.  Der  Zusammenhang  mit  dem  Adj.  ostr^  ist  klar.  Ich  denke  an 
ein  Subst.  *ostry  *ostnve  wie  svekry,  sveknve. 

9.  tukati  se  v.  'mit  jem.  zusammentreffen,  jem.  begegnen'' 
ist  in  Bosnien  (Kreis  Banja  Luka)  gebräuchlich  und  auch  von  keinem 
skr.  Lexikographen  gebucht  worden.  Es  ist  in  Zusammenhang  zu  bringen 
mit  der  Wurzel  t^k  im  Slav.,  skr.  tikati,  c.  tykati,  poln.  iykac  usw., 
hier  nur  in  einer  anderen  Ablautstufe ;  cf.  skr.  surov  und  sirov. 

10.  Zu  den  skr.  Lehnwörtern  aus  dem  Türkischen. 
Die  bei  den  skr.  entlehnten  Zeitwörtern  so  verbreitete  Endung  -isati 
führt  man  richtig  auf  den  griechischen  Aorist  zurück  (s.  Maretic,  Gram, 
i  Stil.  str.  380).  Ganz  dasselbe  ist  bei  einigen  aus  dem  Türkischen  ent- 
lehnten Zeitwörtern  der  Fall.  Auch  da  liegt  dem  skr.  Infinitiv  kein  tür- 
kischer Infinitiv  zugrunde ,  sondern  das  türk.  kategor.  Perf.  Allerdings 
kommen  Fälle  vor,  wo  sowohl  der  türkische  Infinitiv  als  auch  das  tür- 
kische  Perfekt  dem  skr.  entlehnten  Zeitworte  zugrunde  liegen.  Als  Bei- 
spiel führe  ich  an  eglendisaii,  eglcmisati,jeglenisatiAk.  Wbch.  III.  23, 


1)  Vgl.  bei  Bartal,  Glossarium  mediae  et  infimae  latinitatis  regni  Hunga 
riae  I,  227 :  dominium  =  territorium  castelli. 


Einige  Worterklärungen.  345 

wo  fälschlich  türk.  eßendirmek  als  Grundlage  angegeben  wird,  was 
schon  deswegen  nicht  richtig  ist,  weil  eghndirmeh  ein  objektives  Zeit- 
wort ist,  s.  Meniuski  I,  20S  eg'lendirmek'  :=  ritenere,  ritardare,  dar  trat- 
tenimento.  Von  egUnisati^  jegUnisati  ist  vielmehr  die  Grundlage  egHen- 
meh\  von  eglendisati  dagegen  Perf.  eg'le?idg^). 

Im  Nachfolgenden  führe  ich  noch  einige  Zeitwörter,  die  hierher  ge- 
hören, bisher  aber  nicht  gebucht  wurden,  an. 

baildisati  *^in  Ohnmacht  fallen'  (Banja  Luka)  von  ttirk.  bäjilmak 
svenire,  Meninski  I,  4S. 

dekfiaati  (Banja  Luka)  'dulden,  ertragen ;  jem.  belästigen'  z.  B.  cek- 
tisö  na  me,  da  bog  sacuva,  türk.  c'ek^ek^  =  tirare,  stendere,  patire, 
Meninski  I,  109. 

kuländinati  'gebrauchen'  (in  ganz  Bosnien),  türk.  kullanmak:  faire 
usage,  se  servir,  employer  (Zenker);  vgl.  alb.  >lw^awc/m 'behandeln,  ver- 
wenden'.   Meyer,  Alb.  Wbch.  212. 

osändisati  se  'sich  langweilen'  (Banja  Luka  und  anderswo  in  Bos- 
nien): osändisö  sam  se  cekajuci;  man  kann  auch  sagen:  on  me  je  osän- 
disö;  türk.  osanmak  =  aivexQ  fastidio.  Meninski  I,  661.  Man  versichert 
mir  auch  die  Form  osänisati  t>e  (s.  auch  Mikl.,  Türk.  Elem.,  Denkschr. 
38, 7),  welche  Form  demnach  auf  osan-mak  zurückgeht,  während  osändi- 
sati auf  osandy  beruht.     Vgl.  auch  kahvendisati  und  kavenisati. 

Auf  dieselbe  Art  ist  zu  erklären:  kidisati,  oder  mit  Einschub  -fi 
Mndisati  (s.  Ak.  Wbch.  IV,  954)  'Gewalt,  Hand  anlegen,  töten',  von 
türk.  kyjma¥  'töten',  nach  Meninski  tritare,  sminuzzare,  tagliare  in 
pezzi,  perdere,  rovinare,  uccidere.  Wegen  des  d  hat  Miklosich  34,  331 
nur  mit  Bedenken  kidisati  mit  kyj'mak  zusammengestellt.  Wenn  man 
an  die  Perfektform  denkt,  so  ist  die  skr.  Form  ganz  klar  und  es  ist  nicht 
notwendig,  auch  an  kynamak  zu  denken,  wie  es  Miklosich  34,  332  und 
nach  ihm  Ak.  Wbch.  IV,  946  tun.  keisati  Ak.  Wbch.  IV,  933,  derselben 
Bedeutung  wie  kulisati^)^  beruht  dagegen  auf  der  türk.  Infinitivform 


1)  Hierher  auch  sevdisati  (schon  bei  Miklosich,  Türk.  Elemente  usw. 
Denkschr.  35,  156  und  Popovic,  Istocanske  reci  189  erwähnt)  nicht  direkt  von 
sevmek* ,  sondern  vom  Perf.  Bei  dieser  Gelegenheit  erwähne  ich  noch  das 
schöne  Beispiel:  Ako  sam  ga  ocim'  pogledala,  nijesam  ga  srcem  sevdisala 
(Banja  Luka). 

2)  cbrdisati  pessumdare  ist  wohl  eine  Vermengung  von  krdisatixm^  corda 
'  Schwert'. 


346  P-  Skok, 

kyj-mah^  da  bekanntlich  der  türk.  Laut  y  als  ?',  ^,  a  und  r  erscheint  i). 
Deshalb  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  auch  /^•)Y/^Äa^^  Vernichten,  zu- 
grunde richten^  hierher  gehört  und  nicht  zu  qyrmak,  wie  bei  Miklosich 
34,  332  und  nach  ihm  im  Ak.  Wbch.  V,  498,  da  dann  auch  die  Bedeu- 
tung besser  paßt;  qyrmak  bedeutet  ja  brechen,  verletzen. 

1 1 .  Zum  Lokativ  in  den  serbokroatischen  Ortsnamen. 
Schon  Jagic  hat  im  Artikel  »Die  slav.  Composita  in  ihrem  sprach- 
geschichtlichen Auftreten«  (AfslPh.XX,  520)  ganz  zutreffend  in  Cilri  von 
Cärigrcid  den  Lokativ  gesehen.    Diese  Auffassung  wird  Gewißheit,  wenn 
man  Cari{gräd)'^)  mit  Cesargracl^),  Namen  einer  Ruine  an  der  Sutla"*], 


1)  Beispiele:  l.fiir  türk.^/^skr.  i:  Aiwa 'kleine  Hacke  zum  Faschieren  des 
Fleisches' <<A7^"wjo,  carne  tagliata  minutamente  Meninskil  i4d,kh)ietalitu  'Hack- 
brett, Fleischbrett  <^lyjma  tahtasy  tagliere;  kirnet  im  Beispiele:  Taj  jede  kao 
dömba,  ne  zna  sam  sebi  kimeta  <  kymet  prezzo,  valore,  stima  Meninski  1454; 
räzl  'zufrieden'  <<  rüzy  arab.  contento  Men. ;  2.  für  türk.  y  >  skr.  e  :  haterisaii 
'zugrunde  richten,  vergeuden'  (z.B.  bateriso  je  toliki  silni  mal)  <^batyrmaq 
'versinken',  von  hatmaq;  rw^/e, -e^u 'Stück  Papier'  Ak.  Wb.  \1  Vlb  <ik^uyhyd; 
3.  für  türk.  y  >  skr.  r  :  hrsum  (na  nekoga  hrsum  sasuti,  uciniti)  <^  c/iy.ih7i  pers. 
ira,  collera,  sdegno,  rabbia,  Meninskil  150;  Är/w(Oc <;/.?/ /y^scimitarra,sciabla, 
Men.  I  45a,  s.  auch  Mikl.  o.  c.  37,  61  ktlic,  bei  Popovic  o.  c.  S.  124  küidt, 
Ä-rs/vA 'Jungfernschaft'  <  kyzlyk  verginitä  Men.  1455,  vgl.  krzlaraya  bei  Popo- 
vic S.  12S  und  Mikl.  34,  ;i33  mit  Kizlaraga  bei  Gundulic,  krsla  'Kaserne' < 
kesla  'Kaserne',  Meyer,  Alb.  Wb.  189;  srklet  'Nervosität',  srkletli  'nervös' <C 
seklet  'schwere  Angst,  Unbehagen',  s.  Meyer.  Alb.  Wb.  384  ;  4.  für  türk.  t/> 
skr.  a:  kaiia  Ak.  Wb.  IV  814,  andere  Formen:  knä,  khua  Ak.  Wb.  V  lü9  und 
krna  Ak.Wb.  VG03  balsamina  hortensis  <  %/;« ,  hy)ia  ligustro,  colore  col 
quäle  si  tingono  le  femmine  i  capelll  e  le  unghie  Meninski  I  333,  451;  kozä- 
mak  'Scharlach',  Ak.  Wb.  IV  9i)9  daneben  auch  krzämak  zu  kyz  chaleur,  feu. 
kyzarmak  infocarsi,  roventarsi  Men  I  45.i.  Die  angeführten  zum  Teil  noch 
nicht  gebuchten  skr.  Wörter  sind  in  Bosnien  gang  und  gäbe. 

2)  Carigrad  ist  auch  der  Name  einer  Häusergruppe  im  Bezirke  Prijedor 
(Bosnien)  sowie  eines  Berges  und  einer  Euine  auf  demselben  in  Serbien,  s.  Ak. 
Wbch  I.  7()0,  s.  V.  Carigrad. 

3)  Vgl.  Ccsar  grad  in  Letop.  duk|.  Ak.  Wbch.  I,  772. 

*)  Die  Ruine  Cesargrad  befindet  sich  auf  dem  Berge  Cesarsko  hrdo  (rgl. 
C'esarska  ves  bei  Klaiiec;,  8  Klaic  Sutla,  in  Hrvatsko  Kolo  VI.  123,  ebenda  auch 
zwei  Abbildungen.  Daselbst  auch  Belege  wie  Chasar  1399.  Kaysersperg  1012, 
arx  Chasarvara  16:!0,  laater  magyarische  bzw.  deutsche  Übersetzungen.  Es 
ist  nicht  zu  vergessen,  daß  die  Burg  auch  in  dem  ältesten  kroatischen  Belege 
nur  Cesar  heißt  (in  einem  Briefe  Tahis  vom  2S.  I.  1562,  s.  Kuknljevic,  Acta 
Croatica  S.  327:  na  dwor  gozpodyna  bana  pod  chezarom  etc.).   Das  ist  aber 


Einige  Worterklärungen.  347 

nicht  WQit  von inanec  inZagorien  (Kroatien),  vergleicht,  wo  man  inCesar- 
nichts  anderes  al3  ein  mittels  -j  (n'^capb)  gebildetes  Adjektiv  sehen  kann. 
Ferner  wird  die  Erklärung  Jagic'  auch  dadurch  bekräftigt,  daß  das  Adj. 
bei  den  mit  -grad  usw.  gebildeten  Ortsnamen  gewöhnlich  in  unbestimmter 
Form  erscheint,  z.  B.  russ.  JSoDgorod,  skr.  Beograd,  Belgrad  (kroat. 
Küstenland),  Biograd  (Dalmatien)  usw.,  also  in  i  von  Carigrad  nicht 
die  bestimmte  Form  von  rar'  gesehen  werden  darf,  auch  deswegen  nicht, 
weil  es  kur?  ist.  Der  Lokativ  Cari-  ist  weiter  anzutreffen  in  Carihrod 
(Bulgarien)  und  Carihrdo  (ein  Berg)  Ak.  Wbch.  I,  7  59  i). 

Ich  will  nun  weitere  Beispiele  des  alten  Lokativs  aus  den  Ortsnamen 
bringen. 

Zunächst  gehören  hierher  viele  Vu6ipoh  (=  Wolfsfeld).  Bosnien 
allein  besitzt  laut  Angaben  der  Resultate  von  Volkszählungen  von  1S95 
und  1910  vier  Vtidipo^e,  und  zwar  in  den  Bezirken  l^ubuski,  Bugojno 
(im  Dorfe  Glavica),  Zupanac  (im  Dorf  Podgaj)  und  Mostar  (im  Dorf  Cit- 
luk).  In  Dalmatien  ist  der  Ortsname  auch  nicht  selten.  Das  Ortsreper- 
torium  der  k.  k.  statistischen  Zentral-Kommission  in  Wien  verzeichnet 
dreimal  ViiÖipole  (in  den  Gerichtsbezirken  Obrovac,  Knin  und  Sin).  — 
In  Kroatien :  Viidipole  in  der  Gemeinde  Gracac^).  VuSi-  ist  nichts  anderes 
als  der  alte  Lokativ.  Der  cakavische^)  Lokativ  im  Fem.  erscheint  Vuöe- 
ravan  (Wolfsebene)  im  Gerichtsbezirke  Supetar,  welche  Ortschaft  auch 
Vudjaravaii  heißt  (Ortsrepertorium  S.  13  7).  —  Ob  in  Vudikal  (Wolfs- 
schlamm, -kot)  (Gerichtsbezirk  Budva,  Ortsrepertorium  S.  1 S)  der  Lokativ 
vorliege  oder  nicht,  soll  vorderhand  dahingestellt  bleiben 4).  Dagegen 
ist  Vudedraga  (=  Wolfstal)  gewiß  so  zu  erklären  wie  Vuöeravan. 
Vudedraga  befindet  sich  in  der  Pfarre  Turjake  des  Bistums  von  Spalato 
(s.  Schematismus  des  Spalatiner  Bistums  für  das  Jahr  1913,  S.  S5). 

Veli  =  groß  erscheint  in  alter  Lokativform  zunächst  in  Velehrad 
(Mähren,   vgl.  Miklosich,   Slav.   Ortsnamen   aus  App.  II,   S.  253,  714). 


kein  Beweis,  daß  man  in  Cesar  kein  Adj.  sehen  sollte.  Es  ist  vielmehr  derselbe 
Fall  wie  bei  vielen  skr.  Ortsnamen  Novi,  wo  grad  als  selbstverständlich  ent- 
fallen ist.  —  Eine  Beschreibung  dieser  Euine  sowie  eine  Geschichte  des  Ortes 
nebst  Abbildungen  ist  zu  lesen  auch  bei  Laszowski,  Hrvatske  povjesne  gra- 
djevine,  Zagreb  19ü2,  S.  79—84. 

>)  Vgl.  mit  Caribrdo  Cesar  hrdo,  Häusergruppe  in  der  Gemeinde  Pisaro- 
vina,  s.Politicko  i  sudbeno  razdieljenje  kralj.  Hrvatske  etc.  Zagreb  1895,  S.86. 

2)  S.  Polit.  i  sudb.  razdieljenje  etc.  S.  9. 

3)  S.  Vondräk,  Vgl.  slav.  Gramm.  II,  S.  35. 
*]  Vgl.  Vucitrn  in  Altserbien. 


348  P-  Skok,  Einige  Worterklärungen. 

Auch  in  Velebit^),  Bergkette  in  Kroatien,  Berg  in  Bosnien,  möclite  ich 
nichts  anderes  als  den  alten  Lokativ  sehen.  Der  zweite  Bestandteil  wäre 
zu  identifizieren  mit  cech.  öyt  "^Existenz,  Aufenthalt',  vgl.  auch  aisl.  büä 
'Wohnung',  lit.  Z/ei/t/s '^Haus ,  Wohnhaus',  skr.  büak  'We&en,  ohitavati 
'wohnen'.  Der  zweite  Bestandteil  w.äre  ferner  zu  vergleichen  mit  Hudi 
bitek^  Dorf  in  der  Gemeinde  Odra  in  Kroatien  (Komitat  Agram).  Wegen 
-^  ^  -e  vgl.  Tpiö'i  ^  trijebe  (stokavisch-dialektisch).  Was  eigentlich 
Velebit  bedeutet,  ist  schwer  zu  sagen  2],  da  bit  sonst  nirgends  im  Skr. 
belegt  ist.  Es  ist  aber  an  die  volkstümlichen  Erzählungen  zu  erinnern, 
wonach  Velebit  als  Aufenthaltsort  von  Vilen  gilt  3).  Vielleicht  bezieht  sich 
darauf  auch  seine  Benennung.  Eine  so  benannte  Hirtensiedlung  wäre 
auch  nicht  ausgeschlossen  (cf.  atan  'Sennerei'). 

12.  Zetica^i.  'Molke'. 

Die  Molke  [su[i)rutka)  wird  in  Sarajevo  und  anderswo  in  Bosnien 
noch  zetica  genannt.  Das  Vorhandensein  dieses  bisher  nicht  belegten 
Wortes  ist  sehr  wichtig,  weil  dadurch  die  slav.  Grundlage  des  rumän. 
Wortes  Jintitä  'gekochte  Schafmolke'  (s.  Tiktin,  Rum. -deutsch.  Wbch. 
II,  872)  gesichert  ist.  Das  skr.  Wort  wanderte  dann,  durch  rumänische 
Hirten  weiter  getragen,  zu  den  Nordslaven:  slovak.  ientica^  poln.  ze7i- 
tyca^  ruthen.  zetityca  (s.  Miklosich,  Wanderungen  der  Rumänen,  Denk- 
schriften 21)  und  zu  den  Magyaren:  zsmdicze,  zsinczicza  (A  magyar 
nyelv  szotara  6,  1252  nach  Miklosich).  —  Das  skr.  Wort  gehört  zu  zqti, 
zbtnq.  In  Warasdin  heißt  der  Holzkübel ,  in  welchen  gemolken  wird, 
zeiarka.  P.  Skok. 


1)  Die  Form  Velebic,  die  gelegentlich  selbst  in  den  Urkunden  zu  lesen 
ist,  halte  ich  für  eine  gelehrte  Angleichung  an  die  ungememein  verbreitete 
Endung  -ic.  Beim  Volke  ist  sie  nicht  zu  hören.  Velebit  heißt  weiter  eine 
Landzunge  mit  dem  gleichnamigen  Berge  in  der  Katastralgemeinde  Vrsi  bei 
Nona  (Dalmatien,  e.  auch  Jeliö,  Hrv.  spomenici  ninskoga  podrucja,  I,  S.  1). 
Auch  dieser  Name  erscheint  in  der  Katastralmappe  und  in  den  mir  vom  Prof. 
Jelic  freundlichst  zur  Verfügung  gestellten  urkundlichen  Belegen  (1530,  1793) 
Monte  Velebich.  Nach  meinen  Erhebungen  ist  diese  Form  dem  dortigen  Volke 
nicht  bekannt. 

2)  Schon  Zoranic,  Planine,  Stari  pisci  hrv.  16,  S.  69 — 71,  versucht  eine 
Erklärung  des  Namens,  die  natürlich  wertlos  ist,  zu  geben. 

3)  Auf  ähnliche  mythologische  Vorstellungen  von  Velebit  scheint  hinzu- 
weisen auch  der  Name  der  Bergspitze  Sceto  Brdo  (1753  m)  in  demselben  Ge- 
birge. S.  eine  solche  Erzählung  bei  Hirc,  Prirodni  zemljopis  Hrvatske  I,  S.  452, 
Anm.  3. 


Beiträge  zur  ukrainischen  Wortforschung.  349 


Beiträge  zur  ukrainischen  Wortforschuns;. 


babäna,  -ny  f.  'altes  Schaf,  welches  der  Zeugung  unfähig  ist^; 
<  rum.  bäbänä,  'altes  Schaf,  das  nicht  mehr  lammt\ 

bäska,  -ky  f.  'Schafsname';  <  rum.  bäscä,  'Vließ,  Gesamtheit  der 
Scherwolle  eines  Schafes';  alb.  baska. 

batalen,  -va  m.,  batalej,  -ja  m.  'Schlägel  im  Butterfaß';  <  rum. 
bätäläu,  'Schlägel,  Bläuel'. 

bäus,  -usa  m.  'Schnurbart';  poln.  bajusy,  'Schnurbart,  Backen- 
bart'; <  mag.  bajusz,  'Schnurbart'. 

bynda,-dy  f.  benda, 'Band';  <  ital.  benda,  (<^  ahd.  binda) 'Binde'. 

bend'iih,  -hä;  bend'üch,  -chä  m.  'Eingeweide,  Bauch';  <  magy. 
bendo,  'Schmerbauch';  böndo,  'Ranzen,  Wanst'. 

bybäk,  -kä  m.  'Krankheit';  <  magy.  bibe,  'eine  kleine  Wunde, 
der  empfindlichste  Teil  der  Wunde'. 

byrka,  -ky  f.  'das  Schaf";  nsl.  birka,  'ds.';  <  magy.  birka,  'das 
Schaf  mit  kurzer,  krauser  Wolle'. 

bJamänka ,  -ky  f.  'Leckereien' ;  <  mhd.  blamensier,  blamentschier, 
'eine  Art  Speise',  <^  franz.  blanc  manger. 

bläna,  -lii  f.  'Huzulenpelzkleid',  rückentlehnt  aus  rum.  blanä,  'Pelz, 
behaarte  Tierhaut,  Kleidungsstück  daraus,  Fell';  zu  sl.  c.  blana. 

blymaty,  'blinkein';  blymanka,  'Irrfeuer';  mit  Annahme  einer  Be- 
deutungsentwicklung 'blasen,  schwellen'  zu  'mehrmals  anschwellen,  blin- 
kein' —  ist  die  Urverwandtschaft  mit  norw.  blemme,  schw.  blemma, 
aschwed.  blema,  'Pickel,  Pustel',  anord.  blämi,  'bläuliche  Farbe',  franz. 
bleme,  'blaß,  bleich',  —  die  von  Falk-Torp  E.W.  zur  idg. Wurzel  *bhlei, 
*bhlai,  'blasen,  schwellen'  gestellt  werden,  —  nicht  ausgeschlossen. 

biyndyj,  -a,  -e  adj.  'klug,  schön';  <  rum.  bland  adj.  'sanft,  mild, 
freundlich';  (lat.  blandus). 

blyndä,  -dy  f.  'starker  Hautausschlag';  <  rum.  bländä,  Nessel- 
ansschlag'. 

bl'ich,  -chä  m.  'das  Weißen  der  Leinwand';  brichnvatj^  'die  Lein- 
wand weißen';  <  mhd.  bleichen;  »hier  auf  dem  Rasen  bleicht  das  Linnen 
gut«.  Grimm.  Wb.    Vergl.  kroat.  kajk.  plajhati. 

bokrejda,  -dy  f.,  pokröjta,  -ty  f.  'künstliche  Blume  oder  Pfauen- 


350  R.  Stocki, 

feder  als  Scbmuck  für  den  Hut';  <  magy.  bokr^täs,  ^mit  Federbuschen, 
Blumen  buseben  verseben^ 

bokör,  -ra  m.  'Floß';  <  magy.  bokor,  'Buscb,  Stock,  Bund';  skr. 
bükor,  *^das  Büscbel'. 

borduh,  -ba;  bord'ücb,  -chä  m.  'Sack,  Haut';  <  rum.  burdiib,  burdüf, 
'ganze  Haut  eines  Tieres,  in  die  etwas  gebullt  wird,  Balg,  Scblauch'. 

bosörka,  -ky  f.  'Hexe';  magy.  boszorka,  boszorkäny,  'Hexe'. 

bosorkün,  -nä  m.  'Vampyi-,  der  Tote';  <  magy.  boszor,  'der  Toten- 
kopf'. 

brändza,  -dzi  f.  'Unkraut';  <  rum.  bräncä,  'Braunwurz,  Bären- 
klau'. 

brendüsa,  -si  f.  'Crocus  vernus';  bryndüsa,  -si  f.  'Crocus  sativus'; 
brandüsi,  pl. -iii,  Crocus  reticulatus,  'Frühlingssafran';  <rum.  brändüsa, 
'Herbstzeitlose,  Früblingssafrau,  Crocus  vernus'. 

brytnäl',  bretnal',  -ä  m.  <^  Brettnagel. 

büc  ,  -cä  m.  'scblecbt  gebackenes  Brot',  bucö,  -cä  n.  'Apfel': 
buciuka,  'Apfelsorte';  <  mbd.  bütze,  'Masse,  Klumpen,  Brot';  »butz  am 
Obst,  Granatbutzen,  Hagenbutzen«  Grimm.  Wb. 

budzük,  -dzkä  m.  'ein  Stückchen,  ein  Bruchteil';  magy.  buczok, 
'unförmiger  Klumpen'. 

bühas,  -sa  m.  'ungepflegter,  verwahrloster  Wald';  <  rum.  buhäs, 
'junge  Tanne  oder  Fichte  mit  struppigen  Zweigen'.  Tiktin  stellt  das 
rum.  Wort  zu  rum.  büfnitä,  'Eule,  Uhu';  ngr.  /.i/rovcfos',  pol.  puhacz; 
türk.  buhäc,  und  will  die  neue  Bedeutung  vom  wirren  Kopfhaar  des  Uhu 
ableiten. 

bünkos,  -sa  m. 'Hammer';  pol.  bunkosz,  'grobe  Keule,  auch  grober 
Mensch';  <  magy.  bunkös,  'keulenförmig,  kolbig,  Knüttel,  Knoteiistock'; 
bunkö,  'der  Schlägel,  die  Keule,  der  Kolben'. 

burdöj,  -ejä  m.  burdij,  -ijä  m.  'unterirdische  Wohnung,  Rauch- 
hütte'; <  rum.  bordeiu,  'Erdhütte';  'durch  Ausgraben  des  Erdreichs  her- 
gestellter Raum,  mit  auf  der  Erde  liegendem  Dache;  dient  als  Behausung 
sehr  armer  Bauern'.  Vgl.  ital.  bordello,  prov.  frz.  bordel  usw.,  ursprüng- 
lich :  'schlechte  Hütte'. 

busa,  -si  f. 'zylinderförmiges  Gefäß  zum  Salzen  der  Fische';  <  mhd. 
butsche,  'Salzkufe,  Gefäß'.  Dazu  wird  von  R.  Perusek  A.  34  S.  35 
skr.  büca,  'Kürbisflasche'  gestellt  und  dabei  Schmeller-Fr.  I,  312/313 
angeführt:  »die  butschen,  kleineres  mit  einer  Handhabe  und  Deckel  ver- 
sehenes Gefäß,  in  Form  eines  abgestutzten  Kegels.  Ehemals  nannte  man 


Beiträge  zur  ukrainischen  Wortforschung.  351 

blitschen  auch  eine  Art  Gefäß,  in  welchen  von  den  Salzstätteu  aus  das 
Salz  verführt  wurde  (rahd.  butze,  butsche  schf.  Geftiß,  Salzkufe). 

eyngel',  -gl'a  m.  'Häckchen';  <  rum.  cinghel,  'Hacken  «^  türk. 
ceugel). 

cynhaköra,  -ry  f.,  syndyköra,  cyndyköra,  cinhaköra,  'gürtelartige 
Kleidungsstücke^;  <  rum.  cingätöre,  'Gürtel,  Gurt^ 

cyrka,  -ky  f.  'Bordüre  an  Bauernkleidern^ ;  <  mhd.  ziere,  zier; 
ndd.  zire,  zir,  'Schmuck,  Zier'. 

cöra,  -ry  f.  'ungeschliflene ,  ungezogene  Frau;  Schimpfwort ;  <  rum. 
ciörä,  'Krähe,  Spitzname  der  Zigeunerin';  vgl.  zig.  rotwelsch:  tschor, 
'Dieb'. 

cüpka,  -ky  f.  'Kuß';  <  magy.  cupp,  'der  Schmatz,  das  Schmätzchen'. 

cvy.st,  -tu  m.  'Zwirnpaar  der  Webgrundlage';  <  ahd.  mhd.  zwist 
=  twist  (engl,  twist),  'Geflecht,  geflochtener  Faden,  Schnur,  Strick;  — 
Art  Baumwollenstoff  aus  gezwirntem  Garne'.  Schade  bemerkt,  die  Wort- 
gruppe wäre  am  entwickeisten  im  Sächsischen. 

cabak,  -kä  m.  'ein  Fisch':  <  türk.  (Alt.  Tel.  Les.  Kas.)  cabak, 
'kleiner  Fisch',  Ptadloff  Wb. 

cäika,  -ky  f.  'Stehplatz  am  Ende  eines  Diieprflosses';  <  türk. 
calkan,  'bewegt  werden,  hin  und  her  geworfen  werden,  geschüttelt  wer- 
den, von  den  Wellen  hin  und  her  geschleudert  werden'.  Vergl.  russ. 
npH^ia-iiiTb  'landen'. 

capas,  -öü  m.  'Steg,  Pfad';  <  magy.  csapäs,  'die  Spur,  die  Fährte'. 

cemesyty,  'drücken,  kneten';  <  magy.  csömöszolni,  'knetschen, 
zerquetschen,  —  zusammenpferchen'. 

cerköty,  -iu  pl.  'eine  Art  Sporren  mit  Schellen,  die  beim  Tanzen 
benutzt  werden';  <  magy.  csorgetö,  'die  Klapper,  die  Schnurre'. 

ceten,  -nä  m.  'geflochtene  Zaunwände,  aus  welchen  die  Umzäu- 
nung für  die  Schafe,  der  ah6i  (zu  M.T.E.  6  agel,  'Hürde')  zusammen- 
gestellt wird';  <  türk.  (Alt.  Tel.)  cedän,  'der  Zaun,  die  Hecke,  gefloch- 
tene Umzäunung'. 

cynär,  -arä  m.  'Platanus';  <  türk.  (Osm.  Kkir.  Kur.)  cynar,  'die 
Platane'. 

cynceryji  pl.  -iu,  'die  Fesseln';  <  magy.  csincs^r,  'die  Halsfessel, 
Halseisen'. 

cumiu,  -m<5va  m.  'Tabak  in  Blätterbündeln';  <  magy,  csoma,  *der 
Sprosse,  der  Sprößling,  der  junge  Zweig,  das  Keimpflänzchen';  esomag, 
'der  Pack,  das  Bündel'. 


352  R-  Stocki, 

cnvai,  -iü  m.  'ein  größerer  Sack';  zuM.T.E.  44  cuval,  'der  Sack'. 

dädos,  -sa  m.  'Haupt  einer  Zigeunerbande';  <  mag.  däde,  dädö, 
'alter  Zigeuner';  zig.  rotwelsch:  dados.  'Anführer,  Vatfer'  (Kluge:  Rot- 
welsch). 

daräba,  -by  f. 'Floß';  daräbcyk, -yka;  m.  'ein  Stückchen';  <  magy. 
darab,  'das  Stück';  darabos,  'stückig,  aus  groben  Stücken  bestehend'. 

döga,  -gy  f.  'Faßdaube';  <  rum.  doäga,  'Daube',  vergl.  serbokr. 
düga. 

facärnyj,  -a,  -e  adj.  'diebisch';  <  rum.  fätärnic,  'heuchlerisch'. 

faj  (im  Fluche:  »faj  by  mu!«  'Schmerz  über  ihn');  <  magy.  fäjni, 
'schmerzen';  fäjäs,  'das  Schmerzen,  der  Schmerz,  das  Weh'. 

felel'uväty  za  koho,  'für  jemanden  bürgen';  <  magy.  felelni,  'ant- 
worten, zur  Antwort  geben,  ^ — ^  für  etwas  verantwortlich  sein';  felelos, 
'verantwortlich'.     Daraus  auch  rum.  felelui,  'verantworten'. 

ficka,  -ky  f.  'leichtsinnige  Frau  ;  <  magy.  ficke,  'lebhaft,  munter'. 

fi^ekeu,  -eva  m.  'junger  Bursch';  <  rum.  fläcäü,  mold.  flec-,  'junger, 
heiratsfähiger  Mensch,  besonders  aus  dem  Volke;  Bursch,  Junge'. 

folösyty  sa, 'Glück  haben' ;  foiösyt'  sa  menl,  'es  glückt  mir';  <rnm. 
folös,  'Nutzen,  Vorteil';  (zu  mgr.  (pü.üg  für  ürpeAog,  indem  xwcpeXog 
=  To  löcpelog  als  ro  tpelog  verstanden  wurde.    Tiktin  R.  D.  Wb.). 

gäl'ir,  -ra  m.  'viereckige  Kapuze  an  der  cüha  (Pelz)';  <  magy. 
galler,  'der  Kragen,  Halskragen'. 

gard,  hard,  -du  m.  'eine  Reihe  von  Ver-  oder  Umzäunungen  im 
Wasser  zum  Fischfangen';  rückentlehnt  <rum.  gard  (ksl.  grad^), 'Flecht- 
werk aus  Zweigen,  besonders  Weidenruten,  Zaun'. 

gäura,  -ry  f.  'winterliche  Lagerstätte  des  Bären,  Schlund,  loses 
Maul';  <  rum.  gäurä,  'Lroch,  Grube'. 

gyria,  -ly  f.  'großes  Erdloch,  Erdspalte';  <  rum.  ghörlä,  'Gefäng- 
nis, (Hunde)loch'. 

gogomän,  -a  m.  'Dummkopf,  Schimpfwort';  <  rum.  gogomän,  gu- 
gumän,  'einfältiger,  alberner  Mensch,  Dummkopf,  Tropf.  Spitznamen 
der  Rumänen  von  den  Albanesen  beigelegt. 

gorgän,  -na  m.  'Berggipfel';  rückentlehnt  <  rum.  gorgän  (<]^  ukr. 
kurhän  <^  türk.  kurgan)  'Hühnengrab'. 

gutka,  -ky  f.  'Auerhenne,  Art  wilde  Ente';  <  rum.  götcä,  'Hasel-, 
Rot-,  Auerhuhn'. 

gropa,  -py  f.  'Name  einer  Bergalpe';  rückentlehnt  <  rum.  groäpä 
(ksl.  grob-B), 'Grube,  Grab'. 


Beiträge  zur  ukrainischen  Wortforschung.  353 

gros,  -SU  m.  "^Herde  der  trächtigen  Mutterschafe';  <  rum.  gros, 
'dick,  trächtig,  schwanger'  (lat.  grossus). 

gurgül'a,  -l'i  f.  'Knorren';  gurguiät,  -a  m.  'Name  eines  Berges'; 

<  rum.  gurgaiä,  'anschwellen,  sich  wölben' ;  gurguiälä ,  'Anschwellung'. 

halahän,  -na  m.  galagän,  -nä  m.  'alte  4  Kreuzer  Münze,  über- 
haupt alte  Münze';  <  rum.  gologän,  'Kupfermünze,  Zehnbanistück'. 

hal'avaty,  'das  Schiff  stromaufwärts  am  Seile  ziehen';  <  ital.  alare, 
'am  Seile  ziehen';  frz.  haier,  'ds.';  altnord.  hala,  'ziehen'  (Körting  Et,  Wb. 
4460);  norweg.  hale,  'ziehen,  besonders  an  einem  Tau';  <![  nd.  halen, 
'ziehen'  (Falk-Torp  Et.Wb.). 

haratäty,  'wuchtig  schlagen,  grob  zerschlagen';  <  rum.  häräti, 
'reizen,  necken,  —  mit  jemandem,  plänkeln,  Scharmützeln';  oder  härtänl, 
'zerreißen,  zerfleischen,  zerfetzen'. 

hacä,  -äty  n.  'Fohlen';  <  rnm.  hatäs,  'Pferd,  Roß';  ät,  hat,  'Pferd'; 
<türk.  at,  'Pferd';  atce,  'Fohlen'.    M.T.E.  15. 

homök,  -mka  m.  'Erdhaufen,  Hügel';  <  magy.  homok,  'der  Sand, 
der  Flugsand'. 

huzvä,  -vy  f.  'Eisenkette,  die  den  Pflug  mit  den  Rädern  verbindet^; 

<  magy.  hüzvas,  'das  Zugeisen'. 

jaläk,  -ka  m.  'Hundefuttertrog';  <  türk.  (Osm.)  jalak,  'eine  Holz- 
schüssel, Hundeschüssel'.     Radioff  Wb.  III,  156. 

kacabäjka,  -ky   f.  kacavöjka,  -ky  f.  'weibliche,  gefütterte  Jacke'; 

<  rum.  cataveicä,  'Pelzjacke  mit  Stoffüberzug,  nicht  anliegend,  meist  aus 
Fuchspelz,  von  Frauen  getragen'. 

käjta,  -y  m. 'Ochse  mit  großen  Hörnern';  <magy.  kajla,  'krumm, 
abwärts  gebogen,  krummhörnig'. 

kälap ,  -a  m.  'schwarzer  Hut,  mit  breiten,  nach  unten  gebogenen 
Krampen';  <  magy.  kalap,  'der  Hut';  <  csurgöra  ällö,  'Hut  mit  abwärts 
gebogenen  Krampen'. 

karäzija,  -ziji  f.  'einfaches  Lodentuch';  <  magy.  karazsia,  'eine 
Art  gemeines  Tuch,  zweimal  gewalktes  Tuch'. 

karmäk ,  -ka ;  m.  'ein  Fischereigerät ,  zum  Fischfängen  unter  dem 
Eise:  eine  Schnur  mit  5 — 6  Angelhaken.  In  Dobruca  im  größeren  Maß- 
stäbe angefertigt  mit  bis  60  Haken';  <tüi-k.  (Tel.  Alt.  Tub.  Koib.)  kar- 
mäk, 'der  Haken,  der  Angelhaken'.    Radioff  IL  B.  216. 

kap ,  -u  m.  'eine  Art  Sack,  in  welchem  gebrannte  Leinensamen  ins 
Butterfaß  gelegt  werden';  <  türk.  (Alt.  Tel  Leb.  Schor.)  kap, 'der  Sack, 
Beutel,  Tasche'.  Radioff  IL  B.  400. 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXXV.  23 


354  R.  Stocki, 

käpiu,  -ova;  m.  'Jagdhund';  kapövipsy,  'Jagdmeute'*;  <  mag.  kapni, 
'packen,  ergreifen,  fangen,  fassen';  kapö,  'zugreifend'. 

kapus,  -sa;  m.  'Käfer  (Melophagns  ovinus)';  <rum.  cäpiisä, 'Schaf- 
lausfliege, Schafzecke  (Melophagus  ovinus)'. 

katlamä,  -my;  f.  'eine  Hirtenspeise';  <  türk.  (Krm.Osm.)  katlama, 
'ein  dicker,  aus  Blätterteig  bestehender  Pfannkuchen'  (Kas.);  'ein  spiral- 
förmig gewundener  Blätterkuchen  aus  Sauerteig'.    Radloif,  Wb.  11,  300. 

kavük, -ka;  m.'ein  Sack';  <  türk.  (Osm.)  kavuk,  'etwas  ausgehöhltes, 
leeres^  besonders  die  Blase'.  Radioff,  Wb.  II,  4  70. 

kendyryca,  -ci;  f.  'Kukurudz';  <  magy.  kenderice,  kenderike,  'der 
Hänfling,  der  Bluthänfling'. 

kysyr,  -rjä;  m.  'die  frischgeborenen  Schafe';  <  türk.  (Osm.)  kysyr, 
'unfruchtbar'  (Kir.  Kas.  Osm.-Bosn.) ;  'gelt,  nicht  geboren  habend'. 

konfitüry,  pl.  -iu,  'Obstkonfekt';  <  rum.  conföturi,  'Konfekt,  Zucker- 
werk'; <^  ital.  confetto;  ^  ukr.  kunfety,  kumföty, 'Konfekt';  werden 
eine  direkte  Entlehnung  aus  dem  Ital.  sein. 

kiäka,  -ky;  f. 'eine  Art  gemeinsamer  Arbeit';  <  rum.  cläcä, 'Frohne, 
Robott';  <C  serb.  nsl.  tiaka,  'Frohnarbeit'. 

köda,  meist  im  plur.  gebraucht:  ködy,  -iu,  f.  'Hutbänder';  <rum. 
cödä  pl.  Code,  'Schwanz,  Schweif,  Zopf'  (Etym.  lat.  cauda,  'Anhängsel'). 

koköna,  -ny;  f.  'Titel  der  Gutsbesitzerin  (bukow.)';  <rum.  cocönä, 
'Titel:  gnädige  Frau';  <  griech.  ■/.ov.öva. 

konarä,  -y;  f.  Schafherde,  die  für  das  Schlachten  gemästet  wird'; 
<rum.  canarä,  'Weide,  wohin  die  alten  Schafe  zum  Fettwerden  ge- 
trieben werden';  <^  türk.  (Osm.)  kanara,  'Ort,  wo  man  das  Vieh  tötet, 
das  Schlachthaus'.    Radioff,  II.  B.  111. 

kondäs,  -a;  m.  'Schweinehirt';  <  magy.  kondäs,  kondäsz,  'der 
Schweinehirt,  der  Sauhirt'. 

kuhä,  -hy;  f.  'Teichpflanze';  <  türk.  (Ot.)  kuha,  'die  Binse, 
Binsegras'. 

küzba,  -by;  f.  'ein  Haken,  worauf  der  Kessel  hängt,  Dreifuß'; 
<  rum.  cujba,  'Kesselhalter,  hölzerne  Vorrichtung  am  Bauernherd:  be- 
steht aus  einer  fixen  Säule  und  einem  auf  derselben  wagerecht  befestigten 
drehbaren  Stabe,  an  dessen  freies  Ende  der  Kessel  gehängt  wird'.  Das 
rum.  Wort  ist  nach  Tiktin  aus  magy.  gusba,  'ds.';  daraus  entlehnt  (?)  serb. 
güzva,  'Flechte  aus  schlanken  Reisern';  und  ukr.  kuzva,  -y;  f.  'ein  aus 
Zweigen  geflochtenes  Band,  Bindgerte'.    Vergl.  russ.  ryact. 

kurkiir,  -l'a ;  m.  'Spitzname  der  ansässig  gewordenen,  landbebauen- 


Beiträge  zur  ukrainischen  Wortforschung.  355 

den  Kosaken  am  Schwarzen  Meer';  <  türk.  (Osm.)  korkul,  'sich  fürchten'. 
Radioff,  Wb.  II.  B.  566. 

kuräj,  -ajü;  m.  'Pflanze  als  Brennmaterial  benützt';  <  türk.  (Kir.) 
kurai,  'eine  Pflanze  . 

kurbet,  -tä ;  m.  'Nachbar,  Freund';  <  türk.  (Osm.  <  arab.)  kurbät, 
'die  Nachbarschaft,  Nähe,  Verwandtschaft,  intime  Freundschaft'.  Rad- 
ioff, II.  B.  963. 

kurmej,  -ejä;  m.  'Strick,  Seil';  <rum.  curmöiü,  'Strick  aus  Linden- 
bast'. 

kumän,  -nä;  m.  'Topf,  Pokal';  <  türk.  (Kir.)  kuman,  'Wasserkanne'. 

Hilfsmittel: 
Hrincenko:  Slovär  ukräjinskoji  mövy.    Kyjiu  1907. 
Zelechoüskyj :  Malorüsko-nimöckyj  slovar.  L'wiu  1886. 
Radioff:  Versuch  eines  Wörterbuches  der  Türk.  Dialekte  I — IV. 
Tiktin:  Rumänisch-Deutsches  Wörterbuch  (A — P). 
Ballagi:  Ungar.-deutsches  Wörterbuch.    Pesth.  1860. 

Leipzig.  B.  Stockt . 


Studien  über  slav.  eh. 


Der  slavische  Laut  ch,  palatalisiert  s,  ist  in  vielen  Fällen  noch 
immer  den  Sprachforschern  eine  crux  geblieben.  Besonders  gilt  dies  vom 
ch  im  Anlaut.  Kaum  ein  einziges  nicht  entlehntes  Wort  mit  diesem  An- 
laut dürfte  eine  Erklärung  gefunden  haben,  die  von  jedem  Forscher  ge- 
billigt worden  ist.  In  den  Fällen,  wo  c/i  seinem  Ursprung  nach  ganz 
klar  ist,  geht  es  auf  idg.  s  nach  i-  und  e<- Vokalismus  und  nach  r  und  q 
zurück.  Eigentlich  kann  also  ein  s  nur  in  der  vierten  Stellung  als  Quelle 
für  anlautendes  ch  in  Frage  kommen.  In  abg.  chocliti  'gehen',  das  schon 
im  Beginn  der  modernen  Sprachforschung  aus  der  idg.  Wurzel  ^sed- 
sich  setzen'  auch  'gehen'  (ai.  asad-  'hintreten,  sich  nähern')  erklärt 
wurde,  ist  bekanntlich  ch  in  Komposition  mit  den  Präfixen  pri-  und  u- 
entstanden. 

Das  Wesentlichste  von  dem ,  was  wir  über  Ursprung  und  Entwick- 

23* 


356  H.  Petersson, 

luifg  von  slav.  ch  wissen ,  verdanken  wir  Holger  Pedersen,  welcher  den 
Laut  in  seiner  wohlbekannten  Abhandlang,  Das  idg.  s  im  Slavischen, 
IF.V,  33 — 87  behandelt  hat.  Pedersen  hat  auch  in  idg.  qh  eine  zweite 
Quelle  des  slavischen  cli  finden  wollen.  Schon  vordem  hatte  Kozlovskij, 
Archiv  f.  slav.  Phil.  XI,  3S3ff.  an  der  Hand  einiger  aufgestellten  Ety- 
mologien slav.  eil-  mit  ai.  //,  griech.  /,  lat.  //,  germ.  //  gleichgestellt  und 
dafür  ein  ursprachliches  7  angesetzt. 

Die  Ansicht  Pedersens ,  daß  idg.  qh  zu  slav.  cli  geworden  ist,  hat 
von  Seiten  einiger  Sprachforscher  Beifall  gefunden,  so  z.  B.  von  Meillet 
MSL.  IX,  153,  Etudes  S.  174,  von  anderen  dagegen  ist  sie  energisch  be- 
kämpft worden,  trotzdem  daß  Pedersen  KZ.  XXXVIII ,  388ff.  neue 
Gleichungen  zugunsten  des  Lautgesetzes  aufgestellt  hat  und  ebenda 
Bd.  XL,  173  die  theoretische  Möglichkeit  des  Lautwandels  durch  sehr 
beachtenswerte  lautphysiologische  Erwägungen  und  durch  zutreffende 
Parallelentwicklungen  aus  verschiedenen  Sprachen  talentvoll  verteidigt 
hat.  Unter  den  Gegnern  Pedersens  ist  vor  allen  Uhlenbeck  zu  nennen, 
der  IF,  XVII,  9  5  ff.  die  von  Pedersen  aufgestellten  Gleichungen  samt 
und  sonders  zu  beseitigen  versucht  hat.  Das  Erscheinen  des  Uhlenbeck- 
schen  Aufsatzes  fällt  zwischen  die  beiden  erwähnten  Abhandlungen 
Pedersens  in  Kuhns  Zeitschrift.  Es  ist  zwar  nicht  zu  bestreiten,  daß 
mehrere  von  den  Gleichungen,  auf  die  Pedersen  seine  Lehre  gestützt  hat, 
entweder  unrichtig  oder  wenigstens  höchst  problematisch  sind,  es  bleiben 
aber  immerhin  einige  übrig,  deren  Beweiskraft  zu  entkräften  meines  Er- 
achtens  Uhlenbeck  nicht  gelungen  ist.  Vor  allem  gilt  dies  von  Pedersens 
Gleichstellung  von  abg.  socha,  po-socha^  russ.  sochä  '^Hakenpflug'',  jjo- 
soch  'Stab'  mit  lit.  szaM,  arm. ca.r,  ai.  clihlm^  neupers.  mx  'Zweig,  Ast , 
got.  hoha  'Pflug'.  Uhlenbeck  erklärt  slav.  socha  als  'abgeschnittener 
Ast'  aus  idg.  *soksa  und  zieht  es  zu  aisl.  sax^  ags.  seax^  ahd.  sahs 
'Schwert,  Messer',  lat.  saxum  'Felsenstück'  zu  lat.  secäre  'schneiden 
usw.  Hierzu  bemerke  ich  zuerst,  daß  es  doch  etwas  auffallend  wäre, 
wenn  die  Sippe  von  ai.  Qäkha^  die  sich  im  Arischen,  Armenischen,  Bal- 
tischen und  Germanischen  vorfindet,  nicht  auch  in  dem  zwischenliegen- 
den slavischen  Sprachgebiete  zu  finden  wäre.  Die  aus  diesen  Sprachen 
verglichenen  Wörter  sind  auch  alle  klar.  Arm.  c  ist  zwar  nicht  der 
regelrechte  Vertreter  von  idg.  Z-,  man  hat  aber  auch  darum  den  idg.  An- 
laut mit  kli-  angesetzt.  Bartholomae,  Studien  II,  41.  Der  Anlaut  kh- 
könnte,  was  das  Armenische  betrifft,  dialektisch  gewesen  sein,  da  ja 
sonst  Aspirierung  von   idg.  tonlosem  Palatal  in  größerer  Ausdehnung 


Studien  über  slav.  eh.  357 

sicher  nicht  vorgekommen  ist.  Auch  könnte  man  annehmen,  daß  im  arm. 
cax  ein  unorganisches  6-  vorgelegen  hat,  da  es  gut  bezeugt  ist ,  daß  idg. 
sk  zu  arm.  c  wird.  Brugmann  Grdr.^  I,  S.  548.  In  seinem  etymologi- 
schen Wörterbuch  der  ai.  Sprache  s.  v.  ^äkJui  bezweifelt  Uhlenbeck  den 
Vergleich  von  got.  ItöJia,  aber  warum?  Zur  Entwicklung  des  Pfluges 
aus  einem  einfachen  hakenförmigen  Aste  sind  Schrader,  Sprachvergl. 
und  Urgesch.  II2,  208f.  und  Meringer,  IF.  XVII,  121  zu  vergleichen. 
Zu  Uhlenbecks  Zusammenstellung  von  slav.  socha  mit  ahd.  sahs  ^  lat. 
sazum  bemerke  ich,  daß  es  nicht  untrüglich  bewiesen  ist,  daß  die  Bedeu- 
tung 'Schwert,  Messer'  von  germ.  ^sahsa-  eben  aus  ''schneiden'  hervor- 
gegangen ist.  Es  kann  sehr  wohl  sein,  daß  germ.  ^aahsa-  und  lat. 
saxum  auf  ein  idg.  *tiaks-o-  *^Stein'  zurückgehen,  so  daß  germ,  *sahsa- 
eigentl.  ein  "^Messer  aus  Stein'  bezeichnet  hat.  Vgl.  die  ganz  analoge 
Bedeutungsentwicklung  bei  nhd.  Hammer  (awnord.  hamarr  'Klippe, 
Fels').  Ist  aber  die  Begriifsentwicklung  bei  germ.  *sa/isa-  in  der  er- 
wähnten Weise  vor  sich  gegangen,  dann  muß  der  Vergleich  mit  slav. 
socha  wegfallen,  da  man  vom  Begriffe  'Stein'  unmöglich  zu  'Ast,  Pflug' 
kommen  kann. 

Die  Skepsis  so  vieler  Forscher  dem  Lautwandel  idg.  qh  zu  slav.  ch 
gegenüber  beruht  ohne  Zweifel  darauf,  daß  das  bisher  verglichene 
einigermaßen  annehmbare  Material  allzu  dürftig  geblieben  ist.  Uhlen- 
beck gibt  auch  zu,  daß  er  das  Lautgesetz  anerkennen  würde,  wenn  un- 
zweideutige Beispiele  gefunden  werden  sollten.  Wenn  der  behauptete 
Lautübergang  sonst  fest  stände,  würde  Uhlenbeck  zweifelsohne  nichts 
gegen  die  Gleichung  socha  :  lit.  sza/cä,  ai.  Qükliä  nsw.  haben. 

Im  folgenden  will  ich  einen  Beitrag  zur  Lösung  der  Frage  vom  slav. 
ch  geben,  wobei  ich  teils  neue  Beispiele  für  ch  aus  qh  beibringen  will, 
freilich  ohne  die  Hoö'nung  zu  haben,  durch  dieselben  jeden  Zweifelnden 
zu  überzeugen ,  teils  auch  nachzuweisen  versuchen ,  daß  anlautendes  ch 
in  einigen  Wörtern  aus  durch  Metathese  entstandenem  ks  sich  entwickelt 
hat.  Hierbei  ist  indessen  zu  bedenken,  daß,  wenn  der  Wandel  von  idg. 
qh  zu  slav.  ch  wirklich  stattgefunden  hat,  man  niemals  hoffen  darf, 
irgend  eine  größere  Anzahl  von  Beispielen  zu  finden ,  da  qh  offenbar  in 
der  Ursprache  ein  verhältnismäßig  selten  vorkommender  Laut  war, 
wenigstens  im  Verhältnis  zur  entsprechenden  Media,  und  außerdem  sind 
es  sonst  nur  vier  Sprachen,  Griechisch,  Armenisch,  Albanesisch  und 
Arisch,  die  in  bezug  auf  die  Trennung  von  q  und  qh  ausschlaggebend 
sind.    Bekanntlich  hat  man  die  Meinung  vorgetragen,  daß  idg.  qh  zu 


358  H-  Petersson, 

lat.  li  wird.  Es  liegen  aber  für  diese  Entwicklung  nur  mehr  oder  minder 
vage  Gleichungen  vor.  Eine  derselben  ist  aber  recht  bestechend:  lat. 
haheo^  ahd.  hahen  und  alb.  kam  'ich  habe*  (aus  *khab-7tii).  Auch  abg. 
chabiti  se,  o-chahiti  se  'sich  enthalten*,  o-chaha  Volles  Eigentum*  hat 
man  verglichen,  während  andere  dagegen  hierin  Entlehnung  aus  germ. 
*  haben-  sehen.  Kozlovskij  a.  a.  0.  386  hat  lat.  libum  'Kuchen,  Fladen* 
mit  got.  Jilaifs^  abg.  chl^b'b  'Brot*  zusammengestellt  unter  Annahme  von 
Urformen  "^yleibho-^  *yloihho-.  Holger  Pedersen  behält  die  Gleichung, 
natürlich  unter  Vertausch  von  yi  mit  qh.  Walde  Etym.  Wb.2  S.  428  ver- 
gleicht llbum  mit  griech.  /.lißavog  'Geschirr,  in  dem  man  buk*  und  er- 
klärt Ubum  aus  idg.  *s-khbo-.  Im  Gegensatz  zu  Pedersen  betrachten 
wohl  die  meisten  Sprachforscher  slav.  chUb^  als  Entlehnung  aus  germ. 
'^lilaiba-.  Die  älteren  Ansichten  bespricht  Kluyver  Tijdschrift  f.  nederl. 
taal-  en  letterkunde  VIII ,  2 54 ff.,  welcher  zuletzt  die  Vermutung  aus- 
spricht, daß  got.  hlaifs  irgend  einer  unbekannten  Fremdsprache  schon 
sehr  früh  entlehnt  worden  sei. 

Meillet,  Etudes  S.  174  hat  abg.  7?Zeib  'Glatze*,  russ.  pUcliänh^  cech. 
plechaty  'kahlköpfig*  mit  lit.  pllkas  'glatzig*  zusammengestellt  und  auf 
Grund  von  den  slavischen  ch^  s  neben  lit.  k  idg.  *ploiqh-  :  *pliqh-  als 
Wurzel  angesetzt.  Schon  Holger  Pedersen  IF.  V,  53  scheint  denselben 
Gedanken  über  die  Wörter  gehabt  zu  haben.  Meillet  meint,  daß  wir 
darin  eine  auf  das  Baltisch-Slavische  beschränkte  Benennung  für  'Glatze* 
haben.  Es  ist  indessen  nicht  ohne  weiteres  ausgemacht,  daß  slav.  pUch- 
mit  lit.  pllkas  identisch  ist.  Lit.  pllkas  und  pllke  'Kahlkopf,  nackte 
Ebene*,  pllnku,  pllkti  'kahlköpfig  werden*  können  nicht  von  pleikiü^ 
pleikti  'einen  Fisch  am  Bauche  aufspalten  und  dann  breit  legen*,  at-si- 
platk-sti/ti' die  Kleider  auf  der  Brust  oder  Schulter  lüften*  getrennt  wer- 
den. Urverwandtschaft  muß  ferner  bestehen  mit  lit.  ■jy^y^^s  'eben,  bloß, 
kahlköpfig*,  plijne  und  plelne  'kahle  Ebene*,  wozu  norw.  dial.  flein 
'kahler  Fleck*,  Adj.  'kahl,  nackt*,  schwed.  dial.  flen  'nackt*,  norw.  dial. 
ßein  'kahler  Fleck*^  Adj. 'kahl,  nackt*,  schwed.  dial.  j^en 'nackt*,  norw.  dial. 
ßeina  'entblößt,  kahlköpfig  werden*  auch  'die  Zähne  zeigen,  grinsen*, 
schwed.  di\Si\.ßina  'grinsen,  die  Zähne  zeigen*.  Aisl.^e//??i 'Haken*,  ags. 
j^tm 'Pfeil,  Wurfspieß*  zeigen,  daß  eine  germanische  Wurzel  *ßi-  'spalten, 
sich  spalten*,  woraus  'sich  öffnen,  enthüllen,  ofi"en  stehen,  entblößt  sein 
angenommen  werden  muß.  Diesen  Begriffen  stehen  Bedeutungen  wie 
'platt  sein,  ausplätten,  ebnen,  ausbreiten,  zurechtlegen*  sehr  nahe.  Dar- 
um muß  auch  mnd.  vUgen  'ordnen,  schmücken*,  ags.  gi-ßihan  ordnen. 


Studien  über  slav.  eh.  359 

passen^,  mhd.  vUhen  *in  Ordnung  bringen"  verwandt  sein.  Infolge  des 
grammatischen  Wechsels  müssen  die  Wörter  mit  lit.  phkas  und  plelkti 
usw.  zusammengebracht  werden.  Die  innerhalb  der  Sippe  nachweisbare 
Begriffsentwicklung  zeigt,  daß  die  Bedeutung  'kahlköpfig'  sehr  wohl  selb- 
ständig sowohl  im  Baltischen  wie  im  Slavischen  entstanden  sein  kann. 
Da  wir  noch  zudem  eine  einfachere  idg.  Wurzel  */j/e{-  :  *pU-  ansetzen 
müssen ,  wäre  es  an  sich  denkbar,  daß  die  slavischen  Wörter  durch  das 
Determinativ  -s,  bzw.  ein  -AO-Suffix,  daraus  gebildet  seien,  oder  es  könnte 
auch  mit  einem  vorslavischen  *ploiq-so-  gerechnet  werden.  Da  wir  in- 
dessen mit  einem  Grundbegriffe  'sich  öffnen,  sich  spalten'  rechnen  dürfen, 
kann  man  auch  heranziehen  griech.  rcXioaco  'schreite,  ausschreite,  weite 
Schritte  machen,  die  Beine  auseinander  sperren'  (Od.  VI,  318:  ei)  de 
jtlloooi'To  Ttodeoaiv  'wohl  schritten  sie  zu  mit  ihren  Beinen',  von  tra- 
benden Maultieren),  TcXiyctQ^  -ädog  F.  'die  Stelle  zwischen  Hüften  und 
Schamteilen,  die  sich  im  Gehen  reibt',  nXiyoo,^  -eog  N.  'dass.'  (Schol.); 
(avöua)  öiaTteTtlixög  'offenstehend',  Hippocr.  Hierdurch  bietet  sich  die 
Möglichkeit,  das  von  Meillet  angesetzte  idg.  qh  auch  im  griech.  x  wieder- 
zufinden. Ich  glaube  darum,  daß  wir  für  slav  pUch-^  griech.  rcliy-,  lit. 
plikas,  pletkfi,  mhd.  vll//en  usw.  tatsächlich  eine  idg.  Wurzel  *pleiqh- 
:  *ploiqh-  anzusetzen  haben. 

Russ.  say^  'Schritt',  kigäth,  sagnüth  'schreiten',  klruss.  sahati'-wan- 
dern'  gehören  wohl  zu  kslav.  hga  evTQccTrella^  'scurrilitas',  segati,  se- 
govati  'iocari',  scgav^  [jazykotm)  '^evi-ieräßolog  yXcooorf,  nbulg.  Sega 
'badinage,  plaisanterie,  facetie',  segovilrt  'badin,  plaisant,  facetieux'  se- 
guvam  se  'badiner,  plaisanter'.  Die  Bedeutung  'scherzen'  muß  dann  aus 
'hüpfen,  springen'  hervorgegangen  sein,  wie  eben  in  nhd.  scherzen  (mhd. 
scherzen  'fröhlich  springen,  hüpfen,  sich  vergnügen')  zu  ai.  kürdati 
'springt',  griech.  oy.aiqw  'springe,  hüpfe,  tanze',  o/.iQvdoj  'hüpfe'.  Auch 
lat.  scurra  'Spaßmacher,  Witzbold,  Stutzer',  woraus  scurrilitas^  gehört 
bekanntlich  in  dieselbe  Sippe.  Vgl.  noch  aisl.  leika.,  schwed.  leka 
spielen'  zu  got.  /a«7;aw 'springen,  hüpfen',  ags.  läcan  'springen,  fliegen, 
schwimmen',  mhd.  leichen  'aufspringen',  lit.  läigyti  'wild  herumlaufen', 
ai.  rejate  'hüpft,  bebt'.  Das  Russische  hat  also  die  ursprüngliche  Be- 
deutung treuer  als  das  Bulgarische  oder  Slovenische  bewahrt.  Ich  ver- 
gleiche nun  slav.  seg-  mit  ai.  khänjaU  'hinkt',  khanja-  'lahm',  khah- 
jana-  M.,  khanjarlta-  M.  'Bachstelze',  air.  cingid  'schreitet',  ahd.  hinkan^ 
nhd.  hinken,  ags.  helle-hinca '  Teufel'.  Hiernach  geht  slav.  seg-  über 
*ch'eg-  auf  idg.  *q/ie?ig-   oder  *qhng-  zurück.    Russ.  sag^  aus  idg, 


360  H.  Petersson, 

*q/ie^ao-  {-n-)  steht  in  regelrechtem  Ablautsverhältnis  zu  ai.  khanj'a- 
aus  idg.  *g/iof^ae-. 

Russ.  sesf^^  klruss.  sost  'Stange^  kommt  zwar  in  keiner  anderen 
slavischen  Sprache  vor.  Trotzdem  finde  ich  nichts,  was  uns  hindern 
könnte  anzunehmen,  daß  wir  darin  ein  uraltes  Wort  haben.  Daß  es  ent- 
lehnt sei,  ist  nicht  erwiesen.  Ich  glaube  darum,  daß  es  zu  etymolo- 
gischen Zwecken  sehr  wohl  verwendet  werden  kann.  Ich  verbinde  sesf^ 
mit  ai.  khidäti  "^reißt,  stößt,  drückt',  kheda  F.  ^Hammer,  Schlägel',  wo- 
zu mit  übertragener  Bedeutung  khedayati  belästigt,  beunruhigt,  ermüdet', 
kheda-  M.  "^Müdigkeit,  Erschlaffung'.  Hierzu  stellt  man  lit.  skedziu 
"^schneide',  skedrä  'Span',  lett.  skaida  '^dass.',  während  ai.  chid-^  chi- 
nätti  "^spaltet'  und  av.  sid-  ""spalten'  auf  eine  Wurzel  mit  Palatal  zurück- 
gehen. Man  hat  also  neben  idg.  *s-q]teid-  eine  Wurzel  *skeid-  anzu- 
nehmen. Griech.  oy^iLio  ^spalte^,  üyj^ri  'Splitter',  oxivöalf.i6g  'Schindel, 
Span' stammen  zweifelsohne  aus  idg.  *sqlnd-.  Lat.  sci?ido,  -ere  'schlitzen, 
zerreißen,  spalten'  ist  zweideutig.  Ich  erkläre  nunmehr  russ.  ses/^  über 
*c]ihsU  aus  dem  partizipalen  idg.  *qMd-to-  eigentl.  'Losgerissenes,  Ge- 
spaltenes ;  losgerissener  Zweig'. 

Kslav.  po-cliijH  'gekrümmt,  gebogen,  EV'/.a^iTci]q ^  ETtiyQvrtog^ 
repräsentiert  eine  über  das  ganze  slavische  Sprachgebiet  verbreitete 
Sippe:  russ.  cÄ^7yy 'schwach,  schwächlich,  welk',  c/i'ÄVb 'niederbeugen, 
krümmen',  poln.  chijlic  'neigen,  beugen,  bücken',  schijl  'Neige',  po-cltyly 
'schief,  abschüssig,  gekrümmt,  geneigt,  abfällig,  niedrig',  cech.  cliyly 
'geneigt',  sloven.  liil  'krumm,  gebogen',  serb.-kroat.  alt  ä///;'«' 'beugen, 
krümmen,  quälen',  ^n-/«7  'humilis',  bulg.  Inlen  'besorgt'.  Daneben  liegt 
eine  verwandte  Sippe  mit  n:  russ.  dial.  chinuthsja  'sich  beugen,  biegen', 
poln.  chynqc  'neigen',  po-chynqc  'stolpern  und  fallen'.  Die  Hochstufe 
zu  slav.  chyl-  findet  sich  in  sloven.  huUti  'biegen,  neigen',  pri-hüliti  ae 
'sich  anschmiegen,  sich  ducken',  pri-liüljen  'nach  vorwärts  gebeugt,  ver- 
stellt, tückisch^,  cech.  chouliti  'winden,  neigen'  u.  a. 

Gustav  Meyer  Etym.  Wb.  der  alb.  Spr.  45 7  f.  vergleicht  alb.  nii^ 
huh  'erniedrige,  demütige',  unem^  hunem  'bücke  mich,  beuge  mich,  de- 
mütige mich',  dial.  skut.  ul^  ul'em  'dass.,  ulem  'sitze'  unter  Annahme, 
daß  der  Anlaut  ein  idg.  5-  war.  Nach  Holger  Pedersen  IF,  V,  64  war 
derselbe  jedoch  vielmehr  idg.  qs  oder  qh. 

Nach  meiner  Ansicht  sind  ferner  hier  anzureihen  cech.  sury^  soury 
'schief',  poln.  szurny  'dass.\  Mit  diesen  Wörtern  kann  ai.  khora-  'hin- 
kend' (Käty.  gr.  S.  22,  3,  19,   Läty.  S,  5,  16,  Gaut.  28,  6)  zusammen- 


*  Studien  über  slav.  eh.  36  \ 

hängen.  In  bezug  auf  das  Begriflliche  ist  nichts  gegen  die  Zusammen- 
stellung einzuwenden.  Der  Begriff  'lahm,  hinkend'  wechselt  häufig  mit 
""schief,  gekrümmt'.  Man  vergleiche  die  Beispiele,  die  Lid^n  KZ.  XL, 
262  beigebracht  hat.  Nach  Ausweis  des  altindischen  Wortes  wäre  also 
eine  Wurzel  mit  dem  Anlaute  qh-  anzusetzen,  sofern  nicht  kJiora-  mittel- 
indisch für  *ksora-  steht,  was  mir  indessen  im  höchsten  Grade  unwahr- 

V 

scheinlich  scheint.  Cech.  hü'ij,  bourtj  geht  über  *ch'ur^siui  idg.  *q/iewo-, 
woneben  ai.  khora-  aus  idg.  *qhotiro-  zu  erklären  ist. 

Cech.  .cAwröJü.y 'krank,  siech;  mager,  kränklich'  (tZ/wrar^^e 'siechen', 
churaviti'^ahiöiQVL^  churavost^  cÄMroi^ 'Magerkeit']  steht  in  begrifflicher 
Hinsicht  ganz  nahe  an  russ.  chvörij  'kränklich',  chvoratb  'kränkeln', 
c/worh,  chvorosth  'Krankheit',  klruss.  cJwöryj\  c/^or j/;"krank';  cech.  alt 
chvory,  heute  chory  'siech,  kränklich,  schwach,  krank',  chorovaty  'krank 
sein',  poln.  chöry  'krank',  cJtorovac  'krank  sein,  leiden',  ndsorb.  chöry 
'krank',  polab.cA'MÖVe 'häßlich,  garstig,  unsauber',  cA'w'orac 'böser Feind, 
Teufel'.  Daß  auch  churavy  usw.  mit  dieser  Sippe  zusammengehören 
muß,  ist  klar.  Indessen  ist  der  lautliche  Zusammenhang  kein  unmittel- 
barer. Matzenauer  Listy  filologicke  a  paedagogicke  VIII,  6  hat  die  Sippe 
von  russ.  chxöryj  mit  av.  :rüara- M. 'Wunde,  Verwundung',  ahd.  sweran 
'wehe  tun,  schmerzen;  eitern',  sioero,  mhd.  aicer  'leiblicher  Schmerz, 
Geschwulst',  nhd.  Geschivür,  ScJncäre  zusammengestellt.  Jedoch  ist 
gar  nicht  einzusehen,  warum  idg.  s-  zu  slav.  ch-  geworden  wäre. 

Es  muß  anerkannt  werden ,  daß  cech.  churavy  in  bezug  auf  das 
Lautliche  viel  näher  an  sury^  soury  steht.  Man  kann  sagen,  daß  cJcu- 
ravy  gewissermaßen  eine  Mittelstellung  zwischen  cech.  sui-y  und  russ. 
c/wöryj  usw.  einnimmt.  Abg.  cliyra  'debilitas',  wozu  klruss.  cliyryj, 
russ.  cliirxjj  'krank,  sieclj^,  cTärh  (prov.)  'die  Krankheit,  das  Siechtum' 
n.  a.  weisen  auf  eine  Urform,  die  Schwundstufe  sowohl  zu  cech.  churavy 
wie  russ.  chvöry  sein  kann.  Ich  bin  auch  überzeugt,  daß  sämtliche  diese 
Wörter  zusammengehören.  Sie  können  nämlich  sehr  leicht  aus  einer  ur- 
sprachlichen dreisilbigen  Bildung  *qheuoro-  erklärt  werden.  Aus  der- 
selben entstanden  unter  verschiedenen  Betonungsverhältnissen  sowohl 
vorslav.  *qJmoro-  in  russ.  cJivöryj  usw.  als  die  schon  früher  angesetzten 
Grundformen  *qheiiro-  und  *qJwuro-.  Daß  wir  hier  ein  -ro-Suffix  an- 
nehmen müssen,  braucht  kaum  bemerkt  zu  werden.  Zum  Begrifflichen 
ist  auf  ags.  craiic  'schwächlich,  gebrechlich',  nhd.  krank  zu  eng.  crank 
'Krümmung',  crankle  'sich  schlängeln',  crinkle  'Biegung'  zu  verweisen. 

Wir  können  nunmehr  von  einer  idg.  Wurzel  *qJieue~  'schief  sein 


362  H.  Petersson,  * 

oder  ähnl/  aasgehen.  Die  reine  unerweiterte  Wurzel  mag  vielleicht  in 
russ.  prov,  cliimth  (vom  Winde)  'das  Wasser  leicht  bewegen,  kräuseln^ 
vorliegen.  Das  Wort  wäre  dann  aus  der  Schwundstufe  *qhü[u)-  ent- 
standen. Ich  möchte  auch  fragen,  ob  nicht  arm.  xev  *^stolto,  töricht'  ver- 
wandt ist.  Es  wäre  dann  aus  idg.  ^qheuo-  eigeutl.  "^gedreht,  verdreht'. 
Vgl.  schwed.  mV/ew  Verschroben,  verrückt' zu  v^^Wa 'drehen'.  K\.  pra- 
hvas  'geneigt,  gebogen,  demütig'  ist,  soviel  ich  weiß,  noch  unerklärt.  Ich 
zerlege  es  in  pra-  und  -hvas.  Ob  letzteres  Kompositionsglied  für  -khvas 
steht?  Man  kann  ferner  auch  daran  denken,  griech.  ;^wAog 'hinkend'  in 
die  Verwandtschaft  hineinzuziehen.  Sonst  wird  es  verbunden  mit  ai. 
hval-,  hvärati  'geht  schief,  strauchelt',  av.  zharaHi  'geht  krumm'  (idg. 
glniel-)^  wonach  /wAog  aus  ^xj-ioXög  entstanden  wäre.  Jedoch  wäre 
wohl  aus  ;j/ vielmehr  r/)  geworden.  Mit  ai.  Ä/l7<ä/a?'e 'strauchelt,  geht  fehl', 
arm.  sxalem  'dass.'  kann  es  nicht  zusammengestellt  werden,  weil  zu 
diesen  Wörtern  notwendig  griech.  OfpdlXio  'bringe  zu  Fall',  Med.  'täusche 
mich'  gehören  muß.  Es  liegt  somit  diesen  eine  idg.  Wurzel  *s-qiihel- 
zugrunde.  Dagegen  kann  xioXog  sehr  wohl  aus  einem  idg.  *q/tö[u]-lo- 
hervorgegangen  sein.  Das  /  des  Wortes  kann  mit  dem  in  slav.  c/iyl- 
gerade  identisch  sein. 

Russ.  macliäth  (Präs.  tnachäju  oder  masü]  'schwingen,  schwenken, 
wedeln,  sich  fächern,  winken  mit',  poln.  machac  'schwingen,  hin  und 
her  bewegen',  cech.  mächati^  nsloven.  mahati,  mahnoti  'schwingen' 
ziehe  ich  zu  griech.  fxäin^iai  'kämpfe'  (Hom.),  att.  i.ia%ovi.ica  'dass.', 
[iciyirj  'Streit,  Schlacht',  i.iayj]Trjg  'Krieger'.  Viele  Erklärungen  sind  für 
die  griechische  Sippe  versucht  worden.  Man  hat  vermutet,  daß  die  Grund- 
bedeutung von  i^Lciyo(.iai  'schneiden'  oder  'hauen'  war  und  hat  im  An- 
schluß daran  Verwandtschaft  mit  lat.  macto^  ^äre  'schlachten ;  durch  ein 
Opfer  verherrlichen'  gesucht.  Fick  BB.  III,  162,  Froehde  BB.  VI,  173, 
Wiedemann  BB.  XXVUI,  66.  Es  ist  indessen  zum  mindesten  unsicher, 
ob  lat.  macto  auf  eine  Grundbedeutung  'schneiden,  hauen'  zurückgeht. 
Walde  Etym.  Wb.2  s.  v,  sieht  darin  zwei  verschiedene  Wörter.  Mit 
Froehde  KZ. XIV,  454,  FickWb.m,  197  vergleicht  er  macto  'schlachte' 
mit  got.  mekeis^  aisl.  mcekr  ^  asächs.  maki,  ags.  7Jiece  'Schwert'.  Man 
vergleiche  jedoch  Feist,  Etym.  Wb.  der  got.  Spr.  S.  192^\  Griech.  f-iä- 
XatQct  'Messer,  Schwert'  kann  unmöglich  als  Beweis  dafür  vorgetragen 
werden,  daß  fiä^of-iai.  'schneiden,  hauen'  bedeutet  habe.  fiäyaiQa  ist 
gar  keine  ursprüngliche  Bildung,  sondern  ist  erst  vom  Verbum  aus- 
gegangen.   Das  Wort  ist  also  genau  angegeben  s.  v.  a.  'Waffe,  womit 


Studien  über  slav.  eh.  363 

man  streitet'.  Von  vielen  wird  .««X'')  ^^^  'Handgemeng'  aufgefaßt  und 
zu  ah.d.  me^^gen^  ags.  mengan  'mischen'  gezogen.  Danach  wäre  also  « 
aus  ^  entstanden.  Diese  Erklärung  ist  in  begrifflicher  Hinsicht  recht 
ansprechend,  vgl.  z.  B.  frz.  melee.  Die  angesetzte  Wurzel  *mengh- 
schwebt  indessen  in  der  Luft,  da  ahd.  mengen  zweifelsohne  mit  lit.  mhi- 
kau^  minkyti  'kneten',  abg.  7nek^k^  zusammenhängt.  Durch  Ansatz 
einer  Wurzel  *7ji€tiqh-  kann  die  Zusammenstellung  auch  nicht  gerettet 
werden,  denn  zu  lit.  minkyti  usw.  gehören  auch  griech.  (.läooio  'knete 
{aus  *|(iax-tw),  f.iay.aQia'  ßgco/iia  Iv.  Ccof.iov  -/.al  aX(puov  Hesych). 

Fick  BB.  XXVI,  320  hat  bezüglich  ^läyof^icu  amt  xeiQoiiaxai,  den 
Namen  der  Handwerkerpartei  in  Milet,  aufmerksam  gemacht.  Er  deutet 
dieses  Wort  als  'mit  der  Hand  wirkend'  und  findet  in  bezug  auf  die  Be- 
deutung ein  Gegenstück  dazu  in  dem  homerischen  Maxcccov  s.  v.  a.  'der 
Wirksame,  der  Wirkende'.  Hiernach  sucht  Fick  Anschluß  an  f.ifiXog, 
^T^xccvfi  usw.  (idg.  *mägh-'.*mdgh-  'vermögen,  können').  Die  An- 
schließung  von  ysiQoiiäyui  dürfte  ganz  sicher  richtig  sein  und  die  von 
Maxacoi'  jedenfalls  höchst  wahrscheinlich,  die  weitere  Anknüpfung  an 
f-ifixog  aber  hält  nicht  stich.  Weder  aus  dem  Begriffe  'wirken'  noch  'ver- 
mögen, imstande  sein'  läßt  sich  die  Bedeutung  'streiten,  kämpfen'  gut 
erklären.  Dagegen  lassen  sich  sowohl  'streiten'  als  'wirken ,  tätig  sein' 
aus  einer  Grundbedeutung  'sich  heftig  bewegen,  beweglich  sein'  ohne 
Schwierigkeit  erklären.  Man  vergleiche  für  'wirken'  z.  B,  ai.  cestaü 
'sich  regen,  zappeln;  sich  abmühen,  geschäftig  sein,  etwas  betreiben'. 
Es  wird  aus  der  Verwendung  von  (.lüx^oS^ai  hervorgehen,  daß  es  in  be- 
stimmten Fällen  dem  deutschen  fechten  recht  genau  entspricht.  Es 
wird  verwendet  vom  Zweikampf  einzelner  Streiter,  vom  Kampfe  zwischen 
einem  Menschen  und  einem  Tiere  oder  zwischen  zwei  Tieren.  Auch 
vom  Wettkampf  oder  dem  Faustkampf  wird  es  gebraucht.  Vgl.  nv^ 
f-iäy^eo&ca  (IL  XXIII,  621).  Ohne  Zweifel  bezeichnet  das  Verbum,  wie 
man  angenommen  hat,  ursprünglich  Handgemeng.  In  Ausdrücken  wie 
7ieXeY.eoaL,  xsiQSoaL  {.läxEoS-ai  'mit  Äxten ,  Händen  kämpfen  ist  die 
Verwendung  des  Wortes  sicher  älter  als  in  TÖ'^oig  /.laysad^cu  'mit  Bogen 
kämpfen'. 

Das  d.Qi\tsche>  ftic/iteln  (z.  B.  tnit  de?i  Armen  fuchtel/i) ,  das  mit 
fechten  verwandt  sein  wird,  steht  der  Bedeutung  von  russ.  machdtb  ganz 
nahe.  Schwed.  fiikta  bedeutet  nicht  nur  'kämpfen,  streiten',  sondern 
auch  und  ursprünglicher  'fuchteln'  (z.  B.  fiikta  med  armarna  'mit  den 
Armen  schwenken,  fuchteln').    Russ.  machätb  bezeichnet  immer  große 


364  H.  Petersson, 

und  heftige  SchwinguDgen.  Es  dürfte  im  Worte  sogar  ein  Anstrich  von 
Drohendem  oder  Feindlichem  liegen.  Es  ist  der  stehende  Ausdruck  für 
das  Schwingen  einer  Waffe  [vsmachnütb  toporöm^  medem).  Man  kann 
sagen  t72ach?iüth  ruhöju^  aber  absolut  nicht  machnüth  pahcem.  Das 
Winken  mit  dem  Finger  he\ßt  pomänith  pahce?)?. 

Wenn  meine  Auffassung  von  uüyeGd-ccL  richtig  ist,  muß  es  also 
eigentlich  'das  Schwingen  der  Waffe^  bezeichnet  haben,  und  der  Aus- 
druck TteXi-KBOOL  f.iü%eo^aL  wäre  also  mit  russ.  namachnüth  toporöm 
gewissermaßen  vergleichbar.  Erst  nachdem  die  Vorstellung  von  Feind- 
lichkeit vollständig  in  den  Vordergrund  getreten  war,  könnte  ^icr/ea^ai 
auch  von  Streit  in  der  Ferne  [rö^oig)  verwendet  werden. 

Man  vergleiche  zum  Begrifflichen  noch  griech.  nöXeuoq  'Krieg* 
neben  yT£7.6/</cw 'schwinge,  schwenke',  >T£/£«</Co,t/ai 'erbebe',  rcuklio 
'schüttele,  werfe,  lose',  jta'/.uög  'das  Zucken,  Vibrieren  eines  Gliedes'. 
Auch  TtcO.aito  'ringe,  kämpfe'  (Hom.),  äol.  rr«Ä«;/<t 'dass.',  rra/»^  'Ring- 
kampf* (Find.)  gehören  natürlich  in  diesen  Zusammenhang.  Lat.  dimi- 
cäre  'fechten,  kämpfen'  ist  sicher  aus  *dis-micäre  zu  micäre  in  der  Be- 
deutung 'zappeln,  zucken'  entstanden.  Waldes  Zagen  (Etym.  Wb.^  s.v.) 
finde  ich  ganz  unberechtigt. 

Aus  diesen  Beispielen  dürfte  hervorgehen,  daß  die  Zusammenstel- 
lung von  russ.  machäth  mit  f-iay^of^icci  in  begrifflicher  Hinsicht  recht  wohl 
durchführbar  ist.  Da  auch  slav.  ch  und  griech.  /  unter  beider  Zurück- 
führung  auf  idg.  qh  identifiziert  werden  können,  wird  einer,  der  die 
Sache  unbefangen  beurteilt,  gegen  diese  etymologische  Verknüpfung 
nichts  einwenden  können.  Ich  glaube  wenigstens  noch  ein  verwandtes 
Wort  heranziehen  zu  können.  Npers.  mayulan  'sich  bewegen,  kriechen' 
kann  nämlich  verglichen  werden.  Es  wird  besonders  von  sich  lebhaft 
bewegendem  Ungeziefer  wie  Flöhen  und  Läusen  verwendet.  Die  ge- 
nauere Bedeutung  des  Wortes  ist  also  'zappeln,  sich  zappelnd  fort- 
bewegen und  ähnl.'.  Paul  Hörn,  Grundr.  der  iran.  Phil.  I,  2  S.66  hat 
betreffs  mayulan  auf  die  altindische  Wurzel  makh-  (Dhätüp.  I,  136), 
welche  der  Kategorie  der  ^rt/a?<- Wurzeln  angehört,  verwiesen.  Man 
kann  auch  daran  denken,  ai.  makhä-  'lustig,  ausgelassen',  M.  'Freuden- 
bezeugung, Feier  (Preis,  Opfer)'  heranzuziehen.  Damit  ist  bekanntlich 
griech.  /f«/Aog 'geil,  üppig' (Hesd.)  verglichen  worden.  Die  Bedeutungen 
der  beiden  Wörter  lassen  sich  unschwer  aus  dem  für  uaxof.iai,  mac/täfb 
angenommenen  Grundbegriff  erklären.  Andererseits  aber  könnte  es  auf- 
fallen, daß  die  Grundbedeutung  in  zwei  verschiedenen  Sprachen  so  nahe- 


Studien  über  slav.  eh.  365 

stehende  psycliologische  Begriffe  neuentwickelt  hätte;  denn  daß  wieder 
bei  der  fraglichen  Wurzel  schon  in  der  indogermanischen  Ursprache  ein 
psychologischer  Begriff  entwickelt  wäre,  der  ins  Griechische  und  Alt- 
indische hinein  fortgelebt  hätte,  ist  recht  wenig  wahrscheinlich.  Vor- 
läufig wenigstens  möchte  ich  deshalb  die  Frage  offen  lassen,  ob  ai. 
makliä-  und  griech.  fiayj.ög  tatsächlich  der  zusammengebrachten  Sippe 
angehören. 

Soweit  nunmehr  das  zur  Vergleichung  zu  beanspruchende  Material 
zusammengetragen  ist,  kann  man  eine  idg.  Wurzel  *mäqh-  *^(sich)  hin 
und  her  bewegen,  flattern,  schwenken,  schwingen  und  ähnl.'  aufstellen. 

Russ.  po-chäbith  Verderben,  verwöhnen'  gehört  einer  weitverbrei- 
teten slavischen  Sippe  an:  kslav.  chahl'u.,  r/<aitV/ Verderben',  chahem 
'elend',  /jo-o/mi^  "^töricht',  klruss.o-c/m5?/^t/ Verderben',  o-chahlenyj^xm- 
brauchbar;  garstig;  vermaledeit',  bulg./ioi'^,ü-/?a5Werderbe',  serb.-krt. 
habam,  Aa^a^e 'beschädigen ;  ein  Kleid  auftragen',  veraltet  /uibifi%e- 
schädigen,  verderben',  /m5a 'Schaden',  sloven.  häbwi,  //äbifi'^hesch.ä,- 
digen,  verderben,  schänden',  cech.  o-clnibiti  'schlaff,  kraftlos  machen', 
o-chäbnouti  'schlaff  werden',  ochahly  'mutlos,  feige',  chahy  'schlaff, 
■welk,  feig,  matt',  po-chaby  'wahnsinnig'. 

Zu  dieser  Wortsippe  ziehe  ich  griech.  y.cocpög  'gelähmt,  stumpf, 
stumm',  ■/.£-/,a(pr]6Ta  [d-vi-iöv]  'verschmachtend,  versagend'  (Hom.),  /e- 
x/^f/)»;»/*  r£i9'>^/jx£v  (Hesych).  Dazu  auch  7.j^f/)7jr 'Drohne'.  Diese  Sippe 
stimmt  begrifflich  mit  der  slavischen  ganz  ausgezeichnet  zusammen. 
Lautlich  lassen  sie  sich  indessen  nur  durch  den  Ansatz  einer  idg.  Wurzel 
*qhebh-  :  *qhöbh-  :  *qh9bh-  vereinigen.  Daß  die  Wurzel  schwer  war, 
zeigt  natürlich  y.ezacpi^ova.  Fick  hat  GGA.  1894,  239  mit  den  griechi- 
schen Wörtern  lat.  hebeo^  -ere  'stumpf  sein',  hebes,  etis  'stumpf'  (in  sinn- 
licher wie  geistiger  Bedeutung)  zusammengebracht.  Dabei  kann  die 
Wurzel  mit  anlautender  aspirierter  Media  angesetzt  werden.  Das  kurze 
Wurzel-e  der  lateinischen  Wörter  steht  indessen  der  Zusammenstellung 
im  Wege.  Ich  möchte  nun  fragen,  ob  nicht  das  kurze  e  auf  analogischer 
Neubildung  in  der  Ursprache  beruhen  könnte,  in  dem  man  die  Wurzel- 
form mit  e  mit  den  dehnstufigen  Formen  leichter  Basen  gleichgestellt 
und  demgemäß  eine  Normalstufe  neugeschaffen  hat.  Ferner  kann  man 
sich  fragen,  ob  nicht  in  liebere  h  aus  idg.  qlt  entstanden  ist.  Das  oben 
erwähnte  und  in  anderem  Zusammenhang  eingereihte  arm.  xev  'töricht 
könnte  dann  auch  verglichen  werden.  Sein  v  kann  sehr  wohl  auf  idg. 
bh  zurückgeführt  werden.    Wir  würden  also  ebenfalls  hier  eine  leichte 


366  H.  Petersson, 

Wurzelform  *qhehh-  haben.  In  begrifflicher  Hinsicht  ist  die  hier  vor- 
geschlagene Eingliederung  von  xev  noch  viel  besser  als  der  Versuch  zur 
Erklärung,  den  ich  oben  gemacht  habe. 

Mit  '/.iocpög,  chahiti  läßt  sich  auch  arm.  xuuf  (-?',  -iv)  'sick,  sickly, 
unhealthy,  infirm'  zusammenbringen.  Daraus  xautanal  "^to  be  sick,  to 
be  iir,  das  zusammengesetzte  xaufa-mit  'stupid,  foolish,  simple,  duU ; 
inconsiderate,  thoughtless,  silly'  mit  xaufamtu^iun  'stupidity,  dullness, 
foolishness,  silliness^  Die  idg.  Grundform  von  xaut  kann  ^qlidbh-t- 
gewesen  sein,  woraus  zunächst  *qJidpt-.  Gewisse  Konsonanten,  u.  a.  k 
und  /),  verwandeln  sich  mitunter  vor  verschiedenen  Konsonanten  in 
vorarm.  %,  das  mit  einem  vorangehenden  a  zum  Diphthongen  au 
wird.  Siehe  Holger  Pedersen  KZ.  XXXIX,  348ff.,  Liden  Arm.  Stud.  28. 
Als  Beispiel  mag  arm.  naufi  (aus  idg.  '^näqV^h-t-]  zu  griech.  vrjcpiOj  nhd. 
nüclitern  genannt  werden.  Arm.  xaul  (-^,  -ac)  %olish,  mad,  senseless, 
inconsiderate ,  rash'  dürfte  auch  verwandt  sein.  Es  kann  aus  idg. 
"^qhdbh-lo-  entstanden  sein.  Bedeutung  wie  in  cech.  pochahy  Vahn- 
sinnig\ 

Keine  ganz  überzeugende  Erklärung  ist  bisher  für  die  nachstehende 
Sippe  gegeben:  abg.  chranq  r//ra«/// ""behüten,  bewahren",  kslav.  chrana 
'Speise,  Nahrung",  russ.  choröna  'Schutz,  Schutzmittel",  choronith^  po- 
choronith  'verbergen,  begraben",  serb.-kroat.  Jiräna  'Nahrung",  lircinlm^ 
Iircmtti'' nähren^  bewahren",  cech.  chrana  'Zufluchtsort",  o-c/^rawa' Schutz, 
Schinm,  Obhut",  poln.  alt  c/irowa 'geschützter  Platz",  /jo-c/^ro?«« 'Zufluchts- 
ort", chronic  'bewahren,  schonen,  schützen".  Matzenauer  und  Torbiörns- 
son  haben  die  Sippe  zu  lit.  szeriti.,  sce'r/'? 'füttern",  ^a-62:rtras' Viehfutter" 
gezogen.  Diese  Kombination  läßt  sich  aber  nicht  durchführen,  weil  in 
den  slavischen  Wörtern  der  Begriff  'schützen"  unbedingt  primär  ist.  Lit. 
szerti  gehört,  wie  bekannt,  mit  griech.  /.oqivvvai  'sättige',  'aö^oc,  'Sät- 
tigung" zusammen,  woraur  sich  eine  idg.  Wurzel  *ker-  'füttern"  ergibt. 
Holger  Pedersen  IF.  V,  65  hat  chrana  mit  griech.  y^TSQag  'Besitz,  Ver- 
mögen", xT€Q£a  'Ehrengaben  an  die  Verstorbenen"  verglichen.  Auch 
diese  Zusammenstellung  überzeugt  nicht.  Die  frühere  Verbindung  mit  av, 
haraHe  'behütet  sich,  bewahrt  sich  vor",  ha'"rya,^fi  'hat  acht,  behütet, 
lat.  servo,  -äre  "erretten,  erhalten"  ist  wegen  der  ganz  genauen  begriff- 
lichen Übereinstimmung  viel  plausibler.  Indessen  bietet  slav.  ch  für  s 
nicht  geringe  Schwierigkeiten.  Da  somit  die  Frage  vom  Ursprünge  des 
slav.  *chorna  noch  offen  steht,  mag  hier  einer  Vermutung  Raum  gegeben 
werden.    Im  Rigveda  gibt  es   ein  an  mehreren  Stellen  belegtes  Wort 


Studien  über  slav.  eh.  3g7 

chardis-  N.  "^Schirm,  Schutzwehr^,  das  noch  nicht  genügend  erklärt  wor- 
den ist.  Es  gibt  ein  daran  anklingendes  Wort  chadü-  'Decke,  Dach'  zu 
chädayati  "^bedecken',  chauna-  "^bedeckt',  chadman-  N.  "^Verhüllung, 
Verstellung,  Schein,  Betrug,  Hinterlist^  Graßmann  Wb.  zum  Rigv.  462^ 
drückt  die  Vermutung  aus,  daß  man  chadis-  für  chardis-  zu  lesen  habe, 
weil  an  allen  entscheidenden  Stellen  das  Wort  Kürze  der  ersten  Silbe 
haben  muß.  Das  r  sei  von  spcäteren  Redaktoren  mißverständlich  in  das 
Wort  eingesetzt.  Dieselbe  Meinung  vertreten  Boehtlingk-Roth,  Wb.  und 
Oldenberg,  Die  Hymnen  des  Rigveda,  metr.  u.  textgeschichtl.  Proleg. 
S.  478.  Dagegen  ist  Bartholom»  für  Ursprünglichkeit  von  chardis- 
eingetreten.  In  seinen  Studien  zur  idg.  Sprachgeschichte  II,  58  Anm. 
hebt  er  hervor,  daß  chadis-  "^Decke,  Wagendecke'  ganz  anders  als  char- 
diü-  "^Schutz'  ist.  Wo  chardis-  im  Metrum  iambisch  ist,  will  er  eine  dia- 
lektische Form  *chaclis-  oder  *chrdis-  (a.  a.  0.  I,  47)  einsetzen.  In 
ZDMG  V,  312f.  gibt  ihm  später  Oldenberg  in  der  Hauptsache  Recht  und 
meint  also,  daß  man  zwischen  chardis-  und  chadis-  unterscheiden  muß. 
Wackernagel,  Ai.  Gramm.  S.  XII,  Anm.  stimmt  hierin  völlig  bei. 

Nach  einer  alten  Annahme  soll  chardis-  mit  got.  skildus  '^Schild' 
verwandt  sein,  welche  Kombination  sowohl  Wackernagel  wie  BartholomjB 
aufrecht  erhalten.  Doch  ist  dieselbe  ganz  unmöglich,  weil  bei  skildus 
der  grundlegende  Begriff  nicht  "^schützen'  ist.  Vielmehr  bedeutet  das 
Wort  ganz  einfach  ""Brett  oder  ahn!.'  Siehe  z.  B.  Feist,  Etym.  Wb.  der 
got.  Spr.  s.  V.  In  seinen  Arischen  Forschungen  III,  S.  35  stellte  Bartho- 
lomse  cJiardis  mit  jav.  kdrddus-  'Schutz,  Hilfe,  Beistand'  zusammen,  was 
sehr  ansprechend  scheint.  Av.  k  gegenüber  ai.  ch  ist  dann  am  ehesten 
durch  Annahme  eines  idg.  Anlautswechsels  q-  :  qh-  zu  erklären.  Ganz 
unbestrittene  Beispiele  dafür,  wie  im  Altindischen  qh  vor  e  oder  i  be- 
handelt worden  ist,  dürften  kaum  vorliegen,  aus  der  Behandlung  von  </, 
9)-,  (ph  in  derselben  Stellung  aber  kann  man  erschließen,  daß  qJi  zu  ch 
werden  müßte.  Vgl.  Bartholomse,  Studien  II,  54  ff.,  E.  Kuhn,  KZ.  XXV, 
327.  Ich  erschließe  somit  aus  ai.  chardis-  eine  idg.  Wurzel  "^'qherd- 
'schützen'.  Ferner  erkläre  ich  nun  aus  derselben  urslav.  *chortiä^ 
*chormü.  Da  ein  Dental  im  Urslavischen  vor  Nasal  fällt,  kann  "^chorna 
folglich  aus  idg.  *c^]iord-nü  erklärt  werden.  Die  weitere  Bestätigung 
einer  Wurzel  *q{h)erd-  "^bewahren'  bleibt  abzuwarten. 

Folgende  slavische  Sippe  ist  noch  unerklärt:  kslav.  salj'em  "^furens' 
[bogomh  saljem  '^d^eörclri'/.Tog,  dsemonio  correptus',  russ.  sah  'Mutwille, 
Ausgelassenheit',   salhnöj  'unsinnig,    dumm',    salith  'ausgelassen   sein, 


368  H-  Petersson, 

Dummheiten  machen^  poln.  szal  *^heftige  Gemütsbewegung,  Anfall  von 
Raserei;  Wüten,  Rasen,  Toben',  szalec  Vasen,  tollen,  wüten,  verrückt 
sein',  szalic  'verrückt  machen',  sloven.  sala  "^Scherz',  saliti  se  *^scherzen', 
salj'iv  'scherzhaft',  wruss.  sul  'Wut',  sal'  'Torheit',  sahj  'Possen'  u.  a. 
Lit.  selofi  'wüten',  paselhyias  'Tobsucht',  sclytia  'den  Narren  spielen', 
pasela  'Possen'  sind  slavische  Lehnwörter,  Brückner,  Slav.  Fremdw. 
S.  141. 

Ich  glaube,  daß  die  Sippe  mit  folgenden  armenischen  Wörtern  ver- 
wandt ist:  .ra/'play,  game,  recreation,  pastime,  amusement,  sport;  joke; 
raillery ,  pleasantry ;  mummery ,  foolery ;  mockery',  ocalal  'to  play ,  to  take 
diversion,  to  take  amusement,  to  ridicule,  to  mock,  to  deride;  to  play 
the  fool;  to  go,  to  move,  to  spout  forth,  to  leap  forth,  to  descend',  xalord 
(-?',  -av)  'player,  gambler,  gamester',  xaiarkov  'player',  xalarhutiun 
'play,  Sport,  diversion',  xalac  'flowing,  travelling;  that  moves',  xalar.umn 
'fountain,  spring,  source,  motion,  progress',  xalac-U  'movement,  progress, 
advance'. 

Begrifflich  stimmen  die  beiden  Sippen  ganz  trefflich  zusammen. 
Der  Grundbegriff,  um  den  sich  die  W^örter  gruppieren  lassen ,  scheint 
'närrisches  Benehmen,  narrenhaftes  Toben  und  Umherrasen'  zu  sein. 
Arm.  X-  und  slav.  s-  führen  auf  idg  qh.  Slav.  sal-  muß  deshalb  aus  idg. 
*qhel-  entstanden  sein  und  arm.  xal  («-St.)  erklärt  sich  aus  idg.  *qJt1lu- 
oder  *qJidlu-. 

Vielleicht  liegt  die  Wurzel  ^qlwl-  auch  vor  in  griech.  ya'Ki(pqiov 
'unverständig'  (Hom.) ,  y/ikic,'  ö  (.lEi-trjvcog  y.al  y.Eya).ao(.iivog  zag 
(pQevag  (Hesych.),  ycOunug  'Bacchantin,  herumschweifendes  oder  aus- 
schweifendes Frauenzimmer',  ycüJua'  TtÖQvrj.  Suidas  erklärt  das  letzte 
Wort  aus /«Aaw 'lasse  nach' :  arco  tov  ya'/Mo&ai  xh  avjf.ia  äitb  /.le^rjg 
i]  /.lai'iag,  welcher  Gedanke  offenbar  auch  dem  Hesych.  vorgeschwebt 
hat.  Andere  sehen  in  diesen  Wörtern  Ableitungen  aus  yc'dig'  Ir/.Qarog 
olvog.  Prellwitz,  Etym.  Wb.^  S.  501  entscheidet  diese  Frage  nicht.  In 
begrifflicher  sowie  lautlicher  Hinsicht  läßt  sich/cfZ/L,-  'ein  Rasender'  usw. 
ganz  trefflich  mit  den  verglichenen  slavischen  und  armenischen  Wörtern 
zusammenbringen.    Die  Grundform  wäre  *q//ni-  oder  *qhdli-. 

Dagegen  kann  nicht  ya'/.cao  dazugezogen  werden,  weil  dies  einen 
ganz  anderen  Grundbegriff"  voraussetzt.  Vgl.  ya/Ja'  f^ovyia  (Hesych.). 
Prellwitz  a.  a.  0.  zieht  ya/uao  zu  ai.  hä-  'verlassen,  fahren  lassen'. 
Diese  Zusammenstellung  ist  unrichtig,  weil  ai.  /m-  eine  schwere  Wurzel 
ist.   Die  äolische  Form  yoAccv  weist  aus,  daß  eine  leichte  Base  zugrunde 


Studien  über  slav.  eh.  369 

liegt,  Äol.  tr/olog  als  'ruhelos'  ist  nach  Solmsen  Rh.M.  1900,  811  aus 
einem  */o/l«  ""Ruhe""  mit  d-  priv.  gebildet.  Zu  xccläio  gehört  meiner 
Meinung  nach  G^ioliq  "^Muße,  Beschäftigung  in  Mußestunden,  Vorlesung, 
Schule',  Gxolcitu)  'zaudere',  äG%oXia  ""Beschäftigung',  oxolalog  ""ge- 
mächlich'.  Die  Wörter  haben  also  ein  unorganisches  s.  Sonst  werden 
sie  bekanntlich  zu  t/w  (aus  *oex-)  gestellt. 

Griech.  xalciw  mit  dazu  gezogenen  Wörtern  vergleiche  ich  mit 
arm.  :ra^a^  "^calm ,  tranquil,  serene,  peaceful,  indisturbed,  mild,  quiet', 
woraus  xaiahmal  *^to  be  appeased,  to  become  calm,  to  become  tranquil 
or  peaceable',  xaiaiel  "^to  pacify,  to  appease,  to  calm,  to  abate,  to  soften, 
to  cause  to  relent,  to  conciliate,  to  reconcile,  to  accomodate,  to  adjust, 
to  allay',  xalalarar  "^pacific,  conciliating',  xalaUk  Adv.  *^in  tranquillity, 
calmly'. 

Wenn  diese  Zusammenstellung  richtig  ist,  wird  man  eine  Wurzel 
'^qliel-  :  qhol-  'nachlassen,  nachgiebig  sein,  mild,  ruhig  sein  und  ähnl. 
ansetzen  können.  Es  scheint  mir  ferner,  daß  Anschließung  möglich  ist 
von  russ.  chöHth  'reinlich,  sauber  halten;  putzen,  ausputzen;  pflegen, 
warten;  hätscheln,  verzärteln',  cliolenh  'Muttersöhnchen',  chöJJa  'Pflege, 
Wartung',  vy-cholitb  'mit  Sorgfalt  großziehen,  klruss.  choJyfy  'putzen', 
choiä  'Zucht,  Pflege'.  Eine  reduplizierte  Bildung  liegt  vor  in  cech. 
cÄ/acAo/ 'Schmeichelei',  cÄ/acÄo/^^^ 'sänftigen,  beruhigen,  umschmeicheln', 
chläcJioliinj^  clilächolmj  'schmeichelnd,  besänftigend'.  Der  grundlegende 
Begriffist  offenbar  zärtlich  behandeln,  mildoder  nachgiebiggegenjeden  sein 
und  ähnl.  Begrifilich  macht  somit  die  Zusammenstellung  keine  Schwierig- 
keit.    Auch  diese  slavische  Sippe  würde  also  ch  aus  idg.  qli  haben. 

In  Archiv  XXXIV,  377  habe  ich  kslav.  chqpati.,  clmpati  "dqao- 
oead^ai,  prtehendere'  mit  Päli  cJuqjaii  'berührt',  chupanam  'Berührung 
verknüpft  unter  Annahme,  daß  letzteres  auf  urind.  *ksup-  zurückginge. 
Slav.  chqp-  wäre  idg.  "^qsump-.  Diese  Auffassung  halte  ich  nunmehr 
für  unrichtig.  Slav.  chqpati  hat,  wie  ich  glaube,  q  aus  -om-.  Ich  ver- 
binde es  zunächst  mit  abg.  sqpa  'manipulus'  (Bell,  troian.),  bulg.  sepa 
'Handvoll'.  Urslav.  *sepa  steht  also  in  regelrechtem  Ablauts  Verhältnis 
zu  chqpiti.  Ich  vergleiche  die  Wörter  mit  arm.  xumh.^  Gen.  xmbi.^  Instr. 
xmhiv  'band,  troop,  party,  Company;  division,  cohort,  legion,  brigade, 
detachment',  xuiyih  arnel  'to  assemble,  to  collect  together'.  L.  v.  Patru- 
häny  IF.  XIV,  58  legt  xumh  in  idg.  *qhümb]io-  zugrunde,  indem  er  An- 
knüpfung macht  mit  griech.  y.vcpog  N.  'Buckel,  Kufe',  y.v(p6g  'gebückt, 
gekrümmt',   ai.  humhhä-  M.  'Krug'  usw.     Diese  Zusammenstellung   ist 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXXV.  24 


370  H.  Petersson, 

alt  und  ist  sclion  ven  P.  de  Lagarde,  Arm.  Stud.  S.  68  bestritten,  Holger 
Pedersen,  welcher  KZ.  XXXIX,  3S2  ebenso  die  Erklärung  abweist,  drückt 
die  Meinung  aus,  daß  in  xu77ih  das  u  aus  o  entstanden  ist.  Über  die 
armenische  Behandlung  von  idg.  o  vor  Nasal  vergleiche  man  Lidön 
a.a.O.  S,  16  mit  Literatur,  Idg.  -7np-  wird  zu  arm.  -mb-.  Siehe  Lidön 
ebenda  S.  44.  Arm.  xumb  kann  somit  ebenso  wie  slav.  chqpati  auf  idg. 
*qhomp-  zurückgeführt  werden.  Aus  ""greifen,  umfassen'  kann  sehr 
leicht  eine  Bedeutung  'Schar,  Menge'  hervorgehen.  Vgl.  über  lat.  co- 
hors  Walde,  Etym.  Wb,^  s,  v.  In  diesen  Zusammenhang  ziehe  ich  auch 
lit.  kümste  *^Faust'.  Sonst  erklärt  man  das  Wort  als  eine  Umstellung 
eines  ursprünglicheren  ^punkate  zu  ^kumpste  und  bringt  es  demnach 
mit  abg,  pcsth  "^Faust',  ahd.  füst,  ags,  fyst  dass.  zusammen.  Nach 
meiner  Auffassung  beruht  lit.  kümste  vielmehr  auf  einem  idg,  "^qJimp- 
sti-,  das  in  derselben  Weise  wie  pqsth  \niäfüst,fysf  suffigiert  ist.  Ver- 
gleiche noch  ai.  gdbhasti-  M.  "^Vorderarm,  Hand'  zu  lit.  gahanä  "^Arm- 
voll', göhti  'einhüllen'  u.  a, 

Russ.  chvost^  'Schwanz ,  Schweif',  wozu  u,  a,  poln,  chwosi  'dass,' 
cech,  clwost  'dass,',  sloven.  hvost  'Schweif;  Traubenkamm',  liost  u,  hqsta 
'Dickicht,  Reisholz,  Gehölz,  Wald'  möchte  ich  versuchsweise  mit  griech. 
jiöoS^ri  'membrum  virile'  vereinigen,  das  ich  somit  von  rceog  'dass,',  ai. 
pasas  'dass.'  trenne.  Russ,  chvosh  erkläre  ich  aus  idg,  *qhuostJw-  und 
griech,  nöod^iq  leite  ich  über  *cpöo0^iq^  *xf6ad-)]  auf  idg,  *q/tuost//ü 
zurück.  Die  Bedeutungen  von  chvost^  und  Tiöo&r]  können  aus  'Rute' 
entwickelt  sein.  Vgl,  eben  dieses  deutsche  Wort  in  denselben  beiden 
Bedeutungen. 

Bisher  dürfte  keine  Erklärung  für  die  nachstehende  slavische  Wort- 
gruppe gefunden  worden  sein:  russ,  s^p^  'Rosendorn',  klruss,  sypok 
'Rosenstrauch',  cech.  sip  'Dorn  am  Rosenstrauch,  Pfeil',  Upiti  'stechen', 
Hpek  'Rosenstrauch',  serb,  iipak  'Rosenstrauch,  Granatapfel',  bulg. 
Sipka  'Hagebutte,  iip^k  'Rose',  obsorb,  iip  'Pfeil',  ndsorb,  Sypa  'dass,' 
Man  kann  sehr  wohl  annehmen,  daß  die  ursprünglichste  Bedeutung  ein- 
fach 'Spitze,  Stachel'  war.  Verbal  ausgedrückt  kann  die  Bedeutung  mit 
'stechen'  angegeben  werden.  Ich  vergleiche  arm.  xaitem  'steche',  xait 
'Stechen,  Stich',  xaitumn  'Stich ,  Sticherei',  ablautend  xit  'violent  pains 
in  the  beweis,  gripes;  colic',  xtel  (-em,  -eci)  'to  goad,  to  incite,  to  urge 
on,  to  force  to  enter',  xtan  (-«',  -av)  'a  spur,  goad'.  Scheftelowitz  hat 
BB.  XXVIII,  3 1 2  diese  Wörter  mit  lat.  ccedo  verknüpft,  welche  Zu- 
sammenstellung daran  strauchelt,  daß  idg.  d  niemals  zu  arm.  t  wird. 


Studien  über  slav.  eh.  371 

Arm.  X  ist  ja  regelrechter  Vertreter  von  idg.  qh  und  t  kann  aus  idg.  pt 
entstanden  sein.  Russ.  iip^  kann  hiernach  über  ^ch'lj)-  aus  idg.  *qhipo- 
erklärt  werden,  und  arm.  xuitem  aus  idg.  *qJi9ipt-,  xit-  aus  *qhipt-.  Das 
armenische  Verbum  mag  einer  -^fo-Bildung  entsprungen  sein. 

Abg.  c/i?'bbbh  'avx'^i',  cervix',  russ.  chreheth  Gen.  chrehtä  *^Rück- 
grat,  Rücken',  bulg.  Imbet  'Wirbelsäule',  serb.-kroat.  hrhat.,  Gen.  hrpta 
'Rücken',  cech.  chrhet^  Gen.  chrbeta  'dass.',  altCi^r^  'Berg,  Hügel'  haben 
neben  sich  eine  Sippe,  die  auf  dem  vollstufigen  chrib-  gebildet  sind: 
kslav.  chr^b^i^  'Rückgrat',  cJlrib^  'Hügel',  serb.-kroat.  hrib  'dass.',  slov. 
hrib  'Anhöhe,  kleiner  Berg',  cech.  c//r/Z» 'Berg,  Hügel',  alt  hHbet  'Rücken'. 
Berneker,  Etym.  Wb.  S.  404f.  vermutet,  daß  die  Wörter  mit  einigen 
lautnachahmenden  Bildungen,  cech.  chrohak  'Laufkäfer'  u.  a.  in  Zu- 
sammenhang stehen.  An  solchen  Ursprung  fällt  es  mir  schwer  zu  glau- 
ben. Meinesteils  möchte  ich  Zusammenhang  suchen  mit  griech.  xäqcfio 
'lasse  einschrumpfen,  dörre',  'AaQcpög  N.  'dürres  Reisig',  ycaQcprj  F.  'Heu', 
'/.aQcpriQÖg  'von  dürren  Halmen',  ■/.aQ(pa'kEog  'trocken',  lit.  skrebiu., 
skrebti  'trocken  sein  oder  werden'.  Boisacq,  Dict.  Etym.  S.  41 7  vergleicht 
hiermit  russ.^•orö6^Vfc'biegen,  krümmen',  was  ich  ganz  bestimmt  für  unrichtig 
halte.  Dieses  Wort  gehört  in  eine  ganz  andere  Bedeutungskategorie. 
Der  Grundbegriff  der  übrigen  Wörter  hat  offenbar  zwischen  'hart'  und 
'dürr'  gelegen.  Nach  meiner  Vermutung  ist  die  Wurzel  als  idg.  *qhrebh- 
:  *qhrbh-  anzusetzen.  Daß  die  slavische  Sippe  in  begrifflicher  Hinsicht 
vereinbar  ist,  wird  man  nicht  leugnen  können.  Ich  erkläre  clirib'bth.^ 
chrhbht^  aus  idg.  ^qhreibh- :  *qhribh-.  Zur  Wurzelvariation  verweise 
ich  auf  Wörter  wie  awnord.  bleikr  'blaß',  ags.  hJican^  meng,  bliren 
'bleich  werden',  lit.  bligstu,  bVigsti  'aufleuchten'  neben  griech.  cpleyco 
'brenne,  entflamme,  leuchte';  lat.  coi'bis  'Korb'  neben  awnord.  h-ip  'Korb, 
Kasten  beim  Packsattel,  Heukorb'.  Vgl.  Persson,  Wurzelerweiterung 
S.  223  f.,  Holger  Pedersen,  Kelt.  Gramm.  I,  S.  175f.  Ruthen,  chorbüri 
Plur.  (verächtl.) 'Knochen;  Rückgrat  und  Rippen'  wird  auch  verwandt 
sein.  Zum  Suffix  vgl.  Vondräk,  Vergl.  Slav.  Gramm.  S.  433.  Das  Wort 
weist  auf  urslav.  ^clchrh-  hin  und  ist  somit  aus  derselben  Wurzelform 
wie  die  griechischen  Wörter  hervorgegangen.  Die  Wurzelvarianten 
*qhrebh- :  *qhr6ibh~  betrachte  ich  als  Erweiterungen  der  einfachen 
Wurzel  *qher-  in  ai.  khara-  'hart,  rauh,  uneben',  kharma-  N.  'Rauh- 
heit, Unebenheit',  npers.  xar  'Dorn',  xarci.^  xära  'Fels',  griech.  y.aq%aqog 
scharf,  xa(>;^aAeog  'rauh,  dürr'.  Dazu  stellt  sich  auch  x^Q^'  ogyt]  ^' 
ÖQyilog  (Hesych.).    Auch  arm  xorx  'spoglie  di  serpente,  pelle  di  porco, 

24* 


372  H.  Petersson, 

guscio,  scorza'  dürfte  verwandt  sein.  Es  kann  aus  idg.  ^qliorqlio-  ent- 
standen sein.  Darin  wird  man  eine  gebrochene  reduplizierte  Bildung 
zu  sehen  haben.    Vgl.  Y.ä.qyuqog,. 

Eine  Erweiterung  mit  p  haben  wir  ferner  in  kslav.  chrapa'o%  'rau- 
cus',  poln.  chropaioy  'holperig,  uneben',  chropiec  "^uneben  werden',  serb. 
hrape  Plur.  Fem.  'Unebenheiten',  Jirapav  'uneben'.  Eine  andere  Bil- 
dung aus  der  Wurzel  *qher-  finde  ich  in  abg.  chrich  'rüpes',  serb.  Jirid. 
Die  idg.  Grundform  ist  * qhr-ei-do-  oder  '^qhr-l-do-.  Hier  kann  das 
i  mit  dem  in  chribhU  verglichen  werden.  Die  einfache  Wurzel  *qhere- 
wurde  mit  hh  erweitert  und  die  Form  *qher-ei-  sowohl  mit  hh  als  d. 
Zur  Bedeutung  von  abg.  chr^d^  vgl.  npers.  xärä. 

Russ.  särith  '(suchend)  kramen,  wühlen,  herumstöbern  in  etwas;  et- 
was durchsuchen;  (im  Dunkeln)  tastend  suchen,  herumtasten'  bedeutet 
offenbar  nichts  als  'scharren,  kratzen  und  ähnl.'.  Man  vergleiche  lat. 
ruspor^  -äri  'durchforschen,  untersuchen',  während  ital.  ruspare  'schar- 
ren' bedeutet  und  also  die  ursprünglichste  Bedeutung  bewahrt  hat.  Die 
Bedeutung,  die  wir  von  lat.  ruspari  kennen,  ist  sicherlich  nur  literarisch, 
in  der  Volkssprache  hat  das  Wort  gewiß  nichts  als  'scharren'  bedeutet. 
Schwed.  dryfta  'abhandeln,  diskutieren'  ist  nur  literarisch,  in  der  Volks- 
sprache bedeutet  es  nur  'das  Getreide  fegen,  die  Körner  aus  dem  ge- 
droschenen Halme  ausschütteln'.  Mit  k'irith  müssen  russ.  6'arÄ-a^6 'scharren 
(mit  den  Füßen),  schurren,  kratzen,  reiben',  chörkatb  (prov.)  'mit  Sand 
scheuern'  zusammenhängen.  Hiermit  vergleiche  ich  ferner  ai.  khärjati 
'kratzt,  schabt,  reibt',  khrgala-  'Bürste',  hharjü-  'Jucken,  Kratzen', 
awnord.  harha  'zusammenscharren',  harki  'Kehricht',  ndl.  hark  'Harke'. 
Ich  erschließe  auf  Grund  von  den  hier  zusammengebrachten  Wörtern 
eine  Wurzel  *qher-  'kratzen,  schaben,  reiben'.  Daraus  erkläre  ich  russ. 
cliorh  'tlja,  molb  platjanaja'  als  'Reiber,  Schaber'.  Die  Wurzel  findet  sich 
auch  in  arm.  xaram  'scoria'.  Dieses  Wort  ebenso  wie  arm.  xor  'tief' 
hat  L.  V.  Patrubäny  IF.  XIV,  57  mit  griech.  y.siQco  'schere,  vernichte', 
ahd,  sreran,  lit.  kifvis  u.  a.  zusammengestellt.  Das  ist  richtig,  nur 
wenn  idg.  '^{s)qer-  'schneiden'  eine  Variante  *qher-  gehabt  hat.  Ob  die 
Wurzelformen  ursprünglich  identisch  sind,  mag  dahingestellt  werden. 
Ich  bin  indessen  geneigt_,  sie  für  ganz  verschiedene  Wurzeln  zu  betrachten. 
Eher  könnte  man  *qhe7'-  'schaben,  scharren'  mit  der  oben  besprochenen 
Wurzel  *qher-  'hart,  dürr'  identifizieren.  Indessen  kann  ein  Zusammen- 
fall von  idg.  qher-  'schaben'  und  *^er-  'schneiden'  häufig  stattgefunden 
haben.    Arm.  korem  'kratze',  kerem  'dass.'  stammen  aus  der  letzteren 


Studien  über  slav.  eh.  373 

Wurzel,  zeigen  aber  die  Bedeutung  der  ersteren.  Lat.  carro^  -ere  'Wolle 
krämpeln',  lit.  karnzh)^  Jcafazti  'kämme,  krämple',  abg.  krasla  'Krätze' 
(aus  *korüta)j  mndd.  /mrs^  'Rechen,  Harke'  setzen  wegen  ai.  kasati  (aus 
^krsati)  eine  idg.  Wurzel  *qers-  'schaben,  reiben'  voraus,  die  aus  qer- 
gebildet  zu  sein  scheint.  Jedoch  kann  *qers-  eine  ganz  selbständige 
Wurzel  gewesen  sein,  oder,  wenn  auf  Grund  der  Bedeutung  Zusammen- 
hang mit  *qher-  'reiben,  scharren'  wahrscheinlich  scheint,  könnte  man 
annehmen,  daß  qers-  eine  ursprüngliche  Aspiration  eingebüßt  hat  unter 
Beeinflussung  von  der  gleichbedeutenden  Wurzel  *qes-  in  lit.  kasyti 
'kratzen,  krauen, striegeln',  y?;asm)!i 'kratzen, jucken  ,  kasü,kästi'graben, 
abg.  desati  'kratzen,  scharren,  kämmen',  griech.  ^ulrco  'kratze,  kämme'. 
Arm.  X07'  als  Substantiv  bedeutet  'luogo  profondo,  il  profondo,  pro- 
fonditä,  fondo;  fosso,  fossa,  vorägine,  bäratro,  valle,  abisso,  l'ultima 
parte,  l'interiore'.  Damit  vergleiche  ich  ai.  ä-khard-  M.  'Höhle  eines 
Tieres'.  Vielleicht  lag  im  Indogermanischen  ein  *qkoi'o-  als  Bezeich- 
nung für  (von  Tieren  ausgekratzte)  Gruben  und  Höhlen  vor.  Die  zwei 
letzten  Wörter  bringen  mich  auf  den  Gedanken,  auch  das  so  oft  be- 
sprochene abg.  cliranth  'Haus'  in  den  Zusammenhang  einzureihen.  Von 
den  Entsprechungen  des  Wortes  in  anderen  slavischen  Sprachen  ver- 
dienen genannt  zu  werden  russ.  Plur.  F.  chorömy  'großes,  hölzernes  Ge- 
bäude', klruss.  choröm  'Korridor,  Gang',  Plur.  cliorönnj  'Hausflur', 
choröma  'Haus,  Gemach',  clioromxjna  'Haus,  Hof,  Zimmer',  sloven.  hräm, 
Gen.  /MY/7?2a 'Gebäude,  Wohnhaus;  Gotteshaus;  Zimmer,  Kammer',  dial. 
'Weingartenhaus;  Keller;  Speisekammer',  hrdm&c  'kleiner  Weinkeller', 
poln.  alt  und  dial.  chromina  'Hütte,  Bauernhaus'.  Aus  sachlichen  Ge- 
sichtspunkten kann  nichts  eingewendet  werden,  wenn  ich  urslav.  '^chorrrn 
aus  einem  idg.  *qhor-nio-  '(ausgescharrte)  Höhle'  erkläre.  Vgl.  ai.  grha- 
N.  'Haus'  neben  av.  gd7'dda-  'Höhle  als  Behausung  daevischer  Wesen'; 
upers.  xän^  xcina  'Haus'  zu  ai.  /l;/y«;^a^^"graben,  aufgraben,  durchwühlen', 
khanä-  M.  'Grube',  kha-  M.  'Öffnung,  Loch',  kJiä-  F.  'Quelle',  khäta-  M. 
N.  'Grube,  Brunnen,  Teich;  Höhlung'.  Dazu  gehört  wohl  auch  khadü  F. 
'Höhle;  Hütte,  Stall'  aus  *kkndä,.  Siehe  noch  zum  Sachlichen  Berneker 
Etym.  Wb.  s.  v.  cuUv^^  wo  Literatur. 

Griech. ;(/j()Of(t(og  'Höhle,  Kluft'  (Hom.)  verknüpft  Prellwitz  mit  7»^/<f? 
das  Gähnen,  die  Gieumuschel  mit  klaffenden  Schalen',  xaG/.co  'gähne, 
klaffe',  wofür  bekanntlich  eine  idg.  Wurzel  *(jhe{i)-  :  *g/il-  anzusetzen 
ist.  Jedoch  könnte  yj]QC(i.iög  dehnstufiges  e  haben  und  zu  x<^Qc<^QC(  'Riß. 
Spalt,  Kluft,  Gießbach'  (Hom.)  x^(Qiir]  'Schlacht'  u.  a.  gehören.    Diese 


374  H-  Petersson, 

Wörter  sind  vieldeutig,  sonst  könnte  man  auch  sie  anschließen.  Archiv 
f. slav. Phil.  XXXIV,  380  habe  ich  sie  mit  ai.  gharsati  'reibt',  lit.  grendu^ 
grendziu  'reibe',  ^rawc/y^t  "schaben' u.  a.  vereinigt.  Prellwitz  vergleicht 
y^aqäÖQa  mit  lit.  zeriü^  zefti  'scharren  ,  zarstyti  'mehrfach  scharren'. 
Lit.  i  kann  entweder  idg.  g  oder  gh  sein.  Eine  Wurzel  *^er-  aber  würde 
sicher  ohne  Anknüpfung  bleiben.  Dazu  kann  mit  zerii  arm.  jo7'  'Schlucht, 
Hohlweg'  verglichen  werden,  dessen  Anlautskonsonant  nur  aus  idg.  gh 
entstanden  sein  kann.  Es  könnte  somit  in  arm.  Jo?-  ein  Vereinigungs- 
glied zwischen  den  griechischen  und  den  litauischen  Wörtern  gefunden 
werden.  Da  indessen  in  griech.  yj^adog  -aö-  wohl  aus  -y,d-  entstanden 
ist,  scheint  es  mir  aus  formellen  Gründen  besser,  dieses  Wort  mit  lit. 
gre?idu,  ags. ^n/i(/aw  (idg.  "^ qJtr-en-dh-)  awnor ä. grioinr,  grim?i'^Meeves- 
grund'  (idg.  *g/ir-)j,-i-)  zusammenzuhalten.  Wohin  die  übrigen  grie- 
chischen Wörter  zu  ziehen  sind,  wird  man  sicher  niemals  aufklären 
können,  da  die  drei  gleichbedeutenden  Wurzeln  *qhe7'-,  *gher-  und 
*ghe7'-  im  Griechischen  zusammenfallen  müßten. 

ßuss.  iäriib,  das  der  Ausgangspunkt  dieser  Untersuchungen  war, 
erklärt  sich  aus  idg.  '^qlier-, 

Russ.  seluchä  'die  Hülse,  Schale'  {orecJiovaJa  seluchä  'Nußschale', 
ryhhja  ieluchä  'die  Fischschuppe'),  wozu  das  Verbum  seluiit'b  'schälen, 
ausschälen,  -hülsen,  -kernen'  dürfte  noch  nicht  seine  Erklärung  gefun- 
den haben.  Es  ist  zu  allererst  ganz  klar,  daß  es  mit  russ.  selupina 
'Hülse,  Schale',  ruten.  solupina  'Hülse,  Schale',  solupaj'ka  'Schale,  Eier- 
schale (skarlupa)'  verwandt  ist.  Dazu  das  ruten.  Verbum  solöpath  'stö- 
bern, kramen,  grübeln;  abweiden,  abfressen'. 

Ich  vergleiche  selupina  mit  griech.  -/.ü.vcpog  'Schale,  Hülse',  das 
ich  somit  selbstverständlich  aus  ^yiKvcpog  erkläre.  Eine  ältere  Erklä- 
rung von  ■/.kl.vcpoc,  suchte  Zusammenhang  mxiy.uKVTixio  'umhülle'.  Sütter- 
lin  IF.  XXV,  67  vergleicht  y.iXvcpog  mit  ahd.  sceliva^  mhd.  schelfe 
'Schale,  Hülse',  indem  er  eine  Alternation  idg.  *qeleuph-  :  ^aqelpJt-  an- 
nimmt. Auch  bei  meinem  Anschluß  von  selupina  läßt  sich  der  Vergleich 
von  scelifa^  Schelfe  aufrecht  erhalten.  Nach  meiner  Auffassung  geht 
also  selupina  auf  die  idg.  Grundform  ^qhelcupliä  zurück,  und  v.eXvcpog 
auf  idg.  *qhelupho-.  Auf  letztere  Ablautsstufe  weist  auch  ruten.  Solö- 
pati  hin.  Cech.  Hupina  'Obstschale,  Schelfe'  geht  über  urslav.  *hlupa 
auf  idg.  ^qhllouph-.  Da,  wie  erwähnt,  russ.  seluchä  verwandt  sein 
muß,  hat  man  nötig,  ein  Wortelement  '^qheloxi-  :  '^qhelu-  anzunehmen. 
Dasselbe  ist  in  seluchä  mit  dem  Suffixe -5ä  ausgebildet  worden,  während 


Studien  über  slav.  eh.  375 

in  •/.iXvrpog,  selupina  ein  form  antisches  -ph-  angenommen  werden  muß. 
Dieses  Formans  ist  zwar  sehr  selten,  kommt  aber  in  einigen  Bildungen 
vor.  Man  kann  an  ai.  Qopha-  M.  'Geschwulst,  Geschwür,  Beule'  zu 
Qväyati  'schwillt  an,  wird  stark'  erinnern.  Ebenso  an  ai.  gulphä-  M. 
'Fußknöchel',  das  wohl  aus  der  idg.  Wurzel  *ge^-  'zusammenballen'  in 
lat.  glomus  'Kloß,  Knäuel',  ai.  gulma-  'Geschwulst  am  Unterleibe'  ge- 
bildet ist. 

Eine  aus  dem  hier  erschlossenen  *qhelu-  mit  o-Formans  versehene 
Bildung  haben  wir  meiner  Meinung  nach  in  ai.  khäha-  M.  'a  kind  of 
grain  or  leguminous  plant'  (AV.,  VS.,  QBr.  14,  Kaug.,  Grhyas.).  Das 
Wort  bezeichnet  gewiß  ursprünglich  die  Hülse  der  Pflanze.  Eine  mittel- 
indische Form  von  khdlva-  kann  dann  vorliegen  in  ai.  khalla-  M.  a  little 
case  or  cap  formed  by  roUing  up  paper  etc.,  used  for  holding  any  small 
articles  of  grocery'. 

Unter  Voraussetzung,  daß  idg.  qh  im  Lateinischen  zu  h  wird,  wäre 
es  möglich,  auch  lat.  lup'inum  'Wolfsbohne'  [lupmärius  'Hülsenfrüchten- 
händler') mit  selupina  und  y.eXixpoq  zu  vergleichen.  Man  hätte  hiernach 
von  einem  idg.  * qldupJio^YiüliQ  auszugehen.  Dabei  wären  indessen  zwei 
Bedenken  zu  beachten.  Erstens  könnte  erwartet  werden,  daß,  wenn  qh 
zu  h  wurde,  idg.  ph  zu y  übergegangen  wäre,  zweitens,  daß  Aspiraten- 
dissimilation stattgefunden  hätte,  wie  in  glaber  aus  "^ahladhro-.  Hier- 
zu kann  bemerkt  werden,  daß  es  doch  lautphysiologisch  sehr  wohl  mög- 
lich ist,  daß  qh  eine  Entwicklung  gehabt  hat,  die  mit  der  von  plt  und 
1h  nicht  parallel  war.  Man  vergleiche  Holger  Pedersen  KZ.  XL.,  174 f. 
Zwischen  der  Entwicklung  von  qJi  zu  h  wäre  natürlich  ein  /  anzunehmen. 
Der  Übergang  von  qh  zu  %  könnte  aber  vor  dem  Wirken  des  Aspiraten- 
dissimilationsgesetzes stattgefunden  haben.  Indessen  ist  der  Anschluß 
von  lup'inum  höchst  unsicher,  da  andere  Möglichkeiten  bestehen,  das 
Wort  aufzufassen.  Es  kann  nämlich  verglichen  werden  mit  kslav.  lupiti 
'detrahere',  nsloven.  /w/?i7i 'schälen',  /«p/e 'Apfelschalen',  olup  'abgelöste 
Rübenschale',  cech.  loupaii  'schälen',  lup  'Schuppe,  Blättchen',  poln. 
lupic  'schälen,  abschälen',  lupina  'die  Schale,  Hülse'. 

Es  fragt  sich  nun  ferner,  ob  es  möglich  ist,  die  aus  dem  Wort- 
element *qheloii-  zu  erschließende  Wurzel  *q]iel-  noch  in  weitere  Be- 
ziehungen zu  stellen,  und  ob  es  sich  tun  läßt,  den  Begriff  'Hülse,  Schale' 
aus  einer  ursprünglicheren  Grundbedeutung  zu  erklären.  Ich  bin  der  Mei- 
nung, daß  sich  dies  tun  läßt.  In  recht  vielen  Fällen  geht  der  fragliche 
Begriff  auf  'spalten  und  ähnl.'  zurück,  z.B.  in  griech.  loitög  'Hülse',  das 


376  H.  Petersson, 

zu  X^Ttto  'schäle^  gehört.  Ich  sehe  darum  in  idg.  *qJiel-  eine  aspirierte 
Variante  zu  idg.  "^qel-  :  *sqel-  ""spalten',  die  bekanntlich  eine  außer- 
ordentliche Menge  von  Wörtern  in  verschiedenen  Sprachen  abgegeben 
hat.  Dazu  gehören  z.  B.  lit.  skilti  intr.,  skelti  tr.  '^spalten',  russ.  söth 
*^die  Ritze,  Spalte,  der  Riß',  sdeljäth  'spalten',  sJcalä  'Fels;  Birkenrinde' 
ruthen.  skälka  'Splitter ;  Flintenstein',  skalina,  skalüha^  skalubina  'Riß, 
Spalte'.  Der  Bedeutung  wegen  vergleiche  man  klruss.  skaiubka  'Hülse 
einer  Larve'  neben  skalubyna  'Ritze,  Spalte,  Riß'.  Man  beachte  auch 
folgende  Verwandte,  ahd.  scala^  mhd.  sc/m/ 'Hülse  einer  Frucht,  eines 
Eies  usw.',  ags.  scealu,  neng.  s/mle  'Hülse'.  Die  Aspiration  ist  auch 
sonst  nicht  unbekannt  bei  der  Wurzel  *qel-  'spalten'.  Vgl.  ai.  khandä- 
'lückig,  zerteilt,  mangelhaft';  M.  'Lücke,  Bruch,  Stück,  Teil'  neben 
kandana-  N.  'das  Entfernen  der  Hülsen,  Abfall  von  den  Körnern'. 
Griech.  Gxulig^  -iöog  F.  'Gabel,  zweizinkige  Hacke'  geht  nach  meiner 
Überzeugung  auf  idg.  *sqhel-  'spalten'  zurück. 

Ich  ziehe  noch  heran  russ.  seludi  M.  Plur.  'Grind,  Räude',  klruss. 
^olud^  soiud'Schori',  wruss.  soludzi.  Das  Wort  ist  meines  Wissens 
in  keiner  anderen  slavischen  Sprache  zu  finden.  Das  u  ist  darum  zwei- 
deutig, insofern  es  entweder  ursprünglich  oder  aus  urslav.  q  entstanden 
sein  kann.  Miklosich,  Etym.  Wb.  S.  338a  nimmt  ^kelud^  als  Grund- 
form an.  Dies  mag  richtig  sein,  da  wir  dadurch  Anschluß  an  die  er- 
wähnten Bildungen  aus  *qheloii-  machen  können.  Indessen  wäre  auch 
ein  urslav.  *hIqd^  aus  idg.  '^qhelu-nd-  in  sowohl  lautlicher  wie  for- 
meller Hinsicht  sehr  wohl  möglich.  Das  Wort  bedeutet  nach  dieser  Er- 
klärung 'was  sich  (von  der  Haut)  abspaltet'.  Vgl.  lat.  Scabies  'Kratzen, 
Schäbigkeit,  Räude'  zu  scabo,  -ere  'schaben,  kratzen,  reiben';  nhd. 
Schorfe  dän.  skurv,  schwed.  skorf  zu  ags.  sceorfan  'nagen,  ritzen, 
gesceorfan  'schaben,  zerschneiden  . 

Russ,  chrjäpath  (dial.)  'husten',  cech.  alt  chrapati  'schnarchen' 
wäre  man  versucht  mit  griech.  yiqiuTttoiua  'räuspere  mich' bes.  'spucke 
zusammenzubringen.  Man  müßte  dann  annehmen,  daß  xQfumouai  ur- 
sprüngliches TV  hätte,  und  daß  es  somit  aus  ^iqE(.iniof.iUL  entstanden 
sei.  Sonst  wird  yqef.iTrTot.iaL  zu  xqEfier-i'Cio  (Hom.),  yqeuer-aio 
'wiehere,  mache  ein  Getöse'  gestellt.  Darnach  ist  also  y^qiiiTiToi-icti  aus 
der  synkopierten  Form  *yq€fi-TOfiai.  entstanden.  xqei-ieTi^to  wieder 
muß  zu  got.  gramjan  'aufreizen',  ahd.  gramizzon^  gremizzon  brüllen, 
toben'  u.  a.  gehören.  Obgleich  russ.  chrjäpath  und  griech.  yqk[ntxofiai 
einander  begrifflich  sehr  nahe  liegen,  ist  der  Vergleich  also  sehr  unsicher. 


Studien  über  slav.  eh.  ^TJ 

Rus3.  c/iles/(ifb,  chlesniith^voM  der  Peitsche  schlagen',  cech.  clilostatl 
'mit  Ruten  schhigen',  poln.  chlostac  *^auspeitschen',  cJiJosta  'Hiebe, 
Schläge',  sloven.  hlcsfiti,  Jtlestniti  'schlagen'  u.  a.  erklärt  Berneker 
Etym.  Wb.  S.  388  für  onomatopoetische  Wörter.  Indessen  können  sie, 
scheint  es  mir,  mit  lit.  klescziu.^  Mesti  'schlagen,  peitschen,  stäupen' 
verglichen  werden.  Wenn  die  Wörter  auf  eine  und  dieselbe  urbaltisch- 
slavische  Grundform  zurückgehen  und  das  ch  lautgesetzliche  Entwicklung 
ist,  wird  man  schwerlich  umhin  können,  einen  ursprünglichen  Anlaut 
kh  anzunehmen.  Man  möchte  sich  ferner  fragen,  ob  nicht  ein  Wort  wie 
ai.  khadgä-M..  'Schwert'  (aus  idg.  *q/ioId-)  verwandt  sei.  Lag  einst  eine 
zweisilbige  Wurzel  *qheled-  vor,  so  könnte  daraus  eine  Wurzelform 
*qhled-  entstanden  sein.  Russ.  chlesfätb  und  lit.  klesti  könnten  dann 
von  einem  idg.  ^qliled-to-  ausgegangen  sein. 

Man  könnte  vielleicht  indessen  russ.  clilestätb  neben  klesti  so  auf- 
fassen, daß  ersteres  ein  unorganisches  s  gehabt  hat,  so  daß  der  Anlaut 
ursprünglich  skl-  war.  Es  ist  eine  Tatsache,  daß  die  slavischen  Sprachen 
keine  alte  Lautverbindung  skl  im  Anlaut  kennen.  Dieselbe  ist  zwar 
allem  Anscheine  nach  in  der  Ursprache  recht  selten  vorgekommen,  hie 
und  da  aber  trifft  man  in  verschiedeneu  Sprachen  Spuren  derselben.  Be- 
kannt ist,  daß  ahd,  sliozzan^  afries.  sluta  'schließen'  usw.  mit  lat.  claudo, 
-ere  'schließen,  sperren'  verglichen  wird.  Idg.  sql-  im  Anlaut  gab  also 
germ.  s/-,  während  dagegen  sqr-  unverändert  blieb.  Letztere  Verbin- 
dung bleibt  auch  im  Slavischen;  aber  was  wurde  hier  aus  anlautendem 
idg.  sql-7  Ich  wage  die  Hypothese,  daß  diese  Anlautverbindung  zu 
slav.  cid-  wurde  und  zwar  glaube  ich,  daß  sql-  zunächst  zu  vorslav.  ksl- 
wurde,  da  es  gewiß  undenkbar  ist,  daß  chl-  direkt  aus  sql-  habe  ent- 
stehen können.  Nachdem  diese  Umstellung  vollzogen  war,  entwickelte 
sich  ks-  in  regelrechter  Weise  zu  slav.  ch. 

Das  Litauische  hat  den  Anlaut  skl-  zweifelsohne  aus  alter  Zeit. 
Wenigstens  in  einem  Falle  kann  man,  scheint  es  mir,  das  litauische  skl- 
mit  slav.  chl-  identifizieren.  Ich  vergleiche  abg.  o-chlenqti  'debilem 
fieri ,  o-clilqdanije  'negligentia'  mit  lit.  sklendzü^  sklendzaü^  sklesti 
'schleudern'  intrans.  (vom  Schlitten)  auch  'schweben'  (vom  Vogel),  lett. 
sklanda  'die  schräge,  glatte  Schleuderstelle  auf  dem  Winterwege',  pa- 
sklanda  'Ort,  wo  der  Schlitten  schleudert',  pasklandus  'schiefliegend, 
Schleudern  verursachend',  sklandis  'abschüssig'.  Hiermit  hat  man  ge- 
wiß noch  zu  vergleichen  schwed.  slinta  'gleiten',  dial.  slaiit  'glatt, 
schlüpfrig',  norw.  dial.  sletta  'dingle,  hänge,  l0st',  slitnte  'drive  omkring'. 


378  H.  Petersson, 

sluntra^  dunta  ^dass/,  slott  'lediggsenger'  (Aasen  703 ff.),  schwed.  dial. 
slanta^  slunta  'umhertreiben'  (Rietz,  Dialektlexikon  624  s.  v.  slinta)^ 
meng,  slenten  'schlendern^,  nhd.  scJdenzen  'dass.^  Es  scheint  mir  nun, 
daß  sämtliche  Wörter  auf  eine  idg.  Wurzel  ^aqleiid-  :  sqlond-  zurück- 
weisen, deren  Bedeutung  etwa  "^schlaff  sein,  schlaff  hinabhängen,  los 
hangen,  gleiten  und  ähnl.'  war.  Slav.  chled-  wäre  also  über  *kalend- 
aus  idg.  *sqlend-  oder  *sqhid-  entstanden.  Die  Ablautsstufe  *sqIond- 
liegt  wohl  vor  in  kslav.  chlud-b  Virga^,  russ.  chludh  *^Stange,  Knüppel, 
Heubaum;  Wasserträger',  poln.  dial.  chfed^  chledak,  cMad  'Stengel; 
Gerte',  cÄ/ao?  junge  schlanke  Tanne ,  die  sich  für  Zäune  eignet'.  Zu- 
sammenhang zwischen  diesen  Wörtern  und  abg.  o-chledanije  nimmt 
Berneker  Etym.  Wb.  S.  390  an.  Ich  bemerke  noch,  daß  auch  Berneker 
a.  a.  0.  S.  388  dieselbe  germanische  Sippe  wie  ich  zum  Vergleich  heran- 
gezogen hat  (ndd.  sluntern  'nachlässig,  schlaff  sein',  nhd.  dial.  schlunzen 
'nachlässig  gehen,  schlendern'  u.  a.).  Über  das  cli-  spricht  er  sich  in- 
dessen nicht  aus.  Vermutlich  hat  er  sich  gedacht,  daß  es  aus  s-  ent- 
standen sei. 

Zu  abg.  chlehh  'catarrhacta,  y.avc(QQ(xy.T)]g,  fores'  [cJilebi  nebesnyjc^ 
gehören  folgende  Wörter  aus  anderen  slavischen  Sprachen,  russ.  chljabh 
Damm,  Öffnung,  Schlund',  dial.  chljäha  'Regenwetter',  wruss.  chlaba 
Regenguß',  klruss.  clilahy  'otvör',  serb.-kroat.  hieb  'Abgrund',  hlfeh 
•"Wasserfall,  Schleuse'.  Sloven.  lilcbati  'schlürfen'  kann  hierher  gehören, 
vielleicht  ist  es  jedoch  besser  dieses  mit  russ.  chlebäth^  cldebnütb  'mit 
dem  Löffel  essen,  löffeln'  zusammenzustellen.  Man  kann  darüber  un- 
schlüssig seiu,  welcher  Grundbegriff  der  Sippe  von  chlcb^  zugrunde  zu 
legen  sei.  Es  will  scheinen,  als  ob  mau  sowohl  mit  'Öffnung,  Schlund' 
als  mit  'strömen,  spülen  und  derart.'  auskommen  könnte.  Wählt  man 
die  erste  Möglichkeit,  kann  man  Zusammenhang  mit  kslav.  sJclabiti  se 
'den  Mund  aufmachen'  vermuten.  Dieses  Wort  beruht  auf  urslav.  *skolb-. 
Dazu  wird  gehören  norw.  dial.  skolp  'kleiner  ausgehöhlter  Block,  Holz- 
scheide, in  die  man  den  Wetzstein  legt',  awnord.  skal2)r  'Schwertscheide', 
dän.  skulpe^  skulp  'Schote,  Fruchtbalg'.  Hier  scheint  ein  idg.  *sqelb- 
'spalten'  zugrunde  zu  liegen,  das  natürlich  mit  den  obigen  unter  seluchä 
zusammengebrachten  Wörtern  in  Verbindung  steht.  In  cldebh  wäre  eine 
aus  *sqelb-  nasalierte  Bildung  zu  finden. 

Nimmt  man  hingegen  für  cldebh  den  Urbegriff  'Strömen,  Gießen^ 
an,  könnte  man  an  Verwandtschaft  mit  folgender  weitverbreiteten  ger- 
manischen Wortsippe   denken:    mhd.    slamj)  'Gelage,  Schlampe',   ndl. 


Studien  über  slav.  eh.  379 

slemp  'leckere  Mahlzeit',  slempen  'prassen',  nhd.  Schlempe  Spülicht', 
ScJilumpe^  Schla77ipe  'nachlässiges,  unreinliches  Frauenzimmer',  eng. 
slump  'to  fall  down  into  any  wet  or  dirty  place',  eng.  dial.  slump  'Teich, 
Pfütze',  norw.  dial.  slump  'plump^  skvulp'.  Es  ist  ganz  klar,  daß  hier 
nhd.  Schlempe  'Spülicht'  und  eng.  slump  'Pfütze'  den  Grundbegriff  am 
besten  bewahrt  haben.  Schon  vor  mehreren  Jahren  habe  ich  an  Zu- 
sammenhang zwischen  chlqh'b  und  dieser  Sippe  gedacht.  Später,  als 
Bernekers  etymologisches  Wörterbuch  so  weit  erschienen  war,  habe  ich 
gesehen,  daß  auch  der  Verfasser  dieses  Buches  an  die  erwähnte  Ver- 
wandtschaft gedacht  hat.  Wir  haben  zwar  kein  direktes  Zeugnis  davon, 
daß  hier  germ.  sl-  aus  idg.  sql-  entstanden  wäre.  Ich  glaube  indessen, 
daß  wir  eine  Wurzel  Variante  mit  idg.  /;  und  ohne  das  anlautende  s-  haben 
in  \\t.  kli?npshi, hlmipti'mit  deuFüßen  einsinken',  klampä  'eine  sumpfige, 
weiche  Wiese',  klampüs  'sumpfig',  klampyne  'ein  Morast'. 

Russ.  chlöpath  'schlagen,  klatschen,  knallen',  bulg.  hlöpam  'klopfe', 
sloven.  hlöpati  'schlagen'  könnten  mit  lat.  stloppus  'der  Klaps;  der 
Schal],  der  entsteht,  wenn  man  auf  die  aufgeblasenen  Backen  schlägt' 
verwandt  sein.  Im  Vulgärlateinischen  hat  das  Wort  *scloppus  gelautet, 
was  aus  ital.  schiop>po  'Krach,  Knall',  scJiioppare  'knallen,  platzen,  zer- 
springen' hervorgeht.  An  sich  ist  es  gar  nicht  unmöglich,  daß  diese 
Form  altertümlicher  als  stloppus  ist.  Möglich  ist,  daß  die  älteste  Form 
des  Wortes  *scldpus  war.  Mit  russ.  chlöpath  hat  Matzenauer  (siehe 
Berneker,  Etym.  Wb.  S.  390)  meug.  slappe,  neng.  slap  'Schlag,  Klaps', 
nhd.  Schlappe  als  urverwandt  zusammengestellt.  Man  könnte  in  dieser 
Weise  vermuten,  daß  sämtliche  Wörter  einem  idg.  *sqlbp-  entsprungen 
seien.  Indessen  kann  das  Ergebnis  der  vorgenommenen  Vergleiche  nicht 
als  sicher  hingestellt  werden,  da  sämtliche  Wörter  lautnachahmend  oder 
in  ihrer  lautlichen  Entwicklung  onomatopoetisch  beeinflußt  sein  können. 

Lund.  Herbert  Petersson. 


Einige  Bemerkungen  zur  Gescliichte  des  Schrifttums 

in  Kroatien. 

Während  das  Schrifttum  fast  aller  serbokroallschen  Provinzen  in 
seinen  Hauptzügen  mehr  oder  weniger  beleuchici  oracheint,  hat  das 
Schrifttum  des  heutigen  engeren  Kroatien  abgesehen  von  den  fragmen- 


380  Fr.  Fancev, 

tären  Untersuchungen  Krcelitsi),  Miklousics^),  Safariks^)  wenig  Beach- 
tung gefunden.  Auch  die  Bearbeitung  Kukulevics  ^)  behandelt  nur  eine 
begrenzte  Periode  dieses  Schrifttums  und  ist  heute  in  vielen  Partien  ganz 
veraltet^). 

Diese  Zurücksetzung  dieses  Schrifttums  in  der  bisherigen  wissen- 
schaftlichen Forschung  erscheint  zwar  erklärlich,  vergleicht  man  seine 
Armut  an  echten  literarischen  Erzeugnissen  mit  den  hochentwickelten 
Werken  der  dalmatiuisch-ragusäischen  Literatur.  Es  besteht  ja  fast  aus- 
schließlich aus  Werken,  die  unmittelbaren  praktisch-erbaulichen  Zwecken 
dienen  sollten,  wie  z.  B.  Predigten^  Gebetbüchern^  Evangelarien  und  ähn- 
lichen. 

I. 

Zur  Zeit,  wo  Nordkroatien  während  der  Regierungszeit  Ladislaus 
durch  die  Einsetzung  Almns  zum  König  und  Gründung  des  Agramer  Bis- 
tums (1093)  vom  kroatischen  politischen  und  kirchlichen  Zentrum,  wel- 
ches bis  zu  dieser  Zeit  jedenfalls  im  dalmatischen  Kroatien  zu  suchen  ist, 
losgetrennt  wurde,  soll  der  Meinung  Tkalcics  nach  die  slavische  Litur- 
gie auch  in  diesem  nördlichen  Kroatien  noch  im  Gebrauch  gewesen  sein. 
Es  dürfte  dies  unter  anderem  auch  die  Folge  der  geographischen  Nach- 
barschaft mit  dem  Fürstentum  Kocels,  wo  die  Slavenapostel  schon  früh 
Gefolgschaft  fanden,  gewesen  sein.  »Nepobitno  jest  i  to,  da  je  Ladia- 
lava,  koji  dobro  znadija^e,  da  mu  surjak  kralj  Zvonimir  samo  radi  toga 
zaglavio  na  hrvatskom  saboru  na  Kosovi,  sto  je  uehajan  bio  da  zaprijeci 
progon  hrvatskoga  bogosluzja,  pak  je  Ladislava,  da  si  po  sinovcu  Almu, 
tomu  novomu  hrvatskomu  kralju,  ucvrsti  lozu  Arpadovu,  ponukalo  to,  da 
je  biskupiji  zagrebackoj  postavio  za  biskupa  onoga,  koji  se  slavenskim 
jezikom  sluzio  u  bogosluzju;  a  to  nas  joste  vecma  u  tom  uvjerava,  jer  je 


1)  Scriptorum  ex  regno  Sclavoniae  a  saeculo  XIV.  usque  ad  XVII.  inclu- 
sive collectio  .  .  .  Varasdini,  1774. 

2)  Izbor  dugovanyh  vszakoverztneh  za  haszen  y  razveBzelenye  szlu- 
secheh  .  . .  Zagreb,  1821,  2.  Aufl.  1839. 

3)  Geschichte  der  südslav.  Literatur  .  .  .  IV.  (Kroatische  Literatur), 
Prag,  1865. 

4)  Knjizevnici  u  Hrvatah  iz  prve  polovine  XVII.  vieka  s  ove  strane  Vele- 
bita  .  .  .  Zagreb,  18(i9  (S.A.). 

5)  Die  kajkavische  Literatur  am  Vorabend  der  illyrischen  Wiedergeburt 
beleuchten  »Pabirei  po  kajkavskoj  literaturi«  Surmins  (Vienac,  189J).  Ein- 
zelnes behandeln  Drechsler,  Dukat,  Hajnal,  Jagic,  Milcetic,  Trops. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.      381 

Ladislav  novoma  zagrebaekomu  biskupu  Duhu  dodijello  kao  vjerovjesnike 
svecenike  iz  sumedjske  i  zaladske  zupanije,  upravo  iz  glavnoga  dijela 
nekadanje  Kocelove  knezevine,  gdje  je  kako  jur  spomenuh  sv.  Method 
imao  svoju  panonsko-srijemsku  nadbiskupsku  stolicu  sa  slavenskim  bo- 
gosluznim  jezikom«  1). 

Doch  in  dieser  politischen  und  kirchlichen  Abhängigkeit  Kroatiens 
und  seiner  Geistlichkeit  von  Ungarn  und  von  seiner  Geistlichkeit  —  da 
das  Agramer  Bistum  der  Metropole  in  Kalocsa  untergeordnet  wurde  — 
hat,  wie  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  die  slavische  Liturgie  auch  ohne  Ver- 
folgungen, da  solche  in  keiner  Weise  nachgewiesen  werden  können,  all- 
mählich zuerst  wahrscheinlich  in  den  Städten,  wo  die  Bevölkerung  seit 
den  ältesten  Zeiten  stark  mit  Fremden  (so  in  Zagreb 2),  Varazdin)  ver- 
mischt war,  erlöschen  müssen. 

Wie  durch  die  politische  Abhängigkeit  von  Ungarn  die  Volkssprache 
im  öffentlichen  Leben  unmöglich  wurde,  gerade  so  war  selbst  der  Ge- 
brauch der  Sprache  des  herrschenden  magyarischen  Stammes  sehr  be- 
schränkt, was  ja  schon  daraus  zu  ersehen  ist,  daß  aus  dem  Zeitalter  der 
Arpadischen  Herrschaft  (also  bis  in  das  XIV.  Jahrh.)  nur  drei  zusammen- 
hängende ungarische  Texte  3]  nachzuweisen  sind. 

Abgesehen  davon,  daß  man  den  Gebrauch  der  glagolitischen  Schrift 
auch  nach  Nordkroatien  verweist,  sind  sonst  im  Gebiete  des  kaj-Dia- 
lektes,  dessen  Schrifttum  wir  hier  untersuchen  wollen,  keine  zusammen- 
hängende in  der  Volkssprache  verfaßte  Sprachdenkmäler,  die  in  diesem 
Dialekte  verfaßt  wären,  vor  dem  XVL  Jahrh.  anzutreffen ,  denn  was  uns 
diesbezüglich  tiberliefert  ist,  gehört  dem  cakavischen  Dialekte  an.  Alle 
Versuche,  kajkavische  Denkmäler  vor  dem  XVL  Jahrh.  nachzuweisen, 
sind  bisher  ergebnislos  geblieben;  alle  Urkunden  in  den  dicken  Bänden 
des  »Codex  diplomaticus  regni  Croatiae,  Dalmatiae  et  Slavoniae«,  hrsg. 
von  T.  Smiciklas  (bis  jetzt  zehn  Bde.),  der  »Monumenta  historica  liberae 


1)  Slavensko  bogosluzje  u  Hrvatskoj  .  .  .  Zagreb  1904.  S.73 — 74. 

~)  In  der  Urkunde  vom  11.  Mai  1 198  führt  der  kroatische  Herzog  Andreas 
Ungarn,  Lateiner  und  Slaven  als  Untertanen  des  Zagreber  Bistums  auf;  in 
der  handschriftlichen  »Historia  de  fundatione  Eccles.  et  Episcop.  Zagrab.« 
von  R.Levakovic  lesen  wir  über  die  Zagreber  Bevölkerung  folgendes:  »in  qua 
diversarum  nationum  populi  artes  varias  mechanicas  exercent ...  (in  der  k. 
Univ.  Bibl.  zu  Zagreb,  SM.  38,  D.  9). 

3)  Kont,  Gesch.  d.  ungar.  Litt.2  S.  6  oder  Simonyi,  Die  ungar.  Sprache 
(Straßburg,  1907,  S.IOO). 


382  Fr.  Fancev, 

regiae  civitatis  Zagrabiae  metropolis  regni  Dalmatiae,  Croatiae  et  Sla- 
voniae«,  hrsg.  von  J.  K.  Tkalcic  (bis  jetzt  elf  Bde.),  der  »Monumenta 
historica  nob.  communitatis  Turopolje  olim*^ Campus  Zagrabiensis'  dictae« 
hrsg.  von  E.  Laszowski  (vier  Bde.),  gesammelt,  die  alle  entweder  in  diesem 
Gebiete  entstanden  oder  für  dieses  Gebiet  bestimmt  sind,  sind  in  der  la- 
teinischen Sprache  verfaßt.  Dieses  vollkommene  Fehlen  der  kajkavischen 
Urkunden  wurde  auch  schon  von  Kukuljevic  mit  den  folgenden  Worten 
festgestellt:  Meni  barem  nije  poslo  za  rukom  naci  i  jedne  hrvatske  listine 
pisane  latinicom  prije  druge  polovice  16.  stoljetja,  docim  je  cirilica,  po- 
kraj  glagoljice,  u  porabi  bila  ne  samo  u  Dubrovniku,  nego  kod  istih  naj- 

V  V 

starijih  i  najcistijih  hrvatskih  plemenah,  kao  sto  bijahu  Subici,  Karinjani 
i  Kukari,  koja  se  u  listiuah  jur  za  hrvatskih  kraljevah  spominju.  U  16. 
vieku  prodrla  je  dapace  cirilica  daleko  u  sadasnja  Hrvatsku,  te  su  ju 
rabili,  pokraj  Keglevicah  i  Subicah-Zrinjskih,  sudci  zupanije  zagrebacke, 
plemici  turopoljski  i  napolu  pomadjarene  porodice  Kastelanfi,  Kere- 
cenji  itd. « ^). 

In  den  ältesten  auf  das  kaj-Gebiet  sich  beziehenden  Urkunden  ent- 
halten nur  die  Personen-  und  Ortsnamen  einen  Bezug  auf  die  Volks- 
sprache, später,  d.  h.  seit  dem  Anfang  des  XIII.  Jahrh.,  finden  sich  in 
den  grenzbeschreibenden  Urkunden  auch  viele  Namen  von  Gewässern, 
Bäumen,  Bergen,  Straßen  und  dergleichen,  welche  entweder  für  sich 
allein,  oder  mit  ihrer  lateinischen  Übersetzung  in  den  lateinischen  Text 
eingeflochten  sind  2). 


')  Vgl.  Monumenta  histor.  Slavor.  merid.  kn.  I.  Listine  Hrvatske  (Zagreb 
1869)  S.  VI;  dasselbe  behauptet  auch  VI.  Mazuranic:  Kolilco  ja  znam,  nije  nam 
sacuvana  nijedna  listina  izvorna,  latinicom  a  hrvatski  pisana,  prije  pocetka 
XVI.  vieka.  Ima  ipak  traga,  da  se  je  i  prije  pisalo  hrvatski  u  Zagrebu,  gdje 
se  spominju  litterati  sclavonici,  dj'aci,  pisci  hrvatski  (Prinosi  za  hrv.  prav.  pov. 
rjec.  S.  146  Anm.). 

2)  Diese  einzigen  Spuren  des  kajkavischen  Volksidioms  in  den  ältesten 
Zeiten  sind  bei  uns  noch  in  keiner  Weise  bearbeitet  worden.  Wenn  sie  auch 
in  der  sprachlichen  Untersuchung  des  kaj-Dialektes,  der  sonst  gar  keine  zu- 
sammenhängenden Denkmäler  vor  dem  XVI.  Jahrh.  hat,  von  sehr  beschränk- 
tem, meistens  nur  lautlichem,  viel  seltener  formellem  Wert  sind,  haben  wir  sie 
doch  gesammelt  und  sollen  in  einer  Untersuchung  des  kaj-Dialektes  gebraucht 
werden.  Die  ungarische  wissenschaftliche  Literatur  besitzt  diesbezüglich  das 
schöne  Steph.  Szamotas  »Lexikon  vocabulorum  Hungaricorum  in  diplomati- 
bus  aliisque  scriptis  quae  reperiri  possunt  vetu8toram< . . .  (alsSupplementum 
ad  Lexicon  linguae  Hungaricae  aevi  antiquioris,  Budapest,  1902— 19U6J. 


Einige  Bemerkungen  zur  GescLichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     383 

Hier  wollen  wir  einige  solche  Beispiele  anführen :  sub  arbore  que 
den  lingua  sclavonica  nominatur  (1209,  Cod.  dipl.  III.  86),  ad  foveam 
que  kalicha  in  sclavonico  nuneupatur  (ibid.  87),  ad  arborem  que  vulgo 
dicitur  graber  (ibid.  93),  ubi  quidam  alveus  Szaue  siruzeht  (struzec)  vo- 
catus  .  .  .  per  quem  struzeht  .  .  .  (122S,  ibid.  290),  ascendit  montem 
sterma  pec  (1221 ,  ibid.  200)  super  montem  curtmna  hurda  (1234,  ibid. 
42G),  Salix  que  vulgo  dicitur  urbicha  (vrbica)  (1244,  ibid.  IV.  239),  ad 
avborem  que  vocatur  plathanus,  sclavonice  thopol  (1245,  ibid  276),  pla- 
tani  que  vulgo  dicitur /«tüor  (1243,  ibid.  210),  ad  foveam  que  vocatur 
rupa  (1249,  ibid.  410),  ad  arborem  que  sclavonice  dicitur  ozcurus  (1240, 
ibid.  124),  ad  arborem  que  sclavonice  dicitur  vrech  (1252,  ibid.  519), 
lacus  qui  lokeu  nuneupatur  (1270,  ibid.  V,  544),  adponikeu^  ubi  fluvius 
intrat  terram  qui  in  wlgari  sclavonico  dicitur  (1272,  ibid.  VI,  11),  ubi 
est  via  .  .  .  que  wlgariter  clancli  (klanc)  dicitur  (1284,  VI,  468,  596), 
ad  lapidem  rubeum  wlgariter  crauaui  kamen  dictum  (1284,  ibid.  470), 
ubi  est  dumus  zymbov  gurm  nuncupatus  (1294,  VII,  183),  ad  unum  vz- 
nos  (1240,  IV,  122,  auch  ad  unum  meatum  znos  dictum  1339,  ibid.  X, 
496)  usw.  usw. 

Die  Spuren  der  Volkssprache  in  diesen  Urkunden  wären  sicherlich 
zahlreicher  geworden,  wenn  die  Abhängigkeit  Kroatiens  von  Ungarn  auch 
in  diesen  Fällen  nicht  so  stark  zutage  träte,  denn  selbst  die  grenz- 
beschreibenden Urkunden  führen  unter  »vulgo«,  »vulgariter«,  »in  nostro- 
vulgari«  ungarische  Bezeichnungen  ein,  wobei  der  »vulgus«  jener  Gebiete 
sicherlich  nicht  ungarisch  war.  Sehr  gewöhnlich  sind  in  unseren  Urkun- 
den die  folgenden  ungarischen  Wörter:  almafa,  bik-,  byg-,  bykfa  (bükk- 
fa),  berekene-,  berekuna-,  berekunyafa  (berkenye),  cheresnafa  (cseresnye), 
eger-,  egur  (^ger),  gertan-,  gurtan-,  gyrtan-,  gyertanfa  (gyertyan),  harazt- 
fa,  haas-,  hasfa  (härs),  ihorfa  (juhar),  kurtue(l)buqur  (körtve(l)-bokor), 
moneroubocor  (mogyoröbokor),  nar-,  nirfa  (nyär,  nyir),  tulfa,  zylfa  (szil- 
fa),  Verbindungen  mit  -feld  (-föld),  -fenery  (-feny^r),  -kut,  -mezey,  vel- 
g(y)e  (völgy),  ad  fossam  quod  vulgo  dicitur  farcasverem  (Krizevci,  1277, 
Cod.  dipl.  VI,  199)  usw. 

Außer  diesen  in  den  Urkunden  zerstreuten  Glossen  hat  auch  ein 
lateinischer  Schriftsteller  Kroatiens  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  d.  i.  Joannes 
archidiaconus  Goricensis  (=  de  Guerche)  seine  Werke  kroatisch  glos- 
siert. Von  ihm  sagt  Racki  »da  je  dobro  znao  hrvatski,  kako  se  vidi  iz 
mnogih  hrvatskih  glosa  u  njegovu  djelu  i).     Doch  auch  diese  Glossen 

1)  Knjizevnik  .  .  .  Band  I  (1864)  S.  548. 


384  Fr.  Fancev, 

sind  gar  niclit  so  zahlreich.  Sein  einziges  erhaltenes  Werk^)  »Album 
capitulare«  (aus  dem  Jahre  1354)  kennt  hauptsächlich  die  folgenden 
Glossen:  quoniam  trunci  apum  alias  decimati  non  decimantur  secundario 
sed  novi,  qui  vulgariter  roy  vocantur  (S.  45),  GoricJie  vocautur  in  ivl- 
gari  sclauico  montes  (S.  48),  nomen  autem  Thoplica  sibi  trahit  a  calidis 
aquis  .  .  .  nam  in  tiulgari  sclauice  TJiopUce^  calide  aque  existunt  in  la- 
tino  (61),  dann  sessiones  colonorum  sereb  vocatas  (70),  et  alterius  milii 
borkules  wlgariter  dicti  (101),  bukeu  (US,  119),  bukouya  (120),  rakytia 
(120)  und  noch  einige. 

Der  eigentliche  Anfang  des  kaj- Schrifttums  in  unserem  Gebiete  ist 
darnach  in  das  Zeitalter  der  Reformation  zu  setzen.  Als  seinen  ersten 
Schriftsteller  betrachtet  man  bisher  Mihal  Bucic ,  den  Pfarrer  in  Belica. 
Seine  Tätigkeit  soll  er  kurz  vor  dem  Jahre  1574  entfaltet  haben,  welche 
Zeitbestimmung  auf  die  Verurteilung,  die  seine  Werke  durch  die  diözesa- 
nische  Synode  unter  dem  Bischof  Georg  Draskovic  (f  15S7)  vom  S.  März 
1574  2)  gefunden  haben,  gegründet  wird.  Wie  die  Reformation  ihre 
Verbreitung  hauptsächlich  auf  die  Volkssprache  gründete,  so  hat  dieselbe 
diözesanische  Synode,  um  der  Lehre  Bucic's  mit  Erfolg  entgegenzutreten, 
den  folgenden  Beschluß  gefaßt :  Et  quoniam  huic  impietati  audet  etiam 
illud  mendacium  attexere,  omnes  uimirum  veteres  Doctores  in  hac  sua 
perversa  opinione  fuisse,  hoc  est  non  credidisse  in  Sancta  Eucharistia 
veram  et  realem  praesentiam  Corporis  Christi:  placuit  Sanctae  Synodo, 
vel  saltem  aliquam  partem  ejusmodi  veterum  Patrum,  sententiarum  ac 
testimoniorum  in  medium  adducere,  et  lingua  slauonica  interpretari; 
Ut  et  mendacia  Buchiana  palam  fiant,  et  illi  qui  copiam  librorum  non 
habent,  aut  Graece  et  Latine  periti  non  essent,  veterum  Sanctorum  Patrum 
de  hoc  venerabili  sacramento  sententiam  intelligant. 

Doch  erscheint  als  sehr  wahrscheinlich,  daß  schon  vor  Bucics  Tätig- 
keit das  nationale  Schrifttum  ein  Werk  hervorgebracht  habe,  und  zwar 


1)  Herausgegeben  in  Monumenta  bist,  episcop.  Zagrab.  Vol.  II  von 
J.  B.  Tkalcic. 

2)  Vgl.  Catholica  et  christiana  doctrina  de  vera  &  reali  praesentia  cor- 
poris et  sanguinis  Christi  Domini  in  Sancta  Eucharistia  a  dioecesana  synodo 
almae  Zagrabiensis  Ecclesiae  die  VIII.  Martii  1574  [contra  Calvini  asseclam 
Michaelem  Buchich]  publicata,  nunc  vero  .  .  .  opera  &  studio  E.  P.  Venantii 
Glavina  per  notas  additis  etiam  tribus  corollariis  illustrata,  explieata,  Zagra- 
biae  1771  und  (mit  dem  erneuerten  Titelblatt)  1779. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     385 

dürften  dies  tmolitvene  knizice*^)^  welche  auf  Kosten  Katarina  Fran- 
kopans,  der  Gemahlin  Nikolaus  Zrinski  von  Siget,  im  Jahre  1560  ge- 
druckt waren,  sein.  Das  Vorhandensein  dieses  gänzlich  unbekannten 
Büchleins  verdanken  wir  einer  Notiz  des  Jesuiten  Baltazar  Milovec  in 
der  Widmung  seines  Dvoi  dussni  kinch  (Wien,  1661),  an  Katarina  Fran- 
kopan,  die  Gemahlin  des  kroatischen  Dichters  Petar  Zrinski,  der  sein 
trauriges  Ende  in  Wiener  Neustadt  am  30.  April  1671  gefunden  hat,  wo 
er  sagt:  Catharina  P'rankopan  onoga  povfzeh  narodeh  glafznovitoga  i 
vekivechnoga  fzpominka  vrednoga  viteza  Szigetchoga  Groffa  Zrinfzkoga 
Mikule  zakonui  tovarus,  vaffega  pak  szvetloga  gofzpocztva  prededa  Szti- 
pana  Frankopana  szesztra  leta  1560  bila  ie  vuchinila  fzvoie  i  unogim 
drugim  duffam  na  duhovnu  hranu  ftampati  molitvene  knyficze,  vu  ko- 
tereh  bil-ie  megy  drugimi  pobofnimi  navuki  i  molitvami  Marianfzki  i 
Mertvechki  officium  2).  Wir  dürfen  auch  als  sicher  annehmen,  daß  dieses 
Büchlein  in  keiner  Weise  von  der  Lehre  der  Reformation  beeinflußt  war, 
da  sich  sonst  Milovec  in  seiner  Vorrede  nicht  auf  die  Notwendigkeit  und 
Nützlichkeit  eines  solchen  Büchleins  berufen  hätte.  Es  ist  daraus  zu  er- 
sehen, daß  schon  in  den  Anlangen  des  kaj-Schrifttums  die  beiden  reli- 
giösen Richtungen  vertreten  waren. 

Es  erscheint  als  wahrscheinlich,  daß  in  der  weiteren  Entwicklung 
des  kajkavischen  Schrifttums  die  Übersetzung  Pergosics  des  Verböczi- 
schen  Dekretoms  einen  wichtigen  Wendepunkt  bedeutet,  es  scheint,  daß 
sich  unsere  rihtari,  die  gewöhnlich  aus  den  Kreisen  heimischer  Gewerbe- 
treibenden gewählt  wurden,  nach  der  Erscheinung  dieser  Übersetzung 
bewußt  geworden  sind,  daß  auch  ihre  gewöhnliche  Umgangssprache  für 
die  Behandlung  juridischer  Streitfälle  geeignet  ist.  So  dürfte  es  auf 
keinem  Zufall  beruhen ,  daß  z.  B.  die  Gerichtsprotokolle  der  Stadt  Kra- 
pina  gerade  mit  dem  Jahre  1574,  in  welchem  auch  die  oben  genannte 
Übersetzung  gedruckt  war,  beginnen  und  außer  den  ersten  zwei  Blättern, 


1)  Vgl.  auch  Vienac  1882  S.7ff. 

2)  Milovec  Dvojdusni  kinc  besteht  aus  »Prve  knyge  od  szlusbe  Mari- 
anzke«,  die  auf  S.  34 — 163  das  »Officium  B.  D.  Marie  .  .  .«  enthalten,  und  aus 
»Druge  knyge  od  oszlobogyenya  vernih  duss  iz  Purgatoriuma»  mit  dem  »Of- 
ficium za  verne  mertveh  dusse«  aufS.  4:(4 — 500.  Ob  also  das  »Marianszki  i 
Mertvechki  officium«  aus  dem  Buche  vom  Jahre  1560  und  jene  aus  Milovec 
Dvoj  dusni  kinc  in  welchem  Zusammenhange  stehen,  können  wir,  solange  das 
Buch  vom  J.  1560  nicht  bekannt  wird,  nicht  sagen,  wenn  es  auch  wahrschein- 
Jich  erscheint. 

Archiv  für  slavisclie  Philologie.    XXXV.  25 


386  Fr.  Fancev, 

welche  noch  lateinisch  beschrieben  sind,  weiter  wir  können  sagen  fast 
ausschließlich  Notizen  in  der  Volkssprache  enthalten.  Daß  das  Dekre- 
ten! den  Schreibern  jener  Protokolle  bekannt  gewesen  sein  muß  und  von 
ihnen  auch  benutzt  wurde,  beweisen  uns  einige  Stellen  in  den  Notizen 
dieser  Protokolle,  wo  man  sich  außer  an  die  »varaske  pravice«  und 
»obicaje«  (vgl.  ako  je  varaski  obicaj  J.  1575,  Bl.  29b,  poleg  nase  pur- 
garske  pravde,  J.  1574,  Bl.  30b,  ovde  je  tako  obicaj,  J.  1574  Bl.  33,  na 
pravdu  po  obicaju,  J.  1575,  Bl.  52 a^  sto  je  suprot  vseh  nasoj  pravici, 
J.  1594,  BL  56a,  cim  ima  te  vbog  varas  poleg  svojih  pravic  ziveti, 
J.  1594,  Bl.  56b)  auch  auf  das  erwähnte  Dekretom  berief  (wie  z.  B.  zasto 
tem  zive  orsag  i  v  Dekretome  tako  stoji  da  sto  gode  jeden  muski  spol  v 
takvo  dugovanje  da  ali  prikaze  poimene  kako  je  ta  moja  juterna  ali  da 
bi  vse  svite  bile  ali  kakva  koli  marha  da  jega  nitkor  ne  more  vzeti  .  .  . 
J.  1574,  Bl,  42a,  i  da  to  hoces  deki-etomom  posvedociti  J.  1575,  Bl.  49a, 
kde  je  njemu  ostavila  i  polag  Dekretoma  gde  tako  zove  gde  muz  zenom 
stece  kakovogode  imenje  i  marhu  i  prez  testamentoma  ako  muz  vmerje 
na  zenu  ostaje  .  .  .  J.  1575,  Bl.  49b,  da  nijeden  sudec  buduci  nigdar 
nemore  na  nikakovo  imenje  sehe  poterdbe  ali  lista  jemati  pod  svojim 
imenom  kako  i  v  Dekretome  tako  stoji  .  .  .  J.  1576,  Bl.  55a). 

Da  uns  aus  dieser  Periode  des  kajkavischen  Schrifttums  außer  Per- 
gosic  und  Vramec,  solange  uns  ein  glücklicher  Zufall  kein  Werk  Bucics 
oder  die  molitvene  knizice  aus  dem  Jahre  1560  in  die  Hände  spielt, 
nichts  übrig  geblieben  ist,  müssen  wir  die  Spuren  der  Volkssprache  auch 
in  solchen  nicht  ganz  literarischen  Dokumenten  verfolgen.  Somit  glauben 
wir  berechtigt  zu  sein,  auch  die  oben  erwähnten  Gerichtsprotokolle  der 
Stadt  Krapina  hier  als  ein  Produkt  des  kaj -Schrifttums  erwähnen  zu 
dürfen.  Leider  sind  dem  Beispiele  der  Stadt  Krapina  nicht  einmal  die 
beiden  Hauptstädte  Zagreb  und  Varazdin  gefolgt.  Die  ältesten  Proto- 
kolle der  Stadt  Varazdin,  in  die  Jahre  1454 — 1463  fallend,  unter  den 
Richtern  (rihtar)  Georg  Kramaric  und  Matthias  Pognar  sind  in  der  latei- 
nischen und  deutschen  Sprache  verfaßt,  die  ältesten  Protokolle  des 
XVI.  Jahrh.  aus  den  Jahren  1587—1589,  1592—1602  bewahren  außer 
einigen  kroatischen  Glossen,  zweier  Inventare  (aus  1587  u.  1601),  einer 
Reihe  von  Schwurformeln  der  städtischen  Funktionäre  aus  1596,  dem 
Vernehmen  der  Zeugen  in  der  Untersuchung  gegen  Skrinaric  und  einer 
anderen  gegen  Kuren  aus  1587 — 1588,  und  einer  Geldobligation  über 
240  Gulden  aus  1588  noch  ausschließlich  die  lateinische  Sprache. 

Wir  wollen  gleich  hier  betonen,  daß  zu  dieser  Zeit  die  ganze  Be- 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.      387 

völkerung  auch  in  dieser  Stadt  kroatisch  war,  was  uns  die  Personennamen 
und  ihre  noch  lebende  Bildung  auf  -ic  beweisen  i).  Die  Funktionäre  des 
Stadtsenates 2),  der  bürgerlichen  Schule  3)  und  der  Pfarrkirche*)  nach 
ihren  kroatischen  Namen  waren  alle  Söhne  des  kroatischen  Volkes  und 
doch  wurden,  den  Aussagen  Pergosics  und  Skrinarics  gemäß,  die  ersten 
Schrifsteller  dieser  Stadt,  die  es  gewagt  hatten  die  Volksprache  zu  ver- 
wenden, es  werden  hier  Pergosic  und  Vramec  gemeint,  eben  deswegen 
stark  angefeindet. 

Dem  Volke  genügten  für  seine  literarischen  Bedürfnisse  das  Volks- 
lied und  die  Volkserzählung.  Daß  das  Heldenlied  auch  bei  den  Kroaten  be- 
kannt war,  wurde  wiederholt  bestätigt.  Nach  Kuripesic  (1531),  der  aus- 
drücklich sagt,  daß  von  Malkosic,  Pavlovic  und  Kobilovic  »in  crabaten« . . . 
»vill  lider  gesungen  werden«,  verzeichnen  das  Heldenlied  in  Kroatien 
auch  Peter  Zrinski  und  Georg  Krizanic^). 

Zur  Bekämpfung  des  Einflusses  der  Volkspoesie  hat  Krajacevic 
seine  Kirchenlieder  geschrieben,  doch  wie  Gabr.  Jurjevic  so  auch  der- 
selbe Krajacevic  verlangen,  daß  ihre  Texte  nach  den  Weisen  der  be- 
kanntesten Volkslieder  gesungen  werden.  So  will  Krajacevic,  daß  seine 
»Ave  Maris  Stella«,  (Zdrava  zvezda  morzkä)  »na  notu  Hranila  devoyka 
tri  fzive  fzokole.  &c. «,  »0  gloriofa  Domina«  (0  Ti  Gozpa  odicfena) 
»na  notu:  Igralo  kolo  fiiroko.  etc.«,  »Zdrava  budi  Maria«  »na  notu: 
pofzeal  fzem  bafulek,  pofezal  ^^  fzem  draga  lyuha^).  etc.«,  »Szmi- 
luyfze  mene  o  Bofe«  »na  notu:  Lepomi  poj'e  cferni  köfz.  etc.«  gesungen 
werden;  Jurjevic  hat  in  seinem  »Opomenek«  auch  einige  Volkslieder  ge- 
nannt: Mogufze  i  popeuati  vfze  Hiftorie  na  notu  Höre  mite  etc.  Ali  na 
notu.     Ovo  vmira  vete  fzuet  etc.    Ali  na  drugu  notu.    Premilo  tufita 


1)  Vgl.  Vjesnik  kr.  hrv.  slav.  dalm.  zem.  ark.   Band  XIII  S.  63. 

2)  Als  rihtar  waren  am  Ausgange  des  XVI.  Jahrh.  in  Varazdin:  1587 — 8 
Skrinariö,  1589  Antilovic,  1590  Leon  Petrovic,  1591,  1594,  1600  Frario  Svrzic 
(Zwersich),  1592,  1597,  1599  Ivan  Ruke],  1593  Mirko  Ridanec. 

3)  Als  magister  scholae  werden  erwähnt:  Skrinariö,  Dragsiö,  Cena-Kola- 
ric,  Predojevic. 

*)  Als  Pfarrer  oder  Priester  kommen  vor:  Sedinid,  Simuniö,  Vramec, 
Kerben,  Makar  und  Sturman  und  pop  ©uro,  Stiefvater  von  P.  Bogac. 

5)  Jagiö,  Grafla  za  slovinsku  narodnu  poeziju,  in  Rad,  XXXVII. 

6)  Zu  diesem  Liede  bemerkt  Kuhac:  Mi  mozemo  stoga  popievke  »Sadila 
sambazulek«,  >Lepo  mi  poje  crni  kos«,  »Hranila  djevojka  tri  siva  sokola«  i 
»Igralo  kolo  siroko«  —  sa  njekom  sjegurnoscu  prenieti  u  XV  stoljece  (vgl. 
Juzno  slovjenske  narodne  popievke  ...  III  S.  127). 

25* 


388  Fr.  Fancev, 

dua  Vugra  mteza  etc.  Ali  fze  hote  druge  povolyneffe  note  izebrati,  ali 
sami  zmifzliti. « 

Wer  unser  Volk  kennt,  weiß,  daß  auch  heutzutage  jedes  wichtigere 
Ereignis  im  Dorf,  im  Lande  bald  sein  Lied  hat.  Diese  Gewohnheit  ist 
eher  im  Abnehmen  als  im  Zunehmen  begriffen.  Wir  wissen ,  wie  viele 
Spottlieder  auf  die  Verschwörung  Zrinski-Frankopan  den  Charakter  der 
Volkslieder  angenommen  haben.  Ein  solches  Gedicht  gab  Kukulevic  im 
Auszug  heraus;  dasselbe  Lied  wurde  vollinhaltlich  auch  in  »Vjesnik  kr. 
hrv.  slav.  dalm.  zem.  arkiva«  (Jahrg.  XI,  S.  llOfi".)  nach  einer  Hand- 
schrift im  Archiv  der  südslavischen  Akademie  in  Zagreb  veröffentlicht, 
und  wir  finden  es  auch  in  einer  Liedersammlung  aus  Drne  (bei  Kopriv- 
nica)  aus  d.  J.  1687  als  Cantiones  Georgii  Scherbachich. 

Außerdem  wurden  auch  im  kaj-Gebiete  die  Texte  der  bekannten 
mittelalterlichen  Literatur  abgeschrieben  und  verbreitet.  Jagici)  hat  schon 
auf  eine  kajkavische  Trojanersage  aufmerksam  gemacht.  Wir  haben 
auch  in  einer  Handschrift  aus  der  gewesenen  Chakathurner  Bibliothek 
des  ungarischen  Dichters  Nikolaus  Zrinski  (Zriny)^)  (f  1666)  drei  Stücke 
dieser  Literatur  entdeckt,  die  bisher  einem  gewissen  Joannes  Derechkay 
zugeschrieben  wurden. 

Diese  Handschrift  enthält  die  Sage  vom  weisen  Akyrios,  die  Tro- 
janersage und  den  Alexanderroman.  Alle  drei  von  derselben  Hand  ge- 
schrieben. Die  Überschriften  der  einzelnen  Teile  in  der  Handschrift 
lauten:   »Historia  Alexanch'i  Magni  descripta  anno  domini  1621  in- 


1)  Vgl.  Kukulevic  Arkiv  za  povjestnicu  jugoslavensku  Bd.  IX  S.  149. 

2)  >Nach  dem  Tode  Zrinyi's  gelangte  die  Bibliothek  in  den  Besitz  seines 
Sohnes  Adam,  der  jedenfalls  auch  seinerseits  zur  Vermehrung  der  interes- 
santen Sammlung  beitrug.  Adam  fiel  am  Schlachtfelde  von  Zalankamen  (Slan- 
kamen)  (19.  Aug.  1691)  und  die  Sammlungen  kamen  nun  in  den  Besitz  seiner 
Witwe,  der  Gräfin  Maria  Katharina  Lamberg.  Gräfin  Lamberg  heiratete  später 
den  Grafen  Maximilian  Ernst  Wlassin,  mit  dessen  Tochter  Leopoldine  die 
Bücher-  und  Waffensammlung  an  die  gräfliche  Familie  Dann  in  das  Stamm- 
schloß Vöttau  gelangte.«  (>Die  Bibliothek  des  Dichters  Nicolaus  Zrinyi  .  .  .< 
Wien,  1893,  S.  IV— V.)  Seit  dem  Jahre  1893  befindet  sich  dieselbe  in  der  kgl. 
Universitätsbibliothek  zu  Zagreb.  Auf  den  Umwegen,  die  sie  vor  dem  Ein- 
treffen in  das  Vaterland  ihres  großen  Gründers  gemacht  hat,  wurden  ihr  Bücher 
und  Manuskripte,  so  unter  anderen  auch  einige  tschechische  wie  ein  hand- 
schriftlicher Kodex  des  Mister  Jan  Hus  einverleibt ,  die  sie  ursprünglich  nicht 
besessen  hat.  Unsere  Beschreibung  dieses  Kodex  soll  demnächst  in  Druck 
erscheinen. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.      389 

cipiendo  die  30  Decembris  per  me  Joannem  Derechkay  possessorem  huius 
libri«  (zum  Schluß:  »finita  haec  historia  per  me  eundem  ut  supra  vel  in 
initio  die  IG  mensis  Jannuarii  anno  domini  1622«),  > Historia  od  Troie 
kako  zu  gerczi  Troiu  uzeli  zbogha  Helene  czezaricze  sene  Menelaufa 
kralia  Gerchkogha«  (zum  Schluß:  Per  me  Joannem  Derechkay  anno 
domini  1622  die  20  Jannuarii)  und  zuletzt  ^Historia  de  sapientissimo 
Achiore.  Anno  1622«  (zum  Schluß:  »Finis  huius  historiae  anno  domini 
1622  die  22  Mensis  Januarii«). 

Wer  dieser  Joannes  Derechkay  ist,  wissen  wir  bestimmt  nicht,  doch 
wir  vermuten,  er  könnte  mit  Joannes  Derechkai  identisch  sein,  der  im 
Jahre  1634  als  ein  Adeliger  in  Turopole  erwähnt  wird. 

So  steht  es  um  das  Schrifttum  in  Kroatien  an  der  Schwelle  des 
XVII.  Jahrh. 

II. 

Obwohl  die  neue  Lehre  im  XVII.  Jahrh.  noch  viele  Anhänger  in 
Kroatien  und  hauptsächlich  in  beiden  Hauptstädten  Zagreb  und  Varazdin 
gehabt  hat,  begnügten  sich  diese,  insofern  sie  der  Belehrung  in  der 
Volkssprache  benötigten,  mit  den  "Werken  der  Tübinger  Dalmatin- Istri- 
anischen Tätigkeit  und  vielleicht  jener  Bucics.  Sie  selbst  treten  mit 
keinem  Werke  mehr  auf.  Doch  wie  uns  einige  Nachrichten  belehren, 
hat  sich  auch  in  dieser  Ruhe  die  neue  Lehre  immer  neue  Anhänger  er- 
worben. Da  hat  man  sich  entschlossen,  auch  nach  Kroatien  und  vor 
allem  nach  Zagreb  den  Jesuitenorden  zu  berufen  ^).  Wie  uns  der  erste 
Historiograph  des  Zagreber  Jesuitenkollegiums  berichtet,  wurden  die  Be- 
sprechungen mehrere  Jahre  gepflogen ,  bis  sie  zuletzt  mit  Erfolg  beendet 
wurden.  Die  Zagreber  Jesuitenresidenz  (seit  dem  J.  1612  Kollegium) 
wurde  im  Jahre  1606  im  November  errichtet;  ihre  Gründer  sind  P.  Jo- 
annes Zanitius  Sclavus  Turociensis  als  Superior  und  P.  Peti'us  Vrago- 
vitius  (Vragovic),  ein  Sprößling  der  berühmten  kroatischen  adeligen 
Familie  Vragovic  von  Mariasovec  aus  Krizovlan  »prope  Vinicensem 
agrum  ad  ipsam  Dravi  ripam«,  als  Concionator. 

In  der  Geschichte  der  kroatischen  Literatur  wurde  oft  die  Behaup- 
tung wiederholt,  der  Jesuitenorden  wäre  hauptsächlich  mit  der  Aufgabe, 


1)  Anläßlich  eines  Streites  des  Kollegiums  mit  dem  Stadtsenat  im  Jahre 
1638  schreibt  Milovec:  ».  .  .  nee  nos  venisse  huc  iure  obtento  ingressu,  sed 
saepius  invltatos  et  a  senatui  amicissime  exceptos«  (Historia  Coli.  s.  J.  S.  94). 


390  Fr.  Fancev, 

der  neuen  Lehre  und  ihrem  nationalen  Schrifttum  ^)  entgegenzutreten,  be- 
traut worden.  Was  ihre  Tätigkeit  gegen  die  neue  Lehre  anbelangt,  ist 
die  obige  Behauptung  vollkommen  am  Platze ;  dafür  finden  wir  in  der 
Geschichte  des  Zagreber  Jesuitenkollegiums  auch  recht  viele  Beweise. 
Was  aber  die  Volkssprache  anbelangt,  könnte  die  obige  Behauptung 
einer  eingehenden  Prüfung  nicht  wiederstehen.  Man  muß  vor  allem  nur 
das  bedenken,  daß  die  Prediger  (concionatores)  von  Anfang  an  nur  Ein- 
heimische waren:  so  Petar  Vragovic  1606  — 1617,  Ludovik  Lucari  aus 
Spalato  1611—1621,  Petar  l^ubic  1622—1645,  NikolaKrajacevic  1624 
bis  1653,  Matija  Vernic  1629,  Ivan  Horvat  1631^  Luka  Krajacic  1632, 
Matija  Vodopia  aliter  Kovacic  aus  Zagreb  1633,  Nikola  Turcin  1637, 
Tomo  Magdalenic  1639,  Gaspar  Radic  1639,  Mihal  äikuten  1641,  Lovi-o 
Chrysogogno  aus  Spalato  1643,  Baltazar  Milovec  1636 — 1678  usw. 
Die  Predigt  selbst  konnte  ja  auch  dem  Volke  nur  in  seiner  eigenen 
Sprache  gehalten  werden. 

Die  Beredsamkeit  wird  auch  als  ein  Teil  des  Schrifttums,  ja  sogar 
der  Literatur  selbst  betrachtet,  dieses  letzte  besonders  dann,  wenn  man 
von  der  Beredsamkeit  »Schönheit  der  Sprache,  Schwung  der  Gedanken, 
Schärfe  der  Charakteristik,  Klarheit  der  Anordnung«  verlangt. 

Die  Kanzelberedsamkeit  der  Jesuiten  in  der  St.  Markuskirche  und 
in  der  Umgebung  muß  ja  schon  seit  den  ersten  Tagen  in  der  Volks- 
sprache gewesen  sein.  Unter  den  ersten  Predigern  werden  einige  aus- 
drücklich als  große  Redner  bezeichnet.  Große  Beredsamkeit  schreibt 
man  dem  ersten  Sonn-  und  Feiertagsprediger  P.  Vragovic  zu;  als  latei- 
nischer Prediger  zeichnete  er  sich  in  Olmütz  (Olomucii  ad  academicam 
iuventutem  insigni  cum  laude  latinas  habebat  conciones)  aus,  später 
wirkte  er  als  ungarischer  Prediger  in  Sellyö  in  Oberungarn  (qui  magni 
tunc  concionatoris  nomen  etiam  in  Hungaria  Selliae  obtinuerat).  Neben 
ihm  tritt  bald  als  Kanzelredner  in  Zagreb  und  »in  pagis  vicinis«  P.  Lu- 
kari,  »vir  magni  zeli«,  dessen  Beredsamkeit  auch  gelobt  wird  und  der 
nach  seinem  Tode  (f  1621  in  Zagreb)  im  Volke  als  Heiliger  (quod  cives 


1)  So  lesen  wir  bei  Surmin:  S  isusoveima  docte  i  drugi  smjer  u  litera- 
turu,  a  vec  smo  vidjeli,  kako  se  upravo  pod  novim  nastavnicima  promijenio 
smjer  dusevnoga  rada  i  u  Dubrovniku.  Razlika  je  samo  ta,  da  su  oni  ovdje  s 
voljom  gospode  radili  za  latinski  jezik,  a  u  Dubrovniku  nisu  mogli  sprijeciti 
narodnoga  rada  (Povj.  knjiz.  129 — 130).  Mit  Anerkennung  schreibt  über  ihre 
Verdienste  für  das  nationale  Schrifttum  Smiciklas  in  seiner  Povj.  hrv.  (vgl. 
Bd.  n,  S.  262). 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     391 

ob  sanctitatis  opiuionem  ex  capella  S.  Sebastian!  transferri  non  permi- 
serunt)  verehrt  wurde. 

Doch  hier  wollen  wir  eine  eigene  Gattung  der  Beredsamkeit,  welche 
einen  ganz  besonderen  Aufwand  pathetischer  und  glanzvoller  Diktion  ge- 
stattete, mit  einigen  Worten  berühren.  Dies  sind  die  Lobreden  und  die 
Leichen-  oder  Trauerreden. 

Neben  der  Predigt  begegnen  wir  schon  seit  den  ersten  Anfängen 
den  Lobreden  und  den  Trauerreden,  die  die  Jesuiten  anläßlich  der 
Feierlichkeiten  oder  des  Todes  der  großen  Würdenträger  gehalten  haben, 
und  neben  der  lateinischen  Sprache  herrschte  hier  schon  zeitlich  die 
kroatische.  Nach  unseren  Quellen  könnte  die  erste  kroatische 
Lobrede  jene  gewesen  sein,  die  P.  Lukari  1620  bei  der  Grundstein- 
legung für  die  Kapuzinerkirche  zu  Ehren  dieses  Ordens  dem  Volke  (ad 
circumfusam  multitudinem)  gesprochen  hat.  Die  erste  kroatische 
Trauerrede  soll  eine  von  den  zweien  (duplicique  concione)  auf  Georg 
Keglevic  (f  1621  in  Scta  Cruce)  gewesen  sein.  Neben  den  lateinischen 
Trauerreden  wurden  auch  die  kroatischen  1639  auf  den  Banus  Sigis- 
mund  Erdeödi  (f  in  Klanec),  1655  auf  Franz  Keglevic  (f  in  Pregrada), 
1662  auf  Georg  Frankopan  (f  in  Karlovac),  1669  auf  den  kommandieren- 
den General  Grafen  Johann  Herbert  von  Auersperg  (f  in  Zagreb),  1690 
auf  den  Banus  Emerich  Erdeödi  (f  in  Zagreb)  usw.  gehalten. 

Leider  ist  uns  keine  von  diesen  Eeden  erhalten  geblieben ,  darum 
können  wir  über  sie  gar  nichts  sagen,  es  ist  aber  als  sicher  anzunehmen, 
daß  in  diesen  Reden  die  ganze  Beredsamkeit  hineingelegt  wurde.  Die 
Redekunst  der  Jesuiten  in  der  Volkssprache  hat  aber  nur  dann  vollen 
Beifall  finden  können,  wenn  die  Sprache,  in  der  die  Reden  gehalten 
wurden,  einen  derartigen  Grad  der  Vollkommenheit  erreicht  hatte,  daß 
die  stilistischen  und  rhetorischen  Feinheiten  darin  zur  vollen  Geltung 
haben  kommen  können. 

Schon  gleich  in  den  ersten  Jahren  aber  treten  die  Jesuiten  auch  in 
anderer  Weise  vor  die  Öffentlichkeit,  die  Volkssprache  gebrauchend. 
So  lesen  wir  in  einer  Notiz,  daß  die  Zöglinge  des  Zagreber  Jesuiten- 
kollegiums bei  der  Fronleichnamfeier  im  Jahre  1614  kroatische  Kirchen- 
lieder —  recitata  a  nostris  etiam  scholaribus  carmina  jiatrio  sermone 
ad  stationes  in  processione  hac  —  gesungen  haben. 

In  die  Jahre  1621  — 1623  fallen  sicher  schon  die  ersten  Anfänge 
der  literarischen  Tätigkeit  Krajacevics ;  das  sind  seine  bekannten  Kirchen- 
lieder, die  er  in  den  Jahren  1621  — 1623  während  seiner  Missio  in  Tka- 


392  Fr.  Fancev, 

lec  (bei  Kri^evci)  gedichtet  hat  mit  der  Absicht,  durch  diese  Liedei-  — 
carminis  patrio  sermone  compodtis  —  seinen  Schülern  die  recht- 
gläubige Lehre  mundgerechter  zu  machen. 

Eine  Nachricht  in  der  Geschichte  des  Zagreber  Kolleginras  ')  könnte 
als  Beleg  dafür  gelten,  daß  die  der  Landessprache  unkundigen  Fremden 
gar  nicht  beliebt  waren.  So  schreibt  der  erste  Historiograph  im  Nekro- 
loge des  Paters  Nicolaus  Coronius,  eines  Schlesiers  (1617):  »Etsi  vero 
esset  externus,  utpote  eSilesia  oriundus,  wec  idiomatis  aclavonici  gnarua^ 
religiosae  tarnen  prudentiae  commendatio  charum  eum  fecerat«. 

Obwohl  die  Organisation  des  Jesuitenordens  eine  internationale  ist, 
und  gemäß  ihrer  »Ratio  seu  institutio  studiorum  Societatis  Jesu«  die 
lateinische  Sprache  ausdrücklich  in  Schutz  gegen  jedes  Übergreifen  der 
Volkssprachen  genommen  wurde,  konnten  sich  die  Kollegien  dem  An- 
dränge und  dem  Bedürfnisse  der  Volkssprache  nicht  ganz  verschließen. 
Man  sieht  dies  schon  daraus,  daß  immer  darauf  Bedacht  genommen 
wurde,  die  Kollegien  womöglich  mit  Einheimischen  zu  besetzen.  So  war 
es  auch  bei  uns.  Im  zweiten  Kalenderjahre  (1607)  des  Bestehens  der 
Zagreber  Jesuitenresidenz  begegnen  wir  nur  einem  Kroaten,  von  den 
fünf  übrigen  waren  aber  drei  Cechen  (Slovaken),  d.  h.  P.  Martinus  Sla- 
binus  Bohemus,  Joannes  Zanitius  Sclavus  Turociensis  und  Leonardus 
Pressol  Slavus  Turociensis.  Und  trotzdem  trachteten  die  Patres  bei  ihrer 
ersten  Vorstellung  wenigstens  das  Sujet  den  Landesgebräuchen  zu  ent- 
nehmen. Über  die  Vorstellung  berichtet  uns  die  »Historia  Collegii  Soci- 
etatis Jesu  in  monte  Graeco  Zagrabiae  siti«  folgendes:  Horum  omnium 
ut  profectus  in  literis  esset  illustrior,  possetque  clarius  declarari  quan- 
tum  sclavonica  Juventus  posset,  si  Magistrum  sortiretur  gnavum  ac 
prudenter  industrium,  placuit  Magistris  ipso  corporis  Christi  die  pericu- 
Inm  facere  eosque  utcunque  jam  exercitos  in  theatrum  producere.  Ac- 
tionis  comicae  argumentum  fuit:  Poeiica  laudatio  varianwi  Sclavoniae 
p)artium  earumque  omnium  expressio  ^  quae  in  singulis  earum  partim 
in  fructibus  partim  in  moribus,  eminerent  essentque  cuius  propria.    Res 


1)  Die  Geschichte  des  Zagreber  Jesuitenkollegiums  ist  in  der  »Historia 
Collegii  Societatis  Jesu  in  monte  graeco  Zagrabiae  siti«  beschrieben  worden; 
sie  wird  in  der  kgl.  ungar.  Universitätsbibliothek  zu  Budapest  unter  der  Sig- 
natur Ab  1301  (1006—1726)  &  II  (1727—1772)  aufbewahrt.—  Wir  haben  in 
einem  Auszug  für  die  >Starine<  der  südslav.  Akademie  aus  ihr  hauptsächlich 
solche  Notizen  gesammelt,  die  die  kulturelle  Tätigkeit  desselben  Kollegiums 
beleuchten  sollen. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     393 

haec  etsi  uon  babuerit  omnes  numeros  actionis  comicae,  uti  solet  in  priii- 
cipiis  evenire,  nihilomiuus  quia  bactenus  invisa  res  et  insolens  fait,  tau- 
tum  meruit  plausumt  ut  forum  S.  Marci  quod  alias  sat  pro  hoc  loco  capax 
est  accurrentium  multitudinem  vix  capere  potuerit«  i). 

Im  dritten  Kalenderjahre  kommen  neben  Vragovic  noch  zwei  Kro- 
aten, einer  aus  Spalato  namens  Ludovik  Lukari  und  ein  anderer  aus 
Zagreb  namens  Ivan  Mislenovic  vor  und  in  den  weiteren  Jahren  sind  die 
Kroaten  immer  in  der  Überzahl  gewesen. 

Wenn  auch  diese  wenigen  Bemerkungen  noch  als  kein  Beweis  für 
eine  besondere  Liebe  zur  nationalen  Sprache  gelten  können,  sind  wir 


1)  Sichere  Daten,  daß  vor  dem  Jahre  1766,  in  welchem  Cyrus  (suprema 
grammatices  classis  in  fine  anni  scholastici  croatico  sermone  Cyrum  in  solium 
evocavit  non  modo  populo  verum  etiam  nobilitate,  quae  copiosa  affluxerat  et 
actionis  venustatem  et  patrii  sermonis  elegantiam  et  inauditara  svavitatem 
admirante)  in  der  Volkssprache  aufgeführt  wurde,  die  kroatischen  Dramen 
im  Zagreber  Jesuitenkollegium  aufgeführt  wurden,  haben  wir  nicht;  in  den 
späteren  Jahren  wurden  noch  in  der  Volkssprache  aufgeführt  im  Jahre  1768 
Codrus  und  der  bekannte  Li/simacJtus  (Suprema  grammatices  classis  in  anni 
scholastici  exitu,  dum  bene  meritorum  nomina  promulgarentur,  Codrum  lingua 
patria;  eodem  parifer  idininate,  Media  Lysvuachum)  und  im  Jahre  1770  ^Titi 
dementia^  (.  .  annum  denique  clausit  applaudente  theatro  lingua  patria  Titi 
clementia).  {Über  die  Jesuiten  Vorstellungen  in  Zagreb  vergl.  Vienac  1897 
S.  375  und  Rad  146  S.  1  ff.) 

Die  Patres  des  Zagreber  Kollegiums  veranstalteten  bei  ihren  Missionen 
in  Karlovac  auch  die  Vorstellungen,  da  die  Sprache,  in  der  aufgeführt  wurde, 
nicht  erwähnt  wird,  so  wird  die  lateinische  gemeint.  So  wurde  dort  1647 
Isaac  (Sacro  die  Parasceves  productum  in  publicum  theatrum  spectaculum  il- 
lic  locorum  numquam  antea  visum;  fuit  illud  Isaac  novi  testamenti  Christus 
ex  mandato  patris  iussus  aram  conscendere,  tantis  lacrimis  et  gemitibus  spec- 
tatum,  ut  nisi  qui  vidit  vix  credere  possit),  1648  Se/ uaior  mit  dem  Prolog  in 
der  kroatischen  Volkssprache  (Die  qua  patientis  Christi  memoria  recolitur,  da- 
tus  in  scenam  innumerae  spectatorum  multitudini  idem  Servator  vivus  in  cruce 
pendens  Matris  et  coelituum  lacrimis  deploratus,  a  solo  peccatore  illusus,  ir- 
risus,  vim  lacrimarum  tantam  in  ipsis  illustrissimis  viris  et  heroibus  excivit, 
ut  palam  dixerint  se  ne  parentum  charorumque  mortem  tot  lacrimis  deflevisse. 
Debuerunt  versus  lingua  vernacula  in  proscenio  rccitati  describi  et  divulgari 
quo  teueriores  affectus  renovarent  et  foverent)  aufgeführt. 

Doch  wie  das  Sujet  der  ersten  Vorstellung  nach  den  Landesgebräuchen, 
wurden  auch  sonst  die  Dramen  aus  der  einheimischen  Geschichte  bearbeitet,  so 
Thuroczy  (1615),  Cech  und  Lech  (1702),  SissieJisis  victoria  1593  (1717),  Joh. 
Braskovic  {1132),  Nicolaus  Zrinius  Szigeth{n4Q],  Thomas  Nadasdi,  derTürken- 
besieger  bei  Jasenovac  (176^)  usw. 


394  Fr.  Fancev, 

doch  berechtigt  anzunehmen,  daß  ihre  eventuelle  Feindschaft  dieser 
Volkssprache  gegenüber  ihrer  Verwendung  nicht  Abbruch  tat.  Dies 
wird  ja  noch  erklärlicher,  wenn  man  in  Betracht  zieht,  daß  es  selbst  zur 
Belehrung  der  Geistlichkeit  notwendig  war,  die  Volkssprache  zu  bentitzen, 
wie  es  diese  Notiz  befKrajacevic  beweist:  Duhovnem  takajse  pashrom 
(tak  mi  se  cini)  da  hote  biti  ove  knige  na  potreboöu  onem  poimene  ki 
vu  dijadkom  Jezike  nesu  gluboko  gazili  tiiti  se  vu  svetom  pisme  vnogo 
potili.  Auch  bei  der  diözesanischen  Synode  vom  Jahre  1634  wurde  die 
Geistlichkeit  von  einem  Jesuiten  über  das  Thema  »de  sacerdotii  digni- 
tate«  t>vulgari  idiomatei-  belehrt. 

Zieht  man  ferner  in  Betracht,  daß  die  erste  Hälfte  des  XVII.  Jahrh. 
fast  keinen  anderen  Schriftsteller  ^)  in  der  Volkssprache  als  den  Jesuiten 
Krajacevic-Sartorius  kennt,  und  in  der  zweiten  Hälfte  desselben  Jahr- 
hunderts vor  allem  die,  die  nationale  Sprache  besonders  pöegten,  Milovec 
und  Habdelic  zu  nennen  sind,  wenn  wir  weiter  zu  diesen  noch  einige  er- 
wähnen, von  denen  man  Nachrichten  hat,  daß  sie  auch  ihre  Werke  in 
der  Volkssprache  geschrieben  und  im  Drucke  herausgegeben  haben,  ob- 
wohl wir  diese  Werke  zurzeit  noch  nicht  kennen,  und  zwar  sind  dies 
Petar  Lubic  (nach  Kukulevic,  Sommervogel  usw.),  Andrija  Makar  und 
Nikola  Galovic  und  einer,  der  dem  Namen  nach  nicht  erwähnt  wird,  aber 
dem  wir  Übersetzung  des  »Szobottni  kinch  blasene  devicze  Marie«  (aus 
dem  ungarischen  Original  »Az  Boldogsagos  szüz  Maria  Szombattya« 
Paul  Esterhazis)  erschienen  in  Zagreb  1696,  welche  bis  jetzt  der  Gräfin 
Maria  Magdalena  Nadasdi-Draskovic  zugeschrieben  wurde,  verdanken, 
verliert  die  obige  Behauptung  von  der  Feindschaft  der  Jesuiten  dem 
nationalen  Schrifttum  gegenüber  um  so  mehr  an  Wahrscheinlichkeit. 

Die  Stellungnahme  der  Jesuiten  zum  nationalen  Schrifttum  war  schon 
durch  die  vorbereitende  Tätigkeit  der  Paulinermönche,  die  schon  vor  dem 
Auftreten  der  Jesuiten  in  einem  günstigen  Sinne  der  nationalen  Sprache 
und  Kultur  gegenüberstanden,  bedingt  und  nur  so  ist  es  zu  erklären,  daß 


1)  Zu  Ende  der  ersten  Hälfte  des  XVII.  Jabih.  tritt  neben  Krajacevic 
noch  Juraj  Eatkaj  mit  der  Übersetzung  der  »Kriposti  Ferdinanda  II.«  des 
Jesuiten  Lamormain  (Wien,  1640)  auf.  Wenn  er  zu  dieser  Zeit  schon  Welt- 
priester war,  war  er  doch  noch  unmittelbar  vor  dem  Jesuit,  war  auch  mit  P. 
Habdelic  befreundet,  mit  welchem  er  auch  zu  gleicher  Zeit  (um  das  Jahr  16.35) 
zum  Studium  in  Graz  war.  Juraj  Eatkaj  lehrte  am  Zagreber  Kollegium  im 
Jahre  16H7  die  Principia. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     395 

die  Jesuiten  die  beliebten  Paulinermöncbe  mit  der  Zeit  ganz  in  den  Hin- 
tergrund gedrängt  hatten  i). 

Damit  schließen  wir  diese  allgemeinen  Betrachtungen,  die  die  her- 
kömmliche Ansicht  über  den  schädlichen  Einfluß  der  Jesuiten  auf  die 
Entwicklung  des  nationalen  Schrifttums  berichtigen  sollten,  und  gehen 
auf  einige  Einzelheiten  über,  die  ihre  diesbezügliche  Tätigkeit  näher 
beleuchten  sollen. 

Beginnen  wir  mit  P.  Nikolaus  Sartorius,  denn  nur  unter  diesem 
Namen  wird  er  immer  in  der  >Historia  Collegii  Soc.  J.  in  monte  Graeco 
Zagrabiae  siti«  genannt,  erst  Milorec  und  Habdelic  haben  seinen  kro- 
atischen Familiennamen  Miklovus  Krajacevic  in  Gebrauch  gesetzt. 
Sein  Leben  nahm  einen  anderen  Lauf,  als  man  dies  aus  der  Darstellung 
bei  Kukulevic  entnehmen  würde.  In  der  Jugend  wählte  er  wahrschein- 
lich als  Sohn  eines  Grenzervojvoden  namens  Vuk  Krajacevic  (lebte  noch 
um  das  Jahr  1610)2)  selbst  die  militärische  Laufbahn  —  »in  iuventute 
miles«  schreibt  Milovec  im  Elogium  Krajacevics  — ;  doch  bald  hat  er 
von  ihr  Abschied  genommen,  um  sich  dem  geistlichen  Stande  zu  widmen. 
Daß  er  hier  bald  zu  Ansehen  kam,  dürfen  wir  aus  der  Tatsache  schließen, 
daß  wir  ihn  schon  im  Jahre  1614  als  Domherrn  und  Archidiakonus 
Chazmensis  des  Zagreber  Kapitels  vorfinden.  Er  gab  jedoch  diese  seine 
Weltpriesterwtirde  am  27.  März  1615  3)  auf,  um  sich  nach  Brunn  zu  be- 
geben, wo  er  sein  zweijähriges  Noviziat  (1616 — 1617)  verbrachte.  Im 
J.  1618  begegnen  wir  ihm  im  Zagreber  Jesuitenkollegium  als  Operarius, 
1619  als  Procurator;  1620  ist  er  »ad  tertium  probationis  annum«  nach 
Eberndorf  gegangen.  1621  — 1623  wirkt  er  als  Missionar  in  Tkalec  (bei 
Krizevci),  1624^)— 1630,  1632—1634  in  Zagreb  als  Concionator,  Con- 
sultor  und  Praeses  congregationis  civicae,  1631  Rector;  1634 — 1636  war 
er  Superior  der  im  J.  1633  gegründeten  Residenz  in  Varazdin.    In  den 


1)  Vgl.  Smiciklas  Pov.  Hrv.  IL  261  ff. 

2)  Vgl.  Lopasic  Spomenici  hrv.  krajine  IL  15  (in  >Monum.  spect.  histor. 
Slav.  meridion.<  XVI). 

3)  Vgl.  außer  in  Histor.  coUeg.  J.  J.  Zagr.  auch  Marcellovich  Extractus 
dipl.  Croat.  in  d.  kgl.  Universitätsbibl.  zu  Zagreb  (SM.  31  C  4)  unter  den  Jahren 
1614  und  1615. 

4)  Zu  dieser  Zeit  besuchte  er  auch  die  Rechtsschule  Balth.  Dvornicic 
Napulys  in  Zagreb  (vgl.  Scriptorum  .  .  .  collectio,  S.  37,  Kukulevic  Knjizev- 
nici  .  .  .  S.  299,  Klaic  in  Hrv.  Kolo,  Kn.  VII  [1912]  S.  7). 


396  Fr.  Fancev, 

Jahren  1637  — 1641  hat  er  sich  wahrscheinlich  in  Preßburg  (Pozsony) 
aufgehalten,  da  in  diesen  Jahren  (1639  und  1640)  seine  Werke  dort  ge- 
druckt wurden;  in  einem  von  diesen  Jahren  oder  im  J.  1651  war  er  der 
illyrische  Seelsorger  (poenitentiarius)  in  Rom.  In  den  J,  1642 — 1643 
war  er  zum  zweiten  Male  Rektor.  Von  dem  J.  1644  an  bis  zu  seinem 
Tode  (9.  März  1653),  ausgenommen  das  J.  1651,  bekleidete  er  noch  die 
folgenden  Würden  im  Zagreber  Kollegium:  Confessarius,  Consultor, 
Monitor,  Praefectus  Spiritus  und  Vicerector  (1649 — 1650). 

Nicht  ganz  richtig  waren  wir  bis  jetzt  über  seine  literarische  Tätig- 
keit unterrichtet.  Sein  erstes  Werk  erschien  im  Druck  jedenfalls  noch 
während  der  Lebzeiten  des  Zagreber  Bischofs  Petar  Domitrovic  (f  17.  Juni 
1628),  wie  dies  ausdrücklich  einige  Stellen  in  seinen  Molitvene  knyisicze 
(Posonii  1640)  und  in  Szveti  Evangeliomi  (Graz  1651)  beweisen.  Im 
Vorwort  zu  seinen  Molitvene  Knyisicze  (S.  6a)  lesen  wir  folgendes:  »i 
kak  je  je  negda  negdasui  blazenoga  spomenka  gosp.  Peter  Domitrovic 
biskup  zagrebecki  bil  vcinil  preobrnuti  i  po  tnene  dopustil  vu  prveh 
slovenskeh  knizicah  Hampati:  i  (kak  mi  se  cini)  vu  svojem  biskupskom 
spravisce  zapovedal  plebanusem  pred  luctvo  davati  .  .  . « ;  dieselbe  Be- 
hauptung wiederholt  er  auch  im  Vorwort  zu  Sveti  evangeliomi  (S.  bib): 
»i  po  negdasnem  (blazenoga  spomenka)  Petre  Domitrovice  zagrebeckom 
biskupe  obcinene  i  stampum  potvrdene«.  Dieses  sein  Werk  ist  demnach 
jedenfalls  vor  das  Jahr  1628  anzusetzen. 

Über  die  Entstehung  seiner  Kirchenlieder,  durch  die  er  die  Volks- 
lieder zu  verdrängen  bedacht  war,  wußte  man  bis  jetzt  gar  nichts.  Ihre 
Entstehung  fällt  nämlich  in  die  Zeit  seiner  Missionstätigkeit  in  Tkalec  in 
die  Jahre  1621 — 1623,  wie  uns  diesbezüglich  eine  Notiz  in  der  oben- 
genannten »Historia«  über  die  »Missio  Calecensis«  unterrichtet.  Dort 
lesen  wir  unter  anderem  folgendes :  Huc,  ubi  nostros  delatos  fama  vulga- 
vit,  certatim  ex  vicinis  pagis  accursus  coepit  fieri  ad  divini  verbi  pabu- 
lum,  edocti  sunt  orationem  dominicam,  salutationem  angelicam,  symbolum 
fidei,  praecepta  decalogi  etc.,  quod,  ut  commodius  iieret,  cantilenis  in 
patrio  sermone  compositis  propinabatur  rudi  plebi:  personabant  ijs  postea 
sylvae  et  campi,  rustico  ad  aratrum,  vinicola  ad  ligonem  pios  versus  sibi 
modulante,  parvulis  senes  docentibus  ad  lachrymas,  quod  eorum  discipuli 
esse  cogerentur,  quorum  praeceptores  eos  esse  oportuerat,  pudebat  enim 
603  tam  ignorantis  senectutis,  nee  mirum  fuit,  quod  prima  nescientes 
rudimenta  crucem  facere,  decalogum  recitare  etc.  reliqua  etiam  ut  rosaria, 
sacras  icones,  agnos  cereos,  lustralem  aquam  etc.  velut  crepundia  infan- 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschiebte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     397 

tium  aut  deriserint  aut  contempserint:  festis  vero  diebus  servilia  opera 
exercere,  aut  divina  negligere,  detrahere,  maledicere,  pejerare,  furari, 
praedari,  fornicari,  inebriari  etc.  bis  affinia  nee  materiam  confessionis 
aestimarint,  solum  ea  vitia  arbitrantes,  a  quibus  ipsa  abhorret  natura« 
(S.  58). 

Diese  Kirchenlieder  sind  enthalten  in  den  »Molitvene  knyisicze« 
(Posonii  1640)  S.  373—490,  und  in  »Szveti  Evangeliomi«  (Graz  1651) 
S.  187—237. 

Sein  zweites  Werk  sollte  »Manuale  sodalitatis«,  gedruckt  in  Pozsony 
1639,  gewesen  sein,  wie  dies  SotweH)  zum  ersten  Male  erwähnt;  diese 
Behauptung  gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit  dadurch,  daß  er  mehrere 
Jahre  (1625 — 1633)  als  »praeses  sodalitatis  civicae«  wirkte. 

Sein  drittes  Werk  sind  die  -»Molitvene  Knyisicze.  \  Vszem  |  Chri- 
stusevem  \  V^rnem  Szlovenzkoga  |  Jezika,  priztoyne  i  | ,  hasznovite.  | 
Z- Dopuscsenjem  \  Görnyeh,  drugocs  obilnöh  |  pifzane,  i  ftam|pane.  j 
Vu  Posone,  |  Na  j  M.DC.XL.  |  Leto.«,  gegenwärtig  nur  in  einem  defekt 
erhaltenen  Exemplar  in  der  Bibliothek  der  südslavischeu  Akademie  zu 
Zagreb  bekannt.  Wie  aus  dem  Titel  zu  ersehen  ist,  ist  dieses  Gebetbuch 
als  neue  (zweite)  erweiterte  Auflage  (drugoc  obilne  pisane)  jenes  ersten 
vor  dem  Jahre  1628  gedruckten  »slovenischen«  Büchleins  (vu  perveh  slo- 
venskeh  knizicah)  zu  betrachten. 

Als  sein  viertes  Werk  gelten  nach  den  Resultaten  der  Forschung 
Hajnals^)  die  »Szveti  evangeliomi,  koterimi  szveta  czirkva  zagrebecska 
szlovenska  okolu  godifcsa,  po  Nedelye  te  Szvetke  five  .  .  .  Vu  Nemshom 
Gradcze  1651,  die  man  dem  Bischof  von  Zagreb  Petar  Petretic  zuge- 
schrieben hat. 

Im  Jahre  1657,  wo  Krajacevic  nicht  mehr  am  Leben  war,  gab 
P.  Baltazar  Milovec  dieselben  »Molitvene  knyisicze«  noch  einmal  heraus. 
»Imas  potlam  cele  knizice,  (gde  vu  cetrtom  delu  naides  modus  blizne  k 
smrti  priprave)  pune  lepimi  navuki,  poboznimi  molitvami  k  vsakomu  vre- 
menu  prilicnemi  cirkvenemi  litaniami  i  popevkami.  Negda  pokojnoga 
P.  Miklovusa  Krajacevica,  Redovnika  reda  Jezuitanskoga  trudom  spra- 
vljene  i  stampane,  a  vezda  znovic  na  hasen  slovenskoga  naroda  pod 
stampom  skupa  z  ovem  sto  je  pridano  slozene«.    (Vorwort). 


1)  Vgl.  seine  Fortsetzung  von  Alegambes  Bibliotheca  scriptorum  soc. 
Jesu  . .  .  Romae,  1676.    Nach  ihm  dann  Czvittinger.  Horanyi  usw. 

2)  Vgl.  Archiv  f.  sl.  Phil.  Bd.  XXVIII,  S.  3 15  ff. 


398  Fr.  Fancev, 

Die  Arbeit  Krajacevics  setzte  P.  Balfazar  31ilovec  fort.  In  unseren 
Literaturdarstellungen  wie  auch  bei  Stöger,  De  Backer,  Sommervogel  ist 
er  ganz  unbekannt  geblieben.  Geboren  war  er  in  der  Murinsel  wahr- 
scheinlich in  den  ersten  Jahren  des  XVII.  Jahrh.  Aus  seinem  Leben 
können  wir  folgendes  anführen.  Um  das  Jahr  1630  war  er  za  Studien- 
zwecken in  Tyrnau  (vgl.  Hoc  continuator  Historiae  oculatus  testis  dum 
anno  eodem  (1630)  Tyrnaviae  doceret  a  primis  Patribus  et  ab  ipsomet 
Patre  Dobronoki,  cum  quo  erat  coniunctissimus  .  .  .),  in  diese  Zeit  fällt 
wahrscheinlich  sein  philosophisches  Triennium.  Im  Zagreber  Kollegium 
erscheint  er  zum  ersten  Male  im  Jahre  1635  als  Magister  und  lehrte  1635 
die  Principia,  1636  die  Syntasis.  In  die  Zeit  1637 — 1642  fällt  jeden- 
falls sein  theologisches  Quadriennium,  wo  er  es  besuchte,  wissen  wir 
nicht.  Nach  der  Absolvierung  der  theologischen  Studien  lehrte  er  im 
Jahre  1643  als  Pater  die  Poetik  an  der  Jesuitenresidenz  in  Soprony.  Im 
Jahre  1646  erscheint  er  zum  zweiten  Male  in  Zagreb  als  »Concionator 
festivus*.  Neben  der  Würde  des  Predigers  bekleidete  er  in  dieser  Zeit 
bis  zum  Jahre  1652  noch  die  Würden:  Praeses  congregationis  civicae, 
scholarum  praefectus,  außerdem  Confessarius  und  Consultor.  Im  Jahre 
1653  mußte  er  vor  der  Verfolgung  des  Zagreber  Stadtrichters,  dessen 
Frau  er  in  einer  Predigt  in  der  Pfarrkirche  des  heiligen  Markus  in  die 
Verbindung  mit  den  Zaubereien  in  Radkersburg  in  der  Steiermarkt  ge- 
bracht hat,  die  Stadt  Zagreb  verlassen.  Doch  in  diese  seine  Verbannung 
ist  Milovec  freiwillig  (amans  quietis  a  Superioribus  abitum  expetiit)  ge- 
gangen. Die  Jahre  1654 — 1655  verbrachte  er  in  der  Missio  Nadas- 
diana  d.h.  Franz Nadasdi,  nach  seiner  Bekehrung  im  Jahre  1643  gründete 
er  an  seinem  Hofe  eine  »missio  Nadasdiana«,  zu  der  die  Jesuitenresidenz 
in  Soprony  immer  zwei  Patres  ausgesendet  hat. 

Doch  der  Stadtrichter  und  die  beleidigten  > Wahrsagerinnen«  ver- 
breiteten aus  Rache  über  unseren  guten  Milovec  die  schrecklichsten 
Sachen  »expulsum  in  Bohemiam,  jam  carceri  inclusum,  jam  a  Societate 
dimissum«.  Doch  dies  genügte  dem  Stadtrichter  nicht,  er  fand  auch 
andere  Märchen  erzählend  »qualiter  concionator  (d.  i.  Milovec)  ex  Aula 
Magnatis  primarii,  apud  quem  in  Hungaria  morabatur,  cum  ignominia  ad 
tubas  et  tympana  fuerit  expulsus«.  Milovec  suchte  Schutz  bei  Nadasdi, 
der  ihm  auch  reichlich  zuteil  wurde.  Nadasdi  ließ  nämlich  den  Stadt- 
richter, der  sich  zu  dieser  Zeit  als  Ablegat  für  die  Comitia  in  Pozsony 
aufhielt,  durch  den  Pozsony  er  judex  nobilium  »in  hospitio«  fangen  und 
gleich  nachher  auch  in  den  Arrest  (in  publicum  carcerem)  einsperren. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     399 

Dem  Stadtrichter  gelang  es  jedoch  sich  zu  befreien  und  nach  Zagreb  zu 
flüchten.  Doch  auch  dort  folgt  ihm  der  Verfolgungsbrief  Nadasdis,  »in 
quibus  exigebat  tam  foedum  Aulae  suae  denigratorem  sibi  ad  iudicium 
sisti,  secus  se  vigore  sui  officii  processurum,  contra  civitatem«,  und  erst 
auf  Einspruch  des  Zagreber  Kollegiums  und  seines  Rektors,  des  Provin- 
zais »qui  tunc  in  secunda  aderat  CoUegii  visitatione«,  und  Milovecs  selbst, 
bei  denen  der  Stadtrichter  um  Gnade  flehte,  indem  er  alle  seine  Verleum- 
dungen gegen  Milovec  (fatetur  se  totius  imposturae  authorem  esse,  depre- 
catur,  implorat  auxilium  apud  Curiae  judicem.  Advocato  concionatori 
flexis  deprecatur  genibus  promissit  omnem  afi"ectum)  zurückzog,  konnte 
er  sich  der  strafenden  Hand  Nadasdis  »ea  tarnen  conditione,  ut  coram 
senatu  excuset  factum  suum«  erretten. 

Milovec  wurde  bei  seiner  Rückkehr  nach  Zagreb  im  Jahre  1655,  ob- 
wohl ihm  von  verschiedenen  Seiten  sogar  mit  Steinigung  gedroht  wurde, 
in  der  feierlichsten  Weise  in  der  St.  Markuskirche  empfangen.  Milovec 
hat  selbst  diesen  ersten  Empfang  in  »Historia  collegii«  beschrieben: 
Nihilotamen  minus  data  syncera  informatione,  concionator  ab  externis 
animatus  et  confisus  Deo  populique  pristino  afi'ectui,  prodijt;  et  ecce  tibi 
lapides  illi  conversi  in  amplexus,  salutationes,  lacrimas  gratulantium  sibi 
et  concionatori  per  plateas  et  forum  obviantium  utriusque  sexus  homi- 
num.  Invenit  ille  in  ecclesia  tantam  populi  multitudinem,  quantam  ibi 
nunquam  viderat  antea.  Dixit  ad  lacrimas,  quibus  profusos  dimisit 
auditores  Deoque  gratias  agentes  de  recepto  totque  votis  expetito  con- 
cionatore. 

Seit  dem  Jahre  1655  war  er,  ausgenommen  die  Jahre  1663,  1666 
bis  1668,  1675  und  1677,  die  ganze  Zeit  bis  zu  seinem  Tode  in  Zagreb, 
die  folgenden  Würden  innehabend:  concinator  dominicalis,  festivus  und 
matutinus,  minister,  regens  Seminarii,  praeses  congregationis  S.  Isidori 
und  sodalitatis  Agoniae,  praefectus  terapli,  corrector  lectorum  mensae, 
consultor,  procurator,  confessarius,  operarius  und  seit  dem  Jahre  1670 
noch  historicus  collegii.  Von  den  Jahren,  die  er  nicht  in  Zagreb  war, 
wissen  wir  nur,  daß  er  im  Jahre  1663  zum  zweitenmal  in  der  Mission 
bei  Nadasdi  war,  doch  weil  die  noch  im  selben  Jahre  »inter  turbas 
Patriae«  aufgelöst  wurde,  wurde  Milovec  zuerst  ad  procuratorium  (nach 
Soprony),  demum  ad  Zagrabiense  seminarium  regendum  dispositus. 

Er  ist  gestorben  in  Zagreb  am  17.  Jänner  1678, 

In  seinem  Elogium  lesen  wir  über  seine  literarische  Tätigkeit  folgen- 
des: Nee  minorem  curam  habuit  in  adornanda  anima  sua  et  alterna  eins 


400  Fr.  Fancev, 

Salute  procuranda ,  dum  conscriptis  projjria  manu  lihellis  aliquibus, 
quid  sibi  expediret,  factum  fuisse  in  morte,  ut  in  eo  vita  durante  se  quoti- 
die  exerceret. 

Wieviel  uns  bekannt  ist,  tritt  er  in  der  Geschichte  unseres  Schrift- 
tums zum  ersten  Male  im  Jahre  1G57  mit  der  erneuerten  Ausgabe  der 
Molitvene  knizice  »Negda  pokojnoga  P.  Miklovusa  Krajacevica  .  .  .  tru- 
dom  spravlene  i  stampane,  a  vezda  znovic  na  haseu  slovenskoga  naroda 
pod  stampum  z  ovem  sto  je  pridano  slozene«  auf. 

Sein  zweites  Werk  »Dcoi  Dussni  Kinch  jeden  Vernim  fivim,  K- 
fzrechnomu  preminku,  Na  duhovni  fztrofek.  Drugi  Vernim  mertveh 
Dufsam  na  odkup  Iz  vnogih  pobofnih  knyg  fzkupa  fzpraulyen  ,  .  .  Stam- 
pan  vu  Bechu,  Pri  Mattheu  Cosmeroviu  Stamparu,  Leta  1661«  widmete 
er  »Svetle,  visoko  i  dobrorodene  gospe,  gospe,  grof  Ane  Katarine  od 
Frankopanov,  vekivecne  grofine  od  Trsata,  svetloga,  zmoznoga,  visoko 
i  dobrorodenoga  viteskoga  gospodina,  gospodina  Petra  Zrinskoga  veki- 
vecnoga  grofa  od  Zriiia,  cesarove  i  kraleve  svetlosti  komornika  i  tana- 
cnika,  zumburskoga  i  ogulinskoga  velikoga  kapitana,  hrvatcke  i  primorske 
kraine  vicegenerala,  zakonomu  tovarusu. « 

Von  den  anonym  erschienenen  Jesuitendrucken  wären  wir  geneigt, 
die  folgenden  zwei :  »Pobosnozt  vsakdanya  za  bratovchinu  pod  imenom 
muke  i  szmerti  Jesusseve,  za  szrechnu,  i  dobru  szmert,  vu  zagrebechke 
Jesuitaufzke  Sz.  Katharine  czirkve;  oblafztjum  Sz.  Otcza  Pape  Innocen- 
tiutfa  Defzetoga,  a  Dopufchenyem  Vifzoko  Poftuvanoga  Gofzpodina, 
G.Petra  Petreticha,  Sz.  Zagrebechke  Czirkve  Biskupa,  podignyenu«  (ge- 
druckt in  Graz  1670)  und  »Pobosne  Molitve,  Iz  Vnogeh  Molitveneh  Knyig 
Izebrane,  Vszem  Pobosnem I  Boga  boiechem  Dussam  Kruto  Hasznovite. . . 
Stampane  v  Bechu,  Pri  Janussu  Christofu  Cosmeroviussu  .  .  .  1678« 
Milovec  zuzuschreiben. 

Die  »Poboznost  vsakdasiia«  hat  mit  den  Molitvene  knizice  Krajece- 
vics,  die  nach  dem  Tode  Krajacevics  1657  Milovec  neu  herausgab,  den 
»Navuk,  vu  kom  se  zapirajn  navuki  beteznem  ludem  potrebni«  gemein. 
Er  war  auch  längere  Zeit  Praeses  sodalitatis  Agoniae.  Die  »Pobozne  mo- 
litve«, die  auch  der  Sodalitas  Agoniae  bestimmt  sind,  schrieb  Milovec 
die  Tradition  zu.  Nur  auf  diese  Weise  wird  uns  die  Stelle  aus  dem 
Elogium  conscrijHis  propria  manu  lihellis  aliquihus  erklärlich. 

Seine  erste  uns  bekannte  Arbeit  überhaupt  fällt  aber  schon  in  das 
Jahr  1631.  Dies  sind  die  ersten  31  Blätter  des  »Tomus  I  &  II  ordina- 
tionum  CoUegij  Zagrabiensis«  im  Folio-Manuskript  erhalten  und  in  der 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     401 

kgl.  Universitätsbibliothek  zu  Zagreb  unter  der  Sign.  SM.  31.  C.  6  auf- 
bewahrt. Als  seine  interessanteste  Arbeit  betrachten  wir  seine  »Historia 
coUegii  S.  J. «:  Milovec  ist  nämlich  der  erste,  der  1670  die  Stelle  eines 
Historiographen  im  Zagreber  Kollegium  (historicus  collegii  oder  historicus 
domus  genannt)  bezogen  hat.  Anlaß  zu  dieser  Wahl  gab  das  »Memo- 
riale  datum  post  Congregationem  toti  Provinciae  anno  1669,  in  welchem 
die  letzte  Anordnung  so  lautet  »Historia  collegij  ubique  conscribatur«. 

Als  erster  hat  angefangen  die  »Historia  Collegii  Societatis  Jesus,  in 
monte  Graeco  Zagrabiae  siti,  quae,  cum  fastis  personarum  simul  ac  offi- 
ciorum  ejusdem  Collegii,  a  primis  adventus  nostri  in  haue  urbem  diebus, 
in  posterorum  instructionem  et  consolationem  accuratissime  coepta  est  in 
hanc  librum  referri  Anno  salutis  nostrae  1628,  18  Februarij«  zu  schrei- 
ben P.  Krajacevic,  doch  wahrscheinlicher  P.  Georg  Dobronoki,  und  er 
führte  sie  bis  zum  Jahre  1621,  seine  Arbeit  wollte  im  J.  1655  Habdelic 
fortsetzen,  hat  aber  nur  die  Begebenheiten  eines  Jahres  (1622)  mit  allen 
Eigentümlichkeiten  seiner  Schreibweise  eingetragen.  Ihm  folgte  im  J. 
1670  Milovec,  der  durch  sieben  Jahre  (1670 — 1676)  die  Historia  bis 
zum  Jahre  1673  geführt  hat. 

Hier   wollen    wir    einiges   über    Milovec    als    Geschichtsschreiber 


Milovec'  Neigung  zu  historischen  Betrachtungen  offenbarte  sich 
schon  in  seinem  Dvoj  dusni  kinc,  wo  er  in  der  Widmung  an  Katarina 
Frankopan-Zrinska  in  der  bekannten  Weise  die  römische  Abstammung 
des  Frankopanschen  Hauses  auseinandergelegt  hat.  Dieser  historische 
Zug  Milovec'  kommt  in  der  Historia  collegii  Soc.  Jes.  Zagrab.  noch  stär- 
ker zum  Ausdruck.  Er  füllt  seine  Historia  nicht  nur  mit  den  Taten  und 
Festlichkeiten  des  Kollegiums  selbst  aus,  sondern  er  greift  mit  vollen  Hän- 
den auch  in  die  Ereignisse  seiner  Zeit  ohne  Rücksicht,  ob  sie  in  welchem 
Verhältnisse  zum  Kollegium  stehen  oder  nicht.  So  hat  er  in  seiner 
Historia  immer  einige  Zeilen  anläßlich  des  Todes  großer  Würdenträger 
wie  Thomas  Erdeodi  (»bis  totius  Illyrici  Praetor,  Hasani  tyrani  sangvine 
purpuratus  eiectoque  paganorum  praesidio  e  Petrinia  inclytus «  (f  1624), 
Georg  Zrinski  (f  1627),  Sigismund  Erdeodi  (f  1639),  Nikolaus  Franko- 
pan  (f  1647),  Wolffgang  Erdeodi  (»aTurcis  ad  Canisam  cum  multis  aliis 
de  flore  nobilitatis  die  24Maij  interempto«,  f  1647),  Lukas  Smolcic  (»vir 
literatus  jurisque  patrii  peritissimus«  (f  1648),  Thomas  Mikulic  (f  3  Juli 
1649),  Franz  Keglevic  (f  1655),  Johann  Rucic  (f  1660),  Johann  Vojko- 
vic  von  Klokoce  (»ex  vetustissima  ille  croaticae  nobilitatis  prosapia  miles 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  26 


402  Fr.  Fancev, 

fama  inclitus«,  f  1661),  Georg  Frankopan  (»ex  vetustissima  Aniciorum 
Romanorum  familia«,  f  1662),  Nikolaus  Erdeodi  (f  1663),  Sigismund 
Mrnavcevic  (»ultimus  ex  vetustissimae  Marniavarum  Principum  olim  de 
Zvonik  in  Bosnia  familiae,  quae  adhuc  a  gentilitate  trahens  originem  ab 
idolo  Marna  nomen  sortita,  etiam  reges  dedit  Bosniae,  Vukasinum  enim 
Marnavam  nonum  per  ascensum,  horum  duorum  avum  regem  Bosniae 
fuisse  tradunt  Annales  Illyricae«,  f  1663),  Nikolaus  Zrinski  (f  1666), 
Johann  Zakmardi  von  Diankovec  (f  1667),  Johann  Herbart  von  Auers- 
perg  (»confiniorum  Croatiae  supremus  generalis,  vir  etsi  vitae  liberioris 
uti  mos  est  militum,  cor  tarnen  syncerum  et  ab  omni  malignitatis  feile 
alienum  habens«,  f  1669)  usw. 

Milovec  ist  einer  der  Seltenen  bei  uns,  die  über  die  bekannte  Ver- 
schwörung aus  den  Jahren  1670 — 1671  ein  Urteil  gefällt  haben.  Dieses 
Urteil  ist  um  so  interessanter,  da  wir  wissen,  daß  Milovec  ebenso  mit 
Petar  Zrinski  und  seiner  Frau  Katarina,  welcher  er  auch  seinen  Dvoj 
dusni  kinc  widmete,  wie  auch  mit  Franz  Nadasdi,  an  dessen  Hofe  er 
einige  Jahre  als  Missionar  weilte,  befreundet  war.  Es  sind  zwar  schon 
einige  Lieder  bekannt,  die  in  Kroatien  von  Hand  zu  Hand  gingen,  worin 
man  über  P.  Zrinski,  seinen  Schwager  Franz  Frankopan,  aber  besonders 
über  Katarina  spöttelte.  Das  Urteil  Milovecs  ist  auch  in  keiner  Weise 
günstig  und  am  wenigsten  für  Katarina.  Ungünstig  schildert  Milovec  in 
seiner  Historia  Katarina  und  ihren  Bruder  Franz  schon  anläßlich  des 
Streites  mit  der  Stadt  Zagreb  in  den  Jahren  1661,  1662  und  1665,  wo 
er  Ausdrücke  gebraucht  hat  wie:  »fastuosa  postulatio  comitissae  Zrinia- 
nae«,  »Frangepanici  et  Zriniani  satrapae« ,  »furorem  mulieris«,  »mulier 
cholerica  et  tunc  temporis  vix  sibi  praesens«,  >Videns  domina  sui  impo- 
tens  suae  litis  fundamentum  ruisse,  totum  furorem  contra  Patrem  tulit«, 
»foemineum  furorem  pro  mercede  recepit«  usw.  In  der  Schilderung  der 
Verschwörung  gebraucht  er  keinen  solchen  Ausdruck,  er  findet  sogar 
eine  Entschuldigung  für  dieselbe  in  »germanorum  insolentias«,  und  be- 
schließt seine  Schilderung  mit  den  Worten:  »Et  hie  fuit  finis  publici 
Croatiae  tumultus.  Heroes  alioquin  fuere  digni  cedro  aeternaque  memoria, 
nisi  turpi  facinore  indelebilem  nomini  suo  maculam  inusissent.  Tendunt 
in  altum;  casu  ut  graviora  ruant.  Quid  facit  stulta  ambitio.  Habent 
posteri  exemplum,  non  sapere  ultra  sobrietatem«. 

Milovec  soll  ein  guter  Redner  und  zwar  ein  kroatischer  Redner  ge- 
wesen sein.  Bei  der  Feierlichkeit  des  fünfzigjährigen  Bestehens  des 
Kollegiums  hat  Milovec  die  Gedenkrede  gehalten ,  wie  dies  Pongraz  in 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     403 

seinem Triumphus Pauli,  pio  dolo  aDeo  concepti  (Posonii,  1752,S.144)i) 
mitteilt.  Die  kroatischen  Trauerreden  bei  den  Begräbnissen  der  höchsten 
Würdenträger  hielt  gewöhnlich  er.  Unter  anderem  nahm  er  Abschied 
in  der  kroatischen  Sprache  (croatico  idiomate),  »cum  magno  applausu« 
von  Georg  Frankopan,  der  am  13.  Feber  1661  in  Karlovac  verschieden 
ist  und  dort  begraben  wurde,  im  nächsten  Jahre  aber,  um  in  der  Jesuiten- 
kirche ihm  die  letzte  Ruhestätte  zu  gewähren,  nach  Zagreb  überführt 
wurde.  In  der  kroatischen  Sprache  (sermonem  .  .  .  croatico  idiomate) 
sprach  er  auch  beim  Begräbnis  des  kommandierenden  Generales  Grafen 
Johann  Herbart  von  Auersperg  (f  1669). 

In  der  weiteren  Entwicklung  des  kajkavischen  Schrifttums  ist  P. 
Georg  Habdelic  derjenige,  der  mit  Krajacevic  und  Milovec  den  Kreis 
der  eifrigsten  nationalen  Jesuiten-Schriftsteller  des  XVII.  Jahrh.  bildet. 

Über  sein  Leben  ist  man  schon  so  ziemlich  unterrichtet  2),  doch  auch 
hier  möchten  wir  einiges  hinzufügen.  Auf  einem  anderen  Wege  als  Jagic 
und  Dukat  haben  wir  die  Jahre  seines  Aufenthaltes  in  Wien  (1629)3), 
Graz^)  (in  dem  J.  1635  hat  er  hier  seine  philosophischen  Studien  be- 
gonnen) und  Tyrnau  festgestellt.  Im  J.  1638  erscheint  er  zum  ersten 
Male  in  Zagreb  als  Magister  der  Principia,  im  nächsten  Jahre  1639 
soll  sein  theologisches  Quadriennium  in  Tyrnau  begonnen  haben,  wel- 
ches er  im  Jahre  1642  dort  mit  sehr  großem  Erfolge  absolviert  hat, 
so  daß  er  zum  Doktor  promoviert  wurde,  wie  uns  darüber  P.Em.Tolvay^) 


1)  »Primo  quidem  IfiUdatissimam  illara  Jesu  Societatem  in  Kegnum 
Croatiae,  et  praecipue  Zagrabiam  induxit,  ut  propterea  celebrantibus  iisdem 
Patribus  medium  ingressus  sui  saeculum  a  R.  P.  Joanne  (!)  Milovecz,  sanctis- 
simi  illius  instituti  theologo  in  pulpito  S.  Marci  pro  merito  fnit  diiaudatus.* 
Es  wird  hier  vom  Bischof  und  Paulinermönch  Simon  Bratulic  gedacht,  unter 
dem  die  Gesellschaft  Jesu  in  Zagreb  eingeführt  wurde. 

2)  Archiv  f.  slav.  Phil.  XXVI,  578 flf,  u.  XXXI,  529 flf. 

3)  Schrauf,  Die  Matrikel  der  ungar.  Nation  a.  d.  Wien.  Univ.  1453—1630 
(Wien  1902)8.64. 

4)  Venerunt  Graecio  M.  M.  Georgias  Habdelic  et  Georgius  Ratkay  .  .  . 
Eist.  Coli.  S.  J.  Zagreb,  unter  dem  Jahre  1635  (S.  87). 

5)  >  Habita  etiam  hoc  anno  est  disputatio  Scripturistica  solenni  apparatu. 
Posteaquam  igitur  Georgius  Habdelich  Societatis  Jesu  religiosus  per  tres 
horae  partes  de  autentlca  versione  Scripturae  sacrae  disseruisset;  adversa- 
riarum  deinde  argumenta  resolvit,  magno  omnium  plausu  et  admiratione« 
(Progressus  almae  archi-episcopal.  Soc.  Jesu  Univers.  Tyrnaviensis  (Tyrnau 
1728),  S.  142. 

26* 


404  ^^-  Fancev, 

und  P.  AI.  Szöreny  ^)  berichten.  Zum  zweiten  Male  erscheint  er  in 
Zagreb  erst  im  J.  1649  als  casista  matutinus,  praeses  congregationis 
scholaaticae  und  decisor  casuum  domesticorum.  Erst  seit  dem  J.  1653 
wirkt  er  ununterbrochen  in  Zagreb  als:  »Rector  (1654 — 1657,  1663 — 
1666),  Regens  seminarii  (1653— 4,  1657—1663,  1665—1668,  1673— 
1676),  concionator  dominicalis  und  festivus,  catechista,  monitor,  con- 
sultor,  confessarius,  examinator  candidatorum,  praefectus  Spiritus,  ope- 
rarius  und  praeses  civicae  congregationis«.  In  welche  Jahre  seine  Tätig- 
keit in  Varazdin  fällt,  wissen  wir  nicht,  ebenso  wissen  wir  nicht,  in 
welcher  Zeit  er  an  der  Universität  zu  Graz  gewirkt  hat  (s.  Krones). 

Im  Jahre  1655  wollte  er  die  beim  Jahre  1621  unterbrochene  Schil- 
derung der  Geschichte  des  Zagreber  Jesuitenkollegiums  fortsetzen,  ist 
aber  über  das  Jahr  162  2  nicht  hinausgekommen.  Auch  in  diesem  einen 
Jahre  kommt  seine  Schreibweise  zum  Ausdruck. 

Schon  oben  wurden  als  nationale  Schriftsteller  Lubid,  Makar  und 
GaloYi(5  erwähnt,  und  wenn  man  zurzeit  keines  ihrer  Werke  kennt,  mögen 
doch  einige  Worte  über  sie  gesagt  werden. 

Unsere  beste  Quelle  (Historia  CoUegii  S.  J.  Zagrab.)  für  unsere 
Kenntnis  der  literarischen  Tätigkeit  der  Jesuiten  des  Zagreber  Kollegiums 
auf  dem  Gebiete  des  nationalen  kaj-Schrifttums  schweigt  gänzlich  über 
die  literarische  Tätigkeit  ^jubics,  aber  um  so  mehr  spricht  sie  von  seiner 
Bekämpfung  der  Reformation,  die  er  nach  Stöger  und  Kukulevic  auch  in 
Schriften  entfaltet  haben  soll. 

P.  Petar  Lubic  wurde  nach  Kukulevid  in  Po^ega ,  nach  Sommer- 
vogel in  Dios  in  Ungarn  (wahrscheinlich  in  dem  Zalakomitat)  im  J.  1582 
geboren;  diese  letzte  Behauptung  ist  uns  wahrscheinlicher  deswegen, 
weil  ^jubic  so  halbwegs  zu  Ungarn 2)  gezählt  wurde,  aber  auch  die 
kroatische  Sprache  beherrscht  hat.  In  den  Jahren  1610 — 1612  lehrte 
er  (als  Magister)  in  Zagreb  Principia,  Grammatik  und  Poetik,  1617  schon 
als  Pater  ist  er  procurator  collegii ;  1619  weilt  er  in  der  Mission  in  Also- 
lendva  auf  der  Murinsel  bei  Christoph  Banfi,  der  im  J.  1608  von  P.  Gre- 
gor Vasarheli  zum  rechten  Glauben  bekehrt,  in  Alsolendva  eine  Mission 
»ad  eum  in  fide  fovendum,  remque  Catholicam  in  ejusdem  dominio  pro- 


1)  Tyrnaviae  Philosophiae  Doctor  creatus  (Propylaeum  Bibliothecae 
alm.  ac.  celeb.  Univers.  Graec  (Graz,  1703),  S.  96. 

2)  Bei  der  Gründung  der  Mission  für  die  Murinsel  verlangte  Banfi  aus- 
drücklich 7>Hu7igarum  aliquem  cum  socio  e  Societate  Patrem  velit  submittere«, 
und  l^ubic  hat  an  ihr  auch  teilgenommen. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     405 

pagandam*  gegründet  hat.  Im  nächsten  Jahre  ist  er  zum  unglücklichen 
Banus  Nikolaus  Frankopan ,  »qui  nescio  quibus  maleficarum  strigmentis 
usn  pedum  destitutus  aeger  jacebat  in  Bossilevo.  Advenerat  ex  illo  le- 
murum  coUegio  iam  canidia ,  quae  malefico  carmine  secretisque  sibillis 
omne  se  malum  detersurum  jactitabat«  gegangen.  Nach  der  Genesung 
folgte  ihm  P.  Lubic  auch  in  das  Lager  an  die  Drau  bei  Varazdin  gegen 
die  rebellischen  Ungarn  unter  Bethlen,  wo  er  »concionibus  caeterisque 
pie  in  castris  obiri  solitis  magnum  toto  Octobri  Novembrique  mense  fecit 
operae  suae  pretium«. 

1621  bekämpft  Lubic  die  Reformation  in  Karlovac,  da  »necessitas 
60  excurrendi  pene  tuit  suprema,  cum  enim  superioribus  annis  expur- 
gata  ab  haeresi  Carniolia,  Styria  ac  Carinthia  magna  haereticorum  pars 
in  hoc  asylum  recepisset  se  instarque  scabiei  ideo  haec  extrema  occu- 
passet,  ut  extra  catholici  parochis  ungves ,  tanto  liberius  in  malum  pru- 
riret,  quanto  militari  licentia  foveretur  impensius,  timendum  omnina  erat, 
ne  ad  corruptae  partis  contagium  pars  etiam  syncera  traheretur,  sic- 
que  praesidium  totum  provitatis  potius  esset  latibulum  quam  virtutis 
officina«. 

Im  Jahre  1624  wurde  er  Rektor  des  Zagreber  Kollegiums,  längere 
Zeit  war  er  Sonntagsprediger;  1631  ist  er  nach  Wien  »ad  regendum  col- 
legium  Pazmanianum«  berufen  worden,  von  dort  begleitete  er  den  kaiser- 
lichen Legaten  nach  Konstantinopel.  Im  J.  1633  gründete  er  mit  P. 
Martin  Lausus  die  Residenz  in  Varazdin.  1644  wurde  er  zum  Superior 
der  Residenz  in  Soprony.    Im  nächsten  Jahre  (1645)  starb  er  in  Zagreb. 

Bei  seinen  Zeitgenossen  ist  er  bald  zu  großem  Ansehen  gekommen. 
So  sehen  wir  ihn  im  Gefolge  Christ.  Banfis  (1619),  Nik.Frankopans(1620), 
Georg  Kegle vics  (1621),  des  kaiserlichen  Legaten  (1631)  usw.  Seine 
Erfolge  in  der  Bekämpfung  der  Reformation  in  Zagreb,  auf  der  Murinsel 
und  Karlovac  beweisen,  daß  er  ein  guter  Redner  in  der  lateinischen, 
kroatischen  und  ungarischen  Sprache  gewesen  sein  muß.  Noch  als 
junger  Magister  ist  er  gewählt  worden,  den  Bischof  Petar  Domitrovid  bei 
seiner  Installation  in  das  Bistum  von  Zagreb  in  der  Domkirohe  mit  einer 
Ansprache  >  cujus  themati  serviebant  illa  S.  Pauli  verba  ad  Titum,  qui- 
bus  ille  virtutes  episcopo  necessarias  persequitur«  zu  begrüßen.  >Tnlit 
dictio  plausum  in  frequentissimo  cleri  simul  et  regnicolarum  in  divi  Ste- 
phani  basilica  congregatorum  consessu«. 

Milovec  widmete  ihm  auch  einige  Worte  des  Lobes:  Nee  mirum 
erat,  erat  enim  vir  in  omni  scientia  versatissimus,  in  agendo  prudens, 


405  Fr.  Fancev, 

providus,  fortis,  iurium  experimentalem  habens  peritiam,  qua  primarios 
etiam  regni  juristas  rotabat,  timereque  faciebat  suum  congressum  .  .  . 

P.  Andreas  Makar  schreiben  Stöger,  Sommervogel,  Szabö  einige 
lateinische  Drucke  zu,  aber  keiner  von  ihnen  weiß  etwas  über  seine 
Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Volkssprache  zu  sagen.  Daß  er  aber  auch 
zu  den  Schriftstellern,  die  ihre  Werke  kroatisch  geschrieben  und  im 
Drucke  herausgegeben  haben ,  gerechnet  werden  muß ,  beweist  Milovec, 
der  im  Elogium  Makars  ausdrücklich  sagt:  »ultimis  vitae  annis  cum 
morbo  articulari  oppressus  aliud  nil  agere  valebat,  lihellos  croatico  idio- 
mate  concinnabat  et  edehat  typis  in  proximorum  subsidium«. 

Geboren  ist  er  in  Varazdin  nach  der  Rechnung  im  Elogium  im 
J,  1620,  nach  Sommervogel  am  20.  August  1626.  In  Zagreb  lehrte  er 
als  Magister  1G45  die  Parvistas,  1646  die  Principia;  vor  dem  J.  1657 
wirkte  er  als  Philosophieprofessor  in  Tyrnau,  nachher  bis  zu  seinem 
Tode  war  er  in  Zagreb  praefectus  scholarum  (superiorum),  professor  et 
decisor  casuum,  praefectus  spiiütus,  confessarius,  monitor. 

Er  starb  am  29.  Dezember  1666  in  seinem  46.  Jahre. 

P.  JSikola  Galovic,  schon  bei  Kukulevic  in  seinen  Kujizevnici  er- 
wähnt, ist  am  2S.  September  1614  in  Zagreb  geboren.  Die  Humaniora 
besuchte  er  in  seiner  Vaterstadt,  trat  in  den  Jesuitenorden  am  12,  Nov. 
1635  in  Wien,  wo  er  philosophisches  Triennium  und  theologisches  Qua- 
driennium  absolviert  hat. 

Wirkte  in  Zagreb,  163S  lehrte  er  die  Parvistas,  später  als  Pater 
war  er  Rektor  des  Kollegiums  in  Zagreb  (1660 — 1663),  regens  semi- 
narii,  conciouator  dominicalis,  missionarius,  examinator  candidatorum, 
praeses  civicae  sodalitatis,  praefectus  Spiritus,  procurator,  consultor, 
operariuä  und  confessarius.  In  den  Jahren  1678 — 1680  war  er  auch 
Historiograph  des  Zagreber  Kollegiums. 

Eine  Zeit  war  er  auch  Superior  der  Residenz  in  Varazdin. 

Daß  er  sich  auch  auf  dem  Gebiete  des  nationalen  Schrifttums  be- 
tätigt hat,  ersehen  wir  aus  den  Worten  in  seinem  Elogium :  >  Otii  osor 
erat  acerrimus,  laborum  non  tarn  patiens  quam  amans,  adeo  ut  ipso  etiam 
morbi  tempore ,  quocum  iam  inde  a  decennio  luctabatur ,  semper  vel  pii 
quidquam  factitaret,  vel  Marianam  coroUam  pertexeret,  vel  accepti  ex- 
postique  rationes  aliorum  toto  supputaret,  vel  demum  quoad  per  manuum 
debilitatem  licuit  libellos  j^'ios  patrio  idiomate  concinnaret^  aut  certe 
per  alios  iam  conscriptos  in  ynaternam  linguam  traduceret.<s- 

Es   sind  zwar   einige  Werke   des  nationalen    kaj  -  Schrifttums    im 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     407 

XVn.  Jahrh.  nur  dem  Titel  nach  bekannt,  die  aber  keinem  oder  nicht 
dem  richtigen  Verfasser  zugeschrieben  werden,  und  vieles,  das  damals 
veröffentlicht  wurde,  außerdem  nicht  auf  uns  gekommen  sein  wird.  Ob 
welches  von  diesen  nur  dem  Titel  nach  oder  mangelhaft  bekannten  Werken 
Makar  oder  Galovic  zuzuschreiben  ist,  können  wir  mit  Bestimmtheit  nicht 
sagen. 

Hier  anscMießend  sollen  doch  einige  Bemerkungen  über  anonyme 
und  nicht  auf  uns  gekommene  Werke  gesagt  werden. 

Es  ist  schon  erwähnt  worden,  daß  auch  der  »Szobottni  kinch  |  bla- 
sene  devicze  |  Marie,  |  ali  pobosnozt  za  szobottne  |  vszega  letta  dneve; 
koteru  naj  pervo  |  vfzem  vernem  B.D.M.  szlngam  nazuelichenye  |  vuger- 
fzkem  jezikom  je  popifzal  prefzuetli  gofzpodin  golzpodin  Esterhazi  Pavel 
I  od  Galante,  szvetoga  rimszkoga  czeszarztva  herczeg,  i  vugerszkojga 
orszaga  palatinus :  |  vezda  pak  |  na  horvatczki  jezik  vuchinila  |  jeszt 
preneszti  |  preszuetla  i  miloztivna  gofzpa,  |  gofzpa  |  Maria  Magdalena  | 
Nadasdi,  preszuetloga  goszpodina  |  goszpodina  Draskovich  Janusza  |  oz- 
tavlyena  vdova.  ]  Letta  M.DC.XCVI.  ü  Zagrebu«  auf  Veranlassung  der 
Gräfin  Maria  Magdalena  Nadaadi-Draskovic  von  einem  Jesuiten')  über- 
setzt wurde,  wie  man  es  den  aus  Worten  der  Widmung  >Kniga  k  preszvetle 
goszpe,  goszpe  grofficze  govori«  ersehen  kann:  Ovo  ti  z  menum  skupa  i 
moj  razloznik,  najponizuesi  sluga  tvoj,  iz  tovarustva  Jezusevoga  zele, 
vsega  na  sehe  vekivecnu  sluzbu  tvoju  aldujuci  (S.  A2b). 

Sehr  wahrscheinlich  in  der  kroatischen  Volksaprache  verfaßt  ist 
jenes  Werk,  das  nur  unter  dem  Titel  »Manuale  Marianum«  bekannt  ist 
und  bei  Kukulevic,  Sommervogel  usw.  erwähnt  wird.  Dieses  »Manuale 
Marianum«  wurde  im  J.  1666  (wahrscheinlich  in  Graz)  auf  Kosten  des 
Zagreber  Bischofs  Petar  Petretic  (vgl.  Biuis  sodaliciis  Virginis  Annun- 
ciatae  et  in  coelos  Assumptae  prosper  fuit  annus  iste  (1666).  Siquidem 
illa  Manualium  Marianorum  exemplaria  ter  millena  typis  edidit  aere 
floren.  250  iilmi  et  rdssimi  dni  Petri  Petretich  Archiepiscopi  Colocensis 
munificentia  collato)  herausgegeben,  aber  nicht  wie  Kukulevic  2)  und  nach 
ihm  auch  Sommervogel  3)  meinen,  in  Zagreb,  wenn  auch  in  dieser  Zeit  in 
Zagreb   eine  Jesuitendruckerei  bestand,  die  mit  dem  gerade  zu  diesem 


1)  Dasselbe  wurde  schon  von  Kukulevic  (>Knjizevnici  u  Hrvatah  .  .  .< 
S.  319)  konstatiert,  scheint  es  doch  unbemerkt  geblieben  zu  sein. 

2)  Op.  cit.  S.  330. 

3)  Bibliotheca  Mariana  de  la  Comp,  de  Jesu...  (Paris,  1885),  S.  154 
(Nr.  1527). 


408  Fr.  Fancev,' 

Zwecke  gelassenen  Legate  Petar  Bosnaks,  des  Sekretärs  des  Palatins 
Grafen  Franz  Wesselleny  (vgl.  copiosis  ditatus  thesauris  memor  patriae 
suae  pro  publico  emolumento  potissimum  vero  Gymnasii  nostri  legavit 
moriens  et  traditi  sunt  Collegio  nostro  per  generös,  et  magnific.  dominum 
Joannem  Zakmardi  de  Diankovcz  personalem  floreni  mille  et  nongenti 
pro  erigendo  typo  publico,  qui  anno  ab  hinc  (1664)  tertio  (1666)  a  Col- 
legio Labacensi  emptus  et  allatus  est),  vom  Jesuitenkollegium  zu  Laibach 
gekauft  wurde,  trotzdem  wurde  in  Zagreb  noch  lange  Zeit  (»pluribus 
tarnen  annis  otiosus  (d.  h.  typus)  nulli  fuit  usui«)  nicht  gedruckt,  was 
auch  der  Grund  war ,  daß  dieselbe  Druckerei  später  dem  Kollegium  ge- 
nommen und  Pavao  Ritter-Vitezovic  ^)  abgegeben  wurde. 

In  Bibliografia  hrvatska  Kukulevics  (Dio  L  S.  35  Nr.  376)  wird 
weiter  ein  Werk  unter  dem  Titel  »Duhovni  kinc«,  gedruckt  »VuBecu  pri 
Jakobu  Kürnu  1667«  erwähnt.  Dasselbe  Druckwerk  wurde  nach  Kuku- 
levid  auch  von  Meyer  in  seine  »Wiens  Druckergeschichte«  (Bd.  I  S.  277) 
aufgenommen. 

Im  Jahre  1627  wurde  von  den  Bauern  in  Sveti  Duh  bei  Zagreb  die 
Kongregation  des  heiligen  Isidor  gegründet,  doch  damals  nach  der  Grün- 
dung selbst  hat  sie  keine  Tätigkeit  entwickeln  können.  Da  wurde  sie 
im  J.  1672  der  Leitung  der  Jesuiten 2)  anvertraut  und  im  selben  Jahre 
wurde  für  ihre  Mitglieder  schon  ein  Manuale  unter  dem  Titel  »Pobosnozt 
y  bratovchina  k  szv.  Isidoru  podignyena  pri  Kapelli  szv.  Duha  poleg 
Zagreba.  1672.  8  o.  124  SS.«  3)  herausgegeben,  dessen  Verfasser  ohne 
jeden  Zweifel  ein  Jesuite  war. 

Eine  im  Manuskript  erhaltene  Darstellung  des  Schrifttums  in  Kroatien 
(im  Archiv  der  südslav.  Akademie,  Zagreb,  unter  der  Sig.  IL  d.  222)  be- 
richtet auch  über  ein  bis  jetzt  ganz  unbekanntes  Druckwerk  unter  dem 
Titel  »Szv.  Mefsa  w  mnke  Krifztufseve  napre  dana,  po  ke  delniki  bivamo 


1)  Vgl.  >Intra  hos  annos,  nescio  quo,  typus  latinus,  qui  multis  annis  hae- 
rebat  et  servabatur  apud  nos  in  Collegio  extraditus  est  dominis  regnicolis,  ad 
instantiam  eorum,  qui  eum  dederunt  domino  Ritter  Paulo  Poetae,  Equiti  aure- 
ato  etc.  qui  eo  libros  imprimit  con8equenter<  in  Historia  Colleg.  Soc.  Jes.  Za- 
grab.  unter  dem  J.  1692  (S.  424). 

2)  >Illud  etiam  inter  acrementa  numerandum,  quod  ubi  pia  sodalitas 
agricolarum  per  nostros  Patres  in  vicina  Saneti  Spiritus  ecclesia  annis  ab  hinc 
45  erecta  unanimi  consensu  se  Societati  gubernandam  sub  invocatione  S.  Isi- 
dor! Agricolae  in  perpetuum  tradidisset .  .  .<  ibid.  (S.  312). 

3)  Safatik,  Gesch.  d.  südslav.  Liter.  IV.,  S.  373. 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     409 

zafzlusenya  Jesusevoga  po  dareslivofzti  goszpona  Matiafsa  Mogoricha 
archidiacona  gorichkoga,  kanonika  (zagre)bechkoga  in  12°  cum  cupria 
lat.  et  croat«.  ' 

Auch  über  die  Geschichte  des  kleinen  defekt  erhaltenen  Büchleins,  be- 
kannt unter  dem  Titel  »Flamen  pobosnozti  proti  szv.  Ferenczu  Xaveriushu 
na  szlovenzki  jezik  preobernyen  po  Simonu  Judi  Sidich  kan.  Zagreb.  Vu 
Zagrebu  1695«,  sind  wir  nicht  ganz  im  Klaren.  Die  Übersetzung  dieses 
Büchleins  wird  dem  Zagreber  Domherrn  Simon  JudaZidic  (öidiii?  Sidich) 
zugeschrieben,  ob  auch  mit  Recht,  wagen  wir  zu  bezweifeln.  Dem  einzig 
uns  bekannten  in  der  kgl.  Universitätsbibliothek  zu  Zagreb  aufbewahrten 
Exemplar  fehlt  das  Titelblatt.  Aus  dem  lateinisch  geschriebenen  Vor- 
wort von  Zidic  zu  dieser  Ausgabe  erfahren  wir  aber,  daß  dies  nur  eine 
erneute  Ausgabe  eines  durch  das  Alter  sehr  selten  gewordenen  Büchleins 
ist.  »Verum  quia,  ut  omnia,  ita  et  libellus  hie  fere  jam  penitus  vetu- 
state  temporum  deficerat:  mearum  esse  partium  duxi,  ut ,  .  .  Xaverianae 
devotionis  ideam  repetito  typo  veluti  postliminio  suscitarem«  (Bl.  A2b). 
Obwohl  dem  Alter  nach  auch  die  erste  Ausgabe  dieser  Übersetzung  von 
Zidic  stammen  könnte,  wären  wir  trotzdem  eher  geneigt  den  wahrschein- 
lichen Übersetzer  dieses  Büchleins  anderswo  zu  suchen,  wie  es  auch  aus 
den  Worten  des  erwähnten  Vorwortes  Zidic  anzunehmen  ist:  In  his  Patria 
quoque  nostra  non  segnis,  ut  Indigetes  suos  ad  prosequendum  singulari 
cultu  beneficentißimum  illum  Orbis  Sofpitatorem  erudiret;  excogitatam 
a  devotissimis  illius  clientibus,  eum  in  finem,  methodum  jam  olim  in 
patrium  idioma  transtulerat  .  .  .«  (Bl.  A2b).  Da  der  heilige  Franz 
Xaver,  der  große  Apostel  von  Indien  und  Japan,  nach  dem  heiligen  Ig- 
natius  in  der  Gesellschaft  Jesu  am  meisten  geehrt  wurde,  so  ist  es  auch 
recht  wahrscheinlich,  daß  eher  ein  Jesuit  als  ein  Weltpriester  als  Über- 
setzer dieses  der  Andacht  des  heiligen  Frauz  Xaver  gewidmeten  Büch- 
leins zu  betrachten  ist.  Im  Elogium  Galovics  wird  ja  ausdrücklich  ge- 
sagt >aut  certe  per  alios  iam  conscriptos  (d.  h.  libellos)  in  maternam  lin- 
guam  traduceret«,  doch  ein  solches  Werk  von  ihm  ist  nicht  bekannt,  so 
könnte  unserer  Meinung  nach  der  wahrscheinliche  Übersetzer  dieses 
Büchleins  P.  Nikola  Galovic  sein. 

Das  Vorhandensein  zweier  weiterer  unbekannter  Druckwerke  des 
kaj-Schrifttums  im  XVII.  Jahrh.  bestätigt  uns  der  Domherr  Mihal  äimu- 
nid  in  der  Widmung  seines  »Fenix  pokore«  dem  geweihten  Scardoner 
Bischof  Janus  Josip  Babic;  das  eine  bezeichnet  er  mit  den  Worten  »vnogi 
sinki  blazene  Majke  bili  bi  mentuvani  slasti  Marianske,   koteru    sada 


410  Fr.  Fancev, 

prijemlu,  da  bi  tvoja  darezlivost  per  tua  dispeudia  po  tvojem  strosku, 
knizice  molitveue  nim  ne  preskrbela,  iz  kojih  kakoti  cmelice  iz  rozic 
medvenu  slast  zitka  nebeskoga  izbiraju«  (S.  VI).  Das  andere,  das  aus 
den  Worten  zu  entnehmen  ist  »Zive  si  oltare  Bogu  vsamogucemu  zidal 
i  prezidal,  kada  si  knizice  zitka  Kristusevoga  imenuvane  vcinil  prestam- 
pati,  da  pastiri  duhovni  tak  svoj  kak  ovcic  svojih  zitek,  na  peldu  Kristusa 
Jezusa  ravnaju«  (ibid.),  soll  sogar  eine  erneute  Ausgabe  gewesen  sein. 

Wie  es  bekannt  ist,  hat  Habdelic  in  der  Vorrede  zu  seinem  »Pervi 
otcza  nassega  Adama  greh«  in  den  Worten  »Nakanivsi  nasega  zvelici- 
tela  gospodina  Kristusa  zemelski  zitek  na  kratkom  popisati  slovenskem 
nasem  jezikom  i  iz  liega  neke  krscanske  navuke  ispelati«  ein  solches 
Werk,  wie  dieses  letztgenannte  ist,  versprochen;  ob  er  es  auch  geschrie- 
ben hat,  und  ob  wir  es  hier  wirklich  nur  mit  einer  neuen  Ausgabe  des 
Werkes  Habdelic's  zu  tun  haben ,  können  wir,  solange  das  Buch  selbst 
nicht  bekannt  sein  wird,  nicht  sagen. 

Noch  einige  allgemeine  Bemerkungen  zur  schriftstellerischen  Tätig- 
keit der  Jesuiten  in  Kroatien  im  XVII.  Jahrh. 

Betrachten  wir  die  schriftstellerische  Tätigkeit  der  Jesuiten  bei  uns 
und  im  angrenzenden  Ungarn,  muß  uns  vor  allem  in  die  Augen  fallen 
das  vollkommene  Fehlen  jeder  polemischen  Literatur  gegen  die  Refor- 
mation, abgesehen  davon,  daß  eine  solche  für  Lubic,  der  wirklich  an  den 
exponiertesten  Stelleu  wie  auf  der  Muriusel  und  in  Karlovac,  wo  sich  die 
Reformation  am  tiefsten  eingenistet  hatte,  angenommen  aber  nicht  nach- 
gewiesen werden  kann,  wo  sie  doch  hauptsächlichst  mit  der  Mission,  die 
Reformation  zu  bekämpfen  nach  Zagreb  berufen  worden  sind.  Aber 
wenn  wir  wissen ,  welche  Hindernisse  man  der  neuen  Lehre  in  Kroatien 
entgegengestellt  hat,  wie  die  Kroaten  und  hauptsächlichst  ihre  Bane,  so 
Georg  und  Johann  ^)  Draskovic,  Thomas  Erdeodi  mit  allen  Mitteln  einem 


1)  Das  Draskovicsche  Haus  hat  sich  in  Kroatien  und  in  Ungarn  um  die 
Verteidigung  der  katholischen  Kirche  gegen  das  immer  stärkere  Übergreifen 
der  Reformation  besonders  hervorgetan.  Die  Jesuitenresidenzen  in  Zagreb 
(1606),  Varazdin  (1633)  und  in  Soprony  (1636)  sind  vor  allem  ihr  Werk.  Hier 
wollen  wir  anführen  die  Worte  F.  Georg  Dobronokis  aus  dem  J.  16:^9  über 
den  Reichstag  von  16ü8,  an  welchem  Johann  Draskovic  in  entschiedener 
Weise  diekatholischeKirche  in  Kroatien  ganz  unabhängig  von  Ungarn  wissen 
wollte:  >Publicum,  idque  eximium  est  in  totam  Societatem  ac  religionem  Ca- 
tholicam  beneficium,  quod  anno  16o8  in  publicis  Regni  Comitiis  Posonii  con- 
tulit.  Electo  enim  Matthia  archiduce  Austriae  in  Hungariae  regem,  cum  aliter 
Corona  sacra  capiti  ipsius  non  imponeretur,  nisi  dato  diplomate  Regio  Über- 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     411 

Herübergreifen  der  neuen  Lehre  aus  Ungarn  sich  entgegengestellt  haben, 
indem  sie  sogar  einen  politischen  Bruch  (»ae  malle  cum  universo  Regne 
ab  unione  Hungaricae  coronae  separari,  quam  mortiferam  illam  ani- 
marum  pestem,  ac  funestissimam  Reipublicae  labem  sub  banatu  suo  ad- 
missam  aut  concessam  videre*))  hervorzurufen  bereit  waren,  ihre  Drohung 
reformatorischen  Predigern  gegenüber  ist  auch  bekannt  (»Hoc  ferro,  si 
aliter  fieri  non  potuerit,  sectam  istam  a  nobis  eliminabimus,  tresque  no- 
bis  adsunt  fluvii:  Dravus,  Savus  et  Colapis,  e  quibua  unum  istis  novis 
hospitibus  sorbendum  dabimus«)  darf  uns  diese  Tatsache  nicht  ver- 
wundern. 

Anders  war  es  in  Ungarn.  Dort  hatte  die  neue  Lehre  große  Ver- 
teidiger und  Förderer  gefunden;  dort  hatte  sie  große  literarische  Tätig- 
keit entfaltet.  Mit  Erfolg  sie  zu  bekämpfen  genügte  nicht  das  lebendige 
Wort,  man  mußte  auch  ihr  etwas  bleibendes  entgegenstellen  und  das 
war  das  Buch.  So  finden  wir,  daß  an  dieser  literarischen  Bekämpfung 
der  Reformation  sogar  Söhne  Kroatiens  beteiligt  waren,  so  vor  allem  der 


tatem  religionis  perinitteret  in  Hungaria.  Insuper  Jesuitas  in  eodera  regno 
nunquam  pateretur  bona  immobilia  et  jura  possessionaria  possidere,  et  urge- 
rent  instantissime  haeretici  iina  cum  regni  palatino  Stephano  Illj^eshasi  Luthe- 
rano,  ut  idem  regnis  consensus  de  religionis  libertate,  deque  Jesuitis  bonorum 
incapacitate  plectendis,  valeret  etiam  in  Sclavoniae  ultra  Draunm  regno,  re- 
spondit  animose  banus  omniiim  nomine,  nunquam  se  vivo  praedicans  aliquis 
Dravum  ad  spargendum  haeresim  trausibit;  et,  si  attentet,  submergendum  ibi- 
dem praeüisa  omni  spe  ad  obtinendum  misericordiam.  Pari  modo  de  Jesuitis, 
quornm  plerique  e  prima  nobilitate  sunt  Patriae,  tarn  in  Hungaria  quam  Scla- 
vonia,  nunquam  se,  nee  regnum  Sclavoniae  consensurum,  ut  nee  accusati 
Patres,  nee  citati,  multo  minus  de  scelere  aliquo  laesae  Majestatis  convicti, 
tarn  iniquo  sancito  plectantur,  ad  solum  haereticorum  arbitrium.  Addebat 
adesse  P.  Alexandrum  Dobokai  et  P.  Petrum  Pazmanij,  ambos  societatis  reli- 
giosos  et  quidem  professos  sacerdotes ;  citarentur  ij,  vel  societas  tota  sub 
eorum  nomine,  et  quid  in  publicum  deliquissent,  processu  juris,  ut  regni  leges 
requirunt,  vel  damnentur  convicti,  vel  absolvantur  innocentes.  Nolle  se  ullo 
modo  nee  regnum  Sclavoniae  in  hanc  Patrum  consentire  condemnationem, 
nisi  ex  lege  fiant  omnia.  Quod  si  perga^it  Hungariae  2>roceres  vel  religioni 
catholicae  in  Sclavonia  vel  vero  Jesuitis  esse  molesti,  parafum  se  cum  ioto  Scla- 
voniae et  aliarum  provinciarum  tractibus  ab  Hungariae  Corona  facere  statim  se- 
cessionevi,  et  vicinae  Venetormn  Reipublicae  adhaerere.  Cessarent  proinde  esse 
molesti  (Historia  Collegii  Soproniensis  .  .  .  S.  30,  in  der  k.  k.  Hof  bibliothek  in 
Wien  unter  der  Sign.  14  002). 

1)  G.  Rattkay:  Memoria  regum  et  banorum  regn.  Dalm.  Croat.  et  Sclav. .. 
Viennae  1C52.  S.  185f. 


4l2  Fr.  Fancev, 

Jesuit  P.  Matija  Sambar,  ein  Sprößling  der  bekannten,  im  J.  1588  adelig 
gewordenen  Bürgerfamilie  aus  Varazdin. 

Hie  und  da  findet  man  auch  in  diesen  Gebetbüchern  Anspielungen 
an  die  Reformation  in  den  Anweisungen  für  den  Beichtenden  so  wie : 
Reksi,  ako  si  gda  kakovem  eretnikom,  Luteranom,  all  Kalvinistum  bil 
(8.  207)1),  jesi  li  prodeke  eretnicanske  poslusal?  Jesi  11  ctel  knige  eretni- 
canske,  Luteranske,  Kalvinianske,  coperne,  sramotne  .  .  ?  (8.  208)  usw., 
und  das  ist  auch  alles.  Desto  mehr  wurden  die  Blicke  der  andächtigen 
Verfasser  jenen  Übeln  zugewendet,  die  im  Volke  selbst  üblich  und  ver- 
breitet waren.  Anspielungen  auf  solche  Übelstände  findet  man  überall 
in  ihren  Werken  (so  z.  B.  Ce  si  se  preklinal  Bogom,  vragom  etc:  reksi: 
da  bi  me  Bog  ubil,  sental,  vrag  vzel;  da  bi  me  tresnulo,  etc.  (8.  201), 
Jesi  li  nosil  pri  tebe  kakove  coperne  cedule,  all  kakovo  drugo  coperno 
dugovanje;  proti  betegu,  ali  neprijatelu,  all  budi  oruzju,  all  za  radi  Ju- 
bavi  (8.  209),  Jesi  li  zdravjaiskal  tebe  ali  tvojemu  druzincetu,  zivincetu, 
ali  komu  drugomu  bajanjem,  caranjem,  ali  kakovem  drugem  copernem 
dugovanjem;  i  ako  bi  na  pole,  ali  na  pute  ali  na  vode  kakovem  copran- 
jem  kakove  srece  iskal,  ali  nesrece  (8.  209),  Je  si  li  sta  zvedal,  ali  vcinil 
zvedati  od  vedovin  te  vuhvic  vojskom,  resetom,  ali  kakovem  drugem  co- 
pernem dugovanjem  ali  mestrium  (8.209 — 210).  Jesi  li  po  oholnosti 
vekse  potroske  cinil  na  opravu,  na  sluge,  na  kone,  na  gosti,  etc.  nego  bi 
se  tvojega  stalisa  bilo  pristojalo?  i  ako  si  se  na  ne  drzal,  na  cifru,  te  se 
vu  srdce  napuhaval  (8.  215),  Jesi  li  tatbenu  marhu  kupil  od  koteroga 
sluge,  druzinceta,  cigana  ali  koga  drugoga?  .  .  .  (S.  237)  usw.);  daß 
Habdelic  diesem  Wirken  einen  großen  Teil  seiner  Werke  gewidmet  hat, 
ist  ja  schon  durch  Jagics  verdienstvolle  Forschung  bekannt. 

Das  einzige  Produkt  dieses  Schrifttums,  das  neben  der  erbaulichen 
Tendenz  auch  ein  gewisses  eigenes  literarisches  Interesse  beanspruchen 
könnte,  wären  die  Kirchenlieder  Krajacevics,  doch  sind  auch  diese  infolge 
des  vollkommenen  Mangels  an  poetischen  Qualitäten  völlig  charakterlos 
und  sind  diesbezüglich  von  geringer  Bedeutung  2). 

1)  Diese  Beispiele  sind  den  >Molitvene  knizice«  Krajaceviös  (Possony 
1610)  entnommen  worden. 

2)  Es  scheint,  Krajacevic  habe  den  Mangel  an  poetischen  Qualitäten 
durch  die  lieblichen  Volksmelodien  ersetzen  wollen,  um  vielleicht  auf  diese 
Weise  seinen  Liedern  den  Weg  zum  Herzen  des  Volkes  zu  erleichtern.  Doch 
>selb8t  wo  die  geistlichen  Gesänge  mit  'neuen  lieblichen  Melodien  aus- 
gezieret'  wurden,  blieb  ein  Hauch  der  alten  frommen  Einfalt  zurück«  bemerkt 
Goedeke  auch  über  das  deutsche  Kirchenlied  (Grdrss.,  Bd.  III.  S.  147). 


Einige  Bemerkungen  zur  Geschichte  d.  Schrifttums  in  Kroatien.     413 

Interessant  dabei  ist  nur  der  Umstand,  daß  es  gerade  Krajacevic 
■war,  der  dem  Kirchenlied  Beachtung  geschenkt  hat.  Wir  dürfen  nicht 
vergessen,  daß  er  in  Brunn  seine  Noviziatjahre  und  das  Jahr  der  dritten 
Probation  in  Eberndorf  verbrachte,  also  in  einer  deutschen  Provinz,  in 
der  das  deutsche  Kirchenlied,  das  durch  Luthers  Eingreifen  im  protes- 
tantischen wie  auch  im  katholischen  Lager  zur  vollen  Entfaltung  kam, 
besonders  gepflegt  wurde.  Es  wäre  nicht  ohne  Interesse,  dem  stofflichen 
wie  auch  dem  literarischen  Zusammenhange  der  Kirchenlieder  Krajace- 
vics  mit  dem  damals  blühenden  katholischen  Kirchen gesange  tiefer  nach- 
zugehen 1). 

Zagreb,  Juni  1913.  Dr.  Fr.  Fancev. 


1)  Aus  dem  protestantischen  glagolitischen  Katechismus  (gedruckt  zu 
Tübingen  1561)  wollen  wir  hier  nur  an  eine  Stelle  aufmerksam  machen,  die 
lautet:  Potomtoga  poidi  veselo  na  dilo  tvoje,  i  ako  je  tebi  ugodnu ^e^^no^esan 
j)oi^  kako  su  deset  zapovedi  ili  sto  tvoi  duh  ukaze  (S.  43). 


Die  Interpunktion  in  den  slayischen  Übersetzungen 
griechischer  Kirchenlieder. 

VonProf.  Dr.  R.  Abicht. 


In  den  dyaceÖHLia  mhiibh  aa  ceHTaöpt,  OKTa^pt  h  Hoaöpt  Bt 
i^epKOBHOc.iaBflHCKOM'B  nepeB0Ai&  no  pyccKUMt  pyKonncflMX  1095 — 
1097  r.,  TpyAt  op^.  aKa^.  H.  B.  Hrn^ia,  St.  Petersburg  1886,  S. XXXII, 
teilt  der  geehrte  Herr  Herausgeber  mit,  daß  in  den  genannten  Hand- 
schriften sich  ein  Punkt  als  Interpunktionszeichen  finde,  dessen  Bedeu- 
tung nicht  klar  sei,  weshalb  er  auf  die  Wiedergabe  dieser  Interpunktion 
in  seiner  Ausgabe  verzichtet  habe.  Ich  glaube  nachweisen  zu  können, 
daß  die  in  Rede  stehenden  Punkte  die  einzelnen  -/.Cola  der  Liedertexte 
abgrenzen. 

Zunächst  einiges  über  den  Versbau  der  griechischen  Kirchenlieder, 
der  lange  ein  Geheimnis  geblieben  ist. 

Es  war  natürlich,  daß  man  dies  Geheimnis  zunächst  von  den  Vor- 
aussetzungen aus  zu  ergründen  suchte,  die  die  klassische  Metrik  an  die 
Hand  'gab.    Wieviel  Mühe  hierauf  vergeblich  verwendet  worden  ist,  er- 


414  R.  Abicht, 

zählt  Pitra,  Hymnographie  de  l'öglise  grecque,  Rome  1867,  S.  3 — 10. 
Wie  ihm  selber  ein  glücklicher  Zufall  die  lange  vergebens  gesuchte  Lö- 
sung des  Rätsels  gelingen  ließ,  lesen  wir  1.  c.  S.  11  ff.  Was  Pitra  er- 
forscht hat,  läßt  sich  in  folgende  Sätze  fassen: 

1.  Die  griechischen  Kirchenlieder  haben  eine  bestimmte  Melodie, 
welche  in  allen  Strophen  desselben  Liedes  {(oör])  eines  Kanons  sich  gleich- 
mäßig wiederholt. 

2.  Die  Anzahl  der  Verse,  welche  eine  Strophe  bilden  und  die  An- 
zahl der  Silben ,  welche  einen  Vers  zusammensetzen ,  sind  von  Lied  zu 
Lied  verschieden,  innerhalb  desselben  Liedes  aber  sind  die  Strophen  und 
Verse  von  gleichem  Bau. 

3.  Die  Verse  werden  nicht  nach  den  Moren  der  alten  Metrik  ge- 
messen, sondern  nach  der  Anzahl  der  Silben  ausgezählt,  die  lange  Silbe 
zählt  so  viel  wie  die  kurze. 

4.  Der  eiQ^iög,  welcher  vor  jedem  Liede  angedeutet  oder  ausge- 
schrieben ist,  bedeutet  die  nach  Text  und  Melodie  bekannte  Muster- 
strophe, nach  welcher  die  einzelnen  Strophen  des  Liedes  gebaut  sind  und 
gesungen  werden  müssen. 

Den  Forschungen  von  W.  Christ  und  M.  Paranikas,  Anthologia 
graeca  carminum  christianorum,  Lipsiae  1871,  verdanken  wir  noch  fol- 
gende Erkenntnisse: 

1.  Takt  und  Pause  im  modernen  Sinne  kennt  die  griechische  Musik 
nicht,  die  musikalische  und  in  den  meisten  Fällen  auch  die  verstechnische 
Einheit  ist  das  ■/.üXor,  an  dessen  Ende  das  Kolonschlußzeichen,  gewöhn- 
lich ein  Punkt,  steht. 

2.  Das  Kolon  kann  einen  ganzen  Vers  vertreten. 

3.  Häufig  werden  aber  zwei  oder  mehrere  Kiola  (Sätze)  zu  einem 
Verse  (Periode)  verbunden,  an  dessen  Ende  manche  Handschriften  ein 
besonderes  Versschlußzeichen  setzen. 

4.  In  zwei-  oder  mehrgliedrigen  Versen  kann  der  Kolonpunkt  mitten 
in  einem  Worte  stehen,  vgl.  dazu  Gaisser,  Les  *Heirmoi«,  S.  49  Anm.: 
Tov  £X  rarpov  avaX<x}.i\ipccvra  arjjiisQor. 

5.  Die  Versbildung  beruht  nicht  ausschließlich  auf  derSilbenzählung, 
vielmehr  kommt  dazu  noch  die  Beobachtung  gewisser  Tonstellen.  Jedes 
'Kü)Xo7'  hat  eine  oder  einige  Stellen,  die  stets  betont  sein  müssen,  d.  h. 
die  Verse  haben  ihren  eigentümlichen  Rhythmus. 

Ein  paar  Beispiele  aus  Pitra  mögen  dies  erläutern.  S.  13  ff.  findet 
sich  dort  der  -/.aviov  (d.  h.  ein  Liederkranz  von  9  Liedern  zu  Ehren  der 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    415 


JIoQTatTiaa.  Für  diese  zaroveg  ist  ein  bestimmtes  Schema  vorgeschrie- 
ben (Alexios  V,  Maltzew,  Liturgikon,  Berlin  1902,  S.  49),  welches  be- 
stimmt, daß  die  einzelnen  Lieder  sich  in  irgend  einer  Weise  an  gewisse 
Bibelstellen  anschließen,  Lied  1,  an  2.  Mos.  15,   1 — 19;  2,  an  5.  Mos. 
32,  1  —  43;  3,  an  1.  Sam.  2,  1  —  10;  4,  an  Habak.  3,  2  —  19;  5,  an  Je- 
saj.  26,  9—20;  6,  an  Jona  2,  3—10;  7,  an  Dan.  3,  26  —  57;  8,  an  Dan. 
3,  58 — 88;  9,  an  Lukas  1,  46—55  und  68—79.    Dies  sind  die  bibli- 
schen evvea  tpöal^  welche  sich  auch  im  Horologion,  Rom  1876  S.  39, 
abgedruckt  finden.    Den  meisten  Kanons  fehlt  das  2.  Lied.    Wo  es  vor- 
handen ist,  wird  es  nur  in  der  großen  40tägigen  Fastenzeit  vor  Ostern 
gesungen,  vgl.  Zonaras  in  der  Abhandlung  Christs ,  Sitzungsberichte  der 
Kgl.  Bayerschen  Akad.  der  Wissensch.  1870  Bd.  III  S.  81  ff.    Auch  der 
in  Rede  stehende  -/.aviov  hat  keine  zweite  Ode.    Ich  gebe  die  eiQi-iol 
und  je  eine  Strophe  aus  dem  1.  und  dem  4.  Liede,  Pitra,  Hymnographie 
S.  13  ff. 

Lied  1. 


EiQi-ws: 
12:   ^Qf.iaTrjkaTrii/  Oaqaco   ißv- 

T€QaTovqyovo<x  Ttore 
f.itüaa'iKr]  Qaßöog 
GtavQOTVrccog  Ttlrj^aGa 
y.al  öielovaa  &&Xaxxav , 
^iGQarjX  öe,  cpvydda^ 
Tte^bv  bdiTYjv,  diiacüaev, 
qO(.ia  rü)  Oecp  avai-ieXrcovra. 


7: 
6: 
7 
8 
7 
9 
10; 


Strophe  3: 
^ßg  tCbv  daif.i6vcov  VTtTqqerai  erqs- 

€§€Qr]fiovvreg  zrjv  yfjv 
siKoviy^cöv  TiiTtcor, 
&Eocpilov  rä^avTog 
S-eooTvyovg  öi-iöcfQovsg, 
avTovg  lf.ivy.rriQ LG ag, 
TtvhoQOV  diynqv  TtQo'iGraGo, 
od^ev  GOL  zo  lalqe  Ttgogaycoi-iev. 


Statt  TtqogayiofiBv  dtirfte  ngogayo^iev  zu  lesen  sein. 


Eiqi.iög\ 
8:  EiGay.T^y.oa,  Kvqu, 
12:  Tfjg   oly.ovoi.iiag  gov  to  fw- 
Gtr^Qior, 
9:  yaTSVÖrjGa  ra  eqya  gov 


Lied  4. 

Strophe  1 : 
'^Pödov  7t ileig  äf.idQavTov 
yal  evcoöiä^eig  rcävtag  rji'xäqLTi^ 
y^XalQS,  KÖQiq  IIoQTatTiGa,< 
teqelg  yal  levlrai  eyßor^Gars. 


1 1 :  yal  söö^aGa  gov Tr]V^£6TrjTa. 

Durch  Pitra  und  Christ  sind  wichtige  Fragen  der  späteren  griechi- 
schen Verstechnik  gelöst  worden.  Ein  Anstoß  blieb  aber  noch  im  Wege. 


416  R-  Abicht, 

Nach  der  Theorie  sollten  die  Strophen  ein  und  desselben  Liedes  in  sich, 
nach  Silbenzahl  und  Betonung  (wenigstens  gewisser  Stellen)  überein- 
stimmen. Im  allgemeinen  verhielt  es  sich  auch  tatsächlich  so;  dennoch 
war  die  Zahl  der  Abweichungen  größer  als  daß  man  sie  so  ohne  weiteres 
hätte  mit  in  den  Kauf  nehmen  können.  Vor  dem  Radikalmittel  aber, 
nämlich  dem ,  die  Verse ,  welche  sich  nicht  fügen  wollten ,  einfach  für 
verderbt  zu  erklären  und  durch  Konjekturen  nach  der  vermeintlichen 
Regel  umzuwandeln,  haben  schon  Pitra  wie  Christ  mit  Recht  gewarnt. 

Einen  wesentlichen  Fortschritt  bringt  D.  Hugues  Gaisser,  Les 
»Heirmoi«  de  Paques  dans  l'Office  grec,  Rome,  Imprimerie  de  la  Propa- 
ganda 1905. 

Gaisser  lehrt,  daß  die  einander  entsprechenden  Kola  der  einzelnen 
Strophen  desselben  Liedes  durchaus  gleiche  Lauge  haben.  Diese  Länge 
wird  aber  nicht  ausschließlich  nach  der  Zahl  der  Silben  bestimmt,  son- 
dern nach  dem  Zeitwert  der  Noten,  der  in  den  entsprechenden  Kola 
übereinstimmen  muß.  Die  Zahl  der  Silben  braucht  mit  derjenigen  der 
Noten  keineswegs  übereinzustimmen.  Die  metrische  Länge  oder  Kürze 
der  Silbe  hat  nichts  zu  sagen,  lange  wie  kurze  Silben  können  die  Zeit- 
werte von  Vs  (=  ^),  2/8  (=  -),  Vs  (=  M  und  Vs  (=  ^)  haben. 

Demnach  sind  nach  Gaisser  die  Kola  lai.i7tQvvS-(Jü^i€v  laoi{ß  Silben) 
und  xat  oipo^isd-a  (5  Silben)  musikalisch  gleich  lang,  denn  ihr  musika- 
lisches Schema  ist:     v--  w  :  _  «^  w  |  _ 

_    \^     w 
■^  ^  : I  _^     statt  -d-Co{.iev  la-  wird  in    der 

anderen  Strophe  -ipoi.ie-  gesungen,  was  in  beiden  Fällen  ^s  (=  '— ')  ^^~ 
gibt.  Die  Silbe  an  sich  hat  also  keinen  musikalischen  Zeitwert,  sondern 
empfängt  ihn  erst  durch  die  sogenannte  Tovrj ;  xvqls  kann  sein  =  ^  ^  ^ 
(Vs)  oder  -  ^  |  -  (%  auf  2  Takte  verteilt)  oder  =  l_  1  -  ^  (ß/g  in  2 
Takten)  oder  1_  ]  l_  I  (_  |  (s/g  in  3  Takten). 

Für  die  rovr]  gilt  aber  die  Regel,  daß  weder  die  vortonige  noch  die 
nachtonige  Silbe  längere  Dauer  bekommen  darf  als  die  Tonsilbe,  und  daß 
die  Tonsilbe  immer  auf  dem  guten  Taktteil  stehen  muß :  la  syllabe  voi- 
sine  de  celle  qui  a  l'accent  tonique  ne  peut  avoir  plus  de  duree  que  la 
syllabe  accentu^e  elle-meme;  et  d'autre  part,  la  syllabe  accentuee  doit 
toujours   coincider   avec  le   temps  fort  du  pied  rythmique  (S.  38/39). 

Wenn  einmal  alle  Tradition  über  die  griechische  Betonung  abhan- 
den käme,  so  könnte  nach  diesem  Gesetz  aus  den  griechischen  Kirchen- 
liedern die  Betonung  des  griechischen  Wortschatzes,  so  weit  er  in  den 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    417 

Liedern  vorkommt,  wieder  hergestellt  werden.  Da  der  Rhythmus  der 
Melodie  zugleich  die  grammatische  Betonung  angibt,  werden  die  Akzente 
in  griechischen  Notenhandschriften  stets  weggelassen. 

So  fremdartig  uns  das  griechische  Musikwesen  auf  den  ersten  Blick 
erscheint,  so  hat  es  doch  vielfache  Berührungspunkte  mit  unserer  Choral- 
musik. 

Unsere  Choräle  bestehen  aus  gleichgebauten  Strophen  von  Versen 
mit  wechselnder  Silbenzahl,  so  hat  z.  B.  »Ein  feste  Burg«  Strophen  von 
9  Versen  (Kola)  mit  den  Silbenzahlen  8:7:8:7:5:5:5:6:7,  vgl. 
Schlesisches  Provinzialgesangbuch  Nr.  136. 

Kleine  Unregelmäßigkeiten  finden  sich  dabei,  besonders  in  älteren 
Liedern,  obgleich  fast  bei  jeder  neuen  Ausgabe  einige  davon  getilgt 
werden,  so  hat  das  Lied  » Wir  glauben  all«,  1.  c.  Nr.  130,  in  dem  5.  Verse: 
»Er  will  uns  allzeit  ernähren«  8  Silben,  in  der  dritten  Strophe  sind  es 
aber  9:  »Die  ganze  Christenheit  auf  Erden«.  In  den  Noten  ist  die  tiber- 
schüssige  Silbe  vermerkt,  im  Text  ist  sie  durch  Verstümmelung  von 
»ganze«  in  »ganz«  unterdrückt.  Die  Griechen  waren  hierin  weniger  pein- 
lich, für  sie  hatten  kleinere  oder  größere  Variationen  von  Strophe  zu 
Strophe  (die  sie  nach  den  oben  angegebenen  Regeln  der  tovi]  überwanden) 
augenscheinlich  einen  besonderen  Reiz. 

Auch  der  Akzent  in  unseren  Choraltexten  ist  nicht  gleichgültig. 
Wenn  z.  B.  zwei  Lieder  die  gleichen  Verszahlen  in  der  Strophe  und  die 
gleichen  Silbenzahlen  in  den  Versen,  das  eine  aber  trochäischen,  das 
andere  jambischen  Rhythmus  hat,  so  können  sie  nicht  nach  derselben 
Melodie  gesungen  werden:  Nr.  65  »Jesu,  deine  Passion«,  Nr.  349  »Be- 
fiehl du  deine  Wege«  und  Nr.  490  »Einen  guten  Kampf«  haben  alle  drei 
die  Strophen  7,  6,  7,  6,  7,  6,  7,  6.  Nr.  65  und  490  können  zur  Not 
ihre  Melodien  vertauschen,  denn  sie  beginnen  beide  mit  vollem  Takte 
und  haben  fallenden  Rhythmus,  bei  Nr.  349  aber  ist  dies  nicht  möglich, 
denn  es  beginnt  mit  einem  Viertel  im  Auftakt  und  hat  steigenden  Rhythmus. 

In  unseren  Gesangbüchern  sind  wie  in  den  griechischen  die  Kolon-, 
bezw.  Versschlüsse  kenntlich  gemacht.  Als  Zeichen  dienen  hierfür:  ein 
größerer  Zwischenraum,  Beginn  jedes  Verses  mit  einem  großen  Anfangs- 
buchstaben, in  katholischen  Gesangbüchern  auch  ein  Stern  (asteriscus). 
In  den  griechischen  Liederbüchern  sind  die  einzelnen  Lieder  bezeichnet 
mit:  »idi6i.ieXov*,  d.  i.  ein  Lied,  das  eine  besondere  Melodie  für  sich 
hat,  so  daß  es  keine  anderen  kirchlichen  Texte  dazu  gibt;  durch  »avrö- 
f.isXov<^,  was  unserem  »eigeneMelodie«  entspricht,  oder  als  y>7tQ0ööi-i0L0V«- 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  27 


418  R-  Abicht, 

oder  ofiOLOV  (no;i;o6eHi.),  d.  h.  nacli  einer  anderen  Melodie  zu  singen. 
Diese  Melodie  ist  im  Griechischen  kenntlich  gemacht  durch  ihren  Text, 
der  entweder  vollständig  oder  in  seinen  Anfangsworten  angeführt  wird, 
und  die  Angabe  der  Tonart,  deren  die  griecliischen  Kirchenmusik  8  be- 
sitzt, in  den  deutschen  Gesangbüchern  keLßt  es  kurz  »nach  der  Melodie: 
Nun  ruhen  alle  Wälder«  od.  dgl. 

Unsere  modernen  Choralmelodien  sind  in  mensurierten  Takten  kom- 
poniert. Die  älteren  aber  beruhen  durchaus  auf  dem  Prinzip  des  yiüXov, 
welches  von  unseren  Takten  nichts  weiß.  Nun  sind  zwar  in  unseren 
Choralbüchern  auch  diese  Melodien  gewaltsam  in  das  Schema  unserer 
mensurierten  Takte  eingezwängt,  gesungen  aber  wird  durchaus  nach  den 
y.CoXci^  deren  Ende  durch  [|  oder  -^  bezeichnet  ist.  Daß  y.CüIov  und  Takt 
inkommensurable  Größen  sind,  zeigt  sich  darin,  daß  sie  nur  zufällig  ein- 
mal zusammenfallen,  so  steht  1.  c.  in  Nr.  23  »Gelobet  seist  du«  die  Fer- 
mate des  Kolon  zweimal  nach  dem  dritten,  einmal  nach  dem  ersten  Viertel 
und  abgesehen  vom  Ende  der  Strophe  nur  einmal  am  Ende  eines  Taktes. 
Wenn  Köstlin,  Geschichte  der  Musik  im  Umriß,  Berlin  1888,  S.  36 
schreibt:  »Eine  geordnete  Reihe  von  Takten  hieß  Kolon  (entsprechend 
unserem  Satz),  die  Kola  werden  zu  Perioden  erweitert«,  so  ist  das  Wort 
Takt  hier  nicht  im  Sinne  unserer  mensurierten  Takte  zu  verstehen.  Ein 
■/.CbXov  im  Sinne  der  alten  Musik  ist  das,  was  die  russischen  Bauern  die 
KOJi^na  des  Nachtigallenschlages  nennen  (vgl.  Turgenew,  0  cojiobi.;]x1), 
1853),  d,  h.  die  musikalischen  Phrasen,  aus  welchen  sich  der  Nachti- 
gallenschlag zusammensetzt. 

Auch  der  Fall,  daß  das  -/.Colov  mitten  in  einem  Worte  schließt  und 
das  folgende  in  demselben  Worte  seinen  Anfang  nimmt,  wie  oben  (S.  414) 
avaXd^lipavra  ^  ist  unseren  Liedern  nicht  fremd.  Er  findet  sich  in  dem 
bekannten  »Lobt  froh  den  Herrn,  ihr  jugendlichen  Chöre«  (Schles.  Pro- 
vinzialgesangbuch  Nr.  586)  in  der  zweiten  und  in  der  dritten  Strophe: 
»Du,  der  sichKin|[der  auserkor«  und  »Das  Lob,  das  un|]srerSeel  entquoll«. 

Um  noch  eine  äußerliche  Ähnlichkeit  zu  erwähnen,  so  haben  die 
Griechen  Choralbücher,  EiQi-iolöyia,  wie  wir,  z.  B.  das  1856  in  Kon- 
stantinopel bei  Gaddalog  Tißnaiär  Ton  'ltodvpr]g  ^a/^iTradagiog 
herausgegebene.  Ihr  Vorrat  von  Kirchenliedern  (in  '0'/.Tc'o)]xog,  Tqko- 
diov,  nevTr]y.oaräQior,  Mrjvala,  Ev%oX6yiov  und  '^QQoXöyior)  ist  un- 
geheuer. Sie  werden  aber  nicht  nach  Belieben  für  die  einzelnen  Gottes- 
dienste ausgewählt,  sondern  sie  sind  zu  festen  Gottesdienstordnungen 
zusammengestellt. 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    419 

Christ  hat  in  seiner  Anthologia  eine  reiche  Sammlung  von  griechi- 
schen Kirchenliedern  vollständig  interpungiert,  d.  h.  er  hat  zunächst  die 
syntaktischen  Interpunktionszeichen  gesetzt,  daneben  aber  auch  die  '/.üla 
kenntlich  gemacht,  und  ebenso,  wo  mehrere  /wAa,  zu  einer  Periode  zu- 
sammengefaßt, größere  Verse  ausmachen,  diese  letzteren,  Handschriften, 
die  in  derselben  Weise  ein-  und  mehrteilige  Verse  unterscheiden,  sind 
selten.  Wo  sie  fehlen,  kann  nur  ein  eingehendes  Studium  der  Melodien 
die  nötigen  Fingerzeige  geben.  Pitra  hat  sich  deshalb  auf  die  Abteilung 
der  '/.CüXa  beschränkt. 

Auch  die  vortrefflichen  römischen  Ausgaben  aus  der  Librairie  Poly- 
glotte de  la  S.  Congrdgation  de  Propaganda  Fide,  23,  Place  Mignanelli, 
Roms  (ich  nenne  die  Quelle,  um  anderen  die  Mühe  des  Suchens  zu  er- 
sparen) haben  neben  der  syntaktischen  Interpunktion  nur  die  Asterisken 
der  Kola  nach  guten  Handschriften.  In  schlechten  Handschriften  und 
Drucken  ist  die  Überlieferung  der  xwAor-Punkte  vielfach  alteriert. 

Die  alten  Drucke  der  griechischen  liturgischen  Bücher  bis  zum  Jahre 
1600  sind  verzeichnet  von  Ph.  Meyer,  Studien  zur  Geschichte  der  Theo- 
logie und  der  Kirche  UI  6,  1899. 

Wie  schon  Christ  (Anthol.  S.  LXXV)  ausgesprochen  hat,  haben  die 
alten  Drucker  die  Kolonpunkte  nicht  mehr  verstanden.  Sie  nahmen  sie 
für  syntaktische  Interpunktionen  und  ersetzten  sie  zum  Teil  durch  Kom- 
mas. Das  wäre  nun  kein  Unglück  gewesen,  wenn  sie  sie  nur  an  ihren 
alten  Stellen  gelassen  hätten,  aber  gelegentlich  erlaubten  sie  sich  Ver- 
besserungen vom  syntaktischen  Standpunkte  aus  und  das  ergab  in  man- 
chen Drucken  eine  heillose  Vermengung  der  musikalischen  bzw.  verstech- 
nischen und  der  syntaktischen  Interpunktion. 

Dafür  einige  Beispiele: 

'ÜQolöyLOv  To  ^isya,  Rom  1876,  S.  282: 

7:  Xqiarov  ßißlov  sf^upvxov*  (.)  (2.)  (3.)  (4.)  1. 
9:  lGcpqayiO(.iivriv  os  IIvev^icxtL*  (.)  (2.)  (3.)  (4.)      2. 

7:  b  ^uyag  JiQxayyslog,*  (,)  (2,)  (3.)  (4.)  3. 

6:  ^yvrj,  ^scb^uvog*  (.)  (2.)  (3.)  (4.)  4. 

5:  enecpiovsi  oof*  (.)  (2)  (3)  (4)  5. 

7:  XalQs,  xaqäg  doxelov,*  (,)  (2.)  (3.)  (4.)  6. 

7  :  d'  fjg  Tfjg  ÜQO^ir^TOQog*  (,)  (2.)  (3,)  (4,)  7, 

6  :  aQct  kv&rjGSTai.  8. 

Die  in  den  ersten  Klammern  beigesetzte  Interpunktion  gibt  die 

27* 


420  R-  Abicht, 

Zeichen,  mit  welchen  diese  Strophe  im  'QQolöyiov  des  BeQvaqöog  Trjg 
iovvrag,  Erben  des  Philippus  Juntae,  Florenz  1520,  S.  4  +  3  recto,  aus- 
gestattet ist.  Sie  giebt  teils  durch  Punkte  teils  durch  Kommas  genau 
die  Kolonschlüsse  an.  Diese  Ode  hat  vier  Strophen,  deren  Interpunk- 
tion in  den  folgenden  Klammern  gegeben  ist ;  wo  blos  die  Nummer  der 
Strophe  ohne  Interpunktionszeichen  in  der  Klammer  steht,  fehlt  eine  Inter- 
punktion. 

naQa/.lrjTixrj,  Rom  1885,  S.  9,  finden  wir  die  Strophe: 
Tbv  rä(pov  aov,  ^toziiQ,  *  (,)  [,] 
ar^aTiütaL  trjQovvveg,*  {,)  [,] 
VEy.Qol  rfj  dargaftf]*  ()  [] 
Tov  6(pd^evTog  ^yyeXov  *  (,)  [J 
eyivovTO  y.r]QVTTOPTog  *  (,)  [,] 
Fwai^l  rrjv  ^vcLOxamv.'^  (.)  [.] 
'2.E  do^äCouev*  (,)  [,] 
rbv  rfig  g)^OQäg  'Aad-aigerr^v*  (.)  [.] 

Ool  TTQOaTtCTtTOflSr*  (,)  [,] 

T(p  dvaGTOlVTl  CK  Tacfov^  (,)  [,] 

y.al  f.wv(o  Osip  i]i.iä)r. 

Die  in  runden  Klammern  hinzugefügte  Interpunktion  ist  die  des 
Venediger  Oktoechos  vom  Jahre  1604  TTaqa^AvTiovUo  rcp  ÜLveXio^  fol. 
B  II,  die  in  eckigen  Klammern  diejenige  des  Venediger  Oktoechos  vom 
Jahre  1688  TtaQcc  Nmoläo)  rü  ^ccqo),  S.  16.  Ähnlich  beschafifen,  d.  h. 
nicht  syntaktisch,  sondern  verstechnisch,  aber  vielfach  alteriert,  ist  die 
Interpunktion  in  den  übrigen  alten  Drucken,  soweit  ich  solche  einsehen 
konnte:  in  dem  Euchologion  von  1520  und  den  beiden  Oktoechos  von 
1520  (?)  und  1579,  die  ich  durch  die  Liberalität  der  Kgl.  Bibliothek  in 
Hannover  benützen  konnte,  in  dem  Bande  der  Menäen  (August  bis  De- 
zember), gedruckt  1591 — 95,  der  mir  durch  die  Zuvorkommenheit  der 
Kgl. Bibliothek  in  München  zur  Verfügung  gestellt  worden  ist,  und  anderen. 

Ebenso  findet  sich  die  alte  Versteilung,  wenn  auch  mit  manchen 
Fehlern,  in  dem  slavischen  Bozidarschen  Oktoechos,  Venedig  1536,  für 
dessen  Übersendung  ich   der  Kgl.  Bibliothek  in  Berlin  verbunden  bin. 

Die  Petro-Paulinische  Kirchenbibliothek  zu  Liegnitz  in  Schlesien 
besitzt  einen  slavischen  Psalter  nebst  Casoslov,  dessen  Punkte,  soweit 
sie  vorhanden  sind,    gleichfalls  zum  größten  Teil  dort  stehen,  wo  im 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    421 

Griechischen  ein  Kolon  zu  Ende  geht.    Ich  gebe  daraus  einige  Beispiele 
nebst  dem  griechischen  Texte  nach  dem  Horologium  vom  Jahre  1876. 

Horol.  S.  13:  'Hxog  ttI.  ö' . 

'idov  b  Nii^Kplog  ÜQ^erai* 
Iv  T(p  fiSOO)  Tfjs  i^vxTÖg  •  * 
■/.al  i^iay.äoLog  ö  dov?.og,* 
ov  svQi']ast  yQrjyoQovvta'* 
äva^Log  de  Ttalip,* 
bv  evQTjGSL  Qad^vf^iovvra* 
BXirce  ovv^  ^^ZV  !-^ov,* 
l-LYi  r(^  VTtvo)  '/.aTevE%d-fig* 
%va  firj  T(p  d-aväro)  Ttaqaöod-fjg,* 
v.al  TTJg  ßaailsiag  €^to  /.Xeiad^fjg'* 
älXa  avaviqxpov  -/.qaCovoa'* 
"AyLog^'!dyiog,^!ÄyLog  el^  b  Geög'* 
öia  rfjg  Q£Ot6-/.ov  IXerjGov  ri(.iäg. 

Mscr.  Petro-Paulinum ,  S.  297.  Die  Zeilen  sind  nicht  abgesetzt, 
sondern  fortlaufend.  Ich  setze  sie  ab,  damit  die  richtig  erhaltenen  Vers- 
punkte deutlicher  hervortreten. 

HBAHCH'kpdB'k 
HfA^CTCHH'KJKenaKKl. 

6roH;{ivBp/üi|i£CYHiüCdioi|ja. 

KAWCYKCAUJeiUlWA. 
AaHfCHOWTArOTHlUHCA. 

A<iHfCMpTHnpeyi,aHaKOYAfi"H- 

HlDLJ,pTBH/^B'HE3aTB0pHLUHC<A 
HOB'KCnp^HH^OBOYlfJE. 

T    T    T  ~ 

C.C.C.    tCHBE 

BiJtapaniVMHAOYHHa 


422  R.  Abicht, 

Von  den  zwölf  erforderlichen  Verspunkten  sind  also  sieben  an  den 
richtigen  Stellen  vorhanden,  ein  falscher  erscheint  nirgends. 

Hör.  13. 

Tr]v  fif.i€Qccv  Ixelpi^v  r]jv  q>oßeQav* 

evvoovaa,  tpvxf}  (-lov,  yQriyöqriaov* 

avccTTTOvGa  kai.i7iäda  aov* 

iv  eXalip  (paiÖQVpovoa'* 

ov  yccQ  oidag  tzöts  * 

Ttqog  ae  ercelevOETai* 

f]  g)iopr]  f]  leyovoa'* 

"idov  6  Nvf.i(piog.* 

BkercB  ovv,  t//v/?j  (.lov ,  i-irj  vvovd^rjg,* 

ymI  (.lELvrjg  e^tod-ev  yiQovovaa,* 

wg  al  Tiivre  Uagd-epoi "  * 

all'  äyQVTtvojg  y.aQreQrjaor,* 

iva  VTtavnqor^g  Xqlgtc^  ev  elaio)  Ttiovi,* 

Y.al  ö(pr]  aot  rov  rufxcpöJva* 

TOP  d-elov  T^g  öö^rjg  avTov. 

AHlilVHTiCTpailj'HWH. 
O*)lVlllUllJAAI04J(/k,llJfMWA.n0K*AH 

ß'H;kiraici4JfCB'Ki|jiocBoio. 
MacAiunpoci|jaioL|jio 

HtBECHO\'BOKara 

npHHAfKTeK'k 
raarAi|jL. 

CEHCCHH 

E:AI00\^e0AUJfM0/^.;i,aHEBlU3AP£MACUJH. 

HnpfKOYAfllJHB'^HfTWKO\'liJKI. 

raKon^ABT». 

HOEOAPfHOnOEAH. 

ia'K0A40\'cpAi|jeiuuYaMATBa  2) 


1)  V.  Maltzew,  Kanonnik  S.  38:  noMbim-ifliomH. 

2)  MHrtöCTHBd  =  iXe^/uot'i  anstatt  if  iXceiio  niovi. 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    423 

l^/l,aCT'KTHMfp'TlVr'K 
BJKTBeHkialjCAdKklCßOeA. 

Von  den  14  erforderlichen  Verspunkten  finden  sich  6  richtig  ge- 
setzt; dazu  kommen  ein  versetzter  in  Vers  2  und  ein  überflüssiger  in 
Vers  9. 

Her.  S.  13: 

2s  TO  ccTtÖQd-ritov  TElxog,* 

To  rfjg  aioTrjQLag  dxvQ(oi.ia,* 

OsorÖKS  Uagd-sve,  ly.ETEVO(-iEV* 

Tag  xüv  Evavriwv  ßovXag  öiaaycäöaaov '  * 

Tov  Xaov  aov  zrjv  Xvitr^v  eig  xaqav  (.leraßake '  * 

ZOP  '/.öofiov  aov  ävayidkeoor'* 

Tovg  Evaeßelg  '/.QaraioDOov* 

vitlq  EiQr}vr]g  rov  -/.ÖGf-iov  TtqioßEVE* 

OTL  ah  eI,  Geotö-üe,  fj  EXvtlg  fn-icov. 

Mdc.  Petro-Paulinum  S.  298. 

TfECHtCKOpHMOlOCT'tHOY. 

H>KfcncfHie2).o^^fp*jKeH"u3] 

Bl^JAKOMWAHM'k. 

X 

COYnpOTHB'HlilCTiK'kTWpa^OpH. 

HAioHcßOHnEMaAbHapacTbnpeAOH^Ki. 

MHp'KCBOHnpH^OBH, 

npaBwcAaBHiüaKHSH  ^joy'TBep'AH 

vOcMHpEHHHBCCrOMHpaMOAHC/ft. 

raKOTkiECHBLi^ec\*noBaH'ÜHamE. 

Von  acht  erforderlichen  Punkten  stehen  fünf  richtig,  einer  (in  Vers  2) 


1)  ä  dürfte  Schreibfehler  für  h  sein,  veranlaßt  durch  das  folgende  cAdBw. 

2)  Für  cndCfHiM. 

3)  d.  i.  ovfTBfpjKfHif ,  an  Stelle  des  in  Ermangelung  etwas  Besseren  ge- 
setzten ^  hat  die  Handschr.  eine  Ligatur  a- 

4)  KHASH  =  ßaailsl;,  welches  auf  eine  andere  griechische  Vorlage  hin- 
weist, das  Euch.  BsQuagdov  xrig  iovvxas,  Florenz  1520  bietet:  tüi  ßaaiXBl  avf^- 
fia-/r]aoy. 


424  R-  Abicht, 

ist  verschoben,  einer  ist  durch  einen  Haken,  der  vielleicht  ein  Komma 
vorstellen  soll  (in  Vers  6)  ersetzt,  einer  (in  Vers  7)  fehlt. 

In  der  Ermangelung  weiterer  Handschriften  wenden  wir  uns  zu  den 
trefiflichen  Faksimiles  aus  der  Oktoech  des  XIU.  Jahrhdts.  von  Karan- 
sebes,  Sbornik  otdelenija  russkago  jazyka  i  slovesnosti  I.  A.  N.,  Bd.  S2 
S.  60ff.  und  vergleichen  sie  mit naQa-/.?.r]ri/.t]  i]toL^O-/.Tibr]xog  f]  /.leyälrj, 
Rom  1885,  welche  Ausgabe  neben  der  syntaktischen  Interpunktion  die 
Einteilung  in  Kola  hat. 

Parakletike,  S.  469  auch  479: 

^Ev  zfi  cpqLy.rf]  TtuQovola  oov,  XqlotI,  * 

l-iY]  aKovacof-iev  Ov/.  olÖa  v/xäg'* 

TtjV  yccQ  elytiöa* 

6711  ool  Tcp  ^corfjQL  s-9-ei.ud-a,  * 

ei  xat  Tcc  oh  TtQOOTa.'yf.iara  /.u]  fcgärrof-iev* 

dicc  Tr]v  uf-ieXetav  fj^cov.  * 

aXXa  cpelaai  tüv  ipuxwv  fjj.iwp,  öeöf-isS^ct. 

Oktoech  von  Karansebes: 

B'kCTpaUJHOfTßOtnpHUJfCKHfX'«' 

/l^aHECAklllJHMlvHfB'K/l.'kBaC'k- 

^nBaHHl€BC) 

HdTiÄCnCfBTk^AOMiHYOM'K- 

aHJCHTBOHX'Ti.^anOBlvXlHHfC'liTBOpHYOM'K- 

i^aA'tHOCTkHaui;?;. 

In  der  Handschrift  fehlt  also  blos  der  Punkt  nach  Vers  3,  von  6 
nötigen  Punkten  stehen  5  an  richtiger  Stelle. 

Für  die  folgenden  Strophen  gebe  ich  blos  die  griechischen  Texte, 
soweit  ich  sie  habe  finden  können,  und  bezeichne  durch  Kreuze  die 
Punkte,  welche  sich  im  slavischen  Texte  finden.  Zum  Beweise  der  grund- 
sätzlichen Übereinstimmung  der  Asterisken  des  griechischen  Textes  mit 
den  Punkten  des  Slavischen  dürften  schon  einige  Beispiele  ausreichen. 
Wenn  ich  die  griechischen  Texte  ausführlicher  gebe,  so  hofi"e  ich  denen, 
welche  jene  Faksimiles  studieren  wollen,  einen  Dienst  zu  tun. 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    425 

(S.  469  auch  479): 

MerävoLttv  ov  7.i/.rrjf.iai,* 

alV  ovde  naliv  ddxQva'  *f 

dia  tovro  * 

L-/.erevo)  ae,  ^C(jr^o,*f 

TtQo  reXovg  eTtiavQsipai,*  f 

xcfi  dovvaL  (.lot  f-ietüvoLUv,  *  f 

OTtcog  Qva^rjocofiai  rijg  y.o?Maecüg. 
Von  6  nötigen  Punkten  4  an  ricMiger  Stelle. 

Die  nächste  Strophe  läßt  sich  bloß  in  den  drei  ersten  Versen  ver- 
gleichen, da  die  Texte  auseinandergehen;  von  den  3  nötigen  Punkten 
sind  2  richtig  gesetzt. 

(S.  479):  Ol  ^laQTVQrjaavTsg* 

diä  ae,  XQioT€,*f 
TCokXag  ßaaavovg  vtts^sipuv,  *  f 
'/.ai  Teleiov  ärceXaßov  * 
Tov  orsfpavov  Iv  ovqavolg.  * 
'iva  TVQeaßevcüGtv* 

V7t€Q  TCOV  IpVXÖJV  fjf.liüV. 

(S.  728):  MeyaXiüv  xaQtai-KXTcop,  ayi^t]*j- 

TlaqS-eve  &£0(.ifiTOQ,  ov  ri^uüd-iqg'*j 

ort  £TExeg  oagy.l  * 

TOV  eva  rfjg  Tgiädog,  *  f 

XQiGTOV  rov  tcoodÖTrjv,  *j 

slg  ocorrjQiav  rCov  ipir/cov  fjf.icoj^ 
Von  5  Punkten  4  richtig. 
(S.  471):  '0  alG&riTog  Ö>a(»aw*t 

•/.arsTLOVTio&t]  TcavorQaxi'  *f 

'laQcci]X  öe  dieXd^iov* 

Iv  jiieao)  rfjg  -d-aXaoar^g*-];- 

äveßöa'  KvqIo)* 

r(p  Qe(p  fif.iC!)v  äaiüfiev,  * 

ort  öedo^aavai. 
Von  6  Punkten  bloß  3. 

(S.  471):  Tbv  ef-iTteadwa,  XQiare,*f 

XfjGTiöv  eig  xelgag  7tovr^Qidv,*-f 
■/.al  TtXrjyalg  ipvxocpd-ÖQOig  * 


426  R.  Abicht, 

rjfiL&apfj  yev6f.i€vov*f 

ayf-ifiaS-Eiag  ekaio)*-f 

■9-£Qa7t£voag  oiaTeiQ)]Goi',*f 

'Iva  öo^dCco  oe. 
Von  6  Punkten  5,  der  hinter  Vers  5  ist  nicht  deutlich,  aber  vor 
^BpaHEBaßli  =  d-egartevaag  ist  ein  Zwischenraum,  der  für  den  Punkt 
zeugt,  da  die  Handschrift  sonst  keine  Worttrennung  hat. 

(S.  471):  '^q  afxaQTiqGag  TtoXla  *f 

onriKatov  yiyova  XrjorCov '  *  \ 

6  TE^d-elg  kv  arcrjXaui),  *  f 

dav.QViov  6f.ißQovg  öiöov  (.loi^  *f 

xal  xad-ccQiaovf,  OTttog* 

Tov  ayiov  aov  TIvexif-iaTog* 

vaog  y€vrjao)(.iai. 
Von  6  Punkten  4  richtig,  einer  falsch  gesetzt;  von  o^iog  anist  auch 
die  Wortfolge  im  Slavischen  alteriert,  d.  h.  von  einem,  der  die  Strophe 
als  Lese-,  nicht  Singtext  ansah,    vereinfacht  worden:    raKO/\ai^pKBH 
CTroTH;i,Y4K;RAfM'K. 

(S.  471):  NeavLy.cög  top  Ix^Q^^*^ 

y^araßaXövTsgj  Jid^lr]Tal,*f 
■S^eonXöxoig  dXr]d^öJg* 
axEcpävoLg  eKoafxrj&r]Ts,*f 
xal  Qsq>  ev  vipiavoig* 
(ÄST   ^iyyeXiov  TtagLatctods  *f 
dö^rjg  7tkr]Qov(.isvoi. 
Von  den  nötigen  6  Punkten  sind  4  an  den  richtigen  Stellen  vor- 
handen.   Die  Wortstellung  im  Slavischen  ist  mehrfach  abweichend. 

(S.  471):  Merce  MaQvvQcov,  ^yvi]^* 

(.lETct  tCov  ^bLiov  nQOfprjTtÖVj*f 

{.lera  Ttävriov  JiyysXwv*^ 

TOV  Kriarrjv  rü)v  ciTtävTcov* 

EnövacoTtEif  acod^fjvat* 

Tovg  GE  do^d'CovTag^*^ 

GeoxccqItwte. 
Von  6  Punkten  stehen  3  richtig,  einer  falsch,  2  fehlen.    Der  slavi- 
sche  Text  ist  dem  griechischen  nicht  genau  entsprechend,  das  letzte  Kolon 
{QeoxccqItcotb)  fehlt. 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    427 
(S.  513,  vgl.  Christ  u.  Paranikas  S.  196:) 
TOP  y.QViparTa  7täXaL*\ 

ÖlWKTrjV  TVQaPVOV*'f 

vjto  yfjv  tycQvtpav* 

rCov  OEOiooi-iiviov  ol  nald£g'*f 

äll^  fjfulg  wg  al  veavideg* 

T^   KVQUO  aGCO/,lEV'*f 

^Evdö^iog  yccQ  dedö^aorai. 
Von  7  Punkten  4  vorhanden  und  an  den  richtigen  Stellen. 

Tafel  n. 
BTi  ^(M/fi  ist  das  ^soToy.lop  der  6.  Ode  und  pocojV^K^U,'^  der 

slQiJ.og  der  7.  Ode  eines  Kanon  des  Theophanes,  dessen  sämtliche  Strophen 
durch  die  äy.Qoavixig  »Ektop  TtQoaavöiö  rolg  aTreX&ovaiv  ^iiXog<- 
festgelegt  sind.  Um  so  auffälliger  ist  es,  daß  der  übrige  Inhalt  des  Fak- 
similes mit  dem  genannten  Kanon  nichts  gemein  hat,  auch  im  ganzen 
6-Ton  {rcläyiog  ß')  nicht  zu  finden  ist.  Man  sieht,  mit  welcher  Willkür 
bei  der  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Oktoechs  mit  dem  Strophen- 
material verfahren  worden  ist.  Die  beiden  Kanonstrophen  lauten  im 
Griechischen 

(S.  528):  Eig  yfji/ cc7tsTQarpr]f.i£v,* 

TtdQccßävTEg  Tov  Qeov* 
rrjr  IvtoXtjv  rr]v  evS^EOv '  *  f 
ölo.  aov  öe,  JJaQd^eve,  Ttqog  ovqavov* 

rf^v  cp&OQav  tov  d-avcctov* 
exTivd^avTeg. 
Im  Faksimile  nur  zwei  von  sechs  Punkten  vorhanden,  aber  diese 
beiden  wenigstens  an  richtiger  Stelle. 
(S.  528  u.  463,  497,  507  usw.:) 

^qoGoßöXov  i-iev  ti]v  y.dfXLVOv\  elgyaoarof 
"IdyyElog  rolg  baioig  naLoi'*f 
Tovg  XaXöaiovg  de* 
v.ataq)Xeyov  TtQÖaTayua  Qsov*\ 
TOP  Tvqavpov  btcsloe  ßoäv'*\ 
Ev?.oyr]Tbg  ei,  6  Oebg,  * 
b  tCov  TlariQCüp  f]atdp. 


428  R.  Abicht, 

Von  6  Punkten  4  vorhanden,  davon  3  an  den  richtigen  Stellen. 
Wenn  der  Kopist  neijj'K-c'KTKCtpHarrA'K  abteilte,  so  leitete  ihn  wohl  das 
Bestreben,  Subjekt  und  Prädikat  zu  verbinden.  Wir  haben  also  auch 
hier  schon  den  Kampf  der  syntaktischen  mit  der  musikalischen  Inter- 
punktion. 

Tafel  ni. 

(S.  713):  2tof.iaTr/.alg  i^ioQrpcoaeai*f 

Tiüv  äocjiLidTiav  z/vvä}.iEiov*\ 
TtQog  vosqav  xat  civlov* 
avayöf-ievoi  svvoiav*-^- 
yiai  TQioayüo  f.ieX(pdrif.iari,  *  f 
rqLOVTtoGtärov  0£ÖTr]Tog  * 
ly.dEi6f.iBV Ol  el?Mfiy.uv,*j- 
XSQOvßizöJg  ßorjOiüf.iev'  *f 
".Aytog,  "Ayiog,  "Ayiog  el,  ö  Qeog. 

Es  dürfte  nicht  überflüssig  sein,  zunächst  diesen  Text  zu  erklären, 
er  bedeudet:  Wir,  die  wir  (noch  hier  auf  Erden)  in  körperlicher  Gestalt 
lebend,  zu  der  idealen  und  nicht  materiellen  Denkungsweise  der  körper- 
losen Mächte  (=  Engel)  angeleitet  werden,  und  durch  das  Dreimalheilig- 
Lied  (vgl.  Jesajas  6,  3)  Erleuchtung  von  der  dreipersönlichen  Gottheit 
empfangen,  wollen  wie  die  Cherubim  rufen:  »Heilig,  heilig,  heilig  bist  du, 
GottU 

^£2Qol6yiov  zb  i-ieycc,  Rom  1876,  S. 36  zieht  Vers3  u.  4  zusammen. 
An  ihm  gemessen  fehlt  unserer  Strophe  von  8  Punkten  einer,  nach  der 
naQUAli^TiKrj  —  zwei. 

(713):  MsTcc  TzaoCov  rCov  ovqavicov  /ivvä{.iEcov*\ 
XBQovßixcJg  T(p  ev  vipiaroig  ßor]aioi.ier,  *  f 
Tov  TQiadyiov  ävaTtififtovreg  alvov '  *  f 
"Ayiog^  "AyLog,  "Ayiog  sl,  b  Qeög. 

figok.  hat  V.  3  avafiiXTiovTEg.    Alle  Punkte  vorhanden. 

(713):    E^eyeQd-evveg  TOV  VTtvov* 

7TQ0G71L71T01.1SV  ooi,  Ayad-s,  *  f 
xat  TÜ)v  AyyiXiov  xbv  vfipov* 
ßoG){.iiv  aoi,  Avvari'*\ 
"Ayiog^  "Ayiog^  "Ayiog  el  b  Qeög  '  * 
öia  Tr]g  GeorÖKOv  elerjaov  f]f.iäg. 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    429 

'QqoX.  zieht  Vers  3  u.  4  zusammen.   Die  beiden  vorhandenen  Punkte 
stehen  an  richtiger  Stelle. 

(715):  '0  xo  cpCog  dvaTilltov,  KvQie,*-\- 

TtQoaraoiaig  rCov  Jiacofidrtüv,  * 
"/ort  acöoov  i-ie. 
Diese  Strophe  ist  ein  cpu)vaycoyi-/.6v  und  als  solches  auch  im  slavi- 
sehen  Text  mit  OB'S  =  Cß'tTHAf  HTk  bezeichnet.    Die  beiden  vorhande- 
nen Punkte  stehen  an  richtiger  Stelle. 

(713):   Tag  avio  Jvvdi.ietg  i.iLi.iovfi£voi,* 
Ol  E7tl  /ijg*t 

iTtipUiov  v{.ivov  7TQOO(piqo(.iiv  gol,  Myad-i'*\ 
"AyLog^  "Aytog,  Zilywg  el,  b  Qeög. 
"^Qol.  zieht  Vers  1  u.  2  zusammen,  wie  der  slavisehe  Text. 

(713):  "Ayf.TLOTB  (fvaig,* 

fj  rCov  olcov  drji.iiovQybg,*f 

ra  ;(£tA/^  f^fiätv  apoi§ov,*-f 

OTttog  dvayyslXcofxsv* 

zrjv  aivEöLv  oov  ßoidvveg'*f 

Ziiycog,  "Ayiog^  ^'Ayiog  ei,  o  Qeög. 
''^QoL  verbindet  V.  4  u,  5,  demnach  fehlte  bloß  ein  Punkt. 
(713):   Tfjg  -/.livrjg  jcai  rov  vnvov* 
E^eyeiqag  {.is,  KvQi€j*-f 

rov  VOVV  I-IOV  cpiOTiGOVy  * 

xat  TTjv  y.aQÖlav\-  xal  ra  xsL^rj  f.iov  apoi^ov*  f 
slg  To  h(.ivelv  gs,  Ayia  TQidg'*f 
"Aycog/Ayiog,'AyLog  ei,  b  Qeög'* 
öia  rfjg  (deot6v.ov  eXer]Gov  ri/.iäg. 
^^QoX.  hat  noch  einen  Asteriskus  hinten  '/.aqdlav  wie  der  slavisehe 
Text. 

(715):  Tb  cpüig  gov  rb  ätdiov* 

e^aTtÖGreiXov,  KvQie,*-f 
y.al  (pioTLGov  ra  üi.if.LaTa*\ 
ra  v.qv7TTa.  rfjg  -/.aQÖlag  f.iov,*  f 
TtQOGTCtGiüig  TÜ)v  AGioadrcüV,* 
yial  GWGÖp  i-ie. 


430  R-  Abicht, 

Die  Strophe  ist  ein  (pioTaycoyL'/.6v.  Es  fehlen  die  Punkte  hinter 
a'idiov  und  l^acoixdtiür,  wofür  bu,a  steht. 

(713):  TQiag  bf^ioovate  -/.cd  ctdiaLQeTe,*\ 

Movag  TQiauTtÖGtare-f  -/.al  Gvvatöie,*-f 
Gol  u)g  Qe(^  t(x)v  HyyiXiov  * 
Tov  vnvov  v.qavyaC.o^uv'^\ 
"AyLog,  "Ayiog^  "Ayiog  ei,  o  Qeog. 
^QqoX.  verbindet  Vers  3  u.  4.    Danach  ein  Punkt  (hinter  TpHC'K- 
CT Aß^HA  =  TQiGV7t6GTaTe)  ZU  viel.  Nach  dem,  was  wir  bisher  beobachtet 
haben,  sind  solche  Abweichungen  nicht  als  Fehler  anzusehen,  sondern 
als  Hinweise  auf  etwas  andere  Verteilung  der  Fermaten  beim  Gesänge 
des  Liedes. 

(713):  IlareQa  äraQxov,*f 
Yihv  GvvävaQxov,  *  f 
npev[.ia  Gvva'idwv,  *  f 
Geörrira  f.ilav\-  xsQovßixwg  do^c(Gcoi.i£p'  * 
l'ilyiog,"Ayiog,Ayiog  ei,  b  Qeög. 
Der  slavische  Text  hat  im  Verhältnis  zum  griechischen  einen  Punkt 
(hinter  (/l,HHO  =  /.liav)  zuviel,  der  aber  deklamatorisch  berechtigt  ist; 
ob  auch  musikalisch,  kann  ich  leider  nicht  entscheiden. 

Wie  selbst  in  gänzlich  verwilderten  Handschriften  sich  die  Kolon- 
interpunktion findet,  und  stellenweise  sogar  auffallend  richtig,  zeigt  das 
Faksimile  VH  in  Scepkins,  Bolonskaja  psaltyrt  nach  S.  80  aus  dem 
Oktoech  Andrej  Popovs,  Rumjancevsches  Museum  Nr.  2571,  vgl.  Para- 
kletike  S.  511.: 


l»  c  Ä 

üpkTBOHPH. 

JKHi^HliHi^aCTÖnAeHHf  : 

AIOA(MliTBOHIUIkl€. 

HaHkHaA'^/fVl|J{CifV: 

TEBC  pacn<fiHkiijaroc/A 
BaHa  .  .  . 
noMH  .  .  . 


^0  GtavQÖg  GoVj  KvQie,* 
^lorj  Tial  dvTilT]ipig* 
VTtccQxeL  T^  Xa(p  gov* 
xat  l/r'  a^T(p  TteTtoid^öreg,  * 
Ge  rov  GtavQO}d-evTa  guqyX* 
Qeov  fjf.iwv  vfj^vovfiev* 
eXirjGov  fjf.iäg. 


Es  scheint  hier  sogar  ein  System  von  einfachen  und  Doppelpunkten 
vorzuliegen.  Scepkin  hat  S.243  bloß  den  Doppelpunkt  hinter  wa/i.'RA  141« C/ä 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.   431 

abgedruckt,  auf  dem  Faksimile  sind  aber  auch  die  übrigen  vollkommen 
deutlich. 

Durch  das  bisher  Gesagte  ist  die  Vermutung,  daß  die  von  syntak- 
tischem Standpunkt  aus  (wie  schon  Jagic  erkannt  hat)  nicht  erklärbare 
Interpunktion  in  den  altrussischen  Menäenhandschriften  eben  die  musi- 
kalische Kolonabteilung  sei,  schon  in  hohem  Grade  wahrscheinlich  ge- 
worden, eine  nähere  Betrachtung  der  Faksimiles  wird  diese  Wahrschein- 
lichkeit zur  Gewißheit  erheben. 

Faksimile  I. 
Rückseite  des  Blattes  56  des  September-Menäums  vom  Jahre  1095, 
in  Jagics  Ausgabe  Seite  079,  20  bis  080,  9,  enthält  den  Schluß  der  4.  Ode 
eines  Kanons  des  Andeas  Kretes  (über  diesen  vgl.  Christ  und  Par.  XLII). 
Den  grichischen  Text  hat  Jagic  aus  dem  Menaeum  Synodale  und  Porphyiüi 
S.  525  abgedruckt,  der  elQf.i6g  ist  'O  TtQocprjTrjg  JißßaKOVi-i,  vgl.  Ilev- 
rrjyioOTdQLOv  usw.  tr  Ptof.ij]  1884,  S.  180: 

7:  'O  TtQocprjrrjg  J4ßßayiov(.i* 

4:  Tolg  i'oeQOlg* 
10:  d(pd-aX(.Lolg  TtQoetoqaj  KvQLB,* 

6:  Tyjv  Ttaqovaiav  aov* 

7:  öib  '/.ai  dve-KQayev* 

4:  1:47t b  Qaifiav* 

5:  rj^ei  o  Qeög.* 

8:  z/ö^a  zfi  dö^j]  aov,  Xqiote^* 

9 :  dö^a  ttj  avy^araßctoei  aov. 
Den  slavischen  Text  dieses  eiQi-iög  gibt  Jagic  S.  079: 

7 :  Prorok-L  AmbakumT& 

5:  mysltnyima 

9 :  ocima  provide,  Gospodi, 

6:  prisbstvfcje  tvoje; 

8  :  temL  i  vtpbjaase: 

4:  Ott  uga 

5:  prideti.  BogrB. 

7 :  Slava  sile  tvojeji, 

1 1 :  slava,  Hriste,  si.sLstvtju  tvojemu. 
Die  bei  Jagic,  S.  525,  abgedruckten  Strophen  sind  ziemlich  unregel- 
mäßig gebaut,  wie  folgende  Übersicht  der  Silbenzahlen  der  einzelnen 
Kola  ergibt: 


432  R-  Abicht, 

EtQf^ög:  7  :  4  :  10  :  6  :  7  :  4  :  5  :  8  :  9  =  60  SUben; 

1.  '0  TtavQidQxrjg:      8:5:12:7:7:5:5:9:11  =  69      > 

2.  Nvv  fj  QÜßdog:      7  :  5  :  13  :  7  :  7  :  5  :  5  10  :  11  =  60      » 

3.  Nvv  ev(pQaLviö&to:      9:5:8:7:7:4:6:9:11  =66      » 

4.  'EoQTaUrio:  8  :  5  :  8  :  6  :  7  :  4  :  6  :  9  :  10  =  63      » 

5.  J4vav£ovo^co:       8:5:8:7:7:5:5:  10:  10  =  65      » 

Das  Faksimile  zeigt  den  Schluß  von  Strophe  3  : 
9:   Nvv  evcpqatviod-o)  b  ovQavbg, 
5:  dyallLaa^io 
8 :  7j  yfj  YMi  xoQevivwaav 
7:  'ltoay.eif.t  y.al  Jctviö' 
7 :  b  {.lev  wg  yevvrjtioq  oov, 
4:  rfig  aX-qd^Cog 
6 :  TS'ÄOvar]g  xov  d^eöv ' 
9 :  s'/islvog  de  wg  TCQortdzcoq  oov, 
1 1 :  y.riQVTTtov  oov  tcc  [xsyaXela,  ayvt}. 

Der  auf  dem  Faksimile  sichtbare  Punkt  hinter  npaOL^b  TBOH  steht 
an  richtiger  Stelle. 

Von  der  folgenden  Strophe  ßiiZßfAHMHCA  fehlt  uns  noch  der 
griechische  Text.  Die  beiden  folgenden  gebe  ich  in  Kola  geteilt  und 
bezeichne  die  Stellen,  an  denen  im  Slavischen  die  Punkte  stehen,  mit 
Kreuzen : 

8:  '^EoQTateTü)  b  vabgf 

5 :  '/.al  rCov  ayiuiv 

8:  TU  ayid  ooi  arj!.i£Qov 

6:  e^avoiyia&coGavf 

7:  y.ai  ai,  rrjv  duiavrov 

4:  TreQiarsQär, 

6:  ÖExeod-iOGav,  G€f.ivr],f 

9:  sao)  kv  rfj  G'K)]vfi  xov  &eov, 
10:  evdov  rov  iXaarrjQLOV  avrov. 
Die  drei  vorhandenen  Punkte  stehen  an  richtiger  Stelle. 

8:  MvavEÖvad-o)  b  Jidccix^j- 

5 :  OTL  rov  viov 

8:  Jtldai.i-f  f^irjTrjQ  yeyepvr]TaLf 

7:  ey.  Tfjg  öocfOog  Javtdjf 

7 :  '/.al  ^!Avva  evcpQaivevaL,  f 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    433 

5:  ^Io)ay.elf.i  öh 
5 :  x^^Q^^  /.ivoTimog,  f 
10:  TSKÖPTeg  ff«,  trjr  äyiav  axrjvrjv, 
10:  1.^  >]g  occQ^  S-ebg  köyog  yeyovsv. 
Von  den  vorhandenen  Punkten  hat  sich  nur  einer  verirrt,  was  be- 
greiflich ist,  da  bei  einigermaßen  flüchtigem  Schreiben  sich  rov  viov  yäöaii. 
anstatt  rov  viov  Jiöa/.i  gar  zu  leicht  einstellen  konnte. 

Vor  der  folgenden  Strophe  steht  das  Zeichen,  welches  Jagic  S.  XXXIII 
»noxoKiä  Ha  jieaca^yio  hjih  naKJioiiHyiG  eiiTy,  hjh  ua  pi>i6Ky<  nennt. 
Ich  halte  dies  Zeichen  für  identisch  mit  dem  Zeichen  d,  welches  vor 
Liedern  zu  Ehren  der  heil.  Dreifaltigkeit  sich  in  dem  Venediger  Oktoech 
vom  Jahre  1579  (z.B.  zweimal  auf  S.  tioTa)  und  in  den  Venediger  Menäen 
von  1592  (z.  B.  S.  J8^^°)  findet,  seine  Bedeutung  ist  TQiaöi-/.6r.  Die 
Figur  symbolisiert  wohl  mit  dem  Kreise  die  Dreieinigkeit  und  meint  mit 
dem  spitzen  Winkel  ein  ^  =  öö^a.  Der  griechische  Text  dieses  TQia- 
öi/.öv  und  des  ihm  folgenden  d^eoroy-Lov  ist  noch  nicht  gefunden. 


Faksimile  II. 
Es  ist  Blatt  40'^««*''  des  Oktober-Menäums  vom  Jahre  1096,  S.  83, 
17 — 84,  9  der  Ausgabe,  in  den  Mr]vala  rov  okou  eviavroü,  Rom  1888, 
I  393. 

Der  Heirmos  lautet: 
Christ  u.  Par.  S.  172: 

I  7 :  JiTtoQsZ  Ttäaa  yXioaaa 
7:  ev(pr]a£lv  Tzqog  aS,Lav' 
II  5 :  iltyyuc  de 

7 :  vovg  Kai  vrcsq-/.6o(.iLog 
7 :  vf.iv£lv  ae,  S-sotöks  ' 

III  9:  of-icog  ayad-rj  V7iäQ%ovoa 
5 :  rriv  ttLotiv  öexov 

IV  7 :  y.al  yaq  rov  nod-ov  oiöag 
6:  rov  6V-3-S0V  fn-iCov 

V  7 :  Gv  yaq  Xqioriccvcüv  ei 
9:  n:Qoarärig,U€ [.leyalvvoi-iev. 
Christ  hat  also  5  Verse  mit  im  ganzen  11  Kola,  die  Menäen  haben 
bloß  1 0  Kola,  man  sieht,  wie  viel  auf  diesem  Gebiet  noch  achwankt. 

Archiv  für  slavisobe  Philologie.   XXXV.  28 


Menäum,  Rom  1888  S.393: 

5:  ATioqel  Ttäaa* 
9:  yXCüOoa  ev(pri(.iBlv Ttqog  a^iav* 
5 :  lliyyiä  de  * 
14:  vovg  %a\  vjtsqy.ÖGf.nog  vfivelv 

ae,  Qeoröv.e.  * 
14:  '^'Of.Kog  ayad-rj  vnaqxovoa  rrjv 
Ttionv  öexov '  * 
7:  y,al  yaq  rov  rcöd-ov  oiöag* 

6:  rov  evd-eov  fjf.iiov'  * 
2 :  av  yaq  * 

8:  Xqiariavöjv  ei  Ttqoararigj* 
6 :  ae  f.ieyalvvof.iev.  * 


434  R.  Abicht, 

Das  letzte  Troparion  und  das  schließende  Theotokion  der  9.  Ode 
des  Kanons  für  den  Heiligen  des  Tages  (11.  Oktober)  sind  nach  den  rö- 
mischen Menäen  folgende: 

5:  Mi]  £7tiXäd-r]* 

9:  kv  ralg  Tiqoq  Qeöv  gov  7rQeaßslaig*j- 

5:  Twv  ixTelovvTiov* 
14:  aov  rrjv  rcavasßdafiiov  fif.i£Qav,  'l€QaQX(^j*f 

9:  Ttdarjg  äfteilfjg  XvTQovi.isvog* 

5 :  aftaycoyfjg  re  * 

7:  deLv^gf  twv  evarriwv,* 

6:  xa«  ^Xiipeiov  n:olXcov*f 

2:  OüJ^cov* 

8:  yial  TveQisrtcov  ek  ßlc<ßrjg,*-f 

6:  nätsQ  -d-EÖcpaveg. 
Die  Kreuze  bezeichnen  die  Punkte  des  Manuskripts,  von  den  10  der 
römischen  Ausgabe  sind  5  vorhanden  und  stehen  an  richtiger  Stelle  bis 
auf  den  hinter  ÖEiffjg  bzw.  AWTaro,  hier  ist  aber  die  Übersetzung 
augenscheinlich  nach  einem  anderen  griechischen  Texte  gemacht  oder 
später  korrumpiert  worden. 

5 :    YTTSQ/Liaxovaa  * 

9:  ^^vay.Ti  TtiarCog  Iv  7roXEf.ioig*f 

5:  xara  ßaQßdgtov* 
14:  diöov  viy.r^TriQia,-\  IlaqS-EVE  Qeot6y.e^*'\ 
10  (9):  OY.E7iovoa  navroiag  ßläßrjg  EX^QÖJvf 

5:  EvXoyr^uEvt],* 

7:  ÖEdo^ao/AEVi]  31rJTEQ,*f 

6:  uTtEiQavÖQE  Koqrj'* 

2:  tVa* 

8 :  xov  abv  Yiov  avvf-ivovvTEg  * 

6:  OE  f.i£yakvvofiEr. 
Kol.  2:  B'SpHOYMO\'  gegenüber  rtLOrüg^  das  Venediger  Menäum 
vom  Jahre  1592  hat  Tiiotcp,  8.6  S''^".  Von  den  10  Kolonpunkten  sind 
5  vorhanden  und  stehen  richtig  bis  auf  einen  hinter  viy.riTriQia  ^  bzw. 
nOK't/i,'ki,  wo  übrigens  Christ  und  Paranikas  einen  Kolonschluß  an- 
nehmen. Vor  und  hinter  'iva  bzw.  ^a,  welch  letzteres  eingeflickt  ist, 
soll  ein  Kolonasterisk  stehen,  wir  finden  hier  auch  einen  Punkt,  aber 
der  gehört  zu  Moy^KEHmcKOYCiiHaiä,  und  zwei  Kreuze,  die  sind  aber 
nur  die  Zeichen  für  die  Einfügung  des  Ji,&. 


* 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    435 

Es  folgt  ein  KdO^iOj^ia,  ^70?  7cX.  d'  nach  Tr]'}/  2ocplcxv,  Christ  u. 
Par.  S.62,  Römische  Meucäen  I  387),  welches  Rom,  M.  I  406  also  lautet: 

T)]V  ■üQataLav* 
ÖTtlLGcti-ieroi  nioTLV,*\ 
vsccvixiog,  * 

J^vÖQÖvuog,  ÜQÖßog  re,  * 
■/.cd  b  7tävoo(pog  TaQaxog*\ 
Tfjg  TtoXvd^iov  7tMvr]g  * 
tb  '/.QciTog  dieXvoap*f 
'/.al  laovg  Ttqbg  O-elav* 
ayd7tt]v  ovpeörjaav* 


o&ev  ta  rfjg  vUrjg 
'/.O^lLOd^iEVOl  /€(>«,  *t 
XOQolg  ovvevrpQaLvovrai* \ 
daa)[.iariov  /Jvvä(.iuov  *f 
olg  ev  TtioTEL  ßoriaco^£.v*\ 
IlQSoßevaare  XqLOrip  t(^  0«<p,  * 
TÜv  TrTaiai-idTwv  acp  •  eaivdioQifj- 

ToZg  ioQzd^ovai  nö&o)* 
T)]v  dyiav  i.ivri(.ujv  Vf-iLov. 
Im  drittletzten  Kolon  bricht  der  Text  mit  rp'feY^^l»'  OCTd  ...  ab. 
Die  vorhandenen  Kolonpunkte  (8  von  16]  stehen  sämtlich   an  richtiger 
Stelle. 

Faksimile  III. 
Es  ist  fol.  79^^"  des  Oktobermenäums  vom  Jahre  1096,  in  der  Aus- 
gabe S.  147,  3 — 18.     In  den   römischen  Menäen  I  478   ist  unter  dem 
21.  Oktober  Talg  rwv  daxQVcov  aov  Qoalg  bloß  zitiert,  es  findet  sich 
aber  im  Horologion,  Rom  1876  S.  128: 

Talg  rCov  da-/,Qvcov  aov  Qoalg^f 
rfig  eQYjfiov  tb  ayovov  €y€ibQyr]aag,*f 
y.al  Totg  ek  ßdd-ovg  aT€vayf.iolg*-f 
eig  i'/arbv  rovg  növovg  exaQ/cocpÖQrjGag,*  f 
/mI  yeyovag  cpo}arf]Q,* 
rfj  orKOvi-iiprjf  Xd^ijnx)v\  tolg  &avi.i(Xöi,*\ 
GeÖATiaTe  TldreQ  r]f.uop  oaie'*j- 
rtQSOßsVB  XQLGTCp  t(p  &e(p,* 
acod^fjvai  rag  xpvxag  rn^iüp. 
Der  Punkt  hinter  BCfAfH'kH  =  oUovfievr]  ist  deutlich,  der  hinter 
CHidiii  =  Xd{.i7rcop  ist  unsicher,  ich  halte  ihn  für  einen  bloßen  Klecks. 
Statt  GeönTLOre  hat  der  slavische  Text  HAdpHöHf ,  man  sieht,  wie  ge- 
wisse Loblieder  auf  verschiedene  Heilige  übertragen  wurden.    Über  die 
Richtigkeit  der  Punktsetzung  im  slavischen  Texte  dieses  Kolons:  HAa- 
pHöH«  CM«  Hami^-  kann  man  streiten.    Ich  halte  sie  für  richtig,  da  der 
Punkt  im  Slavischen  zwischen  Hdiuk  =  fji.uov  und  moah  =  TtQeoßeve 
Bteht;  00 LS  ist  unübersetzt  geblieben  oder  ausgefallen. 

28* 


436 


R.  Abicht, 


Rom.  Men.  I  479:  Käd^iG^a,  'H/og  ttI.  6'. 
J^vTiovlov  Tov  -d^eiov* 

TOV  iväqetov  ßlov* 

7Cvevi.iaTiy.ius*  f 

Ire  lü^iov  Gov  ekaߣg*-f 

TOP   OTaVQOV  TOV  KvQLOV  GOV 

y.axaXiTciov  xov  ßiov* 
TTjv  arcaGav  f-isQif-ivccv,  *  f 
Tfj  TÖJV  Ttad^Cov  veyQCüGet* 


Trjv  2o(piav. 


TCp  TtVEVfXaTL  £^?^(Tag**f 
od^EV  /.al  TrjV  ^TIGIV* 

nagadö^iov  ■d-avficcTcov*f 
eTtlrjQtoaas,  'Ogu,  * 
Tfj  TOV  nv£V(.iaTog  %aQlTl.  *  f 
'l\aquov\  UuTrjq  r^fj.ibv,*\ 

TtQEGßsVE  XqiGTCp  T(p  &ECp,* 
TÜV    TCTaiGf.l6.TL0V   CCCfEGlV  ÖlOQTj- 

GaG&ai* 

TOlg  EOQXaLOVGL  7C6&tp* 

Tijv  ayiav  f.ivrji.cr]v  gov. 


■i 


Die  griechische  Vorlage  des  slavischen  Übersetzers  hatte  Kolon  2 
und  4  vertauscht,  denn  an  Stelle  von  eCrjhoy.cbg  lesen  wir  ;i,]C^"''^';  ^^ 
Stelle  von  TCPSv^iaTiacdg  —  nopkBbHOBacK  •.  Die  slavische  Über- 
setzung läßt  den  Schluß  von...  Gf-icncov  vom  drittletzten  Kolon  an  weg. 
Von  den  im  Griechischen  bis  dorthin  vorhandenen  16  Kolonpunkten  fin- 
den sich  9  an  den  rechten  Stellen,  ein  zehnter  steht  hinter  HAapHÖH£  = 
^I?MQitov  und  zeigt  Vermischung  mit  syntaktischer  Interpunktion. 

Den  griechischen  Text  der  letzten  Strophe  des  Faks.  III  gibt  Jagic 
S.  569  aus  Men.  Porphyrii  91''.  Die  Kolonteilung  ist  die  von  Tr]v  2o- 
(ptav,  die  wir  aus  den  schon  aufgeführten  Strophen  Tfjg  aylag  Tqcädog 
und  J4vTioplov  tov  -d^elov  kennen.  Der  slavische  Text  auf  dem  Faksi- 
mile geht  bloß  bis  zum  11.  Kolon,  dessen  letzte  Silbe  fehlt,  ich  gebe  das 
Griechische  deshalb  bloß  bis  dahin: 


TtäGiv  avi'KXvGag 
TÜV  S-av/uccTiov  TO  TtiXayog,  f 
Y.a\  EV  avTcJ^^  oig  ÖEVTEQog 
BIiüGfjg,f  yiaTETtövTiGagf 


'EyxQaTEiag  lÖQcoGcvf 
äGyir]Tiy.olg 

Y.aTaGßEGug  Tr]v  cpXöya 
Tr]v  TÜV  Tta&üv. 

r«  Tfjg  TcXdvr^g  aQi.iaTa,-f 

daij-iöviov  TE  Tag  cpdlayyag.f 

od-ev  GvveXd^övTEg  .  .  . 

Von  10  Punkten,  die  der  griechische  Text  fordert,  sind  6  vorhan- 
den, davon  stehen  5  an  richtiger  Stelle,  der  sechste  steht  hinter  mc>ch  = 
MwGfjg  verschoben. 


Die  Interpunktion  in  d.  slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchenlieder.    437 

Faksimile  IV. 
Blatt  146^'ö  des  November-Menäums  vom  Jahre  1097  =  Text  461, 
4 — 21.  Das  Blatt  enthält  zunächst  die  letzten  1 Y2  Strophen  der  neunten 
Ode  des  Kanons  Theophanes'  auf  die  heilige  Aiy.aTeqLva  mit  der 
Akrostichis  Ai~/.areqivav  rrjp  Ttavaolöi/^iop  aafiaoi  /.lelrco)  (Rom. 
Men.  II  276  und  284).  Der  Text  des  Faksimiles  beginnt  im  5.  Kolon: 
Tlaorddiov  ovqavuov*  7teqiXa(.i7toiiivr]  (.iaqiiaqvyalg*\ 


evdov  ravvv* 

Gvv  Ttaqd^iviov  xoqeia* 


Xoqevovaa * 
(.iaqrvqL-/.olg* 


Ai^areqiva  nävoocpe,  *f 
Xvaov  Tü)v  TtraLGf-iäTiov  {.lov  tag 

OEiqag^*  -f 
Ttqod^vf-icog  övocoitovoa  * 
rov  TtdvTiüV  Eveqyiriqv,  *f 
Öl  ov  rb  aifia  aov  l^i'/^eag. 


* 


'Qqäd-rjg,  TlaqS^ive 
MrjTr]q  Qeov,*-f 
VTilq  rpvaiv  reycovaa* 

eV  G(b(.iaTL*-\ 

rov  dyad-op* 


yLöyov  Ix  yiaqölag  rijg  eavTOV*-f 
dp  b  Tlatrjq  rjqev^aro^* 
TtdpTiop   Ttqo    aiiopiop   log    dya- 

op  PVP  y.al  Tiop  aa)i.idTiüp* 


e7teY.ELpa  poovfiePj*f 
ei  Acu  rb  oCo^ia  TteqißeßXrjrai. 

Die  Punkte  im  slavischen  Texte  stehen,  soweit  sie  vorhanden  sind, 
alle  an  richtiger  Stelle. 

Die  griechischen  Texte  der  folgenden  beiden  Strophen  RoiۧO/i,a 
und  JKHTHia  {^rqarrjyog  und  BLov)  hat  Jagic  nicht  finden  können  (vgl. 
S.  603).  Ich  bin  nicht  glücklicher  gewesen.  Die  bisher  beigebrachten 
Proben  dürften  indessen  genügen  um  zu  beweisen  ^  daß  die  auffallenden 
Punkte  der  von  Jagic  herausgegebenen  Menäenhandschriften  des  XL  Jh. 
nichts  anderes  bedeuten  als  die  musikalische  Koloneinteilung. 


RelkoYic'  Satir  in  Ragusa. 


Die  Zersplitterung  der  älteren  kroatischen  Literatur  erscheint  wohl 
heute  durch  manchen  Hinweis  auf  die  Berührungspunkte  einzelner  litera- 
rischen Gebiete  gemildert ,  jedoch  vermögen  diese  gegenseitigen  Beruh- 


I 


438  T.  Matic, 

rnngspunkte  noch  immer  nicht,  dem  Bilde  der  Literatur  vor  dem  Illyris- 
mus  eine  innigere  Einheitlichkeit  zu  verleihen.  Um  so  mehr  Interesse 
bringen  wir  jeder,  wenn  auch  an  und  für  sich  unbedeutenden  literarischen 
Erscheinung  entgegen,  die  bezeugt,  daß  das  eine  oder  das  andere  von  den 
Werken  unserer  älteren  Schriftsteller  auch  in  den  Gegenden  bekannt  war, 
wo  wir  es  nicht  erwarten  würden.  Eine  solche  Erscheinung  ist  gewiß 
die  von  einem  Ragusaner  angefertigte,  in  der  Bibliothek  der  Stadt- 
gemeinde Ragusa  erhaltene  Handschrift  des  Satir.  Auf  dieses  Manu- 
skript wurde  ich ,  als  ich  im  Sommer  1911  in  Ragusa  weilte,  von  Prof. 
Aranza  aufmerksam  gemacht,  der  es  mir  durch  sein  freundliches  Ent- 
gegenkommen auch  ermöglicht  hat,  die  Handschrift  zu  benützen. 

Das  erste  Blatt  der  Handschrift,  die  108  Seiten  umfaßt,  trägt  mit 
kalligraphischer  Sorgfalt  ausgeführten  Titel : 

»Raflike  Pjesni  Slovinske  |  pripisane  |  if  Libra,  rec^^^  Satira  M.  A.  Rel- 
kovich  J  Pjevaoza  Slovinskoga,  |  I  prinesene  ü  Boscjanski  f^^*^'  jefik  |  pö 
I  Maren  Marinovich  |  Ü  Dubrovniku  [  Godiscta  1828.«  Auf  dem  darauf- 
folgenden Blatte  ist  noch  ein  Titel,  der  vom  ersten  hie  und  da  abweicht 
und  dessen  weniger  sorgfältige  Schrift  mit  der  der  übrigen  Handschrift 
vollkommen  übereinstimmt:  »Raslike  Pjesni  Slovinske  |  pripifane  ]  If 
Libra  Mattie  Antuna  Relkovichja  |  Pjevaoza  |  od  Slavonie,  |  i  j  Slofgene 
ü  Slovinski  Jefik,  |  tojest  ü  pravi  Bofcianski  (^''^'  |  pö  |  Maren  Marino- 
vich I  u  I  Dubrovniku  |  God.  1827.« 

Dieser  Marko  Marinovic,  der  Relkovid' >S'a^?r  in  die  »echte  bosnische 
Sprache«  übertragen  hat,  ist  auch  sonst  bekannt.  Von  ihm  stammt  die 
handschriftliche  Sammlung  von  Brueres  Gedichten,  die  von  Dr.  Nagy  im 
Archiv  f.  sl.  Ph.,  XXVIII.  Bd. ,  besprochen  wurde  (eine  handschrift- 
liche Sammlung  der  Gedichte  Brueres  —  ebenfalls  von  der  Hand  Marino- 
vic' —  besitzt  auch  Prof.  Resetar).  Unter  Marinovic'  Namen  ist  im 
Kataloge  der  Bibliothek  des  Fra  Innocenz  Öulic  eine  Reihe  kroatischer 
und  italienischer  Gelegenheitsgedichte  (sogar  ein  französisches  Epigramm) 
verzeichnet  (vergl.  auch  Kukulevic'  Arkiv  V,  179 — 183)  und  ihm  ge- 
hören wohl  auch  die  zwei  Gedichte,  die  unter  dem  Titel  »Nad  prilikom 
pjesnika«  in  das  in  der  Bibliothek  der  Südslavischen  Akademie  in  Agram 
befindliche  Exemplar  der  venezianischen  Ausgabe  (1632)  der  Gedichte 
D.  Raninas  handschriftlich  eingetragen  sind  [Stari pisci'^Nlll,  pag.XIX). 
Marinovic  war  somit  ein  Gelegenheitsdichter,  der  sich  aus  Liebhaberei 
auch  mit  dem  Abschreiben  fremder  Gedichte  befaßte. 

Die  Abschrift  des  Satir  wurde  —  wie  deren  zweiter  Titel  besagt  — 

I 


Eelkovic'  Satir  in  Ragusa.  439 

wenigstens  schon  1827  in  Angriflf  genommen.  Marinovic  kannte  den 
Satir  in  dessen  jüngerer  Form,  die  1779  erschien  und  gegenüber  der 
ersten  (Dresdener)  Ausgabe  vom  Jahre  1762  bekanntlich  stellenweise 
geändert  und  bedeutend  erweitert  ist.  Vor  dem  Texte  des  Satir  wird  in 
der  Handschrift  (S.  5)  die  Vorlage  Marinovic'  ausdrücklich  erwähnt: 
»Pripisano  ifLibra  Mattie  Antuna  Relkovichja  recceni  Satir,  illiti  divij 
Ciovik  ü  parvomu  dilu  pjevä  ü  Gusli  Slavonzim,  a  ü  drugomu  djelu  Sla- 
vonaz  odpiva  Satiru.  Ü  Ofiku  17  79«.  Relkovic'  Vorrede,  in  welcher  der 
Autor  über  die  Entstehung  des  Werkes  sowie  über  dessen  Aufnahme  im 
Volke  und  die  Angriffe  der  Kritiker  erzählt,  wurde  von  Marinovic  weg- 
gelassen. Ebenso  wenig  interessierten  ihn  die  ziemlich  umfangreichen 
Fußnoten,  die  Relkovic  an  einzelnen  Stellen  des  Satir  zur  Erklärung  bei- 
gegeben hat.  Eine  einzige  von  diesen  Noten  fand  Gnade  vor  Marinovic 
und  wurde  auszugsweise  in  die  Abschrift  des  Satir  aufgenommen :  der 
Name  des  Brunnens  Markovac  im  Dorfe  Vrbova,  der  zur  Erinnerung  an 
die  Reise  Kaiser  Josefs  II.  durch  Slavonien  mit  einer  lateinischen  In- 
schrift geschmückt  wurde: 

Ex  puteo  hie  aquas  si  vis  gnstare,  viator, 
Gusta,  SecunduB  quas  bibit  Josephus  Imperator 

war  für  Marinovic  eine  willkommene  Gelegenheit,  den  Brunnen  mit  dem 
nationalen  Helden  Kralevic  Marko  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Relko- 
vic begnügte  sich  mit  bloßem  Hinweise  auf  einen  nicht  näher  bestimmten 
Marko,  der  den  Rrunnen  entdeckt  haben  mag,  Marinovic  aber  machte 
daraus  einen  »Marko  kral«  und  fügte  der  von  Relkovic  verfaßten  kroa- 
tischen Übersetzung  der  zitierten  Brunneninschrift  noch  eine  eigene  Para- 
phrase und  Erweiterung  derselben  hinzu:  »Isti  spjevan  od  Marka  Mari- 
novica  kako  slijedi: 

Bistru  ak'  vodu  zudis  piti, 

pij,  ku  je  nekada  cesar  pio 

Josef  Drugi  glasoviti, 

kad  je  ovuda  prohodio. 

I  Kralevic  Marko  je  pio 

od  Vrbove  vode  mile, 

kad  pocinut  ovdi  je  htio 

od  bojnoga  truda  sile.    (Handschrift,  S.  70.) 

Abgesehen  von  etwa  fünfzig  Versen,  die  in  der  Abschrift  des  Satir 
fehlen  i),  hat  Marinovic  die  Verse  Relkovic'  im  großen  und  ganzen  scho- 

1)  Es  fehlen,  soviel  ich  bemerkt  habe,  drei  Verse  im  Ponisene  Slavotnje 
(Strohais  Ausgabe  vom  J.  1895,  p.  26—27,  Vers  31—33),  deren  Wcglassung  auf 


440  T.  Mati(5, 

nend  behandelt.  Relkovic'  Schreibart  wurde  natürlich  durch  die  in  Ra- 
gusa damals  übliche  italienische  Schreibweise  ersetzt,  —  und  das  ist 
wohl  die  bedeutendste  formale  Änderung,  die  Marinovic  durchgeführt 
hat.  Die  angebliche,  im  Titel  hervorgehobene  Übertragung  des  Satir  in 
die  >echte  bosnische  Sprache«  ist  gar  nicht  ernst  zu  nehmen,  denn  die 
von  Marinovic  an  der  Sprache  Relkovic'  vorgenommenen  Änderungen 
haben  nur  den  slavonischen  Dialekt  des  Satir  hie  und  da  dem  Sprach- 
gebrauche Ragusas  angepaßt.  Der  Ikavismus  hat  der  ijekavischen  Aus- 
sprache wohl  einige  Konzessionen  machen  müssen,  doch  sind  diese  ver- 
hältnismäßig gering,  so  daß  die  ikavische  Aussprache  auch  in  Marinovic' 
Abschrift  bei  weitem  überwiegt.  Hätte  M,  auf  dem  Titelblatte  nicht 
ausdrücklich  hervorgehoben,  daß  er  die  Sprache  Relkovic  absichtlich  än- 
derte, so  würde  man  diese  teilweise  Ijekavisierung  (bekanntlich  kommen 
schon  bei  Relkovic  stellenweise  einzelne  ijekavische  Formen  vor)  eher  für 
unabsichtlich  unterlaufene  Versehen  eines  ijekarischen  Abschreibers  halten, 
—  so  wenig  konsequent  ist  sie  durchgeführt.  Mitunter  herrscht  bei 
Marinovic  ein  auffälliges  Gemisch  der  beiden  Aussprachen : 

Na  toliko  da  je  vece  doslo 
u  obicaj  i  na  svtt  izislo 
p/evat  pjsme,  koje  ne  valadn, 
all  dobre  «eki  stid  imadu, 
ier  djevojak'  nije  stid  ptvati  .  .  . 
oder 

. . .  jer  druzince  vjerno  ne  obara 
kucu  gosi,  kad  ga  v/rno  sluzi  i). 

Nicht  selten  sind  an  Stelle  der  von  Relkovic  angewendeten,  in 
Slavonien  üblichen  nominalen,  pronominalen  und  verbalen  Formen  die  in 
Ragusa  geläufigen  Formen  getreten:  s  Turcim,  s  kolim,  vi-atim  (instr.  pl.), 
prid  ludim ;  krvim  (instr. sing.),  celadim ;  r uka  und  n og a  (gen.  pl.);  konova 
(gen.pl.);  ovi  und  oni(nom.sing.  masc),  ovem,tega,otemu;  ih  für  das  bei 
R.  übliche  j  e  (eos,  eas)  und  j  e  für  ju  (eam) ;  no  m  e  für  nojz  i  (dat.  sing.) ; 
druzima  mnozi;  Infinitive:  jestit,  dovestit,  krastit,  prestit,  vestit,  zagristit; 


ein  Versehen  zurückzuführen  ist,  und  46  Verse  am  Schlüsse  des  Abschnittes 
Pirovi  (ib.,  S.  65 — 66),  die  wohl  nur  deshalb  ausgelassen  sind,  weil  in  der  ge- 
druckten Vorlage  Marinovic'  (Ausgabe  des  Satir  vom  J.  1779)  das  Blatt  F2 
fehlte,  das  genau  dieselben  Verse  enthält,  die  bei  Marinovid  fehlen. 
1)  Handschrift,  S.21— 22  und  30. 


Relkovic'  Satir  in  Ragusa.  441 

stabar  für  stablo  (einmal  auch  s  t  ab  ro,  wohl  um  den  Schein  des  Reimes 
mit  jilo  zu  retten)  u.  dgl.  Die  bekannten  ragusäischen  Formen  wie: 
mlados,  ludos,jakos  usw.  fehlen  natürlich  auch  bei  Marinovic  nicht. 
Unter  dem  Einflüsse  der  grenzenlosen  Verwirrung ,  die  bei  Relkovic  hin- 
sichtlich des  Buchstabens  h  herrscht,  weist  auch  Marinovic'  Abschrift 
stellenweise  solche  Formen  auf,  die  ein  Ragusaner  sonst  nie  nieder- 
geschrieben hätte:  falingih  (gen.  pl.),  fiorintih  (gen.  pl.),  razlikah  imenah 
(acc.  pl.),  svatovih  (instr.  pl.),  side  i  puseh  duhane,  —  oder:  dvoje  slozni 
(gen.  pl.),  gospodski  kucah  (loc.  pl.),  skuha,  ruca,  istrgo  (l.  sing,  aor.), 

—  und  sogar:  hodilo  und  hodijelo  (vestis),  hum  (mens)  u.  dgl. 

Vielfach  fand  Marinovic  im  Satir  Ausdrücke  (großenteils  Fremd- 
wörter), deren  Sinn  ihm  entweder  selbst  nicht  klar  war  oder  vielleicht 
eventuellen  Lesern  die  Lektüre  hätte  erschweren  können,  weshalb  er  an 
solchen  Stellen  die  Bedeutung  der  unbekannten  Wörter  in  Fußnoten  zu 
erklären  suchte.  In  der  Regel  sind  seine  Erklärungen  richtig:  tänur  ist 
pjat,  mehana  —  tovijerna,  cislo  —  kralijes,  kavanluk  (eig.  kovanluk)  — 
uliste,  zanagija  —  mestar,  safungija  —  svjecar,  masala  —  face,  ajnmokc 

—  umido  usw.  Mitunter  aber  haben  die  Kenntnisse  Marinovic'  oder  die 
Quellen,  aus  denen  er  Erklärungen  schöpfte,  versagt,  so  daß  die  Deu- 
tung hie  und  da  nicht  richtig  ist:  so  wird  z.  B.  potrica  (vom  Vieh  im 
Felde  angerichteter  Schaden)  im  Verse:  »Ja  ne  mogu  placati  potricu« 
(Handschrift,  S.  39)  als  »karantan«  (kleine  Kupfermünze,  ital.  carantano) 
erklärt.  Insbesondere  im  zweiten  Teile  des  Satir,  hie  und  da  aber  auch 
im  ersten,  wird  im  Texte  durch  Hinzufügung  einer  eingeklammerten  Zahl 
auf  eine  erklärende  Fußnote  hingewiesen  und  auch  das  zu  erklärende 
Wort  ist  in  der  Regel  unter  der  betreffenden  Zahl  am  Ende  der  Seite  mit 
einem  die  Erklärung  einleitenden  Zeichen  (=)  zu  finden,  —  die  Erklä- 
rung selbst  aber  fehlt.  Ohne  Erklärung  blieben  auf  diese  Weise  Wörter 
wie:  fela,  rojta,  vojta,  baguda,  krec,  cigla  usw.  In  den  meisten  solchen 
Fällen  wußte  Marinovic  wohl  selbst  keinen  Bescheid,  gegen  Ende  der 
Handschrift  aber  scheint  auch  seine  Geduld  und  Gewissenhaftigkeit  et- 
was nachgelassen  zu  haben,  denn  da  wurde  z.  B.  auch  eine  Fußnote  be- 
treffend das  Wort  »zanagije«,  welches  früher  einmal  ganz  richtig  als 
mestar  erklärt  wurde,  ohne  Erklärung  gelassen. 

In  einigen  Fällen,  wo  ihm  eine  Stelle  unklar  war  oder  ihn  sonst 
vielleicht  nicht  befriedigte  und  eine  geringfügige  Korrektur  genügte,  um 
den  richtigen  Sinn  —  nach  der  Ansicht  Marinovic' —  wieder  herzustellen, 
hat  er  sich  nicht  gescheut,  den  Text  Relkovic'  zu  korrigieren.  Die  Wör- 


442  T.  Matic, 

ter  darati  und  darane  waren  ihm  ofifenbar  nicht  bekannt  und  deshalb 
hat  er  sie  anfangs  einige  Male  durch  karati  und  karane  ersetzt.  Der 
Sinn  der  betreffenden  Stellen  war  noch  immer  annehmbar: 

Od  onda  je  postalo  karane, 

vitisiluk  (statt:  visticiluk)  i  bulio  (statt:  bulsko)  varane 

oder 

I  sotone  sasvim  se  odrices 
pak  karanem  opet  nega  vices  *). 

Jedoch  als  später  im  Abschnitte  Carane  i  ki'ivotvornost  okolo 
vinöana  der  Sinn  es  nicht  mehr  zuließ,  darane  und  darolije  durch  ka- 
rane zu  ersetzen ,  ließ  Marinovic  diese  Wörter  unverändert  stehen  und 
setzte  beim  Worte  carolij  e  in  Klammern  eine  Zahl  als  Hinweis  auf  eine 
Fußnote,  die  das  Wort  erklären  sollte,  von  der  aber  jede  Spur  fehlt. 
Auch  das  Wort  srdali  machte  Marinovic  Schwierigkeiten;  er  half  sich  , 
aus  der  Verlegenheit  mit  germgfügigen  Korrekturen,  ohne  sich  in  welche 
Erklärungen  einzulassen : 

Mogao  bi  za  novce  prodati 

i  zrcalim  (bei  R.:  srcali),  pengere  kupitiSi. 

Allerdings  ist  dann  dementsprechend  auch  srÖa  zu  zrca  (farza,  so- 
gar farsa!)  geworden. 

Trotz  manchen  Mißgriffes  macht  Marinovic'  Abschrift  des  Satir 
keinen  schlechten  Eindruck:  M.  war  nicht  ein  mechanischer,  teilnahms- 
loser Abschreiber,  sondern  brachte  dem  Werke  Eelkovic'  viel  Interesse 
entgegen  und  war  redlich  bemüht,  die  Gedanken  des  Autors  richtig  zu 
erfassen  und ,  wo  er  es  für  notwendig  hielt,  unklare  Stellen  des  Textes 
auch  zu  erklären. 

Schon  die  Tatsache  selbst,  daß  Marinovic  ein  gedrucktes  Buch  ab- 
geschrieben hat,  ist  für  die  damaligen  südslavischen  Verhältnisse  charak- 
teristisch. Um  in  den  Besitz  eines  Textes  des  Werkes  Relkovic'  zu  ge- 
langen ,  zog  er  den  mühsamen  Weg  des  Abschreibens  der  damals  wohl 
auch  nicht  so  leichten  und  einfachen  Jagd  nach  einem  Exemplar  eines 
vor  ungefähr  fünfzig  Jahren  in  Slavonien  gedruckten  Buches  vor.  Man 
darf  aber  anderseits  auch  nicht  außer  acht  lassen,  daß  zu  Anfang  des 
XIX.  Jahrhunderts  Gedichte  in  Ragusa  überhaupt  noch  verhältnismäßig 


1)  Handschrift,  S.  11  und  31. 
2]  Handschrift,  S.  59. 


Relkovic'  Satir  in  Eagusa.  443 

viel  abgeschrieben  wurden,  und  wie  wir  gesehen  haben,  gehörte  zu  sol- 
chen Liebhabern  auch  Marinovic.  Daß  das  von  ihm  abgeschriebene 
Werk  einige  Jahre  vorher  (1S22)  in  Osijek  (Esseg)  in  einer  neuen  Aus- 
gabe erschienen  war,  davon  hatte  Marinovic  wohl  keine  Ahnung. 

Nach  dem  Satir,  der  auf  der  S.  105  der  Handschrift  endet,  folgt 
ein  kleineres,  ebenfalls  von  Marinovic  geschriebenes  Gedicht  (S.  106  bis 
107),  in  welchem  ein  Mädchen  die  Mutter  verwünscht,  weil  sie  ihrer 
Heirat  Hindernisse  in  den  Weg  legt.  Auch  dieses  Gedicht  dürfte  auf 
eine  ikavische  Vorlage  zurückgehen.  Einmal  ist  die  ikavische  Aussprache 
im  Reime  erhalten  (nemirnos  -  virnos)  und  auch  sonst  scheinen  einige 
Reime  auf  den  ursprünglichen  Ikavismus  hinzuweisen  (pravovjernos- 
mirnos,  prijeka-lubovnika).  Jedoch  einen  unbedingt  verläßlichen  Beweis 
bilden  diese  Stellen  nicht,  denn  wenn  auch  die  Assonanz  in  den  letzten 
zwei  Silben  je  zweier  Verse  die  Regel  ist,  finden  sich  doch  stellenweise 
Verspaare,  in  denen  nakanila-dala  oder  ciniti-kleti  u.  dgl.  am  Ende 
stehen.    Jedenfalls   aber  weist  das  Wort  odar  in  der  Bedeutung  »die 

Bahre « : 

Bog  ti  ne  do  nigda  dobra, 
neg  plakala  sved  do  odra  . . . 

auf  Gebiete  außerhalb  Ragusas  als  Entstehungsstätte  dieses  Gedichts  hin. 
Das  unvollendet  gebliebene  Gedicht  auf  S.  108,  welches  den 
Kummer  eines  Mädchens  schildert,  das  dem  Geliebten  entsagen  und 
einen  anderen  heiraten  soll,  dürfte  ebenfalls,  da  die  charakteristischen 
Züge  der  Schrift  Marinovic'  auch  hier  wiederkehren ,  von  seiner  Hand 
sein,  fällt  aber  entschieden  in  eine  spätere  Zeit,  weil  da  bereits  die  ortho- 
graphische Reform  Gajs  teilweise  zur  Geltung  kommt.  Noch  späteren 
Datums  sind  die  Verse,  die  auf  einer  Seite  eines  nachträglich  angenähten 
Blattes ,  jedoch  von  einer  anderen  Hand  und  bereits  ganz  mit  Gajs  dia- 
kritischen Zeichen  geschrieben  sind.  T.  Matte. 


Urkundliches  über  einige  laoatische  Schriftsteller. 

Von  T.  Matic. 


Als  ich  im  Sommer  1911  im  Wiener  Kriegsarchive  arbeitete,  habe 
ich  hie  und  da  Nachrichten  über  kroatische  Schriftsteller  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  gefunden,  die  als  Geistliche  in  der  Militärgrenze  wirkten 


444  T.  Matid, 

und  infolgedessen  ihre  dienstlichen  Angelegenheiten  dem  Hofkriegsrate 
zur  Erledigung  vorgelegt  werden  mußten.  Es  handelt  sich  ausschließ- 
lich um  biographische  Daten,  die  teils  das  bisher  Bekannte  ergänzen 
oder  urkundlich  bestätigen ,  teils  aber  auch  neues  Material  liefern.  Da 
dem  Studium  der  literarischen  Tätigkeit  einzelner  Schrifsteller  auch  die 
kleinste  verbürgte  Nachricht  über  ihr  Leben  und  die  Verhältnisse,  in 
denen  sie  gelebt  und  gewirkt  haben,  willkommen  sein  kann,  veröflfent- 
liche  ich  dieses  biographische  Material,  so  wie  ich  es  mir  aus  Akten 
notiert  habe. 

l.  Josip  Krmpotic. 

Die  älteste  Nachricht  über  Krmpotic  scheint  ins  Jahr  1778  zu  fallen. 
In  der  Sitzung  vom  10.  Januar  befaßte  sich  der  Hofkriegsrat  mit  einer 
»ab  Imperatore«  herabgelangten  Eingabe  Krmpotic',  der  seinem  Bruder 
eine  Anstellung  in  Wien  erwirken  wollte:  Kermpotitsch  Joseph,  Theolo- 
giae  Auditor,  widerhoUet  das  sub  N''  3883  gestellte  Gesuch,  seinen  bey 
Erzherzog  Ferdinand  stehenden  Bruder  Damian  Kermpotitsch  als  Super- 
numerari  k.  k.  ordinari  Cadeten  anzustellen  und  einem  hier  liegenden 
Regiment  oder  Bataillon  einsweilen  zuzutheilen«^). 

Am  22.  Februar  1783  legte  das  Karlstädter  Generalkommando 
dem  Hofkriegsrate  >die  Bittschriften  der  um  die  durch  Absterben  des 
Pfarrers  Franich  in  Erledigung  gekommene  Militar-Patronats-Pfarr  zu 
Grachaz  eingekommenen  nachbenannten  Competenten  .  .  .«,  unter  wel- 
chen sich  auch  »Vicarius  Kermpotich«  befand,  der  jedoch  nicht  einmal  in 
den  üblichen  Dreiervorschlag  des  Generalkommandos  gelangte  2]. 

Anfangs  erscheint  Krmpotic  überhaupt  wenig  Glück  gehabt  zu 
haben.  Noch  im  Laufe  desselben  Jahres  bewarb  er  sich  um  die  Pfarre 
Canke:  >  Kermpotich  Josephus,  Weltpriester  aus  der  Licca,  bittet  um 
Verleyhung  der  .  .  .  erledigten  Pfarr  zu  Csanka  in  dem  Liccaner  Regi- 
ments-Bezirk«. Auch  dieses  Gesuch  ist  mit  der  Klausel  >ab  Imperatore« 
protokolliert.  Trotzdem  wurde  K.  vom  Hofkriegsrate  im  Oktober  1783 
abgewiesen:  »Supplicant  wird  mit  seinem  Gesuch  an  das  Karlstädter 
General-Commando  und  seinen  Dioecesanum  verwiesen«  3). 

Nach  drei  Jahren  versuchte  Krmpotic  nochmals  —  wieder  mit  Um- 
gehung des  Generalkommandos  und  des  Bischofs  —  irgendwelche  Pfarre 


1)  Prot.  1778  D75. 

2)  Prot.  1783  B219. 

3)  Prot.  1783  B  1170. 


Urkundliches  über  einige  kroatische  Schriftsteller.  445 

in  seiner  Heimat  zu  erlangen ,  der  Hofkriegsrat  verwies  ihn  aber  auch 
diesmal  auf  den  vorgeschriebenen  dienstlichen  Weg:  »Supplicant  hat  sich 
um  den  Vorschlag  seines  Dioecesani  und  des  Carlstädter  Generalcom- 
mandos  zu  bewerben«  i). 

Die  zwei  Jahre  nachher  erfolgte  Ernennung  Krmpotic'  zum  Hof- 
und  Feldkaplan  wird  in  den  Akten  des  Kriegsarchivs  nur  insofern  er- 
wähnt, als  am  17.  Dezember  1788  dem  Hofkriegsrate  die  Entschließung 
des  Kaisers  mitgeteilt  wurde,  »daß  der  zum  Hof-  und  Feldkaplan  be- 
nennte Joseph  Kermpotich  von  allen  wegen  Ernennung  zu  diesen  Karakter 
sonst  abzuführenden  gewöhnlichen  Taxen  befreyt  seyn  solle» ^j. 

Als  gegen  Ende  dieses  Jahres  Major  Vukasovic,  den  Krmpotic  auf 
der  Expedition  nach  Montenegro  begleitet  hatte,  die  höchste  Militär- 
behörde um  die  Erlaubnis  ersuchte,  ein  Freikorps  zu  bilden,  für  welches 
Montenegriner,  Dalmatiner  und  Venezianer  engagiert  werden  sollten, 
wurde  Krmpotic  von  ihm  zum  Kaplan  dieses  Korps  vorgeschlagen:  »Weil 
das  Freykorps  zum  Theil  auch  aus  Leuten  katholischer  Religion  besteht, 
so  wünscht  er  den  in  Montenegro  mit  Vortheil  gebrauchten  Geistlichen 
Joseph  Kermpotich  mit  dem  von  Euer  Majestät  mit  einer  Hof  kaplans-Charge 
ihm  einsweilen  zugesicherten  Gehalt  von  jährlichen  500  f  und  denen  an- 
gemessunen  Naturalien  zu  bekommen  .  .  .«^j.  Die  Errichtung  des  Korps 
wurde  nach  dem  Antrage  Vukasovic'  im  Dezember  1788  vom  Kaiser 
genehmigt:  »Das  Frey-Korps  erhält  in  seinem  Stand  3  Feld-Kapläne, 
und  zwar  einen  katholischen,  Namens  Joseph  Kermpotich,  und  zwey 
graeci  ritus  non  uniti,  welche  die  mit  dem  H.  Obristlieutenant  Vukasso- 
vich  aus  Montenegro  gekommene  zwey  Poppen ,  Vasilia  Petrovich  und 
Goiko  Jakschich,  sind  .  .  .«*).  Das  kaum  ein  Jahr  nach  der  Errichtung 
des  Korps  eingereichte  Ansuchen  Vukasovic',  eine  »Werbung  zur  Ergän- 
zung seines  Freikorps  iu  denen  Seestädten  Carlobago,  Zengg  und  Fiume« 
vornehmen  zu  dürfen,  wurde  vom  Kaiser  auf  Grund  einer  Note  des 
Hofkriegsrates  vom  1.  Januar  1790  mit  der  Auflösung  des  Freikorps 
beantwortet:  »Nachdem  dieses  Frey- Corps  vorige  Campagne  wenig 
Dienste  geleistet  hat,  so  ist  Oberstleutenant  Vukassovich  zu  seinem 
Regiment  zu  schicken  und  die  dabey  zu  Fuß  dienenden  400  Gränzer 


1)  Prot.  1786  B672. 

2)  Akt  1788,  60,  179. 

3)  Aus  der  an  den  Kaiser  gerichteten  Note  des  Hofkriegsrates  vom 
27.  November  1788  (Akt  1788,  62,  934). 

4)  Akt  1788,  9,  430. 


446  T.  Matid, 

haben  bey  ihren  Regimentern  wieder  einzurücken,  die  übrigen  1054  Mann 
sind  nur  auf  ein  Bataillon  zu  setzen,  solches  dem  Major  Giulay  vom 
2**""  Bannal-Regiment  zu  untergeben  und  die  Eskadron-Hussaren  unter 
der  Benennung  von  Frey-Hussaren  und  unter  dem  Commando  des  Majors 
Knesevich  zu  belassen. «  Hinsichtlich  der  Kapläne  des  ehemaligen  Frei- 
korps Vukasovic'  wurde  folgendes  verfügt:  >Das  Corps  bedarf  nur  einen 
Feldkaplan,  behält  also  den  Joseph  Kermpotitch,  die  andern  zwey  graec 
ritus  non  uniti  ....  kommen  alda  mit  Ende  Januarii  1790  in  Abgang«^). 

Mit  seiner  neuen  Bestimmung  scheint  Krmpotic  nicht  zufrieden  ge- 
wesen zu  sein,  denn  unmittelbar  nach  der  Auflösung  des  Vukasovic'schen 
Freikorps  hat  er  sich  als  dienstuntauglich  gemeldet.  Das  Karlstädter 
Generalat  erstattete  am  19.  April  1790  dem  Hofkriegsrate  in  dieser 
Angelegenheit  Bericht:  >Der  katolische  Caplan  Kermpotich  bey  dem 
Gyulaischen  Frey-Bataillon ,  welcher  die  Feld-Fatiguen  nicht  mehr  er- 
tragen zu  können  sich  meldete,  und  worüber  Ein  Hochlöblicher  Hof- 
Kriegs-Rath  mittels  Verordnung  vom  2 1  ^^^^  February  a.  c.  dessen  Super- 
arbitrirung  anzuordnen  befunden,  hat  nunmehro  die  in  originali  beiliegende, 
mit  einem  chyrurgischen  Attestat  belegte  Bittschrift  anhero  überreicht 
und  gebetten,  ihn  wieder  in  die  ihme  von  weiland  Seiner  Mayestätt  dem 
Kaiser  verliehene  Hof-Caplans-Stelle  einzusetzen,  weil  er  die  damit  ver- 
knüpfte Dienste  noch  leicht  versehen  könne.«  Der  Hofkriegsrat  setzte 
sich  daraufhin  mit  dem  Obersthofmeisteramte  ins  Einvernehmen  und  er- 
hielt eine  entgegenkommende  Antwort  (d.  d.  1(3.  Mai  1790):  »Auf  die 
unterm  l**"*  dieses  anher  zu  erlassen  beliebte  Note  wird  man  nicht  ver- 
weilen, wegen  des  die  Dienste  im  Felde  nicht  mehr  fortsezen  können- 
den Hof-  und  Feldkaplans  Joseph  Kermpotich  von  seiner  Anstellung  ala 
würklicher  Hofkaplan  deuHof-Ceremoniariumund  die  vereinigte  Hofstelle 
zu  verständigen.«  Zugleich  wurde  der  Hofkriegsrat  um  Mitteilung  er- 
sucht, wann  Krmpotic  >beym  Militär  in  Abgang  werde  gebracht  werden, 
um  hiernach  das  nötige  fürkehren  zu  können«  2). 

Die  Enthebung  Krmpotic  vom  Militärdienste  wurde  nun  rasch  voll- 
zogen. Aus  dem  Feldlager  bei  Vojnic  (»Woinich  am  26***"  May  1790«) 
wurde  dem  Hofkriegsrate  gemeldet:  »Der  zu  Feld-Diensten  untauglich 
anerkannte  Hof-  und  Feldkaplan  Joseph  Kermpotich  kommt  bey  dem 
Gyulaischen  Frey-Bataillon  mit  ultima  hujus  in  Abgang,  mithin  außer 


1)  Akt  1790,  16,  33. 
2j  Akt  1790,  3,  1625. 


Urkundliches  über  einige  kroatische  Schriftsteller.  447 

Stand  und  Gebühr.«  Von  dieser  Dienstesenthebung  Krmpotic'  wurde 
am  1.  Juni  1790  das  Obersthofmeisteramt  in  Kenntnis  gesetzt,  >um 
sodann  denselben  nach  der  ihm  zugedachten  Eigenschaft  eines  Hofkaplan 
in  dem  ihm  gebührenden  Genuß  einsetzen  zu  können« ^). 

Nach  dem  Übertritte  Krmpotic'  in  den  Hofdienst  enthält  das  Kriegs- 
archiv über  ihn  keine  weiteren  Nachrichten  2]. 

2.  Antun  Ivanosic. 

Als  im  Jahre  1789  die  Pfarre  im  Dorfe  Stefane,  das  in  Kroatien 
zwischen  Bjelovar  und  Cazma  liegt,  erledigt  war',  bewarb  sich  um  diese 
Pfarre  unter  anderen  auch  >  Anton  Ivanossich,  Feld-Pater  des  St.  Georger 
Regiments.«  In  den  Akten  über  die  Verleihung  dieser  Pfarre  ist  eine 
»Tabelle  deren  Mitbewerber  um  die  zu  Steflfanye  im  Kreutzer  Regiments- 
Bezirke  erledigte  Pfarre«  erhalten,  die  ein  Curriculum  vitae  der  Kompe- 
tenten, somit  auch  Ivanosic',  enthält.  Die  Rubriken  dieser  Tabelle,  die 
sich  auf  ihn  beziehen,  schildern  in  knappen  Zügen  seinen  Studiengang 
und  Lebenslauf: 

»Tauf-  und  Zunamen:  Anton  Ivanossich. 

Geburths-Ort:  Essek. 

Alters- Jahre :  41. 

Kenntniß  der  Sprachen:  Lateinisch,  Kroatisch,  Deutsch  und  Wällisch. 

Sitten:  Gute. 

IOrt:                 Possega  Agram       Wienn      Bononien 
. 
Gegenstände:  die  niedrigeren    Philosophie  Theologie 

Schulen 

Die  beim  Konkurse  erhaltene  Klasse:  1***. 

Dienst- Jahre :  15. 

Verdienste:  Diente  als  Kaplan  6  Jahre  in  Orubicza  und  Neu-Gra- 
disca  im  löbl.  Gradiscaner  Regimente.  Dann  als  Pfarrer 
7  Jahre  zu  Chagyavicza  im  Prowinziali.  Hernach  1  Jahr 
als  Administrator  bey  der  hiesigen  Kapitular-Pfarre  St.  Ma- 
ria 3).  Endlich  als  Feldkaplan  beim  löbl.  St.  Georger  Re- 
gimenter)«. 


1)  Akt  1790,  25,  1301. 

2)  über  die  letzten  Lebensjahre  Krmpotic'  vergl.  Prof.  Scherzers  Mit- 
teilungen im  Nastavni  i-jesmk,  II.  Bd. 

3)  In  Agram.  4)  Akt  1789,  3,  2328. 


448  T.  Matic, 

Im  Gesuche  selbst  beruft  sich  Ivanosic  auf  das  beigeschlossene 
Zeugnis  der  Herrschaft  Valpovo,  daß  er  als  Pfarrer  in  Cadavica 
»7  Jahr  seiner  Obliegenheit  nachgekommen,  dann  aber  durch  die  kränk- 
lichen Umstände  benöthigt  war,  das  geführte  Amt  nieder- 
zulegen und  bey  erlangten  Kräften  die  Pfarre  in  Agram  zu  St.  Maria 
eine  Zeit  zu  administrieren«  ^).  Der  Kommandant  des  Regimentes,  bei 
welchem  Ivanosic  zur  Zeit  seiner  Bewerbung  um  die  Pfarre  von  Stefane 
diente,  beachtete,  »daß  sich  derselbe  Zeit  seiner  diesortigen  Anstellung 
mit  so  viellen  Eifer  und  wahrer  Thätigkeit  in  seinen  geistlichen  Func- 
tionen bej^  Kranken,  besonders  aber  in  dem  Regiments-Spittal 
verwendet  habe«  i).  Da  das  Gesuch  Ivanosic'  zu  Pozega  am  29.  Juni 
1789  geschrieben  wurde,  war  er  wohl  dort,  in  der  Nähe  des  Kriegs- 
schauplatzes,  als  Geistlicher  im  Militärspitale  tätig.  Daß  Ivanosic  zu 
dieser  Zeit  einen  Dienstposten  innehatte,  auf  dem  er  nicht  leicht  entbehr- 
lich war,  bezeugt  die  Stelle  in  seinem  Gesuche,  wo  er  angesichts  der 
Möglichkeit,  daß  ihm  die  Militärbehörde  zur  Kriegszeit  die  Entlassung 
aus  dem  Militärdienste  verweigern  könnte,  bestrebt  war,  eventuelle  Be- 
denken seiner  Vorgesetzten,  die  sich  aus  diesem  Umstände  ergeben  und 
für  seine  Bewerbung  verhängnisvoll  werden  könnten,  zu  zerstreuen : 
»Dermalen  stehet  er  ....  in  der  Feldpaters-Eigenschaft  beym  St.  Georger 
Regiment  und  ist  gesonnen,  selbe  bis  Endigung  des  Krieges  zu  begleiten, 
sodann  in  die  neue  Bedienstung  und  Seelsorge  zu  treten.  Sonsten  müßte 
er  ohne  Anstellung  bleiben  und  in  der  Absicht  die  höchsten  Stellen  be- 
helligen. Der  Unterfertigte  bittet  zugleich,  gnädigst  zu  veranlassen,  daß 
im  Verleichungsfalle  ein  Kapellan  in  die  Eingangs  gedachte  Pfarre  ver- 
sehungsweise  bis  Herstellung  des  Friedens  eingesetzt  werden  möge«  ^). 
Auf  Antrag  des  Bischofs  Vrhovac  wurde  Ivanosic  am  1.  Oktober  1789 
vom  Hofkriegsrate  zum  Pfarrer  der  »Militar-Patronats-Pfarr  zu  Steffanye 
im  Kreuzer  Gränz-Bezirk«  ernannt ^j. 

Da  1793  Ivanosic'  Ernennung  zum  Pfarrer  von  Cazma  durch  einen 
für  ihn  sehr  peinlichen  Zwischenfall  im  letzten  Augenblicke  vereitelt 
wurde  2)j  blieb  er  bis  an  sein  Lebensende  in  Stefane,  wo  er  am  2.  Januar 
1800  starb  3). 


1)  Ibid. 

2j  Akt:  1793,  a,  1537. 

3)  Referatsbogen  1808,  C,  375. 


Urkundliches  über  einige  kroatische  Schriftsteller.  449 

3.  Blaz  Bosnak. 

Das  wenige,  was  wir  über  Bosnak  aus  dem  KriegsarcMve  erfahren, 
fällt  in  die  Zeit  nach  dem  Türkenkriege  Josefs  IL,  den  Bosnak  in  seinem 
Ispisane  in  Versen  geschildert  und  in  dem  er  bei  der  Erstürmung  von 
Sabac  in  Serbien  durch  seinen  Heldenmut  die  Aufmerksamkeit  des  Kaisers 
auf  sich  gelenkt  hat,  wie  er  es  selbst  im  genannten,  anonym  erschienenen 
Gedichte  erzählt. 

Im  Jahre  1790  reichte  »Basilius  Bosnyak ,  Feld-Pater  von  Palfy- 
Infanterie>,  ein  Gesuch  d.  d.  »Deutsch  Bogschan^)  den  23.  Febr.«  um 
eine  Superiors teile  »bei  der  Armee  in  Hungarn«  ein.  Die  Stelle  erhielt 
er  nicht,  weil  sie  »schon  ersetzt  war«  2]. 

Ein  Jahr  später  war  Bosnak  mit  seinem  Regiment  wieder  in  Serbien. 
In  einem  Gesuche  aus  Kladovo  (»Gladova  in  Servien,  den  15^^  April«) 
bewarb  er  sich  unter  Berufung  auf  die  ihm  verliehene  goldene  Medaille 
um  »Verleihung  der  doppelten  Gage«.  Das  Gesuch  trug  die  Klausel  »ab 
archiduce«,  wurde  aber  abgewiesen  3j.  Es  scheint  überhaupt,  daß  die  Ver- 
dienste, auf  die  sich  Bosnak  berief,  seitens  der  Heeresverwaltung  wenig  be- 
achtet wurden,  denn  noch  17  98  finden  wir  ihn  als  gewöhnlichen  Regiments- 
kaplan in  Italien.  Das  italienische  Generalkommando  teilte  aus  Padua  im 
Mai  1798  dem  Hofkriegsrate  mit,  daß  »der  bereits  durch 2 3  Jahre  dienende 
Catholische  Regiments-Caplan  Basilius  Bosniak,  ein  Franziskaner,  welcher 
wegen  Gebrechlichkeiten  nicht  mehr  dienen  kann«,  sich  in  sein  Kloster 
nach  Vukovar  zurückziehen  möchte,  weshalb  »selben  die  Pension  aus  der 
Peterwardeiner  Kriegskassa  angewiesen  werden  wolle«  ^j.  Nach  Erfül- 
lung der  vorgeschriebenen  Formalitäten,  teilte  der  Hofkriegsrat  dem 
italienischen  Armee-Generalkommando  am  31.  Juli  die  Übernahme  Bos- 
liaks  in  den  Ruhestand:  »Bey  der  unterm  16^*"^  dieses  angezeugten  Be- 
schaffenheit, daß  der  Regiments-Kaplan  Bosnyak  von  Jellachich-Infanterie 
der  körperlichen  Deffekten  halber,  welche  er  sich  während  seiner  23-jäh- 
rigen Dienstleistung  zugezogen  hat,  die  Militär- Seelsorge  weiters  zu 
versehen  nicht  mehr  in  Stande  ist  und  in  sein  Kloster  zu  Vukovar  in 
Slavonien  zurückzutretten  wünschet,  wird  selber  mit  dem  15*"  des  künf- 
tigen Monats  August  in  den  Pensions-Stand  übernommen  und  demselben 


1)  Nemetbogsan  in  Ungarn,  südöstlich  von  Temesvar. 

2)  Prot.  1790  G  1792. 

3)  Prot.  1791  G  3398. 
*)  Prot.  1798  G3173. 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXXV.  29 


450  T.  Matic, 

der  ihm  gebührende  Genuß  von  jährlichen  100  f.  mittelst  des  Militar- 
Invalidenamts  bey  der  Peterwardeiner  Kriegs-Cassa  angewiesen« i). 
Jedoch  scheint  Bosnak  noch  einige  Zeit  in  Italien  geblieben  zu  sein, 
denn  am  27.  August  1798  meldete  das  italienische  Generalkommando 
aus  Padua,  daß  man  ihn  vor  dem  Eintreffen  eines  neuen  Kaplans  nicht 
fortlassen  könne 2).  Noch  im  April  1799  schrieb  das  italienische  Ge- 
neralkommando aus  Verona  an  den  Hofkriegsrat,  daß  »statt  des  mit 
Pension  ausgetrettenen  Feld-Caplans  P.  Bossnyak«  ein  Ersatz  schwer  zu 
finden  sei.  Wann  B.  in  die  Heimat  zurückgekehrt  ist,  konnte  ich  nicht 
konstatieren. 

4.  Simun  Stefanac. 

Stefanac,  der  sich  selbst  als  Slunanin  bezeichnet,  lebte  nach  der 
Absolvierung  seiner  Studien  ausschließlich  in  Slavonien,  und  auch  seine 
literarische  Tätigkeit  ist  in  engem  Znsammenhange  mit  diesem  Lande. 
Die  erste  Nachricht,  die  ich  über  Stefanac  im  Kriegsarchive  gefunden 
habe,  fällt  in  den  Monat  Januar  17  70  und  bezieht  sich  auf  seine  erfolg- 
lose Bewerbung  um  die  Pfarre  von  Zupanja  in  Slavonien :  daraus  erfahren 
wir,  daß  S.  zu  dieser  Zeit  »Regens  in  Seminario  zu  Possega«  war 3). 
Noch  vor  der  Verleihung  dieser  Pfarre  muß  S.  erfahren  haben,  daß  seine 
Bewerbung  aussichtslos  war,  denn  am  31.  Januar  17  70  reichte  er  bereits 
um  die  Pfarre  von  Vrhovina  (nördlich  von  Brod)  ein.  Das  von  »Indignus 
Servus  Simon  Stephanacz  Regy  Seminary  S.  Theresiae  Posegae  Regens« 
unterzeichnete,  von  einer  anderen  Hand  aber  deutsch  geschriebene  Ge- 
such, das  einige  biographische  Daten  enthält,  ist  zugleich  ein  interessanter 
Beleg  dafür,  wie  es  in  den  Kreisen  der  kroatischen  Intelligenz  zur  Zeit  der 
Mitregentschaft  Josefs  U.  mit  der  Kenntnis  der  deutschen  Sprache  mitunter 
stand.  Stefanac,  der  sogar  im  Wiener  Seminar  studierte,  nahm  keinen 
Anstand,  den  Militärgrenzbehörden  ein  Gesuch  vozulegen,  in  dem  es 
unter  anderem  heißt:  »Wegen  meiner  in  zeith  8  Jahren  in  Seminarys, 
wie  auch  in  Wiener  Seminario  alß  Alumnus,  und  auch  in  der  Seellen-Sorg 
viellen  Jahren  in  Löbl.  Broder  und  Gradiscaner  Regimentern  aufführuug, 
habe  aus  ursach  dessens  das  dritte  mahl  von  meiner  Geistlichen  Obrig- 
keith  die  Erlaubniiß  um  Pfarthum  (alß  Beygeschlossenes  zeiget)  demüthig 


1)  Akt:  1798,  42,  480. 

2)  Prot.  1798  G  6283. 

3)  Akt:  1770,  98,  62. 


Urkundliches  über  einige  kroatische  Schriftsteller.  451 

zu  Bitten.  Derohalben  unterstehe  mich  das  dritte  mahl  Ihro  Excellenz 
um  die  Hoche  Gnad  anzuflehen,  iudemme  daß  das  Pfarthum  Verhovina 
in  Löbl.  Broder  Regiment  ledig  ist,  so  Bitte  mir  die  Höchste  Gnad  Gnä- 
digst zu  Erzeigen,  in  erlangung  des  Bemeldten  Pfarthums  mein  gröster 

y 

Patron  und  fürsprecher  zu  seyn  . ..«  Die  Pfarre Vrhovina  wurde  Btefanac 
zwar  verliehen,  doch  konnte  es  Kaiser  Josef  nicht  übers  Herz  bringen, 
die  deutsche  Sprache  des  Gesuches  ungerügt  zu  lassen,  und  schrieb  auf 
dem  Vortrage  des  Hofkriegsrates  vom  6.  April  1770  eigenhändig  hinzu: 
>Ich  benenne  den  Stephanacz,  jedoch  ist  ihm  aufzugeben,  daß  er  in  der 
teütschen  Sprach  und  der  Schreibkunst  sich  mehrer  befähigen  solle. 
Joseph  Corr. «ij.  Man  kann  sich  denken,  daß  die  Grenzbehörden  es 
nicht  unterlassen  haben,  diese  Bemerkung  des  Kaisers  zur  Kenntnis  des 
neuernannten  Pfarrers  zu  bringen. 

In  Vrhovina  blieb  btefanac  achtzehn  Jahre.  Unter  Berufung  auf 
die  »Allerhöchste  Verordnung,  welche  uns  untern  4*61  Febr.  1786  N"  418 
ist  zugestellet  worden  und  also  lautet:  In  Ansehung  derjenigen  Pfarrer 
aber,  die  sich  bei  ihrem  Seelsorgeramte  besonders  auszeichnen,  erlaube 
Seine  Majestät,  dieselben,  ohne  daß  sie  einem  Konkurse  sich  vorläufig 
unterziehen,  für  andere  Pfarren  in  Vorschlag  zu  bringen«,  beantragte  der 
Bischof  von  ©-akovo  Krtica  am  6.  Februar  1788,  ätefanac  zum  Pfarrer 
von  Kopanica  zu  ernennen.  Diese  Ernennung  erfolgte  bereits  am 
1.  März  1788  2). 

Mit  der  deutschen  Sprache  scheint  sich  Stefan ac,  trotz  der  Auffor- 
derung Kaiser  Josefs  IL,  auch  in  der  Folge  nicht  besonders  befreundet 
zuhaben.  Denn  als  1793  der  Krieg  gegen  Frankreich  ausgebrochen 
war,  bot  Stefanac,  »Bischöflicher  Diakovarer  Consistorial-Assessor  und 
Pfarrer  zu  Kopanice«,  als  freiwilligen  Beitrag  zur  Kriegsführung  zu 
wiederholen  Malen  3)  größere  Mengen  Getreide  dem  Staate  an,  zog  es  aber 
vor  —  trotzdem  er  ein  Militärgrenzpfarrer  war  —  sein  an  den  Kaiser 
gerichtetes  Angebot,  wohl  vorsichtshalber,  lateinisch  abzufassen.  Der  in 
Frankreich  ausgebrochene  Kampf  gegen  die  damalige  gesellschaftliche 
Ordnung  wird  btefanac  mit  Besorgnis  erfüllt  und  zur  freiwilligen  Bei- 
tragsleistung bewogen  haben.    Es  war  ihm  aber  nicht  beschieden,  den  — 


1)  Akt:  1770,42,  74. 

2)  Akt:  1788,  3,621. 

3)  Prot.  1793  B  998.  1793  B  1080.  1793  B  1312  (Akt:  1793,  40,  1016}.  1793 
B  1613  und  1793  B  2689. 

29* 


452  H.  Halm, 

wenn  auch  nur  vorläufigen  —  Abschluß  der  französischen  Wirren  zu 
erleben,  denn  er  starb  im  Herbst  1799:  >Laut  des  Berichts  vom  16*°  Ok- 
tober sind  in  dem  Broder  Regimentsbezirk  zwei  Militar-Patronats-Pfar- 
reien,  und  zwar  die  zu  Groß-Kopanicza  durch  das  Ableben  des  Pfarrers 
Stephanacs in  die  Erledigung  gekommen«  ^). 


1)  Akt:  1799,  3,  2957. 


Wechselbeziehungen  zwischen  L.  N.  Tolstoj  und  der 
deutschen  Literatur^). 


Je  mehr  von  russischer  Literatur  in  die  westeuropäischen  Sprachen 
übersetzt  wird,  desto  dringlicher  wird  die  Frage,  wie  und  seit  wann  Ruß- 
land mit  Westeuropa,  also  zunächst  mit  dem  benachbarten  Deutschland 
und  dessen  geistigem  Leben  in  Beziehungen  getreten  ist.  Wer  sich  diese 
Frage  vorlegt,  wird  als  erstes  Glied  in  den  Wechselbeziehungen  zwischen 
Rußland  und  Deutschland  deutsche  Reiseberichte  finden,  die  man  bis 
hinauf  ins  Mittelalter  verfolgen  kann.  Viel  jünger  sind  russische  Berichte 
über  Deutschland.  Weiter  auf  dem  Rückwege  zu  unseren  Tagen  durch 
das  XVIL  und  XVIIL  Jahrhundert  begegnet  man  immer  häufiger  den 
hin-  und  herlaufenden  Beziehungen  zwischen  den  zwei  Völkern,  bis  ein 
Jahr  alle  Augen  Westeuropas  auf  Rußland  richtet,  das  Jahr  1812,  und 
ein  halbes  Jahrhundert  später  ein  Russe  es  versteht,  das  Interesse  des 
ganzen  Westens  auf  sich  und  das  russische  Volk  zu  lenken,  L.N.  Tolstoj. 

Vor  dem  Eindruck,  den  Rußland  im  Jahre  1812  auf  Westeuropa 
machte,  verschwinden  alle  früheren  Versuche  Rußlands,  mit  dem  Westen 
in  Berührung  zu  treten,  wie  etwa  Peters  des  Großen  Besuche  am  Berliner 
und  Wiener  Hofe,  der  Zusammenstoß  zwischen  den  Truppen  der  Zarin 
Elisabeth  und  denen  Friedrichs  des  Großen,  die  politischen  Verbindungen 
zwischen  Katharina  der  Großen  und  Kaiser  Josef  H.  oder  auch  die  eifrige 
und  mehr  ins  Breite  gehende  journalistische  Tätigkeit  und  die  wenige 
Jahre  nach  1812  erfolgte  Ermordung  Kotzebues,  dessen  Organ  »Der 
Freimütige«    ständig  Nachrichten  über  Rußland  brachte.    Warum  von 


1)  Vortrag,  am  zweiten  Todestage  Tolstoja  gehalten  im  Seminar  für  sla- 
vische  Philologie  an  der  Wiener  Universität. 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      453 

den  großen  russischen  Dichtern  gerade  Tolstoj  den  Deutschen  sich  am 
tiefsten  eingeprägt  hat,  das  mag  vielleicht  darin  begründet  sein,  daß  er 
russischer,  rein  ethnographisch  interessanter  als  der  viele  Jahre  vor  Tol- 
stoj durch  Übersetzungen  bekannt  gewordene  Turgenjew  war,  und  dann 
darin,  daß  er,  wenn  nicht  größer  als  der  mit  ihm  ungefähr  gleichzeitig 
in  das  Gesichtsfeld  der  Deutschen  tretende  Dostojewskij,  so  doch  rasch 
hintereinander  mit  zwei  Romanen  hervortrat,  die  beide  im  Westen  spielen, 
»Anna  Karenina«  und  vor  allem  »Krieg  und  Frieden« ').  Mit  Turge- 
njew beginnt  die  russische  Literatur  für  die  deutsche  von  Bedeutung  zu 
werden.  Doch  beschränkt  sich  Turgenjews  Einfluß  auf  eine  Gruppe  von 
Schriftstellern,  vor  allem  Novellisten.  Dostojewskis  feine,  psycho-patho- 
logische  Kunst  brauchte  Zeit  um  einzudringen.  Aber  während  sich  das 
deutsche  Publikum  noch  mit  dem  stofflich  interessierenden  »Krieg  und 
Frieden«  beschäftigte,  drangen  schon  Gerüchte  über  den  Dogmatiker  und 
Organisator  Tolstoj  herüber  2),  die  dauernd  die  Blicke  auf  ihn  gespannt 
hielten.  So  ist  Tolstoj  nicht  etwa  der  erste  Russe,  der  in  die  deutsche 
Literatur  Eingang  gefunden  hat ,  sondern  er  schließt  sich  an  eine  Reihe 
von  Vorgängern,  von  denen  sich  seine  Gestalt  scharf  abhebt. 

»Anna  Karenina«  spielt  in  einigen  Teilen,  »Krieg  und  Frieden« 
bis  zu  den  Schilderungen  des  Jahres  1812  fast  ganz,  »Luzern«  ganz  auf 
deutschem  Boden.  Es  erhebt  sich  notwendig  die  Frage,  was  Tolstoj  in 
den  Stand  gesetzt  hat,  deutsche  Menschen  und  Landschaften  zu  schildern. 
Tolstojs  persönliche  Beziehungen  zu  Deutschen,  seine  Urteile  über  deut- 
sches Wesen  und  deutsche  Literatur,  der  Einfluß  deutscher  Schriftsteller 
auf  ihn  und  umgekehrt,  ferner  die  Wege,  die  dieser  Einfluß  gehen 
konnte,  darüber  soll  die  folgende  Darstellung  einiges  Licht  verbreiten. 
Es  sollen  Richtlinien  sein,  mehr  Anregungen  als  Erfüllungen,  ein  kleiner 


1)  Krieg  und  Frieden.    Autorisierte  Übersetzung  von  Dr.  Ernst  Strenge. 
Berlin,  Deubner  18S5.  —  Die  erste  (unvollständige)  Übersetzung  der  »Anna 

Karenina«   übersetzt  von  Paul  GraiF.    Berlin  1884. Erste  Übersetzung 

Dostojewskis  ins  Deutsche:   Raskolnikow  übers,  v.  Wilh.  Henckel.    3  Bde. 
Leipzig,  W.  Friedrich  1882. 

2)  z.  B. :  1889  Über  das  Leben,  übersetzt  v.  Sophie  Behr.    Leipzig,  Dun- 

ker u.  Humblot; 

1891  Staat  u.  Kirche.    Berlin,  Cassirer  u.  Danziger; 

1891  Evangelium,  übersetzt  v.  F.  W.  Ernst.   Berlin,  H.  Steinitz. 

1891  Geld!  Soziale  Betrachtungen.  Berlin,  S.  Fischer;  ungefähr 
gleichzeitig:  Die  Bedeutung  der  Wissenschaft  und  der  Kunst,  übersetzt  von 
Aug.  Scholz.    Dresden  u.  Leipzig,  E.  Pierson  u.  S.  usw. 


454  H.  Halm, 

erster  Beitrag  zur  Geschichte  der  Wechselbeziehungen  zwischen  russi- 
schem und  deutachem  Geistesleben  und  ein  Anfang  zu  einer  kritischen 
Bibliographie  der  Übersetzungen  vom  Russischen  ins  Deutsche. 

* 

Tolstoj  war  zweimal  in  Deutschland:  1857  und  1860.  Als  sich 
1895  Tolstoj  zum  drittenmal  anschickte,  nach  Deutschland  zu  reisen, 
wurde  ihm  von  einem  hohen  Beamten  bedeutet,  daß  seiner  Reise  nichts 
in  den  Weg  gelegt  werde,  daß  aber  die  Rückkehr  nach  Rußland  viel- 
leicht nicht  ganz  nur  von  ihm  (Tolstoj)  abhängen  wird.  Daraufhin  unter- 
blieb diese  Reise,  die,  der  Gräfin  zuliebe,  Bayreuth  zum  Ziele  haben 
sollte. 

Die  erste  der  zwei  Auslandreisen,  denen  ein  intimer  Freund,  Wol- 
ganow,  »große  Bedeutung  für  die  Entwicklung  von  Tolstojs  Anschau- 
ungen« zuschreibt,  führte  Tolstoj  zunächst  durch  Deutschland  nach 
Frankreich.  Deutschland  hatte  ihn  interessiert,  doch  hatte  er  nicht  Zeit 
zu  verweilen.  Langsamer  ging  es  schon  durch  die  Schweiz,  deren  »eigen- 
artig majestätische  und  zugleich  unaussprechlich  harmonische  und  weiche 
Natur«  einen  tiefen  Eindruck  auf  ihn  machte^).  »Als  ich  hinaufstieg  in 
mein  Zimmer«,  heißt  es  in  der  Erzählung  »Luzern«,  »und  das  Fenster 
nach  dem  See  öffnete,  blendete  und  erschütterte  mich  buchstäblich  im 
ersten  Augenblicke  die  Schönheit  dieses  Wassers,  dieser  Berge  und  dieses 
Himmels.  Ich  empfand  eine  innere  Unruhe  und  das  Bedürfnis,  in  irgend 
einer  Weise  der  Überfülle  dessen  Ausdruck  zu  geben,  was  plötzlich 
meine  Seele  ergriffen  hatte.  Ich  hatte  den  Wunsch,  in  diesem  Augen- 
blicke jemanden  zu  umarmen,  herzlich  zu  umarmen,  ihn  zu  kitzeln,  zu 
kneifen,  überhaupt  mit  ihm  und  mit  mir  selbst  irgend  etwas  Außerordent- 
liches zu  machen«.  Auf  der  zweiten  Reise  (Juli  1860  bis  April  1861) 
kommt  er  nach  Berlin,  das  auf  ihn  von  allen  deutschen  Städten  den 
größten  Eindruck  gemacht  hat.  Überall  sah  er,  wie  er  1S98  zu  Raphael 
Löwenfeld  sagte,  ein  ernstes  Vorwärtsstreben;  »Berlin  war  der  bedeu- 
tendste geistige  Mittelpunkt,  Deutschland  war  aber  so  glücklich,  in  allen 
seinen  Hauptstädten  solche  Mittelpunkte  zu  besitzen.«  Tolstoj  besuchte 
in  der  Woche,  die  er  in  Berlin  blieb,  die  Kunstsammlungen,  hörte  an  der 
Universität  Droysen  und  Du  Bois  Reymond.  Im  Hörsaale  des  letzteren 
lernte  er  den  Mediziner  Fraenkel  kennen,  der  Tolstojs  Führer  in  Berlin 


*)  >Die  schönste  Fußtour  in  meinem  Leben«  nennt  er  im  Gespräche  mit 
Löwenfeld  (s.  u.)  S.  164  die  Tour  über  den  Mont  Cenis  ins  Aostatal. 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      455 

wurde.    Er  führte  ihn  in  eine  Versammlung  des  Hand\^erkervereins,  die 
Tolstoj  wegen  des  Prinzipes  und  der  Form  der  Volksbelehrung  besonders 
interessierte.   Nachdem  er  das  Moabiter  Geföngnis  besucht  hatte,  verließ 
er  Berlin.    In  Leipzig  und  Dresden  lernt  er  die  berühmten  sächsischen 
Schulen  kennen.    In  Dresden  begleitet  ihn  durch  die  Schulen  Bertold 
Auerbach,  der  ein  ebenso  warmes  Interesse  für  das  Volk  und  die  Volks- 
schule hatte  wie  Tolstoj.     »Ich  freue  mich  herzlich  mit  dem  so  ideell  ge- 
hobenen Naturell  dieses  Mannes«  schreibt  Auerbach  damals  an  W.  Wolf- 
sohn (Nord  u.  Süd,  18S7,  42. Bd.  S.431).  Auerbach  und  Tolstoj  werden 
Freunde.    Mit  dem  Neffen  des  Begründers  der  Kindergärten ,  dem  be- 
kannten Publizisten  und  Politiker  Julius  Fröbel  trifft  Tolstoj  in  Bad  Kis- 
singen zusammen,  lernt  dessen  Werke  kennen,  bespricht  eifrig  mit  ihm 
die  ihn  beschäftigenden  Fragen    der  Volkserziehung  und  arbeitet  die 
Schriften  des  bayrischen  Kultnrhistorikers  Wilh.  Heinr.  v.  Riehl  durch. 
Auf  einer  Reise  durch  den  Harz  besucht  er  Eisenach  und  die  Wartburg. 
Er  anerkennt  Luthers  Bedeutung,  wenn  er  in  sein  Tagebuch  nur  die 
Worte  schreibt:  »Luther  ist  groß«.  Es  lag  nahe  zu  vermuten,  entspricht 
aber  nicht  der  Wahrheit  i),  daß  Tolstoj  den  von  ihm  verehrten  Schopen- 
hauer besuchte,  dessen  Bild  mit  der  eigenhändigen  Unterschrift  Schopen- 
hauers Tolstoj  bis  zu  seinem  Tode  vor  seinem  Schreibtisch  hängen  hatte. 
Auf  der  Rückreise  aus  Frankreich  war  er  Gast  des  russischen  Gesandten 
von  Maltitz  in  Weimar,  dem  wir  einige  Übersetzungen  russischer  Lyriker 
verdanken,   besuchte  Liszt,   wurde  bei  Hof  eingeführt,  besichtigte  das 
Goethehaus  und  die  Fröbelschen  Kindergärten.    Von  Jena  nahm  er  den 
jungen  Mathematiker  Keller  nach  Rußland  mit,  der  Tolstoj  bei  der  Ein- 
richtung und  Leitung  der  Schule  in  Jasnaja-Poljana  zur  Seite   stand. 
Nach  einem  kurzem  Besuch  bei  Diesterweg  in  Berlin  und  Auerbach  in 
Dresden  kehrte  Tolstoj  heim. 

Tolstoj  hat  auf  dieser  großen  Reise  alle  deutschen  Institute  und 
Männer  aufgesucht,  von  denen  er  glaubte,  etwas  lernen  zu  können.  Er 
wird  nicht  müde,  alle  wichtigen  deutschen  Einrichtungen  zu  sehen  und 
die  Werke  deutscher  Schriftsteller  in  sich  aufzunehmen.  Aus  dem  Eifer, 
mit  dem  er  sich  in  deutsche  Schöpfungen  vertieft,  kann  man  mit  Recht 
entnehmen,  was  schon  sein  Erstlingswerk  »Die  Lebensstufen«  deutlich 
aussprach,  daß  er,  dessen  Geschlecht  auf  eine  deutsche  Familie  Dick 


1)  R.  Löwenfeld,  Gespräche  S.  163  ist  entgegenzuhalten  der  älteren  Stelle 
in  Löwenfelds  Biographie  (s.  u.)  S.  136. 


456  H.  Halm, 

zurückgelit  und  dessen  Frau  aus  einer  deutschen  Familie  stammt,  dem 
deutschen  Geiste  sympatisch  gegenüberstand. 

Er  schätzt  vollkommen  objektiv  die  Bedeutung  des  germanischen 
und  des  russischen  Bauern  gegeneinander  ab:  »Der  russische  Bauer«, 
sagte  Tolstoj  zum  Verwalter  des  Nachbarguts  Charino  ein  Jahr  nach 
seiner  Rückkehr  aus  dem  Auslande,  »ist  verständig,  aufmerksam,  gedul- 
dig, genügsam;  das  jahrhundertelang  getragene  Joch  der  Leibeigenschaft 
hat  nicht  vermocht,  die  guten  Eigenschaften  in  ihm  zu  ersticken.  In 
meinem  Kriegsleben  habe  ich  Gelegenheit  genug  gehabt,  unseren  Bauern 
als  Soldaten  zu  studieren,  und  ich  muß  gestehen,  daß  er  das  Material  zur 
besten  Armee  der  Welt  gibt  .  .  .  Was  ich  an  meinem  Volke  so  schmerz- 
lich vermisse:  die  zielbewußte,  energische  Ausdauer,  nicht  bloß  die  pas- 
sive Geduld,  die  Festigkeit  des  Entschlusses,  welche  sich  durch  nichts 
ermüden  oder  ablenken  läßt  und  nicht  eher  ruht,  als  bis  das  Ziel  erreicht 
ist  —  diese  große  Eigenschaft  des  Charakters  verleiht  eben  dem  Deut- 
schen ein  moralisches  Übergewicht,  dessen  wir  uns  nicht  erwehren 
können.  Wir  haben  viel  von  unserem  germanischen  Nachbar  gelernt; 
es  bleibt  uns  noch  genug  zu  lernen.«  Was  die  Beschäftigung  mit  sitt- 
lichen Fragen  anbelangt,  betont  er  im  Gespräche  mit  Löwenfeld  1890 
die  Überlegenheit  des  russischen  Bauern  gegenüber  allen  Bauern  Europas. 
-Als  er  in  dieser  Zeit  die  Erzählung  »Polikuschka«  niederschreibt, 
setzt  er  in  den  Text  in  deutscher  Sprache  die  Bemerkung  hin:  »Wage 
du  zu  irren  und  zu  träumen.« 

Die  Verurteilung  der  deutschen  Musik,  Beethovens  etwa  und  Wag- 
ners, wie  der  Malerei  Böcklins  stammt  aus  Tolstojs  später  kunstfeind- 
licher Zeit.  In  seiner  Jugend  studierte  Tolstoj  gerade  Beethoven  bei 
jenem  deutschen  Musiker,  den  er  in  seiner  Novelle  »Albert«  dichterisch 
verklärt  hat. 

Im  Verkehr  mit  Deutschen  und  aus  ihren  Werken  hat  Tolstoj  die 
deutsche  Sprache  vollkommen  erlernt.  In  Luzern  gab  er  seinem  Zorn 
über  den  Dünkel  der  Lakaien  und  Kellner  in  deutschen  Worten  Raum, 
wenn  er  auch  in  der  Darstellung  seines  bekannten  Luzerner  Erlebnisses 
gesteht:  »Der  Lakai  hatte  mich  nicht  verstanden  und  meine  deutschen 
Reden  waren  nutzlos  gewesen.«  Löwenfeld,  der  ihn  zweimal,  1890  und 
189S  besuchte,  also  30  Jahre  nachdem  Tolstoj  Deutschland  zum  letzten 
Male  gesehen  hatte,  rühmt,  wie  leicht  Tolstoj  sich  der  deutschen  Sprache 
bediente.  Er  begrüßt  seinen  Gast  mit  deutschen  Worten,  empfängt  zahl- 
reiche Briefe  aus  Deutschland,  flicht  eine  deutsche  Erklärung  ins  Ge- 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      457 

sprach  ein  oder  erinnert  an  Worte  Goethes.  »Ich  war  hier  in  einiger 
Verlegenheit«,  bemerkt  Oskar  Blumenthal  (s.  u.),  »denn  ich  war  ge- 
kommen, um  zu  interviewen,  und  ich  wurde  selbst  interviewt  .  .  .  Die 
neue  literarische  Bewegung  in  Deutschland;  das  politische  Leben,  wie  es 
sich  unter  Wilhem  II.  entwickelt  hat;  die  Namen  der  neu  aufgetauchten 
Talente  auf  novellistischem  und  dramatischem  Gebiete;  die  Grundsätze 
der  Darstellung  und  Inszenierung,  wie  sie  im  Moskauer  Gastspiel  des 
Lessing-Theaters  zur  Anschauung  gebracht  wurden  .  .  .  kurz  alles  inter- 
essierte den  Grafen  Tolstoj  ausnehmend. « 

Er  beschäftigte  sich  viel  mit  Werken  der  deutschen  Literatur,  mit 
Schiller  mehr  als  mit  Goethe.  Den  »Faust«  lehnt  er  ab  in  seiner  späteren 
kunstfeindlichen  Periode.  Goethes  »Reineke  Fuchs«,  den  er  unmittelbar 
vor  der  großen  Reise  nach  Deutschland  liest,  scheint  ihm  einigen  Ein- 
druck gemacht  zu  haben.  Er  lehnt  aber  Goethe  zu  Gunsten  Schillers 
ab,  denn  »wo  Goethe  das  Schöne  anzog,  vergaß  er  des  Ethischen«. 
Schillers  Werke  stehen  ihm  schon  wegen  ihres  sittlichen  Grundtons 
näher.  Er  zieht  den  jungen  Schiller,  der  die  »Räuber«  und  »Kabale  und 
Liebe«  geschrieben  hat,  dem  Dichter  des  »Teil«  vor.  Denn  die  »Räuber« 
vor  allem  sind  Volkskunst.  »Nie  wieder  hat  Schiller  das  Pathos  der 
Volksseele  so  kraftvoll  wiedergegeben.«  Von  Goethe  und  Schiller  bis  in 
die  90er  Jahre  des  XIX.  Jahrh.  sagt  ihm,  Hebel  und  Auerbach  ausgenom- 
men, kein  Werk  der  deutschen  Literatur  zu.  Klar  urteilt  er  über  die 
deutsche  Literatur  der  Zeit  nach  1870:  »Ich  sehe  die  Ursache  für  den 
Rückgang  der  Literatur  in  Deutschland  hauptsächlich  in  dem  Um- 
schwung der  politischen  Verhältnisse.  Durch  das  Jahr  1870  hat 
Deutschland  seine  früheren  geistigen  Zentren  verloren,  um  dafür  einen 
einzigen  Mittelpunkt  zu  gewinnen.  Was  p  olitisch  gut  sein  kann,  was  mir 
aber  auch  noch  nicht  unbedingt  richtig  erscheint,  das  ist  dem  künstle- 
rischen Schaffen  schädlich.  Die  deutsche  Literatur  bringt  jetzt  nichts 
Großartiges  hervor,  und  ich  kann,  soviel  ich  mir  Mühe  gebe,  keine  an- 
dere Erklärung  dafür  finden,  als  die  allzngroße  Zentralisation.«  Schopen- 
hauers Philosophie,  Hebels  Gedichte  und  Auerbachs  Dorfgeschichten  hat 
er  freilich  zu  allen  Zeiten  hochgehalten.  Er  schlug  seinem  Freunde  Fet 
vor,  mit  ihm  die  Schriften  Schopenhauers,  dieses  »genialsten  aller  Men- 
schen«, ins  Russische  zu  übertragen.  Man  begreift,  daß  die  Philosophie 
Schopenhauers  für  Tolstoj  von  Bedeutung  gewesen  sein  muß.  »Mitleid« 
st  das  Kennwort  von  Schopenhauers  Denken  und  wurde  es  für  Tolstoj. 
Es  bedürfte  einer  eigenen  Untersuchung,  das  Verhältnis  Schopenhauers 


458  H.  Halm, 

zu  Tolstoj  klar  zu  stellen.  Die  Gedichte  und  das  Schatzkästlein  J.  P. 
Hebels  dachte  er  in  allen  deutschen  Bauernhäusern  zu  finden,  ebenso 
Auerbachs  Dorfgeschichten.  Noch  1898  wußte  Tolstoj  einige  der  kleinen 
Gedichte  Hebels  auswendig.  Von  der  Existenz  des  zweiten  großen  Dia- 
lektdichters, Fritz  Reuter,  hat  Tolstoj  allerdings  nichts  gewußt.  Als 
Tendenzschrift  gegen  den  Ea-ieg  mußte  dem  sechzigjährigen  Tolstoj  ein 
Roman  wie  »Die  Waffen  nieder«  (18S9)  von  Bertha  Baronin  Suttner 
willkommen  sein.  Er  schrieb  1891  an  die  Verfasserin:  >.  .  .  Ich  schätze 
Ihr  Werk  sehr  hoch  und  glaube,  daß  das  Erscheinen  Ihres  Romans  eine 
glückliche  Vorbedeutung  ist;  der  Aufhebung  der  Sklaverei  ging  bekannt- 
lich auch  ein  berühmtes  Buch  einer  Frau,  der  Mrs.  Beecher-Stowe  vor- 
aus ;  gäbe  Gott,  daß  Ihr  Buch  dem  endgültigen  Verschwinden  des  Krieges 
voraufgehen  möge  .  .  .« 

Als  in  den  90  er  Jahren  Gerhard  Hauptmanns  Stücke  erscheinen, 
greift  Tolstoj  sofort  nach  ihnen,  vor  allem  nach  den  »Wiehern«.  »Das 
ist  echte,  aus  dem  Herzen  des  Volkes  geschöpfte  Kunst  .  .  .  Erst  Haupt- 
manns 'Weber'  sind  wieder  einmal  ein  Werk,  das  den  Gefühlen  des 
Volkes  den  höchsten  künstlerischen  Ausdruck  gibt  und  in  einer  Fonn, 
die  jedermann  aus  dem  Volke  verständlich  ist. «  Gerhart  Hauptmann 
hat,  wie  noch  zu  zeigen  sein  wird,  entscheidende  Einflüsse  von  Tolstoj 
empfangen  und  so  begreift  man,  wie  Tolstoj  von  den  Werken  Haupt- 
manns im  Innersten  ergriffen  wurde. 

Von  allen  deutschen  Schriftstellern  steht  ihm  Bertold  Auerbach  am 
nächsten.  Seinem  Gaste,  Eugen  Schuyler,  erklärt  Tolstoj  im  Jahre  1867  : 
»Auerbach  verdanke  ichs,  daß  ich  für  meine  Bauern  eine  Schule  eröffnet 
habe  und  mich  für  Volksbildung  zu  interessieren  begann.«  Er  liebte  den 
Schriftsteller  wie  den  Menschen,  der  in  seinen  Schriften  für  die  unteren 
Volksschichten  Partei  genommen  hatte.  Tolstoj  liest  Auerbachs  Erzäh- 
lungen vor  der  großen  Auslandsreise  »mit  besonderer  Hingabe«.  Eine 
Gesamtausgabe  von  Auerbachs  Werken  aus  dem  Anfange  der  60er  Jahre 
steht  in  Tolstoj  s  Bibliothek. 

Mag  auch  manches  Motiv  »Aus  den  Aufzeichnungen  des  Mönches 
Fjodor  Kusmitsch»,  die,  1906  niedergeschrieben,  erst  aus  Tolstoj  s  Nachlaß 
bekannt  geworden  sind,  etwa  an  Auerbachs  Geschichte  »Neues  Leben« 
erinnern,  mag  auch  Tolstoj  behaupten ,  daß  er  Auerbach  viel  verdanke, 
so  sind  es  doch  weniger  künstlerische  Dinge,  durch  die  Auerbach  auf  ihn 
gewirkt  hat,  als  die  Absichten  auf  pädagogischem  Gebiete  und  das  Ziel, 
Volksschriftsteller  zu  werden.     Tolstoj   hat  dieses  Ziel  bald   erreicht. 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      459 

Schon  die  kleinen  Erzählungen  aus  seiner  Frühzeit  sind  die  Ergebnisse 
von  Beobachtungen  an  sich  und  seinem  Volke.  Die  auf  der  Reise  ent- 
standene Novelle  >Polikuschka«  zeigt,  wie  Tolstoj  immer  weiter  in  das 
Volk  hineinleuchtet  und  aus  ihm  seine  besten  Gestalten  holt,  bis  er  in 
dem  Roman  »Krieg  und  Frieden«  und  dem  Drama  »DieMacht  der  Finster- 
nis« das  ganze  russische  Volk  in  seinem  Kern  darstellt.  »Krieg  und 
Frieden«  und  »Die  Macht  der  Finsternis«  sind  Volkskunst,  wie  Schillers 
Räuber  oder  Hauptmanns  Weber. 

»Krieg  und  Frieden«,  mehr  noch  »Die  Macht  der  Finsternis«,  dazu 
>Die  Kreutzersonate«  und  »Polikuschka«  sind  denn  auch  die  von  Tolstoj 3 
Werken,  die  für  die  Deutschen  und  die  deutsche  Literatur  von  der  größten 
Bedeutung  wurden. 

»Krieg  und  Frieden«  hat  unmittelbar  weniger  Bedeutung  für  die 
deutsche  Literatur.  Eine  eingehende  Geschichte  des  deutschen  Romans 
im  letzten  Viertel  des  XIX.  Jahrhts.  wird  an  die  Konkurrenz  von  Zolas 
realistischen  Romanen  denken  müssen.  Die  Bedeutung  von  »Krieg  und 
Frieden«  liegt  vielmehr  darin,  daß  dieser  Roman  die  erste  russische  Dar- 
stellung des  Feldzuges  und  des  Brandes  von  Moskau  im  Jahre  1812  war 
und  die  erste  künstlerische  Darstellung,  aus  der  man  die  tiefste  Kennt- 
nis schöpfen  konnte  von  dem  ungleichen  Ringen  in  den  russischen  Ebenen 
und  von  dem  Wesen  des  russischen  Volkes.  Es  ist  ein  seltsamer  und 
nicht  bedeutungsloser  Zufall,  daß  die  zwei  Faktoren,  durch  die  Rußland 
im  XIX.  Jahrh.  von  besonderer  Bedeutung  für  Westeuropa  geworden  ist, 
in  »Krieg  uud  Frieden«  zusammentreffen:  die  W^iederbelebung  der  Er- 
eignisse von  und  um  1812,  in  welchen  Jahren  der  Westen  sah,  wie  sich 
Rußland  zunächst  zum  »Retter  Europas«  erhob,  und  diese  Ereignisse 
aufgefrischt  durch  Tolstoj,  der  nun  nicht  mehr  bloß  die  passive  Rolle  eines 
Retters  spielte,  sondern  aktiv  auf  das  Geistesleben  des  Westens  einzu- 
wirken begann.  Bedeutungslos  ist  dieser  Zufall  nicht,  denn  das  immer 
wache  Interesse  für  1812  hat  sicher  zur  Verbreitung  des  Tolstojschen 
Romans  unter  den  Deutschen  beigetragen  und  Tolstoj  hat  dieses  Inter- 
esse zu  befriedigen  vermocht. 

Die  Deutschen,  trotzdem  sie  seit  einem  Jahrhundert  die  unmittel- 
baren Nachbarn  des  russischen  Reiches  waren,  erfuhren  erst  aus  »Krieg 
und  Frieden«  näheres  über  russisches  Leben  im  ganzen  ersten  Viertel 
des  XIX.  Jahrh.  und  lernten  erst  hier  den  eigentlichen  militärischen 
Gegner  Napoleons  kennen,  der  gegen  den  Wunsch  des  Zaren,  aus  den 
Sympathien  des  russischen  Volkes  zu  der  hohen  Stelle  emporgestiegen 


460  H.  Halm, 

war.  Lebendig  steht  General  Kutusow  da,  die  Verkörperung  seines 
Volkes.  »Zeit  und  Geduld,  das  sind  die  wahren  Kriegshelden«  ist  sein, 
wie  seines  Volkes  Leitspruch,  an  dem  er  unverrückbar  festhält  und  so  es 
endlich  vermag,  die  Macht  des  an  schnelle  Siege  gewöhnten,  ungedul- 
digen Napoleon  zu  brechen. 

Dieser  erste  große  Roman  Tolstojs  hat  weithin  in  Westeuropa  eine 
klare  Vorstellung  von  dem  Kampfe  im  Innern  Rußlands  hervorgerufen 
und  gleichzeitig  den  Namen  seines  Schöpfers  außerhalb  Rußlands  be- 
kannt gemacht. 

Tolstojs  »Krieg  und  Frieden«  hat  für  die  Deutschen  noch  die  Be- 
deutung, daß  ein  russischer  Dichter  es  hier  unternommen  hat,  deutsche 
Gegenden  zu  zeichnen,  drei  Jahre  nach  seiner  Rückkehr  aus  Deutschland. 
Wie  sehr  ihn  die  Landschaft  der  deutschen  Schweiz  ergriffen  hat,  zeigt 
die  oben  angeführte  Probe  aus  »Luzern«.  Die  Kämpfe  gegen  Napoleon 
im  Jahre  ISO 5  führten  die  Russen  nach  Österreich.  Tolstoj  vergegen- 
wärtigt sich  die  österreichische  Gegend  und  ihre  Bewohner,  als  lebte  er 
unter  ihnen.  Er  stellt  die  Österreicher  von  Brauuau  so  sicher  hin,  wie  die 
Russen  und  betont  leicht  das  Fremdartige ,  das  zwischen  den  zwei  Völ- 
kern besteht.  »Obwohl  man  sich  nicht  in  russischen  Landen  befand  und 
trotz  der  Umgebung:  der  Obstgärten,  der  Mauern,  Ziegeldächer,  der  aus 
der  P^'erne  herttberwinkenden  Berge,  der  nicht  russischen  Bevölkerung, 
die  unsere  Soldaten  neugierig  betrachtete  — ,  hatte  das  Regiment  doch 
genau  dasselbe  Ansehen  wie  jedes  andere,  das  irgendwo  im  Innern  Ruß- 
lands zur  Musterung  bereit  steht.«  Mit  wie  wenigen  Strichen  gelingt  es 
da  Tolstoj,  die  ganz  unrussische  Landschaft  hinzuwerfen,  »Obstgärten, 
Mauern,  Ziegeldächer,  weithin  sichtbare  Berge«,  dann  das  neugierig 
starrende  Österreichervolk  und  auf  der  anderen  Seite  das  unbeirrbare, 
ruhige  Russenregiment,  als  ob  es  »Zeit  und  Geduld«  vor  sich  hinmurmle. 
Tolstoj  vermag  uns  in  den  lachenden  Frühlingsmorgen  hineinzurückeu 
und  uns  die  Aufregungen  miterleben  zu  lassen,  die  die  angekündigte  Be- 
sichtigung durch  Kutusow  und  ein  Mitglied  des  unseligen  österreichischen 
Hofkriegsrates  hervorruft,  bis  »auf  der  breiten,  mit  Bäumen  besetzten 
Landstraße  in  raschem  Trabe  eine  hohe,  blaue  Wiener  Kalesche  gefahren 
kommt«,  der  Kutusow  in  schwarzer  und  der  österreichische  General  in 
weißer  Uniform  entsteigt.  Wie  echt  österreichisch,  bureaukratisch  klingt 
die  eine  der  einstudierten  Perioden,  die  der  österreichische  General  an 
Kutusow  richtet:  »Im  Gegenteil,«  sagte  er  mißmutig,  und  sein  Ton  ent- 
sprach durchaus  nicht  der  schmeichelhaften  Bedeutung  seiner  Worte;  »im 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  n.  d.  deutsch.  Literatur.      461 

Gegenteil!  Se.  Majestät  weiß  die  Beteiligung  Ew.  Exzellenz  an  der  Ge- 
meinsache hoch  zu  schätzen,  aber  wir  meinen,  daß  die  gegenwärtige  Ver- 
zögerung die  ruhmreichen  russischen  Truppen  und  ihren  Oberbefehls- 
haber um  die  Lorbeern  bringen  wird,  welche  sie  gewohnt  sind,  im  Kriege 
zu  ernten.«  Die  Truppen  ziehen  donauabwärts  durch  »das  Städtchen 
Enns,  das  auf  beiden  Seiten  des  gleichnamigen  Flusses  gelegen  ist. 
Es  war  ein  warmer  regnerischer  Herbsttag.  Die  weite  Fernsicht,  die 
sich  von  der  Höhe  erschloß  .  .  .  wurde  bald  von  den  durchsichtigen 
Schleiern  des  schrägfallenden  Regens  verhüllt,  bald  wieder  von  Sonnen- 
licht Übergossen,  und  dann  zeigten  sich  alle  Gegenstände  so  klar  und 
scharf,  als  ob  sie  poliert  wären.  Am  Fuße  der  Anhöhe  lag  das  Städt- 
chen mit  seinen  weißen  Häusern  und  roten  Dächern,  seiner  Kirche  und 
seiner  Brücke  .  .  .  weiterhin  auf  der  Donau  sah  man  Schiffe  und  Inseln 
und  ein  Schloß  mit  einem  großen  Park,  den  die  Gewässer  der  in  die 
Donau  mündenden  Enns  umspülten.  Am  linken  Donauufer  zeigten  sich 
Felsenhöhen  mit  Fichtenwald  bekrönt  und  in  geheimnisvoller  Entfernung 
grüne  Hügel  und  bläuliche  Schluchten.  Aus  wildem  Tannenwalde,  der 
noch  ganz  unberührt  schien,  ragten  die  Türme  eines  Klosters  hervor  .  .  . 
...  Ja,  dieser  österreichische  Fürst  war  ein  gescheiter  Mann,  daß  er 
hier  ein  Schloß  erbauen  ließ  .  .  .  wir  sind  dicht  daran  vorbeigekommen 
und  haben  zwei  Hirsche  gesehen.«  Der  weitere  Rückzug  des  Heeres, 
die  angebliche  Überrumpelung  der  Wiener  »uneinnehmbaren«  Brücke 
durch  Gascogner,  das  prächtige  Husarenstückchen  einer  einzigen  russi- 
schen Batterie  bei  Schöngraben  in  Mähren,  die  Napoleons  Vorrücken  be- 
irrt, alles  das  zieht  am  Leser  in  wohlabgerundeten  Bildern  vorüber,  die 
ebensoviel  Erdgeruch  atmen  und  Liebe  wie  die  aus  Tolstojs  Heimat. 

Durch  die  realistischen,  tief  mitempfundenen  Schlachtszenen  in 
»Krieg  und  Frieden«  und  mehr  noch  durch  die  erschütternden  Erleb- 
nisse, die  Tolstoj  in  »Sewastopol«  geschildert  hat,  ist  er  ein  Vorläufer 
der  »Waffen  nieder«  der  Baronin  Suttner  geworden.  Daß  dieser 
Tendenzroman,  der  so  energisch  gegen  die  Greuel  des  Krieges  auftritt, 
bei  Tolstoj  hinwiederum  freundliche  Aufnahme  gefunden  hat,  haben  wir 
schon  gesehen.  Eine  Spezialuntersuchung  müßte  freilich  noch  nach- 
weisen, ob  Tolstoj  auf  »Die  Waffen  nieder«  unmittelbar  eingewii'kt  hat, 
oder  ob  bloß  die  pazifistischen  Bestrebungen  diesseits  und  jenseits  der 
russisch -deutschen' Grenze  hier  und  dort  zwei  voneinander  unabhängige 
literarische  Hanptvertreter  gefunden  haben. 

Klar  zu  Tage  aber  liegen  die  Fäden,  die  von  der  »Macht  der 


462  H.  Halm, 

Finsternis«,  der  > Kreutzer sonate«  und  »Polikuschka«  zur  deutschen 
Literatur  hinüberführen.  »Die  Macht  der  Finsternis«  konnte  1890  in 
Deutschland  von  jener  selben  »Freien  Bühne«  in  Berlin  aufgeführt  wer- 
den, die  wenige  Monate  vorher  Gerhart  Hauptmanns  »Vor  Sonnen- 
aufgang« herausgebracht  hatte.  »Vor  Sonnenaufgang«  ist  mit  der  »Macht 
der  Finsternis«  durch  mehr  als  eine  Beziehung  verbunden.  Die  krasse 
Handlung  des  Hauptmannschen  Dramas,  von  dessen  Hintergrund  sich  die 
Macht  des  Alkohols  dämonisch  abhebt,  findet  nur  eine  Parallele  in  dem 
Stücke  Tolstojs.  Man  kann  behaupten,  daß  ohne  die  Kühnheit  des 
Russen  Hauptmann  nicht  gewagt  hätte,  ein  mit  so  brutalen  Kräften 
arbeitendes  Drama  auf  die  deutsche  Bühne  zu  stellen.  Während  aber 
in  Tolstojs  Drama  alle  Personen  der  Macht  der  Finsternis  verfallen,  gibt 
es  für  Hauptmanns  Loth  noch  eine  Rettung  selbst  vor  dem  stärksten 
Triebe,  der  den  Menschen  beherrscht.  Dieser  Gegensatz  spricht  sich 
schon  in  den  Titeln  aus. 

Der  Verfasser  von  »Vor  Sonnenaufgang«  ist  in  seinen  natura- 
listischen Bestrebungen  nicht  nur  von  der  »Macht  der  Finsternis«  bestärkt 
worden,  sondern  er  muß  Tolstoj  überhaupt  gut  gekannt  haben.  »Die 
Macht  der  Finsternis«  hat  für  die  realistische  Zeichnung  des  Hauptmann- 
schen Alkoholikers ,  der  sogar  seine  eigene  Tochter  mit  Liebesanträgen 
verfolgt,  das  Vorbild  abgegeben.  Der  Heuduft  aber,  der  das  Stück  durch- 
zieht, das  Sensendengeln,  Grasholen,  der  Morgentau  über  der  Natur,  das 
alles  versetzt  uns  in  ein  Milieu  wie  den  ländlichen  Gutshof  Ljewins  in 
Tolstojs  »Anna  Karenina«.  Das  Vorsprechen  des  LiebesschwursHelenens 
vor  Loth  erinnert  an  die  Art  der  Liebeserklärung  Ljewins  vor  Kitty  in  der 
»Anna  Karenina«  ebenso,  wie  die  Gebärszene.  Man  hört  Tolstojs  Evan- 
gelium, wenn  sich  Hauptmann  gegen  den  Reichtum  der  Faulen  wendet, 
die  die  Armen  aussaugen ,  oder  wenn  er  die  Jagd  einen  Unfug  nennt. 

Tolstoj ,  den  das  Problem  der  Ehe  von  der  frühesten  Zeit  beschäf- 
tigt hat  (»Die  Aufzeichnungen  eines  Marqueurs«  1856,  »Eheglück« 
1859,  nebenher  in  »Krieg  und  Frieden«  1864/69,  dann  aber  in  »Anna 
Karenina«  187  3/76  und  in  der  lehrhaften  Erzählung  »Wandelt  dieweil 
ihr  das  Licht  habt«  1887),  tritt  schon  in  der  »Macht  der  Finsternis« 
(1886)  gegen  die  Dummheit  und  die  Verblödung  der  meisten  russischen 
Weiber  und  Mädchen  auf,  die  nie  etwas  gesehen  oder  gehört  haben,  son- 
dern »sind  wie  die  Tiere  im  Walde«.  In  »Anna  Karenina«  und  in  der 
»Kreutzersonate«  (1889)  spitzt  sich  das  Problem  zu.  Tolstoj  zeigt,  wo- 
hin Ehen  führen  müssen,  die  auf  nichts  anderes  als  auf  die  Sinnlichkeit 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.     463 

aufgebaut  sind.  Die  Eben  Anna  Kareninas,  der  Darja  Oblonskaja  und 
die  Ehe  Posdnyschews  (»Kreutzersonate«)  geben  in  Brüche,  weil  die 
Ehegatten  nichts  mehr  verbindet,  nachdem  der  Rausch  der  Sinnlichkeit 
vorüber  ist.  Dasselbe  Problem  stellt  sich  Gerhart  Hauptmann  in  den 
»Einsamen  Menschen«.  Johannes  Vockeradts  Ehe  geht  in  Brüche,  weil 
er  einem  Wesen  begegnet,  das  ihm  mehr  bieten  kann  als  tierische  Liebe. 
Er  ahnt  »einen  neuen,  höheren  Zustand  der  Gemeinschaft  zwischen 
Mann  und  Frau  .  .  .  den  wird  es  geben  später  einmal.  Nicht  das  Tie- 
rische wird  dann  mehr  die  erste  Stelle  einnehmen ,  sondern  das  Mensch- 
liche. Das  Tier  wird  nicht  mehr  das  Tier  ehelichen,  sondern  der  Mensch 
den  Menschen.  Freundschaft,  das  ist  die  Basis,  auf  der  sich  diese  Liebe 
erheben  wii-d.  Unlöslich,  wundervoll,  ein  Wunderbau  geradezu. «  Diese 
Frau ,  die  Seelen-  und  Gedankenfreundin  von  Johannes ,  stammt  be- 
zeichnenderweise aus  Reval.  Diese  nicht  nur  körperlich  abgehärtete 
Studentin  Anna  Mahr  ist  den  deutschen  Durchschnittsfrauen  überlegen. 
Sie  ist  aber  auch  stärker  als  der  epikuräische  deutsche  Johannes.  Mit 
ihr  weht  eine  Ahnung  von  dem  ungezwungenen  Verhältnis  der  Ge- 
schlechter in  Rußland  und  von  der  selbständigen  russischen  Frau  in  das 
Stück.  Tolstojs  Spuren  findet  man  bei  jedem  Schritt.  Alles  verschenken 
und  mit  seiner  Frau  in  freiwilliger  Armut  leben,  keine  Biene  töten,  sind 
die  Gedanken  von  Johannes.  Tolstojs  oberstes  Leitwort,  das  er  in  der 
»Macht  der  Finsternis«  schon  deutlich  angeschlagen  hatte,  das  Mitleid, 
gewinnt  Bedeutung  für  die  Gestalten  Hauptmanns.  Der  alte  Vockeradt 
verschenkt  Erbauungsbücher  an  seinen  Lastträger,  der  ebenso  sprachlos 
über  dieses  Geschenk  ist,  mit  dem  er  nichts  anzufangen  weiß,  wie  jener 
Droschkenkutscher,  dem  Tolstoj  einmal  den  Fuhrlohn  nicht  in  Geld,  son- 
dern mit  einem  Paar  von  Tolstoj  selbstverfertigter  Schuhe  auszahlen  hat 
wollen.  Während  aber  Tolstoj  die  Sündenbekenntnisse  seiner  Bauern 
ernst  meint,  persifliert  Hauptmann  den  alten  Vockeradt.  Man  kann  den 
Vergleich  zwischen  »Kreuzersonate«  und  den  »Einsamen  Menschen«  auch 
auf  Äußerlichkeiten  ausdehnen.  Das  erste  der  zwei  Motti  der  » Kreutzer- 
sonate«:  »Wer  ein  Weib  ansiehet,  ihrer  zu  begehren,  der  hat  schon  mit 
ihr  die  Ehe  gebrochen  in  seinem  Herzen«,  der  Grundgedanke  der 
Kreutzersonate ,  wird  von  dem  alten  frömmelnden  Vockeradt  dem  Sohne 
vorgehalten.  Das  zweite  Motto  der  Kreutzersonate  » .  .  .  das  Wort  fasset 
nicht  jedermann,  sondern  denen  es  gegeben  ist«  möchte  man  wieder- 
kehren sehen  in  dem  Motto  der  »Einsamen  Menschen« :  »Ich  lege  dieses 
Drama  in  die  Hände  derjenigen,  die  es  gelebt  haben.« 


464  H.jaalm, 

Gegen  die  Besitzenden,  die  nichts  arbeiten,  erhebt  auch  der  »Fuhr- 
mann Henschel«  gelegentlich  seine  Stimme.  Auch  in,  diesem  Drama 
Hauptmanns  finden  wir  jenes  Mitleid  selbst  mit  dem  Tiere,  das  bei  Tol- 
stoj  überall,  besonders  schön  bei  dem  Rennen  in  der  »Anna  Karenina« 
zum  Ausdruck  kommt.  Die  Eifersuchtsszene  zwischen  Miitter  und  Toch- 
ter in  der  »Macht  der  Finsternis«  findet  einen  Nachhall  in  der  Szene 
zwischen  der  sterbenden  ersten  Frau  des  Fuhrmann  Henschel  und  der 
jungen  Magd,  die  später  Henschels  zweite  Gattin  wird.  Das  Schank- 
mädchen  Franziska  schwärmt  von  einem  reichen  Russen,  der  sie  in  der 
Welt  herumführen  soll.  Was  die  Größe  dieses  Dramas  ausmacht,  das 
ist,  daß  es  hier  Hauptmann  gelungen  ist,  den  Geist  des  Volkes  zu  er- 
fassen und  ihn  darzustellen.  Dadurch  rückt  dieses  Drama  nahe  zu  den 
Werken  Tolstojs,  der  es  ja  als  ein  höchstes  Ziel  betrachtete,  den  Geist 
des  Volkes  zu  erforschen.  Tolstojs  »Polikuschka«  war  für  Hauptmanns 
»Fuhrmann  Henschel«  richtunggebend.  Alle  äußeren  Zeugnisse  sind 
gegen  diesen  Helden,  in  dem  ein  ganzes  Volk  oder  wenigstens  ein  ganzer 
Stand  des  Volkes  sich  verkörpert;  er  selbst  ist  schuldlos.  Henschel 
charakterisiert  die  Stimmung  seines  Innern:  »Ich  kann  mit  mir  keen 
Staat  nich  mehr  machen.«  Der  schweigende  Polikuschka  könnte  seiner 
Stimmung  nicht  besser  Ausdruck  geben.  So  suchen  sie  beide,  vom  Ehr- 
gefühl getrieben,  denselben  Tod.  Polikuschka  war  für  Auerbach  »ganz 
exquisit,  aber  leider  so  zermalmend,  was  die  Kunst  nicht  tun  sollte« 
(Auerbach,  Brief  an  W.  Wolfsohn.  Nord  und  Süd  Bd. 42,  1SS7,  S.  436). 
Dem  Naturalismus  Hauptmanns  aber  kam  Tolstojs  Kunst  sehr  entgegen. 

So  kann  man  Tolstojs  Einfluß  auf  Hauptmann  von  seinem  ersten 
Drama  verfolgen  bis  heute.  Denn  Hauptmanns  letzte  Arbeit,  die  aller- 
dings schon  vor  sechs  Jahren  niedergeschrieben  sein  soll,  »Gabriel  Schil- 
lings Flucht«,  läßt  in  uns  wieder  die  Erinnerung  an  die  »Einsamen  Men- 
schen« aufsteigen.  Wieder  lebt  der  Künstler  in  einer  innerlich  leeren 
Ehe,  seine  Schafl'ensfreude  ist  wieder  an  eine  geistig  emanzipierte  Frau 
gebunden,  wieder  an  eine  Russin. 

Wie  sympathisch  Gerhart  Hauptmann  den  Werken  der  russischen 
Literatur  überhaupt  gegenübersteht,  mag  die  Stelle  aus  den  »Einsamen 
Menschen«  beweisen,  wo  sich  über  Garschins  Novelle  :>Die  Künstler« 
eine  Debatte  entspinnt,  bis  endlich  Anna  sogar  eine  Probe  aus  dieser 
Novelle  vorliest.  Wie  nahe  Hauptmann  dem  russischen  Dichter  und 
Philosophen  Tolstoj  und  seiner  zentralen  Lehre  vom  Mitleid  steht,  zeigt 
am  besten  sein  Roman  »Emanuel  Quint«. 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      465 

Neben  dieser  großen  Bedeutung,  die  Tolstoj  für  Gerhart  Hauptmann 
hat,  verschwindet  das,  was  sonst  noch  in  der  schönen  Literatur  der  Deut- 
schen von  Tolstojschem  Geiste  angeweht  ist. 

Ein  Jahr  nach  der  Berliner  Aufführung  und  dem  ersten  deutschen 
Druck  der  »Macht  der  Finsternis <  vollendete  in  Wien  J.  J.  David  sein 
Schauspiel  »Hagars  Sohn«,  (J.  J.  Davids  Gesammelte  Werke,  Hg.  v.  E. 
Heilborn  und  Erich  Schmidt,  München  und  Leipzig,  Piper  1909  Bd.  2), 
dessen  überraschender  Schluß  an  das  Sündenbekenntnis  Nikitas  am 
Schluß  der  »Macht  der  Fin3ternis<:  erinnert.  Nachdem  alle  versammelt 
sind,  legen  Nikita  wie  der  ganz  anders  geartete  Sieveroither  Davids, 
unter  großer  Spannung  die  ruckweise,  stufenartig  gesteigert  wird,  ihr 
Bekenntnis  ab,  indem  sie  zunächst,  fast  wörtlich  übereinstimmend,  in  den 
Ruf  ausbrechen:  »Gemeinde,  ich  bin  schuldig,  ich  will  beichten. <  Beide 
Geständnisse  werden  unterbrochen  und  damit  belebt  durch  die  Zwischen- 
reden der  Verwandten  bei  Tolstoj  und  schließlich  des  Polizeibeamten, 
der  ein  Protokoll  aufnehmen  will,  des  schwarzen  Studenten  bei  David, 
der  ungeduldig  zum  Aufbruch  mahnt.  Der  Polizeibeamte  und  der 
schwarze  Student  erfahren  die  gleiche  Entgegnung:  »Das  Bekenntnis  ist 
Gottes  Sache.  Laßt  Gottes  Sache  zu  Ende  gehen ,  dann  möge  die  welt- 
liche beginnen.«  Trotz  ihrer  Schuld  stehen  Nikita  und  der  Sieveroither 
gefaßt  da,  ohne  Furcht,  denn  sie  fühlen  sich  in  der  Hand  Gottes. 

David  hat  (Gesammelte  Werke  Bd.  7)  sieben  Jahre  später  (IS9S) 
Leo  Tolstoj  einen  schönen  Essay  gewidmet,  in  dem  er  die  Werke  Tol- 
stojs  mit  der  ihm  eigenen  Kürze  charakterisiert  und  auf  ein  Drama  hin- 
weist, das  gerade  erschienen  war,  Max  Halbes  »Mutter  Erde«. 

Wie  in  Gerhart  Hauptmanns  »Einsamen  Menschen«  der  Einfluß 
Tolstojs  auf  die  deutsche  Literatur  unmittelbar  nach  dem  Erscheinen  der 
deutschen  »Kreutzersonate«  zutage  tritt,  so  sehen  wir  ihn  noch  in  Halbes 
Drama  nach  Jahren  fortwirken. 

Wieder  ist  es  jene  Forderung  nach  einem  neuen  Verhältnis  zwischen 
Mann  und  Weib ,  das  sich  nicht  auf  bloßer  Sinneslust ,  aber  auch  nicht 
auf  der  Gedankengemeinschaft  allein  aufbaut.  Schon  in  den  »Einsamen 
Menschen«  schlägt  das  Freundschaftsverhältnis  zwischen  Johannes  Vocke- 
radt  und  Anna  Mahr  in  Liebe  um.  Halbes  Drama  geht  darin  weiter.  Er 
gi'eift  das  Problem  von  der  anderen  Seite  an.  Sein  Drama  klingt  wie 
eine  Warnung  vor  dem  zweiten  der  beiden  Extreme :  bloße  Sinnlichkeit 
oder  bloße  Ideengemeinschaft.  Die  auf  rein  gedanklicher  Gemeinschaft 
gegründete  Ehe  geht  in  Brüche.  Mann  und  Weib  sollen  nicht  bloß  Kame- 

Archiy  für  slarisehe  Philologie.    XXXV.  30 


466  H.  Halm, 

rad  und  Kameradin  sein.  Das  jeder  Eifersüchtelei  fremde  und  jeder 
Sinnlichkeit  bare  Weib  wird  wohl  für  einige  Zeit  die  Freundin  ihres 
Mannes.  Die  Erinnerung  an  die  nach  langen  Jahren  wiedergefundene 
Heimat  und  die  Jugendzeit  rütteln  den  Mann  wach,  er  erkennt  die  Leere 
seines  Lebens,  das  immer  wie  das  seiner  Frau  nur  den  Mitmenschen  ge- 
widmet war.  Er  geht  in  den  Tod,  da  ihm  die  stärkere  Frau  die  Mög- 
lichkeit verschließt,  sich  mit  seiner  Jugendgeliebten  zu  verbinden. 

Mit  diesem  Entschluß  des  Mannes  zum  Selbstmord  ist  aber  auch 
das  Urteil  über  den  Mann  gesprochen.  Er  unterliegt  und  das  »neue^ 
Weib  lebt  weiter.  Darin  stimmen  Hauptmann  und  Halbe  übereiu,  wenn 
auch  Halbe  noch  schärfer  als  Hauptmann  gegen  die  hergebrachten  Ver- 
hältnisse auftritt  und  dabei  dem  zu  weit  sich  vorwagenden  »neuen« 
Weib  einige  Zurechtweisung  nicht  ersparen  kann.  Gerade  darin  aber 
zweigen  Hauptmann  und  Halbe  von  Tolstoj  ab.  Während  sowohl  in  der 
;>Anna  Karenina«  als  auch  in  der  >Kreutzersonate«  das  Weib  zugrunde 
geht,  stellen  die  deutschen  Dramatiker  den  Mann  vor  die  Wahl  zwischen 
zwei  Frauen  und  geraten  damit  in  die  Reihe  jener  unzähligen  Stücke» 
die  den  Mann  zwischen  den  zwei  Frauen  zum  Problem  erhoben  und  nur 
in  einigen  Dramen  —  über  das  Verhältnis  des  Grafen  von  Gleichen  zu 
zwei  Frauen  —  zu  einem  für  den  Mann  erträglichen  Abschluß  geführt 
haben. 

Tolstoj  hat  also  nicht  nur  von  den  Deutschen  gelernt,  er  hat  auch 
auf  die  deutsche  Literatur  zurückgewirkt.  Der  bisherige  Einfluß  Tol- 
stojs  vor  allem  auf  die  deutsche  Literatur  steht  fest.  Nach  der  steigen- 
den Zahl  der  Übersetzungen  ins  Deutsche  darf  man  schließen ,  daß  der 
Einfluß  Tolstojscher  Gedanken  auf  Deutsche  heute  eher  noch  zu-  als  ab- 
nimmt. 

Die  deutschen  Schriftsteller  und  Dichter  lernen  Tolstoj  nicht  aus 
dem  Original,  sondern  aus  Übersetzungen  kennen.  Spielt  sonst  bei 
Quellenfragen  die  Ermittelung  des  Originals  eine  Rolle,  so  kommt  bei  der 
Frage  nach  dem  Einfluß  der  russischen  Literatur  auf  die  deutsche  die 
Kenntnis  der  Übersetzung  in  erster  Linie  in  Betracht.  Von  deutschen 
Dichtern  des  XIX.  Jahrh.  darf  man  behaupten,  Theodor  Fontane  etwa 
ausgenommen,  daß  sie  von  der  russischen  Sprache  keine  Vorstellung 
hatten.  Wenn  keine  Übersetzung  ausfindig  zu  machen  ist,  so  kann  von 
einem  Einfluß  des  in  Frage  stehenden  Werkes  oder  Schriftstellers  auf 
einen  deutschen  Dichter  kaum  die  Rede  sein.  Die  deutschen  Überset- 
zungen haben  aber  noch  die  Bedeutung,  daß  sie  vor  allem   den  öster- 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.       467 

reichischen  Slaven  die  Kenntnis  des  russischen  Originals  vermittelten,  das 
durch  den  Buchhandel  schwer  zu  beziehen  ist.  Die  deutschen  Texte 
wurden  bei  der  Übersetzung  aus  dem  Russischen  in  die  anderen  slavischen 
Sprachen  naturgemäß  nicht  selten  allein  oder  wenigstens  neben  dem 
schwerer  verständlichen,  weil  dem  eigenen  Idiom  zu  verwandten  russi- 
schen Text  zu  Rate  gezogen*).  Selbst  für  die  Russen  sind  die  deutschen 
Übersetzungen  nicht  belanglos.  Wie  oft  erschienen  die  Übersetzungen 
vor  dem  Original!  Man  denke  an  die  »Kreutzersonate«,  die  nur  im  Ge- 
heimen in  Rußland  Verbreitung  fand,  während  sie  in  Berlin  russisch  und 
deutsch  zu  haben  war.  Ebenso  erging  es  dem  Drama  »Früchte  der  Bil- 
dung«. Die  erste  öffentliche  Aufführung  fand  in  deutscher  Sprache  inBerlin 
statt.  Während  sich  in  Rußland  ein  widriger  Streit  um  Tolstoj s  Nach- 
laß entspann,  bevor  er  schließlich  um  manche  Erzählung  gekürzt  erschei- 
nen konnte,  war  die  deutsche  Ausgabe  bei  Ladyschnikow  in  Berlin  (s.  u.) 
lange  überallhin  verbreitet. 

Tolstojs  Werke  sind  seit  den  70  er  Jahren  des  XIX.  Jahrh.  wieder- 
holt ins  Deutsche  übertragen  worden,  so  daß  heute  eine  unübersehbare 
Masse  von  Verdeutschungen  zu  Gebote  steht.  Eine  Bibliographie  der 
Übersetzungen  aus  dem  Russischen  ins  Deutsche,  so  notwendig  sie  für 
unsere  Frage  wäre,  existiert  nicht,  noch  viel  weniger  eine  kritische  Bib- 


*)  Jetzt  ist  es  in  dieser  Beziehung  wohl  besser,  aber  in  den  siebziger  und 
achtziger  Jahren  hat  man  in  der  Tat  oft  aus  dem  Russischen  Übersetzungen 
in  einzelnen  slavischen  Sprachen  geliefert,  denen  deutsche  Texte  zugrunde 
lagen  oder  die  Leistungen  waren  sehr  mangelhaft  wegen  nicht  ausreichender 
Kenntnis  des  Russischen.  Ich  habe  das  an  einem  Beispiele  im  Arch.  f.  slav. 
Philologie  Bd.  XIII.  S.  463 — 470  gezeigt.  Dabei  will  ich  eine  Tatsache  zum 
besten  geben.  Als  mein  Bruder  (der  manches  ins  Kroatische  übersetztel  im 
J.  18S5  bei  mir  in  St.  Petersburg  zu  Besuch  war,  äußerte  er  den  Wunsch,  et- 
was aus  dem  Russischen  zu  übersetzen.  Ich  versah  ihn  mit  dem  russischen 
Texte  des  Tolstojschen  »Knabenalter«,  dessen  deutsche  Übersetzung  vor 
kurzem  erschienen  war  (die  Übersetzung  sollte  ihm  eben  die  Aufgabe  erleich- 
tern). Als  ich  nach  einiger  Zeit  darnach  fragte,  bekam  ich  zur  Antwort :  er 
habe,  um  sich  zu  vergewissern,  ob  ein  literarischer  Verein  dieses  Werk  in 
kroat.  Übersetzung  zum  Abdruck  zu  bringen  bereit  wäre,  den  deutschen  Text 
einem  namhaften  kroat.  Schriftsteller  vorgelegt,  dieser  aber  habe  sich  ent- 
schieden dagegen  erklärt;  das  klassische  Werk  Tolstojs  fand  also  in  den 
Augen  eines  kroatischen  Schriftstellers  keine  Gnade !  Ob  es  später  dennoch 
von  jemanden  übersetzt  und  herausgegeben  wurde,  das  weiß  ich  nicht! 

V.J. 
30* 


468  H.  Halm, 

liographie,    die  den  zahlreichen  deutschen  Lesern  russischer  Literatur 
einen  willkommenen  Führer  abgeben  könnte. 

Gegenstand  dieser  Schlußbemerkungen  soll  es  also  sein,  auch  wie- 
der nur  in  großen  Zügen  einen  Überblick  über  die  ersten  deutschen 
Übersetzungen  Tolstojscher  Werke  zu  geben. 

Zweifellos  sind  die  ersten  Übersetzungen  in  den  deutschen  Tages- 
zeitungen der  Ostseeprovinzen  zu  suchen,  eine  Arbeit,  die  aber  selbst 
mit  Hilfe  der  größten  Wiener  Bibliotheken  nicht  unternommen  werden 
kann.  Man  verzichtet  auf  die  Kenntnis  dieser  Übersetzungen  um  so 
leichter,  als  sie  kaum  mehr  als  lokale  Bedeutung  gehabt  haben  dürften. 
Weitere  Verbreitung  dürften  allerdings  die  Übersetzungen  im  Feuilleton 
der  deutschen  St.-Petersburger  Zeitung  gefunden  haben.  Eduard  Griese- 
bach  hat  Feuilletons  dieser  Zeitung,  die  ihm  die  Kenntnis  einer  Novelle 
Gorkijs  oder  Andrejews  vermittelten,  in  seinem  »Weltliteraturkatalog 
eines  Bibliophilen«  in  derselben  Weise  gebucht,  wie  selbständige  Werke. 

In  dieser  Vermittlung  zwischen  Rußland  und  Deutschland  nehmen 
die  österreichischen  Hauptstädte  eine  hervorragende  Stelle  ein:  Prag  und 
Wien.  Von  den  70  er  Jahren  angefangen  bringen  Prager  Zeitungen  wie 
etwa  »Die  Politik«,  »Die  neue  Politik«  oder  die  »Correspondenz«  im 
Jahre  an  feuiUetonistischen  Berichten  über  russische  Feste,  Gebräuche 
und  Sitten  oder  Übersetzungen  aus  dem  Russischen  mehr  als  manche 
heutige  Tageszeitung.  In  der  Prager  »Politik«  begann  vor  allem  die 
erste  und  bis  heute  beste  Verdeutschung  von  Tolstojs  »Krieg  und  Frie- 
den« zu  erscheinen,  übersetzt  von  Ciaire  von  Glümer  (1.  Mai  1S73  bis 
29.  Januar  1876).  Im  Januar  1882  brachte  die  Wiener  »Neue  Freie 
Presse«,  die  ebenfalls  bis  heute  maßgebend  gebliebene  Übersetzung  von 
Tolstojs  »Kindheit«  (deutsch  von  Ernst  Röttger).  Die  1SS5  verfaßte 
und  später  in  die  »Werke  der  letzten  Jahre«  1SS7  Bd.  XII.  aufgenom- 
mene Erzählung  »Das  Lichtchen«  übersetzte  schon  ISS 6  N.  M.  Golant 
für  das  Wiener  Familienblatt  »An  der  schönen  blauen  Donau«  (1886, 
21.  Heft,  S.  G19ff.). 

In  dieser  Zeit  oder  vereinzelt  auch  schon  vorher  erschienen  Über- 
setzungen Tolstojscher  Werke  in  Buchform,  die  durch  keine  spätere 
Übersetzung  in  den  Schatten  gedrängt  worden  sind.  Der  viel  zu  wenig 
anerkannte  Wilhelm  Wolfsohn  hat  in  seiner  Russischen  Revue  II  (1S63) 
S.  28  —  50,  105 — 146  den  »Polikuschka«  als  »Paul.  Erzählung  von 
Leon  Tolstoj«  tibertragen.  Die  eifrige  Ciaire  von  Glümer  hat  in  dem 
Novellenschatz  des  Auslandes  (Bd.  XHI  S.  l  —  14S),  den  PaulHeyse  und 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      469 

Hermann  Kurtz  von  IS72  an  in  München  herausgaben,  Tolstojs  Erzäh- 
lung »Eheglück«  dem  deutschen  Leser  nahegebracht. 

Mitte  der  SO  er  Jahre  erscheinen  dann  die  ersten  großen  selbstän- 
digen Übersetzungen:  »Anna  Karenina«,  deutsch  von  Paul  Graff,  Berlin 
1S84  und  »Krieg  und  Frieden«,  deutsch  von  Dr.  Ernst  Strenge,  Berlin, 
Deubner  18S5 — 18S6,  1888  2,  später  tibergegangen  in  Reclams  Univer- 
salbibliothek. 

Tolstoj  hat  mit  beißendem  Spott  in  einem  Gespräche  mit  Oskar 
Blumenthal  gesagt:  »Was  eine  mangelhafte  Übersetzung  verschulden 
kann,  das  habe  ich  ja  leider  an  mir  selbst  erfahren.  Ich  kann  meinen 
Übersetzern  bezeugen,  daß  sie  Russisch  können,  aber  ich  befürchte,  daß 
sie  nicht  Deutsch  können. «  Tolstoj  hat  dabei  an  die  Übersetzungen  der 
»Kreutzersonate«  (18S9)  gedacht  und  ungerecht  geurteilt.  Nimmt  doch 
unter  den  Übersetzern  der  Kreutzersonate  Raphael  Löwenfeld  einen  her- 
vorragenden Platz  ein,  dessen  Übersetzung  als  eine  der  ersten  noch  1890 
erschienen  war. 

Mit  vollem  Rechte  hätte  aber  Tolstoj  die  ebengenannte  Übersetzung 
von  »Krieg  und  Frieden«  verurteilen  können.  Dr.  Ernst  Strenge  war 
der  ehemalige  Erzieher  der  Kinder  Tolstojs  und  so  erklärt  sich  vielleicht 
die  seltsame  Art  der  Kürzungen  in  dieser  Übersetzung.  Strenge  hat 
offenbar  Tolstoj  die  Einführung  in  Deutschland  durch  Weglassen  oder 
Ändern  der  gegen  die  Deutschen  gerichteten  Spitzen  ebenso  erleichtern 
wollen,  wie  kurz  vorher  (1882)  Wilhelm  Hen ekel,  der  bekannte  Über- 
setzer Dostojewskis,  bei  der  Übersetzung  des  »Raskolnikow«  sich  >nur 
wenige  Kürzungen,  im  Interesse  des  deutschen  Lesers«  erlaubt,  sowie 
bei  Stellen  antideutscher  Tendenz  »einiges  zu  Grelle  gemildert  und  man- 
ches ganz  fortgelassen«  hat.  Strenge  sagt  von  seinen  Änderungen  aller- 
dings nichts  und  überläßt  es  der  Wachsamkeit  des  Lesers,  ob  er  die 
Eingriffe  erkenne  oder  nicht. 

Einige  Beispiele  mögen  die  Arbeitsweise  Strenges  veranschaulichen, 
wobei  ich  Strenges  Übersetzung  nach  der  noch  heute  vielgelesenen  dritten 
Auflage  in  der  Universalbibliothek,  zwei  Bände,  Leipzig,  Philipp  Reclam 
jun.  0.  J.,  zitiere. 

Die  ganze  Berichterstattung  Weyrothers,  die  von  dem  zuhörenden 
Kriegsrat  für  höchst  überflüssig  und  langweilig  gefunden  wird  (I,  318), 
die  ganze  Verurteilung  PhuUs  und  damit  des  deutschen  Selbstvertrauens 
(II,  126,  603),  die  seitenlange  Erzählung  des  starkangeheiterten  franzö- 
sischen Kapitäns  über  die  Deutschen,   über   seine  Liebesabenteuer  in 


470  H.  Halm, 

Franki'eich  und  Polen  (II,  38S),  alles  das  fehlt  an  den  (in  Klammern)  an- 
gegebenen Stellen  bei  Strenge.  Vergeblich  wird  man  den  Wutausbruch 
Nataschas  gegen  dieDeutschen  (11,  355)  suchen,  als  der  von  Deutschen  ab- 
stammende Oberst  Berg  aus  dem  verlorenen  Moskau  statt  der  Verwundeten 
seine  Möbel  wegführen  will.  Berg  hat  nicht  »noch  immer  dieselbe  ruhige, 
angenehme  Stelle  als  Adjutant  eines  Stabschefs«,  sondern  einfach  »dient 
noch  immer  als  Stabschefsgehilfe«  (II,  353).  Auch  davon  ist  bei  Strenge 
keine  Rede  (I,  oSl),  daß  Berg  »sein  Leben  nicht  nach  Jahren,  sondern 
nach  allerhöchsten  Belohnungen  zähle  und  berechne«.  Bergs  Verhalten 
in  der  Schlacht  bei  Austerlitz  erhält  eine  völlig  andere  Beleuchtung  da- 
durch, daß  Strenge  Bergs  dünkelhaftes  Selbstbewußtsein  in  der  Schlacht 
verschweigt  (I,  347).  Strenge  unterdrückt  (II,  269)  Tolstojs  Bemer- 
kung über  General  Bennigsen,  der  die  Trappen  »nach  seinem  persön- 
lichen Gutdünken  vorschob,  ohne  dem  Oberbefehlshaber  etwas  davon  zu 
sagen«.  Die  Aufmerksamkeit  des  Lesers  wird  davon  abgelenkt,  daß  nur 
die  Willkür  Bennigsens  an  dem  Untergang  dieser  Truppen  schuld  war. 
Beschönigend  fügt  Strenge  ein  Wörtchen  dem  Originale  ein:  »Alle  war- 
teten auf  Bennigsen,  der  unter  dem  Verwände  einer  erneuten  Besich- 
tigung unserer  Positionen  bei  seinem  trefflichen  Mittagsmahle  saß«,  heißt 
bei  Strenge  (II,  331):  »Alle  warteten  noch  auf  Bennigsen,  der  unter  dem 
Vorwand,  eine  neue  Position  inspizieren  zu  müssen,  wohl  erst  noch  ein 
leckeres  Mahl  beendete.« 

Getreu  seinem  Prinzipe,  die  abfällige  Schilderung  der  Deutschen  zu 
unterdrücken,  hätte  er  auch  diese  wenig  schmeichelhafte  Charakteristik 
Bennigsens  streichen  müssen.  Daß  es  Strenge  an  Konsequenz  fehlt, 
zeigt  auch,  daß  es  ihm  einmal  geglückt  ist,  die  Bezeichnung  der  Deut- 
schen als  »Wurstfresser«  zu  verschlucken  (1, 194),  während  sie  ihm  drei- 
mal doch  entschlüpft  ist  (I,  143,  328,  11,  606).  Strenges  Übersetzung 
ist  oberflächlich  und  stilistisch  anfechtbar. 

Trotz  der  vielen  Schwächen  kann  man  aus  dieser  Übersetzung  doch 
hie  und  da  etwas  lernen.  W^elcher  Deutsche  weiß  z.  B.  heute  nicht,  daß 
»Samowar«  die  russische  Teemaschine  bezeichnet?  Niemand  würde 
wohl  mehr  heute  »Samowar«  glossieren.  Strenge  tut  es.  Samowar  war 
1885  also  noch  kein  allzu  bekanntes  Wort').  Leider  ist  die  Glosse  selbst 


1)  Zu  dem  Worte  »Samowar«  hat  1S4G  Philipp  Löbenstein  in  seiner  Über- 
setzung von  Gogols  »Toten  Seelen«  eine  damals  wohl  sehr  notwendige  und 
deshalb  sehr  ausführliche  Faßnote  geschrieben  (S.  2). 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.     471 

noch  in  der  Ausgabe  der  Universalbibliothek  Reclams  bis  heute  stehen 
geblieben^  trotzdem  sie  heute  überflüssig  geworden  ist.  Hin  und  wieder 
sind  trotzdem  solche  kommentierende  Bemerkungen  Strenges  heute  noch 
ganz  brauchbar,  wie  I,  410,  420. 

Strenges  Übersetzung  von  »Krieg  und  Frieden«  ist  bis  in  die  90er 
Jahre  des  XIX.  Jahrh.  die  meist  gelesene  gewesen ,  bis  Raphael  Löwen- 
felds Übersetzung  herauskam,  die  zum  größten  Teil  auf  jener  älteren 
Arbeit  Ciaire  von  Glümers  in  der  Prager  Zeitung  »Politik«  fußt.  »Die 
Kosaken«  fanden  in  G.Keuchel  einen  Übersetzer  (Berlin,  Deubner  1888, 
3.  Auflage);  »Die  Macht  der  Finsternis«,  1887  russisch  erschienen,  wurde 
1890,  von  A.  Scholz  verdeutscht,  in  Berlin  aufgeführt.  Die  Tage,  an  denen 
Original  und  Übersetzung  von  Werken  Tolstojs  erscheinen,  rücken  anein- 
ander. »Die  Kreutzersonate«  erscheint  1890,  von  Löwenfeld  aus  der 
Handschrift  übersetzt,  lange  vor  dem  russischen  Original. 

1891  unternahm  Löwenfeld  eine  Sammlung  von  bisher  verdeutsch- 
ten und  von  ihm  neu  übersetzten  Werken  Tolstojs.  Löwenfeld  hat  das  Ver- 
dienst, diese  erste  Sammlung  nicht  nur  unternommen,  sondern  sie  schließ- 
lich im  Laufe  von  mehr  als  10  Jahren  zu  einer  Gesamtausgabe  ausgebaut 
zu  haben! 

» Leo  N.  Tolstojs  Gesammelte  Werke.  Vom  Verfasser  genehmigte  Aus- 
gabe. Von  Raphael  Löwenfeld.  Berlin,  Rieh.  Wllhelmi  1891 — 93.  Drei 
Bände«:  Bd.I  (1891)  Lebensstufen:  Kindheit i),  Knabenalter,  Jünglings.- 
jahre.  —  Bd.  H  (1891)  Novellen  und  Kleine  Romane.  1.  Teil:  Der 
Morgen  des  Gutsherrn.  Aufzeichnungen  eines  Marqueurs.  Luzern. 
Albert2).  Zwei  Husaren.  Drei  Tode.  Die  Kosaken.  —  Bd.  HI  (1893) 
Novellen  und  kleine  Romane.  2.  Teil:  Kaukasische  Erzählungen  (Ein 
Überfall,  Der  Holzschlag,  Eine  Begegnung  im  Felde  mit  einem  Moskauer 
Bekannten),  Sewastopol,  Schneesturm.  Eheglück^).  Polikuschka'*).  Lein- 
wandmesser. 

Mit  Bd.  IV  (1901)  Novellen  und  kleine  Romane,  3.  Teil  wurde  im 
Verlage  Diederichs,  Leipzig  (heute  in  Jena)  die  Sammlung  fortgesetzt. 
Die  Neuauflage  (1901  ff.)  teilt  die  Lebensstufen  in  zwei  Bände  (Drittes 
Tausend  1910),  daran  schließen  sich  als  Band  3 — 7  Novellen  (davon  die 


1)  Übersetzt  von  E.  Röttger.  [Ausgezeichnete  Übersetzung.  Vgl.  Archiv 
Bd.  XV,  S.  105]. 

2)  Übersetzt  von  Aug.  Scholz. 

3)  Übersetzt  von  Ciaire  v.  Glümer. 
*)  Übersetzt  von  W.  Wolfsohn. 


472  H.  Halm, 

ersten  vier  Bände  1901 3,  der  fünfte  Novellenband  1906),  Band  8  Volks- 
erzählungen i)  (1907,  zweites  Tausend  1911),  Band  9  Dramatische  Dich- 
tungen (1905),  Band  10  Die  Kreutzersonate  (1904,  sechstes  bis  achtes 
Tausend  19 11),  Band  1 1  bis  14  Krieg  und  Frieden  (1901,  3.  neu  durchge- 
sehene Auflage  1911),  Band  15  bis  17  Anna  Karenina  2)  (1905,  zweites  bis 
drittesTausendl911),  Band  IS  bis  19  Auferstehung  3)  (1900).  Damit  ist  die 
Serie  der  dichterischen  Schriften  abgeschlossen.  Die  Ausgabe  ist  also 
ungefähr  chronologisch  angeordnet.  Eine  gleichzeitig  erschienene  zweite 
Serie  enthält  ebenfalls  chronologisch  die  Schriften  zur  Religion  (elf  Bde.) 
und  zur  Pädagogik  und  Kunst  (drei  Bände),  die  im  gleichen  Verlage  auch 
einzeln  erschienen  sind.  Mit  ihren  33  Bänden  repräsentiert  diese  Aus- 
gabe ein  großes  Unternehmen  eines  idealen  deutschen  Verlegers.  Alle 
guten  Übersetzungen  Tolstojscher  Werke,  die  Löwenfeld  kannte,  hat  er 
neu  durchgesehen,  bevor  er  sie  aufnahm.  Wie  weit  ins  Einzelne  die 
Übersetzungsarbeit  gediehen  ist,  möge  nur  das  eine  bezeugen,  daß  selbst 
das  Datum  in  »Krieg  und  Frieden«  aus  dem  Russischen  ins  Westeuro- 
päische übertragen  ist.  An  Stelle  des  12.  Novembers  bei  Tolstoj  setzt 
Löwenfeld  den  24.  November  (z.  B.  Bd.  XI,  S.  344).  Eugen  Diederichs 
hat  dieser  schönen  Ausgabe  noch  Löwenfelds  Gespräche  mit  Tolstoj 
s.  u.),  Löwenfelds  Tolstojbiographie  (s.  u.)  und  Eugen  Heinrich  Schmitts 
wertvolles  Buch  »Leo  Tolstoj  und  seine  Bedeutung  für  unsere  Kultur« 
(2.  Tausend,  Diederichs,  Jena  1910)  hinzugefügt. 

Neben  dieser  Ausgabe  seien  noch  zwei  umfänglichere  Publikationen 
Gesammelter  Schriften  Tolstoj s  in  deutscher  Sprache  erwähnt,  die  sich 
in  keiner  Hinsicht  mit  der  Diederichschen  Ausgabe  messen  können,  aber 
zeigen,  daß  Tolstoj  unter  den  Deutschen  eine  große  Gemeinde  hat,  die 
nicht  nur  von  dem  oder  jenem  einzelnen  Werk  Tolstojs  angezogen  wird. 

In  weithin  schreienden,  rot-schwarz-goldenen  Einbänden  traten: 
»Graf  Leo  Tolstoj,  Gesammelte  Schriften  aus  dem  russischen  Original 
übersetzt  von  Dr.  Hermann  Roskoschny«.  20  Bde.  in  4  Volumina  ge- 
bunden auf  den  Plan ,  ursprünglich  im  Verlage  Alfred  H.  Fried  u.  Cie., 
Berlin  u.  Leipzig,  vom  10.  Bande  an  bei  J.  Gnadenfeld  u.  Cie.,  ebendort 


1)  Löwenfeld  schöpft  selbst  aus  den  von  Tolstoj  für  seine  Schule  in  Ja- 
snaja-Poljana  bestimmten  Lesebüchern  zwei  Erzählungen,  deren  Überset- 
zung er  den  > Volkserzählungen*  anreiht.  Vgl.  auch  Löwenfeld,  Gespräche 
S.  125  ff.  »Lust  zur  Sache  ist  stärker  als  Zwang«. 

2)  Übersetzt  von  M.  Fronstein,  durchgesehen  von  Löwenfeld. 

3)  Übersetzt  von  Wladimir  Cznmikow. 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      473 

o.J.[1891ff.].  DerZusatz  »ungekürzte  Übersetzung«  auf  dem  Titelblatte  zu 
> Sewastopol«  läßt  den  Leser  nicht  schließen,  daß  die  anderen  Übersetz- 
ungen gekürzt  seien.  Und  doch  hat  der  Zusatz  diese  verborgene  Bedeutung. 
Das  Vorwort  zur  ganzen  Ausgabe  verspricht  zwar  »in  möglichst  getreuer 
Wiedergabe  der  deutschen  Lesewelt  Tolstojs  Werke  vorzuführen«  und 
den  deutschen  Text  von  etwaigen  Fremdwörtern  eifrig  zu  säubern.  Wer 
aber  solche  Angaben  nachprüft,  wird  finden,  daß  etwa  »Krieg  und  Frie- 
den« durch  ununterbrochenes  Streichen  bis  auf  die  Hälfte  seines  Um- 
fanges  herabgedrückt  wird.  Dadurch,  daß  Roskoschny  auf  den  ersten 
Druck  von  »Krieg  und  Frieden«  zurückgreift,  den  Tolstoj  längst  ver- 
worfen hatte,  bietet  ferner  sein  Text  die  Konversation  der  höheren  rus- 
sischen Gesellschaft  in  französischer  Sprache,  die  sich  oft  seitenlang 
hinzieht  und  den  deutschen  Leser  ebenso  stört ,  wie  sie  in  jenem  ersten 
Druck  den  russischen  gestört  hat. 

Als  »Ausgewählte  Werke«  bezeichnen  sich  die  acht  Bändchen,  die 
Hanny  Brentano  für  den  Verlag  J.  Habbel,  Regensburg  o.  J.  [I912j 
ins  Deutsche  übertragen  hat.  Die  ersten  zwei  Bändchen  enthalten  die 
Kindheit,  Knabenalter  und  Jünglingsjahre,  die  übrigen  sechs  eine  Aus- 
wahl aus  den  Novellen  und  Erzählungen.  Von  den  im  Vorwort  ver- 
sprochenen, aus  den  großen  Romanen  ausgewählten  Kapiteln  findet  man 
in  dieser  vorläufig  abgeschlossenen  Ausgabe  nichts.  Hanny  Brentano 
hat  nicht  nur  eine  Auswahl  aus  den  Werken  Tolstojs  getroffen ,  sondern 
auch  innerhalb  eines  Werkes  wie  z.  B.  des  Knabenalters  und  der  Jiing- 
lingsjahre  die  Schere  walten  lassen,  ohne  darüber  Rechenschaft  zu  geben. 
Sie  merzt  philosophierende  Kapitel  aus,  aber  auch  solche  wie  :  Das 
Mädchenzimmer«,  »Die  Liebe«^  »Unser  Verhältnis  zu  den  Mädchen«, 
»Herzensangelegenheiten«  usw.  Sollte  die  Übersetzerin  durch  das  Unter- 
drücken der  zitierten  Kapitel  bekunden  wollen,  daß  sie  diese  Erzählungen 
für  »unpassend«  findet,  so  spricht  sie  sich  ihr  eigenes  Urteil. 

Ein  Jahr  nach  dem  Tode  Tolstojs  erschien  eine  dreibändige  Über- 
setzung der  »Nachgelassenen  Werke«,  Einzig  autorisierte  Über- 
setzung [von  August  Scholz  und  Alexander  Stein].  Berlin  J.  Ladysch- 
nikow.  0.  J.    [1911]. 

Von  den  hier  veröffentlichten  Werken  haben  bisher  in  Deutschland 
die  weiteste  Verbreitung  gefunden :  die  Dramen  »Der  lebende  Leichnam«, 
»Und  das  Licht  scheint  in  der  Finsternis«  und  der  Roman  »Chadschi 
Murat«. 

Eine  Auswahl  aus  dem  Nachlasse  Tolstojs  brachte  ein  Jahr  nach 


474  H.  Halm, 

Ladyschnikow  Diederichs:  »L.  N.  Tolstoj,  Nachlaß,  zwei  Bände.  [Mit  je 
einem  Bildnisse  Tolstojs.]  Übertragen  von  Ludwig  und  Dora  Berndl. 
Jena  1912«,  die  in  manchen  Punkten  den  Vorrang  verdient.  Die  rasche 
und  weite  Verbreitung  der  beiden  genannten  Dramen  des  »Nachlasses«, 
sowie  ihre  freundliche  Aufnahme  in  Deutschland  bezeugen  die  Auffüh- 
rungen der  Dramen  vor  allem  in  Berlin  und  Wien  und  ihre  Veröffent- 
lichung gesondert  vom  übrigen  Nachlaß:  »Der  lebende  Leichnam  bei 
Ladyschnikow  (1911),  bei  Phil.  Reclam  jun.  (1912)  und  bei  Schulze  & 
Co.  in  Leipzig  (1911),  »Und  das  Licht  scheinet  in  der  Finsternis«  bei 
Diederichs  (1912)  und  Ladyschnikow  (1913).  »Chadschi  Murat«  erfuhr 
eine  Sonderausgabe  im  Verlage  S.  Fischer,  Berlin  (1912). 

Das  letzte  Werk  Tolstojs,  mit  dem  er  sich  noch  wenige  Tage  vor 
seinem  Tode  beschäftigte,  »Der  Lebensweg,  ein  Buch  für  Wahrheits- 
sucher«, ist  nunmehr  auch  ins  Deutsche  tibertragen  (von  Dr.  Adolf  Hess. 
Schulze  u.  Co.,  Leipzig  1912). 

Dem  deutschen  Leser,  der  des  Russischen  nicht  kundig  ist^  stehen 
noch  andere  Wege  zu  Tolstoj  offen.  Neben  den  zu  Lebzeiten  Tolstojs 
und  nach  seinem  Tode  erschienenen  dichterischen  Werken  und  den 
Schriften  zur  Religion,  Pädagogik  und  Kunst  liegen  vor:  umfängliche 
Briefsammlungen,  drei  Bücher  Gespräche  mit  und  über  Tolstoj  und,  in 
verschiedenen  Zeitschriften  zerstreut,  einst  noch  zu  sammelnde  Gespräche 
Tolstojs  mit  Einzelnen.  Von  dem  großen  Lebenswerk  Tolstojs  fehlen  in 
deutscher  Sprache  nur  noch  die  Tagebücher,  die  Eugen  Diederichs  zu 
bringen  versprochen  hat. 

»Leo Tolstoj,  Briefe  (184S — 19 10), Gesammelt  und  herausgegeben 
von  P.  A.  Sergejenko.  Autorisierte  vollständige  Ausgabe  [mit  fünf  Bild- 
nissen Tolstojs]  J.  Ladyschnikow,  Berlin  1911«  sind  außerordentlich  wich- 
tig für  die  Kenntnis  Tolstojs.  Die  Übersetzung,  besorgt  u.  a.  von  A. 
Hess,  hat  besondere  Bedeutung,  weil  sie  fast  doppelt  so  viele  Briefe  ab- 
druckt, als  die  russische  Ausgabe.  Leider  haben  sich  die  Übersetzer 
nicht  die  Mühe  genommen,  ein  Personen-  und  Sachregister  auszuarbeiten, 
das  den  Wert  des  umfänglichen  Bandes  sehr  gesteigert  hätte. 

Eine  eigene  Sammlung  bildet  »L.  N.  Tolstojs  Briefwechsel  mit  der 
Gräfin  A.  A.  Tolstoj,  1857— 1903«,  die  als  L  Band  einer  Tolstoj-Biblio- 
thek  von  Ludwig  Berndl  herausgegeben  wurde  (bei  G.  Müller,  München 
1913).  Die  russischen  Briefe  wurden  von  Ludwig  und  Dora  Berndl 
übersetzt,  die  französischen  von  Luise  Wolf.  Die  »Erinnerungen«  der 
Gräfin  bilden,  wie  in  der  Ausgabe  der  Petersburger  Tolstoj-Gesellschaft, 


Wechselbeziehungen  zwischen  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Literatur.      475 

die  Einleitung  in  den  Briefwechsel.  Fünf  Briefe  Tolstojs,  die  in  der 
russischen  Ausgabe  für  undatierbar  galten,  wurden  in  den  chronologischen 
Zusammenhang  eingeordnet,  die  von  der  russischen  Zensur  unterdrückten 
Stellen  in  die  Übersetzung  aufgenommen.  Die  Übersetzung  ist  treu, 
wenn  auch  nicht  so  glatt,  wie  jene  der  soeben  genannten  Briefsammlung 
von  Sergejenko.  Je  ein  Bildnis  der  Gräfin  und  L.  N.  Tolstojs,  letzteres 
aus  dem  Jahre  1855,  schmücken  den  Band. 

Die  »Gespräche  mit  Tolstoj,  mitgeteilt  von  J.  Teneromo,  Berlin, 
E.  Reiß  1911c  wurden  1S85 — 190S  in  Jasnaja  Poljana  aufgezeichnet. 
Sie  enthalten  rührende  Erzählungen  aus  dem  Leben  Tolstojs,  die  Ent- 
stehungsgeschichte der  »Macht  der  Finsternis«,  Tolstojs  Urteil  über  den 
Wert  seiner  Dramen  »Der  erste  Branntweinbrenner«  und  »Die  Früchte 
der  Bildung«,  aber  auch  Gespräche  über  Tolstojs  Stellung  zur  Religion, 
den  Juden  u.  a. 

Raphael  Löwenfeld  hat  in  seinen  »Gesprächen  über  und  mit  Tolstoj. 
Dritte  vermehrte  Auflage.  Mit  Porträt  der  Gräfin.  Leipzig,  Diederichs 
1901<  seine  zwei  Fahrten  nach  Jasnaja  geschildert.  Er  hat  dort  die 
Tagebücher  Tolstojs,  wie  später  Birjukow,  benutzen  können  und  in  Ge- 
sprächen mit  Tolstoj ,  seiner  Familie  und  Freunden  wertvolles  Material 
gesammelt  für  seine  Tolstoj biographie. 

Die  Gespräche  Gussews  mit  Tolstoj,  gesammelt  in  den  letzten  zwei 
Lebensjahren  Tolstojs  und  die  Aufzeichnungen  Spiros  aus  derselben  Zeit 
erscheinen  soeben:  »Gespräche  mit  Graf  Leo  Tolstoj  in  den  letzten 
Jahren  seines  Lebens  und  Erinnerungen  an  ihn.  Von  N.  Gussew  und 
L.  Spiro.  Ausgewählt  und  in  deutscher  Übertragung  herausgegeben  von 
Heinrich  Stümcke.«  [Mit  einem  Bildnis  Tolstojs.]  Leipzig,  Philipp 
Reclam  jun.  o.  J.  [1913].  —  Universal-Bibliothek  Bd.  5573. 

Von  interessanten  Einzelgesprächen  Tolstojs  seien  erwähnt:  Ein 
Gespräch  mit  Oskar  Blumenthal  (Neue  Freie  Presse  11.  Januar  1911), 
Prinz  Paul  Trubetzkoj  (ebd.  1.  August  1907),  Josef  Lewinski  (Deutsche 
Revue  hg.  v.  Richard  Fleischer  1896,  21.  Jahrg.,  Oktoberheft  S.  17  bis 
30  »Tolstoj  und  das  russische  Theater«;  ebd.  1899,  24.  Jahrg.,  Januar- 
heft S.  34  —  44  »Das  russische  Theater  und  Tolstoj«).  —  G.  P.  Dani- 
lewskis  »Meine  Fahrt  nach  Jasnaja  Poljana«  (Nord  u.  Süd  1887,  Bd.  42, 
S.  194 — 210)  ist  eine  Übersetzung  aus  dem  Russischen. 

Einige  wenige  Daten  aus  Tolstojs  Tagebüchern  sind  übersetzt 
worden  in  dem  Aufsatz  von  E.  H.  Schmitt,  »Leo  Tolstoj,  Gedanken  über 
Gott«  und  »Aus  dem  Tagebuch  Tolstojs«.    Vom  Verfasser  ausschließ- 


476    H.  Halm,  Wechselbeziehungen  zwisch.  Tolstoj  u.  d.  deutsch.  Lit. 

lieh  autorisierte  Ausgabe.    (Übersetzt  von  E.  H.  Schmitt  mit  Albert  Skar- 
van).    Nord  und  Süd  hg.  v.  P.  Lindau,  87.  Bd.  1898,  S.  198—217. 

Das  in  deutscher  Sprache  geschriebene  und  am  meisten  gelesene 
Buch  überTolstoj  ist  Raphael Löwenfelds:  » Leo N. Tolstoj,  sein  Leben, 
seine  Werke,  seine  Weltanschauung,  1.  Teil,  Berlin,  Rieh.  Wilhelmi  1892«, 
ein  Quellenwerk,  das  leider  im  ersten  Bande  stecken  geblieben  ist. 

Rein  oder  vorwiegend  biographische  Interessen  verfolgen:  Graf  Leo 
Tolstoj,  »Intimes  aus  seinem  Leben«:  von  Anna  Seuron.  Herausgegeben 
und  mit  einer  Einleitung  versehen  von  Eugen  Zabel,  Berlin  1894  und  P. 
Sergej enko  »Wie  Tolstoj  lebt  und  arbeitet« ,  deutsch  von  Heinrich 
Stümcke,  Leipzig,  Georg  Wiegand  1900. 

Eugen  Zabel  hat  neun  Jahre  nach  Löwenfelds  Arbeit  Tolstoj  eine 
schöne  und  unsere  Kenntnisse  zusammenfassende  Monographie  gewidmet, 
L.  N.  Tolstoj,  (Dichter  und  Darsteller.  Hsg.  v.  Dr.  Rud.  Lothar,  Bd.  VI), 
Leipzig,  Berlin  und  Wien  1901,  deren  reiches  Bildermaterial  nicht  ver- 
gessen werden  darf. 

Ungefähr  gleichzeitig  erschien  auch  Bernekers  viel  zu  wenig  be- 
kanntes Büchlein  Graf  Leo  Tolstoj  (mit  einem  Bildnis  >.  Biographische 
Volksbücher  Bd.  108  —  111.  Leipzig,  R.  Voigtländer  1901.  115  S. 
Eine  kurze,  aber  nicht  flüchtige,  lebendige  Darstellung. 

Eine  gut  lesbare  Übersetzung  von  D.  S.  Mereschkowskis  »Tolstoj 
und  Dostojewski  als  Menschen  und  Künstler,  eine  kritische  Würdigung 
ihres  Lebens  und  Schaffens«  hat  Carl  von  Gütschow  geliefert  (Leipjjig, 
Schulze  u.  Co.  1903). 

Das  umfangreichste,  aus  persönlichen  langjährigen  Beziehungen  zu 
Tolstoj  schöpfende  Werk  ist:  »LeoN. Tolstoi,  Biographie  und  Memoiren. 
Autobiographische  Memoiren.  Briefe  und  biograph.  Material.  Hsg.  von 
Paul  Birukof  und  durchgesehen  von  Leo  Tolstoi.  2  Bde.  Mit  28  [+  10] 
Illustrationen.  Wien  und  Leipzig.  I:  1906,  II:  1909.«  —  Die  kost- 
barste Bereicherung  unseres  Wissens  stellen  die  hier  zuerst  veröffent- 
lichten Erinnerungen  Tolstoj s  an  seine  Kindheit  und  seine  Familie  dar. 

Wie  der  Abschnitt  über  Tolstojs  Einfluß  auf  deutsche  Dichter,  so 
zeigt  auch  die  hiermit  abgeschlossene  Aufzählung  und  Wertung  der  in 
deutscher  Sprache  erschienenen  Schriften  von  und  über  Tolstoj  einerseits, 
wie  stark  sich  die  Deutschen  mit  Tolstoj  beschäftigten  und  noch  beschäf- 
tigen, beweist  aber  auch  anderseits,  wie  neben  den  russischen  Schriften 
von  und  über  Tolstoj  die  oft  wertvolleren  deutschen  Übersetzungen  oder 
Monographien  die  Bedeutung  von  Quellen  haben. 

Lang-Enzersdorf  b.  Wien.  Dr.  H.Halm. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.     477 

Die  Särospataker  altpolnische  Bibelhandsclirift 

(sogenannte  »Sofienbibel«)  und  die  Lemberger  Ausgabe 

vom  Jahre  1871. 

(Fortsetzung!).) 


II.  Teil.    Dritter  Schreiber:  S.  41 — 7S  der  Ausgabe. 

S.  41a  8  Dr.  Nalyasll  y  am,  so  auch  Babiaczyk,  vgl.  Lex.  s.  v. 
nalesc.  Die  Handschrift  schreibt  hier,  wie  zu  erwarten ,  zusammen :  na- 
lyaslly;  sm.  a  10  rrjk^^y,  am  Zeilenende,  ohne  den  Zeilenraum  auszufüllen. 
Vielleicht  war  hier  eine  Verzierung  angebracht,  kleine  Einschnitte  (nicht 
Fehler  im  Papier!)  könnten  auf  eine,  die  Zeile  ausfüllende  Verzierung 
hindeuten.  Ebenso  ist  mit  dem  »ma«  von  a  10  die  folgende  Zeile  noch 
nicht  ausgefüllt,  b  8  Dr.  urrjdzrj,  Hs.  vrodzrj,  also  o,  nicht  jj.  —  S.  42a  3G 
Dr.  dowyedzyecz,  Hs.  dowyedzecz.  b  2  Dr.  pod  myeczyem,  Hs.  ditto- 
graphisch:  podmye;  yeczyem,  doch  ist  der  Fehler  bemerkt  und  vom 
Schreiber  noch  selbst  getilgt  worden,  wenn  auch  das  dittographische,  die 
neue  Zeile  beginnende  »ye«  noch  deutlich  erkennbar  geblieben  ist.  b  19 
Dr.  u.  Hs.  dusz^  maa.  b  31  Dr.  stjipylesz,  Hs.  stopylesz.  —  S.  43  a  6 
Dr.  u.  Hs.  oslycza,  am  Zeilenende.  Die  nächste  Zeile  der  Hs.  endet: 
a5!odzenye  (vgl.  a  7).  a  14  Hs.  albo  '^zpolegay^icz.  a  24  Dr.  Sbawyenya 
twego,  Hs.  sbawyenya  |  h^ä  twego.  a  35  Dr.  l(>czisku,  Hs.  loczisku. 
b  5  Dr.  b^dzecz,  Hs.  bodzecz.  b  21  Dr.  gym  kaszdemu,  in  der  Hs.  vor 
»kaszdemu«  ein  »p«,  wohl  Schreibfehler  durch  Einwirkung  des  gleich 
folgenden:  poszegnanym.  —  S.  44a  13  Dr.  u.  Hs.  ffaraowyma,  b  5  Dr. 
y^jszto,  Hs.  yoszto.  b  30  Dr.  bacz;  in  der  Hs.  ist  hier  deutlich  ein  durch- 
strichenes  a,  also:  bacz,  während  b  35  (Dr.  u.)  Hs.  das  übliche  »a«  ge- 
schrieben ist. — S .  45  a.  Das  Blatt  2  5  der  Hs. ,  das  erste,  welches  den  Exodus- 
text gibt,  hat,  gegen  dieRegel,  die  Überschrift:  »Exodus«  nicht.  a22  Dr.u. 
Hs.ygym.  —  S.46alDr.  lampan.  Hs.Iapan.  a26Hs.syno=om,  der  Zeilen 
Schluß  fällt  also  zwischen  die  beiden  »o«.  a  34  Dr.  Israhelsczy  nye.  Vor 
»nye«  sindzwei  radierte  Buchstaben  »eg«  zu  erkennen,  auch  das  »czy«  von 
»Israhelsczy«  steht  auf  Rasur.  —  S.  47a  1  Hs.  Aopyricz  aEleazar.  Im 
Dr.  fehlt  »a«.    all  Dr.  u.  Hs.  kuFfaonowy.    a  15.    In  der  Hs.  schließt 


1)  Vgl.  Archiv  XXXV,  S.  179. 


478  E.  Hanisch, 

mit  »Egipskyey«  das  Kapitel,  zugleich  ist  auch  hier  die  linke  Spalte  zu 
Ende.  Die  rechte  Spalte  beginnt  dann  mit  der  neuen  Kapitelzahl  (in  Rot) : 
VII.  Mit  >Imowyl«  fängt  der  Text  des  Kapitels  an:  das  »I«  ist,  als 
erster  Buchstabe  des  Kapitels,  rot  geschrieben.  Mithin  ist  im  Dr.  a  22 
die  Kapitelzahl  an  falscher  Stelle,  vielmehr  geht  ohne  Absatz  der  Text 
in  der  Hs.  weiter,  die  betreffende  Zeile  der  Hs.  lautet  also : 

ffaraon  Irzecze  pan  kuMo;  [  yszeszowy. 
a  20  Dr.  u.  Hs.  nyebrzezanich.  a  30  Dr.  u.  Hs.  zatwyrdz^^.  b  1  grosz- 
naa|,  also  am  Zeilenende,  b  2/3  Dr.  u.  Hs.  wsczy^gnolesm,  b  7  Hs. 
WgSzmy,  Korrektur  unter  der  Zeile!  b  8/9  Dr.  u.  Hs.  wszedmydzeszy^^d. 
b  20  Dr.  u.  Hs.  aAron.  b  12  Dr.  Gdisz,  Hs.  Ggdisz.  b  23  Dr.  u.  Hs. 
Mfitrczow.  b  29  Hs.  zatwyrdzy,  Dr.  zatwyerdzy.  b  32  Dr.  n.  Hs,  Ob- 
czyoszylo.  —  S.  48a  6/7  Wteem;  in  Hs.  Zeilenschluß  gerade  zwischen 
den  beiden  »e«,  also:  te=jem,  ebenso  a  12  py=ly^cz  und  a  14  prosj^it  (Dr. 
^Y^^t).  a  22/23  Dr.  u.  Hs.  apodzwygnow.  b  1  Dr.  u.  Hs.  mogl.  b  10 
Dr.  u.  Hs.  zszyeby.  b  11  Dr.  do  domu,  Hs.  dodonu.  b  13  Dr.  posz- 
czyelfjfj,  Hs.  poszczyely^^.  b  2.^  Dr.  czarnokszyrisznj/czy,  Hs.  czarnok- 
szyosznyczy.  b  32  Dr.  rzecze,  Hs.  rzeczye.  —  S.  49a  4  Dr.  uczyny^, 
Hs.  uczy^ny^^.  a  7  Dr.  u.  Hs.  atelko.  a  8/9  Dr.  od  Ffaraono*,  Hs. 
deutlich:  Ffaraona.  a  21  Dr.  Wzczy^jgny,  Hs.  Wzczyogny.  a  31  Dr. 
czarnokszyrisnyczy,  Hs.  czarnokszyosnyczy  (vgl.  48b  25).  b  2  Dr.  stoysze, 
aber  hier  gerade  trennt  die  Hs.  stoy  sze.  b  12/13  Dr.  u.  Hs.  awewszey. 
b  21  Hs.  wdosjom,  vgl.  48a  6  usw.  b  31  trennt  die  Hs.  Azalybich  mi, 
vgl.  meine  »Zusammenschreibung«  S.  20,  Vulg.  Exod.  VIU  28:  macta- 
verimus.  —  S.  50a  11  Dr.  od  Ffaraona,  Hs.  odpana  Ffaraona.  a  16  Dr. 
u.  Hs.  Ffaraonowo  (vgl.  b  5,  aber  b  22).  a  19  Dr.  mowze,  Hs.  mowsze. 
a  20  Dr.  zydowsky,  Hs.  szydowsky,  doch  ist  das  anlautende  »s«  stark 
verblaßt,  a  23  Dr.  u.  Hs.  vfjk^rj.  a  25  Dr.  ywyelbljidy,  Hs.  ywyel- 
blody.  b  2  Dr.  zagynrjlo,  Hs.  zagynolo.  b  12  Dr.  u.  Hs.  n^ä^te.  b  28 
Dr.  my,  Hs.  miy  —  S.  51a  9  Dr.  u.  Hs.  swj^r^.  a  29  Hs.  trennt  yoge=| 
yn.  a  36  Dr.  asz  do  bitczy^czya.  Hs.  asz  dobitczy^jczya.  Babiaczyk 
s.  V.  erkennt  die  Haplographie,  aber  ist  ganz  abhängig  von  der  Schrei- 
bung der  Ausgabe,  b  14  In  der  Hs.  Zeilentrennung  bei:  wydza=|al. 
b  17  Dr.  u.  Hs.  ay^czmyeyn.  b  19  Dr.  p^kowye,  Hs.  pokowye.  b  22 
Dr.  u.  Hs.  wiszedlw.  b  23  Dr.  u.  Hs.  yzmyasta.  Ich  denke  hier,  gegen- 
über der  herkömmlichen  Ansicht,  daß  die  Präposition  »iz«  vorliege  (so 
zuletzt  Babiaczyk  s.  v.  »iz«),  eher  an  eine  Textvariante  »et  ex  urbe« 
=  iz  miasta.    b  23/24  Dr.  rrjcze,  Hs.  rocze.  —  S.  52a  1  Dr.  u.  Hs. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      479 

moy.  a  3  Dr.  u.  Hs.  dzy we.  a  5  Dr.  u.  Hs.  Ti;  |  di.  a  6  Dr.  u.  Hs. 
kuffaonowy.  a  S  Dr.  u.  Hs.  Ydokoodsze.  a  14  Dr.  u.  Hs.  przykyy^. 
a  23  Dr.  na  szemy^.  In  der  Hs.  ist  hier  eine  Korrektur.  Ursprünglich 
standen  zwei  »^«  amEnde,  die  anscheinend  in  eins  verbessertwurden,  doch 
ist  die  Korrektur  nicht  deutlich,  vgl.  daher  b  11/12  »naszemy^JEgipsk^^«, 
ebenso  b  13.  16  auch  21.  b  3/4  Dr.  u.  Hs.  Genze  albo  kto.  »Glossa 
wsröd  textu«  bemerkt  Malecki  mit  Eecht  hierzu.  Dazu  vgl.  104  b  13: 
ale  robota  wasze,  das  durch  »dzatiky«  glossiert  ist  (s.  meine  Abhandlung 
»Zur  Gesch.  der  Särosp.  altpoln.  Bibelhs.«  S.  13  u.  Archiv  XXXV,  S.  192). 
b  8  Dr.  u.  Hs.  Anatemyast.  b  9  Dr.  u.  Hs.  wyrzuczenye  odoblycz^^ 
(vgl.  Nehring,  Archiv  VI  182).  b  33  Dr.  u.  Hs.  szpyesznoszcz.  —  S.  53  a  8 
trennt  die  Hs.  zay  ste  (vgl.  meine  »Zusammenschreibung<f  S.  20).  a  9/10 
Dr.  u.  Hs.  Yzatwydzyl.  a  1 0  Dr.  szercze  Ffaraonovvo ,  Hs.  szercze  gich 
ffaraonowo.  a  13  Dr.  b^dji^,  Hs.  bod^^.  a  19  Dr.  u.  Hs.  z^dny.  a  27 
Dr.  a  debidczy^tha,  Hs.  deutlich:  adobidczy^tha.  a  34  Dr.  nawy^czey, 
Hs.  nawyoczey.  a  37  Dr.  hat  hier  richtig:  zadwyrdzyl.  Ich  bemerke  das, 
weil  in  der  Ausgabe  diese  Verschreibung  nicht,  wie  sonst  in  solchen 
Fällen  gewöhnlich,  durch  einen  Stern  hervorgehoben  ist  und  daher  leicht 
auf  einen  Druckfehler  geschlossen  werden  könnte,  b  2  Dr.  ich,  Hs.  gich. 
b  4  Dr.  8zy(i  u.wy^czey,  Hs.  szyo  u.  wyoczey.  b5  Dr.  w  ktorykoly,  Hs. 
wkorykoly.  b  6  Dr.  ukaszesz.  Takocz  brjdze,  Hs.  ukaszes  vmrzesz  Ot- 
powyedzal  Moyzesz  Takocz  bodze;  b  S  Dr.  u.  Hs.  Moyszewy.  b  13  Dr. 
odprzyyaczyela ,  Hs.  odprzyyaczyelya.  b  25  trennt  Hs.  dopyrzwo  rodzo- 
nego  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  19  f.),  während  b  27  es  in  Hs.u.  Dr. 
heißt :  pyrworodzone.  b30Dr.b^dze,H3. bodze.  b32Dr.u.Hs.  aszdodobit- 
czr^;  I  czy^.  b  35  Dr.  wstrjpy^j,  Hs.  wstopyf:^.  —  S.  Sla  5  Dr.  kuMoyszeszowy, 
in  Hs.  ohne  Korrektur:  ku  flfaraonowy  Moyszeszowy.  a  6/7  Dr.Ffarao  abi 
wyelye  dzy  wo  w.  Hs.  ffarao  do  abi  wye;  |  lye  wyelye  dzywow,  also  » wyelye« 
dittographisch,  das  »do«  vor  »abi«  ist  durchgestrichen,  soll  mithin  nicht 
gelten.  Es  heißt  dann  a  7/8  weiter  Dr. :  w  szemy  stalo  szie  Egipskyey. 
Dazu  ist  zu  bemerken,  daß  »stalo  szie«  am  Zeilenende  (Egi;|pskyey) 
darübergeschrieben  ist.  Möglich  ist  es,  daß  diese  Korrektur  von  anderer, 
späterer  Hand  herrührt,  eine  Annahme,  die  mir  auch  durch  die  Schreibung 
*szie«  nur  noch  wahrscheinlicher  gemacht  wird,  a  17  Dr.  u.  Hs.  »myesj 
szyj^cz^iJw«  und  »bodze«,  in  a  18  (Dr.  u.  Hs.):  wmyeszj^; | cz^ch  steht  das 
»cz^ch«  gerade  unter  dem  »szy^cz^w«  (a  17).  a  27  Dr.  u.  Hs.  polye.  a  34 
Dr.  u.  Hs.  ibodzeczye.  b  1  Dr.  k  wyeczoryu,  Hs.  kwyeczyoru.  b  2  Dr.  y 
pomazeczye,  Hs.  ypomaszeczye,  doch  ist  das  »s«,  wenn  auch  deutlich 


480  E.  Hanisch, 

erkennbar,  stark  verblaßt,  b  5  Dr.  Ab(yd^(>,  Hs.  Abodz^czye.  Das  »czye« 
ist  verlöscht,  der  Raum  aber  freigelassen,  in  »z^«  scheint  das  »z«  in  ein 
ursprüngliches  »j^«  hineinkorrigiert  zu  sein,  wenigstens  kann  man  noch 
recht  gut  oben  und  unten  am  »z«  die  Striche  erkennen  (z),  weshalb  Pieko- 
sinski  wohl  »r>^«  las,  dann  nicht  »b^«  sondern  »bo«,  zur  Verschreibung 
vgl.  b  4 :  b^dzyczye.  b  1 7  Dr.  b^dzyeczye,  Hs.  bodzyeczye.  b  3 1  Dr.  wpam- 
y^czy,Hs.  wpamyosjczy,  b  36  Dr.  Bo  ktokolj^bi,  Hs.  dittographisch:  bo  kto 
ktokoly=|bi.  —  S.  55  a  7  Dr.  w  ten  dzeyn  wsziczko,  Hs.  wten  wsziczko  dzeyn. 
a  1 2  Dr.  wj^eczor, Hs.  wyeczoor,  vgl. 61a26.  al6 Dr.  nye  brjdze,  Hs.  nye- 
bodze.  a22Dr. b^dzeczye,  Hs.bodzeczye.  a26/27Dr.  po  czeladzach,  Hs. 
poczeledzach,  vgl.  czech.  celed'.  Die  Vulg.  Ex.  XH  2 1 :  per  familias  vgl. 
dazu  Jirecek  Gas.  Cesk.  Mus.  1864,  S.  158:  »Celed'  znamenä  jako  v  cele 
bibli  to,  CO  latinske  familia«,  a2S  Dr.  Awrjzlek,  Hs.  awozlek.  a  36/37 
Dr.  a  nye  do,  Hs.  deutlich:  anyeda.  b  10/11  Dr.  a  domi  nasze  wiwolny^cz, 
Hs.  deutlich:  wiwoluyr>cz,  also  nicht  von  wywolnic  (mit  Babiaczyk,  Lexi- 
kon s.  V.  einziger  Beleg),  sondern  von  Avywolywac.  b  13  Dr.  Israhelsk}', 
Hs.  Izrahelsczy.  b  21  Dr.  pyrworodzone.  Hs.  pyrworodzonego;  es  ist 
»go«  deutlich,  aber  verblaßt,  b  31/32  Dr.  yakoszczye  proszyly,  Hs. 
dittographisch:  yakoszczye  ya;|koszczye  proszyly.  —  S.  56a  2  Dr.  u. 
Hs.  synowy.  a  6  Hs.  u.  Dr.  myloszcz  |  lyudu.  Vor  dem  Schluß  der  Zeile 
sind  in  der  Hs.  noch  zwei  verblichene  Buchstaben,  etwa:  sz.  a  17  ist  in 
der  Hs.  getrennt:  pod  popyelny  chleb  (vgl.  meine  »Zusammenschreibung« 
S.  19f.).  Das  »d«  von  »pod«  ist  aus  einem  »p«  korrigiert,  b  1  ist  in 
der  Hs.  hinter  »geszcz«  ein  »g«,  welches  durchgestrichen  ist:  der  Schreiber 
merkte  also  bald  selbst  die  Dittographie :  g[eszcze].  b  6/7  Dr.  a  uczy- 
nycz  godi.  Hs.  auczynycz  au  |  czynycz  godi.  b9  ist  das  ^^  von  »szwy^^- 
czycz«  eine  Korrektur;  vorher  stand  etwas  anderes  da,  was  nicht  mehr  zu 
erkennen  ist.  b  27  Dr.  w  ktoriszczye,  Hs.  wktoriszczy'',  also  »e«  darüber 
verbessert,  b  29  sind  hinter  »r^cze«  zwei  (nicht  mehr  lesbare)  Buch- 
staben. —  S.  57a  4  Dr.  dny  geszcz.  Hs.  dny  tego  geszcz.  a  12  Dr.  u. 
Hs.  wiszdl.  a  15  Dr.  szawszdy,  Hs.  deutlich  szawszgy.  a  18  Dr.  zak- 
kona.  Das  erste  »k«  ist  nicht  deutlich,  es  sieht  aus  wie  ein  »t«,  welches 
zu  »k«  korrigiert  wurde,  a  34  Dr.  w  r^cze,  Hs.  w;|rocze,  daselbst: 
wiwyodl,  auf  das  in  der  IIs.  zwei  durchstrichene,  nicht  deutliche  Buch- 
staben folgen,  b  3/4  Dr.  ofiyeruy^,  Hs.  offyeruyo.  b  5  Dr.  pyrworodzone, 
in  derHs.  ist  ein  >S«  dahinter  getilgt:  vgl.  dazu  S.  55b2l!  bl4  Dr.bilybi, 
Hs.  billybi.  b  17/18  Dr.  u.  Hs.  poddlya.  —  S.  58a  1  trennt  die  Hs.  abi 
szczye  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  20).   a  2  fällt  inmitten  von  »stroon< 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandsehr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      481 

das  Zeilenende :  stro;|on.  a  9  Dr.  y  brjdzedz,  Hs.  ybodzedz.  a  10  Hs.  u. 
Dr.  naffaraowi.  a2S  in  Hs.  getrennt:  przed  chodzr^czich.  b  12  Hs.  u.  Dr. 
kto.  b  38  Dr.  czasz  noczni,  IIs.  czasz  noczczi.  —  S.  59a  7  Hs.  suche- 
goo,  am  Zeilenende,    a  19  Dr.  w  gl^by^^  Hs.  wglobyrj.    a  21  Dr.  boyuge, 

Hs.  boily^ge.  a2S  Dr.  podiige.  Die  Hs.  hat  anscheinend  podkage,  darüber 
geschrieben  ist  »li«,  so  daß  man  podkalige  lesen  könnte.  Vgl.  die  Ausfüh- 
rungen Babiaczyks  in  der  »Einleitung«  zum  Lex.  S.  42f.  Doch  bemerke 
ich,  daß  »ka«  undeutlich  ist  (»ka*  oder  »Iv«).  b  1 5  nasbawyc,  am  Zeilenende, 
also  Abbreviatur,  anders  Babiaczyk  S.  32.  b  33  Dr.  sgromadzeiiy.  Hs. 
sgromadzony,  das  »o«  hat  dabei  unten  einen  Strich  wie  sonst  (i.  —  S.  60 
a  4  Dr.  Kto  rowyen,  Hs.  kto  w  rowyen.  Das  »w«  ist  aber  etwas  ver- 
blaßt, a  8  Dr.  rrjk^^  sw^,  Hs.  Yf!>kfi  sw^.  a  30  Dr.  brjdze,  Hs.  bodze. 
a35  Der  Gedankenstrich  hinter  »gego«  ist  durch  die  Hs.  nicht  begründet, 
b  18  Dr.  u.  Hs.  ktogdi.  b26  Dr.  ostrzegal,  Hs.  postrzegal,  doch  ist  das  »p« 
verblaßt  (doch  keine  Rasur!),  der  Raum  ist  freigelassen.  >poätregac« 
ist  sonst,  wie  ich  bemerken  will,  in  der  Bibel  nicht  belegt,  b  35  ist  im 
Dr.  der  Anfang  des  Kapitels  XVI,  in  der  Hs,  geht  es  in  der  gleichen  Zeile 
hinter  »podlya  wod«  weiter:  »yszly«,  ohne  jeden  Absatz.  In  der  Hs. 
beginnt  das  Kapitel  später  (6 1  a  4),  was  auch  Malecki  in  einer  Anmerkung 
hervorgehoben  hat.  —  S.  61a  4.  Da  also  hier,  hinter  »Egypskyey«,  das 
neue  Kap.  in  der  Hs.  beginnt,  mit  roter  Kapitelzahl  und  Absatz,  ist  auch 
das  »I«  als  erster  Buchstabe  des  Kapitels  rot.  a  9  Dr.  u.  Hs.  przs.  a  22 
Dr.  u.  Hs.  twoge.  a  25/26  Dr.  u.  Hs.  wyeczoor  (vgl.  dazu  S.  55a  12). 
a  33  Dr.  a  za  ytra*.  Hs.  ganz  deutlich:  azayutra.  a  34  Dr.  und  Hs.  zze. 
b  14  Dr.  uasyczeny  b^dzeczye  chlyebem.  Die  Hs.  hat  hier  dittographisch 
hinter  br>dze;jczye  noch  einmal:  nasyczeny.  b  15  zze  wie  a  34.  b  18  Dr. 
u.  Hs.  ani.  b  22  Dr.  u.  Hs.  drobn^.  —  S.  62a  3  Dr.  u.  Hs.  myar.  a  22 
Dr.  u.  Hs.  otpoczywany.  a  26  Dr.  do  yutra,  Hs.  doyuta.  a  31  Dr. 
gdzysz.  Hs.  deutlich  nur  »dzysz«.  b  3/1  Dr.  u.  Hs.  przykanya  am 
Zeilenende,  b  4/5  Dr.  Patrzczy,  Hs.:  patrz;  czye.  b  13  Dr.  a  chacz, 
mit  »a«  ist  hier  wieder  das  gestrichene  »ji«  der  Hs.  bezeichnet,  b  9 
Dr.  Y  szwyrjczyl,  Hs.  Yszy^iczyl.  b  14  Dr.  u.  Hs.  sedrdz^^,  ibidem  Dr. 
opy^icz,  Hs.  opyocz.  b  22  Dr.  sstfj^d,  wozu  Malecki  bemerkt:  »Miaio  byc: 
sad,  ss^d,  naczynie«.  Die  Hs.  hat:  ssrjrjd.  b  27  Dr.  u.  Hs.  ustawnye;  ich 
bemerke  das  wegen  Mateckis:  »Mialo  byc:  w  stanie,  w  namiocie«.  — 
S.  63a  6  Dr.  Moyszeszowy,  Hs.  Momoyszeszowy.  a  9  Dr.  u.  Hs.  prze- 
czych.  b  5  Dr.  wst^pyly,  Hs.  w;  stopyly,  b  9  Dr.  gest,  Hs.  gt|,  Zeilen- 
Archiv  für  slavische  Philologie.    XXXV.  31 


482  E.  Hanisch, 

ende.  Ibid.  Dr.  r^cze,  Hs.  rocze.  b  10  Dr.  czy^szkye,  Hs.  czyoszkye. 
Über  dem  neuen  Kapitel  steht  mit  schwarzer  Tinte,  also  viel  jünger:  capi- 
tülu  XVIII.  Außerdem,  wie  üblich,  die  Kapitelzahl  (vom  Schreiber  selbst) 
rot:  XVIU.  b  34  Dr.  u.  Hs.  znych.  b  3fj  Dr.  gestem.  In  derHs.  »ge«, 
dann  Rasur  eines  breiteren  Buchstabens,  der  Spur  nach  »y«,  dann  »stem«, 
also  ursprünglich  »geystem«  mit  getilgtem  »y«,  —  S.  64a2  Dr.  (rzekl),  die 
Klammern  fehlen  natürlich  in  der  Hs.  a  4  Dr.  u.  Hs.  Teda.  a  1 0  Dr.  u.  Hs. 
syny.  a25  Dr.  a  z  r^ku,  Hs.  azraku,  d.  h. hinter  »a«,vor  »k«  einStrich, 
als  ob  vielleicht  noch  etwas  eingefügt  werden  sollte  (n?).  Die  späterhin 
(im  V.  Teile)  sich  häufig  findenden  Striche  haben  andere  Bedeutung, 
a  33/34  Dr.  Israhelszkych ,  Hs.  Is;  |  rahelszczych  (das  »cz^  ähnelt,  wie 
oft,  sehr  dem  »tz«).  a  3(3  Dr.  u.  Hs.  gensze  ktory.  b  24  Dr.  Ktore, 
Hs.  Köre,  b  25  Dr.  mocznich,  Hs.  m^icznich.  b  26  Dr.  a  m^idrich,  Hs. 
amodrich.  b  37/38  Dr.  b^dzesz,  Hs.  bodzesz.  —  S.  65a  9  Dr.  czyjysz- 
kyego,  Hs.  czyoszkyego.    a  lO/l  1  Dr.  u.  Hs.  telko.    a  25  Dr.  u.  Hs.  gest 

od 

uczynyl.  b  4  Dr.  Ipowyedzal,  Hs.  ipowyedzal.  »od«  von  anderer  Hand? 
b2ö  Dr.  skot  b^dze.  Hs.  skot  bodze.  h'M)  Dr.  u.  Hs.  ypo; | szyrjczyl.  b31 
Dr.  u.  Hs.  sw^.  —  S.  66  a  15  Dr.  wyrzch.  In  der  Hs.  folgt  darauf  ein  ver- 
löschter Buchstabe  mit  drei  senkrechten  Strichen,  also  wohl  »m«,  so  stand 
ursprünglich  dort  »wyrzchm«.  b  ISf.  Dr.  Nye  weszmyesz  gymyenya.  Hs. 
nyeweszmyesz  nasjdarmo  gymyenya,  das  folgende  »nadarmo«  (b  19)  des 
Druckes  steht  ebenfalls  in  der  Hs.  b  20  Dr.  bog.  Hs.  boga,  das  »a«  ist 
verlöscht,  doch  deutlich  erkennbar,  b  23  Dr.  u.  Hs.  szywy^czyl.  Hinter 
dem  »dnyow«  derselben  Zeile  ist  in  der  Hs.  ein  Fleck,  vielleicht  Rasur 
eines  getilgten  Buchstabens,  b  3  5/36  Dr.  u.  Hs.  yposzwyaczil.  Ist  hier 
>'a«  Schreibfehler  für  das  auch  in  diesem  Teile  belegte  gestrichene  »a«? 
Vgl.  Nehrings  Anmerkung  im  Archiv  VI  249.  —  S.  67a  10  Dr.  tr^bi, 
Hs.  trobi,  a  ;i6  Dr.  s  czyosanego.  Hs.  sczy^sane;  j  go.  Das  y>^«  hat  in 
der  Hs.  nur  oben  den  Strich,  a  37  Dr.  podnyoslly  bi,  die  Hs.  schreibt 
hier  »podnyosl  ly;|bi«.  a  37  Dr.  u.  Hs.  nosz  (d.  i.  nöz).  b  5  Dr.  szeszcz 
lyat,  was  in  der  Hs.  zusammengeschrieben  ist  (vgl.  meine  »Zusammen- 
schreibung« S.  13 ff.),  b  i:^  Dr.  u.  Hs.  br;du|,  die  folgende  Zeile  der 
Hs.  schließt  »sru;;chem«  (b  14).  Ob  in  unserer  Hs.  ein  Einfluß  der  fol- 
genden Zeile  auf  die  vorhergehende  angenommen  werden  kann ,  bleibt 
aber  immerhin  fraglich,  es  liegt  hier  vermutlich  Czechismus  vor  (anders 
Ogonowski  im  Archiv  IV  249).  b  18  Dr.  a  podwoyom,  Hs.  apdwo=| 
woyom,  also  »pd*  und  »wowo«.  b  21  Dr.  dzewk(>,  Hs.  dzewko.  b  23 
Dr.  odikli  und  dazu  die  Bemerkung:  »Miaio  byc:  sluzebnice  wynic  (wy- 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.     483 

chodzic),  obykly  sa  (zwykiy)«.  Das  strittige  »d«  ist  ein  aus  einem  ur- 
sprünglichen »d«  noch  während  des  Schreibens  dieses  Buchstabens  korri- 
giertes »b«,  daher  etwas  unförmig  und  dem  »d«  ähnlich,  b  30  Dr.  drug^r^, 
Hs.  dr^gfJ^^.  —  S.  68a  lU  Dr.  kamyenyem,  Hs.  mit  Verbesserung:  ka- 

myem.  a  25  Dr.  Paknyj^lybi,  Hs.  Pakny^;;  j libi.  b  23/24  Dr.  albo  ro- 
botnyczfj^,  Hs.  albo'j^^tnycz^jj ,  also  >ro«  fehlt,  das  zweite  >bo«  darüber 
verbessert;  das  Zeichen  yy  zeigt  gewöhnlich  an,  wohin  die  Verbesserung 
gehört.  —  S.  69a  5  Dr.'U.  Hs.  zagenego,  ibidem:  acztyrzy.  a  25  Dr.  u. 
Hs.  szydne.  b  19  Dr.  ody(^)to,  Hs.  odyto.  —  S.  70a  10  Dr.  u.  Hs. 
przedyydzye.  a  22  Dr.  u.  Hs.  przed  de=|mn(^^  (vgl.  »Zusammenschrei- 
bung« S.  13,  Anm.  1).  a  36  Dr.  u.  Hs.  przawycz^(>.  b  1  nye  br^^dzyesz, 
Hs.  nyeboodzyesz.  b  2  Dr.  u.  Hs.  moocz.  b  5  Dr.  a  napysz^,  in  der  Hs. 
mit  Verbesserung  über  der  Zeile:  anapysz^.  b  12/13  Dr.  paszeny,  Hs. 
paszyeny.  —  S.  71a  3  Dr.  weyd^,  Hs.  wiydrj.  a  6  Dr.  lud.  In  der  Hs. 
ist  vor  »lud  ein  »d«  getilgt  worden,  der  Raum  ist  geblieben,  also  stand 
zuerst  »dlud«.  b  24  Dr.  chlyebye,  Hs.  chlebye.  b  29  Dr.  koszly^czyaa, 
Hs.  koszlyoczyaa  I ,  also  Zeilenschluß.  —  S.  72  a  10  Dr.  tesz,  Hs.  teesz 
(vgl.  74b  7).  a  20  Dr.  rogate,  Hs.  rogatee.  a  23  Dr.  sgromadzyw  wszitk^, 
Hs.  8gro;|madzyw  ^'szitk^.  a27  Dr.  czynycz,  in  der  Hs.  czynycz  czynycz, 
also  Dittographie.  b  9  Dr.  u.  Hs.  przechodney.  Malecki:  ;>Mia3:o  byc : 
przechctnej,  przyjemnej«,  o  =  ^,  wie  oft.  b  13  Dr.  aczsokoly,  Hs.  nur 
czsokoly,  b  20  Dr.  u.  Hs.  ys^dy,  dahinter  in  der  Hs.  die  Spuren  eines 
»m«.  b  22/23  Dr.  u.  Hs.  solyeem.  b  23/24  Dr.  kadzydlnych,  das  »ch« 
steht  auf  Rasur  einer  Buchstabengruppe,  von  der  hinter  dem  »ch«  noch 
ein  »ow<  erkennbar  ist.  Dieses  »ow«  ist  nicht  überschrieben  worden, 
erst  dahinter  steht  »rzeczy«.  b  25  hinter  »kadzydlnee«  Zeilenschluß. 
b  36  Dr.  kszy^sztwa,  Hs.  kszyosztwa.  —  S.  73a  1 1  Dr.  u.  Hs.  wil^czono. 
a  32  Dr.  mrjszowye,  Hs.  moszowye.  b  2  Dr.  u.  Hs.  »Besele;|ela,  vgl. 
b  20:  Beseeleel.    b  5/6  Dr.  ku  czynyenyu  potrzebi.    Hs.  mit  Verschrei- 

e 

bung:  Kuvczyenyenyv,  also  das  erste  »e«  durchPunkte  getilgt,  das  zweite 
ist  in  der  Hs.  sehr  undeutlich,  daher  darüber  ein  deutliches  »e«  verbes- 
sert, außerdem  hier  das  Compositum  »uczynic«.  Das:  »potrze«  von  »bi« 
durch  Loch  im  Papier  (solche  Papierfehler  häufiger)  getrennt,  b  20  Dr. 
Oliab,  Hs.  Ooliab.  b  22  Dr.  u.  Hs.  modroszcz.  Ebenda  Dr.  y  rozum, 
Hs.  yrozvvm.  —  S.  74  a  7  Dr.  wszitczy,  Hs.  wszistczy.  a  1 1  Dr.  ypo- 
stawczu,  Hs.  yspostawczu.  Es  ist  dann  a  28 — b  7  im  Dr.  eingeklam- 
mert, was  natürlich  der  handschriftlichen  Begründung  entbehrt.    Vgl. 

31* 


484  E.  Haniscb, 

dazu  Babiaczyk  in  der  »Einleitung«  zum  Lexik.  S.  30.  a  34/35  Dr.  py^cz 
sstawy(>,  Hs.  mit  Korrektur:  py^cz  ^stawyrj.  b  15  Dr.b^idzye,  Hs.  bodzye. 
b  21  Dr.  u.  Hs.  podednr^.  b  22  Dr.  u.  Hs.  sobuu.  b  23  Dr.  w^^gloow,  Hs. 
wogloow.  b  27/28  Dr.  u.  Hs.  szrzebrnimy.  — ^  S.  75  a  3  Dr.  gdzerszenyu, 
Hs.  ebenso:  gdzerszenyu,  »g«  also  Sandhiform!  a  13  Dr.  u.  Hs.  agr^igy 
(vgl.  oben  S.  74a  25).  a  16/17  Die  Einklammerung  natürlicb  nicht  in 
der  Hs.  a  22  Dr.  s  drzewya,  Hs.  sdzrzewya.  b  4  Dr.  u.  Hs.  nanya 
czoron^.  b  12/13  Dr.  modlitewnycz(y(^  [s]  szlota,  Hs.  mod^^itewnycz^j:; 
szlota,  beide  Worte  sind  dicht  aneinander  geschrieben,  »1«  darüber  ver- 
bessert, »tew«  auf  der  Rasur  eines  vorherigen  »tzew«  oder  »czew«.  b  19 
Dr.  u.Hs.  drugyey :  vorher  und  in  der  Hs.  etwas  rechts  darüber  »gedney« 
außerdem  beginnt  in  der  Hs.  die  nächste  Zeile  mit  »drugyey«.  b  21  Dr. 
sczy^gn^wssy,  Hs.  sczy^^gnowssy.  b  26  Dr.  u.  Hs.  iob;|loszyl,  dahinter 
ist  ein  »3^«,  vielleicht  »gy«,  getilgt;  es  folgt  dann  »gy«  (b  27).  b  27  Dr. 
u.  Hs.  zlotetem.  Eine  Verschreibung  wie  das  »bratotom«  des  neuen 
Ezdrasfragmentes.  b  29  obrobye,  Hs.  deutlich:  obr^bye.  b  29/30  Dr. 
rozmagycze,  Hs.  rozmagyczye.  b  30  ist  in  der  Hs.  zusammengeschrieben: 
cztyrpalczow,  vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  13 ff.  —  S.  76a  3  Dr. 
czystego  w  ktorich.  Hs.  czystego  ^'ktorich.  a  4  hat  das  rj  in  »plin^czee« 
(am  Zeilenschluß)  nur  oben  den  Strich,  a  5  Dr.  klepani,  Hs.  sklepani,  das 
»s«  ist  getilgt,  da  es  wohl  Schreibfehler  (es  folgt  dann  »s«)  war.  a  7  Dr. 
kr^szky,  Hs.  kroszky.  a  9  Dr.  u.  Hs.  naobu,  das  »u«  scheint  aus  einem 
»a«  verbessert,  a  lO/l  l  Dr.  u.  Hs.  czyaszky,  in  der  Hs.  folgt  darauf  ein 
getilgter  Buchstabe,  etwa  »i«.  a  12  Dr.  a  kr^szczowye*,  Hs.  akrosz- 
czowye,  vgl.  Z.  7,  aber  a  14/15  akrjjszczy.  a  18  Dr.  dr^jgu,  Hs.  drogu. 
a  19  Dr.  y  krriszky,  Hs.  ykroszky,  vgl.  Z.  12,  ebenso  a20  Hs.  ykroszky, 
Dr.  wieder:  y  kr^iszky.  a  24  Dr.  u.  Hs.  kr^iszcze.  a  34  Dr.  loktu,  Hs. 
lotktu.  b  4  Dr.  s  drzewya,  Hs.  szdrzewya  (vgl.  dazu  S.  75a  22).  b  11 
Dr.  w^glow,  Hs.  woglow.  b  21  Dr.  u.  Hs.  przestelesz,  ebenda:  Dr.  »dzer- 
szadl  wyrzchow,  ku  przewleczyenj-u«.  Hs.  »dzerszadlA  kuprzewleczye- 
nyu«  und,  da  diese  Worte  die  letzteZeile  der  linken  Spalte  bilden,  ist  das 
ausgelassene  »Awyrzchow«  darunter  (mit  Zugehörigkeitszeichen),  also  auf 
dem  unteren  Rande,  nachgetragen.  —  S.  77a  4  in  der  Hs.  vor  »ypod- 
stawky«  ein  nicht  mehr  erkennbarer,  getilgter  Buchstabe,  a  12  in  der 
Hs.  hinter  »wschodv«  ein  getilgter  Buchstabe,  etwa  »r«.  a  31  Dr. 
dwadzyeszczya,  Hs.  dwadzeszczya.  b  4  Dr.  szwyadzecztwa,  Hs.  szwyad- 
zeczstwa.  b  6  Dr.  u.  Hs.  sluk.  b  13  in  der  Hs.  hinter  »bil«  ein  getilgtes 
»s«.    b  27  Hs.  aod  py^czy  sed  aopy^czy.    b  28  Hs.   »vbranczow«  (»w« 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      485 

nicht  deutlich)  dann  2  getilgte  Buchstaben,  etwa:  »mu«.  b  32  Dr.  u. 
Hs.  vdzyalo. 

IV.  Teil.    Vierter  Schreiber:  S.  78 — 83  der  Ausgabe. 

S.  78a  13  Dr.  puszczono,  Ha.  pusczono.  a  18  Dr.  gest,  Hs.  gt  , 
also  Abbreviatur  am  Zeilenende,  a  22  Dr.  yego,  Hs.  yogo.  b  5  Dr.  u. 
Hs.  yzezze.  b  7  Dr.  gemu,  Hs.  ge'',  Abbreviatur  in  der  Zeilenmitte. 
Dieser  Schreiber  kürzt  übrigens  bei  weitem  häufiger  ab  und  in  allen  Stel- 
lungen als  der  vorige,  b  1 1  Dr.  u.  Hs.  geszto.  b  16  Dr.  u.  Hs.  gyne.  b  20 
Dr.  a.  Hs.  ezlowyeczey,  —  S.79a  26  Dr.  gemu,  Hs.  ge',  Zeilenmitte,  b  I 
Dr.  u.  Hs.  recz.  b  2  Dr.  mowyl,  Hs.  molwyl.  b5  Dr.  u.  Hs.  sze.  b  5/6  po- 
swy^iczono,  das  »o«  am  Ende  fast  wie  »a«.  b9  Dr.  gensze,  Hs.  ge;|sze,  am 
Zeilenende,  b  15  Dr.  gemu,  Hs.  ge^:  Zeilenmitte,  b  18  Dr.  zabronyono,  Hs. 
za5|konem,  das  »konem«  ist  durchgestrichen  (Nachklang  des  »zakonem« 
b  17)  und  dahinter  folgt  dann  »bronyouo«.  b  23  Dr.  gest,  Hs.  gt';  b  24 
Dr.  a  brjdze.  Hs. ursprünglich:  ap^dze,  dann  ist  aus  dem  »p«  ein  »b«  ver- 
bessert worden,  so  daß  es  also  heißen  soll  »abrjdze«.  In  derselben  Zeile  Dr. 
gemu,  Hs.  ge^'.  Das  dann  in  der  Ausgabe  beginnende  Kapitel  VI  ist,  wie 
Malecki  richtig  bemerkt,  in  der  Hs.  nicht  bezeichnet,  vielmehr  folgt  auf 
»wboga«  unmittelbar  »ymowyl«.  —  S.  80a  I  trennt  die  Hs.  od  przy- 
syokl.  a  5  Dr.  u.  Hs.  przs  (vgl.  S.  61  a  9).  all  Dr.  Gensze,  Hs.  ge=jsze. 
a  17  ist  zwischen  »kaszdemv«  und  »bfjdzye«  eine  Verzierung,  dann  folgt 
dieKapitelzahlinRot.  Hier  erst  ist  nämlich,  wieMaiecki  richtig  angemerkt 
hat,  in  der  Hs.  der  neue  Kapitelanfang.  Darauf  kommt  »Tocz«  (mit  rot- 
gemaltem »T«,  wie  üblich),  a  19/20  Dr.  Br^^dzyeli  za  dz^kowanye  obyata 

li  zadz0  albo  oft'yara 

albo  offyara.  Hs.  mit  Korrektur:  Bry^dzye  kowa=[nye  obyata.  a  22  23 
Dr.  n.  Hs.  aprzaznky.  a  27  Hs.  Sktory  |  chsze  to.  Das  »S«  hat  in  der 
Hs.  die  Form  etwa  eines  »C«.  b  6/7  Dr.  oflfyeruyjiczemu ,  Hs.  ofiyer- 
uyoczemv.  b  17  Dr.  dodkla,  Hs.  dotkla.  b.  20  Dr.  zgynye,  so  auch 
Hs.,  doch  ist  das  »z«  auffallend  klein  geschrieben  und  wohl  also  vom 
Schreiber  nachträglich  eingeflickt,  b  22  Dr.  u.  Hs.  Moy.  b  28  Dr. 
Gestlyl  kto.  In  der  Hs.  folgte  ursprünglich  noch  ein  (radiertes)  »ych«, 
b  33  Dr.  s  dobitka,  Hs.  stobitka.  —  S.  81  a  2  Dr.  u.  Hs.  goray^czrj. 
a  5  Dr.  u.  Hs.  wsda.  a  6  Dr.  u.  Hs.  rzeczy  tuk  naoltarzu,  Avobei 
ich  bemerken  muß,  daß  >tuk«  in  der  Hs.  zunächst  ausgelassen  und 
erst  am  Rande  nachgetragen  ist.  a  22  Dr.  gemu,  Hs.  in  Zeilenmitte 
Abbreviatur:  ge'.  a  24  Dr.  israhelskym,  Hs.  am  Zeilenschluß:  is- 
rahelsky.    a  28  Dr.  y  za  poszwj'^czone,  Hs.  yzaprjszsjwy^czone.    a  31 


486  E.  Hanisch, 

Dr.  Israhelskym,  Hs.  am  Zeilenschluß  (wie  a  24):  israhelsky.  b  19  Dr. 
u.  Hs.  cz(^lu.  b  24/25  Dr.  u.  Hs.  oltarze.  b  27  Dr.  poszwy^tczy,  Hs. 
poszwyr>czy.  b  36  Dr.  u.  Hs.  ge.  —  S.  82a  1  Dr.  u.  Hs.  oltarowych. 
a  .3  Dr.  fundamentom,  Hs.  fü;  |  damentom .  Abbreviatur  am  Zeilenschluß, 
a  14  Dr.  gego,  Hs.  ge'\  Zeilenschluß,  a  18  Dr.  przeto,  Hs.  pzeto.  a  20 
Dr.  gemu,  Hs.  ge",  Zeilenmitte,  a  21  Dr.  Kszy^vszkye,  Hs.  Kszyoszkye. 
a  26  Dr.  gego,  Hs.  ge°,  Zeilenschluß,  a  29  Dr.  dotknf^jil,  Hs.  dotknjil. 
b  2  Dr.  olegem  \  placzky.  Hs.  olegem  yple  yplacz?|ky.  Das  »yple«  ist 
in  der  Hs.  durchgestrichen;  in  der  Hs.  folgt  zwei  Zeilen  später  (=  b  3) 
aber  ein:  »aplece«.  b  9  Dr.  w  wony^v^,  Hs.  wvonyrj^.  h  13  Dr.  gemu, 
Hs.  in  Zeilenmitte:  ge"",  dasselbe:  b  22.  —  S.  83a  2/3  Dr.  y  w^^czszich, 
Hs.  ywyr^czszich.  a  7  Dr.  A  synom,  Hs.  Asymom,  vgl.  auch  hier  (u.  a  2) 
das  der  Ausgabe  beigegebene  Faksimile  des  Abschnittes,  a  8  Dr.  u.  Hs. 
moy.  a  13/14  Dr.  u.  Hs.  olegez,  am  Zeilenende.  Ich  habe  das  bereits  in 
meiner  »Zusammenschreibung  usw.«  S.  3  als  Einfluß  von  darüber  und 
darunter  stehenden  »z«  der  Hs.  erklärt,  nämlich:  wszsjech  (a  13),  bocz  | 
(a  14),  wasz  |  (a  15). 

IV.  Teil.    Fünfter  Schreiber:  S.  83 — 171  der  Ausgabe. 

S.  83a  26  Dr.  u.  Hs.  ktores.  b  1  Dr.  u.  Hs.  viopczowan.  b  4  Hs. 
zlvdv.  b  5  Hs.  Zeilentrennung  in:  zypSjOcz.  b  7  In  der  Hs,  vor  »closzic 
durchgestrichenes  »gl«,  b  16  Dr.  u.  Hs.  ymyeny^.  b  17  Hs.  hatte  ur- 
sprünglich »twemv«,  aus   dem  »t«  ist  dann  ein  »s«  verbessert  worden, 

1 
also:  »swemv«.    b  26/27  Hs.  obicza.    b  29  In  »rzeptayrjczy«  steht  das 

>y«  auf  Rasur,  das  »y«  selbst  von  einer  späteren  Hand  verbessert.  Auf 
»rzeptay^czy«  folgt  die  Rasur  eines  ehemaligen  »m«,  dann  >olvdzech«.  — 
S.  84a  5  Zeilenschluß  in:  dobitcz^i; | rjnt.  Es  folgt  darauf  in  der  Hs. 
Ipo^^l  ^  dann  »pola«.  Also  die  Verschreibung  durch  Einklammern  korri- 
giert,   a  9  Dr.  u.  Hs.  zzonya.    a  10  Dr.  u.  Hs.  slachcz^nka.    all  Dr.  u. 

e 

Hs.  nyeviplaczono.  a  14  Hs.  nybila.  a  26  Dr.  u.  Hs.  poswyaczony  bo- 
do  slawney.  a  34  Dr.  nye  b^dzecze,  Hs.  nyebodzecze.  b  2  Dr.  u.  Hs. 
ostrzegacze.  b  9  Dr.  u.  Hs.  aboysza.  b  15  Dr.  iako.  Das  >i«  sieht  ganz 
wie  »t«  aus.  b  16  Dr.  bila,  Hs.  bili.  b  IS  Dr.  u.  Hs.  zadnye.  b  22  Dr. 
u.  Hs.  myak^.  b  27  Dr.  mowil,  Hs.  movil.  b  33  Dr.  u.  Hs.  vkamy^invge 
ge.  —  S.  85  a  2  Dr.  u.  Hs.  apoganili.    a  3  Hs.  lest''  omyeskal.    a  7  Hs. 

e 

trennt:  a  ny.  all  Hs.  nyciscili.  a  27  u.  b  9  Dr.  u.  Hs.  swy^.  b  12 
Dr.  u.  Hs.  nyeslvsny^j,  ebenso:  b  26  wyvya,  b  33  gey,  b  34  zemy^,  b  35 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.     487 

yprzebiwyay^czi.  —  S.  86  a  11  Dr.  A  b^idzecze  Hs.  Abodzecze.  a  13 
Die  Hs.  trennt  »abis  cze«,  vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  19.  a  14  Dr. 
u.Hs.  zono.  a  21  In  Hs.  Zeilenschluß:  gi=  im.  Weiterhin  sind  zusammen- 
geschrieben »Niepokalasyebye«.  Vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  11  ff. 
a  2(V27  Dr.  u.  Hs.  dzewyoyrj.  a  .35  Dr.  u.  Hs.  Zle.  a  36  Dr.  u.  Hs. 
zzazon^.  b  12  Dr.  sr^,  Hs.  so.  b  26  Dr.  bo,  Hs.  Abo.  —  S.  87a.  Die 
Kapitelüberschrift  »XX  secundum«  steht  so  in  der  Hs.  und  ist  rot  ge- 
schrieben,   a  30  Dr.  u.  Hs.  dotkney.    b  14  Dr.  u.  Hs.   cvpy.    b  20/21 

dzeczy 

Hs.  przes  nawroczisy^.  b  30/31  Dr.  u.  Hs.  nyeczirpele.  b  31;  32  In  Hs. 
hier  beachtenswert  Zusammenschreibung  bzw.  Trennung:  »gdisz  biswy^- 
czone«!).  —  S.88a  101 1  In  der  Hs.  zwischen  »offyervi^cz«  und  »tako«  ein 
durchgestrichenes »k«.  a  12  Dr.u.  Hs.  offyer^j.  a  15  Das  »a«  in  »ranyone« 
st  ein  durchstri ebenes  >a«,  was  sonst  in  diesem  Teile  garnicht  weiter  be- 
legt ist,  also  »ränyone«.  al7  u.  34  wie  oben  S.  85  a7:  a  ny.  a  19  Dr.  u.Hs. 
odettn^^cz.  a21  Dr.  u.  Hs.Wszelki.  b3  Dr.  brjdzecze,  Hs.  bodzecze.  b  10 
Dr.  u.  Hs.  zzeme  Egipskye.  b  17  Die  Hs.  trennt:  od  poczinyenye.  b  20 
Dr.  u.  Hs.  sobbota.  —  S.  89a  10  In  der  Hs.  steht  »sy^«  auf  der  Rasur 
eines  ursprünglichen  »sw«.  (Es  folgt:  swy^ici.)  ar2Dr.u.  Hs.  ynaszszg(>cze. 
a  17/ IS  schreibt  Hs.  u.  Dr.  :f  quaszonego«  (vgl.  a  31).  a  24  trennt  die  Hs. : 
wnyem  zescze.  a  33  Dr.  Abjjdzecze,  Hs.  Abodzecze.  b  1  Dr.  u.  Hs. 
przechatney.  b  18  Dr.  Myeszy^cza.  Das  »a«  bedeutet  hier  also  wieder 
das  durchstrichene  »a«,  das  hier  etwas  gerundeter  (dem  »o«  ähnlicher) 
ist  (vgl.  S.  S8a  15).  b  21  Dr.  u.  Hs.  Wszelkyeka.  b  23  trennt  die  Hs. 
brjdze  cze.  —  S.  90a  13  Dr.  nye  bodzecze,  Hs.  nyebodzecze.  a  17  Dr. 
u.  Hs.  szbor.  a  28/29  trennt  die  Hs.  wieder  (vgl.  S.  89b  23):  sgromadzi 
cze.  a  29  Dr.  u.  Hs.  w;|sztki.  b  1  Dr.  Y  bfidzecze,  Hs.  ybodzecze, 
ebenso  b  5  Hs.  abodzecze^  nicht:  bodzecze.  b  13  In  der  Hs.  steht  hinter 
der  Kapitelzahl  XXIHI  noch  » ca'" «  (rot,  Abbreviatur),  b  1 7  Dr.  y  stwya- 
tli*,  Hs.yswyatli.  Ibid.  Dr.  swyczenyu,  Hs.  swyeczenyv.  —  S.91a  35  Dr. 
u.  Hs.  zaab  za  za^/b  |  (also  erst  hinter  »za^b*  Zeilenschluß,  a  37  Dr. 
cirpyecz,  Hs.  cirzpyecz.  b  9  Dr.  u.  Hs.  sys|novi.  b  14  Dr.  u.  Hs.  arzei| 
czecz.  b  16  Dr.  u.  Hs.  Secz  lat.  (vgl.  auch  b  17).  b  21  Dr.  u.  Hs.  bo- 
zeey.  b  24  Dr.  iako;  in  der  Hs.  ist  das  »i«  so  dem  »t«  ähnlich,  daß 
man  auch  »tako«  lesen  könnte,    b  25  Dr.  u.  Hs.  nyebodzesz.  —  S.  92a 

1)  Beispiele  fälschlicher  Zusammenschreibung  habe  ich  in  »Zusammen- 
schreibung von  Wörtern  in  älteren  polnischen  und  czechischen  Handschriften« 
S.  19  f.  gegeben.  Dieser  Fall  bildet  etwas  ähnliches  wie ;  Kdey,  nyczegoy  ;d.  h. 
wie  das  falsch  verbundene  i,  a)  vgl.  ibid.  S.  21. 


488  E-  Hanisch, 

14  Dr.  oswyrjczeney*  milosciwego  lata;  Hs.  oswy^czoney; ' go  milosciwego 
lata.  Im  folgenden,  a  15,  lautet  der  Text:  wzrjte  snyecze,  die  Vnlgata 
liest  heute  (Levit.  XXV  12) :  oblata  comedetis.  Babiaczyk  hebt  (im  Lex. 
s.  V.  wziac)  das  durch  »sie«  hervor  und  schreibt:  »oblata,  nicht  ablata«. 
Ich  verweise  demgegenüber  darauf,  daß  eine  Variante  »ablata«  sehr  wohl 
erbalten  ist  (vgl.  z.  B.  die  Polyglottenbibel  v.  Stier  u.  Theile  1.  c).  a  IS 
u.  20  Dr.  copysz*,  Hs.  cvpysz.  b  9  Dr.  u.  Hs.  zemyrj.  b  12/13  Dr.  u. 
Hs.  podsmowy^.  b  17  trennt  die  Hs.  aiest  libi.  b  30  Dr.  u.  Hs.  ied;jno 
lata,  b  35  trennt  die  Hs.  iest  libibil,  vgl  b  17  und  b  37  :  nyebil  libi.  — 
S.  93a  5:  iest  libi  in  der  Hs.,  ebenso:  viploczonj",  nicht  wie  Dr.:  vi- 
placzony,  dagegen  dann  in  der  Hs.  wie  im  Dr.  a  4  ein  »viplaczeny«. 
a  9  trennt  die  Hs.  »przed  myescza«  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  19 f.); 
in  a  13  sieht  das  »iako«  einem  »tako«  ganz  ähnlich  (wie  schon 
S.  91b  24).  a  32  Dr.  u.  Hs.  ayasme.  a  35  Dr.  obj^czagem,  in  der  Hs. 
ursprünglich  »obyaczagem«,  das  erste  »a«  ist  getilgt,  doch  der  Raum  ge- 
blieben, b  7  Hs.  mit  Korrektur:  pawem.  b  S  Dr.  badjjczim*.  Hier  ist 
in  der  Hs.  kein  durchstrichenes  »h«,  sondern  deutlich  »(j«,  also  »b(^d(y- 
czim«.  Dagegen  ist  bl2  Dr.  przichodnyowa  auch  in  der  Hs.  anschei- 
nend »a«^  doch  undeutlich  (fast  »^«).  —  S.  94a  2  Dr.  u.  Ha.  kamyen; 
go.  a  15  Dr.  a  przes  strachu,  Hs.  aprzestrachv.  a  32  Zeilenschluß  anzu- 
merken in  »c;;hodzicz«.  b  S/9  Hs.  akvwsrvszen;|yoyv,  das  »yo«  ist  in 
der  Hs.  aber  durchgestrichen,  b  36  Dr.  u.  Hs.  checz.  —  S.  95a  26  Dr. 
przechatney,  so  auch  Hs.,  d.  h.  a  =^  a-  ^  -^^  ^^'-  ^  Hs.  zeray^.  b  7  Dr.  A 
padny*,  Hs.  deutlich:  apadnye.  b  10  Hs.  p;|rzecz^,wicz.  b  29  Dr.  cir- 
py^^cz,   Hs.  deutlich:   cirzpy^^cz.  —  S.  93a  11  (Dr.  u.)  Hs.  dvsza.  — 

S.  97a  5  Hs.  ydomych.    b  19  Dr.  u.  Hs.  Monaszowich.  —  S.  98a  12 

Hs.  Neptalmowich.  a  14  Hs.  odedwvdzestvv  laat.  a  34  Hs.  swadzecz- 
stwa.  b  2/3  Dr.  u.  Hs.  stany.  b  14/15  Dr.  Aaronovi,  Hs.  Aaaronovi, 
das  erste  »a«  =  »et«,  vgl.  Num.  II  1 :  ad  Moysen  et  Aaron.  b  22/23 
Dr.  u.  Hs.  awszitk^  liczbrj.  b  23  Hs.  spokolena.  —  S.  99a  17  hat  die 
Hs.  apy^czdzesy^s  [  ^nt.  b  17  Dr.  Fegiel,  Hs.  Feziel  (Vulg.  Phegiel).  — 
S.  100  a.  Der  Druck  hat  als  Kapitelüberschrift  nur  »III.«,  in  der  Hs. 
»ca";  III. <;  a3  Dr.  ocz,  Hs.  tocz.  aS  schreibt  die  Hs.  ayTamar.  a  i  3  Dr. 
a  Abyu,  Hs.  Aabyu,  das  »A«  =  »et«  (vgl.  S.  9S  b  14/15).  b  3  (Dr.  u.) 
Hs.  wyesraelv.  b  3/4  Dr.  od  czlowyeka,  Hs.  oczlowyeka.  b  13  Dr.  a 
Merary,  Hs.  Ameray.    b  34  Dr.  Kaatiskich,  Hs.  kaatitskich.  —  S.  101 

e 

a  1  Dr.  osm  tisy^czow,  Hs.  osmtisyoczow.    a  6  Hs.  yswyczidlnikow.   a  9 


Die  Sürosp.  altpoln.  Bibelhandsclir.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.        489 

trennt  die  Hs.  Ale  pak.  a  1  5/1 6  Dr.  myesy^cza,  Hs.  myesyocza.  a  1 7/ IS 
Dr.  Suriel,  syn  Abiabyelow.  Die  Vulg.  liest  (Num.  IV  35):  »Suriel  filius 
Abihaiel«,  auch  die  IIs. ;  »Svrielisyn  Abiabyelow«.  a  29  Dr.  przist^pilby, 
Hs.  przistopilby.  b  9  Dr.  od  myesy^'cza,  Hs.  odmyesyocza.  b  1 1  schreibt 
dieHs. .  ysedmdzesyr;;^t.  b  17  Dr.  dwyma  Stoma,  Hs.  dwy;jmastoma, 
also  >e«  noch  darüber  verbessert,  b  1  9  Dr.  u.  Hs.  zpirwodzonich.  —  S.  102 
a6  Dr.  u.  Hs.  kaatskich.  a  S  Dr.  gdisz,  Hs.  gdisjisz.  a  10  Dr.  wynyem. 
In  Hs.  ist  das  erste  »y«  undeutlich,  b  1  Dr.  czyli,  Hs.  czili.  b  9  steht 
»wes«  von  »wesli«  auf  einer  Rasur,  b  10  Dr.  Rohob,  Hs.  Kohob,  doch 
unklar,  obRoderK.  b36Dr.  bidliczele,  Hs.  »blidliczele«.  —  S.103a22  ist 
die  Kapitelüberschrift  nicht,  wie  in  der  Ausgabe,  nur  »XIIII«  sondern 
»Xllllca™«,  natürlich,  wie  immer,  rot.  a30  gibt  Dr. :  w^y(e)dzeni,  dieHs. 
zeigt  das  »e«  aber  ganz  deutlich,  also:  w;|yedzeni.  b  5  Dr.  ktorassto  bila. 
Hs.  deutlich:  ktorasstabila  b2!  Dr.  u.Hs.  wszitczisynowilsraelsci.  b33 
Dr.  obliczim,  Hs.  deutlich:  abliczim.  DerVulgatatext  (Num.  XIV  l^):  »et 
facie  videaris  ad  faciem« lehrt, daß  hier  »abliczim«  =  »a  obliczim«  ist,  vgl. 
»an«  =  »aon«  oder  »akonce«  Sa  IS,  was  ich  >Zusammenschreibung« 
S.  22  behandelt  habe.  Gerade  darunter  steht  übrigens  in  der  Hs.  (=  b  34) 
»aoblok«,  also  unkontrahiert.  b  35  Dr.  u.  Hs.  a  |  wslpye.  b  3G  Dr.  u. 
Hs.  wyednye.  b  38  Dr.  wyelkoscz,  Hs.  wyelskoscz.  —  S.  104a  12  Dr. 
u.  Hs.  wyelik^go.  a  13  Dr.  wichadzay^czich,  Hs.  wichadzayoczich.  a  15 
beginnt  in  der  Hs.  das  Blatt  GO,  welches  oben  (in  Rot)  die  Überschrift 
»XIIII  Numeros«  tnägt,  also  mit  der  Kapitelzahl,  die  sonst  bei  den  Seiten- 
überschriften fehlt.  Übrigens  hatte  Blatt  56  (-—  S.  97  der  Ausgabe)  ge- 
rade keine  Seitenüberschrift,  die  doch  sonst  meist  geschrieben  wird.  Die 
Ausgabe  hatte,  daS.  97  der  erhaltene  Test  von  Mos. IV  beginnt,  »Numeri«, 
das  also  vom  Herausgeber  zugefügt  wurde,  a  17  Dr.  u.  Hs.  zemyrv.  a  3G 
Dr.  u.  Hs.  wyellikoscz.  b  I  schreibt  die  Hs.  zusammen:  ayaslisal.  b  13 
Dr.  Ale  robota  wasz.  In  der  Hs.  heißt  es  unzweifelhaft:  »Ale  robota 
wasza«,  das  »a«  von  »wasza«  ist  verblaßt,  aber  noch  ganz  deutlich  er- 
kennbar. Eine  viel  spätere  Hand  hat  das  dem  Polnischen  fremde  »ro- 
bata«  glossiert  durch  ein  merkwürdiges  »dzatiky«.  Ich  habe  darüber  in 
»Zur  Geschichte  der  Särospataker  altpolnischen  Bibelhandschrift«  S.  13 
gehandelt.  Verschreibung  ;so  faßt  es  Herr  Prof.  Brückner  nach  brieflicher 
Mitteilung  auf)  scheint  mir  wegen  der  sorgfältigen  Schrift  nicht  recht  an- 
nehmbar, auch  würden  mir  Schreibungen  wie  »dziatiky«  oder  »dzatyky« 
eher  als  Schreibfehler  erklärlich  erscheinen.  Da  die  Schriftzeichen  dem 
XVII.  Jahrh.  angehören,  habe  ich  1.  c.  vermutet,  daß  Comenius  der  ür- 


490  E.  Hanisch, 

heber  ist.  b  30  Dr.  wislal,  Hs.  wisal.  —  S.  105  a  2  Dr.  wszitki  slowa, 
Hs.  wszitka  slowa.  a  1 3  möchte  ich  die  handschriftliche  Schreibung  er- 
wähnen in:  »a  Malechitezi«.  a  13  Dr.  Cananisci,  Hs.  Canaansci.  a  14 
'Dr.  u.)  Hs.  ogich  zeto.  a  20  Dr.  Iszedl,  Hs.  isczedl.  a  2G  Hs.  Zu- 
sammenschreibung bei  »ktorisya«  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  12). 
a  2  7  Dr.  w  obyat^,  Hs. :  » wbyat^ « .  b  1 3  Dr.  trzi  dzesy^tki,  Hs.  trzidze- 
syotki.  b  19/20  Dr.  przichodz^jczi,  Hs.  p;|rzichodzoczi.  b  20  Dr.  u.  Hs. 
vrzvdem.  b  27  Dr.  br^dzecze  gescz,  Hs.  bodzecze  gestz.  b  35  Dr.  od  tego 
dnya,  Hs.  otego  dnya  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  13).  —  S.  106a  1 1 

y 

Dr.  y  odpusczono,  Hs.  yodpvsczono.  a  14  Hs.  medzi.  a  25  Dr.  uciny^^ 
nyeczo,  Hs.  vciny^j  nyecz^|  (auf  der  neuen  Zeile  noch:  sgrzesz^!).  b  5  Dr. 
viwyodr;!,  Hs.  viwyodo.  b  22  Dr.  Datan,  Hs.  Datana.  b  27  Wie  in  der 
Ausgabe  richtig  bemerkt  ist,  ist  hinter  »vroslich«  das  Ende  der  Zeile 
freigeblieben,  b  32  Dr.  u.  Hs.  swyatich.  —  S.  107a  5  Dr.  u.  Hs.  przi- 
blize.    a7  Dr.  richtig:  ka  dzidlnicza,  d.  h.  »a«=  »a.«  der  Hs.    a  9  ist  in 

der  Hs.  »przed«  geschrieben,  d.  h.  das  »z«  hinter  »r«  ist  durchgestrichen, 
dann  aber  ein  »z«  darüber  geschrieben,  a  21  Dr.  sobyli.  Das  »1«  ist  in 
der  Hs.  aus  einem  »e«  verbessert,  a  22  Dr.  okr^zek,  Hs.  okrozek.  a  27 
Dr.  Ktorzis,  Hs.  ktorzisz.  a  30  Dr.  na  pusci,  Hs.  napvsci,  wobei  das  >n<; 
am  Anfang  aus  ursprünglichem  »p«  verbessert  ist  (vgl.  den  Anlaut  der 
folgenden  Silbe!),  b  6/7  Dr.  y  Aaron,  Hs.  Ya  Aaron  (Vulg.  Num. 
XVI  16:  et  Aaron),  vgl.  dazu  die  S.OSb  14/15  erwähnte  Schreibung,  b  7 
Dr.  u.  Hs,  kadzidlnicza.  b38  Dr.  wzwyecze;  in  der  Hs.  ist  das  zweite  »w« 
verbessert,  anscheinend  aus  »d«.  —  S.  108  a  4/5  Dr.  a  nawyedzili,  Hs. 
anawyedzli.  aS  Dr.  otworzricz,  Hs.  otworzocz.  al  1  Dr.  urf:>gali,  Hs.vrogali. 
a  13  Dr.  rosstr^pywszi  sy^j  zemy;^*,  Hs.  rosstopywszisy^  zemyr^.  a  13/14 
ist  in  der  Hs.  zusammengeschrieben:  podnogami; | gych  (vgl.  »Zusammen- 
schreibung« S.  1 !  f.).  a  16  Dr.  u.  Hs.  dopyekal.  a  17/1  S  Dr.  y  sgyny(>* 
s  posrzotka.  Ha.  ysgyny^y  sposrzo;  |  tko.  a  19/20  Dr.  u.  Hs.  odwolasjny^. 
a  22  Dr.  dwy*  secze,  Hs.  deutlich:  dwye  secze.  a  25  Dr.  Eleazarovi, 
Hs.  Eli; j azarovi,  aber  a  35  Dr.  richtig:  »Eleazar«,  wie  die  Hs.  a  30/31 
Dr.  przybil,  Hs.  przibil.  a  35  Dr.  u.  Hs.  sebrar  Eleazar,  also  Einfluß  des 
folgenden  Wortausganges  (Eleazar).  b  4  ist  das  »k«  von  »kv«  nicht  ganz 
ausgeschrieben  und  daher  einem  »f«  ähnlich  (vgl.  das  folgende  »oflfyero- 
wanyv«).  b  10/11  Dr.  y  przecziwko  Aaronovi,  Hs.  yprzecziwko  a  Aaro- 
no vi  (vgl.  S.  lU7b  6/7).  b  16  Dr.  a  zyawi  sy^,  Hs.  aza  |  wisy^.  — 
S.  109a  4  Dr.  od  wszitkich  kxy^zoth,  Hs.  odwszitkich  kxy^^z^th.  all 
Dr.  gdze,  Hs.  kgdze,    a  22  Dr.  u,  Hs.  rosquetlsy^.    a  23  Dr.  zyawyjicz 


Die  Sarosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.     491 

sy^,  Hs.  zyawyoczsy^i,  doch  ist  »o«  nicht  deutlich,  b  17/18  Dr.  ku  srjdovi 
swyatnemu,  Hs.  kv  ]  sj^dom  swyatnemu  (vgl.  Num.  XVIII  3 :  ad  vasa  Sanc- 
tuarii,  aber  griech.  Text:  7i:Qüg  zlc  axei'n^  rlc  (r/ia).  bl9  Dr.  przist^^pali, 
Hs.  przistopali.  —  S.  110a  2  Dr.  u.  Hs.  poswyaczvyv.    a  28  ist  »wszel« 

le 

in  »wszelkego«  aus  »wczel«  verbessert.  —  b  3  Hs.  przegesz.  b  S  Dr.  y 
plecze,  Hs.  y  placze,  doch  »a«  nicht  deutlich,    b  IG  Dr.  b(>dzecze,  Hs. 

bodzecze.  bnHs.  »ydzedzczstw«.  b27Dr. b^dze,  Hs. bodze.  b2SDr.kro- 
mye,  Hs.  kromie.  b  36  Dr.  u.  Hs.  czascz.  —  S.  lila  6  Dr.  u,  Hs.  odl^^czcze. 

e 

a  1 0  Hs.  iakobiscz.  b  7  Dr.  u.  Hs.  ypospye.  b  23  Zeilentrennung  in  der  Hs. : 
bi;|icz.  —  S.  112  a  O/l  0  Dr.  sperze  rucho  (Hs.  rvcho)  swe,  pomige  sy^.  In 
derHs.  steht,  ganz  deutlich,  nicht  »pomige«,  sondern  »yomige«.  Mithin  ist 
das  Wort  »pomyc  sie«,  da  es  der  einzige  Beleg  beiBabiaczyk  ist,  zu  streichen 
und  das  häufiger  in  unserem  Text  vorkommende  »omyc«  anzusetzen.  Für 
die  ganze  Stelle  ist  natürlich  die  heutige  Vulgata,  die  Babiaczyk  s.  v.  sprac 
vergleicht,  nicht  brauchbar  (Vulg.  Num.  XIX  19:  »lavabit  et  se  et  vesti- 
menta  sua«),  vielmehr  schloß  sich  die  lateinische  Vorlage  des  slavischen 
Textes  recht  eng  an  die  Septuagintalesart  an:  tcXvveI  ra  //.lärra  aurov 
■/Ml  lovaerai  udari,  d.  h.  also  :  wir  haben  hier  eine  Itala- Lesart  vor- 
liegend, a  21  ist  das  »s«  in  »czsokoli«  aus  einem  »c«  verbessert,  a  32 
Dr.  napvsczo,  Hs.  napvscz^i.   b  23  Dr.  u.  Hs.  rzeczi.   b  24  Dr.  u.  Hs.  Zali 

skali.  —  S.  113a  5  Hs.  oczy.  a  1 1  Dr.  u.  Hs.  Atoczsmi.  a21  Dr.  Byado*, 
Hs.  deutlich:  byada.  a  26  Dr.  u.  Hs.  dodobibon.  b  7  Dr.  u.  Hs.  az*.  Das 
erste  diakritische  Zeichen,  was  Malecki  auch  anmerkt,  doch  ist  die  Ver- 
sicherung ibid.:  »Dajemy  je  (spoJgloski  kreskowane)  wiernie,  gdzie  sa 
w  kodexie«  nicht  zutreffend,  b  13  Dr.  u.  Hs.  bi.  b  14  ist  vor  »ze«  ein 
gelb  ausgemaltes  »E«,  also  »eze«.  Dieses  »E«  ist  nicht  getilgt,  b  24 
Dr.  u.  Hs.  Amoiiskich,  also  mit  Strich  über  dem  »n«.  b  33  Hs.  anako- 
gosz:  das  erste  »a«  ist  aber  durchgestrichen.  —  S.  114a  2  Dr.  u.  Hs. 
ywy(^scszy.  a6  Dr.  u.  Hs.  Ostancze.  a24  Dr.  u.  Hs.  twore.  a3l  Hs.  chesz, 
wobei  das  »s*  aus  einem  »c«  verbessert  ist.  a  37  Dr.  abich,  Hs.  zabich. 
b4  Dr.  zowo  czj^,  Hs.  deutlich:  zow^czrj.  Dann  Dr.  u.  Hs.  wstan.  b6  Dr. 
ucyn,  Hs.  vciin  (ii  nicht  deutlich),  b  12  Dr.  oblicza,  Hs.  oslicza.  b  14  Dr. 
ktor^jszto,  Hs.  ktoroszto.  b  35  Dr.  u.  Hs.  sädzacz.  Dann  trennt  die  Hs. 
obi;|kl  esz,  vgl.  »Zusammenschreibung«  S.20.  —  S,  115a  8  Dr.  u.  Hs. 
wyaczey,trzeczey.  Das  »a«  ist  wieder  gleich  »a«  derHs.  blO/11  schreibt 
die  Hs.  zalisjsnad  podka.  b  20/21  Dr.  kxyj^z^ta,  Hs.  kxy^izota.  b  24  Dr. 
rzecze,  Hs.  rzeczi.    b  35  Dr.  u.  Hs.  smyercza.  —  S.  116a  1  Dr.  u.  Hs. 


492  E.  Hanisch, 

skonczrjna.  a  23  Dr.  u,  Hs.  swe.  Ibid.  ykxy^zota.  a  30/31  (Dr.  u.)  Hs. 
nyevciny^.  Das  »^«  sieht  durch  Hineinkorrigieren  nicht  so  wie  sonst  aus. 
a  34  Dr.  u.  Hs.  pog;|anska.  a  35  Dr.  u.  Hs.  vidzan,  pogansky.  b  2  Dr. 
u.  Hs.  krolewsgeko.  b  2 1/22  Dr.  u.  Hs.  vdzalal.  b  25/26  Dr. u.  Hs.  ywklad. 
b  34  Dr.  u.  Hs.  nan.    b  35  Dr.  prziyrjw,  Hs.  prziyow.  —  S.  117a  4  Dr. 

r 

u.  Hs.  widzen^.  a  1 1  Hs.  cedowj^e.  a  13  »iego«  sieht  fast  wie  »tego«  aus, 
ibid.  Dr.  »wod«,  in  der  Hs.  :»wos{d«,  dahinter  Rasur  eines  breiten  oder 
zweier  schmaler  Buchstaben  (etwa  »u«  oder  »ie«).  bSDr.l'udu,  d.i.  Hs.l'vdv. 
b  6  Dr.  u.  Hs.  po;  j  slednyego  czasv.  b  7  in  der  Hs.  »swe'«,  was  in  der  Aus- 
gabe nicht  notiert  ist.  b  12  Dr.  widzenya.  In  der  Hs.  ist  das  Zeichen  zwi- 
schen »z«  und  »e«,aIso:  widzenya,  ibid.  trennt  die  Hs.  »wszech  mog^czes  | 
go«,  der  Schluß  der  folgenden  Zeile  (=b  13)  ist  in:  »odtworz;i;|ne«.  bl5 
Dr.  z  lakoba,  Hs.  Zaiakoba.  b  IS  Hs.  ydvmea,  »e«  undeutlich,  b  25  Dr. 
pogansky,  Hs.  po=|gan'sky,  also  zwischen  »n<  und  »s« !  b  36  Dr.  u.  Hs. 
Assirzkey.  b  37  naposlad:  das  »d«  am  Ende  ist  ein  korrigierter  Buch- 
stabe. —  S.  118  a  4  Dr.  u.  Hs.  czäsv.  a9  Dr.  rosgnyewam,  Hs.  anscheinend 
rozgnyewaw.  a2lHs.:  przeddedrzwyami  (vgl.  zum  »dd«  S.  1  3  Anm.  l 
meiner  »Zusammenschreibung«),  a  24  Dr.  wylikosci,  Hs.  deutlich:  wyeli- 
kosci.  a26  Dr.  do  domu,  Hs.  deutlich:  dodomo  (nicht  etwa:  -mv).  a27 
Hs.  yprzekool.  b4  Dr.  u.  Hs.  vmowrj  kaplan  |  stwa.  b20  Dr.  u.Hs.  söstra 
swa,  d.  h.  a  =  a.  b  23  Dr.  przelana,  Hs.  prelana.  —  S.119a  8  Dr.  tysy- 
(iczow,  Hs.  tysyoczow.  a  22/23  Dr.  czeladz,  Hs.  fehlerhaft:  czla  |  dz.  a33 
Dr.  od  nyegos,  Hs.  odnyegosz,  doch  in  den  folgenden  vier  Zeilen  nur:  -gos, 
dann:  b  12  Dr.  od  nyegosto,  Hs.  o;!nyegos  to,  also  »d«  vergessen  in  der 
Hs.,  wie  auch  a  31.  b  32  Dr.  Manales*,  Hs.:  Ma;|nases  (also  wie  Vul- 
gata),  ebenso  b  32/33  Hs.  zmanases.  b  36/37  Dr.  Hyezera,  Hs.  Hyezara. 
doch  am  Schluß  der  Zeile  Dr.  u.  Hs.  Hyeze  |  riczkich.  —  S.  120a  8/9  Dr. 
gimyona,  Hs.  gimy^  |  na.  a  11  Dr.  u.  Hs.  Manasovi  (vgl.  S.  119b  32). 
b  2  Dr.  u.  Hs.  asecz.  b  S  Dr.  od  nyegos,  Hs.  onyegos,  vgl.  S.  119a  31 
u.  b  12,  ebenso  b  19  »onyegos«  in  der  Hs.  (Dr.  od),  b  28/29  Dr.  u.  Hs. 
gymy^in.  b  30  Dr.  u.  Hs.  czast.  —  S.  121a  17/18  Dr.  u.  Hs.  odiedno. 
a  20  Dr.  dzedzictwo,  Hs.  dzedzicztwo.  a23  »c«  in  »Moabiczkem«  aus  »s« 
verbessert,  b  l  Dr.  Noa,  Hs.  »Noe«,  steht  auf  Rasur  eines  noch  erkenn- 
baren »m«,  aber  undeutlich,  b  6  »ie«  könnte  auch  »te«  gelesen  werden. 
—  S.  122 a  2  Dr.  u.  Hs.  odmowyenyd-  a  6  Dr.  u.  Hs.  nadwyelikoscza 
(genau  unter  »my^sza«  a  5).  all  Dr.  Nuunowa,  Hs.  Nvnnowa.  a  12 
Dr.  u.  Hs.  nan.  b  3  Dr.  u.  Hs.  pokopyona.  b  12  Dr.  u.  Hs.  rzvdv.  — 
S.  123a  2  Dr.  myesz^czoch,  Hs.  myeszoczoch.     a  5  Dr.  s  pal^czimi,  Hs. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      493 

spaloczimi.  a  18/10  Dr.  u.  Hs.  adwadzesy^t  |  poscopoch.  a  27  Dr.  y  ku 
ny,  Hs.  klar :  ykv  wony.  b  1 0  Dr.  u.  Hs.  nadobyata.  b  1 3  ist  in  der 
Kapitelzahl  >XXIX«  das  erste  »X«  in  schwarzer  Tinte  (das  Übrige,  wie 
immer,  rot!)  zugeschrieben  worden,  b  18  Dr.  przech^vtney,  Hs.  przechotney. 
—  S.  124a  1 1  Dr.  u.  Hs.  kvoczisczenrj.  a35/36  Dr.  porzr^dnye,  Hs,  porzo- 
dnye.  b  16  Dr.  y  palrjczey,  Hs.  ypaIocze3^  b  30  Dr.  rz^dnye,  Hs.  rzo- 
duye.  b  36/37  Dr.  u.  Hs.  czelcz^ich.  b37  das  »ba«  in  »ybaranyech«  ist 
aus  »bu«  oder  »bn«  verbessert.  —  S.  125a  6  Dr.  przechrjtney,  Hs.  prze- 
chotney. a  16  Dr.  palacze,  »a«  der  Ausgabe  =  »a«  der  Hs.  a  18  Dr. 
u.  Hs.  wiprawif.    a  2.5  Hs.  slVbi.    b  1  4  Dr.  u.  Hs.  m^ze.    b  22  Dr.  u.  Hs. 

myast 

znadzila  dvsza  (a  =  a  der  Hs.j.  —  S.  126a  3/4  Hs.  natich  Moyzes.  a  13 
Dr.  u.  Hs.  przeMagdalem.  a  23  Dr.  Syn,  Hs.  Sin.  b  1 1  Dr.  w  Esmona 
u.  b  12  z  Esmona,  Hs.  »wEsmonv«  und  »zEsmonv«.  b  13  u.  14  könnte 
für  »wBeneyacam«,  »zBenyacam«  auch  »-tarn«  gelesen  werden,  doch  der 
lat.,  griech.  u.  hebr.  Text  sprechen  für  »c«.  b  15  Dr.  Odtrjd,  Hs.  Odtod. 
a  18  Dr.  sy^,  Hs.  syo.  b  21  Dr.  »Or  .  .  .  .«  Wie  aus  der  Anmerkung 
Maleckis  ersichtlich  ist  schließt  mit  »Or«  die  Zeile,  ein  Raum  ist  also,  was 
diePunkte  der  Ausg.  auch  nicht  bedeuten  sollen,  in  d.  Hs.  hinter  »Or«  nicht 
freigelassen:  mit  »przikazanim«  beginnt  mithin  die  folgende  Zeile.  bo2  Dr. 
»doFunon«  und  »zFunon«,Hs.  »do  fmon«und  »zffinon«,  doch  »m«und  >i« 
nicht  ganz  deutlich  (»i«  aus  »t«  korrigiert?).  Vulg.  Nr.XXXIV  42  u.  43 
»Phunon«,  wie  im  hebräischen  Text,  Septuaginta  »tig  Owcbpi^  und  »6/. 
Oivöji'<s-  würde  »i«  erklären,  und  so  steckt  in  dem  »m«  wohl  nur  ein 
verschriebenes  »in«.  —  S.  127a  17  Dr.  u.  Hs.  gymyenyrj.  a  29  In  Hs. 
nach:  XXXIHI  noch  »ca™«  (rot),  b  2  Dr.  u.  Hs.  Kon'cze.  b  18  Dr.  Emath, 
Hs.  eher:  Emach.  b  19  Dr.  y  poydr>,  Hs.  ypoydo.  b  25  Dr.  Reb- 
lata,  Hs.  anscheinend:  Keblata.  b  34  Dr.  b^jdzecze,  Hs.  bodzecze.  — 
S.  128a  S  Hs.  kv  wzchodw  slvnecznye.  a  20/21  Dr.  Z  pokolenya, 
Hs.  Spokolenya,  ebenso  heißt  es  a  26,  doch  a25  Dr.  u.  Hs.  Zpoko- 
lenya.  b  6  Dr.  b^dze,  Hs.  bodze.  b  24  Dr.  n.  Hs.  Mow'.  b  26  Dr.  u. 
Hs.  Kgdisz  (vgl.  129a  3).  —  S.  129a  3  Dr.  u.  Hs.  »nechczrj«  und 
»Kgdisz«.  a  14  Dr.  u.  Hs.  nan.  a  21/22  Hs.  wvsliszeni'^lvdv.  a  29 
Dr.  u.  Hs.  swyotim.  a  33  Dr.  brjdze,  Hs.  bodze.  a  34  Hs.  lest  iest. 
b  2  Dr.  u.  Hs.  bod.  b  19  Dr.  przist^pili,  Hs.  przistopili.  —  S.  130a  17 
Vor  »a«  ein  kleines  »t«.  b  13 — 15.  In  Hs.  sind  die  Worte  »Dokonali« 
bis  »py^te«  rot  geschrieben;  auf  »py^te«  folgt  (ebenfalls  rot)  »pirwa 
kapitvla«,  was  in  der  Ausgabe  fehlt.  —  S.  131a  2  Dr.  krola,  Hs.  krolv. 
a  13  Dr.  u.  Hs.  odLibanj^.  al8  Dr.  a  Jakubovi,  Hs.  aJakobovi.  »o«,  nicht 


494  E.  Hanisch, 

V.  Das  folgende  »abi«  ist  getrennt:  »a  bi«.  a  19  Dr.  u.  Hs.  ysemyeny^y. 
a  34  Dr.  z  pokolenya  wasze,  Hs.  czpokolenya  wasze.  Das  »cz«  (=  z) 
steht  unter  dem  »cz«  von  »rzecz«  (vgl.  a  33).  a  35  Dr.  u.  Hs.  yvsta- 
villem.  b  2  Dr.  u.  Hs.  sodzicze.  b  4  Dr.  nye  brjdze,  Hs.  nyebodze. 
b  30/31  (Dr.  u.)  Hs.  nagoyi  przisli.  —  S.  132a  8  Dr.  u.  Hs.  wyelikocz. 
a  1 6,  Die  Klammer  fehlt  natürlich  in  der  Hs.  Ibid.  Dr.  u.  Hs.  ny^sl. 
a  38  Dr.  tam'.  In  der  Hs.  ist  aber  hier  hinter  »tarn«  nur  eine  Inter- 
punktion: »tarn*« ,  die  gewöhnlich  in  mittlerer  Höhe  des  Buchstabens, 
hier  also  in  voller  Höhe  gesetzt  ist  (vgl.  auch  148a  20:  twich).  b  4 
Dr.  vaszy,  Hs.  naszy.  b  26  Dr.  n.  Hs.  pcz^li.  b  30.  In  der  Aus- 
gabe ist  der  Kapitelanfang  falsch  angegeben,  nämlich  b  32,  während 
in  der  Handschrift  b  3  0  mit  »przistacz«  das  erste  Kapitel  Deute- 
ron, schließt.  Gleich  dahinter  folgt  »ca™  II«,  womit  die  Zeile  endet. 
Die  neue  Zeile  beginnt  »Przetos  scze«,  natürlich  »P«  groß  und  rot,  wie 
das  üblich  ist.  Das  »A«  (b  33)  ist  in  der  Hs.  also  klein  und  schwarz 
geschrieben  wie  der  übrige  Kontext.  —  S.  133a  11  Dr.  st^picz,  Hs. 
stopicz.  a  28  schreibt  die  Hs.  zusammen  »nyczegoy«  (vgl.  »Zusammen- 
schreibung« S.  21).  a  33  Dr.  domnyemani,  Hs.  domnymani,  b  9  Dr. 
nye  sginjil,  Hs.  nyesginol.  b  16  Dr.  sy^y,  Hs.  syo.  —  S.  134  a  2  trennt 
Hs.  »potosjok«.  a  9  Dr.  u.  Hs.  zöny,  also  hier,  wie  meistens  in  diesem 
Teil,  ist  das  diakritische  Zeichen  über  dem  Buchstaben  (vgl.  dazu  S.  132 
a  38).  a  11  Dr.  poslal,  Hs.  posal.  a  13  Dr.  u.  Hs.  Ezebon; j skemv.  a25 
Dr.  u.  Hs.  ynyechczäl.  a  34  Dr.  u.  Hs.  l'vdem.  a  37  Dr.  u.  Hs.  ywszitki. 
b  l  Dr.  u.  Hs.  yzöni.  b  17  Dr.  capitulum,  Hs.  »capitulv«  (in  roter  Schrift), 
b  25  Dr.  takos.  »t<:  undeutlich.  »i<  ?  —  S.  135  a  6/7  Dr.  u.  Hs.  ymlod- 
zonki  yzöni.  a  21  Dr.  may^cze,  Hs.  maiocze.  a  24  Dr.  na  brzedze,  Hs. 
nakrze;|dze.  a  28  Dr.  u.  Hs.  czascz.  a  30  Dr.  Manassovu,  Hs.  Manas- 
sowv.  a31  Dr.  wezwana,  Hs  weszwana, gerade  darüber  »wszitki  (vgl.  a30, 
doch  vgl.  a  34).  a  32  Dr.  u.  Hs.  zemy^.  a  34  Dr.  u.  Hs.  yweszwana. 
a  36  Dr.  wyes.  Das  diakritische  Zeichen  vor  dem  »s« :  »wye's«.  b  4  Dr. 
Geboc,  Hs. Gebot.  b26  Dr. przestrjpuyjicz,  Hs. przestopuy^cz.  - —  S.  136a 4 
Dr.  u.  Hs.  ovst.  a  9  Dr.  u.  Hs.  l'vda.  a  1  0  Dr.  nan,  in  Hs.  wieder  (vgl. 
135a  36)  na'n.  a  14  Dr.  a  nyetrrjdowatim,  Hs.  anye;  trodowatim.  a  25 
Dr.  n.  Ha.  cz^.     a  29  Dr.  kapaluskyego ,   Hs.  kapal  nskyego ,  also  das 

SV 

Zeichen  zwischen  »1«  und  »n«.  a33  Dr.  u.  Hs.  l'vd.  b  4  Hs.  violy. 
b  8  Dr.  brjdze,  Hs.  bodze.  b  9  Dr.  u.  Hs.  l'vdv.  b  20  Dr.  kaplänni- 
skich,  Hs.  wieder:  kapl'anniskich.  b  23  schreibt  die  Hs.  zusammen 
>yostrze;|gay.  b  31  Dr.  kaplänsci,  Hs.  kapl'ansci.  b33  Dr.  u. Hs.  l'vdem. 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.     495 

b  34  weise  ich  auf  die  Zeilentrennung  hin  bei  » ofly eri j  obyati « ,  —  S.137 
a3  fällt  derZeilenscLluß  in  »kni;;im«.  a3/4  Dr.  u.Hs.  kapl'anske  wl'udu. 
a  17  Dr.  u.  Hs.  vivzolil.  a  32  Dr.  u.  Hs.  cz'arownik.  b  2  Dr.  u.  Hs.  apr- 
zespokauya.  b  17  Dr.  movil,  Hs.  deutlich  »movili«,  das  in  der  Ausgabe 
ergänzte  »i«   ist  also  in   der  Hs.   vorhanden,     b  23  Dr.  w  ymy^i,  Hs. 

wymyo.  b  24  Hs.  porok.  b  27  Dr.  u.  Hs.  bo.  b  27/2S  Dr.  z  ymyenya, 
Hs.  zymyena.  b  30  Dr.  ubiczagem,  Hs.  vbiczagem.  Babiaczyk  faßt  es 
als  »wobyczajem«  (vgl.  Lex.  s.  v.  wobyczaj).  Vielleicht  ist  aber  »vbi- 
czagem« nur  verschrieben  für  »obiczagem«,  auch  in  diesem  Teile  sind 
ja  Schreibfehler  keineswegs  Seltenheiten,  b  3  L  Dr.  srozmyecz  slowa, 
Hs.  srozmyecz  slowv.  —  S.  138a  ti  Dr.  u.  Ha.  w  myescz  gich.  Offen- 
bar eine  Haplographie.  Bei  Babiaczyk  habe  ich  s.  v.  »miasto«  nichts 
darüber  gefunden  (auch  an  anderer  Stelle  des  Lex.  nicht).  Dabei  will 
ich  bemerken,  daß  dem  »w  myescz(ech)  gich«  unseres  Textes  eine  Vari- 
ante: »in  urbibus  earum  =  Septuag.  cv  ralg  ttöXeolv  avxwv<  ent- 
spricht, die  heutige  Vulgata  dagegen  liest:  »in  urbibus  eins«  (Deut. 
XIX  1).  a  10/11  Dr.  u.  Hs.  kragina  twrj.  a  16/17  Dr.  s  wczora,  Hs. 
wsczora.  a  26  Dr.  u.  Hs.  przel'ana.  b  2  ist  die  Klammer  vor  »iakosz^. 
natürlich  nicht  handschriftlich,  b  10  Dr.  myastom,  Hs.  myostom.  b3  1  Dr. 
u.  Hs.  swj^dek.  b  36  Dr.  Iziwi,  Hs.  Izivi.  —  S.  139a  2/3  Dr.  u.  Hs. 
ka; I pl'anskem.  a  8  Dr.  czinicz,  Hs.  vczinicz.  a  IS  Dr.  u.  Hs.  masz'. 
b  3  Dr.  vinnicza,  also  a  =  a  der  Hs.  b  21  Hs.  gi=  lieh,  b  26  Dr.  u. 
Hs.  l'vd.    b  33  Dr.  u.  Hs.  z'on.    b  35  Dr.  u.  Hs.  wyogensky.    b  37  Hs. 

e  nye 

nyprzyaczol.  —  S.  140a  30  Hs.  ab^idze  vyedzano.    b  17  Dr.  u.  Hs  l'vdv. 

e 

b  19  Hs.  nyvinlney  posrod  l'vda.  b  26  Dr.  u.  H.  pod  twv  r^k^j.  b  28  Dr. 
wyrysznyom,  Hs.  wy^sznyow.  Doch  »w«  undeutlich,  b  33/34  (Dr.  u.) 
Hs.  wdo]mv  twemv.  Das  »v«  in  »twemv«  ist  aus  »^«,  dessen  unterer 
Strich  deutlich  ist  (es  folgt  »b^vdze«),  verbessert.  —  S.  141a  19  Hs.  s(>;| 
{jcz.  a  26  Dr.  u.  Hs.  l'vd.  a  34  Dr.  bogem,  Hs.  b^gem  (vorher  »prze- 
kl^^^t«).  b  16  Dr.  u.  Hs.  przedbog'em,  also  mit  diakritischem  Zeichen 
hinter  »g«.  b  21  Dr.  ucz,  die  Hs.  v'cz',  also  vor  »c«  und  hinter  »z«  das 
diakritische  Zeichen,   b  25  Dr.  u.  Hs.  strzech^.    b  28  Dr.  u.  Hs.  padnye. 

—  S.  142  a  5  Dr.  sromata,  d.  i.  a  ==  a  Hs.  a  S  Hs.  knyey  nalaszlem. 
a  22  Dr.  ganbil.  In  der  Hs.  ist  das  diakritische  Zeichen  hier  zwischen  »a« 
und»n«,  also  »ga'nbil«.  a  25  Dr.  any  b^ydze,  Hs.  anyeb^dze.  b  6  Dr.  u. 
Hs.  m;;ze,  fast  darüber  steht   »ze«  (vgl.  auch  b  5).    Ibid.  u.  b  23:  Dr. 


496  E.  Hanisch, 

u.  Hs.  poganbil.  b  10  Dr.  popadw,  Hs.  popodw.  b  26  Dr.  u,  Hs.  Nye- 
pomye.  —  S.  143  a  8  Dr.  u.  Hs.  klrjtwa.  a  29/30  Dr.  obletczon,  Hs. 
oblecczon.  Ich  habe  schon  öfters  aufmerksam  gemacht,  daß  »t«  und  »c« 
einander  sehr  ähnlich  sind,  a  33/34  Dr.  u.  Hs.  anizy^dni.  b  13  Dr. 
przes,  in  der  Hs.  ist  das  diakritische  Zeichen  zwischen  »e«  und  »s«,  also 
prze's.  b  IG  Dr.  u.  Hs.  odzerzisz.  —  S.  144a  G  Dr.  wzo^cz*,  Hs.  wz^l 
rjcz.  a  7  Dr.  u.  Hs.  przedbog'em  (das  Zeichen  zwischen  »g«  und  »e«). 
a  30  Dr.  u.  Hs.  dlozen.  b  5/6  Zeilenschluß  in  Hs.:  wzemi  twej.  b  18 
Dr.  u.  Hs.  wspominay^,  auch  b  35.  b32  Dr.  gronnich,  Hs. :  grönich. 
b  36  Dr.  robotowal,  Hs.  robotawal  (doch  »a«  undeutlich].  —  S.  145a  6 
Dr.  pot^py^,  Hs.  prjt^pyri.  all  »liczbi  cztirjzech  dzesyrjtkow  nye«  auf 
einer  Rasur,  doch  ist  der  ursprünglich  geschriebene  Text  nicht  mehr  zu 
erkennen.  al9  Dr.  semy^,  das  diakritische  Zeichen  steht  rechts  oben 
hinter  dem  »s«:  l'emyrj.  a  23/24  Dr.  u.  Hs.  bratra.  b  11/12  Dr.  Nye 
b^dzesz  myecz  waczku,H8.dittographischNyebp  dzesz  myeczNyebodzesz 
myecz  vvaczjkv.  Das  zweite  Mal  also  »bodzesz«.  b  32  Dr.  gibt  als  Kapitel- 
überschrift »capitul.  XXVI« ,  Hs.  (in  Rot)  ^capitvlvXXVI«.  —  S.  146 
a  5  Dr.  u.  Hs.  przist^pyrv.  a  10  Dr.  u.  Hs.  kapl'an.  a  15.  Hs.  trennt: 
»bi;  iL  Ibid.  Dr.  sst^pil,  Hs.  sstopil.  a  IG  Dr.  u.  Hs.  liczbi.  a  24/25 
Dr.  nasz  z  Egipta,  Hs.  dittographisch  (Zeilenschluß!)  nasz ' naszzegipta. 
a  25  Dr.  y  roscz<^gnonim ,  Hs.  yrosez^=j  gn^nim.  a  26  Dr.  u.  Hs. 
yvyelikyem.  Vor  »w«  wird  in  diesem  Teile  der  Hs.  die  Präposition  »w« 
gewöhnlich  nicht  geschrieben,  entsprechend  steht  es  mit  »z«.  b  2  Dr.  u. 
Hs.l'ata.  b  3  Dr.  dzesy^icinnego,  Hs.mitDoppelnngszeichen:  dzesy^cinego, 
vgl.  144  b  32.  In  diesem  Teile  der  Hs.  sind  die  Abbreviaturstriche  nicht, 
wie  früher,  einfache  Striche  (-),  sondern  leicht  gebogen  (~).  b  15/16  Dr. 
anym,  Hs.  anim.  b30  Dr.  aby  chodzil,  Hs.  aby  czodzjchodzil.  Das  »czodz« 
ist  eine  Verschreibuug  für  (dittographisches)  »chodz«,  wohl  durch  Ein- 
tiuß  des  genau  über  dem  »z«  stehenden  »z«  von  »dzysz«  (vgl.  auch  b  29). 

r 

b  34  Hs.  vibal.  —  S.  147  a  9/10.  Hinter  »wyelike«  ist  ein  »e«  aus- 
radiert, der  Raum  noch  frei,  dann  erst  »kamyenye«.  a  15  Dr,  a 
myodem,  Hs.  amy^dem.  a  19  Dr.  y  spogesz,  die  Hs.  hatte  wohl  ur- 
sprünglich »-gesz«  (vgl.  folgendes  »ge«),  doch  wurde  der  Schreibfehler 
bald  bemerkt  und  nun  in  das  »e«  hineinkorrigiert,   so  daß  ein  (mithin 

e 

undeutliches)  »y«  zu  lesen  ist,  also  »yspogysz«.  a  21/22  Hs.  nydot|klo. 
a  23/24.  Hinter  »oflyerowacz«  ist  ein  Buchstabe  radiert  (»1«  oder  >s« 
anscheinend),    a  33  Dr.  u.  Hs.  l'vd.    b  5  Dr.  u.  Hs.  Benyanim.    b  6/7 


Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  n.  die  Lemberger  Ausgabe.     497 

Dr.  u.  Ha.  kv  przekl(^czr^.  b  1 7  Dr.  u.  H3.  l'vd.  b  1 8  Dr.  u.  Hs.  blisz- 
:'ego.  b  19  Dr.  u.  Hs.  l'ud.  b  21  Dr.  u.  H8.  l'vd,  ebenso  b  24,  aber 
b  27  »Ivd«,  also  ohne  diakritisches  Zeichen,    b  29  Dr.  u.  Hs.  l'ud.    Ibid. 

>Przkl^ti«  in  der  Hs.  b  30/31  Dr.  u.  Hs.  yzdzewka,  also  a  =  a.  b  32 
u.  38  Dr.  u.  Hs.  IVd,  aber  b  34  u.  36  Ivd.  —  S.  148  a  2  Dr.  u.  Hs.  nye- 
vinnjye  yodpoye.  a3  u.  6  Dr.  u.  Hs.  Ivd,  vgl.  147  b  32.  a S/9  Dr.  wszistko, 
Hs.  ursprünglich  »wszisteko,  das  »e«  der  Mittelsilbe  radiert,  Raum  aber 
freigeblieben,  a  11  Hs.  vis5|3zego.  a  15  Dr.  b^idzesz,  Hs.  bodzesz. 
b  20  Dr.  u.  Hs.  modl.  b  21  Dr.  glosu  pana,  Hs.  glosv  panv.  —  S.  149 
a  4  Dr.  u.  Hs.  kdze'rzenyv.  a  20/21  Dr.  u.  Hs.  yb^idze.  a  29 
Dr.  u.  Hs.  wyeczmach.  a  31  Dr.  u.  Hs.  b^df>.  b  8  Dr.  u.  Hs.  l'vdv. 
Hier  also  wieder  »1'«,  was  seit  S.  147b  38  nicht  geschrieben  wurde. 
Aber  b  13  Ivd,  ibid.  ist  zusammengeschrieben  »ktoregosty  nyeznasz  aty- 
b^idzes  czirpyecz«  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  12).  b  22  Dr.  u.  Hs. 
wljwd  (=  w  lud),  b  25  Dr.  dzewyanim  y  kamyennim,  Hs.  dzewyanim 
ykanyen'nim,  also  »n«  statt  »m«.  b  27  Dr.  u.  Hs.  wszem  Ivdv.  b  29 
Dr.  u.  Hs.  usznes,  also  »n«.  b  33  Dr.  u.  Hs.  opvscz^na.  —  S.  150a  7 
In  Hs.  vor  »ale«  ein  durchgestrichenes  »aty«.  In  der  folgenden  Zeile 
steht  fast  gerade  darunter  »aty«  (vgl.  a  8).  a  15  Dr.  nad  t^b^,  Hs. 
»nadtobrj«.  a37  Dr.  y  nye  zetrze,  Hs.  yznyezetrze.  Erstes  >z«  durch- 
gestrichen,   b  6  Dr.  u.  Hs.  amyasso.     b  18  Dr.  u.  Hs.  Czajnka.    b  19 

e 

Hs.  nymogla.  b  22  Dr.  u.  Hs.  ycz'ankoscz,  vgl.  b  18.  —  S.  151a  11 
Dr.  u.  Hs.  gwy'asdy.  a  23  Dr.  u.  Hs.  ykamyenni.  a28  Hs.  zal03cz(^vdr^- 
czonji.  a  32  Dr.  do,  Hs.  deutlich  »da«,  b  3  Dr.  b^dze,  Hs.  bodze. 
Ibid.  Dr.  capitu,  Hs.  capitm,  >tm«  bildet  eine  Ligatur,  b  15  warn,  »m« 
undeutlich  b  19  Dr.  u.  Hs.  l'aat.  b  20  Dr.  u.  Hs.  ob'ow.  b  28  Dr.  u. 
Hs.  ypobilisme.  —  S.  152a  5/6  Dr.  svosz^i  wod^,  Hs.  deutlich  »3n;|osz{j 
wod^«,  entsprechend  dem  Wortlaut  des  Vulgatatextes :  comportant  aquas 
(Deuteron.  XXIX  11).  Da  »zwozic«  bei  Babiaczyk  nur  einmal,  eben 
hier,  belegt  ist,  muß  es  mithin  aus  dem  Lexikon  gestrichen  werden, 
a  12  Dr.  a  lakubovi,  Hs.  alakobovi,  vgl.  154  a  2).  a  18  Dr.  u.  Hs. 
nadrow  (=  narodöw).    a  19/20  Dr.  u.  Hs.  g'anyebnosczi.    a  24  Dr.  u. 

z 

Hs.  czel'adz.  a  35  Hs.  rolege.  b  3  Dr.  u.  Hs.  podn'ebem.  b  5/6  Dr. 
u.  Hs.  podle  przekl^czr^.  b  1 3  Dr.  sluneczn^i  szg^^cz.  In  der  Hs.  folgt 
hinter  »slvneczn^«  noch  ein  »(v«,  welches  getilgt  werden  sollte,  aber  in 
seinen  Spuren,  dicht  vor  »szgrj^cz«,  noch  ganz  deutlich  zu  erkennen  ist. 
b  15/16  Dr.  wsplodzilo,  Hs.  wspodzilo.    b  36  Dr.  u.  Hs.  giscze.    b  37 

Archiv  f6r  slavische  Philologie.    XXiV.  32 


498  E.  Hanisch, 

Dr.  sy^.  Skricze.  In  der  Handschrift  sind  eng  aneinander  geschrie- 
ben: s^skricze  sy^  Skricze.  —  S.  153  a  1  Dr.  u.  Hs.  nanye.  a  4  Dr. 
u.  Hs.  przeyd(^.  al7  Dr.  u.  Hs.  l'vdzi.  a2l  Dr.  y  przyme.  Hs.  mit 
diakritischem  Zeichen  hinter  dem  »m«^  also  »yprzym'e«.  b  8  Dr.  u.  Hs. 
sczodro;!go.  b  17  Dr.  n.  Hs.  wewsze  dvszy.  b  21  Dr.  u.  Hs.  rzecz  znasz'. 
Das  (von  MaL  ergänzte)  »kto«  fehlt  also  auch  in  der  Hs.  —  S.  154  a  13 
Dr.  u.  Hs.  ykl(^tf^.    a  25  Dr.  u.  Hs.  l'at.    b  30  Dr.  u.  Hs.  navcz^.  — 

c 

S.  155  a  1  Hs.  pospyszicze.  a  4  Dr.  stoytasz  w  stanu,  in  der  Hs.  stand 
vor  »wstanv«  ein  »s«,  welches  getilgt  wurde,  aber  in  seinen  Spuren  noch 
deutlich  ist.  b  38  Dr.  köncza,  in  der  Hs.  steht  das  Zeichen  hinter  dem 
k'.  —  S.  156a  1/2  Dr.  u.  Hs.  movim  slysz  zemy^.  a  27/28  Dr.  u.  Hs. 
»goss|dze.  Psalm  audite  cell.  Przeto  przyd(>:|^cz«.  Die  Worte  »Psalm 
audite  cell«  sind  rot  geschrieben.  Aus  cechischen  Bibeln  hat  Jirecek 
ähnliches  nicht  angemerkt,  wie  aus  Casop.  Cesk.  Mus.  1864  S.  157 ff. 
und  besonders  S.  161  zu  ersehen  ist.  Hier  scheint  also  der  volle  Text 
überall  vorzuliegen,  a  30  Dr.  v  vszu  (uszu),  Hs.  wszv.  b  7  Dr.  trwacz, 
Hs.  trawacz,  doch  ist  das  erste  »a«  durchgestrichen,  soll  also  keine  Gel- 
tung haben,  b  31  Dr.  u.  Hs.  Bog  sSyna.  b  31  Dr.  u.  Hs.  swyatich.  — 
S.  157a  3  Dr.  u.  Hs.  kgyego.  a  12  Dr.  u.  Hs.  l'vdv.  a  13  Dr.  u.  Hs. 
zan',  also  das  Zeichen  hinter  dem  »n«.  a  18.  Wegen  der  doppelten  Li- 
quida vermerke  ich  die  Zeilentrennung  bei  »ysrjdzilsjlesz«.  a  25  Dr.  u. 
Hs.  twa  und:  kadzilnye.  a  28  Hs.  Ra'n,  also  das  Zeichen  vor  dem  »n« 
(vgl.  a  13).  a  33  Dr.  u.  Hs.  poscely.  Ibid.  ist  die  Trennung  durch 
Zeilenschluß  zu  bemerken  in  »wszit=|tek«.  Doch  muß  ich  hervorheben, 
daß  die  beiden  andern  von  Babiaczyk  notierten  Stellen  für  »wszittek« 
(s.  V.),  nämlich  99b  22  und  lül  a  15,  nicht  durch  Zeilentrennung  begrün- 
det werden  können,  a  36  Dr.  u.  Hs.  zemy^.  b  21/22  Dr.  u.  Hs.  poch- 
ficil.  b  31  Dr.  u.  Hs.  ykvpol'vdnyo.  b  32.  In  der  Hs.  ist  hier  ein  Inter- 
punktionszeichen versehentlich  so  hoch  gesetzt  bei  »powye*  pozegnani«, 
wie  sonst  die  diakritischen  Zeichen.  (Ich  bemerke  das  wegen  S.  132 
a  38).  b  35  Dr.  u.  Hs.  oboyw.  —  S.  158a  1  trennt  die  Hs. :  prze  spra- 
wyedliwego.  all  Dr.  u.  Hs.  l'vd.  a  19  Dr.  u.  Hs.  ykaz^i.  a  23  Dr.  u. 
Hs.  posledn'ego.  a  27  Dr.  u.  Hs.  zemy^.  b  3  Dr.  Vidzales,  in  der 
Hs.  ist  das  Zeichen  wieder  hinter  dem  »z«.  b  18  Dr.  nan,  Hs.  nan'. 
b  30 ff.  Die  gesperrt  gedruckten  Worte  des  Dr.  (Dokonaly-Jozve)  sind 
rot  geschrieben.  —  S.  159a  1  Dr.  stalo,  Hs.  i  stalo.  a  8  Dr.  u.  Hs.  l'vd. 
a  14  Dr.  zemya,  d.h.  in  derHs.  steht  hier  wieder  das  durchstrichene  a.  — 
b  6  Dr.  u.  Hs.  wyednye.     b  9  Dr.  u.  Hs.  ysrosmyesz.    b  1 1  Dr.  u.  Hs. 


Die  SäroBp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  die  Lemberger  Ausgabe.      4  99 

Nyestrzasz.  b  17  Dr.  u.  Hs.  Przy;  |  pawcze.  —  S.  160a  10  Dr.  u.  Hs. 
wzchodv  slvneczmv.  a  32/33.  Vor  >przissla«  ein  Strich,  der  aber  seiner 
Form  nach  nur  als  verschriebener  Anfang  eines  Buchstaben  anzusehen  ist, 
nicht  als  diakr.  Zeichen,  b  34  Dr.  ydaysta,  Hs.  ydaysjta.  —  S.  161  a  21 
Dr.  u.  Hs.  ssedrzvi.  a  27  Dr.  u.  Hs.  nayaflwno.  b  33  Dr.  u.  Hs.  wysycz. 
—  S.  162a  4  Dr.  wodyJordanskich,  in  Hs.  »y«  undeutlich.  a6  Dr.  u.  Hs. 
aslysce.  a  7  Dr.  u.  Hs.  yopyacz.  a  14  Dr.  u.  Hs.  prze;|dze.  a  15.  In 
»dwanacze«  steht  das  auslautende  »e«  auf  Rasur,  a  21  Dr.  wodach, 
Hs.  mit  Verschreibung:  i  wdo  \  wodach.  b  3  hat  die  Hs.  durch  Zeilen- 
schluß (ebenso  lG3a  7)  »pos5|srod<  (vgl.  b  10  sposrotkv).  b  12  Dr. 
Kaplanskye.  Das  Zeichen  (Punkt)  ist  rechts  oben  vom  »n«.  —  S.  163 
al  Dr.u.  Hs.  dwanascze.  a21  Dr.  wzwyelbil,  Hs.  iwzye;  wzwyelbil.  a  31 
Dr.u.Hs.  vedno  swoy.  a 36  Dr.  u.  Hs.  wzchodv  slvneczgo  myesta.  b4Dr. 
u.  Hs.  optay^.  b  7  Dr.  u.  Hs.  posvchemdno.  b  1 6  Dr.  u.  Hs.  krolov'e. 
b  21  Dr.  Jordänske,  in  der  Hs.  steht  das  Zeichen  rechts  oben  von  dem 
»a«.  b  23  Dr.  u.  Hs.  syercza.  —  S.  164a  2  Dr.  u.  Hs.  l'aat.  a  9  Dr. 
u.  Hs.  obrzal.  a  23  Dr.  u.  Hs.  l'ata.  yzgyn^ila  mam;|na  (Josua  V  12: 
Defecitque  manna).  a  27  Dr.  u.  Hs.  l'ata.  a  32  Dr.  a  rzek(^,  Hs.  alrzeko, 
das  »1«  durchgestrichen,  b  12  Dr.  gedno.  In  der  Hs.  hat  das  »0«  nur 
oben  einen  Strich,  wie  auch  gelegentlich  sonst  »(^«  nur  so  geschrieben  ist, 
also:  gedn(^;semel.  Vgl.  dazu  Babiaczyk,  Lexikon  s.  v.  -»jedno«.  b  13 
Dr.  u.  Hs.  zasyecz.  b  16  Dr.  u.  Hs.  l'ato.  b  16/17  Dr.  u.  Hs.  skrzinya. 
b  22  ist  die  Zeilentrennung  beachtenswert  in  »przewyeliki;|im«.  b28/29 
Dr.  u.  Hs.  sed  tr^^ibjl'ata  (vgl.  b34).  b  34  Dr.  u.  Hs.  przed  skrinyj:}.  — 
S.  165  a  2  Dr.  u.  Hs.  zaskriny^.  a  1 5  Dr.  u.  Hs.  l'ata.  a  18  Dr.  u.  Hs. 
zaskrzynya.  a  19  Dr.  tr^^byr^cz,  Hs.  trobyjjcz.  a  25  Dr.  zatr^bili,  Hs, 
zatrobili.  b  4  Dr.  u.  Hs.  l'vd.  b  18  Dr.  mlodzencze,  Hs.  mit  Abbre- 
viatur: mlodzecze.  b  20  Dr.  yprzirodzone.  Hs.  y  i  pirwi  I  przirodzone, 
d.  h.  »pirwi«  ist  in  der  hier  schon  öfter  belegten  Weise  der  Einklamme- 
rung (vgl.  S.  162a  20)  beseitigt,  vgl.  dazu  b  35  Dr.  u.  Hs.  wpirworo- 
dzenyv.  —  S.  166  a  3  Dr.  przest^ipili,  Hs.  przestopili.  a  1 1  Dr.  Bethaven 
(so  auch  Vulg.  Josua  VH  2),  Hs.  Bethanen  (kaum  »Bethauen«),  vgl. 
168a  34!  a  23  Dr.  u.  Hs.  ypaddlo.  a24  Dr.  szecz,  Hs.  sze'cz,  also 
mit  diakritischem  Zeichen,  das  hier  nur  etwas  schwächer  als  sonst  aus- 
gefallen ist.  b  10.  Das  diakritische  Zeichen  in  »Wstan'«  ist  wieder 
rechts  oben  von  »n«.  b  12  Dr.  u.  Hs.  l'vd.  b  13  will  ich  die  Wort- 
trennung erwähnen  in  »zaklj^  tey«  (vgl.  »Zusammenschreibung«  S.  20). 
b  13/14  Dr.  u.  Hs.  vkratdli  (vgl.  a  23:  paddlo).    b  18  Dr.  zakl^t^,  Hs. 

32* 


500    E.  Hanisch,  Die  Särosp.  altpoln.  Bibelhandschr.  u.  d.  Lemb.  Ausg. 

zakl^ita,  mit  dem  durclistrichenen  a  am  Ende!  b  22  Dr.  z  iutra,  Hs. 
zyvtra,  b  26  Dr.  doy^d  nye,  in  der  Hs.  steht  zwischen  beiden  Worten 
noch  ein  durchgestrichenes  »y«.  b  32.  In  »pom^zoch«  fehlt  bei  »^« 
nur  der  obere  Strich.  (Ich  erwähne  das  nochmals  wegen  »gedn^i«  S.  164 
b  12.)  b  35.  In  >przest^pil<  ist  bei  »^«  der  Strich  fast  verloschisn, 
vorher  noch:  gymyeni  im.  —  S.  167a  1  Dr.  u.  Hs.  wewsem.  a  4.  In 
der  Hs.  ist  das  diakritische  Zeichen  bei  »nalez'ona«  hinter  dem  >z«. 
a  17  Dr.  u.  Hs.  pl'onem.  a  19  Dr.  u.  Hs.  py^^czdzessy^nt.  a  23.  Der 
diaki-itische  Strich  in  »pirz'czry  ist  sehr  schwach  (vgl.  166a  24).  a  30 
Dr.  plascz,  Hs.  pascz  (Vulg.  Josua  VII  24:  pallium).  a  31  Dr.  u.  Hs. 
prvidlo.  a  32  Dr.  u.  Hs.  ysta.  b  3  Dr.  u.  Hs.  nan'.  b  8  Dr.  VIII,  Hs. 
VIII  vm.  b  17  Hs.  zamyastem  ada  Ywstaf,  also  mit  Verschreibung. 
b  20  Dr.  silnich,  Hs.  ssilnich,  doch  ist  das  erste  »s«  getilgt,  wenn  auch 
freilich  noch  deutlich  erkennbar,  b  27  Dr.  pobyegnyem.  Die  Hs. 
schreibt,  mit  Abbreviatur  in  Zeilenmitte  »pobyegnye«,  wobei  noch  zu  be- 
merken ist,  daß  »gnye«  auf  Rasur  steht  und  etwas  kleiner  geschrieben 
ist  als  der  übrige  Text.  —  S.  168  a  5/6  Dr.  stronye,  Hs.  stronye  przeciw 
(vgl.  a5).  b6  Dr.  noczy  oney,  Hs.  »noczy  joneny.:  oney«,  aS  Dr.  u.  Hs. 
widzi.  a  10  Dr.  przis(ed)  wszi,  Hs.  przis,  dann  der  obere  Teil  eines  >z« 
erkennbar,  darauf  Raum  für  zwei  Buchstaben,  dann  Zeilenschluß.  Was 
für  Buchstaben  dastanden,  läßt  sich  durch  die  vielen  Kratzer  und  infolge 
eines  großen  Fleckes  nicht  erkennen,  aber  wohl  »przisz(ed);jwszi«.  a  15 
Dr.  u.  Hs.  mjizof.  a  17/lS  Dr.  u.  Hs.  wasza.  a  18.  Hs.  trennt  »napol 
noczn;^«.  a  24/25  Dr.  u.  Hs.  azedna.  a  33  Dr.  u.  Hs.  ani|z(jdni.  a  34 
ywBetaven,  vgl.  166a  11.  b  2S  Dr.  u.  Hs.  krole.  —  S,  169a  12  trennt 
Hs.  od  nyesze.  a  28  Dr.  u.  Hs.  apot  (vgl.  Maieckis  Anmerkung),  a  30 
Dr.  u.  Hs.  ssteyto  (so  auch  b  8  u.  15).  b  24  Dr.  u.  Hs.  ocz5|cza.  b  27 
Dr.  z  kragin  Mezopotanye,  Hs.  hat  aber  deutlich  »zkragiu«.  Vulg.  Josua 
XXIV  3:  de  Mesopotamise  finibus.  —  S.  170  a  3  Dr.  u.  Hs.  wiwi^^dllem. 
b  1  Dr.  u.  Hs.  yolywya.  b  5.  Das  »y«  in  »bogy«  hat  hier  eine  von 
der  sonstigen  Schreibweise  des  Buchstabens  abweichende  Gestalt,  näm- 
lich wie  sonst  die  Ligatur:  »ij«  (z.B.  gleich  b  6  u.  13:  Mezopothanii). 
b  26  Hs.  mit  diakritischem  Punkt:  a'morreyskye.  b30  Dr.  Nye  b^^dzecye, 
Hs.  Nyebodzecye.  —  S.  171a  — ,  b  — . 

(Schluß  folgt.) 

Beuthen  O./S.  Erdmann  Hanisch . 


501 


Zur  Yisio  Tundali. 


Ich  hatte  schon  im  J.  186S  im  Kukuljevicschen  Arkiv  B.  IX  einer 
Handschrift  Erwähnung  getan,  glagolitisch  geschrieben  im  J.  14 GS,  in 
welcher  sich  u.  a.  auch  der  kroatische  Text  der  Visio  Tundali  befindet. 
Leider  habe  ich  damals,  als  die  Handschrift  von  Kukuljevic  mir  zur  Ver- 
fügung gestellt  wurde,  nicht  Zeit  gehabt,  den  vollen  Text  abzuschreiben. 
Die  Handschrift  war  nämlich  von  dem  damaligen  Besitzer  derselben,  Dom- 
herrn J.  Petris  in  Veglia  (Krk),  nur  auf  kurze  Zeit  Kukuljevic  zur  Be- 
nutzung überlassen  worden;  zur  Rückgabe  gedrängt  mußte  er  sie  auch 
von  mir  zurückverlangen,  bevor  ich  Zeit  gehabt  hatte  alles  abzuschreiben, 
was  ich  im  Sinne  hatte.    Immerhin  dürfte  das,  was  ich  daraus  a.  a.  0. 
im  Arkiv  mitteilte,  nicht  so  ganz  unbedeutend  gewesen  sein,  wie  es  nach 
der  Miloeticschen  Bibliographie  S.  272  den  Anschein  hat.    Nun  hat  vier 
Jahre  später  Danicic  in  »Starine«  B.  IV  einen  anderen  kroatischen  Text 
derselben  Visio  herausgegeben,    ohne   merkwürdigerweise    des    glago- 
litischen Textes   auch  nur  zu  gedenken.    Richtig  ist  so  viel,  daß   der 
glagolitische   und   der  Danicicsche  Text   (um  ihn   so   kurz  zu  nennen) 
nicht  so  nahe  zueinander  stehen ,  daß  man  sie  als  Abschriften  aus  einer 
und  derselben  älteren  Vorlage  bezeichnen   könnte.    Das  sind  vielmehr 
zwei  verschiedene,  voneinander  unabhängige  Texte   desselben  Stoffes. 
Der  Herausgeber  der  glagolitischen  Bibliographie  war  leider  nicht  in  der 
Lage,  der  Handschrift,  dem  Codex  Miscellaneus  Petris',  den  er  mit  Recht 
als    den    merkwürdigsten   in    der   ganzen    glagolitischen  Literatur  der 
späteren  Jahrhunderte  (XV. — XVII.)  bezeichnet,  größere  Aufmerksam- 
keit zu  widmen,  als  ihn  nur  flüchtig  auf  S.  271 — 272  zu  beschreiben. 
Dieser  traurige  Umstand  veranlaßt  mich,  wenigstens  das  Wenige,  was 
ich  damals  aus  der  Visio  Tundali  abgeschrieben  hatte,   damit  es  nicht 
ganz  verloren  gehe,   hier  zum  Abdruck  zu  bringen.    Meine  Abschrift 
wurde  mit  lateinischer  Schrift  gemacht,  ich  lasse  so  auch  hier  den  Text 
in  derselben  Form  abdrucken,  wobei  ich  bemerken  will,  daß   ich   die 
Transkription  buchstäblich  ausführte,  den  glagolitischen  Buchstaben  w 
durch  c  wiedergab,  wo  er  sc  auszudrücken  hatte,  setzte  ich  s  kursiv  hin- 
zu, das  gewöhnliche  sc  bedeutet  dagegen,  daß  im  Original  Ui«  steht;  j 
entspricht  dem  glagolitischen  .«,  nur  htijii  muß  man  das  glagolitische  w 
voraussetzen. 


502  V.  Jagic, 

Nach  meiner  Abschrift  beginnt  der  glagolitische  Text  in  der  Hand- 
schrift auf  Blatt  306,  denn  oberhalb  der  ersten  Kolonne  des  Textes  steht 
die  glagolitisch  geschriebene  Zahl  ot3.  Kukuljevic,  von  dem  eine  kurze 
Übersicht  des  Inhaltes  des  ganzen  Kodex  herrührt,  die  sich  in  meinem 
Besitze  befindet,  setzt  den  Beginn  der  Visio  Tundali  auf  Bl.  295.  Also 
seine  Zählung  stimmt  mit  den  Angaben  der  Handschrift  nicht  überein. 
Ich  habe  beim  Abdruck  einzelner  Texte  aus  dieser  Handschrift  im  Arkiv 
B.  IX  die  Foliozahlen  nach  der  Handschrift  angeführt.  Das  Inhaltsver- 
zeichnis Kukuljevics  war  so  ungenau  abgefaßt,  daß  die  meisten  von  mir 
im  Arkiv  abgedruckten  Texte  gar  nicht  erwähnt  sind.  Leider  ist  auch 
bei  Milcetic  viel  zu  wenig  über  den  Inhalt  gesagt. 

Der  glagolitische  Text  hat  vor  dem  Danicic'schen  den  Vorzug,  daß 
in  ihm  der  Anfang  der  Visio  enthalten  ist,  der  dem  in  Starine  IV  abge- 
druckten Text  abgeht.  Sonst  scheint  er,  soweit  man  nach  dem  von  mir 
abgeschriebenenBruchstück  urteilen  kann,  eine  ausführlichere  Fassung  zu 
enthalten,  als  der  Dauicicsche  Text.  Die  Praefatio  oder  der  Prologus 
ist  nicht  vorhanden.  Es  gibt  auch  lateinische  Texte  ohne  Prologus  (vgl, 
den  lat.  Text  der  Wiener  Hofbibliothek  4  94  6  saec.  XV).  Der  Text  be- 
ginnt mit  der  Überschrift:  »Haec  est  narratio  vera  et  munda  de  optimo 
milite  Dundulo«.  Die  ersten  Worte  der  Erzählung  enthalten  die  Zeit- 
bestimmung: Anno  Christi  milesimo  quadragesimo  nono,  qui  erat  annus 
secundus  tempore  regis  Kondati  (lege  Konradi)  imperatoris  Romani  belli- 
cosi,  qui  illo  tempore  bellum  habebat  contra  Hierosolima,  hie  autem  erat 
annus  quartus,  ex  quo  Eugenius  papa  in  pontificatum  electus  est.  Et 
hoc  anno  papa  Eugenius  Romam  reversus  est  de  terra  Galilaeae  (sie)  .Diese 
Zeitbestimmung  kommt  lateinisch  im  Prologus  vor  (vgl.  Albrecht  Wagner 
Visio  TnugdaliS.4 — 5),  mit  ihr  beginnen  mehrere  lateinische  Texte  und 
auch  der  weißrussische  Text  (bei  Brückner,  Archiv  XIU,  S.  202).  Auch 
die  nächsten  Zeilen  stimmen  zu  dem  Text  des  Prologus,  allerdings  mit 
starker  Verunstaltung  der  Namen:  Itidem  illo  anno  sanctus  Malachias 
in  monasterio,  quod  Cvaleil'lis  appellatur  (lege  Clarevallis),  de  hoc  mundo 
decessit.  Unmittelbar  darauf  folgt  aus  dem  ersten  Kapitel:  Et  haec  visio 
facta  est  in  quadam  urbe  metropolis  et  ibi  duae  reginae  electae  sunt  in 
ea  urbe,  quae  Ardinaca  nominatur.  Ich  gebe  hier  wörtliche  Übersetzung 
des  glagolitischen  Textes,  im  lateinischen  Text  ist  von  den  Städten  die 
Rede,  quarum  presules  duobus  subsunt  metropolitanis  (ed.  Wagner  S.  6, 
Z.  12  — 13).  Im  weiteren  stimmt  der  glagolitische  Text  mit  dem  latei- 
nischen ziemlich  gut  übereiu :  Item  a  parte  australi  Hyberniae  est  quae- 


Zur  Viaio  Tundali. 


503 


dam  urbs,  quae  Calasien3is  appellatur,  ex  eadem  urbe  ortus  est  quidam 
vir  genere  nobills  celeberque  nomine  Dundul  (vgl.  bei  Wagner  S.  B,  Z.  14 
bis  IG).  Die  Charakteristik  dieses  Dundul  erinnert  im  glagolitischen 
Text  teilwreise  an  den  weißrussischen:  Et  iste  homo  erat  magnopere  con- 
tra iustitiam  divinam  et  plenus  malis  operibus  et  miles  (eques)  factus  est 
propter  suam  egregiam  fortitudinem ,  quoniam  in  huius  mundi  rebus  ver- 
sutus  erat,  erat  autem  fortls  in  vita,  sed  quae  salutem  eins  animae  atti- 
nent,  de  bis  nihil  curabat  et  si  quis  ei  de  salute  animae  quidquid  com- 
memoravisset,  magnum  sibi  adversarium  putabat.  Man  vergleiche  mit 
dieser  wörtlichen  und  darum  recht  holperig  klingenden  Übersetzung  den 
Passus  in  der  Visio  ed.  Wagner  S.  6,  Z.  2 1  — S.  7,  Z.  3.  Auch  der  weitere 
Verlauf  der  Erzählung  (bei  Wagner  S.  7,  Z.  3— S.  S,  Z.  27  und  S.  9, 
Z.  1  — 10)  stimmt,  wenn  auch  nicht  wörtlich,  in  dem  glagolitischen  Text 
mit  dem  lateinischen  Original  tiberein.  Auch  de  exitu  animae  (ed.  Wagner 
S.  9,  Z.  11 — S.  10,  Z.  23)  wird  im  glagolitischen  Text  mit  anderen  Wor- 
ten, aber  dem  Inhalte  nach  gleichartig  erzählt.  Nun  folgt  das  neue 
Kapitel  »De  adventu  angeli  in  occursum  anime«.  Hier  beginnt  der  von 
Daniele  herausgegebene  Text  und  läßt  eine  Vergleichung  mit  dem  glago- 
litischen zu.  Ich  sagte  bereits,  daß  ein  unmittelbarer  Zusammenhang 
zwischen  diesen  beiden  Texten,  bis  auf  die  Identität  des  Stoffes,  nicht 
nachgewiesen  werden  kann.    Ich  will  das  an  einem  Beispiele  zeigen : 


Glagol.  Text: 

i  ondi  vide  ednoga  mlada  detida  lipa 
obrazom  kako  zvezda  jutrenna  i  poce 
na  nega  gledati  umileno  dasa  Dunda- 
lova,  nadeese  se  ot  nega  niko  utese- 
nie  prieti 

i  kada  se  priblia  k  nemu  imenova 
ga  negovim'  imenem'  govore:  zdrav' 
budi  Dundule,  ca  tu  cinis?  Kada  to 
slisa  dusa  Dundnlova  da  ga  negovim' 
imenem'  vazva.  radostan'  s  veliku  ra- 
dostija  rece:  o  göre  mani,  gospodine 
moi,  zac  me  obidose  duse  paklene  i 
ese  me  mreze  smrtne.  I  rece  mu  anjel': 
0  duse  Dundulova,  stoprva  li  ine  zo- 
ves'  gospodinom"  1  oteem'  a  imejuöi 
me  vazda  pred  soboju  i  nisi  mi  nig- 
dare  takove  reci  rekal'. 


Danicics  Text: 

tere  progleda  i  vidi  na  dalece  zvizdu 
greduci  k  sebi  vele  svitlu.  A  ono  bise 
angel  njegov  .  .  . 


i  kada  pride  k  njemu,  njegovim  ime- 
nom  njega  zazva  tere  mu  rece:  Ton- 
dale  ca  cinis?  Videci  on  lipoga  an- 
gela  vele  uzorita  i  da  ga  zazva  njego- 
vim imenom,  od  straha  i  tolikoje  od 
veseija rece:  jao  meni  gospodine,  obu- 
jale  me  su  muke  paklene.  A  k  njemu 
angel  rece:  sada  me  gospodinom  zo- 
ves  ?  Koga  vazda  sobom  imase  i  nig- 
dar  me  tako  ne  zazva. 


504  V.  Jagic, 

In  dieser  Weise,  meistens  im  Wortlaute  ganz  voneinander  abwei- 
chend, geben  die  beiden  Texte  das  Kapitel  De  adventu  angeli  bis  zu 
Ende  (S.  12,  Z.  20  ed.  Wagner)  wieder,  der  glagolitische  Text  ist  stellen- 
weise ausführlicher  als  der  Danicicsche,  z.  B.  bei  Daniele  lesen  wir:  1 
prostrvsi  rtiJcu  angel  na  jednoga  od  onih  zalih  duhov  reöe^  im  glago- 
litischen Texte  etwas  mehr:  /  pokaza  mu  ednoga  d'Ma  hi  naivece  na 
nega  vrazdovase  i  rede  mu.  Der  lateinische  Text  stimmt  zum  Teil  mit 
dem  Danicicschen  überein :  Et  extendens  manum,  zum  Teil  mit  dem  gla- 
golitischen: qui  pre  ceteris  maledicis  ei  magis  iusultabat.  Manche 
Amplifikationen  des  glagolitischen  Textes  findet  man  im  lateinischen 
nicht.  Das  Zitat  aus  dem  Psalm  9  0.  7  erinnert  im  glagolitischen  Text 
au  die  alte  kirchenslavische  Übersetzung  selbst  sprachlich:  ere  kako 
David'  prorok'  vapie  v  psalteri  govore:  Padut  od  siratii  tvoee  iisuci  i 
tma  0  desnoju  tvoej'u  ne  pristupit\  im  Altkirchenslavischen  na^fTK 
(Bercic:  naA^V'''**)  ^'  CTpaHivi  tko6i>ä  tivIc;f.i]ih  h  T'Kiuia  w 
,a,6Ch;¥;|7R  tkcü^  (Bercic:  TBoew)  Kii  TfK'b  \\i  npHCT;i^nHT'K,  im 
Danicidschen  Text  liest  man  dasselbe  Zitat  ganz  anders:  pade  tißh  na 
liüu  tvoju  tisuca  a  na  desnu  tooju  deset  tisuc  a  k  tehi  niedan  zali  ne 
pristupi,  der  Ausdruck  deset  tisuc  entspricht  ofi'enkundig  dem  latei- 
nischen decem  milia,  während  TklUia  (tma)  das  griechische  /^ivQiag 
wiedergibt. 

Nun  folgt  nach  dem  lateinischen  Texte  De  prima  poena  homici- 
darum.  Auch  dieses  Kapitel  wird  in  beiden  kroatischen  Texten  ver- 
schieden erzählt,  dem  lateinischen  steht  näher  bald  der  eine,  bald  der 
andere.  Für  carbonibus  ardentibus  plena  steht  bei  Daniele:  i  ugljevja 
goruca  pun^^  im  glagolitischen  abweichend:  i  bise  ta  doV  phi'  goruca 
ogna.  Dagegen  für  cooperculum  habens  ferreum  quod  spissitu  Mnem 
habere  videbatur  sex  cubitorum,  quod  nimio  ardentes  superabat  candore 
carbones  steht  im  glagolitischen  Texte  ziemlich  nahe  kommend:  i  bUe 
na  toni  dolu  pokrivalo  zeUzno  i  tlstota  zelezna  bese  hsf  saf  lokal' 
i  ta  zakrov  bise  toliko  ogtieti'  da  nega  gorkosf  premagase  vsu  silu 
onoga  ogna.^  dagegen  im  Danicie'schen  Texte:  svrhu  onoga  ugljevja 
staie  zakrov  gvozden  po  zakon  prsure^  ki  se  svitljase  kakono  ug- 
IJevJe.  Von  der  prsura  (ital.  presura)  ist  im  lateinischen  Texte  keine 
Rede,  wenn  man  nicht  damit  das  lateinische  lamina  ausdrücken  wollte, 
denn  im  nachfolgenden  steht  der  Daniciesche  Text  dem  lateinischen 
näher,  als  der  glagolitische:  Descendebat  enim  super  illam  laminam  mi- 
serrimarum  multitudo  animarum:  svr/tu  one  prsure  prihojaie  f7i?ioitvo 


Zur  Visio  Tundali.  505 

dus  zlocastih^  glagolitisch  dagegen:  i  Jia  {  zaJcrov  wiwz.istvo  duP 
d'hli  metahu.  In  nächstfolgender  Erzählung  ist  Daniele  kürzer  als 
der  glagolitische  Text:  donec  ad  modum  cremii  in  sartagine  concremati 
omnino  liquescerent  et  quod  est  gravius  ita  colabantur  per  predictam  la- 
minam  sicut  colari  solet  cera  per  pannuni  lautet  bei  Danicic  nur  so:  Jce 
(sc.  duse)  se  oiule  frigaliu  ioliko  dokle  &e  poatave  kako  vosak  prid  og- 
njem^  glagolitisch  heißt  es  dagegen:  i  na  neni'  e  prazahu  toliko  dlgo 
dokle  vse  isahnShu  kako  cvH^  ki  e  na  nivi  podrezan\  I  za  vaega  toga 
da  im^  hese  ovo  veksa  muka^  da  e  [se"?)  skozi  oiTb  zakrov'  i  skozi  ono 
pokrivalo  cSSJiu  one  nevolne  duse  i  sire  tuko  kako  se  vosk'  cMi  6rez 
ruh\  Man  sieht  hier  im  glagolitischen  Texte  eine  gewisse  Amplifikation 
gegenüber  dem  lateinischen,  namentlich  das  Bild  vse  isalmeliu  kako  cveC 
ki  e  na  nivi  podrezaii  fehlt  im  lateinischen  Texte.  Der  nächste  Satz  t 
paki  se  tamo  opef  va  ogni  oljnavlahu  vkup'  k  mukam'  gibt  gut  deir 
lateinischen  Text  wieder:  et  iterum  in  carbonibus  ignis  ardentibus  reno- 
vabantur  ad  tormentum,  während  es  bei  Dauicic  heißt:  i  kada  sc pro- 
liahu  metahu  ih  vanka^  a  oni  opet  nput  pridihu  kako  sii  i  hili  a  vrazi 
vazimahu  tere  ih  opet  metahu  7ia  onii  prsum.  Auch  im  weiteren  Ver- 
lauf gehen  beide  Texte  auseinander,  weichen  auch  vom  lateinischen  ab 
(der  glagolitische  stärker  als  jener  bei  Danicic). 

Das  nächste  Kapitel  De  pena  insidiatorum  et  perfidorum  (ed.  Wag- 
ner S.  14,  Z.  1 — 21)  ist  im  Texte  Danicics  ganz  ausgefallen,  dagegen 
steht  es  im  glagolitischen  Text,  doch  könnte  mau  nicht  sagen,  daß  die 
glagolitische  Darstellung  sehr  genau  den  lateinischen  Text  wiedergibt. 
Z.  B.  eine  Stelle,  die  dem  lateinischen  Texte  Z.  7flf.  entsprechen  solltey 
lautet  in  wörtlicher  Übersetzung  so:  Et  in  hoc  monte  erat  multitudo  hor- 
ribilium  et  terribilium  diabolorum,  qui  (diaboli)  carnifices  (manigoldi  steht 
im  glagolitischen  Texte,  man  könnte  auch  den  Ausdruck  tortores  anwen- 
den) appellabantur  ibique  in  illo  monte  et  illa  via  insidiabantur  animis 
hominum,  quae  hunc  montem  transire  volebant  et  isti  diaboli  furcas 
habebant  ignitas  ferreas,  sex  cuspides  in  singulis  furcis,  quibus  trude- 
bant  illas  animas  quae  montem  transgrediebantur.  Et  sie  illas  miseras- 
animas  cuspidibus  in  ignem  flagrantem  deiciebant  et  mox  iterum  ex  igni 
in  nivea  et  glacialia  tormenta  proiciebant.  Hoc  modo  versa  vice  eas 
proiciebant  atque  tam  diu  torquebant,  donec  domino  deo  iucundum  erat. 

Jetzt  erst  folgt  das  Kapitel  De  valle  et  pena  superborum,  das  in- 
beiden  Texten  ganz  ungleich  lautet.  Der  Anfang  steht  im  glagolitischeu 
Texte  näher  dem  lateinischen  als  im  Danicic'schen.    Der  letztere  spricht 


506  V.  Jagic, 

von  der  Brücke,  der  glagolitische  von  dem  Steg.  Über  diesen  gelangte 
hinüber  nur  ein  Priester  (redovnik'  nennt  ihn  der  glagolitische ,  pop  der 
Danicicsche  Text).  Hier  enthält  der  glagolitische  Text  eine  ausführliche 
Einschaltung,  in  welcher  die  nicht  über  den  Steg  gelangenden  Seelen 
verschiedener  Stände  und  Menschenschichten  aufgezählt  werden:  vidit- 
que  inter  illas  animas  multas  et  varias  auimas,  ibi  erant  reges,  ibi  bani, 
ibi  caesai'es,  ibi  duces,  imperatores,  principes,  ibi  iudices,  Ibi  viri  et  mu- 
lieres  multae,  ibi  juvenes  et  virgines,  ibi  viduae  et  vidui ,  ibi  archie- 
piscopi  et  episcopi.  Ibi  etiam  vicarii  et  multi  presbyteri  qui  sunt  ordinis 
sancti  Petri,  quibus  gens  Christiana  recommendata  est,  ut  eam  doctrina 
sacrae  scripturae  instruerent,  quae  illis  a  multis  et  sanctis  patribus  data 
€t  a  spiritu  sancto  oidiuata  est.  Nunc  vero  praecipue  presbyteri  hunc 
mundum  magis  amant  quam  alii  homines.  Quare  evangelium  nobis  his- 
toriam  monstrat  testimonii  dicens:  multi  sunt  vocati,  sed  pauci  electi.  Et 
«um  anima  Duuduli  hoc  vidisset,  timere  coepit  non  sperans  se  transitu- 
ram  illam  trabem  artam,  sed  angelus  dei,  qui  eam  per  illa  tormenta  duce- 
bat,  consolabatur  eam  dicens  ei:  noli  (timere) .  .  .  Hier  bricht  leider  meine 
Abschrift  ab. 

Ich  hatte  einst  geglaubt,  daß  der  glagolitische  Text  aus  dem  Ita- 
lienischen übertragen  worden  sei  (ArkivIX.  150,  Archiv  f.  sl.  Phil.  XIII. 
200).  Das  scheint  mir  jetzt  nicht  richtig  zu  sein,  wenigstens  so  weit  man 
nach  dem  Bruchstück,  das  mir  in  der  Abschrift  vorliegt,  urteilen  kann. 
Der  einzige  Ausdruck  Nom.  plur.  manigoldi  reicht  nicht  hin,  um  diesen 
Beweis  zu  liefern,  auch  oa  traf  nicht.  Ich  würde  jetzt  eher  glauben, 
■daß  der  Text  aus  dem  lateinischen  geflossen,  oder  eigentlich  nach  der 
lateinischen  Vorlage  verarbeitet  worden  ist,  mit  ziemlich  freier  Nacher- 
zählung, die  manches  kürzer,  anderes  aber  auch  ausführlicher  erzählt. 
Der  Verfasser  dieses  Textes  muß  als  Glagolite,  der  in  der  kirchenslavi- 
schen  Sprache  einige  Belesenheit  hatte,  aus  einer  Gegend  stammen,  wo 
der  cakavische  Dialekt  schon  zum  kajkroatischen  und  kajslovenischen 
den  Übergang  zeigte,  also  irgendwo  in  Nordistrien  oder  im  kroatischen 
Küstenland.  Dafür  liegen  lexikalische  Belege  vor,  so  das  Adjektiv  hru- 
tnan'.  bruman  vitez,  brumna  hrabrstva,  brumno  vitezastvo  (vgl.  ein  Bei- 
spiel in  der  Trojasage:  vrze  s  kona  mudroga  Uriksesa  brumno,  Arkiv 
IX.  129),  oder  das  Substantiv  zveplo:  ki  zveplom  gorise  (es  begegnet 
auch  sunpor)^  veksi:  veksa  tvoe  milost",  veksa  muka,  glubi7ia^  gluhok: 
h.  ove  glubine,  bc-f^e  vele  strasno  glubok',  k  ednomu  dolu  gluboku,  his- 
nik:  ubozem'  hisnikom,  U\  le  samo  mesto,  are'.  are  vsaki  clovik  ima  pri 


Zur  Visio  Tundali.  507 

sebi  dva  anjela,  praviti  in  der  Bedeutung  reden:  od  mala  do  velika 
praviti,  stoprve:  stoprve  li  me  zoves  go3podinom',  za  ncyiiar:  moju  ai 
(volju)  za  nemar  imel',  za  nemarpustil',  sopet:  zac'  se  imas  sopet'  v  telo 
vratiti,  sopet  iz  ogna  metahu  (jetzt  kajkavisch  zopet)^  miski:  edna  brv' 
vuska,  prek'  te  brvi  vuske,  gdo:  gdo  bi  govoril,  gdo  se  more  proti- 
viti.  Auch  das  Wort  ohJj'ubljen:  v  papstvo  obljubljen,  ke  si  sebi  bila 
obljubila  und  redoimik  ist  ein  westlicher  (kroatisch-slo  venisch  er)  Aus- 
druck. Vgl.  auch  die  Form  sohota^  dann  spital  und  üslamcnt.  Auch 
morphologisch:  k  ednoi  göre  reliki  i  vele  strasni,  das  Imperf.  in  zwei 
Beispielen:  ne  morase,  jedva  morase  beruht  auf  H«  MO/KaaiU£:  ne 
morase  vniti.  Syntaktisch:  ke  ai  sebi  hila  obljubila,  pri  keh'  si  tvoga 
boga  hiV  zabil,  pretrpi  to  oa  i\  pokazu,  proidcs  ove  muke,  ti  zali  dusi 
popadu  me  i  vrgu  me  (als  Futurum),  zato  li  hudes  imW'  milost"  boziju 
neben  to  ti  ne  budes  te  muke  trpHi.  Vgl.  noch  to  ca  hi  hilo  o  sp.asenii 
nega  dusi,  gdo  hi  mu  bil  ca  govoril,  ako  Li  hotel  boz'e  telo  prieti. 

Für  die  Belesenheit  in  der  kirchenslavischen  Sprache  desjenigen, 
der  diesen  Text  schrieb  oder  übersetzte,  also  in  jedem  Falle  für  den  Ver- 
fasser der  ersten  Vorlage,  sprechen  solche  Beispiele:  zac  sada  ne  gres' 
na  jjvelJubodeistDo  i  7ie  Ijubod&es'  (lateinisch:  quare  non  adulteras? 
quare  non  fornicaris?  vgl.  Eutstehimgsgeschichte  ^  360),  ki  naivece  na 
nega  v7'azdovase  (im  lateinischen :  qui  ei  magis  insultabat),  oder  der  Aus- 
druck: 0  duse  okaiCna,  wo  das  Adjektiv  okaii'na  dem  bekannten  kirchen- 
slavischen OKitiikHiüM  entspricht,  ebenso  hvalen'e  tasceslavno  ist  das 
kirchenslavische  T'KijjJCAaßkHO.  Auch  die  Wendung  odne  ot  sehe 
oruzie  erinnert  stark  an  die  kirchensl.  Anwendung  des  Verbums  OTATH, 
vgl.  bei  loannes  Exarchos  im  Sestodnev  (Ch«  JKe  c«  ärcriQ&ri  ed.  Bodj. 
fol.  39c.  Außer  dem  bereits  oben  erwähnten  Zitat  aus  dem  90.  Psalm, 
vgl.  noch  ib.  aus  VersSuzrisi  tnascenie,  dem  kirchenslavischen  iij11iL|JEHH£ 
entsprechend,  das  eigentlich  ey.dr/jjaig  bedeutet,  während  hier  alle  Texte 
K'KSA'^HHf  für  uvva;cüdooiQ  schreiben.  Der  Ausdruck  maicenie  ist 
in  altkroatischen  Texten  (z.  B.  Vinodoler  Statut)  wohl  bekannt,  rührt 
aber  offenbar  von  der  kirchenslavischen  Ausdrucksweise  her.  Vgl.  noch 
ne  takmOy  und  auch  v  tih'  mucet  se  lastaci,  das  dem  kirchenslavischen 
AkCTki^H  entspricht,  vgl.  mehrere  Beispiele  im  akad.  Wörterbuch  8.  v. 

.  te  . 
Ovo  e  govorenie  pravo  i  eiste  ot  dobroga  viteza  Dundula. 
Na  let  hvih'  c.  k.  z.  bese  drugo  leto  va  vreme 
krala  Kondata  cra  rimskoga  ratnago  ki  iinese 


508  V.  Jagic, 

V  to  vreme  rat'  s'  Erusolimom'  a  to  bese  leto  ce- 
trto  da  bese  Ejnjenii  papa  v  papstvo  obljub- 
len.    I  V  tom'  leti  tako  papa  Eujenii  vrati  se 

V  Rim'  ot"  zemle  galileiskie.    I  takoe  v  tom'  leti 
sti  Malahie  v  mauastiri  ki  se  imeniie  Kvale  il- 
lis  da  se  prestavi  o  sega  sta.    I  to  vidcnie  be 
videno  v'  ednom'  gradu  v  metropolise  i  esta  tu  2. 
kralici  izabrane  v  tom'  gradu  ki  se  zove  Ardiuaka.  pa- 
ki  ot  poludau'e  strani  ibernie  est'  edan'  grad'  ki  se 
zove  Knlazien'sis'  is  toga  grada  bil'  est'  edan' 

muz"  rodom'  imenit'  i  glasit'  imeuem'  Dundul'.    I 
ta  ck'  bise  vele  proti  boziei  pravde  i  pln'  za- 
lih'  der  i  bese  vitez'  ucinen'  za  volju  negova 
brumna  hra'orstva,  ere  bese  bitar'  va  ovoga  sta 
receb'  a  bese  moc'an'  v  zivote  da  to  ca  bi  bilo  o  s- 
pasenii  nega  dusi.  ob  tom'  nistr'  ue  marase  i  gdo  b- 
i  mu  bir  ca  govoril'  o  spasenii  nega  dnsi  tomu 
bese  felik"  neprietel".    I  ne  hotise  rad"  k  cr'kvi  bod- 
iti  i  ubozim'  i  nevolnim'  tim'  ne  dadise  uigdar'  pre- 
da  se  priti  ni  im'  niednoga  dobra  ne  cinase  redovni- 
ke  i  vse  bozie  sluzbenike  tih'  vsih'  nenavid- 
ese  da  piscace  i  trumbitare  gudce  te  vazda  o- 
bilno  dai'ovase  i  v  svoei  Ijubvi  e  imese  i  ca  koli 
imese,  na  ne  stvacase.    I  sega  sta  diku  Ijublase 
i  paki  oholo  v  zlate  i  v  srebre  hoese,  ere  imise  mnogo  zla- 
ta  i  srebra.    I  drnge  stvari  ot  dike  sega  sta  zac  komu 
koli  gdnu  sluzase,  bise  od  onoga  gdna  vele  Ijublen", 
i  darovan'  za  nega  brumno  vitezastvo.    I  tako  ime- 
se vele  potrebnu  drnzbu.    I  takoe  imese  mnogo  prietel' 
meju  kimi  prieteli  negovimi  bise  mu  edan'  dlzan' 
tri  kone  do  roka  i  kada  pride  termin'  posla  k  nemu  za  s- 
pamecenie  da  bi  mu  dal'  te  tri  kone.    I  bi  edan"  dan'  po  to- 
m'  roku  da  sam'  svoim'  kipom'  ezdi  k  tomu  prietelju  i 
kada  k  nemu  pride  bi  lipo  priet'  kako  ima  prietel'  pri- 
etela  prieti  i  prebi  tu  tri  dni  u  nega  veselec- 
i  se  i  pirujuci  i  tako  govorahota  o  mnozeb  mudrih' 
receh'  sega  sta.    I  kada  be  treti  dan'  poce  ga  D- 
undul'  prositi  toga  dlga  u  toga  prietela  za 
tri  kone.    A  on'  mu  ne  imise  cim'  on'  trat'  platiti  tog- 
a  dlga  a  tada  se  ta  Dundul'  vitez'  rasardi 
i  böte  poiti  tud'e  te  i  slugam'  zapoveda  kone  i 
oruz'e  pripraviti,  a  ta  nega  prietel'  poce  ga  umi- 
leno  prositi,  da  bi  mu  od  obeda  nikamore  ne  sal'  ho- 
teci  mu  dobni  volju  naiti  kako  mudar  ck'  i  tud'e  mu 
volju  naide  i  odne  ot  sebe  oruzic  i  osta  pri  obede. 


Zur  Visio  Tuudali.  509 

i  kada  sedose  za  obed'  i  pocese  esti  i  tud'e  posla  b~ 
anjla  svoga  ki  na  rukah'  Dundula  rani  velikoju  bo- 
lezniju  tako  da  ne  more  niedne  ruke  k  sebe  prikrciti, 
kako  e  bese  na  stol'  protegnul'  i  poce  vapiti  Dundn- 
r  i  singe  negove  i  gospodar'  oni  takoe  vzapise 
s  velikim'  placem'  i  3  veliku  zalost'ju  i  ta  gos- 
podar'  zapoveda  va  v'se  zvoui  zvoniti  kako  mrtvomu  i  ka- 
ko slisase  Ijudi  te  zvone  zvoniti,  kako  mrtvacu,  to  se 
sa  vsega  toga  mesta  stekose  preprosti  popi  i 
fratri.    I  vsi  se  smetose  skozi  tako  glasovita 
viteza.    I  kako  pozua  na  sebe  toliku  bolezan'  tud'e 
preporuci  tomu  svomu  prietela  v  koga  bise  na  st- 
anu,  i  ta  bise  takoe  brnman'  vitez'  i  zato  mu  napor- 
uci  svoe  ornz'e  i  vsu  svoju  rec'  govoreci  hrani  pri- 
etelski  te  moe  reci  ere  si  cas'  imam'  nmreti.    I 
V  ta  cas'  nega  telo  pade  na  zeuilju  i  be  prez'  du- 
se  i  to  endo  videv'se  vsi  okolu  stoeöi  cudise 
se  kadi  tako  naglo  be  mrtav'  tako  krepak'  vitez' 
i  vsi  se  zaloscahu  okola  nega  placuci  i  ne  vid- 
uci  ca  uciniti.    I  tako  leza  bez  duse  nega  t- 
elo  V  sredu  prvo  pocansi  pol'  dne  daze  do  sobote 
i  zato  ga  ne  pokopase  zac  v  livom'  boku  se  cuese  n- 
ikoliko  tepline.    I  po  tom'  znainenie  cakahu  Ijudi  n- 
iko  evlenie.    I  po  tom'  est'  vracena  dusa  negova  v  n- 
ega  telo.    I  kada  be  dusa  opet'  na  svoem'  nies- 
te V  nega  tele  1  poce  vele  mledno  vzdihati 
za  ednu  uru  i  kada  se  vsi  cudovahu  i  tecahu  Iju- 
di na  veliko  cudo,  a  on'  poce  nmileno  pozirati  s- 
imo  i  tamo  a  ovi  krst'ene  ki  okolu  nega  stahu, 
ti  ga  pocese  pitati,  ako  bi  hotel'  boz'e  telo 
prieti  a  on'  nib'  umileno  prosase  da  bi  mu  dali  bo- 
zie  telo.    I  kada  pride  redovnik',  ispoveda  mu  se 
i  da  mu  bozie  telo  i  poce  hliti  gdna  isha  t- 
ako  govoreci  gi  ishe  ovo  v  istinu  vernju  da  e  veks- 
a  tvoe  milost'  nere  moe  sagresenie  zalo  i  zato  k- 
ako  koli  esu  strasne  te  muke  i  teske  ke  mi  ukazal'  e- 
si  i  skrb'  i  bolezan'  mnozih'  pres  cisla/i  oice  go- 
spodine  ozivil  me  esi  i  povratil  me  esi  iz  ov- 
e  glubine  paklene  gorucee.  i  I  vse  to  ca  pisu 
zdola  kakove  mnke  duse  ccske  trpehu  ke  videl'  e- 
sam'  istin'no/i  sopet  boze  istinni  na  si  st' 
povratil'  me  esi/i  kada  to  izgovori  na  tom'  mest- 
e  stvori  svoi  tistament'  ot  svoego  blag- 
a  i  vse  e  razda  na  prosvecenie  crkvam'  vdovica- 
m'  i  sirotam'  i  na  spital'  i  redovnikom'  i  nbozem' 


510  V.  Jagic, 

hisnikom  i  nistare  ne  ostavi  vsega  blaga 
svoga  ner'  vse  da  v  boga  ime  ca  koli  imese  i  ot- 
vrze  se  vsega  imenie  svoga  ko  imese  ot  seg- 
a  evlenie,  a  sam'  poce  od  mala  do  velika  pravi- 
ü  ca  bise  videl'  i  slisaF  i  ca  bese  pr- 
etrper  va  tmah'  preispodnih'  i  mukah'  paklen- 
ih'  ot'  devle  sile  i  ot'  anjla  ki  ga  e  vodil' 
po  mukah'  i  Naiprie  ovo  rece  kada  jure  dusa  moe  b- 
ese  izasla  is  tela  moga  i  videdi  telo 
mrtvo  poce  trepetati  velikim'  strahom' 
i  strasiti  se  spominajuci  se  na  svoe  pregres- 
enie  i  ne  videse  ca  uciniti  i  vele  se  stra- 
sase  ne  viduci  se  ca  domisliti  ca  bi  ot 
sebe  ucinila,  bila  bi  se  rada  sopet'  v  telo  po- 
vratiti  ali  nikakore  ne  morase  vniti  ere  ime- 
se grozan'  strah'  oda  vsih'  stran'  i  tako  plac- 
uci  se  i  cvileci  i  trepecuci  i  tu  pozrivsi  v- 
ide  mnozastvo  d'evlov'  kako  nocnu  maglu  k  sebi 
greduc'i  sa  vseh'  stran'  ne  da  bi  ih'  le  samo 
mesto  plno,  da  vse  ulice  i  vse  strane  bise 
ih'  plne  i  tu  obstupise  moju  ubogu  dusu 
i  rekose  vspoimo  toi  necisto  duse  skrbnu  i  tuzna  pe- 
san'  ere  nei  pristoi  vecna  pogibeF  zac'  e  ta  jur- 
e  nasa  po  ne  zasluzenii  i  gotov'  e  noi  vecni  ogan' 
kako  est'  jure  od  svetlosti  odlucena  vsake  a  zd- 
rnzena  est'  s  vecnimi  v  tamnost'  I  pristupi- 
se  k  nei  s  veliku  grozu  i  skrstahu  svoimi  zub- 
i  na  nju  i  sami  svoe  lica  derihu  svoimi  og- 
nenimi  noh'ti  i  govorahu  noi  •  o  necistivko  zala 
ovo  SU  ti  Ijudi  ke  si  sebi  bila  obljubila 
za  prietele  tvoe  pri  keh  si  tvoga  boga  bil'  za- 
bil'  i  zato  se  imas'  s  nimi  va  ogni  paklenom'  mu- 
citi  i  vecno  gorenie  trpeti  ti  si  bila  de- 
latelnica  vsakoga  zla  i  Ijubitelnica 
vseh'  stvari  ke  mi  Ijubimo  o  dase  okan'na  za- 
c'  se  sada  ne  gizdas'?  zac'  sada  ne  gres'  na  prelju- 
bodeistvo  i  ne  Ijubodees'  hodeci  v  tvoei  velikoi 
gizde  mnogie  device  posla  po  zle  svetu  i  m- 
noge  zakonne  zene  v  greh'  obrati  i  v  nepoctenie 
postavi  0  duse  okanna  kadi  e  sada  tvoe  EvTen'e 
tasceslavno  i  tvoe  veselie  suet'nae  Kadi  su  tvoi  v- 
eliki  smehi  kadi  est'  sada  tvoe  velika  sila  i 
mec'  tvoi  mocne  ruke  ku  si  ti  mnozih'  ustrasil'  zac' 
tu  jure  ocima  tvoima  ne  mores'  simo  i  tamo  i  tu  sada  ne  po- 
stupis'  gizdavo  i  ne  govoris'  prstom'  kazuci  sad- 


Zur  Vißio  Tundali.  511 

a  nimas'  zalih'  i  oholih'  pomisleni  v  srci  tvoem' 
kako  si  obicai  imel'  ciniti  va  vsakoi  zlobe  i 
neeistote  i  kada  tako  govorahu  okolu  nega  pritecu- 
ce  d'evli  i  ondi  vido  ednoga  mlada  detida  1- 
ipa  obrazom'  kako  zvezda  jutrnna  i  poce  na  nega  gl- 
edati  umileno  dusa  dundulova  nadeese  se  ot  ne- 
ga niko  utesenie  prieti  kako  ki  ne  viese  ino  nere 
d'evle  okol  sebe  a  to  bise  anjel'  bozi  i  negove  du- 
se  are  vsaki  ck'  ima  pri  sebi  .b.  anjla,  .a.  bozi  a 
drugi  vrazi  i  kada  se  priblizi  k  nemu  imenova  ga 
negovim'  imenem'  govore  •  zdrav'  budi  dundule  ca  tu 
cinis'  kada  to  slisa  dusa  dundulova  da  ga  n- 
egovim'  imenem'  vazva  radostan'  b  veliku  rados- 
tiju  rece  o  göre  mani  gospodine  moi  zac'  me  obidose 
duae  paklene  i  ese  me  mreze  smrtne.  i  rece  mu  anjT 

0  duse  dundulova  stoprve  li  me  zoves'  gospodinom' 

i  otcem'  a  imejuci  me  vazda  pred  soboju  i  nisi  mi  ni- 
gdare  takove  reci  rekal'  a  tada  dusa  dundulov- 
a  rekuci  o  moi  gospodine  kada  sam'  te  e  videla 
all  kada  sam'  ta  glas'  preslatki  slisal- 
a,  a  tada  ei  anjl'  rece"  e  esam'  vazda  poli  tebe 
hodil'  i  kamo  si  se  koli  ti  obrnuF  i  kada  si  sed- 
er i  er  i  pil',  govorir,  mlcal'  i  spal' 

1  va  vsako  vrime  nisam'  bil'  indi  nere  pred  tobu  i  s 
tobu  a  toi  nigdare  ne  hote  moga  sta  poslusati 

I  pokaza  mu  ednoga  d'evla  ki  naivece  na  nega  vra- 
zdovase  i  rece  mu  anjl'"  o  dundule  ovo  e  on'  koga  vo- 
Iju  ti  esi  cinil'  vsagda  a  moju  si  za  nemar'  ime- 
r  da  zato  li  budes'  imel'  milost'  boziju  ke  t- 
i  nesi  dostoen'  po  tvoei  dobrote  zac'  moju  volju 
i  zapoved'  gdna  ba  tu  si  za  nemar'  pustil'  a  d'- 
evljn  volju  tu  si  svrsil'.    I  zato  drzi  se  dobr- 
o  i  budi  vesela  zac'  e  esam'  anjl'  tvoi  ki  sam  ti 
sluzil'  vazda  v  zivote  tvoem',  a  sada  pretrpi  to 
ca  ti  pokazu  i  ne  zabudi  zac'  se  imas'  sopet'  v  te- 
lo  vratiti  tvoe  i  tada  dusa  ustrasi  se  vele 
mnogo  1  tada  ostavi  mrtvo  telo  is  koga  bise  i- 
zasla  i  pristupi  blize  k  anjlu  slisavsi  i 
videvsi  d'evli  ovo  kako  se  ovo  vesel'e  davase 
onoi  duse  ot  anjla  v'si  d'evli  ti  nistar'  ne  mo- 
gose  uciniti  protiv'  toi  dusi  s  velikim'  kric- 
em'  pocese  boga  kleti  govoreci,  da  ni  bog'  prav- 
dan'  ni  istinan'  da  nam  se  ne  da  platiti  nada  v- 
sakim'  ki  e  proti  nemu  i  kako  nam'  obecal'  bese 
i  V  toi  zalosti  vzdvigose  se  sami  na  se  d'ev- 


512  V.  Jagic, 

li  i  pocese  edan'  drugoga  biti  i  kleti  i  oti- 
dose  t'e.    I  tu  anjT  poide  naprid'  i  rece  dusi  po- 
i  za  mnu  a  tada  dusa  rece"  oime  moi  gospodine 
pret-lat'ki  ako  e  poidu  za  tobu  ti  zali  dus- 
i  popadu  me  i  vrgu  me  va  vecni  ogan'  i  rece  ei 
anjr  ■  budi  stanovita  zac'  esu  v  nas'  vel- 
e  moc'neise  stvari  nego  u  nih'  pökle  e  b  s  nami 
gdo  se  more  protiviti,  ere  kako  david'  prorok'  vapie 
V  psalteri  govore  padut'  od  strani  tvoee  tis- 
uci  i  tma  o  desnoju  tvoeju  ne  pristupit'  da  zato  o- 
cima  tvoima  obrativsi  se  uzriai  kade  est' 
mascenie  nad  vsemi  gresuici  osuenimi.    I  to 
rek"  ;mjr  poide  napied'  a  dusa  za  nim'  i  kada  tako 
dlgo  idosta  kupno  ne  imejuc'a  niedne  svetlosti  ra- 
zve  toliko,  koli  bese  ot  anjla  stlosti.    I  kada 
pridosta  k'  ednomu  veliku  dolu  i  strasnomu  i  ta- 
mnomu  i  bese  vele  strasno  glubok'.    I  bise  ta  do- 
r  pln'  goruca  ogna  i  bise  na  tom'  dolu  pokriv- 
alo  zelezno  i  tlstota  zelezna  bese  sest' 
sat  lakat'  i  ta  zakrov'  bese  toliko  ognen'  d- 
a  nega  gorkost'  premag.ise  vsu  silu  onoga  ogn- 
a  koga  bese  pIn'  on'  strasni  dolac'  i  na  t'  zakro- 
v'  mnozastvo  dus'  devli  metahu  i  na  nem'  e  pra- 
zahu  toliko  dlgo  dokle  vse  isahuehu  kako  cv- 
et'  ki  e  na  nivi  podrezan'  I  za  vsega  toga 
da  im'  bese  ovo  veksa  muka,  da  e  skozi  on'  zakro- 
v'  i  skozi  ono  pokrivalo  ceehu  one  nevolne  duse 
i  sire  tako  kako  se  vosk'  cedi  crez"  rub'  i  paki  se 
tamo  opet'  va  ogni  obnavlahu  vkup'  k  mukam'  I  ta  mu- 
ka nareena  est'  vsim'  uboicam'  ki  su  pricestnici  ubi- 
istvom'  clovece  smrti  ne  takmo  ubieniem'  ruke  svo- 
e  da  osc'e  i  ziem'  potaknut'em'  i  po  toi  muke  povedut'  e  va 
vecni  ogan'  a  ti  si  duse  dundulova  dovole  krat'  z- 
alimi  zakoni  pricestnica  clovecoi  smrti.    Da  za  is- 
to  ti  ne  budes'  te  muke  trpeti  kako  ju  svi  trpe  a  to  ni  po 
tvoim'  zasluzeniju.    Po  tom'  pridosta  k'  ednoi  göre 
veliki  i  vele  strasni  i  puste  i  bese  va  onoi  gori 
edan'  put'  vele  tesan'  i  bese  od  edne  strane  te  göre 
ogan"  ki  zveplom'  gorise  i  vele  tuzan'  smrad'  ides- 
e  ot  toga  og'na  a  z  druge  strane  bese  sneg'  s  ledo- 
m'  i  vihar'  preusilan'.    I  na  toi  gori  bese  mnozast- 
vo d'evlov'  [iregroznih'  i  strasnih"  i  ti  d'evli  se 
imenovahu  manigoldi  i  ondi  strazahu  na  onoi  gori 
na  noi  cesti  dus'  cskih',  ke  imehu  poiti  prek'  te  gö- 
re i  ti  d'evli  imehu  ognene  vüe  zelezne  po  sest' 


Zur  Visio  Tundali.  513 

rogal'  na  onih'  vilah'  kemi  prognetahu  duse  o- 
ne  ke  prek'  te  göre  idehu.  i  tako  e  neboge  metahu  na  on- 
ih' roglih'  te  pretuzne  duse  i  nevolne  va  on'  pretu- 
zni  ogan'  i  goruci  i  paki  po  ednora'  casi  da  e  sopet 
iz'  ogna  metahu  v  snezne  i  ledene  muke  i  tako  e  na  te 
hipe  preraetahu  i  dotle  e  nvucahu  dokle  bise  gdnu 
bogu  ugodno  i  ondi  rece  anjl'  o  duse  Dun'dulova  ove  ra- 
nke ke  vidisi,  v  tih'  raucet  se  histaci,  ki  vazd- 
a  proti  bogu  mei  sobu  prebivaju  v  neveri  i  tako  anjl 
rece'  proides  ove  muke  poli  moih'  nog'  a  inako  ne  mores' 
proiti.    I  po  tom'  minxiv'si  te  muke  pridosta  k'  ednomu 
silnomu  dolu  ghiboku  i  tamnu  i  necistu,  koga  d- 
ola  glubokosti  ne  raore  progledati  dusa  dundulo- 
va  do  dna  razve  toliko  da  edva  morase  slisati 
glas'  reke  tekuöee  v  tora'  dolu  ka  reka  tecase  ognenim'  su- 
nporom'  i  paklom'  i  sraolu  gorucu,    I  on'di  idese  pregork- 
i  dreseli  plac'  ot  dus'  ke  se  v'  noi  mucahu,  i  ot  tude  ide- 
se dim'  8  velikim'  smradom'  ot'  te  muke  ta  smrad' 
bese  toliko  preotuzan'  da  vse  muke  ke  bese  pree  vide- 
r  ta  smrad'  morase  premoci.    I  tu  bise  prik'  toga  do- 
la  ot  brega  do  brega  edna  brv'  vuska  za  ednu  nogu  si- 
rine, a  ednu  milju  bese  dlga  hoditi  i  bfese  ima  poi- 
ti  prek'  toga  dola  i  vide  dusa  dundulova  mnogo 
dus'  iduci  po  toj  brvi  prek'  te  glubokosti  ke  duse 
se  vse  obalahu  s  te  brvi  i  niedna  ne  more  preiti 
razve  edan'  redovnik'  i  vide  mei  onimi  dusami  mno- 
ge  razlike  duse,  ondi  krali,  ondi  bani,  ondi  cesari, 
ondi  duzi,  voevodi,  knezi,  ondi  sud'ci,  ondi  muzi  i  ze- 
ue  mnoge,  on'di  junaci  i  device,  ondi  vdovice  i  vdo- 
v'ci,  ondi  arhibiskupi  i  biakupi.   I  ondi  vikari  i  ra- 
nozi  popi,  ki  su  reda  stga  petra  kim'  est'  rod'  krs- 
t'enski  preporucen',  da  bi  ga  imeli  naukom'  nastre- 
ti  stoga  pisma  ko  be  nim'  ostavleno  od  mnoze- 
h'  stih'  otac'  kern'  be  dano  i  nareeno  duhom'  stim' 
a  sada  na  vlastito  popi  sa  st'  vece  Ijube  ne- 
re  ini  Ijudi.    I  za  to  nam'  evlje  kaze  istoriju  s- 
vedocastva  govoreci  mnozi  sut'  zvani  a  malo 
ih'  izabranih'.    I  kada  to  vide  dusa  Dundulova, 
poce  se  strasiti  ne  nadejuci  se  preiti  prek'  te  br- 
vi vuske  a  anjl  bozi  ki  iju  voese  po  tih'  mukah'  ta  ju 
tesase  govoreci  noi'  ne  raoi  se  — 

V.  J. 


Archiv  für  slavisclie  Philologie.    XXXV.  33 


Kritischer  Anzeiger. 


Emanuel  Cosquin :  1.  La  Legende  du  Page  de  Sainte  Elisa- 
beth de  Portugal  et  les  nouveaux  documents  orientaux.  (Extrait 
de  la  Revue  des  questions  historiques.  Octobre  1912.)  Paris  1912. 
S.  47.  —  2.  Le  Conte  du  Chat  et  de  la  Chandelle  dans 
l'Europe  du  raoyen  age  et  en  Orient.  (Extrait  de  la  Romanie. 
T.  XL.  Paris  1912.  S.  371— 430,  181— 531.)  —  3.  Les  Mongoles 
et  leur  pretendu  role  dans  la  transmission  des  coutes 
indiens  vers  rOccident  Europeen.  Etüde  de  Folk-Lore 
compare  sur  l'Introduction  du  »Siddhi-Kür«  et  le  conte  du  >;Magi- 
cien  et  son  Apprenti*.  (Extrait  de  la  Revue  des  Traditions  Popu- 
laires.    Annee  1912.)    Niort  1913.    S.  128. 

Der  ausgezeichnete  französ.  Märchenforscher  verfolgt  konsequent  seine 
These,  die  er  in  seiner  epochalen  Ausgabe  der  lothringischen  Märchen  und  dann 
in  polemischen  Broschüren  verteidigt  hat,  daß  der  indische  Orient  die  Haupt- 
quelle unserer  europäischen  Märchen  sei,  und  dieses  Ziel  haben  auch  seineMono- 
graphien  über  einzelne  MärchenstolFe.  In  der  ersten  Schrift  wirft  er  Alexan- 
der Wesselofsky  vor,  daß  er  in  seinem  Aufsatze  »Le  Dit  de  l'empereur  Con- 
stant«  fRomania  VI)  vorzeitig  die  Meinung  ausgesprochen  hat,  es  sei  die 
Verbindung  der  Reise  zur  Sonne  mit  dem  unterschobenen  Brief  (Grimm, 
KHM.  Nr.  29)  in  Europa  durchgeführt  worden  und  fügt  hinzu  (S.  38):  »Es  ist 
immer  gefährlich,  in  volkskundlichen  Studien  zu  urteilen,  daß  ein  Thema  oder 
eine  Kombination  von  Themen  im  Oriente  nicht  existiert.  Wissen  Sie,  ob 
nicht  morgen  eine  unerwartete  Entdeckung  —  oder  vielmehr,  die  immer  er- 
wartet werden  muß  —  Sie  zam  Widerruf  zwingen  würde?  In  dem  gegen- 
wärtigen Fall  kann  schon  bemerkt  werden,  daß  das  Thema  des  zweiten  Teiles 
(die  Reise  zu  einem  übernatürlichen  Wesen  mit  den  ihm  vorzulegenden  Fragen) 
ganz  und  gar  indisch  ist.  Und  es  wird  nicht  überraschend  sein,  wenn  in  einer 
für  den  Augenblick  unbekannten  indischen  Erzählung  dieses  Thema  mit  dem, 
gleichfalls  ganz  indischen,  Thema  des  ersten  Teiles  (der  unterschobene  Briefj 
verbunden  sein  wird,  und  daß  aus  Indien  die  ganze  fertige  Kombination  bei- 
der Themen  nach  Europa  übergegangen  ist . .  .  Wir  wollen  nicht  aufhören  zu 


E.  Cosquien,  Drei  folkloristische  Beiträge,  angez.  v.  Polivka.        515 

wiederholen:  in  diesem  unermeßlichen  Indien  ist  der  Schatz  der  überlieferten 
Erzählungen  kaum  angebrochen.  Wer  kann  sagen,  was  er  enthält  und  was 
er  nicht  enthält?  .  .  .■^  Und  am  Schluß  dieser  Schrift  (S.  46)  lesen  wir,  wie  die 
allseitigen  Erforschungen  dieses  Stoffes  und  seiner  einzelnen  Motive  immer 
nach  Indien  geführt  haben,  nicht  nach  einem  in  den  dichten  Nebeln  der  unzu- 
gänglichen Urgeschichte  verlorenen  Indien,  sondern  in  ein  historisches  Indien, 
welches  nach  dem  Westen  durch  den  persischen  Kanal  und  nach  der  Erobe- 
rung Persiens  durch  die  islamitische  Überflutung;  nach  dem  Osten  durch  die 
Verbreitung  des  Brahmanismus  und  des  Buddhismus  in  Indo-China;  gegen 
den  Norden  durch  die  buddhistische  Propaganda  in  China,  Tibet,  Mongolei, 
in  der  ganzen  alten  Welt  und  noch  weiter  (z.  B.  nach  Indonesien)  die  Über- 
lieferungsprodukte einer  unvergleichlichen  Schöpfungskraft  ausgeführt  hat«. 

Es  ist  demnach  gewissermaßen  Hauptzweck  Cosquins,  die  indischen 
Quellen  und  Vorlagen  europäischer  mittelalterlicher  und  volksmündlicher 
Erzählungen  nachzuweisen,  unsere  europäischen  Erzählungen  auf  ihre  indi- 
schen Vorlagen  zurückzuführen.  Natürlich  muß  da  auch  der  Weg  gezeigt 
werden,  auf  welchem  die  indischen  Erzählungen  zu  den  europäischen  Völkern 
besonders  des  Südwestens  und  Westens  vordrangen.  Aber  in  eine  Geschichte 
der  Erzählungen  in  Europa  selbst  läßt  sich  der  Verfasser  nicht  mehr  ein.  Die 
slavische  Märchenwelt  war  ihm  nur  in  Übersetzungen  zugänglich,  erst  in  den 
beiden  anderen  Arbeiten  vermochte  er  sich  auch  ursprüngliches  slawisches 
Material  zu  verschaffen.  Jedoch  die  den  Slawisten  in  erster  Reihe  interes- 
sierenden Fragen  von  dem  Verhältnis  der  slawischen  Märchen  einerseits  zu 
dem  europäischen  Westen,  andererseits  zu  dem  Orient  werden  in  Cosquins 
Studien  höchstens  indirekt  berührt.  Sie  lagen  außer  dem  Studienbereich  und 
außer  dem  Studienzwecke  des  französischen  Gelehrten.  Doch  bei  der  über- 
aus starken  Heranziehung  der  mittelalterlichen  erzählenden  Literatur  und  be- 
sonders bei  der  souveränen  Beherrschung  der  orientalischen  Märchenschätze 
sind  diese  Studien  von  höchstem  Werte  für  den  Forscher  der  slawischen 
Volksüberlieferungen.  Auch  in  methodologischer  Hinsicht  hat  der  angehende 
Gelehrte  viel  zu  lernen  aus  dem  festen,  systematischen  Aufbau  der  Studien 
Cosquins.  Und  so  sollen  sie  auch  in  einer  slawistischen  Revue  besprochen 
werden. 

In  dem  ersten  Aufsatze  über  die  Legende  vom  Pagen  der  hl.  Elisabeth 
von  Portugal  wird  das  grundlegende  Motiv  besprochen:  der  von  einem  Neider 
verleumdete  Page  wird  von  dem  Könige  zu  den  Kalkbrennern  geschickt,  um 
in  den  Ofen  geworfen  zu  werden,  hält  sich  am  Wege  in  einer  Kirche  auf,  um 
die  Messe  zu  hören,  währenddem  wird  der  Verleumder  zu  denKnlkbrennern  ge- 
schickt nachzufragen,  ob  sein  Befehl  ausgeführt  sei,  und  dieser  wird  als  der 
zuerst  Angekommene  in  den  Ofen  geworfen.  Dieses  Motiv  wiederholt  sich 
in  verschiedenen  Variationen  und  wird  mit  anderen  Motiven  verbunden:  Der 
den  Tod  des  Boten  befehlende  Brief  wird  von  einer  anderen  Person  ohne 
Wissen  des  Boten  mit  einem  anderen  Brief  umgetauscht,  in  dem  die  Heirat 
des  Boten  mit  der  Tochter  des  Absenders  anbefohlen  wird.  Cosquin  zitierte 
(S.  1 1)  nach  dem  Aufsatze  von  Wesselofsky  (aus  dem  Märchen  Afanasjevs, 
nun  in  der  3.  Aufl.  II,  S.  239  Nr.  173^  aus  dem  Gouv.  Nizegorod),  daß  der  reiche 

33* 


516  Kritischer  Anzeiger. 

Kaufmann  Marko  seiner  Frau  den  Jungen  mit  einem  Brief  schickte,  wo  er 
befahl,  ihn  in  seine  Seifenfabrik  zu  führen  und  dort  in  einen  großen  sieden- 
den Kessel  zu  stoßen,  und  findet  hier  einen  Zusammenhang  mit  dem  Orien- 
talen Motive.  Nun  sind  russische,  und  überhaupt  ost-  und  südosteuropäische 
Versionen  des  Märchens  vom  reichen  Marko,  wo  er  seinen  Schwiegersohn 
nicht  um  die  drei  goldenen  Haare  des  Teufels  schickt  (Grimm,  KHM.  Nr.  29), 
sondern  wo  er  ihn  auf  die  gleiche  Weise  umbringen  will,  sehr  zahlreich.  In 
der  Version  aus  dem  Gouv.  Tomsk  (Zapiski  Krasnojarsk.  2,  lih)  wurde  der 
Umtausch  des  Briefes  ganz  vergessen ,  der  Kaufmann  verheiratete  selbst  den 
Jungen  mit  seiner  Tochter,  ohne  ihn  erkannt  zu  haben ;  erst  später  erkannte 
er  ihn,  und  so  schickte  er  ihn  in  die  Seifensiederei;  doch  ein  alter  Mann  be- 
gegnet dem  Jungen,  macht  ihn  auf  die  ihm  drohende  Gefahr  aufmerksam  und 
schickt  ihn  spazieren.  Nach  einer  Weile  geht  der  Reiche  selbst  hin  nachzu- 
schauen und  wird  von  den  Arbeitern  in  den  Kessel  geworfen.  In  der  Version 
aus  dem  Gouv.  Wologda  (Ivanickij  199  Nr.  28)  ist  der  Briefumtausch  erhalten, 
die  Verwechslung  des  Fabriksherrn  mit  dem  Schwiegersohn  wird  dadurch 
verständlicher  gemacht,  daß  er  in  der  Nacht  in  die  Fabrik  gehen  soll,  und  der 
Schwiegervater  um  Mitternacht  nachsehen  kommt.  Ahnlich  in  der  Version 
aus  dem  Gouv.  Archangelsk  (Oncukov  87  Nr.  28),  wo  statt  der  Seifensiederei 
eine  Salzsiederei  vorkommt ;  der  Inhalt  des  Uriasbriefes  war  ähnlich  wie  bei 
Afanasjev  Nr.  17.3».  In  der  Version  aus  dem  Gouv.  Olonetz  (Oncukov  353 
Nr.  148)  ist  es  eine  Pechsiederei,  der  Brief  hatte  die  entsprechende  Weisung, 
der  Schwiegersohn  schickt  selbst  den  ihm  bekannten  Befehl  den  Pechsiedern, 
wie  ein  Mann  kommt,  ihn  in  die  Pechgrube  zu  werfen.  Es  kommt  hier  auf 
seiner  Rückkehr  der  Zar-Schwiegervater  selbst,  in  die  Kleidung  seines  Kut- 
schers umgekleidet.  In  der  Version  aus  dem  Gouv.  Tambow  (Afanasjev ^  II, 
242  Nr.  173b)  goU  der  Schwiegersohn  in  der  Nacht  von  den  Fabriksarbeitern 
in  die  Glut  geworfen  werden,  von  seiner  Frau  zurückgehalten,  Marko  geht 
vor  Sonnenaufgang  nachsehen  und  kommt  um.  Ahnlicher  der  Legende  vom 
Pagen  der  hl.  Elisabeth  und  der  malaischen  Sage  (S.  13)  ist  die  Version  aus 
dem  Gouv.  Smolensk  (Dobrovoljskij  1,  294):  der  mit  dem  Brief  in  die  Fabrik 
geschickte  Junge  geht  vorher  in  die  Kirche  beten  und  übergibt  den  Brief 
einem  andern  »bekannten«  Mann.  Er  wird  zum  zweiten  Male  hingeschickt, 
geht  wieder  in  die  Kirche,  der  Kaufmann  geht,  von  Ungeduld  getrieben,  nach- 
sehen und  wird  in  den  siedenden  Kessel  geworfen.  In  der  Version  aus  dem 
Gouv.  Mogilew  (Romanov  3,  337  Nr.  81)  wird  der  Kaufmann  statt  des  Schwie- 
gersohnes in  der  Nacht  in  den  Weinbrennerkessel  geworfen,  gleichfalls  in 
einer  anderen  großrussischen  Version  (Afanasjev,  Legendy  S.  XXVIII).  In 
anderen  weißrussischen  Versionen  aus  dem  Gouv.  Minsk  (Karlowicz  107, 
Nr.  75,  Materyaly  Kom.  jczyk.  2,  111)  und  Gouv.  Grodno  (Federowski  II,  313 
Nr.  344)  läßt  Marko  eine  tiefe  Grube  graben  und  befiehlt  den  Leuten,  wer  am 
frühesten  kommt,  den  sollen  sie  hineinwerfen  und  verschütten.  Die  Klein- 
russen des  Gouv.  Charkow  kenneu  auch  diese  Fassung  (Etnogral.  Obozr.  VII, 
82—83),  in  einer  Version  wird  gleichfalls  der  ungeduldig  in  der  Nacht  nach- 
sehende Marko  von  den  Weinbrennern  in  einen  siedenden  Kessel  geworfen 
von  den  Arbeitern,  in  einer  anderen  von  den  Teufeln,  mit  denen  Marko  um- 


E.  Cosquin,  Drei  tblkloristische  Beiträge,  angez.  v.  Polivka.        517 

ging.  In  der  lettischen  Version  aus  dem  Gouv.  Kurland  (Treuland  184  Nr.  1 1 1) 
soll  der  erste,  der  in  der  Frühe  ins  Brauhaus  kommt,  in  den  siedenden  Kessel 
geworfen  werden,  in  einer  anderen  ans  dem  Gouv.  Witebsk',  Bez.  Lucyn 
(Weryho  38  Nr.  5)  wird  auf  Befehl  des  »Generals«  derjenige  in  ein  am  Feld 
eigens  angemachtes  Feuer  geworfen,  der  um  Mitternacht  hinkommt.  Zwei 
litauische  Märchen  aus  dem  Gouv.  Kowno  (Dowqjna  Sylwestrowicz  I,  349, 
II,  112)  haben  denselben  Schluß  wie  Treuland  Nr.  111,  ein  anderes  (ebd.  1,  55) 
wie  Karlowicz  Nr.  75  u.  a.  Diesen  Schluß  hat  noch  eine  polnische  Version 
aus  den  Beskiden  Zbior  V,  217.  —  In  der  westbulgarischen  Erzählung  Kaca- 
novskij  553  und  ebenso  serbisch  Zs.  Karadzic  3,  110  =  Brastvo  XII — XIII, 
138  kommt  der  eigene  Sohn  des  Reichen  statt  dessen  Schwiegersohn  um,  von 
den  Hirten  und  deren  Hunden  umgebracht,  als  er  drei  Widder  bringen  sollte. 
Abweichend  ist  eine  andere  bulgarische  Version  Sbornik  min.  VI,  llü  Nr.  2: 
der  reiche  Kaufmann  hat  bestimmt,  daß  die  Diener  den  Schwiegersohn  er- 
schießen, wenn  er  Abends  um  Wein  geht;  der  verbarg  sich  auf  den  Rat  seiner 
Frau  wo  andershin,  der  Kaufmann  ging  selbst  dorthin,  als  es  ihm  zu  lange 
dauerte  und  wurde  erschossen.  In  einer  Fassung  aus  Mazedonien  ebd.  VII, 
175  und  ähnlich  in  einer  serbischen  Vojinovic  105  Nr.  14  wurde  der  Kaufinann 
selbst  von  den  Leuten  in  den  Brunnen  gestoßen,  da  seine  Tochter  ihren  lieb- 
gewonnenen Mann  nicht  wegließ.  Eine  nordbulgarische  Fassung  Marinov  Ziva 
Star.  I,  29  erzählt,  daß  der  Kaufmann  die  Leute  beredete,  seinen  Schwieger- 
sohn in  der  Nacht  auf  der  Wiese  zu  erschlagen  und  wurde  selbst  von  ihnen 
erschlagen,  als  er  nachsehen  ging.  Im  kroatischen  Märchen  aus  Slawonien  findet 
der  Todschlag  in  einem  Weingarten  statt  (Zbornik  nar.  ziv.jslav.  XII,  141 
Nr.29)  wie  in  dem  griechischen  Märchen  bei  Hahn  1,  162  Nr.  20.  In  einer  sonst 
ziemlich  abweichenden  kroatischeuFassungbeiKraußll,  113  Nr.  64  wurde  der 
Fuhrmann  anstatt  des  Jünglings  in  den  Bräukessel  geworfen,  wie  in  lettischen 
und  litauischen  Märchen  bei  Treuland  Nr.  11  u.  a.  Diesen  Abschluß  der  Er- 
zählung finden  wir  natürlich  auch  bei  den  kaukasischen  Völkerstämmen,  so  bei 
den  Imeretinern  (Sbornik  Kavkaz.  XIX,  Abt.  2  S.  66  Nr.  8):  Der  Schwiegersohn 
soll  in  der  Nacht  zu  den  Kalkbrennern  geschickt  werden,  so  befiehlt  es  der 
Reiche  seiner  Tochter,  jedoch  diese  vergaß  den  Befehl  auszuführen,  sagte 
aber  dem  Vater,  sie  hätte  ihn  schon  längst  geschickt.  In  anderen  kaukasischen 
Fassungen  ist  dieses  Motiv  weggefallen,  der  Reiche  hat  sich  dem  Ausspruch 
des  Schicksals  unterworfen.  Es  ist  gewiß  bezeichnend,  daß  sich  dieses  Motiv 
ziemlich  stark  erhalten  hat,  aber  die  Abwendung  des  Verderbens  vom  Helden 
wird  fast  überall  anders  begründet,  sein  Aufenthalt  in  einer  Kirche  kommt 
sehr  selten  vor,  gerade  das  Motiv,  auf  welches  Cosquin  so  viel  Nachdruck 
legt.  Eine  detaillierte  Untersuchung  dieses  und  verwandter  Motive  kann  in 
dem  Rahmen  einer  Anzeige  nicht  durchgeführt  werden,  und  soll  einer  speziellen 
Studie  über  diesen  Märchenstoflf  vorbehalten  bleiben.  Wir  wollen  hier  nur  die 
Wichtigkeit  der  slavischen,  besonders  der  ost-  und  südslavischen  Fassungen 
für  die  vergleichende  Mäichenkunde  betonen.  Sie  lernen  uns  bestimmter  die 
Verbreitung  und  wohl  auch  den  Weg  der  Wanderung  der  einzelnen  Stoffe  und 
Motive  bestimmen. 

Das  Verhältnis  dieser  einzelnen  Fassungen,  ihr  Zusammenhang  ist  um 


518  Kritischer  Anzeiger. 

so  schwieriger  zu  bestimmen,  da  eine  ungemein  große  Zeit  zwischen  ihren 
Niederschriften  besteht,  und  dieses  Mißverhältnis  kann  selbst  die  scharfsin- 
nigste Analyse  der  neueren  Orientalen  Texte  nicht  beseitigen,  auch  wenn  sie 
zahlreicher  wären  als  sie  bisher  sind.  Auf  deren  geringe  Anzahl  weist  auch 
Cosquin  hin,  und  schiebt  daher  die  Lösung  der  Frage  von  dem  Ursprünge  der 
Erzählung  auf.   (S.  22.) 

Im  weiteren  Verlauf  seiner  Arbeit  untersucht  Cosquin  das  Motiv  vom 
unterschobenen  Brief  und  hierbei  den  schon  erwähnten  Stoff  vom  reichen 
Marko  (S.  21  ff.).  Er  unterscheidet  drei  Gruppen,  je  nachdem  der  reiche  Kauf- 
mann (König)  einen  Sohn  und  eine  Tochter,  oder  nui*  eine  Tochter,  oder  nur 
einen  Sohn  hat,  faßt  jedoch  die  beiden  ersten  zusammen.  Ich  würde  diesen 
Umständen  keine  prinzipielle  Bedeutung  zuschreiben,  wie  überhaupt  dem,  ob 
statt  des  Schwiegersohnes  der  Vater  oder  dessen  eigener  Sohn  in  der  jenem 
gelegten  Schlinge  umkommt.  Cosquin  analysiert  drei  alte  indische  Fassungen, 
die  europäischen  mittelalterlichen,  die  koptische.  Er  bemerkte,  daß  die  west- 
europäischen Fassungen  des  XII. — Xlll.Jhs.  und  die  griechisch-byzantinischen 
Legenden  sogleich  nach  der  Geschichte  mit  dem  unterschobenen  Brief  schließen. 
Dieser  Schluß  fehlt  vielfach  begründet  durch  die  Überzeugung  von  der  Unab- 
wendbarkeit  des  Schicksals  wie  in  den  kaukasischen  und  anderen  Fassungen, 
und  es  könnte  die  Frage  von  der  Ursprünglichkeit  der  Kombination  beider 
Motive  aufgeworfen  werden,  trotzdem  sie  im  indischen  Oriente  schon  in  früher 
Zeit  belegt  ist  (S.  35).  Sehr  wichtig  ist  die  Einleitung  der  mittelalterlichen 
westeuropäischen  Erzählung  wie  der  koptischen,  in  welcher  der  Reiche  un- 
willkürlich Zeuge  dessen  ist,  wie  dem  neugeborenen  Kinde  die  Zukunft  auf 
geheimnisvolle  übernatürliche  Weise  verheißen  wird;  es  ist  dies  ein  Zug,  der 
besonders  in  den  slavischen  Fassungen  sehr  häufig  ist  und  wohl  auch  als  recht 
ursprünglich  gelten  kann,  den  die  indischen  Versionen  anders,  vielleicht  ver- 
derbt, wiedergeben. 

Cosquin  berührt  noch  die  Fassungen  dieses  Märchens,  für  welches  ein  ande- 
rer Schluß  typisch  ist,  nämlich  die  Heise  zur  Sonne,  zu  einem  übernatürlichen 
Wesen  um  dessen  drei  Haare  u.  a.  Nach  den  nun  in  den  Anmerkungen  zu  den 
KHM.  der  Brüder  Grimm  I,  282ff.  zusammengestellten  Zitaten  ist  diese  Kombina- 
tion nur  auf  Europa  beschränkt.  Das  ist,  bis  auf  weitere  Funde  freilich,  eine 
unwiderlegte  Tatsache,  und  damit  ist  zu  rechnen.  Mag  auch  der  zweite  Teil,  die 
Reise  zu  einem  übernatürlichen  Wesen,  »ganz  indisch«  sein,  so  haben  wir 
keinen  festen  Anhaltspunkt  für  einen  Orientalen  indischen  Ursprung  dieser 
Kombination.  Die  von  Cosquin  erwähnte  kabylische  Erzählung  (S.  39)  hat 
das  Motiv  vom  umgetauschten  Brief  und  dem  Verderben  des  Neidischen  mit 
einem  anderen  Stoff'  von  Recht  und  Unrecht  verbunden,  und  beweist  nichts 
in  dieser  Frage,  wenn  es  nun  auch  in  Indien  bereits  für  die  ältere  Zeit  be- 
legt ist. 

Die  Erzählung  vom  Kater  und  dem  Leuchter  machte  Cosquin  zum  Gegen- 
stand seiner  zweiten  Abhandlung  und  zum  Ausgangspunkte  von  Unter- 
suchungen anderer  Motive.  In  dem  mittelalterlichen  Büchlein  demonstriert 
Markolf  die  Richtigkeit  des  Satzes ,  daß  die  Natur  stärker  als  die  Erziehung 
ist,  an  Salomons  Kater,  der  jeden  Abend  den  Leuchter  in  seinen  Krallen 


E.  Cosquin,  Drei  folkloristlsche  Beiträge,  angez.  v.  Polivka.        519 

hielt;  er  ließ  drei  Mäiiso  los,  nach  der  dritten  sprang  der  Kater,  nachdem  er 
den  Leuchter  fallen  gelassen.  Auch  außer  diesem  Büchlein  wird  die  Ge- 
schichte als  Illustration  des  Satzes  »plus  valere  naturam  quam  nutrituram« 
wiedergegeben  in  Frankreich  und  Deutschland  bis  ins  XVI.  Jahrh.;  aus  der 
polnischen  Übersetzung  des  Büchleins  von  Salomo  und  Markolf  (gedruckt 
1521)  drang  es  bis  in  eine  russische  Bearbeitung  der  Legende  von  Salomo  und 
Kitovras  etwa  im  XVII.  Jahrh.  Aus  der  Literatur  drang  es  stellenweise  in 
die  Volksüberliefernng,  wenigstens  aus  Oldenburg  und  der  Schweiz  sind  deren 
Wiedergaben  bekannt.  Episodenweise  drang  sie  im  Orient,  in  Indien,  Ceylon, 
Indochina,  Palestina,  China,  im  Süden  des  Kaukasus,  in  Tunis  in  verschie- 
dene Erzählungen  ein,  und  außerdem  noch  bei  den  siebenbürgischen  Rumänen. 
Da  hat  der  den  Leuchter  tragende  Kater  eine  ganz  spezielle  Aufgabe,  dem 
falschen  Spieler  beizustehen,  bei  einer  ungünstigen  Wendung  der  Schachpartie 
den  Leuchter  fallen  zu  lassen ,  der  Gegner  verliert  die  Partie  und  wird  dann 
aus  dem  Gefängnis  vom  Bruder  oder  häufiger  von  seiner  Frau  gerettet,  die 
mit  Hilfe  der  mitgebrachten  Mäuse  bewirkt,  daß  der  Kater  seine  Pflicht  ver- 
gißt. Es  sind  das  stofflich  verschiedene  Erzählungen,  deren  jede  ihre  eigene 
Geschichte  hat.  So  wird  die  Aufgabe  des  gelehrten  Forschers  noch  schwie- 
rieger  und  komplizierter,  besonders  da  Cosquin  den  indischen  Ursprung  nicht 
bloß  der  erwähnten  Erzählung,  sondern  aller  der  Erzählungen  nachzuweisen 
bestrebt  ist,  in  welche  sie  episodenweise  eingeschaltet  ist.  So  besonders  wird 
die  tuniäische  Erzählung  untersucht,  in  welchem  die  Geschichte  vom  Kater 
und  dem  Leuchter  mit  dem  Stoffe  von  der  treuen  Frau  verflochten  ist,  welche 
die  zudringlichen  Verehrer  überlistet,  in  Kästen  einsperrt  und  so  der  Strafe 
oder  dem  Spotte  übergibt.  Vgl.  meine  Bemerkungen  zu  den  Kubinschen  Er- 
zählungen aus  der  GlatzII  Nr.  91  in  der  Beilage  des  Närodopisny  Vestnik  VIII, 
HeftT— 8,  S.273.  Für  ursprünglicher  und  reiner  hält  Cosquin  die  rumänische 
Fassung,  beide,  diese  und  die  tunisische,  gehen  nach  seiner  Darlegung  (S.515) 
ans  einer  gemeinsamen  Vorlage  hervor,  zu  den  Rumänen  drang  sie  durch  tür- 
kische, nach  Tunis  durch  arabische  Vermittlung,  und  weiter  durch  persische 
Vermittlung  aus  Indien.  Die  Wahrscheinlichkeit  solcher  Meinungen  würde 
natürlich  am  besten  dargelegt  sein,  wenn  eine  solche  persische  Fassung  be- 
kannt werden  würde.  Cosquin  erwähnte  die  von  Lucian  und  vom  hl.  Grego- 
rius  verzeichnete  Erzählung  von  Affen,  die  als  Menschen  gekleidet,  wie  Men- 
schen tanzten,  aber  sogleich  auf  alles  vergaßen,  als  ihnen  jemand  Nüese 
zuwarf.  Die  Grundidee  ist  hier  wohl  dieselbe  wie  in  der  im  europäischen 
Mittelalter  beliebten  Erzählung,  aber  es  sind  das  verschiedene  Erzählungen. 
Cosquin  betoute  die  grundlegende  Ansicht  bei  der  Erforschung  des  Ursprungs 
und  der  Wanderung  unserer  Erzählungen,  wo  er  sich  diametral  von  den  An- 
hängern der  sog.  anthropologischen  Schule  unterscheidet:  es  sind  nicht  die 
grundlegenden  Ideen,  auf  denen  die  Erzählungen  aufgebaut  sind,  sondern  der 
Stoff  und  die  Form,  in  welcher  sie  erzählt  werden  .  .  .  »c'est  aussi  les  agence- 
ments  particuliers,  les  enchässements  divers  de  ces  idees  ayant  pris  corps;  en 
un  mot,  ce  n'est  pas  l'abstrait,  c'est  le  concret«  (S.  517). 

Cosquin  versucht  zu  beweisen,  daß  diese  Geschichte  des  westeuropäi- 
schen Büchleins  von  Salomon  und  Markolf  indischen  Ursprungs  ist,  wie  auch 


520  Kritischer  Anzeiger. 

noch  andere  Motive,  die  da  vorkommen:  Salomon  sieht  nach,  ob  Markolf  auf 
Wache  steht,  und  sucht  zu  erfahren,  was  er  sich  denke:  dazu  führt  er  einige 
ganz  gleiche  indische  Fassungen  aus  der  alten  Zeit  an,  aus  einer  Sammlung 
des  XII.  Jahrh.  (S.  517),  aus  der  tibetschen  buddhistischen  Sammlung  Kan- 
dzur,  worauf  seinerzeit  schon  Wesselofsky  aufmerksam  gemacht  hat.  Die 
Fragen  und  Antworten  Salomon  und  Markolf  »wo  ist  dein  Vater?«,  »wo  ist 
deine  Mutter?«  werden  ebenfalls  aus  dem  Kandzur  und  aus  neueren  indischen 
Erzählungen  belegt  (S.  522). 

Cosquin  bespricht  in  dieser  Abhandlung  auch  Fragen,  die  nur  indirekt 
mit  dem  Hauptthema  zusammenhängen.  Die  Aufsätze  hierüber  teilte  er  in 
eigene  »Exkurse«,  welche  oftmals  die  Darlegung  des  eigentlichen  Themas 
unterbrechen  und  der  Übersichtlichkeit  seiner  Schrift  recht  abträglich  sind. 

Der  erste  Exkurs  ist  streng  literarisch-historisch.  Der  Verfasser  unter- 
sucht das  Büchlein  von  Salomo  und  Markolf  (S.  374—392,  529—531);  er  er- 
blickt darin  zwei  ursprünglich  selbständige  Teile,  die  später  recht  äußerlich 
verbunden  wurden,  und  zwar  an  der  Scheide  des  XIV.  und  XV.  Jahrb.;  der 
erste  Teil,  der  Dialog  zwischen  Salomo  und  Markolf  ist  wohl  sehr  alt,  vom 
zweiten  Teil  läßt  sich  nichts  bestimmtes  sagen;  der  Verfasser  ist  geneigt, 
ihren  Ursprung  eher  auf  deutschen  Boden  zu  verlegen,  als  auf  den  ge- 
mischten romanisch-germanischen,  nach  Flandern,  wie  seinerzeit  Karl  Hof- 
mann meinte.  Die  beiden  anderen  Exkurse  sind  wieder  stoffwissenschaftlich: 
im  zweiten  (S.  425—430)  wird  das  Motiv  von  der  Narbe  am  Kopfe  besprochen, 
nachdem  der  Held  die  Schwester  oder  die  vom  Schicksal  vorbestimmte  Frau 
erkennt.  Der  dritte  ausführlichste  Exkurs  (S.  486—506)  ist  dem  vielbespro- 
chenen Stoife  von  der  tugendhaften  Frau  und  ihren  zudringlichen  Verehrern 
gewidmet.  Hier  wendete  sich  Cosquin  scharf  gegen  den  »Hyperkritizismus« 
Jos.  Bediers,  der,  wie  bekannt,  seinerzeit  am  energischesten  gegen  die  Haupt- 
thesen Cosquins  auftrat.  Cosquin  versucht  gegen  Bedior  von  neuem  den  in- 
dischen Ursprung  dieses  Stoffes,  wie  er  im  altfranzösischen  Fabliau  Constant 
du  Hamel  bearbeitet  wurde,  zu  beweisen,  es  sei  ein  >Zweig  am  Aste  des  indi- 
schen Baumes,  den  wir  im  Garten  des  Folklores  die  ,tugendhafte  Frau  und 
die  Liebhaber'  nennen  können«  (S.  5üO),  ja  sogar  die  »antiklerikale  Tendenz« 
dieses  Gedichtes  mit  der  widrigen  Rolle,  die  da  der  Dorfpfarrer  spielt,  wird 
mit  Hinweis  auf  die  verwandten  indischen  und  arabischen  Erzählungen  als 
»ganz  indisch,  ganz  orientalisch«  erklärt  (S.  498). 

Zum  Gegenstand  gründlicher  Studien  machte  Cosquin  in  der  dritten  Ab- 
handlung den  im  Orient  und  in  ganz  Europa  stark  verbreiteten  Märchenstoflf 
»Der  Zauberer  und  sein  Lehrling«  oder  »De  Gaudeif  un  sien  Meester«,  wie 
das  Grimmsche  Märchen  Nr.  68  betitelt  ist.  Schon  Benfey  hat  sich  mit  diesem 
Stoff  in  seinem  epochalen  Werke  beschäftigt,  nach  ihm  andere,  unter  anderen 
hat  auch  der  Referent  im  Sbornik  za  nar.  umotvor.  Bd.  XV  dessen  slavische 
und  andere  Fassungen  zusammengestellt  und  verglichen.  Cosquin  bindet  an 
die  Ausführungen  Benfeys  an  und  weist  die  von  diesem  den  Mongolen  zuge- 
schriebene Vermittlerrolle  der  indischen  Erzählungen  nach  Westen  zurück. 
Er  verglich  zuerst  die  Erzählung  des  mongolischen  Siddhi-Kür  mit  den  indi- 
schen Fassungen,  die  Benfey  noch  nicht  zugänglich  waren  (S.  9—27).  Hieran 


E.  Cosquin,  Drei  folkloristisehe  Beiträge,  angez.  v.  Polivka.         521 

wird  die  Analyse  der  außerhalb  Indiens  erzählten  Fassungen  angeknüpft  und 
durch  eine  detaillierte  Untersuchung  der  einzelnen  Motive  gezeigt,  daß  sie 
sich  alle  auf  die  indischen  Erzählungen,  nicht  auf  die  mongolische  zurück- 
führen lassen.  Der  Verfasser  geht  von  einer  bisher  unbekannten  französischen 
Fassung  aus  dem  Gebiete  der  oberen  Loire  aus  und  untersucht  die  einzelnen 
Motive:  1.  der  vom  Zauberer  verwandelte  Knabe  soll  vom  Vater  erkannt 
werden  (S.  31);  2.  der  Zauberer  erscheint  dem  Vater  ,  wenn  er  laut  aufächzte 
>Och«  (S.  39);  3.  der  Knabe  ist  vor  der  Geburt  dem  Zauberer  versprochen  (S.  50); 

4.  der  Knabe  sucht  einenDienst  und  findet  ihn  bei  dem  Zauberer  (S.  52);  5.  der 
Knabe  tritt  als  Lehrling  zu  dem  Zauberer,  um  eine  Prinzessin  heiraten  zu 
können  (S.  53).  Die  Motive  2—5  sind  verschiedene  Einleitungsformeln,  nach 
denen  die  einzelnen  Fassungen  des  Märchens  bestimmt  werden  könnten,  und 
deren  geographische  Verbreitung  sich  verhältnismäßig  genau  bestimmen  ließe. 
»Och«  kommt  im  russischen  Osten  und  Südwesten  vor,  in  Bessarabieu,  Bulga- 
rien, Süd-Mazedonien,  am  Kaukasus  bei  den  Gebirgsawaren ,  in  Griechenland 
und  in  Sizilien.  Daß  dieses  Wesen  als  ein  Neger  geschildert,  Araber  genannt 
wird,  ist  ein  gemeinsamer  Zug  der  balkanischen  Fassungen,  und  es  ist  be- 
kannt, wie  stark  verbreitet  diese  typische  Gestalt  in  der  südslavischen  Volks- 
poesie ist.  Cosquin  hebt  noch  eine  andere  Beschreibung  dieser  Eiesengestalt 
hervor  in  den  türkischen,  griechischen,  indischen  und  in  der  tatarischen  Fas- 
sung aus  dem  südlichen  Sibirien:  die  eine  Lippe  kehrt  die  Erde,  die  andere 
den  Himmel.  Ahnlich ,  ja  noch  phantastischer  werden  andere  Märchengestalten 
beschrieben,  so  z.  B.  im  Märchen  der  nördlichen  Burjaten  erwartete  das  Riesen- 
mädchen den  Feind:  >sie  legte  sich  auf  dieErde,  mit  dem  unteren  Kinnbacken 
sich  auf  die  Erde  stützend,  mit  dem  oberen  Kinnbacken  den  hohen  Himmel 
unterstützend.  So  fing  sie,  den  Mund  geöffnet  in  sich  zu  ziehen  und  zu  ver- 
schlingen aus  einer  drei  Tage  und  Nächte  weiten  Entfernung.  Abaj-Geser- 
Bogdo-Chan  ritt,  ritt  und  begann  sich  zu  nähern.  Da  fiel  er  in  diesen  Zug, 
konnte  nicht  widerstehen,  wurde  wie  eine  Feder  leicht,  flog  direkt  in  den 
Mund  der  ältesten  Schwester  Euchebe  .  .  .«   (Changalov  Balaganskij  Sbornik 

5.  17),  Ganz  ähnlich  begegnete  die  alte  Eme-Chara  die  Besieger  ihrer  Söhne 
(ebd.  S.  113),  und  ein  anderer  Riese  die  Widersacher  (ebd.  S.  143).  In  einer 
weißrussischen  Fassung  des  Märchens  vom  Kampfe  mit  den  Drachen  unter 
der  Brücke  (RomanovVI,  2521  wartet  die  Mutter  der  überwundenen  Drachen 
auf  den  Helden,  öffnet  den  Mund,  den  einen  Kinnbacken  stellt  sie  auf  dieErde, 
den  anderen  unter  den  Himmel,  und  wartet,  die  Helden  werden  ihr  in  den 
Mund  hineinreiten,  und  sie  wird  sie  verschlingen ;  der  Held  rettet  sich ,  daß  er 
bis  unter  den  Himmel  emporspringt  und  den  oberen  Teil  abhaut.  In  einem 
lettischen  Märchen  begegnet  der  Held  die  älteste  Tochter  der  Hexe  als 
Schwein  mit  einem  von  der  Erde  bis  zum  Himmel  geöffneten  Rachen  (Weryho 
31).  In  einem  großrussischen  Märchen  bei  Afanasjev  Nr.  92  (I,  215)  blies  sich 
die  Schwester  der  ermordeten  drei  Drachen  auf,  wurde  eine  fürchterliche 
Löwin,  sperrte  d  n  Rachen  auf  und  verschlang  ganz  den  Prinzen. 

Das  weitere  Einleitungsmotiv :  der  Knabe  ist  dem  Zauberer  vor  der  Geburt 
versprochen,  floß  gewiß  sekundär  mit  diesem  Stoffe  zusammen ;  er  ist  mit  ande- 
ren Stoffen  häufiger  und  viel  organischer  verbunden,  wenn  er  auch  in  verschie- 


522  Kritischer  Anzeiger. 

denen  Fassungen  derSantalen  in  Indien,  der  Syrier,  Araber  in  Egypten  und  in 
einer  griechischen  vorkommt.  In  Mittel-  und  Westeuropa  bis  in  die  untere 
Bretagne  und  nach  Island  ist  die  Einleitung  verbreitet,  wo  der  Knabe,  nachdem 
er  die  Kenntnis  der  Schrift  geleugnet,  in  die  Dienste  des  Zauberers  tritt.  Die 
zuletzt  erwähnte  Einleitung  kommt  hauptsächlich  in  Orientalen  Fassungen 
und  in  den  orientalem  Einflüsse  unterliegenden  Fassungen  vor,  wie  in  der 
bosnischen  ;S.  56),  eine  verderbte  Spur  davon  ist  in  der  toskanischen  Fassung 
(S.  58).  Die  besonders  in  Nordafrika  verbreiteten  bilden  durch  ihren  ganzen 
Verlauf  eine  eigene  Gruppe  (S.  58flf.);  da  wird  der  Zauberlehrling  Schwieger- 
sohn des  Königs,  nachdem  er  Wunder  über  Wunder  vollbracht  hat;  hier  ist 
auch  dieser  Stotf  mit  dem  Hauptmotiv  des  Aladdinstofifes  zusammeugeflossen 
(S.  70).  Cosquin  sagt  gewiß  mit  Recht  (S.  71),  daß  es  ein  späteres  sekundäres 
Gebilde  ist,  aber  es  komme  auch  in  Indien  vor.  Aber  die  angeführte  indische 
Fassung  hat  doch  nicht  soviel  gemeinsames  mit  den  uordafrikanischen  Fas- 
sungen, daß  ein  genetisches  Verhältnis  zwischen  ihnen  angenommen  werden 
könnte. 

Weiter  werden  andere  in  der  Entwicklung  der  Handlung  wichtige  Motive 
analysiert:  6.  dem  Lehrling  steht  mit  Rat  und  Hilfe  eine  weibliche  Person  bei, 
und  nur  auf  diese  Weise  rettet  der  Knabe  sein  Leben  vor  den  Anschlägen  des 
Meisters;  es  wird  ihm  geraten,  sich  unwissend  und  unfähig  zu  stellen  und  hier 
zeigt  sich  ein  Zusammenhang  mit  der  Einleitungsformel  3,  die  im  westlichen 
und  nordwestlichen  Europa  verbreitet  ist. 

Am  wichtigsten  und  interessantesten  und  für  diesen  Stoff  charakte- 
ristisch ist  derKampf  in  Verwandlungen.  Diese  Verwandlungen,  die  so  häufig 
in  den  Märchen  aller  Völker  sind,  werden  gründlich  untersucht  ;S.  77  ff.).  Hier 
besonders  —  meint  Cosquin  —  zeigt  es  sich,  in  welchen  Grenzen  die  wunder- 
lichen Gebilde  der  indischen  Schöpfungskraft  von  der  europäischen  »menta- 
lite«  aufgenommen  werden  konnten. 

Cosquin  hat  in  seine  Ausführungen  in  reichlichem  Maße  —  mehr  als  in 
seinen  anderen  Studien  —  die  slawischen  Volksiiberlieferungen  aufgenommen, 
freilich  nicht  gleicherweise,  einige  vollständiger,  die  ihm  in  französischer,  eng- 
lischer oder  deutscher  Übersetzung  zugänglich  waren ,  von  anderen  hatte  er 
bloße  Auszüge,  Bemerkungen  und  die  werden  nur  bei  einigen  wichtigen  Mo- 
tiven, besonders  im  Absätze  über  die  Metamorphosen  angeführt.  Als  Kurio- 
sität merkte  er  an  (S.  95),  daß  der  Zauberer  der  norwegischen  Fassung  sich 
Bonde  Veirsky  (»Paysan  Nuage  du  temps«)  nennt  und  in  der  kleinrussischen 
Fassung  aus  Nordungarn  Honychmarnyk  (was  er  »Chasseiir  desNuages«  über- 
setzt). An  einen  Zusammenhang  dieser  beiden  Fassungen  denkt  er  natürlich 
nicht,  doch  ist  hier  zu  bemerken,  daß  der  Name  des  kleinrussischen  Zauberers 
in  den  Traditionen  der  Kleinrussen  begründet  ist,  da  die  Zauberer  Macht  über 
die  Gewitterwolken,  den  Hagelschlag  haben  (vgl.  Etnograf.  Zbirnyk  Bd  'di, 
S.  XX,  219  ff.). 

Die  literarischen  Bearbeitungen  des  Märchens  werden  in  einem  selbstän- 
digen Kapitel  untersucht  (S.  107  ff.),  der  »Vierzig  Vesiere«,  die  Episode  vom 
Kampf  in  Metamorphosen  in  >Tausend  und  eine  Nacht <;,  die  keltische  Erzäh- 
lung aus  dem  Jahre  1849  —  nach  der  Darlegung  Cosquins  S.  113)  lehnte  sich 


E.  Cosquin,  Drei  folkloristische  Beiträge,  angez.  v.  Polivka.         523 

deren  Verfasser  uiclit  an  Tausend  und  eine  Nacht,  sondern  kannte  wahrschein- 
lich eine  solche  Volkserzählnng  —  und  endlich  Straporolas  Bearbeitung,  deren 
Einfluß  auf  die  Volkserzählungen  entschieden  bestritten  wiid.  Auch  die  Frage 
von  den  Spuren  dieses  Stoffes  bei  den  griechischen  Autoren  und  bei  Ovid 
wird  berührt  (S.  115)  und  Cosquin  spricht  sich  sehr  scharf  gegen  Zielinskis 
Ansicht  aus.  Er  bestreitet  nicht,  daß  die  antike  Geschichte  mit  dem  Märchen 
vom  Zauberer  und  seinem  Lehrling  in  dem  Motiv  vom  Verkauf  einer  in  ver- 
schiedene Tiere  sich  verwandelnden  Person  übereinstimmt,  aber  wenn  auch 
dieses  Motiv  hellenischen  Ursprungs  wäre ,  so  folgt  daraus  nicht ,  daß  des- 
selben Ursprungs  die  ganze  Erzählung  wäre.  Im  Gegenteil,  die  Verbindung 
und  Kombinierung  dieser  verschiedenen  Motive  wurde  iu  Indien  durchgeführt. 
Cosquin  spricht  hier  einen  wichtigen  Satz  aus  »Es  ist  nicht  unmöglich,  daß  in 
diese  Verbindung  Elemente  verschiedenen  Ursprungs  traten«.  Immer  und 
immer  erblickt  er  in  Indien  >une  grande  fabrique  de  contes«,  das  ist  für  ihn 
eine  historische  Tatsache.  Er  leugnet  nicht,  daß  einzelne  Motive  wo  anders 
herkamen,  entweder  in  verschiedenen  Kombinationen  oder  vereinzelt,  isoliert 
und  dann  mit  wirklich  heimischer  Produktion  zurückgeschickt  wurden.  Er 
stimmt  mit  Edwin  Rohde  überein,  der  Indien  »den  großen  See«  nannte,  »in 
welchem  alle  Ströme  der  Fabulistik  zusammenflössen«  (S.119).  Hieran  schließen 
sich  noch  einige  Bemerkungen  über  Benfeys  Theorie,  seine  Hypothese  von 
dem  buddhistischen  Ursprünge  der  Märchen  wird  zurückgewiesen,  speziell  im 
Märchen  vom  Zauberer  und  seinem  Lehrling  ist  nichts  buddhistisches.  Auch 
die  zweite  Hälfte  des  Siddhi-Kür  ist  ihrem  Ursprünge  nach  nicht  buddhistisch. 
Zum  Schluß  (S.  126)  werden  die  Hauptergebnisse  der  Studie  zusammengefaßt. 
Hier  wurde  auch  hervorgehoben,  in  welcher  Rolle  der  Zauberer  in  der  letzten 
Szene  auftrat  als  Musikant  von  Indien  bis  zur  Bretagne,  in  türkischen  und 
russischen  Ländern  oder  als  Arzt  in  Litauen,  Norwegen,  im  südwestlichen 
Europa,  in  Italien  und  Portugal  u.  a.,  und  als  Belohnung  den  Ring  oder 
Granatapfel  u.  a.  verlangt.  Könnten  danach  wie  auch  nach  anderen  Motiven 
nicht  verschiedene  Redaktionen  dieses  Märchens  erblickt  werden?  Wir  ver- 
missen eine  genauere  Bestimmung  der  geographischen  Verbreitung  der  ver- 
schiedenen Motive  und  einzelner  Fassungen,  einen  Versuch  um  die  an- 
nähernde Bestimmung  der  Wege,  welche  das  Märchen  von  einem  Volke  zum 
andern  genommen  hat,  eine  Fixierung  der  Knotenpunkte  gewissermaßen,  wo 
sich  die  einzelnen  Bearbeitungen  gruppierten.  Es  entfällt  natürlich  eine  Ant- 
wort auf  die  uns  am  nächsten  interessierende  Frage  nach  dem  Verhältnis  der 
einzelnen  slawischen  Fassungen  zu  denen  der  Nachbarvölker.  In  meiner  Ab- 
handlung habe  ich  seinerzeit  einen  Versuch  gemacht,  den  Zusammenhang  der 
bulgarischen  Fassungen  einerseits  mit  den  Orientalen  und  kaukasischen,  ander- 
seits mit  den  russischen  Fassungen,  wie  auch  andere  Verwandtschaftsverhält- 
nisse zu  zeigen.  Freilich  war  das  Material,  das  mir  damals  zu  Gebote  stand, 
ziemlich  lückenhaft,  und  meine  derzeitigen  Ausführungen  wären  nun  zu  revi- 
dieren. Im  Rahmen  dieser  Anzeige  kann  es  leider  nicht  geschehen.  Der  aus- 
gezeichnete französische  Forscher  erblickt  allerdings  nicht  als  Aufgabe  seiner 
Studien  eine  solche  innere  Geschichte  der  Märchenstoffe  bei  den  europäischen 
Völkern.  Er  verfolgt  hauptsächlich  ein  Ziel,  die  Verteidigung  seiner  Thesen, 


524  Kritischer  Anzeiger. 

und  er  formulierte  seine  Lehre  wieder  am  Ende  dieser  Abhandlung  »ce 
n'est  pas  seulement  une  forme  de  chaque  conte  qui  a  voyagö  de  l'Inde  dans 
toutes  les  directions  et  notamment  vers  l'Occident;  c'est  une  foule  de  vari- 
ants,  on  le  verra  de  plus  en  plus,  ä  mesure  qu'on  aura  recueilli  plus  des 
contes  Indiens«. 

Außer  diesem  Märchenstoff  und  die  in  dessen  Fassungen  vorkommenden 
Motive  besprach  Cosquin  noch  einzelne  Motive,  die  in  anderen  Stoßen  vor- 
kommen, so  wie  aus  einer  Reihe  mit  Schleier  u.  a.  verhüllter  Personen  die 
Braut  erkannt  wird  (S.  35),  das  einleitende  Motiv  des  Eisenhans  (Grimm  KHM. 
Nr.  136  (S.  62),  der  Schlangensohn  schickt  die  Mutter  um  die  Hand  der  Prin- 
zessin bitten  (S.  70) ,  besonders  die  Metamorphosen  auf  der  Flucht  vor  der 
Hexe  u.a.  in  Wiese  und  Hirte,  in  Kirche  und  Priester,  in  See  und  Enterich  u.  a- 
(S.  100),  von  den  Verwandlungen  der  auf  der  Flucht  ausgeworfenen  Gegen- 
stände, Kamm,  Bürste,  Spiegel  u.  a.  (S.  104),  wie  wir  es  in  den  Märchen  ver- 
schiedener Völker  von  mannigfachen  Kulturstufen  vorfinden.  Mit  den  Meta- 
morphosen im  »Zauberer  und  Lehrling«  hat  es  natürlich  nichts  gemeinsames. 
Cosquin  fügte  einen  schönen  allgemeinen  Satz  hinzu,  mit  welchem  wir 
schließen  wollen:  »Les  contes  asiatico-europ^ens  ne  sont  pas  des  enfants 
trouves,  nes  ä  tout  bout  de  champ;  ils  forraent  des  familles,  dont  les  diverses 
branches  s'allient  entre  elles,  et  les  vieux  conteurs,  bien  mieux  que  nous  autres 
folkloristes,  en  ont  senti  d'instinct  les  affinites«  (S.  106). 

Prag,  September  1913.  G.  Polivka. 


A.  CejiKineBt ,    Bar.iflAW  Kapja  TaBJiHxiKa  iia  Pocciio.    (Kt  HCTopin 

cjaBHHCKHX'B  BsaHMO- OTHOinemH  Bx  nojiOBHH^  XIX.  B^Ka.)     HsAanie 

KHHatHaro  Maraaiina  M.  11.  To^yöeBa.    Kasant  1913.    S.  100. 

Der  Verfasser  reproduziert  die  von  dem  berühmten  Publizisten  K.HavHcek 
ausgesprochenen  Meinungen  und  Urteile  über  russische  Literatur,  Kultur  und 
überhaupt  das  ganze  russische  Leben,  und  begleitet  sie  mit  Anmerkungen  ver- 
schiedenen Wertes.  Es  hätten  z.  B.  ganz  gut  wegbleiben  können  die  Anmer- 
kungen über  den  vermeintlich  unslavischen  Ursprung  der  Russen  und  über 
Sarmaten  und  Slaven  (S.  59  ff.)  mit  verschiedenen  bibliographischen  Nach- 
weisen, über  die  Kenntnis  des  Weißrussischen  (S.  73 ff.),  über  das  Verhältnis 
der  russischen  Regierung  und  deren  ?  egoistischen  Politik«  den  Slaven  gegen- 
über (S.  93)  u.  a.  Willkommener  sind  die  Vergleiche  der  Anschauungen  Ha- 
vliceksmit  denen  anderer  Reisenden,  besonders  von  Kohl  und  Blasius^).  Wich- 
tiger ist  es,  wenn  darauf  hingewiesen  wird,  wie  Havlicek  ganz  gleich  die 
Sprache  des  Dalj-Lugansk ij  wertschätzt  wieSevyrev  (S.  25),  oder  daß  dieselben 


*)  Doch  macht  der  Verfasser  keine  Folgerungen  daraus,  obzwar  Dr. 
Tobolka  bereits  gezeigt  hat,  daß  Havlicek  diese  Reiseschriftsteller  u.  a. 
während  seiner  Anwesenheit  in  Moskau  studiert  hat,  und  deren  Einfluß  auf 
Havliceks  >Bilder  aus  Rußland«  konstatierte  (Liter,  ces.  XIX  stol.  III,  1, 
S.  556,  576). 


Seliscev,  HavHceks  Ansichten  über  Rußland,  angez.  v.  Polivka.      525 

Anschauungen  wie  Havlicek  von  Peter  dem  Großen  die  Slavjanophilen  hatten 
(S.  78).  Wir  würden  nun  erwarten,  daß  der  Verfasser  diese  Anschauungen  des 
Hauslehrers  bei  Sevyrev,  der  ausschließlich  in  den  Kreisen  verkehrte,  wo  die 
Lehren  der  Slavjanophilen  formuliert  wurden,  wie  ähnlich  das  wegwerfende 
Aburteilen  der  Petersburger  Literatur  von  selten  des  jungen  Havlicek,  ent- 
sprechend charakterisieren  und  erklären  wird.  Doch  hier  sind  wir  bei  einem 
wunden  Punkte  dieser  Schrift  angelangt,  der  sich  besonders  im  ersten  Teile 
»der  Einleitung<  äußert,  wo  eine  kurze  biographische  Skizze  Havliceks  ge- 
geben wird.  Von  einem  russischen  Schriftsteller  hätten  wir  erwartet,  daß  er 
besonders  die  Moskauer  Periode  im  Leben  Havliceks  eingehend  untersuchen 
wird,  aber  da  ist  er  sehr  oberflächlich.  Man  hätte  mit  Fug  und  Recht  erwartet, 
daß  er  versuchen  wird  zu  erklären,  wieso  die  Stellung  Havliceks  im  Hause 
Sevyrevs  unhaltbar  wurde,  wie  Sevyrev  eine  so  schlechte  Meinung  von  dem 
Hauslehrer  seiner  Kinder  fassen  konnte,  wie  sie  später  von  ihm  geäußert 
wurde,  als  er  erfuhr,  daß  Havlicek  zum  Abgeordneten  erwählt  worden  (S.  19, 
Anm.  2).  Herr  Seliscev  durchdachte  nicht  Bodjanskijs  Aussage,  daß  Havli- 
cek seibat  schuld  ist,  wenn  sein  Leben  in  Moskau  ihm  unangenehm  wurde. 
Der  Verf.  kennt  wohl  aus  Francevs  Buch  den  tiefen  Mißmut  Safariks  über 
Havlicek,  doch  versucht  er  nicht  ihn  zu  erklären.  Eine  ganze  Reihe  inter- 
essanter und  wichtiger  Züge  aus  der  Moskauer  Periode  Havliceks  wurde  gar 
nicht  berührt,  seine  Mißachtung  der  Moskauer  Professoren,  die  um  so  weniger 
begründet  war,  als  er  selbst  keine  gerade  gründliche  wissenschaftliche  Vor- 
bildung mitbrachte,  seine  Ignorierung  der  Vorlesungen  Granovskijs,  die  ge- 
rade zu  der  Zeit  so  viel  Aufsehen  in  Moskau  machten ,  seine  Unkenntnis  der 
Petersburger  literarischen  Arbeit,  besonders  Belinskijs,  seine  oberflächliche 
Kenntnis  der  neueren  russischen  Literatur,  hatte  er  ja  sogar  von  Gogols 
»Toten  Seelen«  sich  nur  auf  einige  platte  Phrasen  vermocht,  er  kannte  ja 
nach  Sevyrevs  Meinung  sogar  Gogol  sehr  einseitig.  Havliceks  Bericht  von 
der  Reise  Haxthausens  ließ  der  Verfasser  ohne  jede  Bemerkung,  obzwar  der 
Erfolg  der  Reise  dieses  Mannes  gegenüber  den  Ergebnissen  des  langen  Auf- 
enthaltes Havliceks  in  Moskau  gewiß  zu  einem  Vergleich  herausforderte.  Der 
geistreiche  angehende  Publizist  hatte  leider  weder  die  nötige  gesellschaftliche 
noch  wissenschaftliche  Vorbildung,  hatte  auch  nicht  in  sich  das  Zeug  zu  an- 
strengenden gelehrten,  besonders  antiquarischen  Studien,  bekam  leider  nicht 
die  ihm  notwendige  und  ihm  passende  Führung,  und  so  war  sein  langer  Auf- 
enthalt in  Moskau  und  langer  Verkehr  mit  gelehrten  Kreisen  ohne  bleibenden 
tieferen  Nutzen  für  die  heimische,  böhmische  Literatur.  Er  hätte  wohl  keinen 
Nutzen  gebracht,  selbst  wenn  er  nicht  bald  nach  seiner  Heimkehr  in  journa- 
listischer Arbeit  und  politischen  Kämpfen  aufgegangen  wäre.  Ref.  hat  ver- 
sucht die  Moskauer  Periode  Havliceks  und  deren  Erfolge  darzustellen,  in  der 
zu  Ehren  Prof.  Masaryks  herausgegebenen  Festschrift  (S.  163  ff.)  und  erlaubt 
sich  darauf  zu  verweisen.  Herrn  Seliscev  konnte  mein  Aufsatz  bei  der  Ver- 
fassung seiner  Studie  gar  nicht  zugänglich  sein  und  es  kann  dessen  Un- 
kenntnis ihm  nicht  vorgeworfen  werden. 

Prag,  September  1913.  G.  PoUvha. 


526  Kritischer  Anzeiger. 

Arne  Noväk:    Jan   Neruda.     Zlatoroh,    sbirka  illustrovanych 

monografii    porada   Max  Svabinsky.     Nakladem    spolku  vytvar- 

nych   umelcü    »Manes«    v  Praze.     S  podobiznou    od  M.  Svabin- 

skeho  a  16  prilohami  v  textu.     Vydano  1910. 

Arne  Noväks  Monograpliie  über  Neruda  ist  wohl  schon  vor  vier  Jahren 
erschienen;  da  sie  aber  in  diesen  Blättern  noch  keine  Besprechung  gefunden 
hat,  trotzdem  sie  eine  solche  verdient,  mögen  ihr  einige  Zeilen  gewidmet 
werden. 

Noväk  selbst  sagt  von  seinem  Buche,  >daß  es  die  Kenntnis  vonNerudas 
Werken  und  seinen  Lebensschicksalen  voraussetze«.  Das  ist  richtig,  denn 
wollte  es  jemand  lesen,  der  mit  Nerudas  Leben  und  Wirken  nicht  gut  bekannt 
ist,  80  würde  er  es  sicherlich  uninteressant  finden  und  nach  der  Lektüre 
weniger  Seiten  aus  der  Hand  legen.  Umsoraehr  fesselt  es  denjenigen,  welchem 
Neruda  durch  seine  Verse  und  Prosa  ein  Vertrauter  geworden  ist.  Wer  ihn 
völlig  zu  kennen  glaubt  (z.  B.  aus  dem  schönen  Buche  F.  V.  Krejcis  oder  der 
Partie  Prazäks  in  der  »Lit.  19.  stoleti«  und  aus  den  »Arabesken«  oder  »Klein- 
seitner  Geschichten)«,  dem  führt  Noväk  immer  noch  neue  Züge  des  Dichters 
vor  Augen. 

In  der  Einleitung  stellt  der  Verfasser  die  Behauptung  auf,  daß  mit  Jan 
Neruda  die  moderne  tschechische  Literatur  begonnen  habe.  Das  ist  eine  alt- 
bekannte Tatsache,  die  schon  wiederholt  gesagt  wurde,  und  an  der  niemand 
zweifelt.  Neu  ist  nur  die  Motivierung  dieser  Behauptung.  Noväk  begrün- 
det sie  nicht  etwa  mit  der  neuen  Richtung  in  der  tschechischen  Literatur,  die 
mit  dem  Almanache  »Mäj«  ihren  Anfang  nahm,  sondern  mit  Nerudas  eigen- 
artiger und  bedeutender  Persönlichkeit.  Während  Dichter  wie  Mächa,  Öela- 
kovsky.  Erben,  Nemcovä,  Havlicek  und  selbst  Zeitgenossen  Nerudas  der  lite- 
rarischen Vergangenheit  angehören,  »verstummte  Akteure  eines  halb  verges- 
senen Dramas«  sind,  bleibt  Neruda  nach  wie  vor  aktuell.  Jene  hatten  andere 
Lebensanschauungen  als  wir  und  wir  könnten  uns  bei  ihnen  für  unsere  Lebens- 
fragen keinen  Rat  holen.  Dieser  dagegen  kann  uns  heute  noch  Freund, 
Bruder,  Helfer  und  Tröster  sein.  Diesen  Gedanken  führt  der  Verfasser  aus, 
indem  er  zeigt,  welche  Wirkung  Nerudas  Verse  und  Prosa  auf  uns  Menschen 
von  heute  ausüben  und  gelangt  dann  zum  Schlüsse  »a  tak  proto  pro  vse  za- 
ciuä  präve  Nerudou  a  nikym  jinym  moderni  literatura  ceskä  (S.  4).  Im 
weiteren  versucht  der  Verfasser  des  jungen  Neruda  höhnische  Skepsis,  sein 
stolzes  Mißtrauen  und  seinen  kühlen  Negierungsgeist  aus  seinen  sozialen 
Verhältnissen  zu  erklären.  Er  bemerkt,  daß  die  Dokumente  über  des  Dichters 
mißliche  soziale  Verhältnisse  (seine  poetischen  und  prosaischen  Schriften)  mit 
großer  Reserve  benutzt  werden  müssen,  denn  sie  stammen  vielfach  aus  einer 
Zeit,  wo  die  Wimden  aus  der  Jugendzeit  längst  vernarbt  waren.  MitRecht  weist 
Noväkdaraufhin,  daßjene  Werke,  die  der  Jugendzeitnäherstehen(»Arabe8ky«, 
»Hrbitovni  kviti«,  »Knihy  versu«),  die  Leiden  und  die  Not  des  Dichters  ge- 
treuer wiedergeben  als  diejenigen  aus  der  späteren  Zeit  (»Malostränske 
povidky«).  Und  wenn  Noväk  von  Nerudas  Jugend  spricht,  kann  er  natürlich 
nicht  umhin,  auf  sein  Verhältnis  zur  innig  geliebten  Mutter,  das  in  dem  Ge- 


A.  Noväk  über  Jan  Nernda,  angez.  v.  Donath.  527 

dichtzyklus  »Maticce«  seinen  Ausdruck  gefunden  hat,  und  auf  das  nicht  immer 
glückliche  Verhältnis 'zu  seinem  Vater,  dem  die  Gedichte  ^Otci«  gelten,  zu- 
rückzukommen (S.  6 — 11).  Nerudas  Proletariertum  ist  die  Voraussetzung, 
ohne  die  wir  die  Werke  dieses  Apologeten  der  Notleidenden  nicht  verstehen 
können.  Er,  der  Sohn  eines  Greislers  und  einer  Wäscherin,  blieb  stets  ein 
vollkommener  Gentleman;  dadurch  unterschied  er  sich  von  seinem  Lieblings- 
dichter Heine,  dessen  menschliche  Schwächen  nicht  selten  zum  Vorschein 
kamen. 

Noväk  spricht  über  den  18  jährigen  Verfasser  des  politischen  Gedichtes 
»V  cas  za  ziva  pohrbenych«,  über  sein  Verhältnis  zu  Havlicek,  zum  Jungen 
Deutschland,  zur  Volkspoesie  und  zu  Erben.  Er  behandelt  wie  andere  Neruda- 
forscher  die  Werke  in  chronologischer  Eeihenfolge  und  zwar  so,  daß  er  zwi- 
schen die  »Bücher  der  Verse«  und  die  »Kosmischen  Lieder«  Nerudas  prosa- 
ische Werke  eiuschaltet.  Neu  und  interessant  ist  aber  wieder  die  Art  der 
Behandlung  von  Nerudas  Schriften.  Noväk  versteht  es,  in  die  verborgensten 
Schlupfwinkel  der  dichterischen  Seele  einzudringen  und  dort  die  Keime  wie 
auch  die  Triebkräfte  aufzuspüren,  aus  welchen  die  kunstvollen  Gedichte  her- 
vorgegangen sind.  Dadurch  sowie  durch  treffliche  Erklärungen  erscheint  uns 
manches  Gedicht,  an  dem  wir  sonst  verständnislos  und  darum  auch  achtlos 
vorübergingen,  in  neuem  Lichte,  in  neuer  Pracht. 

Den  »Friedhofsbluraen« ,  in  denen  der  Dichter  seine  Gedanken  wieder- 
gab, »so  wie  er  sie  im  Tournister  trug«,  spricht  Noväk  alle  Melodie  ab  und 
charakterisiert  sie  als  »bloßen  Spiegel  des  düsteren  23jährigen  Dichters,  der 
bisher  vergebens  der  musikalischen  Melodie  nachstrebte«,  als  Katechismus  der 
Selbstanklage  und  Lehrbuch  der  Selbstqual«  (»Katechismus  sebeobzaloby  a 
encheiridion  sebetryzne«).  Er  bespricht  nicht  nur  die  Gedichtsammlung 
selbst,  sondern  auch  ihre  Kritik  und  bemerkt  dabei,  daß  sowohl  den  Freunden 
des  Dichters  wie  auch  den  Gegnern  alles  entgangen  sei,  was  dieser  zv/ischen 
den  Zeilen  versprach:  die  soziale  Lyrik,  die  moderne  Ballade,  die  kosmische 
Meditation,  die  patriotische  Eeflexion,  die  Analyse  der  modernen  Liebe  und 
die  literarische  Satire.  Die  »Friedhofsblumen«  und  der  um  ein  Jahr  später 
(1858)  erschienene  Almanach  »Mäj«,  an  dem  Neruda  bedeutenden  Anteil  hatte, 
riefen  einen  Entrüstungssturm  der  älteren  Generation  hervor.  Dagegen  wen- 
dete sich  Neruda  in  einem  Pamphlete  »U  näs«.  Noväk  meint,  die  Satire  dieses 
Werkchens  sei  sehr  matt,  der  Dichter  habe  nichts  von  seinem  Vorbilde,  dem 
Verfasser  des  »Atta  Troll«  gelernt,  er  wolle  mit  seiner  Ironie,  mit  seinem  gut- 
mütigen Lächeln  nicht  wehe  tun;  die  Spitze  seiner  Satire  kitzle  nur,  steche 
und  verwunde  aber  nicht.  Er  stehe  im  Gegensatz  zu  dem  sarkastischen  Hav- 
licek, dessen  Hiebe  (z.  B.  in  »Ki-est  sv.  Vladimira«)  auf  die  Häupter  der  Gegner 
mit  aller  Wucht  niederfielen. 

Die  musikalische  Melodie,  welche  Noväk  in  »Friedhofsblumen«  vermißt, 
findet  er  bereits  im  lyrischen  Teile  von  Nerudas  zweiter  Gedichtsammlung 
»Bücher  der  Verse«,  denn  diese  sei  schon  unter  dem  Einflüsse  der  »tragi- 
komischen« Liebe  zu  Anna  Holina  und  der  leidenschaftlichen  Liebe  zu  The- 
rese  Machäcek  entstanden.  Dem  Verhältnis  zu  den  beiden  Damen  widmet 
Noväk  mehrere  Seiten,  ehe  er  auf  die  »Bücher  der  Verse«  zurückkommt. 


528  Kritischer  Anzeiger. 

Diese  sind  in  ihrem  epischen  Teile  gewissermaßen  Vorboten  zu  seinen 
späteren  Werken,  zu  den  »Balladen  und  Romanzen»,  zu  den  »Einfachen  Mo- 
tiven« und  den  »Freitagsgesängen«.  Von  den  »Friedhofsblumen«  unter- 
scheiden sie  sich  dadurch ,  daß  sie  sich  nicht  mit  der  Gegenwart  sondern  mit 
der  Zukunft  befassen.  Wieviel  der  Lyriker  Neruda  in  den  Jahren,  die  zwischen 
den  genannten  zwei  Sammlungen  liegen,  gelernt  hat,  sehen  wir  aus  den  Aus- 
führungen auf  S.  50 — 54. 

Im  weiteren  wendet  sich  Noväk  den  Reisebeschreibungen  und  der  üb- 
rigen Prosa  Nerudas  zu.  Da  ist  vor  allem  die  Einleitung  zu  dieser  Partie  her- 
vorzuheben, in  welcher  der  Verfasser  auf  die  Verschiedenheit  in  der  Art  und 
Weise  des  Reisens  bei  den  Romantikern  und  Jungdeutschen  hinweist.  Neruda 
schloß  sich  letzteren  an.  Gleich  ihnen  reiste  er  nicht  als  Dichter,  sondern  als 
liberaler  Journalist,  der  seine  Eindrücke  in  leichten  unterhaltenden  Feuilletons 
beschrieb.  Die  Reiseplaudereien  bedeuten  den  Höhepunkt  in  Nerudas  journa- 
listischer Tätigkeit  und  unter  ihnen  gebührt  der  erste  Platz  jenen  Stücken, 
die  in  der  Sammlung  »Bilder  avis  der  Fremde«  vereinigt  sind.  Eine  andere 
Art  von  Feuilletons  sind  Skizzen,  Plaudereien,  Erzählungen  und  Novellen,  die 
wir  heute  in  den  Werken  »Ruzni  lide«,  »Arabesky«  und  »Malostränskd  po- 
vidky«  vereint  finden.  Aus  der  technisch  sehr  vollkommenen  Sammlung 
»Rnzni  lide«  ist  die  Novelle  »Trhani«  am  populärsten.  Noväk  polemisiert 
gegen  die  allgemein  verbreitete  Anschauung,  daß  sie  auch  die  beste  Novelle 
aus  der  ganzen  Sammlung  wäre,  und  gegen  die  ihr  häufig  zuerkannten  Epi- 
theta »naturalistisch«  oder  »sozialistisch«.  Die  »Arabesken«  und  »Kleinseitner 
Geschichten«,  die  ihrem  Charakter  nach  ziemlich  ähnlich  sind,  zeigen  uns 
dennoch  ganz  deutlich,  welch  großer  Unterschied  in  ihrem  künstlerischen 
Werte  besteht.  In  den  » Arabesken <i  zeichnet  Neruda  Figuren,  die  vereinzelt, 
ohne  jeden  Zusammenhang,  dastehen.  In  den  »Kleinseitner  Geschichten« 
werden  die  Figuren  nicht  mehr  vereinzelt  dargestellt,  sondern  sie  sind  in 
einem  Rahmen  zusammengefaßt;  diesen  Rahmen  bildet  eben  der  ganz  eigen- 
artige Prager  Stadtteil,  die  Kleinseite. 

Nach  der  Besprechung  der  prosaischen  Werke  geht  Noväk  wieder  zur 
Poesie  u.  z.  zu  den  »Kosmischen  Liedern«  über,  an  denen  ihn  weniger  der 
künstlerische  Wert  als  die  Lösung  des  Lebensproblems  interessiert.  Er  be- 
spricht die  anthropomorphistische  Methode,  der  sich  Neruda  in  dieser  Gedicht- 
sammlung bedient,  sowie  die  Mannigfaltigkeit  im  Stil.  Ein  leichter  volkstüm- 
licher Ton  wechselt  mit  einem  scharf  pointierten  oder  mit  einem  durch  Ver- 
gleiche und  Antithesen  geschmückten  rhetorischen  Stile. 

Wie  alle  Gedichtsammlungen  Nerudas,  so  stehen  auch  dessen  reifste 
Schöpfungen  »Balladen  und  Romanzen«  und  »Einfache  Motive«  mit  seinem 
seelischen  Leid  in  Zusammenhang.  Sie  sind  aber  nicht  unter  dem  Einflüsse  eines 
psychischen  sondern  eines  physischen  Schmerzes  entstanden,  unter  dem  der 
Dichter  schwer  zu  leiden  hatte.  Umso  merkwürdiger  finden  wir  das  liebliche 
Lächeln,  mit  dem  sich  der  Dichter  in  den  »Balladen  und  Romanzen«  von  der 
Welt  verabschiedet,  umsomehr  müssen  wir  den  kranken  Dichter  bewundern, 
wenn  er  noch  einmal  im  Leben  der  verführerischen  Stimme  der  Natur  und  der 
Sinne  lauscht  und  sich  zu  spröden  lyrischen  Tänzen  inden  »EinfachenMotiven« 


A.  Novak  über  Jan  Nernda,  angez.  v.  Donath.  529 

verleiten  läßt.  Der  oberflächliche  Leser  wird  die  »Balladen  undEomanzen«  für 
unpersönliche,  rein  objektive  Epik  halten,  trotzdem  enthalten  sie  mehr  Persön- 
liches als  manche  lyrische  Beichte.  Noväk  charakterisiert  einzelne  Balladen,  er 
zeigt,  wie  Neruda  in  diesen  Gedichten  die  Gestalt  des  Heilands  auffaßte  und 
Kindergestalten  als  Symbol  der  Einfachheit  und  Naivität  schuf.  Noch  subjek- 
tiver als  die  eben  erwähnte  Sammlung  sind  die  »Einfachen  Motive« ;  sie  sind  ein 
lyrisches  Tagebuch  des  50jährigen  Dichters,  der  aber  neuerdings  eine  Jugend 
mit  allen  ihren  erotischen  Leidenschaften  durchlebte.  In  der  letzten  Zeit  seines 
Lebens,  in  der  Zeit  der  Einsamkeit  und  der  größten  körperlichen  Leiden 
schrieb  Neruda  noch  zehn  Gedichte,  die  jedoch  erst  nach  seinem  Tode  unter 
dem  Titel  »Freitagsgesänge«  (>Zpevy  pätecni«)  erschienen  sind.  Sie  stellen 
einen  Torso  dar,  von  dem  Noväk  behauptet,  daß  es  der  schönste  Torso  der 
ganzen  tschechischen  Literatur  sei.  Auch  die  »Freitagsgesänge«  sind  subjek- 
tive Dichtungen,  deren  Wert  der  Verfasser  sehr  hoch  anschlägt,  wenn  er  be- 
hauptet, daß  sie  die  ganze  patriotische  Poesie  der  vorhergehenden  5(1  Jahre 
weit  übertreffen. 

Hiermit  wäre  ungefähr  angedeutet,  was  Noväks  Buch  enthält.  Wenn 
sich  der  Verfasser  vorgenommen  hat,  den  Dichter  Neruda  dem  Leser  näher  zu 
bringen,  so  ist  ihm  das  sicherlich  gelungen ,  denn  die  meisten  Leser  wird  er 
durch  seine  Monographie  zu  einer  neuerlichen  Lektüre  Nerudas  und  zu  einer 
Vertiefung  in  dessen  Werke  anregen. 

Wenn  dem  Verfasser  etwas  eingewendet  werden  soll,  so  ist  das  eine 
Merkwürdigkeit  seines  sonst  so  geistreichen  Stiles.  Dieser  leidet  nämlich 
unter  einer  gewissen  Fremdwörtermanie.  Die  Häufung  von  Fremdworten 
geht  manchmal  so  weit,  daß  der  Text  gar  nicht  leicht  verständlich  wird. 
Diese  Eigentümlichkeit  finden  wir  aber  nicht  nur  in  Noväks  wissenschaft- 
lichen Arbeiten,  sondern  auch  in  den  populären  Beiträgen  in  der  Sonntags- 
beilage der  »Närodni  Listy«,  die  doch  für  die  breiten  Volksschichten  ge- 
schrieben waren.  Trotz  dieser  Einwendung  muß  ich  zugeben,  daß  ich  die 
Sonntagsnummer  der  »Närodni  Listy«  mit  Sehnsucht  erwartete  und  zwar 
hauptsächlich  wegen  der  Beiträge  von  A.  Noväk,  und  daß  ich  es  sehr  be- 
dauerte, als  er  seine  Mitarbeit  an  den  »Närodni  Listy«  einstellte. 

Die  Besprechung  des  Buches  wäre  unvollständig,  wenn  man  nicht  auch 
seine  äußere  Form  erwähnte.  Der  Verein  bildender  Künstler  »Manes«  hat 
der  Ausstattung  des  Buches  sein  besonderes  Augenmerk  gewidmet  und  es  mit 
mehreren  schön  ausgeführten  Bildern  (drei  Bilder  des  Dichters,  je  ein  Bild  der 
Anna  Holina  und  der  Ther.  Machäcek,  Bilder  der  Prager  Kleinseite  u.  a.)  und 
zwei  Faksimilen  von  Nerudas  Gedichten  geschmückt.  Diese  Bilder  steigern 
noch  das  schon  durch  den  Inhalt  des  Buches  hervorgerufene  lüteresse  an  dem 
Dichter!).  0.  Donath. 


1)  Es  sei  anläßlich  dieser  Besprechung  auf  zwei  neue  Büchlein  des  »Zla- 
toroh«,  nämlich  auf  Tilles  »Boz.  Nemcovä«  und  F.V.  Krejcis  »Jar.Vrchlicky- 
hingewiesen. 


Archiv  für  slavisclxe  Philologie.    XXXV.  34 


530  Kritischer  Anzeiger. 

Prehledne  dejiuy    literatury    ceske  od  nejstarsich  dob  az 

po    nase    day.      Napsali   Dr.  J.  V.  Noväk    a  Dr.  Arne    Novak. 

Vydani  druhe,  prepracovaue  a  rozsirene.    Cena  K.  8.  —  str.  825. 

Näkladem  R.  Prombergra  v  Olomouci  1913. 

Die  erste  Auflage  dieses  Buches  i),  welches  unstreitig  unter  den  Ȇber- 
sichtlichen Darstellungen  der  tschechischen  Literaturgeschichte«  die  erste 
Stelle  einnimmt,  wurde  im  »Archiv  f.  slav.  Philologie«  noch  nicht  besprochen. 
Darum  soll  hier,  bei  der  Besprechung  der  zweiten  Auflage,  auf  einen  Vergleich 
der  beiden  Editionen  verzichtet  und  nur  axif  den  Inhalt  der  zsv^eiten  Auflage 
eingegangen  werden. 

Wenn  im  Laufe  von  drei  Jahren  eine  so  große  Zahl  von  Exemplaren  der 
»Strucne  dejiny  literatury  ceske^)  abgesetzt  wurde,  daß  die  ganze  Auflage 
vergriffen  erschien,  so  zeigt  dies,  welche  Verbreitung  das  Buch  in  verhältnis- 
mäßig kurzer  Zeit  gefunden  hat;  die  Verbreitung  aber  beweist  wieder  seine 
Brauchbarkeit.  In  der  Tat  bildet  es  einen  glänzenden  Behelf  zum  Studium 
der  böhmischen  Literaturgeschichte  und  wird  nicht  nur  von  den  breiten 
Schichten  der  Bevölkerung,  sondern  insbesondere  von  Lehrern  und  Schülern 
an  Mittelschulen  und  auch  von  den  Studierenden  an  Hochschulen  gerne  und 
viel  benützt.  Dieser  Umstand  allein  widerlegt  die  Einwendungen,  die  gegen 
das  Buch  gemacht  wurden  und  bestätigt,  wie  berechtigt  die  Anerkennung 
war,  die  ihm  vom  größten  Teile  der  Kritik  gezollt  wurde.  Die  »Strucn6  dejiny 
literatury  ceske«  erwiesen  sich  als  so  praktisch,  daß  sie  zu  einem  Lehrbuche 
wurden,  obgleich  sie  als  solches  von  vornherein  nicht  gedacht  waren. 

In  die  Arbeit  haben  sich  beide  Verfasser  so  geteilt,  daß  J.  V.  Novük 
die  alte  und  mittlere,  Arne  Noväk  die  neue  Periode  der  böhmischen  Literatur 
behandelte.  Ihre  Arbeit  ging  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus.  Da 
die  ältere  Literaturgeschichte  für  die  breiteren  Bevölkerungsschichten  weniger 
Interesse  hat,  so  beschränkte  sich  jener  auf  ihre  kurze  Darstellung.  Er  will 
den  Stoff  nicht  erschöpfen,  sondern  den  Leser  nur  ins  Studium  der  älteren 
böhmischen  Literatur  einführen.  Viel  ausführlicher  ist  die  Partie  Arne  No- 
väks.  Sie  umfaßt  fünf  Sechstel  des  ganzen  Buches.  Darin  findet  die  neu- 
böhmische Literatur,  namentlich  die  Literatur  der  letzten  Jahre  eine  sehr 
gründliche  Behandlung.  Gerade  wegen  der  Darstellung  der  neuesten  Lite- 
raturperiode, die  ein  novum  in  der  tschechischen  Literaturgeschichte  bedeutet, 
vordient  das  vorliegende  Buch  besondere  Beachtung. 

Die  Arbeit  J.  V.  Noväks  zerfällt  in  zwei  Kapitel.  Im  ersten  wird  die 
altböhmische,  im  zweiten  die  mittelböhmische  Literatur  besprochen.  Das  erste 
Kapitel  besteht  aus  drei  Abschnitten.  Im  ersten  (Vorbereitungzeit)  bespricht 
Noväk  die  ältesten  böhmischen  Schriftdenkmäler,  wie  die  Chroniken  Christians 
und  Kosmas',  Glossen  und  Lieder,  im  zweiten  die  Literatur  bis  zum  Jahre 
1346,  also  die  ältesten  Legenden ,  Alexandreis ,  Tendenzpoesie ,  didaktische, 


1)  Erschienen  im  J.  1910. 

2)  Die  erste  Ausgabe  führt  noch  diesen  bescheidenen  Titel. 


J.V.  Noväk  u.  A.  Noväk,  Ubers.  d.  böhra.  Literatnrg.,  aiif^cz.  v. Donath.  531 

lyrische  und  dramatische  Poesie,  Dalimil  und  Anlange  der  Prosa,  und  im  dritten 
die  sich  rasch  entwickelnde  Literatur  bis  zum  Jahre  1403.  Diese  Zeit  weist 
nicht  nur  eine  reiche  Epik  (Legenden,  Tristram,  Tandarias,  Herzog  Ernst, 
Großer  und  Kleiner  Eosengarten) ,  sondern  auch  eine  Fülle  von  Belletristik 
(Solternes,  Belial,  Das  Leben  Josefs  in  Ägypten,  Barlaam  u.  Josafat  u.  v.  a.), 
Lyrik  ixnd  Tendenzdichtung  auf.  Charakteristisch  ist  sie  durch  das  Auf- 
blühen der  Prosa,  insbesondere  der  Geschichtsschreibung.  Kaiser  Karl  be- 
tätigte sich  selbst  als  Historiograph  und  gab  auch  PHbik  Pulkava  von  Rade- 
nin  den  Auftrag  zur  Abfassung  einer  böhmischen  Chronik.  Andere  Geschichts- 
schreiber waren  Benes  Krabice  v.  Veitraile,  Jan  Marignola  und  Vavrinec  v. 
Brezov<ä.  Außer  ihren  Werken  bildeten  damals  Eeisebeschreibungen  eine 
beliebte  Lektüre.  Auch  das  Rechtsbuch  >Vyklad  na  prävo  zeme  ceske«  von 
Ondfej  V.  Dube  hat  sich  aus  dieser  Zeit  erhalten.  Von  größter  Wichtigkeit 
sind  die  religiösen  und  philosophischen  Werke  aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrh. 
Letzteren  liegt  eine  reformatorische  Tendenz  zugrunde  und  sie  bereiten  die 
hussitische  Bewegung  vor.  Sie  rühren  größtenteils  von  dem  bedeutendsten 
altböhmischen  Schriftsteller  Stitny  her,  dem  der  Verfasser  vier  Seiten  widmet. 
Das  zweite  Kapitel  behandelt  den  Zeitraum  von  Hussens  Auftreten 
(1403)  bis  zum  Ausgange  des  XVIIL  Jahrb.,  also  fast  400  Jahre.  In  diese 
Zeit  fällt  das  Aufblühen  der  tschechischen  Literatur  bis  zu  ihrem  Höhepunkte 
im  XVI.  Jahrh.  und  dann  ihr  Verfall  im  XVII.  und  XVIIL  Jahrh.  J.  V.  Noväk 
würdigt  im  ersten  Abschnitte  dieses  Kapitels  die  Tätigkeit  Hussens,  Jakou- 
beks  von  Mies,  Chelcickys,  Johanns  v.  Rokycana,  Hilarius'  v.  Leitmeritz 
und  zeigt],  wie  die  hussitische  Bewegung  eine  ganze  Reihe  neuer  Bibeltexte 
und  Kirchenlieder  hervorgebracht  hat.  Dann  geht  er  vom  geistlichen  Schrift- 
tum auf  das  weltliche  über,  auf  die  Tendenzdichtungen  »Rada  vselikych 
zvirat«,  »Ezop* ,  »Hädäni  Pravdy  a  Lzi« ,  auf  die  Kriegsschriften  des  Johann 
Häjek  von  Hodetin,  Johann  Zizka,  Wenzel  Vlcek  v.  Cenov,  auf  die  natur- 
historischen Werke  und  Reisebücher.  Er  zeigt  ferner  die  Verdienste  M. 
Vavrinec'  v.  Brezovä,  Bartoseks  von  Drahynic  und  Aeneas  Silvius'  um  die 
tschechische  Geschichtsschreibung  und  weist  auf  die  Bedeutung  der  erhal- 
tenen Urkunden  der  böhmischen  Könige  und  der  Briefe  Hussens,  Zizkas, 
Rokycanas,  Ctibors  v.  Cimburk  u.  a.  als  Quellen  hin.  Der  letztgenannte  er- 
wies sich  durch  seine  »Kniha  Tovacovskä«  als  glänzender  Rechtsgelehrter. 
Zum  Schlüsse  ist  noch  vom  Humanismus  die  Rede.  Der  zweite  Abschnitt  ist 
zum  größten  Teile  der  böhmischen  Brüderunität  gewidmet.  Im  Anschlüsse 
an  ihre  Geschichtsschreibung  behandelt  er  die  Historiker  Bartos  Pisaf,  Sixt  v. 
Ottersdorf,  Vaclav  Häjek  v.  Libocau,  Martin  Kuthen,  Daniel  Adam  v.  Vele- 
slavin  und  die  Verfasser  von  Memoirenwerken  Mikulüs  Dacicky  und  Simon 
Plachy.  Dann  ist  von  den  naturwissenschaftlichen  Werken  des  Tadeäs  Häjek, 
Adam  Huber,  Bavor  Rodovsky  die  Rede,  von  den  Reisebeschreibungen 
des  Kristof  Harant  von  Polzic  und  Vaclav  Vratislav  v.  Mitrovic,  den  juristi- 
schen Werken  des  M.  Brikcf  v.  Zlicko,  Krisiiän  v.  Koldin,  Karl  v.  Zero- 
tin  und  der  geistlichen  Literatur  mit  ihren  zahlreichen  Postillen  und  Kan- 
zionalen.  Auch  die  unbedeutende  dramatische  Literatur  (»Judith«  v.  Mikuläs 
Konäc,  »Komedie  Ruth«  von  Mosovsky)  wird  berücksichtigt.    Im  dritten  Ab- 

34* 


532  Kritischer  Anzeiger. 

schnitte  schildert  der  Verfasser  den  Niedergang  der  tschechischen  Sprache 
und  Literatur  nach  der  Schlacht  am  Weißen  Berge.  Wieder  nehmen  die 
Historiker  wie  Pavel  Skala  von  Zhore,  Wilh.  GrafSlavata,  Bohuslav  Balbin, 
Tomas  Pesina  v.  Cechorod,  Pave!  Stränsky,  J.  F.  Beckovsky  den  breites- 
ten Raum  ein.  In  dieser  Zeit  fand  die  tschechische  Literatur  bei  den 
Exulanten  außerhalb  Böhmens  größere  Pflege  als  in  Böhmen  selbst.  Ein 
solcher  Exulant,  der  sich  um  die  tschechische  Literatur  die  größten  Ver- 
dienste erwarb,  war  Johann  Arnos  Comenius,  für  dessen  Würdigung  der 
Verfasser  acht  Seiten  verwendet.  Er  beschließt  das  erste  Kapitel  mit  einer 
Besprechung  der  Grammatiken  von  Wenzel  Eosa,  Wenzel  Steyer  und  Georg 
Konstanc,  der  theologischen  Arbeiten  der  beiden  letzteren  und  der  strengen 
katholischen  Zensur  jener  Zeit,  die  von  Anton  Kouiäs  ausgeübt  wurde. 

Das  dritte  Kapitel  (S.  100—747)  von  Arne  Noväk  behandelt  die  tschechi- 
sche Literatur  vom  Jahre  1780  (Regierungsantritt  Kaiser  Josefs)  bis  zur  Gegen- 
wart. Noväk  teilt  es  in  zwei  Teile ,  in  die  Literatur  der  nationalen  Wieder- 
geburt (1780 — 1848)  und  in  die  der  wiedergeborenen  Nation  (1848 — Gegen- 
wart). Der  erste  Teil  zerfällt  wieder  in  zwei  Abschnitte :  1 .  Die  Literatur  von 
1780 — 1815,  welche  sich  im  Zeichen  der  Auf  klärung  vollzog  und  die  Zeit 
Dobrovskys  genannt  werden  kann,  2.  die  Literatur  von  1815 — 1848,  welche 
sich  im  Zeichen  der  Romantik  entwickelte,  iu  deren  Mittelpunkte  Josef  Jung- 
mann stand.  Noväk  zitiert  zunächst  die  Werke,  auf  welche  sich  seine  Dar- 
stellung der  tschechischen  Wiedergeburt  stützt,  gibt  einen  Überblick  über 
den  Josefinismus  und  dessen  Weltanschauung,  über  die  wissenschaftlichen 
Organisationen  in  Böhmen  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVIIL  Jahrh.  (Prager 
Universität  und  Gelehrte  Gesellschaft)  und  zeigt,  wie  die  sprachliche  Wieder- 
geburt eine  Folge  der  Germanisationsbestrebungen  war.  Dann  behandelt  er 
die  wissenschaftliche  und  schöne  Literatur.  In  jener  kommt  hauptsächlich 
die  Historiographie  und  Sprachwissenschaft,  in  dieser  die  noch  sehr  tief 
stehende  Belletristik  und  dramatische  Dichtung  in  Betracht.  Zum  Schluß 
bespricht  er  das  slovakische  Schrifttum  zur  Zeit  der  Aufklärung. 

Den  nächsten  Abschnitt  leitet  er  mit  einem  sehr  schönen  Exkurs  über 
die  Romantik  in  den  europäischen  Literaturen  am  Ende  des  XVHL  und  An- 
fang des  XIX.  Jahrh,  und  speziell  über  die  böhmische  Romantik  ein.  Diese 
charakterisiert  Noväk  sehr  anschaulich,  indem  er  zeigt,  wie  sie  der  deutschen 
romantischen  Bewegung  jene  Ideen  entnahm,  deren  sie  zur  Wiedererweckung 
des  tschechischen  Volkes  dringend  bedurfte,  und  wie  man  sie  auf  fünf  Grund- 
begriite  zurückführen  kann:  auf  Nationalismus,  Slaventum,  Sprache,  Alter- 
tümlichkeit und  Volkstum.  Nach  dieser  sehr  anziehenden  Einleitung  behan- 
delt er  die  erste  Periode  der  tschechischen  Romantik:  Jan  Nejedly  und 
dessen  Zeitschrift  Hlasatel,  Josef  Jungmann  und  seine  Schüler,  Hanka,  die 
Handschriftenfrage,  die  wissenschaftlichen  und  literarischen  Organisationen 
(Museum  krälovstvi  ceskeho,  Matice  ceskä)  und  die  Journalistik  jener  Zeit. 
Ein  eigener  Abschnitt  ist  KoUär  gewidmet.  Wie  die  Geschichte  im  Dienste 
der  Wiedergeburt  stand,  zeigt  er  an  Palacky,  Safarik  und  Vocel,  die  sehr  aus- 
führlich besprochen  werden,  und  an  Ant.  Bocek  und  A.  V.  Sembera,  deren 
Tätigkeit  nur  kurz  charakterisiert  wird.    Als  Dichter  der  tschechischen  Ro- 


J.V.Noväk  u.  A.  Novük,  Übers,  d.  böhm.Literatnrg.,  augez  v.  Donath.   533 

mantik  kommen  in  Betracht :  Öelakovsky,  Kamaryt ,  Chmelensky,  Vinaricky, 
Snaidr,  Picek,  Langer,  Jablonsky,  Stnlc,  Susil,  Kaiina,  Erben  undK.  H.Mächa, 
der  ebenso  wie  Kollär  in  einem  besonderen  Abschnitte  besprochen  wird.  Die 
novellistische  nnd  dramatische  Literatur  wurde  im  Vormärz  von  Klicpera, 
Tyl,  Turinsky,  Maehäcek,  Jan  z  Hvezdy  (J.  J.  Marek),  Prokop  Chocholousek 
und  F.  J.  Rubes  gepflegt,  wobei  die  drei  letzten  nur  Romane  schrieben,  wäh- 
rend Tyl  und  Klicpera  auf  beiden  Gebieten,  dem  Drama  und  Roman,  gleich 
produktiv  waren.  Auch  dieser  Abschnitt  schließt  mit  einer  Besprechung  der 
slovakischen  Literatur,  und  zwar  der  zur  Zeit  der  Romantik. 

Es  interessiert  uns,  wie  sich  der  Verfasser  in  diesem  Teile  des  Buches  zur 
Jungmannfrage  verhält,  die  vor  wenigen  Jahren  von  Kräl  und  Masaryk  einer- 
seits und  Chalupny  andererseits  aufgerollt  wurde  i).  Koväk  urteilt  über  Juug- 
mann  folgendermaßen:  »Osobnost  Jungmannovu  nelze  vystihnouti  jedinou 
formuli:  epitheton  'tlcheho  genia',  jez  mu  po  eele  pülstoleti  bylo  däväno, 
uküzalo  se  novejsim  setrenim  vedeckym  jako  nepfipadne.  Rozhodne  stoji 
Jungmann  jako  vedecky  pracovnfk,  jako  literärni  Organisator,  jakq  vsestrau- 
ny  spolutvurce  novodobe  ceske  literatury,  jako  buditel  narodni,  vyse  nez  Jung- 
maun  clovek.  Stisneue  a  nejiste  ovzdasi  reakcni  doby ,  tezky  prerod  stoleti 
osvicenskeho  k  veku  romantickemu,  spor  stare  generace  Dobrovskeho  s  no- 
vym  pokolenim  vlasteneckych  romantikü,  osobuf  konflikt  se  zavilym  pred- 
stavitelem  starsi  slovesne  kultury,  Janem  Nejedlym,  to  vsevypestilo  v  slozite 
dusi  Jungmannove  nedüvefive  opatrnictvi,  ülisne  voleni  vedlejsich  cest  a  pi-i- 
kre  stra'nictvi,  rysy  to,  jez  ostre  se  odräzeji  od  skvelych  vlastnosti  jeho  po- 
vahy.  .  .  .  Stinne  rysy  charakteru  Jungmannova  zjevily  se  pfedevsim  v  nekte- 
rych  polemickych  sräzkäch,  zejmena  v  boji  o  pravopis,  o  prosodii,  o  pravost 
podvrzenych  rukpisu,  pfijejichz  vzuiku  Jungmann  pravdepodobne  byl  ücas- 
ten;  .  .  .«  (S.  147).  Wir  sehen,  daß  der  Verfasser  ganz  unter  dem  Einflüsse 
der  Urteile  Kräls  und  Masaryks  über  Jungmann  steht,  ja  daß  er  sogar  weiter 
als  diese  geht,  indem  er  ihn  der  Mitschuld  an  den  Handschriftenfälschungen 
zeiht. 

Auch  seine  Ausführungen  über  Mächa  wollen  wir  hervorheben,  dessen 
Bedeutung  er  nicht,  wie  andere,  in  der  Einführung  des  Byronismus  in  die 
tschechische  Literatur,  sondern  in  deren  Bereicherung  durch  neue  Stoffe  sieht: 
»Zevne  zdä  se  jeho  odväzny  krok  bäsnicky  pfedevsim  uvedomelym  a  zani- 
cenyra  byronisraem,  ...  V  jädi-e  vsak  spocivä  prükopny  vyznam  Mächuv  v 
odvaze,  s  jakou  do  idyllisujiclho  a  klidneho  bäsnictvi  vlasteuecke  romantiky 
ceske  uvedl  jednak  väseii  läsky  a  zmaru,  jednak  hlubokou  filosofickou  iivahu 
0  poslednich  zähadäch  zivota,  konecne  vsak  i  novou  nekonvencni  skutecnost.« 

Noväk  bemüht  sich,  auch  die  Literatur  der  letzten  50  Jahre  in  Ab- 
schnitte zu  teilen  und  er  unterscheidet:  1.  die  Zeit  des  Überganges  und  der 
Reaktion  (bis  zur  Mitte  der  50er  Jahre),  2.  die  Zeit  Nerudas  und  Häleks  (bis  in 
die  Mitte  der  70er  Jahre)  und  3.  die  Gegenwart  (bis  zum  heutigen  Tage). 

Im  ersten  Abschnitte  nennt  er  zunächst  die  Dichter  der  Übergangszeit, 

1)  Siehe  Arch.  f.  slav.  Phil.  XXXIII,  S.  5G8  f. 


534  Kritischer  Anzeiger. 

welchen  nicht  mehr  KoUär  und  Celakovsky,  sondern  K.H.  Mächa  als  Leitstern 
diente.  In  dessen  Fußstapfen  schreitend,  gelangten  diese  zu  neuen  Mustern 
in  der  Poesie:  zu  Byron,  Lenau,  Puschkin  und  Heine.  Deren  Ideen  spiegeln 
sich  in  den  Versen  dreier  Dichter  ab,  nämlich  J.  P.  Koubeks,  V.  B.  Nebeskys 
und  K.  Sabinas.  Diese  pflegten  die  Poesie  nur  in  ihren  jungen  Jahren,  später 
wendeten  sie  sich  der  Wissenschaft  zu.  Im  Anschluß  an  Nebesky  spricht 
Noväk  von  dessen  Freunde,  dem  tschechisch -jüdischen  Dichter  Siegfried 
Kapper.  Dann  geht  er  auf  die  realistische  Dorferzählung  über,  deren  Haupt- 
repräsentantin Bozena  Nemcovä  war.  Neben  ihr  pflegten  diese  Gattung  des 
Romans  Frantisek  Pravda  (Vojtech  Hlinka),  der  Mährer  Antos  Dohnal  (Leo- 
pold Hausmann)  und  der  Slowake  Johann  Kallucäk.  Bemerkenswert  ist  der 
kleine  Exkurs  (S.257)  über  die  Pflege  des  Märchens  und  der  Sage  in  der  tsche- 
chischen Literatur.  Die  Behandlung  K.  Havliceks  gibt  dem  Verfasser 
Veranlassung,  über  die  Journalistik  zur  Zeit  dieses  großen  Publizisten  zu 
sprechen. 

Ehe  sich  Noväk  der  schönen  Literatur  der  50er  und  60er  Jahre  zu- 
wendet, gibt  er  eine  Übersicht  der  philosophischen  und  pädagogischen  Lite- 
ratur in  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrh.  Er  spricht  über  die  Pflege  der 
Philosophie  in  Böhmen  durch  Bolzano  und  dessen  Schüler  Vincenc  Zahradnik, 
der  die  erste  philosophische  Abhandlung  in  tschechischer  Sprache  geschrie- 
ben hat,  ferner  über  Ant.  Marek,  Ferd.  Hyna  und  Fr.  Palacky.  Dann  schil- 
dert er  J.  E.  Purkyne  und  K.  S.  Amerling  als  Vertreter  der  Naturphilosophie, 
A.  Smetana,  I.  J.  Hanns  und  F.  M.  Klücel  als  Hegelianer  und  Fr.  Cupr  als 
Herbartianer.  Wir  erfahren,  daß  nicht  nur  Männer,  deren  Beruf  die  Philo- 
sophie war,  Hegels  Lehre  anheimfielen,  sondern  auch  Schriftsteller  wie  Ne- 
besky, Nemcovä,  Stur,  Hurban  u.a.,  trotzdem  es  als  Kühnheit  galt,  sich 
öffentlich  als  Hegelianer  zu  bekennen.  So  mancher  Lehrer  der  Philosophie 
wurde  wegen  seines  Hegelianismus  des  Amtes  enthoben.  Anschließend  an 
die  philosophische  Literatur  registriert  Noväk  die  pädagogische  sowie 
die  Schulbücher  und  Jugendschriften  aus  der  Zeit  der  nationalen  Wieder- 
geburt. 

Als  »Zeit  Nerudas  und  Häleks  bezeichnet  der  Verfasser  einen  Zeitraum 
von  etwa  20  Jahren,  der  zwischen  dem  Erscheinen  des  Almanaches  »Lada Niola« 
(1854)  und  dem  Tode  Vitezslav  Häleks  (1874)  liegt.  Noväk  gibt  in  der  Einlei- 
tung zu  diesem  Abschnitt  nicht  nur  eine  allgemeine  Charakteristik  der  da- 
maligen literarischen  Verhältnisse,  er  zeigt  auch,  wie  die  Literatur  mit  der 
Politik  in  Zusammenhang  stand.  Ferner  liefert  er  eine  Darstellung  des  Zeit- 
schriftenwesens der  50er— 70er  Jahre  und  eine  Übersicht  der  bedeutendsten 
Mitarbeiter  des  jungtschechischen  Organs  »Närodni  listy«;  bei  dieser  Gelegen- 
heit befaßt  sich  Noväk  auch  mit  der  Journalistik  in  Böhmen,  Mähren  und 
der  Slowakei.  Dieser  Einleitung  folgt  die  Besprechung  der  beiden  Dichter, 
die  ihrer  Zeit  den  Namen  gegeben  haben.  Noväk  vergleicht  sie  miteinander 
und  zeigt,  wie  zu  ihren  Lebzeiten  Hälek  der  populärere  war,  während  die 
Nachwelt  Neruda  höher  einschätzte.  Dann  bespricht  er  Häleks  und  Nerudas 
Kreis,  zu  dem  Adolf  Heyduk,  ßud.  Mayer,  Vaclav  Sole  und  andere  weniger 
bedeutende  Dichter  gehörten.    Nerudas  Zeitgenossen  befaßten  sich  auch  viel 


J.V.Noväk  u.  A.  Noväk,  Übers,  cl.  böhm.  Literaturg.,  angez.  v.  Douath.  535 

mit  Übersetzungen  und  darum  gibt  der  Verfasser  eine  kurze  Zusammenfas- 
sung dieser  ganzen  Übersetzungsliteratur  (S.  321 — 323). 

In  zwei  weiteren  Abschnitten  behandelt  er  die  belletristische  und  dra- 
matische Literatur  dieser  Zeit.  Es  wird  zunlichst  die  Pflege  des  sozialen 
Romanes  durch  Gust.  Pfleger  Moravsky,  Fr.  Adamec,  Jakub  Arbes,  Antal 
Stasek,  Ferd.  Schulz,  Väcl.  Vlcek,  Zofie  Podlipskä,  Vencesl.  Luzickä,  dann  die 
des  historischen  und  kulturhistorischen  Romanes  durch  Jos.  Svätek  und  J.  B. 
Janda  besprochen.  Beide  Richtungen  finden  sich  bei  der  Dichterin  vereinigt 
Karoliua  Svethi.  Pfleger,  Arbes  und  Stasek  erhoben  den  sozialen  Roman  zu 
künstlerischer  Höhe,  mit  Schulz  und  Vlcek,  die  neben  sozialen  auch  histo- 
rische Novellen  schrieben,  begann  ein  Rückgang,  Podlipskä  und  Luzickä 
schrieben  unterhaltende  Tendenzromane.  Der  Partie  über  das  tschechische 
Drama  schickt  Noväk  einen  Überblick  über  die  PragerTheaterzustände  in  den 
50er — 70er  Jahren  voraus.  Er  erwähnt  darin  die  bedeutendsten  Schauspieler 
und  zeigt,  welcher  Beliebtheit  sich  Shakespeare  und  die  Franzosen  Scribe, 
Augier  und  AI.  Dumas  d.  J.  auf  den  böhmischen  Brettern  erfreuten.  Trotz 
des  allgemeinen  und  großen  Interesses  fürs  Theater  war  die  dramatische  Pro- 
duktion in  dieser  Zeit  nicht  allzngroß.  Neben  J.  J.  Kolär  gab  es  nur  zwei 
bedeutendere  Dramatiker:  Fr.  V.  Jeräbek  und  E.  Bozdech.  Die  Größe  Neru- 
das,  Häleks,Vlceks  und  Smilovskys  liegt  auf  einem  anderen  Gebiete  als  dem 
des  Dramas  und  die  Werke  J.  J.  Stankovskys  und  J.  L.  Turnovskys  sind 
ganz  vergessen. 

Von  der  Dichtung  wendet  sich  nun  der  Verfasser  zur  Wissenschaft. 
Zunächst  schildert  er  die  Pflege  der  Philosophie  und  Ästhetik  in  den  60er  bis 
80er  Jahren  durch  Josef  Dastich ,  Josef  Durdik  und  den  Vater  des  Sokol- 
gedankens  Miroslav  Tyrs,  dann  spricht  er  von  der  Kritik,  zu  der  die  Dichter 
Hälek,  Neruda,  Nebesky,  Sabina  und  Havlicek  durch  ihre  Stellung  zur  älteren 
Generation  geradezu  gedrängt  wurden.  Ihre  Kritik  entbehrt  noch  der  philo- 
sophischen Methode ,  die  wir  erst  in  den  Arbeiten  J.  Durdiks  finden.  Be- 
rühmte Kritiker  waren  Ferd.  Schulz,  J.  E.  Kosina  und  F.  Zäkrejs.  So  wie  die 
Kritik  ging  auch  die  Pädagogik  von  der  Philosophie  und  zwar  von  der  da- 
mals in  Österreich  offiziellen  Herbartschen  Philosophie  aus.  Auf  dem  Gebiete 
der  Pädagogik  hat  G.  A.  Lindner  Hervorragendes  geleistet.  Außer  ihm  kom- 
men E.  Makovicka,  J.  Kapras,  J.  Lepar  und  Peter  Durdik  in  Betracht.  Tüch- 
tige Schulmänner  waren  auch  J.  Wenzig,  J.  Havelka  und  J.  Sokol.  Um  die 
Jugendschriftenliteratur  machten  sich  neben  Fr.  Pravda,  Kar.  Svetlä,  Zofie 
Podlipskä  auch  J.  V.  Hrase  und  Fr.  A.  Zeman  verdient.  —  Im  weiteren  be- 
faßt sich  Noväk  mit  der  Pflege  der  Sprach-  und  Literaturwissenschaft  in  den 
ÜOer  und  70er  Jahren.  Mit  der  slavischen  und  böhmischen  Grammatik  be- 
schäftigten sich  V.  Zikmund,  M.  Hattala,  Fr.  Bartos,  A.  Vasek,  A.  Matzenauer 
und  F.  Vymazal,  mit  Lexikographie  J.  F.  Sumavsky,  Fr.  Spatny,  J.  Rank,  Fr. 
St.  Kott,  mit  klassischer  Philologie  J.  Kvicala.  Die  Literaturwissenschaft  lag 
ziemlich  im  Argen.  Nebeskys  und  Sabinas  Darstellungen  der  böhmischen 
Literatur  wurden  damals  nicht  übertrofi"en.  Man  beschränkte  sich  im  großen 
ganzen  auf  biographische  Monographien,  Schulbücher  und  Ausgaben  alter 
Texte.    Solche  Arbeiten  lieferten  J.  Jirecek,  Ant.  Rybicka,  Ferd.  Censky,  K. 


536  Kritischer  Anzeiger. 

Tieftrnnk,  V.  Zeleny  und  Ad.  Patera.—  Schließlich  ist  noch  von  der  Historio- 
graphie und  ihren  Hilfswissenschaften  die  Rede.  Gelehrte  wie  Tomek,  Gin- 
dely,  Kalousek,  Dudik,  Brandl,  Prasek,  Emier,  Bilek,  Sedläcek  und  Herrn. 
Jirecek  werden  erwähnt. 

Dem  Kapitel  über  die  Gegenwart  geht  wiederum  eine  allgemeine  Cha- 
rakteristik der  schönen  und  wissenschaftlichen  Literatur  voravis.  Noväk 
zeigt,  wie  auf  beiden  Gebieten  zunächst  zwei  Richtungen ,  die  nationale  und 
kosmopolitische,  nebeneinander  einherhingen,  wie  in  den  80er  Jahren  in  der 
Poesie  die  realistische  Richtung  hinzukam,  wodurch  scharfe  Kämpfe  zwischen 
der  älteren  und  jüngeren  Generation  hervorgerufen  wurden,  und  wie  der 
Realismus  vom  Symbolismus  abgelöst  wurde.  Dann  folgt  eine  Aufzählung 
der  literarischen  Organe,  deren  Mitarbeiter  Cech,  Vrchlicky  und  ihr  Kreis 
waren.  Sv.  Cech  steht  an  der  Spitze  der  nationalen  Richtung.  Ihm  verwandt 
sind  Otokar  Cervinka,  Ladislav  Quis,  Fr.  S.  Prochäzka,  Eliska  Kräsnohorskä 
u.  a.  In  diese  Gruppe  gehören  auch  J.  V.  Slädek,  Bohd.  Jelinek  und  Rud. 
Pokorny,  wenn  sie  auch  durch  die  Einfachheit  ihres  Stiles,  der  etwas  Volks- 
liedartiges an  sich  hat,  eine  Sonderstellung  einnehmen.  Die  kosmopoli- 
tische Richtung  ist  durch  zwei  große  Meister,  Julius  Zeyer  und  Jar.  Vrchlicky, 
vertreten.  Die  literarische  Tätigkeit  des  letzteren  war  eine  so  kolossale,  daß 
es  nicht  leicht  ist,  seine  Werke  systematisch  zu  ordnen.  Noväk  bemüht  sich, 
Vrchlickys  Werke  nach  verwandten  Gruppen  einzuteilen  und  sich  innerhalb 
dieser  Gruppen  einer  chronologischen  Reihenfolge  zu  bedienen.  Er  behan- 
delt also  die  epische,  lyrische  und  dramatische  Dichtung,  dann  die  Novellistik, 
die  literarischen  Kritiken,  Essays  und  schließlich  die  Übersetzungen.  Im 
Anschlüsse  an  Vrchlicky  erwähnt  Noväk  dessen  Übersetzer  ins  Deutsche,  den 
berühmten  Wiener  Chirurgen  Eduard  Albert.  Zu  Vrchlickys  Schule  gehören 
Otakar  Mokry,  Karel  Kucera,  Fr.  Kvapil,  Frant.  Chalupa,  Jos.  Jakubec,  Frant. 
Täborsky  und  Karl  Leger.  Bei  diesen  Dichtern  beschränkt  sich  Vrchlickys 
Einfluß  auf  die  Verstechnik  und  den  poetischen  Ausdruck,  bei  anderen  wie 
J.  Späcil  Zeranovsky,  B.  Kaminsky,  A.  E.  Muzik,  L.  Lostäk  und  Jan  Rokyta 
merken  wir  auch  eine  Abhängigkeit  vom  Gedankeninhalt  der  reflexiven  Ge- 
dichte Vrchlickys.  Eine  Gruppe  von  Dichtern,  die  ebenfalls  zu  den  Epigonen 
Vrchlickys  zu  zählen  sind,  ahmte  den  Dichter  Frangois  Coppee  nach.  Es  sind 
Aut.  Klästersky,  Alois  Skampa ,  Emanuel  Cenkov  und  Ant.  Sova  (in  seinen 
Anfängen).  Sie  legten  Wert  auf  landschaftliche  Beschreibungen  und  unter- 
drückten die  subjektiven  Gefühle  des  Beobachters.  Die  letzten  Epigonen 
Vrchlickys,  Ottokar  Aurednicek,  JaromirBorecky  imd  Jaroslav  Kvapil  kehren 
das  erotische  Moment  hervor.  Zur  katholischen  Moderne,  die  ebenfalls  zur 
Schule  Vrchlickys  zu  zählen  ist,  gehören  Xaver  Dvofäk,  Pavel  Vychodil, 
Sigismund  Bousek  und  Karel  Dostäl  Lutinov.  —  Den  Roman  der  Gegenwart 
teilt  Noväk  nach  Stoffen  in  folgende  sechs  Gruppen :  1.  historische  Erzählung, 
2.  gesellschaftliches  Genrebild,  3.  realistische  Dorferzählung,  4.  unterhaltende 
und  konventionelle  Literatur,  5.  der  selbstbewußte  soziale  Realismus,  6.  Stre- 
ben nach  dem  synthetischen  Roman.  Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  be- 
handelt er  eine  große  Reihe  moderner  Romanschriftsteller.  In  die  erste 
Gruppe  gehören  V.  B.  Trebizsky,  AI.  Jiräsek  und  Zikm.  Winter,  dann  die 


J.V.Noväk  u.  A.NoviVk,  Übers,  d.  bülim.  Literaturg.,  angez.  v.  Donath.  537 

weuiger  bedeutenden  Erzähler  Iv.  Klicpera,  Fr.  Shima,  J.  Braun,  K.  Skaba, 
Fr.  J.  Öecetka,  Kolda  Malinsky  und  Väcl.  Keznicek.  Die  zweite  Gruppe  von 
Komanen  pflegten  Fr.  Herites,  Job.  Lier,  V.  Stech  und  Ign.  llerrmann.  Mit 
der  Dorfgeschichte  befaßten  sich  in  der  neuesten  Zeit  in  Mähren:  V.Kosmäk, 
Fr.  Sträneckä,  Gabr.  Preissovä,  J.  Herben,  AI.  Mrstik,  Meth.  Jahn  und  Ant. 
Stasek,  in  Böhmen  K.  V.  Rais,  Jos.Holecek,  Ter.  Noväkovä  und  Karl  Kloster- 
mann. Groß  ist  die  Zahl  der  ziemlich  unbedeutenden  Schriftsteller,  die  Noväk 
in  die  vierte  Gruppe  einreiht.  Die  meisten  von  ihnen  verfolgen  keine  künst- 
lerischen Ziele,  sondern  wollen  nur  unterhalten.  Am  höchsten  unter  ihnen 
stehen  S.  B.  Heller,  Edv.  Jelinek  und  J.  Havlasa.  Auf  die  Schriftsteller  der 
fünften  Gruppe,  z.  B.  K.  M.  Capek,  Fr.  Rohäcek,  G.  Jaros,  M.  A.  Simäcek,  J. 
Laichter,  B.  Vikovä-Kunetickä,  F.  H.  Svoboda,  J.  Merhaut  und  J.  Sumin,  die 
den  realistisch -sozialen  Roman  pflegen,  übt  die  russische  Literatur  einen 
großen  Einfluß  aus.  Dieser  zeigt  sich  auch  in  zahlreichen  Übersetzungen, 
die  von  J.  Hruby,  J.  Hosek,  K.  Stepänek,  V.  Mrstik  u.  a.  herrühren.  Die 
jüngste  Generation  der  böhmischen  Romanschriftsteller  (sechste  Gruppe) 
gehört  der  naturalistischen  Richtung  an  und  steht  unter  dem  Einflüsse  der 
Franzosen  (Zola,  Anatol  France  und  J.  K.  Huysman;,  der  Norweger  (A.  Gar- 
borg, K.  Hamsun),  der  Dänen  (Jakobsen,  Bang),  der  Schweden  (Strindberg, 
Geijerstam,  Lagerlöf),  der  Deutschen  (G.  Keller,  Riccarda  Hnch,  Przyby- 
szewsky) ,  der  Italiener  (G.  d'Annunzio)  und  des  Engländers  (Oskar  Wilde). 
In  dieser  Gruppe  nennt  Noväk  J.  K.  Slejhar,  V.  Hladik,  V.  Mrstik,  die 
Dekadeuten  J.  Karäsek  ze  Lvovic,  K.  Kaminek,  L.  Zikovä  und  M.  Marien. 
Die  jüngsten  böhmischen  Novellisten  sind  K.  Sezima,  J.  Matejka,  J.  Uher,  Fr. 
Srämek,  J.  Mähen  und  R.  Tesnohlidek. 

Die  weiteren  Abschnitte  beschäftigen  sich  mit  dem  Feuilleton,  der  Me- 
moirenliteratur, der  Jugendschriftenliteratur  und  der  dramatischen  Poesie  in 
der  Gegenwart.  In  der  Partie  über  das  Drama  gibt  Noväk  zuerst  einen  Über- 
blick über  die  Geschichte  des  böhmischen  Nationaltheaters  in  den  letzten  2.5 
Jahren  und  behandelt  die  Drarcatiker  B.  Adämek,  F.  A.  Subert,  L.  Stroupez- 
nicky,  J.  Stolba,  K.  Pippich  und  die  unter  Ibsens  Einfluß  stehenden  Jar.  Hu- 
bert und  Jar.  Maria.  —  In  einem  separaten,  sehr  interessanten  Abschnitte 
wird  auf  die  Bestrebungen  hingewiesen,  durch  welche  in  den  90er  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  das  geistige  Leben  in  Böhmen  regeneriert  werden  sollte. 
Es  wird  ferner  die  tschechische  Moderne  geschildert  und  gezeigt,  inwiefern 
die  Publizistik  im  Dienste  der  slavischen  Gegenseitigkeit  stand  und  durch 
welche  Werke  die  Fremde  über  tschechische  Literatur  und  Kultur  informiert 
wurde. —  Dann  ist  von  der  Kritik  der  letzten  25  Jahre  die  Rede.  Noväk  spricht 
zuerst  von  den  literarischen  Kritiken  und  teilt  sie  in  mehrere  Gruppen.  Die 
einen  (z.B.  Vrchlicky  und  Anna  Scholz)  beschränken  sich  auf  Referate,  andere 
wieder  fahndeten  in  ihrer  philologischen  Pedanterie  nach  grammatikalischen 
und  stilistischen  Mängeln.  Zu  dieser  Gruppe  zählt  der  Verfasser  Fr.  Blly,  Fr. 
Vykoukal,  P.  Vychodil,  Hynek  Babicka,  L.  Cech  und  J.  Vobornik.  Die  rea- 
listische Bewegung  führte  der  tschechischen  Kritik  neue  Ideen  zu.  Zu  den 
realistischen  Kritikern  gehören  H.  G.  Schauer,  J.  Vodäk,  A.  Drtil,  V.  Mrstik. 
Der  Schöpfer  einer  neuen  kritischen  Methode,  die  sich  an  französische  Muster 


538  Kritischer  Anzeiger. 

anschließt,  ist  F.  X.  Salda.  An  ihn  reihen  sich  F.  V.  Krejci,  A.  Prochäzka, 
Jifi  Karäsek  ze  Lvovic  und  Mil.  Märten.  Außerhalb  dieser  Gruppen  stehen 
0.  Theer,  K.  Sezima,  0.  Simek,  Aut.  Vesely  u.  a.  Mit  der  Kritik  der  bilden- 
den Kunst  beschäftigten  sich  nach  Tyrs  und  Hostinsky  F.  X.  Jirik,  F.  X.  Har- 
las,  K.  B.  Mädl,  J.  Kamper  u.  a.,  mit  der  Kritik  der  Tonkunst  J.  L.  Zvonair,  F. 
Z.  Skuhersky,  J.  Förster,  V.  J.  Novotny,  E.  Chväla,  K.  Knittl,  V.  VI.  Zeleny, 
K.  Hoffmeister  u.  a. 

Zum  Schlüsse  bespricht  Noväk  die  neueste  tschechische  Poesie  und  zwar 
die  Lyriker  J.S.  Machar,  Ant.  Sova,  Ot.Brezina,  J.  Karäsek  ze  Lvovic,  Viktor 
Dyk,  Jos.Holy  und  andere  weniger  bedeutende  Dichter.  Dann  wendet  er  sich 
der  schönen  Literatur  der  Slovaken  in  den  letzten  .50  Jahren,  der  philoso- 
phischen, ästhetischen  und  pädagogischen  Literatur  der  Gegenwart,  der  Philo- 
logie, Sprachwissenschaft,  Literaturgeschichte  und  Historiographie  des  letzten 
Vierteljahrhunderts  zu. 

Eingangs  dieses  Referates  war  von  dem  Erfolge  die  Rede,  welchen  die 
erste  Auflage  von  Noväks  Buch  erzielt  hatte.  Dieser  Erfolg  hatte  seinen  Grund 
in  folgenden  Vorzügen : 

1 .  Keine  Partie  der  tschechischen  Literaturgeschichte  bedurfte  so  dringend 
einer  systematischenDarstellungwie  die  neueste  Zeit.  Arne  Noväk  ist  der  erste, 
der  sich  an  eine  so  schwierige  Aufgabe  nicht  nur  herangewagt,  sondern  ver- 
möge seiner  ungewöhnlichen  Kenntnis  der  tschechischen  und  europäischen 
Literatur  und  seines  scharfen  kritischen  Geistes  glänzend  gelöst  hat.  Der 
Umstand,  daß  er  über  den  Rahmen  der  schönen  Literatur  hinausging  und  — 
mit  Ausnahme  der  exakten —  alle  Geisteswissenschaften  in  Betracht  gezogen 
hat,  macht  das  Buch  noch  wertvoller.  Wenn  insbesondere  gegen  diese  Par- 
tien von  der  Kritik  Einwendungen  erhoben  wurden,  so  muß  zu  seiner  Ent- 
schuldigung angeführt  werden,  daß  er  sich  da  auf  fremde  Gewährsmänner 
verlassen  mußte,  während  er  sich  bei  der  schönen  Literatur  auf  seine  eigenen 
Studien  stützte. 

2.  Die  Einteilung,  die  dem  Verfasser  einer  Literaturgeschichte  oft  die 
größten  Schwierigkelten  bereitet,  ist  ihm  sehr  gut  gelungen.  Er  verbindet 
zwei  Standpunkte,  den  praktischen  und  wissenschaftlichen.  Innerhalb  der 
einzelnen  Zeitperioden  teilt  er  den  Stoff  nach  Dichtungsgattungen,  wobei  eine 
Persönlichkeit,  die  sich  auf  mehreren  Gebieten  betätigte ,  an  einer  Stelle  voll- 
ständig behandelt  wird.  An  den  übrigen  Stellen  wird  auf  das  bereits  Gesagte 
nur  hingewiesen.  Der  Stoff  erscheint  auf  diese  Weise  einheitlicher  und  über- 
sichtlicher, als  wenn  eine  Persönlichkeit  zerrissen  und  an  mehreren  Orten  be- 
sprochen wird.  In  bezug  auf  Technik  ist  Noväk  ein  Schüler  des  französischen 
Kritikers  Brunetiere,  der  die  geschichtliche  Entwicklung  einer  jeden  bespro- 
chenen Dichtungsgattung  genau  kennt  und  aus  dieser  heraus  den  einzelnen 
Dichter  genau  charakterisiert.  Er  blickt  nach  rückwärts  und  vorwärts  und 
schaut  auch  über  die  Grenzen  der  Heimat,  um  zu  sehen,  wie  sehr  die  heimische 
Literatur  von  der  fremden  beeinflußt  wird. 

3.  Die  Einleitungen  zu  den  einzelnen  Kapiteln  und  Abschnitten  sind 
außerordentlich  instruktiv.    In  essayartiger  Form  erhalten  wir  eine  scharfe 


P.  Väsa,  Katechismus  d.  bülim.  Literaturgesch.,  angez.  v.  Donath.    539 

Charakteristik  einer  ganzen  Zeitperiode  oder  einer  Dichtungsgattung.    Sie 
bilden  eine  glänzende  Einführung  in  den  ihnen  unmittelbar  folgenden  Stofi'. 

4.  Geradezu  unschätzbar  sind  für  den  wissenschaftlich  Arbeitenden 
die  bibliographischen  Angaben.  Der  tschechischen  Literatur  mangelt  es  an 
einem  Nachschlagewerk,  wie  es  die  deutschen  Literarhistoriker  im  Goedeke 
oder  Meyers  Grundriß  haben.  In  Noväks  Buche  finden  wir  die  Bibliographie 
bis  zum  Jahre  1911  sehr  gewissenhaft  mit  peinlicher  Akribie  zusammen- 
getragen. 

5.  Das  sorgfältig  angelegte  und  sehr  ausführliche  Sach-  und  Wort- 
register und  das  handliche  Format  tragen  zur  Verwendbarkeit  des  Buches 
wesentlich  bei. 

Die  erwähnten  Vorzüge,  zu  denen  noch  ein  sehr  gewandter  und  an- 
ziehender Stil  zu  zählen  ist,  machen  uns  das  Buch  Noväks  außerordentlich 
lieb  und  wert.  O.  Donath. 


Prof.  Pavel  Vasa:   Katechismus  dejin   ceske  literatury. 
Erschienen  in  Brunn  bei  A.  Pisa,.    K.  3.80. 

Eine  andere  »kurzgefaßte  Literaturgeschichte«  ist  der  Katechismus  von 
Väsa.  Dieser  unterscheidet  sich  von  dem  eben  besprochenen  Buche  von  J.V. 
und  Arne  Noväk  vor  allem  dadurch ,  daß  er  der  älteren  Periode  der  tsche- 
chischen Literatur  mehr  Raum  widmet  und  sich  mit  der  neuen  nur  insofern 
befaßt,  als  sich  das  Urteil  über  sie  bereits  geklärt  hat  und  feststehend  ge- 
worden ist.  Die  neueste  Zeit  behandelt  er  ganz  kurz.  Auch  die  Methode  ist 
eine  andere.  Während  A.  Noväk  kritisiert  und  ästhetisiert,  steht  Väsa  mehr 
auf  dem  beschreibenden,  referierenden  Standpunkte.  Er  will  den  Leser  über 
die  Hauptvertreter  einzelner  literarischer  Strömungen  auf  eine  leicht  faßliche, 
interessante  und  dabei  recht  ausführliche  Weise  belehren.  Dazu  schien  ihm 
die  deskriptive  Methode  am  geeignetsten.  Er  selbst  sagt  im  Nachworte:  »Pro 
tento  ücel  poklädal  jsem  za  nejvhodnejsi  methodu  proste  popisnou,  kterä 
uvädi  ctenäre  do  vlastni  cetby  a  pro  subjektivni  i'isudek  aestheticky  opatiruje 
spolehlivy  zäklad.  Ein  Minus  gegenüber  der  Noväkschen  Literaturgeschichte 
besteht  im  Fehlen  der  wissenschaftlichen  Literatur  und  der  Darstellung  der 
slowakischen  Literatur  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIX.  Jahrh.  Der  Verfasser 
rechtfertigt  sich  damit,  daß  das  Buch  bedenklich  angewachsen  oder  zu  einem 
trockenen  Verzeichnis  von  Autoren  und  Büchern  geworden  wäre.  Aus  dem- 
selben Grunde  sind  auch  viele  Namen  in  der  Darstellung  der  schönen  Litera- 
tur der  Gegenwart  ausgefallen. 

Wie  Noväk  teilt  auch  er  die  Literaturgeschichte  in  drei  Teile,  wobei 
ihm  Hus  und  die  tschechische  Wiedergeburt  als  Grenzsteine  dienen.  Die  alt- 
böhmische Literatur  (S.  7 — 43)  behandelt  er  nach  Gattungen  in  zwölf  kurzen, 
recht  gelungenen  Stücken.  Wenn  auch  einzelne  bedeutende  Persönlichkeiten, 
wie  z.  B.  der  Verfasser  der  Alexandreis,  Tomas  ze  Stitneho,  nur  mit  wenigen 
Strichen  gezeichnet  werden,  so  sind  diese  doch  so  markant,  daß  das  Bild  des 
Schriftstellers  klar  vor  unseren  Augen  steht.  Die  mittelböhmische  Periode 
zerfällt  in  fünf  Kapitel:  Hussitentum,  Humanismus,  Brüderunität,  Gegenrefor- 


540  Kritischer  Anzeiger. 

mation,  Literatur  der  Exulanten  und  Slovaken.  Auch  hier  treten  einzelne 
Persönlichkeiten  wie  Hus  ,  Chelcicky,  Veleslavin,  Vaclav  Vratislav  z  Mitrovic, 
Jan  Blahoslav,  K.  zZerotina,  Comenius  und  auch  andere  durch  ihre  plastische 
Darstellung  klar  hervor.  Die  neubühmische  Literatur  teilt  der  Verfasser  in 
zwei  Gruppen:  1.  Wiedergeburt  (S.  141 — 248),  2.  Modernes  tschechisches 
Schrifttum  (248 — 348),  welches  mit  der  Dichtergeueration,  die  den  Almanach 
»MäJ«  herausgab,  beginnt.  In  diesem  Rahmen  behandelt  er  zunächt  die  jose- 
finische Aufklärung  und  die  Anfänge  der  wissenschaftlichen  Forschung.  Do- 
brovsky  wird  kurz,  aber  scharf  charakterisiert.  Dann  wird  recht  anschaulich 
die  Wiedererweckung  des  tschechischen  Volkes  durch  das  Theater  und  durch 
die  populäre  Lektüre  geschildert  und  die  Dichterschule  Puchmajers  behandelt. 
lu  dem  Abschnitte  »Begründung  der  tschechischen  Wissenschaft«  ist  von 
Jungmann,  Marek,  Mil.  Zd.  Poläk,  Presl,  Purkyne,  Palacky  und  Safafik  die 
Rede.  Mit  Unrecht  hat  der  Verfasser  den  Dichter  Poläk  hier  aufgenommen. 
Sein  Gedicht  »Vznesenost  prirody«  hat  lyrischen  Charakter  und  mit  der 
Wissenschaft  nichts  zu  tun ;  dagegen  hätte  er  hier  von  dem  berühmten  Alter- 
tumsforscher J.  E.  Vocel  sprechen  sollen  und  nicht  erst  bei  der  didaktischen 
Poesie.  Der  Abschnitt  »Künstlerische  Wiedergeburt«  behandelt  Kollär,  Cela- 
kovsky.  Erben,  Nemcovü,  Mächa,  Nebesky.  Dann  erst  ist  von  den  altbüh- 
mischen  Mystifikationen  die  Rede.  Der  Schlußabschnitt  dieses  Kapitels 
»Didaktische  und  satirische  Poesie«  bespricht  die  Dichter  Jablonsky,  Vocel, 
Langer,  Koubek,  Rubes,  HavHcek,  VinaHcky  und  Pravda.  Dadurch ,  daß  der 
Verfasser  die  Entwicklung  einzelner  literarischer  Strümuugeu  und  Gattungen 
darstellt,  leidet  die  Chronologie.  So  ist  z.  B.  von  der  Frühromantik  (Hanka, 
Svoboda,  Linda)  erst  die  Kede,  nachdem  die  Nemcovü  längst  besprochen  wurde. 
Auch  Pravda,  den  typischen  Verfasser  von  Dorferzählungen  sind  wir  ge- 
wöhnt, im  Zusammenhang  mit  B.  Nemcovä  zu  nennen.  Schließlich  ist  die 
Reihenfolge:  Erben,  Nemcovä,  Mächa,  Nebesky  keine  gewöhnliche.  Von  den 
mährischen  Dichtern  wird  Susil  in  einer  kurzen  Bemerkung  (S.  2 OS)  abgefer- 
tigt, Kläcel  überhaupt  nicht  erwähnt.  Einige  kleine  Versehen  in  den  Partien 
über  Langer  und  Rubes  wären  richtigzustellen. 

Die  moderne  Literatur  teilt  der  Verfasser  in  folgende  vier  Abschnitte: 
Kruh  mäjovy,  Lumirovci,  Poesie  let  devadesätych ,  Drama  a  belletrie.  Im 
ersten  Abschnitte  werden  Fric,  Hälek,  Nernda,  Heyduk,  R.  Mayer,  Pfleger 
Moravsky,  Smilovsky  und  Sole,  im  zweiten  Cech,  Kräsnohorskä,  Quis,  Slädek, 
Zeyer  und  Vrchlicky  behandelt.  Von  den  Dichtern  der  'JOer  Jahre  führt  er 
Machar,  V.  Dyk,  Bezruc,  Sova  und  0.  Bi-ezina,  von  den  Dramatikern  J.  J. 
Kolär,  Bozdech,  Jefäbek,  Subert,  Stroupeznicky,  die  Brüder  Mrstfk ,  Simäcek, 
F.  H.  Svoboda  und  J.  Hubert  an.  Moderne  Erzähler  sind:  Trebizsky,  Jiräsek, 
Z.  Winter,  A.  Dohnal  (L.  Hausmann),  V.  Kosmäk,  J.  Herben,  A.  Mrstik,  K.  V. 
Rais,  A.  Stasek,  Holecek,  T.  Noväkovä,  Fr.  Herites,  J.  Herrmann,  V.  Mrstik, 
J.  V.  Slejhar,  R.  Svobodovä.  Aus  dieser  Übersicht  sehen  wir,  daß  Väsa  in  der 
Partie  über  moderne  Literatur  den  Stoff  nicht  erschöpft  hat.  Wir  vermissen 
Namen,  die  mit  Rücksicht  auf  ihre  Bedeutung  selbst  in  einem  Katechismus 
genannt  zu  werden  verdient  hätten.  Ich  nenne  nur  ganz  beiläufig  die  Roman- 
schriftstellerinnen Preissovä,  Sträneckä,  Kunetiekä  und  J.  Sumin  sowie  die 


Böhm.  Literatur  cl.  XIX.  Jahrb.,  2.  Aufl.,  angez.  v.  Donath.  541 

Erzähler  Klostermann ,  S.  Heller.  Viele  von  den  hier  Aufgezählten  werden 
vom  Verfasser  nur  erwähnt  (V.  Mrstik,  J.  Holecek),  während  sie  mehr  Raum 
verdient  hätten  als  andere,  die  ausführlicher  behandelt  erscheinen  (Kosmäk 
Dohnal). 

Wenn  wir  von  der  fragmentarischen  Darstellung  der  modernen  Literatur 
absehen,  so  können  wir  Väsas  Buch  als  sehr  nützlich  bezeichnen.  Sein  Vor- 
zug liegt  darin,  daß  der  Verfasser  den  Leser  nicht  durch  trockene  Aufzählung 
von  Namen  und  Daten  ermüdet,  sondern  ihn  vielmehr  durch  eine  sehr  inter- 
essante Darstellung,  durch  einen  angenehmen  und  fließenden  Stil  geradezu 
fesselt.  Wie  er  es  versteht  mit  wenigen  Worten  einen  Dichter  und  sein  Werk 
scharf  zu  charakterisieren ,  sehen  wir  z.  B.  aus  der  Partie  über  Bozena  Nem- 
covä.  Das  Buch  kann  als  Behelf  zur  Einführung  in  die  tschechische  Literatur- 
geschichte bestens  empfohlen  werden.  *  O.  Donath. 


Literatura   ceska    devatenacteho    stoleti.      Dil  I.     Druhe 

opravene  a  doplnene  vydani.     Od  Dobrovskeho  k  Jimgmannove 

skole  bäsnicke.     Napsali:  J.  Hanus,    J.  Jakubec,  J.  Mächal,   J. 

Vlcek.     VPraze  1911. 

Wenn  sich  nach  kaum  zehn  Jahren  das  Bedürfnis  herausstellt,  die  Neu- 
auflage eines  so  kompendiüsen  und  ausschließlich  für  wissenschaftliche 
Kreise  bestimmten  Werkes,  wie  es  die  Literatura  19.  stoleti  ist,  zu  veranstal- 
ten, so  zeugt  das  von  der  großen  Beliebtheit,  der  sich  diese  Literaturgeschichte 
erfreut.  Die  Beliebtheit  ist  sehr  berechtigt,  denn  inbezug  auf  Gründlichkeit 
kann  sich  ihr  keine  zweite  tschechische  Literaturgeschichte  an  die  Seite 
stellen.  Und  was  die  wissenschaftliche  Qualität  betrifft,  kann  sie  es  mit  den 
besten  Werken  ähnlichen  Inhalts  bei  den  Deutschen  aufnehmen.  Sie  ist  be- 
reits in  diesen  Blättern  anläßlich  des  Erscheinens  der  ersten  Auflage  von 
Arne  Noväk  gebührend  gewürdigt  worden i),  so  daß  es  überflüssig  wäre,  hier 
neuerdings  ihre  großen  Vorzüge  aufzuzählen.  Es  wird  wohl  genügen,  darauf 
hinzuweisen ,  wodurch  sich  die  zweite  Auflage  dieses  Bandes  von  der  ersten 
unterscheidet,  wobei  auf  stilistische  Umarbeitungen  und  unbedeutende  Zu- 
sätze gar  nicht  eingegangen  zu  werden  braucht. 

Zunächst  trat  eine  Änderung  in  der  Redaktion  ein,  welche  Prof.  Jakubec 
von  Prof.  Vlcek  übernommen  hat;  darüber  ist  nichts  anderes  zu  sagen,  als 
daß  Vlcek  in  Jakubec  einen  würdigen  Nachfolger  gefunden  hat.  Es  sei  noch 
bemerkt,  daß  von  ihm  der  größte  Teil  des  Werkes  herrührt.  Aus  seiner  Fe- 
der flössen  von  871  Seiten  564,  so  daß  auf  die  übrigen  drei  Mitarbeiter  zu- 
sammen etwa  die  Hälfte  der  von  ihm  gelieferten  Arbeit  entfällt. 

Das  einzige,  was  A.  Noväk  in  seiner  bereits  erwähnten  Rezension  aus- 
zusetzen wußte,  waren  die  mangelhafte  Symmetrie  und  die  überflüssigen 
Wiederholungen ,  eine  Folge  der  gemeinsamen  Arbeit  mehrerer  Gelehrter  an 
dem  Werke.  In  der  alten  Auflage  kam  es  vor,  daß  gewisse  Partien  zweimal  be- 

1)  Arch.  f.  sl.  Phil.  XXVI,  444—4.57. 


542  Kritischer  Anzeiger. 

arbeitet  wurden  u.  z.  jedes  Mal  von  einem  anderen  Standpunkte  aus:  so  z.  B' 
die  sprachwissenschaftliche  Tätigkeit  Dobrovskys  und  Durychs,  die  Einflüsse 
der  Germanistik  auf  die  Slavistik  in  Böhmen  (von  Jakubec  und  Hanus),  Jung- 
manns Übersetzung  der  Attala  (von  Jakubec  und  Mächal),  Lindas  Eoman 
»Zäfe  nad  pohanstvem«  (von  Mächal  und  Hanns)  usw.  Dazu  kam  noch  die 
Asymmetrie,  daß  z.  B.  bedeutenden  Persönlichkeiten  weniger  Raum  gewidmet 
wurde  als  minder  bedeutenden  (Nejedly  20  Seiten,  W.  A.  Svoboda  30  Seiten), 
daß  die  ziemlich  wertlosen  Dramen  um  die  Wende  des  XVIII.  Jahrh.  auf  74 
Seiten  besprochen  wurden ,  während  für  die  Anfänge  der  böhmischen  Vers- 
schreiberei 22  Seiten  genügten. 

Diese  beiden  Mängel,  sowolil  die  Wiederholungen  wie  auch  die  Asym- 
metrie, sind  nunmehr  behoben  worden.  Der  Eedakteur  war  bemüht,  den  gan- 
zen ersten  Band  einheitlicher  zu  gestalten.  Einzelnen  Literaturerscheinungen 
maß  er  so  viel  Raum  zu,  wie  sie  ihrer  Bedeutung  entsprechend  erforderten. 
Manches  Kapitel  wurde  durch  ganze  Abschnitte  erweitert,  manches  um  über- 
flüssig Erscheinendes  gekürzt.  Einzelne  Abschnitte  wurden  durch  neue 
wissenschaftliche  Resultate  ergänzt.  Und  da  die  tschechische  Literatur- 
geschichte in  den  letzten  10  Jahren  erfreulicherweise  eine  reiche  Ernte  auf- 
zuweisen hat,  so  sind  die  Ergänzungen  ziemlich  zahlreich. 

Gleich  das  erste  Kapitel ,  in  dem  Jakubec  den  Josefinismus  in  Böhmen 
behandelt ,  erfuhr  in  der  neuen  Auflage  eine  Änderung.  Es  wird  von  der 
Wiedergeburt  (obrozeni)  und  nicht  von  der  Wiedererweckung  (vzkfiseni)  des 
tschechischen  Volkes  gesprochen  und  in  einer  Fußnote  bemerkt,  daß  nach  der 
Polemik  Vondräk*) — Arne  Noväk^)  die  Bezeichnung  »obrozeni«  bei  den 
jüngeren  Literarhistorikern  die  übliche  geworden  ist.  Neu  ist  ferner  der  Hin- 
weis auf  die  bisherige  nicht  immer  ganz  einwandfreie  Auffassung  der  Wieder- 
geburt. Da  weder  von  einem  vollständigen  Untergang  der  tschechischen 
Literatur,  noch  von  einem  Untergang  der  tschechischen  Sprache  die  Rede 
sein  konnte  —  wohnte  doch  den  Werken  aus  der  Jesuitenzeit  ebenfalls  ein 
tschechischer  Geist  inne  —  so  brauchte  die  Literatur  nicht  vom  Tode  erweckt, 
sondern  nur  zu  kräftigerem  und  frischerem  Leben  neu  geboren  werden. 
Die  tschechische  Literatur  war  im  XVII.  und  XVIII.  Jahrh.  nicht  erstorben, 
sie  war  nur  auf  einen  sehr  großen  Tiefstand  herabgesunken,  von  dem  sie  sich 
um  die  Wende  des  XVIII.  und  XIX.  Jahrh.  infolge  der  aus  der  Fremde  ein- 
strömenden aufklärerischen  Ideen  emporzuschwingen  begann.  Sie  stand  mit 
dieser  Erscheinung  keineswegs  vereinzelt  da.  Die  deutsche  Literatur  bewegte 
sich  zu  jener  Zeit  ebenfalls  auf  einer  aufsteigenden  Linie  und  eine  Wieder- 
geburt beobachten  wir  am  Anfang  des  XIX.  Jahrh.  nicht  nur  bei  den  Tsche- 
schen,  sondern  auch  bei  den  übrigen  Slaven,  bei  den  Magyaren  und  den  nor- 
dischen Völkern.  Neu  hinzugekommen  ist  auch  der  erste  Abschnitt  (S.  5 — 10), 
der  eine  Charakteristik  der  inneren  Politik  in  Osterreich  zur  Zeit  der  Kaiserin 
Maria  Theresia  und  Kaiser  Josefs  enthält.     Der  dritte  Abschnitt,  der  die 


1)  Arch.  f  sl.  Phil.  XXII,  46  f. 

2)  Obz.  liter.  a  umel.  1.  n. 


Böhm.  Literatur  d  XIX.  Jahrb.,  2.  Aufl.,  angez.  v.  Donath.  543 

Förderung  des  Volkswohlstandes  durch  den  Josefinismus  und  den  Nachhall 
dieser  Bestrebungen  in  der  damaligen  Literatur  bespricht,  erfuhr  eine  wesent- 
liche Umarbeitung.  Die  Verschiebung  der  sozialen  Verhältnisse  zur  Zeit 
Kaiser  Josefs,  die  Populationsbestrebungen,  die  Hebung  des  Volkswohl- 
standes, die  Emanzipation  der  niedrigen  Volksschichten  und  die  übrigen  fort- 
schrittlichen Ideen,  wie  sie  von  J.  H.  G.  Justi,  den  französischen  Enzyklopä- 
disten und  Jos.  Sonnenfels  propagiert  wurden,  werden  besprochen.  Ferner 
wird  gezeigt,  welche  Erleichterungen  Maria  Theresia  und  Kaiser  Josef  dem 
vom  Adel  so  schwer  bedrückten  Landvolke  erwirkt  haben ,  wie  der  auf- 
geklärte Absolutismus  des  letzteren  auch  der  städtischen  Bevölkerung  zu- 
gute kam  und  welch  günstigen  Einfluß  die  Bestrebungen  der  beiden 
Herrseher  auf  die  Bevölkerungszunahme  hatten.  Anknüpfend  an  diese  Be- 
strebungen wird  gleich  wie  in  der  ersten  Auflage  gezeigt,  welche  Aufmerk- 
samkeit den  Naturwissenschaften  gewidmet  wurde  und  wie  Kaiser  Josefs 
Reformen  zum  Gegenstand  von  Gelegenheitsschriften  wurden.  Der  Bespre- 
chung der  Verhältnisse  an  der  Prager  Universität  im  vierten  Abschnitte  wird 
ein  kleiner  Exkurs  über  das  Volks-  und  Mittelschulwesen  vorausgeschickt. 
Eine  wesentliche  Bereicherung  des  Buches  bedeutet  der  fünfte  Abschnitt 
»Aufklärerische  Publikationen  und  Zeitschriften<.  Darin  werden  ausführ- 
lich charakterisiert:  »Monatliche  Auszüge  alt-  und  neuer  gelehrten  Sachen« 
(Olmütz  1747),  eine  Zeitschrift,  die  von  der  »Societas  incognitorum  eruditorum 
in  terris  Austriacis«  nach  dem  Muster  anderer  ausländischer  Zeitschriften 
herausgegeben  wurde,  ferner  die  moralische  Wochenschrift  »Die Unsichtbare« 
und  ihre  Konkurrentin  »Die  Sichtbare«  und  die  belehrende  Zeitschrift  »Meine 
Einsamkeiten«,  schließlich  die  literarisch -kritischen  Wochenschriften  »Neue 
Literatur«  und  »Prager  gelehrte  Nachrichten«,  von  denen  letztere  eine  Höhe 
erreichten,  wie  sie  kein  österreichisches  Organ  jener  Zeit  aufzuweisen  hatte. 
Etwa  2-5  Zeitschriften  und  Tagesblätter  belehrenden  und  belletristischen  In- 
halts werden  registriert.  Welche  Veränderung  dieses  Kapitel  erfahren  hat, 
ist  schon  daraus  zu  ersehen,  daß  es  von  36  auf  61  Seiten  angewachsen  ist,  wo- 
bei die  Partie  über  die  Königliche  Gesellschaft  der  Wissenschaften  hier  ausfiel 
und  in  einem  anderen  Zusammenhang  behandelt  wurde. 

Das  zweite  Kapitel,  ebenfalls  von  Jakubec,  behandelt  die  gegen  den 
Josefinismus  gerichtete  Historiographie.  Darin  finden  wir  die  Geschichts- 
schreiber Piter  und  Dobner  breiter  ausgeführt  als  in  dem  entsprechenden 
Kapitel  der  ersten  Auflage.  Eine  sehr  fühlbare  Lücke  wird  ausgefüllt  durch 
eine  Abhandlung  über  Pelzeis  historische  Tätigkeit.  Hier  wird  dann  der  im 
vorigen  Kapitel  geschriebene  Abschnitt  über  die  Königliche  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  eingeschaltet,  wahrscheinlich  deshalb,  weil  die  eben  bespro- 
chenen historischen  Bestrebungen  neben  anderen  in  dieser  Gesellschaft  Pflege 
und  Förderung  fanden.  Da  die  Gelehrten  F.  F.  Prochäzka ,  J.  V.  Zlobicky, 
Ungar  u.  Cornova  mehr  Berücksichtigung  fanden  als  in  der  ersten  Auflage, 
wuchs  der  letzte  Abschnitt  des  zweiten  Kapitels  aufs  Doppelte  (von  8  auf  16 
Seiten)  an. 

Als  Ergänzungen  der  ersten  Auflage  wären  noch  die  Partie  über  F.  Vaväk 
und  Jan  Jenik  z  Bratric  {S.  402—406)  im  sechsten  Kapitel  und  die  Partie  über 


544  Kritischer  Anzeiger. 

das  tschechische  Zeitschriftenwesen,  welche  das  ganze  elfte  Kapitel  ausfüllt 
zu  erwähnen.  Vaväk  war  ein  gebildeter  Bauer  aus  Miltschitz,  der  auf  seine 
Landsleute  einen  wohltuenden  Einfluß  übte  und  sich  schriftstellerisch  be- 
tätigte. Jenik  z  Bratric  war  das  letzte  Mitglied  einer  böhmischen  Vladyken- 
familie ;  seine  Memoiren  liefern  mitunter  ein  wichtiges  Quellenmaterial.  Das 
elfte  Kapitel  bedeutet  eine  Fortsetzung  des  letzten  Abschnittes  im  ersten  Ka- 
pitel, wo  von  den  deutschen  Zeitschriften  die  Kede  war.  Jakubec  zeigt  hier, 
wie  neben  deutschen  Zeitschriften  allmählich  auch  tschechische  zu  erscheinen 
begannen.  Es  ist  die  Rede  von  Nejedlys  i'Hlasatel«  (in  der  ersten  Auflage 
im  Zusammenhang  mit  Nejedly  behandelt),  von  Palkovics  »Tydennik«  und 
HromMkos  »Videnske  Noviny«  und  »Prvotiny«  (auch  diese  wurden  schon  in 
der  ersten  Auflage  behandelt).  Kürzer  als  die  genannten  Zeitschriften  wer- 
den besprochen:  M.  J.  Sychras  »Povfdatel«  und  »Kratochvilniks  J.  Hybls 
»Rozmanitosti«,  >Hyllos« ,  »Jindy  a  Nyni<  ,  V.  M.  Kramerius'  >Kniha  zlatä«, 
»Dobrozvest< ,  Cechoslav«,  Zieglers  »Dobroslav«,  »Milozor«,  »Milina,  »Verny 
raditel<  und  »PHtel  ml;'ideze< . 

Neben  diesen  Ergänzungen  kommen  auch  starke  Kürzungen  der  ersten 
Auflage  vor.  So  restringiert  z.  B.  Mächal  das  siebente  Kapitel  »Die  Anfänge 
des  neuböhmischen  Dramas«  um  ganze  20  Seiten  und  man  wird  es  ihm  zu- 
gute halten,  daß  er  K.  I.  Tham,  Sedivy,  Zima  und  Stepänek  nicht  mehr  Raum 
widmet  als  ihnen  vermöge  ihrer  Bedeutung  gebührt.  Eine  weitere  Kür- 
zung erwies  sich  als  notwendig  in  Machals  Kapitel  »Die  Anfänge  der  neu- 
böhmischen Unterhaltungsprosa«.  Die  Partie  über  Lindas  Roman  »Zäi-e  nad 
pohanstvem«  mußte  wegbleiben,  weil  von  diesem  Roman  später  (in  Hanns' 
Teil  über  die  Handschriftenfrage)  die  Rede  ist.  Und  noch  eine  große  Kür- 
zung fand  statt.  Hanns  vereinigt  seine  drei  Kapitel  (XIV.— XVI.)  der  alten 
Auflage  in  einem  einzigen  (XL  »Anfänge  der  neuböhmischen  Romantik«)  und 
restringiert  den  Stoff  von  153  auf  kaum  100  Seiten.  Den  Abschnitt  über 
Hromädkos  Zeitungen  konnte  er  ausfallen  lassen,  weil  dieser  Stoff  anläßlich 
der  Zeitschriften  zur  Sprache  kam ;  Hanka ,  Linda  und  Svoboda  hat  er  kürzer 
abgefertigt  als  in  der  ersten  Auflage  und  die  erste  Phase  der  Handschriften- 
fehde (in  der  ersten  Auflage  Kapitel  XVIII)  ist  ausgeblieben.  Offenbar  wird 
die  ganze  Geschichte  des  Handschriftenstreites  in  einem  Kapitel  der  nächsten 
Bände  behandelt  werden. 

Zu  den  Ergänzungen  und  Kürzungen  kommen  schließlich  gewisse  Ver- 
schiebungen des  Stoffes  innerhalb  des  ersten  Bandes,  ja  es  kommt  sogar  vor, 
daß  manche  Partien  aus  dem  zweiten  Baude  in  den  ersten  Band  herüber  ge- 
nommen wurden.  Dies  geschah  zu  dem  Zwecke,  damit  ein  gewisser  Zu- 
sammenhang in  bezug  auf  Zeit  und  Ideen  hergestellt  werde.  Von  der  Ver- 
schiebung der  Geschichte  der  Königlichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
war  schon  die  Rede.  Die  Partie  über  Dobrovsky  wurde  insofern  einheitlicher 
gestaltet,  als  sie  von  einem  Verfasser  (Jakubec)  in  einem  Kapitel  vereinigt 
wurde,  während  sie  in  der  alten  Auflage  aus  zwei  Kapiteln  bestand  und  auch 
von  zwei  verschiedenen  Verfassern  (Jakubec  und  Smetänka)  herrührte.  Wie- 
derholungen (Einfluß  Adelungs  und  Fuldas  auf  die  böhm.  Slavistik,  Polemik 
gegen  den  Purismus  u.  a.),  die  sich  infolge  des  Umstandes,  daß  sich  zwei  Ver- 


Jakubec  u.  Noväk,  Gesch.  d.  cech.  Literatur,  angez.  v.  Donath.      545 

fasser  mit  diesem  Stoff  beschäftigten,  einschlichen,  sind  behoben  worden. 
Ein  Irrtum  ist  in  der  Nummerierung  der  Abschnitte  dieses  Kapitels  unter- 
laufen, indem  auf  Abschnitt  II  gleich  Abschnitt  IV  folgt.  Das  fünfte  Kapitel 
»Uvedomoväui  närodnostni«  entspricht  dem  neunten  Kapitel  der  alten  Auflage. 
Mit  Recht  wurde  dieser  Stoff  nach  vorn  gerückt,  denn  jetzt  bekommt  der 
Leser  ein  einheitliches  Literaturbild  der  josephinischen  Zeit.  Früher  war 
dieses  Bild  zerrissen.  Das  sechste  Kapitel  >Osvicenskä  literatura  vzdelävaci 
a  poucnä«  von  Jakubec  und  Vlcek  bildet  eine  Zusammenziehung  des  Kap.  IX, 
Abschnitt  IV  (über  die  Herausgeber  alter  tschechischer  Bücher  Pelzel,  F.  F. 
Prochäzka)  und  über  die  Popularisation  der  aufklärerischen  Ideen  (durch 
Tomsa,  Rulik,  Kramerius  und  Pelzel),  des  Kap.  XIII  (Literatur  der  evange- 
lischen Slovaken)  und  des  Kap.  IV,  Bd.  II  (Literatur  der  katholischen  Slovaken) 
der  alten  Auflage. 

Das  Register  ist  ebenso  gründlich  wie  in  der  ersten  Auflage,  und  hat 
noch  den  Vorzug,  daß  die  Zahlen  der  Seiten,  auf  denen  irgend  eine  Persön- 
lichkeit nickt  nur  erwähnt,  sondern  ausführlicher  besprochen  wird,  durch 
Fettdruck  hervorgehoben  werden.  O.  Donath. 


Geschichte  der  cechischen  Literatur  von  Dr.  Jan  Ja- 
kubec, anßerord.  Professor  an  der  k.  k.  böhm.  Karl-Ferdinand- 
Universität  in  Prag  und  Dr.  Arne  Novak,  Privatdozenten  an 
der  k.  k.  böhm.  Karl-Ferdinand- Universität  in  Prag.  Zweite 
Auflage.    Leipzig  C.  F.  Amelangs  Verlag  1913. 

Seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Auflage  der  > Geschichte  der  cechischen 
Literatur«  von  Jakubec  und  Noväk  (1907)  i)  ist  der  ganze  Stoff  von  beiden 
Autoren  neu  vorgenommen  und  in  zwei  cechisch  geschriebenen  Handbüchern 
ausführlich  dargestellt  worden  2).  In  der  vorliegenden  zweiten  Auflage  be- 
mühen sich  beide  Autoren  aus  den  Ergebnissen  ihrer  cechischen  Werke 
Nutzen  zu  ziehen.  Auch  berücksichtigen  sie  die  sachlichen  Einwände, 
welche  seitens  der  Kritik  gegen  die  I.  Ausgabe  erhoben  wurden. 

Jakubec'  Arbeit  (S.  1  —  267)  zählt  in  der  zweiten  Auflage  um  zwei 
Kapitel  mehr  als  in  der  ersten,  die  daher  rühren,  daß  zwei  Kapitel  der 
ersten  Auflage  in  vier  Kapitel  geteilt  wurden.  Ursprünglich  behandelte  das 
dritte  Kapitel  den  Humanismus,  die  böhmische  Brüderunität  und  den  Verfall 
der  cechischen  Literatur;  jetzt  behandelt  das  dritte  Kapitel  die  böhmische 
Brüderunität,  den  Humanismus  (bemerkenswert  ist  die  Umstellung)  und  das 
vierte  Kapitel  den  Verfall.    Letzteres  führt  den  Titel  »Exulantenliteratnr, 


1)  Siehe  die  Besprechung  von  J.  Karäsek  im  Arch.  f.  sl.  Phil.  XXX,  241 
bis  265.  Sie  ist  so  ausführlich,  daß  ich  mich  hier  nur  auf  die  Änderungen  der 
2.  Auflage  zu  beschränken  brauche. 

^)  Jan  Jakubec  »Dejiny  ceske  literatury,  Prag  1910/11.  Arne  Noväk 
»Pfehledne  dejiny  ceske  literatury.  I.Ausgabe  Olmütz  1910.  IL  Ausgabe 
Olmütz  1913.    Vgl.  oben  S.  530  fl:. 

Archiv  für  sliivisclic  Philologie.     XXXV.  35 


546  Kritischer  Anzeiger. 

Comenius,  der  Verfall«.  Ebenso  entstanden  aus  dem  fünften  Kapitel  der  alten 
Auflage  (Die  slavische  Idee  der  cechischen  Dichtung  und  Wissenschaft,  Josef 
Jungniann  und  seine  Schule,  Die  Königinhofer  und  Grünberger  Handschrift, 
Jan  Kollär,  P.  J.  Safarik)  das  sechste  und  siebente  Kapitel  der  Neuauflage. 
Auch  hier  wurde  der  Stoff  insofern  verschoben,  als  zunächst  Josef  Jungmanu 
und  seine  Schule,  die  Anfänge  der  cechischen  Romantik  und  die  Königin- 
hofer  und  Grünberger  Handschrift  besprochen  werden  (Kap,  H)  und  erst  in 
einem  weiteren  Abschnitte  (Kap.  7)  anläßlich  der  Behandlung  Kollärs  und 
Safariks  von  der  slavischen  Idee  in  der  cechischen  Dichtung  und  Wissen- 
schaft die  Rede  ist.  Hierher  wurde  mit  Recht  die  Partie  über  Palacky  ein- 
geschoben, die  früher  zwischen  Celakovsky  und  Erben  nicht  richtig  plaziert 
war.  Außer  diesen  Umstellungen  finden  wir  in  Jakubec"  Arbeit  stellenweise 
textliche  Umarbeitungen  und  Ergänzungen. 

Trotzdem  sind  die  Veränderungen  nicht  so  bedeutend  wie  in  dem  von 
Arne  Noväk  bearbeiteten  Teile  (Die  cechische  Literatur  der  Gegenwart  S.  281 
bis  446).  Das  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Noväk  mußte  vor  allem  die 
neueste  Literatm*  aus  den  sechs  Jahren,  die  zwischen  dem  Erscheinen  beider 
Auflagen  liegen)  aufnehmen.  Außerdem  wurde  seine  Arbeit  von  der  Kritik 
weit  mehr  hergenommen  als  die  seines  Mitarbeiters  und  er  konnte  sich  den 
manchmal  nicht  ganz  unberechtigten  Einwänden  keineswegs  verschließen; 
er  hat  eine  große  Zahl  mehr  oder  weniger  subjektiver  Einwendungen  trotz- 
dem ignoriert '].    Im  folgenden  sei  auf  Noväks  Ergänzungen  hingewiesen : 

Die  Partie  über  Neruda  wird  ergänzt  durch  die  Darstellung  seines 
Liebesverhältnisses  zu  Karolina  Svetlä  (S.  291)  und  die  Behandlung  seiner 
kritischen  Tätigkeit  (S.  294 — 29.3).  Bei  Heyduk  werden  die  Anregungen 
hervorgehoben,  die  er  im  böhmischen  und  slowakischen  Volksliede  gefunden 
hat  und  seine  Gedichtsammlungen  >Lesni  kviti<,  »Cymbäl  ahusle«  und  >Horec 
a  srdecnik«  werden  erwähnt.  Eine  Änderung  besteht  darin,  daß  die  Roman- 
schriftsteller Arbes  und  Stasek,  die  früher  neben  Rais  und  Ter.  Noväkovä  ge- 
nannt wurden,  jetzt  im  Zusammenhang  mit  ihrem  Zeitgenossen  Pfleger  (S.  308 
bis  310)  besprochen  werden.  Vaclav  Vlcek,  Ferd.  Schulz  und  Sofie  Podlipskä 
werden  (S.  310— 312)  viel  ausführlicher  behandelt  als  in  der  ersten  Auflage; 
doch  gelten  insbesondere  in  bezug  auf  Vlcek  die  Worte  der  Kräsnohorskä ,  es 
sei  besser  in  Noväks  Literaturgeschichte  nicht  genannt  zu  werden,  weil  einem 
auf  diese  Weise  die  Herabsetzung  erspart  bleibe.  Noväk  nennt  ihn  »einen 
machtvollen  Organisator,  einen  pathetischen  Redner  und  eingebildeten 


1)  Selten  hat  ein  Buch  bei  seinem  Erscheinen  so  viel  Aufsehen  und  Un- 
mut erregt  wie  die  erste  Auflage  der  vorliegenden  Literaturgeschichte.  Die 
Entrüstung  wendete  sich  hauptsächlich  gegen  Arne  Noväk,  dem  Ungerechtig- 
keit in  der  Beurteilung  einzelner  Persönlichkeiten  zum  Vorwurfe  gemacht 
wurde.  Die  Dichterin  Eliska  Kräsnohorskä,  die  alle  Ursache  hatte,  über 
Noväk  ungelialten  zu  sein,  zieh  ihn  in  einem  sehr  vehementen  Artikel  der 
Osveta  1908  (»Ceskä  literatura  vylozena  Nemcüm«)  des  Antipatriotismus 
(protivlastenectvi);  viele  andere  verübelten  ihm  die  Herabsetzung  Jiräseks, 
Rais'  und  anderer. 


Jakubec  u.  Noväk,  Gesch.  d.  cech.  Literatur,  augez.  v.  Donath.      547 

Volkspädagogen,  den  man  zuerst  verehrt,  dann  gefürchtet  und  endlich 
verspottet  habe«.  Svatopluk  ^echs  Werk  (der  Dichter  starb  1908)  konnte 
Noväk  als  etwas  Abgeschlossenes  betrachten  und  hat  in  dem  Sinne  kleine 
Änderungen  vorgenommen.  Er  bespricht  Cechs  Reisen  in  den  Orient  und 
erwähnt  im  Zusammenhang  mit  diesen  die  Dichtungen  »Boure«  und  »Zimni 
noc«.  Die  Dichtung  ^Vaclav  z  Michalovic«  erfährt  eine  ausführlichere  Cha- 
rakteristik (S.  325)  und  die  Werke  »Ve  stinu  lipy-  und  »Petrklice«  ,  die  in  der 
ersten  Ausgabe  nur  erwähnt  wurden,  werden  jetzt  ausführlicher  behandelt 
(S.  327,  330).  Eliska  Kräsnohorskä  schneidet  hier  ebenso  schlecht  ab  wie  in 
der  ersten  Auflage,  nur  daß  sich  der  Autor  bemüht,  sein  abfälliges  Urteil  über 
die  Dichterin  zu  begründen  (S.  331 — 332). 

Im  Anschluß  an  die  Historiker  Tomek  und  Jos.  Jirecek  werden  (S.  334 
bis  335)  in  der  Neuauflage  auch  Gindely,  Bilek,  Kalousek,  Prasek  und  Sed- 
läcek  genannt.  Den  größten  Widerspruch  rief  in  diesem  Buche  die  Partie 
über  Jiräsek  hervor.  Noväk  ließ  in  der  zweiten  Auflage  einige  Seitenhiebe 
(z.  B.  auf  das  Nationaltheater,  die  Akademie  und  die  Kritik)  aus  und  bot  da- 
für eine  ausführlichere  Biographie  dieses  Romanciers  (S.  336 — 337).  Dagegen 
hat  er  sein  hartes  Urteil  über  den  Künstler  Jiräsek  nicht  abgeschwächt,  son- 
dern es  (S.  339—340)  zu  begründen  versucht.  Bei  der  Besprechung  der  Schrift- 
steller, die  sich  um  die  Zeitschrift  »Lumir<  scharten,  berücksichtigt  er  in 
einem  Absätze  auch  den  berühmten  Prager  Kliniker  Josef  Thomayer  (S.  347 
bis  348)  und  führt  die  Partie  über  Jos.  V.  Slädek,  die  früher  mit  einer  halben 
Seite  abgetan  wurde,  auf  zwei  Seiten  aus.  Das  Werk  der  im  vorigen  Jahre 
verstorbenen  Dichter  Slädek  und  Vrchlicky  wird  als  abgeschlossen  behandelt. 
Bei  Vrchlicky  ist  eine  biographische  Skizze  neu  hinzugekommen  (S.  355 — 356). 
Die  >Katholische  Moderne«  hat  Noväk  auch  in  der  zweiten  Auflage  sehr 
kurz  behandelt,  nur  bespricht  er  jetzt  im  Zusammenhang  mit  ihr  den  Dichter 
Jan  Rokyta  (Ad.  Öerny).  Seiner  Mutter  Tereza  Noväkovä  widmet  er  eine 
neue  Besprechung,  was  einerseits  in  ihrem  im  vorigen  Jahre  erfolgten 
Tode,  andererseits  in  der  großen  Produktivität  der  Dichterin  in  den 
letzten  sechs  Jahren  (»Na  Librove  grünte«  1907,  »Z  kamenite  stezky<  1908, 
>Deti  cisteho  ziveho«  1909,  >Vykriky  a  vzdechy«  1911,  »Drasar«  1913)  seine 
Ursache  hat.  Zusätze  erfährt  der  Abschnitt  über  die  Pflege  der  Sprach-  und 
Literaturwissenschaft  in  Böhmen  (S.  404 — 405).  In  der  neuen  Auflage  werden 
neben  den  schon  früher  genannten  Slavisten  Gebauer  und  J.  Vlcek  auch 
Pastrnek,  Zubaty,  Havllk,  Smetänka,  Flajshans,  Novotny,  Mächal,  Jakubec, 
Hanns  und  Leander  Cech  erwähnt.  Machar  wird  in  einem  neu  hinzugekom- 
menen Absatz  (S.  416)  als  Feuilletonist  gewürdigt  und  Petr  Bezruc  (Vl.Vasek), 
der  früher  unerwähnt  blieb,  wird  ziemlich  ausführlich  besprochen  (S.  426  bis 
427).  Auch  durch  die  Behandlung  St.  K.  Neumanns  wird  eine  fühlbare  Lücke 
der  ersten  Auflage  ausgefüllt.  Es  werden  die  neuen  Werke  von  J.  K.  Slejhar 
(»Lipa«  1908)  und  der  Rüz.  Svobodovä  (»Marne  läsky«  1907,  *Cerni  myslivci« 
1908,  i>Pokojny  dum^  1910,  »Posvätne  jaro«  1911)  aufgenommen  und  be- 
sprochen. Neu  ist  endlich  der  Schluß  des  Buches  (S.  348 — 444),  der  sich  mit 
der  Literatur  der  allerletzten  Jahre  beschäftigt.  Darin  ist  zunächst  von  den 
schriftstellernden  Frauen  Jiri  Sumin  (Anna  Vrbovä) ,  Rüz.  Jesenskä  und  Boi. 

35* 


548  Kritischer  Anzeiger. 

Benesovä,  ferner  von  den  Dichtern  Fräna  Srämek,  Karel  Horky,  Karel  Sezima, 
Fr.Khol  und  Fr.  Langer  die  Rede.  Einem  Abschnitt  über  das  Prager  National- 
theater folgt  ein  anderer  über  die  modernen  Dramatiker  Hubert,  J.  M.  Mayer, 
Arn.  Dvoiäk  and  J.  Mähen.  Das  Buch  schließt  mit  einem  Ausblick  auf  die 
neueste  slowakische  Literatur,  wobei  der  Gelehrte  Czambel  und  die  Dichter 
Kukucin,  Tajovsky  und  Krasko  erwähnt  werden.  O.  Donath. 


T.  MHKKCia,    TiopKCKO  -  öojrapcKoe   jiiToyiicjieHie,     HsB^cxia   ot- 

ji.'^Ä&ma   pyccKaro   asLiKa  ii  ciOBecHOCTii  ÜMnepaTopcKOH  AKaAeMiii 

HayKTi,  TOMT,  XVIIl  (1913),  Kinira  1,  CTp.  243—247. 

Andrej  Nik.  Popov  hat  in  seiner  Sammlung  der  russischen  Chrono- 
graphen (Oösopi.  xpoHor  pa-POBT.  pyccKoii  pcÄaicuiir,  Moskau  1866,  L 
S.2.5)  aus  zwei  Handschriften  des  »Letopisec  EUinskij  i  Rimskij«,  die  aus  dem 
XVL  Jahrhundert  stammen,  ein  ganz  merkwürdiges  Stück  bekannt  gemacht, 
ein  Verzeichnis  der  heidnischen  Fürsten  der  Bulgaren  von  der  sagenhaften 
Urzeit  angefangen  bis  in  die  zweite  HLilfte  des  VHL  Jahrhunderts.  Der  Text 
ist  abgedruckt  auch  bei  Hilferding  in  der  Geschichte  der  Bulgaren  und  Ser- 
ben (CoöpaHiecouiiHeHiH  1,  20 — 21  A.),  bei  Kunik  in  dem  Buche  über  Al- 
Bekri  S.  121  —  !46(Il3Bic'i'i>i  A.!ii>-BeKpH  h  apyrnxi.  aBTopoBt  o  Pycu 
H  CjaBflHaxT.,  Petersburg  1S78  in  den  »Zapiski«  der  Kais.  Akademie,  Bei- 
lage zu  Bd.  32  Nr.  2)  und  in  meiner  Geschichte  der  Bulgaren  (Prag  1876)  S.  127 
Anm.  Eine  lateinische  Übersetzung  von  mir  hat  Graf  Geza  Kuun,  Relationum 
Hungarorum  cum  Oriente  gentibusque  Orientalis  originis  historia  antiquissima, 
Bd.  2  (Claudiopoli  1895)  S.  11  ff.  mit  seinem  Kommentar  veröffentlicht.  Eine 
englische  Übersetzung  hat  Bury  in  der  Ausgabe  Gibbons  Bd.  6,  Beilage  9  mit- 
geteilt. 

Popov,  Hilferding  und  Andere  meinten,  das  Original  sei  griechisch  ge- 
schrieben gewesen  und  erst  in  späterer  Zeit  ins  Slavische  übersetzt  worden. 
Es  war  vielleicht  eine  griechische  Inschrift  auf  einer  Säule  oder  vielleicht  auf 
mehrerenSäulen  nebeneinander,  mit  einem  Regenteukatalog,  in  der  An  der  be- 
kannten griechischen  Inschriften  aus  der  Zeit  der  heidnischen  Bulgarenfürsten. 
Das  Interesse  für  den  Inhalt  brachte  es  mit  sich,  daß  der  Text  vielleicht  in 
den  Zeiten  des  Symeon  ins  Slavische  übersetzt  wurde.  Die  Namen  der  Fürsten, 
die  wir  aus  den  griechischen  Chroniken  des  Theophanes  und  des  Patriarchen 
Nikephoros  teilweise  kennen,  sind  hier  wahrscheinlich  vollständig.  Die  Re- 
gierungsjahre werden  in  byzantinischen  Buchstabenziffern  angegeben,  es 
folgt  aber  nochmals  eine  Augabe  der  Jahre  (a  aiTi.  cMy  .  .  .)  in  einer  uns 
nicht  bekannten  Sprache.  Die  ersten  mytliischen  Fürsten  haben  darin  eine 
sagenhafte  Regierungsdauer,  voran  Avitochol,  den  man  als  Attila  deuten 
wollte ,  300  Jahre ,  dann  Irnik,  der  nach  Tomaschek  (Österr.  Gymnasialzeit- 
schrift 1877,  683)  mit  Attilas  '^oXmHqi'ci-/  bei  Priscus  und  Ernac  bei  Jordanes 
identisch  ist,  150  Jahre.  Eine  so  lauge  Lebensdauer  haben  übrigens  die  ältes- 
ten Fürsten  auch  in  der  bulgarischen  Visio  des  Propheten  Isaias,  heraus- 
gegeben von  Ljiibomir  Stojanovic  im  Spomenik  der  serb.  Akademie  Bd.  3 


I.  Mikkola,  Türk.-bulg.  Jahreszählung,  angez.  v.  Jirecek.  549 

(1890)  190—193:  Slav  Car  regierte  119  Jahre,  Ispor  172,  Izot  lUO,  der  histo- 
rische Boris  nur  16  (zu  wenig),  der  wohlbekannte  Symeon  sogar  130.  Im  bul- 
garischen Fürstenkatalog  folgen  dann  kürzere  Regierungen,  wie  im  VII.  Jahr- 
hundert des  Kur't,  des  Kobratos  oder  Krobatos  der  Byzantiner,  60  Jahre,  des 
Isperich,  "Aanunovy^  der  Byzantiner  (um  679),  Aspar-Chruk,  Sohn  des  Chubraat 
in  der  armenischen  Bearbeitung  der  Geographie  des  Ptolemaios  (vgl.  Patkanov 
im  Zurnal  des  russ.  Unterrichtsministeriums  1&83  März,  S.  21 — 32)  Gl  Jahre, 
Kormisos  [KoQ^iiaiog  des  Theophanes)  1"  Jahre  usw.  Auffällig  sind  im 
VII.  Jahrh.  zwei  slavische  Namen:  Gostnu,  der  zwei  Jahre  vor  Kur't  regierte 
und  Be.zmer,  drei  Jahre  nach  Kur't  (vgl.  die  von  Personennamen  abgeleiteten 
Ortsnamen  Bezmer  in  Böhmen,  Bezmerov  in  Mähren).  Der  letzte  Fürst  des 
Katalogs  ist  ümor,  Ov^iuqo;  des  Nikephoros  (um  765),  mit  einer  Regierung 
von  nur  40  Tagen.  Das  Verzeichnis  ist  unvollständig.  War  es  auf  mehrere 
Säulen  verteilt,  stand  zur  Zeit  der  slavischen  Übersetzung  nur  eine,  und  zwar 
die  erste;  die  Fortsetzung  mit  den  Namen  des  Kardam,  Krum,  Omortag  usw. 
<var  damals  schon  verschollen. 

Die  fremdsprachigen  Stellen  folgen  stets  nach  der  Zahl  der  Regierungs- 
jahre, mit  der  Einleitung  »und  seine  Jahre«  (a  jitit  cMy),  stets  zweiteilig, 
mit  offenbarer  Vokalharmonie  und  dem  Suffix  -e?»,  -om  im  zweiten  Teil:  di- 
lom  tviyein  (sowohl  bei  Avitochol  mit  300  Jahren,  als  bei  Irnik  mit  150  Jahren), 
dochs  tvirein,  Segor  vecem  (bei  Kurt  mit  60  Jahren  und  Bezmer  mit  3  Jahren), 
vere7ii  alem,  dvan  sechtem,  toch  altoni,  segor  tvirem,  somor  altem,  dilom  tu- 
tom  usw. 

Diese  chronologischen  Daten  in  der  Sprache  der  Urbulgaren  sind  keines- 
wegs isoliert.  Ein  alter  Epilog  eines  Kodex  vom  J.  907  (6415),  erhalten  in 
einer  Abschrift  des  XV.  Jahrh.  in  der  Moskauer  Synodalbibliothek  (Gorskij 
und  Nevostrujev,  OnucaHie  pyKon.  2,  2,  S.  32f),  sagt,  das  Buch  sei  über- 
setzt worden  auf  Befehl  des  Knez  Symeon  vom  Bischof  Konstantin  und  die 
Handschrift  sei  im  genannten  Jahre  geschrieben,  als  Symeons  Vater,  der  bul- 
garische Fürst  Michail  Boris  starb,  der  die  Bulgaren  im  Jahre  etch  Ijechti  getaaü 
hatte:  ceu  ace  Bopiict  Eo^irapii  Kpxcxujit  cctb  bt.  .liTO  cTXt  öexxii. 

Dazu  kommt  eine  neue  Entdeckung  aus  dem  J.  1905.  Bei  den  Ausgra- 
bungen der  archäologischen  Gesellschaft  von  Sumen  (Schumla)  fand  man  bei 
dem  Dorf  Catallar,  sieben  Kilometer  von  Preslav  in  der  Nähe  der  Eisenbahn- 
station Preslav-Kruraovo,  eine  0,15  ?n  hohe  Kalksteinsäule  mit  einer  langen 
griechischen  Inschrift.  Sie  ist  von  Uspenskij  herausgegeben  in  den  Izvestija 
des  russischen  archäologischen  Instituts  in  Konstantinopel  Bd. 10  (1905),  545  f. 
und  Tafel  CXVIII.  Die  Inschrift  nennt  den  y.ai'ag  und  i/.  O^eov  «^;fw*'  Omur- 
tag,  erwähnt  seine  Feldzüge  inl  FQuixohg  y.ul  Ixläßovs,  die  Erbauung  eines 
Schlosses  [ccvIt])  und  einer  Brücke  dg  rrju  TovtCco',  d.  h.  am  Flusse  Tyca  (jetzt 
Tica),  der  bei  Preslav  vorüberfließt  usw.  Das  Datum  lautet:  r]io  ö's  b  xaiqog, 
oi«y  exTiax9?;i',  Bovlyäqois  xTj  aiyoQEXe/j,  r^aiAolg  rTj  li'öixnüuog  is'.  Mikkola 
liest  diese  Stelle  ßovlyccoiari  aiyooeXe/n,  yQi/.iazi  iyöixTiwi'og  USW.  Die  15.  In- 
diktion  unter  Omortag  gehört  zum  Jahr  6330=  1.  September  821—31.  Aug. 
822.  Das  Datum  der  bulgarischen  Zeitrechnung  cihv^peaea»  erinnert  an  die 
Worte  segnr  und  alem  im  Fürstenkatalog. 


550  Kritischer  Anzeiger. 

Die  rätselhaften  Wörter  des  Katalogs  versuchte  zuerst  Hilferding  (1868) 
aus  dem  Magyarischen  und  Zyrianischen  als  Epitheta  zu  deuten,  doch  ist  sein 
Versuch  infolge  geringer  Kenntnis  der  finnischen  Sprachen  verfehlt.  Wilhelm 
Tomaschek  in  der  Osten*.  Gymnasialzeitschrift  1877  S.  683  meint,  diese  Ter- 
mini gehören  den  türkischen  Sprachen  an  und  seien  »entweder  Numeralia, 
oder  was  wahrscheinlicher,  Epitheta  ornantia  der  Regierungen  und  Persön- 
lichkeiten der  einzelnen  Chane'^.  Otto  Blau  in  Philipp  Brunns  ^epnoMoptc 
2  (1879)  317  hält  die  Wörter  für  türkische  Zahlwörter  und  vergleicht  vecem, 
tvirem,  altem,  sechtem,  dochs  mit  türkisch  fic  i'3),  dort  (4),  alfi/  (6),  sektz  (8), 
dokuz  (9). 

Ausführlich  behandelt  diese  Fragen  ein  hervorragender  Kenner  der  tür- 
kischen Sprachen,  Friedrich  Wilhelm  Radioff  in  einem  Brief  aus  Barnaul  im 
westlichen  Sibirien  1867,  abgedruckt  1878  bei  Kunik,  Al-Bekri  138 — 143. 
Nach  seiner  Ansicht  sind  es  türkische  Zahlwörter,  verwandt  denen  der  Cu- 
vasen,  und  zwar  Doppelzahlen :  1  vere,  2so7uor{?),  '6vec,  -i  dvan  [dvatta  der 
Cuvasen),  5  dilom  (?),  6  [alt],  7  [cet],  S  segoj;  9  dochs,  fach,  teku,  10  om,  20  tvirem, 
30  vecem,  40  tutom,  50  alem,  60  altom  usw.  Obwohl  geistreich,  ist  die  Deutung 
nicht  überzeugend,  denn  sie  paßt  nicht  zu  den  Regierungsjahren.  Der  Fürst 
Telec  [Teliaaios,  Ti:%ixCr,i  der  Byzantiner)  regierte  nach  dem  Katalog  drei 
Jahre  und  war  nach  den  Byzantinern  ein  30jähriger  Jüngling,  der  nach  einer 
großen  Niederlage  gegen  den  Kaiser  Konstantin  V.  bei  Anchialos  762  oder 
763  bei  einem  Umsturz  von  den  Bulgaren  getötet  wurde;  >let  jemu  somor  al- 
tem<  wäre  nach  Radioff  6S,  was  selbst  für  Monate  zu  viel  ist.  Die  300jährige 
Regierung  des  Avitochol  und  die  150  jährige  des  Irnik  haben  dieselbe  Bezeich- 
nung »dilom  tvirem«,  die  nach  Radioff  aber  nur  25  bedeuten  würde. 

Graf  G6za  Kunn  (1895)  wendete  sich  gegen  die  Mißverständnisse  Hilfer- 
dings bei  dem  Versuche,  das  Magyarische  heranzuziehen  und  erklärte  sich  für 
die  Ansicht  Radioffs ,  aber  mit  Abweichungen.  »Somor  altem<  seien  »sexa- 
ginta  annos  pingues»;  das  stimmt  aber  nicht  zu  der  kurzen,  von  einem  trau- 
rigen Ende  begleiteten  Regierung  des  Telec.  Bei  »etch  bechti«,  das  Hilfer- 
ding aus  dem  Magyarischen  als  »Hungerfrieden«  deuten  wollte,  dachte  Kuun 
an  persisch  (und  türkisch)  »bacht«  fortuna  und  erklärte  es  (Bd.  2,  S.  15)  als  »in 
(annis)  felicitatis«. 

Der  jüngst  verstorbene  Vambery,  Ursprung  der  Magyaren  (1882)  meinte, 
es  seien  vielleicht  Geburtsjahre ,  ein  nationaler  chronologischer  Zyklus ,  wie 
bei  den  Kirgisen  und  Usbegen,  welche  nach  dem  Jahr  des  Schweins,  des 
Schafes,  der  Schlange  usw.  rechnen. 

Marquart,  Die  Chronologie  der  alttürkischen  Inschriften,  Leipzig  1898, 
hat  S.  72 — 90  einen  Exkurs  über  den  altbulgarischen  Fürstenkatalog.  Er 
wendet  sich  gegen  Radioffs  Ansicht,  daß  es  Zahlwörter  seien,  besonders  nach 
dem  Beispiel  über  Telec,  und  ist  eher  für  die  Ansicht  von  Tomaschek,  es 
seien  Charakteristiken  von  Personen. 

Der  englische  Byzantinist  J.  B.Bury,  The  chronological  cycle  of  the  Bul- 
garians,  Byzantinische  Zeitschrift  19  (1910)  127—144  fand,  ohne  sich  auf 
sprachliche  Deutungen  einzulassen,  einen  Zyklus  von  60  Jahren  heraus,  und 
zwar  von  Mondjahren,  die  angeblich  aus  der  Zeitrechnung  der  Araber  über- 


I.  Mikkola,  Türk.-bulg.  Jahreszählung,  angez.  v.  Jirecek.  551 

nommeu  waren.  Die  Wörter  seien  Zahlwörter  und  zwar  bezeichne  das  zweite 
Wort  die  Dekade:  1  vereni,  2  dvans,  3  tokh,  4  somor,  5  dilnm,  G  doks,  7  (unbe- 
kannt), 8  segror,  9  tek  (?),  10  echtem,  20  altom,  30  tvirem,  40  vecetn,  50  ale7n,  60 
futom.  Auf  Grund  dieser  Berechnungen  hat  er  die  Chronologie  der  ganzen 
altbulgarischen  Geschichte  von  Grund  aus  neu  geordnet.  Dabei  hat  sich  Bury 
in  gewagte  Emendationen  eingelassen;  z.  B.  »echt  bechti«  (S.  142—144)  wird 
verbe.sisert  zu  >tok  vecem<  und  die  Bekehrung  der  Bulgaren  genau  in  die  Zeit 
zwischen  865,  2.  Februar  und  866,  21.  Jänner  verlegt.  Man  vermißt  eine 
philologische  Begründung  der  Deutung  der  rätselhaften  Termini,  denn  bei 
Völkern,  die  aus  Innerasien  stammen,  müßte  von  den  Zahlwörtern  in  der  an- 
genommenen Bedeutung  etwas  doch  in  den  Dialekten  der  heutigen  Bewohner 
Westasiens  oder  des  zentralasiatischen  Hochlands  übrig  geblieben  sein,  sei 
es  bei  den  Türken,  Mongolen,  Finnen,  den  sibirischen  Völkern,  oder  bei  den 
Tibetanern,  Iraniern  usw. 

Diese  Studie  hat  der  bulgarische  Historiker  Vasil  N.  Zlatarski  neu  be- 
arbeitet in  der  Abhandlung:  HMa.^u  Jiii  ca  Ei..!trapuTi  cBoe  a^to^u- 
c.iciiHc?  im  »Spisanie«  der  neuen  bulgarischen  Akademie  in  Sofia,  KHura  I, 
bist,  philol.  Abteilung  I  (Sofia  1911)  1—92.  Trotz  mancher  Abweichungen 
bleibt  er  größtenteils  bei  der  Deutung  des  Bury;  nur  ist  bei  ihr  7  >etch«,  10 
»sechtem  (echtem).  In  »etch  bechti«»  soll  »etch«  7  sein  (vgl.  osman.  jedi  7), 
'bechti«  aber  wahrscheinlich  identisch  mit  »vecem«. 

Die  Arbeiten  von  Bury  und  Zlatarski  sind  vereint  von  N.  Petrovskij  in 
einer  russischen  Übersetzung  der  Studie  des  englischen  Historikers :  J.B.Bury, 
XpoHOJioruqccKin  uhk^it.  Eo.irapt.  nepcBoaT.  ci.  an  r^iii  CKaro. 
Ct.  npHjrojKeiiieM  t  aaMinaniit  B.  H.  Süa-rapcKaro,  nepcBeÄenuHX'B 
CT.  6o.irapcKaro,  Kasaiii.  1912,  80,  72  S.,  Sonderabdruck  aus  den  Izvestija 
des  Kazaner  Vereins  für  Archäologie,  Geschichte  iind  Ethnographie.  Die  ab- 
weichenden Ansichten  des  Zlatarski  und  des  Petrovskij  sind  als  Anmerkungen 
zum  Text  Burys  beigefügt.  In  der  Einleitung  bemerkt  Petrovskij  (S.  6),  daß 
die  Ausführungen  des  Bury  und  Zlatarski  erst  einer  Bestätigung  durch  die 
Linguistik  bedürfen.  Er  fügt  hinzu,  daß  die  orientalischen  Völker  auch 
Zyklen  haben,  in  denen  jedes  Jahr  einen  Namen  hatte,  der  keine  Zahlbezeich- 
nung war,  z.B.  die  Mongolen  einen  Zyklus  von  1 2  Jahren,  bezeichnet  nach  Tieren, 
das  Jahr  der  Maus,  des  Stieres  usw.,  und  fragt,  ob  sich  nicht  einmal  etwas 
ähnliches  auch  in  den  Termini  des  bulgarischen  Fürstenkatalogs  finden  wird, 
nachdem  schon  Hilferding  eine  solche  Vermutung  aufgestellt  hat. 

Gegen  Bury  wendet  sich  Marquart,  Die  altbulgarischen  Ausdrücke  in 
der  Inschrift  von  Öatallar  und  der  altbulgarischen  Fürstenliste,  Izvestija  des 
russ.  archäol.  Institutes  von  Konstantinopel  15  (1911)  1—30,  bulgarisch  über- 
setzt im  >Minalo«  2.  Bd.,  Heft  7—8  (191.3)  227—250.  Nach  seiner  Ansicht  sind 
die  Erklärungen  Radioffs  und  Burys,  welche  in  diesen  Ausdrücken  nur  Zahl- 
wörter sahen,  mißlungen;  diese  Termini  seien  eher  Devisen  der  Regierungen. 
Auch  die  von  Bury  vermutete  Annahme  des  arabischen  Mondjahrs  durch  die 
Bulgaren  sei  nicht  nachweisbar;  Mondjahre  hatten  ja  nach  den  chinesischen 
Chroniken  auch  die  Hunnen  (Hungnu). 

Die  Publikation  des  Petrovskij  veranlaßte  zuletzt  N.  V.  Stepanov  zur 


552  Kritischer  Anzeiger. 

Abfassung  der  Abhandlung  SaMiiKa  o6t  uacji^OBaHiH  Bury  6o.;irap- 
CKaro  .liTo^iiic^eiii;!  in  der  Izvestija  der  Klasse  der  russ.  Sprache  und  Lite- 
ratur der  Kais.  russ.  Akademie  1913,  Bd.  18,  Heft  2,  S.  116— )  31,  welche  sich 
gegen  die  Methode  Bnrys  wendet  und  auf  mathematischem  Wege  die  Halt- 
losigkeit des  mühevoll  aufgerichteten  Gebäud-es  erweist.  »Einen  Erfolg  in 
der  Erklärung  der  geheimnisvollen  Termini  des  Namensverzeichnisses  kann 
man  nur  von  der  gemeinsamen  Arbeit  sowohl  der  Philologen,  als  der  Histo- 
riker und  der  Chronologen  von  Profession  erwarten«  (S.  131). 

Alle  diese  Erklärungsversuche  werden  überholt  durch  die  kurze  und 
klare  Abhandlung  von  Mikkola,  das  Eesume  eines  Vortrages  in  der  finnisch- 
ugrischen  Gesellschaft  in  Helsingfors,  abgehalten  am  9.  Februar  1913.  In  den 
alttürkischen  Inschriften  am  Orchon  wird  Jahr  und  Monat  angegeben.  Die 
Jahre  gehören  zu  einem  Zyklus  von  zwölf  Jahren,  die  nach  Tieren  benannt 
sind:  1.  der  Maus,  2.  des  Stieres,  3.  des  Panthers,  4.  des  Hasen,  5.  des  Drachen, 
6.  der  Schlange,  7.  des  Pferdes,  8.  des  Schafes  (oder  der  Ziege),  9.  des  Affen, 
10.  des  Huhnes  (oder  Hahnes),  11.  des  Hundes,  12.  des  Schweines  (oder  Ebers). 
Die  Monate  sind  daneben  nur  mit  fortlaufenden  Zahlen  bezeichnet.  Dieselbe 
Bedeutung  haben  die  altbulgarischen  Termini;  das  erste  Nomen  bezeichnet 
das  Jahr  des  Zyklus,  das  zweite  Wort  ist  die  Zahl  des  Monates.  Das  ganze 
Datum  bezieht  sich  auf  den  Anfang  der  Regierung  eines  jeden  der  Chane. 
Die  Tiernamen  sind  1.  somor  (über  die  Bedeutung  will  sich  Verfasser  noch 
nicht  äußern),  2.  segor^  aiyoQ,  türk.  sygyr,  der  Ochs,  3.  veri,  türk.  höri,  der 
Wolf  (statt  des  Panthers),  4.  dvani  ist  davsan,  osman.  fauscm  der  Hase,  5.  fehlt, 
6.  dilom,  türk.  yylan ,  jylan  die  Schlange,  T. — 9.  fehlen,  10.  toch  ist  türk.  tuui;, 
tavuk  aus  tayuk,  das  Huhn,  11.  ü  (Mikkola  liest  bei  dem  Fürsten  Tervel  »item 
tvirera«)  oder  eich  (in  »etch  bechti«)  ist  türk.  it,  et,  der  Hund,  12.  dochs,  doclCs 
ist  kumanisch  tonuz,  osm.  domuz,  das  Schwein.  Die  Monatsziffern  sind  »der 
erste«,  »zweite«,  dritte«  usw.:  elem,  alem  I;  vecem  3  {viscin  der  dritte  bei  den 
Cuvasen) ;  tutom  4  (türk.  fürt,  türt) ;  hechti  5,  wohl  zu  lesen  bechtim  [*bestem  der 
fünfte  ,  von  hes  fünf) ;  altem  G ;  sechtern  (?)  8  ;  tvirem  9 ;  enialem  1 1  (Mikkola 
liest  veri-enalein  für  verenialem,  on  10,  alem  der  erste).  Die  Suffixe  -em,  -om 
erinnern  an  die  Formen  der  Cuvasen:  zM-eni-es  der  zweite  usw.  Die  Chro- 
nologie war  allen  diesen  Völkern  gemeinsam.  Die  alten  Türken  der  In- 
schriften des  Orchon,  die  Uiguren,  die  Mongolen  und  Chinesen  begannen  ihre 
Zeitrechnung  mit  demselben  Jahr.  Der  Zyklus  der  Donau-Bulgaren  war  nach 
Mikkola  damit  ganz  identisch.  In  den  Inschriften  des  Orchon  ist  nämlich 
unser  Jahr  737  ein  Jahr  des  Ochsen;  737  +  7  x  12  =  821  ist  die  Inschrift  des 
Omortag  wieder  nach  dem  Jahr  des  Ochsen  datiert.  Die  Meinung  von  Rad- 
ioff, daß  die  Termiui  der  Fürstentafel  türkische  Zahlwörter  enthalten,  bestä- 
tigt Mikkola  mit  der  Einschränkung,  daß  sich  dies  nur  auf  das  zweite  Wort 
des  Datums  bezieht.  Neu  ist  die  Deutung  des  ersten  Wortes  als  eines  Tier- 
namens. 

Das  Datum  der  Taufe  der  Bulgaren  »etch  bechti«  wäre  nach  der  Erklä- 
rung von  Mikkola  der  fünfte  Monat  des  Jahres  des  Hundes,  also  821  -f-  9  + 
12x3  =  866  Mai.  Das  würde  dem  historischen  Material  nicht  widersprechen. 
Nach  Anastasius  Biblothecarius  kamen  die  Gesandten  der  neugetauften  Bul- 


Spina,  Altcech.  Katharinenlegende,  angez.  v.  Smetänka.  553 

garen  im  Angust  86G  nach  Rom ,  nach  Hinkmar  und  den  Annales  Fuldenses 
eine  andere  Gesandtschaft  zu  derselben  Zeit  oder  etwas  später  (Ende  866]  zu 
König  Ludwig  dem  Deutschen  nach  Regensburg. 

Wien  ,  26.  November  1913.  C.  Jirectk. 


Die  altcechische  Katharinenlegende  der  Stockholm-Brünner  Hand- 
schrift. Einleitung.  Text  mit  Quellen.  Wörterbuch,  Von  Dr.  Franz 
Spina,   Privatdozenteu    au    der    deutschen  Universität    in  Prag. 
Prag  1913.    Gr.  8»,  SS.  XXXIV  +  115. 

Es  gibt  wenig  altcechische  Gedichte,  die  auf  solcher  künstlerischen 
Höhe  ständen,  soviel  wichtiges  grammatisches,  lexikalisches  und  kultur- 
geschichtliches Material  enthielten  und  sich  so  vollständig  erhalten  hätten, 
wie  die  sogenannte  längere  oder  Stockholmer  Katharinenlegende.  Nimmt 
man  dazu  noch  ihre  interessanten  Schicksale  in  Betracht  —  die  Handschrift 
befand  sich  im  J.  1609  im  Besitz  des  Peter  Vok  von  Rosenberg  (f  1612),  kam 
1647  mit  der  11000  Nummern  zählenden  Bibliothek  Voks  auf  Hradschin, 
wnrde  von  da  1648  von  den  Schweden  nach  Stockholm  überführt,  dort  1850 
entdeckt  und  1 878  auf  Veranlassung  Dudfks  mit  Bewilligung  des  schwedischen 
Reichstages  an  Mähren  zurückgestellt  — ,  so  nimmt  es  nicht  wunder,  daß 
ihr,  nachdem  sie  vom  Arzte  und  Mittelschullehrer  Pecirka  im  J.  1857  abge- 
schrieben und  1860  von  K.  J.  Erben  in  einem  diplomatischen  und  trangskri- 
bierten  Abdruck  mit  zahlreichen  Emendationen  und  einem  Wörterbuch  her- 
ausgegeben worden  war,  böhmische  Philologen — B.  Jedlicka,Gebauer,Pelikän, 
Kebrle,  Mencik,  Flajshans,  Lang  —  mit  kritischen  und  exegetischen  Beiträgen 
eine  derartige  Aufmerksamkeit  widmeten,  wie  sie  keinem  anderen  altcechi- 
schen  Texte  zuteil  wurde.  Andererseits  ist  aber  nicht  minder  zu  verwundern, 
daß,  als  die  Ausgabe  Erbens  schon  lange  vergriffen  war,  eine  neue  Edition 
auf  sich  so  lange  warten  ließ.  Durch  die  Arbeit  des  Prof.  Spina  haben  wir 
sie  endlich  erhalten. 

Das  Buch  Spinas  zerfällt  in  drei  Teile :  Einleitung  (S.  I— XXXIV),  Text 
(1—106)  und  Wörterbuch  (107—115). 

Über  die  Grundsätze,  nach  denen  hier  der  Text  behandelt  worden  ist, 
äußert  sich  der  Herausgeber  genau  in  der  Einleitung  (S.  XXX).  Danach  war 
sein  Hauptgrundsatz,  womöglich  konservativ  die  Überlieferung  zu  schonen, 
und  zwar  sowohl  in  der  Orthographie,  als  in  den  Formen,  auch  in  den  dialek- 
tischen. Im  Unterschied  zur  Handschrift  sind  nur  folgende  Änderungen 
durchgeführt  worden:  die  in  der  Überlieferung  ungeregelte  Schreibung  großer 
und  kleiner  Anfangsbuchstaben  wird  dem  modernen  Usus  angepaßt;  solche 
Wortzusammenschreibungen,  die  in  der  neucech.  Orthographie  nicht  üblich 
sind,  z.  B.  whrzyesye  (=  v  Hriese),  ywzdaly  (=  i  vzdäli)  u.  ä.,  wurden  ge- 
trennt; die  Abkürzungen  sind  aufgelöst  worden;  orthographische  Quisquilien, 
wie  der  hier  und  da  über  dem  i  auftauchende  Strich,  werden  nicht  beachtet; 
und  endlich,  was  das  wichtigste  ist,  der  Text  wird,  soweit  es  bei  einem  in 
einer  einzigen  Handschrift  erhaltenen  Gedichte  möglich  ist,  emendiert  und 


554  Kritischer  Anzeiger. 

mit  einer  sinngemäßen  Interpunktion  versehen.  Jede  Änderung  wird  in  den 
Anmerkungen  als  solche  bezeichnet ,  wobei  gleichzeitig  die  handschriftliche 
Überlieferung  genau  angegeben  wird. 

Diese  Grundsätze  sind  ohne  Zweifel  richtig  und  der  Herausgeber  führt 
sie  auch  streng  durch.  Alles  Lob  verdient  besonders  die  Vollständigkeit,  mit 
der  in  den  Anmerkungen  sämtliche  an  verschiedenen  Orten  bis  jetzt  publizierte 
kritisch-exegetische  Beiträge  zurKatharinenlegende  zusammengetragen  sind; 
für  einen  derartigen  verläßlichen  Apparat,  der  die  Interpretation  des  recht 
schwierigen  Textes  sehr  erleichtert,  werden  dem  Herausgeber  die  Benutzer 
seiner  Edition  immer  dankbar  sein.  Zu  billigen  sind  auch  eigene  Emenda- 
tionen  des  Autors  im  V.  2968  (Handschrift:  zet  ja  tobe  dnes  tvü  hlavu  käzi  s 
tveho  ftawu  stieti  —  Spina:  s  tveho  vazu  —  in  der  lat.  Legende:  caput  tuum 
a  cervice  recisum)  und  im  V.  1917  (Handschrift:  Jeremiäs  pH  tejz  wporzye 
rekl  —  Spina:  vspore ;  die  im  Wörterbuch  angeführte  Bedeutung  »vzpora  = 
Widerstand,  Streit«  wird  jedoch  zu  dieser  Stelle  kaum  passen). 

Ausstellen  läßt  sich  am  Textteile  des  Buches  nur  folgendes:  Bei  der 
Auflösung  der  Abkürzungen  für  pre,  pric,  pri,  Krisfus  beschränkt  sich  der 
Herausgeber,  wie  bei  anderen  Abkürzungen,  darauf,  daß  er  die  Abbreviatur 
bloß  auflöst,  ohne  zu  bemerken,  ob  in  der  Handschrift  eine  Abkürzung  steht 
oder  nicht.  Das  handschriftliche i-"'  transskiibiert  er przy  (an  Stellen,  wo  das 
Wort  voll  ausgeschrieben  ist,  steht  in  der  Handschrift  ebenfalls  ^^r^//,  aber 
auch  przi;  p'e  prze,  aber  auch  j)rzt/e;  xßus  immer  Kr  intus  (die  Handschrift 
schreibt  ohne  Abkürzung  Krystus).  Wenn  es  sich  einmal  jemandem  aus  pho- 
netischen Gründen  darum  handeln  sollte,  statistisch  festzustellen,  wie  in  un- 
serem Texte  i  nach  r  und  ?•  geschrieben  wird  oder  in  welchem  Maße  darin 
die  Jotation  in  den  Silben  re  fie  erhalten  ist,  so  kann  er  sich  in  dieser  Hin- 
sicht auf  die  Ausgabe  Spinas  nicht  völlig  verlassen.  Diesem  Mangel  —  dem 
freilich  keine  große  Bedeutung  beizumessen  ist  —  hätte  leicht  abgeholfen 
werden  können,  wenn  man  die  aufgelöste  Abkürzung  irgendwie  bezeichnet 
hätte.  — Von  kritischen  Beiträgen  sind  der  wachen  Aufmerksamkeit  des  Her- 
ausgebers zwei  entgangen.  Der  erste  betrifft  den  Vers  3308:  to  domluvivsi 
(d.h.  Katharina)  k  tey  fyle,  stinace  poprosi  mile.  Pelikan,  Rozpravy  filol. 
venovane  J.  Gebauerovi  1898,  S.  32,  hat  zu  dieser  Stelle  die  Emendation  v  Uj 
eile  j-v  te  chvili«  vorgeschlagen  und  Gebauer,  Stc.  slovnik  I,  173/174,  hat  sie 
angenommen  (k  tey  fyle  »bezpochyby  omylem  misto  k  tej  nebo  v  tej  eile«). 
Der  Herausgeber  billigt  sie  auch.  Richtig  ist  aber  doch  nur  die  handschrift- 
liche Lesart,  wie  0.  Seykora  im  Cesk6  Slovo,  7.  Feber  1912,  gezeigt  hat*). 


1)  Den  meisten  Lesern  des  Archivs  wird  Cesk^  Slovo  kaum  bekannt  sein. 
Es  ist  eine  politische  Zeitung.  Philologische  Aufsätze  Seykoras,  welche  hie 
und  da  ein  gutes  Korn  enthalten,  dabei  jedoch  die  Lebensarbeit  Gebauers 
grob  verunglimpfen  und  meist  längst  absolvierte  Dinge  wiederholen ,  sind 
darin  erschienen,  als  das  Auftreten  des  +  Prof.  Pic  zugunsten  der  Königin- 
hofer  Handschrift  in  den  letzten  Verteidigern  dieses  Falsums  die  Hoffnung 
aufkommen  ließ,  daß  sich  der  Glaube  an  seine  Echtheit  wenigstens  in  breiten 
Volksschichten  erneuern  werde. 


Spina,  Altcech.  Katharinenlegende,  angez.  v.  Smotänka.  555 

Katharina  spricht  hier  nämlich  zum  Volk,  wie  ans  dem  V.  3254  ersichtlich  ist, 
und  sila  bedeutet,  wie  bereits  Erben,  Zivot  sv.  Kateriny,  S.  213,  geahnt  hat, 
'multitudo,  Volk'  (vgl.  jdiese  po  nem  fyla  velikä  multitudo  magna  Ev.  Seit. 
Jo.  6,  2;  Ev.  Vid.  daselbst;  blas  8  anjelem  chvcälece  Boha  a  s  nim  fyla  ne- 
beskeho  ryciefstva  multitudo  Ev.  Seit.  Luk.  2,  13;  kdyz  fyla  biese  s  Jezisem 
turba  multa  Ev.  Seit.  Mark.  8,  1 ;  tu  t  se  mnozstvie  lidu  sjedu,  jakz  a  tüto 
kneznü  pfijedu,  povedu  t  ji  v  hrozne  fyle  Baw.  l'o^).  Ein  anderes  Omissum 
habe  ich  beim  V.  2546  gefunden,  wo  die  Ausführungen  P.  Längs  über  das  Ad- 
jektivum  up ohj  [^hornik  filologicky  II,  1912,  S.  137 — 140),  das  nach  ihm  'er- 
folglos, umsonst'  bedeuten  soll,  hätten  angeführt  werden  können.  —  Die 
Konjektur  des  Herausgebers,  daß  im  V.  2948  statt  des  überlieferten  zezchmtv 
zediiw  zu  lesen  sei  (hnevno  zezdnuw  se  v  hromadu),  ist  bestimmt  unrichtig 
(altcechisch  wäre  {v)zdiiv;  eher  ist  vielleicht  naduv  wahrscheinlich ,  vgl.  naduv 
hrdlo  z  sveho  vaza  V.  2734).  Ebenfalls  falsch  sind  die  Emendationen  der 
Verse  2573  (Handschrift:  snemsi  koronu  s  jednoho  andela,  y  wstwasy  inhed 
z  dospela  krälovej  na  jeji  hiavu  a  fküc  —  Spina:  andela,  vstavivsi  inhed, 
—  wahrscheinliche  Lesung,  schon  bei  Erben:  i  vstavi  ji  inhed,  ji- inhed  mit 
Syuizese),  1224  (Handschrift  richtig:  ez  mnoheho  lidabozi  tojsü  wfye  däblove 
mnozi,  wfye  =  vse  'insgesamt'  —  Spina:  vsi  =  vsichni  'alle')  und  2451  (tak 
[se]  svym  srdcem  v  tej  rade  chodieti  hledäse  stieni;  die  Erben-Spinasche  Er- 
gänzung des  achtsilbigen  Verses  mit  se  ist  nicht  altcechisch,  der  Vers  muß 
anders  ergänzt  werden,  vielleicht  tak  [to]  oder  tej  ito]).  Überflüssig  sind  die 
Korrekturen  im  V.  3062  (Handschrift:  buoze  mucenice,  d.  h.  boze  —  Erben 
und  Spina:  bozie)  und  3430  (Handschrift:  slibuji  hotowye  v  moczy  ze  vsiej 
jich  nüze  vzpomoci,  d.  h.  hotovie  u  moci,  v  hotove  moci  —  Erben  und  Spina: 
hotove  moci). 

Über  den  Charakter  seines  Wörterbuches  äußert  sich  der  Autor 
(S.  107,  Anm.)  dahin,  daß  es  nicht  zur  Aufgabe  hat,  den  reichen  Sprachschatz 
des  Denkmals  zu  erschöpfen,  sondern  daß  es  einzig  dem  unmittelbaren  prak- 
tischen Zweck  des  Verständnisses  dienen  will  und  daß  deshalb  Wörter,  Phra- 
sen und  Konstruktionen ,  die  aus  den  geläufigen  Handbüchern  sogleich  fest- 
gestellt werden  können  oder  mit  dem  heutigen  Sprachstand  übereinstimmen, 
darin  nicht  angeführt  werden.  Für  die  Beschränkung  des  Wörterbuches  auf 
dieses  Maß  —  eine  Beschränkung,  die  wir  aufrichtig  bedauern  müssen  — 
waren,  wie  der  Herausgeber  andeutet,  augenscheinlich  die  Interessen  des  Ver- 
lages ausschlaggebend.  Wir  fürchten  jedoch,  daß  das  Wörterbuch  nicht  ein- 
mal das  bescheidenere  Ziel,  das  es  sich  aufstellt,  erreichen  wird.  Es  fehlen  z.B. 
die  Schlagwörter  az  ('schon',  in  den  Phrasen  drev  nez  ...  az,  V.  3152;  netähnu 
.  .  .  az  V.  2871,  3040), y^my///  ('angenehm',  V.  32),  skrovny  ('demütig',  V.  18,  175), 
stdti  ('standhalten',  V.  1472),  üizeti  ('Sehnsucht  hervorrufen',  V.  3008),  vlas 
Cvlasem  =  nichts',  V.  2846)  und  die  Bedeutungsangaben  bei  dedinny  ('z  dedin- 
na  =  auf  abhängige  Art',  V.  1348;  'dedinny  =  selbständig',  V.  1353),  doha 
('v  dobe  =  bei  (seinen)  Lebzeiten',  V.  1268),jV?ie  ('Person',  V.  90.3),  koli  ('einmal', 
V.  628)  ,-/«■  ('oder',  V.  2040),  nelze  toho  ('das  ist  unmöglich',  V.  1350),  vdovne 
('Witwe',  V.  122),  postata  ('Bedeutung',  V.  2:i80),  posüdiii  smiech  kym  ('jemand 
auslachen',  V.  1529),  rit  (besser  wäre  ryt,  'Verderbnis',  V.2066);  bei  szoHti  und 


556  Kritischer  Anzeiger. 

vzoriti  ('schafifen,  bereiten']  ist  die  Übersetzung  'maturare,  zur  Reife  bringen7 
zu  allgemein;  usw.  —  In  einigen  Fällen  sind  auch  Fehler  unterlaufen.  Z.  B. 
bei,  -e,  m.,  'Weiße'  (lieci,  jesto  ktviechu  v  byele  i  v  cerveuosti,  V.  2308;  rich- 
tig: u  biele  vom  Adj.  biely);  c7.s/o 'Lektüre',  V.  102  (unter  dem  Schlagworte 
cislo;  unter  hyly  wird  für  dieselbe  Stelle  die  richtige  Bedeutung  'Sinn'  ange- 
geben); neolpovedeti  'versagen',  V.  2S46  ('versagen'  ist  das  positive  otpove- 
deti);  ])U  (richtig:  plet,  Gen.  plti);  smysliti 'intQlWgQXQ ,  cogitare'  pf.  (richtig: 
ipf.);  sniti  'sich  versammeln',  V.  1622  (statt:  eneti  se  'reitend  oder  fahrend  zu- 
sammenkommen'); re?H('.s/o 'Blasinstrument',  V.  1173  (richtig:  'Kunst') ;  ^^rosiraw, 
prostraiia  (richtig:  prostrano,  Nentr.  vom  Adj.  prostrany);  shcch  'Gehörigkeit, 
richtiger  Sinn',  V.  2174  (statt:  rec);  vzdizeti  'zitternd  wohin  treiben',  V.  2348 
(statt:  vzdrehnüti);  zahnati  'ergreifen',  V.  2338  (richtig:  zahnati  =  zajeti), 
von  Druckfehlern  wie  1549  statt  1594  (unter  doba),  3222  statt  3322  (unter  ot- 
leknüti),  3270  statt  3272  (unter  prostrahl,  bojce  statt  höjce,  l'uiy  statt  l'üty,  oh- 
luditi  statt  ohlüditi,  j)otäzänic  statt  potäzanie,  prnhitie  statt  prohytie  ('Nutzen'), 
ruje  und  rije  statt  rüje,  fije,  scedre  statt  scedfe,  ulizmiti  se  statt  nlyznüti  se  u. 
a.m.  nicht  zu  sprechen.  —  Statt  drzeti  'zittern'  wäre  m.  E.,  da  es  (wie  der  Ver- 
fasser richtig  bemerkt)  zweisilbig  auszusprechen  ist,  richtiger  drzieti.  Das 
Schlagwort  nezivny  'unklar'  möchte  ich  streichen;  es  ist  ohne  Zweifel  jiezevmj 
zu  lesen.  Bei  stien  'Schatten,  Gemach'  gibt  der  Herausgeber,  wahrscheinlich 
Gebauer  (Hist.  ml.  III,  1,  S.  370)  folgend,  als  Genus  /.  und  mit  Fragezeichen 
auch  m.  an;  der  Reim  (hledäse  stieni  —  drahych  sieni)  zeigt,  daß  die  von  Ge- 
bauer für  möglich  gehaltene  Lesung  stiene  wenig  wahrscheinlich  ist  und  daß 
also  hier  nur  fem.  anzusetzen  ist. 

Ein  hervorragender  Teil  des  Buches  ist  die  Einleitung,  eine  Arbeit, 
die  über  den  unermüdlichen  Fleiß,  die  umfangreiche  literarische,  kunstge- 
schichtliche und  grammatische  Belesenheit  und  die  gründliche  methodische 
Schulung  des  Verfassers  ein  glänzendes  Zeugnis  abgibt.  Der  Leser  findet  hier 
eine  Belehrung  von  den  altcechischen  Katharinenlegenden  überhaupt;  eine 
Kritik  der  Ausgabe  Erbens;  eine  Beschreibung  des  handschriftlichen,  die 
Stockholmer  Legende  enthaltenden  Sammelbandes,  eine  Beschreibung,  die 
zahlreiche,  mühsam  zusammengetragene,  wertvolle  und  teilweise  auch  neue 
vergleichende  Daten  von  anderen  Teilen  der  Handschrift  bringt;  eine  Ge- 
schichte des  Manuskriptes ;  einen  Beweis,  daß  die  Stockholmer  Legende  eine 
Abschrift  ist;  den  Inhalt  der  Legende;  eine  Aufzählung  der  griechischen, 
ältesten  lateinischen  und  slavischen  Katharinenlegenden;  eine  Klassifikation 
von  siebzehn  lateinischen  in  Prag  aufbewahrten  Katharinenhandschriften, 
eine  Arbeit,  deren  Schwierigkeit  nur  zu  würdigen  weiß,  wer  sich  selbst  mit 
ähnlichen  Studien  abgegeben  hat;  einen  Aufsatz  über  das  Verhältnis  der  alt- 
cechischen Legende  zu  ihren  lateinischen  Quellen  und  zu  anderen  slawischen 
Legenden;  eine  Forschung  über  die  Provenienz  der  Verse  962 ff.;  und  schließ- 
lich auch  eine  grammatische  Analyse  der  Legende.  Es  gibt  keine  Frage,  die 
für  die  Beurteilung  der  Legende  von  Belang  wäre  und  die  der  Herausgeber 
außer  Acht  gelassen  hätte. 

Die  Einleitung  bringt  zwei  wichtige  Nova.  Eines  von  ihnen  löst  die 
Frage,  was  die  Quelle  zum  ersten  Teile  der  Stockholmer  Legende,  zur  Erzäh- 


Spina,  Altcech.  Katharinenlegende,  angez.  v.  Sraetänka.  557 

limg  von  der  Bekehrung  der  hl.  Katharina  (V.  1—1114)  gewesen  ist.  Diese 
Quelle  war  bis  jetzt  unbekannt.  Dem  Herausgeber  ist  es  gelungen  sie  zu  ent- 
decken. Es  ist  die  lateinische  Fassung,  die  sich  in  der  Handschrift  A  158  des 
Prager  Metropolitankapitels  erhalten  hat.  Da  die  Prager  Kapitelbibliothek 
schwer  zugänglich  ist,  hat  der  Herausgeber  den  Wortlaut  der  lateinischen 
Handschrift  bei  den  entsprechenden  cechischen  Stellen  in  den  Anmerkungen 
abgedruckt.  (Die  Quelle  zum  zweiten  Teile  der  Legende,  V.  1115—3519,  die 
sogenannte  Vulgata  der  passio  s.  Catharinae ,  die  bereits  viermal  in  Neu- 
drucken erschienen  ist,  reproduziert  der  Verfasser  per  extensum  nicht,  gibt 
jedoch  in  den  Anmerkungen  zum  cechischen  Text  an,  auf  welcher  Stelle  in 
jeder  von'deu  vier  Ausgaben  die  entsprechende  lateinische  Parallele  zu  suchen 
ist.)  —  Das  zweite  Novum  betrifft  die  bereits  erwähnten  Verse  962  ff.  Diese 
Verse,  eine  Schilderung  der  traumhaften  Örtlichkeit,  in  welcher  die  Vermäh- 
lung der  Heiligen  mit  Christus  vor  sich  geht,  mahnen  ein  wenig  an  die  Be- 
schreibung des  Graltempels  im  jüngeren  Titurel  (es  ist  nicht  ausgeschlossen, 
daß  der  altcechische  Dichter  den  Titurel  kannte),  aber  noch  mehr  —  und  das 
ist  eben  das  Novum  des  Herausgebers  —  passen  sie  zum  wirklichen  Bau  der 
Kreuz-  und  namentlich  der  Katharinenkapelle  auf  Burg  Karlstein.  Diese 
Kapellen  waren  etwa  im  J.  1355  vollendet.  Die  Entstehung  des  Gedichtes 
kann  demnach  nicht  vor  dieses  Jahr  hiuaufgeschoben  werden.  Der  sprach- 
liche Charakter  der  Legende  und  das  historische  Faktum ,  daß  der  Kultus  der 
hl.  Katharina  gerade  zur  Zeit  Karl  des  Vierten  in  Böhmen  am  stärksten  um 
sich  gegriffen  hat,  stimmen  damit  vorzüglich  überein. 

Zur  grammatischen  Analyse  des  Gedichtes,  in  der  eine  genaue  Vertraut- 
heit mit  der  böhmischen  historischen  Grammatik  und  mit  monographischen 
Beiträgen  zu  derselben  an  den  Tag  tritt,  möchte  ich  folgendes  bemerken :  In 
der  Legende  treten  einige  dialektische,  und  zwar  mährische  Besonderheiten 
auf.  Es  fragt  sich,  wer  ihr  Urheber  gewesen  ist,  ob  der  Verfasser  oder  der 
Abschreiber  der  Legende.  Flajshans  (Gas.  C.  Mus.  1896,  199)  meint,  daß  der 
Verfasser,  und  spricht  die  Vermutung  aus ,  daß  der  Abschreiber  die  Moravis- 
men,  deren  Zahl  in  der  Legende  ursprünglich  bedeutender  gewesen  wäre, 
verwischte.  Der  Herausgeber  nimmt  dagegen  einen  entgegengesetzten  Stand- 
punkt ein;  er  beruft  sich  dabei  auf  die  Tatsache,  daß  der  Text  der  Legende 
im  Ganzen  strengcechisch  (=  westcechisch)  ist  und  daß  die  Moravismen  in 
demselben  nur  Ausnahmen  sind.  Diesen  Grund  des  Verfassers  halte  ich  nicht 
für  hinreichend  —  kircheuslavische  Texte  mit  von  Abschreibern  herrührenden 
Russismen,  Serbismen  usw.  sind  Belege  dafür;  und  positiv  zeugt  der  Reim  u 
meste  (ursprünglich  moravi^ierend  u  mesti)  —  ve  cti  (VV.  89/9Ü)  gewiß  zu- 
gunsten der  Meinung,  daß  es  Moravismen  im  Gedichte  schon  damals  gab ,  als 
es  aus  der  Feder  des  Dichters  herausfloß.  —  Die  Ansichten  über  die  Prove- 
nienz einiger  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  in  der  Stockholmer  Legende 
gehen  auseinander.  Besonders  betrifft  das  den  Wechsel  /  >  c  (Inf.  -ci  statt 
-ti,  z.  B.  mlceci,  sluzici  usw.;  chciec(e)  statt  chtiec(e);  celesne  statt  telesne)  und 
c  >  <  (chodieti  statt  chodieci,  dosieti  statt  dosieci ,  mucenniti  statt  mucennici, 
dietetim  statt  dietecim,  tiesaf  statt  ciesai-,  telejsi  statt  celejsi).  Sind  das 
Moravismen  oder  nicht?    (Vgl.  Pastrnek  in  dieser  Zeitschrift  XII,  180ff.)   Der 


558  Kritischer  Anzeiger. 

Herausgeber  spricht  sich  dahin  aus,  daß  dem  Wechsel  Uy-  ci,  besonders  bei 
sporadischem  Vorkommen,  in  Denkmälern ,  für  deren  dialektische  Herkunft 
nichts  spricht,  keine  dialektische  Beweiskraft  anzuerkennen  ist,  daß  er  jedoch 
als  Moravismus  zu  betrachten  ist,  wenn  neben  dem  Wechsel  ti  >  ci  in  dem- 
selben Denkmal  auch  der  Wechsel  c»>  ti,  ein  ausgesprochener  Moravismus, 
vorkommt.  Ich  halte  diese  Anschauung  für  richtig.  (Darüber,  wie  man  sich 
die  Entstehung  der  Graphik  c  statt  /^vorzustellen  hat,  hat  eine  m.  E.  wohl  be- 
gründete Vermutung  Dolansky,  Rozpravy  fil.  ven.  J.  Gebauerovi,  S.  14,  ausge- 
sprochen; nach  ihm  ist  die  Schreibung  c  statt  t  nichts  anderes  als  ein  Beweis, 
daß  das  altcechische  c,  weicher  als  im  Neucechischen,  akustisch  dem  Laute  i 
nahe  war.)  Bezüglich  der  Wechsel  t  >  c  und  c  >  i,  die  in  der  Katharinen- 
legende  auch  vorkommen  (u  prieti  statt  u  pHeci,  svytejem  statt  svycejem, 
zate  statt  zace,  tele  statt  cele),  ist  der  Verfasser,  wie  ich  glaube,  überzeugt,  daß 
es  Moravismen  sind,  was  wohl  auch  richtig  ist. 

Die  Arbeit  Spinas  entspricht  einem  längst  empfundenen  Bedürfnis  und 
entspricht  ihm  derart,  daß  sie  nicht  allein  als  Grundlage  weiterer  Forschung 
dienen  kann,  sondern  daß  sie  die  bisherigen  Kenntnisse  von  der  Katharinen- 
legende  schon  selbst  auch  wesentlich  bereichert.  Wir  sind  dem  Herausgeber 
für  seine  wertvolle  Leistung  zum  aufrichtigen  Dank  verpflichtet. 

Prag.  Emil  Smetänka, 


Hrvatska  glagolska  bibliografija.   I.  Dio.  Opisi  rukopisä.    Napisao 
Ivan  Milcetic.    Stariue  XXXIII.    Zagreb  191J. 

Prof.  Milcetic  entschloß  sich  nach  längerer  Vorbereitung  zu  einer  zu- 
sammenfassenden Beschreibung  der  glagolitischen  Denkmäler.  In  dem  be- 
reits früher  veröffentlichten  »Prethodni  izvestaj«  machte  der  Autor  das 
Publikum  mit  seinen  Reien,  welche  er  behufs  der  gedachten  Bibliographie 
unternommen,  bekannt,  und  im  J.  1011  erhielten  wir  auf  Veranstaltung  der 
Südslavischen  Akademie  in  Agram  das  inhaltsreiche  505  Seiten  in  8»  zählende 
Buch,  in  welchem  die  handschriftlichen  Denkmäler  behandelt  werden. 

Der  tätige  Autor  wollte  im  I.  Teile  seiner  Bibliographie  alles  zusammen- 
fassen, was  ihm  von  den  kroatisch -glagolitischen  Handschriften  zugänglich 
war,  und  teilte  den  Inhalt  seiner  mühevollen  Arbeit  in  13  Hauptstücke  ein 
mit  folgenden  Schlagwörtern:  1.  Missale,  2. Breviere,  S.Psalter,  4. Lek- 
tionare, S.Rituale,  6.  Fragmente,  7,  Teile  liturgischer  Bücher, 
8. Theologische  Traktate,  9. Varia,  10.  Predigten,  II.  Geschichte 
mitKirchen-  und  Zivilrecht,  12.  Verse,  13.  Wörter-  und  Sprach- 
bücher. 

Das  Zusammenstellen  einer  glagolitischen  Bibliographie,  welche  den 
heutigen  Anforderungen  genügen  und  so  weit  als  möglich  vollständig  sein 
will,  ist  mit  besonderen  Schwierigkeiten  verbunden.  Wer  sich  je  in  dem 
Dickicht  glagolitischer  Inkognita  herumgetrieben  hat,  wird  es  leicht  begreif- 
lich finden,  weshalb  seit  Kukuljevids  Zeiten  niemand  an  eine  solche  Arbeit 
Hand  anlegte ;  die  meisten  dieser  Inkognita  sind  dem  Forscher  schwer  zugäng- 


Milcetic,  Glagolitische  Bibliographie,  angez.  v.  Vajs.  559 

lieh  teils  wegen  ihrer  originellen  Schriftzüge,  teils  auch  deshalb,  weil  das 
Material  obschon  nicht  gerade  spärlich,  in  verschiedenen  einheimischen  und 
ausländischen  Bibliotheken  zerstreut  und  verborgen  liegt.  Nun  unternahm 
Prof.  Milcetic  die  verdienstvolle  Arbeit  und  forderte  dadurch  manch  Neues  an 
das  Tageslicht.  Allerdings  ist  es  wahr,  das  ganz  neue  Nummern  seiner  Biblio- 
graphie meistens  Stücke  neueren  Datums  sind,  doch  haben  sie  in  einer  Biblio- 
graphie ihre  Wichtigkeit  und  berechtigten  Platz;  und  man  muß,  um  unpar- 
teiisch zu  urteilen,  feststellen,  daß  der  Autor  mit  gleichem  Fleiße  bemüht  war 
sowohl  neue  Entdeckungen  zu  tun,  als  auch  alles  zusammenzutragen,  was  nur 
irgendwann  und  -wo  über  die  längst  bekannten  Denkmäler  von  den  älteren 
und  neueren  Schriftstellern  publiziert  worden  ist.  Man  kann  allerdings  nicht 
behaupten ,  daß  Prof  Milcetic  das  vorhandene  Material  vollständig  erschöpft 
hätte;  denn  hätte  er  Gelegenheit  gehabt,  das  Buch  ; Status  personalis  et 
localis  dioecesisVeglensis,  Veglae  1907  zur  Hand  zu  nehmen,  würde 
er  ohne  Zweifel  manches  zur  Bereicherung  seines  Werkes  gefunden  haben. 
Ähnlich  hätte  ihm  auch  mein  Schriftchen  »Memoria  liturgiae  slavicac 
iu  dioecesi  Auxerensi«  (Veglae  1906)  geleistet.  Bei  etwaiger  Neuauf- 
lage der  Bibliographie  oder  auch  bei  gelegentlichen  Ergänzungen  wird  es  an- 
gezeigt sein,  daß  der  Autor  auch  diese  Quellen  berücksichtige.  Es  ließe  sich 
wohl  auch  etwas  in  auswärtigen  Bibliotheken  ausfindig  machen  (so  z.  B.  ein 
handschriftliches  Wörterbuch  im  Stadtarchiv  zu  Perugia);  es  sind  aber  nur 
Kleinigkeiten. 

Trotz  der  Anerkennung  großen  Fleißes  und  großer  Mühe  des  Autors 
können  wir  die  schwachen  Seiten  seiner  Bibliographie  nicht  mit  Stillschweigen 
übergehen.  Wie  bereits  oben  bemerkt  wurde,  boten  manche  Umstände  dem 
Autor  bei  der  Arbeit  große  Schwierigkeiten ;  doch  da  er  sie  schon  in  Angriff 
genommen,  hätte  er,  was  unumgänglich  nötig  war,  den  Leser  außer  mit  der 
Beschreibung  der  Codices  auch  mit  dem  Inhalte  eines  jeden  Denkmals  kurz 
bekannt  machen  sollen.  Das  ist  aber  nicht  überall  geschehen,  und  unglück- 
licherweise traf  dieser  Defekt  gerade  die  wichtigsten  Denkmäler.  Ich  führe 
hierfür  nur  einige  Belege  an.  Dem  Inhalte  des  I.  Vrbniker  Breviers  widmet 
Autor  nicht  ganze  zwei  Zeilen  (S.  53),  ähnlich  ist  es  auch  beim  II.  Vrbniker 
Breviere,  dessen  Inhalt  nicht  einmal  eine  Zeile  ganz  in  Anspruch  nimmt  (S.  56). 
Was  hilft  es,  wenn  der  Autor  auf  S.  53  den  Inhalt  des  I.Breviers  mit  den  Wor- 
ten ausdrückt:  >Es  enthält  das  Matutinale,  aber  nur  das  Proprium  de  tem- 
pore«, oder  wenn  auf  der  S.  56  vom  Inhalte  des  IL  Breviers  gesagt  wird:  Es 
enthält  das  unvollständige  Matutinale  (Proprium  de  tempore)?  Zu  jener  Zeit 
(im  XIV.  Jahrh.)  findet  man  kaum  zwei  gleiche  Matutinale.  Der  Autor  hätte 
wenigstens  zu  den  kurzen  Berichten  greifen  können,  die  ich  über  diese  Bre- 
viere im  Casopis  Cesk^ho  Musea  (1908,  S.  67 — 69)  veröffentlicht  habe.  Bei 
dem  Breviere  Veits  von  Castelmuchio  (S.  73 — 76)  aus  der  Wiener  Hof  biblio- 
thek  erfährt  der  Leser  vom  Inhalte  überhaupt  nichts.  Und  doch  bilden  diese 
Codices  besonders  durch  ihren  Inhalt  die  Krone  der  altkroatischen  Literatur; 
ihnen  wendet  sich  gegenwärtig  die  Aufmerksamkeit  jener  elavischen  Gelehrten, 
die  sich  mit  den  Bibelübersetzungen  befassen,  zu.  Ähnlich  ergeht  es  auch 
dem  wertvollsten  glagolitischen  Kodex  der  Vatikanischen  Bibliothek  (Illyr.4); 


560  Kritischer  Anzeiger. 

einen  solcli  seltenen  Kodex  mit  einer  einzigen  Seite  (32—33)  und  zwar  durch 
nebensächliche  Dinge  (wozu  z.  B.  die  Sequenzen  im  besonderen  anführen?) 
abzufertigen,  und  einem  relativ  minder  wichtigen  Denkmale,  wie  es  das  Mis- 
sale von  Novi  aus  dem  XV.  Jahrb.  ist,  mehr  als  sechs  Seiten  (9—15)  zu  wid- 
men, scheint  mir  doch  kein  richtiges  Verhältnis  zu  zein.  Ich  hätte  gewünscht, 
die  Beschreibung  wäre  in  solchem  Umfange  gegeben,  daß  ein  jeder,  der  mit 
diesen  Denkmälern  nicht  näher  bekannt  ist,  sich  mittelst  eines  wenn  auch 
noch  so  kurzen  Umrisses,  ein  Urteil  über  den  Wert  bilden  könnte  und  zwar 
überall  dort,  wo  es  der  Verfasser  nicht  ausspricht.  Dadurch  würde  wohl  die 
Arbeit  angewachsen  sein,  und  das  Buch  sich  umfangreicher  gestaltet  haben, 
aber  man  hätte  Zeit  zu  solch  dringenden  Fragen  dadurch  gewinnen  können, 
daß  man  vielerorts  kleinere  Bemerkungen,  besonders  die  von  imtergeordneter 
Bedeutung,  einfach  fallen  gelassen  hätte  (so  z.  B.  auf  der  S.  14—15). 

Auch  was  den  Sachinhalt  betrifft,  hat  Prof.  Micetic  nicht  in  allem  ganz 
recht.  So  lehne  ich  z.  B.  ab,  was  er  über  die  Zahl  der  selbständigen  glago- 
litischen Rituale  (cfr.  S.  104)  sagt,  da  er  für  seine  Meinung  Beweise  weder  hat 
noch  bringt.  Aus  einzelnen  Fragmenten  rituellen  Inhaltes  kann  man  nicht 
ohne  weitei-es  darauf  schließen,  wessen  Teile  dieselben  seien ;  wir  wissen,  daß 
rituelle  Texte  nicht  nur  in  Missalen  und  Brevieren,  sondern  auch  in  Sakrifi- 
kalen  (Auszüge  aus  dem  Missale  kleinen  Formats)  sich  befanden.  Das  dürfte 
wohl  Prof.  Milcetic,  Laien  aber  nicht  bekannt  sein,  und  ich  führe  es  nicht  an, 
um  seine  verdienstvolle  Arbeit  in  Schatten  zu  stellen;  im  Gegenteile, im  Inter- 
esse seines  Werkes  bemerke  ich  noch  folgendes. 

Die  so  mühselig  zusammengestellte  Bibliographie  des  Prof.  Milcetic 
hätte  eine  gefälligere  Ausstattung  erhalten  sollen.  Zwar  trifft  die  Schuld, 
daß  dies  versäumt  wurde,  nicht  den  Autor;  daß  es  aber  nicht  geschah,  ist  ge- 
wiß zu  Ungunsten  seines  Werkes,  denn  ohne  Widerspruch  wäre  eine  bessere 
Übersichtlichkeit,  die  man  durch  größere  Mannigfaltigkeit  der  Typen  leicht 
hätte  erreichen  können,  erwünscht.  Die  zahlreichen  Postskripta  und  An- 
merkungen hätten,  wenn  sie  schon  ins  Buch  aufgenommen  wurden,  jedenfalls 
mit  kleinerer  Schrift  gedruckt  werden  sollen.  Ebenso  hätte  man,  der  Über- 
sichtlichkeit wegen,  bei  den  den  einzelnen  allgemeinen  Vorbemerkungen  bei- 
gefügten Details,  kleinere  Schrift  gebrauchen  sollen  (cfr.  S.  429,  435,  456  u.a). 

Für  diese  Defekte  will  ich  jedoch  keineswegs  den  Autor  allein  verant- 
wortlich machen.  Ungeachtet  der  angeführten  Mängel  und  Unvollständig- 
keiten,  denen  künftighin  leicht  gesteuert  und  abgeholfen  werden  kann,  be- 
deutet das  Werk  des  Prof.  Milcetic,  besonders  im  Vergleich  zu  der  kurzen 
Bibliographie  Kukuljevics,  einen  großen  Fortschritt,  und  dasselbe  wird  eine 
ausgiebige  Hilfsquelle  sein  für  alle,  die  sich  in  der  Zukunft  mit  der  kroatischen 
Bibliographie  befassen  werden.  Jos.  Vajs. 


Fr.  Ilesic,   Izgovor  slovenskega  kujiznega  jezika  (S.A. 

aus  dem  Letopis  der  slovenischen  Matica  pro  19J3). 

Dr.  Franz  Ilesic,  der  Präsident  der  slovenischen  Matica  und  überzeugte 
Verfechter  der  Annäherung  der  Slovenen  an  die  Serbokroaten,  hat  in  diesem 


Ilesic,  Die  Aussprache  des  Slovenischen,  angez.  v.  Resetar.         561 

Aufsatze  die  jetzt  bei  den  Slovenen  akut  gewordene  Frage  von  der  Aus- 
sprache der  Schriftsprache  besprochen,  die  sich  allerdings  hauptsächlich  um 
die  Aussprache  des  silbenschließenden  /  dreht.  Bekanntlich  sprechen  nur 
die  wenigsten  Slovenen  in  diesem  Fall  wirklich  ein  l  aus,  die  meisten  haben 
es  zu  to  oder  u  werden  lassen.  Ilesic  spricht  sich  für  die  Aussprache  des  -l 
als  /  aus  und  sieht  in  der  Aussprache  lo,  y  eine  nicht  zu  billigende  Konzession 
an  die  vulgäre  (dialektische)  Aussprache,  die  einer  weiteren  »Verdialekti- 
8ierung<  der  Schriftsprache  Vorschub  leisten  würde.  Allerdings  darf  das 
Hauptargument  der  Verteidiger  der  tt'-,  »«-Aussprache,  daß  die  große  Majorität 
des  slovenischen  Volkes  ein  -l  nicht  kennt,  nicht  als  ausschließlich  maßgebend 
gelten,  dehn  es  können  und  müssen  bei  der  Feststellung  einer  Literatur- 
sprache auch  andere  Momente  mitbestimmend  sein;  als  schlagendes  Beispiel 
verweise  ich  auf  die  Schreibung  und  Aussprache  des  h  in  der  serbokroat. 
Literatursprache:  obschon  fast  in  allen  stokavischen  Dialekten,  die  der  Lite- 
ratursprache als  Grundlage  dienen,  das  h  ganz  verloren  gegangen  ist,  wird 
das  h  in  der  Schriftsprache  konsequent  geschrieben  und  dessen  Aussprache 
auch  verlangt;  hier  hat  man  also  nicht  einfach  die  so  geringe  Kopfzahl  der- 
jenigen s7o-Sprecher  gezählt,  die  das  h  tatsächlich  aussprechen, — wie  man  dies 
in  bezug  auf  die  /-sprechenden  Slovenen  so  gerne  tut.  Nichtsdestoweniger 
scheint  es,  daß  trotz  dem  Einsprüche  Ilesics  die  Aussprache  des  silbenschlie- 
ßenden /  als  10 — u^  die  auch  vom  verstorbenen  Strekelj  und  von  Skrabec  ver- 
langt wird,  auch  bei  den  Gebildeten  so  gut  wie  allgemein  geworden  ist:  ich 
habe  wenigstens  noch  keinen  Slovenen  das  -l  konsequent  als  solches  sprechen 
gehört.  Es  will  mir  aber  scheinen,  daß  es  dann  sehr  vernünftig  wäre,  wenn 
man  den  Mut  hätte,  das  -l  auch  aus  der  Schrift  auszumerzen  und  es  etwa  mit 
-u  zu  ersetzen:  wenn  die  Serbokroaten,  auf  deren  -o  für  -/  die  Verfechter  der 
w-,  M-Aussprache  sich  so  gerne  berufen,  anstatt  des  -l  eben  -o  auch  schreiben, 
warum  sollten  dann  die  Slovenen  nicht  dasselbe  tun?  Es  hat  somit  Ilesic  ent- 
schieden Recht,  daß  die  Aussprache  von  der  einmal  feststehenden  Schreib- 
weise zugunsten  der  vulgären  Aussprache  sich  nicht  entfernen  darf,  und  er  er- 
wähnt auf  S.  55  mehrere  Fälle,  in  bezug  aufweiche  alle  gebildeten  Slovenen — 
auch  die  Verteidiger  der  ?«- Aussprache!  —  darüber  einig  sind,  daß  die  Schrift- 
sprache an  die  geschriebenen  Laute  und  Formen  sich  halten  muß,  obschon  die 
Majorität  der  Mundarten  sie  schon  aufgegeben  haben. 

Letzteres  Moment  fällt  auch  deswegen  stark  ins  Gewicht,  weil  auf  diese 
Weise  das  Slovenische  —  was  so  ziemlich  allgemein  gewünscht  wird  —  dem 
Serbokroatischen  näher  gebracht  wird.  In  dieser  letzteren  Beziehung  sind 
interessant  zwei  Artikel,  die  Ilesic  im  Slovenski  Narod  vom  10.  V.  und 
im  D  o  m  vom  20.  X.  1.  J.  veröffentlicht  hat,  und  in  welchen  er  an  konkreten 
Beispielen  zeigt,  wie  die  slovenische  Literatursprache  im  Wortschatze  immer 
mehr  sich  der  serbokroatischen  nähert,  —  eine  erfreuliche  Erscheinung,  die 
darin  ihren  Grund  hat,  daß  bei  den  gebildeten  Slovenen  das  Interesse  für  die 
serbokroatische  Literatur  immer  reger  wird.  Es  ist  aber  auffallend,  daß  Ilesic 
die  Frage  gar  nicht  berührt,  daß  das  Slovenische,  ohne  von  seinem  eigenem 
Wesen  etwas  einzubüßen,  sich  dem  Serbokroatischen  um  ein  großes  Stück 
nähern  würde,  wenn  die  jetzt  für  das  Slovenische  geltende  »etymologische« 

Archiv  für  slavische  Philologie.    XXiV.  36 


562  Kritischer  Anzeiger. 

Orthographie  durch  die  jetzt  auch  von  den  katholischen  Serbokroaten  so  ziem- 
lich allgemein  angenommene  >phonetischet  Schreibweise  ersetzt  werden 
sollte.    Wäre  das  nicht  möglich?    Nützlich  wäre  es  entschieden. 

31.  Resetar. 


Dr.  Jan  Kapras,  Pravni  dejiny  zemi  Koruny  ceske. 
Dil  prvni:  Pravni  prameny  a  vyvoj  pravnictvi.    V  Praze  1913. 

SS.  150.*) 

Dr.  Joh.  Kapras  an  der  böhm.  Universität  in  Prag  bietet  uns  hier  ein 
Werk,  das  nicht  nur  für  den  engeren  Kreis  der  böhmischen  Rechtsbeflissenen 
und  Rechtsgelehrten,  sondern  ohne  Zweifel  für  die  Gesamtheit  der  slavischen 
Rechtswissenschaft  von  großem  Interesse  ist  und  eine  ganz  besondere  Be- 
achtung verdient  wegen  seiner  Darstellung  der  Entwicklung  der  Rechtsver- 
hältnisse in  den  beiden  einstigen  Kronländern  Lausitz  und  Schlesien.  Der 
vorliegende  erste  Teil  beschäftigt  sich  mit  den  Rechtsquellen  und  mit  der 
Entwicklung  des  Rechtes  in  den  Ländern  der  böhmischen  Krone,  wobei  der 
Verfasser  die  böhmische  Rechtsgeschichte  in  eine  ältere  Periode  (bis  zum 
Ende  des  XIL  Jahrb.),  in  eine  mittlere  (bis  zu  den  Hussitenkriegen)  und  eine 
neue  (bis  zum  Jahre  1848)  einteilt.  Jedem  dieser  drei  Kapitel  schickt  Prof. 
Kapras  eine  bibliographische  Übersicht  der  wichtigsten  Werke  der  ein- 
schlägigen Literatur  voraus.  Für  die  Lausitzen  sind  am  wichtigsten  die- 
jenigen Kapitel  der  mittleren  Periode,  die  den  Charakter  der  Rechtsentwick- 
lung in  dieser  Periode  darstellen  und  zwar  sowohl  im  Allgemeinen  wie  im 
Besonderen,  wobei  dem  Gegenstande  entsprechend  in  fortschreitender  Reihen- 
folge vorgeführt  und  behandelt  werden:  die  Landtagsbeschlüsse,  Landtafeln, 
die  Privilegien  der  Stände  und  des  Landes,  die  Landfrieden,  Königl.  Verord- 
nungen, Denkschriften  der  Beamten  und  Rechtsbücher,  Landordnuugen  und 
Landbücher,  das  H  jf-  und  Lehnsrecht,  das  Kirchen-,  Bürger-,  Berg-  und  Wein- 
bergs-, Dorf-  und  Obrigkeits-  sowie  das  Wahlrecht,  endlich  Urkunden  und 
Formulare.  Aber  auch  noch  in  der  dritten  Periode  finden  sich  manche  Be- 
ziehungen des  böhmischen  Rechts  zur  Lausitz,  da  ja  dieses  Land  mit  den  Län- 
dern der  böhmischen  Krone  bis  zum  Prager  Frieden  (1635)  vereinigt  war  und 
auch  nachher  das  staatsrechtliche  Verhältnis  nicht  völlig  unterbrochen  ward. 
Die  klare,  übersichtlich  geordnete  und  gründliche  Arbeit  des  Prof.  J.  Kapras 
kann  allen  Interessenten  wärmstens  empfohlen  werden  und  wir  sehen  mit 
Freuden  entgegen  dem  Erscheinen  des  in  Aussicht  gestellten  2.  und  3.  Teils, 
der  die  Entwicklung  der  Staatseinrichtungen  der  Länder  der  böhmischen 
Krone  zur  Darstellung  bringen  soll.  Dr.  E.  Muche. 


*)  Uns  wurde  nach  der  Vollendung  des  Werkes  eine  ausführliche  Be- 
sprechung in  Aussicht  gestellt.  Red.  d.  Arch.  f.  sl.  Phil. 


Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezension  Thomsons.  563 

Einige  Bemerkimgeu  zu  Scerbas  »Russische  Vokale«,   veranlaßt 
durch  die  Rezension  von  A.  Thomson. 

(Vgl.  Archiv  XXXIV,  S.  560—578.) 

1.  Es  war  mir  schon  beim  Schreiben  meines  Buches  klar,  daß  es  eine 
scharfe  Kritik  von  selten  Prof.  Thomsons  hervorrufen  würde,  obwohl  ich 
möglichst  jedem  Polemisieren  fern  blieb.  Denn  erstens  gehen  unsere  An- 
sichten zu  weit  auseinander  und  zweitens  weichen  die  Resultate  meiner 
Vokalanalyse  von  denen  T.s  manchmal  zu  viel  ab.  Wer  von  uns  beiden  recht 
hat,  mag  die  Zukunft  entscheiden,  und  ich  sollte  eigentlich  jetzt  nicht  zur 
Feder  greifen,  und  das  um  so  mehr,  weil  ich  fast  nichts  in  der  oben  genannten 
Rezension  gelesen  habe,  was  ich  nicht  schon  früher  geprüft  und  erwogen 
hätte. 

Nun  ist  aber  manchem  Leser  vom  Archiv  mein  Buch  wegen  der  Sprache 
direkt  nicht  zugänglich ,  und ,  da  die  T.sche  Rezension  meiner  Meinung  nach 
allzu  subjektiv  ist  und  zudem  manches,  was  ich  doch  hervorheben  möchte, 
schweigend  übergeht,  so  kann  sich  leicht  ein  solcher  Leser  ein  falsches  Urteil 
darüber  bilden,  und  das  ist  eben  der  Grund,  der  mich  bewogen,  die  nach- 
stehenden Bemerkungen  fürs  Archiv  zu  schreiben.  Sie  sind  vielleicht  auch 
aus  dem  Grunde  berechtigt,  weil  das  Buch  nicht  ohne  weiteres  verständlich 
ist:  es  wird  nämlich  dem  Leser  prinzipiell  eine  absolute  Kenntnis  des  Gegen- 
standes und  der  dazu  gehörigen  Literatur  zugemutet,  was  möglicherweise  bei 
solchen  Dingen,  wie  Phonetik,  nicht  ganz  richtig  ist. 

2.  Zuerst  eine  ganz  allgemeine  Bemerkung.  Man  bat  mir  mehrmals  den 
Titel  »Russische  Vokale«  vorgeworfen  —  es  seien  doch  vielmehr  Scerbas 
Vokale,  die  ich  untersucht  habe.  Das  ist  ja  allerdings  richtig  (siehe  auch  bei 
mir,  S.  20),  aber  ich  erlaube  mir,  trotz  den  betreffenden  Bemerkungen  T.s  (s. 
Archiv  XXXIV,  SS.  560,  567),  meine  »subjektive  Überzeugung«,  daß  sich  das 
von  mir  beschriebene  Vokalsystem  doch  nicht  allzuviel  von  dem  von  gebil- 
deten Petersburgern  gebrauchten  unterscheidet,  aufrecht  zu  erhalten.  Aus 
biographischen  Daten  's.  bei  mir  SS.  20,  21]  ist  zu  ersehen,  daß  ich  mich  als 
einen  eingeborenen  Petersburger  betrachten  muß,  folglich  ist  auch  zu  ver- 
muten, daß  meine  Aussprache  als  Beispiel  einer  gebildeten  Petersburger  Aus- 
sprache —  inwiefern  sich  überhaupt  von  einer  Aussprache  einer  so  unbe- 
stimmten sprachlichen  Gruppe  handeln  läßt  —  gelten  darf.  Aber  meine  sub- 
jektive Überzeugung  stützt  sich  nicht  nur  darauf,  sondern  auch  auf  meinem 
phonetischen  Erfahren.  Experimentell  habe  ich  bloß  meine  eigenen  Vokale 
untersucht,  aber  gehört  und  vergliclien  habe  ich  Aussprachen  verschiedener 
Personen. 

3.  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  auch  betonen,  daß  ich  mich  nicht 
nur  als  einen  »Experimentellphonetiker«  betrachte,  sondern  als  einen  Phone- 
tiker überhaupt.  Ich  beschäftige  mich  mit  der  subjektiven  Phonetik  seit  mehr 
als  zehn  Jahren;  habe  mich  immer  viel  dabei  geübt;  war  immer  bemüht,  mir 
die  verschiedensten  Aussprachen  verschiedener  Sprachen  perfekt  und  bewußt 
anzueignen  usw.     Auch  muß  ich  hervorheben,  daß  das  Arbeiten  mit  den 

36* 


564  Kritischer  Anzeiger. 

Stimmgabeln '),  nach  der  von  mir  angewandten  Methode,  das  Muskelgefühl  in 
höchstem  Grade  schärft  und  das  Ohr  empfindlicher  für  die  feinsten  Vokal- 
nuancen macht. 

Nun  muß  ich  allerdings  gestehen,  daß  ich  mich  leider  keines  so  feinen 
musikalischen  Ohres,  wie  Prof.  Thomson,  der  ein  absolutes  musikalisches  Ge- 
hör besitzt,  erfreue,  aber  man  muß  ja  nicht  vergessen,  daß  das  für  die  Phone- 
tik durchaus  nicht  notwendig  ist:  es  gibt  ja  ausgezeichnete  Phonetiker,  die 
ein  schlechtes  musikalisches  Ohr  haben,  und  es  können  Leute  mit  feinem 
musikalischen  Gehör  schlechte  Phonetiker  sein  (s.  darüber  Poirot,  Die  Pho- 
netik, S.  73  in  Tigerstedts  Handbuch  der  physiologischen  Methodik).  Man 
darf  auch  nicht  das  Unterscheiden  von  feinen  Vokalnuancen  mit  dem  Heraus- 
hören von  Eigentöuen  verwechseln:  es  kommt  doch  sehr  oft  vor,  daß  man 
von  den  Eigentönen  nichts  näheres  sagen  kann,  indem  man  den  qualitativen 
Unterschied  ganz  gut  hört  und  die  betreffenden  Vokalnuancen  nach- 
bilden kann. 

Für  das  richtige  Beurteilen  meines  Buches  muß  mau  also  nicht  aus  dem 
Auge  lassen ,  daß  die  dort  erzielten  Resultate  nicht  nur  den  Experimenten, 
sondern  auch  einer  subjektiven  Beobachtung,  die  sich  gegenseitig  stützten, 
entstammen. 

4.  Der  erste  Teil  meines  Buches ,  dessen  Ausführungen  T.  nicht  bei- 
stimmen kann,  enthält  eine  Phonemtheorie,  wo  ich  einer  Idee  von  Baudouin 
de  Courtenay  eine  psychologische  Deutung  zu  geben  versuchte.  Es  handelt 
sich  dabei  um  den  Begriff  »Sprachlaut«.    Was  ist  als  solcher  zu  betrachten? 

Es  ist  ja  allgemein  bekannt,  daß  jede  gesprochene  Sprache,  als  ein 
akustisches  Phänomen  näher  untersucht,  eine  unendliche  (in  vollem  Sinne  des 
Wortes)  Fülle  von  Lauten,  oder  Lautnuancen,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  auf- 
weist. Das  wird  übrigens  durch  T.s  Vokaluntersuchungen  vielleicht  am 
besten  illustriert.  Wenn  man  die  Sprache  bloß  als  solch  ein  Phänomen  be- 
trachten will,  so  soll  man  bei  dieser  Mannigfaltigkeit  bleiben,  darf  aber  dann 
von  keinem  a,  e  usw.  reden,  denn  es  sind  schon  Begriffe,  die  unserer  Sprache, 
als  einem  Mittel  der  Verständigung,  entstammen,  und  es  ist  noch  eine  große 
Frage,  ob  ein  Akustiker,  der  von  menschlicher  Sprache  keine  Ahnung  hätte, 
alle  diese  Lautnuancen  auf  dieselbe  Weise,  wie  wir  es  jetzt  machen,  klassi- 
fizieren würde. 

Nun  ist  es  eine  Tatsache  der  unmittelbaren  Erfahrung,  daß  nicht  alle 
diese  physisch  konstatierbaren  Laute  =  Lautnuancen  als  gesonderte ,  mit 
einer  Bedeutung  assozierbare,  >Sprachlaute«  =  Phonemen  erscheinen,  da  wir 
doch  meistens  beim  Sprechen  diese  feineren  Lautunterschiede  gar  nicht  be- 
merken; und  hätten  wir  alle  diese  Laute  (Lautnuancen,  Lautmodifikationen) 
als  selbständige  Sprachlaute  behandelt ,  so  könnten  wir  uns  kaum  verstän- 
digen, weil  die  Zahl  dieser  Nuancen  wirklich  unendlich  und  die  physiolo- 
giBchen  Bedingungen  ihres  Vorkommens  außerordentlich  verwickelt  sind. 

Aus  alledem  folgt,  daß  man  zwischen  Sprachlauten  =  Phonemen  und 


1)  Was  mir  nur  durch  die  Güte  und  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  P. 
Rousselot  in  Paris  möglich  war. 


Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezension  Thomsons.  565 

physisch  konstatierbaren  Lautnuancen  zu  unterscheiden  hat.  Auch  T.  ist 
dieser  Unterschied  ganz  geläufig,  was  aus  verschiedenen  Stellen  seiner  Rezen- 
sion zu  ersehen  ist,  wie  z.  B.:  »Daher  kommt  jedem  Vokal«  (=  Phonem)  >ein 
bestimmtes  absolutes  Höhengebiet  zu,  und  keine  von  den  Nuancen«  (=  Laut- 
nuance) >kann  als  besonders  typisch  betrachtet  werden*  (op.  cit.,  S.  563). 
»Man  kann  also  nicht  von  zwei  differenzierten  Nuancen  des  a  reden«  (ib. 
S.  570),  wo  »differenzierte  Nuancen«  doch  als  Phonemen  zu  verstehen  sind. 
>Nach  meinen  Beobachtungen  ist  «  ein  selbständiger  Laut«  {—  Phonem), 
»der  sich  .  .  .«  (ib.  S.574). 

5.  Nun  taucht  eine  wichtige  Frage  auf,  wie  verhält  sich  diese  ganze 
Masse  von  physisch  konstatierbaren  Lautnuancen  zu  den  eigentlichen  Sprach- 
lanten  =  Phonemen.  Es  soll  aber  hier  gleich  bemerkt  werden,  daß  man  die 
Frage  keineswegs  willkürlich  entscheiden  kann,  vielmehr  muß  es  untersucht 
werden,  was  von  den  Sprechenden  als  Sprachlaut  empfunden  wird  und  wie 
dieses  Empfinden  zustande  kommt. 

Ea  versteht  sich ,  daß  das  Erkennen  seiner  eigenen  >Sprachlaute< 
keine  besonderen  Schwierigkeiten  für  den  Sprechenden  selbst  macht,  weil 
es  eine  unmittelbare  Tatsache  seines  Bewußtseins  ist;  aber  das  ist  außer- 
ordentlich schwierig,  streng  genommen  unmöglich  für  einen  anderen.  In  dem 
Sinne  habe  ich  auch  in  einem  Aufsatze  in  HsBicxia  otä-  pycc.  hs.  u  cjob. 
ILA.H.,  Bd.  XIV,  Heft  4,  S.  198,  die  subjektive  Methode  als  die  einzige  pho- 
netische Methode  bezeichnet  i). 

G.  Nun  ist  es  klar,  daß  alle  Sprachlaute,  die  als  solche  vom  Sprechenden 
empfunden  werden,  allgemeine  Sprachvorstellungen  sind,  welchen  die  tat- 
sächlich hervorgebrachte  Fülle  von  Lautnuancen  assimiliert  wird.  Nur  soll 
man  sich  doch  diese  allgemeinen  Vorstellungen  nicht  als  abstrakte  logische 
Begriffe  denken,  vielmehr  aber  als  ganz  konkrete  Vorstellungen,  die  im  Be- 
wußtsein bei  ziemlich  verschiedenen  Eindrücken  auftauchen.  Alle  hierher- 
gehörigen psychischen  Prozesse  habe  ich  im  ersten  Teile  meines  Buches  zu 
schildern  gesucht  und  denke  noch  bis  jetzt ,  das  richtige  getroffen  zu  haben, 
weil  die  einzige  Tatsache,  die  T.  zur  Entkräftung  meiner  Ausführungen  brin- 
gen kann,  sich  leicht  erklären  läßt. 

7.  Ich  habe  nämlich  unter  anderem  behauptet,  wir  seien  stets  beim  Spre- 
chen bestrebt,  das  Phonem  in  allen  Stellungen  gleich  »auszusprechen«.  Und 
wenn  wir  trotzdem  in  Abhängigkeit  von  den  gegebenen  phonetischen  Be- 
dingungen verschiedene  Nuancen  hervorbringen,  so  geschieht  dieses,  weil 
wir  nicht  genügend  absichtlich  den  Einfluß  anderer,  zu  gleicher  Zeit  im  Be- 
wußtsein befindlicher  phonetischer  Vorstellungen  zurückdrängen.  Daher 
sprechen  wir  aiTn  »Kinder«  mit  sehr  geschlossenem  e  zwischen  palatali- 
sierten  Konsonanten.    Aber  dieses  sehr  geschlossene  e  ist  kein  selbstän- 


1)  Der  Widerspruch  zwischen  dem  genannten  Aufsatze  und  dem  Buche, 
den  T.  gefunden  zu  haben  meint,  ist  nur  scheinbar,  weil  ich  in  dem 
Buche  den  Ausdruck  »Subjektive  Untersuchungsmethoden«  betreffs  T.s  Vo- 
kaluntersuchungen in  dem  Sinne  gebraucht  habe,  wie  ich  z.  B.  die  Schätzung 
der  Länge  eines  Gegenstandes  mit  dem  Auge  subjektiv  bezeichnen  könnte. 


566  Kritischer  Anzeiger. 

diges  Phonem ,  und  statt  dessen  erscheint  daher  unumgänglich  das  normale, 
etwas  offenere  e  (das  Phonem;,  sobald  wir  es  dehnen ,  z.  B.  im  verwunderten 
Ausruf  Hy,  «ixu ! 

Nun  meint  T.,  daß,  wenn  man  z.  B.  das  Wort  ä^tu  mit  gewöhnlichem 
e  ohne  Dehnung  ausspräche,  allen  solch  eine  Aussprache  auffallen  würde. 
Und  das  dürfte  eigentlich  nicht  eintreten,  wenn  die  Vorstellung  des  gewöhn- 
lichen e  vorschwebte.  Das  ist  ja  allerdings  richtig,  und  sollte  eine  solche 
Aussprache  wirklich  auffallen,  so  müßte  man  sagen,  daß  das  betreffende 
Phonem  sich  zu  differenzieren  anfängt,  womit  aber  noch  nicht  gesagt  ist,  daß 
schon  zwei  Phoneme  da  sind,  weil  man  sich  ganz  gut  die  Sache  so  denken 
kann,  daß  das  betreffende  Phonem  wenigstens  in  einer  Beziehung  psycholo- 
gisch noch  einheitlich  ist,  das  heißt,  daß  wir  noch  immer  die  Absicht  haben, 
es  gleichartig  auszusprechen,  aber  dabei  schon  gewöhnt  sind,  daß  es  unter 
gewissen  phonetischen  Bedingungen  anders  klingt. 

Allerdings,  mag  dies  letztere  richtig  sein  oder  nicht,  ich  habe  ja  schon  in 
meinem  Buche,  S.  IS  in  der  Anmerkung,  gesagt,  daß  es  russische  Dialekte 
gibt,  wo  die  Scheidung  des  Phonems  e  schon  eingetreten  ist:  es  ist  daher 
möglich,  daß  T.  zu  einem  solchen  Dialekte  gehört.  Was  mich  aber  und  meine 
Umgebung  anbetrifft,  so  habe  ich  gefunden,  daß  eine  solche  Aussprache  vom 
Wort  jiTu  (mit  normalem  e)  ohne  Dehnung  gar  nicht  auffällt^,,  folglich  von 
einer  Scheidung  des  Phonems  e  bei  mir  gar  nicht  die  Rede  sein  kann;  nach 
meiner  Erfahrung  ebensowenig  in  der  Sprache  der  gebildeten  Russen  in 
Petersburg. 

8.  Wenn  T.  (S.  564)  meint,  daß  ich  im  Widerspruch  mit  meinen  eigenen 
Ausführungen  über  das  Phonem,  das  doch  am  besten  beim  Dehnen  zum  Vor- 
schein kommt,  gefunden  habe,  daß  wir  beim  Singen  und  Dehnen  das  reine  a 
durch  ein  tieferes  ersetzen,  so  ist  es  ein  Mißverständnis,  an  dem  ich  schuld 
bin,  weil  ich  mich  nicht  klar  genug  ausgedrückt  habe:  ich  habe  hier  bloß 
solche  Dehnungen  im  Auge  gehabt,  bei  welchen  der  sprachliche  Wert  des 
Lautes  etwas  zurücktritt,  wie  es  beim  Singen  der  Fall  ist.  Ich  denke  über- 
haupt, daß  der  Laut,  den  wir  hervorbringen,  immer  das  Resultat  eines  Kom- 
promisses zwischen  unserem  Bewußtsein  mit  seinen  Verständigungszwecken 
und  physiologischen  Bedingungen  des  gegebenen  Momentes  ist:  treten  die 
ersteren  etwas  zurück,  oder  ist  die  Verständigung  durch  andere  Mittel  ge- 
sichert, so  gewinnen  die  zweiten  an  Kraft,  und  gerade  auf  immer  wechselnder 
Beziehung  beider  Faktoren  beruht  die  unendliche  Fülle  der  hervorgebrachten 
Lautnuancen. 

9.  Auf  diese  Weise  erklären  sich  auch  wahrscheinlich  die  Unterschiede 
in  meinen  t-Kurven,  von  denen  T.  S.  570  spricht:  bei  der  Aufnahme  habe  ich 


1)  Nur  muß  man  bei  solchen  Versuchen  sehr  vorsichtig  sein,  weil  man 
geneigt  ist,  dann  schon  ein  zu  offenes  e  hineinzusetzen,  wie  mir  zuerst  einige 
Male  passiert  ist,  und  was  auch  ganz  gut  verständlich  ist:  man  denkt  zuerst, 
es  soll  etwas  Ungewohntes  ausgesprochen  werden,  während  es  vollständig 
genügt  etwas  präziser  zu  artikulieren.  Ich  halte  es  für  nicht  ausgeschlossen, 
daß  T.  denselben  Fehler  begangen  hat. 


Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezension  Thomsons.  567 

vielleicht  nicht  genau  näher  aufgepaßt,  was  icli  vorsprach,  und  darum  manch- 
mal offenere  i,  die  doch  weniger  Anstrengung  erfordern,  hervorgebracht; 
hätte  ich  aber  meine  Aufmerksamkeit  immer  darauf  gerichtet,  ein  »gutes«  i 
auszusprechen,  so  würden  die  Kurven  gleichmäßigere  Resultate  ergeben 
haben.  Somit  bringen  die  »verschiedenen  Nuancen  des  isolierten  /<  nichts 
neues  und  widersprechen  nicht  der  ganzen  Theorie.  Nur  hätte  ich  auf  alle 
diese  Dinge  schon  im  Buche  näher  eingehen  sollen. 

10.  Was  die  Methodenfrage  anbetrifft,  so  muß  ich  doch  betonen,  daß  man 
mit  den  Stimmgabeln  gute  Resultate  erzielen  kann.  Hätte  T.  selbst  längere 
Zeit  mit  den  Gabeln  gearbeitet,  so  hätte  er  gesehen,  wie  man  sicher  dabei  ver- 
fahren kann,  besonders  wenn  man  meiner  Methode  folgt  i).  Sie  besteht  nämlich 
darin,  daß  man,  von  einer  gegebenen  Artikulation  ausgehend,  die  Mundhöhle 
an  die  Gabel  anpaßt  und  dabei  die  Richtung  der  Organbewegung  bemerkt,  um 
dann  schon  eine  passendere  Gabel  nehmen  zu  können,  so  daß  man  schon  nach 
ein  paar  Versuchen  ganz  genau  die  Grenzen ,  zwischen  welchen  die  nötige 
Gabel  sich  befinden  muß,  weiß.  So  verfährt  man,  bis  schließlich  jede  Bewe- 
gung von  der  gegebenen  Mundeinstellung  nur  Verschlechterung  der  Resonanz 
hervorruft.  Auf  diese  Weise  wird  erstens  das  längere  Beibehalten  der  be- 
treffenden Mundeinstellung  vermieden,  das  wirklich  einige  Schwierigkeit  in- 
folge allmählicher  Schwächung  des  Muskelgefühls,  auch  einem  geübteren 
Phonetiker  bereitet,  und  wird  zweitens  die  unsichere  Vergleichung  zweier 
einzelnen  Töne  nach  ihrer  Stärke  durch  eine  kontinuierliche  Veränderung  der 
Stärke  eines  einzigen  Tones  ersetzt,  wobei  die  Schätzung  bekanntermaßen 
viel  genauer  sein  kann. 

1 1 .  Natürlich  ist  für  die  Anwendung  meiner  Methode  eine  gute  phonetische 
Schulung  erforderlich.  Aber  ohne  eine  solche  lohnt  es  sich  überhaupt  kaum, 
sich  mit  der  Phonetik  zu  beschäftigen,  denn  dann  würden  alle  T.schen  Be- 
merkungen über  die  mögliche  Entstellung  der  isoliert  ausgesprochenen  Vokale 
zutreffen.  Nun  ist  es  doch  eine  der  ersten  Forderungen,  die  man  an  einen 
Phonetiker  zu  stellen  hat  (vgl.  Sweet,  The  sounds  of  English.  An  introduction 
to  phonetics.  1908,  p.  15),  daß  er  alle  möglichen  Lautnuancen,  die  im  Worte 
oder  im  Satze  vorkommen,  zu  isolieren  verstehe  und  die  betreffenden  Artikula- 
tionen längere  Zeit  beizubehalten  vermöge.  Könnte  ich  nicht  konstatieren,  ob 
ich  mein  a  isoliert  anders  ausspreche  als  am  Ende  des  Wortes  und  vor  nicht- 
palatalisierten  Konsonanz,  so  dürfte  ich  keine  Bücher  über  die  Phonetik 
schreiben.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  ich  allerlei  Lautnuancen  und  ihre 
gegenseitigen  Beziehungen  zuerst  mit  dem  Gehör  im  Worte  konstatierte,  dann 
sie  zu  isolieren  lernte  und  dann  erst  mit  verschiedenen  experimentellen 
Mitteln  untersuchte. 

12.  Es  ist  mir  trotz  T.,  S.  566,  nicht  entgangen,  daß  das  Stimmgabelver- 
fahren einen  subjektiven  Moment  enthält.  Darum  habe  ich  meine  Resultate  in 


1)  Es  ist  ja  möglich,  daß  sie  auch  vor  mir  angewandt  worden  ist,  aber  eine 
genauere  Beschreibung  davon  habe  ich  nicht  gelesen,  so  daß  ich  sie  mir  selbst 
ausbilden  mußte,  wobei  mir  ihre  Vorzüge  klar  geworden  sind.  Allerdings  auf 
Priorität  will  ich  durchaus  keine  Ansprüche  erheben. 


568  Kritischer  Anzeiger. 

Tabellen  für  o  und  m,  wo  sie  durch  Kurvenanalysen  nicht  so  sicher  unterstützt 
waren  i),  unter  dem  Striche  angegeben,  das  heißt  sie  zu  minder  wichtigen  zuge- 
sellt. Nun  habe  ich  allerdings  meine  Bestimmungen  als  objektiv  bezeichnet,  weil 
ich  sie  auf  zweierlei  Wegen,  von  welchen  die  Kurvenanalyse  doch  sicher 
objektiv  ist,  bekommen  habe  und  weil  der  subjektive  Moment  bei  meinem 
Stimmgabelverfahren  durch  Anwendung  des  Prinzips  eines  kontinuierlichen 
Resonators  vermindert  ist. 

13.  Nun  was  meine  Kurven  anbetrifft,  so  bedauere  ich  sehr,  daß  ich  nir- 
gends im  Buche  selbst  angegeben  habe,  daß  sie  doch  ganz  schlecht  in  der  Re- 
produktion ausgefallen  sind.  Die  Originale  der  meisten  Kurven,  ausgenommen 
die  Kurven  für  «,  haben,  wenn  gerade  nicht  allzuelegantes,  so  doch  ganz  an- 
ständiges Aussehen:  die  Perioden  und  die  Formanten  können  meistens  er- 
kannt und  gemessen  werden;  nur  haben  sie  sehr  kleine  Amplituden,  was  für 
die  Reproduktion  und  auch  für  das  Ordinatenmessen  nicht  vorteilhaft  ist 2). 
Einer  mathematischen  Analyse  habe  ich  sie  außerdem  darum  nicht  unterworfen, 
weil  alle  Kurven  mittels  eines  primitiven  Phonautographen  gewonnen  sind, 
der  doch  das  Abhören  nicht  zuläßt,  und  ohne  das  lohnt  es  sich  doch  wirklich 
nicht,  sich  mit  dem  Rechnen  abzuquälen,  denn  man  kann  nie  sicher  sein  über 
den  akustischen  Wert  einer  gegebenen  Kurve:  erstens  kann  das  Gesagte  durch 
den  Aufnahmeapparat  entstellt  werden,  zweitens  kann  auch  in  der  Aussprache 
selbst  etwas  Unerwartetes  vorkommen,  was  man  bei  der  Aufnahme  gar  nicht 
bemerkt  hat,  gerade  weil  es  unerwartet  war 3)  und  weil  die  größte  Aufmerk- 
samkeit gewöhnlich  der  Technik  der  Aufnahme  gewidmet  ist. 

14.  Über  die  T.sche  Untersuchungsmethode  habe  ich  schon  im  Buche 
mein  Urteil  ausgesprochen,  indem  ich  die  Feinheit  seines  Gehörs  anerkannt 
und  seine  Resultate  als  im  höchsten  Grade  beachtenswerte  bezeichnet  im 
Gegensatz  zu  den  »Paristen«  in  der  experimentellen  Phonetik.  Aber  meine 
Zweifel  kann  ich  auch  jetzt  nicht  fallen  lassen:  denn  erstens  ist  es  ganz  sicher, 
daß  die  Artikulationen  im  Flüstern  entstellt  werden,  und  zwar  nicht  in  dem 
Sinne  wie  es  Rousselot,  Principes  de  phonetique  experimentale,  p.  686  ss. 
gefunden  hat,  vielmehr  aber  in  dem,  daß  die  Vokale  im  Flüstern  sehr  nach- 


1)  Es  sind  auch  für  o  und  u  Kurven  vorhanden,  auch  hat  ihre  Analyse 
übereinstimmende  Resultate  gegeben,  aber  da  bei  tieferen  Vokalen  die  An- 
wendung der  »Proportionalmessung«  auch  in  meiner  Umgestaltung  keine 
sicheren  Resultate  zu  geben  vermag,  so  wollte  ich  nicht  meine  Bestimmungen 
auf  gleiche  Linie  mit  denen  von  Pipping  und  anderen  setzen, 

2)  Z.  B.  in  der  Fig.  29  ist  der  Vokalunterschied  zwischen  ta  und  t'a  in  der 
Reproduktion  vollständig  verloren  gegangen,  während  er  auf  den  meisten 
Kurven  auf  das  deutlichste  zum  Vorschein  kommt  (die  Originalkurven  werden 
im  Kabinett  für  experimentelle  Phonetik  an  der  Petersburger  Universität  auf- 
bewahrt und  können  dort  besehen  werden). 

3)  Ich  möchte  hier  die  Gelegenheit  benutzen,  um  dies  letzte  Moment  zu 
betonen,  weil  es  oft  bei  den  Aufnahmen  vernachlässigt  wird.  In  Wirklichkeit, 
wenn  wir  nicht  genau  aufpassen,  sprechen  wir  doch  unsere  Wörter  verschieden 
aus,  je  nach  der  Laune,  Tempo  usw.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  eigent- 
lich verschiedene  Laute  dabei  ausgesprochen  werden. 


Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezension  Thomsons.  569 

lässig  ausgesprochen  werden,  was  wahrscheinlich  doch  damit  zusammen- 
hängt, daß  sie  ja  eine  minderwertige  Rolle  in  der  geflüsterten  Rede,  die 
hauptsächlich  als  Konsonantenrede  zu  bezeichnen  wäre,  spielen  i).  Es  wäre 
auf  jeden  Fall  vor  allem  genau  zu  untersuchen,  welche  Unterschiede  zwischen 
lauter  und  geflüsterter  Rede  zu  konstatieren  sind.  Zweitens  bleibt  es 
doch  nicht  ausgeschlossen,  daß  T.  manchmal  den  Übergangslaut  für  den 
Laut  selbst  gehalten  hat,  obwohl  er  die  Vokale  zwischen  verschiedenen  Kon- 
sonanten untersucht  hat,  und  das  kann  man  eben  darum  vermuten,  weil  der 
Vo'xal  bei  ihm  verschieden,  gerade  je  nach  der  Umgebung,  ausgefallen  ist. 
"Drittens  ist  der  üktavenfehler  nicht  ausgeschlossen,  Aveil  die  Messungen  und 
Berechnungen,  auf  die  sich  T.  beruft,  sehr  zweifelhaft  sind,  wie  ich  weiter 
unten  zeigen  werde. 

15.  Nun  kommt  das  Wichtigste,  was  ich  in  meinem  Buche  ausdrücklich  nicht 
gesagt  habe,  um  mich  in  die  Polemik  nicht  einzulassen,  was  aber  das  ganze 
Buch  doch  sagen  sollte.  Nach  meiner  Meinung  besteht  T.s  größter  Fehler 
darin,  daß  er  vom  Kompliziertesten  ausgeht:  er  fängt  mit  der  Untersuchung 
der  gebundenen  Rede  an,  wobei  die  einzelnen  Laute  doch  den  verschiedensten 
Einflüssen  ausgesetzt  sind:  des  gewohnten  Grades  der  Deutlichkeit  der  Aus- 
sprache des  Sprechenden,  des  von  den  Umständen  gegebenen  Grades  derDeut- 
lichkeit,  des  Tempos  der  Rede,  der  Laune  des  Sprechenden  (nach  Prof  Bulics 
trefflicher  Bemerkung  werden  Vokale  bei  verschiedenem  Gefühlstone  ver- 
schieden ausgesprochen),  der  Satzbetonung,  der  lautlichen  Umgebung,  viel- 
leicht auch  der  Höhe  der  Stimme  (ich  vermute  allerdings  dafür  andere  Ursachen 
als  T.)  usw.  Dadurch  wird  zuviel  Wirrwarr  hineingebracht,  woraus  man  kaum 
klug  werden  kann.  In  den  exakten  Wissenschaften  sucht  man  in  solchen 
Fällen  vielmehr  die  Erscheinungen  womöglich  isoliert  zu  betrachten,  um  dann 
allmählich  den  Einfluß  der  verschiedenen  Faktoren  zu  untersuchen. 

10.  Durch  sein  Verfahren  kommt  T.  zur  Behauptung,  daß  ein  a  (vor 
>palataler«  Konsonanz)  unter  Umständen  den  Eigenton  a?,  indem  ein  offenes  e 
unter  anderen  Umständen  den  Eigenton  ß-s^  haben  können  (das  heißt,  daß  e 
tiefer  sein  könne  als  a);  weiter  daß  ein  enges  e  — d*  und  i  — c*  als  Eigentöne 
haben  können.  Es  ist  ja  ganz  klar:  entweder  waren  es  in  Wirklichkeit  nicht 
immer  «,  e,  i  usw.,  die  T.  als  solche  untersucht  hat,  oder  er  hat  bald  den  ersten 
Eigenton,  bald  den  zweiten  herausgehört,  oder  ist  die  ganze  Eigentontheorie, 
an  die  doch  T.  zu  glauben  scheint,  Unsinn.  Ich  vermute  eher  das  Erste. 
Indem  T.  bei  der  Aufstellung  seiner  Listen  von  Wörtern  den  Eigenton  heraus- 
hörte, achtete  er  wahrscheinlich  gar  nicht  auf  die  Qualität  der  Vokale  in 
flüsternd  ihm  vorgesprochenen  Wörtern,  sich  einfach  nach  dem  betreffenden 
Buchstaben  richtend,  und  daher  bin  ich  sicher,  daß  er  sehr  oft  dabei  ganz 
andere  Laute,  als  die  von  ihm  erwarteten,  bekommen  hat. 

Wenn  man  das  alles  so  versteht,  dann  ist  das  Gesamtbild  vom  russischen 
Vokalismus  bei  T.  sehr  belehrend,  indem  dadurch  bestätigt  wird,  daß  uns 


1)  Die  von  Rousselot  vorgebrachten  Tatsachen  wären  vielleicht  so  zu 
deuten,  daß  man  unter  Umständen,  um  den  isoliert  geflüsterten  Vokal  ver- 
ständlich zu  machen,  seine  Qualität  übertreibt. 


570  Kritischer  Anzeiger. 

einige  allgemeine  Lautvorstellungen,  die  Baudouin  Phonemen  genannt  hat, 
vorschweben,  daß  sie  aber  nur  mehr  oder  minder  korrekt,  je  nach  der  Not- 
wendigkeit der  Verständigung  und  nach  den  Umständen,  ausgesprochen 
werden.  Den  Einfluß  dieser  verschiedenen  Umstände  zu  unter- 
suchen, darin  liegt  die  eigentliche  Aufgabe  der  Phonetik. 

17.  T.  irrt  sich,  wenn  er  meint,  daß  ich  mir  meine  Nuancen  starr  vorstelle. 
Ich  habe  doch  schon  im  ersten  Teile  meines  Buches  (S.  3)  an  einem  Beispiele 
zu  zeigen  versucht,  wie  groß  die  Abweichungen  von  der  idealen  Norm  in  der 
gesprochenen  Rede  sein  können.  Auch  im  zweiten  Teile  S.  77  und  S.3  habe 
ich  erklärt,  daß  meine  Angaben  über  die  vorkommenden  Nuancen  sich  auf 
ruhige,  deutliche  aber  zugleich  ungezwungene  Aussprache  beziehen  und  bloß 
Wegweiser  in  der  Flut  objektiver  Verschiedenheiten  bilden.  Hier  fand  wieder 
und  wieder  Anwendung  das  von  mir  befolgte  Untersuchungsprinzip:  nicht  all- 
zuviel Schwierigkeiten  auf  einmal;  zuerst  möglichst  das  Wirken  nur  eines 
einzigen  Faktors  zu  untersuchen. 

18.  Nun  gehe  ich  zum  wichtigen  Problem  von  gegenseitigen  Beziehungen 
zwischen  akustischen  und  physiologischen  Eigenschaften  der  Vokale  über. 
T.  sucht  seine  Bestimmungen  von  Vokaleigentönen  durch  Messungen  der 
Mundhöhle  und  darauf  sich  gründenden  Berechnungen  zu  unterstützen. 
Leider  habe  ich  in  seinen  Arbeiten  keine  genaue  Beschreibung  solcher  Meßver- 
suche gefunden.  Aber  nach  einemPassus  seines  übrigens  vortrefflichen  Buches 
Oömee  H3i>iKOBiaiHie2,  1910,  S.  180  zu  urteilen,  hat  T.  die  Aufgabe  zu  einfach 
verstanden  und  mißt  nur  die  Länge  des  vermuteten  Mundresonators  i),  indem 
er  zur  Berechnung  die  Formel  der  gedeckten  zylindrischen  Pfeifen  benutzt. 
Nun  ist  es  doch  klar,  daß  man  die  Mundhöhle  mit  einer  solchen  Pfeife  nicht 
identifizieren  darf^),  vielmehr  kann  sie,  wie  es  schon  von  Helmholtz  (Lehre 
von  den  Tonempfindungen  5  1896,  S.  172 — 174)  gemacht  worden  ist,  mit  einer 
Flasche  mit  oder  ohne  Hals  verglichen  werden.  Gewöhnlich  wird  die  Mund- 
höhle folglich  als  eine  sogenannte  kubische  Pfeife  angesehen  (s.  auch  Auer- 
bach, Akustik,  1909,  S.  687).  In  diesem  Falle  ändern  sich  die  Verhältnisse  und 
weichen  von  den  von  T.  postulierten  sehr  bedeutend  ab.  Zum  Beispiel  hängt 
die  Schwingungszahl  des  Resonanztons  in  zylindrischen  Pfeifen  von  der 
einfachen  Länge  der  Pfeife  ab,  in  kubischen  aber  von  der  Quadratwurzel  des 
Volumens,  folglich,  bei  gleicher  Fläche  der  Sektion  der  Pfeife,  von  der 
Quadratwurzel  ihrer  Länge.  Weiter  hängt  die  Schwingungszahl  des  Tones 
in  zylindrischen  Pfeifen  von  keinem  Faktor  mehr,  in  den  kubischen  aber 
nicht  nur  von  der  vierten  Wurzel  der  (jflfnungsfläche,  sondern  auch  im  Falle 
der  flaschenartigen  Resonanzräume  von  der  Quadratwurzel  der  Länge  des 
Halses  ab.  Endlich  muß  hervorgehoben  werden,  daß  der  menschliche  Organis- 

1)  Es  muß  hervorgehoben  werden,  daß  die  Bestimmung  der  hinteren 
Grenze  des  Mundresonators,  besonders  bei  offenen  Vokalen  (a,  offene  o  und  e), 
sehr  schwierig,  wenn  nicht  unmöglich,  ist. 

2)  Auf  jeden  Fall  kann  man  kaiim  behaupten,  daß  die  Mundhöhle  nur 
eine  Öffnung  besitzt,  denn  die  hintere  Öffnung  führt,  wenn  nicht  ins  Freie,  so 
doch  in  weitere  Resonanzräume:  folglich  könnte  man  hier  eher  von  einer  of- 
fenen Pfeife  sprechen. 


Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezension  Thomsons.  571 

raus  ein  ganzes  System  zusammenhängender  Resonatoren  besitzt.  Die  Formel 
für  die  Berechnung  der  Resonanztöne  in  diesem  Falle  ist  von  Lord  Rayleigt 
entwickelt,  sie  ist  aber  außerordentlich  kompliziert  und  kaum  jetzt  praktisch 
anwendbar.  Die  Frage  wird  noch  dadurch  erschwert,  daß  man  bis  jetzt  keine 
gute  Methode  zur  Auswertung  des  Mundhohlenvolumens  besitzt  i). 

So  sieht  man,  daß  die  T.schen  Messungen  und  Berechnungen  als  unbe- 
gründet angesehen  werden  müssen  und  daß  ich  doch  Recht  hatte,  die  ganze 
wichtige  Frage  von  Abhängigkeit  der  Eigentöne  von  physiologischen  Be- 
dingungen als  bis  jetzt  nicht  genügend  aufgeklärt  zu  bezeichnen.  Bremer, 
von  welchem  T.  ausgeht,  und  Pipping  haben  dabei  verschiedene  Vermutungen, 
die  manchmal  vielleicht  das  richtige  getroffen  hatten,  ausgesprochen,  aber  im 
großen  und  ganzen  können  diese  Vermutungen  bloß  als  solche  angesehen 
werden. 

Somit  fallen,  wie  die  Stütze  für  T.sche  »subjektive«  Bestimmungen  von 
Vokaleigentünen,  eo  auch  alle  seine  Angriffe  gegen  meine  Vermutungen  über 
die  Rolle  der  Lippen  bei  verschiedenen  russischen  Vokalen,  ab. 

19.  Ich  kann  wirklich  nicht  begreifen,  warum  T.  einer  ausgezeich- 
neten experimentellen  Arbeit  von  Samoiloff  (Pflügers  Archiv,  78)  über  russi- 
schen Vokalismus  jeden  Wert  absprechen  will.  Nach  der  Rezension  zu  ur- 
teilen, nur  weil  die  Samoiloffschen  Resultate  von  den  seinigen  abweichen. 
Sonst  ist  es  doch  ganz  unverständlich,  warum  die  von  Samoiloff  aufgezeich- 
neten Vokale  zufällige  Vokallaute  sein  sollen.  Wenn  manche  von  ihnen  durch 
Singen,  wie  ich  a\ich  vermute,  etwas  entstellt  worden  sind,  so  sind  sie  doch 
a,  e,  i  usw.  geblieben.  Nur  muß  man  zu  verstehen  suchen,  in  welcher  Richtung 
sich  die  Vokale  im  Russischen  beim  Singen  verändern.  Von  allen  anderen 
Forschern,  ausgenommen  Bogorodickij,  sagt  T.  in  der  Rezension  kein  Wort 
als  ob  ich  ihre  Resultate  ganz  unberücksichtigt  gelassen  hätte.  In  der  Tat  aber 
sehe  ich  mein  Hauptverdienst  gerade  darin,  daß  ich  die  Resultate  aller 
wenigstens  mir  bekannt  gewordenen  Forscher  (insgesamt  35  Arbeiten)  nach 
Methoden  geordnet,  sie  selbst,  wie  auch  das  Verfahren  in  Einzelheiten  näher 
geprüft  und  vor  allem  als  Phonetiker  die  Eigentümlichkeiten  der  von  ihnen 
untersuchten  Sprachen  berücksichtigt  habe.  Es  ergaben  sich  fünf  Tabellen,  in 
denen  alle  diese  Resultate  zusammengestellt  sind,  und  in  anschließenden, 
freilich  manchmal  allzu  knappen  Erörterungen  habe  ich  konstatieren  können, 
daß  dabei  meistens  viel  mehr  Übereinstimmung  (wenigstens  bei  objektiv 
arbeitenden  Forschern)  herrscht,  als  es  gewöhnlich  vermutet  wird.  Die 
meisten  Abweichungen  lassen  sich  leicht  durch  sprachliche  Eigentümlich- 
keiten, Mängel  der  Berechnungen  oder  der  Aufnahme  usw.  erklären.  Weiter 
hat  sich  herausgestellt,  daß  bei  den  meisten  Vokalen  mehrere  Eigentöne  zu 
vermuten  sind  und  daß  das  Widersprechen  verschiedener  subjektiv  arbeitenden 
Forscher  teils  darauf  beruht,  daß  die  einen  den  einen,  die  anderen  den  andern 
Eigenton  hörten. 


1)  Über  alle  diese  Dinge  siehe  Scripture,  the  Elements  of  experimental 
Phonetics,  1904,  chap.  XX,  und  Auerbach,  Akustik  2,  1909  (in  Winkelmanna 
Handbuch  der  Physik,  Abschn.  VI), 


572  Kritischer  Anzeiger. 

Somit  stehen  nicht  allein  die  T.schen  Resultate  und  die  meinigen  ein- 
ander gegenüber,  wie  es  T.  scheint,  sondern  noch  viele  andere,  mehr  oder 
weniger  sichere,  die  man  nur  richtig  interpretieren  soll,  wobei  meine  Resul- 
tate meistens,  auf  direkte  oder  indirekte  Weise  durch  die  besten  Arbeiten 
unterstützt  werden. 

20.  Da  die  T.schen  Bestimmungen  mir  früher  aus  seinen  Arbeiten  be- 
kannt waren,  so  mußte  ich  schon  im  Buche  zu  ihnen  Stellung  nehmen  (vgl. 
meine  Tabellen),  die  zu  verändern  ich  mich  auch  jetzt  nicht  veranlaßt  sehe. 
Ich  vermute  nämlich,  daß,  wenn  man  von  dem  Oktavenfehler  und  allzugroßem 
Schwankungsgebiete  einzelner  Vokale,  welches  sich  wahrscheinlich  durch 
Heranziehen  qualitativ  ganz  verschiedener  Laute  (s.  oben)  erklärt,  absieht,  so 
entsprechen  T.s  Bestimmungen  irgendwelchen  objektiven  Tatsachen. 

21.  Was  das  russische  h  anbetrifft,  so  mag  es  richtig  sein,  daß  es  indi- 
viduell, vielleicht  auch  dialektisch  ein  ungleichmäßiger  Laut  ist,  nicht  aber 
bei  mir  und  nicht  bei  Leuten,  mit  denen  ich  verkehre.  Ein  paarmal  habe  ich 
selbst  solch  eine  Aussprache  gehört,  wie  ich  schon  im  Buche  bemerkt  habe ; 
aber  jedenfalls  wird  es  von  keinem  russisch  redenden  als  ein  wirklicher  Diph- 
tong  empfunden  und  auf  gleiche  Stufe  mit  solchen  Diphtongen  wie  au,  oä,  ay 
(in  naysa)  usw.  gestellt.  Auch  quantitativ  ist  bi  bei  mir  samt  i  und  u  der  kür- 
zeste Vokal.  Ich  vermute,  daß  solch  eine  ungleichmäßige  Aussprache  des  li 
vielmehr  als  Vorläufer  eines  Überganges  in  *  zu  betrachten  ist,  welcher  sich  in 
vielen  slavischen  Sprachen  schon  verwirklicht  hat,  so  daß  man  sich  dieses 
>diphtongisches«  ti  als  eine  nicht  genügend  eingeübte  Artikulation,  welche 
die  Zunge  nicht  längere  Zeit  zu  behalten  vermag,  vorstellen  kann. 

22.  Von  den  Ergebnissen  meiner  quantitativen  Analyse  russischer  Vokale 
sagt  T.  S.  575,  daß  sie  sich  zuweilen  widersprechen,  aber  gar  nichts  davon, 
daß  ich  alle  diese  Widersprüche  erklärt  habe,  und  ich  muß  hier  betonen,  daß 
die  von  mir  bekommenen  Zahlen  selbst,  bei  näherer  Betrachtung,  auch  die 
nötigen  Erklärungen  gegeben  haben,  so  daß  ich  manchmal  erstaunt  war,  wie 
alles  gut  zusammenpaßte. 

23.  Meine  Erklärung  der  Dehnung  von  a,  o,  u  nach  palatalisierten  Kon- 
sonanten hat  vielleicht,  trotz  T.  S.  576,  das  richtige  getroffen,  weil  diese  Deh- 
nung nur  vor  Verschlußlauten  stattfindet ,  in  welcher  Stellung  die  Gesamt- 
dauer der  Vokale  doch  am  kürzesten  ist  (s.  bei  mir  Tabelle  11). 

Wäre  es  richtig,  wie  es  von  T.  vermutet  wird,  daß  nach  palatalisierten 
Konsonanten  der  gewöhnlichen  Länge  der  Vokale  noch  die  Dauer  des  Über- 
gangslautes zugute  kommt,  so  würden  die  betreffenden  Vokale  auch  in  anderen 
Stellungen  länger  sein,  was  aber  nicht  der  Fall  ist  (s.  meine  Tabellen  11  und 
12).  Daraus  ersieht  man  deutlich,  daß  vor  Verschlußlauten  die  Vokale  w,  o,  m 
nach  palatalisierten  Konsonanten  wirklich  gedehnt  werden  und  zwar,  wie  ich 
vermute,  weil  der  lange  Übergangslaut  bei  verhältnismäßig  kurzer  Gesamt- 
dauer der  Vokale  vor  Verschlußlauten  die  richtige  Perzeption  des  Vokals 
selbst  erschwert. 

21.  Was  aber  die  Auffassung  der  Palatalisation  anbetrifft,  so  behalteich 
mir  das  Recht  vor,  die  Sachen  etwas  anders  zu  verstehen,  als  es  T.  tut,  ob- 
wohl ich  gar  nicht  ihm  das  Verdienst  der  akustischen  Erklärung  absprechen 


Scerba,  Bemerkungen  auf  die  Rezension  Thomsons.  573 

will.  Ich  beabsichtige  übrigens,  darauf  einmal  näher  einzugehen.  Hier  muß 
ich  nur  einen  unbegründeten  Vorwurf  von  Seiten  T.s  zurückweisen.  Er  wun- 
dert sich  nämlich,  daß,  obwohl  ich  großen  Wert  dem  Unterschiede  tfl'  beilege, 
zu  gleicher  Zeit  aber  sage,  daß  die  Palatalisierung  des  t  (r)  in  .liTHiii  nicht 
vernommen  wird.  Nun  ist  es  docli  klar,  daß  im  letzten  Falle  eine  selbst- 
ständige Explosion  des  t  fehlt,  während  sie  in  Äiia  und  ÄiTKii  vorhanden  ist, 
so  daß  auch  die  Perzeption  der  beiden  Fälle  eine  verschiedene  sein  kann. 

25.  Ich  verstehe  nicht,  warum  die  T.sche  Erklärung  der  qualitativen 
Reduktion  der  Vokale  besser  sein  sollte  als  die  meinige.  Es  kann  freilich  mit 
schnellem  Tempo  eine  deutliche  Aussprache  verbunden  werden,  aber  nur  mit 
einem  großen  Energieaufwand,  und  dabei  ist  es  noch  möglich,  wie  ich  S.  193 
in  der  Anmerkung  vermutete,  daß  die  Beschleunigung  in  solchen  Fällen  aut 
Kosten  der  Übergangslaute  und  Konsonanten  geschehe.  Bei  gewöhnlichen 
Bedingungen  aber  setzt  die  Verminderung  der  Quantität  die  qualitative  Re- 
duktion unumgänglich  voraus,  weil  die  Organbewegungen  aus  Zeitmangel 
nicht  genau  ausgeführt  werden  können.  Soviel  steht  meiner  Meinung  nach 
fest,  womit  aber  nicht  gesagt  sein  soll,  daß  es  keine  anderen  Faktoren  der 
qualitativen  Reduktion  geben  kann.  Nur  ist  die  Sache  wenig  erforscht,  denn 
es  ist  ja  klar,  daß  die  Definition,  die  T.  S.  575  der  Betonung  gibti),  ganz  will- 
kürlich ist,  weil  sie  Dinge,  die  vielleicht  nicht  unmittelbar  zusammenhängen 
und  möglicherweise  nicht  immer  Hand  in  Hand  gehen  (vgl.  die  verschie- 
dene Beurteilung  der  tschechischen  Betonung  von  verschiedenen  Beobachtern), 
unter  denselben  Hut  bringt.  Übrigens  halte  ich  meine  Erklänrng  nur  als  eine 
in  die  Augen  springende  Möglichkeit:  das  Weitere  soll  man  der  künftigen 
Forschung  des  Wesens  der  Betonung,  der  Bedingungen  ihrer  Entstehung  und 
ihrer  möglichen  Folgen  überlassen. 

26.  Was  die  T.sche  Erklärung  der  quantitativen  Reduktion  der  unbe- 
tonten Vokale  anbetrifft,  so  ist  sie  eine  sehr  geistreiche,  aber  nur  für  die  Er- 
klärung der  Verminderung  der  Quantitäten  sowohl  betonter  als  unbetonter 
Vokale  mit  zunehmender  Silbenzahl  in  mehrsilbigen  Wörtern.  Ich  erlaube  mir 
darum  vorläufig  bei  meiner  Erklärung  zu  bleiben,  obwohl  ich  ganz  gut  ver- 
stehe, daß  mein  Postulat,  das  Quantum  der  auf  ein  Wort  von  bestimmter 
Silbenzahl  verwendeten  Energie  beständig  sei,  etwas  aprioristisch  ist.  Daß 
npopBaTB  mehr  Energie  erfordert  als  hau,  ist  wohl  richtig;  aber  man  muß  auch 
nicht  aus  dem  Auge  verlieren,  daß  für  Griechen  und  Römer  tra  und  a  in  der 
Metrik  gleichbedeutend  waren. 

27.  Ich  möchte  noch  vieles  sagen,  weil  ich  so  manches ,  was  T.  still- 
schweigend übergangen  hat,  doch  hervorheben  möchte,  wie  z.  B.  meine  Be- 
merkungen über  gespannte  und  ungespannte  Vokale,  über  Klassifikation  der 
Vokale,  meine  Vergleichungen  der  russischen  Vokale  mit  denen  der  Haupt- 
sprachen Europas  (worauf  ich  viel  Wert  legen  möchte)  usw.  usw.,  aber  das 
würde  mich  zu  weit  führen.  Wichtiger  wäre  es ,  verschiedene  meiner  Ansicht 


1)  >Die  schwache  Betonung  besteht  nicht  nur  in  der  leiseren  Aussprache, 
sondern  auch  in  der  weniger  energischen  und  daher  auch  weniger  voll- 
kommen ausgeführten  Artikulation.« 


574  Kritischer  Anzeiger. 

nach  irrtümliche  Auffassungen  T.s,  wie  z.B.  der  verschiedenen  «-Nuancen 
und  ihrer  Abhängigkeit  von  folgender  Konsonanz,  zn  widerlegen;  aber  da  fast 
jede  Bemerkung  T.s  eine  Gegenbemerkung  von  meiner  Seite  hervorruft,  so 
ist  es  besser,  das  alles  gelegentlich  bei  einer  Gesamtdarstellung  und  zwar 
nicht  in  polemischer  Form  auszunutzen.  Nur  paar  Worte  pro  domo  mea 
seien  mir  gestattet.  Es  irrt  sich  T.,  wenn  er  S.  574  meine  Zeichnungen  der 
Zungenstellung  als  schematische  bezeichnet:  das  sind  Resultate  sehr  mühevoller 
Beobachtungen  mit  Atkinsons  Mouthmeasurer.  Ferner  irrt  sich  T.,  wenn  er 
S.561»  sagt,  daß  meine  physiologischen  Beschreibungen  bekannte  Tatsachen  er- 
örtern: sie  stützen  sich  auf  Palatogramme  und  Stomatogramme  (Zungenprofile), 
aller  von  mir  aufgestellten  Nuancen,  die  meistens  i)  fürs  Russische  zum  ersten 
Male  publiziert  worden  sind,  was  für  die  richtige  Beurteilung  der  Physiologie 
der  Nuancen  besonders  wichtig  ist.  Dasselbe  gilt  auch  von  unbetonten  Vo- 
kalen. Es  irrt  sich  T.,  wenn  er  S.  574  sagt,  daß  meine  Untersuchung  keine 
Vorstellung  von  den  in  der  Wirklichkeit  durch  mundartliche  Verschieden- 
heiten komplizierten  Schwankungen  unbetonter  Vokale  gibt:  das  Gesamtbild 
des  Petersburger  unbetonten  Vokallsraus  ist  meiner  Ansicht  nach  durch  Be- 
stimmungen des  §  75,  die  sich  auf  meine  Nuancen,  als  Orientierungspunkte, 
stützen,  deutlich  genug  geschildert.  Andere  russische  Dialekte  sollten  auch 
nicht  mit  zur  Darstellung  kommen,  da  es  methodologisch  ganz  verfehlt  wäre, 
mundartliche  Eigentümlichkeiten  durcheinander  anzuführen. 

28.  Zum  Schlüsse  möchte  ich  mich  mit  dringender  Bitte  an  die  Leser 
wenden,  nötigenfalls  nach  meinem  Buche  selbst  zu  greifen  und  die  T.sche 
Rezension  nur  zum  Vergleiche  zu  ziehen,  weil  sie,  wie  man  jetzt  sieht,  —  wären 
auch  alle  ihre  Ausführungen  richtig  —  wirklich  allzu  subjektiv  ist. 

Trotzdem  sage  ich  hier  T.  Dank,  weil  er  mich  durch  seine  scharfe  Kritik 
veranlaßt  hat,  das  Ganze  nochmals  zu  prüfen,  wobei  mir  manches  klarer  ge- 
worden ist,  und  zum  Ergebnisse  zu  kommen,  daß  ich  vorläufig  nichts  in 
meinen  Auffassungen  zu  ändern  habe  (womit  aber  nicht  gesagt  sein  soll,  daß 
ich  sie  nie  ändern  werde)  und  weil  ich  dabei  gelernt  habe,  daß  man  sich  etwas 
ausgiebiger  über  solche  feine  Dinge  ausdrücken  soll,  da  sonst  die  Gefahr 
vorliegt,  daß  viele  kurz  angedeutete  Gedanken  sogar  von  den  Sachverstän- 
digen teils  unbemerkt,  teils  mißverstanden  werden. 

August  1913.  L.  Scerba. 

Zn  den  vorhergehenden  Auseinandersetzungen  Scerbas  muß  ich  einige 
Bemerkungen  und  Berichtigungen  hinzufügen. 

Zu  4 — 9  muß  ich  bemerken,  daß  es  sich  nicht  um  einzelne  Beispiele, 
wie  e,  handelt,  sondern  daß  die  ganze  psychologische  Auffassung  S.s  eine  un- 
richtige ist.  Ich  hatte  schon  eine  psychologische  Begründung  der  Einzel- 
laute im  Buche  >Oümee  asbiKOB^ÄiHieä  219 — 220«  gegeben.  Darnach  assozi- 
ieren sich  z.  B.  die  palatalisierten  A-Laute  in  Lautreihen  wie  Kiwh,  ähkIc  am 

1)  Es  waren  Palatogramme  für  nur  sechs  russiche  Vokale  (Phoneme)  vor- 
handen. 


Thomsons  Gegenbemerkungen  auf  Scerbas  Bemerkungen.  575 

nächsten,  daneben  die  labialisierten  wie  in  Kyoii  untereinander  usw.,  und 
wegen  ihrer  obgleich  geringeren  Ähnlichkeit  in  Laut  und  Bewegungsgefühl 
bilden  alle  Ä>Laute  eine  größere  Assoziationsgruppe,  die  mit  dem  Buchstaben 
k  im  Unterschied  von  p,  i  usw.  bezeichnet  wird.  So  sind  in  den  Lautvorstel- 
lungen selbst  natürliche  Grundlagen  zur  Klassifikation  gegeben  und  wir 
brauchen  dazu  durchaus  nicht  fremdartige  Bedeutungsmerkmale  beizumischen, 
wie  es  S.  tut.  Wenngleich  die  Grenzen  fließend  sein  können ,  werden  doch 
auch  die  kleineren  AssoziationsgrujDpen  von  den  richtig  sprechenden  ausein- 
ander gehalten,  wenn  nicht  durch  Dialektmischung  das  Gehör  die  Fühlung 
für  dieselben  verloren  hat,  was  allerdings  in  einer  Gemeinsprache  oft  teilweise 
der  Fall  ist,  aber  durchaus  nicht  in  dem  Maße,  daß  dem  Sprechenden  nur  ein 
bestimmtes  Phonem  im  Sinne  S.s  statt  der  bezüglichen  bestimmten  Nuancen 
vorschweben  könnte.  Sonst  würde  die  Sprache  ein  wüstes  Wirrwarr  von 
Nuancen  darstellen,  da  doch  lange  nicht  alle  Nuancen  unmittelbar  physiolo- 
gisch bedingt  werden,  und  die  Bestimmung  von  minimalen  Differenzen  hätte 
gar  keinen  Sinn.  Daß  solche  Differenzen  individuell  übereinstimmend  mit 
anderen  Individuen  eingehalten  werden  und  also  ihre  entsprechenden  Laut- 
vorstellungen haben  müssen,  das  zeigen  tatsächlich  die  Ergebnisse  meiner 
Untersuchungen. 

S.s  Behauptung  unter  14,  daß  in  geflüsterter  Rede  die  Vokale  sehr  nach- 
lässig ausgesprochen  werden  und  sie  daher  eine  »Konsonanteni'ede«  sei,  ist 
ganz  willkürlich  und  falsch  und  erklärt  sich  teils  dadurch,  daß  S.  überhaupt 
den  Verständniszwecken  einen  unnatürlichen  Einfluß  auf  die  Laute  zuzu- 
schreiben geneigt  ist,  wie  z.  B.  auch  unter  8  und  23  ersichtlich.  Die  Artiku- 
lationen werden  doch  beim  Flüstern  ebenso  automatisch  und  gewohnheits- 
gemäß ausgeführt  wie  sonst,  nur  die  Artikulation  der  Stimmbänder  ist  ver- 
ändert. Ferner  wundere  ich  mich,  daß  S.  nicht  einsehen  will,  daß  er  mit 
seinen  Untersuchungsmitteln  (s.  unter  9 — 13)  den  Variationen  der  Vokale  in 
Abhängigkeit  von  der  Umgebung  nicht  beikommen  kann,  und  daß  er  sich 
hartnäckig  bemüht,  die  von  mir  aufgestellten  derartigen  Varianten  als  Fehler 
zu  erklären. 

Seine  Behauptung  endlich  unter  14,  daß  Oktavenfehler  nicht  durch  Mes- 
sungen berichtigt  werden  können,  bestätigt  nur ,  daß  er  sich  das  gegenseitige 
Verhältnis  der  akustischen  und  physiologischen  Bedingungen  nicht  recht  auf- 
geklärt hat.  Daher  hat  er  auch  meine  vielfachen  Angaben  darüber  übersehen 
oder  nicht  verstanden  und  behauptet  unter  1 8  irrtümlich,  daß  ich  nur  die  Länge 
des  Mundresonators  messe,  während  ich  doch  tatsächlich  (z.  B.  bei  den  Vokal- 
beschreibungen S.  184  ff.,  S.  176  usw.  meines  von  ihm  zitierten  Buches  Oomec 
fl3LiKOBiÄ^iHie2)  stets  auch  die  Größe  der  Öffnung  und  die  Weite  des  vorderen 
und  hinteren  Teils  des  Mundresonators  berücksichtige.  Das  entspricht 
doch  der  Flasche.  Jedem  Erfahrenen  auf  diesem  Gebiet  ist  es  leicht  ver- 
ständlich, daß  eine  so  große  Differenz,  wie  eine  Oktave,  selbst  vermittelst 
grober  und  ungenauer  Messungen  bestimmt  werden  kann  und  daß  meine 
(Arch.  XXXIV,  S.  567)  vermeintlichen  >Angriffe  gegen  seine  Vermutungen<, 
wie  er  sich  zum  Ende  unter  18  ausdrückt,  nur  Hinweise  auf  zweifellose  ele- 
mentare Fehler  S.s  sind. 


576  Kritischer  Anzeiger. 

Zu  S.s  Ansicht  nnter  15  muß  ich  berichtigen,  daß  auch  ich,  wie  jetzt  S., 
mit  der  Untersuchung  von  isolierten  Vokalen  angefangen  hatte,  aber  es  für 
unnütz  hielt,  die  Ergebnisse  derselben  zu  veröflFentlichen ,  nachdem  ich  ein- 
gesehen hatte,  wie  wenig  dieselben  ein  richtiges  Bild  von  den  wirklichen  Lau- 
ten in  der  natürlichen  Rede  abgeben  können.  Und  nur  die  letzteren  sind 
doch  die  eigentlichen  Untersuchungsobjekte.  Nur  aus  schonender  Rücksicht 
habe  ich  daher  von  der  Arbeit  S.s  nicht  offen  gesagt,  daß  sie  mir  wie  eine  im 
großen  angelegte  Vorarbeit  zu  einer  eigentlichen  Untersuchung  der  russischen 
Vokale  vorkommt. 

Ich  wundere  mich,  daß  S.  unter  16  nicht  noch  eine  vierte  Möglichkeit 
aufgestellt  hat,  die  doch  am  nächsten  liegt,  nämlich  daß  außer  dem  ersten 
pjigenton  noch  andere  für  die  Charakteristik  des  Vokals  wesentlich  sein 
können. 

Unter  19  hat  S.  die  Sachlage  nicht  richtig  verstanden.  Gegen  Samoiloflfs 
Arbeit  habe  ich  nichts  eingewandt.  Sie  ist  ebenso  verdienstvoll  wie  ähnliche 
Arbeiten  anderer  Physiologen,  z.  B.  Hermanns,  die  zufällige  laute  a,  e  usw. 
in  den  Apparat  hineinsprechen  oder  singen,  unbekümmert  darum,  ob  sie  wirk- 
lich bestimmten  Spezies,  und  welchen,  ihrer  Sprache  entsprechen.  Das  ist  für 
physiologische  Zwecke  gerechtfertigt.  Meine  Kritik  (S.  567)  trifft  nur  S. 
selbst,  welcher  die  Ergebnisse  einer  solchen  Arbeit  Samoiloffs  mit  seinen  be- 
stimmten russischen  Phonemen  identifizieren  will,  während  sie  tatsächlich 
ebensogut  auf  die  deutschen  Vokale  bezogen  werden  können. 

Auf  die  tabellarische  Znsammenstellung  der  Ergebnisse  verschiedener 
Forscher  anderer  Sprachen  habe  ich  allerdings  kein  besonderes  Gewicht  ge- 
legt, obgleich  sie  natürlich  viel  Arbeit  gekostet  hat,  erstens  weil  S.s  Buch 
doch  der  Erforschung  der  russischen  Vokale  gewidmet  ist,  und  zweitens  weil 
solche  Zusammenfassungen  auch  schon  früher  gemacht  worden  sind  (Bremer, 
Vietorj  und  auch  ich  selbst  solche  Tabellen  angefertigt  hatte  und  dabei  das 
Verfahren,  die  Ergebnisse  i;nd  Differenzen  aufzuklären  versucht  habe,  wie 
teils  aus  meinen  $0HeTiiqecKie  arioabi  16  ff.  ersichtlich.  Diese  Arbeit  betrachte 
ich  aber  als  Vorarbeit  und  als  nebensächliche,  da  sie  keine  direkten  Daten 
für  russische  Laute  liefert.    Für  diese  sind  leider  nur  unsere  Arbeiten  da. 

Zu  23  muß  ich  also  schärfer  betonen ,  daß  die  von  S.  vermutete  Vokal- 
verlängerung zwecks  richtiger  Perzeption  etwas  ganz  unnatürliches  wäre. 
Andrerseits  stimmt  doch  auch  noch  die  Lage  vor  Engelauten  in  Tab.  1 1  zu 
meiner  Erklärung  und  die  ungenügenden  Daten  der  anderen  Lagen  geben 
keine  sichere  Antwort. 

Zu  27  muß  ich  bemerken,  daß  ich  es  aufrichtig  bedauern  würde,  wenn 
ich  die  Verdienste  S.s  wirklich  unterschätzt  habe.  Aber  in  seinen  Bemer- 
kungen über  gespannte  und  ungespannte  Vokale  und  über  Klassifikation  habe 
ich  nichts  gefunden,  was  mir  nicht  schon  früher  bekannt  war.  Seine  Ver- 
gleichung  der  russischen  Vokale  mit  denen  anderer  Sprachen  und  besonders 
seine  Kenntnis  der  letzteren  hätte  ich  allerdings  erwähnen  sollen,  habe  es  aber 
in  der  Rezension  übersehen  teils  wohl  aus  Gewohnheit  an  solche  Vergleiche, 
teils  weil  sie  mir  nur  zur  Illustration  der  russischen  Laute  zu  dienen  schienen. 

Ich  will  gern  glauben,  daß  S.  viel  Arbeit  mit  Atkinsons  Mundmesser  und 


Tunickij,  Der  hl.  Kleraens,  slov.  Bischof,  angez.  v.  Jagid.  577 

Palatogrammen  vollbracht  hat.  Aber  seitdem  ich  mich  überzeugt  habe,  daß 
mit  diesen  Untersuchungsmitteln  zuverlässige  genaue  Daten  nicht  für  die 
natürlichen  Vokale  in  der  fließenden  Rede  zu  gewinnen  sind,  kann  ich  solchen 
Zeichnungen  keinen  großen  Wert  beilegen,  am  allerwenigsten  für  unbetonte 
Vokale.  Besseres  könnte  S.  nur  vermittelst  der  Kurvenanalyse  finden,  die 
allerdings  nicht  leicht  ist,  für  die  er  aber  Kenntnis  und  Arbeitskraft  besitzt 
und  hoffentlich  die  Mittel  finden  kann. 

Die  übrigen  Entgegnungen  S.s  kann  ich  übergehen  mit  der  Bitte,  beim 
Lesen  die  bezüglichen  Stellen  meiner  Rezension  in  ihrem  Zusammenhang  zu 
vergleichen  und  zu  prüfen. 

Ich  muß  S.  Recht  geben,  wenn  er  meine  Ansichten  zu  subjektiv  findet. 
Es  ist  aber  nicht  meine  Schuld.  Mit  dem  Gehör  lassen  sich  feine  Unterschiede 
herausfinden,  denen  man  selbst  mit  den  mühsamsten  vind  genauesten,  aber 
verhältnismäßig  schwerfälligen  Untersuchungsmitteln  nicht  immer  nach- 
kommen kann,  und  daher  gelingt  es  mir  nicht  immer,  manches  ganz  zweifel- 
los und  deutlich  Hörbare  andern  verständlich  zu  machen. 

Zum  Schluß  muß  ich  bedauern,  daß  ich  S.  in  nichts,  selbst  von  dem, 
was  er  in  seiner  Entgegnung  nicht  berührt  hat,  überzeugen  habe  können,  wie 
es  aus  seinen  Schlußworten  hervorgeht.  A.  Thotnso7i. 


H.  Ä.  TyHHii;Kiit,  Cb.  K.iHMeiiT-L  enHCKoni.  cjOBeHCKiS.    Ero 
atH3HL  H  npocBiTHTe.ii)Haa  j^iETeÄhnocTh.    Cepriesi,  üocaA'B  1913. 

80.  XI,  290. 

Die  Slavistik  verdankt  in  Rußland  mehreren  Vertretern  der  geistlichen 
Akademien,  die  den  westländischen  theologischen  Fakultäten  entsprechen, 
sehr  wichtige  Leistungen  im  Bereich  der  altkirchenslavischen  Sprach-  und 
Literaturdenkmäler.  Welchem  Fachmann  wären  nicht  geläufig  die  Namen 
eines  Gorskij  und  Nevostrujev,  eines  Philaret  und  Makarius,  eines  Amphi- 
lochiu8undLeonid,eine8Voronov,Malysev8kij,Voskresen8ki)undGolubinskij? 
Zu  diesen  und  vielen  anderen  nicht  namentlich  genannten  Männern  gesellt  sich 
jetzt  der  Verfasser  des  oben  zitierten  Werkes,  ein  neuer  Name,  den  wir  mi 
großer  Freude  und  Anerkennung  in  dieselbe  Phalanx  einzureihen  bereit  sind. 
Herr  Tunickij  hat  sich  nämlich  durch  sein  vorliegendes  Werk  über  den  slavi- 
schen  Klemens,  einen  der  Hauptschüler  der  beiden  Slavenapostel,  das  Recht 
erworben,  zu  den  tüchtigsten,  kritischsten  Forschern  auf  diesem  Gebiete  ge- 
zählt zu  werden.  Die  Studie  Tunickijs  verdient  eingehend  besprochen  zu 
werden.  Mein  Referat  wird  sich  wesentlich  auf  die  Inhaltsangabe  beschrän- 
ken mit  gelegentlich  eingeschalteten  Bemerkungen. 

Wir  kennen  zwar  die  Hauptquelle,  auf  welcher  unsere  Kenntnis  über  die 
Wirksamkeit  des  bulgarisch-mazedonischen  Klemens  beruht,  schon  seit  dem 
Beginne  der  slavistischen  Studien  zu  Anfang  des  XIX.  Jahrb..  namentlich 
seit  der  neuen  durch  Miklosich  besorgten  Ausgabe  vom  J.  1S47,  allein  eine 
allseitige  kritische  Würdigung  dieses  Textes  in  erforderlichem  Zusammenhang 
mit  allen  anderen  auf  Klemens  bezugnehmenden  Quellen  und  Angaben  hat 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXXV.  37 


578  Kritischer  Anzeiger. 

uns  bis  jetzt  gefehlt.  Zur  Glaubwürdigkeit  des  Inhaltes  der  Legende  verhielt 
man  sich  sehr  verschieden,  es  genügt  in  dieser  Beziehung  auf  GolubinskiJ  oder 
Snopek  hinzuweisen.  Männer,  wie  Undolskij,  Sreznevskij,  Lavrov,  Stojano- 
vic,  Sobolevskij  u.  a.  richteten  ihr  Augenmerk  hauptsächlich  auf  die  Auffin- 
dung des  literarischen  Nachlasses  Klemens',  dagegen  über  die  Lebensum- 
stände des  Verfassers  so  vieler  Texte  beschränkte  man  sich  auf  die  einfache 
Wiedergabe  des  in  der  Legende  Erzählten,  ohne  ihren  kritischen  Wert  ein- 
gehender zu  prüfen.  Wohl  gab  es  Ansichten  pro  und  contra  bezüglich  des 
Verfassers  der  Legende  und  der  Entstehungszeit  derselben,  auch  über  die  in- 
neren Zustände  der  Balkanslaven  zur  Zeit  der  Wirksamkeit  Klemens'  wurde 
manches  Beachtenswerte  gesagt,  allein  eine  zusammenfassende,  kritische  Dar- 
stellung aller  dieser  Momente  mit  Klemens  und  seiner  Wirksamkeit  als  dem 
natürlichen  Zentrum  der  ganzen  Aufgabe  ging  uns  bisher  ab.  Diese  Lücke 
sucht  der  Verfasser  der  oben  zitierten  Schrift  auszufüllen ,  indem  er  in  der 
ersten  Hälfte  seines  Werkes  (S.  1 — 108)  die  Besprechung  der  Quellen  liefert 
und  in  der  zweiten  (S.  108 — 260)  auf  Grund  der  durch  die  vorausgegangene 
kritische  Analyse  gewonnenen  Resultate  die  Wirksamkeit  des  Klemens  selbst 
erzählt  und  allseitig  beleuchtet.  Wir  erfahren  zuerst,  wie  es  mit  der  Text- 
überlieferung der  Legende  steht.  Nebst  der  Aufzählung  der  gedruckten  Aus- 
gaben wird  auch  das  bisher  unbenutzte  handschriftliche  Material  erwähnt.  Zu 
dem  bei  Allatius  abgedruckten  Fragmente  der  Legende  erwähnt  Herr  Tunickij 
noch  drei  handschriftliche  Texte  ähnlicher  Art,  wobei  er  hervorhebt,  daß  an 
der  Stelle,  wo  die  Jahreszahl  der  Bekehrung  der  Bulgaren  zum  Christentum 
steht  (ed.  Mikl.  S.  7,  Kap.  IV)  in  allen  Texten,  die  nur  ein  Fragment  der  Le- 
gende enthalten,  das  Wort  IßdöfAM  ausgefallen  zu  sein  scheint  (die  Zahl  lautet 
somit  6370,  d.  h.  862,  statt  des  richtigeren  869),  dafür  aber  als  Zusatz  gelesen 
wird  Inl  l'Mqiai'ov  näna  "^Piiifxr^g  x«t  Mix^v^  ßaaiXiwf^Pcoitcdioi'  (die  erste  Zahl 
stimmt  für  Hadrian  II.  nicht,  da  im  Jahre  862  nicht  er  Papst  war,  sondern 
Nikolaus  I).  Auch  der  vollständige  Text  der  Legende  hat  seine  interessante 
Geschichte,  die  der  Verfasser  genau  auseinandersetzt,  ja  selbst  einige  Vari- 
anten einzelner  Ausgaben  angibt;  am  wichtigsten  sind  jedenfalls  jene,  die 
sich  in  einer  Ochrider  Handschrift,  jetzt  aus  dem  Nachlasse  Grigorovic  im 
Rumjancovschen  Museum  in  Moskau  befindlich,  nachweisen  lassen  (S.  14— 18)- 
Der  Verfasser  spricht  von  noch  einer  Ochrider  Handschrift,  allein  die  Erkun- 
digungen, die  mein  Freund  Stojan  Novakoviö  veranlaßt  hat,  haben  zunächst 
zu  keinem  Resultat  geführt.  Wichtig  wäre  es  jedenfalls,  auch  diesen  Text, 
wenn  er  wirklich  existiert,  heranzuziehen,  da  uns  eine  kritische  Ausgabe  der 
Legende  noch  abgeht.  Einen  wichtigen  Schritt  nach  vorwärts  bekundet  die 
Forschung  Tunickijs  dadurch,  daß  er  auch  die  zwei  neugriechischen  Bearbei- 
tungen der  Vita  Clementis  in  den  Kreis  seiner  wissenschaftlichen  Erwägungen 
hineinzog,  was  bis  jetzt  nicht  geschehen  war.  Er  erzählt  zuerst,  aufweiche 
Weise  die  Verehrung  Klemens'  aus  Ochrid  in  das  Kloster  lov  rt/niov  JJQodQÖ- 
[xov  (unweit  der  Stadt  Verla)  gelangte.  Die  Mönche  des  Klosters  tov  IIqo- 
^Qo/Liov  sollen  einen  Teil  der  Reliquien  des  Heiligen,  den  Kopf,  gestohlen  und 
in  ihr  Kloster  gebracht  haben.  Diese  erweiterte  Verehrung  setzt  natürlich 
zum  mindesten  das  Vorhandensein  eines  Offiziums  und  einer  kurzen  Synaxar- 


Tunickij,  Der  hl.  Klemens,  slov.  Bischof,  angez.  v.  Jagid.  579 

vita  voraus.    Nun  machte  im  XVIII.  Jahrh.  ein  Hieromonachos,  Athanasios 
von  Faros,  den  Entschluß,  der  Verehrung  des  Heiligen  dadurch  Vorschub  zu 
leisten,  daß  er  eine  neugriechische  Bearbeitung  des  ganzen  Offlziums  und  der 
Vita  zustande  brachte.  Seine  Arbeit  erschien  zweimal,  das  erstemal  im  J.  1784 
in  Venedig  als  eine  dem  Demetrios  Chomatinos  zugeschriebene  "AxolovHa, 
daß  zweitemal  im  J.  1805  in  Leipzig  als  Anhang  zu  einem  andern  griechischen 
Text  (S.  83—133),  das  ganze  betitelt  Oiouyov  -/.olaig.  Ich  konnte  leider  nur  diese 
letzte  Ausgabe,  aus  dem  in  Laibach  befindlichen  Nachlasse  Kopitars,  in  die  Hand 
bekommen,  die  erste  Ausgabe  {AxoXovd-Uc]  war  weder  in  Wien  noch  in  Laibach 
aufzufinden  (auchMiklosich  sah  sie  seinerzeit  nicht).  Nun  ist  nach  den  Worten 
Tunickijs  die  zweite  Ausgabe  der  neugriech.  Bearbeitung  keineswegs  ein  bloßer 
Wiederabdruck  der'lxoXovO^ue  vom  J.  1784,  die  Abweichungen  sind  vielmehr  für 
die  Beurteilung  der  Arbeit  des  Athanasios  von  Faros  von  großer  Bedeutung. 
Ovo.  XQ.  ist  im  ganzen  ausführlicher  als  i/xoA.  (vgl.  S.  25).    Die  wichtigsten 
Abweichungen  kommen  bei  Tunickij  (S.  26—28)  zur  Sprache.    Nach  seiner 
Darstellung  sucht  derselbe  Verfasser  Athanasios  von  Faros  in  der  Ovo.  xn. 
höheren  Anforderungen  gerecht  zu  werden,  als  in  ä&x 'AxoX.  Ein  näheres  Ein- 
gehen auf  die  Zutaten  der  Legende  in  Ovo.  xo.  führte  ihn  zu  der  Annahme, 
daß  Athanasios  in  der  zweiten  Ausgabe  nebst  der  einen  Hauptquelle,  nämlich 
der  großen  griech.  Legende,  Vita  Clementis,  durch  den  Vorstand  des  Chilan- 
darer  Klosters,  Daniel  aus  Eski-Zagora,  eine  Xilavxuqivri  6u',y7]aig  zur  Ver- 
wertung bekam,  aus  welcher  er  seine  Zusätze,  resp.  Berichtigungen  zur  ersten 
Ausgabe  machte.    Das  war  eine  griechisch  abgefaßte  Erzählung  über  Kyrill 
undMethod,  die  nach  der  Auffassung  des  Verfassers  dieser  Forschung  auf 
einer  alten  griechischen  Vorlage,  miQxOngmdl- Ji^yrtOis  beruhen  soll.  Da  diese 
in  verschiedenen  Funkten,  worin  die  Darstellung  der  Lebensgeschichte  Kyrills 
und  Methods  von  der  Überlieferung  der  pannonischen  Legenden  abweicht- 
merkwürdig  mit  den  kurzen  slavischen  Erzählungen,  die  in  den  Prologen  vor- 
kommen, übereinstimmt,  so  folgert  der  Verfasser  aus  dieser  Übereinstimmung, 
daß  die  slavischen  Texte  in  den  Frologen  aus  einer  solchen  Original--/«/;;'»;«?'? 
geflossen  sind.    Die  Texte  der  slavischen  Frologe  seien  einfach  Auszüge  aus 
jener  alten  griechischen  Jirjyriais  und  da  iinsere  Frologe  zum  mindesten  bis 
ins  XV.  Jahrh.  zurückreichen,  so  müsse  ihre  angebliche  griechische  Vorlage, 
auf  der  ja  schließlich  auch  Ovqccvov  xoiats  basiert,  in  eine  noch  frühere  Zeit 
versetzt  werden.    Gegen  diese  ganze  Beweisführung  verhalte  ich  mich  etwas 
skeptisch.  Der  Chilandarer  Klostervorstand  Daniel  ist  als  bulgarischer  Schrift- 
steller oder  wenigstens  Abschreiber  slavischer  Handschriften  wohl  bekannt, 
er  lebte  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVIII.  Jahrh.    Auch  das  Kloster  Chilandar 
galt  wenigstens  in  früheren  Jahrhunderten  als  eine  xax  t^o/vt'  slavische,  ser- 
bisch-bulgarische, Niederlassung.    Unter  solchen  Umständen  ist  vielleicht  die 
Vermutung  gestattet,  daß  jene  chilandarische  Erzählung  auf  slavischen  Quellen 
fußt,  deren  Reflexe  in  verschiedenen  Kürzungen  der  Frologe  vorliegen.    Ein 
Hauptargument  dafür,  daß  die  slav.  Darstellung  der  Frologe  auf  griech.  Vor- 
lage beruht,  erblickt  Herr  Tunickij  in  der  Nennung  eines  Ortsnamens  K  a  t  a  o  n, 
j^j^naon,Kaon,  Kain,wo  angeblich  Kyrill  seinen  Bischofssitz  hatte.    Da 
dieser  Name  auch  als  Ort,  wo  Kyrill  begraben  wurde,  in  denselben  Texten  wieder- 

37* 


580  Kritischer  Anzeiger. 

kehrt,  so  versuchte  der  Verfasser  in  der  Wendung  bt.  Kaoni  oder  bt.  Kaiaoui 
die  mißverständliche  Wiedergabe  des  griechischen  eh  oder  xcaa  tov  Naöu  zu 
finden.  Allein  abgesehen  davon,  daß  man  sich  schwer  dazu  entschließt,  das 
allgemein  verständliche  eis  oder  x«r«  (diese  Präposition  ist  übrigens  hier  gar 
nicht  zu  konstatieren)  tou  Nnö^  für  den  Übersetzer  als  einen  Stein  des  An- 
stoßes gelten  zu  lassen,  erscheint  ja  das  Wort  Kanaon,  Kaon,  Kain  nicht  zu- 
erst an  der  Stelle  der  Erzählung,  wo  von  der  Begräbnisstätte  Kyrills  die  Rede 
ist,  sondern  als  Ortsbenennung  seines  Bischofssitzes  und  da  kann  in  der  grie- 
chischen Vorlage  unmöglich  der  Ausdruck  e/?  Tor  Naoy  oder  x«t«  zoy  Naöv 
gestanden  haben.  Es  heißt  in  den  betreffenden  Texten  h  cctbcph  h  enHCKona  B-h 
KjHdC'H-k  rpdA'li  und  ß'k  A.\opdEc.v  e-k  rpuA-K  Ka^H-K  (oder  KdHH-h).  Auch  in  dem  Offizium 
in  der  neunten  Ode  liest  man  b-k  Kdcn-fc  oder  gar  n-h  w-KHan-fc.  Nirgends  ist  von  der 
Begräbnisstätte  die  Rede,  an  letzter  Stelle  folgt  sogar  ausdrücklich  als  Sterbe- 
ort Rom:  B-K  PH/wt,  also  auch  hier  ist  es  unmöglich  von  i'ciög  auszugehen.  Für 
mich  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  daß  dieses  rätselhaft  klingende  Wort  eigent- 
lich Pannonien  ausdrücken  sollte.  Wie  dunkel  schon  in  der  Vita  Clementis 
die  Erinnerung  an  Pannonien  war,  zeigen  Wendungen  wie  ds  rrju  UavövfMv 
InunyUtv  (Kap.  2),  tniGY.oTiov  MoQccßov  xr;s  Iluvoi'Ucg  (Kap.  3).  Bezeichnend 
und  stark  für  meine  Deutung  sprechend  ist  der  Umstand,  daß  da,  wo  sich  der 
angeblicheOrtsnameKanaon,  Kaon,  Kain  breit  macht,  von  Pannonien  sonst 
nicht  die  Rede  ist.  Auch  der  Text  der  OvQca'ov  y.Qiais  spricht  von  Method 
als  iniaxonos  MiaqKßag  rrjg  JJavoviag  (S.  95)  und  der  Übersetzer  ins  Neugrie- 
chische, Athanasios,  mußte  diese  konfuse  Darstellung  erst  erklären.  Ich  kann 
nach  alledem  der  Beweisführung  des  Verfassers ,  daß  der  Chilandarer  Erzäh- 
lung ein  sehr  altes  griechisches  Denkmal  zugrunde  liegt,  kein  rechtes  Zu- 
trauen schenken.  Am  allerwenigsten  könnte  dieses  alte  griechische  Original 
eine  Parallele  mit  den  pannonischen  Legenden  vertragen ,  mögen  auch  einige 
Anklänge  an  die  pannonischen  Legenden  in  der  Erzählung  Oh^.  -/.q.  nach- 
weisbar sein.  Übrigens  muß  ich  gestehen,  daß  ich  in  dieser  schwierigen 
Frage  zum  Teil  im  Finsteren  herumtappe,  da  ich  den  Text  der  ^xoXov&Ui  mit 
jenem  der  Oiq.  xq.  nicht  in  der  Lage  bin  zu  vergleichen. 

Ausführlich  und  sehr  umsichtig  behandelt  der  Verfasser  die  Frage  von 
der  Autorschaft  der  Vita  Clementis.  Mit  vollem  Recht  hält  er  den  Verfasser 
für  einen  Griechen  und  neigt  ganz  der  Ansicht  Voronovs  und  anderer  zu,  nach 
welcher  Theophylaktos  diese  Legende  geschrieben.  Er  sucht  diese  Über- 
zeugung mit  beachtenswerten  neuen  Gründen  zu  stützen.  Das  stark  störende 
rj/uli'  im  Kap.  22  nach  rolg  Bovlyäooig  sucht  er  durch  das  Fehlen  dieses  Wört- 
chens in  dem  Text  der  Ovq.  xq.  auch  aus  dem  Text  der  Vita  Clementis  auszu- 
merzen. Lieber  wäre  uns  schon,  wenn  wir  einen  neuen  Text  dieser  Legende 
haben  könnten,  in  welchem  das  Wort  r^ulr  wirklich  fehlt. 

Die  Analyse  des  Inhaltes  der  ganzen  Legende  zerfällt  bei  Tunickij  in 
drei  Abschnitte.  Der  erste  (Kap.  1 — 6)  bezieht  sich  auf  das  Leben  der  beiden 
Apostel,  dafür  bekam  Athanasios  von  Paros  jene  Chilandarische  Erzählung, 
von  welcher  oben  die  Rede  war.  Die  starken  Abweichungen  von  der  Dar- 
stellung der  pannonischen  Legenden  trachtet  Herr  Tunickij  uns  begreiflich 
zu  machen.    Manche  recht  beachtenswerte  Kombination  wird  dabei  gemacht, 


Tuüickij,  Der  hl.  Klemens,  slov.  Bischof,  angez.  v.  Jagic.  581 

wie  z.  B.  die  hübsche  Zusammenstellung  des  poetischen  Bildes  in  der  Vita 
Clementis,  Kap.  22,  wo  das  Leben  Methods  für  Klemens  als  ein  Gemälde  [ni- 
va^]  eines  kunstfertigen  Malers  hingestellt  wird  (ja  geradezu  das  Verbum 
iC(^y()Mpsi  gebraucht  wird),  mit  der  bekannten  Sage  von  der  Bekehrung  des 
Fürsten  Boris  zum  Christentum  durch  einen  Maler  Method.  Darnach  kann 
man  den  einzelnen  Etappen  der  Sage  in  ihrer  Evolution  nachgehen.  Der 
zweite  Abschnitt  der  Legende  bespricht  die  Schicksale  der  Jünger  Methods 
und  seiner  Kirche  nach  seinem  Tode  bis  zur  Verbannung  der  Schüler  und  An- 
hänger der  Methodianischen  Richtung  aus  Mähren  und  Pannonien.  Für  diesen 
Abschnitt  ist  die  Legende  darum  äußerst  wertvoll,  weil,  wenn  nns  ihr  Inhalt 
abginge,  eine  Lücke  in  der  ganzen  Epoche  entstehen  würde,  während  jetzt 
ihre  Darstellung  wenigstens  bruchstückweise  durch  Angaben  anderer  Quellen 
erhärtet  werden  kann.  Der  dritte  Abschnitt  handelt  ganz  besonders  von  Kle- 
mens und  seiner  Wirksamkeit  unten  im  Süden.  Für  diese  Zeit  fehlen  uns  so 
gut  wie  alle  anderwärtigen  Nachrichten.  Dabei  versucht  der  Verfasser  auf 
Grund  der  Stilisierung  der  slavischen  Vita  Naums  (erst  vor  kurzem  entdeckt) 
die  Annahme  einer  parallel  damit  gehenden  slavischen  Vita  Clementis  wahr- 
scheinlich zu  machen,  und  für  beide  nimmt  er  einen  und  denselben  Verfasser 
an.  Diese  von  ihm  vermutungsweise  vorausgesetzte  slavische  Vita  Clementis 
soll  die  Quelle  für  jene  Erzählung  gebildet  haben,  die  jetzt  den  dritten  Ab- 
schnitt der  griechischen  Legende  vom  h.  Klemens  ausfüllt.  Alles  das  klingt 
mir  nicht  unwahrscheinlich.  Dieser  Beweisführung  würde  ich  um  so  weniger 
meine  Zustimmung  versagen,  als  sie  ja  mich  in  der  Voraussetzung  bekräftigt, 
daß  möglicherweise  auch  jener  Erzählung,  die  uns  heute  nur  in  der  neugrie- 
chischen Form  in  Oiüayoi  xoiais  vorliegt,  endlich  und  letztlich  eine  slavische 
und  nicht  griechische  Quelle  zugrunde  lag.  Bei  der  Besprechung  einzelner 
Stellen  dieses  dritten  Abschnittes  möchte  der  Verfasser  im  Schlnßkapitel  der 
ganzen  Legende,  wo  von  einer  noyr,ou  ttlqeaig  die  Rede  ist,  statt  der  Sekte 
der  Bogomilen,  was  allerdings  nicht  bewiesen  werden  kann,  eine  Anspielung 
an  den  Katholizismus  erblicken.  Ich  halte  diese  Deutung  zwar  nicht  für  un- 
möglich, doch  fehlt  bei  der  Erwähnung  der  « <'^£ ff <f  jeder  bezeichnende  Zusatz 
auf  welchen  sich  die  Deutung  des  Verfassers  berufen  könnte. 

Im  ganzen  verwirft  Herr  Tunickij  mit  Recht  den  von  Golubinskij  ver- 
tretenen Gesichtspunkt,  wonach  die  griechische  Vita  Clementis  gar  keinen 
geschichtlichen  Wert  hätte,  dennoch  gibt  er  die  Tendenz  einer  stark  und 
leidenschaftlich  gegen  die  Lateiner  gerichteten  Polemik  zu,  die  auch  sonst 
manche  Übertreibung  nach  sich  zog. 

Nun  folgt  eine  kurze  Besprechung  und  kritische  Würdigung  jener  kurzen 
Legende  über  Klemens,  die  durch  Grigorovic  in  Rußland ,  durch  Safaf ik-Cur- 
tius  im  Westen  Verbreitung  fand.  Herr  Tunickij  gibt  eine  möglichst  voll- 
ständige Bibliographie  des  Textes  dieser  Legende.  Die  wichtigste  Stelle  der- 
selben, die  bei  ihrer  ersten  Bekanntmachung  einiges  Aufsehen  machte,  betrifft 
die  angebliche  Vereinfachung  der  von  Kyrill  erfundenen  slavischen  Schrift 
also  die  Erfindung  einer  deutlicheren  Schrift.  Man  hat  sich  mit  der  Erklärung 
dieser  Stelle  vielfach  abgemüht.  Herr  Tunickij  möchte  die  von  Leskien  der 
Notiz  gegebene  Deutung  nicht  gelten  lassen,  er  zieht  es  vor ,  hierin  einen 


582  Kritischer  Anzeiger. 

Widerhall  alter  Überlieferangen  zu  erblicken.  Das  muß  ich  entschieden  be- 
zweifeln. Die  kurze  Legende  enthält  so  viel  sinnloses,  auf  keiner  alten  Über- 
lieferung fußendes,  daß  ich  auch  dieser  Notiz  keine  alte  Unterlage  zuschrei- 
ben könnte,  also  keine  Reminiszenz  aus  alten  tatsächlichen  Verhältnissen. 
Übrigens  wenn  man  die  Notiz  buchstäblich  auffaßt,  muß  dann  nicht  von  einer 
ganzen  zweiten  Schrift  die  Rede  sein,  sondern  höchstens  von  einigen  Ergän- 
zungen oder  Modifikationen,  etwas  im  Sinne  des  vom  Mönch  Chrabr  Behaup- 
teten noHJJKe  CA  ^.^CTpat^ll«T•li  h  tqjf;  ich  ziehe  nämlich  die  Lesart  tti^coy  y^a/x- 
/^««Twi'jener  anderen  vor,  wodurch  man  den  Sinn  gewinnt,  er(Klemens)habe  die 
Zeichen ,  die  deutlicher  sein  sollen,  für  verschiedene  Buchstaben  ausgedacht. 
Außerdem  halte  ich  noch  immer  daran  fest,  daß  wenn  diese  Notiz  über  Tat- 
sächliches berichtete,  wir  jedenfalls  eine  Anspielung  darauf  auch  in  der  aus- 
führlichen Legende  finden  müßten.  Das  ist  bekanntlich  nicht  der  Fall.  Der 
Kompilator  der  kurzen  Legende  liebte  mit  byzantinischer  Phraseologie  zu 
prunken,  aber  an  den  Kenntnissen  der  geschichtlichen  Tatsachen  gebrach  es 
ihm  gänzlich. 

Der  Vollständigkeit  zulieb  erwähnt  der  Verfasser  noch  die  Offizien  zu 
Ehren  Klemens'  in  griechischer  Sprache  und  slavischer  Übersetzung.  Zu- 
letzt werden  die  sonstigen  Erwähnungen  Klemens'  in  slavischer  und  griechi- 
scher Sprache  und  die  im  Volke  lebenden  Erinnerungen  kurz  zusammen- 
gestellt. 

Damit  ist  der  kritisch-analytische  Teil  des  Werkes,  der  sich  mit  der 
Würdigung  der  Quellen  befaßte,  zu  Ende.  Nun  folgt  als  ein  zweiter  Haupt- 
teil des  Werkes  die  Erzählung  des  eigentlichen  Lebenslaufes  und  der  kirch- 
lichen und  literarischen  Wirksamkeit  Klemens'.  Hier  sind  wieder  zwei 
Lebensabschnitte  auseinander  zu  halten,  der  eine  versetzt  den  Schauplatz  nach 
Mähren  und  Pannonien,  der  andere  nach  Bulgarien  und  Mazedonien.  Einen 
dritten  Abschnitt  widmete  der  Verfasser  der  Beteiligung  Klemens'  an  der 
religiös-kirchlichen  und  literarischen  Arbeit.  Ich  kann  mich  hier  kürzer  fas- 
sen, da  die  Darstellung  des  Verfassers,  klar  und  lichtvoll  gehalten,  weniger 
Anlaß  zu  irgend  welchen  besonderen  Bemerkungen  gibt. 

Die  Jugendzeit  Klemens,  die  er  als  treuer  Begleiter  und  Schüler  der 
beiden  Slavenapostel  in  Mähren  und  Pannonien  zugebracht,  ist  uns  sehr  wenig 
bekannt.  Den  Mangel  an  geschichtlich  überlieferten  Tatsachen  sucht  man 
durch  allerlei  mehr  oder  weniger  scharfsinnige  Kombinationen  und  Einfälle 
zu  ersetzen.  Der  Verfasser  stimmt,  glaub  ich,  mit  Recht  jenen  bei,  die  Kle- 
mens' Heimat  in  Mazedonien  ansetzen ;  aus  einer  Wendung  in  der  Klemens 
zugeschriebenen  Lobrede  auf  Kyrill  möchte  Herr  Tnnickij  sogar  den  Schluß 
ziehen,  daß  selbst  die  Bekehrung  Klemens'  zum  Christentum  durch  Kyi-ill  er- 
folgte. Ganz  sicher  ist  diese  Vermutung  ebensowenig,  wie  jene  andere,  nach 
welcher  schon  in  Konstantinopel  Klemens  einer  der  Mithelfer  (cn^cn-fcuiHHK'K) 
bei  den  Vorarbeiten  Kyrills  gewesen.  Auch  die  Kombination  über  den  Zeit- 
punkt seiner  Priesterweihe  (in  Rom!)  können  wir  füglich  auf  sich  beruhen 
fassen.  Es  kann  ja  sein,  nur  beweisen  läßt  es  sich  nicht,  daß  unter  denen,  die 
in  Rom  die  Priesterweihe  erhalten  (tph  ncinH),  auch  Klemens  gewesen.  Die 
Vermutung,  daß  Klemens  schon  in  Mähren  Weihbischof  geworden,  gibt  Tu- 


Tunickij,  Der  hl.  Klemens,  bIov  .  Bischof,  angez.  v.  Jagic.  583 

nickij  mit  Recht  jetzt  selber  auf  (S.  119).  In  der  Frage  über  den  Ritus,  der 
unter  Method  in  Mähren  und  Pannonien  herrschte,  nimmt  der  Verfasser  aus 
leicht  begreiflichen  Gründen  den  von  mir  vorgeschlagenen  vermittelnden 
Standpunkt  nicht  an,  sondern  folgt  Sobolevskij,  der  ohne  rechten  Grund  die 
Kijewer  Blätter  in  eine  spätere  Zeit  versetzt.  Ob  Method  gegen  das  Ende 
seines  Lebens,  namentlich  infolge  seiner  Reise  nach  Konstantinopel,  einen 
iutransigenteren  Standpunkt  gegenüber  dem  von  Rom  auf  ihn  ausgeübten 
Druck  einnahm,  wie  es  der  Verfasser  meint  (S.  125),  das  erscheint  für  mich 
fraglich.  Die  allgemeinen  Betrachtungen  des  Verfassers  über  die  Zustände 
zu  Ende  der  Lebenszeits  Methods  und  nach  seinem  Tode,  so  lesenswert  sie 
auch  sind,  wollen  wir  übergehen,  da  sie  zur  Lebensgeschichte  Klemens'  wenig 
beitragen ;  die  aus  der  Legende  bekannten,  mit  sehr  grellen  Farben  geschil- 
derten Zustände  finden  starke  Stütze  und  Bestätigung  in  der  neu  entdeckten 
Vita  Naums.  Dabei  muß  ich  ein  kleines  Versehen  berichtigen  (S.  140):  wenn 
zur  Strafe  des  Verkaufs  in  die  Sklaverei  als  Parallele  neben  dem  russischen 
noTOK3  noch  das  angeblich  in  den  »Vinodoler  Gesetzen«  vorkommende  »ma- 
tene«  zitiert  wird,  so  ist  das  falsch  gelesen  statt  mascene,  das  dem  russi- 
schen MmcHie  genau  entspricht. 

Viel  inhaltsreicher  ist  die  bulgarisch-mazedonische  Lebensperiode  Kle- 
mens'. Hier  begegnen  aber  dem  kritischen  Biographen  allerlei  schwer  lösbare 
Fragen.  Ich  sehe  ab  von  der  auch  von  Tunickij  abgelehnten  einstigen  Ansicht 
Safariks,  daß  auch  Gorazd  in  Bulgarien  gewesen  (S.  147),  das  ist  wenigstens 
unerwiesen,  konstatiere  den  Versuch  des  Verfassers ,  die  Zeitdauer  des  Auf- 
enthaltes Klemens'  bei  Boris  möglichst  genau  zu  bestimmen,  womit  die  (in 
meiner  Entstehungsgeschichte  2  S.  113 — 1 14)  Kombination  Prof  Zlatarskis  zu 
vergleichen  ist  S.  151 — 156).  Hier,  wo  es  sich  um  die  Entfernung  Klemens' 
vom  Hofe  Boris'  und  seinen  Aufenthalt  in  Mazedonien  handelt,  konnte  ganz 
passend  die  Frage  über  die  ethnographischen  Verhältnisse  Bulgariens  und 
Mazedoniens  eingeschaltet  werden.  Der  Verfasser  neigt  zu  der  von  Novakovic 
gegebenen  Schilderung  des  ethnographischen  Unterschieds  zwischen  Bulgarien 
und  Mazedonien,  vielleicht  mit  einigen  mildernden  Strichen.  Die  Schilderung 
der  inneren  Zustände  dieser  Länder  in  jener  Zeit  geschieht  auf  Grund  einer 
sehr  genauen  Berücksichtigung  der  betreffenden  Literatur,  wobei  dem  Ver- 
fasser selbst  die  in  bulgarischen  Zeitschriften  abgedruckten  Aufsätze  nicht 
entgangen  sind.  Mir  ist  es  nur  fraglich,  ob  für  die  Sendung  Klemens'  nach 
Mazedonien  wirklich  die  politischen  Motive  seitens  Boris'  ausschlaggebend 
waren,  wovon  auf  S.  164  die  Rede  ist.  Sollte  sich  nicht  Klemens  selbst  in 
sein  Heimatsland  gesehnt  haben?  Daß  der  Verfasser  auch  die  vielumstrittene 
Mazedonische  Frage  dabei  zur  Sprache  bringt,  darf  uns  nicht  Wunder  nehmen, 
unter  voller  Berücksichtigung  der  verschiedenen  über  diese  Frage  laut  ge- 
wordenen Ansichten  (die  auf  S.  174  in  der  Anmerkung  zitierte  Abhandlung 
rührt  nicht  von  Jirecek  her)  trachtet  er  eine  vermittelnde  Stellung  einzu- 
nehmen. 

Auf  die  Frage,  welches  Ziel  Klemens  verfolgte,  lautet  die  Antwort  des 
Verfassers,  daß  er  eine  slavisch-nationale  Kirche,  begründet  auf  dem  leben- 
digen Nationalprinzip,  vor  Augen  hatte.  Mir  scheint  dieses  Bestreben  erst  als 


584  Kritischer  Anzeiger. 

Folgeerscheinung  seiner  späteren  bischöflichen  Würde  zur  Geltung  gekom- 
men zu  sein  und  ich  betone  vor  allem  seine  Unermüdlichkeit  als  Lehrer,  die 
auch  die  Vita  Clementis  an  die  Spitze  stellt.  Zunächst  war  er  sozusagen  als 
kirchlicher  Wanderlehrer  über  Kutmicivica  bestellt,  ob  der  dabei  mitgenannte 
Dovetas  oder  Dometas  wirklich  nur  eine  Koseform  für  Dometianos  ausdrückt, 
darüber  maße  ich  mir  kein  Urteil  an.  Die  Gegend  Kutmicivica  nebst  den 
Orten  Devol  und  Glavenica  wird  näher  geprüft  und  für  die  Grenzbestimmung 
derselben  alle  neueren  Ansichten  einer  Kritik  unterzogen,  der  Verfasser  sucht 
zwischen  beiden  am  meisten  auseinandergehenden  Ansichten,  jener  Balascevs 
und  Novakovics  zu  vermitteln,  und  findet  die  alte  Ansicht  Safariks  der  Wahr- 
heit am  nächsten  stehend.  Seine  Grenzbestimmung  besagt  (S.  182),  Kutmici- 
vica habe  den  ganzen  südwestlichen  Teil  Mazedoniens  und  Albaniens  umfaßt, 
von  Saloniki  bis  zur  Adriatischen  Meeresküste  gegen  Westen,  die  südliche 
Grenze  erstreckte  sich  von  Saloniki  bis  Jericho  über  Kastoria  und  Vodena, 
nur  die  nördliche  Grenze  über  dem  Ochrider  See  könne  nicht  sicher  angegeben 
werden.  Die  etymologische  Erklärung  des  Wortes  ist  sehr  schwierig,  mit  dem 
serbischen  Fremdwort  hutao,  kutlic  hat  es  wohl  nichts  zu  tun.  Auch  die  Be- 
deutung und  Bestimmung  des  xoKhzöaioi'  ist  schwierig,  mit  KXT-h  hat  es  keinen 
Zusammenhang,  näher  liegt  jedenfalls  der  griechische  Ausdruck  xwtwxost, 
x«rwT(xoir  in  der  Bedeutung:  Untere  Gegend,  Unterland  (S.  184).  Hübsch  ist 
von  Tunickij  die  Funktion  Klemens'  als  Lehrer  dargestellt,  unter  Anlehnung 
an  die  Nachrichten,  die  auch  für  Mazedonien  jener  Zeit  gut  stimmen.  Eine 
noch  größere  Aufgabe  stand  Klemens'  bevor,  seitdem  er  von  Symeon  zum 
Bischof  ernannt  wurde,  doch  auch  jetzt  verblieb  dieser  eifrige  Förderer  der 
christlich-slavischen  Kultur  im  Bereich  seiner  Heimatgebiete.  Mag  er  auch 
mit  Symeon  persönlich  bekannt  gewesen  sein,  zu  einem  Hofbischof  des  Für- 
sten wurde  er  nicht  ernannt.  Die  Worte  der  Legende  tniaxono;  J^e^ßliCui 
r]Toi  Belixi^us  und  BovlyccQM  yXiöffa)]  TiQwxog  Iniaxonos  gaben  auch  dem  Ver- 
fasser dieser  Studie  Anlaß,  sein  Schärflein  zur  Erklärung  beizutragen,  nach- 
dem er  die  verschiedenen  bisherigen.  Erklärungsversuche  kurz  berührt.  Vor 
allem  wünscht  er,  daß  wir  uns  wegen  des  lokalen  Heiligenkultus  in  Ochrid 
nicht  verleiten  lassen,  den  Sitz  und  die  Lage  seines  Bistums  in  die  Nähe  von 
Ochrid  zu  rücken,  wozu  in  der  großen  Legende  kein  Anhaltspunkt  gegeben 
sei.  Dann  weist  er  auf  den  großen  Unterschied  in  der  kulturellen  Entwick- 
lung der  Bevölkerung  hin,  die  früher  den  Gegenstand  seiner  Fürsorge  als 
Lehrer  bildete  und  der  stark  zurückgebliebenen  Bevölkerung  seiner  neuen 
Diözese.  Diese  Hervorhebung  des  Wortlautes  der  Legende  ist  allerdings  be- 
gründet, es  fragt  sich  nur,  ob  ihr  die  große  Bedeutung  zukommt,  die  Herr 
Tunickij  daraus  folgert.  Das  könnte  ja  auch  ein  rhetorischer  Aufputz  sein,  um 
seinen  Erfolg  in  der  bischöflichen  Verwaltung  in  einem  um  so  glänzenderen 
Licht  darzustellen.  Für  die  nächste  Nähe  seiner  Diözese  zu  Ochrid  spricht 
zwar  nicht  vieles,  aber  für  die  weite  Entfernung  von  Ochrid  noch  wenigeres. 
Der  Verfasser  fand  in  dem  Verzeichnis  der  Bistümer  Leos  des  Weisen  eine 
Erwähnung  von  zwei  Bistümern  mit  der  Benennung  BeUxeik;,  eine  in  der 
thrakischen  Philippopoler  Metropolie,  die  andere  in  der  mazedonischen  Diö- 
zese ^lUnnotv.    Diese  letztere  Diözese  konnte  infolge  ihrer  Lage  nicht  im 


Tunickij,  Der  hl.  Klemens,  slov.  Bischof,  angez.  v.  Jagic.  585 

X.  Jahrh.  zu  Bulgarien  gehören.  Dagegen  möchte  der  Verfasser  jene  andere 
Diözese,  zu  der  Metropolie  Philippopol  gehörig,  als  immerhin  noch  zu  Bul- 
garien zählend,  wenn  auch  in  dem  Grenzgebiete,  gelten  lassen.  Zum  Überfluß 
fand  er  auch  in  der  Philippopoler  Metropolie  einen  Bischofsitz  Jqa^hCci,  der 
ihn  an  jQBjußiTC«  erinnert.  Und  so  neigt  er  zu  der  Ansicht,  daß  das  Bistum 
Klemens',  irgendwo  im  nördlichen  Rhodope  gelegen,  das  Grenzgebiet  der  bei- 
den Reiche  (byzantinischen,  bulgarischen)  bildete.  So  beachtenswert  auch  alles 
das  vom  Verfasser  Vorgebrachte  ist,  mir  scheint  doch  die  Annahme,  daß  es 
sich  um  ein  Bistum  des  nördlichen  Rhodope,  also  beträchtlich  entfernt  von 
Ochrid,  handelt,  nicht  recht  glaubwürdig.  Es  ergibt  sich  auch  aus  der  großen 
Legende  immerhin  Glavenica  als  der  Hauptsitz  des  Bistums,  denn  wir  lesen 
im  Kap.  24  von  einem  wahrscheinlich  öfters  wiederholten  Gang  aus  Glavenica 
nach  Ochrid  (unter  anderen  soll  der  Zweck  eines  solchen  Ganges  gewesen 
sein:  tov^  t^s-  /w(i«f  tniaxerpo/Ltsi'Of,  bei  diesem  Verbum  erinnert  man  sich  un- 
willkürlich des  Substantivs  Iniay.onogl)  und  Glavenica,  mag  man  sie  suchen 
wo  immer  in  Mazedonien  oder  Albanien,  lag  unvergleichlich  näher  der  Stadt 
Ochrid  als  das  Rhodope.  Die  Nähe  seines  Bistums  zu  Ochrid  würde  auch  am 
besten  seine  ständige  Neigung  zu  diesem  Kulturzentrum  erklären,  die  doch 
selbst  in  der  ausführlichen  Legende  deutlicher  zutage  tritt,  als  es  der  Ver- 
fasser zugeben  möchte.  Endlich  ist  es,  wenn  man  selbst  von  der  Benennung 
nach  Velika  absieht,  möglich  gerade  in  dieser  Gegend,  wo  Glavenica  lag,  auch 
Belica  nachzuweisen  (in  der  Nähe  von  Struga).  Was  aber  die  Deutung  des 
Zusatzes  tiqüjtos  BovXyi'cQO)  y}.waa>i  anbelangt,  so  will  ich  jetzt  gern  der  Auf- 
fassung Tunickijs  den  Vorzug  geben  und  die  Stelle  in  Kap.  20  so  erklären, 
wie  im  Kap.  22,  wo  zweimal  offenbar  die  kirchenslavische  Sprache  gemeint  ist. 
Als  ein  neuer  und  letzter  Abschnitt  des  Werkes  ist  von  den  Umständen 
der  Entwicklung  der  slavischen  Kultur  in  Bulgarien  zu  Ende  des  IX.  und  zu 
Anfang  des  X.  Jahrh.  und  der  Beteiligung  Klemens'  daran  die  Rede.  Auch  in 
diesem  Kapitel  findet  der  Leser  so  manchen  hübsch  ausgeführten  Gedanken, 
darunter  auch  solchen,  gegen  den  ich  Stellung  nehmen  müßte,  wie  z.  B.  gegen 
den  Rückfall  in  die  Auffassung  der  Quellen  späterer  Zeit  sekundärer  Art, 
nach  welchen  Kyrill  und  Method  schon  vor  ihrer  mährischen  Mission  im  Süden 
bei  den  Slaven  Bulgariens,  Thraziens  oder  Mazedoniens  gewirkt  hätten.  Neben 
dem  allgemeinen  Bilde  der  literar.  Tätigkeit  zu  dieser  Zeit  in  Bulgarien  und 
Mazedonien  würden  wir  eine  detaillierte  Analyse  der  Werke  Klemens'  in  for- 
maler Beziehung  und  ihrem  Inhalte  nach  erwarten,  das  wird  vielleicht  bei 
einer  Ausgabe  der  Opera  Osnnia  folgen.  Von  der  Bedeutung  dieses  schönen 
Beitrags  zur  Kunde  der  frühesten  Periode  der  altkirchenslavischen  Literatur 
wird  der  Leser  auch  nach  diesem  Referate  sich  ein  billiges  Urteil  bilden 
können.  V.  J. 

Hpoc-iaB   rop;i;HHCLKHH;    YpHBOK  ITcaJETHpH  XIII — XIVb.     3anHCKH 
HayK,  TOB.  Im.  IIIeBieHKa  y  JlbobI  1911  kh.  6. 

Durch  einen  Zufall  ist  wiederum  ein  Psalterbruchstück  entdeckt  worden. 
In  dem  Einbände  eines  Meßbuches,  welches  dem  gr.  unierten  Pfarrer,  Theodor 


586  Kritischer  Anzeiger. 

Lysiak,  aus  Dow^niw  bei  Beiz  in  Galizien  angehörte,  lagen  lange  Jahre  drei 
Pergaminblätter  verborgen,  deren  Inhalt  Psalmen  bilden.  Prof.  J.  Hordyn- 
skyj  ,  in  dessen  Hände  die  Blätter  kamen ,  publizierte  sie  und  gab  ihnen  den 
Namen  ihres  ehemaligen  Besitzers  »Lysiaks  Psalterbruchstück'.  Bei  dieser 
Publikation  widmete  er  einige  Worte  der  paläographisch-grammatikalischen 
sowie  auch  der  lexikalischen  Seite  des  in  derselben  enthaltenen  Psalmentextes. 
Die  Blätter  sind  cyrillisch  geschrieben  und  ihre  paläographischen  sowie  gram- 
matikalischen Merkmale  beweisen,  daß  das  Bruchstück  sehr  alt  ist.  Der  Ver- 
fasser versetzt  es  mit  Recht  in  die  letzten  Jahre  des  XIII.  oder  höchstens  in 
den  Anfang  des  XIV.  Jahrh.  Ihre  Heimat  dürfte  nach  den  grammatika- 
lischen Merkmalen  Wolynien  sein.  Der  erste  Teil  der  Arbeit  bedarf  in  einem 
Punkte  der  Berichtigung.  Unter  den  Beweisen,  die  das  Alter  des  Bruch- 
stückes bestimmen  sollen,  befindet  sich  das  Wort  4Ph.  Nach  der  Meinung  des 
Verfassers  kann  dieses  Wort  in  der  noch  nicht  zusammengezogenen  Form  als 
Beweis  dienen,  daß  das  Bruchstück  in  das  Ende  des  XIII.  Jahrh.  zu  versetzen 
sei,  denn  nach  dem  XIII.  Jahrh.  sei  nur  die  kürzere  Form  uaph  üblich  ge- 
wesen. Dieser  Meinung  muß  jedoch  folgendes  entgegengehalten  werden:  es 
ist  in  erster  Linie  schwer  zu  sagen,  wann  dieses  Wort  zusammengezogen 
wurde.  Daß  die  kürzere  Form  auch  sehr  alt  sein  kann,  würde  z.  B.  die  Stelle 
aus  dem  Propheten  Daniel  beweisen,  welche  von  Jevsejev  als  methodianische 
Übersetzung  bezeichnet  wird:  a.sii  HaB\-«AH*C'jp'i'  uapt  wkhao\-a  R-k\"h  ris.  a«- 

npopoKa  /üaniHja  XVI},  wobei  man  freilich  nicht  übersehen  darf,  daß  diese 
Form  nur  in  einer  späteren  Abschrift  des  Textes  steht. 

Viel  mehr  Berichtigungen  braucht  der  letzte  Teil  der  Arbeit.  In  metho- 
dologischer Hinsicht  kann  man  diesen  Teil  der  Arbeit  nicht  als  gelungen  an- 
sehen und  der  methodologische  Fehler  hat  den  Verfasser  auch  zu  falschen 
Schlußfolgerungen  verleitet.  Die  Vergleichung  einiger  Stellen  des  Lysiak- 
schen  Psalterbruchstückes  mit  dem  Psalterium  sinaiticnm  wies  auf  manche 
Unterschiede  zwischen  diesen  beiden  Texten  hin.  Anstatt  nun  diese  Unter- 
schiede genau  zu  prüfen  und  die  Varianten  dementsprechend  zu  erklären, 
unterließ  das  der  Verfasser  und  beeilte  sich  mehr  den  formellen  als  den  lexi- 
kalischen Varianten  Gewicht  beilegend  folgende  Schlußfolgerungen  zu  ziehen : 
»Man  muß  zugestehen,  daß  die  Unterschiede  nicht  sehr  groß  sind.  Unser  Ab- 
schreiber bediente  sich  beim  Abschreiben  eines  altkirchenslavischen  Textes, 
veränderte  zwar  diesen  nach  dem  damaligen  Brauch,  in  erster  Linie  aber 
richtete  er  sich  nach  seinem  Vorbilde«  (op.  cit.  24), 

Freilich  konnte  der  Verfasser  nichts  anderes  sagen,  da  er  den  Zweck 
seiner  Erörterungen  nicht  genau  erfaßte,  und  da  er  solchen  Varianten  wie : 
B'K  B-fcKTü  B-kKA  L.  Ps.  gCgenübcr   bt»  a-kK'h.  B-kKcif  Ps.  sin. ,    npaBAA  lero  np-fcKiii- 

Bdl€TK    —    npABAA    eA\OV|'    np'kB'hlBAI€T'h,    «TTv    BTxCTOKA    CAHUK»    —   «Tö    BTiCTÖKTv     (Crtli)- 

Hki^A,  B-K  Hc\-<JA'fe  n3AB-k  —  Bii  ic^ATi  iHrttBTv  ZU  vlcl  Gcwlcht  beilcgtc ,  wlc  dlcs 
der  Fall  ist.  Die  aufgezählten  Unterschiede  sind  zwar  erwähnenswert,  doch 
nicht  von  so  großer  Bedeutung  wie  die  Unterschiede  in  lexikalischer  Hinsicht. 
Die  letzteren  können  uns  bei  der  Bestimmung  der  Übereetzungsfamilie  eines 


Hordynskyj,  Ein  südruss.  Psalterfragment,  angez.  v.  Pankewycz.    587 

altkirchenslavischen  Textes  sehr  große  Dienste  leisten.  Die  Übersetzungs- 
familie  des  gefundenen  Bruchstückes  zu  bestimmen  sollte  also  den  Zweck  des 
letzten  Teiles  der  Arbeit  von  J.  Hordynskyj  bilden,  und  da  er  es  unterließ, 
so  will  ich  diese  Lücke  hier  nachtragen. 

Die  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  Übersetzungskunst  der  altkirchen- 
slavischen Bücher  sind  soweit  fortgeschritten,  daß  wir  mit  leichter  Mühe  be- 
stimmen können,  zu  welcher  Redaktion  der  betreffende  Text  gehört.  Was 
Psalterübersetzung  anbelangt,  so  hat  Pogorjelov  durch  seine  Arbeit  >IIca.a- 
THpu«  (BiöjiioTeKa  mockobckoä  cHHo;iajn.HO]i  Tunorpa<i>iii,  I.  3.  MocKBa  1901)  und 
durch  seine  der  »Cudovskaja  Psaltyr«  gewidmeten  Forschungen  sich  große 
Verdienste  um  diese  Frage  gesammelt.  Seine  Arbeiten  stehen  im  Einklang 
mit  den  Resultaten  anderer  Forscher  wie  Jagiö,  Jevsejev,  Michajlov,  Nachti- 
gall ,  Valjavec  u.  a.,  welche  nicht  nur  das  Schicksal  unserer  altkirchenslavi- 
schen Bücher  durch  weitere  Jahrhunderte  verfolgten,  sondern  durch  ihre 
Arbeiten  die  Übersetzungstätigkeit  beider  Slavenapostel  und  deren  Nach- 
folger genauer  zu  bestimmen  versuchten.  —  Wenn  man  Lysiaks  Psalterbruch- 
stück einerseits  mit  dem  ältesten  Typus  der  slav.  Psalter,  wie  Psalt.  sin., 
bon.,  pogod.,  Psalter  von  Sluck,  Psl.  mih.i  aus  dem  XIII.  Jahrh.  sof.  buc.,  an- 
dererseits wiederum  mit  dem  Simonovischeu  Psalter  vergleicht,  so  ergibt  sich, 
daß  es  in  lexikalischen  Hinsicht  dem  ältesten  Typus  am  nächsten  steht.  Der 
älteste  lexikalische  Bestand  der  altkirchenslav.  Sprache  ist  in  Lysiaks  Bruch- 
stück fast  unverändert  geblieben.  Es  kommen  zwar  in  einigen  Fällen  spätere 
Varianten  vor,  doch  darüber  werde  ich  später  sprechen.  Die  unten  angeführten 
Beispiele  mögen  zur  Unterstützung  meiner  Ansicht  dienen,  da  sie  auch  Pogo- 
rjelov als  charakteristische  Merkmale  der  urspünglichen  Redaktion  in  den  er- 
wähnten Arbeiten  anführt.  Außerdem  finden  wir  dieselben  Wörter  bei  Jagic : 
Zur  Entstehungsgeschichte  der  altkirchenslav.  Sprache,  2.  Aufl.  1913,  §§54 — 56, 
wo  auch  diejenigen  Wörter,  welche  den  ursprünglichen  Zustand  der  altkirchen- 
slav. Sprache  charakterisieren,  aufgezählt  sind.  Es  sind  dies  folgende;  bohh^v  118. 
33, 109, 1 17  (dia  navxSs)  Pog.  XLIX,  Jagiö  §  56 ;  k-kcxciijeti.  111.1  [d-ilw] Pog. LIII; 
rrtovAVA/ÄjCK  CA  118.48  [aSoXeax^^)  Pog.XLVI;  ropA-K  118.  51,  121  {vnsQT^qxcroi] 
Pog.  LIX,  Jag. §  56 ;  .SdKOHonp-fccTovnHHK-h  118.113  {naQayo^aog-) Pog.  LIX,  Jag. § 50 ; 
.sacTovnHHK-K  118.114  (KJ/rdr/7rTwp)Pog.XXXII,  Jag. §56;  .SdMdAO  HO.  10(«^;^?i)  Pog. 
XVII,  Jag. § 54;  H-fcniiitßdX'M  18.39  [vnomEvw]  Pog.LIV,  Jag.§56  ;  «npaBAdHhiellS. 
33,48  [iiixniM^a]  Pog. XLIX;  otpok-k  112.  1  [nalg]  Pog.  XLVIII ,  Jag.  §56;  nt- 
HdAL  118.53  [ccd-v/ula]  Pog.LIV;  ociakhjkhtk  ca  111.6,8  [acdevo/nai]  Pog.  LXIII; 
noHOCAijJHAA'h  II 8. 42  {6t'eiö'iC<jo}  Pog.LVIII,  Jag.  §56;  noHomiHKie  118.39  {ousido^) 
Pog.  LVIII,  Jag.  §  56;  npHrsosAH  118.  119  {xa&rjXöw)  Pog.  LVIII,  Jag.  §  56; 
pdAH  118.  118  (cFta,  t^Bxey]  Pog.LI,  Jag.  §  56;  ctksa  118.  35  {TQißo^)  Pog.  LXIII; 
covAi'Ko  118.  43,  52,  108  {xQif.ia)  Pog.  LV;  c^ma  111.  2  (ffniQ/na)  Pog.  XXXII, 
Jag.  §  56;  c-hB-kAiHkie  118.  31,  36,  111,  119  [ixaQxvQioy]  Pog.  LVI,  Jag.  §  56; 
oyfKAOHHTt  CA  118.  115  (ixxAtVw)  Pog.  L;  ovhhmk:kha'1i  118.  118  [l^oväevöoi ,  Uov- 
d-eyicj)  Pog.  LI,  Jag.  §  56;  «.s-hiK-hi  112.  4  {ed-yo^)  Pog.  L,  Jag.  §  56.  Weitere 
Parallelen  sind  in  zitierten  Werken  von  Jagic  zu  finden.  Im  §  54 :  E'KSBpdTHTH 
113.  3  [axqicpoi),  aiatbtv  111.  4  {olxTiQ/ucjy),  ©KAdCTh  113.  2  [k^ovaia.],  npABA*»  Hl. 
9,118.40,  120  [ö'ixKioavyf],   <J?vt//s);  im  §56:  K-fcAKMH  118.51  (fwf   acpoÖQu), 


588  Kritischer  Anzeiger. 

R-kcx-oT-tjCh  118.  35,  B'hJKA'A'kx''^  118.40  [ini&vjui(o),  fah^'w  118.46  ßiyw),  a^ht».- 
AtJKe  111,  8  (Iwf),  HCTHHiiHa  118.  43  [aXrjd-Tjs,  aXr]&iy6^),  rtH)f«HA»KCTKO  118.  30 
{nXeoyeSici) ,  MHAoyia  111,  5  {olxTeiQü)) ,  HdeA'fcA«K'J\"K  118.  111  {x'Arjpoyo^io}) ,  ui- 
nAOABf  112.  9  [aTtlna],  nocpdAVH  118.  31  (xarß<(r;^i;i'w) ,  p^AT^  111.  2  [cpvais'),  ck- 
)fpdHK>  118.  44  {(pv).('(Tico) ,  ov-STipHTk  111.  10  [tdelt',  oxpea&cu),  c\'B'kA\k  118.  125 
[yrcüoca],  o\|-nC'EdTH  111.  7,  118.43,  114  {tXniCo) ,  *vtb£pah  111,  8  [aiTjQiCM),  \'b<j- 
AHTf  112.  1  {evxuQiGTEvw].  Dbi  Vergleich  dagegen  mit  dem  Simonovischeu 
Psalter  bringt  nur  Beweise  dafür,  daß  Lysiaks  Bruchstück  in  keiner  Weise 
mit  jener  Redaktion,  welcher  auch  Sim.  Ps.  angehört,  in  Übereinstimmung 
steht.  Verschiedene  Übersetzungsweise,  die  Vertretung  der  ursprünglichen 
Wörter  durch  andere  spätere,  sprechen  entschieden  dagegen.  Obwohl  Lysiaks 
Bruchstück  sehr  klein  ist,  sind  doch  die  Varianten  in  solchem  Maße  vorhan- 
den, daß  sie  zur  Unterstützung  unserer  Meinung  wohl  ausreichen  werden. 
Das  ursprüngliche  ckAtA  111.  2  [ant^/ua)  in  L.  Br.  wird  im  Sim.  Ps.  durch  hava 
ersetzt,  B-kAhA\H  118.  51  {acp6(^Qa)  durch  .3"fcAo,  rA»\'A\A/Äj(TiCA  118.  48  {cc&oXBa}(i(o] 

durch    n£Hd\"hC/Ä,    SdCTOVnHHKIi    118.    114  {äyTÜj/TlliOQ)  durch  SAipHTHHKTi,  npaBA^HTi 

111,  4  [dixccio^)  durch  npasAHB-h.  Nur  ein  einziges  Wort  npocTpancTBO  118.  45 
[nXaTva/uos']  scheint  aus  der  späteren  kommentierten  Redaktion  entlehnt  wor- 
den zu  sein.  In  diesem  Punkte  stimmt  es  mit  Sim.P.  überein,  wofür  wir  in  der 
ursprünglichen  Redaktion  lUHpora  haben.  Damit  wäre  die  Schwierigkeit  schon 
behoben,  wenn  wir  noch  zwei  Varianten  richtig  zu  erklären  imstande  sind.  Im 
L.Bruchstück  haben  wir  im  Psalm  1 1 1, 8  hj  hoarhjkhtk  ca,  dagegen  aber  im  Sim. 
Ps.  eine  andere  Lesart :  n£  cvk^hti»  ca.  Hier  ist  auch  in  ältesten  Psalterien 
verschiedene  Lesart  bemerkbar.  Psalt.  sin.  pog.  sof.  haben  die  erste,  Pealt. 
bon.  buc.  dagegen  die  zweite  Lesart.  Dieser  Unterschied,  wie  schon  Jagid 
(op.  cit.  S.  470j  bemerkt  hat,  erklärt  sich  durch  verschiedene  Lesarten  des 
griechischen  Textes  oii  /ut]  aa^ev^T/asTcu  :  ov  (foßrj^T^aeiai,  Auf  etwas  an- 
dere Weise  muß  man  einen  anderen  Unterschied  erklären.  Im  Ps.  118.51 
lesen  wir  in  Lysiaks  Bruchstück  H-fc  ovB«rax"k  ca,  in  allen  anderen  wie  sin. 
bon.  pog.  auch  sim.  m  ovka^hh\"k  ca,  nur  buc.  m  c)\-AaAH\-ct.  Der  Übergang  der 
Bedeutungen  "von  m  o\-kaohhth  ca  zu  hj  o\'AaAHTH  ca  und  h£  o^'kohth  ca  ist 
nicht  sehr  groß  und  kann  hier  auf  die  Rechnung  eines  Abschreibers  gesetzt 
werden,  der  sich  die  Abweichung  erlaubte,  ohne  durch  den  griech.  Text  dazu 
veranlaßt  gewesen  zu  sein.  Wir  können  daher  sagen:  Lysiaks  Psalterbruch- 
stück gehört  in  lexikalischer  Hinsicht  zu  derselben  Übersetzungsfamilie  wie 
Psalt.  sin.  bon.  pog.,  Ps.  v.  Sluck,  sof.  buc,  d.  h.  zu  der  ursprünglichen  ältesten 
nachweisbaren  Redaktion.  Der  Abschreiber  bediente  sich  nur  hier  und  da 
der  Abweichungen  von  der  ursprünglichen  Redaktion.  Diese  Abweichungen 
beruhen  teilweise  auf  der  Verschiedenheit  der  griechischen  Texte,  teilweise 
stehen  sie  mit  den  früh  begonneneu  lexikal.  Modifikationen  im  Zusammenhang. 

Dr.  Iican  Pankeivycz. 


Schulausgaben  tschech.  Schriftsteller,  angez.  v.  Vyböral.  589 

Hölder8  Schulausgaben  tschechischer  Schriftsteller. 
1.  Bozena  NSmcovd,  Babicka.  Obrazy  venkovskeho  zivota.  (Aus- 
wahl.) Für  den  Schulgebrauch  herausgegeben  von  Dr.  Norbert 
Fein.  8»,  VII  +  121  S.;  geb.  1.20  Kr.  —  2.  Karl  Jaromir 
Erben^  Kytice  z  povesti  narodnich.  Für  den  Schulgebrauch  her- 
ausgegeben von  Dr.  Franz  Taussig.  8^*,  94  S.;  geb.  1  Kr.  — 
3,  Tschechische  Novellen  I.  Die  humoristische  Novelle  im  Vor- 
märz: Langer,  Rubes,  Tyl,  Chocholousek.  Für  den  Schulgebrauch 
herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Oskar  Donath.  8".  125  S. ;  geb. 
1.20  Kr.  —  4.  Tsehechische  Novellen  IL  Die  Dorfgeschichte. 
Bozena  Nemcova:  Pohorska  vesnice.  Für  den  Schulgebrauch 
herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Oskar  Donath.  S^*,  157  S. ; 
geb.  1.40  Kr. 

Im  Verlage  des  Wiener  Hof-  und  Universitätsbuchhändlers  Alfred  Holder 
erscheint  seit  kurzem  eine  Sammlung  tschechischer  Autoren  für  deutsche 
Mittelschulen.  Trotz  der  Mängel,  die  den  ersten  Bändchen  anhaften,  ist  sie 
freudig  zu  begrüßen,  denn  sie  bedeutet  den  ersten  ernsten  Versuch  deutscher 
Professoren ,  die  deutschen  Mittelschulen  mit  der  Literatur  des  Nachbarvolkes 
vertraut  zu  machen.  Über  den  Ursprung  der  Sammlung  sagt  der  Heraus- 
geber des  ersten  Bändchens,  Dr.  Fein,  in  seinem  Begleitworte  folgendes:  »Sie 
ist  dem  dringenden  Bedürfnisse  entsprungen,  den  Unterricht  in  der  zweiten 
Landessprache  an  den  deutschen  Mittelschulen  der  Sudetenländer  durch  er- 
folgreich gepflegte  Privatlektüre  auszugestalten.  Die  Instruktion  für  den 
Unterricht  in  der  zweiten  Landessprache  verlangt  eine  gebührende  Förde- 
rung der  Privatlektüre  seitens  der  Schule  und  auch  die  Lehrer  wissen 
den  Wert  der  Privatlektüre  einzuschätzen;  der  Schüler  soll  auf  Grund  der 
Lektüre  in  die  wichtigsten  Erscheinungen  der  böhmischen  Literatur  ein- 
geführt werden.  Soll  sie  aber  von  Erfolg  begleitet  sein ,  muß  dem  Schüler 
eine  geeignete  Auswahl  des  Besten,  was  die  böhmische  Literatur  aufzuweisen 
hat,  geboten  werden.  Die  vorliegende  Sammlung  soll  diesem  fühlbaren  Mangel 
an  zweckentsprechender  Auswahl  in  Ausgaben,  die  dem  Unterrichte  an  deut- 
schen Mittelschulen  angepaßt  sind,  abhelfen.«  Nach  den  ersten  vier  Bänd- 
chen, die  im  Jahre  191.3  erschienen,  zu  urteilen,  sind  die  Herausgeber  der 
Hölderschen  Schulausgaben  tschechischer  Dichter  und  Schriftsteller  bemüht, 
die  Aufgabe,  die  sie  sich  zu  einer  idealen  Pflicht  gemacht,  redlich  zu  erfüllen. 
Freilich  ist  die  Sammlung  in  ihren  ersten  Anfängen  —  und  dazu  ist  sie  sozu- 
sagen über  die  Nacht  entstanden  —  und  so  haftet  ihr  noch  so  mancher  Mangel 
an,  den  die  Praxis  bald  aufdecken  und  eine  sorgfältige  Redaktion  in  der  Zu- 
kunft beseitigen  wird. 

Vor  allem  wird  es  wohl  nötig  sein,  daß  man  mit  Rücksicht  auf  die  deut- 
sche Mittelschuljugend,  für  welche  die  neue  Sammlung  als  Studienbehelf  be- 
stimmt ist,  für  möglichst  fehlerfreie  Texte  sorge  und  daher  den  Nenausgaben 
immer  die  sprachlich  reinste  ältere  Ausgabe  zugrunde  lege  und  selbst  die, 


590  Kritischer  Anzeiger. 

wo  es  angezeigt  erscheint,  korrigiere  oder  mit  Fußnoten  versehe.  Ferner 
werden  die  Kommentare,  die  sich  den  Texten  anschließen,  viel  reichhaltiger 
sein  und,  weil  es  sich  um  Privatlektüre  handelt,  auch  grammatikalische  Er- 
klärungen geben  müssen.  In  den  Einleitungen  wird  man  wohl  der  ästhetischen 
Würdigung  der  betreffenden  Werke  mehr  Aufmerksamkeit  zuzuwenden  haben 
und  die  literarhistorischen  Partien  wird  man  auf  Grund  der  letzten  maß- 
gebenden wissenschaftlichen  Arbeiten  bearbeiten  müssen.  Wenn  die  ersten 
Bändchen  nicht  so  ausgefallen  sind,  wie  wir  sie  gerne  sehen  möchten,  so  er- 
klärt sich  daraus  zum  guten  Teil  die  mangelhafte  Literatur-  und  Quellenangabe, 
die  oft  eine  geradezu  schwere  Anklage  gegen  den  Herausgeber  erhebt.  So  ver- 
gaß Dr.  Fein  gerade  die  besten  zwei  Werke  der  Nemcovä-Literatur  zu  Rate  zu 
ziehen:  die  gründliche  Monographie  »BozenaNemcovä«  von  V.Tille  (PraglOll) 
und  das  jüngste  Sammelwerk  »BozenaNemcovä«  —  Sbornik  stati  o  jejim  zivote 
adile.  1820— 1862  —  (Karolinental  1913);  Dr.  Taussig  ignorierte  bei  der  Her- 
ausgabe der  »Kytice«  die  bekannte  kritische  Ausgabe  Erbens  von  Jaroslav 
Sutnar  [Prag  1905)  und  die  ausgezeichnete  tschechische  Schulausgabe  von 
Schenk  und  Straka  Hohenstadt  1901);  und  beide  Herausgeber  kennen  nur 
die  erste  Auflage  des  Handbuches  der  tschechischen  Literatur  von  Jan  Noväk 
und  Arne  Noväk  (Olmütz  1910),  das  bereits  beinahe  ein  Jahr  durch  eine  viel- 
fach verbesserte  2.  Auflage  ersetzt  ist.  Die  Rücksicht  auf  die  deutschen 
Schüler  verlangt  ferner,  daß  man  ihnen  auch  die  betreffenden  literarischen 
Behelfe,  die  in  deutscher  Sprache  erschienen  sind,  in  der  Einleitung  nenne. 
Trotzdem  finde  ich  dort  weder  die  bekannte  Geschichte  der  tschechischen 
Literatur  von  J.  Jakubec  und  A.  Nov.äk  genannt,  noch  einen  hinreichenden 
Hinweis  auf  die  deutsche  Übersetzung  der  »Babicka«  's.  w.  u.)  oder  auf  die 
Übersetzungen  aus  Erben  in  Ed.  Alberts  »Poesie  aus  Böhmen«  (Wien  1S93). 
Endlich  wird  man  sich  auch  über  einen  einheitlichen  und  konsequenten  Ge- 
brauch der  Vornamen  der  tschechischen  Schriftsteller  einigen  müssen ,  damit 
man  gleich  von  vornherein  etwaigen  Zweifeln  und  Verirrungen  ausweiche, 
die  nur  allzuleicht  möglich  sind,  wenn  der  Schüler  Namen  wie:  Wenzel 
Matth.  Kramerius,  Johann  Hybl,  Johann  Rulik,  Frant.  Boh.  Tomsa^ 
Wenzel  Klemens  Klicpera,  Jan  Jindrich  Marek,  Frantiska  Sträneckä 
und  Wenzel  Kosmäk,  Wenzel  Vlcek,  Methodej  Jahn,  Wilh.  Mrstik,  Jiri 
Sumin  u.  dgl.  neben-  und  durcheinander  liest.  Soviel  im  allgemeinen.  Und 
nun  zu  den  einzelnen  Bändchen. 

Daß  die  neue  Sammlung  gerade  mit  der  -Babicka«  der  Bozena 
Nemcovä  eingeleitet  wurde,  hat  seinen  guten  Grund.  Neben  der  leichten 
Faßlichkeit  seiner  Sprache  und  seines  hohen  ästhetischen  Wertes  hat  das  Buch 
d,en  unleugbaren  Vorzug,  daß  es  den  Leser  auf  eine  reizende  Art  mit  der  Seele 
des  Volkes,  dem  es  entstammt,  bekannt  macht.  Es  ist,  wie  der  Herausgeber 
betont,  >ein  Stück  der  Heimatkunde,  das  dem  Schüler  geboten  wird.  Natur- 
wahre Gestalten  aus  dem  Volke  werden  ihm  vorgeführt;  er  lernt  die  Sitten, 
Gebräuche,  Sagen  und  Märchen,  die  Sprache,  das  Denken  und  Fühlen  des 
Volkes  kennen.«  Leider  hat  sich  Dr.  Fein  durch  die  Rücksicht  auf  den 
Zweck  des  Buches  zu  übertriebenen  Kürzungen  hinreißen  lassen,  die  nicht  nur 
dem  künstlerischen  Werte  des  Werkes,  sondern  sogar  dem  Verständnisse 


Schulausgaben  tschech.  Schriftsteller,  angez.  v.  Vyböral.  ,501 

stark  nachteilig  sind.  Am  peinlichsten  berührt  es  in  der  Geschichte  der  Vik- 
torka,  deren  Tod  und  Begräbnis  nach  Hinweglassung  ganzer  Kapitel  zu  min- 
dest gar  sonderbar  erscheinen.  —  Die  Einleitung  Dr.  Feins,  die  mit  einem 
kurzen  Kapitel  über  das  Leben  und  die  Werke  der  Nemcovä  anfängt,  um  sich 
dann  speziell  mit  der  »Babicka «  zu  befassen,  vergißt,  daß  sich  das  Werk  selbst 
als  '>Obrazy  venkovskeho  zivota«  bezeichnet  und  spricht  davon  irrtümlicher- 
weise als  von  einem  Eoman.  Leider  ist  das  nicht  der  einzige  Fehler  der  Fein- 
schen  Einleitung.  Die  fehlerhafte  Schreibweise  Jan  P/ankl  (Vater  der  Bozena 
Nemcovä)  statt  Pankl,  könnte  man  wühl  als  einen  Druckfehler  bezeichnen, 
wenn  sie  nur  nicht  zweimal  vorkommen  würde.  Bei  Dr.  Donath  lesen  wir  in 
dem  vierten  Bändchen  der  Schulausgaben  den  richtigen  Namen,  leider  behält 
aber  auch  der  Herausgeber  der  :>Pohorskä  vesnice«  das  Jahr  1863  statt  1862 
als  Todesjahr  der  Nemcovä  bei.  Am  wenigsten  ist  Dr.  Fein  das  gelungen, 
was  er  über  den  Schauplatz  der  Handlung  der  »Babicka«  sagt.  Ein  flüchtiger 
Blick  auf  eine  Skizze,  wie  sie  z.  B.  in  der  bei  Jindrich  Lorenz  in  Trebitsch 
(1906)  erschienenen  Ausgabe  der  »Babicka«  zu  finden  ist,  belehrt  deutlich, 
daß  die  Angaben  Dr.  Feins  verworren  und  auch  unrichtig  sind.  Außerdem 
wäre  zu  bemerken,  daß  die  Familie  Prosek  das  sogenannte  »Star6  belidlo« 
trotz  der  wiederholten  Behauptung  des  Herausgebers  niemals  bewohnte. 
Unter  den  Übersetzungen  der  »Babicka«  sollten  —  falls  die  Aufzählung  voll- 
ständig sein  sollte  —  auch  die  Übersetzung  ins  Eumänische  und  Italienische 
angeführt  werden ;  bei  der  deutschen  hätte  es  schon  die  Rücksicht  auf  die 
Schüler  verlangt,  daß  wenigstens  der  Übersetzer  (Anton  Smital)  und  dieSamm- 
lung,  in  der  sie  erschienen,  (Universal-Bibl.  Nr. 2057 — 2059)  genannt  werde.  — 
Der  Text  unserer  Ausgabe  ist  der  2.  Auflage  der  Koberschen  Ausgabe  aus 
dem  Jahre  1892  entnommen  und  behält  ohne  Rüchsicht  auf  den  praktischen 
Zweck  des  Büchleins  eine  ganze  Reihe  Verstöße  gegen  Grammatik  und  Ortho- 
graphie bei.  Dazu  kommt  noch  die  ziemlich  große  Anzahl  Druckfehler,  die 
den  Lernenden  beirren.  Daß  die  Ausgabe  Dr.  Feins  an  solchen  fehlerhaften 
Stellen  nicht  gerade  arm  ist,  mögen  wenigstens  folgende  Beispiele  aus  dem 
letzten  Kapitel  zeigen:  budu-li  ziva  a  zdrava,  (st.  zdrava)  S.  107;  vyskli  si  (st. 
vt/skli)  S.  109;  jsem  take  dost  cerstva  (st.  cerstva)  S.  HO;  venec  s  chvoje  (st. 
~  chvoje)  S.  111;  komtesa  Hotensie  (st.  Hortensie)  S.  112;  jine  mysle'nky  (st. 
myslenky)  S.  114;  ale  zkalily  oci  (st.  nezkalily)  S.  115;  pruvod,  zalezeje  (st, 
zalezeje)  S.  116.  —  Auch  die  Anmerkungen,  die  für  deutsche  Schüler  bei  wei- 
tem reichlicher  sein  sollten,  lassen  so  manches  zu  wünschen  übrig.  Daß  die 
Phrase:  »jdete  mi  k  sipku!«  S.  117  im  Munde  der  idealen  Großmutter  niemals 
im  Deutschen:  »gehet  mir  zum  Teufel!«  lauten  dürfte,  ist  ganz  sicher,  beson- 
ders, da  es  an  entsprechenden  Phrasen  wie  z.B.:  »Hol'  euch  derKukuk!«  nicht 
mangelt.  Wenn  der  Herausgeber  das  Wort  petrklic  mit  podleska  identifiziert 
(S.  117),  so  ist  er  im  Irrtum;  denn  ersteres  ist  der  Name  der  Schlüsselblume, 
letzteres  der  Anemone.  Daß  pomazänka  (S.  118)  nicht  Butterbrot,  sondern 
Butter  bedeutet,  zeigt  deutlich  der  Text;  statt  pece  =  Backofen  (S.  117)  sollte 
es  richtig  heißen  pec  u.  dgl.  Außerdem  wäre  es  wohl  angezeigt  gewesen, 
wenigstens  gebräuchlichere  tschechische  Wörter  nicht  einfach  durch  ähnliche 
deutsche  zu  umschreiben,  sondern  auch  zu  erklären;  mit  Erklärungen  wie  ho- 


592  Kritischer  Anzeiger. 

lätko  =  Herzenskind  (S.  117),  neomalny  =  grob  und  vykrisati  se  =  zu  sich 
kommen  (S.  118),  baiiky  säzeti  —  Aderiassen  und  za  pac  =  billig  (S.  119),  ist 
nicht  viel  gesagt. 

Viel  besser  als  die  Ausgabe  der  »Babicka«  von  Dr.  Fein  ist  im  all- 
gemeinen Dr.  Taussigs  Ausgabe  der  »Kytice  z  povesti  närodnich« 
von  Karel  Jaromir  Erben.  —  In  der  Einleitung  berührt  der  Herausgeber  die 
Renaissance  der  tschechischen  Literatur  im  ausgehenden  XVIII.  Jahrhundert 
und  das  Interesse  für  die  Volkspoesie  in  den  folgenden  Jahrzehnten,  erinnert 
an  dieselbe  Erscheinung  in  der  deutschen  Literatur  (Herder,  Arnim  und  Bren- 
tano, die  Brüder  Grimm)  und  gelangt  über  Hanka,  den  ersten  Nachahmer  des 
tschechischen  Volksliedes,  und  Celakovsky,  den  Dichter  der  »Ohlasy«,  zu 
Erben,  mit  dessen  Leben  er  den  Leser  kurz  und  richtig  bekannt  macht.  Auch 
das,  was  er  über  die  »Kytice«  sagt,  ist  im  allgemeinen  richtig.  Bedenklich  ist 
nur  die  Behauptung,  daß  sie  »unbestreitbar  das  beste  Werk  ist,  das  bis  dahin 
in  tschechischer  Sprache  erschienen  ist«  (S.  5).  Haben  wir  doch  vor  dem 
Jahre  1853,  wo  die  erste  Ausgabe  erschien,  Kollärs  »Slävy  dcera«  (182-1),  Cela- 
kovskys  >Ohlasy  pisni  ruskych«  (1S29)  und  Ohlasy  pisni  ceskych«  (1840)  und 
Mächas  »Maj«  (1836),  die  einen  Vergleich  mit  der  »Kyrice«  wohl  ertragen. 
Bei  der  Besprechung  des  Charakters  der  Erbenschen  Balladen  fehlt  die  Be- 
tonung des  wichtigsten,  ethischen  Grundzugs  aller  dieser  Gedichte  Erbens, 
bei  der  Besprechung  ihrer  Sprache  mit  ihrer  künstlerischen  Form  die  Beto- 
nung des  Musikalischen  der  Sprache  und  des  Dramatischen  im  Aufbau  (S.  6). 
Wenn  auf  S.  7  die  stoffliche  Verwandtschaft  des  Gedichtes  »Svatebni  käile<o 
mit  Bürgers  »Lenore«  hervorgehoben  wird,  hätte  man  auch  nicht  Mickie- 
wiczs  >Ucieczka<  vergessen  sollen.  —  Der  vorliegende  Text  ist  der  Ausgabe 
letzter  Hand  (1871)  neu  entnommen  und  weist  daher  wieder  viele  Stellen  auf, 
die  in  einem  Buche,  aus  dem  man  die  Sprache  erlernen  will,  nicht  vorkommen 
sollten.  Als  Beispiel  seien  hier  aus  dem  Gedichte  »Stedry  vecer«  folgende 
angeführt:  stedry  den  (st.  .Stedry  den)  S.66;  dve  jmena  (st.  jme'na)  S.67;  jest 
li  ze  (st.  jestlize)  S.  67;  dv^^'i-e  (st.  dvere)  S.  68;  Väcslav  (st.  Vädav)  S.  68;  kde 
»iäs  bude  kterä?  (st.  kde  z  näa  bude  kterä?)  S.  70  —  In  seinen  Anmerkungen 
geht  Dr.  Tausig  weiter  als  Dr.  Fein  und  unterstützt  den  Lernenden  durch  eine 
Reihe  etymologischer  Hinweise,  wie:  zzeli  se  mi  nekoho  (zel,  zalost),  materi 
douska  (matka,  diise),  sudice  (souditi)  auf  S.  85  u.  dgl.  Leider  sind  auch  ihm 
in  den  Erklärungen  einige  Fehler  unterlaufen.  So  ist  z.  B.  moudr:i  rada  nicht 
mit  »ein  weiser  Ratgeber« ,  sondern  einfach  mit  »weiser  Rat«  zu  übersetzen 
(S.  85);  vnada  =  (weiblicher)  »Reiz«  brauchte  man  wohl  auch  in  einer  Schul- 
ausgabe nicht  mit  dem  Worte  »Lockspeise«  wiederzugeben  (S.  86);  bodejz 
(S.  87)  ist  nicht  »Buh  dejs«,  sondern  »Buh  dejz«  gleichzusetzen;  zloba  (S.  87) 
ist  nicht  »Ärger«,  sondern  »ein  böser,  zorniger  Mensch«,  resp.  in  dem  vor- 
liegenden Falle  »ein  zorniges  Kind«;  hmit  (S.  87)  nicht  »Knochen«,  sondern 
»Fuß,  Bein«;  ovauouti  (S.  87)  »anwehen«  verwechselt  der  Herausgeber  mit 
ovinouti  und  erklärt  es  als  »umfassen«.  Und  wieder  finden  wir  eine  Reihe 
Wörter,  die  nur  mangelhaft  oder  gar  nicht  erklärt  sind.  So  ist  die  Erklä- 
rung: namichati  =  vergiften  (S.  86)  gewiß  unzulänglich;  zu  der  Form  majic 
(S.  11)  st.  majice  fehlt  die  Erklärung,  daß  sie  volkstümlich  für  alle  drei  Ge- 


Schulausgaben  tschech.  Schriftsteller,  angez,  v.  Vyböral.  593 

schlechter  und  beide  Zahlen  gebraucht  wird;  auf  S.  53  verdiente  das  substan- 
tivierte Adjektivum  nebesko  statt  des  gebräuchlichen  subst.  nebe  einiger  Auf- 
merksamkeit; ähnlich  die  instr.  compar.  lunou  und  sluncem  und  m.  a.  Noch 
mehr  ist  es  zu  bedauern,  daß  sogar  in  den  Anmerkungen  mehrere  Fehler 
gegen  die  Orthographie  zu  finden  sind:  zanikati  (st.  zan«kati)  S.  87;  n<fdej  (st. 
nadeje)  S.  89 ;  tipenlivy  (st.  ?<penlivy)  S.  93. 

Die  nächstfolgenden  Bändchen  der  Schulausgabe  sind  der  tschechischen 
Novellistik  gewidmet  und  sollen  »den  Schülern,  soweit  es  im  Rahmen 
der  Möglichkeit  ist,  ein  beiläufiges  Bild  der  tschechischen  Belletristik  im 
XIX.  Jahrhunderte  bieten«.  Vorläufig  erschienen  zweiBändchen  tschechischer 
Novellen,  beide  von  Dr.  Donath  herausgegeben.  Das  erste  davon,  »Die 
humoristische  Novelle  im  Vormärz«,  ist  nur  wegen  der  Einleitung 
von  Bedeutuag.  In  seiner  schönen  »Übersichtlichen  Darstellung  des  neu- 
böhmischen Romans«  geht  der  Herausgeber  auf  die  Anfänge  des  tschechischen 
Romans  im  XIX.  Jahrhundert  zurück,  bespricht  dann  eingehender  den  histo- 
rischen, den  Dorf-  und  den  sozialen  Roman  und  ihre  wichtigsten  Vertreter, 
worauf  er  einen  kurzen  Überblick  des  Romans  seit  den  70  er  Jahren  folgen 
läßt,  der  freilich  nicht  genug  kritisch  und  erschöpfend  ist.  So  mutet  es  uns 
ganz  eigentümlich  an,  wenn  wir  unter  den  Schriftstellern,  deren  Belletrie  in 
der  Seele  des  Volkes  wurzelt,  neben  einem  J.  Herben  einen  F.  Horensky  fin- 
^Aen,  oder  wenn  wir  unter  dem  Namen  der  wichtigsten  Vertreter  des  neuen 
tschechischen  Romans  Schriftsteller  wie  F.  X.  Svoboda,  Rüzena  Svobodovä, 
J.  Laichter,  A.  Sova,  V.  Dyk  vermissen.  In  dem  folgenden  Kapitel  seiner 
Einleitung  entwirft  sodann  der  Herausgeber  ein  Bild  der  tschechischen  humo- 
ristischen Novellistik  im  Vormärz  unter  besonderer  Berücksichtigung  der 
Schriftsteller  Jaroslav  Langer,  Frantisek  Jaromir  Rubes ,  Josef  Kajetan  Tyl 
und  Prokop  Chocholousek,  deren  Arbeiten  er  in  seiner  Ausgabe  bringt.  So 
sehr  wir  uns  darüber  freuen,  daß  es  Dr.  Donath  gut  gelungen  ist,  den  deut- 
schen Mittelschüler  durch  seine  literarhistorische  Einleitung  in  die  Geschichte 
der  neueren  tschechischen  schönen  Prosa  einzuführen,  so  sehr  zweifeln  wir, 
daß  seine  Auswahl  den  praktischen  Zweck  erreichen  wird,  der  ihr  vorschwebt. 
Vor  allem  ist  der  Wert  der  tschechischen  Schildbürgergeschichten  —  und  den 
meisten  Platz  nehmen  in  dem  dritten  Bändchen  der  Schulausgaben  die  Ge- 
schichten aus  Kocourkov  ein  —  sicher  nur  noch  historisch,  Ihre  künstlerische 
Seite  ganz  unbedeutend  und  ihr  Humor,  der  das  Interesse  der  Schüler  wecken 
sollte,  langweilig  und  schwerfällig.  Daneben  fällt  aber  gleich  schwer  auf  die 
Wagschale  die  sprachliche  Seite  der  ausgewählten  Stücke.  Dr.  Donath 
meint,  »der  Text  biete  keinerlei  Schwierigkeiten« ;  ich  dagegen  finde  ihn 
nicht  nur  wegen  der  allzuvielen  Formen,  die  er  enthält,  schwierig,  sondern 
wegen  der  Unzahl  seiner  Germanismen  geradezu  für  deutsche  Mittelschüler 
bedenklich.  Außerdem  ist  er  oft  sehr  fehlerhaft.  Wie  viel  man  an  ihm  ändern 
müßte,  um  ihn  wenigstens  ohne  sprachliche  Bedenken  einem  Lernenden  in 
die  Hand  geben  zu  können,  sollen  folgende  Belege  aus  der  Novelle  »Pan 
Trouba«  von  Rubes  zeigen  (wobei  noch  der  fehlerhafte  Gebrauch  des  Pron.  3. 
sg.  m.  »on<  und  der  Konjunktion  »ale«  —  mitten  im  Satze  —  unberücksichtigt 
bleiben):  ouHd  (st.  «fad)  S.  37,  57;  mlejn  (st.  ml^n)  S.37,  54;  mlzko  (st.  mlekoj 

Archiv  für  slaviscLe  Philologie.    XXXV.  38 


594  Kritischer  Anzeiger. 

S.  37;  po;-^u  (st.  jje?m)  S.  38;  strikovat  (st.  plesti)  S.  39;  mela  jednoho  hlasu 
(st.  jeden  blas)  S.  39;  v  sesi  (st.  sezenf)  S.  39),  o  mnoho  dulezitych  vecech  (st. 
o  mnoha)  S.  40);  «tudovaneho  (st.  itudovaneho)  S.  41,  49,  55;  studilch  (st.  sta- 
diich)  S.  41;  «tadentikem  (st.  .^^tudentikem)  S.  41 ;  na  kamene  (st.  na  karaeni) 
S.  42;  na  kanapi  (st.  na  pohovce)  S.43,56;  po  jarmarce  (st.  po  vyrocnim  trhu) 
S.  43;  to  nemohu  slouzit  (st.  iixn.  nemohu  slouzit)  S.  43;  cele  moje  gusto  (st. 
cely  müj  vkus)  S.  44;  ncspoulil  hubu  (st.  nospoulil)  S.44;  «tudie  (st.  studie) 
S.  45;  studentske  (st.  stndentsk6)  S.  45;  prer/ce  (st.  prece)  S.  45;  kostaje  dva 
zlat6  (st.  stoji  dva  zlate)  S.  46;  myslc'nka  (st.  mysl^nka)  S.  47;  strlbrnou  pik- 
slu  (st.  tabaterku)  S.  48;  k  sirok^  sesli  (st.  zidli)  S.  49;  tento  hovor  byl  naslu- 
chal  (st.  tomuto  hovoru)  S.  51 ;  se  svou  pdni  (st.  poni)  S.  51;  poklo^koväni  (st. 
pokloHkoväni)  S.  52;  proi'tudovanou  (st.  prostudovanou)  S.  54;  outery  (st. 
?«tery)  S.  54;  piglovaly  (st.  zehlely)  S.  54;  instrukci  (st.  instrukci)  S.  57. — 
Auch  in  den  Anmerkungen,  die  sonst  sorgfältig  sind,  finden  sich  einige  Fehler: 
podly(S.  119)  ist  »nebenstehend«  und  nicht  »niedrig«;  trouba  (S.  122)  heißt 
nicht  »Eohr«,  sondern  »Pfeifenrohr« ;  Sahorsch  für  Zähori  ist  keine  Erklärung. 

Das  zweite  Bändchen  der  »tschechischen  Novellen«  widmet  Dr.  Donath 
der  Dorfgeschichte,  als  deren  Vertreter  er  die  »Pohorskä  vesnice«  der 
Bozena  Ncmcovä  den  Schülern  vorlegt.  Da  über  NemcovA  bereits  in  dem 
ersten  Bändchen  der  >Scbulau8gaben«  Dr.  Fein  geschrieben,  begnügt  sich  der 
Herausgeber  der  »Pohorskä  vesnice«  in  seiner  Einleitung  mit  wenigen  Worten 
über  die  Autorin,  bespricht  dafür  umso  eingehender  das  genannte  Werk  selbst: 
die  Entstehung,  den  Inhalt,  den  ästhetische  Wert,  die  Charaktere  und  die 
Sprache,  deren  wichtigste  dialektische  Abweichungen  von  der  Schriftsprache 
er  eigens  zusammenfaßt  und  betont.  —  In  der  Literaturaugabe  sollte  der  Vor- 
name des  Verlegers  Augusta  richtig  A.  (nicht  J.)  Augusta  heißen.  —  Der  ge- 
kürzte Text  unseres  Buches  geht  auf  die  kritische  Ausgabe  in  der  Laichter- 
schen  Klassikersammlung  zurück;  die  Inhaltsangaben  vor  jedem  Kapitel  sind 
der  Koberschen  Ausgabe  entnommen  —  beides  Vorzüge,  die  besonders  her- 
vorgehoben werden  wollen.  Auch  die  Anmerkungen,  die,  wie  es  scheint,  von 
Band  zu  Band  reichlicher  und  gründlicher  werden,  verdienen  volles  Lob.  Den 
Schluß  des  Bändchens  bildet  eine  Zusammenstellung,  Übersetzung  und  Er- 
klärung der  wichtigsten  im  vorliegenden  Texte  vorkommenden  Sprichwörter 
und  Eedensarten.  Mit  der  »Pohorskä  vesnice«  scheinen  die  Herausgeber  die 
ersten  Schwierigkeiten  ihrer  verdienstvollen  Arbeit  bereits  überwunden  zu 
haben  und  wir  hoffen,  daß  wir  bei  Besprechung  der  folgenden  Bändchen  mehr 
die  Lichtseiten  der  Sammlung  zu  betonen  haben  werden. 

01m ütz,  den  7.  Jänner  1914.  Bolius  Vyböral. 

Lehr-  und  Lesebuch  des  Albanischen  von  Dr.  Max  Lambertz  und 

Dr.  Georg  Pekmezi.     Wien  und  Leipzig,  A.  Hartleben,    [1913] 

80.     (=  Die  Kunst  der  Polyglottie,  Tl.  107.)    VIII  +  179  Seiten 

2  Mk.  =  2.20  Kr. 

Der  in  diesen  Blättern  (Bd.  XXXI,  237—242)  vom  Unterzeichneten  be- 
sprochenen größeren  »Grammatik  der  albanesischen  Sprache«  von  G.  Pek- 


Lambertz-Pekmezi,  Albanisches  Lehr-  u.  Lesebuch,  angez.  v.  Jokl.    595 

mezi  folgt  jetzt  das  obige  praktisch  gehaltene  kurze  Lehrbuch,  dessen  Um- 
fang und  Anlage  durch  den  Charakter  der  Hartlebenschen  »Kunst  der  Poly- 
glottie«,  der  es  eingereiht  ist,  bestimmt  wird.  Das  Werk,  zu  dessen  Bearbeitung 
sich  G.  Pekmezi  mit  dem  Linguisten  und  Philologen  M.  Lambertz  verbunden 
hat,  bildet  wohl  zugleich  die  Einlösung  eines  Versprechens,  das  P.  in  der  Vor- 
rede zu  seiner  größeren  Grammatik  gab :  es  enthält  eine  kurze,  aber  interes- 
sante Chrestomathie  der  jungen  alban.  Literatur,  deren  Texte  jedem  Albano- 
logen  willkommen  sein  werden.  Der  sachkundige  Leser  merkt  es  der  Schrift 
ohne  weiteres  an,  daß  ihr  Lehrgeschick  und  Lehrerfahrung  auf  dem  Gebiete 
des  Sprachunterrichts  zugute  gekommen  sind.  Die  methodisch  zweckmäßige 
Verteilung  des  Lehrstoffes,  die  stete  Bedachtnahme  auf  Gedächtnis  und  Fas- 
sungskraft des  Lernenden,  die  ab  und  zu  auch  kurze  etymologische  Bemer- 
kungen in  den  Dienst  des  Unterrichts  zu  stellen  sucht  und  so  die  Ergebnisse 
der  Sprachwissenschaft  didaktisch  verwertet  (was  natürlich  um  so  mehr  Bei- 
fall verdient,  als  die  meisten  Benutzer  des  Buches  ein  gewisses  Maß  sprach- 
licher Vorbildung  zweifellos  mitbringen  werden),  die  Verbindung  von  synthe- 
tischer und  analytischer  Lehrmethode,  erstere  vertreten  durch  Übungssätze 
mit  grammatischer  Darstellung  (letztere  von  Lektion  XI  beginnend) ,  durch 
einen  zusammenhängenden  Text  mit  Interlinearversion,  nicht  zuletzt  der 
wohlfeile  Preis  —  alle  diese  Umstände  werden  das  Büchlein  zu  einem  ver- 
wendbaren, beliebten  Lernbehelf  machen.  Im  einzelnen  ist  allerdings  eine 
Reihe  von  —  mitunter  nicht  unbedenklichen  —  Irrtümern  zu  bessern.  Eef. 
glaubt  dem  Werke  den  besten  Dienst  zu  leisten,  wenn  er  hier  eine  Liste  sol- 
cher Corrigenda  gibt,  deren  Beachtung  sich  bei  einer  Neuauflage  empfehlen 
wird.  Handelt  es  sich  doch  um  ein  Werk,  das  dem  Zwecke  der  >Kun6t  der 
Polyglottie«  entsprechend,  auch  dem  Selbstunterrichte  zu  dienen  hat.  Kor- 
rektheit in  allen  Einzelheiten  ist  daher  geboten.  —  S.  4  gibt  eine  Aussprache- 
anweisung für  den  Laut  y  (die  Verfasser  verwenden  das  rein  lat.  Monastirer 
Alphabet,  schreiben  also  cffi,  die  im  wesentlichen  richtig  ist.  Unrichtig  ist  aber 
die  Gleichstellung  von  ngr.  y  vor  hellem  Vokal  mit  alb.  [if.  Dieses  ist  ja,  wie 
der  Lernende  der  Darstellung  des  Buches  selbst  entnehmen  kann ,  palataler 
Verschlußlaut  oder  dial.  eine  Affrikata,  ngr.  y  vor  hellem  Vokal  jedoch  tönender 
palataler  Spirant  (Thumb,  Hdb.  d.  ngr.  Volksspr.2,  S.  1).  Übrigens  findet  sich 
der  Irrtum  schon  in  der  größeren  Grammatik.  Die  Gleichstellung  von  alb.  Ji 
{=  q  in  der  Schreibung  dieses  Buches)  mit  ngr.  y.  hat  schon  Weigand,  Lit. 
Zbl.  1909,  1213  bemängelt;  trotzdem  kehrt  sie  hier  wieder.  S.114  wird  neuer- 
dings die  Bezeichnung  »Reduktionsvokal«  für  e  (=  e  bei  Meyer)  angewendet 
trotz  Weigand,  1.  c.  und  Jb.  d.  rum.  Inst.  Lpz. ,  17,  184,  wo  die  phonetische 
Natur  dieses  Lautes  bestimmt  wird.  —  S.  59  wird  at  fömje  qi  thritshin  mdz  t 
eger  e  i  pa  tredhun  interlinear  übersetzt:  »jenes  Kind,  welches  sie  riefen  Füllen 
das  wilde  und  das  unbeschnittene«.  Und  dies  wird  auch  im  Glossar,  S.162,  wo 
unter  ti-edh  'kastriere ,  verschneide',  patredhun  'unbeschnitten'  angegeben 
wird,  wiederholt.  Allein  tredh  heißt  ausschließlich  'verschneide,  kastriere' 
cf.Kristoforidi,-/ef.  S.431  =evvovxiüCü>).  Die  Verf.  übersetzten,  wie  es  scheint, 
auf  Grund  eines  alb.-ital.  Wörterbuches ,  wo  für  tredh  die  Bedeutung  castrare 
verzeichnet  ist  und  übertrugen  dann  ital.  castrare,  das  'verschneiden,  daneben 

38* 


596  Kritischer  Anzeiger. 

beschneiden'  (seil.  Pflanzen,  fig.  Bücher  usw.)  bedeutet,  im  engsten  An- 
schluß an  das  ital.-deutsche  Wörterbuch,  jedoch  mit  Verkennung  des  alb.  und 
deutschen  Sprachgebrauches  ins  Deutsche.  Als  Folge  ergibt  sich  (da  man  ja 
nicht  annehmen  kann,  daß  die  Verfasser  die  Sitte  der  Beschneidung  als  auch 
für  Tiere  geübt  annehmen),  daß  sie  j^atredhun  ani fömje  beziehen.  In  Wahr- 
heit bezieht  sich  i  pa  tredhtm  auf  muz.  Das  Kind  (Skanderbeg)  wird  also  mit 
einem  wilden  u.  unverschnittenen  (d.i.  bes.  feurigen)  jungen  Rosse  verglichen. 
Die  Verschneidung  wird  bei  den  männlichen  Haustieren  zum  Zwecke  der  Sänf- 
tigung  vorgenommen.  S.  106 :  Die  Verse  Barit  te  njome,  gjith  atje  veshen  \  ^uka 
e  kodra,  e  atje  ndijn  \  Tuj kendiie  blecjtoreshen,  \  Qi  kuUote  rrethhagetijn  werden  in 
den  Anm.9,  10, 11  folgendermaßen  erläutert  und  übersetzt:  »Subjekt  ist  bar 
'Gras'.  Anakoluthische  Konstruktion  :MitGras  sind  die  Hügel  bekleidet  und  dort 
hört  das  Gras  (Subjekt)  singen  sein  Lied  (den  Hirtenknaben)  [Anm.  9].  hlecj- 
toreshcn  'das  Hirtenlied'«  [Anm.  10^,  worauf  der  mit  Qi  beginnende  Relativ- 
satz in  Anm.  11  deutsch  so  wiedergegeben  wird:  »der  Hirte,  Subjekt  zu  tuj 
keiidue,  das  Gras  hört  den  Hirten  sein  Lied  singen.«  Diese  ganze  äußerst 
mühselige  und  gezwungene  Erklärung  —  vier  Hilfsannahmen  —  ist  unrichtig. 
hlegtoreshcn  heißt  nicht  das  Hirtenlied,  sondern  die  Hirtin  (Suff. -es/je;"  motiviert 
männliche  Personenbezeichnungen:  mik  'Freund',  mikeshe  'Freundin',  mbret 
'König' — geg.  mbretnesJie^KöVLig'm\j)crendi'Gott'' — ^ere/i^es/ie 'Göttin, Königin', 
blegtür^B.ht',  blegtoreshe 'E.iTtm\  cf.  Pekmezi,  Gr.  d.  alb.  Spr.  223).  Setzt  man  diese 
Bedeutung  ein,  so  entfallen  alle  Hilfsannahmen  (wie  Anakoluth,  Ergänzung  eines 
Subjektes  im  Hauptsatze,  eines  persönlichen  Objektes  im  Hauptsatze  und  Ergän- 
zung des  Subjektes  des  Relativsatzes  aus  dem  ohnehin  subintelligierten  persön- 
lichen Objekte  des  Hauptsatzes).  Die  Stelle  lautet  einfach:  »und  dort  hören  sie 
die  Hirtin  singen,  die  ringsum  das  Vieh  weidete«.  Auch  hier  ließen  sich,  wie  es 
scheint,  die  Verf.,  statt  aufdie  alb.  Wortbildungslehre  zu  achten,  durch  das  alb.- 
tal.Wörterbuch,wo^«5i!ore//^aangegebenist,  bzw.  das  ital.-deutsche,  irreführen. 
pastorella  bedeutet  allerdings  neben  Hirtin  in  der  Terminologie  der  Literatur 
(Poetik)  auch  die  Gattung  des  Schäfergedichtes  =  pastorale  (cf.  z.  B.  Rigutini 
&  Bulle,  Diz.  it.-ted.  I,  566).  Aber  daraus  folgt  nichts  für  das  Alb.  Sachlich 
besteht,  wenn  man  schon  den  Umweg  über  das  alb.-ital.  und  ital.-deutsche 
Wörterbuch  wählt,  nicht  die  geringste  Notwendigkeit,  für  pastorella  die  Be- 
deutung Hirtenlied  zu  wählen.  Die  Frau  als  Hüterin  der  Herde  wird  auch 
sonst  in  der  alb.  Literatur  erwähnt.  S.  109  Anm.  SO  und  Glossar  S.  ICO:  die 
Übersetzung  von  s^rt'Äe  ist  nicht  genau;  das  Wort  bedeutet  »Dachvorsprung«, 
nicht  »Dachrinne«.  Unverständlich  ist  in  Note  25  zu  S.  110  die  Bemerkung 
zur  Textstelle:  nder  pre  mdrre  Karadakut  [märre  und  nicht  märre,  wie  im 
Buche  steht,  muß  es  richtig  und  dem  Originaltext  entsprechend  heißen,  s.  auch 
w.  u.)  die  Bemerkung:  *märre  mit  Betonung  der  letzten  Silbe.«  Welche  Form 
des  Partiz.  fem.  eines  alb.  Verbums  wie  marr  hat  denn  den  Ton  auf  der  letzten 
Silbe?  Nur  durch  eine  Kombination  mehrerer  Mißverständnisse  kann  diese 
Bemerkung  entstanden  sein.  Anm.  28  (S.  110)  zur  Stelle  aty  i  dajti  edhe  tri- 
mnija  wird  dajti  richtig  mit  »leuchte  hervor«  übersetzt,  der  Zusatz  »zu  daj 
ich  teile«  ist  jedoch  zu  tilgen,  das  Wort  gehört  vielmehr  zu  einem  nordgeg. 
daj  —  lt.  videor  in  allen  seinen  Bedeutungen,  das  in  den  bisherigen  Wörter- 


Lambertz-Pekmezi,  Albanisches  Lehr-  u.  Lesebuch,  angez.  v.  Jokl.    597 

büchern  allerdings  nicht  verzeichnet  ist,  aus  Texten  jedoch  oft  genug  belegt 
werden  kann.  Daß  das  Wort  mit  daj  'teile'  nichts  zu  tun  hat,  zeigt  seine 
Lautgestalt  in  anderen  Dialekten,  z.  B.  im  Südgeg.  (was  hier  nicht  ausgeführt 
werden  kann).  Zu  dem  folgenden  Verse  Por  si  kripit  i  ra  bora,  des  näheren 
zu  kripit  heißt  es  in  Anm.  29  (S.  110):  »Salz,  dann  das  weiße  Haupthaar  des 
Greises*.  Da  sich  uun  auch  im  Glossar,  S.  152  die  Bemerkung  findet:  T>krip 
=  h-yp  Salz,  weißes  Haar  des  Greises«,  so  muß  der  Lernende  den  Eindruck 
gewinnen,  als  ob  mit  kripit  der  obigen  Stelle  ein  Wort  gebraucht  sei,  das  in 
gleicher  Weise  »Salz«  und  »weißes  Haar«  bedeutet.  Das  ist  verfehlt,  beruht 
nämlich  auf  einer  Vermengung  zweier  im  Geschlecht,  in  den  meisten  Dialekten, 
insbesondere  den  geg.  —  das  abgedruckte  Textstück  ist  geg.  —  auch  lautlich 
und  natürlich  auch  etymologisch  verschiedener  Wörter:  krip ,  hripim.  Haar 
und  geg.kri/p,kri/pa{em.  {tosk. kri/pe,kri/pa  neben  [/5a?«.usw.]  kripe ,kripaY^s\7.\ 
Vom  Salz  steht  an  der  Stelle  nichts,  wie  ja  schon  aus  der  Flexionsendung 
hervorgeht.  Es  heißt  also  einfach:  »als  Schnee  aufsein  Haar  fiel«  (poetisch 
für:  als  sein  Haar  ergraute).  S.  112  Anm.  71  wird  zu  mushme  aus  der  Text- 
stelle armet  e  mushme  mos  me  i  dhclnii  die  Erklärung  gegeben:  =  7)iocme  (was 
»alt«  bedeutet.)  Der  Erklärer  glaubt  also  irrigerweise,  daß  der  einige  Ratschläge 
gebende  Alte  (ein  bewährter  Krieger)  vor  der  Übergabe  alter  Waffen  warnt.  In 
Wahrheit  ist  die  Gleichstellung  von  mushme  mit  mocme  lautlich  nicht  zu  recht- 
fertigen und,  soweit  Ref.  sieht,  weder  aus  Texten  noch  aus  Wörterbüchern  zu 
belegen,  inushme  kommt  von  geg.  tnush  =  tosk.  mbush  'füllen,  laden'  (zum 
Suff.  cf.  Hahn,  Alb.  Stud.  3,  71,  Meyer,  E.W.  267,  hesa  e  lidhme  usw.).  Es  heißt 
also  in  Wahrheit:  »keine  geladenen  Waffen  zu  übergeben«  (d.  i.  Kampf  bis 
Zur  Erschöpfung  der  Munition).  S.  132  wird  für  it.-alb.  te  pierr  sijt  frei- 
lich nur  vermutungsweise  die  Erklärung  gegeben  =  hier[r)  [!]  'werfe'.  Die 
Vermutung  ist  unrichtig.  Das  Richtige  steht  schon  bei  G.  Meyer,  E.W.  354» 
wo  unter  lyrjer  'drehe  um'  usw.  auch  die  siz.  Dialektform  pierein  (also  das  Pas- 
sivum)  angemerkt  ist.  Es  hat  also  zu  heißen:  »daß  sie  die  Augen  hinwende«. 
—  Einer  durchgreifenden  Remedur  wird  die  Textgestaltung  des  ganzen  S.  109 
bis  113  abgedruckton  Stückes,  des  Anfanges  der  Dichtung  »Lahuta  e  Malcijs« 
von  Fishta  bedürfen.  Dieses  Werk  ist  in  der  Bashkimi  -  Orthographie  ge- 
schrieben, wo  e  —  abgesehen  von  einsilbigen  Wörtern —  als  Dehnungs- 
zeichen gebraucht,  hingegen  für  den  tatsächlich  zu  sprechenden  Laut  e  das 
Zeichen  e  geschrieben  wird.  In  der  von  den  Verf.  angenommenen  Orthogra- 
phie wird  für  das  erstgenannte  Zeichen  e,  für  den  c- Vokal  e  geschrieben.  Da- 
durch nun,  daß  die  Verf  (Herausgeber)  zwar  in  einer  Reihe  von  Fällen  richtig 
e\  e  schrieben,  in  einer  Reihe  anderer  aber  für  das  e-Zeichen  des  Originals 
(Dehnungszeichen)  ihr  e  (das  den  Vokal  ausdrückt)  setzten,  ist  eine  beträcht- 
liche Zahl  inkorrekter  Formen  in  den  Text  geraten,  deren  Bestimmung  dem 
Lernenden  nicht  leicht  fallen  wird.  So  heißt  es  z.  B.  S.  HO  m'  kohejetike  statt 
?i'  kohe,  S.  111  per  lüfte  statt  per  luft'e,  ?n'  Ure  f  Vezirit  statt  m'  Ure,  ri  dere 
statt  n'  dere,  S.  1 12  buje  statt  btij'e  (die  Büffel),  ii'  dite  statt  «'  dite,  und  so  noch 
öfter.  —  Weniger  als  das  bisher  Vorgebrachte  fallen  in  Anbetracht  des  rein 
praktischen  Zweckes  des  Buches  mancherlei  Versehen  in  den  angeführten 
Etymologien  ins  Gewicht.  S.  107  Anm.  22  wird  me  nise  'auf  den  Weg  schicken' 


5  98  Kritischer  Anzeiger. 

(auch  'anfangen')  aus  ngr.  Ixifr^aa  hergeleitet,  trotzdem  der  Meister  der  alb. 
Sprachwissenschaft,  G.  Meyer,  diese  Deutung  Miklosichs  schon  im  E.W.  nur 
unter  allerlei  Bedenken  anführt  und  sie  später  durch  die  weit  bessere:  lt. 
initium  ersetzte.  S.  43  wird  dukem  'ich  scheine'  mit  gr.  Soxita  verglichen,  was 
Thumb,  I.F.  26,  2  mit  vollem  Recht  abgelehnt  hat  (cf.  auch  Ref ,  Stud.  z.  alb* 
Etym.  18  ;  zu  dem  daselbst  Beigebrachten  werden  nächstens  weitere  Gründe 
hinzugefügt  werden).  S.  53  wird  dash  'Widder'  mit  dem  illyr.  Namen  Dasius 
verglichen  (so  schon  Baron  Nopcsa,  Anthropos,  8,  143).  Wenn  aber  die  Verf. 
wegen  der  Analogie  von  Tiernamen  wie  Miez,  Reinecke  den  alb.  Tiernamen 
aus  dem  Eigennamen  entstanden  sein  lassen,  so  ist  dies  ein  keineswegs 
zwingender  Schluß.  Ebensogut  kann  ja  der  Tiername  das  Primäre ,  der 
Eigenname  das  Sekundäre  sein  (wofür  sich  natürlich  gleichfalls  Parallelen 
beibringen  lassen:  lt.  Cervius,  Porcius,  Bovius,  Schulze,  Lt.  Eigenn.  234  und 
ebenso  in  anderen  Sprachen).  Bei  Miez,  Reinecke  usw.  sind  wir  vermöge  der 
Etymologie  und  Wortgeschichte  imstande  zu  beurteilen,  welche  Benennung 
die  primäre,  welche  die  sekundäre  ist.  Das  ist  hier  nicht  der  Fall.  Weitere 
Anmerkungen,  die  sich  zu  diesem  Kapitel  in  beträchtlicher  Zahl  machen 
ließen,  seien  aus  Rücksicht  auf  den  Raum  zurückgestellt.  —  Im  großen  und 
ganzen  werden  in  dem  sonst  zweckmäßigen  Büchlein  die  Erläuterungen  zum 
Lesestoff  am  meisten  der  bessernden  Hand  bedürfen. 

Wien.  Norbert  Jokl. 


Montenegros  Ärekrans.    Tyä  sydslaviska  bjältedikter  övers. 
av  Alfred  Jensen  (Stockholm,  1913.  Aug.  Rietz'  bokhandel,  i 

distr.).     193  S.  4o. 

Gorski  Vijenac  und  S^nrt  Smail-age  Cengica  sind  die  Bestandteile,  aus 
denen  Dr.  Alfred  Jensen  seinen  »Ehrenkranz  Montenegros«  geflochten  hat; 
die  zwei  berühmten  südslavischen  Dichtungen  in  metrischer  Übersetzung, 
reich  kommentirt  und  mit  eingehenden  Einleitungen  versehen.  Die  Ausgabe 
hat,  wenigstens  was  den  ersten  Bestandteil  betrifft,  lange  warten  müssen: 
schon  in  1S9U  war  die  Übersetzung  des  Gorski  Vijenac  fertig,  wurde  der 
»Svenska  Akademien«  vorgelegt  und  von  dieser  preisgekrönt  (s.  die  Einleitung 
der  Resetarschen  Ausgaben  des  Gorski  Vijenac ,  weiter  im  Vorwort  zu  der 
hier  besprochenen  Ausgabe  selbst);  dafür  ist  der  Zeitpunkt  des  Erscheinens 
ein  sehr  günstiger,  ich  denke  dabei  nicht  an  die  Jahrhundertfeier  der  Geburt 
des  Petar  IL  Njegos  —  dafür  bleibt  der  bekannte  Vladika  eine  der  Welt  der 
Nordländer  allzu  ferne  Größe,  —  umsomehr  aber  an  die  geschichtlichen  Er- 
eignisse der  allerletzten  Zeit,  welche  die  südslavische  Welt,  vor  allem  die  süd- 
slavischen Balkanvölker,  dem  Bewußtsein  lesender  und  denkender  Skandi- 
navier plötzlich  um  Hunderte  von  Meilen  näher  gerückt  haben. 

Das  Ziel,  das  sich  der  eifrige  und  verdiente  schwedische  Übersetzer  und 
Forscher  gesetzt  hat,  ist  nach  seinen  eigenen  Worten,  nicht  nur  eine  populär- 
genießbare Übersetzung  der  uns  Nordländern  selbstverständlich  fernen  Dich- 
tungen zu  geben,  sondern  noch  mehr  hat  er  angestrebt,  die  Ausgabe  zu  einer 


Jensen,  Montenegros  Ehrenkranz,  angez.  v.  Broch.  599 

brauchbaren  Arbeit  auch  für  eingehendere,  mehr  spezialisierte  Studien  zu 
machen,  —  zu  einem  Buche,  welches  diejenigen  mit  Nutzen  verwenden  könn- 
ten, die  serbokroatische  Sprache  und  südslavische  Epik  studieren  wollen. 

Was  die  Übersetzung  betrifft,  so  hat  eine  solche  ja  mehrere  Seiten,  aus 
denen  einige  der  Beurteilung  eines  nicht- schwedischen  Kritikers  entzogen 
sind,  auch  wenn  dieser  dem  Übersetzer  sprachlich  so  nahe  verwandt  ist,  wie 
im  vorliegenden  Fall.  Ich  denke  dabei  besonders  an  die  rein  ästhetische 
Schätzung.  Insofern  muß  ich  mich  mit  der  allgemeinen  Äußerung  begnügen, 
daß  bei  einer  gewissen  Monotonie,  die  ich  auch  in  anderen  metrischen  Über- 
setzungen Jensens  bemerkt  zu  haben  meine,  und  die  übrigens  in  solchen 
Übersetzungen  nur  allzu  verständlich  ist,  es  doch  der  dichterischen  Begabung 
des  Übersetzers  gelungen  ist,  mit  Beibehalt  sogar  des  Metrums  des  Originals, 
den  Stimmungswelleu  des  Originals,  um  mich  so  auszudrücken,  aus  seiner 
feinen,  reich  entwickelten  Muttersprache  im  allgemeinen  befriedigende  Paral- 
lelen zu  schaffen. 

Direkter  zugänglich  ist  mir  natürlich  die  Frage  von  der  Genauigkeit  der 
Übersetzung.  Eine  Bürgschaft  in  dieser  Hinsicht  haben  wir  für  den  Gorski 
Vijenac  schon  in  der  Motivierung  zur  oben  erwähnten  Preiszuerkennung  von 
der  Schwedischen  Akademie.  Die  Motivierung  rührt  von  dem  bekannten, 
mit  slavischen  Sprachen  und  slavischer  Geschichte  eingehend  vertrauten  Pro- 
fessor Harald  Hjärne  her;  sie  ist,  wie  mir  Professor  Hjärne  liebenswürdig 
mitteilt,  nie  im  Druck  erschienen ;  Dr.  Jensen  teilt  aber  im  Vorwort  zum  be- 
sprochenen Buch  selbst  dasjenige  mit,  was  uns  in  dieser  Beziehung  interes- 
siert :  die  Treue  der  Übersetzung  wurde  in  dem  Urteil  rühmlich  hervorgehoben. 
Und  die  Stichproben,  die  ich  selbst  eingehender  durchgenommen  habe,  be- 
stätigen dies  auch  für  die  jetzt  erschienene,  revidierte  Übersetzung.  Zwar 
lassen  sich  Stellen  bezeichnen,  wo  der  Übersetzer,  durch  Rhythmus  und  Reim 
gedrängt,  das  Bild  des  Originals  für  mein  Auge  in  weniger  glücklicher  Weise 
schwächt  (z.  B.  in  der  »Posveta«  Z.  8:  i  zemlju  im  za  popriste,  da  se  bore, 
naznacio :  und  sie  zu  großen  Heldentaten  in  ferne  Länder  sandte  —  um  die 
schwedischen  Worte  deutsch  wiederzugeben  i);  ebenso  glaube  ich  gelegent- 
lich auch  fehlerhafte  Auffassung  zu  spüren  (z.  B.  in  derselben  Posveta,  Z.  11 
bis  12,  wenn  ich  Resetars  Text  »ovde  —  d.  h.  u  velikim  narodima  —  mu 
(etwa  dem  genialen  Manne)  je  pogotovu  materijal  k  slavnom  djelu  i  trijumfa 
dicni  vijenac,  da  mu  krasi  glavu  smjelu«  mit  folgender  ungefähren  Wieder- 
gabe vergleiche:  Hier  habe  ich  einen  Gegenstand,  würdig,  daß  wir  den 
Sieger  verherrlichen  und  den  stolzen  Ehrenkranz  um  den  Kopf  eines  Häupt- 
lings legen);  —  solche  Stellen  kommen  aber,  nach  meinen  Stichproben  zu  ur- 
teilen, nur  äußerst  selten  vor ;  man  würde  sie  vielleicht  sogar  kaum  bemerken, 
falls  wir  nicht  an  anderen  Stellen  eben  einer  Sorgfältigkeit  des  Übersetzers 
gegenüberständen,  die  ihn  veranlaßt,  bei  sogar  kleinen  Abweichungen  auf 
den  genauen  Wortlaut  des  Originals  aufmerksam  zu  machen. 


1)  Wäre  es  in  solchen  Fällen  nicht  besser,  nötigenfalls  den  Reim  zu 
opfern? 


600  Kritischer  Anzeiger. 

Diese  Genauigkeit  hängt  natürlich  mit  dem  erwähnten  Ziel  Dr.  Jensens 
zusammen:  die  Übersetzung  der  zwei  Dichtungen  auch  für  eingehendere 
philologische  und  literarische  Studien  nützlich  zu  machen.  Diesem  spezi- 
elleren Zweck  dienen  weiter  die  vielen  Anmerkungen  geographischen,  histo- 
rischen, kulturellen  u.a.  Inhalts,  sowie  die  Einleitungen  zu  den  zwei  Dich- 
tungen. 

Für  die  Komentierung  hat  zwar  der  Übersetzer,  besonders  bei  dem 
Gorski  Vijenac,  gute  Vorlagen  gehabt,  vor  allem  in  Resetars  Ausgaben.  Allein 
um  eine  südslavische  Dichtung  von  so  eigentümlicher  Form  und  Inhalt  uns 
Nordländern  vollauf  zugänglich  zu  machen,  dazu  gehört  etwas  anderes  und 
mehr,  al§  das,  was  für  die  südslavischen  Leser  selbst  ausreicht.  Der  Über- 
setzer hat  hier  eine  dankbare ,  nicht  aber  immer  leichte  Aufgabe  gehabt.  Er 
hat  z.  B.  seine  Kenntnisse  in  der  südslavischen  Volksepik  verwerten  können, 
mit  der  diese  Dichtungen  so  nahe  zusammenhängen ,  und  deren  schöner 
Reichtum  uns  Skandinaviern  leider  nur  wenig  bekannt  ist;  er  hat  seine  Be- 
kanntschaft mit  südslavischem  Volksleben  ausnützen  können;  hat  aber  auch 
vieles  aus  der  Geschichte  der  Südslaven  herausfinden  müssen  —  usw.  Im 
Ganzen  finde  ich ,  daß  Dr.  Jensen  diesen  Teil  seiner  Aufgabe  richtig  erfaßt 
und  gut  gelöst  hat;  seine  trefflichen  Lehrer,  deren  er  im  Vorwort  dankbar 
erwähnt,  dürfen  mit  ihrem  Schüler  zufrieden  sein ! 

Und  was  nun  endlich  die  zusammenhängenden  Einleitungen  betrifft,  die 
uns  u.  a.  das  Leben  und  die  literarische  Tätigkeit  der  zwei  Dichter  in  kurzen 
Strichen  schildern,  aber  auch  manches  andere  ans  der  Kritik,  aus  der  poli- 
tischen, literarischen  und  kulturellen  Geschichte  berühren,  so  ist  auch  diese 
Seite  der  Ausgabe,  in  der  die  selbständige  Arbeit  des  schwedischen  Forschers 
wohl  am  stärksten  an  den  Tag  kommt,  im  Ganzen  als  interessant  und  wert- 
voll zu  bezeichnen.  Freilich  zieht  der  Verfasser  hie  und  da  für  mein  Auge 
seine  Schlußfolgerungen  etwas  zu  weit;  wenn  er  sich  z.  B.  von  der  italieni- 
schen Reise  des  Petar  IL  in  1851  so  ausdrückt,  daß  sie  im  Ganzen  von  außer- 
ordentlicher Bedeutung  für  die  Bildung  und  Geistesentwicklung  des  Dichters 
wurde,  wenn  er  auch  leider  wegen  Kränklichkeit  nicht  dazu  gelangte,  sie  für 
seine  Dichtung  fruchtbringend  zu  machen  (S.  19),  —  so  sieht  das  als  etwas 
überflüssiges  aus,  wenn  man  bedenkt,  daß  der  Vladika  schon  im  Herbst  1851 
starb ;  einige  begeisterte  Briefzeilen  sind  kaum  ausreichend ,  um  darauf  so 
viel  zu  bauen,  wie  es  der  Verf.  hier  tut.  Und  hat  sich  der  Verf.  nicht  etwa  im 
allgemeinen  durch  seine  slavischen  Vorlagen  in  seiner  Bewunderung  für  den 
Vladika  etwas  zu  stark  hinreisen  lassen  und  deshalb  ihm ,  seiner  Dich- 
tung, seiner  Bedeutung  hie  und  da  verhältnismäßig  zu  große  Dimensionen 
zugemessen?  Darüber  mögen  nun  diejenigen  urteilen,  die  von  besseren  Vor- 
aussetzuügen  als  ich  ausgehen.  Andererseits  hat  aber  eben  diese  gewissermaßen 
Begeisterung  für  seinen  Gegenstand  auch  eine  treft'liche  Folge  gehabt:  sie 
hat  den  Verf.  veranlaßt,  auch  andere  Dichtungen  des  Vladika  gründlich  vor- 
zunehmen; und  die  metrischen  Übersetzungen  verschiedener  Fragmente,  die 
wir  in  der  Einleitung  eingeflochten  finden ,  erlauben  dem  Leser,  sich  in  selb- 
ständiger Weise  ein  wirkliches ,  sagen  wir  authentisches  Bild  des  Dichters, 
der  Entwicklung  seiner  literarischen  Tätigkeit,  seiner  Weltanschauung,  seines 


Kleine  Mitteilungen.  601 

poetischen  Charakters  usw.  zu  schaffen.  Mit  dem  Dichter  der  Smrt  Smail- 
agas  ist  nicht  so  gründlich  verfahren ;  auch  von  ihm  erfahren  wir  aber  vieles 
von  Interesse. 

So  versteht  es  ein  jeder,  daß  die  Arbeit  Alfred  Jensens  nach  meiner 
Meinung  mit  Freude  und  Dank  zu  begrüßen  ist.  Olaf  Brock. 


Kleine    Mitteilungen. 


Der  Name  der  albanischen  Stadt  Dibra  im  Wilajet  Monastir  ist  für  die 
slavische  Grammatik  von  einer  gewissen  Bedeutung.  Es  unterliegt  kaum  einem 
Zweifel,  daß  die  Benennung  slavischen  Ursprungs  ist,  da  ja  das  bulgarische 
Debrt  und  die  früheren  Belege  Ji^Qr] ,  Debra  ganz  deutlich  ihre  Abkunft  von 
dem  aksl.  dtbrt  beweisen.  Wenn  über  das  Wort  etwas  zu  bemerken  ist,  so  ist 
hervorzuheben,  daß  die  ganze  Nachbarschaft  von  Dibra  slavische  Namens- 
gebung aufweist.  Die  Bevölkerung  dieses  Gebietes  ist  heute  in  ihrer  Gänze 
albanisch  und  geht  erst  im  Osten  in  das  mazedonische  Sprachgebiet  über.  Im 
Mundo  der  albanischen  Einwohner  von  Dibra  lautet  der  Name  ihrer  Stadt  Di- 
bra, wie  ich  z.  B.  belege  aus  L'umo  Sksudo,  ksndime  per  skole  ts  para,  3.  Teil, 
S.  84,  Z.  16,  oder  (L'umo  Skfudo  ist  bekanntlich  nicht  allzusehr  verläßlich,  da 
für  Dui£3 ,  was  die  dortige  Form  ist,  die  skutarinische  Aussprache  geboten 
wird,  ebenda  S.  79  Dur ci)  Skumbi,  gazet'  e  pcrjavtsme,  3.  Jahrgang,  Nr.  10  (86), 
S.  1,  Kolonne  2,  Z.  10,  ebenda  Nr.  10— G9,  S.  2,  Kolonne  4,  Z.  10,  der  als  gegisch 
ganz  besonders  zu  berücksichtigen  ist,  sowie  Shkupi,  II.  Jahrgang,  Nr.  21,  S.  2, 
Kolonne  1,Z.  90. 

Wie  sollte  es  sich  erklären,  daß  die  albanische  Benennung  Dibre  gegen 
die  slavische  lautlich  abweicht?  Eigentlich  ist  nicht  von  vornherein  ersicht- 
lich, warum  die  lautliche  Differenz  in  der  slavischen  und  albanischen  Benenn- 
ung der  Stadt  vorhanden  ist,  wo  sie  beide  auf  dasselbe  Wort  zurückgehen. 

Es  ist  bekannt,  daß  auf  die  slavische  Überflutung  Albaniens  ein  unge- 
meines Wiedererstarken  des  albanischen  Elementes  gefolgt  ist,  das  nament- 
lich in  Altserbien  außerordentlichen  Gewinn  für  das  albanische  Sprachgebiet 
gebracht  hat.  Die  slavischen  Namen  in  Albanien  reichen  bis  an  die  adriatische 
Küste,  es  nimmt  Gustav  Meyer  in  seinem  alban.  etymol.  Wörterb.  S.  14  s.  v. 
arber  sogar  an,  daß  die  Benennung  der  südlichsten  albanischen  Landschaft,  der 
Gegend  nördlich  von  Korfu,  die  L'abfri,  ihren  Namen  dem  slavischen  Einfall 
verdanke,  indem  Arbfrl  im  slavischen  Munde  der  Liquidametathese  unterlegen 
sei,  was  als  Zeichen  angesehen  werden  müßte,  daß  das  gesamte  albanische 
Gebiet  von  den  Stürmen  der  slavischen  Völkerwanderung  durchbraust  wurde. 
Jedenfalls  reichen  slavische  Ortsnamen  durch  ganz  Albanien,  bis  an  die  Küste 


602  Kleine  Mitteilungen. 

vergl.  in  der  Müsekje  südlich  von  Durazzo  au  der  Krawasta-See  Orte  wie 
Dol,  Gradista,  Kamne,  und  nur  durch  eine  innige  Berührung  läßt  sich  der  er- 
heblich große  altslavische  Wortschatz  begreifen,  den  die  albanische  Sprache 
besitzt. 

Die  altsla vischen  Bestandteile  des  Albanischen  sind  von  einer  ganz  außer- 
ordentlichen Altertümlichkeit.  So  sind  die  Nasalvokale  noch  heute  konser- 
viert, vergl.  z.  B.  ptndar  , Hüter  von  Feldern  und  Weingärten'  aus  ksl.  p9darB 
»Hüter',  oder  skutarinisch  suudoj  , regiere,  residiere',  wo  die  serbo-kroatische 
u-Färbung  des  Nasals  im  Nordalbanischen  niedergeschlagen  ist,  aus  asl.  S9diti 
,richten',  usw.  Aber  nicht  nur  diese  Erhaltung  der  Nasalvokale,  die  heute  im 
Rumänischen  und  andern  Sprachen  bewahrt  werden,  ist  beachtenswert,  son- 
dern auch  die  Erhaltung  der  slavischen  Halbvokale.  So  erkennt  Meyer  im 
alb.  etym.  Wörterb.  S.  250  im  Tuge  , Löffel'  das  alte  Grundwort  *l'i.ga  von 
Hzica,  serb.  lazica , Löffel'  und  daß  die  Balkansprachen  in  der  frühbalkanischen 
Zeit  der  alten  Südslaven  das  'h  als  u  hörten  und  wiedergaben  beweist  unwider- 
leglich das  rumänische  Wort  für  100,  sutä,  das  eine  sehr  alte  Entlehnung 
von  s'bto  ist,  geradeso  wie  die  Albaner  ihre  eigene  Bezeichnung  für  100 
aufgaben  und  dafür  das  lateinische  centum  als  kint  übernommen  haben. 
Möglichenfalls  ist  auch  albanisch  ul'k  ,Wolf'  nach  Endzeliu,  Kuhns  Zeit- 
schrift Bd.  44,  S.  61  aus  einem  altsüd-slav.  vilk-h  entlehnt  (Endzelin  schreibt 
VT>lkx,  was  für  Gründe  er  für  diese  Schreibung  hat,  weiß  ich  nicht,  ich 
schrieb  VLlkx,  mache  ihn  aber  auf  sul'e  aufmerksam),  wobei  Endzelin  her- 
vorhebt: die  Verbindung  vu  kennt  ja  das  Albanesische,  wie  es  scheint, 
nur  in  jüngeren  Lehnwörtern.  Er  nimmt  also,  mit  andern  Worten  gesagt,  an, 
daß  aus  dem  slavischen  Halbvokal  ein  u  entstanden  sei,  vor  welchem  dann 
das  V  schwand.  Uns  interessiert  vor  allem  dieses  u,  das  aus  t>  entstanden  ist. 
Das  lettische  ulks  ,Wolf',  für  das  Endzelin  1.  c.  Entlehnung  aus  dem  Russischen 
angenommen  hat:  »Das  mir  nur  aus  UUmaun  bekannte  ulks  ist  eher  (mit  laut- 
gesetzlichem Verlust  eines  u  vor  u)  aus  dem  Russischen  entlehnt,  zu  einer 
Zeit,  da  lür  volk  noch  v^lkt  (von  hier  scheint  ein  vxlki.  fürs  Südslavische  aus 
Versehen  gesetzt  worden  zu  seinlj  gesprochen  wurde  (russ.  x  wird  ja  auch 
sonst  in  Lehnwörtern  durch  lett.  u  wiedergegeben)  ■',  ist  nach  seiner  Darlegung 
fremd.  Damit  könnte  man  im  bisherigen  Glauben  an  die  Ererbheit  von  alban. 
ul'k  erschüttert  werden,  die  Pekmezi  in  seiner  alban.  Gram.  S.  20  unter  Ansatz 
eines  tiolq"os  vertritt.  Endzelins  Standpunkt  ist  indessen  auch  begründet 
genug,  um  eine  Erwägung  anzuregen.  Freilich  betont  er  »möglichenfalls«. 
Mag  aber  alb.  ul'k  entlehnt  sein  oder  nicht  —  auf  dieses  Beispiel  kommt  es 
nicht  an  — ,  daß  der  slavische  Halbvokal  %  durch  u  wiedergegeben  wurde, 
das  steht  nicht  in  der  Frage.  Viele  Belege  heranzubringen,  darf  man  freilich 
nicht  verlangen,  da  der  altslavische  Bestandteil  des  albanischen  Sprachgutes 
natürlicher  Weise  nicht  allzuviele  der  wenigen  Wörter  besitzen  wird,  die  den 
slavischen  Halbvokal  zwischen  zwei  Verschlußlauten  aufweisen.  Auf  solches 
Material  kommt  es  hauptsächlich  an,  da  man  dem  Vertreter  von  Liquidagrup- 
pen kein  Vertrauen  schenken  darf.  Übrigens  ist  die  Annahme,  daß  das  rumä- 
nische sutä  aus  sxto  entlehnt  sei,  in  keiner  Weise  zu  ixmgehen,  damit  ist  aber 
auch  ein  unwiderlegbarer  Zeuge  für  die  Wiedergabe  des  t  mit  u  erwiesen 


Kleine  Mitteilungen.  G03 

Daß  altslavische  Entlehnungen  also  eine  höchst  altertümliche  Form  zeigen, 
braucht  nach  dem  bisher  Angeführten  nicht  weiter  betont  zu  werden.  Was 
aber  der  Sprachschatz  der  Allgemeinheit  spiegelt,  das  kann  auch  das  Gut  der 
Karte,  das  kann  auch  der  Einzellandschaft  in  der  Benennung  geographischer 
Ortlichkeiten  zukommen. 

Wir  kehren  zu  dem  Namen  der  Stadt  Dibra  hiermit  zurück.  Ein  Blick 
auf  die  Karte  zeigt  sofort:  hier  war  einmal  alles  unter  slavischem  Einfluß.  Die 
ganze  Namengebung  zeigt  noch  heute  das  Land,  das  der  Slave  besetzte,  oder 
wenigstens  doch  beherrschte.  Wir  müssen  uns  hier  freilich  bloß  an  den  We- 
sten, an.  das  Tal  des  Drin  halten,  um  eventuellen  Vorwürfen  zu  entgehen,  aber 
auch  hier  ist  alles  slavisch:  der  Ort  Chrbel  ist  nach  bulgar.  hrtbel , Scharte' 
benannt,  weiter  südlich  folgt  Grazdan,  Makelari,  Blata  e  siper,  Blata  e  eper 
Gorica,  IV2  Stunden  von  Dibra  liegt  die  warme  Quelle  Banica,  so  daß  schon 
angesichts  dieser  Namen  eine  Behauptung,  Dibra  könne  nicht  Debri.  gleich 
aksl.  dtbrx  ,(p('<Quy^,  Schlucht,  Kluft,  Tal'  sein,  widerlegt  ist.  Denn  dieses 
Wort  erscheint  im  Serbokroatischen ,  Slovenischen ,  im  Cechischen  usw.  in 
der  Toponomastik  so  weit  verwendet,  daß  namentlich  dem  serbokroat.  Dabar 
gegenüber  die  Entstehung  der  Bezeichnung  aus  dtbri.  ohne  weiteres  zuzu- 
geben ist.  Wenn  übrigens  der  Westen  lauter  slavische  Namen  zeigt,  so  ist 
eine  Entstellung  eines  älteren  Namens  durch  die  Slaven  widerlegt.  Bei  Blata 
e  sipare  und  Blata  e  eptre  hätte  nichts  näher  gelegen  als  dieAlbanisierung  mit 
bal'te  , Schlamm,  Sumpf;  nichts  dergleichen  ist  erfolgt,  also  braucht  auch  nicht 
umgekehrt  angenommen  zu  werden,  daß  ein  älteres  alban.  Dibra  im  Slavischen 
zu  Dibr-B  geworden  sei.  Wenn  es  lautgesetzlich  möglich  gewesen  wäre,  würde 
noch  immer  zu  fragen  sein,  wieso  die  Inlautgruppe  br  auf  albanischem  Boden 
möglich  sei.  Die  ganze  Umgebung  von  Dibra  ist  slavisch  benannt,  (der  Ort 
ma^Lcrari  ist  ganz  offensichtlich  jung  gegründet,  da  das  Wort  selbst  im  Al- 
banischen jung  ist  =  neugr.  fj.ixeXXc<qis  =  aksl.  makelart) ,  so  daß  auch  der 
Name  von  Dibra  nicht  anders  als  slavisch  sein  kann. 

Aus  der  Erklärung  des  Namens  von  Dibra  durch  aksl.  dtbrt  ergibt  sich 
ohne  weiteres  die  Erklärung  der  Differenz  in  der  heutigen  Benennung  durch 
Slaven  und  Albaner:  das  albanische  i  ist  der  Eeflex  des  alten  l,  so  wie  es  das 
e  auf  bulg.  Boden  ist.  Im  Namen  der  Stadt  Dibra  ist  also  noch  ein  Überrest 
der  alten  Artikulation  des  Halbvokales  b  erhalten,  der  in  l'uge  —  ^Ixga,  Hzlca 
für  ■!>  sein  Gegenstück  hat  und  von  der  Aussprache  des  alten  x  und  b  in  alter 
Zeit  berichtet;  lux  müssen  wir  als  stimmlose  u  und  i  betrachten.  Die  gleiche 
Wiedergabe  von  x  und  b  zeigen  die  baltischen  Lehnwörter,  etwa  die  des 
Altpreußischen  aus  dem  Urpolnischen.  Vgl.  Trautmann,  Altpreuß.  Sprach- 
denkm.    S.  IXX.  K.  Treimer. 


Zur  Entdeckung  des  -^Glagolita  Clozianus«. 

B.  Kopitar  schrieb  im  Jahre  1836:  »Hodiernus  demum  arcis  et  codicis 
dominus,  lUustriss.  Comes  Paris  Cloz,  Tridentinus  S.  Hieronymi  thesaurum 
examinatnrus  curiosius,  miserat  folii  9  r.  primarum  octo  lincarum  diligentissi- 
mam  in  charta  pellucida  imitationem  ad  ipsos  glagolitas  dalmatas!  Mirabuntur 


604  Kleine  Mitteilungen. 

ipsi  quidem,  si  suam  lectionem  cum  hac  nostra  editione  contulerint!«   (Glago- 
lita  Clozianus,  Vindobonae  MDCCCXXXVI,  S.  V.) 

Eine  Erklärung  zu  dieser  etwas  ironisch  klingenden  Bemerkung  Kopitars 

finden  wir  in  dem  großen  handschriftlichen  Werke  des  in  weiteren  Kreisen 

unlängst  noch  ganz  unbekannten  kroatischen  Schriftstellers  aus  Vrbnik  auf 

der  Insel  Krk  (Veglia),  Ivan  Feretici;  >Fragmen  Historiae  Civitatis  et  lusulae 

Vegliae-Komad  skazanja  i  povidanja  od  Grada  i  Ottoka  Kerskoga  illiti  Vegl- 

skoga«.   (Reinschrift  aus  dem  Jahre  1819).    In  der  späteren  Ergänzung  zu 

Seite  49  bespricht  er  die  Entdeckung  des  Glagolita  Clozianus:  »welcher  von 

dem  heiligen  Hieronymus  eigenhändig  geschrieben  und  bibliae  pars  in  lingua 

croatica  scripta  enthält«.  Dies  alles  erfährt  Feretic  aus  dem  Briefe  des  Grafen 

Paris  Cloz,  den  dieser  an  Ivan  Antun  Sintic,  Bischof  von  Krk,  richtete. 

Der  Brief  des  Grafen  Cloz  nach  der  Abschrift  Feretiö'  lautet: 

Monsignore ! 

In  prima  dimando  perdono,  se  senza  l'onore  d'una  personale  cogno- 

scenza,  io  mi  prendo  la  libertä  di  presentarmi  con  questa  lettera.    Un 

manoscritto,  preteso  Tautografo  di  S.  Girolamo,  me  ne  apre  la  strada  e 

rimportanza  di  tale  oggetto  farä  le  mie  scuse.  Verso  l'ultimi  del  mese 

d'Ottobre  ritornai  da  una  gita,  fatta  nella  mia  Signoria  di  Mariestein, 

Sita  nelle  vicinanze  di  Kufstein,  e  colä  levai  dal  mio  Archivio  il  predetto 

Ms.,  forse  per  quattro  secoli  intatto,  coli'  idea  di  farlo,  se  mai  possibile, 

maggiormente  comprovare.   Tale  scritto  e  sopra  la  carta  pergamena,  e 

riguardo  al  materiale  nulla  sembra  ostare  all'  autenticitä,  perche  sopra 

questa  gia  si  scriveva  diversi  secoli  prima  della  nascita  del  nostro  Santo, 

che  venne  al  mondo  nel  330  circa,  e  mori  nel  420.  Vide  Pergamena-Cam- 

bres  nel  suo  Dizionario  universale.  Riguardo  alla  lingua, io  non  la  conosco, 

ne  so  in  quäle  era  scritto.   Occhiudo  un  pajo  di  righe  copiate,  o  per 

meglio  dire,  malmente  dipinte  dal  predetto  Ms.,  onde  poter  rilevare  ee 

questa  lingua  esisteva  al  tempo  del  prelodato  nostro  Santo.    Sopra  Io 

stesso  Ms.  in  pergamena  si  trova  in  latino  l'Autentica  seguente.  Nota. 

»Isti  quinterni  hie  intus  ligati  etc. 

Leteralmente  con  M.  di  Gio.  Ferdinando  Barone  de  Schürf  in  Alle- 


1)  I.  Feretic  (1769—1839)  »Parochialis  et  Decanalis  Ecclesiae  Verbeni- 
censis  sacerdos<,  war  ein  sehr  fleißiger  kroatischer  Schriftsteller.  Er  verfaßte 
zwei  historische  Werke  über  die  Insel  Veglia,  dichtete  sehr  viel,  befaßte  sich 
mit  Botanik,  sogar  mit  Medizin.  Davon  wurde  nichts  gedruckt.  Er  studierte 
einige  Jahre  in  Venedig,  wo  er  sich  die  italienische  und  lateinische  Sprache 
aneignete.  Als  Historiker  kritiklos,  bietet  er  eine  Fülle  von  wertvollen  Notizen 
über  die  Vergangenheit  der  politisch  und  kulturhistorisch  so  interessanten 
Insel  Krk.  Professor  M.  Bartoli  würdigt  auch  Feretic'  Nachrichten  über  das 
Romanische  der  genannten  Insel  (Das  Dalmatische  I.  226 — 227).  Der  biedere 
sacerdos  verbenicensis  wurde  so  neurasthenisch,  daß  er  sein  Leben  durch 
Selbstmord  beendete.  Näheres  über  sein  Leben  und  Wirken  in  meinen  Artikeln 
»Viaski  i  stari  romanski  jezik  na  Krku«  (Zbornik  za  nar.  zivot  i  obicaje  IX. 
12— 20)<  und  »Pop  Ivan  Feretic,  krcki  istorik«  (Gracta  za  povijestknjizevnosti 
hrvatske  VII.  329—361). 


Kleine  Mitteilungen.  605 

mano,  Qaesto  libro   scrisse   di  proprio  pugno  S.  Girolamo  in  lingua 
Crobata«. 

Nota  bene,  che  questo  Barone  Schürf,  mio  antecessore,  come  Dinasta 
di  Mariestein  era  insignito  delle  primarie  cariche,  e  uomo  superiore  ad 
ogni  eccezione. 

Forse  che  a  Veglia  vi  siano  dei  dati  e  delle  memorie,  confirmanti  la 
predetta  autentica;  forse  si  ritroverä  lo  spoglio,  fatto  dopo  la  morte  di 
Giovanni  Frangepane,  Sig.-re  di  quell'  isola.  Forse  esiste  l'altra  parte  di 
questo  libro,  che  non  venne  in  mano  del  sacerdote  Luca  de  Eenaldi  ec. 
lo  mi  prendo  l'ardire  di  pregarla,  Monsignore,  di  fare  possibilmente 
rillevare  le  circostanze  neir  autentica  espresse,  ed  io  ben  volentieri  mi 
sottoraeto  alla  spesa  per  tali  indagini  necessarie,  che  ella  si  compiacerä 
d'indicarmi.  Se  tale  manoscritto  e  veramente  autografo  del  nostro  Santo, 
io  pubblicherö  il  possedimento;  affinche  la  storia  e  la  S.  Chiesa  ne  possa 
rittrare  il  maggior  friitto  possibile.  Io  di  nuovo  supplico  MonsigJ'e  di 
scusare  la  libertä,  con  la  quäle  ricorro  in  tale  circostanza,  e  nello  stesso 
tempo  colgo  con  sommo  piacere  il  fortunato  incontro  di  esternare  la  mag- 
giore  mia  stima  e  rispetto,  con  cxxi  ho  l'onore  die  Professarmi 
Trento  adi  3  Gennajo  1829. 

Di  Monsignore 
Umilisso  e  Divotissimo  Servitore 
Paride  Conte  Cloz. 
Feretic  fügte  folgende  Worte  hinzu: 

Fu  data  larisposta,  etutto  quello  si  ha  verificato,  che  contal'auten- 

tica,  ma  nessun  avanzo  non  si  pote  trovare  del  resto  di  quella  opera 

manoscritta,  che  con  tanta  . . .  ietä  e  premura  il  Sig""  Barone  desiderava 

e  ricercava.   Chi  sa  in  che  mano  infortunata  era  essa  caduta.  Io  piutosto 

sono  persuaso  a  credere,  che  l'autentica  sia  veritiera,  e  che  Tautografo 

sia  proprio  del  pugno  di  S.  Girolamo.  Si  dovrebbe  andare  a  Trento  per 

rilevare  la  ferma  e  stabile  veritä.   Ciö  molto  preme  e  molto  interessa. 

Per  sfnggire  qualunque  faticha  e  difficoltä,  procurasi  provedere:  »Glago- 

lita  Cloziano<  del  Kopitar,  ed  ivi  si  vede  dilucidato  tutto  l'occorribile. 

Wie  man  sieht,  beruft  sich  hier  Feretic  auf  die  Kopitarsche  Ausgabe  des 

^Glagolita  Cloziauus«;  seine  Bemerkung  stammt  also  aus  den  letzten  Jahren 

seines  Lebens. 

Aus  der  früheren  kroatischen  Darstellung  Feretic'  im  Werke  selbst  er- 
fahren wir,  daß  Bischof  Sintic  ihn  mit  der  Aufgabe  betraute,  die  Sache  zu  unter- 
suchen und  dem  Grafen  Cloz  zu  antworten.  Feretic  nahm  wahr,  daß  die  Schrift 
in  den  in  Mariestein  abgeschriebenen,  oder  besser  gesagt  nachgezeichneten 
zwei  Zeilen,  wohl  glagolitisch,  aber  von  der  »jetzigen«  (d.  i.  eckigen)  sehr 
verschieden  sei.  Feretic  sagt  weiter:  »Od  ovih  (d.  i.  Lettern)  i  ja  nikoliko  vi- 
dil,  dali  mnogo  zlo  potegnjenich,  jer  potegnjene  od  italijana,  koji  ne  pozniva 
ni  nasega  jezika  ni  glagolskogapisma;  sve  potezi  tako  zlocesto  bijase  ucinil, 
da  se  jedva  mogase  koja  besida  dvignuti  i  razumiti.  Poklam  ista  slova  Jesu 
mnogo  razlicna,  premda  i  glagolska,  od  sadasnjega  glagolskoga  pisma«.  Da- 
rum richtete  er  im  Namen  des  Bischofs  Sintic  an  den  Grafen  Cloz  das  An- 


606  Kleine  Mitteilnngen. 

suchen,  das  Manuskript  behufs  Untersuchung  nach  Krk  zn  senden.  Der  Graf 
wollte  aber  diesem  Wunsche,  erzählt  Feretic,  nicht  willfahren. 

Was  weiter  mit  der  berühmten  Handschrift  geschehen  ist,  wissen  wir  aus 
den  Prolegomena  Kapitars. 

Ivan  Feretic  und  Bischof  Sintic  sind  jedenfalls  die  glagolitae  dalmatae 
Kopitars.  I.  Milcetic. 

Zur  Bibliographie  der  kroatisch-kajkavischen  Literatur, 

Für  die  folgenden  Notizen  glaube  ich  ein  Interesse  bei  den  slavischen 
Forschern  zu  finden,  da  die  Notizen  einige  interesante  Momente  aus  der  älte- 
ren kroatischen  Literatur  zeigen.  Um  nicht  in  die  Länge  das  Besprechen  zu 
ziehen,  gehe  ich  zur  Sache  über.  Sämtliche  Kleinigkeiten  sind  in  der  kg.  Za- 
greber Universitätsbibliothek  aufbewahrt. 

I.  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  daß  irgendwo  mitgeteilt  wurde,  daß  zu  Th. 
Miklousic,  »Huta  pri  Szavi  ili  lyübav  za  lyi'ibav.  Igrokaz  Narodni  vu  dvöjem 
Zpelyivanyu  Pri  Predävanyu  Iliriuma  napervoztävlyen  Vu  Zagrebu  dän  1  vi 
Vszeszvetschaka  1822«  ein  deutsches  Original  gefunden  wurde.  Safafik  er- 
wähnt in  seiner  Geschichte,  daß  dieses  Werkchen  aus  dem  Deutschen  über- 
setzt wurde.  Ich  habe  diese  Behauptung  im  Jahre  1894  in  Vijenac  708  über- 
nommen. Bei  der  jetzigen  Bearbeitung  der  kroatischen  kajkavischen  Literatur 
gelang  es  mir,  die  Safariksche  Behauptung  auch  beweisen  zu  können.  Die 
vollständige  Beweisführung  kann  ich  doch  nicht  durchführen,  weil  das  mir  zur 
Verfügung  stehende  Exemplar,  wie  es  scheint,  nicht  vollständig  ist.  Mir  ist 
nämlich  bei  der  Hand:  >Prolog  sammt  damit  verbundenen  Tableaux  und  Schluß- 
gesang  welcher  bey  Gelegenheit  des  von  Seite  der  königlichen  Frey-Stadt 
Agrara  am  Iten  November  1822  gegebenen  Frey-Theaters  zur  Feyer  der  durch 
Seine  Excellenz  Herrn  Grafen  Joseph  Majlath.  von  Szekely,  Commandeur  des 
königlichen  ungarischen  St.  Stephans-Orden,  goldenen  Civil  Ehren-Kreutzes 
Ritter,  k.  k.  wirklichen  geheimen  Rath,  Kämmerer,  Königlich  ungarischen 
Schatzmeister,  dann  Präsident  der  Königlichen  ungarischen  Hofkammer,  und 
Obergespann  des  Veröczer  Comitats,  als  Allerhöchst  bevollmächtigten  König- 
lichen Hof-Kommissär  vollzogenen  Uibergabe  des  jenseits  der  Save  gelegenen 
Croatischen  Gebiethes  vorgetragen  wurde.  Agram,  gedruckt  mit  von  Novoßr- 
schen  Schriften«. 

Dieser  große  Titel  ist  wortgetreu  in's  Kroatische  übersetzt  als  »Predgovor 
z-Prilosenemi  Pokazi  y  dokonchnum  Peszmum  Vu  obchinzkom  zlobodnem 
od  zträne  Krälyevzkoga  Varasha  Zagrebechkoga  naredyenem,  Igrokazu,  Pri 
Predävanyu  Prekszavzkeh  Horvatzkeh  Kotarov  po  Nyih  Excellenczie  Gospo- 

dinu  Grofu  Josefu  Mailäth  od  Szekkelya kakti  Kralyevskomu  z-Punum 

Oblaztjum  pravitelu  Dän  1  Vszeszvetschaka  1822  odicheno  dovershenem  na- 
pervopoztavlyen.  Vu  Zagrebu  Pritizkan  Szlo  vami  Novooszelzkemi« .  Im  Prolog 
so  wie  in  Predgovor  ist  die  vollständige  Übereinstimmung,  d.  h.  Prolog  wurde 
im  Predgovor  nach  den  damaligen  kajkavischen  literarischen  Auffassungen 
übersetzt.  Schon  aus  dem  Titelblatt  kann  man  herablesen,  wie  es  mit  dem 
Übersetzen  steht.  Hier  werde  ich  nur  noch  einige  Zeilen  hervorheben. 


Kleine  Mitteilungen.  607 

Auf  der  S.  4  steht  es :  Das  Theater  stellt  eine  kurze  Waldgegend  vor. 
Gledalische  napervoztavlya  malu  lozicu.  Erstes  Tableaux.  Pokaz  I.  Die 
Kunst,  die  Handlung,  die  Industrie  stehen  in  trauriger  Stellung  neben 
ihren  Attributen,  ein  Kroatischer  Bürger  und  ein  Bauer,  beyde  in  ihrer  Landes- 
tracht stehen  an  beyden  Stellen  des  Theaters  nachdenkend,  und  ebenfalls 
traurig,  hiezu  kömmt  Croatiens  Schutzgeist.  In  der  Miklousic'schen  Über- 
setzung heißt  es:  (Mestria,  Tergovina,  y  Gozpodaria,  vu  Zpodobah  Vilh,  z-pri- 
mernemi  szvojemi  Czimeri  saloztne  ztoje:  j^den  takaj  Varaschan,  y  jeden  la- 
danyzki  chlovek,  vu  narodnoj  szvoji  opravi,  vszaki  na  szvojem  kräju, 
zamishlyeni,  y  saloztni  glediju:  nad  to  dojde  zverhu  Horvatzke  Zemlye  zkoz- 
nujüchi  Duh,  y  govori;).  —  In  dieser  Weise  entwickelt  sich  die  Übersetzung 
weiter.  Nur  am  Ende  des  Prologs  steht  »Chor«,  welches  Wort  vom  kroatischen 
Übersetzer  nicht  erwähnt  wird. 

Die  drei  Blätter,  die  ich  in  der  Hand  hatte ,  scheinen  eine  weitere  Ent- 
wicklung gehabt  zu  haben.  Mir  scheint  nämlich,  daß  auch  die  ganze  >Huta 
pri  Savi«  in  der  deutschen  Sprache  abgefaßt  und  hier  abgedruckt  wurde,  so 
wie  es  in  der  kroatischen  Ausgabe  ist.  Die  damaligen  sozialen  Zustände  in 
Zagreb  waren  solche,  daß  das  intelligentere  Publikum  lieber  die  Vorstellung 
in  der  deutschen  Sprache  als  in  der  kroatischen  anhören  mochte.  Die  deutsche 
Theatergesellschaft  hat  die  Vorstellung  im  Jahre  1822  ermöglicht.  Darin 
finde  ich  auch  einen  Beweis,  daß  in  Zagreb  schon  im  zweiten  Dezennium  des 
XIX.  Jahrh.  das  deutsche  Theater  mit  einer  geordneten  Gesellschaft  deut- 
sche Vorstellungen  ausführte. 

II.  Die  Buchdruckerei  von  Novosel  in  Zagreb  unterhielt  einigermaßen 
die  literarische  Verbindung  am  Ende  des  XVIII.  Jhdts.  So  erschien  hier  auch 
auf  1  Seiten:  »Szlavnem  Varmegyam  od  Erdölszke  y  Topolovechke  ban- 
derialszke  kompagnie  vu  vremenu  szvojega  raszpuschenya  szlavnu  szlavu  da- 
vali  jeszu.  Dneva  petoga  Januara  Letta  1798.  Vu  Zagrebu,  Pritizkano 
vu  czesz.  kraly.  szlobodnoj  Novoszelszkoj  8zlovotizki<. 

Bei  Kukuljevic  finde  ich  nirgends  die  Erwähnung  dieser  Flugschrift. 
Aus  jenen  Jahren,  in  denen  dieses  kleine  Schriftchen  erschien,  gibt  es  in  der 
kroatischen  kajkavischen  Literatur  sehr  wenig  dichterische  Produkte.  Es 
ist  bekannt,  daß  diese  Jahre  in  mancher  Beziehung  für  alle  dramatischen  Ver- 
hältnisse viel  zu  wünschen  übrig  ließen. 

In  literarischer  Hinsicht  ist  das  oben  erwähnte  Schriftchen  interessant, 
weil  es  uns  in  militärischen  Sachen  nicht  poetische,  sondern  in  gebundenerForm 
dem  täglichen  Leben  entnommene  Vorfälle  vorführt.  Im  ganzen  sind  es  5  Stro- 
phen. Der  Verf  dieser  Strophen  ist  unbekannt.  Doch  ist  es  interessant,  was  das 
Militär,  und  es  scheint  fremdes  gewesen  zu  sein,  den  Kroaten  zu  sagen  hatte : 
Moramofze  raziti,  z-Bogom  vfzi  horvati, 

Gofzpoda  y  Mufi,  Bog  vam  za  vfze  plati, 
Za  kruh  y  za  vino,  za  zob  y  za  fzeno. 

Z-jednum  rechjum  za  vfze  kaj  je  potroffeno. 

Es  wird  weiter  um  Entschuldigung  gebeten,  wenn  was  von  den  Soldaten 
dem  Volke  angetan  wurde.    Der  Bruder  des  Kaisers  verabschiedete  sich  von 


608  Kleine  Mitteilungen. 

den  Soldaten  in  Zagreb.  Was  er  sagte,  ist  richtig,  denn  die  Soldaten  haben 
alles  nur  für's  Vaterland  geleistet.   Vaterlandsliebe  wird  hervorgehoben. 

III.  In  einem  Bändchen  Plausus  ab  archigymnasio  r.  zagrab.  datus  1790 
findet  man  von  Pctar  Katancic  ein  lateinisches  Lyricon  an  Joannes  Erdödy 
mit  der  Hervorhebung  des  lUyriums  (Ulyrici  ad  mare  Nigrumque,  Hadriacum 
et  Thermaicum  sinum).  Das  Gedicht  wurde  in  Fructus  autumnales  1794  S.  20 
abgedruckt.  Weiter  ist  Glasak  Ljuhice  Vile  shuinske  k-feftri  Milici  u  gori 
zelenoj  nixe  grada  Sainobora.  Dieser  Glasak  besingt  den  Grafen  Joannes  Er- 
dödy, der  Beschützer  und  Kuhm  der  Slavonska  zem|a  werden  sollte. 

Auch  dieses  Gedicht  erschien  später  in  Fructus  autumnales  S.  61.  Nach 
diesem  Glasak  ist  Magyar  Laut  (Magyarische  Leier)  abgedruckt.  Auch 
diese  Leier  ist  dem  Erdödy  bei  seiner  Ernennung  zum  Banus  gewidmet.  Ich 
hebe  es  hervor,  daß  Katancic  sagt:  Joannes  ist  Horvät  es  Magyar  (Kroate  und 
Ungar).  In  Kroatien  wie  in  Ungarn  haben  die  Erdödy  gekämpft  und  Janos 
erscheint  als  Kroate  und  Ungar  zur  selben  Zeit  durch  seine  Arbeiten. 

Ich  weiß  nicht,  ob  Katancic  auch  andere  ung.  Lieder  verfaßte.  Aber  ein 
Zeichen  der  Zeit  war  es,  daß  im  J.  1790  von  den  Studenten  des  Zagreber  Ober- 
gymnasiums ein  solches  Buch  herausgegeben  wurde  und  daß  Katancicsche 
kroatische  Lieder  in  diese  Ausgabe  Eingang  fanden. 

Zagreb.  -Ö-.  Surmin. 

Zur  Reduplizierung  der  Präposifio7i  si. 

Zu  den  Notizen  über  die  Reduplizierung  der  Präposition  st>,  beziehungs- 
weise zt,  die  in  den  letzten  Jahrgängen  dieses  Archivs  (XXXI,  477;  XXXII, 
620  flf.;  XXXIII,  318  u.  611  und  XXXIV,  621)  enthalten  sind,  könnte  noch  eine 
diesbezügliche  Mitteilung  angereiht  werden. 

Dieselbe  Erscheinung  der  Reduplizierung  von  s^  (zt)  ist  nämlich  auch 
im  Resianischen  stark  vertreten  und  diesbezügliche  Beispiele  kann  man  in 
Baudouin  de  Courtenay's  Materialien  zur  südslavischen  Dialektologie  (I.  Re- 
sianische  Texte.  St.  Petersburg  1895)  zusammensuchen.  Mögen  nun  hier  einige 
angeführt  werden:  6"  zaz  n^u,  mit  ihr;  83  flajso  zez  vodo,  die  Flasche  mit  dem 
Wasser;  98  zaz  ml»,  mit  mir;  9 12  zaz  n^in,  mit  ihm;  ll^  zaz  wardjo  zes  soldadi, 
mit  der  Garde  mit  den  Soldaten;  l\^  zez  ninvelikin  guston,  mit  großem  Ver- 
gnügen; 12 10  zes  rasti,  vom  Laubbaum  herunter;  20'5  2iskorbo,  mit  dem  Korbe; 
293  zas  kon^ämi,,  mit  den  Pferden;  31 10  ziz  i;in,  mit  ihm;  395  ztz  ii^in  und  z  ij^in, 
mit  ihm;  Bin  zbs  planyne,  von  der  Alpe;  1492  sbs  trave,  aus  dem  Grase;  \öQ* 
zas  fjimi.,  mit  ihnen;  1755  siz  doma  (z  doma,  vom  Hause);  205'?  ;:(72ij^u,  mit  ihr; 
zaz  T\in,  mit  ihm;  zaz  mnu,  mit  mir;  205 n  zas  cupynon,  mit  dem  Spitzhaken; 
20512  zas  dask>mii,  mit  Brettern;  235 1  zaz  vcer  sucon,  mit  wahrem  Herzen 
(con  ver  cuore);  235ii  Na  stüjy  zas  Tvin  bratron,  sie  wohnt  mit  deinem  Bruder; 
2554  siz  ij^in,  mit  ihm;  255«  u.  >o  siz  i^^ü,  mit  ihr;  3298  Zwon  Lenärtou  ziz  brado 
(mit  dem  Barte);  422 n  zaz  mastjo,  mit  Butter  . . .  usw. 

Interessant  ist  der  Vokalwechsel  in  der  Reduplikationssilbe:  zbz  [sbs), 
zez,  ZIZ,  zaz  . . .  sowie  die  Assimilation  (beziehungsweise  Dissimilation)  im  An- 
und  Auslaut  derselben:  zis,  lis,  zu,  siz,  siz. . . 


Kleine  Mitteilungen.  609 

Das  Beispiel  ziz  mlü  {c-k  A«hH*  mecum)  finden  wir  schon  in Miklosich' Laut- 
lehre II.  Aufl.  pag.  317  vorgemerkt.  Es  scheint,  daß  das  »s«  im  Anlaut  manch- 
mal auch  dann  redupliziert  wird,  wenn  es  nicht  gerade  die  Präposition  dar- 
stellt. So  finden  wir  z.  B.  bei  Pletersnik  (II,  471)  zwei  solche  Beispiele,  näm- 
lich sesljav  und  sesamojda,  die  hier  einbezogen  werden  könnten,  voraus- 
gesetzt, daß  die  angenommene  Erklärung  derselben  richtig  ist.  Im  asl.  c'kc;KA'K 
(vas)  c-KCfrtiaHHHTv  lindigena)  können  wir  ebenso  wie  in  c;Rc1iA'ii  (vicinus)  Zu- 
sammensetzung mii  c;r  (cum)  annehmen.  Ob  das  gleiche  auch  bei  chcKAaKhN'K 
[axXaßtji'of)  der  Fall  ist,  scheint  schon  bedeutend  fraglicher.  Reduplizierung 
der  Präposition  ist  aber  entschieden  anzunehmen  in  folgenden  asl.  Beispielen: 

C'hCBASdTH  und  ChCKrfi.SC'BdTH  für  C'hKrfi.SaTH    Und  ChKA.SORdTH   (COlHgarC),  CKCKp-HITH 

für  c'hKp'hiTH  (abscondere),  c-KCKcivTdTH  für  c-hKo^rdTH  (componere,  sepelire)  [ob 
von  K.T^T'h  (angulus),  der  Ruhestätte  stiller  Winkel??  kaum!],  cKc.u-tcHTH  für  ck- 
iwfccHTH  (commiscere),  c-ucu-fcujfHHie  für  chAv-kmeHHi«;  (commistio),  cKcp-kcTH  für 
cTvp-fccTH  (obviam  fieri),  ckctkophth  für  cktkophth  (conficere),  ckctokt»  für  c-k- 
T^K-K  (facultates),  c-KCTAPH-TiTH  für  c'KTArH;KTH  (coutrahere),  c-hCTASdTH  CA  für 
c'kT/Ä.sdTH  CA  (disputare)  und  c-kc-kaa^tphth  (conicere)  von  cKAtorpHTH  (spectare) 
zu  AvoTpHTH  (spectare),  c'h.cT;K»;HTH  für  c-kt-i^skhth  (affligere)  zu  T;R;t;HTH  (urgere'. 

Um  auf  die  Erklärung  der  beiden  Beispiele  zurückzukommen:  sesljav 
ist  nicht  von  sesljati  (s  statt  s  sprechen)  abzuleiten,  denn  es  bedeutet  nicht 
blaesus,  sondern  flagranter  cupiens  und  geht  auf  sljä  (Lust,  Verlangen)  zurück. 
Pletersnik  (II,  503)  schreibt  sla  statt  slja  und  (S.  507)  slav  statt  sljav  (lüstern, 
begierig).  Die  Ableitung  dieses  Wortes  von  der  Wurzel  sul  (brennen)  mit  dem 
Suffix  -ja  (vgl.postelja,  zelja  u.a.)  habe  ich  imLjubljanski  Zvon  (XIII,  698)  dar- 
zulegen versucht  und  die  Bedeutung  von  sljä  als  brennendes  Verlangen 
(Brunst  d^vf^og  und  ini^va  ia)  nachgewiesen. 

Sesamojda  (riechende  Nießwurz,  helleborus  graveolens)  halte  ich  für  sa- 
möjeda  (etwa  selbstätzende  oder  beizende  Pflanze),  zu  vergleichen  mit  samo- 
jeja  (ranunculus  acer);  beide  im  zweiten  Teil  auf  die  Wurzel  jad  zurückzu- 
führen; vgl.  jedek  =  ätzend,  beizend.  —  Der  scharfe  Hahnenfuß  führt  auch 
den  Namen  slanovrat  und  dieser  Name  ist  in  seinem  ersten  Bestandteile  auch 
auf  die  Wurzel  sul  (brennen)  zurückzuführen,  während  der  zweite  Bestandteil 
auf  vort  (drehen,  wenden,  bohren,  wühlen)  zu  beruhen  scheint.  Vgl.  vratfc 
(tanacetum);  der  Rainfarn  oder  das  Wurmkraut  ist  als  Arzneimittel  von  ter- 
minaler Wirkung,  das  die  Eingeweide  aufwühlt.  Die  Wirkung  der  in  diesen 
Pflanzen  enthaltenen  ätherischen  Öle  und  beizenden  Säfte  ist  ein  scharfes 
Brennen,  ein  ätzendes  Jucken. 

Der  scharfe  Hahnenfuß  scheint,  nach  dem  Namen  pizdogriz  (vgl.  srbo- 
ritka  Hagebutte)  zu  schließen,  als  kitzelndes,  juckendes  Aphrodisiacum  be- 
kannt zu  sein  und  hat  wahrscheinlich  auch  wie  Belladonna,  Bilsenkraut  und 
Honigklee,  wie  Safran,  Senf  und  Schierling  im  Atzpflaster  Verwendung  ge- 
funden. Die  Namen  samojeja  oder  samojeda  und  solnovrat  oder  slanovrat 
scheinen  darauf  hinzudeuten,  daß  diese  Pflanze  scharfe,  ätzende  Säfte  enthält, 
die  Brennen  und  Jucken  hervorrufen. — Die  Kürzung  *samöjda  aus  samojeda, 
ähnlich  wie  b6jda  aus  bäjöda  [(paai  6ti),  morda  oder  a»0/ka'»  (aus  Ai^^KexTi  aj) 
menda  aus  menim  da  =  (meuBu  da),  haben  wir  wohl  der  Betonung  auf  der 

Archiv  für  slavische  Philologie.  XXXV  39 


610  Kleine  Mitteilungen, 

Antepenultima  zu  verdanken.  Die  gleiche  Betonung  in  samo-kompositis 
haben  wir  auch  in  samotezni  voz  oder  satnötezuilc  (Handwagen)  und  in  samö- 
strina  [samöstrelinn)  oder  samöstrica  ( samöstrelica)  die  Billichfalle  (die  von 
selbst  losgehende). 

Sesljav  und  sesamojda  wären  also  zwei  Beispiele  von  redupliziertem  s- 
Anlaut  ohne  Rückbeziehung  auf  die  Präposition  st,  —  oder  sollte  in  c;RCAtaR'k 
eine  Schwächung  des  crtiaK-K  enthalten  sein,  wie  in  c;?iK-k(\'k  subalbus ,  c;s^r;RCT'K 
aliquantum  densus,  c;RA\pdK'K  (Dämmerung)  usw.  L.  P. 


Zur  slovenischen  Ortsnamenkunde. 

Altslovenisches  ^  im  Anlaut  wird  bekanntlich  im  Neuslovenischen  zu 
vo,  z.  B.  ;RrA'K  vogel,  x^-Aih.  voz,  x^si  voza,  ;r.3A'k  vozel,  xstiktv  vozek,  sic-fcHHUd 
vosenica,  s.ta-k  votel,  *tpoka  votroba,  s;\-aTH  vohati  usw.  Dies  muß  man  sich 
auch  bei  der  Ei'klärung  der  Ortsnamen  gegenwärtig  halten  —  und  es  sind  die 
verschiedenen  Vodole  nicht,  wie  manche  anzunehmen  scheinen,  von  voda 
(Wasser)  +  Suffix  -olx  abzuleiten,  sondern  sie  sind  einfach  mit  dem  altslove- 
nischen  ^aoa-y>.  (vallis)  zu  vergleichen.  Wenn  auch  das  Appellativum  vodol 
(Seitental)  in  unseren  Wörterbüchern  nicht  vorkommt,  aber  als  Nomen  pro- 
prium ist  es  gleichwohl  in  Ortsnamen  noch  häufig  erhalten.  Als  Beweis  für 
die  Richtigkeit  der  Parallele  von  asl.  ;fiAOA'K  und  nsl.  vodol  möge  uns  folgen- 
des Beispiel  dienen. 

In  der  Gemeinde  Haimburg  (sloven.  Vobre)  im  Bezirke  Völkermarkt 
(Kärnten)  ist  das  Dorf  Wandelitzen  (sloven.  Vodovnica).  Die  deutsche  (?) 
Namensform  Wandelitzen  entspricht  einem  asl.  ;RA«AHHd,  die  slovenische  einem 
;KA«AkHHi;A,  die  erste,  direkt  aus  dem  Substantiv  ;ra«ak,  ist  einfach  deminuie- 
rend,  die  zweite  aber,  aus  dem  Adjektiv  ;KA^rtiiH'k  abgeleitet,  hat  die  Substan- 
tivierung des  genannten  Adjektivs  vollzogen. 

Einen  übernommenen  Namen  pflegt  die  Entlehnerin  entweder  möglichst 
unverändert  fortzuerhalten,  wie  sie  ihn  übernommen  hat,  oder  etwaige  Ver- 
änderungen werden  meistenteils  gleich  bei  der  Übernahme  nach  den  Normen 
der  übernehmenden  Sprache  vollzogen.  Die  Übernehmerin  scheint  jedoch 
dann  konservativer  zu  verfahren  als  die  Schöpferin  des  Namens  selbst. 
Während  z.  B.  das  Slovenische  den  deutschen  Namen  Susenberg  in  der  Form 
Zuzemperk  übernommen,  dann  aber  denselben  keinen  weiteren  Veränderungen 
unterzogen  hat,  ist  im  Deutschen  selbst  von  da  an  noch  die  ganze  Dipthon- 
gierungs-  undUmlautsentwickliing  durchgemacht  worden :  (Susen-,  Sausen-. 
Sausen-,  Seisenberg).  Ebenso  hat  das  Deutsche  den  slovenischen  Namen 
^AOAHUd  in  der  Form  Wandelitzen  zu  einer  Zeit  übernommen,  wo  der  Nasal 
noch  deutlich  vernehmbar  war,  und  hat  demnach  in  der  ersten  Silbe  die  Nasalie- 
rung erhalten,  während  im  Slovenischen  selbst  dieselbe  in  der  späteren  Periode 
verschwunden  ist,  so  daß  wir  aus  ;siA«'Ai»nHi;d  ein  Vodolnica  und  nach  erfolgter 
Velarisation  des  >!«  ein  Vodovnica  bekommen  haben. 

Daß  auch  der  Name  Vobre  das  >v«  im  Anlaut  erst  vorgesteckt  hat  und  auf 
ein  ursprüngliches  Obre  (von  obrin  =  avarin,  der  Avare,  Riese)  zurückzuführen 


Kleine  Mitteilungen.  611 

sei,  bekundet  der  deutsche  Name  Haimburg  (statt  Hennburg  gleich  Hiinen- 

burch  d.  i.  Burg  der  Hunnen  od.  Riesen),  im  XII  Jahrhundert  Huninburc. 

Soteska  'Talenge,  Engpaß'  erweckt  bezüglich  der  Ableitung  noch  einige 
Zweifel,  sollen  wir  das  Wort  mit  soseske 'Gemeinde',  gosposka 'Obrigkeit', 
vojska 'Kriegsheer'  und  zenska 'Weibsperson'  in  Parallele  stellen,  somit  die 
Ableitung  mit  dem  Suffix  -tsko  statuieren,  oder  sollen  wir  das  >sk«  zum 
Stamme  rechnen.  Zusammensetzung  mit  dem  Präfix  sü  (sa)  wird  in  beiden 
Füllen  angenommen.  Miklosich  stellt  (Etym.  Wb.  357)  das  Wort  unter  -tisk 
(trudere  ,  durch  Steigerung  -tcski.  angustus).  —  Die  gewöhnliche  Aussprache 
»soteska«  mit  betontem  »e«  (i)  in  der  zweiten  Silbe  verträgt  sich  ganz  gut  mit 
dieser  Etymologie.  Wir  haben  jedoch  neben  »soteska«  mit  betontem  ■£  in  den 
steierischen  Dialekten  auch  die  Bedeutungsform  > soteska«  (coxLCKa),  und  da 
ist  vom  offenen  i  der  Steigerungssilbe  »-teski.«  nichts  mehr  zu  merken  — 
und  wir  müßten  nun  zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  nach  Vondräk  (Vrgl. 
sl.  Gr.  I,  66;  konstatieren,  daß  unbetontes  i  nur  noch  als  t.  gehört  wird  und 
daß  dieser  Halbvokal  nun  allmählich  schwindet,  um  schließlich  ganz  zu  ver- 
schwinden. So  haben  wir  z.  B.  in  Unterkrain  an  der  Gurk  den  Ortsnamen 
»Soteska  'Ainöd'«  und  im  Cillierkreise  bei  Neukirchen  in  Steiermark  »Söcka 
'Einöd'«.  Auch  das  verträgt  sich  noch  mit  der  angeführten  Erklärung,  also 
mit  -teski.  'angustus'.  Nun  haben  wir  aber  in  Steiermark  mehrere  Orte  namens 
Sotensko  oder  Sotonsko  und  für  einen  von  diesen,  nämlich  für  Sotensko  bei 
Kalobie  hat  uns  Zahn  (Ortsnameubuch  468)  aus  dem  Jahre  i'MS  die  urkund- 
liche Form  »Zoteska«  verzeichnet.  Wenn  wir  daneben  die  altslovenischen 
Formen  c-kt/asiith  ca,  axEi'ovafini  und  T^i^athHT»,  aiEros  in  Berücksichtigung 
ziehen,  so  kommen  wir  auf  die  Wurzel  teng,  durch  Steigerung  tong,  woraus 
sich  dann  mit  dem  Suffix  -Lsko  die  Formen  *tezLskx  und  *tazi>sk'i.  gewinnen 
lassen  und  daraus  mit  erhaltenem  Nasal  wieder  *tensk  und  *tonsk.  Es  fragt 
sich  jetzt  nur,  ob  die  verschiedenen  Sotensko  die  Lokalprobe  mit  dieser  Er- 
klärung aushalten,  ob  sie  wirklich  Engen  sind,  wo  sich  die  Talwände  zu- 
sammenziehen. Fiat  applicatio!  Und  was  ist  Ainöd?  Valvasor  (XI,  11)  meint: 
eine  rechte  Einöde,  eine  wahrhafte  Wildnis.  Er  denkt  dabei  an  den  Begriff 
»samota,  puscava«.  Es  hat  jedoch  schon  Grimm  (III,  240)  konstatiert,  daß  im 
vorangestellten  <'m  ein  Pleonasmus  vorliegt,  da  in  öih  selbst  schon  die  Vor- 
stellung der  Einsamkeit  und  Verlassenheit  liegt.  Ich  möchte  nur  noch  hinzu- 
fügen, daß  der  mit  slov.  Soteska  korrespondierende  Ortsname  Ainöd  nicht 
den  Begriff  »desertum,  solitudo«  zum  Ausdruck  bringen  will,  sondern  genau 
dem  Begriff  »angustiae«  entspricht.  Es  ist  das  bei  Grimm  (III,  472)  verzeich- 
nete »Engede  'angustiae'«.  — Vgl.  Izvestja  mnz.  drustva  zaKranjsko.  XVIII, 
98.  Anm.  L.  P. 


Em  Zusatz  zu  Archiv  Bd.  XXIII,  S.  409  {mittlerer  Absatz). 

Äußerung  der  Hofkommission 
über  Vodniks  Geschichte  des  Herzogthums  Krain. 
Mit  hoher  Hofverordnung  10  X^^er^  daß  dieses  Werk  zwar  ganz  zweck- 
mäßig befunden.  —  jedoch  es  ganz  recht  daran  sey,  es  dergestalt  umzuar- 

39* 


612  Kleine  Mitteilungen. 

beiten,  daß  es  auch  für  das  Görzer-Gymnasium  und  für  die  Schüler  von  Triest. 
von  wo  ohnehin  mehrere  am  Laib.  Gym.  studieren,  zu  Gebrauche  dienen  könne. 

Die  h.  Hofst.  versieht  sich  daher  zu  dem  Diensteifer  des  P.  V.  —  wobei 
er  zugleich  Gelegenheit  haben  wird,  an  das  bereits  verfaßte  Manuscript, 
welches  hie  und  dort  einer  mehreren  Ausfeilung  in  der  Textirung  und  den 
Ausdrücken,  sowie  einer  Revision  in  Hinsicht  auf  Chronologie  und  die  Facta 
empfänglich  seyn  dürfte,  die  letzte  Hand  anzulegen  und  gegen  alle  gegrün- 
dete Kritik  zu  verwahren  —  vermehrt  und  ausgebessert,  sodann  aber  zur 
weitern  Approbation  der  hohen  Hofstelle  anher  vorgelegt  werde. 

Sollten  die  Directionen  zur  Erreichung  der  hohen  Absicht  einen  Vor- 
schub von  Seite  der  Landesstelle  dienlich  oder  erforderlich  finden,  so  haben 
sie  solchen  an  die  Hand  zu  geben. 

L.  11.  Jänner  1808. 
Die  beanständeten  Stellen: 

1)  Aguntum  Intichen  p.  IS.  595. 

2)  huldigen  Alberto  lü.  Leop.  IIL  p.  31 

3)  mit  seinen  getreuen  Ständen  in  Unterhandlung  trat  p.  32. 

4)  Im  10.  Jarh.  Carnioliae  —  Carnia  =  Carniola  —  bis  —  pag.  33. 

5)  Lothar  schenkt  Triest  dem  B.  Jvan  p.  35  Thalberg? 

6)  ad  anü  880.  pag.  36. 

7)  gleich  den  von  Steierm.  pag.  44  Landeshandveste  Gratz  nach  Xer- 
höhung  pag.  44. 

8)  Gottscheer  unter  K.  Karl  IV.  ?  aiio  1509  pag.  46. 

9)  Wahl  eines  geistl.  Verordneten 

General  Einnehmer  p.  51.  1599. 

10)  Gegenstände  ihrer  Wirksamkeit  pag.  62. 

11)  Eigene  Landeshauptm.  pag.  64. 

12)  Fiume  ungarisch  pag.  d»  L.  F. 


Der  neue  Lehrstuhl  für  SlamstiJc  an  der  Universität  Leyden. 

Mit  lebhaftester  Befriedigung  vernahmen  weitere  slavische  Kreise,  daß 
dem  Studium  des  Slavischen  in  Holland  durch  Errichtung  eines  besonderen 
Lehrstuhls  dafür,  und  zwar  an  der  altberühmten,  gerade  durch  erfolgreichste 
Pflege  der  Philologie  in  der  Geschichte  der  Wissenschaften  so  bewährten 
Universität  Leyden,  der  Eingang  verschafft  ist;  sie  ersahen  darin  eine  An- 
erkennung der  Bedeutung  dieses  Studiums  und  fühlten  sich  der  Nation  und 
ihren  Vertretern,  die  die  Mittel  hierzu  bewilligten ,  zu  großem  Danke  ver- 
pflichtet. 

Leider  mischt  sich  in  diesen  Dank  und  Freude  ein  unbehagliches  Gefühl, 
hervorgerufen  durch  den  Titel,  den  der  neue  Lehrstuhl  führt,  denn  dieser 
Titel  ist  mehr  als  eine  bloße  Etikette;  er  ist  selbst  ein  Programm  und  zwar 
ein  —  verkehrtes,  leider! 

»Balto-Slavische  Sprachen« :  das  weitere  Publikum  wird  erstaunt  fragen, 
was  das  »Balto«  zu  bedeuten  hat;  es  weiß  ja  von  deutschen  »Balten-^,  von 
Finnen  und  Schweden  am  baltischen  Meere,  aber  es  ahnt  nicht,  daß  deutsche 


Kleine  Mitteilungen.  613 

Wissenschaft  ein  ganzes  Volk  gerade  nach  dem  benannte,  womit  dieses  Volk 
nie  etwas  zu  tun  hatte.  Gemeint  sind  nämlich  darunter  vor  allem  die  Litauer 
die  —  Holländer  werden  dies  gar  nicht  verstehen  —  eine  halbe  Meile  vor  dem 
Meere  angelangt,  ihm  für  ewig  den  Rücken  gekehrt  haben ;  ein  armes,  kleines 
Volk,  ohne  Kultur,  Literatur,  ja  ohne  eigene  Geschichte,  dessen  einziges  Ver- 
dienst darin  besteht,  sich  in  seiner  ärmlichen  Isolierung  eine  altertümliche, 
dem  Slavischen  am  nächsten  stehende  Sprache  konserviert  zu  haben. 

Der  »Balto-Slavische«  Lehrstuhl  ist  eine  Zurücksetzung,  Herabminderung 
des  Slavischen  selbst,  woran  am  wenigsten  die  gedacht  haben,  die  die  Mittel 
hierfür  bewilligten. 

Der  Titel  deutet  weiter  an,  daß  das  slavistische  Studium  in  Leyden  ein 
ausschließlich  eng  linguistisches  werden  soll  und  dies  war  gerade  dasjenige, 
was  Holland  und  seine  Jugend  am  wenigsten  brauchten,  was  das  bewilligende 
Parlament  am  wenigsten  im  Sinne  hatte,  was  slavische  Kreise  am  wenigsten 
wünschten  und  erwarteten. 

Wir  hofften,  daß  ein  berufener  erster  Vertreter  der  Slavistik  in  Holland 
in  erster  Reihe  Hollands  Jugend  mit  slavischer  Art  und  slavischem  Geiste  be- 
kannt machen  wird,  daß  es  vor  allem  Rußlands  Kultur,  Literatur,  Geschichte, 
Landeskunde  sein  werden,  die  der  wohl  ausgerüstete  Fachmann  mit  Liebe 
und  Wärme  den  Zuhörern  vorführen  wird,  als  das  wichtigste  und  interessan- 
teste Problem  des  neuen  Wissenszweiges.  Paradigmen  und  Vokabeln  einzu- 
üben, Lautregeln  abzuklappern,  dazu  reicht  auch  schließlich  ein  Lektor  aus. 
In  Berlin  wird  zurzeit  eine  neue  zweite  Gesellschaft  für  die  Pflege  des  Russi- 
schen, d.  h.  nicht  der  Sprache,  sondern  der  Kultur  gegründet;  in  Leydens 
Lehrplan  fehlt  auch  jetzt  noch,  trotz  des  neuen  Lehrstuhles,  ein  Lehrstuhl  für 
slavische  Sprach-  und  Literaturgeschichte,  die  ja  zugleich  Kulturgeschichte 
ist  oder  sein  soll:  die  »Balto-Slavische«  Sprachkunde  kann  diesen  Mangel  am 
wenigsten  ersetzen. 

Denn  was  ist  es,  was  wir  von  einem  Slavisten  im  Auslande  vor  allem  er- 
warten und  verlangen?  Daß  er  den  Geist  vom  Geiste  nähre,  daß  er  vermittle 
zwischen  der  Jugend  seines  Landesund  jenem  gewaltigen  Reiche  namentlich, 
mit  seinen  150  Millionen  Einwohnern,  seinen  unerschöpften  Schätzen,  seiner 
eigenartigen  Kultur,  wie  sie  uns,  vergeistigt  und  verklärt,  aus  den  Werken 
eines  Tolstoj  und  Dostojewskij  aufleuchtet.  Und  reichen  Zeit  und  Kräfte  aus, 
so  kennzeichne  er  auch  anderer  Slaven  Art,  namentlich  die,  der  russischen 
direkt  entgegengesetzte,  der  Polen  mit  ihrer  eigenen  Literatur,  Kultur,  Ge- 
schichte. 

Einen  Dolmetscher  der  Geister,  nicht  der  Sprachen ,  wünschten  wir  für 
den  neuen  Lehrstuhl,  einen  Slavisten,  der  auf  Grund  längerer  Reisen  und  tief- 
dringender Studien  persönliche  lebhaftere  Beziehungen  zur  Slaven-,  nament- 
lich Russenwelt  unterhielte,  der  Land  und  Leute  wohl  kennend,  der  hollän- 
dischen Jugend  etwas  von  seiner  eigenen  Begeisterung  und  Liebe  mitteilen, 
ihren  Sinn  für  Verständnis  und  Schätzung  fremder  Art  schärfen,  an  der  Er- 
weiterung ihres  geistigen  Horizontes  durch  kundige  Auslese  des  Wissens- 
werten mitarbeiten  würde. 

Einst  war  Holland  der  gebende,  Rußland  der  empfangende  Teil ;  heute 


614  Kleine  Mitteilungen. 

könnte  Eußland  seine  Schuld  tilgen,  aus  den  eigenen  Schätzen  geistiger  Er- 
fahrung, praktischer  Betätigung,  ethischer  Ideale,  künstlerischer  Werte  den 
Holländer  mit  schöpfen  lassen,  was  alles  der  »Balto-Slavische«  Lehrstuhl  aus 
seinem  Programm  ausschließt.  Und  für  diese  einzig  dankbare  Rolle,  der  auch 
das  exakteste  Sprachstudium  nie  gleichkommen  kann,  besaß  Holland  einen 
Vertreter:  daß  es  gerade  eine  Dame  ist,  macht  Holland  nur  mehr  Ehre. 

Der  »Balto-Slavische«  Lehrstuhl  ist  ein  verunglücktes  Experiment,  sein 
Vertreter  von  vornherein  verurteilt,  vor  leeren  Bänken  zu  dozieren  und  als 
wissenschaftliche  Spezialität,  wie  etwa  Ägyptisch  oder  Hebräisch  sich  einzu- 
spinnen, wenn  er  dem  »Balto-Slavischen«  Programm  treu  bleiben  will. 

Das  erfolgreich  lebenskräftige  Studium  der  Slavistik  verlangt  und  ver- 
heißt anderes:  lebender,  großer  Völker  Art  und  Sitte,  wie  sie  sich  in  Ge- 
schichte und  Literatur,  in  alter  und  neuer  Kultur  ausgeprägt  haben,  dem 
Wissensdurstigen  zu  enthüllen.  Nicht  um  geistreiche  Phrasen  nur,  um  flüch- 
tige oberflächliche  Bilder  aus  der  Vogelperspektive,  um  feuilletonistische 
Plaudereien  handelt  es  sich  hierbei  —  das  bleibe  der  Publizistik  vorbehalten; 
damit  sind  nicht  zu  verwechseln  Ergebnisse  langjährigen,  heißen  Bemühens, 
auch  wenn  sie  von  einer  Dame  vorgetragen  werden. 

Leyden  ist  Hollands  angesehenste,  doch  nicht  einzige  Universität.  Da 
nun  das  Eis  gebrochen,  der  Anfang,  wie  er  auch  sei,  gemacht  ist,  so  erwarten 
wir  und  wünschen,  daß  dieser  Lehrstuhl  nicht  der  einzige  bleibe  und  hofien, 
daß  der  Fehler,  der  bei  der  Festlegung  eines  »Balto-Slavischen«  Programmes 
begangen  wurde,  nicht  wiederholt  weide. 

Möge  etwa  Amsterdam  die  unverdiente  Schmälerung,  die  der  Slavistik 
durch  den  »Balto-Slavischen«  Lehrstuhl  widerfuhr,  wett  machen  —  die  geeig- 
netste Persönlichkeit,  die  slavische  Philologie  d.  i.  Geisteskuude,  nicht  Lin- 
guistik —  bloße  Sprachkunde  —  vertreten  wird,  ist  vorhanden;  mögen  ihre 
Kräfte  nicht  ungenützt,  möge  ihre  rückhaltlose  Hingabe  an  dieses  Studium 
nicht  unbelohnt  bleiben.  A.  Brückner. 


Bibliographische  Notizen 
zu  Petar  Petretic^  Ivan  Ivanisevic  und  Jeroiiim  Kavanin. 

Als  ich  mich  im  Mai  und  Juni  1909  zu  Studienzwecken  in  Bologna  und 
Padova  aufhielt,  durchsuchte  ich  bei  der  Gelegenheit  auch  das  erzbischöf- 
liche Archiv  zu  Bologna,  wo  ein  Teil  erhaltener  Archivalien  der  Bologner 
Universität  aufbewahrt  wird,  und  das  Universitätsarchiv  in  Padova.  Meinen 
früheren  Plan ,  eine  vollständige  Statistik  unserer  Studenten  an  diesen  Uni- 
versitäten zu  liefern,  habe  ich  leider  aufgeben  müssen,  als  ich  erfahren  habe, 
daß  eine  große  Menge  der  Universitätsakten,  auch  jener,  die  für  die  Geschichte 
der  Universität  selbst  viel  wichtiger  waren,  irgendwo  weggetragen  oder  ver- 
loren gegangen  sind  und  man  weiß  nicht  per  quäle  fatalitä.  (SerafinoMazzetti: 
Repertorio  di  tutti  i  professori  antichi  e  moderni  della  famosa  universitä  e 
del  celebre  istituto  delle  scienze  di  Bologna.  Bologna  1847,  5).  Außerdem 
befindet  sich  ein  Teil  der  Bologner  Universitätsakten  in  Privathänden  in  Mo- 
dena  (eine  Juristen-Matrikel  von  1553 — 1613,  matricola  dello  studio  Bolognese, 


Kleine  Mitteilungen.  615 

sec.  XVII,  No.  460.  Luigi  Lodi:  Catalogo  dei  codici  e  degli  autografi  posse- 
duti  dal  Marchese  Giuseppe  Camporil,  Modena  1895,  234).  Die  Akten  der 
Padovaner  Universität  sind  auch  unvollständig  erhalten,  besonders  aber  die 
Matrikeln.  Man  fuhrt  als  einen  Hauptgrund  dafür  an,  daß  die  Sekretäre 
verschiedener  Sektionen  ihre  Bücher  selbständig  geführt  haben  und  daß  man 
sie  nach  ihrem  Tode  dem  Nachfolger  übergab,  ma  ordinariamente  incompleto. 
(Giuseppe  Giomo:  L'archivio  antico  della  universitä  di  Padova.  VenezialS93, 
5—6). 

Als  ich  das  Erhaltene  durchging,  fand  ich  unter  anderen  auch  diese 
Notiz  vom  14.  Oktober  1680:  lUustr.  d.  Päd.  Pot.  mandavit,  quod  fiant  matri- 
culae  dd.  discipulorum  Nationis  Dalmatae  vigore  ducalis  excellentissimi 
Senatus.  (Matr.  leg.)  und  die  folgenden  drei  Notizen  über  Petar  Petretic,  Ivan 
Ivanisevic  und  Jeronim  Kavananin.  Da  ich  mich  mit  diesen  Schriftstellern 
nicht  näher  zu  befassen  beabsichtige,  so  teile  ich  hier  die  Notizen  mit,  damit 
sie  ein  anderer  verwerten  kann. 

I.  D.Petrus  Petrettits  al.  Savinius  lUyrus  wurde  an  der  Uni- 
versität Bologna  data  fide  am  3.  November  1632  als  artista  immatrikuliert. 
(Fase.  Matricula  scol.  artist.  registrum  III  1621—1642.) 

II.  D.  Joannes  Ivanissevich  Dalmata  wurde  am  23.  Juli  1628  als 
legista  in  die  .Matrikel  der  Padovaner  Universität  eingetragen.  Als  ein  beson- 
deres Zeichen  seines  Äußeren  wird  angeführt,  daß  er  cum  cicatrice  in  fronte 
sei.    (Matr.  dscp.  leg.). 

III.  Zum  ersten  Male  wird  am  15.  Juni  1667  D.  Hieronimus  Caua- 
gninus  Spalatensis  als  legista  erwähnt.  Dann  begegnet  man  ihm  noch 
unter  den  neu  eingeschriebenen  am  5.  September  1667  und  am  8.  November 
1669.    (Matr.  dscp.  leg.).  V.  Corovic. 

Zu  deti  altpolnischen  Texten  des  Vaterunser  usw. 
Es  sei  auch  an  dieser  Stelle  auf  das  Werk  des  Herrn  Privatdozenteu 
Dr.  Seppelt  aufmerksam  gemacht:  Die  Breslauer  Diözesansynode  vom  Jahre 
1446.  Breslau,  Goerlich  1912.  Das  Werk  enthält  eine  Ausgabe  des  Protokolls 
und  der  Statuten  der  genannten  Synode,  nach  dem  Druck  vom  Jahre  1475  und 
vier  Handschriften  der  Breslauer  Universitätsbibliothek.  Diese  Statuten  geben 
u.  a.  auch  den  deutschen  und  den  polnischen  Text  des  Vaterunser,  des  Ave 
Maria  und  des  Glaubensbekenntnisses  wieder,  und  zwar  enthalten  alle  fünf  Text- 
zeugen den  deutschen  Text  (Seppelt  S.  74  f.),  der  polnische  dagegen  fehlt  in 
zwei  Handschriften  (B,  C  nach  Seppelts  Bezeichnung),  wir  sind  also  für  die 
polnischen  Teile  auf  den  Druck  (E)  und  die  Hss.  A  u.  D  angewiesen.  Der  Text 
des  Druckes  ist  bekanntlich  schon  von  Krynski  veröffentlicht  (Prace  fil.  I,  61  >, 
der  der  Hs.  D  von  Nehring  (Archiv  I,  72).  Zu  beiden  Ausgaben  gibt  Seppelt 
einige  Verbesserungen,  außerdem  aber  den  noch  gar  nicht  herausgegebenen 
Text  von  A,  der  uns  Veranlassung  gibt,  das  Seppeltsche  Werk  hier  zu 
nennen!). 


1)  Bystron  in  seiner  bekannten  Vergleichung  der  Vaterunsertexte  Prace 
fil.  I,  345  ff.,  hat  die  Hs.  A  nicht  benutzen  können. 


616  Kleine  Mitteilungen. 

Die  Textverwandtscbaft  mit  D  und  E  braucht  nicht  weiter  hervorge- 
hoben zu  werden.  Die  Texte  D  und  E  sind  bekanntlich  stark  von  Cechismen 
durchsetzt  A  ist  von  Cechismen  im  ganzen  frei,  hat  aber  eine  Reihe  spe- 
zieller Fehler,  Verschreibungen  usw.,  im  ganzen  ist  es  ein  Text,  der  in  alt- 
polnischer Zeit,  was  Unkorrektheit  betrifft,  nicht  viele  Seitenstücke  haben 
dürfte. 

Der  Text  steht  in  nächster  Verwandtschaft  zu  dem  ebenfalls  schon  von 
Nehring  abgedruckten  der  Hs.  I  Q  69.  Die  Abweichungen  sind  folgende  (ich 
zitiere  nach  den  Zeilen  des  Nehringschen  Abdrucks):  \.  genze:  gecze,  2.na- 
nyebyesyech  :  na  nyebyech,  3.  ivolya  :  wolva,  4.  nanyebye  :  na  tiiebte,  5.  ivscJiedny 
:  wschedim,  5.  ofpusczy  :  oj)  oppusczy,  6.  nasche  :  nache,  6.  icyny  :  vyan,  6.  otpu- 
tschamy  :  utputschamy,  8.  napokiischenye  :  na  pukuschynye,  9.  zbaw  :  zbaws, 
10.  Sdrzowa:  Sdezowa,  10.  niylosczy  :  miloscr.ye ,  10.  pebia  :  palna,  11,  bogus- 
lawyona:  bogusslawyona,  11.  gyesz:gyest,  12.  boguslawy oft:  bogusslawyon,  13.  sy- 
wota  :  zyavota,  13.  ttcego  :  twoga,  Id.  Ihs  :  ihus,  \h.  ottsa:  ottscha,  IQ.ttoorzi- 
czyelya  :  tworzyczyelya ,  17.  zyemye  :  zyomie,  17.  aiciesu  :  a  w  esu ,  17.  szma 
:  sziua,  18.  gedzinego  :  gedznego,  19.  poradzill :  jjorodzil,  20.  maryey  :  mariey, 
•  20.  dzeioicze  :  dze  witcze.  21.  vmancz-m  :  vmanczen,  21.  poticzkiin  :  ponczkin, 
21.  vkrzizowan:  vkizizowaii ,  22.  vmark:  vuiarl,  22.  pogrzebyon  :  pogizebyon, 
2i.  nyebyofa:  nyelyosa,  2'3.  szyedzy  :  sziedzy,  2'6.  prawiczi:  prawiicze,  2\.  otcza 
:  ottza,  24.  ivschechmoganczego  :  wschemoganczego,  25.  przidzy  :przidye,  25.  sand- 
zicz :  sandzicze,  25.  martwe  :  maitwe,  26.  wswetitego  :  n  zwyentego,  26.  czyrkoff 
:  czyrbnff,  27.  odpusche^iye  :  odposchenye,  28.  grzechou  :  gizechey,  28.  smartwich 
:  stvartich,  28.  lostanye  :  ivstamy,  28.  y  y  :  ye,  29.  wyetczny  :  wetczfiye,  29.  zy- 
weth :  zymech. 

Die  ganz  nahe  Verwandtschaft  beider  Texte  braucht  nicht  erst  hervor- 
gehoben zu  werden.  Auf  den  ersten  Blick  stellt  sich  das  Verhältnis  so  dar, 
als  sei  A  eine  von  einem  Sprachunkundigen  verfertigte  Abschrift  von  I  Q  69: 
die  meisten  Abweichungen  sind  ja  in  der  Tat  Schreibfehler,  die  auf  eine  sehr 
geringe  Kenntnis  der  Sprache  schließen  lassen.  Doch  ist  zu  bedenken,  daß 
A  an  einigen  Stellen  gegenüber  1  Q  69  das  richtige  bietet:  pnrodzd,  vmarl, 
przidye  and  daß  die  gelegentliche  Ersetzung  von  ?/  durch  «nicht  wie  das  Werk 
eines  bloßen  Abschreibers  aussieht.  Es  hat  also  entweder  der  Schreiber  von  A 
doch  etwas  Polnisch  gekonnt,  oder:  die  Verwandtschaft  zwischen  A  und 
I  Q  69  ist  nicht  so  direkt,  wie  sie  auf  den  ersten  Blick  aussieht. 

Zu  Nehrings  und  Krynskis  Abdruck  der  Texte  E  und  D  bringt  Seppelt 
eine  Reihe  von  Verbesserungen;  die  Verlesung  i  für  r  findet  sich,  so  wie  in 
A,  auch  in  dem  Text  D,  wo  Nehring  sie  nicht  bemerkt  oder  stillschweigend 
verbessert  hat:  bizucha,  wyatze,  fivoizita/a,  vkizizowan,  tizeti,  p>^~igdcze,  gizie- 
chow,  pizicbä.  E  bietet  an  ein  paar  Stellen  v,  u,  wo  die  früheren  Herausgeber 
tv  lasen. 

Breslau,  im  Juni  1913.  Paul  Diels. 


Kleine  Mitteilungen.  617 

Zivei  Briefe  an  Kopitar. 

a) 
FiirstMilos  von  Serbien  anKopitar. 

Im  serbischen  Staats-Archiv  (Abt.  KHOKesa  Kanuejapiija.  ÜHCMa  suaTHHx 
KifauatcBHHKa)  befindet  sich  die  Kopie  folgenden  Briefes.  Die  Kopie  ist  vom 
Dimitrije  Davidovic  abgeschrieben : 

Koaia  nacMa  kx  F.  öudioieKapy  BapxoJiOMeio  KonMiapy  y  Beiy. 

y  TonquÄepy  28  lO^ifl  1832. 

HMe  B.  r.  lyBCHo  e  y  cpöcKOMi  posy  To.aHKO,  aa  ra  CBaKia  CpÖHHi.,  laKO  u 
n,  ÄOÖpo  no3HaeMo;  ocoöhto  cy  mh  /üaBHÄOBHhi  h  ByKX  MJoro  o  BaMa  roBopiiJiH  h 
BHiue  nyxa  n03ÄpaB.ii  Barne  H3py^uBa.!in.  To  mh  Äae  noBOÄi»  mucihtm  ,  ja  exe  Bu 
ycpÄHU  H  peBHOCHH  KT.  CpöcTBy  H  iiasaiu  ce ,  aa  neheie  M0.i6y  CpÖHHa  npespixH, 
KOH  ce  KX  BaMa  et  obumt.  nucMOMt  oöpaha. 

R.  caMX  paÄt  uapisaxu  sa  ceöe  *aMii.iiflpHi.iH  rpÖT»,  u  aosHao  caMt  fla  6bi  Hafi- 
6oJii  6ti.!io ,  ysexH  oöpasaut  kt.  iomc  oä^  Äpyru  rpöoBa  BaacHti  ^aMu^iiii ,  sa  Koe 
caMt  qyo,  aa  ce  y  Eeiy  y  leiuKoft  KaHue.!i;iapiii  Mory  äoöhtu.  3axo  h  ao.iasHM'B 
MOJHXH  BacB  yixHBiüuie,  aa  6bi  iiixo  npe  usbojiujih  aaTH  KonHpaxH  3a  mchc  h  no- 
CjiaxH  MU  ao  20  HafiöjiaropoaHiH  h  Haii3Haiuxe.ui.HiH  rpöoBa  oat  HCMaiKH  h  MatjapcKu 
*aMHJiifl ,  KOH  6li  HCxopiH  Hauien,  napoaa  h  o6cxoaxe.ii.ciBaMa  HaiicxoaHin  6i.t.ih, 
KOH  cy  BaMa  oat  cbIw  apyrbi  yienti  Myacena  h  nauiH  h  HBOCxpauu  naüödi  no3Ha- 
na.  H3B0JrHie  kx  xoMe  aoaam  h  Bauie  MHinie,  koh  6bi  oat  rpöoBa  peiCHM  HaMCXo- 
ähIh  6bio  sa  mchc  i). 

UIio  6yae  rpouiKa  na  xo,  a  hy  aparoBOJtuo  h  ci.  öjaroaapnochy  npHSHaiH  BaMi 
HvTu  npcKO  r.  Kypxia  üäm  npeKO  V.  TnpKc  y  Eeiy, 

b)  

y  KoTopy  25,/13.  JynHJa  835. 
ityöesHH  npujaxe.by. 

HaaaM  ce,  aa  cie  npHMH.jH  hhcmo  Moje,  Koje  caM  BaM  oaasae  npHJe  4  He^cte 
nociao.  IIo  tom  caM  ja  oaaBae  yaapuo  npcKo  Tpö.ta,  Byane  h  IlauixpoBHha,  oaaHse 
npeuiao  caM  y  IIpHoropcKy  HaxHJy  ItpMUHuy,  a  H3  H>e  ÜKaaapcKHM  ÖJtaxoM  (jese- 
poM)  Ha  PnjeKy  lIpuojeBuha,  h  oaaHac  npcKO  PHJeiKe  uaxHJe  na  II,exHH)e.  B.ia- 
auKa  je  npHJe  HeKOJHKO  aana  6uo  oxnmaoy  Epaa,  ho  ja  söor  pl)aBH  nyxoBa  HHJecaM 
ce  CMHJo  ycyauiH  Hhu  sa  h.hm,  nero  ce  c  IIexHtt>a  spaxHM  npcKO  CxaH>eBHha  y  Ko- 
xop,  u  aaHac  mucjhm  oaanae  nohu  npeKo  HoBora  y  /lyöpoBHUK ,  a  oaaHae  c  npsoM 
npuJiUKOM  npcKO  CnAeia  h  lÜHöeHHKa  y  Baaap  h  hoxom  nciaKO  xaMo  k  BaMa.  Ako 
6ii  exe  MH  uiTO  HHcajiH,  MOJUM  Bac,  aa  MH  nncMO  onpaBHxe  y  3aaap,  na  Hena  mc 
iCKa  Ha  noHixH  (aoK  ue  aol)eM  ja  aa  nnxaM  sa»). 

Ha  OBOMe  nyxy  momg  npcKO  IlauiTpoBHha  h  IIpMHUHe  aocxa  caM  ce  HaMyiHO 
ajiu  ue  acaJiHM,  jep  caM  M.;ioro  Jinjenajc  cxBapa  lyo  (hiio  ce  xHie  namera  jesHKa  u 
HapoaHH  oÖHqaja)  h  bh^co  (c  ÖJiaxa  caM  BHljeo  uanpcMa  ce  Cicaaap,  a  Hcnoa  ca- 
Mora  SCaetaKa  apoEcsao  caM  ce).  üaHixpoBHhKu  oöuiajn  oko  jKcnHaöe  M.!ioro  BpH- 
jeae.    üamxpoBHhu  roBope  re  Mjeexo  Ije;  a  na  npajy  pHJeiu  HHr5)e  HeMajy  m  nero 


1)  Dieser  Satz  ist  an  Margo  geschrieben. 


618  Kleine  Mitteilungen. 

H  MJecTo  H>era,  h.  ii.  eoäoh  (m.  boäom),  roBopuH  (m.  roBopHM)  u  t.  a.  (obo  ja,  Kao 
H  ocxajo  OBaKO  KOJeiuTO,  caMO  BaMa  jaB^taM). 

KaÄ  u3ul)eTe  y  Joae^ftabt ,  mojum  Bac ,  nosapaBuie  Mojy  Hceuy  k  i)euy,  h  Ka- 
HCHie  UM,  Äa  call  sapaBO,  u  Äa  caM  ce  noBpamo  uaxpar. 

ilH-rao  caM  oä  ^yuaapa  y  SBicner  3£itfc()rift  0  CjiaBeHCKOj  jinrepaTypu! 
H  OH  ohe  aa  nociaHC  sam  h  IIIa<i>*apuKOB  apyr!  — 

y  UpHoj  ropu  ce  sa  caa  HHUixa  uecTiixo  ne  MO>Ke  lUTaMnaxu  (jeaan  je  uock  u 
®e§er  u  Srutfer  u  ose). 

^iHxao  caM  y  oniuxuM  HOEHHawa,  aa  cy  PycKH  uap  u  cyjiTaH  npoiecxiipa^iu 
npoTHB  CpncKO  KOHCXHxyuHJe.  Ja  caM  oana  Kaaao,  aa  he  xaKO  öhih,  KaKo  caM  lyo, 
aa  cy  MüJioma  bucouccxbo  iia3Ba;iH,  a  ocoöhio  Kaa  caM  y  onuixiiM  HOBUHaMa 
Hiixao  OHO  npejiyao  iihcmo  oa  aapoaa  Mu..iomy. 

Baiu  .  .  .  aKOuiftii 

ByK. 

Dieser  Brief  sollte  in  der  EyKota  üpeniicKa  I  nach  Nr.  280  folgen. 

Vier  Briefe  an  Theodor  Paclovic. 

a)  Von  P.  J  Safai-ik: 
(Euer  Wjohlgeboren! 
.  .  .  ange  Oct.  habe  ich  Ihnen  12  Exx.  Staro^.  Heft  2  zugeschickt:  ...daß 
Sie  dieselben  richtig  erhalten  haben.    Wiewohl  ich  .  .  .  Packet  bis  Wien  fran- 
kiren  ließ,  so  fürchte  ich  doch,  .  . .  den  Abnehmern  das  Porto  beschwerlich 

fallen  wird, ....  bitte  bei  der  Berechnung  allemal  den  Preis  eines  Ex 

Compensation  der  Porto  Auslagen  abzuziehen.  Ich  .  .  .  daß  ich  bei  dem 
theuren  Druck  nicht  mehr  .  .  .  kann.  Ich  erhielt  von  Ihnen  als  Pränumeration 
.  .  das  letzte  Heft  10  f.  CM.  Den  Betrag  für  das  .  .  .  2te  Heft  nach  Abzug 
von  50  X.  für  jede  ...  die  letzte  ausgerechnet  2  f.  30  x.  CM.,  macht  1"  fl.  30  x. 
CM.,  welches  ich  mir,  so  bald  als  nur  möglich  ist,  auf  sicherem  Wege  zuzu- 
mitteln  höflichst  bitte,  da  ich  wegen  der  Druckkosten  und  der  Fortsetzung 
des  Werkes  in  großer  Noth  und  Sorge  bin,  so  weit,  daß  ich  befürchte,  ich 
werde  mit  der  ganzen  Unternehmung  stecken  bleiben.  —  Für  den  Cepöcidft 
HapeaHbuT:  Jlucii  danke  ich  Ihnen  herzlich:  das  für  Museum  bestimmte  Ex. 
habe  ich  übergeben. 

Mit  vorzüglichster  Hochachtung  verharrend 
Prag  27  Nov.  1836.  Ew.  Wohlgeboren 

ergebenster 

Paul  Jos.  Schaffarik 
Die  Adresse:  Stephansgasse  Nro.  6-10 

Se.  Wohlgeboren  Herrn  Theodor  v.  Pavlovics  Beeidetem  Landes- 
advocaten  in  Pesth. 

Prag  y  Juni  1837. 
Wohlgeborner  Herr !    Hochgeehrter  Freund! 
Beide  Ihre  sehr  schätzbare  Zuschriften,  vom  12  Mai  und  27  April  1.  J. 
(sammt  10  f.  CM.),  sind  mir  richtig  zugekommen.    Von  Belgrad  habe  ich  auch 


Kleine  Mitteilungen.  619 

schon  das  Desiderirte  erhalten,  und  werde  Hrn.Zsivauovics  nächstens  meinen 
Dank  abstatten. 

Mit  Theilnahme  habe  ich  Ihre  Ankündigung  gelesen.  Ich  habe  nichts 
zu  bemerken.  Nur  wünschte  ich,  daß  Ihr  Institut  mehr  unter  die  Controlle 
der  Öffentlichkeit  gestellt  wird,  besonders  was  die  Rechnungen  anbelangt, 
ganz  so  wie  es  mit  dem  hiesigen  der  Fall  ist.  Ohne  jährliche  Rechnungen  in 
dem  Ljetopis  ist  kein  Zutrauen  auf  die  Dauer  möglich.    Auch  wünschte  ich 

1)  Daß  der  Ljetopis  unter  dem  Titel  erscheint  Hobuü  Jltr.  CpöcKiii,  ob:  I  etc., 
also  mit  der  allerhöchsten  Approbation  des  Institus  eine  neue  Aera  datirt. 

2)  paß  den  Vf.  für  ihre  Beiträge  zur  Zeitschrift  ein  Honorar,  ungefehr  8  f. 
CM.  per  Druckbogen  ausgesetzt  wird,  ä)  Daß  man  eine  strenge  Auswahl 
macht  zwischen  den  zum  Drucke  geeigneten  Aufsätzen,  Werken,  und  nicht 
alles  schlechte  Unkraut  drucken  lasse,  welches  der  Literatur  gar  nicht  nützt. 
Ohne  diese  moralische  Strenge  und  Ordnung  wird  Ihr  Institut  bei  dem 
besten  Willen  nur  eine  ephemere  Erscheinung  seyn  und  nicht  gedeihen.  Nach 
solchen  Grundsätzen  verfahren  hier  die  Böhmen,  und  deshalb  ruht  auf  ihrer 
Sache  der  Segen. 

Es  wäre  sehr  gut,  wenn  Sie  dem  Museum  1  Ex.  des  Hap.  üncxt  u.  des 
Ä'ir.  (durch  Buchhändler  an  mich)  von  Zeit  zu  Zeit  regelmäßig  schicken  möch- 
ten.   Ich  möchte  gern  über  Serbien  in  uns.  Zeitschr.  rel'eriren. 

Meine  Geschäfte  haben  sich  unerwarteter  Weise  sehr  vermehrt.  Mehreres 
—  ein  andermal. 

Hochachtungsvoll  Ihr  ergeb.  Diener  u.  Freund 

Schaflarik 
Wie  könnte  man  ein  Ex.  von  Obradowics'  Werken,  gedruckt  in  Belgrad, 
für  mich  bekommen?    An  wen  sollte  ich  mich  wenden? 
Die  Adresse: 

Sr.  Wohlgeboren  Herrn  Theodor  Pavlovics  Beeidetem  Landes-  und 
Tabular-Advocaten  (pl.  tit.)  in  Pesth. 

Prag  den  11  Juli  1857. 
Hochgeehrtester  Herr  und  Freund ! 

Ihr  Brief  vom  6  July  versetzte  mich  in  große  Bestürzung  und  Besorgniß. 
Sie  melden  mir,  in  Ihrem  Packet  von  Heft  IV  sei  zwar  der  Zettel  vom  Packet 
an  Joannovics,  aber  keine  Bücher  gewesen!  Wie  ist  das  möglich?  Die  Sache 
muß  sich  aufklären.  Es  ist  nicht  so  sehr  der  Verlust  von  9  Exx.,  die  mir  da- 
durch verstümmelt  werden,  wiewohl  auch  das  bedeutend  ist:  es  ist  etwas  an- 
deres. In  dem  Packet  lag  ein  altserbisches  Minej  von  153S.fol.,  den  ich  gegen 
Revers  von  einer  Kirche  hatte  und  durch  Joannovics  zurückstellen  wollte. 
Ich  bitte  Sie  um  alles  in  der  Welt,  suchen  Sie  der  Sache  auf  die  Spur  und  auf 
den  Grund  zu  kommen.  Begeben  Sie  sich  sogleich  selbst  persönlich  zum 
Buchhändler  und  sprechen  mit  ihm,  von  wem  und  wie  er  das  Packet  bekam. 
Melden  Sie  mir  dann  unverzüglich  das  Resultat.  Ich  werde  hier  auch  nach- 
fragen: so  eben  breche  ich  auf  zum  Calve. 

Das  Packet  an  Joannovics  lag  drin  in  Ihrem  Packet.  Ich  habe  es  selbst 
gepackt. 


ß20  Kleine  Mitteilungen. 

Mein  Ehrenwort  hängt  an  dem  Minej. 

Mit  dem  5ten  Heft  ist  das  Werk  noch  nicht  geschlossen:  das  VIte  wird 
nachfolgen,  und  an  die  Praenameranten  gratis  verabfolgt.  Dies  nur  neben- 
bei, denn  mit  dem  Geld  hat  es  keine  Eile. 

Auf  den  Dosithej  kann  ich  schon  warten,  wenn  es  nur  gewiß  ver- 
schafift  wird. 

Mit  Ungeduld  erwarte  ich  das  Endresultat  Ihrer  Nachforschung. 
Hochachtungsvoll 

Ihr  ergebenster  Freund  u.  Diener 

Schaffarik 
Die  Adresse : 

Sr.  Wohlgeboren  Herrn  Theodor  v.  Pavlovics  Beeidetem  Landes- 
und Tabular-Advocat  (pl.  tit.)  Pest. 

b)  Von  Vuk  Stef.  Karadzic. 
EjiaropoÄHB  ii  BiicoKoyqcHH  FocnoÄHue! 
■'lurao  caM  OHaj  Moj  v.ÄSiVLa.K  y  Hapo/i;HOMe  JlHCTy.  HcxHHa  aa  exe  hciuto 
HsociaBUJiH  6e3  npaBora  yspoKa,  a  u  uiTaMnapcKUJex  norpjeuiaKa  HMa  (h.  n.  ^ocht  ej 
MJecTO  ^ocHTuje,  pacKoiuHJe  M.  pacKOiuj  e  u  i.  a.);  aju  ceh  luia  MyÄparo: 
y  Bac  ce  3a  caÄ  apyKqHJo  ne  Moace.  Hero  je  rjiaBHa  norpjeiuKa,  Koja  ce  Moace  u 
Mopa  nonpaBHTH,  mxo  aeMaxe  Jb  h  h.,  Hero  Kpnuxe  ca  jil  u  hb.  Bh  ipeöa  la  cjioBa 
(u  Ma.!ia  u  BejiuKa)  aa  naquHUxe,  u  to  Jiiijeno  u  sro.iHO  npcMa  ocxajujeM  cJOBUMa: 
aa  HC  öyay  uu  laaiba  hu  seha,  hh  xaiba  hu  aeö.ba.  Kaj  xa  cüOBa  UMajy  y  Mockbu  u 
y  Ilexepöypry  KaKO  ux  hc  6h  y  Ileuixu  6u.io?  KaKO  Bu  Kaacexe  aa  BaM  ipeöajy 
OÄMax  BaM  hx  mraivinap  Mopa  HaquHHxu,  Kao  mxo  cy  h  sa  mchc  y  ByÄUMy  npaBU.'iu 
Ja  ce  HaAaM  aa  hexe  Bh  to  ojMax  uaquHuxH,  na  KaKO  mh  jaBuxe  aa  exe  HaqHHu.iu 
OÄMax  hy  BaM  Qocjaxu  npuMJepe  U3  ^yßpoBaiKHJex  u  ilajiMaxuHCKujex  cnucaxe.i>a, 
Kao  ÄOÄaxaK  k  ohomo  q.iaHKy,  na  onaa  u  apyro  HMa  Kojeuixa. 

Xohexe  Jiu  mh  cjaxu  Bame  uobuhb,  Kao  uixo  caM  BaM  npuje  nucao? 
IIpujiOyKeHO  OBÄJe  HHCaMue  noma.i)Uxe  oAMax,  moüum  Bac,  T.  M-iaaeHOBHhy. 
OieKyjyhH  Bamer  oaroEopa,  c  ucxuhum  nciuiauHJeM  ocxajeM 

Barn 

noKopau  cjiyra 

ByK  Cxe*.  Kapa^Hh 
y  Bcqy  3./15.  Mapxa  847".  (Sonbfh-afje  No.  3G2) 

Diese  Briefe  teilte  der  Zeitschrift  Herr  Dr.  Tihomir  O&tojic  mit. 


Gogols  Sujet  für  den  Revisor. 

In  dem  neulich  lebhaft  hervortretenden  Gegensatz  der  Auffassung  dar- 
über, ob  Gogol  Rußland  wirklich  gekannt  oder  mehr  nach  der  inneren  An- 
schauung die  Typen  seiner  Werke  gcschafl'en  —  auf  Gogol  sind  namentlich 
die  kleinrussischen  Nationalistsn  nicht  gut  zu  sprechen,  weil  er  sich  der  rus- 
sischen Sprache  bediente  und  so  gleichsam  ein  Abtrünniger  des  Kleinrussen- 
tums  wurde  —  vertritt  S.  A.  Vengerov,  der  bekannte  russische  Literaturhisto- 


Kleine  Mitteilungen.  621 

riker,  den  Standpunkt:  Gogol  habe  das  reale  russische  Leben  gar  nicht 
gekannt  (vgl.  Ilucaicii.  rpaHCÄaiiuux-roro.'ii..  Cllön,  1913  ii3ä.  IIpoMeTeil}, 
während  Herr  Michailov  in  einem  im  Allrussischen  Literarischen  Verein  ge- 
haltenen Vortrag  unter  dem  Titel:  Hat  Gogol  Rußland  gekannt?  den  großen 
Schriftsteller  in  Schutz  nimmt.  Darüber  referiert  in  Nr.  3ül  vom  3.  (IH.)  Nov. 
1913  der  Zeitung  Piu-t  Prof.  Batjuskov  in  einem  sehr  geluugenen  Artikel,  der 
nach  meinem  Dafürhalten  zwischen  den  beiden  entgegengesetzten  Ansichten 
vermittelt  und  das  Richtige  trifft.  Wir  entnehmen  diesem  Artikel  eine  Stelle, 
die  sich  auf  das  Sujet  fiir  den  Gogolschen  Revisor  bezieht.  Batjuskov  sagt: 
Das  Sujet  Revisors  war  Gogol  von  Puskin  mitgeteilt.  Puskin  brachte  es  aus 
Borovici  mit.  Der  Ort  der  Handluui;  war  Ustjuzna  im  Novgoroder  Gouverne- 
ment. Die  Erzählung  ist  nicht  erdichtet,  sondern  auf  tatsächlichem  Ereignis 
begründet,  das  noch  in  der  Erinnerung  der  ältesten  Bewohner  von  Ustjuzna 
fortlebt.  Selbst  die  Namen  haben  sich  im  Gedächtnis  erhalten:  Chlestakov 
hieß  in  Wirklichkeit  Mavrin.  Da  er  ein  Neife  des  Senators  Mavrin  war,  so 
hat  man  ihn,  als  er  nach  Ustjuzna  kam,  irrtümlich  für  den  gleichnamigen 
Würdenträger  gehalten  und  so  entstand  die  Komödie.  Diese  Notiz  bekam 
Batjuskov  von  Th.  J.  Rodicev  und  N.  A.  Okunev  aus  Ustjuzna  und  äußert 
aus  diesem  Anlaß  den  berechtigten  Wunsch,  daß  die  beiden  Herrn  die  ganze 
Geschichte  in  allen  Einzelheiten  mitteilen  möchten,  da  sie  den  Ausgangspunkt 
der  unsterblichen  Komödie  Gogols  bildete.  V.  J. 


Das  älteste  Heilands- Ikon. 

Im  42.  Kapitel  der  altrussischen  Nestor-Chronik  (Ed.  Miklosich  S.  70, 
Z.  1 — 3)  findet  sich  folgender  Passus  über  das  nach  altkirchlicher  Überliefe- 
rung älteste  Heilandsbild : 

Luka  Jevangelist  pervoje  napsav  posla  v  Rim,  jakoze  glagolet'  Vasilij. 
Ikona  na  pervyj  obraz  prechodit',  den  ich  nach  seinem  Zusamenhang  also  ver- 
deutsche: Lukas  der  Evangelist  zeichnete  [und  malte]  zuerst  Heilandsbilder 
und  sandte  sie  nach  Rom,  wie  Sankt  Basilius  (der  Große  von  Cäsarea  im 
IV.  Jahrhundert)  erzählt.  Dieses  Ikon  (oder  Heilandsbild)  beruht  auf  der  ur- 
sprünglichen Gestalt  (oder  stellt  das  Porträt  und  Antlitz  der  Heilandes  dar]. 

In  welchem  Sinne  der  Chronist  hier  dis  Zeitwort  prechodit'  (i.  e.  eigent- 
lich geht  voraus,  geht  hervor?)  verstanden  hat,  erscheint  ebenso  fraglich  als 
die  nach  meiner  Übersetzung  angenommene  Deutung  seines  Ausdrucks  na 
pervyj  obraz  i.  e.  entsprechend  dem  ersten  Bildnis  oder  Ebenbild  des  Heilan- 
des selbst?  Sind  Ikona  und  Obraz  hier  als  Synonyme  gebraucht,  oder  sollte 
jenes  nur  das  von  Lukas  gezeichnete  (gemalte)  Abbild,  dieses  die  ursprüng- 
liche, lebende  Person  ausdrücken? 

Den  kunstgebildeten  Lesern  und  Mitforschern  des  A.  i.  S.  Ph.  sei  mir 
gestattet  diese  Frage  zur  weiteren  Besprechung  zu  überlassen. 

0  X  0  n  i  a  e ,  Octobris  die  IV°.  E.  Krebs. 


622  KJeine  Mitteilnngen. 

Eine  wissenschaftliche  Frage  Dr.  V.  Ob/als,  brieflich  gestellt  an 

Sfojan  Novakovic. 

y  I];e.T>y  9.  5.  1S93. 
Bejeyqeini  rocno;iiiHe! 
'X.BBijia,  Jiena  3a  pasnpaBy  >CTpyMCKa  o6;iacT   y  XIV.  BeK3'<.    IIpoiiiTax  jy 

Be.lMKHM     SaHHMaibCM.        MCHC     OCOÖUTO     3aHIlMIIBa    lIHTaibe    y    KOJUKO   je    ^ipHCaBHO 

cpncKO  rocnouTBO  yxcHa^io  Ha  erHiiqKe  oanoinaje  y  MaupflOHiiju.  Ciir^-pno  Hiije 
öHJa  cpncKa  B^nacx  y  ÄyuiaHOBO  aoöa  h  KaiUH.e  y  XIV.  h  noieiKy  XV.  ECKa  6e3 
yriJiHBa  Ha  CTAH^Ky  npoMCHy  y  ManeaoHHJH.  Kao  siiare  iiMa  y  MaueflOHCKUM  ÄHJa- 
.leKTHMa  aocTa  iipra  cpoaHHX  cpncnoMy  jesiiKy  h.  np  y  =  x^,  h,  i).  Ja  6hx  peKao, 
jia.  cy  cpncKH  khcsobh  u  öo.tapn  ca  cboj'hm  oöHTO.-bHMa  ii  BOJHunnMa  nyno  yieua^H 
Ha  npBooHTHe  waueÄOH.  Änja-ieKie  Kpo3  qiiTaB  XIV.  bgk,  h  nociiije  CMpTH^yiuanoBe 
fteroBH  »Theilfürsten«.  CaMO  yienaj  nchKe  upicne  curypno  niije  6ho  thko  snaxan, 
aa  dir  ocxaBuo  xojhko  npoMCHC  y  HapoÄHiiM  ÄHJaJieKXUMa.  Ako  je  h  BCJiuKa  Behnna 
MaueÄOH.  pyKonuca  XIV.  h  XV.  BCKa  cpncKe  pe^aKuiije,  xo  jom  yscK  ne  mo/KC,  aa 
npoxyMa^H  cpÖHSMe  y  HapoÄHHM  roBopuMa,  jep6o  upKBeHH  je  jesHK  BeoMa  nesHaxHO 
yxenao  na  mcheh  roBop. 

Menii  joui  Äoca^a  HHJe  ca  cbhm  paaroBCTHO  nHxaH.e  o  h.  1)  y  Mauej-  üHJaj. 
ya  h,  t)  HMa  y  cbhm  Mauej.  Äujaj.  h  iux  (nm) ;  jeano  Mopa,  ;i;a  6yÄe  »secnndarno«, 
jep  HHJe  Moryhe,  ^a  ce  npoxyiviaiu  hii  h  U3  uix  hu  oöpaxHO.  Mo>KÄa  mh  MO/Kere 
KaaaxH,  rje  6h  Morao  Hahn  HSBope ,  aa  onpeae.iHM  yxeuaj  cpncKo  ap/KacHe  BJacT» 
Ha  exHorpa'i>HMKe  OÄHOuiaje  y  MaueaoHHJH  —  jep  nyno  paame  oko  Hcxopaje  cpncKe 
y  XIV.  BCKy.  Beh  ^pHHOB  je  cnoM-ayo  jcäho  mccxo  H3  ÖHsan.  HcxopHKa  o  cpncKH 
KOJOHHsauHJH  MancaoHifje,  a  xo  hh  aocra.  BeoMa  6h  6ho  BaMa  saxBajan ,  ano  6h 
MU  y  TOM  HHxaHiy  noMorjw;  noBHJa  .iHxepaxypa  ($JiopHHCKiH,  ycneHCKifi,  ^pHHOB, 
JnpeiOK)  MH  je  noanaxa. 

Ca  OaJHIHUM  IHXOBaH.eM 

Bam 

B.  06jraK. 

Lexikalische  Lesekörner. 

III. 

Den  im  letzten  Bande  des  Archivs  (XXXIV,  311)  erschienenen  Nach- 
trägen zu  Bernekers  Etymologischem  Wörterbuch  lasse  ich  weitere  Beiträge 
und  Bemerkungen  folgen. 

S.  297  ffava:  es  fehlt  r.  dial.  päea  »Krähe. 

S.  320  cjnUtm:  7a\  dem  von  B.  angeführten  r.  dial.  pajAMa  'viel,  sehr'  vgl. 
DahP  I  921,  wo  der  Herausgeber,  dessen  Quellen  hier  allerdings  nicht  zuver- 
lässig sind,  s.  V.  eojThMuU'  nicht  enjiA.Ma  angibt,  sondern  dial.  zo^Amo,  pojAjVhui 
eajiejvo,  zajinMO. 

S.  3"M  (inlmp;  B.  gibt  die  Betonung  von  r.  pomm!!  anders  an  als  SRJ.  Er 
betont  wie  DahP  1918  zojiiMn.  SRJ.  I  846  dagegen  zujomA. 

S.  349  grrdn,  gv^sti:  r.  zpßdi'i,  zpucmi'i  ist  allerdings,  wie  B.  bemerkt,  nicht 
mehr  im  lebenden  Gebrauch;  aber  das  Partizip  z'pndijmai  könnte  angeführt 
werden   [na  com,  epjidymiü;  ifndyw.in  iWKO.iv,hij!^.     Tjtndyui.ee  =  6yjymee,  6y- 


Kleine  Mitteilungen.  623 

aymnocTi,  {nponumo  ^?OM^^l^aeM^,  p'pjtdijmazo  ^aeM^)  wird  nicht  nur  von  Lomo- 
nosov  und  Puskin  gebraucht,  sondern  kommt  auch  noch  in  der  heutigen 
Schriftsprache  recht  häufig  vor. 

S.  391)  chnp-:  hierher  gehören  auch  noch  r.  zonamh  »8pringen<.  r.  eönnymb 
»springen;  sehlagen«,  die  Interjektion  eom,  ferner  ennäh-'h  »kleinruBsischer 
Tanz«  usw.    Vgl.  Dahl''  I  026. 

Posen.  W.  Christiani. 

Glämod. 

Def  Name  der  Stadt  Glaraoc  in  Bosnien  ist  bezüglich  der  Ableitung  mit 
dem  Suffix  >-oc«  wohl  zu  vergleichen  mitDragoc  (Gebirge  in  Montenegro)  und 
Miroc  (Berg  an  der  Donau\  —  Wie  dem  Namen  Dragoc  wahrscheinlich  das 
Appellativum  »draga«  (vallis,  saltus)  zur  Grundlage  dient,  demnach  Dragoc  so 
viel  bedeutet  als  mons  saltuosus,  schluchtenreiches  Gebirge,  —  ebenso  scheint 
auch  Miroc  eine  Ableitung  von  »mir  —  miris«  (Wohlgeruch)  darzustellen,  also 
gleichviel  als  mons  odorum  d.  i.  ein  Gebirge,  wo  wohlriechende  Heilkräuter 
ihr  Gedeihen  finden,  zu  bedeuten.  So  präsentiert  sich  uns  nämlich  die  Miroc 
planina  auch  im  serbischen  Volksliede  vom  Wettgesang  des  Helden  Milos  mit 
der  Vila  Ravijojla.    Man  vergleiche  mit  den  Versen 

Ode  vila  u  Miroc  planinu, 

Da  nähere  po  Mirocu  bilja, 

Da  zagasi  rane  na  junakn 
die  bemerkenswerte  Variante 

Ode  vila  u  svoju  planinu. 

Da  nähere  trave  svakojake 

I  u  travi  svake  mirisove.  — 
Der  Ortsname  Glamoc  aber  ist  vermutlich  auf  das  Appellativum  »glama« 
zurückzuführen  und  dieses  glama  bedeutet  ein  Erzgemenge  (glama  srebro 
pomijesano  sa  zlatom;  po  Srbiji  imade  mjesta  i  brda,  kojima  je  ime  Glama.  — 
Ivekovic-Broz  I,  306).  Demnach  würde  Glamoc  so  viel  bedeuten  als  Erz- 
gebirge (Goldberg,  Silberberg).  —  Die  Erze  kommen  bekanntlich  in  der  Natur 
gewöhnlich  nicht  rein  und  gediegen  vor,  sondern  mit  anderen  (^het  «AP«), 
mit  Sand  und  Erde  gemischt  ,  und  müssen  aus  diesen  Metallmischungen  erst 
durch  Amalgamierung  gewonnen  werden.  Das  Wort  glama  halte  ich  für  eine 
aphäretische  Kürzung  aus  [amajlgama,  möchte  jedoch  dieses  Amalgama  nicht 
aus  dem  griechischen  nülayaa  (Erweichung)  mit  «-copulativum  ableiten,  wie 
es  gewöhnlich  aufgefaßt  wird,  sondern  vermute  dahinter  irgend  einen  türkisch- 
arabischen Ausdruck  für  Goldsilber  oder  Metallgemenge  oder  den  Ort,  wo 
derleiErze  gewonnen  werden  (Bergwerk^,  oder  dieSehraelzhütten,wo  diese  Erze 
gemengt  und  geschieden  werden). 

Der  nach  der  Aphäresis  übrig  gebliebene  Teil  Igama  mußte  jedoch,  da 
sich  die  Liquidae  l  und  r  im  Anlaut  mit  einem  unmittelbar  nachfolgenden 
Konsonanten  absolut  nicht  vertragen,  entweder  einen  Halbvokal  einschieben 
(.iT-raMa),  oder  eine  Metathesis  der  beiden  Konsonanten  des  Anlautes  eintreten 
lassen  (r.iaMä),  so  daß  die  Liquida  nachgestellt  wird,  denn  der  Übergang  von 


624  Kleine  Mitteilungen. 

jedem  beliebigen  Konsonanten  zur  Liquida  läßt  sich  leicht  und  glatt  vollziehen, 
während  der  umgekehrte  Fall,  nämlich  der  Übergang  von  einer  anlauten- 
den Liquida  zu  irgend  einem  anderen  Konsonanten,  lautphysiologische 
Schwierigkeiten  bereitet  und  so  zur  Metathesis  Veranlassung  bietet.  Vgl. 
zlica  aus  jn>;Kima,  zmul  aus  mzul  (muzol  v.  modiolus  'Trinkbecher],  zmeriti  aus 
mzeriti  'blinzeln',  dresen  (Flohkraut)  aus  rüdesen,  andrkva  mit  rüdükva  usw. 
Bosnien  soll  schon  unter  den  Römern  einen  blühenden  Bergbau  betrieben 
haben,  der  aber  im  Mittelalter  sehr  zurückging  und  unter  der  Türkenherrschaft 
fast  ganz  aufhörte.  Vielleicht  hat  sich  bei  dem  häufig  begegnenden  Orts- 
namen Glama  eine  Erinnerung  an  einstige  Bergwerke  und  Schmelzhütten  er- 
halten —  und  es  scheint  der  Ortsname  in  jene  Kategorie  zu  gehören  wie  z.  B. 
Srebrenica  und  Olovo  oder  wie  Ilidza  (Schwefeltherme)  und  Tuzla  (Salzsole). 

^^___  L.P. 

MoroBapH  ii  KaxajiaHH. 

Dans  le  beau  recit  des  incursions  des  corsaires  et  troupiers  espagnoles 
sur  le  Mont  Athos  au  commencement  meme  du  XIV.  siecle  on  lit  dans  la 
biographie  de  l'archeveque  Daniel  ce  curieux  passage :  Gha\k  k«  Rf.sK«jKKHKiHA\K 
I63WK«A\K,  leJKt  (ppovrw  H  TovphKW,  McH  :Ke  h  TarapH,  MoP'jfeapH  JKt  h  Kara- 

AaHH     H     npOMHH     A»HOr«'HA\{HOKaHHH      l€3hmH     tipHlUhAKlUf      TOPAa      BK     Gb{TO\-H>  ,     etcV. 

(Alors  arriverent  au  Mont  Athos  les  tribus  impies  au  noms  mille  fois  pronon- 
ces,  les  Francs  et  les  Turcs,  les  laces  et  les  Tartares,  les  Mogovares  et  les 
Catalanes,  etc.),  et  plus  tard  encore:  «DpovsH  h  9\\M\am,  .3okcia\h  KaraAaHH  h 
M^röBapH  HAOiDf  iip-k.sK  A^l^pe  Bk  cbow  ch  stMAw^j  (Les  Francs  et  les  Romains, 
appell^s  Catalans  et  Mogovars,  se  rendirent  outre  mer  dans  leurs  pays). 

Nous  appuyons  sur  les  mots  A\c'roBapH  h  KaraAaHH  pour  contribuer  ä 
leur  eclaircissement. 

Le  Dictionaire  de  l'Academie  yougoslave  de  Zagreb  (Rjecnik  hrvatskoga 
ili  srpskoga  jezika  VI,  895)  s.  v.  mogovari  donne  comme  explication: 
nekakav  narod  va|ada  u  zapadnoj  Europi  (un  peuple  quelconque, 
probablement  de  TEurope  occidentale). 

Une  explication  tres  precise  ressort  de  la  citation  que  nous  tirons  du 
livre  de  M.  Gustave  Schlumberger  Expedition  des  »Almugavares«  ou 
routiers  catalans  en  Orient  de  Tan  13ü2  ä  Tan  1311.  Paris  1902. 
Le  livre  parle  de  memes  gens  que  le  biographe  serbe.  Nous  y  lisons  p.  1 — 3 
ce  qui  suit: 

>La  paix  de  Calatabellota,  conclue  en  1302,  vingt  ans  apres  la  date 
sanglante  des  Vepres  siciliennes,  entre  les  Aragonais  pretendant  ä  la  coui-onne 
de  Sicile  comme  heritiers  du  roi  Manfred  et  les  Angevins  de  Naples,  eu  met- 
tant  par  le  mariage  de  Frederic  d'Aragon  avec  Eleonore  d'Anjou  un  terme 
aux  longues  et  terribles  guerres  qui  avaient  couvert  de  ruines  la  Sicile  et  le 
midi  de  la  Feninsule  ital  enne,  avait  laisse  sans  emploi,  sans  solde,  par  con- 
sequent  sans  pain,  les  celebres  vieilles  bandes  qui,  sous  le  nom  de  >Com- 

1)  DaniciCjG.,  /Khbotu  Kpa-teBa  u  apxHenncKona  cpncKHX.  y  3arpe6y.  1866, 
p.  341.  2)  Ibidem. 


Kleine  Mitteilungen.  625 

pagnies  catalanes«  avaient,  dnrant  ce  long  espace  de  temps,  avec  leurs  capi- 
taines  eprouves,  servi  sous  la  banniere  de  trois  rois:  don  Pedre,  dit  le  Grand, 
roi  d' Aragon,  et  ses  deux  fils,  don  Jayme,  roi  d'Aragon,  et  don  Fadrique  ou 
Fredöric  III,  roi  de  Sicile.  Ces  fameux  aventuriers,  fortement  constitnes  en 
groupes  de  compagnies  franches  sons  la  direction  de  chcfs  excellents,  comp- 
taient  parrai  les  meilleurs  troupes  d'Europe.  »En  Sicile  ila  avaient,  dit  Mon- 
cada,  leur  illustre  compatriote  et  historien,  triomphe  dans  cinq  combats  sur 
mer  et  gagn6  sur  terre  trois  batailles  rangees ,  sans  compter  les  rencontres 
importantes,  la  prise  de  plusieura  places  fortes  et  la  defense  de  plusieurs 
autres  sontenue  avec  une  opiniätrete  sans  exemple  et  des  efforta  de  valeur  qui 
passent  encore  aujourdhui  notre  croyance«.  Ce  nom  de  »Catalans«  leur  ve- 
iiait  de  la  province  espagnole  d'oü  la  plupart  d'entre  eux  etaient  originaires, 
mais  on  comptait  encore  parini  eux  de  nombreux  Navarrais,  de  gens  de  l'Ara- 
gon,  de  Majorque,  de  la  Cerdagne,  du  Roussillon,  meme  da  Bas-Languedoc. 
II  s'appelaient  encore  tres  souvent  Almugavares  ou  Almogavares,  del'etrange 
nom  d'origine  arabe,  donne  ä  cette  epoque  du  moyen  äge  au  gens  de  pied  re- 
crutes  en  Espagne.  Au  nombre  de  plusieurs  milliers,  ils  avaient  ete  contre 
les  troupes  franco-italiennes  de  Charles  d'Anjou  et  de  son  61s  Charles  II  les 
plus  fermes  et  les  plus  valeureux  soutiens  des  princes  de  la  maison  d'Aragon 
et  n'avaieut  pas  peu  contribue  au  succes  definitif  de  ceux-ci.< 

Bei  grade.  Stojan  Novakovic. 

Notiz  vo?i  einem  bosnischen  Kalendei'. 

Jaycza  capta  per  regem  Mathiam  die  nat.  domini  (24.  Dezember  1403). 
Retulit  palatinus  Thomas  Nädasdi  ex  veteri  quodam  calcndario  Böse  nie; 
idiomatis.  Viennae  in  aula  die  <3.  Julij  1560.  hora  4.  p.  m. 

Sanderberg  10.  Jan.  1466  (recte  Scanderbeg  \  17  Jänner  1468). 

Aus  der  Bibliothek  in  Hedervär.  Thallöczy. 


Nekrologe. 
f  Prof.  Dr.  Anton  Malecki. 

Am  7.  Oktober  1913  ist  Dr.  Anton  Malecki,  der  Nestor  der  polnischen 
Wissenschaft  und  Literatur ,  der  betagteste  Repräsentant  des  polnischen 
geistigen  und  kulturellen  Lebens,  in  Lemberg  dahin  geschieden. 

Der  Reihe  nach  zweiter  Nachfolger  des  Verstorbenen  auf  der  Universi- 
tätslehrkanzel, die  er  einst  so  ruhmvoll  bekleidete,  erfülle  ich  eine  für  mich 
ehrenhafte  Pflicht,  indem  ich  mir  erlaube,  ein  kurzgefaßtes  Zeugnis  für  den 
Menschen  und  ausgezeichneten  Gelehrten  abzulegen. 

Aus  Anlaß  des  Slowacki-Stipendiums,  dessen  Stifter  Prof.  Malecki  war, 
und  welches  zum  ersten  Male  mir,  als  absolviertem  Philosophie-Hörer,  erteilt 
wurde,  bin  ich  mit  ihm  im  Jahre  1883  persönlich  bekannt  geworden.  Die  er- 
quickende Freundlichkeit  und  das  aufmunternde  Wort,  das  der  hoch- 
gestellte Mann  dem  Jüngling  nicht  vorenthielt,  sind  mir  bis  jetzt  im  Gedächt- 
nis geblieben,  sowie  seine  hellen  Augen,  die  mich  während  des  ganzen  langen 

Archiv  fftr  slavische  Philologie.  XXXV.  40 


626  Kleine  Mitteilungen. 

Gespräches  so  wohlwollend  anblickten.  In  den  folgenden  30  Jahren  hat  sich 
Malecki  wenig  geändert;  der  ihm  angeborene,  kräftige  Optimismus  und  eine 
beneidenswerte  Harmonie  des  äußeren  und  inneren  Lebens  spendeten  dem 
Greis  fast  bis  an  den  letzten  Tag  seines  Daseins  ein  jugendliches  Gemüt, 
lebendige  Arbeitslust  und  männliche  Tatkraft. 

Als  Sohn  eines  Agronomen  1821  zu  Objezierze  in  Preußisch-Polen  ge- 
boren, genoß  er  die  Mittelschulbildung  auf  dem  Gymnasium  zu  Posen,  worauf 
er  an  der  Universität  Berlin  dem  philologischen  und  historischen  Studium 
oblag.  Auf  Grund  der  Inaugural-Dissertation  »De  Academia  vetere«  promo- 
vierte ihn  die  Berliner  Hochschule  und  nachdem  er  die  vorgeschriebene  Prü- 
fung bestanden  hatte,  wurde  er  an  demselben  Maria  Magdalene-Gymnasium, 
wo  er  einst  seine  grundlegenden  Kenntnisse  gewann,  als  Lehrer  angestellt. 
In  den  Jahren  185U— 54  war  er  außerordentlicher  Professor  der  klassischen 
Philologie  an  der  Krakauer  Jagelionischen  Universität,  während  der  poli- 
tischen Reaktion  entfernt,  kehrte  er  in  seine  Heimat  zurück,  wo  er  nicht  lange 
eine  neue  Berufung  nach  Innsbruck  erwartete  (1854 — 1856).  Seiner  Neigung 
folgend,  begann  er  daselbst  Slavistik  zu  studieren  und  sich  zur  Übernahme 
der  Lehrkanzel  für  polnische  Sprache  und  Literatur  an  der  Lemberger  Uni- 
versität vorzubereiten,  die  er  im  August  1856  wirklich  erhielt  und  17  Jahre 
hindurch  bekleidete.  In  diesen  Zeitraum  fällt  die  schönste  Epoche  der  öffent- 
lichen, wissenschaftlichen  Lehrtätigkeit  Maleckis.  Es  erfüllte  sich  sein  Ver- 
langen: er  trug  über  polnische  Grammatik  und  polnische  Literatur  vor,  warf, 
dank  seinen  tiefen  Forschungen  und  glänzenden  Gedanken,  ein  wahrhaft 
wissenschaftliches  —  man  kann  sagen  —  zu  seiner  Zeit  ganz  neues  Licht  auf 
die  geistige  Kultur  Polens,  vor  allem  aber  erschloß  er  vor  einer  früher  uner- 
hörten, großen  Menge  von  Hörern  die  Hallen  des  vaterländischen  Schrifttums 
und  führte  sie  durch  dieselben  mittelst  seiner  wunderschönen  Rednergabe. 
Im  J.  1872  Rector  Magnificus  der  Lemberger  Universität,  zog  er  sich  im 
nächstfolgenden  vom  öffentlichen  Lehramte  zurück,  wurde  Mitglied  der  Kra- 
kauer Akademie  der  Wissenschaften,  Landtagsabgeordneter,  lebenslängliches 
Mitglied  des  österreichischen  Herrenhauses,  Vize-Kurator  des  gräflich  Osso- 
linskiächen  Nationalinstitutes  usw.,  hörte  jedoch  nie  auf,  im  Gebiete  der  ge- 
liebten Wissenschaft :  der  polnischen  Sprache,  Literatur  und  Geschichte  rast- 
los zu  arbeiten. 

Malecki  war  ein  mit  ungewöhnlichen  Eigenschaften  ausgestatteter 
Schriftsteller  und  Gelehrter;  von  früher  Jugend  an  verstand  er  einerseits 
hohe  Geistesbegabung  mit  Fleiß,  feurigen  Eifer  mit  gesunder  Vernunft  zu  ver- 
binden, andererseits  Frische,  Gründlichkeit  und  möglichst  große  Breite  der 
Studien  vor  Pedanterie  und  geistiger  Einengung  zu  bewahren.  Infolgedessen 
studierte  er,  klassischer  Philolog  vom  Fach,  an  der  Universität  mit  demselben 
Interesse  allgemeine  Geschichte,  Philosophie,  polnische  Sprache  und  Lite- 
ratur, wie  römische  und  griechische  Autoren,  und  betätigte  sich  im  Mannes- 
alter selbständig  auf  allen  diesen  Gebieten,  suchte  sogar  im  Reiche  der  Dich- 
tung einen  Namen  zu  gewinnen. 

Seiner  schriftstellerischen  Neigung  gab  Malecki   sehr  früh  Ausdruck. 
Schon  als  Student  betrat  er  im  J.  1842  in  der  Posener  Zeitschrift  >Oredownik 


Kleine  Mitteilungen.  627 

Naukowy«  seine  literarische  Laufbahn,  indem  er  hier  (S.  246ff.,  254ff.)  einen 
kuisaXz^Ozijciui  pismachAdamaMickieivicza<  publizierte,  die  erste  kritische 
Biographie  des  größten  polnischen  Dichter-Genius,  verfaßt  auf  Grund  der  Er- 
zählung von  dessen  Bruder  Franz.  Demselben  Trieb  entsprossen  einige  Jahre 
später:  das  historische  Trauerspiel  -^List  zelaznyf-  (Poznan  1851;  2.  Ausg.,  ib. 
1856;  ins  Deutsche  übersetzt  von  E.  Pol,  1856),  das  Lustspiel  ^Grochotcy  wie- 
7iiec  czyli  Mazury  w  Krakowskieiw^  (Poznan  1855;  2.  verb.  Ausg.  1897),  wieder- 
um ein  Trauerspiel  fJadiviga'^  (in  einem  kleinen  Auszug  in  »Kölko  Rodzinne«, 
Lwöw,  1860,  gedruckt)  und  die  Übersetzung  der  Sophokleischen  Tragödien: 
»Elekirat  und  " Antygonat ,  von  denen  nur  die  erste  im  Druck  erschien 
(Poznan  1S54).  Die  genannten  originellen,  dramatischen  Werke  gehören  zu 
den  gelungensten  Proben  auf  dem  Gebiete  der  polnischen  szenischen  Litera- 
tur, —  die  »Elektro^,  in  der  kein  Gedanke  des  Originals  auf  Kosten  der  Über- 
tragung geopfert  wird,  zeichnet  sich  durch  den  gravitätischen  Gang  ihrer 
Rhythmen  aus. 

Die  rein  wissenschaftliche  Tätigkeit  Maleckis  ging  in  drei  Richtungen: 
in  der  der  klassischen  und  slavisch-polnischen  Philologie,  —  der  polnischen 
Literaturhistorik  und  literarischen  Kritik,  —  der  polnischen  politischen  und 
kulturellen  Geschichte. 

Der  * Dissertatio  mauguralis<:  •»DeAcadernia  feiere (1844),  die  schon  ihrem 
Inhalt  und  ihrer  Form  nach  die  Grundlage,  Umrisse  und  Methoden  des  künf- 
tigen wissenschaftlichen  Charakters  ihres  Verfassers  klar  zur  Geltung  brachte, 
folgte  das  erst  während  der  Krakauer  Professur  entstandene,  größere  Werk: 
»Prelekcye  oßlologii  klasycznej  ijejencyklopedyi^miane  lo pölroczu  Utniem  1850* 
(Krakow,  1850,  8«,  S.  252).  Bis  vor  kurzem  das  einzige  Werk  dieser  Art  im 
polnischen  Schrifttum,  war  das  zitierte  Buch  unbestritten  ein  Gewinn  der 
Berliner  Studien  Maleckis,  die  er  im  reiferen  Alter  durch  strenge  Arbeit  be- 
festigte, ergänzte  und  zuletzt  zu  einem  originellen  Gedankengebäude  neu  zu 
gestalten  wußte.  Die  ^Prelekcye«.  widerlegen  nicht  nur  die  Einwendungen, 
die  man  gegen  die  klassische  Philologie  erhebt  und  erhob,  —  sie  schildern 
nicht  nur  die  Bedeutung  dieser  Disziplin  und  stellen  den  Begriff  >Euzyklopä- 
die  der  Philologie«  klar,  sondern  sie  sind  auch  von  besonderer  Wichtigkeit 
für  den  Verfasser  selbst,  der,  als  künftiger  Literaturhistoriker  und  Kritiker, 
hier  zum  ersten  Male  seine  Ansicht  über  die  dreierlei  Art  des  Kunstschaffens 
(Symbolismus,  Klassizismus  und  Romantismus)  in  der  Poesie,  sowie  in  allen 
anderen  Künsten,  ausspricht  und  seine  Behauptungen  an  Beispielen  aus  dem 
griechischen  Drama  glänzend  beweist.  Seiner  Vorliebe  für  diese  Gattung 
der  hellenischen  Dichtung  gibt  er  noch  einmal  Ausdruck  in  dem  Aufsatze 
»O  dramacie  starozytnej  Grecyi*  (Biblioteka  Ossolinskich,  Lwöw,  1866,  B.  IX 
bis  X). 

Zur  Philologie  zog  es  Malecki  schon  als  Hörer  der  Berliner  Universität, 
wo  damals  unter  anderen  über  die  vergleichende  Linguistik  Bopp  und  über 
die  neueste  polnische  Literatur  Privatdozent  Wojciech  Cybulski  (1842 — 45) 
lasen.  Von  jenem  erhielt  er  die  Grundlage  und  Methode  zur  Weiterführung 
eigener  Studien  in  der  großen  Wissenschaft,  dieser  wies  ihm,  was  hervorzu- 
heben ist,  für  sein  Leben  lang  die  Richtung  einer  idealistischen  Kritik. 

40* 


628  Kleine  Mitteilungen. 

Gut  geschult ,  begann  er  während  der  Innsbrucker  Zeit  Slavistik  zu  be- 
treiben, und  die  nächste  Frucht  dieses  Studiums  war  ein  Inaugurations-Vor- 
trag  an  der  Lemberger  Universität  (1857):  *  Über  den  Nutzen  des  Studiums  der 
altslavischen  Sprache*.  Von  der  österreichischen  Regierung  zum  Professor 
der  polnischen  Philologie  ernannt,  wendet  sich  Malecki  gänzlich  sprachwissen- 
schaftlichen und  literaturhistorischen  Forschungen  zu. 

Was  die  ersteren  anbelangt,  so  war  für  ihn,  außer  seiner  Lehrerpflicht, 
ein  Ansporn  zum  verdoppelten  Fleiße  der  von  den  galizischen  Ständen  (1S45) 
eröffnete  und  öfters  wiederholte  Konkurs  für  die  beste  Grammatik  der  pol- 
nischen Sprache.  Seine  Arbeit  war  in  dieser  Hinsicht  erfolgreich,  —  im  Jahre 
1863  erschien  ein  stattliches  und  mit  dem  Ehrenpreise  gekröntes  Buch:  »  Gra- 
matyka  j^zyka  2}olskiego  wifkiza  .  .  .  Dzieio  przez  Statiy  galicyjskie  ic  r.  1845 
zazqdane,  a  w  r.  1863  prcz  Wydzial  scjmoivy  mvieiiczone  nagrodq^  (Lwöw,  1863, 
80,  pg.  XXII,  427).  Das  Werk,  dessen  Auflage  in  2000  Exemplaren  in  kurzer 
Zeit  vollständig  vergriffen  wurde,  war  die  erste  Grammatik  der  polnischen 
Sprache,  die  zwei  wissenschaftliche  Elemente  verband:  vergleichende  Methode 
und  historische  Evolution.  Polnischer  Grimm  und  polnischer  Miklosich  in 
einer  Person,  war  Malecki,  —  dank  seiner  Begabung  und  seinem  nicht  gewöhn- 
lichen Orientierungssinn,  imstande,  den  strengsten  linguistischen  Anforde- 
rungen seiner  Zeit  Genüge  zu  tun  und  sowohl  die  Theorie,  als  auch  den 
Sprachstoff  selbst,  der  in  der  reichen  polnischen  Literatur  von  der  ältesten 
bis  zur  neuesten  Zeit  niedergelegt  war,  zu  beherrschen.  Infolgedessen  hatte 
sein  Buch  einen  ungeheuren  Einfluß  auf  die  polnische  Schriftsprache,  ihre 
formelle  Gestaltung,  vor  allem  aber  auf  die  grammatische  und  stilistische 
Korrektheit  der  Rede,  und  hat  im  Verlaufe  eines  halben  Jahrhunderts  fast 
nichts  von  seiner  Bedeutung  verloren. 

Die  hohe  Stellung  Maleckis  als  Gesetzgeber  in  Sachen  der  Muttersprache 
gewann  durch  seine  ^Gramatyka  j^zyka  pofskiego  mniejsza,  dla  uiytku  gimna- 
zyöio  i  szkoi  realnych  uiozona<  (Lwöw,  1863,  8«,  pg.  XXIII,  298)  ihren  uner- 
schütterlichen Grund  und  Boden.  Bis  zum  J.  1910  erlebte  dieses  Schulkom- 
pendium der  galizischen  und  außergalizischen  polnischen,  öffentlichen  und 
privaten  Lehranstalten  elf  Ausgaben,  es  erfuhr  Umarbeitungen  und  Verände- 
rungen, ungeachtet  dessen  aber  blieb  es  immer  zu  schwer  für  die  lernende 
Jugend,  die  stets  an  den  reichen,  der  ganzen ,  besonders  der  poetischen  Lite- 
ratur entnommenen  Beispielen  mehr  Gefallen  fand,  als  an  dem  eigentlichen 
Inhalt  des  Buches. 

Die  letzte  sprachwissenschaftliche  Unternehmung  Maleckis  im  großen 
Stile  war  seine  »  Gramatyka  liistoryczno-poröivnatocza  ji'zyka  polskiego^  ,  die  in 
zwei  Bänden  1879  erschien  (Bd.  I  pg.  XII,  490;  II,  546).  Der  Überzeugung 
ihres  Verfassers  nach  sollte  sie  der  Sprachforschung  neue  Horizonte  eröffnen, 
unterdessen  blieb  sie  nur  ein  Fehltritt,  der  sich  von  der  modernen  Wissen- 
schaft lossagt  und  sich  ihr  mit  unbegründet  rechthaberischen  Meinungen  ent- 
gegenzustellen sucht. 

Als  weitere  Früchte  der  philologischen  Beschäftigung  Maleckis  sind  zu 
bezeichnen:  »  W  spraicie  jiisotcni  polskiej.  O  naturze  spnigi'iski  j  i  prakiyiz- 
nych  stqd  nastrpsticach  dla  ortograßi  polskiej«  (Lwöw,  1868,  8",  pg.  32)  und  ein 


Kleine  Mitteilnngen.  629 

kurzer  Artikel  verwandten  Inhalts:  »  Uwagi  do  uchival  Komitciti,  tvyznaczo- 
nego  jjrzez  peine  j)ostedze7Üe  Akademii  Umiejrtnoxci  do  pisoivni  jjolskiejt.  (Lwöw 
1885,  40,  pg.  2).  Viel  größere  Wichtigkeit  als  diese  orthographischen  Erörte- 
rungen besitzen  seine  textkritischen  Arbeiten  wie:  *Zyiüot  sgo  Btazeja*  (Lwöw, 
»Biblioteka  Ossoliiiskich«,  1864,  IV,  pg.  173  ff.)  mit  philologischen  Erläute- 
rungen von  Malecki  und  Wagilewicz,  und  vor  allem  die  musterhafte  Ausgabe 
des  größten  polnischen  Sprachdenkmals  aus  der  Hälfte  des  XV.  Jahrh. 
*Biblia  krölowSJ  Zoßi,  zony  Jagieliy,  z  kodeksu  szaroszpatackiego ,  nakludem 
ks.  Jerzego  Liihomirskiego*  (Lwöw,  1871,  40,  pg.  L,  350,  7  Taf.).  Erwähnung 
verdienen  zuletzt  noch  zwei  Aufsätze  aus  dem  Bereiche  der  slavischen  Philo- 
logie und  Altertumswissenschaft:  »Poröwnanie  pierivotiiych  zwiazköw  spo- 
iecz7iych  u  Germanöw  iu  Slowian*  (Poznan,  >Przeglad  Poznanski«,  1846)  und 
»Co  rozumiec  o  runach  sitowia7iskich  i  autentycznosci  nap)is6io  tia  mikorzyy'ishich 
kamieniach'^  (Poznan,  1872,  80,  pg.  23). 

Die  Domäne ,  welche  die  Feder  Maleckis  vor  allem  anderen  beherrscht 
hat,  war  die  der  Literaturgeschichte  und  der  literarischen  Kritik.  Dank  den 
Vorlesungen  Cybulskis  sowie  der  eigenen  Anlage  und  Neigung,  die  Malecki 
schon  in  der  Mickiewicz-Biographie  so  deutlich  an  den  Tag  gelegt  hat,  er- 
schienen bald  zwei  Studien:  »0  stanoicisku  i  dzieiach  autora  Irydyona<  (Poz- 
nan, »Rok«,  1845)  und  ylrydyoni-  (Poznan,  »Przeglad  Poznanski<,  1846).  Die 
beiden  Schriften,  die  den  Einfluß  der  Hegeischen  Ästhetik  verraten,  legen  von 
dem  feinen  analytischen  Talent  des  jungen  Forschers  ein  ausgezeichnetes 
Zeugnis  ab  und  empfehlen  sich  durch  ihren  Inhalt  und  ihre  Form  so,  daß  selbst 
der  Schöpfer  des  herrlichen  -Irydion«,  Krasinski,  fragte,  wer  denn  dieser 
Malecki  sei. 

Unerklärlicherweise  Weise  verflossen  beinahe  15  Jahre,  bis  die  unter- 
brochene kritische  Tätigkeit  Maleckis  im  Jahre  1859  wiederum  lebendig 
wurde.  Von  dieser  Zeit  an  veröffentlichte  er  folgende  wichtigere  Disserta- 
tionen und  Werke:  ■"Ändrzej  Morsztyn,  poeta  polski  XVII w.,  i  jego  ijtiien- 
nicyt  (Petersburg,  in  Ohryzkos  «^Pismo  zbiorowe«,  1859);  »  Wybör  möw  staropol- 
skich  sivieckich,  sejmoioych  i  innych'!-  (Krakow,  1860,  80,  pg.  XXVIII,  227),  be- 
gleitet von  einer  vortrefflichen  Vorrede  über  die  polnische  Redekunst ;  Andrzej 
Frycz  Modrzetvski«  (Lwöw,  »Biblioteka  Ossolinskich« ,  Bd.  V,  1864);  *Filo- 
maci  w  Wiltiie*  (Lwöw,  »Album  dla  Zagrzebia«,  1881,  p.  257);  -»Jana  Kocha- 
nowskiego  miodosc*  (Krakow,  »Przeglq.d  Polski',  18S4 — 5,  I,  pg.  193 ff.)  u.  a. 

Wenn  in  den  Schriften,  die  KrasiAski  gewidmet  waren,  die  Analyse  und 
ästhetische  Würdigung  in  den  Vordergrund  traten,  —  wenn  in  der  folgenden 
Gruppe,  mit  ^Morsztyn<-  angefangen,  vor  allem  das  historische  Interesse  den 
Verfasser  anzog,  so  finden  wir  diese  drei  Elemente  im  monumentalen  Werke 
über  Julius  Slowacki  innig  vereint.  Malecki  hatte  das  Glück,  daß  ihm  der 
ganze  Nachlaß  des  gewaltigen  Lyrikers  und  Dramatikers  anvertraut  wurde. 
Mit  Begeisterung  ging  er  an  das  Sichten  all  der  Handschriften,  Entwürfe, 
Tagebücher  und  einer  überaus  reichhaltigen  Korrespondenz.  Im  J.  1862  er- 
schien die  erste  Frucht  dieser  Arbeit:  *  Miodosc  Juliusza  Sfowackiego*  (War- 
szawa,  »Ksi^zka  zbiorowa  dla  Woycickiego«),  als  erstes  Kapitel  der  großartig 
angelegten  Biographie ,  und  vier  Jahre  später,  in  Lemberg,  das  Ganze  unter 


630  Kleine  Mitteilungen. 

dem  Titel  ^Juliusz  Sfowac1xi,jcgo  zycie  i  dzie^a  w  xtoswiAu  do  irspöhzesnej  cpo- 
kU  (1866—7,  80,  Bd.  I,  pg.  XVI,  269;  II,  348).  Die  zweite  verbesserte  und 
vermehrte  Ausgabe  wurde  1881  in  drei  Bänden  (Lemberg,  Bd.  I,  pg.  XII,  305; 
II,  347;  III,  286),  die  dritte  in  der  Umarbeitung  des  Lemberger  Universitäts- 
dozenten Dr.  B.  Gubrynowicz  und  mit  Zugabe  einiger  Briefe,  1901  publiziert 
(Lemberg,  Bd.  I,  pg.  XII,  283;  II,  332;  III,  308).  Die  polnische  Kritik  ist  bis 
jetzt  der  einhelligen  Meinung  geblieben,  daß  Maleckis  Werk  als  eine  wahre 
Offenbarung  seiner  Zeit  dasteht.  Es  war  das  erste,  das  sich  zur  Aufgabe  stellte, 
den  geahnten,  riesigen,  in  vielen  Äußerungen  jedoch  rätselhaften  Dichter- 
genius zu  erklären,  und  diese  Aufgabe  vortrefflich  zu  lösen  wußte.  Es  wird 
hier  einerseits  auf  Grund  der  unbekannten  Korrespondenz  des  Dichters  das 
Gesamtbild  seines  Lebensganges  geschildert,  andererseits  ein  eingehender, 
historisch-ästhetischer  Kommentar  zu  seinen  Schöpfungen  gegeben,  aber  so, 
daß  beide  Teile  sich  zu  einem  idealen  Ganzen  vereinigen.  Die  Slowacki- 
Biographie  und  die  gleichzeitig  mit  ihr  in  drei  Bänden  veröffentlichten  nach- 
gelassenen Schriften  i  Pisma  postniertne«  (Lwow,  1866)  sind  al*  eine  ungewöhn- 
liche, literarisch -wissenschaftliche  Tat  anzusehen,  deren  auch  am  hundert- 
jährigen Geburtstage  des  Dichters  (1909)  in  ganz  Polen  aufs  rühmlichste 
gedacht  wurde. 

Überdies  haben  sich  unter  Maleckis  hinterlassenen  Papieren  umfang- 
reiche Notizen  für  die  Universitätsvorträge  bis  zum  J.  1873  erhalten.  Aus 
diesen  Blättern  sieht  man,  daß  der  Professor  die  Geschichte  des  gesamten 
polnischen  Schrifttums  behandelte,  tiefe  imd  ausgedehnte  Studien  anstellte, 
um  den  Erforderungen  der  Wissenschaft,  sowie  denen  des  immer  mehr  wach- 
senden Stoffes  Genüge  zu  leisten;  aus  der  Tradition  weiß  man,  daß  der  wissen- 
schaftliche Einfluß,  den  er  auf  seine  zahlreichen  Hörer  ausübte,  noch  von  der 
moralischen  Einwirkung  übertroffen  wurde,  denn  er  lehrte  seine  Landsleute 
die  Bedeutung  der  Nationalliteratur  und  Sprache  kennen  und  dieselben  mit 
männlicher  Kraft  lieben.  Unvergeßlich  ist  Malecki  als  Professor  der  Lem- 
berger Universität  dadurch,  daß  er  der  erste  war,  der  die  Rechte  der  polnischen 
Sprache  tapfer  vertrat  und  zur  Polonisierung  der  germanisierten  Hochschule 
mächtig  beitrug. 

In  der  Überzeugung,  daß  sein  Lehreramt  erfüllt  ist,  vertauschte  Malecki 
(1873)  die  Professur  gegen  das  Vize-Kuratorium  im  Ossolinskischen  National- 
institute. Von  nun  an  beginnt  eine  ganz  neue  Epoche  im  Leben  des  Ge- 
lehrten: der  Philolog  und  Literaturhistoriker  stellt  sich  fast  gänzlich  auf 
den  Boden  der  Geschichte  in  allen  ihren  Gebieten.  Unter  der  Losung:  Revi- 
sion der  Ansichten  über  die  polnische  Vergangenheit,  knüpft  er  aufs  neue  an 
seine  Bestrebungen  der  Jahre  1846— 5.5  an,  in  denen  er  den  oben  angeführten 
Aufsatz  über  Slaven  und  Germanen  schrieb,  in  Innsbruck  eine  polnische  Ge- 
schichte anfing  usw.,  und  pflügt  nun  durch  vier  Dezennien  das  Gefilde  der 
neuen  Wissenschaft.  Es  wäre  zu  lang,  alle  seine  Arbeiten,  die  der  Geschichts- 
forschung angehören,  anzuführen,  —  es  genügt,  um  die  Unermüdlichkeit  des 
Verfassers  zu  zeigen,  folgende  separat  herausgegebene  zu  nennen:  ^Karta  z 
dziejoiv  JJniversytetu  hrakowskiego*  (Krakow,  1874,  8",  pg.  64);  Studya  heral- 
dyrzne*  (Lwöw,  1890,  SO,  Bd.  I,    pg.  351;    II,  339);   ^Grzywny  käme  w  daicnej 


Kleine  Mitteilungen.  63 1 

Polsce  i  najdawniejsza  tiasza  grzi/wna  mennicza*.  (ib.  1893,  8^,  pg.  2ß);  ^iMii- 
nosc  ivolnmo  ksii;clzc  Henryhowsldej'>.  (ib.  1894,  pg.  3.3);  ^Kronila  Baszka  czyli 
t.  z.  Kronika  IFielkopohka*  (ib.  1894,  pg.  33);  *Stndyum  nadhullq  hmocentegn 
II zr.  1137*  (Poznan,  1894,  pg.  53);  »Lechici  w  swietle  historycziiej  krytykio. 
(Lwöw,  1897,  80,  pg.  267;  zweite  durchgesehene  Ausg.  ib.  1007,  pg.  264). 

Die  wichtigeren  Schriften  Maleckis  vorwiegend  literaturhistorischen  In- 
halts liegen  im  Sammelwerke  >Z  dziejöw  %  literatury,  pisma  j^om»icjsze«  (Lwow, 
1S96,  80,  pg.  VI,  370;  7  Aufsätze),  solche  historischen  Inhalts  im  zweibändigen 
Buche  t>Z przeszlosci  dziejowej,  pisma  pomniy'sze<^  (Krakow-Warszawa,  1897, 8", 
Bd.I,  pg.  276:  II,  265;  9  Aufsätze)  veröffentlicht  vor. 

So  ist  das  lange  Leben  vollbracht  worden.  Die  dem  Jüngling  durch 
Veranlagung  und  Neigung  vorgezeichnete  Bahn  verließ  der  Mann  und  Greis 
nie,  — -  sein  beharrlicher  Fleiß  gestaltete  sie  zu  einer  überaus  erfolgreichen. 
Ganz  der  Wissenschaft  und  wissenschaftlich  produktiver  Arbeit  gewidmet, 
liebte  er  das  öffentliche  Leben  wenig,  —  man  fand  ihn  jedoch  überall  tätig, 
wo  es  sich  um  das  Wohl  seines  Vaterlandes  handelte.  Der  Tod  Maieckis  be- 
raubt die  polnische  Nation  eines  ihrer  wirksamsten  und  angesehensten  füh- 
renden Geister,  aber  das  Gefühl  des  Verlustes  lindert  die  Überzeugung,  daß 
der  Dahingeschiedene  die  ihm  vorgezeichneteu  Aufgaben  völlig  gelöst  hat. 

Lemberg.  Dr.  W.  Bruchialski. 

Vsevolorl  Fedorovic  Miller, 

geb.  7./19.  April  184S,  gest.  5./18.  Nov.  1913. 

Die  vergleichende  Sprachwissenschaft  und  Ethnographie  haben  durch 
den  plötzlichen  Tod  des  Prof  emer.  der  Moskauer  Universität,  zuletzt  wirk- 
lichen Mitgliedes  der  Russischen  Abteilung  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  in  St.  Petersburg,  Vsevolod  Miller,  einen  sehr  schweren 
Verlust  erlitten.  Der  im  66.  Lebensjahre  Dahingeschiedene  zeichnete  sich 
durch  ein  sehr  ausgedehntes  und  seltenes  Wissen,  voll  energischer  For- 
schungsinitiative ans.  Als  Sohn  eines  in  Moskau  wohl  bekannten  Dichters 
und  Übersetzers,  Herausgebers  einer  literar.  Zeitung,  widmete  er  sich  nach 
Vollendung  der  Universitätsstudien  an  der  historisch-philologischen  Fakultät 
im  J.  1870  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  in  jener  realen  Richtung, 
wie  sie  damals  durch  die  Vertreter  der  philolog.  Disziplinen  der  Moskauer 
Universität,  u.  a.  Petrov  und  Bnslajev,  repräsentiert  wurde.  Zuerst  machte 
er  Studien  im  Bereiche  der  litauischen  Sprache,  indem  er  im  Gouvernement 
Suwalki  den  dortigen  lit.  Dialekt  an  Ort  und  Stelle  studierte  und  Volkslieder 
sammelte.  Davon  erschien  eine  Sammlung  von  mehr  als  100  Volksliedern  und 
einigen  Märchen,  alles  in  russischer  Transkription,  in  den  »UsBicTiü  mockob- 
cKaro  yuHBepcuTexa*  (1873).  Zur  selbenZeit  beschäftigte  er  sich  eingehender  mit 
den  beiden  arischen  Sprachen ,  wovon  seine  im  J.  1876  erschienene  Disser- 
tation »OiepKH  apiiicKOH  MHeo.ioriii  et>  cbhsii  ct.  ÄpeBHinmefi  Kyjii.^"poii  I.  Aq- 
BHHM -iIiocKypi.1  <  ein  schönes  Zeugnis  abgibt  (vgl.  die  Anzeige  im  Archiv  II, 
669 — 679).  Doch  mit  dieser  Stubenarbeit  begnügte  sich  der  junge  Gelehrte 
nicht,  er  wollte  aus  dem  reichen  Reservoir  von  wenig  erforschten  Sprachen 


632  Kleine  Mitteilungen. 

des  großen  russischen  Reiches  neues  Material  an  Ort  und  Stelle  schöpfen,  um 
darauf  seine  sprachwissenschaftlichen  Studien  zu  begründen.  Ihn  zog  es  nach 
dem  sprachenreichen  Kaukasus,  wo  er  die  Sprache  und  das  Leben  der  Os- 
seten zum  Gegenstande  eines  intensiven  Studiums  machte.  In  den  J.  1882 
bis  1887  erschienen  in  Moskau  drei  Hefte  seiner  OceTuacKie  anoAti  (im  ersten 
Texte,  im  zweiten  Grammatik,  im  dritten  Ethnographisches).  Im  Zusammen- 
hang damit  stehen  die  später  (im  J.  1S91)  von  ihm  und  Stackeiberg  heraus- 
gegebenen (in  den  Schriften  der  kais.  Akademie)  > fünf  ossetische  Erzählungen 
im  Digorischen  Dialekt« ,  ferner  die  im  XI.  Heft  der  orientalischen  Publika- 
tionen des  Lazarevschen  Institutes  in  Moskau  erschienenen  /luropcKin  cKasaHia 
(1902).  Schon  früher  hatte  er  im  Terekgebiet  des  Kaukasus  und  mit  einem 
von  dort  stammenden  Moskauer  Studenten  einen  iranischen  Mischdialekt 
studiert  und  im  J.  1892  in  MaTepiajiLi  äjh  iisyieiiiK  eBpeficKo-TaicKaro  >j3biKa 
zuerst  die  Texte  herausgegeben,  nachher  folgte  die  grammatische  Analyse 
im  Heft  III  und  VII  der  TpyÄw  no  BocroKOüixlHiio  des  vorerwähnten  Lazarev- 
schen Institutes  (1901 — 2).  Während  Vs.  Miller  an  der  Universität  die  Professur 
des  Sanskrits  inne  hatte,  wurde  er  mit  der  Aufsicht  und  Bearbeitung  der  Samm- 
lungen des  ethnographischen  Daschkov-Museums  in  Moskau  betraut.  In  die- 
ser Eigenschaft  gab  er  vier  Hefte  von  CucTCMaTuiecKoe  onucanie  KOJ.TeKuifi 
^auiKOBCKaroBxuorp.Mysen  (18S7 — 1895.)  heraus.  Ebenso  wurde  unter  seiner  Re- 
daktion von  diesem  Museum  ein  CöopiiuKi.  MaTeplajicB-L  no  arHorpa^iu  heraus- 
gegeben. Als  Vorsitzender  der  ethnographischen  Abteilung  der  Gesellschaft 
für  Naturforschung,  Anthropologie  und  Ethnographie  beteiligte  er  sich  mit 
verschiedenen  Beiträgen  an  den  Tpyati  aTHorpa*.  oTAiJia..  Auch  der  Begrün- 
dung der  inhaltsreichen  Zeitschrift  3THorpa*aqecKoe  oöospiHie  (erscheint  seit 
1889  in  Moskau)  stand  er  sehr  nahe.  Doch  für  uns  beanspruchen  das  größte 
Interesse  seine  der  russischen,  vornehmlich  epischen  Volksdichtung  gewid- 
meten Forschungen.  Schon  im  J.  1871  trat  er  mit  der  kritischen  Prüfung  der 
Methode  Stasovs  gegen  dessen  Schlußfolgerungen  betreffs  der  Entstehung  der 
russ.  Bylinen  auf  im  3.  Heft  der  EeciÄti  O.A.  P.  Cji.  Im  J.  1877  lieferte  er  einen 
beachtenswerten  Beitrag  zur  Erklärung  des  Igorliedes:  Bstäsiat,  na  Ciobo  o 
no.!iKy  IlropeBi.  Vgl.  auch  im  5K.M.  H.  np.  1878  (B.CC):  IIo  noBoay  Tpo;iHa  ii 
EoaHa;  im  J.1879  ibid.  (B.CCVI)  erschien  seine  Abhandlung:  OiroJiocKH  *HHCKaro 
anoca  bx  pyccKOMX.  Später  gab  er  zuerst  in  der  Monatsschrift  PyccKaji  mbicüb 
und  daraus  abgesondert  (1892)  seine  sehr  wichtigen  3KCKy pci.i  bt.  oöjacTtpyccKaro 
HapoÄHaro  3noca  heraus,  mit  denen  er  sich  neben  Alexander  Wesselofsky  auf 
diesem  unermeßlichen  Forschungsgebiete  würdigdiesem  zur  Seite  stellte.  Diese 
Neigung  zum  vergleichenden  Studium  des  russischen  Folklors  macht  es  er- 
klärlich, warum  er  um  diese  Zeit  an  der  Moskauer  Universität  den  Lehrstuhl 
für  vergleichende  Grammatik  und  Sanskrit  gegen  den  der  russischen  Literatur- 
geschichte eintauschte.  Von  nun  an  konnte  man  beobachten,  wie  zwei  her- 
vorragende Forscher  auf  demselben  Gebiete  parallel  arbeiteten  und  prinzipiell 
auf  gleichem  Standpunkte  stehend,  doch  vielfach  in  den  Resultaten  vonein- 
ander abwichen.  Es  wäre  ein  dankbares  Thema,  die  Forschungsmethode 
der  beiden  Gelehrten  einer  vergleichenden  Prüfung  zu  unterziehen.  Vs.  Miller 
äußert  sich  darüber  nur  kurz  in  der  Vorrede  zum  zweiten  Band  (1910)  seiner 


Kleine  Mitteilungen.  f)33 

OiepKii  pyccKoii  HapoÄuoii  cjioccciiocth.  EbLiuHM  (der  erste  Band  war  schon 
1897  erschienen).  In  diesen  zwei  Bänden  sind  seine  durch  verschiedene 
Zeitschriften  zerstreuten  Abhandlungen  gesammelt  und  wieder  abgedruckt, 
wodurch  ich  von  der  Pflicht  der  Einzelanführung  enthoben  bin.  Ich  will  noch 
erwähnen,  daß  er  im  Jahre  1894  in  Gemeinschaft  mit  Tichonravov  >PyccKi;i 
6bi.iiiHi,i  cxapoü  K  HOBOÜ  aanucH«  und  im  Jahre  1908  »Bbi.;iuHw  hoeoü  h  iieÄaBueü 
aanucH  ust.  pasiiuxt  Micriiocxeii  Pocciu«  herausgab. 

Man  sieht  schon  aus  dieser  flüchtigen  Aufzählung  der  Hauptwerke 
wissenschaftlicher  Tätigkeit  Vsev.  Millers,  welch  segensreiches  Leben  der  un- 
erbittliche Tod  frühzeitig  geknickt  hat.  Noch  im  Monate  Mai  hatte  ich  das 
Vergnügen,  ihn  als  Akademiker  in  Petersburg  zu  begrüßen,  ich  fand  ihn 
geistesfrisch  und  rüstig,  verkehrte  mit  ihm  in  den  Akademiesitzungen  und 
wohnte  einer  interessanten  unter  seinem  Vorsitz  abgehaltenen  volksmusika- 
lischen Sitzung  der  ethnographischen  Abteilung  der  Geographischen  Gesell- 
schaft bei.  Ich  war  über  seinen  Entschluß ,  aus  Moskau  nach  Petersburg  zu 
ziehen,  um  hier  als  wirkliches  Mitglied  der  Russischen  Abteilung  der  kaiserl. 
Akademie  der  Wissenschaften  der  wissenschaftlichen  Tätigkeit  im  Bereich 
der  slavistischen  Studien  neue  Impulse  zu  geben,  im  hohen  Grade  erfreut. 
Das  grausame  Schicksal  wollte  es,  daß  ich  als  älterer  dem  jüngeren  Kollegen 
diese  Zeilen  als  den  letzten  Abschiedsgruß  mit  schwerem  Herzen  nieder- 
schreiben muß. 

Wien,  10./23.  Nov.  1913.  V.  J. 


Sachregister. 


Albanisches  Lehr-  u.  Leseb.  591—598. 

Alphabet.  Zum  ältest.  slav.  A.  62 — 67 ; 
s.  Konstantin. 

Altcechisch  s.  Katharinenlegende. 

Altkirchenslavisch.  Die  neuesten  For- 
schungen d.  Altkirchenslavisch.  213 ; 
Charakteristik  d.  nltkirchenslavisch. 
Spr.  nach  Lauten  u.  Formen  behufs 
Darlegung  ihres  makedo-bulgarisch. 
Ursprungs  212-214;  lexikal.  Cha- 
rakteristik d.  altkirchenslav.Sprache 
214—224. 

Altpolnisch  s.  Ezdrasfragment,  Vater- 
unser. 

Aufstand  v.  Brine  s.  Kuhacevic. 

Aussprache  d.  sloven.  Schriftsprache 
560—562. 

Autoren  d.  beiden  pannonisch.  Legen- 
den 211. 

Basiliscus  s.  Martyrium. 

Beiträge  s.  kirchensl.  Literatur. 

Betonung.  Zur  Bezeichnung  d.  serbo- 
kroat.  Betonung  60—62. 

Bibelübersetzung,  kirchenslav.  207. 

Bibliographie.  Kroat.-glagol.  B.  558 — 
56U;  Zur  B.  d.  kroat.-kajkavischen 
Literatur  606—608. 

Bibliograph.  Notizen  zu  Petar  Petretic, 
Ivan  Ivanisevic  u.  Jeronim  Kavanin 
614—615. 

Böhmen,  s.  Rechtsgeschichte. 

Brevier  Veits  16,  s.  Parömienbuch. 

Breviere.  Bis  zu  welchem  Maße  be- 
stätigen d.  kroat.-glagol.  Br.  d.  An- 
nahme einer  vollst.  Übersetz,  d.  hl. 
Schrift  durch  d.  hl.  Methodius  12— 
44;  Spuren  grioch.  Ursprungs  in  d. 
kroat.-glagol.  Brevieren  16 — 18. 

Brief  d.  Papstes  Hadrian  IL  in  d.  elav. 
Vita  Methodii  204. 

Briefe.  Zwei  Br.  des  Fürsten  Milos  v. 
Serbien  an  Kopitaröl" — 618;  Vier 
Br.  an  Th.  Pavlovic  618—620. 

Cechisch  s.  Literaturgeschichte. 
Chronologie  d.  ersten  christl.  Fürsten 


von  Bulgarien  u.  Wirksamkeit  Rie- 
mens', Bischofs  V.  Velika  209—210, 

Dialektforschung.  Zur  sloven.  D.  329 
—337. 

Dibra  601—603. 

Dorabrowski-Marsch  319—320. 

Efremov-Kormcaja.  Die  Sprache  der 
E.-K.  302—306. 

Endungen,  -e  und  -f  in  der  slav.  De- 
klination 321—324. 

Entstehungsgeschichte  d.  kirchenslav. 
Spr.  202—226. 

Entstehungsjahr  d.  slavischen  Schrift 
209. 

Erzählung  v.  Kater  u.  d.  Leuchter  518 
—520. 

Euchologium  Sinaiticum  213. 

Ezdrasfragment.  Das  neugefund.  alt- 
poln.  E.  1—11. 

Folkloristische  Studien  514—524. 

Geflügeltes  Wort.    Ein  poln.  gefl.  W. 

319—320. 
Genesis.  Textus  libri  G.  (cap.XXXLII 

— L)  codicis  glag.  e.  r.  bibliothecae 

Aulicae  Vindobonensis  19 — 44. 
Glagolita  Clozianus.   Zur  Entdeckung 

des  Gl.  Cl.  603—606. 
Glagolitische  Schrift.    Verbreitung  d. 

glag.  Sehr,  bis  nach  dem  nördlichen 

Rußland  210,212. 
Gogols  Sujet  für  d.  Revisor  620—621. 
Grammatik,  serbokroat.,  von  Dr.  VI. 

(^oroviö  294—296. 

Halbvokale.   Zum  Schicksal  der  H.  im 

Slowakischen  324—328. 
Havlicek.    Meinungen  u.  Urteil  K.  H.s 

über  Rußland  524—525. 
Heilandsbild.  Das  älteste  H.  621. 

Interpunktion.  Die  I.  in  d.  slav.  Über- 
setzungen griech.  Kirchenlieder  413 
—437. 

Iteration.  Über  d.  I.  von  Synonymen 
im  Russ.  u.  in  and.  Sprachen  68—72. 


Sachregister. 


635 


Katharina,  Kaiserin  v.RuCl.  Memoiren 

derK.  K.II.  285— 287. 
Kalender,  bosn.  erwähnt  625. 
Katharinenlegende.    Die  altcechische 

K.  d.  Stockholm-Brünner  Handschr. 

553—558. 
Kijever  Blätter  208. 
Kinder-  u.  Hausmärchen.   Anmerkgn. 

zu  den  K.-  u.  H.  der  Brüder  Grimm 

269—273. 
Kirchenslavische    Literatur.      Kleine 

Beiträge  zur  Gesch.  d.  ksl.  L.  150 — 

170.   • 
Kirchenslav.  Sprache  s.  Entstehungs- 
geschichte. 
Klemens.    Der  slav.  Bischof  Kl.    Sein 

Leben  u  Wirken  577 — 585. 
Konstantins   »Alphabetisches  Gebet« 

151 — 179;  Rekonstruktion  von  K.s 

»Alphabetischem  Gebete«  1G4— 175. 
Kroatien  s.  Schrifttum. 
Kroatisch  s.  Sprichwörter,  Kuhacevic. 
Kroatische  Schriftsteller  s.  Urknndl. 
Kroatisch  -  glagolitisch    s.    Breviere, 

Bibliographie. 
Kroatisch  -  kajkavische    Literatur    s. 

Bibliographie. 
Kuhacevic.    Der  kroat.  Schriftsteller 

K.  u.  d.  Aufstand  v.  Brine  73—130, 

8.  Religiös.    Gedichte,  Narikovane, 

Sendschreiben, Siebenjähriger  Krieg. 

Lautwandel  idg.  qh  zu  slav.  ch  357. 
Legende  vom  Pagen  der  hl.  Elisabeth 

V.  Portugal  515—518. 
Lehnwörter.    Zu  d.  serbokroat.  L.  aus 

d.  Türkischen  344—346. 
Lemberger  Ausgabe  d.  Särospat.  alt- 

poln.  Bibelhandschr.  s.  Sophienbib. 
Lexikalische  Lesekörner  622—623. 
Literaturgeschichte,  cech.  530 — 548. 
Lokativ  in  den  serbokroat.  Ortsnamen 

340—348. 

Märchen.  Der  Held  im  deutsch,  u.iuss. 
M.  287—294;  Das  M.  vom  Zauberer 
u.  seinem  Lehrling  520—524. 

Martyrium  d.  Basiliscus  44 — 55.  .^  Das 
Verhältnis  der  altkirchenslav.  Über- 
setzung des  M.s  zum  griech.  Texte 
51—55. 

Mazedo-bulgarischer  Ursprung  d.  alt- 
kirchenslav. Sprache  s.  Altkirchen- 
slavische  Sprache. 

Memoiren  M.  Kuhacevic'  129;  M.  der 
Kais.  Katharina  s.  Katharina. 

Metathese  von  /  und  v  im  Slovenischen 
333—337. 


Methods  Beteiligung  an  d.  Bibelüber- 
setzung 12,  207,  s.  Taufe. 

Mittelkarstdialckt.  Phonologie  d.Gör- 
zer  Mittclkarstdialektes  (Vokal  a)  1 30 
—150. 

Mogovaren  und  Katalanen  621 — 625. 

Montenegros  Ehrenkranz  598—601. 

Moskauer  Samml.  mittelgriech.  Sprich- 
wörter s.  Sprichwörter. 

Nachricht  der  slav.  Legende,  daß  Me- 
thod  mit  Hilfe  zweier  schnellschrei- 
bender Priester  alle  Bücher  der  hl. 
Schrift  mit  Ausnahme  d.  Makkabäer 
aus  d.  griech.  Sprache  in  die  slav. 
im  Verlaufe  v.  6  Monaten  übersetzt 
habe  207,  s.  Method. 

Narikovane  von  Kuhacevic  u.  sein  Ver- 
hältnis zu  Relkovic'  Satir  1 14 — 119. 

Nekrologe  (Malecki,  V.T.  Miller)  625 
—633. 

Neruda,  eine  Monographie  über  N.  526 
—529. 

Notiz  von  einem  bosnischen  Kalender 
625. 

Notizen  u.  Auszüge  ans  d.  Handschr. 
d.  Kaiserl.  Öffentl.  Biblioth.  in  Peters- 
burg u.  anderer  Petersb.  Biblioth. 
z.  poln,  Geschichte  226—252. 

Oberkrainische    Mundart.     Über   die 

aus  Dentalen    entstand.  Spiranten 

d.  oberkr.  M.  329—333. 
Ortsnamen:  Pest  und  Varazdin  212. 

Zur  sloven.  Ortsnamenkunde  610— 

611. 

Pannonische  Legende.  Erklärung  dei 
Worte  der  P..  L.  vom  hl.  Methodius 
inbez.  auf  d.  Übers,  der  hl.  Sehr.  12. 

Päpstliche  Regesten.  Beweisführnng. 
daß  d.  iraXI.  Jahrh.  in  Monte  Casino 
gemachte  Abschrift  der  p.  R.  das 
Originalregister  d.  Briefe  Johan- 
nes Vni  als  ihre  Vorlage  voraussetzt 
205—206. 

Parömienbuch.  Verhältnis  d.  kroat.- 
glagol.  Breviarien  zum  P.  14 — 16. 

Phonologie  s.  Mittelkarstdialekt. 

Polemik  gegen  die  Jngendschrift  Prof. 
Goetz'  »Geschichte  d.  Slavenapostel 
Constantinus  u.  Methodius«  204. 

Poljica.  Statut  der  P.  262—269. 

Polnisch  s.  Geflügeltes  Wort,  Notizen. 

Psalterbruchstück,  südruss ,  Lysiaks 
aus  dem  XHI.- XIV.  Jahrh.  585— 
588. 


636 


Sachregister. 


Reduplizierung  d.Präpos.  156, 608 — 610. 
Rechtsgeschichte  d.  Länder  d.  böhm. 

Krone  562. 
Regesten,  päpstliche,  s.  Päpstl.  R. 
Reise  d.  beiden  slav.  Missionäre  nach 

Venedig  204,  s.  Polemik. 
ReligiüseGedichte  v.  Kuhacevic  126. 
Revisor  s.  Gogol. 
Russisch  s.  Iteration,  Märchen. 
Russische  Vokale.    Einige  Bemerkgn. 

zu  Scerbas  »R.  V.«,  veranl.  durch  d. 

Rezens.  v.  A.  Thomson  563—577,  s. 

Volkslieder. 

Särospataker  altpoln.  Bibelhandschr. 
s.  Sophienbibel. 

Satir.  Relkovic'S.  inRagusa437 — 443. 

Sendschreiben  v.  Kuhacevic  1 19 — 126. 

Serbien  s.  Staat  u.  Gesellschaft 

Serbisch  s.  Sprichwörter. 

Serbokroatisch  s.  Betonung,  Gramma- 
tik, Lehnwörter. 

Schrifttum  in  Kroatien.  Einige  Be- 
merkungen z.  Geschichte  des  Schrift- 
tums in  Kroatien  379 — 413. 

Schulausgaben  Hölders ,  cechischer 
Dichter  und  Schriftsteller  589-594 
(»Babicka^  v.  Boz.  Nemcovä  590— 
592;  »Kytice«  v.  Erben  592—593; 
Humoristische  Novelle  im  Vormärz 
593—594;  »Pohorskä  vesnice«  v. 
Boz.  Nemcovä  594). 

Siebenjähriger  Krieg  in  Kuhacevic' 
Gedichten  126-129. 

Slavischs.  Alphabet,  Vergl.  Grammatik. 

Slavisch-baltische  Studien  307 — 317. 

Slavische  Deklination  s.  Endungen. 

Slavisehe  Schrift  s.  Entstehungsgesch. 

Slav.  Übersetzungen  griech.  Kirchen- 
lieder s.  Interpunktion. 

Slavistik.  Der  neue  Lehrstuhl  für  Sla- 
vistik  an  d.  Univ.  Leyden  612 — 614. 

Slovenisch  s.  Aussprache,  Dialektfor- 
schung ,  Metathese ,  Mittelkarst- 
dialekt,0berkrainisch.Mundart,0rt8- 
namenkunde. 

Slowakisch  s.  Halbvokale. 

Sophienbibel  3;  Die  Särospat.  altpoln. 
Bibelhandschrift  (sog.  S.)  u.  d.  Lem- 
berger  Ausgabe  v.  J.  1871  179—201, 
477—500. 

Sprichwörter.  Die  kroat.  u.  serb.  Spr. 
im  Verhältnis  zu  d.  griech.  u.  röm. 
280—284;  Die  Moskauer  Sammlung 
raittelgriech.  Spr.  280—284, 


Staat  u.  Gesellschaft  im  mitteralterl. 

Serbien  252—262. 
Staroslovan.Vierteljahrschr.  zur  Pflege 

d.  altslav.  Sprache,  Geschichte  und 

Kultur  300—302. 
Studien  über  slav.  ch  355 — 379. 
Synonyma  s.  Iteration. 

Taute  Bonvojs  durch  Methodius  206. 

Tolstoj.  Wechselbezieh.  zwisch.Tolstoj 
u.  d.  deutsch.  Literat.  452 — 476:  T.s 
erste  Reise  nach  Deutschi.  (1857) 
454 — 456;  T.  über  deutsche  Kunst 
456;  T.  über  deutsche  Literatur 
(Goethe,  Schiller,  Hebbel,  Auerbach, 
Schopenhauer)  457 — 4.'>9;  Krieg  und 
Frieden  459—461;  T.s  Einfluß  auf 
die  deutsche  Literat.  (Hauptmann,  J. 
J.  David,  Halbe)  461—466;  deutsche 
Übersetz,  v.  T.s  Werken  467 — 474; 
deutsche  T.-Literatnr  474 — 476. 

Übersetzung  d.  hl.  Schrift  durch  d.  hl. 
Methodius  s.  Breviere,  Methods  Be- 
teiligung, Nachricht,  Pannonische 
Legende. 

Ukrainisch  s.  Wortforschung. 

Urkundliches  über  einige  kroatische 
Schriftsteller  (Krmpotic ,  Ivanosic, 
Bosnak,  Stefanac)  443 — 452. 

Vaterunser.  Zu  den  d.  altpoln.  Texten 

d.  V.  615—616. 
Verbot,  die  Messe  in  slav.  Sprache  zu 

lesen,  erlassen  v.  Papst  Johann  VIII 

im  J.  879  205. 
Vergleichende  Grammatik  d.  slavisch. 

Sprachen.    Ein  praktischer  Behelf, 

alle  slav.  Sprach,  in  Wort  u.  Schrift 

zu  verstehen  298 — 300. 
Visio  Tundali  501—513. 
Vokalharmonie  138. 
Volkslieder,ru88i8che,  aus  d.  Sammlung 

P.V.Kirejevskij  273— 2S0. 

Westen.    Schlagwort  v.   >  faulen  W.« 

317—318. 
Wien.  Die  Namen  W.s  296-298. 
Worterklärungen  337 — 348. 
Wortforschung.  Beiträge  z.  ukrainisch. 

W.  349—355. 

Zadruga-Frage  255—256. 

Zapiski  z  r^kopisow  usw.  s.  Notizen. 

Zeitrechnung,  türkisch-bulg.  54S— 553. 


Namenregister. 


637 


Namenregister. 


Abicht  64—65,  413—437. 
Adamec,  Fr.  535. 
Adämek,  B.  537. 
Aeneas  Silvius  531. 
Afanasjev  291,  515,  521. 
Albert,  Ed.  536. 
Alexander  VII.  232. 
Allatius  578. 

Altenkirch  280-281,283. 
Amata,  J.  S.  228. 
Amerling,  K.  S.  534. 
Araphilochius  577. 
Andreas  Kretes  431. 
Andrejew  468. 
Antilovic  387. 
Aranza  43S. 
Arbes,  J.  535,  546. 
Asböth  2—7,10,212,318. 
Athanasios  v.  Faros  579 

—580. 
Auerbach,  B.  455,  457. 
V.  Auersperg,  J.  H.  391, 

402—403. 
Aurednicek  536. 

Babiaczyk  3,  8—11,  180 
—182,  185—186,  188— 
1S9,  192,195,198—199, 
325,477,  491. 

Babic,  J.  J.  409. 

Babicka,  H.  537. 

de  Backer  398. 

Balascev  584. 

Baibin,  B.  532. 

Banduri  63—64. 

Banfi,  Ch  404—405. 

Bartal  267. 

Bartholomae  356,  367. 

Bartos  Fr.  535. 

Bartos  Pisar  531. 

Bartosek  v.  Drahynic  531. 

Batjuskov  621. 

Baudouin  de  Courtenay 
308,330—331,334,337, 
504,  608. 

Bayen  94. 

Beckovsky  532. 

Bedier,  J.  520. 

Beethoven  456. 

Behr,  S.  453. 

Belinskij  525. 

Benesevi6  303,  306. 


Benesovä,  B.  548, 
Benfey  520,  523. 
Bercic  225. 
Berndl,  L.  u.  D.  474. 
BernekerSö- 59,212,221, 

294,  296,  312—313,  338 

—339,   371,    373,   377, 

476,  622. 
Bezruc  540,  547. 
Bezsonov,  P.  274,  275. 
Bilek  536,  547. 
Bily,  Fr.  537. 
Birukof,  P.  476. 
Blahoslav.  J,  540. 
Blasius  524. 
Blau,  0.  550. 
Blumenthal,  0.  457,  469, 

475. 
Bocek,  A.  532. 
Bodjanskij  152, 156—179, 

525. 
Boehme  285—287. 
Bogisic  259. 
Bogorodickij  571. 
Boisacq  371, 
Bücklin  456. 
Bolte,  J.  269-273,  290— 

291, 
Bolzano  534. 
Bopp  307, 
Borecky,  J.  536, 
Bofivoj  206. 
Bornbach  231,  233. 
Bosnak  408,  449—450, 
Bousek,  S.  536. 
Boyer  68. 
Bozdech  535,  540. 
Brandl  536. 

z  Bratric  Jenik  543 — 544, 
Braun,  E.  238. 
Braun,  J.  537. 
Bremer  571,  576. 
Brentano,  A.  299. 
Brentano,  H.  473. 
Bretholz  205. 
Brezina,  Ot.  538,  540. 
Breznik  131. 
z  Brezove  Vavfinec  531. 
Broch,  Ol.  598—601. 
Broz-Ivekoviö  340—341, 

343—344, 
Bruere  438. 


Brugmann  308,  310,  312, 

316,  338,  357, 
Bruchnalski,W.  625—63 1 . 
Brückner  191,  206—207, 

297,  489,  502, 
Buci6,  M.  384,  386,  389. 
Budmani  344. 
Büchmann  319. 
Bulic  569. 

Bury,  J.  B.  550—552. 
Buttoraz  94. 
Byron  634. 

Carablak  258. 
Caspar,  E.  205. 
Chalupa  536. 
Chalupny  533. 
Changalov  521. 
Chelcicky  531,  540. 
Chmelensky  533. 
Chocholousek  533,  593. 
Chrabr  65,  67,  203,  210. 
Cbrisogogno  390. 
Christ,  W.  414— 416,  419, 

427,  431,  433—435. 
Christian  206,  530, 
Christiani,  W.  69,  317— 

318,319—320,622—623, 
Chwalczewski  232—233. 
V.  Cimburk  Ctibor  631. 
Cloz,  P.  604—605. 
Cognikovich  84. 
Comenius  190—193,  489, 

532,  540,  546. 
Conev,  B.  203,  213—214. 
Constantinus     (Cyrillus), 

Konstantin     151—179, 

204,  207,  211,  221,  579 

—583,  585. 
Cordova  101. 
Cornova  543. 
Coronius  392. 
Cosquin,  E.  514—524, 
Croiset  van  der  Kop  226 

—252. 
Crusius  45. 
Cumont  44. 

Cyrill  8.  Constantinus. 
Czacki,  T.  235. 
Czambel  325—327,  548. 
6apek,  B.  K.  537. 
Öecetka  537. 


638 

Öech,  L.  537,  547. 
Cech,  Sv.  536,  540,  546. 
Celakovsky  282,  526,  533 
^  534,  54ü,  546. 

Cenkov  536, 
Öensky,  F.  535. 
Öervinka,  0.  536. 
Öolid,  M.  95. 
Colic,  V.  94,  111. 

Öorovic,  V1.294— 296,  614 
,  —615. 
Culic,  J.  438. 
Cupr,  Fr.  534. 

Dacicky,  M.  531. 
Dahl  623. 
Dalimil  206,  531. 
Daniele  257— 258,261 ,281 , 

501—505. 
Danilewski  475. 
Dantyszka  232. 
Dastich,  J.  535. 
V.  Dauu  SO,  101,  107. 
David,  J.  J.  465. 
Demetrios      Chomatiuos 

579. 
Derechkay,  J.  389. 
V.  Diankovec  402. 
Diels,  P.  320,   321—324, 

324—328,  615—616. 
Diesterweg  455. 
Dobner  210,  543. 
Dobrila  95. 
Dobronoki  401. 
Dobrovolskij  516. 
Dobrovsky  151— 152,206, 
210—211,532—533,540, 
542,  544. 
Dohnal,  A.  (Hausmann) 

534,  540. 
Dolansky  558. 
Domitrovic,  P.  396,  405. 
Donatli,  0.  526—529,  530 
—539,  539—541,  541  — 
545,    545—548,    589— 
594,  634—664. 
Dostäl-Lutinov  536. 
Dostojevskij  453, 469,613. 
Draasinovich  94. 
Draskovid,  G.  384,  410. 
Draskovid,  J.  410. 
Drechsler  60. 
Dreyling  101. 
Driesen  317 — 318. 
Droysen  454. 


Namenregister. 

Drtil,  A.  537. 
z  Dube  Ondr.  531. 
Du  ßois  Reymond  454. 
Dudik  205,  536,  553. 
Dukat  403. 
Dumenchich  94. 
Diimmler  205. 
Dunin  Borkowski  319. 
Durdik,  J.  535. 
Durdik,  P.  535. 
Durych,  F.  542. 
Dvornicic,  B.  395. 
Dvorak,  A.  548. 
Dvoi-äk,  Z.  536. 
Dyk,  V.  538,  540. 

Ehrhardt  45. 
Emier  536. 
I  Endzelin  307  —  317,  602. 
I  Ephrämos  Syros  155. 
Erben  526,  533,  540,  546, 

553,  555,  592—593. 
Erdeödi,  E.  391. 
Erdeödi,  N.  401. 
Erdeödi,  S.  391,  401. 
Erdeödi,  Th.  401,  410. 
Etienne,  R.  186—187. 
Eusignius  44, 

Fancer,  Fr.  379—413. 
Federowski  516. 
Fein,  N.  589—592. 
Feist  362,  367. 
Feretic,  J.  604—606. 
Fick  362—363. 
Finkel,  L.  319—320. 
Flajshans  547,  553,  557. 
Fontane,  Th.  466. 
Fortunatov  307, 
Fraenkl  454. 
France,  R.  329—337. 
Francev  525. 
Franic  444, 
Franko,  I.  150—179. 
Frankopan,G.  391,  402— 

403. 
Frankopan,    Kath.    385, 

401—402. 
Frankopan,  N.  401,  404. 
Fric  540. 
Froehde  362. 
Fröbel,  J.  455. 


GaVsser  414,  416. 
Gaj  443. 

Galezowski  227. 
Gall  zu  Brindel  96—87, 
94,  98,  101,  108. 


Galovic,  N.  394,  404,  406 
—407,  409. 

Gebauer    325,    340,   547. 
553—554. 

Gedeonov  317. 

Geitler  62,  64,  65. 

Gindely  536,  547. 

Giulay  446. 

Giustiniano,  S.  232. 

Gleye,  C.  E.  280—284. 

V.  Gliimer,  CI.  468—469. 

Goethe  457. 

Goetz  204—205,  212. 

Gogol  620—621. 

Golant,  N.  M.  468. 

Golebowski  235. 
Golubin8kij577— 578,481 . 
Gorazd  211. 
Gorkij  468. 

Gorskij  210—211,  577. 
Grabowski,  G.  236, 
Graff,  P.  453,  469. 
Granovskij  525. 
Grau,  S.  232. 
Gregor  XV.  232. 
Gregorios  v.  Nazianz  155. 
Gregorius  Dialogus  213, 
Grienberger  296—298. 
Griese,  T.  232. 
Griesebacb,  E.  468. 
Grigorij  (v.BuIgarien)213. 
Grigorovic  225,  578,  581, 
Grimm  J.  270. 
Grimm,  H.  272. 
Grimm,  W.  270,  611. 
Grünau  233. 
Guudnlic  346. 
Gussew  475. 
Gütscbow  476. 


Habdelic  394—395,  403— 

406,  410,  412. 
Hadrian  II.  304. 
Hahn  517. 
Hajdecki  320. 
!  Häjek  V.  Libocan  V.  536. 
Häjek  v.  Hodetin  J.  531. 
Häjek,  T.  531. 
Hajnal  397. 
Halbe,  M.  465—466. 
Hälek  533—535,  540. 
Hallerstein  82. 
Halm,  H.  452—476. 
Hanisch,  E.  I— 11,  179— 

201,  298—302,  319,477 

—500. 
Hanka  532,  544. 


Namenregister. 


639 


Hanus,  1.541— 545,  547. 
Hanus,  I.  J.  534. 
Harant  v.  Polzic  531. 
V.  Harrach  86,  101. 
Haraänyi  1—7,  181,   189 

—194,  198. 
Hattala  535. 
Hauptmann,  G.  458,  402 

—465. 
Havelka  535. 
Havlasa,  I.  537. 
Havlicek,    K.    524—525, 

52B,  534—535,  540. 
Havllk  547. 
Haxthausen  525. 
Hebel  457—458. 
Heine  527,  534. 
Heller,  S.  537. 
Henckel,  W.  453,  409. 
Herben  537,  540. 
Herberstein  82—83,  8S. 
Herites  537. 
Hermann,  E.  313. 
Herrmann,  I.  537. 
Herscheasohn  274 — 275. 
Herzen,  AI.  285. 
Heß,  A.  274. 
Heyduk  534,  540,  580. 
Hilarius  v.Leitmeritz  531 . 
Hubert,  J.  537,  540,  548. 
Hildburgshausen  84 — 86, 

100. 
Hilferding  548—550. 
Hinderer  106. 
Hirt  307,  314,  316—317. 
Hjärne,  H.  599. 
Hladik,  537. 
Hliebowicz  236. 
Hnatjuk  294. 
Hofmann,  K.  520. 
Holecek,  J.  537. 
Hoievac  98,  102,  109. 
Holina,  A.  529. 
Holy,  J.  538. 
Hordynskyj,  J.  585—588. 
Horky,  K.  548. 
Hornostay,  G.  236. 
Horvath,  I.  390. 
Horvvath,  G.  241. 
Hosius  232. 
Hosek,  J.  537. 
Hrase,  J.  V.  535. 
Hrelianovich  83. 
Hromädko  544. 
Hruby,  J.  537. 
Hruby,  V.  298—300. 
Huber,  A.  531. 


Hujer  321. 

Hus  531,  539,  540. 

z  Hvezdy,  J.  533—534. 

Hybl,  Fr.  204,  206,  208. 

Hyna,  F.  534. 

Ignatios  Diakonos  155. 

Ilesic,  Fr.  500—562. 

Hjinskij  213. 

Innozenz  X.  232. 

Ivanickij  516. 

Ivanisevic,  T.  615. 

Ivanosic,  A.  447 — 448. 

Ivanov  318. 

Ivsic  343. 

Jablonsky  533,  540. 

Jahn,  M.  537, 

Jagic  51 — 55,  62,  65 — 00, 
202—220,252—262,262 
—269,  269—273,  273— 
280,280—284,285—287, 
318—319,  322,  346— 
347,388,403,  412—413, 
431,433,430—437,501  — 
513,577-585,587-588, 
620—621,631—633. 

Jakubec,  Joa.  536. 

Jakubec,  Jan  541 — 545, 
545—548. 

Janda,  J.  B.  535. 

Janezic  147. 

Jaros,  G.  537. 

Jedlicka  B.  553. 

Jelagin,  V.  A.  274, 

Jelinek,  B.  536. 

Jelinek,  E.  537. 

Jenko  103,  107—109,  125 
—  126. 

Jensen,  A.  598—601. 

Jei'äbek,  Fr.  V.  535,  540. 

Jesenskä,  E.  547. 

Jevsejev  13—14,  18,  203, 
213,  224,  580. 

Jiräsek  536,  540,  547. 

Jirecek,  H.  536. 

Jirecek,  J.  189— 190,  535, 
547. 

Jirecek,  K.  206, 252—262, 
548—553. 

Joannes  archidiac.  Gori- 
censis  383. 

Joannovid  619. 

Johann  YHI.  204—205. 

Jokl,  N.  307—317,  591— 
598. 

Jungmann,  J.  532 — 533, 
540,  542,  540, 


Juntae,  Ph.  420. 
Juijevic  387. 
Justi,  J.  H.  G.  543. 

Kacanovskij  517. 
Kalajdoyic  162. 
Kaiina  533. 
Kaliucük  534. 
Kaliaovvski,  M.  241,  244. 
Kalousek  536,  547. 
Kamaryt  533. 
Kaminek,  K.  537. 
Kaminsky,  B.  536. 
Kapper,  S.  534. 
Kapras,  J.  535,  562. 
Karadzic  517,  020. 
Kuramzin  285. 
Karäsek  ze  Lvovic,  J.537 

—538. 
Karlowicz  510,  623. 
Kasic,  B.  60. 

Kasumovic,  J.  280 — 2S4. 
Katancic  119,  608. 
Kavanin,  J.  615. 
Kebrle  553. 
Keglevic,  F.  391,  401. 
Keglevic,  G.  391. 
Keller  455. 
Khol,  Fr.  548. 
Kidric  67. 

Kielczewski,  K.  240. 
Kirejevskij,  P.  V.  273— 

2S0. 
Kläcel  534. 
Klästersky,  A.  530. 
Klemens  (v.  Macedonien) 

204,  209,  211,  213. 
Klemens     Alexandrinos 

155. 
Klicpera,  Iv.  537. 
Klicpera,  Kl.  533. 
Klostermann,  K.  537. 
Kluyver  358. 
Kobilovid  307. 
Kocel  204. 
Kohl  524. 

Köhler,  R.  271,  273,289. 
Kochanowski  118. 
Kojalovic  235. 
Kolär,  J.  J,  535,  540. 
Kolcov  08. 
z  Koldina,  Kr.  531. 
Kollär,  J.  532—534,  540, 

540. 
Komensky  s.  Comenius. 
Konäc,  M.  531. 
Koniäs,  A.  532. 


640 


Namenregister. 


Koniecpolski,    R.  240— 

244. 
Koriikoviö,  B.Cognicovich 

82. 
Konstanc,  G.  532. 
Konstantin  s.  Constantin. 
Konstantin  d.  Sizilier  155. 
Kopitar  210—212,  603— 

6U4,  617—618, 
Kornilovic  286. 
Korzeniowski,  J.    226 — 

252. 
Korzon  320. 
Kosina  535. 
Kosmäk,  V.  547,  540. 
Kosmas  530. 
Köstlin  418. 
Kostreneic,  M.  269. 
Kott,  Fr.  St.  535. 
Koubek,  J.  P.  534,  540. 
Kovacic  301. 
Kovacic-Vodopija  390. 
Kozlovßkij  356,  358. 
Kozlowski  233. 
Krabice,  B.  531. 
Krajaceviö,  M.  387,  390— 

392,  394-395,  397,  400 

—401,403,412—413. 
Krajacevic,  V.  395. 
Krajacic  390. 
Kräi  533. 
Kramaric  386, 
Krasko  548. 
Kräsnohorskä,    El.    536, 

540,  546—547. 
Krcelid  380. 
Krebs,  H.  621, 
Krejci,  F.  V.  526,  529. 
Kretschmer  309,  312. 
Krizanic  387. 
Krmpotic,  J.  444—447, 
Krofta  205. 

Krumbacher  208,   280— 

281, 
Krynski  615—616, 
Kn bin  291. 
Kucera,  K.  536. 
Kuhac  387. 
Kuhacevid,  F.  97,113,  120 

—124, 
Kuhaceviö,  J.  73, 111. 

Kuhaeevic,  L.   104—100, 
113,  120. 

Kuhacevid,  M.T,  73—130, 
Kukucin  548, 
Kukujevid   73,   380,  382, 


388,  395,  404,  406—408, 
438,501—502,558,607. 

Kulbakin203,  213, 

Kunik  548,  550. 

Knnz  299, 

Kuripesic  387, 

Kuthen  531, 

Kutusow  (Kutuzov)  460. 

Kuun,  G.  550. 

Kvapil  536. 

Kvicala  535, 

de  Lagarde,  P.  370. 
Laichter,  J.  537, 
Lamanskij  203, 
de  Lamberty  233. 
Lambertz,  M.  59J— 598. 
Lang,  P.  555. 
Langer,  Fr.  548. 
Langer,  J,  533,  540,  593. 
Laszowski  382, 
Laudon  117—128. 
Lausus,  M.  405. 
Lavrov  209— 21 1, 213,578. 
Lebedev  224. 
Leciejewski  319,  322, 
Leger,  K.  536, 
Lenau  534. 
Leo  d.  Weise  155, 
Lepar,  L  535, 
Lepsius  134. 
Leskien  59,  304,  311,323, 

327,  581. 
Lewinski,  J.  475. 
Lid^n  361,  366,  370. 
Lier,  J.  537, 
Linda  544, 
Linde  10, 

Lindner,  G.  A.  535. 
Liszt  317,  455. 
Loos  :U9, 
Lopasid  395, 
LosJ82. 
Lostäk,  L.  536. 
Löwenfeld,  R.  454—456, 

469,471—472,475—470. 
V.  Löwis  287—294. 
Löwenwolde  101. 
^.ubic,  P.  390,  394,  404— 

406,410. 
Lubienski,  St.  239,  241— 

242, 
Lucari,  L.  390—391,393. 
Lüdtke,  W.  44—51. 
Lumaga  82—83. 
Luther  455, 
Luzar  334—335. 


Luzicka  535, 
Lysiak,  Th,  586, 

Maciejowski  233, 
Magdalenic  390. 
Magdic,  M.  73—74,  84,94 

—95,  111,  129. 
Mähen,  J.  537,  548. 
Mahlow  313. 
Mächa  526,  533,  540. 
Machäcek,  Th.  529,  533, 
Mächal,  J.  541—545,  547, 
Machar,  I.  S.  538, 540, 547, 
Makar,  A,  394,  404,  406, 
Makarius  577. 
Makovicka,  E.  535. 
Malachowski  231. 
Malecki  3,  182—183,  187 

—190,    193—195,   200, 

625—631, 
Malinsky  537. 
Malkosic  387. 
V.  Maltitz  455. 
V.  Maltzew,  A,  415. 
Malysevskij  577. 
Maretic  344. 
Marignola  206,  531. 
Marichich  94. 
Marinov  517, 
Marinovid,  M.  438—443, 
Markov,  A.  V.  274. 
Märten,  M.  537. 
Marquart  550 — 551. 
Masaryk  525,  533. 
Matejka,  J.  537. 
Matic,  T,  73—130,262— 

269,  319,  437—443,  443 

—452, 
Matzenauer  366,  535, 
Maximin  44. 
Mayer,  J.  M.  548. 
Mayer,  R.  534,  540, 
Mazarin  116, 
Mazuranid  VI,  267, 
Meillet307— 308,  310,312 

—314,    316—317,    356, 

358, 
Melich  212. 
Mencik  553, 
Meninski  345—346, 
Merhaut  537, 
Meringer  357. 
Mereschkowski  476. 

Methodios     v.    Olympos 

155. 
Methodius    (mährisch- 


Namenregister. 


641 


pannonischer)      2ü4— 

208,211,579—583,585. 
Meyer,  G.  360,  597—598, 

6ül— 602. 
Meyer,  Ph.  419. 
Michajlov    14—15,    203, 

224,  587,  621. 
Mickiewicz  319. 
Mikkola    308,    311,   314, 

548—553. 
Miklosich  296,  333,  337, 

340,  345,  347,  376,577, 

609. 
Miklonsic  380,  606—607. 
Mikulid,  Th.  401. 
Milcetic,  I.  501—502,  558 

—560,  603—606. 
Miletic  214. 
Miller,  Vs.r.273— 280,631 

—633. 
Milos  Fürst  v.Serbien6l7 

—618. 
Milovec,  B.  385, 389—390, 

394—395,397,398—403, 

405—406. 
Mislenovic  393. 
Miskatovic  343. 
zMitrovicV.Vr.  531,540. 
Mladenov,  S.  211,  338. 
Mogorich,  M.  409. 
Mokry,  0.  536. 
Molke  102. 
Mosovsky  531. 
Mrnaveeviö,  S.  402. 
Mrstik,  A.  537,  540. 
Mrstik,  V.  537,  540. 
Mscislawski  241. 
Mucke,  E.  562. 
Murko  213. 
Mazik  536. 

Nadasdi,  F.  398—399, 402. 
Nadasdi,  Th.  625. 
Nadaadi-Draakovic,  M.  M. 

394,  407. 
Nachtigall  203,  224—225, 

587. 
Naruazewicz  228. 
Naum  213,  581,  583. 
Nebesky,  V.  B.  534—535, 

540. 
Nehring    190—191,    319, 

615—616. 
Nejedly,J.532— 533,  542, 

544. 
Nömcovä,    B.    529,   534, 

540,  589—594. 


Neruda,  J.  526—529,  533 

—535,  540,  546. 
Neumann,  St.  K.  547. 
Nevostrujev      210—211, 

577. 
Nicolaus  Arbensis  210. 
Nikiforos  Uranos  155. 
NiloB  155. 
Nitsch,  K.  2—7. 
Novak,  A.  526—529,  530 

—539,  541—542,  545— 

548. 
Noväk,  J.  V.  530—532. 
Noväkovä,  Ter.  537,  546, 

547. 
Novakoviö,St.  578,  583— 

584,  622,  624—625. 
Novotny,V.204— 206,547. 

Oblak  213—214,  622. 
Obnorskij.S.P.  302—306. 
Oginski,  M.  320. 
Okunev,  N.  A.  621. 
Oncukov  516. 
Orlov,  AI.  286. 
Orlowski  320. 
v.d.Osten-Sacken  55 — 59, 

312. 
V.  Ottersdorf,  S.  531. 
Ovid  523. 

Fächer  95,  111,  116,  129. 

Pajan  93. 

Palacky,Fr.  532,  534,540, 

546. 
Palkovic  544. 
Pafikewycz,  I.  585 — 588. 
Paranikas  414,  427,  434 

—435. 
Pasquale  de  Valeriis  84, 
Pastrnek  202—226,  325, 

547,  557. 
Patera  536. 
Patrubany  369. 
Paulus  V.  Ancona  205. 
Pavich  V.  Pfauental,  A. 

262—263. 
Pavlov,  A.  S.  303. 
Pavlovic  387,  618—620. 
Pawlowski,  B.  320. 
Pecirka  553. 
Pedersen  308—310,  312, 

316,355—356,358,360, 

366,  370—371. 
Peisker  256. 
Pekar  206, 
Pekmezi,  G.  594—598,602. 


Archiv  für  Hlavisclie  Philologie.    XXXV. 


Pelikan  553—554. 
Pellico  Silvio  112. 
Pelzel  543,  545. 
Pergosid  385—387. 
Pernus,  J.  336. 
Persson  371. 

Petar  II.  Njegos  598,  600. 
Petersson,  H.  355—379. 
Petretic,  P.  407,  615. 
Petris,  J.  501. 
Petrovid,  L.  387. 
Petrovskij  211,  551. 
Pfleger  Moravsky  535,540, 

546. 
Philaret  577. 
Philippos  Solitarios  162. 
Piasecki  P.  242. 
Picek  533. 
Piekosinski  185,  191,195, 

201. 
Pintar,  L.  333—337,  608 

—610,  610—611,  611— 

612,  623—624. 
Pippich  537. 
Pipping  571. 
Pisaf,  B.  531, 
Piter  543. 
Pitra  41^—416. 
Plachy,  S.  531. 
Pletersnik  343,  609, 
Podlipskä,  Z.  535,  546. 
Pogodin  314. 
Pognar,  M.  386. 
Pogorelov  203,  213,  225, 

587. 
Pokoiny,  R.  536. 
Poläk,  M.  Zd.  540. 
Polivka,  G,  269—273,  287 

—294,  514—524,  524— 

525. 
Pongraz  402. 
Poniatowski  286. 
Popov,  A.  430,  548. 
Popovic  346. 
Popruzenko  225. 
Portner  84,  94,  99,  101— 

102,  106. 
Porzezinski  307—308. 
Potemkin  286. 
de  Pozi  88. 
Prasek  536,  547. 
Pravda  534—535,  540. 
Prazäk  526. 
Preissovä,  G.  537. 
Prellvitz  368,  373. 
Pressol,  L.  392. 
Prochäzka,  A.  038. 

41 


642 


Namenregister. 


Prochäzka,  F.  F.  543,  545. 
Prochäzka,  Fr.  S.  536. 
Pucic,  0.  257. 
Pulkava  531. 
Purkyne  534,  540. 
Puskin  285,  534. 
Pypin  285. 

Quis,  L.  536,  540. 

Raczynski,  E.  234. 
Racki  205—207,  209,  262, 

383. 
Radic  390. 
Radioff  255, 353—354, 550 

551. 

Radziwill,  M.  K.  231,234, 
23ü. 

Rais,  K.  V.  537,  546. 

Ranina,  D.  438. 

Rank.  J.  535, 

Ratkaj,  J.  394. 

Raunach  79 — SO. 

Relkovic.M.A.  115—119, 
437—443. 

Resetar  60—62,  G2— 67, 
208,  262—263,  269,  294 
—296,  296—298,  342, 
438,560—562,598,600. 

Reuter,  Fr.  458. 

Reznicek  537. 

Ritig,  S.  205,  209. 

Rodicev,  Th.  J.  621. 

Rodovsky,  B.  531. 

Rohäcek,  Fr.  537. 

Rohde,  E.  523. 

V.  Rokycana,  J.  531. 

Rokyta  536,  547. 

Romanov  516,  521. 

Rosa,  V.  532. 

Roskoschny,  H.  472. 

Röttger,  F.  46^,  471. 

Rozdolskyj  294. 

V.  Rozwadowski  179, 182, 
188,  310,  317. 

Rubes  533,  540. 

Rucic,  J.  401. 

Rulik  545. 

Rumjancov,  N.  P.  152. 

Rybicka,  A.  535. 

Sabatier  7. 
Sabina  534,  535. 
Samoiloff  571,  576. 
SartoriuSjN.  s.Krajacevic. 
Sedläcek  536,  547. 
Seliscev  521 — 525. 


I  Semenovic  9. 
Seppelt  615 — 616. 
Seppenburg  100. 
Serebkowicz,  Ch.  240. 
Sergejenko  474 — 476. 
Sertich  94,  98. 
Seuron,  A.  476. 
Severianov  51. 
Seykora,  0.  554. 
Sezima,  K.  537,  538. 
Schauer,  H.  G.  537. 
Scheftelowitz  370. 
Schelling  273. 
Scherbachich,  G.  388. 
Scherzer  105—106,  477. 
Schiller  457. 
Schleicher  307. 
Sehloissnig  100. 
Schlumberger,  6.  624. 
Schmidt,  J.  309,  313. 
Schmitt,  H.  472,  475. 
Scholz,  B.  453,  473. 
Schopenhauer  455,  457. 
Schrader  357. 
Schrauf  403. 
Schuchardt  339—340. 
SchultheisB,  T.  69—72. 
Schulz,  F.  535,  546. 
Schuyler,  E.  458. 
SimeonMetaphrastes  155. 
Simonyi  29S. 
Siuts,  H.  291. 
Skok,  P.  337—348. 
Skala  ze  Zhore,  P.  532. 
Slabinus,  M.  392. 
Slcädek,J.V. 536,  540,547. 
Smetana,  A.  534. 
Smetänka  537,  553—558. 
Smiciklas,  T.  381,  395. 
Smolcic,  L.  401. 
Snopek  205,  578. 
Sobieski,  J.  234. 
Sobieski,  W.  229. 
Sobolevskij  64,  152,  153 
—179,208,213,578,583. 

Sodic  98. 
Sokol,  I.  535. 
Sommervogel  398,  406— 
407. 

Sonnenfels,  J.  543. 
Sotwel  397. 
Sova,  A.  536.  538,  510. 
Späcil,  J.  536. 
Speranskij  (18,  273—280. 
Spina,  Fr.  553—558. 
Spiro  475. 


Sreznevskij  62,  64,  152— 
179,  212  578. 

Staszic,  St..  235. 

Starcevic,  S.  60—62. 

Stasek,Ant.535,537,546. 

Stauber  78. 

Stepanov,  N.  V.  551. 

Stephanus  s.  Etienne. 

Steyer,  W.  532. 

Stocki,  R.  349-355. 

Stöger  398,  406. 

Stojanovic  209,  213,  518. 

Sträneckä  537. 

Straporola  523. 

Strauch,  D.  Ae.  238. 

Streitberg  314. 

Strenge,  E.  453,  469,471. 

Stroupeznicky  537. 

Strzygowski  203. 

Stubenberg  78. 

Suidas  368. 

Sumin,  J.  537,  547. 

Sutner,  B.  458,461. 

Svätek,  J.  535. 

Svatopluk  V.  Mähren  205 
—206. 

Svetlä,  K.  535,  546. 

Svoboda,  W.  A.  542,  544. 

Svobodovä,  R.  547. 

Sylvius  Aeneas  531. 

Synesios  155. 

Synkellos,  El.  155. 

Szabö  406. 

Szamota,  St.  382. 

Szöreny,  AI.  404. 

Szykowski,  P.  240. 

Safarik  176,211,258,380, 
525,  532,  540,  546,  583, 
606,  618—620. 

Salda,  F.  H.  538. 

Sambar,  M.  412. 

Scepkiu210,  213. 

Scerba  563—577. 

Sedivy  544. 

Sein  277—279. 

Sembera,  A.  V.  532. 

Sevyrev317— 318,524— 
525. 

Sikuten  390. 

Simäcek  537,  540. 

Simunid,  M.  409. 

^intic,  A.  604—606. 

Skäba  537. 


Namenregister. 


643 


Skampa  536. 
Skrabec561, 
Skrinarid  386—387. 
Slejhar,  I.  K.  537,  547. 
Smilovsky  535. 
Snaidr  533. 
Sole,  V.  534,  540. 
Spatny  535. 
Stefanac  450—452. 
Stech  537. 

Stepänek,  K.  537,  544. 
Stitny  531,  539. 
Stolba  537. 

Strekelj.K.  130—150, 561. 
Stulc  533. 

Subert,F.A.533,  537,  540. 
Sumavsky,  Fr.  535. 
Surmin  267,  380,  390,  606 
—608. 

Täborsky,  Fr.  536. 
Tajovsky  548. 
Targowski,  S.  240. 
Tarnowski,  J.  240. 
Taussig,  F.  589—593. 
Teneromo,  J.  475. 
Tösnohlidek,  R.  537. 
Thallöczy  625, 
Tham,  K.  I.  544. 
TheodoroB  Prodromoa 

155. 
Theodoros  Studites  155. 
Theophylaktos  580. 
Thomayer,  J.  547. 
Thomson,  A.  563—577. 
Tieftrunk,  K.  536. 
Tiktin  350,  352. 
Tille  529. 
Tkalci<5  380,  382. 
Tobolka  524. 
Tolstoj,  A.  A.  474. 
Tolstoj,  L.  N.  452—476, 

613. 
Tolvay  403. 

Tomaschek  258,  548,  550. 
Tomek  536,  547. 
Tomsa  545. 
Torbiömsson  366. 
Trachtenberg  68. 
Treimer,  K.  601—603. 
Treuhand  517. 
Trubetzkoj,  P.  475. 
Trebizsky,  V.B.  536,540. 


Tunickij,  N.  L.  577—585. 
Turcin  390. 
Turgenev  285,  453. 
Turinsky  533. 
Turnovsky,  J.  L.  535. 
Tyi  533,  593. 
Tyrs  535. 


Uher,  J.  537. 
Uhlenbeck  356—357. 
Ullraann  t>02. 
Undolskij  578. 
Ungar  543. 
Urban  VIII.  232. 
Uspenskij  549. 
Vajs,  J.  12—42,  203,208, 

224,  558—560. 
Valdec,  St.  318. 
Valjavec  210,  587. 
Vamb6ry  550. 
Vasarheli,  G.  404. 
Väsa,  P.  539—541. 
Vasek,  A.  535. 
VavAk,  F.  543—544. 
Vele8lavin,D.A.  531,540. 
Vengerov,  S.  A.  620. 
Vercellone  7. 
Verniö,  M.  390. 
Verstovskij  317. 
Vikova-Kunötickä  537. 
VinaHcky  540. 
Vitezovic.  P.  408. 
Vlcek  V.  Cenov  531. 
Vlcek,  J.  541—545,  547. 
Vl6ek,  V.  535,  546. 
Vobornik  537. 
Vocel  532,  540. 
Vodäk  537. 
Vodopija  8.  Kovaciö. 
Vojinoviö  517. 
Vojkovic,  J.  401. 
Vok  V.  Rosenberg,  P.  553. 
Volf,  G.  225. 
Vondräk68,204,208,211, 

213,307,  311—312,338, 

371,  542. 
Voronov  577,  580. 
Voskresenskij  210,  577. 
Vragovic,    P.    389—390, 

393. 
Vramec  386—387. 
Vrchlicky  529,  536,  540, 

547. 
Vudragovid,  Kl.  104,107, 

113,  126. 
Vnk  60—62. 


Vnkasovid  445—  446. 
Vukelich  94,  98. 
Vybiral  589—594. 
Vychodil,  P.  536—537. 
Vykoukal,  Fr.  537. 
Vymazal  535. 

Wackernagel  367. 
Wagner,  A.  502—503, 505. 
Wagner,  S.  456. 
Walde  58—59,  309,  312, 

358,370. 
Wattenbach  206,  208. 
Wenden,  P.  241. 
Wenzig,  I.  535. 
Wesseleny,  Fr.  408. 
Wes8elof8ky,A.514— 515, 

520. 
Wessely  297. 
Wiedemann  308,311,362. 
Winter,  Z.  ö36,  540. 
Wolf,  L.  474. 
Wolfsohn,  W.  455,  468. 
Wolganow  454. 
Wybicki,  J.  319. 

Zabel,  E.  476. 
Zahn  611. 
Zahradnik  534. 
Zäkrejs,  F.  535. 
Zahiski,  J.^228— 229. 
Zbarawski  244. 
Zeleny,  V.  536. 
Zeman,  Fr.  A.  535. 
Zenos  296. 
Zeyer  536,  540. 
Zielinski  523. 
Zikmund  535, 
Zikovä,  L.  537. 
Zima  544. 
Zlatarski,  V.N,  209,551, 

583. 
Zlobicky,  J.^V.  543. 
Zola  549. 
ZrinBki,'G.  401. 
Zrin8ki,Nik.385,388,402. 
Zrin8ki,Pet.385,  387,  402. 
Zubaty  314,321,338,547. 
V.  Zerotin,  K.  540. 
Zidi6|(?  Sidich)  S.  J.  409. 
Zizka,';J.,531., 
ilukovskij  320. 
Zunkovic  301—302. 
41* 


644 


Wortregister. 


Wortregister. 


ayxavQos  58. 
auster  58. 
auszrä  58. 
az  555. 

babäna  349. 

baildisati  345. 

bärzast,  barzav,   barzilo 

337—338. 
baska  349. 
bataleu  349, 
baterisati  346. 
bäus  349. 

baza,  bez,  6o3x  325. 
bend'üh  349. 
bestvo  57. 

ÖIlTB-KaSHUTB  68. 

bybäk  349. 
bynda  349. 
byrka  349. 
blamäüka  349. 
bläna  349. 
blich  349. 
blymaty  349. 
Wyndä  349. 
blyndyj  349. 
böida  609. 
bokör  350. 
bokrejda  349. 
bord'iih  350. 
bosörka  350, 
bosorkün  350. 
bränd  za  350. 
brendüsa  350. 
bruman  506. 
brytnäl'  350. 
büc  350. 
öysy-CTany  68. 
bud'zök  350. 
bühas  350. 
bnnkos  350. 
burd^j  350. 
busa  350. 
bystri.  56—57. 
byt,  bit,  bitek  348. 
btdrx  57. 

Cärigräd,  Cäribrod,  Cari- 

brdo,  Cesargrad  346. 
uapt-rocyaapB  68. 
centaurea  343. 
clez  339. 


cyngel'  351. 
cynhaköra  351. 
cyrka  351. 
döra  351. 
cumba  338. 
ciipka  351. 
cvyst  351. 
cabäk  351. 
cäge  346. 
cäika  351. 
capäs  351. 
cfektisati  345. 
cemesyty  351. 
cerköty  351. 
cest'-cti  326. 
cet6n  351. 
chabiti  365. 
chabiti  se  358. 
chivitt  362. 

chlestätB  (chlesnütB)  377 
378 

chleb-B  358. 

chlebB  378. 

chlöpatB  379. 

choditi  355. 

cholitB  369. 

chop-  623. 

chramt,  choromy  373. 

chranq(chraniti)366— 367. 

chrapavT.  372. 

chrjäpatB  376. 

chrBbBt-B  371—372. 

ch^pati    (chupati)    369 — 

370. 
chudziec  342. 
churavy,  chyra,  chvoratB 

361. 
chylid,  chyly,  chilyj  352. 
chvosti)  370. 
cynär  351. 
cynceryji  351. 
Ööjluk  (Cojluk)  341—342. 
cri.n'B  57. 
CBban-B  338—341. 
CBb'Brx  339. 
qyÄO-ÄHBO  68. 
cumiu  351. 
cuväf352. 


dädos  352. 
daräba  352. 


daska,  deska,  dska,  cka 

325. 
däzd,  d6sc,  döst',  äohcäb 

325. 
dedinny  555, 
Dibra  601—603. 
doba  555. 
döga  352. 
Dragoc  623. 
dresen  624. 
duse  321—324. 

eglenisati  344,  345. 

facärnyj  352. 
faj  352. 

feiel'uvaty  352. 
ficka  352. 
ßekeu  352. 
folösyty  sa  352. 

gärir  353. 

gard  353. 

gäura  353. 

gava  622. 

gdo  507. 

gyrla  353. 

glämoc  623—624. 

glävten   fgvävten)   334 — 

336. 
glubina,  glubok  506. 
gogomän  352. 
golem-i  622. 
golme,  roJiOMii  622. 
rope-nyacÄa  68. 
ropecTB-ne^aJB  68. 
gorgän  -353. 
götka  353, 
grä^  320, 
gropa  353. 
gros  353. 
gred9  622. 
gurgül'a  353. 
gwava  333,  334. 

hacä  353. 
halabän  353. 
hal'aväty  353. 
harat'aty  353. 
harst  57. 
hisnik  506. 
hlapsl  318—319. 


Wortregister. 


645 


hom6k  353. 

hrsam  346. 

(h)uja,  hüjav  342—343. 

hujati  343. 

huzvä  353. 

uayT-B-tayT-B  68. 
i^czstwo  8. 
istupiti  267. 
jaiäk353. 
jemny  555. 
jme  555. 
(justro.  55 — 59. 
(j)utro  55—59. 

kacabäjka  353. 

käjla  353. 

kätap  353. 

kana,  kna,  ki-na  346. 

kantarijün,  -üna  343. 

kap  354. 

käpiu  354. 

kapus  354. 

karäzija  354. 

karmäk  354. 

katlamä  354. 

kavi'ik  354. 

kazämak,  krzämak  346. 

keisati  345,  346. 

kendyryda  354. 

xeyzcevQiou  343. 

kidisati  345. 

kilic  346. 

kima,  kirnet  346. 

kirsnan  57. 

khika  354. 

kljuce  321—324. 

koba,  kobica  340. 

köda  354. 

koköna  354. 

koli  555. 

kolomboc  343. 

konarä  354. 

kondäs  354. 

konfitüry  354. 

kopa,  köpana  340. 

Kopocxa  57. 

kotäl,  kotol  326. 

K0BW.3i.-TpaBa  68. 

Kpajiii-BopoBaJH  68. 

krasta  57. 

krdisati  346. 

ki-luic  346. 

ki-sla  346. 

kfzluk  346. 

krtchta  59. 

kristx  212. 


kuhä  354. 
kuländisati  345. 
kumän  355. 
kuräj  355. 
kurbet  355. 
kurkür  354. 
kurmej  355. 
küzba  354. 
xvjxßog  338. 
kysyr  354. 
kytäk326— 327. 

Iädäne,lädän8ki343— 344. 

ran,  len  325. 

lastäc  507. 

lauxnoB  57. 

Lavtar  336. 

lea  (led)  329. 

lest'-lsti  326. 

lev  326. 

le  506. 

luge  602. 

luna  57. 

lupiti  375. 

.iio6oBi.-TOCKa  68. 

Ijubodeati  507. 

Itga,  Itzica  602. 

mach,  mech,  Moxt  325. 
machätB  362 — 365. 
manigoldi  509. 
mascenie  507. 
menda  609. 
metwa  332. 

nelze  555. 
nemar  507. 

UCBO-ILHHKT.    -     nOÄTIOpeM- 
miIKT>  68. 

obiatowanie,obietowanie 

9, 
obljubljen  508. 
odne  507. 

ochaba.  ochabiti  e^  358. 
ochl^n^ti,  ochl^danie  377. 
okan''n  507. 
orol  326,  327. 
osändisati  345. 
osol  336,  327. 
ospop  329,  331. 
ostrva  344. 
OTCUt-ÖaxiomKa  68. 
otpocziwadlo  10. 
oyos  326,  327. 
pechovati  57. 
pendar  602. 
Pest  212. 


pesta  57. 
piaeta  57. 
plest  358—359. 
pochäbiti.  365 — 366. 
pochylx,  prihuliti  se  360. 
pokalanie,  pokalenie  9. 
nopa-BpeMji  68. 
nopa-spcMaiKO  68, 
postata  555. 
posuditi  555. 
npasÄa-ucTHna  68. 
pralo  (pravo)  336. 
praviti  507.     ^ 
preh  {prep,  pres)  329,  331, 

333. 
preljubodeistvo  507. 
prinaiti  266. 
prsura  504. 
prychanie  57. 
pryskat'  57. 
nyTB-aopoJKKa  68. 

paaocTB-BecejibO  68. 

räzi  346. 

raz,  razka,  rez  325. 

redovnik  507. 

Ht  (ryt)  555. 

roznyewac  11. 

rf5kama319. 

samojeda,  samojeja  509. 

seif,  sciphi,  schip  339. 

scodella  339. 

sesamojda  609. 

sesljav  609. 

sestär  326. 

sila  555. 

Skala  376. 

skillings,   Bktlegx,   sk-B- 

lezB,  skl^ZB  339. 
skrovny  555. 
CKyKa-ropecTB  68. 
slja,  sljav  609. 
sobota  507. 

Bocha,  posocha  356 — 357 
Bolnovrat,  slanovrat  609. 
Bopet  507. 
soteska  611. 
spfp  331. 
srkletli  346. 
stäti  555. 
stoprve  507. 
cyHÄyKT.-.üapeu'B  68. 
suahko  329. 
swyebodnye  11. 
szoriti  555,  556. 
sagT.  (sagatB)  359 — 360. 


646 


Wortregister. 


Saljem.,  saliti.,  sala  367 — 

369. 
saritB,  garkatB  372—374. 
Bceljag  339. 
BcelK  376. 
seludi  (solud)  376. 
seluchä  374—376. 
selupina  374. 
sest'B  360. 
sip-B  370-371. 
skTp  341. 
spital  507. 

sury  (soury)  360 — 361. 
s^pa,  sepa  369. 
swiadomie  11. 

tasöeslavno  507. 

takmo  507. 

tistament  507. 

Topn>-6a3api.  68. 

TOCKOBaTB-ropcBaxB  68. 

trat  502. 

tükati  se,  tikati,  tykati, 

tykac  344. 
Ty<ia-6yp>i  68. 
tuzöti  555. 


ohstäwa  332. 
uFk  602. 
upoly  555. 
uroki  11. 
UBtro  8.  justro. 
utro  s.  jutro. 
uzwöm  332. 


v  =  u  182—183. 
Varazdin212. 
vdovne  555. 
veksi  506. 
Vel6bit  348. 
Velehrad  347. 
vept  333. 
Viden  296—298. 
vladafie  343,  344. 
vlas  555. 
Vobra  610. 
vos  326. 
vraidovati  507. 
Vucedraga,  Vuceravan 

347. 
Vu6ikal  347. 
Vu6ipo}e  347. 


vuski  507. 

BHKynx-BwpyqKa  68. 
vzofiti  556. 

Wandelitzen  (Vodovnica) 

610. 
tcoJ>tl§  332. 
wöku  334. 
uapB-rocyÄapB  68. 
lyÄO-ÄHBO  68. 

zaj6  331. 

zastava  267. 

zaz,  zas,  zaz,  zez,  zes,  zis. 

sii,  siz  608. 
zbinlati  337. 
zdila,  zdjela  339. 
zTs  329. 
zban  339,  340. 
ibel  340. 
ietica  348. 
zila  58. 
zlica  624. 
imeriti  624. 
zmul  624. 
zveplo  506. 

O.  Donath. 


Druck  von  Breitkopf  &  Hirtel  in  Leipzig. 


c 


PG        Archiv  für  slavische 

1  Philologie 

A8 

Bd.35 


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