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nound
AUG 30 1900
^actiacb ColUse librars
JOHN AMORY LOWELL,
Thia raDdi«t>o.ooo,uidi)riti iucomethneqiunen*
be BddEd lo the priocipnl.
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ARCHIV
FÜR
SLAYISCHE PHILOLOGIE
UNTEB MITWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, J. GEBAÜER, C. JIRECEK, A. LESKIEN,
BBBLIN, FRAG, WIEN. LGIPZIO,
W.NEHMG, ST. NOVMOVid, A. WESSELOFSKY,
BRESLAU, BELGRAD, ST. PETERSBURG,
HERAUSGEGEBEN
TON
V. JAGIC
EINUNDZWANZIGSTER BAND.
• •m»
BERLIN,
WEIDHANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1899.
■Icv 6. IC
'B^yu/Ui A^
Inhalt.
Abhandlungtii. Seit«
Die Betonnngstypen des Verbams im Bulgarischen, von A-Leskien 1
Beitrage zur ältesten Geschichte der Slaven und Litauer, von A.
Brückner 10
Die slaYischen Composita in ihrem sprachgeschichtlichen Auftreten,
von V. Jagiö 28
Martyrium des StDometius, von B. Abicht und H. Schmidt .. . 44
Aus der ungarischen Slavenwelt, von Olaf B roch 49
Bandglossen zur kaszubischen Frage, von A. Brückner 62
Zwei Urkunden aus Nordalbanien, von L.y.Thallöczy und 0 on st.
Jireoek 78
Wer war PseudodemetriusL? von Eugen äoepkin 99,558
Zur Geschichte des Glagolismus in Böhmen, von P. Syrku .... 169
Sloveaica, von Franz II e sie 199
Untersuchungen über Betonungs- und Quantitätsverhältnisse in den
slavischen Sprachen, von A. Leskien 321
Beiträge zur ragusanischen Literaturgeschichte, von Gonst. Jireoek 399
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993, von Gonst Jireoek und
V.Jagid 543
Kritischer Anzeiger.
Pedersen, Albanesische Texte, angezeigt von ]^erd. Pekmezi . . 213
Leskien, Handbuch der altbulgar. Sprache, angez. von W.VondrÄk 224
Brocb, Slovakisch-kleinrussische Studien, angez. von W. Vondrik 229
FlajShans, Glossar zurKöniginhoferHandschrift, angez. von W.Yon-
drik 229
Flajshans, Bibliographische Forschungen in Schweden und Russland,
angez. von W. Vondr&k 231
Ullas, Accenttheorie im Serbischen, angez. von M. Resetar .... 233
Plenkiewicz, Eochanowski's Biographie, angez. von A. Brückner. 236
ELallenbach, A. Mickiewicz, angez. von A. Jensen 243
äurmin, Kroatische und serbische Literaturgeschichte, angez. von V.
Jagiö 245
IV Inhalt^
Seite
AltbOhmische GoBta Bomanonim, heransg. von Novik, angez. von
W.VondrÄk 251
KomenBky, Theatram universitatis rerum, angez. von W. Yondr&k 254
Arohangerskij, Zar G^Bohichte des deutschen und böhmischen Luci-
darius, angez. von W. Von drik 255
NoY&k, Bectorrede des M. Gregor von Prag, angez. von W.Vondr&k 256
Z&torecky, Slovakische Sprichwörter, angez. von W. Vondr&k . . 257
Federowski, Weissrussland, angez. von G. P oliv ka 259
Sumcov, Ethnograph.-litoratorgeschichtliche Forschungen, angez. von
G. Polivka 261
Sumcov, Forschungen in der Anecdotenliteratur, angez. von G. Po-
livka 262
Hrinoenko, Ethnographisches Material I, angez. von G. Polivka. . 263
^atjuk, Ausgabe eines klruss. ethnogr. literaturgesohichtl. Werkes,
angez. von G. Polivka 270
Pooin'B. Ein literaturgesch. Sammelband, angez. von G. Polivka . 272
Hrinoenko, Ethnographisches Material II, angez. von G. Polivka . 273
Ethnograph. Publicationen der äevcenko-Gesellschaft I— V, angez.
von G. Polivka 285
Die Omamentation des Miroslav. Evang., angez. von Prof. Konda-
koff und V. Jagiö 302
V. N. Zlatarskij's Abhandlungen zur bulgarischen Geschichte, angez.
von C. Jirecek 607
Glagolitisches Urkundenbuch, angez. von C. J Ire oek 617
Briefe des Kaisers Laskaris II., angez. von C. Jirecek 622
Marjanoviö, Mohammedanische Volkslieder, angez. von y. Ja gl <5 . 626
Louis Leger, facsimilirte Ausgabe des Beimser Codex, angez. von
V. Jagiö 635
Kleine Mitibellungen.
Nekrologe, von V. Jagiö 310
ZuMenoeti6, von A. Leskien 637
Zur Bibliographie apokrypher Gkbete, von St. Stanojeviö . . . . 638
Ein serbokroat Wörterverzeichniss aus dem Ende des XV. Jahrb.,
von Milan Pajk 639
Sach-, Namen- und Wortregister 641
' ^ ^-t
■ 1
'\ K'.bS )
j' • ^'
ARCHTV
FÜR
SLAVISCHE PHILOLOGIE
UNTER MITWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, J. 6EBAÜER, C. JIRECEK,
BERLIN, PKAÜ, WIEN.
A. LESKIEN, W.NEHRIK6, ST. NOVAEOVIC, A. WESSELOFSKY,
LEIPZIG, BRESLAU, BELGRAD, ST. PETERSBURa,
HERAUSGEGEBEN
VON
V. JAGIC
EINÜNDZWANZIGSTER BAND.
ERSTES UND ZWEITES HEFT.
BERLIN 1899
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
S W. ZBIMERSTRASSE 94.
ST. PETERSBURG, A. DEVRIENT.
J
INHALT.
Abhandlungen. Seite
Die Betonungstypen des Verbums im Bulgarischen von A. Leskien 1
Beitr&ge zur ältesten Geschichte der Slaven und Litauer von A. Brückner . 10
Die slavischen Oomposita in ihrem sprachgeschichtlichen Auftreten von V. Jagi<5 28
Martyriiun des St Dometius von R. Abicht und H. Schmidt 44
Aus der ungarischen Slavenwelt von Olaf Broch 49
Bandglossen zur kaszubisohen Frage von A. Brückner 62
Zwei Urkunden aus Nordalbanien von L. r. Thall6czy und Gonst. Jireoek 78
Wer war Fseudodemetrius L? von E. §oepkin (Fortsetzung) 99
Zur Geschichte des Glagolismus in Böhmen von F. Syrku. . 169
Slovenica von Franz Ilesic 199
' Kritischer Anzeiger.
Federsen, Albanesische Texte, angez. von Derd. Fekmezi 213
Leskien, Handbuch der altbulgarischen Sprache, angeZ. von W. Yondr&k . . 224
Broch, Slovakisch-kleinrussische Studien, angez. von W. Vondr&k. ..... 226
Flajshans, Glossar zur Königinhof er Handschrift, angez. von W. Vondrdk . . 229
Flajshans, Bibliographische Forschungen in Schweden und Russland, angez. von
W. Vondrak 231
Milas, Accenttheorie im Serbischen, angez. von M. v. Resetar 233
Flenkiewicz, Kochanowski's Biographie, angez. von A. Brückner 236
Kallenbach, A. Mickiewicz, angez. von A.Jensen 243
Sunnin, Kroatische und serbische Literaturgeschichte, angez. von V. Jagid . . 245
Altböhmische Gesta Romanorum, herausg. von Nov4k, angez. von W. Von dr&k 251
Komensky, Theatrum universitatis rerum, angez. von W. Vondrak 254
Archangerskij, Zur Geschichte d. dtsch. u. böhm. Lucidarius, angez. v.W. Von dr&k 255
Nov&k, Rectorrede des M. Gregor von Frag, angez. von W. Vondrdk . . . . 256
Z&turecky, Slovakische Sprichwörter, angez. von W. Vondrdk 257
Federowski, Weissrussland, angez. von G. Folfvka 259
Sumcov, Ethnogr.-literaturgesch. Forschungen, angez. von G. Folfvka .... 261
Sumcov, Forschungen in der Anecdotenliteratur^ angez. von G. Folfvka . . . 262
Hrincenko, Ethnographisches Material I, angez. von G. Folfvka 263
Hlatjuk, Ausg. eines klruss. ethnogr. Uteraturgesch. Werkes, angez. v.G.Folfvka 270
Focini». Ein Uteraturgesch. Sammelband, angez. von G. Folfvka 272
Hrincenko. Ethnographisches Material II, angez. von G. Folfvka 273
Ethnogr. Fublic. der Sevcenko-Gesellschaft I — V, angez. von G. Folivka . . 285
Die Omamentation des Miroslav. Evang., angez. von Frof. Kondakoff. . . . 302
Kleine Mittheilungen 410
Alle Einsendungen für das »Archiv für slavische Philologie« sind
an mich nach Wien VIII. Kochgasse 1 5, zu richten.
V. Jagic.
Das Archiv für slavische Philologie erscheint in Heften zu 10 Bogen
oder Doppelheften zu 20 Bogen, je vier Hefte bilden einen Jahrgang.
Preis für den Band 20 jH^ für einzelne Hefte 6 Jt.
Die ersten 12 Bände sind zum ermäßigten Preise von 180 uf^ (bis-
her 241 •#) durch jede Buchhandlung zu beziehen.
Weidmannsche Buchhandlung.
1899
'ilppiDZE, t;^
^'1
Die Betonnngstypen des Yerbnms im Bulgarischen.
Bei Arbeiten über die Betonimg des Yerbums im Slaviscben
ergab sieb mir die Notbwendigkeitf eine ausgedebnte Untersucbung
über den Yerbalaccent in den bulgarischen Mundarten, die mace-
doniscben eingescblossen, anzustellen, weil hier, anders als beim
Serbischen, Sloyenischen und Russischen, gar keine zusammen-
fassenden Vorarbeiten Yorliegen. Ich habe dazu benutzt die accen-
tuirten Texte, mit Bevorzugung der Prosatexte, in den ersten 1 3
Bänden des C6opHBirB sa Hapo^HH yMOTBopeuHfl, Hayica h KHBXHHa,
BSAasa MüHHCTepcTBOTo na HapoAHOTo npocB^n^eHHe (Sofia 1889 —
1896); in den Sammlungen Sapkarev's, C6opHHirB ot'b 6ijirapcKH na-
poAHH yMOTBopeHHfl (9 Hefte, Sofia 1891 fg.) ; in der Zeitschrift Ile-
pHOAViecKo cnHcaHHe (54 Hefte, Jahrg. 1882 — 1896, Sofia); in den
KHWTKünH, einer kleinen Zeitschrift, von der, so weit mir bekannt, 1 0
Hefte (Saloniki 1889 — 1891) erschienen sind; femer Cankof, Gram-
matik der bulgarischen Sprache (Wien 1852) und einige Kleinig-
keiten. Ausgeschlossen habe ich Duvernois, GjtoBapii Öojn'apcKaro
H3UKa (2 Thle., Moskau 1885 fg.).
Wollte ich die Masse des Materials und die Einzelresultate ftlr
jede Looalmundart, alle kleinen Abweichungen solcher Mundarten
ans den untersuchten Texten, deren Aufzeichnung auch nicht immer
gleicb zuverlässig ist, mittheilen, so würde das ein Buch von ziem-
lichem Umfange geben.
Ich ziehe es vor, hier gewissermassen einen Auszug zu geben,
in der Form, dass ich die Mundarten, in denen die Betonung des
Yerbums im Wesentlichen gleichartig ist, zu Gruppen zusammen-
fasse und den durchgehenden Betonungstypus fUr jede Glasse des
Verbums feststelle. Die Eintheilung des Yerbums ist die meines
Handbuchs, die ich wohl als bekannt voraussetzen darf. Fttr Unter-
suchungen über Betonung ist die übliche Eintheilung nach der
ArebiT f Ar •Uriacli« Philologie. XXI. 1
2 A. Leskien,
Infinitivbildung , da sie gleich gebildete und gleich flectirte Yerba
auseinanderreisst, nicht zn branpben.
Die unten aufgestellten Typen bedürfen sicher mancher Be-
richtigung und genaueren Bestimmung. Sie werden aber, hoffe ich,
den Zweck erfüllen , in der erdrückenden Fülle von Einzelheiten
als Ausgangspunkte oder Richtnngspunkte für weitere Forschungen
dienen zu können. Man wird leicht aus den Texten z. B. des Sbor-
nik einzelne Beispiele finden , die zu den von mir aufgestellten
Typen nicht stimmen. Ich kenne diese auch, ignorire sie aber
hier, weil es mir nur darauf ankommt, ein ungefähr zutreffendes
Gesammtbild zu geben.
Bei der Untersuchung der Betonung des Yerbums im Bulgari-
schen kommen in Betracht: das Präsens ohne die Participien, da
sie im Bulgarischen entweder ganz ungebräuchlich, oder wenn hie
und da mundartlich gebraucht, zu Adverbien erstarrt und z. Th.
formal stark umgebildet sind; das Imperfectum, das aber keiner
besonderen Behandlung bedarf, da es stets wie das Präsens betont
wird; der Aorist; das sogenannte 1-Particip, mit dem das um-
schriebene Perfekt gebildet wird, der Kürze wegen im Folgenden
mit Perf. bezeichnet ; das Particip präteriti passivi, aus dem-
selben Grunde mit Pass. bezeichnet; der im Bulgarischen dürftig
erhaltene Infinitiv; der Imperativ (gleich altem Optativ präs.),
den ich hier aber ausser Betracht lasse, weil Form und Betonung
in den Dialekten zu stark wechseln. Zur Vermeidung weitläufiger
Ausdrucksweise werde ich die Bezeichnung Endbetonung an-
wenden, wo die 1. sg. praes. oder 1. sg. aor. den Hochton auf der
letzten Silbe haben, wo Perf. und Pass. ihn auf der letzten Silbe
des Nom. sg. masc. tragen. Alle andern Formen in der weiteren
Abwandlung oder Motion haben dann den Hochton auf der ent-
sprechenden Silbe.
Die Typen sind der Kürze wegen z.Th. bezeichnet nach einem
Hauptort der betreffenden Mundartengruppe.
I. Typus Ochrld. Dahin gehören die Mundarten vonOchrid,
Struga, DebrB (Dibra), DebrBca (die Landschaft östlich vom Aus-
fluss des Drin aus dem Ochrid-See bis Ki£evo), Kicevo, Kruiovo,
die Landschaft Tetovo (zwischen Tetovo [Kalkandele] und Gosti-
var), Gostivar, Resen, Bitolja (Monastir), Prilep, Veles, Skopje.
Hier ist überall der Hochton der Worte so regulirt , dass er stets
Die BetonaDgBtypen des Yerbums im BalgarischoD. 3
aaf der drittletzten Silbe liegt, also auch beim Verbnm. Dieser
Typus kommt daher bei der Betrachtung der ursprünglichen Be-
tonung des Verbums überhaupt nicht mehr in Betracht.
II. Typus Lerin^ umfasst die Mundarten um Lerin (Florina)
und Rostur (Kastoria) . Auch hier ist der Hochton insgesammt re-
gulirt ; er trifft die vorletzte Silbe des Wortes (mit gewissen Ein-
schränkungen) ; es entfällt daher auch dieser Typus für die ur-
sprünglichen Verhältnisse des Verbums.
III. Typus Yoden, umfasst die Mundarten um Voden, Stip,
EamanoYO, Eratovo, Dorjan, Gevgeli, Meglen, Kukuä, Ajvatovo
(Ajyalü), Solun (Saloniki). Das Präsens aller Classen vermeidet
durchaus die Endbetonung, dagegen sind alle Nichtpräsensformen
[Aorist, Perf., Pass.) endbetont. Doch muss ich das Perf. der con-
sonantisch auslautenden Stämme (= Wurzel) von Gl. I (neshl, f.
nesla u. 8. w.) ausschliessen, weil die Texte darin so schwanken,
dass man zu keinem sicheren Resultat kommen kann. Die Bei-
spiele sind gegeben ohne Rücksicht auf die in den Mundarten
nicht gleichmässige Reduktion oder sonstige Veränderung der Vo-
kale unbetonter Silben , überhaupt ohne Rücksicht auf solche for-
male Unterschiede, die für die Lage des Hochtons gleichgiltig sind.
CLL
CLn.
CLini
Präsens
Aorist
Pass.
H^CIBM
Hecox
Hec6H
H6cem
Hec6
f. Hec^na
HÖce
Hec6
n. Hec^HO
necoM
HeCÖXMO
pL Hec6HH
H6ceTe
Hee6xTe
h6c^t
HeGÖXTb
Präsens
Aorist
Perf.
BHKH^M
BHKH^X
BBKR&JL
BUKuem
BHKHd
BEKH^ia
BHKHe
BHKHä
bhkh4jo
BHKHeM
BHKuäxMe
BEKH^JH
BUKHCTe
BBKH&XTe
BUKH'BT
BHKH&X'L
Pass.
nimrLM
nHC&X
nHc4j
IIHC&H
immem
UHC&
imcdjia
IIHC&Ha
4
A. Leskien,
C1.I1I.1.
Präsens
Aorist
Peri^.
Pass.
TTHTire
ITHC&
IIHC&JEO
IIHC&HO
immeM
nHC&XMB
imc4jnT
tihc4hh
üHineTe
üHC&XTe
nHTTTBT
IIUC&X%
Cl. HL 2. a.
TÄ^fifiLM.
FJe^i^äx
FJieA^
TÄBfi^ia
rj^Aain
TÄQßjk
rjeA^a
rjieAä.Ha
rji^Aa
TÄeA&
TÄQA&JiO
rjeA&HO
rji6AaMe
rjBceAäxMe
rjECA^H
rjBceA&HH
rjiÖÄaTe
rjCÄ^XTe
rjEÖÄax
TÄBJS.&X'h
Cl.nL2.b.
Präsens
Aorist
Pers.
3En66j'L
o-ähb6x
o-a:H66j[
XHB^jein
flCHK6
XHBäja
3EHb6J6
w.hk6
KHB&IO
^KHR^jeM
»LHB^XMe
TRKB^JIH
7KHB6jeTe
SKHB^XTe
2KHb6J'BT
KHB^X'B
Cl. UL 2. c. Die Form des Infinivstammes ist hier in das Präsens
übergegangen, das Präsens flektirt -nvam, -uvai; n. s. w. nach
in. 2. a, so dass auch dieselben Betonnngsverhältnisse ob-
walten, z. B. 1. pr. BepyBaM, Aor. BepysÄx, Perf. BepyBäjr.
Cl.IV. 1
Cl. IV. 2.
Präsens
Aorist
Perf.
Pass.
C^AHM (-'LM)
caAUx
caAHJ
caA^H
c&AHm
ca^j^H
caAHja
caA^na
cdAH
ca^n;ir
caAHJO
CBA^HO
cdAHHe
caAHXMe
caAH.iu
caA^HH
cäAMTe
cavff.in:Te
c^%T (-ax)
caAux'B
BHAXM
BHA^Z
BIfAÄj
BHA^H
BHAHm
BHA^
BHA^jia
BHA^Ha
BHAH
BHA^
BHA^JO
BHA^HO
BHAHM
BHA^XMe
BHA^jiH
BHA^HH
BHAHTe
BHA^XTe
BHA^bT
BHA^X'B
Die BetonimgstTpen des YerbumB im BulgariBchen.
Dass hier eine Keguliruiig des Yerbalaccentes vorliegt, ist
ohne Weiteres ersichtlich ; zu bemerken ist dabei, dass diese Mund-
arten eine etwa ähnlich geartete Regulimng des Hochtons beim
Nomen nicht haben.
rV. Typus Sofia; dazu gehören die Mundarten von Sofia,
Radomir, Ettstendil, Dupnica, Samokov. Der Bereich dieses Typus
geht noch weiter, doch muss ich die sonstigen Lokalmundarten
hier zunächst unberücksichtigt lassen.
Die Verhältnisse sind hier weniger einfach als bei den vorher
besprochenen Typen. Allgemein ist, dass das Pass. aller Classen
die Endbetonung ausschliesst, z. B. u^toh, nncan, Konau, A&peu, bh-
AOH. Sonst herrschen folgende Betonungen :
Gl. I. 1) Hat das Präsens, wie in den meisten Fällen, Endbe-
tonung, so hat der Aorist bei konsonantisch auslautendem Infinitiv-
stamm (= Wurzel) Wurzelbetonung ; bei vokalisch , auf -a- oder
auf -e- (= altem 4 Mpi-, aus mer-y oder = ^ ha-) auslautendem
Infinitivstamm dagegen Endbetonung, z. B. :
Präsens
Aorist
Präsens
Aorist
seA^M
b6aox
kob6m
kob4x
(ebenso yiip6x,
Be^^m
B^Ae
KOB^m
kob4
no«iH6x u. s. w.)
BOÄ^
BÖAe
kob6
KOB&
BeA^MC
B^AOXMe
K0B6Me
KOB^XMe
BOA^TC
B^JSfiXTe
KOB^Te
KOB^XTe
BCA&T
B^Aoxa
KOB^T
KOB^Xa
lieber des Perf. von konsonantisch auslautenden Stämmen
läset sich bei dem Schwanken der Texte nichts Bestimmtes aus-
sagen, bei vokalisch auslautenden hat es Endbetonung : kob&jt.
2) Hat das Präsens, in wenigen Fällen, nicht Endbetonung,
so hat der Aorist Endbetonung, z. B. :
Präsens
Aorist
MÖxeM (haom)
Moröx (ha6x)
M6aKem
M0X6
Moace
Moa:6
MÖseMe
MoröxMe
ndxeTe
MoröxTe
MoraT
Moröxa
6 A. Leskien,
CI. II vermeidet im Präsens die Endbetonung vollständig, hat
aber im Aorist und Perf. regelmässig Endbetonung, z. B. :
Fräsens Aorist Perf.
cTäneM cTandx CTan^
cTänein cTaH& CTanäja
u. 8. w. n. s. w. u. s. w.
CL III. 1 hat, mit Ausnahme einiger weniger Präsentia von
vokaliseh auslautenden Wurzeln, im Präsens keine Endbetonung,
dagegen stets im Aorist und Perf., z. B.:
PräseoB
Aorist
Perf.
Kda:eM
Kasäx
Ka34j[
K&3Biem
Ka3ä
Haa^jra
u. s. w.
u. s. w.
U. 8. w.
Gl. III. 2. a; das Präsens (auf -am, -aä u. s. w.) vermeidet
Endbetonung durchaus, Aorist und Perf. haben sie stets, z. B. :
Präsens Aorist Perf.
KonaM Kondx üou&jl
Konam Kon& Konäjia
U. 8. W. U. 8. W. U. 8. W.
f
I
Die Abtheilung UI. 2. c kann hier gleich angeschlossen werden,
da sie, wenn das Präsens auf -ysaH ausgeht, genau dieselben Ver-
hältnisse zeigt, z. B. AapyBan, Aapysdx, AapyBäji.
Gl. ni. 2. b. Das e (= e) des Yerbalstammes hat immer den
Hochton in allen Formen, z. B. :
Präsens Aorist Perf.
0-cTap6jeM ocTap6x ocrap^j
o-eTap6jem ocTap6 ocTap^ja
u. s. w. u. 8. w. u. 8. w.
Gl. IV. 1 . Das Präsens hat keine Endbetonung, dagegen immer
der Aorist und das Perf., z. B. :
Präsens Aorist Perf.
A^JHM ACJIHX flfiÄKÄ
j^^zKui ^em AejFHJia
U. 8. W. U. 8. W. U. 8. W.
Die BetonungBtypen des Verbums im Balgarischen. 7
Gl. IV. 2. Mit einer Ausnahme, bhahm bhahiu u. b. f., haben
alle Präsentia Endbetonung, alle Aoriste und Perf. ohne Aus-
nahme, z. B.:
ce^HM ccA^x (bha6x] coa^ji (bha^j)
ceAHm ceA^ ce^^ja
u. 8. w. u. 8. w. u. 8. w.
Vergleicht man den Typus Sofia mit dem Typus Voden, so
stellt sich heraus, dass die beiden in den Classen II, in 1 , III 2,
IV 1, abgesehen vom Pass. vollkommen übereinstimmen, in diesen
Classen ist der Hoch ton regulirt, hier wie dort. Dagegen ist in Gl. I
und IV 2 beim Typus Sofia alte Endbetonung im Präsens erhalten,
beim Typus Voden aufgegeben, er stellt also einen weiter fortge-
schrittenen Stand der Regulirung dar. Bei den Aoristen von GL I
steht es ganz eigenthümlich : Voden hat dem allgemeinen Princip
gemäss immer Endbetonung, in Sofia steht die Betonung der Aoriste
in umgekehrtem Verhältniss zu der des Präsens: bca^m — b6aox,
MOxeH — Morox.
V. Ostbulgarischer Typus. Er nmfasst, im Groben ange-
geben, das Fürstenthum, so weit es östlich vom Vid liegt, ganz
Ostmmelien , femer südlich von der Rhodope und im Gebirge die
Landschaft Ach'B-Celebi, die Umgebung von Nevrokop, Drama und
Demirhissar. Der Beschreibung des Typus lege ich die Gankof-
Bche Grammatik (der Mundart von Svistov entsprechend) zu Grunde,
die Abweichungen von ihr in andern Mundarten sind im Ganzen
unbedeutend ; ich betone aber ausdrücklich, dass das im Folgenden
Ausgeführte nicht in jeder Einzelheit von allen Mundarten gilt.
Gl. I. 1) Das Präsens hat Endbetonung, in den allermeisten
Fällen; 2) das Präsens hat Wurzelbetonung, nur bei idT> ideä,
Idvh Uzehf m6ffh mözel, zefm zemes; 3) der Aorist von konso-
nantisch auslautendem zweiten Stamm vermeidet durchaus die
Endbetonung, diese findet aber statt, wenn ein vokalisch, auf-a-
oder einen anderen Vokal auslautender Stamm zu Grunde liegt, z. B. :
ved'B v6doh fd-B idoh kovi kovdh
ved6s v6de ides fde koves kovä
U.S.W. U.S.W. U.S.W. U.S.W. U.S.W. U.S.W.
Vgl. auch pri-j6h (npnax'B), oprech (onpix^). Ueber das Perf. ist
8 A. Leskien,
nichts Bestimintes aassagbar, nur dass es bei vokalisch auslauten-
dem Stamme Endbetonung hat : kob&i.
Gl. n. Das Präsens hat in zwei Fällen Endbetonung: mini
und po-min'i, sonst nie; Aorist und Fass. vermeiden die Endbeto-
nung durohaus ; die allgemeine Norm ist also, an einem Beispiel
gezeigt :
Präsens Aorist Perf.
stdu'B stäu'Bh stdu'Ll
stdneS Bt&srh st&n'Bla
st&ne stiu'B
Gl. in. 1. Kein Präsens hat Endbetonung ausser ari (pflüge;
man könnte es auch zu Gl. I rechnen, falls die Flexion nicht einem
altb. opi& opKura, sondern einem *orq *ores% entspräche) . Der Aorist
und das Perf. können Endbetonung nur dann haben, wenn sie von
vokalisch auslautenden Wurzeln ohne besonderen zweiten Stamm
herkommen, z,B. pri-do-bih, pri-^io'bilj ü-pih u.a.d. A.; ebenso der
Betonung des Präsens folgend ordk, oral, orän. In allen andern
Fällen, die stets so beschaffen sind, dass ein zweiter Stamm auf
"On vorliegt, kann keine Endbetonung stattfinden, z. B. :
Präsens
Aorist
Perf.
Pass.
UU
k&zah
käzal
k&zan
Uieh
k&za
kAzala
kÄzana
Man kann hier die Verhältnisse allgemein so ausdrücken:
Präsens- und Nichtpräsensformen stimmen in der Lage des Hoch-
tons vollständig ttberein, anders ausgedrückt: dieselbe Wortsilbe,
die im Präsens den Hochton trägt, hat ihn auch in den übrigen
Formen des Verbums.
Gl.in.2.a. Zu unterscheiden sind hier zwei Unterabtheilungen:
1) wenn das Präsens flektirt wird nach der sogenannten kontrahir-
ten Form: --amy -a£ u. s. w., so kann keine Form des Verbums auf
dem -a- den Hochton tragen, z. B.:
Präsens Aorist Perf. Pass.
gl6dam glödah gl6dal gledan
gl6daä gI6da glädala gl^dana
gl6da gl^da gl^dalo gl6dano
u. s. w. u. s. w. gl^dali gl6dani.
Die BetoDiiiigstypen des VerbnmB im Bulgarieohen.
Dagegen 2) wenn das Präsens flektirt: -ap»^ -ajei u. s. w., so hat
in allen Fonnen des Yerbnms das a den Hochton, z. B. :
PräBens Aorist Perf. Pass.
igrdj'B igrdh igr41 igrän
igräjeä igrÄ igrdla igrina
igrdje igri
Also anch hier vollständige Uebereinstimmnng von Präsens -
und Nichtpräsensformen in der Lage des Hochtons. Angeschlossen
sei hier gleich die Abtheilnng c, die im Präsens -uvam hat, und
genau so behandelt wird, wie die eben erwähnten Fälle unter 1) ;
der Hochton liegt bald auf dem t/, bald auf einer Silbe vorher, aber
nie auf dem a, vgl. pbtüvam pttüval, veruvam vSruval.
Cl.ni. 2. b. Das e des Stammes hat in allen Formen den Hoch-
ton, z. B.:
Präsens Aorist Perf.
äiv^j-L äiveh zivel
ziv6jeä zive 2ivela
Gl. IV. 1. Es sind zwei Abtheilungen zu scheiden: 1) Das
Präsens hat Endbetonung, dann haben Aorist, Perf. und Pass. sie
ebenfalls, z.B.:
Präsens
Aorist
Perf.
Pass.
dele
delih
delil
del6n
delfä
deli
delila
del^na
deli
deli
delilo
del^no
delim
delihmi
delili
deleni
deute
delihte
del6t
delihnb.
) Das Präsens hat nicht Endbetonung, dann folgen
ideren Formeu, z. B. :
Präsens
Aorist
Perf.
Pass.
küpö
kdpih
küpil
kdpen
kiipi§
kdpi
küpila
kdpena
U.S.W.
U.S.W.
u. s.w.
U.S. w.
Gl. IV. 2. Ausser vid^ vidii und vise visis (hangen) haben alle
Präsentia Endbetonung, alle Aoriste und Participien ausnahms-
los, z. B. :
Aorist
Perf.
sed^h
sedel
sede
sedela,
10 A. Leskien, Die Betonnngstypen des Verbums im Balgarischen.
Präsens
sede
sediä
so auch videh, videl.
Im Allgemeinen wird man schon aus dieser kurzen Darstel-
lung ersehen, dass im Bulgarischen die Betonung des Verbums nach
bestimmten Normen regulirt ist. Im Präsens hat der ostbulgarische
Typus die grösste Mannigfaltigkeit bewahrt.
Möglicher Weise lässt sich noch ein Typus VI als Mischtypus
aufstellen, der Dialekte umfasst, die auf der Grenzlinie zwischen
West- und Ostbulgarisch liegen (Orchanie, Razlog). Diese Hessen
sich indess nur durch eine ausführliche Darstellung der Einzelheiten
anschaulich machen.
A. Leskien.
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven
und Litaner.
Vorarbeiten zu einem Golleg über slavische und litauische
Alterthumskunde ; Heranziehen der Etymologie, bei Orts- und
Personennamen , bei Völker- und Göttemamen ; Heranziehen eth-
nographischer Parallelen bei der Deutung von Mythen und Sagen,
Sitten und Institutionen ; alles dies ergab Funde und Berichtigungen,
an welche sich öfters manch neue Ausführung knüpfen Hess. Da
an eine zusammenhängende Behandlung des Gegenstandes nicht
zu denken war, beschloss ich, einzelne Deutungen, Vermuthungen,
Beobachtungen, zumal wichtigere, dem Urtheil der Mitforscher zu
unterbreiten; die Reihenfolge, in welcher sie vorgebracht werden,
ist eine ganz willkürliche ^).
1) Aus denselben Studien entstammt in Band XX, S. 481—515 die Ab-
handlang Prenssisch und Polnisch, in welcher ich bespreche, was Otto Hein,
AltpreuBsische Wirthschaftsgeschichte bis zur Ordenszeit, Zeitschrift fUr Eth-
nologie XXII, 1890, S. 146^167, 173--216, aer doch sprachliches Material
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven und Litauer. 1 1
L Misaca, rex Liclcayieomin.
Urkundliche polnische Geschichte beginnt bekanntlich mit dem
Satze des über gleichzeitige westslavische Vorgänge nicht übel in-
fonnirten Corveysohen Annalisten : (Wichmannns) . . . regem Mi-
sacatrij cuius potestatis erant Slavi, qui dicnntur Licicavtki . . .
superavit (Widukind III, cap. 66, zum Jahre 963). Es lohnt
durchaus, auf diesen Satz näher einzugehen ; der Name des hier
genannten Volkes wiederholt sich nämlich nie wieder in der ge-
flammten alten Ueberlieferung ; der Name desi Fürsten selbst ist
nur einer bestimmten Dynastie geläufig.
Wer gemeint sein kann, darüber allerdings herrscht kein
Zweifel; es ist der » König v der »Polen« gemeint, den spätere
deutsche Quellen, z. B. Thietmar, Miseco, polnische Quellen
Mesco (später Myesco, heute Mieszko) zu nennen gewohnt sind.
Aber was bedeuten beide Namen, der des Königs, sowie der
des Volkes? Wir besprechen zuerst den Königsnamen.
Derselbe schien anstandslos als ein gewöhnlicher Eigenname,
in der sog. Koseform, gelten zu sollen. Wie Bolko z.B. Koseform
zu Boleslaw ist, so sollte Mieszko Koseform sein zu — doch hier
gehen die Meinungen heute sofort auseinander.
Dlugosz zuerst hatte daftlr eine volle Form, die später Mye-
czysiaw lautete, aufgebracht und Jahrhunderte hielten daran fest ^).
heranzieht, yollkommen unbeachtet gelassen hat. Ausserdem die Abhand-
lung: 0 Pia^cie (Krakauer Akad. Abhandlungen, hist-pbilos.Classe XXXVII,
S. 305 ff.) und das Studium: Litwa Staroiytna, ludy i bogl (Biblioteka War-
szawska, 1897, II 235—265, III 416—450 und 1898, I 37—68). In beiden
letztgenannten Arbeiten berührte ich mehrfach oder deutete an Fragen und
Erklärungen, die in den folgenden Beiträgen ausfOhrlicher und allseitiger er-
örtert werden.
1) Diugosz kombinirte, für seine Zeit gar nicht Übel, folgendermassen
(Opera X, S. 110 f.): nachdem er, nach dem Vorgänge seiner beiden Quellen,
den Namen Myeszka als turbacio gedeutet hatte, fahrt er fort, placet non-
nulKs, ducalem pnemm Myeczslayum, quod significat habiiurum gloriam (also
mü6 9iawfj nicht zu mieei Schwert!) appellatum fuisse, sed ad nomen Myeszko
per diminuei&nem vocitaUonis (also Koseform), dum puericiam ageret, defluxisse.
Quam opinionem nos quoqne ex multiplici respectu probamus, attento quod
Poloni reg^m et principum suorum nomina non in ko sed in slav terminari so-
liti sunt, lingna sua, formando principum et regum nomina Wlodzislaw, Bo-
leelaw Myeczsiaw Przemyslaw Stanislaw etc.
12 A. Brückner,
Erst Miklosich beanstandete diesen Namen als einen »verdächti-
gen« oder »zweifelhaften« (Slav. Personennamen, Denkschriften X,
1860, S. 293 f.), und seitdem ist derselbe verpönt. Kaum mit vollem
Recht. Dass ein Name wie Miecsiaw schon vor Dtagosz wirklich
vorhanden war, beweisen Urkunden ; wer mit den Belegen bei
Zeissberg oder bei Baudouin, 0 ApeBHenojrLCKOM^ asuK^ 1870,
S. 67 (unter Meczslaus) unzufrieden wäre, vergleiche z.B. aus Ka-
liszer Eidformeln bei Ulanowski die Nummern 396, 479, 483:
MeczcovD oczecz y Meczslato, Meczkoj na Meczslaue; der Name
Miecsiaw Miectaw kann aber, wenn man ihn nicht von medislav
(med'£, in Personennamen vorkommend) herleiten will, kaum etwas
anderes als das geforderte Mieczyslaw (von mi>ci> Schwert, das in
Personennamen wirklich vorkommt, vgl. auch Personennamen mit
stit'B Schild, Miklosich, Ortsnamen aus Personennamen i. h. v.)
sein, mit der bekannten poln. Kürzung, wie in Wrociato aus Wrocis"
iaWj Wiodaw aus JViodzüiaw, Przeciaw, RaciatOj Godaw u. S.w.) .
Allenfalls könnte man sich gegen Namen des XIV. und XV. Jahrh.
ablehnend verhalten; es kommen nämlich unter ihnen mitunter
gar sonderbare, offenbar gesuchte vor, wie Lech u. a. Wer nun an
Mieciaw oder Mieczystaw festhält, vgl. Bogusa Mecslavic vom J.
1229, würde als Koseform %\ierMieczko oder Miecko, mx^it Mieszko
erwarten; einzelne Historiker, seit JaUonowski im vorigen Jahr-
hundert, gebrauchten auch wirklich jene, gegen das einstimmige
Zeugniss der Quellen, aufgenommene Form.
Aber Miklosich schlug eine andere Deutung vor, indem er
a.a. 0. den Namen Mieszko auch unter den von mi>stb abgeleiteten
Namen einreihte, und zwar unter mBStbko; noch weiter ging dann
Kunik (und nach ihm Schiemann) ; sie setzten statt Jfiß«2;A;<7 den
Vollnamen Micisiaw ein — nattlrlich falsch, denn mit demselben
Rechte könnten wir jeden ähnlichen Vollnamen, wie Mäcitooj) Ißci-
druff u. ä. einsetzen. Nun ist fUr polnische Namengebung die
Häufigkeit von Ableitungen und Zusammensetzungen mit mbstb
wirklich geradezu charakteristisch, man vgl. polnische Namen wie
Msta, Niemsta, Mäcisiaw^ Micibor, Midgniew^ Mici^ta^ Mszczujy
MhcxBz^ Miesitoirij MSciiooj, Dobiemiest u. a. — aber gerade dieser
Umstand spricht gegen die Herleitung des Misica aus mLstb.
Denn waren die mbstB- Namen wirklich bei den Polen ver-
breitet, beliebt und geläufig, so erwarten wir unter ihnen fUr das
Beitrüge zur ftlteBten Geschichte der Slaven und Litauer. 13
X. Jahrhundert und für den Namen des mächtigsten slavischen
Herrschers dieser Zeit keine familiäre oder obskure Verstümmelung,
sondern jedenfalls einen YoUnamen. Es fiele Niemandem ein, die
gleichzeitigen böhmischen Bolesiaun mit Boszek oder Boszko zu
benennen, und ebensowenig hätte ein Pole aus Micisiato oder ä.
einen Mieszek oder Mieszko gemacht — die blosse Furcht vor dem
absoluten Herrscher hätte solche Bespektwidrigkeit auf die Dauer
gar nicht aufkommen lassen. Dasselbe gilt für Mieciaw oder Mye-
czysiato; der Name, wenn überhaupt echt, scheint verhältnissmässig
jung und ebensowenig zu solcher Kürzung für einen Herrscher-
namen geeignet ; das obotritische Droiko und das spätere polnische
Bolko sind keine entsprechenden Stützen.
Man könnte noch auf den Gedanken kommen, Mieszko oder
eher Mieszek wäre Deminutiv von Miech (Sack? Blasebalg?], das
im alten Ortsnamen Miechöu) und im Bauernnamen Mieszek (ge-
schrieben Mesec) der Gnesener Urkunde von 1136 faktisch vorliegt.
Aber gegen alle Deminutivbildungen von mBStB, die übrigens
Miestko, vgl. Lestko, unfehlbar gelautet hätte (nur kommt diese
Form nie vor 1), von mi>cL oder mfih'B, spricht der bisher unbeachtet
gelassene Umstand, dass der Name gar nicht Mieszko, Miseco,
sondern Mieszka, Misica gelautet haben muss, wenigstens nach
dem übereinstimmenden Zeugnisse der slavischen und der ältesten
lateinischen Quellen.
Dafttr sprechen erstens russische Quellen. Die Hypatios-
chronik weiss bekanntlich viel von polnischen Fürsten des XH. und
Xin. Jahrh. zu erzählen. Während nun heute deren Namen^ z. B.
Lesiko und Mieszko, in der Flexion zusammengeworfen werden,
scheidet die Chronik sie konsequent: sie braucht immer nur die
masc. neutr. Formen nom. Lhsthko, gen. Lhstbka u. s. w., aber im-
mer nur die femin. Formen nom. MeoiCKa, gen. MeoicKiA, dat. Meoicu/th
n. 8. w. Wohl werden in russischen Texten Personennamen auf
-Ko weiblich flektirt seit den ältesten Zeiten (vgl. die Belege bei
Co6ojie6CKiH, ÄGKn?R ^ S. 168), aber woher stammte dieser kon-
stante Unterschied in der Hypatioschronik, wenn er nicht im Na-
men selbst begründet gewesen wäre ?
Dagegen kennen die böhmischen Quellen alter Zeit keine
Feminin-Deklination der ko- Stämme (vgl. z. B. die Deklination
Yon jnUecko bei Gebauer, Grammatik HI, S. 151) und doch wird
14 A. Brückner,
Mezka bei dem sog. Dalimil nur weiblich flektirt, Mezcye n. s. w.
Nebenbei bemerkt, transscribirt Jirecek den Namen falsch; er
schreibt ihn nämlich Mezka, statt Mezka, wie die russische Schrei-
bung erfordert; in der Cambridger Handschrift kommen die For-
men vor: mezka (einmal myezia), mezky, mezczye {mezczie) und
mezku (acc.) .
Zu diesen unzweideutigen böhmisch -russischen Zeugnissen
scheinen aber auch lateinisch -polnische hinzutreten zu sollen,
welche sämmtlich verzeichnet hat Zeissberg, Miseco, Archiv f.
österr. Gesch. XXXVIII, 1867, S. 59—61. Widukind nennt den
Namen an allen Stellen Misaca (darnach ist die Lesung Müaco
(dativ) statt Misacae in den Monumenta Germ. V zu berichtigen);
eine andere Quelle des X. Jahrb., die sog. Gnesener Schenkung,
bietet Misica; noch der ungenannte Etymologist der sog. gross-
polnischen Chronik, sowie sein Vorbild, mag. Vincentius (um 1195)
deuten den Namen in der weiblichen Form als mesca, myeszka tur-
bacio confusio »quia coeco nato parentes tnrbati sunt« etc., obwohl
sie ihn bereits stets nach der dritten Deklination (Mesconem u.s.w.)
flektiren, als derjenigen, welche männlichen Personennamen seit
jeher angemessener schien, und die daher bei Thietmar (XI. Jahrb.)
die Regel bildet.
Diese alten Zeugnisse lassen uns ohne Weiteres die Urform
des Namens als mieszka aufstellen; nur hat er natürlich nicht
mieszka confusio bedeutet, wohl aber mieszka Bär.
Die indoenropäische Bezeichnung des Bären (ursus u. s. w.)
haben Slaven und Litauer aufgegeben; die Slaven ersetzen sie
durch das alte Compositum medvSdh-, daneben haben^ie eine Form
meika^ mecka, vgl. Miklosich, Etym. Wörterb. unter mechkh.
Diese Benennung ist heute nur bei den Sudslaven allgemein ver-
breitet ; dass sie früher allslavisch und bei Ost- und Westslaven
gleich beliebt war, beweisen zwei Umstände. Die Litauer haben
ihr einheimisches lokys Bär (preussisch klokis, lettisch läds dass.)
meist aufgegeben und durch slavisches meszkä Bär [meazkynas
männlicher Bär, meszkS Bärin u. s. w., lettisch meika und miika
Beinamen des Bären) ersetzt. Von dem bei den Westslaven früh
verlorenen me&ka Bär stammt das westslavische und russische mei-
kati saumselig sein, säumen, zögern, zaudern — nach der Schwer-
fälligkeit des Thieres, vgl. lit. meikiuti wie ein Bär langsam gehen ;
Beiträge zur ältesten Geschiehte der Slaven und Litauer. 15
die russische Schreibung HinncaTb (vgl. kleinrnss. MeimcaTH) ist so-
mit falsch ; das Böhmische hat an der alten Bedeutung (säumen)
am Zähesten festgehalten ; das Polnische hat seit dem XV. Jahrh.
die Bedeutung : säumen, zu : weilen, wohnen entwickelt, unhisto-
risch sind die recht frühen Formen mit q, mi^szkaö ^); Miklosich,
Et. Wörterb. lässt meikati unerklärt. Mieszka Bär dürfte im Pol-
nischen spätestens im XII. Jahrh. ganz ausser Gebrauch gekom-
men sein.
Aber wie konnte der König »Bär a genannt werden? wäre dies
nicht eher ein blosser späterer Zuname, der einen früheren Eigen-
namen verdrängte (etwa nach Art Albrecht des Bären oder wie der
Anführer der preussischen Barten im Kampfe gegen den Orden
Diwan Klekin — der Bär heisst) ? in der That spricht der älteste
polnische Chronist, der sog. Gallus, von Ivlesko, qui primus (d. i.
nach seinem Brauche soviel als pritis) nomine vocatus alio etc.
Meiner Ansicht nach nein : schon das Kind bekam den ehrenden
Namen des gefürchteten Thieres.
Thiemamen als Personennamen sind bei den Slaven ausser
wük recht selten, figuriren meist als blosse Zunamen, z. B. Marti-
nus Lis u. ä.; dagegen sind auf altnordischem Gebiete Biöm
(Bär) und Ulfr (Wolf) die beiden verbreitetsten Personennamen ge-
wesen: die Zahl der im IX. und den folgenden Jahrhunderten
figurirenden dänischen, schwedischen und norwegischen Könige,
Jarle und Bonden (Bauern) dieses Namens ist Legion. Der poln.
Mieszka verheirathet z. B. seine Tochter an Erik, den Sohn des
schwedischen Mieszka = Biöm ; der eine Enkel des Biöm, der in
Wollin lebt, heisst natürlich wieder Biöm (Styrbiöm) u. g. w. ; Biörn
1) Der Flor. Psalter hat nur müszkad tardare; die GneBener Predigten
bieten nur mifszkaöj ne moskay (!j ne tardes 84, Bom^skane obmissio 87, acz
ge9mi ktorego 8t^thego samoskali ^%^ andere Belege bei Nehring, Bozprawy
XXY, S. 104, der die ^-Form als grosspolnisch bezeichnen möchte; sie ist
aber auch masurisch, vgl. in der Uebersetzung der masovischen Statute von
1450 samyqnska, myqnskange noage (Wohnung 1) 24, zamyansckka 27, dagegen
haben Swi^tosiaw {my9szkaez 22), die Sophienbibel [omyeskal 85, nye myeakay
1 14), Harcholt {aobye zmiesskdö), Rey u. s. w. nur e, der £y wot i. Eufraksyi
von 1524 nur ^ (denn so ist wohl sein ständiges myaskacz myaszkacz zu lesen,
der Herausgeber liest allerdings myaszkadj Prace filologiczne III, 254). — Eine
andere Bezeichnung fUr den Bären ist Miä, Mika, z.B. Rey zwierzyniec 1562,
pogtagpdnie Mikd in einer Bärengeschichte.
16 A. Brückner,
ist BO häufig, dass es schliesslich zu einem beliebigen, man möchte
fast sagen, ganz bedentungslosen Glied in der Zusammensetzung
von Personennamen geworden ist ; unter den wenigen Warägern,
die bei Nestor genannt werden, tragen gar drei diesen Namen
(S. 25 ed. Miklosich lesen wir: IIlHX'BÖepH^, üpacTiH'B EepHOB'L und
Toyp6epHi) . Bei den alten Beziehungen zwischen Polen und den
Nordleuten, über die wir später einmal handeln werden, wäre die
Wahl eines Eönigsnamens Mieszka = Biöm nicht auffällig ; ich
mache besonders darauf aufmerksam, dass auf Bügen, dessen Be-
ziehungen zu Dänemark noch viel inniger waren, wo sogar dänische
Orts- und Personennamen nicht selten waren, 1162 einer der ange-
sehensten — trotz seiner Blindheit — Slavenedlen »Masco« (bei
Saxo), d. i. wohl Meszka = Biöm, geheissen hat; derselbe wird
kaum identisch sein mit dem 1153 urkundlich genannten Mysykone
pomerano.
Soviel über den Namen des Königs, den wir richtig gedeutet
zu haben glauben. Der Name wiederholt sich in dem Piasten-
geschlecht ständig, Mieszka L, Bolesiaw I. u. s. w. nennen so ihre
Söhne; vielleicht ist der erste uns bekannte Mieszka gar nicht der
allererste dieses Namens in seinem Geschlechte gewesen. Aller-
dings werden wir nicht gleich aus diesem Namen auf den Bären
als Totem der Plasten oder gar der Polen schliessen wollen.
lieber Mieszka habe ich dann in jenem erwähnten Aufsatz
0 PiaScie gehandelt, um nachzuweisen, dass die Sage von seiner
Blindheit allein auf der wörtlichen Auffassung der Phrasen seiner
Hofkapellane (von dem blinden Heiden, der sehend geworden ist)
beruht ; dass die ganze Sage spät ist und keinerlei historische Züge
besitzt ; dass man ganz irrig seit Dlugosz das Namensfest, bei dem
der Königssohn sehend geworden wäre, auf das slavisch-heidnische
Haarschurfest bezogen hat.
Wir gehen nun über zum Namen des Volkes , über welches
Mieszka geherrscht hat, die Licicaviki (in der Schreibweise des
Widukind ist -ki als -ci zu lesen, wie das gleich darauf folgende
LmUci erweist). Bisher sind, ausser anderen phantastischen, die
ich tibergehe, vgl. Zeissberg a. a. 0., drei verschiedene Deu-
tungen dieses Namens versucht worden, eine immer unmöglicher
als die andere.
So hat Bielowski u. a., ja noch Baudouin a. a. 0. unter
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven und Litauer. 1 7
Lech S. 65, daDn Kunik (Al-Bekri S. 98) diesen Namen mit dem
der Lechen zusammengestellt; freilich hat man dabei nachzu-
weisen vergessen, ob Westslaven je diesen Namen sich beigelegt
haben; wie sich Deutsche nie Germanen, Slaven nie Wenden
nannten, nur von Nachbarn so benannt wurden, so sind auch nur
die Weichselslaven von ihren mssischen Nachbarn Lachen, Ljachen
benannt worden; der Name umfasste gar nicht Böhmen oder Mäh-
ren, sondern ging nur auf die Weichsel-Polen (zur Unterscheidung
fbrmlich von den Dniepr-Polen) und wurde auf ihre Stammver-
wandten an der Oder (wohl ganz willkürlich) ausgedehnt ; Lachen
ist somit ein Name wie Finnen, Griechen, Germanen, Wenden u.s. w.
und Polen wie Deutschen, also auch Widukind, nie bekannt ge-
wesen. Aber auch wenn sie ihn noch so gut gekannt hätten, gäbe
es keine sprachliche Brücke von L?si (acc. L^chy) zu Licicavici ! ;
auch mit der Ansetzung eines ^L^chovici ist dem nicht abzuhelfen,
denn L^ch ist kein Personenname gewesen.
Allgemeinerer Zustimmung hat sich eine andere, schon von
Lelewel vorgeschlagene Deutung : Licicavici = L^czycanie, er-
freut; noch zuletzt schloss sich ihr an Malecki, Lechici 1897,
S. 18; Potkaüski, Lachowie i Lechici, Abhandll. Rrak. Akad.,
philolog.Cl.XXVII, S. 185f., bekämpfte sie aus historischen Grün-
den, aber die sprachlichen sind viel entscheidender. Die Gauburg
L^czyca, gelegen wie andere slavische Gauburgen, in sumpfigen
Niederungen (L^ki), hat sammt ihren Sassen nie eine hervorragen-
dere Rolle in der poln. Geschichte gespielt; man nahm zwar an, sie
wäre alsTheilfttrstenthum im Besitze des von Wichmann erschlage-
nen Bruders des Mieszka gewesen, aber dann hätte ja Widukind
sie fälschlich dem ihm wohlbekannten Mieszka zugewiesen und hätte
das eigene grosse Reich des Mieszka gar nicht zu bezeichnen gewusst,
was ganz unwahrscheinlich wäre. Zudeip kommt, dass die Einwohner
dieses Ländchens, dieser Niederungen an der Bzura, in alter Zeit
gewiss nicht Zt^czycante, sondern nur L^czanie geheissen haben
können, wie die Böhmen von Lu6sko Lucane heissen (alte slavische
Namengebung der Bewohner eines Ortes knüpft ja unmittelbar an
das Urnomen an, also heissen Smölniane die Bewohner von Burg
und Land Smolensk, Widbljane die von Witebsk, Kyjane die von
Kyjev etc.). Bei Widukind würden wir daher die Schreibung Len-
zane zu erwarten haben, nicht Licicavici.
ArchiT far slftTUehe Philologie. XXI. 2
18 A. Brückner,
Der Herausgeber des Codex diplomatieus Maioris Poloniae IV,
p.355, hat endlich auf Lecnici (die Löcknitz) gerathen, Fotkanski
a. a. 0. findet dies noch als das Wahrscheinlichste. Aber wir kön-
nen wiederum nicht begreifen , wie man irgend einen beliebigen
obsknren FlUsschennamen , wenn nur ein ganz entfernter Lant-
anklang vorhanden ist^ gleich zum Namen eines ganzen, mächtigen
Stammes erheben kann ! wissen wir doch nicht einmal, ob dieser
Nebenfluss der Spree (! !) durch polnisches Gebiet floss.
Man beachte doch den Ausgang -avici bei Widukind ; wenn
man dem Namen Bedeutung beilegen will, darf man diesen auf-
fälligen Ausgang nicht durch topographische Bezeichnungen wie
L^czycanie oder Löcknitz u. dgl. eskamotiren, -avici ist slavisches
-omci und deutet auf einen Geschlechtsnamen, ist ein patronymi-
cum. Nun ist allerdings ein Licicavici für Polen sonst unerhört, ein
fiTtag elQrj^irop in einer allerdings gleichzeitigen und wohl infor-
mirten Quelle. Es muss offenbar der Name fUr das grosse Beich
des Mieszka, das ja bereits von der Oder bis zum San und Bug
reichte, noch ein flüssiger gewesen sein. Später heisst dieses
Reich, seit Thietmar, stets Polen, aber Polen war ursprünglich
(und blieb es theilweise bis zum XVI. Jahrh.) nur der Name für
die Slaven an der Warthe , für den Stamm mit den Gau bürgen
Gn^sen und Posen, das spätere Gross- (d.h. Alt-) Polen; die (spä-
teren) Eleinpolen hiessen ja noch im IX. Jahrh. Wülanie,
Der Name Polen kommt weder beim sog. Bairischen Geogra-
phen , noch bei Widukind , noch bei Al-Bekri vor ; ich halte nun
Licicavici für den Namen von Gesammtpolen, wie er eben um 950
herum noch bekannt war und bald darauf gegen den topographi-
schen Namen Polen für immer verschwand. Das Reich der Lici-
cavici umfasste Grosspolen, Kujavien, Masovien, Kleinpolen (ausser
Krakau] ; es ist das Geschlecht des Lestbko, welches dieses Reich
vereint und beherrscht hat, Licicavici sind Lestkovici (Lstkovici) .
Ist diese Deutung richtig, und man wird ihr lautlich und begriff-
lich nicht viel entgegenstellen können, so gewinnen wir zugleich
einen urkundlichen Beleg für die Existenz des Lestko, des Gross-
vaters unseres Mieszka. Der Name taucht wieder bei den späteren
Plasten auf, zuerst 1115 Lestek, Liztek im Zweifaltener Nekrolo-
gium, Sohn des Boleslaw III. (0. Balzer, Genealogia Piastöw,
1895, S. 143, der aber diese echte Namensform zu Gunsten des
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven und Litauer. 19
latinisirten und verballhornten Leszko mit Unrecht preisgibt) und
wird in den folgenden Generationen noch viel häufiger. Ist aber
Lstek oder Liciek (Gen. Lestka oder Le^öka, daraus Leszka, dazu
neuer Nora. Leszko oder Leszek) eine historische Persönlichkeit,
so ist kein Grund daran zu zweifeln, dass auch sein Vater Samowit
der Geschichte, nicht bloss der Sage beizuzählen ist, was ich aus-
führlicher in der Abhandlung 0 Piascie zu erweisen suchte. Dort
hob ich auch hervor, warum zu Lestko das Patronymikum Lestko-
vici gebildet wurde, mit dem ov der u-Stämme; Lestczyc (Leszczyc)
wäre nämlich ebensogut Patronymikum zu Laska gewesen und
kommt wirklich als adeliger Sippename vor ; Lestkovici dagegen
hob deutlich den berühmten Namen eines Ahnen hervor — es ist
dies ja kein gewöhnlicher Name, er wiederholt sich auch nicht in
der sla vischen Namengebung, sondern ist ein Beiname, der »Lis-
tige«, der »Schlaukopfe, auf den der Fürst in reiferen Jahren, viel-
leicht bei der Prozedur des » Sammeins a polnischer Einzelstämme
zu einem grösseren Ganzen, sich gerechten Anspruch erworben
haben mag. Die spätere, unhistorische Tradition (bei Mag. Vincen-
tius) bemächtigte sich daher des Namens und dichtete seinen Trä-
gem allerlei schlaue Auskunftsmittel im Kampfe gegen fremde
Eindringlinge oder im Wettkampfe um den Primat an. Dass end-
lich ein ganzes Volk nach seinem Herrscher oder Führer bens^nnt
werden kann, ist gerade bei den Slaven etwas Häufiges, man denke
an die Radimiezen, Wjaticzen, Eriwiczen im Osten, an die Luticen
und andere kleinere Stämme im Westen.
Jenen zu Anfang citirten Satz des Widukind möchten wir da-
her übersetzen: Wichmann besiegte den »Bären», den Herrscher
über jene Slaven, die sich » Listinger « nannten. Ist diese Ueber-
setzung richtig, so ergibt sich Folgendes.
Erstens eine willkommene Bereicherung slavischer Namen-
gebung. Oben sprachen wir von nordischen Verhältnissen, aber
ähnlich verhält es sich im Deutschen. Nach Förstemann, Alt-
deutsches Namenbuch 1856, I, 223—235 und 1339—1357, sind
hier »Bär« und »Wolf« mit die häufigsten Namen und Namenglie-
der; auslautend z. B. kommt bera (zu bero ursus) in 71, meist
männlichen Namen vor; einige » Bärennamen « sind »namentlich
bei den Sachsen sehr im Schwange«. Noch viel verbreiteter, über
alle deutschen Stämme, seit dem IV. Jahrb., im ersten wie im zweiten
2'
20 ^- Brückner,
Gliede, ist Vulf ; Förstemann nennt 381 verschiedene Bildungen mit
-vulf, darunter nur 4 Feminina; es übei'trifft alle anderen an
Häufigkeit, so dass man annehmen muss, es habe schon in früher
Zeit begonnen, nur noch die Geltung eines bedeutungslosen Suffixes
zu haben. Nicht ganz so liegen die Verhältnisse im Slavischen ;
medvedh als Personenname ist durch die böhm. Ortsnamen medve-
dice sichergestellt; mieszka haben wir eben eruirt; ungleich häu-
figer ist vhkb. Wir sehen davon ab, was Miklosich nicht ausschei-
det) von vkki als blossem Zunamen, aber vlbkx als Personennamen
erweisen die Ortsnamen wilköw, wilkowo, wilczkowo, wilczyn
u. 8. w. , die Miklosich irrig dem Appellativum vlbkx beizählt; er-
weisen dann die Urkunden, z. B. wilk zweimal im Lubiner liber
fraternitatis saec. XII — XIII, vnlkoj dreimaliges toilkost (vgl. ra-
dostj und wilczech im Todtenbuch des Breslauer Vincenzklosters
XIII saec. u. s.w. Die von Miklosich a. a. 0. genannten Momente,
welche die Wahl von Wolfsnamen für Personen bedingen sollen,
reichen für diese alten Zeiten nicht aus ; freilich lassen sich auch
die deutschen Verhältnisse nicht ohne Weiteres heranziehen, da
bei den Slaven das Gebiet der Wolf- und Bärennamen jedenfalls
ungleich beschränkter ist, aber für Reste oder Spuren eines Bären-
und Wolfskultes Hessen sich vielleicht auch diese Namen verwen-
den. — Bei unseren Ausführungen blieb nur ein ungelöster Rest,
die auffällige Uebereinatimmung des Russen und Böhmen in der
Schreibung des Mezka mit dem z; wir möchten darin nicht Spur
alter treflFender Etymologie, sondern eher blossen Zufall erkennen.
Zweitens. Wie die böhmischen Ftlrstennamen zwischen Prze-
mysl und Spytihnev wahrscheinlich sammt und sonders unhistorisch
sind, so hat man auch den drei Namen vor Mieszka, Samowit,
Lestko und Zemomysl, historische Gewähr absprechen wollen.
Kaum mit Recht. Der Tradition zuzumuthen. dass sie vor Mieszka
noch dreier Herrscheniamen gedenke, ist nicht viel verlangt, wenn
wir das grosse Reich des Mieszko mit dem kleinen Stammgebiet
des Spytihnfev vergleichen ; haben wir nun Licicavici richtig als
Lestkovici gedeutet, so ist mit dem mittleren Namen dieser Reihe
auch ihr Anfangs- und Endglied gesichert. Wechsel slavischer
Völkemamen in historischer Zeit ist nicht gerade auffällig: die
nächsten Nachbarn der Polen in West und Ost haben fast zu glei-
cher Zeit ihren Namen gewechselt, dieLutici, welche im IX. Jahrh*
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven nnd Litauer. 21
VIetove (früher, bei Ptolomäus, Velti^)) Hessen, und die Woiy-
njane, die früher Banane hiessen ; zu derselben Zeit verschwindet
auch der im ganzen IX. Jahrb. wohlbekannte Name Wislane für
immer; der alte topograpbische Name, Poljane (obwohl ursprüng-
lich nicht das gesammte Reich umfassend, nur den Theil, von dem
aus die Reichsgründung erfolgte), verdrängte den dynastischen,
Lstkovici, der kaum zwei Generationen alt war.
Zusatz. Neben wilk und mieszka = miedwied^ nennen wir
hier noch einen, uralten und häufigen (aber nur bei den Westsla-
ven!) Thiernamen als Personennamen; es ist dies Erak == Rabe.
Die modernen Fabeleien über den »wandelnden« (von krok!) Son-
nengott Krak (korocun !) eines Erben und Petruszewycz oder Par-
tyckij (starynna istorja Halyczyny 1894, I, 193 f.) übergehen wir;
zu alleinigen Ehren kommt die alte Etymologie (vgl. preuss. krako
Schwarzspecht, lit. kraus dass., geschrieben cracto) der sog. gross-
polnischen Chronik oCrak qui legitime corvus dicitur« (vgl. mag.
Vincentius : quam — urbem — quidam a crocitatione corvorum qui
eo ad cadaver monstri confluxerant Cracoviam dixerunt) ; die Form
mit 0 bei Kosmas ist falsch, wie der Ortsname beweist, aus dem
sie ja erst gewonnen wurde : Orte Krakov, Deminutiv Krakovec,
sind von der Weichsel bis über die Elbe hin verbreitet. Ueber den
deutschen «Rabenu als Personennamen sagt Förstemann unter
»hraban«: er scheint den Goten zu mangeln und bei den Sachsen
nicht häufig vorzukommen, auslautend ist er in 120 Namen, darun-
ter 16 feminina. Krak als Name eines Edlen und die villa Craco-
uis kommt in Rügen noch zu Anfang des XIII. Jahrh. vor (1203
und 1231). Auch bei den Nordleuten war der Name bekannt, aber
galt nicht für fein, vgl. K. Weinhold, Altnordisches Leben 1851,
S. 204. Die Personennamen wilk, mieszka, krak mögen einst my-
1; Nach Müllenhoff, Alterthumskunde II, 24 »lässt sich die Vürmu-
thoDg nicht wohl abweisen, dass OviXxai nur fUr ABxovai verschrieben ist« ;
ebenso Zeuss; ebenso lange vor ihnen Bohusz X., Rozprawa o pocz^tkach
narodu i jqzyka litewskiego, Warschau 1808, S. 40. Mit Recht erklärte sich
Eunik gegen diese Verböserung; die schärfste Kritik übte an ihr Müllenhoff
selbst, S. 21 Anm., wo er von einem anderen benachbarten Namen bei Ptole-
maus sagte: »man könnte endlich xal aiavavoi aus xai Xeravavol in scriptura
continua entstanden denken«. Aber der Name ist ebenso »unantastbar« wie
OHXtui.
22 A. Brückner,
thisich-religiöse Bedeutung gehabt haben; das XII. Jabrh. wusste
davon nichts mehr, und wenn der Gewährsmann des Gallus mieszka
als Bären noch verstand, könnte er auf die Vermuthung gekommen
sein, der Fürst mUsse so erst später zubenannt sein, daher das pri-
mus nomine vocatus alio? (das jedoch auch anders gedeutet wer-
den kann^.
II. Die Galindensage.
Der südöstlichste Stamm der Preussen, die Galinden, an die
Sudauer oder Jatwingen angrenzend, tritt, obwohl sein Name wie
der seiner Nachbarn schon bei Ptolemäus genannt wird, nur wenig
in der Geschichte hervor. Auch Nestor kennt ihn, so z. B. besiegt
bei ihm 1058 Izjastav die Goljadb. In Polen kommt der Name ur-
kundlich vor, für Kriegsgefangene oder Angesiedelte, z.B. (servus)
Golandin im J. 1065, Ortsname Golanczino 1235? und Gonis^dz in
Podlachien (aus Gol^dz?). Der Gau war zur Ordenszeit ausser-
ordentlich spärlich besiedelt ; man ersieht dies schon daraus, dass
z. B. in Pierson's altpreussischem Namencodex, der Hunderte von
Samländern oder Ermländem zu nennen weiss, nur vier Galinder
verzeichnet sind. Ja, eine besondere Sage wusste den Grund dieser
Spärlichkeit auch anzugeben ; die Sage theilt der älteste Ordens-
chronist, Petrus von Dusburg (1326), zu Anfang des dritten Buches
seiner Cronica terre Prussie mit. Sie lautet :
Galinditae creverunt et quasi germinantes multiplicati sunt et
roborati nimis et impleverunt terram suam, sie quod eos non com-
mode potüit sustinere. Unde (Erwähnung von Pharao's Vorgang
gegen die Israeliten und ihren Nachwuchs) ... ita et istis videbatur
consultum, quod quidquid nasceretur sexus feminiui, occideretur
et masculi ad bellum servaretur. Et quum hoc edicto non profice-
rent, quia mulieres videntes eleganciam nascencium conservabant
occulte eas, idcirco de communi consilio et consensu, ut omnis ma-
teria nutriendi pueros tolleretur, omni um uxorum suarum ubera
preciderunt. Super quo contemptu et detestabili facto mulieres in-
dignate accesserunt ad quandam dominam, que secundum ritum
ipsorum sacra et prophetissa reputabatur, ad cuius Imperium huius
facta singuia terre regebantur, petentes sibi super hoc negocio sa-
lubriter provideri. Que compaciens sexui suo, convocatis ad se
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven und Litauer. 23
pocioribas tocias terre, ait ad eos: dii vestri volunt, ut omnes sine
armiß et ferro yel aliquo defensionis adminiculo contra. Christianos
bellum moveatis. Quo audito statim obediunt et omnes qui ad bel-
lum habiles fuerunt, ad viciniorem Christianorum terram laeto
animo sunt profecti.
Den Schluss können wir kurz erzählen: der Zug gelingt;
beutebeladen kehren sie schon zurück, als einer der entflohenen
Gefangenen ihre Waffenlosigkeit daheim meldet, worauf sie von
den nachrückenden Christen eingeholt und vernichtet werden ; das
wehrlose Land wird nun, zumal von den Nachbarn, den Sudauem
(Jatwingen), gebeert.
Von den litauischen Stämmen fehlen uns Sagen fast vollstän-
dig; desto grössere Beachtung verdient diese echte, und alte Ueber-
liefemng ; jeder einzelne Zug derselben ist historisch, thatsächlich
— nur die Verknüpfung ist eine willkürliche. Blutige Grenzfehden,
also zwischen Sudauem und Galinden, sind bei dem Herrschen der
Blutrache (eine composicio gab es ja im alten Preussen nach aus-
drücklichem Zeugniss gar nicht) selbstverständlich; ebenso waren
Ueberfälle der Christen, hier der Kujavier oder Masovier, auf der
Tagesordnung ; Kinderaussetzung oder Tödtung (beides bleibt sich
ja im Grunde gleich) war bei allen Preussen noch im XIIL Jahrb.
gang und gäbe; das Motiv von der Verstümmelung der Frauen
durch Abschneiden der Brüste ist so grässlich, dass es nicht will-
kürlich, aus der Luft, ersonnen sein kann ; auch die Autorität einer
Seherin kann ohne Weiteres angenommen werden; ebenso die
Waffenlosigkeit, göttlicher Segen und sein sichtbares Zeichen, das
Amulet, sichern hinlänglich gegen den Feind.
Aber Anderes ist ganz unlogisch : wie hätte, die männliche
Nachkommenschaft für den Krieg aufgezogen werd^ können, wenn
die Mütter verstümmelt wurden, und wurde sie etwa,. wie bei den
Geten im Süden oder bei den Skrithifinnen im Norden (nach Prokop)
ohne Brust aufgezogen, nun so konnte auch die weibliche ebenso
durchgefüttert werden. Ebenso unwahrscheinlich klingt das Motiv
von der Uebervölkerung, damals, in diesen weiten Ländern I
Dieses Motiv musste allerdings 1326 herhalten, als die Ge-
pflogenheit der Kinderaussetzung in Preussen längst durch das
Obristenthum war beseitigt worden. Im XUI. Jahrb. kannte man
dasselbe nicht: in der päpstlichen Bulle von 1218 wird nur ge-
24 A. Brückner,
sagt, dass der Vater in Preassen alle seine Töchter bis auf eine
tödte; 1249 verpflichten sich die christlichen Preussen^ dass hin-
fort keiner filium sunm yel filiam quacunque de causa per se vel
per aliuni abiciet vel occidat publice vel occulte vel ab alio talia
quoquo modo fieri consentiet vel permittet. Einderaussetzung war
offenbar altes arisches Vaterrecht ; ich verzichte hier auf Belege
aus griechischem oder italischem Boden und erwähne nur das feste
Wurzeln desselben auf nordischem Boden ; noch auf dem isländi-
schen Allding, das die Annahme der Taufe beschloss, bedang sich
ja die ttberstimmte Minderheit den Genuss des Pferdefleisches und
das Recht der Einderaussetzung aus. Nirgends hören wir von
einem Proteste der Mutter ; nirgends brauchte man an denselben
das heimliche Nähren der Ausgesetzten zu ahnden.
Dagegen kann mit Misswachs und Hungersnoth bei Galinden
das Brüsteabschneiden der Frauen ohne Weiteres zusammenhängen.
Die Erde hat ihnen einmal die Nahrung beharrlich verweigert; die
Nahrung hat sich versteckt und verkrochen; wo soll man sie
suchen? In den Brllsten der Frauen, dem Urquell jeglicher Nah-
rung des Menschen. Wie man bei anhaltender Dürre Regen auf
Erden künstlich hervorruft (durch Rühren im Wasser, Zutragen
desselben, Begiessen der perperuna u. s. w.), um so den Regen
vom Himmel herzuzaubern, so öffnet man Brust oder Leib der
Mütter, der Ernährerinnen, um die Erde zum Oeffnen ihres frucht-
baren Schosses zu zwingen ; man hält sich auch bei Misswachs an
die Frauen, wie man sonst die Wetterhexen u. dgl. verfolgt. Zeit-
lich und örtlich nicht allzu entfernte Beispiele lehren uns dies
deutlich.
Nestor (ed. Miklosich S. 109) erzählt zum Jahre 1071: Öubuih
6o eAHHOK) CKyAOCTH BX FOCTOBCT^M OÖJiaCTH BCTaCTa Ana BOJXBa OT^
flpocJiaBjiH, rjiarojioma, hko b4 CBtßt, kto oÖHJiie äcpäht-b. H hoh-
ÄOCTa no Boji3%. KnbAe npHAOcxa b-l norocT'B, xyae napm^acTa jtjpi-
man xeHLi, rzarojion^a; ako ch xhto ;i;ep3KHT'L a ch moa'b a ch pBitfu
a ch CKopy. H npHBOSAaxy vh HHMa cecTpu cboh, MaTepe h senu
CBOA. Onaxe b'l m'b^t^ npoptsaBuia sa njen^eM'L BUHMacTa jik)6o
TKiLTOy j[io6o pu6y H yÖHBaineTa mhofu senu h HM^nie hx'b oTHMa-
meTa ce6t. Diesem Unfug an der Wolga und Szeksna macht der
fürstliche Steuererheber ein Ende; man bringt die Zauberer vor
ihn H pe?e HMa: qeco paAu noryÖHCTa tojthko ^jicb^icb? OH^Ma xe
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slayen und Litauer. 25
peKmena: hko th AepÄaT'B oÖHjie — ^a ame HCTpiÖHBi chx'b, öyAOT'B
roÖHHo; aii^ej![H xon^emn, to np^A^ TodoH) BUHbMeB^ trelto jih pi>i6y
ja HHO ^TO.
Es war dies kein vereinzeltes Aufflackern irgend welches
Aberglaubens, der mit böswilligen, gewinnsüchtigen Motiven ver-
knüpft wäre; es war allgemeiner Glaube, der, wenn Mainov recht
unterrichtet ist, noch heute im täglichen Treiben der Mordvinen,
allerdings abgeblasst und gemildert, fortlebt. Beim täglichen
Morgengebet wirft die mordwinische Hausfrau einen Sack mit Ess-
waaren über die Sehalter; der Hausvater öffnet ihn mit einem
Schnitt, worauf Brot, Eier u. s. w. herausfallen; so ist die Nahrung
in der Frau geborgen, so wird sie durch einen Schnitt aus ihr, der
jetzt symbolisch geworden, nicht mehr das Leben der Frau , nur
das Säckchen trifft, gewonnen (Journal de la Soci^t6 Finno-Ougricnne
V, Helsingfors 1S89, W. Mainov, les restes de la mythologie mord-
vine, S. 9).
An der Wolga und bei den Galinden hielt man sich bei Hungers-
noth an die Frauen, aber auch sonst lässt man sie, die Zauberkun-
digen, jegliches Ungemach, schlimme Witterung, mächtige Winde,
ja sogar persönlichen Misserfolg (alte Weiber sind schlechtester
Angang) entgelten. Preussen und Dänen (im prenssischen Sam-
land!) standen sich einmal recht nahe und aus einer Zeit, die viel-
leicht mit derjenigen der Galindensage zusammenfiel, ist uns über
die Dänen folgender Bericht erhalten.
Papst Gregor VII. richtet 1080 (Mansi, Conciliorum etc. XX,
S. 304 f.] an König Harald von Dänemark ein aufmunterndes und
mahnendes Schreiben, wo er zum Schlüsse bitter darüber klagt,
dass die Dänen, statt auf ihre eigenen Sünden, auf Priester und
Weiber die Schuld der Unwetter u. dgl. abwälzen. De gente vestra
nobis innotuit, scilieet vos intemperiem temporum, corruptiones
aeris, quascunque molestias corporum ad sacerdotum culpas trans-
ferre — praeterea in mulieres ob eandem causam simili immanitate
barbari ritus damnatas quidquam impietatis faciendi vobis fas esse
nolite putare ... in illas insontes frustra/era/tVcr saeviendo ....
Dahlmann, Geschichte Dänemarks 1, 120 erinnert dabei an König
Knud den Heiligen, welcher 1085 die schlechten Winde auf seiner
Englandreise den Wetterhexen, anicularum maleficiis, zuschrieb.
Auf dieselbe Weise erklären wir uns den Zusammenhang zwischen
26 A. Brückner,
dem Verstümmeln der Frauen und dem »non commode sustinere
podseff des Galindenlandes.
Interessant ist die entscheidende Rolle, welche dabei der
Seherin zufällt. Während nämlich im Osten, bei Finnen, Russen.
Litauern nie eine Frau auftritt, ad cuius Imperium huius facta sin-
gula terre regebantur, kommt hier der Seherin ein Einfluss zu, wie
wir ihn sonst bei Germanen und Westslaven finden — man denke
an die Rolle der »weisen« Frauen sogar im Norden. Man machte
auch auf diese Stelle aufmerksam wegen eines anderen Berichtes
bei Dusburg. Im folgenden Kapitel erzählt nämlich derselbe von
Romow in Nadrowia, wo der von Preussen, Litauern, Letten ver-
ehrte Criwe geweilt hätte, ad istius nutum seu mandatum (die ge-
nannten Völker) regebantur etc., der Criwe wird daher mit dem
römischen Papst verglichen. Dieser Criwe hat nun die charakte-
ristische Eigenthümlichkeit, nirgends, wo man ihn erwarten würde,
aufzutreten; wir vermissen ihn stets und ständig, so auch hier in
der Galindensage, wo statt seiner, in seiner Rolle, eine Seherin
auftritt. Zur Erschütterung des Glaubens an diese Allmacht des
Criwe trägt somit auch diese Sage bei. Ueber den Criwe hat zu-
letzt und am ausführlichsten Mierzynski, Zrödta do mytologii
litewskiej II, 1896, S. 21 — 46, gehandelt, er weist alle Uebertrei-
bungen des Dusburg zurück, bestreitet mit Recht irgend welchen
Einfluss des Criwe über Nadrowia hinaus, hält aber an Person und
Eigennamen dieses Criwe fest. Ich möchte weiter gehen : meiner
Ansicht nach ist Criwe nur der Name des baculus gewesen (später
kriwele Schulzenstock u.dgl.), mit welchem der nuncius des Feuer-
priesters das Volk zu den grossen Festen u. dgl. entbot, denn im
Bericht des Dusburg nimmt dieser baculus eine bezeichnende Stel-
lung ein (tante fuit autoritatis — r criwe — quod non solum ipse vel
aliquis de sanguine suo verum eciam nuncius cum baculo suo vel
alio signo noto transiens terminos in magna reverencia habe-
retur) : der Name des die Reverenz verbürgenden Zeichens wurde
in der ungenauen Ueberlieferung auf die Person übertragen ; die
Etymologie spricht ganz entschieden für diese Auffassung (krive
zu kreiwas, krivule spätere Deminuirung dazu).
Den Zug von der Waflfenlosigkeit unter Feinden mögen die
Worte des Tacitus beleuchten, von den Aestiem, wen er auch
darunter verstanden haben mag: insigne superstitionis formas
n
Beiträge zur ältesten Geschichte der Slaven nnd Litauer. 27
aprorum gestant; id pro armis omniumque tutela securam deae
cultorem etiam inter hostes praestat.
Somit hätten wir jeden einzelnen Zug der Sage wirklich er-
wiesen oder erklärt; es lohnte dies, bei der ausserordentlichen
Seltenheit, in der uns slayische und litauische Sagen überliefert
sind ; die Sage hatte den Grund anzugeben; warum die Galinden,
die doch nach der Macht, Kraft, Stärke benannt waren, so macht-
und kraftlos geworden sind, und sie suchte auf ihre Weise, auf ein
einziges, bestimmtes Ereigniss hundertjährige Kämpfe und Rei-
bungen zusammendrückend, diese Aufgabe zu lösen.
Noch eine Bemerkung. Für Kinderaussetzung, die uns in
Preussen so nachdrücklich und so vielfach überliefert ist, haben
wir aus dem benachbarten Litauen keinerlei Zeugnisse. Und doch
ist yielleicht eins vorhanden, wenn man auf genealogische Fabeln
etwas geben darf. Die seit dem XVI. Jahrh. mächtigste litauische
Familie der Eadziwil:y (angeblich so benannt, weil ihr Vorfahre
dem König »radzit Wilno», d. i. zu gründen, während der Name
eine ganz gewöhnliche litauische Bildung ist), stamme angeblich
von einem Lizdejko, welchen König Witen im Neste (lizdas)
eines Adlers gefunden hätte ; ist der Name echt — und das könnte
er jedenfalls sein, Bildungen auf -eiko sind in altlitauischen Namen
sehr häufig, Romejko Repejko u. s. w. — und ist er nicht erst
später umgedeutet, ist nicht erst später die Geschichte auf Grund
des klaren Namens hinzugedichtet worden, so könnte Lizdejko
selbst ein so ausgesetztes Kind sein oder auf die Sitte der Kinder-
aussetznng auch in Litauen hinweisen.
A, Brüchner.
28
Die BlaYischen Composita in ihrem sprachgeschicht-
lichen Auftreten.
(SchluBs.) *)
Tl.
Die Uebersetzungsliteratar, die durch Jahrhundeii;e denHanpt-
gegenstand der kirchenslayischen Sprache bildete, übte auch auf
die altruBsische Literatursprache den ausschlaggebenden Einfluss
aus. Ein grosser Theil der Composita des AltkircheDslavischen
lebt in der russ. Literatur- und auch Volkssprache bis auf den heu-
tigen Tag. Das umfangreichste und bedeutendste Denkmal des
altrussischen Schriftthums, die russischen Chroniken, schöpften die
Grundsätze der Stilistik, also auch dieses Schmuckes, aus dem ge-
meinsamen Born. In der üoB^CTb BpeMeHHux'B ji^t'b, yulgo Nestor,
begegnet man solchen wohlbekannten Ausdrücken, wie: deaaKOHHK,
ÖeaaKOHbHHiTB, ÖeciMbpTHie, ÖeaoyMHK, ÖemtcTHK, 6emHHHiß, ßeaÖOÄb-
H'MH, ÖearpimtHMH, ÖesMipLHMH, öeana^ajibH'B, ÖecKonb^bHiäH, 6ec-
KoyÄbHiaH, ÖecjoBecBHiaH, oder mit 6-iaro-: 6jraroBOntH'MH, öjiaro-
BipBHMH, ÖjaropoÄbH'MH, ÖJiaropasoyaiLH'HH, ÖjarocJOBectH'MH, Öjaro-
^iBCTHBüiH, ÖJiaroyxaHHie, ÖJiaroBicTHTH ; oder mit 6oro- : öoro^'BXHO-
BcnbHMH, ÖoroJioßHBTaH, ßoroMoyÄp'HH, 6oroo6pa30BaHBH'HH, Öoro-
cToyAbH'HH ; 6oropo;i;Hi;a, ÖorocjOBmb. In demselben Rahmen der
kirchenslayischen Vorbilder bewegen sich solche Wörter: Öpaxo-
äjo6kbt», ÖpaT0jiK)6bCTB0, öpaTOHeHaBHÄ^HHK, ÖtcocJoya^eHHie, saKo-
HonpicToynbii'HH, KpxBonpojiHTHK, KoyMHpocJ[oyabÖbHHir&, cpaMocjo-
BHie, BejEbMoaca, e^HuorjiacbH'b, sxjio^^^h, np^jno6oA%H, npocTocJOBecb-
HMH, npocTopeKHH, TpbKJiAT'MH. WcDu ich uoch solchc Epitheta
erwähne, wie : Äenojioßbi^b fttr den Fürsten Vladimir, sjaTOBbpxasi
für das Kirchengebäude — daher in der Bylinendichtung sjiaTOBep-
xoBaTMH — oder jitTonHCbD[b für xQovoyQaq)og^ daher jiTonHcauHK,
und HKOHoÖbpbi^b für ehovoTikaarrig , so ist der Vorrath der Compo-
*) Vergl. Archiv XX, S. 519—556.
Die Blay. Composita in ihrem Bpracbgeschichtlichen Aattreten. 29
Sita in den ältesten Bestandtheilen der altruss. Chronik so ziemlich
erschöpft. Man kann noch ptitfojioB'By wohl ein urslavisches Com-
positam, das kirchenslav. cbpao^oa und das aas Genes. 37. 19 be-
kannte e^HOBHAi noch hinzufügen; dass neBirjacB kein specifisch
rassischer Ausdruck ist, das sahen wir schon oben (vergl. Archiv
XX, S. 531), urslayisch sind nacsiH'BirL, nasoitoKa (naBjiaKa). Be-
sondere Erwähnung verdienen die Ausdrücke MAconoycT'B und e«-
poHoycTB, gleiche Bildungen, aber mit entgegengesetzter Bedeu-
tung. Denn c^onoycTBHau neA^M entspricht dem griechischen
^ TVQoq>äyog kßdofx&g^ dagegen ist MAconoycx'B dem lat. carnispri-
viam (carniprivium) gleich. Wenigstens wird in dieser Bedeutung
das Wort in den ältesten Quellen gebraucht : in der alten Ueber-
setzung ausCyrill von Jerusalem entspricht MAconoycT'B dem griech.
ri TsaaaQaxoarifi (Omie. pyK. chho^. 6h6j[. II. 2. 58] und im Izborn.
1073 lautet ^ &yla xeaaaQayLOOTi] im Plural gebraucht cbat'H£el ma-
conoymTA (sc. uejilkxa)^ daher auch in ipat. Chronik ao MAconoyn^B.
Bei Cyrill von Turov liest man b-l np^Boyio HCAi^io MAconoycT'B h
ua&xonoycTx eAHHOio tbopat'l (ed. Ealajd. 159).
Die südrussische, vielfach sehr poetisch gehaltene, Chronik
des Hypatius-Elosters, bewegt sich in denselben Bahnen, was den
Gebrauch der Composita anbelangt. Auch diese Chronik kennt
Bildungen mit 6e3-: ÖeaMbaABiimcB, 6e3oyMi>H'£, ÖecBMbpTbH'L ; mit
6jaro- : 6jiaroBOJiBTH, ÖJEaro^apuTn, ({jiaroBipbH'B, 6j[aroBOHi>H'B, ÖJia-
FOJDOÖHBT, ÖJDcaroHpaBbH'L, ÖjarocLpA'B, ÖjarocyMbiix, (JjaroxBajbH'B,
6jaroiu>CTHB'B, ÖjaroB^piiiB, 6jaroBin^eHHB, 6j[aroAaTi>, öjarooyxaHHiB;
mit 6oro- : 6orotf OHHrB, tioro6oM3HHB'B, öorojiioÖHB'L, 6oroMHpi>u'B, 6oro-
MoyAP'B, — daher 6oroMoyÄpi»cTBO — , 6oroHa6%AHBrB und öorocB-
Haä^jKHarB, 6oroH3BOJ[ißU'B, 6oronpHiiTbH'B, 6oroHe^ibCTHB'B, 6orocToy-
AbiTB, ÖorooTBi^b, 6oropo;(Hi^a, Öofocjiobbi^b, 6oroisBJBHHB ; mit Bbce- :
BbceioyKaBtiH, BbceMou^BH'B; mit b'mcoko-: BmcoKOM^cjEHie, btiICOko-
oyvHB; mit^oöpo-: Ao6poBoniiH'£iH, AOÖponpaBBH'B, ;^otfpoci>pAHB, ao-
(SpoA^TaiB, AodpoA^tiHHK ; mit mhofo- : MHorOwioyKaB'EiH, MHorojiiTi»-
HUH, KHoronjiOABH'B, MHorocTpacTbHrB , MHoroi^iHLurb; mit mhjio-:
muocbpAEB, HHJEOCLpAOBaTH ; mit Majio-: HazoB^pbH'B, MajOMonp»;
mit BHO- und I^AHHO- : HHOILieMeHbUHITB, HHOUS'BiqbHHICL, BAHHOAOy-
mbunt, BAHHOMucjbH'b^ BAHHO^AA'b ; mit npaBO- und paBbHo : npaso-
BipbEX-npaeOB^pHK, paBbHOOyHbU'b, paBbHO^bCTHTejb, paBbHOXpHCTO-
Aio6bip»; mit pasbuo-: paabHOJiHqbH'b ; mit np'bBo- und caMo-: ubpso-
30 V. Jagiö,
Moy^eiini^a, caiviOBjacTLi^i») caMocTp^jL'L; mit npHCBHO- : npHCbHonaHA-
TLHt, ^pHCHOÄiBH^a ; mit i^-fcjo- : i^^joMoyApHK. Vergl. noch jreoöo-
A^Ki^b, Ä%7S.eTiMeBhu,hj qioseseMLi^b, imii^ejH)6i>i;b, BejiLMOKa und se-
jrerwiacLHO. Mit Substantiven in der ersten Hälfte ist die Zahl der
Gomposita sehr beschränkt: ßpaTooyÖHHCXBo, rjacoxBajtH'B, kp'bbo-
nuTHK, KptBonpojraTHK, MacJonoycTLH'B, MAconoycTtH'L, MAConoynp»,
MbSAOHMbi^L, MbSA'M^iiaBbi^b [sjutactische ZusammenrUckung), nim^e-
TooyMHK, npaBbÄOjnoÖHie, poyKonncaHHie, cbp^bi^eBHAbi^b [besser cbp-
OTCB^Äti^), cTpacTOTbpnbi^b, TpoyAOJiK)6HK, qro^oTBopbi^b. Hierher
dürfte auch das Adjectiv KOJOBopoTbmaH zu zählen sein.
Aus den nordrussischen — Novgoroder — Chroniken führe ich
noch einige bisher nicht erwähnte Beispiele an : ein ehrendes Epi-
theton für Städte ist ÖorocbnacaeM'b, eine Glocke heisst 6jaroBicTb-
HHKb^ der Tatare cidpoMAbi^b, der Mond ist djE^AOBH^bH'b, ein ähnlich
gebildetes Adjectiv ist poyÄOÄbj[TT>iH; eine Wolke wird mitunter
Toy^enocbH-b genannt; ein ähnliches Adjectiv ist cMbpxoHocbH'B,
daher auch cMbpTOHocHB; der schneelose Frost heisst rojiojreÄ'B, das
Gesuch reliefartig benannt ^ejioÖHTHie, eine neue Art Frauenklei-
dung führte den Namen T^jorpia und Kopfbedeckung Tpeoyx^ ;
ein zweirädriger Wagen hiess ABoeKOjnca, der auf den 1. Sept. fal-
lende Heilige Symeon wurde ji^TonpoBOAbi^b genannt (er heisst auch
jt^Tona^aTbUb] . Mangel an Kleidung drückt man aus durch 6ecirbp-
THK. Vergl. noch ÖpaTOHeHaBHA^HHK, KpbCTonpicToynbHHieB, KpT&BO-
npojTHBbi^b, MeqeHoma, x;[^6oKopMj[eHnie, ^ejOB^KOJioÖHie, qapoA^Hi^a.
Der Bischof ertheilt den Segen KpbcToo6pa3bHo, ein Sonntag in der
Fastenzeit heisst cp^AOKpbCTbHaia He^'i^jn, daher das Substantiv
cepe^oxpecTie, vergl. ähnlich cpi^oroB^HHie; eopoKOoycTTB und copo-
KooycTHK sind die vierzigtägigen Gebete nach dem Verstorbenen,
Poetisch klingen die Epitheta ornantia xpaßpocbpA^ und Kpin'BKo-
poyKb, ebenso die Bezeichnung einer Glockenuhrt ^acosBOHH (auch
TiacosBOH-b); üblich ist s-bjroM'MCJibH'B. Mit na- finde ich na^opora (ein
schlechter Weg), naroyßa-BbcenaroyÖbH'b, naoaepbe, napoßoicB ; neben
6e3- begegnet auch ne- : neöcPL, neÖ'biBaibi^» (schon im A.T. Zachar.
XI. 15 ajteiQog), HeB^pbHincB, Hejnoöbe-nejnoÖ'bKa, ueMaj'HH, hcmo-
ÄCEHK, nenocjoBHi^a (Disharmonie), necoBiTbCTBO (id.). Ein Theil
der alten Stadt Novgorod hiess oh^b nojE'B (jenseitig, wie in Moskau
noch jetzt SaMocKBop^^e, d. h. was hinter Moskva rieka liegt), der
Bewohner oH'Bno jOBH^ib , merkwürdigerweise im Plural oHHnojio-
Die slaT. Composita in ihrem sprachgeschichtlichen Auftreten. 3]
BH^H (oder novgorodisch OHHnojOBHipi) Novg. Chr. I. 208, gen. plur.
onux'B nozoBHip» (ohux^ nojOBHqi»).
Das älteste Denkmal der südrussisofaen halbwegs volksthttm-
liehen Dichtung, das bekannte »CüOBoa, ist in der Anwendung der
Composita beschränkt auf sehr wenige Beispiele, zum grösseren
Theil schon aus der kirchenslavischen Sprache wohl bekannt, wie
6oropo;i;Hi^a, mecTOKp'MJLLi^b, TpLCBiTi>jn& (TpecBiTBj'B), ni&cHOTBopLip»,
neu ist hhoxoabi^l vom Pferd, das HHOxo;5b im Gang zeigt, Srezn.
citirt im Wörterbuch auch die kürzere Form hhoxoa'b (im Wörter-
buch falsch HHoxoAB gedruckt) aus einem Denkmal des XII. Jahrh.
In dem altrussischen Wörterbuch Sreznevskij, wovon aller-
dings erst die Buchstaben A — N erschienen sind, kann man an dem
dort benutzten und verwertheten Material dieselbe Beobachtung
machen, nämlich dass die grösste Anzahl von den Compositis der
Nachahmung griechischer Vorbilder ihren Ursprung verdankt.
Daraus erklären sich Composita, die ich nicht einzeln anführen
will, mit folgenden ersten Theilen: Öea-, Öjaro-, s'Ljro- (seltener
3Mi-), ÄOÖpo- (seltener Äo6p^-). Maio-, M-BHoro-, sejie- und Bejn>-,
BBCe-, BCJIHKO-, BMCOKO-, B'MmC-, AOCTO- odcr ^^OCTOHHO-, ÄHBO-,
K^HHO-, HHO-, 3ijo-, jHxo-, J1060-, jTbKe-, HOBO-, Hoy^po- uud mit
solchen Substantiven : 6oro-, ;^oyme-, a^to-, rpixo-, 3B§po-, sb^sac-,
aeUJIK-, 3JiaT0-, HÄOJO-, HCTHHO-, KptBO-, KpbCTO-, KpaK-, KoyMHpo-,
KB3H0-, »iHpo-, MB3Ä0-, Ha^ajio-. lu jcdcm so beginnenden Compo-
situm kann man mehrere Beispiele nachweisen, die an sich nichts
Auffallendes bieten. Ausserdem möchte ich noch einzeln anführen
folgende nicht ganz triviale Belege: a) für Abhängigkeitscomposita
aPHOHOCBH'L, 6acH0CJi0BHiß, ÖacHOTBopBi^L uud -TBopeHHiB, ÖpaTOHena-
BBXbjjb und 6paT0HeHaBHCTbH%, (JpaTOTBopeHHie, tfi^coÖOHHHie, 6^como-
jorrexb, Be^epo^A^ oder Be^epoHAeHuie, BEHOi^bpirB^mH, Bj[acTOj[io($Bi^L,
BOAoqBpn^, BOAOKpen^H, BicTOHoma, BptTHn^eHOCBUb, rn^BOAbpaLbi^b,
rpa^ojiDÖHB, rpoÖOKonaTejTb, rpoÖoprifH, AaHOILl[aTb^b, AapoHOCbH'B,
ApoyroJioÖbi^b, ÄpoyrojiioÖHiß, ÄBopoMCTapb, -MexaHHK, ^apoHOCbux,
xliojioÖ'B und A%BOjno6bCTBbH%, A0M0Abpa:bi^>, 3anoBiAoxpaHHTej[b,
3Bi3A06epbiPi, -^bTbl^b, 3eM0BJ[aCTbI^>, 3MbieC^^ia, 3Srni6HTbHHieB, KJKH)-
^eAbpxbUb, KaMeHOc^^Ub, Kj[ATBo;[H)6bi;b, KoyHOjK)6bi{b, KcynoRMbip»,
ROy^enOTbiieHHK, K0J[0B03b^b, MOACBapi, MCAOTOqbH'b, MbpTBO^ABI^b,
MixoHoma, M AcoTBopeHHK ; b) fttr die Determinativcomposita: 6pa-
Toc^MimeHHie, 6epe3030J'b, BOAOBaxa, BOAOAP'bsa, BO^oTe^a, r^taconn-
32 V. Jagiö,
u^ajiL, rpoMorjacbHi; rpoMoiLiaMeHbnx^ ;i;oyxo6opiii^b, AoyxopaTkiiHKTB,
AiaMOKOypbH^, KOypOKJIHK^, BOpOHOrpaS, KOSbJOrJaCOBaHHK^ Kp'BTOpüUI)
3oy6oKrAb und soyÖoiKa, sapespa^ibH'B, K03opoÄIl^l., KOJLOBOpoxt, Ma-
cjoApl^BHB, ja^OABHEK, jioyKOHopHT6, HoroÖojHB'UH ; vcrgl. noch 6tr-
CTB03KHBbI^b, ^I^HepOAbH'L Und fl,hne(iBiTAE^ fl,0yiBM2k^hll,hj BJLTiKOIdAhWh,
SHSHOHaqajibHHicL, KanHU^ecjEoyxeHEB, Hon^eraTbCTBo; c) für Attribu-
tiv- und daraus hervorgegangene Possessivcomposita: rposooK^,
roJooycbiH, roycToÖpaA'MH, roycTOBjracBrH, KpayucAcpcMH, KpacbHO-
jiHi^b, KpaTOBJacx, KopoTomiiH, Kayicoiiocun, öi^JiopHSbi^b, acecTouinHi^b,
iq)HBOBtpbH'B, KpinbKOÄOyUIbH'B, Kpin'BKOOyMbH'b, KpOT'BKOAOyillbH'L,
Mbps'BKGCJioBecbH'B, MjaÄOTijibH'MH, MjiaAOoyMbH'HH, rJoyÖcKopascy-
MbUb, rjioyöoKooycTbH'L, Aps^roKaMeiibH'b, Bpi^ooyMbn'L, jnoTOBjracTHK.
Vergleiche noch ÖxpaopiqHB'B, HiMopiqHB'b, Ötjiorojoyö'HH, Kpoy-
r^ioodji'biH uud ÖoypaniLibHHKx [der Kanonier), der öoypio a n-sutb
hervorbringt (?) . Als dvandva-Composition : ßparx-cecTpa, kosoko-
mcyra.
In den volksthllmlich gehaltenen Texten fehlt der grössere
Theil dieser durch den Zwang der wortgetreuen Uebersetzung her-
vorgerufenen Composita gänzlich. Ueberhaupt ist die Anwendung
der Composition massig. Z. B. in der volksthUmlich geschriebenen
Erzählung CKasaiiie o HOJiOAUt h a^bhi;^ (IlaM. Ap* nucbMeii. Nr. 99)
fand ich ein einziges Compositum cbipoMATHua canorn.
Dieselbe Enthaltsamkeit beobachtet die epische Volksdich-
tung. Sie hat ihre stehenden Schmuckepitheta, doch bestehen diese
meistens in den einfachen Adjectiven oder ist der Zusatz durch eine
Art dvandva-Composition zu wege gebracht, wie crap-B-MaTep-b (als
Accus, auch cTapoMaxepy), ropA^JiHB'b-cnicHB'b, oder auch ganz lose
an das entsprechende Substantiv angefügt ein aus Substantiv und
Adjectiv bestehender Nominativ: TypTb-aoJioTbie pora (allerdings be-
gegnet auch als Compositum ^exbipe Typa sjaxoporie). Wirkliche
Composita sind im ganzen nicht zahlreich. Ich wähle zur Veran-
schaulichung den in Kirsa-Danilov's Texten enthaltenen Stoff her-
aus. In diesem findet man Substantiva wie rjryxoMopbe, MejoÖHTie,
Mixoiioma, KpoBOJiHTie, cnoBHA^ubHi^e, und mit Öea: (JesBpeMeHbe,
äesA^^iHi^a. Sonst sind nur Adjectiva in der Composition nachweis-
bar und auch da ist der Reichthum nicht gross, wie man am besten
daraus ersieht, dass dasselbe Epitheton für mehrere Substanzen
herhalten muss. So ist 6t.ioAyÖoBbiH nicht nur cToji'b, sondern auch
Die slav. Composita in ihrem BprachgeBohichtlichen Aaftreten. 33
Tuaxa, KpKima, ApoBa und CBiTjrai^a. Eine grössere Erfindungsgabe
ist wohl leicht denkbar! Ebenso ist nicht nur najiaTa 6^oKaMeHHafl,
sondern auch cT^Ha und nen^epa. Folgende Epitheta sind stehend,
d.h. sie wiederholen sich öfters: B^oBa MHoropasyHHaH, Aopora npn-
MO^acafl, KaMCHL caMoi^BiTHUH, Kifl^a B0A0B03HaAy opyxbe oder pysBe
AojroM^pHoe, KaHKa ÖtüoxpyTqaTaH, oiaTBe pasHoi^BtTHoe, cyna cu*
poKflTHaHi my6a AOJironojraa (auch der Held BacHjüS ist AOJironojiuH
oder substantivirt AojTonojran^e, ebenso Copo^HHa AOJiuronojiafl), hpjchkh
cKoponnc^aTue; die Finnen heissen ^jab Ö^jorjasan, die Teufel
^epTH BocTporcjoBue. Von Umständen hängt es ab, dass das Russen-
Tolk npaBociaBHUH HapoA'B oder npaBocjaBuiiiH Hip'L genannt wird,
ebenso sein Herrscher ÖJiaroB^pHUH i(api> oder i^apHi^a ÖjtaroB^pHaH,
oder wenn es sich gerade trifft, dass von KHiirHHfl HOBo6paTiHaH die
Bede ist. Zu BpeMeua kann das Epitheton nepBouaqajBHUH, zu crar-
pHsa das Epitheton cTapo^aBnan hinzutreten. Die Jäger, wenn sie
Fischer sind, heissen oxothhkh puäojKOBue, und der Faustkampf hat
seine stehende Benennung pyKonaiuHUH 6oh; das Pferd als kohl
heisst meistens Aotipun, aber xepeÖei^'B führt das Epitheton kojko-
rpRBTh oder KOjorpHBUH. Eine ewige Sklaverei wird xojohctbo si-
KOBt^Hoe genannt; und die neu ausgehobenen Soldaten sind natürlich
coJAaTU HOBo6pauHue. Vereinzelt fand ich Acpeso cyxoBepxoe und
KOHi» cyxonapuu (das Pferd das nicht leicht in Schweiss kommt?).
Mit 6e3- und ne- begegnen : cjOBa Öosa^jibhuh, epernm^a Öesöoa:-
HHi^a, cojfAaTU 6e3yMH£ie, MOjKOAei^'B 6e3BpeMeHHLiH, mba'b ÖeanpocBin-
huh; MysEHKH HepasyMHue^ najta^'B HeMHJiocTHBUH, cKop6i> HeAOÖpan,
auch JTEOAH HeAOÖpue, Aopora ueÖÄBSimuL.
Ebenso macht die kleinrussische Volksdichtung nur einen sehr
massigen Gebrauch von der Gomposition. In den von Maksimovic
herausgegebenen 20 Dumen fand ich folgende Substantiya : tiesBiA^e,
6e3Xjri6i»e, BepxoBirbe, mmexoAei^b, cyxoAli, CKajio3y6 als Nom. prop.,
caMonaji, satirisch rpeqK9ciH, und folgende Adjectiva: rocnoAB oder
6or XHJiOcepAHHH, cepMiira cennjoLaTHaA, opjiH CHSonipH, sjcaTOCHHi khh-
AaiCH, ceHHnHAUHe nHu^asH; oAEOCTauHecTaTH; mit 6e3- oder He: 6e3-
piAHHH, ÖespiAHHHXBeAop, ÖeaÖoaLHHHyniKaiH, HeAOBipoK xphcthahckh,
HBAotipe, ueöaraTHH.
Wenn man die einzelnen, wenn auch nur die hervorragendsten
Dichter des XVIU. und XIX. Jahrh. nach dieser Seite einer Prü-
fung unterziehen wollte, was auch eine sehr lohnende Aufgabe
ArehiT fbr sUTische Philologie. XXI. 3
34 V. Jftgiö,
wäre, so würde man finden, dass sie im Ganzen von der Zusam-
mensetznng einen sehr massigen Gebrauch machen und während
die modernen in dieser Beziehung in die Fussstapfen der Volks-
sprache treten, klingen bei den älteren die Reminiscenzen der
kirchenslavischen Diction nach. Ich nahm z. B. den ersten Band
der neuesten akad. Ausgabe Lomonosov's durch (Odendicbtungen,
UebersetzungeU; Epigramme) und fand in ihm solche Composita :
a) Substantiva: Bejimccji^nie, AOÖpoA^TejL, Öjaro^aTb, ÖjaroA^Hme,
\iyÄejOÄHHKTb, cTHxoTBopei^'B, seMÄQflj^ÄBixh, ZÄOfijk&cTBO, — wic mau
sieht lauter altbekannte Composita; b) Adjectiva: 6jarocjoBeHHiJH.
<5j[aroiipiHTHUH, BeJHKOJ^nHLiH, 6jaronoj[y^HiiiH, Bejunco/CTiuHUH,
ÖJaroBOHHUH, Bej[ej[§nH£iH, AOÖpocepAe^HUH, ^paroi^^HHiiiH, TpyAO-
jH)6HBi>iii, seMHopoAHUH (fÜr J[K)ah], MHorocÖpasHUH, eAHHorjiacHUH,
jerKOB^pHUH, BceBLimHiS, bccji^thIiIh, BcecHJiBHLiH, Bceo^eApuH,
noBceAHeBHUH, Bce^acno, noBce^acHO, cTpeMrjäB'L ; femer yerhältniss-
massig zahlreiche Composita mit des- : ÖesÖ^AHuS, 6e3AyniHiiiH, 6e3-
BpeMeHHO, 6e3MipHUH, 6e3o6j[a^[HiJH, ($e3naTy6HUH. ÖesMOJiBHBiH, 6e3-
M^pHBTH, ($e33HaTHon, tfe3onacHUH, 6e3pa3eyAH0, 6e3CTUAHUH, 6e3-
CMcpTnuä (auch Snbst. 6e3CMepTie), 6e3coBicTHMfi, 6e3qyBCTBeHHMS,
^e3ii^acTHLiH, 6e3CJOBLHUH, (iesTiHCJEeHHUH, 6e3npecTaHHO, 6e3^ÄO^^-
HUH. Auch in diesen Bildungen leben alte kirchenslavische
Traditionen fort. Seltener sind Adjective mit ne-: neB^AOMUH,
He3a6BeHHLlH, HejeCTHuS, HejOSHUH, nenOCTHSKHLIH, HeCKJOHHUH,
HeTii^eTHuS. Es müssen ganz besondere Anlässe sein, dass der
Dichter zu solchen Bildungen greift, wie : ScBecx rpoMOAepaeuiTejik
oder uiyM-B cjiaAKOcTpyiiHBiH.
VII.
Die böhmische Sprache ist unter allen slavischen, die nicht
vom Altkirchenslavischen ihre stärksten Impulse und ihre Ab-
hängigkeit verspürten, die am frühesten zur literarischen Entfaltung
gekommene. Es ist darum für unseren Zweck sehr wichtig, die
Anwendung der zusammengesetzten Wörternach den altböhmischen
Sprachdenkmälern einer Prüfung zu unterwerfen, so weit das heute,
beim Mangel eines altböhm. Wörterbuchs, durchführbar ist. Da
stellt sich nun, selbst bei einem sehr unvollständigen Ueberblick,
die Thatsache heraus, dass das Altböhmische in den ältesten und
Die Blav. Gomposita in ihrem Bprachgesohichtlichen Auftreten. 35
bedeutendsten Denkmälern des Mittelalters durchaus nicht in der-
selben Sphäre sich bewegt, wie die bisher genannten südostslavi-
sehen, unter dem grössten Einfluss des Altkirchenslavischen
gestandenen Sprachen. So gleich die eine Thatsache verdient her-
yorgeboben zu werden. Statt der zahlreichen Composita mit 6e3-
dort findet man hier kaum das eine und das andere Beispiel ver-
treten. Im Alexanderroman begegnet bezpokojö 507. 1191; im
Wittenb. Psalter bezcSstie (invium), bezvodie (inaquosum), bezden
(abyssus), im Klem. ps. bezdicek (sterilis), bezpHemny (intolera-
bilis), wofür wittenb. netirpedlny setzt. Ich halte diese in den
Psalmentexten begegnende Zusammensetzung für eine Erinne-
rung an die ältesten Einflüsse der altkirchenslavischen Psalmen-
ttbersetzung auf die altböhmische. Allerdings finde ich im Alt-
kirchenslavischen nur 6e3BOABB und ÖesAtHa oder tfesAkHHK (so auch
im Wittenb. Psal. bezden und bezednye), aber die übrigen Aus-
drücke können nach diesem Princip gebildet worden seio. Nie-
mand wird wenigstens in Abrede stellen, dass blahoslaviti, blaho-
slavieundblahoslavenstvie auf dem griech. Vorbild und dem Medium
des Altkirchenslavischen beruhen. Der zweite Theil des Compo-
situm war den späteren Böhmen so wenig geläufig, dass sie aus
-cjOBeHHB die Anlehnung an släva, daher blahoslavie, blahosla-
venstvie machten, also evl6yr]Tog wurde aus tfjiarocjroBeH'B zu
blahoslaven (ps. 17, 47, 71 , 18), wofUr ps, 27, 6 schon blaien^
hospodin steht. Wahrscheinlich ist auch dobrovoln^ (voluntarius)
im Zusammenhang mit dobrovolenstvie nur eine Umbildung des
altkirchenslavischen 6jiaroBOj[BHHiß (auch im Altkirchenslavischen
wechseln 6jiaro- und Ao6po- ab), die Bevorzugung des dobro- mag
durch das lateinische ft^^placitum hervorgerufen sein, dagegen mehr
cechisch-lateinisch klingt dobrolubstvo für beneplacitum. Auch die
Uebersetzung dobrozv&stovnik für evangelizans halte ich fUr eine
nachträgliche Umbildung des kirchenslavischen 6jaroB^cTi»HHicB
nnd jednomyslö fUr consensus ist wohl das altkirchenslavische kau-
HOKHCJiHB (Sfiövoia). Wahrscheinlich urslavisch ist carodejnik
(vergl. Vyb. 1. 268) und cuzozemec für alienigena hat im altkirchen-
slav. Toy3E4enjeMeHbHHic£ seine sehr nahe Parallele, übrigens im
alten Testament kommt auch das altkirchenslavische Tioyx^oseMbi^b
vor. Wenn für adulter cuzolozec gesagt wird, so muss auch dieses
Wort in einem Zusammenhang stehen mit dem als kirchenslavisch
3»
36 V. JagW,
im Russischen geltenden Ausdruck tjtxbjioshhk'b, den ich übrigens
aus Miklosich oder VostokoY nicht nachzuweisen vermag. Das Woit
MHjiocp'BA'B, MiuocprBAHiB ist im AltkuTchenslavischen selbst mög-
licherweise westslavischen Ursprungs, yergl. alex. milosrdie 1909.
1915, milosrdny muz. 46. Doch — um zur Zusammensetzung mit
bez- zurückzukehren, es sei noch das sehr geläufige bezpecn^jsi
alex. bud. muz. 246, bezpecen (Nova, rada 804) , nebezpe6no (ib. 802),
davon das Verbum ubezpeciti (Dalim. 141, 52), erwähnt, oder bei
Dalem. bezd£cny, im Passional bezdietkyni. Alles das sind —
rari nantes gegenüber der Fülle von solchen Zusammensetzungen
im Altkirchenslavischen.
Für den Abgang der Composita mit tiea- wird man reichlich
entschädigt durch die sehr beliebte Zusammensetzung mit ne-. Ich
führe einige Bespiele an. Im Alexanderroman findet man Substan-
tiva: nehoda 179, nepokoj 1500, 2232, 2309, nepriezn 105, nemoc
1792, nekrasa2244, nezrodal78; Adjectiva: neblahyl889, nemal;^
2360, nehoden 266. 1323, nejeden 803. 2043, nejednak 614, nedo-
spil^ 975, nelekko 2172, nepokojny 794, nesyty 1369. 1854, ne-
klidn^808, neradn^ 1657, nesmiern^ 444, neslychan^ 2072, ne-
sborn6 bud. muz. 15, nesnadni^ 215, muz. 5, netvrd 186, nestatecni^
bud. muz. 287, nevinny 296, nev6m;^445, neznä,m^840, nest^astny
2240, neskodny bud^j. 335, nezbeden 227 (trist. 4121 nezbeden),
necstn]^ 66, ne^äden muz. 4, bud. muz. 143, nev6hlasn6 1366. —
Ebenso in der Eatharinenlegende Substantiva: neboüicka 697,
neklid-nekluda 3210. 2892, nelesf 1328, neuka (von einer Person)
1662, neotvlac, -i fem. 600, nezbozenstvie 3091; Adjectiva: ne-
lehky 330, nemocny 296, neboiin:^ 2980, nel6n£ 950, nemalecky
3144, nematn^ 1213, nepodobnS 3124, neozracn^^ 1737, neprirok]^
712, nesmierny, nesnadn^ 542, nebyl^ 102, neposkvrnny 419, ne-
skrovny 583, nev^my 116, neumalen^^ 2904, nevraädn^ 831, ne-
zlisen 1060, neäivn^ 535. — In der Nov4 rada: neräd 683, necest
anekäzeJi 1074, nevd^cn^ 139, nemüdry 170, nemüdre 1060, ne-
scastn]^ 294, neucasten 692, nepodobnjr 1027, nevefny 783, nev^-
mlnvny 133. — Im Wittenb. psalt. nedostatek, neFubost', nemilosf,
nenävist*, nepravda, nev£ra, nevina, nesboiie; nesmyslny, nesyty,
neum^tedln]^. Im Elem. ps. nemozenie, nepamit', nepravost', ne-
umetelnost', nesmysln^. — Im Hrad. rukop. nevSra, neduzny, ne-
kazany, nematn^, nestrpSlny^, nepodobnJ, nerozpa6n&. — Im Svato-
Die alaY. Composita in ihrem sprachgeschiohtlichen Auftreten. 37
Vit. rkp. neboh, neboitik, nesm&ra, nepodobn^, nematny. — Auch
Dalimil hat viele solche Beispiele: neznkmf 34, nemüdry 11. 26.
30. 138, nemadrosf 117, nevehiy 6. 3, nevSra 27, neyinn^ 63,
nepriezn 89, nepodobnV' 95, nemocn^ 135, neprazdny 138, nemi-
loBtiy6 171, nebozatka 171, nepodobizna 147.
Gegenüber dieser Häufigkeit der Anwendung der Negation ne-
als Seitenstttck znm ost- und sttdslayisehen ((es- sind die sonstigen
Composita in der altböhmischen Literatur durchaus nicht häufig.
Nicht alles, aber das Wesentlichste davon sei hier angeführt.
Alexanderroman kennt neben milosrden und milosrdie, das ich be-
reits erwähnte, dobrodruztvo 1825 und adj. dobrodruinie bud. 172,
bei Dalimil das Adjectiv dazu dobrodru2sky 21. 88, 47. 11 ; samo-
striel 1533. 2023, ryboploda oder ryboroda 692, piesnotvor bud. 205.
In der Eatharinenlegende : milosrdenstvie 3284, ocivist^ 1813 und
ducholovy als Epitheton zu rada: ducholovä rada 2969 — 70, zu
zlost': ducholovä zlosf 3073—4. 3243, jednorozeny 483 und vfehlas
fem. 375, adj. vihlasny 294. 366 (alex. nev^hlasne 1366), auch
Svatovit. rkp. kennt v^hlas und v^hlasnosf . Dieses Compositum
ist sehr merkwürdig, schon im Altkirchenslavischen ist sirjacL
eTciavi^f,tü}Vj lieB^rjiaeLH'B &7t€tQog, greg. nanz. 156', aiiad'og ib. 289'.
Ich fasse den zweiten Theil als abhängig vom ersten participialen
auf; antioch. pand. hat auch b^poa'hh ETtiarri^wv. Da man kaum
wttrde nachweisen können, dass Hesirjiac'L auf mährisch-pannoni-
schem Boden ins Altkirchenslavische Aufnahme fand, so wird das
Compositum eher urslavisch sein, vielleicht aus den Zeiten her-
rührend, wo die Klugheit der Menschen bemessen wurde nach der
Kenntniss der rjacn und foah. Ein nach dem deutschen Muster sehr
früh gebildetes Compositum ist kratochvil6 alex. bud. 178, novä
rada 982, Dalim. 168. 32 kratochvÜ — deutsch kurzwile, davon das
Verbum kratochvlliti tristam. — Im Kat. leg. wird Enthusiasmus
durch velesenstvie 2176 ausgedrückt: ist das vele und sen? — Im
Wittenb. ps. begegnet eine sehr schlechte Zusammensetzung lud-
skosbor — nur eine Randbemerkung zu vlast', dann letorast (pal-
mes) zum altslov. ji^TopaoiB (xAij/uara : posra), offenbar der Zu-
wachs während eines Sommers an einem Zweig (wahrscheinlich
igt das Compositum urslavisch) und das bereits erwähnte (Archiv XX
S- 535) kuroptva. Das Wort jestoiska Wittenb. ps. 77. 30 und
viden. ev. Mencik 35 (Matth. 6. 25) kehrt bekanntlich im Serbo-
38 V. Jagiö,
kroatischen wieder und da es sehr schwer mit dem Suffix -lck% in
Zusammenhang zu bringen ist (etwa so, wie bohcko), so könnte man
versucht sein in dem zweiten Tfaeil das Participial des Yerbums
HCKatH zu finden: icTOHCKa wäre, wie c^noKoma, nicht bloss der die
Nahrung suchende, sondern geradezu die Nahrung, Speise selbst.
Velerubstro für magnificentia ist wohl im Wittenb. ps. nur ein
Schreibversehen für yelebstvo (Klem. ps. velebnost'). Noch sei
vlnoskok fluctuatio, velryb cetos erwähnt Im Element, ps. findet
man: ducholovstvie (dolus), ducholovstvo (nequitia), hlasonosie
(vociferatio), milosrdie, svStlonoäe (luciferj, zlorecenstirie (male-
dictio), adj. dluhov^n^ {^angöd^fiog^ altsl. tpbo^jihb'b) und offen-
bar unter dem nachträglichen Einfluss des lateinischen Adverbiums
bene- dobfecinSnie, dobrelubi^ (beneplacitus). Erwähnenswerth ist
das Compositum motovuz (zona), eine uralte Bildung, vergl. poln.
motow^z, klr. motobhs-motoys, MOTys, es ist selbst ins Rumänische
gedrungen. Miklosich nennt das Compositum singulär, ich möchte
es so wie die Composita mit 21060-, b^- erklären (d. h. ein umge-
legtes Band). Das Compositum iivubytie beruht auf der Phrase
zivu byti. — Im Svatovit. rkp. lesen wir dSvosnub, ptdkohädäni,
pt^opaveni, holohumno (granarium), mehodiek (mShodiek) hervor-
gegangen aus dem ganzen Satz m&j ho dhk (habdank, es bedeutet
aber: wohlan), sv&toplozie (altslov. wäre es cB%Tonj[oa:Aa), sv^to-
sviec. — In Hrad. ruk. muzebojce, zlodfej, spoluvfek (Altersgenosse).
— In Dalimil: postoloprtsk^ von Postoloprty= Apostolorum porta,
bohobojny, dobrovolenstvie, häufig cuzozemec, malomocny (altslov.
msliomou^b), häufig zlodSj. — In Tristam: piedimd^tko, vrtov^z
(dobrü vrtovSzi 4599, vrto- ist zu erklären wie moto- d. h. eine
gewundene Weide, v6z, -i fem. vergl. serb. Be3-B63a, russ. sHst). —
In Passion. (Listy filol. IX. 134): ducholov^ filovfece, pvospSch,
licom^rnik, carod^jnik, tvrdohlav, zloreSen^.
Zieht man im Vergleich zu dieser durchaus nicht imponirend
grossen Zahl von Composita den Umfang der berücksichtigten
Denkmäler in Betracht, so wird uns die Geringfügigkeit der An-
wendung von zusammengesetzten Ausdrücken ziemlich stark zu
Bewusstsein gebracht. Man kann bei keinem einzigen Denkmal
die Beobachtung machen, mag es in Versen oder in Prosa abgefasst
sein, dass es sich der Zusammensetzung absichtlich als eines sprach-
lichen Schmuckes zur Hebung des Eindrucks bedient hat. Ganz
Die Blav. Composita in ihrem sprachgescbichtlichen Auftreten. 39
anders und gerade darum um so auffallender stehen die Königin*
hofer Handschrift und Libuäa's Gericht da mit ihren verhält-
nissmässig gehäuften Zusammensetzungen, deren beabsichtigter
Zweck es war, den Totaleindruck der Erzählung oder Schilderung
zu heben.
In der Königinhofer Handschrift findet man einige Epitheta,
die auch sonst bekannt sind, so: v^hlas und v^hlasny, allein die
Aasdrucksweise pod helmiciu velebyster y^hlas (Jarosl. 269) ist
eine moderne Combination, die der echten Bedeutung und Anwen-
dung des Ausdrucks durchwegs zuwiderläuft, ebenso auffallend ist
boh ti da y^hlasy v bujnü hlavu, man würde y^hlas' oder yöhlas-
noBt erwarten; fttr 6arod^j (Jarosl. 75) fanden wir im Altböhm,
carod&jnik, wegen des üblichen zlod^j wäre allerdings auch 6arod6j
nicht unmöglich. Die Adjectiva velebystr^, veleFuiy, veleslavn^
sind moderne Combinationeu, fürs Altböhmische nicht wahrschein-
lich. Die seltene Verwendung des bez für solche Composita, wie
Jarosl. 283 spade bezduch, besprachen wir schon oben. Die Ad-
jectiva hlasonosnä (ob£t') und hrozonosn^ (skrek) sind sprachlich
richtig, allein was soll hlasonosnä ob£t' bedeuten ? Noch weniger
wird man blahodejnö jutro und dcerd lepotvomü mit dem altböh-
mischen Sprachgefühl vereinigen können. Was soll man mit les
dldhopusty anfangen? oder mit drevce sehodlühä? Nicht genug
an allen diesen stark auffallenden Epitheta omantia, der Verfasser
der Königinhofer Handschrift gefiel sich noch ausserdem in jaro-
bujny or und jarobujnä sila, in jarohlav^ tnr, in sedoäero jutro
(dat sedosern jutru), in vlasy zlatostvüci, in vSestraSiv6, vset|chtlnko,
in drva vysokorostlä und an Substantiven leistete er bujarost',
knipobitie und kuropinie. Wo nicht im einzelnen die Anwendung
und auch Bildung dieser Composita Bedenken erregt, da verstäikt
den Eindruck des Befremdenden die tendenziöse, ganz den Charak-
ter der altböhmischen Diction widerstrebende Häufung.
Mit noch grösserer Dreistigkeit treten die Epitheta omantia,
aus zusammengesetzten Adjectiven bestehend, in Libusa's Gericht
auf. Da hat man b^lostvüci riza, desky pravdodatnä, plamen pra-
vdosvSsten, voda strebrop^oä, m2a strebronosnä, svatocüdn& voda,
ot brd vltor&6nych, v£ko2iznych bogov, v^glasnä di\6, zlatonosnä
Otava, zlatopieska glina. Wahrlich, wenn keine anderen Gründe
die Echtheit dieser »Denkmälera bekämpfen würden, so könnte
40 V. Jagid,
man auf Grund dieser Häufung der Composita gegen die Echtheit
Verdacht erhehen.
VIII.
Die polnische Sprache entwickelte sich in den ältesten Phasen
ganz parallel mit der böhmischen , unter deren Einfluss sie auch
stand. Die altpolnischen Sprachdenkmäler zeigen denselben Ent-
wickelungsgang wie jene der altböhmischen Literatur, nur bleibt
jene an Keichthum und Mannichfaltigkeit stark hinter dieser zurück.
Zu den ältesten altpolnischen Sprachdenkmälern zählt man jetzt
die von Prof. Brückner entdeckten Fragmente der Predigten von
St. Kreuz : doch ist hier für die Gomposition die Ernte sehr gering.
Man liest bog vsemogjJcy (wszemogjjcy), boga wszemog^cego, wo-
bei zu beachten ist, dass das Gebetbuch Navojka's dafür wszech-
mog^cy schreibt. Die letztere Form ist die noch heute übliche,
aber nicht die ursprüngliche. Alle Wortgebilde, wo im ersten Theil
ein Casus obliquus oder beim Adjectiv die adverbiale Form zum
Vorschein kommt, sind secundär. Beachtenswerth ist noch in den
St. Kreuzpredigten die Form des Adjectivs milosird statt des später
üblichen milosierdny oder milosierny (ohne d] : skutkiem mitosir-
dym. Noch findet man das Adjectiv bogobojny, noch heute üblich.
— In den Gnesener Predigten begegnen die üblichen Composita
milosierdzie, ztodziej, kaznodzieja und auch licemiemik (vielleicht
durch das böhmische Medium auf das Altkirchenslavische zurück-
gehend), ebenso wie im böhm. jednorozec. Für die alte Bezeich-
nung BxcKpLCHATH wird im Poln. gebraucht zmartwysta6, also eine
zusammengerückte syntactische Fügung, aber auch zmartwykrze-
siö, wo die verblasste alte Bedeutung des Verbums den Zusatz
zmartwy- veranlasste. Heutzutage macht man der Sjoitax noch
grössere Concession und spricht geradezu zmartwychwstac. Vergl.
noch dem ^'LHopHdbi^B entsprechend czarnoksi^inik, davon abge-
leitet czamoksi^stwo, wielkokroö (frequenter). Mit nie-: niewinny,
niedowiarek. — Im Florianer Psalter ist die Zahl der Zusammen-
setzungen mit nie- die grösste : niedostatek, niedostateczny, nie-
moc, niemocny, nieczystota, niemitosc-niemilosciwy, niem^dry, nie-
prawda-nieprawdziwy, nieprawy, nieprawedlnosc, niepewny, nie-
pokalany, nierozumny, niesyty, niestworzony, nieuzyteczny, nie-
Die slav. Gomposita in ihrem spracfageBchichtlichen Auftreten. 41
winowaty, nieplodnosö, nieumieüstwo , niezbozstwo, niewiara,
niewrz^dosö (abusio: neB-LpA^ocTb ?), adv. nieporusznie (inviolabi-
liter). Andere Zasammensetznngen sind gar nicht zahlreich: bez-
winny nnd bezwiästwo (mit bez-), wofür üblicher przez-: przez-
droie (Weglosigkeit), przezdziatkini (kinderlos), przezpicie (sitis),
przezwodzie and przezwodny (Wasserlosigkeit, wasserlos), przez-
winny and przezwii^stwo (gleich den Ausdrücken mit bez). Aus
der kirchenslavischen Quelle durch das böhmische Medium rührt
her Uogoslawiö, Uogostawiony, btogoslawienstwo, und da man den
ersten Theil nicht recht verstand, so entstanden Synonyma : bogo-
s^awic, bogoslawienie. Uralt, oder wenigstens aus dem böhmischen
Medium herttbergenommen ist das bereits erwähnte mil:osierdzie
und milosierdny. Ebenso wurde bereits jeduorozec erwähnt und
cudzoto^ca (adulter) hat im Altböhmischen sein Vorbild, ebenso
cttdzoziemiec. Durch wöilliche Uebersetzung des lat. magnificare
entstand das ungeschickte Compositum wielikoczynic und für legis-
lator lautet die wörtliche Uebersetzung zakonanosca.
Das Gebetbüchlein Nayojka's beschränkt sich auf Gompositio-
nen mit nie- : nieluby, nieczysty, niedostojny, niemilosciwy, nie-
mocny (auch Subst. niemoc) , nierozdzielony, niewymowny, nieprze-
brany, niebeirzany. Mit bez-: bezmierny, femer wielmoiny, end-
lich die bereits erwähnten Ausdrücke : b^ogosiawic, btogostawiony,
milosierdzie, mitosiemy.
Das Gebetbuch Waclaw's enthält mehrere Gomposita mit nie-:
nieduch, niechutnosc, niezgodnosc (discordia), nieprzezpiecznosc
(böhm. nebezpecny), niem^drosc, niesmiara (impatientia), nie-
poczestnosc (irreverentia], niesmialosc (pusillanimitas).
In dem bekannten Lied an die Mutter Gottes hat die Benen-
nung derselben bald die Form bogarodzica, bald bogt^rodzica, das
richtigste wäre bogorodzica, wenn nicht das lat. Vorbild deipsLra den
Genitiv gefordert hätte. In der Ausgabe Bobowski's (Polskie piesni
katolickie od najdawniejszych czasöw do koüca XVI wieka) liegt
eine reiche altpolnische Hymnensammlung vor. Da die Vorbilder
dieser Hymnedtexte lateinisch waren, so kommen fast gar keine
Gomposita vor. Man findet zwar biogostawic, btogosl'awiony und
bogoslawiony, dobrodziejstwo, licemiernik, milosierdzie, mitosierny,
kaznodzieja, zlodziej, bogomy^lnosc, wielmoinosö und einige Ad-
jectiva: bogobojny, cudzolo/ski, dobrowolny, swowolny. marno-
42 V. Jagiö,
tratny, piworodny, wielnioi^Dy, — allein alle diese Beispiele sind
verschwindend gering gegenüber dem Umfang der Texte, nnd man
kann sieh recht lebhaft vorstellcD, welche Fülle von Zusammen-
setzungen dieselben Hymnen aufweisen würden, wenn ihnen nicht
lateinische, sondern griechische Vorbilder vorg3schwebt hätten.
Vielleicht nirgends zeigt sich so mächtig derUnte^*schied der Beein-
flussung seitens der griechischen Diction auf der einen und der la-
teinischen auf der anderen Seite wie in der Hymnendichtung der
Südostslaven, die sich in den griechischen Fussstapfen bewegte, und
der westsla vischen Hymnendichtung, die sich nach den lateinischen
Vorbildern gestaltete.
Ich will noch aus Nehring's Altpoln. Sprachdenkmälern, ans
Brückner's Poln. Glossen in lateinischen Texten und einigen an-
deren älteren Werken einiges Material zusammenstellen , das un-
seren Zwecken dient und die Gomposita betrifft. Auch die poln.
Texte kennen das im Altböhm, nachgewiesene Wort dobrodruistwo
in dobrodruistwo m^zkie (impetus) , ein Vogel heisst graboluszka
oder grabotusk (ascalaphus avis), die Bürgschaft in der Urkunde
1389: rankojmia, jetzt der Bürge r^kojemca. EinGefäss, utensile,
lautet szczebi*zuch (Brückner IV. 48). Für so-tilegium steht als
Glosse czamoksi^stwo, für biga jednokole oder jenokole, probmm
ist z^orzeczenie, zum Substantiv cudzotostwo findet sich auch das
Verbum cudzoloiyc, das aus dem Böhm, bekannte dobrowolenstwo
steht als Glosse zu arbitrium, wielkomyslnosc ist magnanimitas,
meloryb das böhmische velryb (cetus), dtngoswiatnosö Jonganimi-
tas); inochoda, wie im russ. hhoxoai>ip>, vom Pferd gesagt, es
kommt auch inochodnik, inochodniczek, jednochodnik vor. Aehn-
lieh sind gebildet pierworodne dzieci^, marnotrawca, nowoienia
(sponsus), przodochodzca (praecursor), darmochod (vagus); darmo-
leg (Faulenzer), darmopych (aufgeblasen), pustopas (frei). Bei Rej
Joz. cz. findet man chudocnothiwa niewiasta, cLudorodny ist un-
adelig. Vergl. noch die Adjectiva jasnopi^kny, jasno^wietuy, jas-
Dowschodny, obfitodajny, ostrowidne oczy, roinoglosy, roinoplotny,
starodawny . Mit den Substantiven im ersten Theile : ztotorod (au-
rigenum], ptakoprawnik (augur), cialoi^erca, piororuch (ein Vogel),
welnobicie (procella) , sniegorodna zima (Rej, Joz.), chleborodne lato
,ib.), swarorodna niezgoda, kwiatopiodny (florigerus), m0ob6jca
(Bielski), pieczotowliwe prace (soUicitae oecupationes) Brückner
Die bIat. CompoBita in ihrem Bprachgeschichtlichen Auftreten. 43
111.95, drogomilna scieika (Rej, Joz.), daszostratnj (ib.), kozowoii-
ski narod (ib.), Indolowna Biatka (ib.), ludotratny (ib.); ironisch
heissen die Aerzte skörotnpcy. Hierher gehört wohl auch OBoryja
(valtur), Bwi^tokrajca ; zimostradka (eine Pflanze) ist so gebildet
wie latorosl (virgnltum) ; gwiazdomocny ist Olosse zu astripotens,
bojomocny zn palaestripotens, r^kotariny (c. rukotri^ny) zu prodi-
gas, wiatrolotny szum, wiatronogi, wichrokr^tny. Für aruspex und
ariolus findt man Glossen czasoguSlnik, swi^toguslnik. Als posses-
siva Composita führe ich an: ziotogtow (Gold würz), krasomowy
' (po^ta) , czamobrwa (fusca), dHgonogi, ostrowidz (lux), ostrowzrok,
blaskooki (blesus), krwawopienna Iwica (Rej, Joz.), pr^dkopiory,
parskonosy, siwoletnia starosc. Die bekannte Benennung biato-
glowa für Frauenzimmer war ursprünglich ein possessives Compo-
sitam oder aber eine syntactische Wendung biata gtowa. Rej in
Wizenmk declinirte noch beide Theile: zdradziö biah^ gtow^, ebenso
Bielski: wiodly je biale gtowy. Composita mit dem verbalen Theil
in der ersten Hälfte : dr^cznoludna zima (Rej, Joz.), und als Impe-
rativ: pasirzyt (parasitusj. Rej nennt einen bigotten Menschen:
liiobrazek, vergl. noch lapikufel Saufbruder, moczymorda und
moczywQS id., luszczybochenek Tellerlecker, Schmarotzer.
Auch im Polnischen nimmt der erste adjectivische Theil des
Compositums die adverbiale Form an: zlepoiywac (abuti)) dobrze-
s^awic für Uogosiawic, daher auch dobrzestawienie albo btogosta-
wienstwo, aber auch dobroslawienstwo (Sprawozd. filol. XH,
10—11).
Aas dem Substantiv wielbl^d machte man wielbr^d (russ. Bep-
6.iK)A^), aus s^siad wurde volksetymologisch samsiad.
Meine Auseinandersetzung bricht hier ab, sowie im Winter des
Jahres 1898 die Vorlesungen, aus denen sie hervorging, unerwartet
abgebrochen wurden. V, J.
44
Martyrinm des St Dometins.
(Cf. Supr. 157—161.)
Wir bieten im Nachstehenden den griechischen Text der Dometins-
legende Supr. 157 — 161. Zunächst wnrde ans der von nns^) nachge-
wiesene Text ans cod. 184 der Moskauer Synodalbibiiothek f. 235' —
237' durch eine Abschrift des Herrn Dr. W. von Le Jnge zugänglich
gemacht. Er stellt sich als eine rhetorische üeberarbeitung unseres Ab-
schnittes dar und weicht , obwohl inhaltlich übereinstimmend , im Aus-
druck ziemlich stark vom slavischen Text ab. Wir verzichten daher auf
seine Wiedergabe an dieser Stelle, nachdem Herr J. van den Oheyn,
BoUandist in Brüssel, uns die Legende des St. Dometins, dessen Gedächt-
nis Jim 5. Juli gefeiert wird, aus cod. Paris. 548 (Arch. 1. c.) zur Ver-
fügung zu stellen die Güte hatte. Der letzte Theil derselben ist unsre
Legende, die durch eine Verwechselung auf den 23. März datirt ist.
Der Inhalt der Legende, deren Schluss wir hier zum Abdruck brin-
gen, ist folgender :
Nach einem längeren Proömium wird berichtet, dass Dometius von
Abbarus (oder Abarus) in Persien zur Zeit Konstantins des Grossen als
noch ganz junger Mensch mit Verlangen nach dem Christenthum erfüllt
worden sei. Deshalb mit seinen Eltern zerfallen, sei er nach Nisibis ge-
kommen und in ein Kloster gegangen , wo er sich durch seine strenge
Askese bald so hervorthat, dass eine Spaltung der Mönche in eine stren-
gere und laxere Richtung auszubrechen drohte. Deshalb entwich er heim-
lich und zog mit einer Karawane nach Theodosinpolis, unterwegs durch
sein Gebet wilde Thiere und einen tenfliscben Dämon vertreibend. Dort
trat er ins Sergiuskloster ein, das unter der Leitung des alten Archiman-
driten Nuben (oderNubel) stand. Nach 18 Jahren wird er seiner strengen
Askese wegen vom Bischof Jakob von Theodosinpolis wider seinen Willen
zum Diakonos und bald darauf, als ihm wiederholt bei der Eucharistie der
Heilige Geist als weisse Taube erschienen ist , im Auftrag desselben
vom Chorepiskopos Gabriel zum Presbyter geweiht. In feierlicher Pro-
zession soll er durch die Stadt geführt werden, doch weiss er sich wieder
1) Arcb. XVIII, S. 143, Nr. 14.
Martyrium des St. Dometias. 45
durch Flucht dieser Ehrung zu entziehen und gelang^ mit einer Kara-
wane nach 6 Tagen ins Gebiet der Stadt Eyros, wo er in der Kapelle
des Kosmas und Damian beim Dorf Kaproimandus durch ein Wunder
bekannt wird. Er sucht wieder die Einsamkeit auf und geht 8 Millien
nordwärts zum Dorfe Parthen, wo er in rauher Gebirgsumgebung lebt,
nach und nach von vielen aufgesucht wird und viele Wunder verrichtet.
unter Julian erfolgt sein Martyrium, das im Folgenden erzählt wird.
Zu Zeit und Ort des von uns mitgetheilten Abschnittes bemerken wir
nur, dass der Bericht an Julians Aufenthalt im syiischen Antiochia 362/3
anknüpft, genauer an seinen Aufbruch zum Perserkriege und Marsch bis
zum Euphrat 5. März — 13. März 363. Die Auffindung der Reliquien
ist dann 365 anzusetzen. Die Stadt Kyros (gewöhnlich Kyrrhos ge-
nannt), bei der die Geschichte spielt, liegt etwa 100 km nordöstlich von
Antiochia.
Legende des SL Dometius
nach einer Abschrift der Boüandisten zu Brüssel,
Aus Cod. Paris. 548 (cf. Supr. p. 157—161).
74^. ^lovkuxvbg yhq röve b ßaaiXehg xara ttjv Jiyrtöxov TtöXiv
TtaQeyevsTOj sl ye ßaaiXia XQ^ inBivov iTtovofjidaai äQuoiarig
ccir^ xal rij^ TtQogtJfnffilag rb TtaQaßdTYjv xal Svofiov ^) xai,ela6ai
adr&Vj Sri vicg ivrolicg xov 6eov Ttagaßag xal ttjv <]diri]v xai
(xcmaQlav tcIotlv tüv XjQiaTiavCJv idsTifiaag eidwlotg Wvasv.
odrfog yiß TtQÖveQOv &vayv(Ag xai fiaOcjv tie xov xvqIov Xöyta
xal xBiQotovriOelg xal lyxBiQiaag %olg ixQ^^^^^S fivOTrjQlocg xal
T^ Oeltp OvocacTrjQltp Tta^aaricg Ttaqaß&vriv kavrbv srcolrjaB ys"
viaßai. dv b debg &g ivd^iov Tfjg dö^rjg advov e^ecjaag i^ovdi-
vfjfia eTtolrjasv^y oixog xbv^Ioiöav (Äifirjodfievog b deilaiog^) elg-
eXOiav Big zrjv Jimöxov nbXvu xfig TtQCJVi^g twv 2{fQ(ov BTtaqxf-^S
Tovg fiBv T^g eiasßBlag ädXriTag böUoxbv, SkXovg dk rb dsiov
ripayxat^v äQVBiadai, dmag nkrjQcodfj rb BlQrjfiivov' TtovrjQol dk
ävdgianoi xal yörjTBg TtQoxöipovacv inl rb j^eJ^o^ nkapiovTBg xal
TfkapüßfiBVOi, fjv yctQ 6 ävrjQ Ttavovqyog xal döXcog xal iXa^ojv,
älka xal xofiipbg rrjv 'EXkrjvtxriv TtacöslaVy Hfia dl xal xoXaxBV-
<) avofAoy] fioyoy Ms. ^} Inoirjixev] inoirjXBv Ms.
') ^Maiog] ^BiXeog Ma.
46
R. Abicht. H. Schmidt,
TiTcbg xal dt mcoaxioeug xal döaeiog^) xQW^'^^'^ äTtar&v xal
viroaxekl^ayi/ ticg tpvxhg ribv äazriQUTiJv. dg elgekdwv, üg ngo-
elQrjvai, elg Tijv tcöIiv Jimöxov zijv ixxXtjalav Ttjv fieydlrjv rijv
V7th %ov ßaacXiwg Kfovatavrivov olxodofirjOeiaav k^iß^iasv' Tiäaav
yaQ I 75^ (paxvaig ^TtJtcjv ETtXiiqiaaBV j %ov de tötcov tov aylov
ßvaiaOTTjQlov riß idl(p i7t7t(p elg qxivjnjp ijtiveifjiev. rotavta xal
Tooavza ietvh kv rolg Oeloig aeßda^aow iTteöel^axo b fiiaQÖg.
Kai 6fj rovTOv nöXeixog ixdXei jiaovqLiav eniaxQa%svG&v-
Tcjp avT0 xal xanfjTteiyev airbv fj äpAyiirj, e^'qQx^'^^ (^^^ ^^^
ö xoiovTog irtl xov TtöXe^iov. %axh dh xijv bd6v xiveg \ Supr. 158
xaxh xov JopLerlov xoixtp nqogeXOdvxeg xhv dUaiov dtißaXXov
yvövxeg xhv axoTtbv xov ßaaiXitjg ivxlTtaXov Svxa xolg x^g
evaeßelag diddyfiaaiv , & xal fiefidOi^xe nqöxeqov äpayvoOg,
negl &v xal %(p^] b ivaiöiig' äviyvwv, eyvwv xal xaxiyvtuv.
xal xoixtfi xig xCjv eiaeßcjv Avxexelvexo Xiycjv ei &vayvovg
eyvtogj oix üv xaxiyvcjg. xöxe oiv b xiqavvog äcfiivcjg &7to-
de^&fievog xovg diaß&XXovxag xhv dlxaiov iTtex^lvaxo Xiycjv
hyi) iXdijv ipielxpoixaL xhv xaxa xhv Oehv xi^Qvxa ßovXöfievov
xaXeladai, Kai ixoiaavxeg ol delXaioi ^ydXXovxo knevx^f^evoi
x^ xvQ(iw(p köqaiav xal &(xexav6rixov yeviadai naq aixov xrjv
elg xoifg Xqtaxiavovg (xavLav, xal dqafjiövxeg elg xh aTc/jXaiov
xov hylov JoiiexLov eldov adxhv wgel ayyiXov ^OQg)ijv ^x^^^^t
eoxüxa xal xexafiivag^) ?;coyTa*) xitg x^^<xg elg xhv oi^avhv xal
xrjv eix^Q^'^^Q''^^'^ ^id^iv ävani^Ttovxa x^ 6e^ Sfta xolg adxov
Ttaialv xal fxaOrjxaigj olg lyivvrjoev iv xolg xfjg eiaeßelag diddy-
(.laoLV. xal TtQwxov ^ev ixdafxßoi yevöpievoi %Xeyov Ttqhg iXXri-
Xovg* xL üv dwriaöfieOa irtidelvat*) xaxa xov xotoifxov ävd^bg
TtXrjfifxiXfjfia ^ noLav alxlav evQrjaofiev elg 7tQ6q)aaiv xov äve-
Xelv aixöv'y xal ol ^kv \ 75" eXeyov f^tj xxelvfa^ev aixhv xal fjirj
xxrjodjfjieda aixaqxiav. &XXa öub^io^ev aixhv &7th xwv bqiwv
xoivwv, SXXoL %Xeyov' l'de, UXov xhv Xahv imavX^ xal n&vxeg
Tttaxeiovaiv *) elg xhv Ix Maglag, dv eaxaiqwaAv Ttoxe wg S^iov
Oavdxov ol ^lovdaloi. fj^elg oiv ojg xaxic XQiaxiav&v dqyito-
fiivrjg^) avyxXrjxov xal fjyefiövayv avveqyoivxuv xovxov (povei-
') doüBfos] StacBiiis Ms.
3] l/orra] in margine Hb.
5) niCTBvovüiy] -oxr««' Mb.
*^ tejafjiivas] XBxafifjLivas Ms.
*) IniBBivat] inißrjyai Ms.
ö) ^QyiCofÄiyijg] -o/aero^ Ms.
Martyrinm des St Dometins.
47
Gtjfiev. rig yctQ & Tcwlifoiv tovtov avaigeladai; devre oiv Xwfier^)
xaz avr&v. xcri Inavaßivreg In&viü tov &vrqov eldov airchv
larifievov xal TtQogevxdfiBVOv ^era tCjv dvo vrjTtltav xaJ rr^v
yßaXfjitpdlay Ttoioiffisvov rf^g ^xrrjg ßqag, xal Xiyovoiv aix(^' ?§-
bXOBj TcAfie elg rj/^ atQforrjv diit töv ßaatkia- ^iXXsi yccQ TtaQct"
yivBaOai. b dk odx äTtBXQidrj aixoig Xdyov^ äXX^ ^v TtQogxaQteqwv
Tfj nQogevxfl' xai n&Xtv elnov airt^' i^eXde, vA^e Iv rfj bdo-
azQwoiq dih rhv ßaaiXia' fÄiXXsi yag q>diveiv. b 3k fitj ßovXö-
fisyog TTjv TtQogevxrjv duxxöxffai, oix äTtBx^lOrj avxolg X6yov,
tvBiiag Sk wg Xiovveg ol alfxoßÖQQOi &Qfxriaav^) int rhv dlxaioVj
ßoixovxeg Toifg dd&mag^ xal Xaßövreg Xidovg \ Snpr. p. 159 iXiOo-
ßöXaw avrbv xal rovg öio Ttaidag airov xal fiadrjTÜg, inl ro-
aovTOP dh kXidoßöXrjaav airoißg ol alfxoßÖQQOij «wg Stov &v€-
yifiiaav ri OTtriXaiov XWojVj ägre fiij q>alv€odai rb Svtqov. xal
oijTwg XißoßoXoiiiBVog b dlxaiog ohv rolg vrjTcloig TtaQsdoßxev rb
ftvBVfia x(p 6B(p TtQogBV^ifiBvog xal bItviüv rb Afxiiv, xal yiyovBV
t4> dixalfp xal roig avv avztp natolv Tdq)og rb anriXaiov. xal
dqaiiövTBg ol rbv dlxaiov &noxTBLvavTBg iffiiyyBiXav z^ äoBßBi
ßaOiXBl Ttivra rh yBvöfXBva xal Sri adrol xbv dlxaiov ScTtixTei-
rav, I 76' tötb b ßaaiXBvg ixiXBVOBv aixohg ävaKrjTBiv xal xtbi-
vBiv rohg Tfjg BioBßBlag xi^Qvxag.
'O fiBv oiv TÖJtog TOV aylov ^o^btIov äfpavrjg xal &3i^Xog
yiyo^Bv roig xax^ airtov ixTtBfxtpOBiaiv Xidoig xaXvq)dBig^). b ök
TÖJtog Tfj (fyÖGBi Tfj*) aiTov InBLyö^Bvog ivicpv TtXfjOog äyQiwv
ßoTavwv ixavdwdcjv. oVtcj yiiQ xal fiBXQi Tfjg üi^^bqov VTt&qx^^
6 ßXaOTbg tov SQOvg ixBlvov. öiadqa^övTog ob öiBTOvg xQ^^'^
avfißalvBi BfiTto^dr Teva Tag kavrov xa/^TfjXovg iyayövTa ix T^g
bdov XaßBlv xal iv t^ Ilagdiv xTifj^aTi ßoaxfjaai aiTag^ diix to
Tilg AxivOag &vaq)iBadai iv t^ TÖTtq) ixBlvq). ßoaxofxiva)v ök
Tibv xa/Äi^Xtov ixBlOB xaTcc owTvxlav Tivä fila i§ adTCJv AtvbX-
ßovaa nXfialov v^g xw^irjg^) Blgi/JBi bv tivi tötvi^ artoQL^ifi ßoaxr^-
Ofjvai' Tairrrjv dk Idiov^) b tov XTij^aTog (piXa^ xaTidgafiBv ano-
aoßfjaai'^) ix Tfjg &Qoi)Qag' avvißrj dk xaTa6iiüxof.iivriv avTrjv
1) liafiey] eidoifÄSy Ms. Fort, idtofiey to r.at avxov, Snpr. BHAHM'K
^ toQfifl^av] oQ/nijaay Ms.
*) Vi] ^VS^ Ms.
•) idfoy] ei^ioy Ms.
3) xaXvtpOeig] xrtfiffdBig Ms.
5) xijifjirjg] xofATjg Ms.
") fcnoaoßrjaat] anofftoßijaai Ms.
48 H- Abicht H. Schmidt,
Tteaeip Iv rfj Tdq)i^ ymI Tclaad^vai avr^g rhv Ttöda tuv de^ihv
Twv %ii7tqoaOev. xai dtakexrov yevogxiprig ^) fiexa^v tov (pvkaxog
aal TOV xaivrig deaTtdvov eQQiipEv airijv Iv T(p S^ei iv t^ rÖTvqfj
oi fy^ %CLTBx6fiBvov T^al ayvooifiBvov vh kelipavov tov aylov -s/o-
(xbtLov. aTVBkOövTog odv tov TaifTrjg ÖBanÖTOv Big Trjv Kvqbüt&v
TtöXiv BVTvxslv I Supr. p. 160 xari tov q)vXaxog tov Ilaqdhv xttj'
fiaTog xal Tfjg Tcafii^kov kadBlarjg bxbZob kjtl i^iiQag TBoaaQag,
xBipLivrig avTfjg ^) bv t^ tötci^ ixBlvip xal ßia^Ofiivrjg ^) iyBQdfjvai
xai Thv xBxlaOfÄivov Ttöda aTtjQl^ai avvißr] TtaTrjOavTa xaTaßfjvai
avTilg Thv Ttöda Big Trjv ÖTtrjv tov OTtrikaloVj BvBa -ri Siytov XbI-
xpavov TOV d^-|76^xa/ot; VTtfiq^BV (iBTa tQv aiTOV i^aOrjTwv xat
BvOiwg BOTrjQixOrj b Ttovg Tfjg xafirjkov %al vyiijg yiyovBv, irtL-
cpOdaag oiv b TaifTtjg dBOTtÖTrjg BÖQafiBv krt^ a^T'fyi^. fj dh ycdfitj-
kog idovaa aixöv^ avaaTäaa^ vyifj sxovaa tov iaVT^g Ttöda idqa-
(XBV xat awiiVTriaBv Tip BavTfjg dBOTtÖTTj, b äi Bxdafißog yBVÖ-
fiBvog %aTaTO aivwv xal öo^d^wv tov Oböv, oi ob avvBkOövTBg
aiTtj^ BlTtov TtQog avTÖy tI tö Ttaqddo^ov tovto] b dk BlTtBV
BV T0 TÖ7t(p B%Biv(fi Biaoa^) aifTrjv. ol dh BlTtov dBVTB^ XdcnfXBv^)
Thv TÖTtov. xal &TtBk0övTBg Biqov BV T<p TÖTt(p ÖTtijv ßadBiav xal
BvOiiog TLvig b^ aiTUJv BlTtov • ikrjdcjg b tov aylov ^ofiBTlov tö^
Ttog IgtI xal TtdvTwg wdB Bd^ijaof^Bv Th Syiov aiTov kBltpavov.
xal dgafiövTBg V^vByxav TtQBoß'ÖTBQOv , %va Ttoi'fjar] bvx^v iv t^
TÖitip, ol di kaßövTBg dqifyux xal axakidia ÜQv^av. xal bvqöv"
TBg Th kBlipavov ävifjyayov ^btcc xfjakfiqßdlag xal Tc^fjg Tfjg dq>Bi'-
kofjiivrjg xal Bigrjyayov Big Ttjv ixxkrjoiav tov üaQÖhv XTififiaTog.
xal Ttokkov Sxkov GwdQafiövrog xal (xikkovTog tcc kBlipava duxQ^
TtdJ^Bcv BTtBTifjiifjOrjaav ol OTaoLwdBcg, ol dk tüv aylcjv igaoTal
kaßövTBg TCC kBli/java xaTiOrjxav bv t^ oyltp oix(fi bv firjvl IIa-
vifKp^) Tti^TtTj] TtdvTCJV övvBkOövToiv iBQicJV TB xal xkrjQi.XWVj
fxovaxiäv TB xal iQxcf^avdQiTwv xal ka'ix(bv, AvdQUiv tb xal yv-
vaix&Vj ägTB BTtiTBkiaaL boqttjv fXBydkrjv Biog TtBVTBxaidBxdTrjg
TOV Ilavifiov u}]vög.
1) diaXixTOv yByofjtiyrjg] diaXexToyovfAivris Ms.
^) XBifiiprjg avTi^g] xetfiiinj aixrj Ms.
3) ßta^ofAipris] ßia^ofiivrj Ms. *) B^aca] laca Ms.
i>) i&iOfiBv] etdüifuey Ms.
^ navifjKf] in marg. Ms. : xata Maxe^ovas 'lovXit^ I. UavBfJiog entspricht
in der Regel dem Boedromion oder Metageitnion.
Htrtyriam des StDometioB. 49
Snpr. p. 161. Oirog 6 rov &ylov JoiiBxlfyv ßlog^ oiroi ol
%ov dixalov xÖTtoij TtQiTtovreg da^ xal ivd^ünoig^ dih voivfay
VTtb Obov fiev iTceQßakXivTCjg TerlfÄtitai , rifiä\[lV)Tai> dk imb
ßaaikiiov xal 7tqog;KWBl%av imb Uqiiov %al dsoasßöv kawr. Sg
xal ftaQQYjalav %xwv TtQeaßeisi ijthq fjfiwp nqbg %bv Ttav Sktov
dsby oiv T^ iiovoyBVEl aivov vl% xvqlifi 8h ijf^Civ ^Irjaov Xqujt^j
i]} Ttginei Ttäaa dö^Oy rtfiij %al TtQogxirrjaigf vw xal iel xal eig
Tovg alGivag %(bv aUbvcjv ifii^v.
Dr. phil. Rudolf Ahichi, Dr. phil. Hermann Schmidt
Ans der angarischen Sla?eiiwelt
Die folgenden Bemerkungen sind durch zwei Arbeiten hervor-
gerufen; diese Arbeiten sind:
1. ETHorpa«i^Hi MaTepHfljEH 3 yropcKol FycH, siöpan
BojtOAHMHp rnaTiOK, im £THorpa«i?HHH 36ipHHK der §ew8enko-
Gesellschaft der Wissenschaften in Lemberg, als T. III und IV, 1897
und 1898, erschienen, und
2. PyciiKi oceJl b Ea^i^I, von demselben, in den SanncKH
der äewSenko-Oesellschaft, B. XXII, 1898.
Es ist schon mehrmals mit Bedauern ausgesprochen worden, wie
wenig den Slavisten tou der interessanten kleinrussischen Welt und den
daran grenzenden Völkerschaften im Ostlichen Ungarn bekannt ist. Um
so wflnschenswerther wäre es, dass tüchtige Arbeiter dieses Feld un-
Ters&umt und in mehreren Richtungen untersuchen würden, weil die
Magyarisirnng der Gegend rasch vorwärts schreitet, wie auch andere
assimilirende Einflüsse sich den Rusnaken gegenüber geltend machen;
davon zu reden habe ich schon früher in meinen Arbeiten über einige
Dialekte dieser Gegend Gelegenheit gehabt.
Jeder Versuch, uns von den ziemlich isolirten, wenig entwickelten
Rusnaken Ostungams Nachrichten zu geben, ist deshalb mit Freude zu
begrüBsen. So auch die nicht unerhebliche Materialsammlung aus dem
ArekiT fftr sUriicli« Philologie. XXI. 4
50 Oktf Brook»
Lefesden- und MftrcbeDSchats der kleinen rnftiakischen Nation, die
Herr Hnatjnk wfthrend mehrerer Reisen in den Komitaten Maramaros»
Bereg, Ung, Ugocsa und Ztemplin mit groesem Fleiss in den vielen ser*
strenten Dörfern gesammelt nnd als »ETHorpa^iw Ma'repHjuHt ans-
gegeben liat. Die Ausgabe ist dabei bftbseh nnd klar, die einzelnen Er-
zttUaagea von dem Sammler mit reichen Pwallelangaben ans Shnlicher
Literatur versehen, ausserdem auch ein kleines Glossar der localen Wör-
ter beigegeben ) so dass die Arbeit in mehreren Hinsichten ohne Weite-
res zu rtthmen und empfehlen ist. Deshalb bin ich denn auch überzeugt,
Herr Hnatjnk werde mir es nicht Abel nehmen oder missverstehen, wenn
ich bei seiner Arbeit eine Seite angreife, die ich schwächer finde, näm-
lich die Wiedergabe der Laute, besonders der Vokale der betreffenden
Dialekte.
An gutem Willen hat es dem Herausgeber der hier besprochenen
Sammlung nicht gefehlt. In der kurzen Einleitung, wo Herr Hnatjuk
eine flflchtige — auch aus anderer Hand bekannte — Uebersicht über
die ugrorussischen Dialektgrnppen gibt, spricht er es denn auch aus,
er meine in dem von ihm ausgegebenen Material eine Grundlage zu
einer Dialektologie zu geben, auch in phonologischer Hinsicht. Hierzu
finde ich nun, dass die Ausführung bei Hnatjuk nicht genügend sein
wird. Ohne unbescheiden vorzukommen darf ich bedauern, dass der
verdienstvolle Sammler sich mit meiner Dialektstudie im Arohiv f. sl.
Ph. XVII nicht voraus bekannt gemacht hat. Er sagt in der Vorrede:
j» y Hac AHHjeKTOJiborifl ne tIjilko ii^o ho o($po6jieHa, ajie Maaxe ne
THKana« ; aber die erwähnte Studie über einen ugprornssischen Dialekt
(zum Eleinrussischen in Ungarn) war doch früh genug erschienen (1895)
um von Hnatjuk durchgesehen zu werden. Sie bietet, wie ich meine,
wenigstens einen Ausgangs- oder Anhaltspunkt bei der Erforschung der
ugrorussischen Dialekte, besonders in lautlicher Hinsieht. Man wird
vielleicht einwenden, dass die Arbeit zu speciell ist um ohne besondere
phonetische Schulung gelesen zu werden; aber die wesentlichen Punkte
der Darstellung lassen sich doch, wie ich z. B. in Ostungam persönlich
gesehen habe, von einem gewöhnlichen gebildeten, interessirten Beob-
achter ohne Schwierigkeit fassen, um so mehr, falls man die ugrorussi-
schen Dialekte um sich hat, sodass jede bei mir erwähnte Erscheinung
sogleich kontrollirt und bemerkt werden kann. So hätte es Herr Hsatjuk
wenigstens auf seiner zweitenReisethun können, und gewiss mitVortheih
Der Zufall wollte es, dass die Sammlung Hnatjuk's uns Proben aus
Aus der nngaritehen Slavenwelt. 51
dMBB^ben Der£e bietet, au dem ich das Material en mmner Beschreibung
«ÜMfl i|gnMra8fliadie& Dialekts gehoh habe, nAmlich Ublya im Eemitate
Zen^lin. JA habe selbst den alten Volksschullehrer B4pay — den
Vater meines Temdunsten Gewährsmannes — gesprochen, aas dessen
Muide Herr Hnatjnk einige Sachen gehört hat. Eben ans diesen Proben
ist mir deshalb gleich ersichtlioh, wie mangelhaft die lantiiche Wieder-
gabe bei Herrn Hnatjnk in einigen Hinsichten ist ; daraus die folgenden
belenehtenden Punkte.
Aus der Besohreibung des UblysrDialekts hier im Archiv B. XVII
und XIX, wird einem jeden auffallend sein, wie reich nuanoirt das Vokal-
syston des Dialekts ist. Nun darf man ja nicht erwarten, dass der nicht
als Lantforscher etwas geschulte Beobachter alle die Nuancen gleich
fassen soll. So ist es nicht sohwierig Herrn Hnatjuk zu vergeben, wenn
er a. B. den Unterschied der zwei o-Laute (bei mir o — 6 bezeichnet),
der in vielen der ngrorussischen Dialekte hörbar ist, nicht bemerkt oder
wenigstens nicht bezeichnet hat. Zwar ist dieser Unterschied leicht
genng vernehmbar, nämlich ungefähr derselbe wie zwischen norddeut-
aehem »Stock« und x gross«; auch ist er fttr die Feststellung eines der
merkwflrdigstenZflgedesUblya-Dialekts, der »Vokalharmonieer, wie ich
es genannt habe [tnoroz — mirözt u. v. a.) , von höchstem Interesse ;
und bei dem Sprechenden waren die zwei Nuancen ganz bewusst ge-
trennt. Aber die gesetzmässigen Grenzen der, zwei Nuancen sind nicht
ftberall so leicht zu ziehen, die verschiedenen Individuen — und gewiss
aneh Dialekte — sprechen darin etwas verschieden, ja dieselbe Person
kann beiderlei Nuancen in derselben Form neben einander kennen, und
so bedarf es neben einem ziemlich scharfen Ohre auch wohl einer be-
sonderen grammatischen Durchnahme des Stoffes, um hierin wirklich
anziehende Erscheinungen zu finden, die es verdienen, in der Bezeich-
nnng wiedergegeben zu werden.
Ebenso wird man Herrn Hnatjuk leicht vergeben, wenn er in der
Beseiohnnng der reich nuancirten i-Laute, wie ich meine, hie und da
kaum das richtige getroffen hat. In dieser Frage ist übrigens sein gali-
ziaehea Ohr fUiiger gewesen ; die Bezeichnung des Unterschieds zwischen
wide-i und narrow-i gehört, im Ganzen genommen, zu dem in phoneti-
seher Hinsieht gelungensten seiner Ausgabe.
Aneh dass die zwei e-VokalC; die ich seinerzeit durch e — ^ wie-
dergegeben habe (ve^l. ungefähr die erste Silbe des deutschen )) Männer«
mit aSee«), von dem Herausgeber nicht getrennt sind, darf man vielleicht
4*
52 OlafBrocfa,
niclit za sehr tadeln. Nicht jedes Ohr ist zum Unterscheiden der zwei
Nuancen völlig fthig, wenngleich die Slaven bekanntlich nicht nach
»fremden« Ländern zu gehen brauchen» nm sie zu konstatiren. Dnrch
diesen Mangel bei der Bezeichnung Hnatjnk's gehen wiedemm sehr in-
teressante Züge der ugrornssischen Dialekte, die ich in meiner Arbeit
im Archiv XVII genügend beleuchtet habe, verloren. Nur Spuren davon
lassen sich, wie sich unten zeigen wird, auch aus der Bezeichnung
Hnatjnk^s nachweisen — NB., falls man die betreffenden Dialekte selbst
gehört und stndirt hat. Ich will aber, wie gesagt, auch diesen Mangel
bei der Arbeit Herrn Hnatjuk's nicht zu strenge beurtheilen.
Leider hat aber die angewöhnte Bezeichnung der normirten litera-
rischen kleinrussischen Sprache in Galizien Herrn Hnatjuk verleitet,
Vokallaute des Ugrornssischen, wenigstens der mir bekannten ugro-
russischen Dialekte, zusammenzuweifen, die so verschieden sind,
akustisch wie etymologisch, dass das ganze Dialektbild falsch wird,
wenn man sie nicht trennt. Man nehme z. B. das Wort KyiraytfH bei
Hnatjuk, grossruss. KyinurB 6ij. Aus der Form Iftsst sich nur schliessen,
dass das alte i (h) und das alte y (u) in einem gemeinsamen Laut zu-
sammengefallen sind. Dies ist aber nicht der Fall. Im Gegentheil ist
das y (u) des Ublya-Dialekts, und besonders nach Labialen, wie ich
seinerzeit ausgeführt habe, ein so weit nach hinten liegender Vokal —
high-back bis nach mid-back, um die technischen Wörter anzuführen — ,
wie man den Repräsentanten des alten rs in den slavischen Sprachen
seltener findet, während das t auch betont (t), doch unbedingt den vor-
deren (front) Vokalen angehört. Das genannte Wort ist nach meiner
Transskription als kujA^by zu bezeichnen. Es lässt sich nicht sagen,
dass es Herrn Hnatjuk schwierig gewesen wäre, ein passendes cyrilli-
sches Zeichen für das y zu finden; bi liegt mehr als nahe.
Verfolgen wir aber den sehr weit gedehnten Gebranch des Zeichens
H bei Hnatjuk weiter. Wie oben gesagt, trennt der verehrte Sammler
die zwei Nuancen e und i nicht auseinander. Er hat z. B. n6pyH uud
Ha H66i; pesi^cjo und HSMCJ^Tiy (sa^JceT^j^), wo die zwei letzteren
nach den bei mir auseinandergesetzten Principien des Dialekts das ge-
schlossene, enge e (^j hat. Weiter finden wir aber z. B. khab — bei
mir kSifjkit'j als. Hier hat der Herausgeber somit das enge e bemerkt ;
es hat ihm aber an Uebersicht gefehlt, so dass er den Laut »so unge-
fähr« mit dem h z. B. aus einem as^th (geben} bezeichnet hat.
Von dem offenen e, wie von den offenen Vokalen des Ublya-Dia-
Ans der nngariachen Slavenwelt. 53
lekts überhaupt , habe ich in meiner UnterBuchang ausgesprochen, dass
es in unbetonter Lage eine Neigung zu einer etwas geschlosseneren Aus-
spräche hat. Dies hat auch Herr Hnatjuk öfters bemerkt Nach meiner
Meinung kommt es dadurch dem i nahe — ich werde es nicht bestreiten,
wenngleich ich ftlr viele Fälle anderer Meinung bin — und wir finden
es bei ihm wiederum mit h bezeichnet; z. B. sn (grossruss. ate) ^j u* a.
Eine solche Bezeichnung gehört an und für sich zu den kleineren Miss-
griffen, ja sie ist kaum so zu nennen; aber es wirkt ftlr Denjenigen, der
den betreffenden Dialekt gehört hat, gewiss sonderbar, eine Schreib-
weise wie z. B. XHÖH (bei mir zeb^) zu sehen ; die gleichmässig bezeich-
neten Laute gehören doch im betreffenden Falle zu den entschiedenen
Vokal-Gegensätzen des Dialektes.
Schon aus den wenigen angeführten Proben ist ersichtlich, dass
Herr Hnatjuk das Zeichen n für vier, nach meinen eigenen Beobach-
tungen grundverschiedene Vokale verwendet, nämlich
1} t, altes i, bei mir zwei Nuancen, vgl. die Zeichen I und i (»), aber
immerhin zu den front- Vokalen gehörend;
2) Sj das enge, geschlossene e, gewöhnlich durch Palatalisirung
hervorgerufen ;
3) e in unbetonter Lage ; und endlich
4) y (u), theilweise der mixed-Reihe, theilweise entschieden den
back-Vokalen angehörend.
Aber weiter lässt sich ohne Schwierigkeit darstellen, wie auch dies
ganz unkonsequent durchgeführt ist. Man nehme z. B. das grossrnssi-
sche Wort Tenepi>. Nach meinen Untersuchungen wird dieses Wort in
dem Ublya-Dialekt -hUpirn gesprochen, d. h. mit zwei geschlossenen
e's ; das letzte ist direkt durch das palatalisirte r', das erste durch Vo-
kalharmonie in Anlehnung an das 6 der letzten Silbe hervorgerufen.
Der enge e-Laut, ^, ist den ügrorussen selbst klar bewusst. Da bei
ihnen das % (altes i, h geschrieben) unter Betonung, wie ich in meiner
Arbeit im Archiv nachgewiesen habe, eine gesenkte, straffe Znngenlage
einnimmt, gegen das enge e hin oder gar mit vollem Uebergang in das
S (z. B. ocii^ der Augen, eigentlich als olni zu fassen), so ist es leicht
erklärlieh, dass die Ügrorussen mit ihren cyrillischen Zeichen umge-
kehrt das S bisweilen als »na schreiben; eben das Wort tepir wurde
1) Eben in diesem Worte fasse ich die VeräDderung des e ganz anders ;
das berührt aber die principielle Frage wenig.
54 OiafBnck,
mir mdbirfoch als »THxrapb« bezeiehnet. — Nach seiner AoBfiRhning in
anderen Wörtern liitte nun aneh Herr Haaljuk etwa TvnApb sebreiben
mOsseo; wir finden aber THn6pi>.
Weitwea braucht hier nicht angeführt zn werden. Bei der rollen
Anerkennong der fleisaigen Arbeit des Herrn Hnatjnk in anderen Be-
ziehnngen kann ich nur bedaaem, dass ich die eine Seite so scharf kri-
tisiren mnss. Das hoffe ich, wie schon gesagt, wird mir der verehrte
Sammler nicht Abel nehmen ; ich bin selbst der erste, ihn zu entschul-
digen ; denn es ist nicht Jedermann gegeben, die äussere, laotliche Seite
eines Dialektes sogieich oder scharf zu fassen, nnd ausserdem haben die
meisten der slayischen Forscher bisher, nach meiner Meinung, nicht das
genügende Qewicht darauf gelegt, auch die praktische Lautphysiologie,
wenigstens ihre sichergestellten und gröberen Züge, zu dem Studium
der kleineren slavischen Dialekte mitzubringen.
Und doch ist sie die schärfste und beste Sense auf einem reichen
Felde der Slavistik. Ohne sie ist und bleibt das bedeutende Material,
das nach und nach gesammelt wird, für die eigentliche Sprachforschung
oft nur von beschränktem Werthe. Es braucht gar nicht so viel, wie
gewiss Mancher glaubt, um diesen Werth wenigstens beträchtlich zu
heben. Wenn ich die berührte schwächere Seite der Arbeit des Herrn
Hnatjuk etwas eingehender besprochen habe, als es eine kurze Anzeige
erfordert, so ist es in der Hoffnung geschehen, dass eine Warnung hier
auch sonst der slavischen Dialektologie nicht nutzlos werden könnte.
Die zweite Arbeit des Herrn Hnatjuk gibt uns einen werthvoUen
Beitrag zur Ethnographie der — nennen wir sie, wie der verehrte Ver-
fasser — rusnakischen Ansiedelungen im Eomitate Bacs-Bo-
drog (Bacska) und den angrenzenden Gegenden in dem südlichen Un-
garn. Die Arbeit ist theilweise, wie die oben erwähnte, eine Material-
sammlnng, enthält aber ausserdem interessante Beobachtungen aus dem
jetzigen Leben und Treiben dieser nicht zahlreichen, ursprünglich aus
Nordost-Ungarn gekommenen Kolonisten. Land und Volk, ökonomi-
sches Leben, Oewohnheiten nnd Sitten werden berührt. Besonders
fesselnd wird Mancher ohne Zweifel den Eindruck finden, den man von
der Dichtung, von dem eigenthümlichen t) lokal-literarischen« Leben des
Völkleins erhält; das Lied ist ihm lebendig, es macht sich »von selbstc,
es singt von den alltäglichen Begebenheiten und umgebenden Personen,
AuB der nogMiteheB Slavenwelt. 55
— aneh foh dem eben ersohieiieDen Forscher selbst, dessen Fntfpen und
UBtenuehnngen Anftnerksamkeit nnd Neugierde, ja gar Argwohn er*
regt; nnd doeh ist der kleine Stamm durch die enge Berflhrung mit den
nrngebenden Völkern nnd deren Kuhur auch geistig yerhftltnissmSssig
nicht wenig entwickelt.
Der Verfasser zeigt uns, wie die Nachrichten, die man früher von
der kleinen VAlkerschaft erhalten hat, nur spftrlich, nicht korrekt nnd
geradein fehlerhaft gewesen sind. Auch rein geschichtliche Fehler
lassen sich leicht nachweisen. Der Verfasser erwfthnt, dass im Archiv
in Zombor Akta (yp^Aoni aKTn) existiren sollen, die mit Bestimmtheit
sagen, wann und wovon die Kolonisten gekommen sind (Sonderabdr.
p. 3). Es ist au bedauern, dass er diese Akta nicht sogleich durchge-
sehen, da er nun einmal die sfldungarischen Rusnaken als Aufgabe in
Angriff genommen hatte; ich werde unten zeigen, wie dies ftlr die Aus-
forschung der slavisehen Volkerschaften Nordost-Ungarns in sprach-
geschichtlicher Hinsicht wahrscheinlich von nicht geringem Interesse
sein könnte. Der Verfasser begnUgt sich denn vorlAufig mit der unge-
flhren Angabe der Zeit der Einwanderung dieser rusnakischen Eolo-
nisten, die gewiss, wie er meint, in den 30 er Jahren des vorigen Jahr-
hunderts stattgefunden hat.
Von der jetzigen Geschichte der Bacs-Rusnaken weiss Herr Hnatjuk
zu erzählen, wie sie augenscheinlich magyarisirt werden, ein Schicksal,
das sie also mit den zurflckgebliebenen Brüdern in der alten Heimath
gemeinsam haben. Er legt die Schuld, wie es scheint, vielfach auf den
Bischof und kommt dadurch auf einige politische ErwAgungen, die bei
ihm recht verständlich, in dieser 2Mtsclirift aber ohne Bedeutung sind.
Mich interessirt natflrlich vor allem die sprachliche Seite der Arbelt
und in Zusammenhang damit die Meinungen Hnatjuk's von den slavi-
sehen Dialekten Nordost-Ungarns. Der verehrte Verfasser hat die freund-
liche Aufmerksamkeit gehabt, sich brieflich an mich zu wenden. Ich
werde bei Oel^enheit dieser Anzeige dasjenige ausfOhrlicher wieder-
holen, was ich ihm Aber ein paar sprachliche Fragen geantwortet habe.
Schon in der Einleitung zu der zuerst angezeigten Arbeit, wo Herr
Hnatjuk eine kurze Uebersicht Aber die ugrorussisohen Dialektgruppen
Nordost-Ungarns gibt, bespricht er den Dialekt, aus dem der verdienst-
vdle Dialektforscher dieser Oegenden, Herr Eumen Szäbö (Ga6on%) in
Ungvir, in «einer »XpncToxaTiA« p. 231 eine Probe gegeben hat, die
er daselbst »slovakisch« nennt, vHapi^e SeMiuoracKBX'B cjiobhkobxc.
S6 Olaf Broch)
»Mit diesem Dialekt«, schreibt Hnatjnky »habe ich heuer, 1897, Gelegen-*
heit gehabt, mich eingehend bekannt zu machen, zwar nicht in Zemplin,
sondern in den rassischen Kolonien im sttdlichen Ungarn ; aber diese
Kolonien sind eben ans Zemplin und Saros ausgegangen ; ich mnss ganz
entschieden erklftren, dass der Dialekt kein slovakischer, sondern ein
russischer, wenngleich slovakisirter ist.« In einer Note fügt er hinzu :
>£r ist so entstanden, dass die Russinen, bei Berührung mit den Slo-
vaken, von diesen Wörter, Wendungen u. s. w. entlehnt, nicht aber so,
dass die Slovaken dasselbe bei den Russinen entlehnt haben.«
Inzwischen sind meine »Studien Ton der slovakisch-kleinrussischen
Sprachgrenze im östlichen Ungarn«, Kristiania 1897, erschienen, worin
n. a. eine vollständigere Beschreibung eines ähnlichen Dialekts gegeben
ist, und, wie bekannt, habe auch ich ihn »slovakischa genannt (»Eine
Dialektskizze aus dem Ostslovakischen«). In einem Briefe war Herr
Hnatjuk dann so freundlich, mich auf seine Arbeiten und Meinungen
aufmerksam zu machen, wofür ich ihm hier in meiner nordischen Isolirt-
heit zu vielem Dank verpflichtet bin.
Aus seiner Arbeit von den Kolonisten in Bacs-Bodrog erkannte ich
gleich nachher leicht, dass man daselbst wirklich einen Dialekt vor sich
hat, der mit dem bei Szäbö berührten und bei mir analysirten »Ostslo-
vakischen« so gut wie identisch ist; das »Russinische« dieser Bacska-
Kolonien würde somit nach meiner Benennung ein »ostslovakischer
Cotaken-Dialekt« sein. Die wesentlichen gemeinsamen Züge sind leicht
zu konstatiren ; ich brauche nur einige davon zu berühren. So spricht
man in den von Hnatjuk besuchten Kolonien i^o (was). Altes ^, £ sind
in c, dz übergegangen: ci](6Kai^, Jiby^se. Altes i zeigt sich als »m«,
d. h. gewiss eine gröbere Transskription anstatt des vorderen I, das
man aus meiner Beschreibung kennt; vgl. Schreibweisen wie me, sich.
Palatalisirung (besonders /*, n) tritt auch vor e, i auf. Die Laute y
und i sind zusammengefallen, und zwar schreibt HeiT Hnatjuk den ge-
meinsamen (high-front-wide) Laut mit dem Zeichen i, nicht h, was von
dem Gesichtspunkte seiner galizischen Auffassung und Orthographie
leicht verständlich ist. Auch der Accent scheint meistens mit der Be-
tonung bei den Dubravka- undFalkus-Slovaken zusammenzufallen, aber
auf der vorletzten Silbe zu stehen. Hierin sind aber auch bei den nord-
ost-ungarischen »Ostslovaken« verschiedene Stufen zu hören (vgl.
»Studien u. s. w.«, p. 26), so dass man nicht staunen kann, wenn die
Paroxytonirung bei den Bacska-Kolonisten nicht durchgeführt ist. Von
Ans der ungarischen Slavenwelt 57
gemeinsamen Merkmalen, die zu gewOhnliehen trennenden Kriterien der
slaviachen Sprachen gehören, hat man Formen wie cJi&My (Acc., Stroh),
noMOA (Hlllfe) zn notiren.
Aber mit der Benennung Jislovakischc kann sich nun Herr Hnatjnk
nicht versöhnen. Er schreibt mir in seinem Briefe^ es komme ihm vor,
»dass es in der Sprache Ihrer Gewährsmänner Pajkossy nnd Noväk mehr
rassische (d. h. ngrorussische] als slorakische Elemente gibt«; er meint
also, anch ich hätte das Ton mir a. a. 0. beschriebene Idiom russisch
oder rusnakisch nennen sollen.
Ueber Benennungen zu streiten hat ja eigentlich nur wenig Sinn.
Aber in dem vorliegenden Falle hat die Frage ein gewisses Interesse.
Man muss sich in den Gegenden, von denen wir reden, immer klar vor
Augen halten, dass die Sprache mit der eigentlichen Nationalität
nicht zu verwechseln ist.
Falls man nicht wünscht, die einmal angenommene Benennung der
slavischen Sprachen nur in Verwirrung zu bringen, ist es das einzig
richtige, die von Alters her verwendeten Kriterien zur Bestimmung der
Namen der Sprachen festzuhalten. Wo wir einem krava, slama gegen-
flberstehen, daneben j9ßc, moc u. ä., ebenso d vor l bewahrt, z. B. Fem.
Prät üee^/a, finden, da müssen wir von der Sprache, dem Dialekt
sagen, dass er nicht russisch, russinisch, rusnakisch ist. Durch weitere
und vorurtheilsfreie Untersuchung der vorliegenden Dialekte wird Herr
Hnatjnk übrigens ohne Schwierigkeit erkennen, dass die erwähnten
Kriterien nur ganz äusserliche Merkmale eines durchgreifenden Unter-
schiedes des bei mir ostslovakisch genannten Sprachidiomes von dem
Ugrorussischen sind. Um den ganz und gar verschiedenen Bau des Vo-
kalismus der zwei Idiome, den Herr Hnatjuk nicht gefasst hat, nur
flüchtig zu erwähnen, so ist aus meinen Beschreibungen einem Jeden
ersichtlich, wie das Ostslovakische — um älterer Verschmelzungen ur-
sprünglich verschiedener Vokale wie des alten y und des alten i nicht
zu erwähnen — von jeder jetzigen Vokalkategorie praktisch gesprochen
nur eine Nuance, den wide-Vokal, besitzt, während das Bnsnakische
(s. Archiv XVII) überall zwei Nuancen hat, eine weite (ofifene) und eine
enge (geschlossene), ja in gewissen Fällen bis auf drei Nuancen kennt,
die lautgesetzlich und bewusst getrennt sind. Aber auch aus dem Kon-
sonantismus, den Herr Hnatjnk besser gefasst hat, müssen ihm princi-
pielle Unterschiede leicht klar werden. Während das benachbarte Ugro-
mssiaclie in der lebendigen Aussprache praktisch gesprochen jeden
58 OlafBrooh,
KozMonanten aachpalaUlisirt besitzt (f, d*, tn^ v^ s\ z\ t, n n.s.w.), so
siAd im Ofttslorakiaehen fj d* als harte c, dz erstarrt, s^j z*, ebenso als
h I, die zwar »weich«, aber nicht mehr anders als Rudimente zn fassen
sind; sonst sind nur t, n und Trümmer der ehemals palatalisirten Ans-
spraehe des r erhalten. Wft)irend nnn aber das Rasnakisehe vor e, i
(e, h) die Palatalisirung nicht hat, so findet man umgekehrt die Pida-
talisirugsphänomene im Konsonantismus des Ostslovakischen auch yor
e, i wirksam. Auch das entschieden mehr oder weniger verftnderte,
nach durchgeführter Parozytonirang strebende Accentuirungssystem
des Ostslovakischen ist eine Erscheinung, die überaus scharf trennt.
Das sind alles gri^bere Merkmale, woraus sich zum Theil »feinere«,
weniger leicht erkennbare verstehen lassen.
Darf dies wohl übersehen werden ? Gewiss nicht, um so mehr,
wenn die rein lautlichen Aehnlicbkeiten zwischen dem ügrorussischen
und dem Ostslovakischen, Ootakischen, nicht grösser sind, als sich auch
anderswo zwischen anerkannt verschiedenen slav. Sprachen finden Iftsst.
Ich finde somit, man thue am besten und das einzig richtige, von
den erwähnten Sprachen oder Dialekten die Namen zu verwenden^
die z. B. Szabö und ich gebraucht haben. Anders mit den Sprechen-
den. Schon l&ngere Zeit ist man darauf aufmerksam gewesen, wie die
Ugrorussen Nordost-Ungarns eine Neigung haben, sich slovakisiren zu
lassen, d. h. die Sprache der jetzigen (Ost)slovaken anzunehmen. Wie
aus meinen »Studien« ersichtlich, habe ich mir eben die Aufgabe ge-
stellt, diese Frage von rein linguistischem Standpunkte zu beleuch-
ten; ich hoffe in nicht ferner Zeit diese Aufgabe abzuschliessen und
darin durch genaue Analyse festzustellen, in welcher Weise sich diese
ostslovakische Sprachwelle nach Osten bewegt, wie man auf der Grenze
der zwei Idiome üebergänge findet, deren Struktur hOchst eigenthüm-
lich gestaltet ist, und die auch lautlich eine vorläufige Stufe zur end-
lichen Slovakisirung darstellen.
Aus den »Studien« wie auch aus meiner Abhandlung über die
Ugrorussen im Archiv XVII und weiter Archiv XIX, und endlich aus
dem oben Auseinandergesetzten — wie gesagt, eine erweiterte Wieder-
gabe eines Briefes an ihn — wird Herr Hnatjuk gewiss längst gesehen
haben, wie wir in diesem Punkte der Frage gar nicht im Streite sind ;
im Gegentheil arbeite ich selbst in streng sprachlicher Weise auf die
Beleuchtung derThatsachen hin, die er, wie schon frühere Untersueher,
mehr gesehen, gehört und gar gefühlt, als eigentlich analysirt hat. —
AuB der aDgarisckeii Slayenwelt. 59
Hiermit sei der Streit von den Namen der Sprachen erledigt, um
von dem Verhältnis des jetzigen »nunakiaohenc, oder wie ich meine
besser »ostsloyakisehenc Dialektes in der Bsisska zn der eigen tlichev
Nationnlitftt der Bewohner einige Worte zn sagen.
Die Kriterien, die Herr Hnatjnk dafür bat, dass die erwähnten
Kolonien im Komitate Baes-Bodrog als rnanakisoh anzusehen sind, gibt
er mir in seinem Briefe freundlich an: Ij Die Kolonisten nennen sich
selbst Bossinea oder Busnaken. 2) Die ttbrigen, umwohnenden Völker,
Serben, Magyaren, Deutsche, nennen sie ebenfalls Ruaainen (Orosz, Ru-
thenen, Russen). 3) In der Nähe sind slovakische Ansiedelungen; aber
diese und die frflher erwähnten identificiren sich nicht und werden auch
Yon den anderen Völkerschaften nicht identificirt. 4) Die Kolonisten
sind nach der Baeska aus den Komitaten Zemplin und Saros im vorigen
Jahrhundert gekommen und d&mals stand ihre Sprache dem
Russischen noch näher.
Von den Benennungen «Rusina, »Rnsnakea und »Slovakea, .wie sie
im nordöstlichen Ungarn gebraucht werden, ist schon früher genügend
geschrieben worden. Diese Namen gelten mehr dem Glaubensbekennt-
niss als der Nationalität. In meinen demnächst erscheinenden »Weiteren
Studien « wird man finden, wie ein Völklein, das den Ugrorussen dem
Dialekte nach noch nahe steht und von dem Ostslovakischen weniger
flbemommen hat, sich jedoch i^Slovjaken« nennt. Besser ist dann schon
der dritte Punkt aus dem Briefe Hnatjuk's ; er weist wie auf ein altes
Bewusstsein von dem Unterschiede von den eigentlichen Slovaken hin.
Erst Punkt 4 gibt uns aber nach meiner Meinung einen schlagenden
Beweis, dass diese jetzt »ostslovakisch« sprechenden Kolonisten ur-
sprfinglieh nicht nur vielleicht aus »rusnakischen« Oegenden gekommen
sind, sondern auch noch in der neuen Heimath rnsnakisch gesprochen
haben, wo nicht rein ugrorussisch, so doch ein im Grunde völlig ugro-
russisches Idiom.
Ob im Ganzen von dieser älteren Sprache viel bewahrt ist, geht
aus der Abhandlung Hnatjuk's nicht hervor. Wahrscheinlich hat er
nicht mehr gehört als eine kleine Phrase, die wir p. 6 in einer wörtlich
wiedergegebenen Erzählung von der Grflndung der Stadt Keresztur
finden. Aber diese neun Wörter geben uns das nöthige Material, was
auch Herr Hnatjnk daselbst andeutet ; aus ihnen sind die Grundzfige
der sprachlichen Entwiokelung bei diesen Baeska- Russinen gleich er-
sichtlich. Die Kolonisten sind mit einer noch ugromssischen Sprache in
60 Olaf Brooh,
die neue Heimath gekommen. Hier haben sie aber einen »ostslovaki-
schen« Dialekt angenommen; wenngleich nnter neuen Umgebungen,
haben sie eine Sprache bekommen, die ganz dieselbe ist wie diejenige,
die sich unter den zurfickgebliebenen Stammesgenossen in Nordost*
Ungarn immer mehr yerbreitet.
Eine solche Thatsache ist interessant. Man fragt sich nnwillkllr-
lich, wie die Entwickelung vor sich gegangen ist; Herr Hnatjuk hat
sich diese Frage kaum gestellt, sonst hätten wir gewiss mehrere beleuch-
tende Momente erhalten können. Auch im Komitate Bacs-Bodrog woh-
nen bekanntlich SloTaken, d. h. wirkliche Slovaken, aus Nordungam
übersiedelt. Oanz ausgeschlossen ist somit nicht, dass die ugrornssischen
Kolonisten nach der Uebersiedelung mit diesen Slovaken in Bertthrung
gewesen sind und dadurch einen anderen Dialekt erhalten haben ^).
Mehrere Umstände machen aber diesen Vorgang unwahrscheinlich, fflr
mein Auge sogar unmöglich. Die übersiedelten Ugrorussen sind ja in
ganz neue Umgebungen gekommen ; die Nachbarn wurden andere, der
Eindruck von der überlegenen Kultur — die Bedingung der Annahme
einer fremden Sprache — müsste sich anders gestalten ; so sieht man
denn auch, wie die »ostsloyakischc sprechenden Ugrorussen in der
Bacska sich jetzt nach und nach in einer anderen Richtung ändern.
Dass man unter diesen neuen Umgebungen durch Berührung mit Slo-
vaken sozusagen genau dieselbe Sprache hätte erhalten können, wie die
Stammesgenossen in der Nachbarschaft der Ostsloyaken in der alten
Heimath, das wäre schon an und für sich auffallend. Aber ausserdem
scheint es, dass die ursprünglich ugrornssischen Kolonisten in der neuen
Heimath mit Slovaken nicht in Berührung stehen, wenigstens nicht in
solcher unmittelbaren, alltäglichen Berührung, die eine gegenseitige Ein-
wirkung der Sprachen möglich macht; man vergl. bei Hnatjuk p. S.
Ist dies richtig, so muss man den ganzen sprachlichen Vorgang, den
Weg der Entwickelung anders verstehen. Die Sprache der Kolonisten
wird schon in der alten Heimath unter dem slovakiairenden Einfluss ge-
wesen sein, den wir aus diesen Gegenden noch heutigen Tages kennen ;
die »Infektion a hat sie von dorten mit sich gebracht; das Volk ist schon
von dorten mit der Ueberzeugung von der Ueberlegenheit der Slovaken
ausgegangen, einer Ueberzeugung, die den sprachlichen Uebertritt zu
<) Es fehlt mir an Proben aus dem Bacs-Slovakischen, wie leider über-
haupt an Material zur Stütze oder Kontrolle meiner Erwägungen.
Aas der ungarischen Slavenwelt. 61
dem Ostslovakischen psychologisch bedingt, wie ich seinerzeit er-
wähnt habe.
Von welcher Seite nnd in welcher Weise die v Infektions zuerst die
nrsprflDgliche ngromssische Sprache der Kolonisten angegriffen hat —
nnd dies geschah also, wie ich meine, schon in der alten Heimath — ,
iSsst sich nicht bestimmt sagen, aber wohl vermuthen. Entweder wird
ein gewisser Theil der jtlngeren Generation der Auswanderer oder auch
einige der in der alten Heimath den Slovaken am nächsten wohnenden
Answandererfamilien, alt nnd jnng , vor der üebersiedelnng sprachlich
slovakisirt gewesen sein ; erst so kann man es verstehen, dass die Aas-
wanderer den lautlichen üebertritt zur ostsloyakischen Sprache vollendet
haben, nicht nur einige einzelne Züge angenommen — als einen An-
fang, der dann später hätte unterbrochen werden können. Genug an dem,
der Sauerteig ist mitgekommen und hat nach und nach die Durchsäuerung
der ganzen kleinen Völkerschaft vollendet, wenngleich unter neuen
Umgebungen. Dies ist eine wirklich interessante Erscheinung.
Wenn nun dies richtig ist, und ich sehe eigentlich keine Möglich-
keit, es zu bestreiten, so entnehmen wir daraus jedenfalls, dass die
ugroTUssischen Kolonisten, die aus Zemplin und Saros nach
Bacs-Bodrog im vorigen Jahrhundert übersiedelt sind, aus
einem sprachlichen Grenzgebiet gekommen sein müssen;
aus einer Gegend, wo das ügrorussische und das Ostslovakische in
nächster Nähe gelebt haben, vielleicht eben auf der damaligen Grenz-
linie der zwei Sprachen.
Ich habe in meinen »Studien er eine genaue Sprachkarte der Gegend
um üngvär gegeben, einen Anfang, der hoffentlich so bald wie möglich
for^esetzt werden wird. Falls nun die historischen Akte, die Herr
Hnatjuk erwähnt, wirklich in Zombor existiren, so wird jeder verstehen,
warum ich, wie anfangs gesagt, bedauere, dass der verehrte Forscher
diese Aktenstücke nicht durchforscht hat. Eine Zusammenstellung der
möglicherweise daselbst zu findenden Angaben mit dem jetzigen Stande
der Dinge könnte uns vielleicht einen beleuchtenden Beitrag zur sprach-
liehen Geschichte der nordostungarischen Slavenwelt geben. Vielleicht
ist dadurch ein Moment zar Beurtheilung der Schnelligkeit der ganzen
slovakisirenden Bewegung zu erhalten; und jedes solche Moment ist ja
viel mehr werth, als allerlei Behauptangen.
Christiania, September 1898. Olaf Broch.
62
BandglosBen znr kasznbisehen Frage.
Zu den vielen »Fragen« unseres J&hrhnnderts hatte sich Aber Nacht
auch eine »kaszubische« beigesellt, an welcher das merkwQrdigste war,
dass sie Oberhaupt auftauchen konnte.
Bekanntlich handelt es sich bei dieser »Frage« darum, ob das
Kaszubische eine selbständige slavische Sprache oder ein polnischer
Dialect ist — im Grunde genommen ein mtlssiger Streit, der jedoch auf
einige sprachliche Thatsachen aufmerksam gemacht hat, die man sonst
vielleicht noch länger unbeachtet gelassen hätte ^).
Natürlich darf Niemandem das Vei^nügen geraubt werden, kaszu-
bisch als eine »besondere slavische Sprache« bezeichnen zu wollen —
eine wissenschaftliche Censur, die dies hindern könnte, haben wir und
wollen wir nicht ; man kann von dem Betreffenden höchstens erwarten,
dass er sich selbst consequent bleiben und auch das Novgorodisehe, das
Masovische, das Weissrussüsche, das (schlesische) Wasserpolnisch, das
Ugrorussische, das Cakavische, das Resianische u. s w. als »besondere
slavische Sprachen« bezeichnen und behandeln wird; dann geben wir
ihm auch die »Besonderheit« des Easzubischen ohne weiteres zu — an-
ders nicht. Wer nur acht bis zehn slavische Sprachen anninupt, nicht
zwanzig bis dreissig, wird keinen Augenblick lang darüber zweifeln
können, ob er Easznbisch als »besondere Sprache« oder als »polnischen
Dialect« zu bezeichnen hat.
Diejenigen, welche mit doppeltem Maasse messen, welche z. B.
Novgorodisch und Moskauisch oder Ober- und Niederserbisch als eine
Sprache zusammenfassen, aber Polnisch und Kaszubisch auseinander-
reissen, erinnern uns an den Neugierigen in der bekannten Krybv'sohen
Fabel, welcher in der » Kunstkammer « den Riesenelephanten zwar
*) Mein hochverehrter Freund, Dr. J. von Earlowicz, besprach bei
seiner Anwesenheit in Berlin die Frage mit mir; er hatte dieselbe für die
Warschauer »Wisla« mit besonderer Betonung der modernen Dialectverhält-
nisse dargestellt; ich erörtere sie hier mit ausschliesslicher Hervorhebung
der altsprachlichen Zeugnisse.
RaDdglossen bot ktttabischen Frage. 63
gADB fibeniehi^ dafllr aber die kleinsten bnkaski und tarakaski wohl
bemerkt. Bbense überaeken diese Herren die riesen^rosse, gane aQ88or^
ordestliehe üebereinstimmang von Poloiseh und Kasznbiaeh, dafür kalten
sie aick bei den trennenden Eleisigkeiten anf : ny, 6paTei]('B, BiiB08aT':B :
cJonirTO A H He BpeM^THjrB, können sie getrost wiederholen.
Wir beachten hier gar nieht, dass das gesaamte Lexiecn, die Syn-
tax, der Formenbestand des Easznbischen, soweit sie (die beiden ersten)
nickt dentsch sind, polnisch sind oder die polnischen yoranssetzen : man
nenne nns z, B. die vielen kasznbischen Wörter, die nicht anch im Pol-
nischen vorkftmen — ans manchem pohlischen Dialekt werden wir wohl
nickt viel weniger nennen können. Wir beschränken nns anf lautliche
Eraeheinnngen, wo allein nnsere Gegner irgend etwas von Belang auf-
treiben könnten.
Alles, was das Polnische eben znm Polnischen gemacht hat, wieder-
holt sich genau ebeaeo im Easzubischen, sogar so sp&te Erscheinungen,
wie die sog. Erweichung der Dentale, der Wandel von ie und io oder
der von ia und ie, z. B. miese miotq^ hiahf bielic u. s. w., Erschei-
nnngen, die nicht hinter das XII. Jahrb. zurtlckgehen können. Oder der
Wandel von tnrt zu tart^ der in keiner slavischen Sprache, ausser im
Polnischen, vorkommt, kork u. s. w. Oder diejenige Entwicklung der
NasalvriEjde, die keiner slavischen Sprache ausser dem Polnischen ge-
ItaCg isty Bftmlich die Entwickelung des \ (an) aus 9 (on), also^^ [g^tna)
ans g^ih^ wie im Polnischen noch des XY. Jahrh. und dialectisch noch
heute; die frappirende Entwickelung 9-^ (^) und i^-i^ (ii^), also
in^-m«^, vmrz^iourzqde wie polnisch mqi'-m^ia, urzqd-tarz^du oder
ßdq-jiiq wie polnisch xdq^idq. Nebenbei sei hier angemerkt, dass dieser
Wandel, ganz im Gegensatze zum böhmischen [avat^-svetty pät^^peti)
nichts mit der Qualität der folgenden Silbe oder Laute zu schaffen hat;
daher polnisch (kaszubisch) nur hciqty swi^y aber nur piqty piqci
(eas. oUl.j; man behauptet nämlich noch immer das Gegentheil und
glnubt, pi^6 piqty wedbseiten auch wie Piotr Pietrze oder bialy bielic^
was absolut falsch ist. Tort und toit^ um auch das noch zu erwähnen,
hat der Kasznbe wie der Pole zu trot und tlot gemacht : es verdient
hervorgehoben zu werden, dass der Pole in einem einzigen, völlig siche-
ren Falle, toH unverstellt lässt: der uralte grosspolnische Ortsname
Kaidrqb ist nämlich mss. Koiodruby^ böhm. Kladrubt/j steht also ft)r
Eiodrqb; ebenso heisst es im »Pommerschen« Gircipani, d. i. ÖerzpSnjane,
nicht Örezp^njane (tert, nicht tret], vgl. auch Kolberg,
64 A. Brückner,
Und auch die -toalk in »pommerBchenc (aach in rflgenschen) Orts-
namen gehen nicht auf tcilk Wolf (wie in Wnlkow n.dgl.) znrflck, son-
dern sind = ylak% ▼olok'L, worflber ein ander Mal mehr. Das Kaszn-
bische nimmt jedoch an noch späteren Erscheinungen des Polnischen
Theil, z. B. an der Brechung des i (y) vor r zn ie (e), die im Polnischen
im XIY. Jahrh. begonnen hat (in einigen wenigen FftUen) nnd erst im
XVI. abschloss, der Easznbe hat somit genau wie der Pole serp {sierp)
fflr älteres sirzp^ serzchl und serzchla (poln. sierchl) fflr älteres mV^A/,
serota [sierota) fttr sirota, serce für sirce^ rozbierac fflr rozbirac, roz-
dzerac fttr rozdzirad^ wemierad für toymiraö, toierzch für toirzch, cer-
piec und cerzpiec für cirzpieö, pierzckj cern und cerznie für cirznie,
czertocotoyj czerzwiony u. s. w. (die altpolnischen Belege sirzpj sirzchl
u. s. w. s. Archiv VII, S. 541 — 544);^ daneben sind einzelne i-Formen,
wie man sie ja auch im Polnischen hört, erhalten, toirzba, wirtel und
wiertelj wircec u. s. w. So identisch sind polnische und kaszubische
Laute !
Aber die Gegner haben ja nicht weniger als 78 lautliche Abwei-
chungen, » Besonderheiten « des Kaszubischen, erwiesen ! 52 vocalische,
24 consonantische, und noch zwei vocallsche dazu macht 78. Die Zahl
stimmt schon, nur nicht das, was mit ihr bewiesen werden soll. Fast
sämmtliche dieser »78 Besonderheiten« des Easzubischen, von denen
übrigens yiele nicht lautlicher Natur sind oder einheitlich, nicht getrennt,
aufzuführen waren, kommen nämlich auch im Polnischen mehr oder
minder häufig vor, und beweisen somit gar nichts für die »Sonderstellung v
des Easzubischen. Es wäre Zeitvergeudang, eine Nummer nach der
anderen hier durchnehmen zu wollen — wer nur eine Ahnung vom Alt-
polnischen oder von polnischen Dialecten hat, stösst ja sofort und von
selbst auf die betreffenden Parallelen. Aber ein paar Nummern, das
schwerste Geschütz unserer Gegner, wollen wir uns hier näher ansehen;
es wird sich nämlich herausstellen, dass auch diese Schusswaffen bloss
angemalte Spielereien sind und unseren Behauptungen keinerlei Schaden
beizufügen vermögen.
Wir beginnen mit dem allerschwersten Caliber: wir haben eben
behauptet, dass der Easzube wie der Pole ursprüngliches tort zu trot
umstellt. Unsere Gegner werden uns triumphirend kaszubisches bctrda,
gardy charna, sarka^ vamcy vorbei gegenüber poln. broda, ffröd, chrono,
sroka u. B. w, entgegensetzen und werden behaupten, dass »in einer äl-
teren Sprachphase tart zweifellos die allgemeine phonetische Form in
Bsndglossen xar kaaznbiechen Frage. 65
giBZ »PoBunerBt anagemmcht hatt, dasa -btart eines der charakte-
ristischen Zeichen der p<nnmerBoheB (d. i., nach jener neuen Termino-
logie, der kaaznbischen) Sprache ist, welches sie ans den übrigen slavi-
sehen Sprachen heraassondertc Alles recht schOn — nur hat das
Polnische neben seinem trat anch tart, ganz wie das kasaabische; dieses
»Zeichne ist somit genan eben so charakteristisch für das Polnische wie
für das Kasznbische ^).
Das auffallende hierbei ist das Eintreten eines tart statt des von
der Theorie zn fordernden iortj eines barda für borda: von anderer
Seite hat man fttnf oder sechs ErklflrnngsYersnche fflr dieses anff&llige
ar sich geleistet, sogar an Einflnss des Deutschen gedacht, was schon
duronologiseh nnmöglich ist, ohne die Erscheinung selbst aafklftren zu
können.
Die Annahme, dass einst in »Pommern« überall tart fdr tart ge-
sprochen wurde, ist unrichtig; wir haben ja »pommersche« Namen schon
aus dem YIIL und IX. Jahrb. mit trat aus tortj z.B. Droffowit, ThraacOj
CealadragtM (CModragrB), AnatmgtM, Es ist nun interessant zu sehen,
daas die Polen in denselben Namen noch im Xu. Jahrh. auch darg
haben können, z.B. Dargarad Onesener Originalurkunde von 1136 und
Lederg (=Gilodrag*i oder eher (Je)ledrag) ebds. Die Pommern haben
einen Fflraten WartisUno — ich brauche kein Gewicht auf die Thiet-
mar^sche Form Wortizlaua fflr Wrodaw (Breslau) zu legen, aber ein
Krakauer Hundschenk 1269 heisst ebenfalls Warcislaus — man be-
wmae, daas es ein »Pommer« war.
Ochs hiess (und heisst) poln. karuo ; dieses karw ist natflrlich masc.
zu karwa Kuh, sonst krowa, vgl. Ortsnamen Karwin. Die Gegner
durften sagen, harv) w&re ein urslav. *k'£ryi, nicht *korv^; haben sie
doch auch den davon abgebildeten alten Ortsnamen Kartoowo ganz
meehanisch mit einem kirchenslavischen *krBvoyo umschrieben ; aber,
frage ich hinwieder: warum kommt in keiner Sprache dieses *kiry^
▼or, nur im Polnischen, dessen ar auch gleich or sein kann? Preussisch
kurwU, welches Leskien unerklärt liess, ist, wie die Masse polnischer
Lehnworte im Prenssischen beweist, aus karw entlehnt; ich möchte
1) Daraufhat mich erst Herr y. Kariowicz aufmerksam gemacht; be-
engen in der älteren Auffassung schenkte ich seinen Beispielen, von denen
mir keines ausschlaggebend erschien, nicht die richtige Beachtung) bis mich
Ueberprtifung des Materials eines andern belehrt hat.
ArehiT fftr slaTiielie Pliilologie. XXI. 5
66 A. Brückner,
hinzufügen, dasB mir jetzt auch litanisch karwe, welches prenssisch und
lettisch ganz unbekannt ist, aus korova entlehnt gilt.
Der Ruf, mit welchem die Bauern auf den Gütern der Adelssippe
Topor alarmirt wurden, war starza; nach einer sehr anspreohenden
Yermuthung des Herrn v. Karirowicz ist dies = poln. stroia Wache:
in dieser yon der gemeinen abweichenden Form konnte der Ruf eben
dem besonderen Zwecke erhalten bleiben ^).
Nachdem durch Fälle wie Dargorad und karw das »Kaszubische«
tart aus tort auch fürs ältere Polnisch erwiesen ist, bieten sich von selbst
alte Orts- und Personennamen zu ähnlicher Deutung dar; was kann
z. B. Liasobarga (1224, kleinpoln. Originalurkunde) anderes sein, als
hfsobarga (= hrog Schober) ? man vgl. Ortsnamen Krobia und Kar-
biela Karbtelin, auch Charbielin, die gewiss mit *Eorbij zusammen-
hängen; man vgl. höhm. Kralupy (993!) und poln. CharlupiavL. dgl.m.
Für unsere Zwecke genügt Folgendes: das Easzubische wandelt in
den überwiegendsten Fällen tort zu trot, genau wie das Polnische und
Nordserbische — man nahm ganz willkürlich an, dass alle diese acht
kaszubischen Worte, Namen aus Feld und Wald u. s. w., erst durch den
literarischen, d. i. nur durch den kirchlichen Einflnss des Polnischen
entstanden wären I! In einigen Fällen wandelt das Kaszubische, mehr
oder minder vereinzelt oder ständiger, tart auch zu tart] das Altpolni-
sehe kannte vereinzelt ebenfalls diesen Lautwandel. Ein modemer
Lautgesetzler allerdings dürfte ob solcher Annahme die Hände über dem
Kopfe zusammenschlagen, aber wir haben eben in Koidrqb und Circi-
pani Beweise des Nichteintretens eines «Lautgesetzes« gegeben und
dienen gleich mit anderen.
Urslavisches tbrt wurde polnisch (kaszubisch) zu tart\ urslavisches
thrt müsste es ebenso, nur »weich« werden, also ctart (heute daraus
kaszubisch cart)^ aber im Polnischen kommt statt des zu erwartenden
ciart ein tart vor, so dass thrt und thrt hier heute zusammenfallen, also
ebenso t^rg^ zu targ wird, wie tbrm zu tarn. Es ist dies nun wieder
ein Hauptargument für die »Selbständigkeit« des Kaszubischen gewor-
den, dieser Gegensatz von kasz. ctoiardi= -poln. twardy^ carti=tartyy
dzarti = darty j dzama = darny miarznqc = marznqöj cztoiarti
^) Piekosinski erklärt diese prociamatio anders, aus stary (wegen
Starykon, Wappenname eines Zweiges desselben Geschlechtes), durchaus
nicht überzeugend.
RandglosBen lur kassnbiflchen Frage. 67
czwarly u. s. w. Dieses Argument ist leider noch viel rissiger als das
erste (trot:(art)\ denn sowohl gibt es im ELaszabischen Beispiele fCUr
iart (statt des za erwartenden ciart) als anch im Polnischen dort (statt
des zu erwartendnn tart). Unsere Gegner escamotiren die Beweiskraft
dieser Fälle wieder dadurch, dass sie für die kaszubischen nach der
zwar Überaus bequemen, aber willkürlich erfundenen Entlehnung oder
Beeinflussung durch die Kirche greifen, für die polnischen soll falsche
Analogie das t in ciart hereingetragen haben: auf die Dauer hält jedoch
diese Taktik nicht vor.
Wenn es z. B. im Polnischen, ganz nach kaszubischer Weise und
gogen das polnische Lautgesetz, heisst piardnqö (statt *pardnqö)y
hniardnqd (in Compp., przesmiardnqö^ przehniardly^ zasmiardnqö,
statt *8fnardnqc)^ ziamo (statt *zamo)j so wäre das ia dieser Worte
beeinflusst durch das ie von pierdzieö, smierdzieöj oder das ia von
ziamisty. Ich sehe ganz davon ab, dass Formen, die diese Beeinflussung
gewirkt haben sollen, im alten Polnisch, wo sie eben hätten wirken
müssen, gar nicht existirt haben (!!) — ich verfüge über tiiftigere Gründe.
Busaisch Aepaidn sollte poln. darzki und kaszub. (alt) dziarzki heissen;
darzki kommt im Poln. seit dem XIY. Jahrh. wirklich vor, daneben das
Zeitwort darznqd = AepsnyTL, aber häufiger und heute allein bekannt
ist dziarski — nach welcher Analogie? Oder: russ. sepno ist kaszub.
(alt) ziatTiOy poln. zamo: diese Form war so fest, dass sogar das Collec-
tiv, aepHie, zartde^) hiess, und doch kennt heute, und so seit jeher, der
Pole nur die valtkaszubische« Form ziamo — nach welcher Analogie?
Russ. cepna heisst poln. sama, kaszub. *8iama, dazu das masc. heute
^areh, aber ebenso heisst im polnischen Wörterbuch des M^czy^ski (1564)
der Behbock siaren — nach welcher Analogie? Siorbaö schlürfen ist
1) Zamo, zamem; zamie, tego zamia kommen mehrfach vor in dem sehr
sorgfältig gedruckten und im besten Polnisch geschriebenen »Crescentyn«
von 1549 (Krakauer Druck), wo auch statt poln. dziura (kaszub. dura, durka
Loch, das deshalb auch unter Nr. 60 unter den »Besonderheiten« figurirt),
dura nnd durka häufig vorkommt, das Übrigens in polnischen Dialecten wohl-
bekannt ist (z. B. io einem masowischen Weihnachtsliede aus dem Ende des
XYI. Jahrh.: iz to nie toiatrek durkami to8fdy wi^e; bei Grescentyn: w du-
roch, nawierciawizy durek, dury und dziurki, iedn^ dsiurkf u. s. w.) und daher
als gemeinpolnisch, nicht als speciell kaszubisch zu bezeichnen war; es heisst
ja z. B. in der Sophienbibel: a szypy sdurawy^ et perforabunt sigittis 117«
Anch in der Bibel des Leopolita (1561) finden wir zdmisiyeh iabiek.
5*
^ A. Brttckner,
auch ansoflQbren ; aiieh czwiarty kommt im XV. und XVL Jahrh. vor,
fflr ezwariy.
Es war dies eine grnndfanle Analogie, um die Wahrheit zu sagen :
sie hat z. B. aa tarn nicht za rfltteln gewagt, hat lieber das ganze Wort
preisgegeben nnd dafür cieni nen gebildet; sie hat sieh, trotz smierc
und umier<i6^ nicht einmal an martwy herangetrant^ welches auch im
Easznbischen nnr in dieser »polnischen« Form bekannt ist (die zn er-
wartende »kasznbische« Form, miartwyy kommt aber in einem maso-
wischen Sprachdenkmal von 1449 wirklich vor; in einem anderen gleich-
zeitigen finden wir mierttoieje oder miarttfneje), nnd in einer Unzahl von
Worten und Formen war diese Analogie zn schüchtern nnd verkroch
sich — mnthig war sie nnr in drei Wintern, in piardfiqöy imiartbiqc^
ziamo I Diesen Beispielen scheint noch eines zngez&hlt werden zn sollen:
dziarstwo Eies (so im XVI. Jahrb.; im XV., zweimal, dzwiarsttco dass ,
einmal drzasttüo), nnd anch ctar^i Omseln scheint mit tamqö (gruseln)
zusammenzuhängen, wie dziarzki mit darznqö.
Es genügt uns wieder, festgestellt zu haben, dass das Polnische,
wie bei der Behandlung von tort, so auch bei der von tbrty Doppelwege
einschlagen konnte : wie es dort neben trat manchmal auch tcfrt hat,
so hat es auch hier neben tart manchmal ein ciart In beiden Fällen
stimmt das Kasznbische zum Polnischen, nur dass es ein paar Beispiele
mehr für tart aus tort, namentlich aber für ciart aus tbrt hat; somit be-
rechtigen uns sogar diese beiden Fälle, d. i. die beiden schwersten Ar-
gumente unserer Gegner, nicht dazu, das Easzubische vom Polnischen
loszureissen, wohin es organisch gehört. Der im Polnischen, das sonst
viel feinfühliger für Weichheitserscheinnngen ist als jede andere slavi-
sche Sprache, so auffallende, der ganzen Sprachentwickelung zuwider-
laufende Verlust der »Weichheit« in tLrt muss schon bis ins IX. und X.
Jahrh. zurückgehen; denn wäre er erst später, z. B. im XI. oder XIL
erschienen, d. h. zu einer Zeit, wo die t', d' zu 6, äi wurden, so hätte
er diese kaum noch zu t, d zurückbringen können. Andere Verluste
der )» Weichheit« kennt das Polnische sporadisch erst seit dem XVI.
Jabrh., z. B. toesoiy aus vnesiolyj serce aus sierce, czenoony aus czer-
wionyj ohecny aus ohiecny u. a.
Somit ist festgestellt, dass Polnisch (Easzubisch) dieselben Laut-
grnppen, tort, tLrt, t'Brt und t'Blt, mehrfach in einem und demselben
Worte, verschieden behandelt. Beispiele für tort und ti>rt (miartmeöj
neben martwieöj obstupere, ist Rozprawy XXIII, 280 zu finden) sind
Bandglossen zor kaaiobiachen Frage. 69
oben gegeben; noeb einmal sei hittgewiesen aaf den kasznb. Weebsel
▼on teirzba »nirc nnd serp^ cerpiec. Tirt wird poln. (kaszab.) zn tari^
aber Tielfaeh zu turt^ z. B. in kurpie (freiüdi behauptet Dr. J. Mik-
kola, Bezzenbergers Beiträge XXI, dass kurpie ans dem Littanischen
entlehnt ist, wegen des onpolnischen nr, aber das ist gmndfalseh, es
giebt keinerlei littaoische Lehnworte im Polnischen, trotz J. Mikkola
und £•. Malinowski); in kurcz kurczyd (schon im XV. Jahrhundert
ganz geUnfig den verschiedensten Quellen, gerade wie das vorige Wort)
KopuHTB; mrugaö (MopraTi»); mrai, mruczeö neben tnarkotaö; zmuT"
szahf neben marcha] purchawka neben parch\ Uirkot neben tarkad
(vf^. szuTffot neben szarffoö); neben zgarbiany hört man zgurbiany\
vielleicht auch burczeö (anders bei Miklosich i. h. v.) neben barczeö
(vom Sausen des Windes, Bozprawy XXIV, 381 aus dem XV. Jahrh.)
u. a. Die Lautftrbnng er (in sterczeö neben stark, termosid, derdad,
schon bei Rey derdaikowie u. a.) übergehen wir.
Noch auffälliger ist dieselbe Vielförmigkeit bei der Vertretung von
tBlt : pxlk'B bleibt Pelk in Eigennamen, Swi^topelk, Przedpelk, Pelka,
Pelczyn, Petczyska u.8.w., wird aber im Appellativ zupuik\ Pelt und
PoHowsk (heute Pnltusk); shmce später 8ionce\ moitoiö (heute rndtoiS;
vgl. Ortsnamen SmoJ:dzyn Schmolsin mit böhmisch smldi Schwarzwurz);
nach den Dentalen, mit der Umstellung, wie in siuince^ ding, dlugi,
dhibiiö, titic, tiumacz, ship ; nach den Gutturalen bleibt et, ffieik, chehn,
cheUt, kieib, kieibcua, kielp, ktetzaö, ebenso nach den Labialen,
foebm, belch, beliad, aber pulk, *koita6 (vgl. kottka, später koistka,
Hals- und Ohrringe) wenn es nicht aus dem Russ. entlehnt ist; zieto
(allgemein im XV. Jahrh.) und zeito, zohüica (glos); cheibtö siq (effari,
neben cheipa iactantia, beides im XV. Jahrhundert, Bozprawy XXIV,
282) und chltdnö nq (oder sollte dies böhmisch sein ?j , chiupad und
chbistaö u. a.
Neben solchen Beispielen dürfte jetzt auch zalza gegenüber zleza
weniger auffallen; neben gl^ {glon, glanek glonek, glej) Stück Brot,
kommt auch gieln vor, Wörterbuch desBartholomaeus vom Jahre 1532,
S. 397, giebiik chleba Neothebel, Raphaelahi vom J. 1582, heute
grosspolnisch gielnik, gielniczek dass.
Auch sonst hat das Polnische Doppelformen; so kommt z. B. neben
jtUro and Ableitungen, wie im Altslovenischen (za ustra?), *jtLstro vor,
z. B. in dem Text der Horae Salvatoris aus der Mitte des XV. Jahrb.,
wo auch kry Blut, czvyarkavey (== czwiartkotoej] !) u. a. vorkommt,
70 '^' Brückner,
cgasszv yvstrzeyszeko (Rozprawy XXV, 208); Stella mataünti jvstrzenka
WOrterbnch des Bartholomaeas von 1532, S. 406. Interessanter als
dieser vereinzelte Fall ist jedoch ein anderer. Bekanntlich hat das Pol-
nische neben toszegoy toszytek^ wszako etc. anch, namentlich nm 1400
hemm, die Formen szwego, szwytek, aztoako etc., z. B. im Flor. Psalter
przeze stoytky dny^ stoszytczyj stoszech, swszem, in den Gnesner Pre-
digten stoyciek Stviat nnd na szwem hoiecie; die zahlreichsten Beispiele
bietet ein Krakauer Plenarinm ans dem Anfange des XV. Jahrb., atvitek
lud omnis plebs, stüitky recy omnia, iemu stoemu nihil homm (in-
tellezernnt), stoelky omnis, switko omnia, aswako qnia, nadeswemi sq-
sadi ffich postoemv pogoru super omnes vicinos eonun et super omnia
montana — doch kommen eben so h&ufig die Formen ohne Metathese
vor. In den horae Salvatoris (ältester Text): tq stoq ^locztotam, swühky
oczczej preswq per totam; in einem kurzen Mariengruss aus derselben
Zeit : szmthkim szwaihem und sztoieczczi szwanczi, daneben wsza und
wazeniy doch hat der Schreiber in diesen beiden Fällen ein s vor dem
ir erst gestrichen, als wenn ein szwa szwem nicht hätte geschrieben
werden sollen. Diese Erscheinung war bisher wohl bekannt ; aber man
beachtete nicht, dass solche Doppelformen bereits seit den ältesten Zeiten
des Poln. nachweisbar sind und zwar in den mit wsze zusammengesetzten
Personennamen. So kommt neben Wszeborius Sweborius vor, neben
Wszegniew wird Swegniew geschrieben u. s. w. Also z. B. im ältesten
Theil des Liber fraternitatis Lubinensis (Monumenta Pol. Histor. IV,
562 — 584), der aus der ersten Hälfte des XII. Jahrb. stammt, finden
wir neben Wsebor iSti^ftor (Zeile 76), darnach Ortsname de Sneborowycz
1 354 ; in den Posener Grodacten neben Wszegneff vom J. 1 397 , Stoegnef
1391 und Swefgewonis (im polnischen Text dazu Sz^gnevx>wi\)\ in der
Gnesner Originalurkunde von 1136 Ortsname Zvepravici d. i. Swie-
prawicy aus Wszeprawicy ; im Nekrolog der Breslauer Prämonstratenser
zu S. Vincenz, Zverad (d. i. Wszerad), ähnlich im Lubiner Buch Sue-
nardtM (circa 1170, wohl verlesen oder verschrieben)?
Diese Zverad und Suenardus führen uns zurück auf einen sehr in-
teressanten Fall, den PotkaAski, Krakow przed Piastami, Abhandl.
d. Krak. Akademie, histor. Cl. XXXV, 1897, S. 198 f. erörtert hat: der
h. Guerardus (gestorben um 1020) nämlich ist der Pole Swerad =
Wszerad gewesen, aus dem Sverad hat man Zoerard und Guerard ge-
macht ; der Heilige lebte später als Einsiedler Andreas (mit Benedikt)
^uf dem berühmten Berge Sabor bei Neutra, das seine B. Emmeraner
Bandglossen znr kaszabischen Frage. 71
Domkirche zu einer Kirche des h. Aii4reas-ZoerardnB und Benediotns
umgetauft hat; vorher hat der Heilige im kleinpolnischen Tropie ge-
weUt, das nach ihm jwi^ty Swirad benannt wurde (eine spätere Legende
machte den h. Sverardns zu einem Schleaier; die Polen wieder machten
ans Zoerardns einen h. Zörawekl). Man könnte sogar versucht sein,
Namen wie Sieciech durch Swieciech aus WszetSch entstehen zu lassen,
wie eben Siegniew aus Wszegniew, doch wollen wir nicht Unsicheres
aufhäufen; aber Siepraw und Sieradzice bleiben sicher.
Auf Grund des gesammelten Materials können wir somit wieder
feststellen, dass wie bei der Behandlung der Gruppen tort, tn&rt, tbrt,
tLlt, so auch bei der von vBse- im Polnischen seit dem X. Jahrhunderte
Doppelformen vorhanden waren, die schliesslich einer einheitlichen bis
auf wenige Reste den Platz geräumt haben. Doch kehren wir zur »kaszu-
bisehen Frage« zurück.
Sogar aus der Stammbildungslehre wurde ein Argument zu Gunsten
der kaazubischen »Selbständigkeit« herbeigeschafft, das Polnische kenne
nämlich nur Bildungen mit -^ko^ das Euiszubische nur Bildungen mit
'iszeze. Auch dieses Argument hält nicht Stich; im Easzubischen sind
-isio-Bildungen häufig und acht und je weiter man in polnische Orts-
namen zurflckgreift, desto häufiger sind*wieder polnische Bildungen auf
iszczCj z. B. Urkunde von 1136 Turcoviste, 1254 Grodzyscze (heute
Grodzisko), 1297 Panthkowisch(e], heute Pi^tkowisko, 1306 Pelcziscze
(heute Pelczyska, 1266 de Pelchist), 1270 Grodyszcze, 1346 Pakoslai
de Stroziscz; schlesische Urkunde von 1193 Sobotiste u. dgl. m. Somit
wären auch die Bildungen auf -iszcze gemeinpolnisch, wie tart neben
trot, eiart neben tart, nicht ausschliesslich kaszubisch.
Bei unseren Gegnern finden wir z. B. die Bemerkung: »die Bruch-
stflcke des mittelalterlichen Polnisch zeigen durchaus keine nähere Ver-
wandtschaft mit dem heutigen »Pommer sehen« (Easzubischen) auf«. Die
vorgelegten Beispiele beweisen hinlänglich die völlige Grundlosigkeit
dieser Behauptung; es sei noch ein Beispiel mehr angefahrt.
Die älteste und wichtigste Urkunde der polnischen Sprache stammt
vom Jahre 1 136 ; es ist dies die päpstliche Bestätigung der Gnesner erz-
bischöflichen Besitzungen an Grund, Menschen und Leistungen; sehr
sorgfUtig, fast ganz fehlerlos geschrieben, enthält sie hunderte polni*
scher Eigennamen. Nach der Classifil^cirung unserer Gegner mttsste
diese Urkunde jedenfalls »pommerisch« sein : denn was alles »pommer-
sche« kommt da vor! Wir haben aus ihr bereits angeführt den Dargo-
72 A. Brückner,
rad und den Lederg, das Tarcoviste, aber damit hören ibre »Pomor»-
nismenc noeh lange nicht anf; sie bietet stets »ponmersehes« z für
panisches dz, also z. B. Ziraz und Zeraz (Siradz, spftter ^eradz —
wegen des i kaum von Swerad = Wszerad ableitbar), mag dies aueh
nnr mangelhafter Schreibnng Schuld sein; sie hat »pommersohesa e ftlr
a nach anlautendem r, also Redanta (poln. Radzi^ta), Redec (poln.
Radek), Reck (poln. raczek ; auch Bezk und Razk in der Urkunde ge-
schrieben), Bedonc (poln. Badonek) und Redoa (poln. Radosz), wie
kaszubisch redosc, Redunia (Radaune), rek und reczk ; sie hat den
»pommerschena Vocalverlust (in den Endungen -ek, -ec u. dgl., kaszu-
bisch domk = poln. domek, dwork = dtoorek, matk = matek^ iokc
iokieö u. s. w., die Nummern 7 — 14 der npommerschen« Sprachanto-
nomie), also Reczk =: raczek, Zmarsk, Domk, Plastk, Siodlk^ Kruszk,
Redonk, Erzepk, Erostawc, Darzk, Blizk, Datk, Marnszk. Bezfiglich
dieses letzteren Punktes ist überhaupt hervorzuheben, dass das Altere
Polnisch in erheblicherem Masse gegen das e sich strftubte, also z. B.
nur torobl kannte (nur so im Flor. Psalter, an vier Stellen, und sonst),
rydl, ruhlj vyiatr (Flor. Psalter), aapl^ toqffl (noch bei Rey) n. s. w.,
ratunk und alle ähnlichen Fremdwörter, gen. plur. iatok, szczaibatk,
podtMzk (heute nur iatoek, poduszek) u. dgl. m.; chrzept (?), kozieik
(lucilia, Prace filologiczne V, 42) kommen ebenfalls vor.
Das Beispiel dieser einzigen Urkunde wird hoffentlich genflgen, um
die Behauptung, dass das Altpolnische dem Kaszubischen sich gar nicht
nähere, in ihr gerades Gegentheil zu verkehren.
Verschiedenheiten und Besonderheiten des Kaszubischen leugnen
wir sicherlich nicht; nur sind die erheblichsten unter ihnen evident spät,
z. B. der Wandel des ki gi zu dl und dii oder verwandtem; das h oder
w in dobreho; das Fehlen des l (stellenweise), der > erweichtem) 6&i-
Laute u. dgl. m.; sie sind dann nicht höher anzuschlagen, als in anderen
polnischen Dialecten z. B. das Fehlen der 2czsz-Laute; der Wandel
eines pja bja zu psa bia, eines wje zu ie u. s. w., welche auch sind
»plus polonais que le Polonaisa, bziaiy, zieczor (ftlr wieczor) u. s.w.
Unserer Ansicht nach, die sich auf die Beschaffenheit des Altpol-
nischen stutzt, war das Easzubische bis zum XV. Jahrh. sprachlich im
engsten Zusammenhange mit dem Polnischen, d. h. jede im Polnischen
irgendwo auftauchende Lautveränderung konnte ihre Wellen bis ins
Easzubische hineinschlagen lassen.
Unterschiede gab es natürlich bereits damals; die Sprache von
BandgloBsen zur kaasabischen Frage. 73
KrmkMi und die um den Lebasee herum unterschieden sich noch etwas
mehr wie die gleichzeitigen Sprechweisen von Warschau und Breslan,
▼on Giiesen und Lnblin ; die nene polnische Laatwelle mnsste schwächer
in dem weiten Westen auftreten als irgendwo näher dem Ausgangspunkte ;
der kassubisohe Dialect wurde von ihr schwächer getroffen, er hielt
fester an dem zu verändernden. Seit dem XY. Jahrh. erfolgt nun eine
Art von Isolirung des Easzubischen, kein Zufluss des neupolnischen
Elementes erneuert und erfrischt erheblicher diese altpolnische Varietät,
auf welehe dafOr in lexicaler, syntactischer und endlich auch lautlicher
Hinsicht das umfluthende deutsche Element seit Aber einem halben Jahr-
tausend immer stärker einwirkt.
Die Aufstellungen von Nestor und Schleicher bleiben somit in
Ehren bestehen. Es war wirklich, ethnographisch und linguistisch, ^in
einheitlicher Yolksstamm, die Lachen, dessen Sitze von San und Bug
auf einer Strecke von grosser Länge und geringerer Breite um die Ostsee
herum bis jenseits der Elbe, nach (dem späteren) Hannover hinein, sich
erstreekten; einzelne dieser Lachen nannten sichPolanen (wir können
hinzufügen, Wislanen: Gross- oder Alt- und Klein- oder Neupolen
später), andere Luticer, andere Mazowier, andere Pomorjaner. Von
ihren südwestlichen Nachbarn schied sie vor allem eine der Erhaltung
der Nasalvocale geneigte Disposition der Articulationsorgane. Man hat
dieses Schleichersche Criterium belächelt; man meinte: auch das Mace-
donische müsste dann ja, der Nasalvocale wegen, dem Polnischen be-
sonders nahe verwandt sein; ein fauler Witz, denn Macedonisch und
Polnisch werden durch alles andere getrennt, also reicht dieses eine
Moment nicht aus, um besondere Verwandtschaft zwischen ihnen zu con-
stmiren, dagegen sind die westslavischen Sprachen fast durch alle Mo-
mente vereint und nur durch die Behandlung der Nasalvocale am
schärfsten von einander getrennt.
Aus der Gontinuität des lachischen Sprachgebietes schied am
vollständigsten und zugleich am frühesten, bereits seit dem Ausgange
des X. Jahrh., das später sogenannte Polabische aus; seit dem XI. Jahrh.
wurde diese Isolierung durch keinen slavischen Zuzug unterbrochen, bald
hörte auch die leiseste Spur irgend eines Zusammenhanges, Rückhaltes
auf; es treten hier auch gewisse Eigenheiten stärker hervor. Aber es
trennte sich nicht nur dieses eine Stück von der lachischen Basis ab;
seit dem XII. Jahrh. zerbröckelte dieselbe an allen Stellen zwischen
Elbe und Oder, Ostsee und Havel-Spree mächtig ; immer grössere Lücken
74 A. Brückner,
wurden hineingeschlagen und schon im XIV. Jahrh. war sie auf den
Inseln wie auf dem Festlande nahezu vollstftndig dahingeschwunden;
die Lachen waren enlnationalisirt, behaupten die einen, ausgestorben,
sagen, der Wahrheit nflher, die anderen. Am weitesten gegen Westen
erhielt sich von diesen Lachen das Hftufchen der Easzuben, ebenfalls
fast isolirt seit dem XIV. Jahrb., ebenfalls schärfer gewisse Eigenheiten
accentuirend, als es anderen polnischen Dialecten zukam.
Eine sprachliche Grenze zwischen Polnisch und Böhmisch, zwischen
Polnisch und Serbisch, war schon im XII. und XTTT. Jahrh. scharf zu
ziehen, konnte Niemand darüber zweifeln, wo das eine aufhörte, das
andere begann (wir sehen es ja an den Ortsnamen deutlich!). Aber im
Xn. und XIU. Jahrh. war es gewiss nicht leicht, oder eher ganz un-
möglich, eine solche sprachliche Grenze zwischen Polnisch und »Pom-
merisch« zu ziehen, die Sprachen hflben und drflben standen sich viel zu
nahe dazu. Wohl gab es schon gewisse Unterschiede und sie mehrten
sich namentlich seit dem XV. Jahrh. — doch haben dieselben nie das
Maass erreicht, dass man das Kaszubische aus dem polnischen sprach-
lichen Organismus herausreissen dflrfte, wie man dies z. B. mit dem
Niederserbischen gegenüber dem Oberserbischen, mit dem Kleinrussi-
schen gegenüber dem Grossrussischen, mit dem Slovakischen gegenüber
dem Böhmischen thut oder thun könnte.
Wir haben nicht alle, nur die anerkanntermassen gewichtigsten
Argumente unserer Gegner besprochen; manches ist bereits oben, Archiv
XX, S. 41 — 46, zurückgewiesen worden. Ebenso übergehen wir die
Grosssprechereien, dass man noch zwei- oder dreimal soviel j» Argu-
mente« für diese Selbständigkeit herausfinden könnte: mag man noch
so viele Nullen vor die Einer setzen, es kommt doch nichts heraus. Wir
verschmähten auch die Waffen der Gegner, die »falsche Analogie« und
den »kirchensprachlichen Einfluss«: mit diesen Waffen z. B. hätten wir
die wenigen Fälle von kaszubisch tart (für tort) oder die zahlreicheren
ciart (cart) aus tbrt mit Leichtigkeit wegescamotiren können, und noch
manches andere dazu; der »kirchensprachliche Einfluss« hat die Kaszu-
ben übrigens nicht gehindert, toitro für j'utro oder bqcietotoac (banket-
tiren) zu sprechen, dafftr soll er ihnen martiüt/ oder proch oder inqt-
iesko aufgedrängt haben ! 1 Nebenbei erwähnt, hindert die Kirchen-
sprache dialectische Verschiedenheiten bei anderen Polen, die z. B.
zieczar für toieczoTy zino fdr wino sprechen, nicht im mindesten.
Wie ist man denn überhaupt zur Aufttellung einer besonderen
BftndglossoB ^ur kasznbiflchen Frage. 75
»pommerischen oder kasznbischen Sprächet gelangt? Es klingt kaum
glaublich und doch ist es so: weil man, nach eigenem Geständniss, nur
die moderne kasznbische Volkssprache mit der modernen polnischen
Schriftsprache Tcrglichen hat 1 1 — anstatt z. B. das Easzubische mit
westprenssischen n. dgl. Dialecten zu vergleichen. Dann hörte man
allerlei (ob wirklich existirende?) Lante heraas, erfand ganz überflüasige
iSeichen, dichtete einige Formen hinzn, die nicht recht vorzakommen
scheinen (z. B. szcz^ciego) nnd die »Sprache« war fertig. Man ver-
gasB nnr, dass wer z. B. thttringisches Volksdeutsch mit modernem
Schriftdeutsch vergleicht, auch im Thflringischen (wie imELaszubischen)
«resianische, polabischec, turanische füge ich hinzu u. a. Laute eher,
als »deutsche« herausfinden wird, auch das Thüringische mit demselben
Becbte zu einer besonderen »Sprache« mit besonderer Phonetik, Ortho-
graphie u. s.w. herausstaffiren wird.
Es sei nochmals betont, dass Niemandem verwehrt werden darf,
sein eigenes Buch z. B. mit dem komischen Titel »Slownik j^zyka po-
morskiego« (statt »Slownik narzecza kaszubskiegoa) zu versehen; man
protestirt nur gegen das doppelte Mass, nur gegen die lächerlichen
Uebertreibungen, wonach z.B. »eine erheblich geringere Reihe von
Spracheigenheiten (als die der kaszubischen im Verhältniss zum Polni-
schen ist] für ausreichend gehalten werde zur Absonderung der slova-
kischen Sprache von der böhmischen oder der klein-, weissrussischen
von der grossrussischen « (S. XL) — wer dergleichen behauptet, hat
entweder keine Ahnung von dem Verhältniss zwischen Slovakisch und
Böhmisch, zwischen Eleinrussisch und Russisch, oder er will der Wahr-
heit nicht die Ehre geben. Gegen das doppelte Mass, das z. B. ein
Florinskij (man merkt die Absicht und wird verstimmt!) angewendet
hat, ist schon von Prof. Jagiö (Archiv XX, S. 361) Einspruch erhoben
worden.
Das Easzubische ist uns als altpolnische Varietät interessant und
ehrwürdig; es hat auch zu keiner Zeit als etwas anderes gegolten; im
XVI. Jahrb. z. B. galt es als gleichwerthig mit ^»preussischc (polnisch)
und seine besonderen Ausdrücke verlachten zwar die Einen, wollten
aber die Anderen, wenn sie nur treffend wären, auch für die Schrift-
sprache billigen (so Gömicki im Dworzanin 1566); der »kaszubische«
Katechismus des Pontan ist denn auch demgemäss gutes Polnisch mit
»
einigen kaszubischen (und westprenssischen) Formen und Ausdrücken.
Das Altpolnische bietet denn auch auf Schritt und Tritt die schla-
76 ^* Brttekner,
gendsten Paralleleii für kasznbische Erscheinungen. Z. B. der d-Bin-
schab zwischen z-r, heute im Poln. nur in einigen Worten erhalten ine
zdradOj zazdrosöj zdroju.s.yr., in anderen bereits aufgegeben, z.B. in
wzrost ans älterem tozdrost, zrzucid aus älterem zdrzuciö u. s. w.,
reichlich im Kaszubischen vorkommend, z. B. in zdrzecec^ zdrzodlo^
dozdrzelec reif werden (ebenso bei Rey, doidrzelazego totekuy reiferen
Alters, zdrzejemy und doidrzetoamy neben uidreje, doidretoä), zdrzec
u. 8. w., war im Altpolnischen so constant, dass er sogar zwischen dem
z der Präposition und dem r des Nomons eintrat, also zdr^ki=izöi^fsjj
rozdraztö, wzdrtiszyö u. s. w. Oder »schonen« heisst heute polnisch
szanotoaöj kaszubisch szimotoac, aber altpolnisch ebenso, szanowaö^
z. B. in den Gnesner Predigten (XIV. Jahrh.] u. s. w. Oder dass z fflr
heutiges dz in bardzo, dztoon, ditoiqk u. s. w., kaszub. barzoj ztoon
galt ebenso im Polnischen bis tief ins XVIL Jahrh. hinein u. s. w.
Der innige Zusammenhang zwischen Polnisch und Kaszubisch wird
durch die phonetische Schreibung für den, der nur die poln. Schrift-
sprache beachtet, ganz verdunkelt und entstellt — man erwäge nur,
dass phonetisch geschriebenes Schwäbisch oder Fränkisch dem ans
Schriftdeutsche allein Oewöhnten ebenso fremdartig erscheint, als eine
besondere, unbekannte Sprache. Hierzu kommt fttrs Easzubische noch
eines: die Unmasse von Germanismen. Der seit bald 600 Jahren wir-
kende Einfluss des Deutschen hat das Easzubische womöglich noch mehr
durchsetzt, als irgend einen slovenischen oder nordserbischen Dialect ;
nicht nur das Lexikon, sondern auch die ganze Syntax, die Wortstellung
u. s. w. wimmeln von solchen Spuren, ganz wie im Polabischen oder Preusu-
sehen, nur fehlt hier die Berufung auf den dummen Tolken. Das Zu-
sammentreflfen in vielen Germanismen mit dem Altpolnischen ist wieder
sehr lehrreich; z. B. in gbur^ gweiny gewiss (XIV. — XVI. Jahrb., noch
die Bibel von 1561 hat es, doch ist es ausgemerzt schon in der Auflage
von 1575), kusztaö oder kusznqd kflssen, h'utka Braut (XV. Jahrh., in
Glossaren vorkommend) u. s. w. Leider ist der Herausgeber des kaszn-
bischen a Wörterbuches« zu wenig im Deutschen bewandert und hat da-
her viele Germanismen nicht richtig oder gar nicht angegeben.
Schliesslich zeichnet sich der kasznbische Wortvorrath auch durch
Bewahrung vielen altpolnischen Gutes aus. Man braucht nicht allzuweit
zurückzugreifen, um auf derlei Parallelen zu stossen. Erwähnt sei hier
z. B., aufs Gerathewohl, das Buch Korab zewn^trznego potopu n. s. w.
des Hieron. Powodowski von 1578: dort kann der Herausgeber des
BtndgloMen zur kunbiselieii Frag«. 77
WörterbmekeB wieder finden sein kostiae Uatsehen {iostiale z redasci)
m ^koiiaiqe r^koma nogamu^ ebenda ztoierz^tm ncndziwsze zdoma-
czeiq hat zwei »Easznbismen», dziwy wild und domacy htnslioh (zahm)
n.s.w. Oder er nehme beliebige Schriften des Seklncjan, des Neothebel,
des Bey, des Twardowski n. s. w., flberall wird er «Kasznbismen« fin-
den, z. B. odtoimy statt des polnischen oditvierny bei Rey (kasznb.
dwierznik) oder stegna fflr Pfad bei Twardowski n. s. w. ; ja es gibt
kein ftlteres Buch ohne solche — wie viele enthält die Bibel des Leo-
polita (z. "B.Jednylko gebildet wie kaszabisch barzylkoj domak = do-
mawy wie kasz. domak n. s. w.) oder das Wörterbach des M^czy^ski 1
Sogar ganz späte Sachen bieten Parallelen, z. B. im Bmntek codzienny
des Oniewisz vom J. 1731 kann man kiej == kasznb. cej\ wann, wenn,
oft finden n. s. w. Und nnn gar die mittelalterlichen Texte, Glossare
n. 8. w. Das8 in einzelnen Worten das Easznbische dieselben Fehler
macht, wie das Pelnisehe (diaiectische), braucht hier kaum erwähnt isn
werden: wie Polen z. B. falsch jugo %Mijigo (Joch) sprechen, haben
die Kaszuben falsch /ttf^y fftcjisty (ist^), wenn dies nicht äeutoch Just
henrorgemfen hat.
Endlich hat das Easznbische einzelne Appellativa, die das Polnische,
desaen alter Wortbestand uns so Iflckenhaft überliefert ist, nur noch in
Eigeuamen kennt. Z. B. chariqcec im Walde, Felde oder Garten
stehlen {chariqznikj charie^ztwo n. s. w. dazu), poln. nnr in Eigen-
namen : ist das r oder das 1 eingeschoben? gehört das Wort zu aslov.
chdlqffh cAalqga Zann, in einigen Dialecten für Höhle, Bchlopfwinkel
n. dg]., in anderen fflr Seegras, Tang (böhm. chaluha) — oder vgl.
böhmisch char<niz Reisig, c^arou2;7»a FeldhOtte? der Bedentongsttber-
gang wäre wie z. B. im böhmischen chalupovati brandschatzen zu cha-
lupa Hlltte. Oder kelp Schwan n. dgl. m. Anderes hat auch das
Kasxnbische nnr noch in Ortsnamen erhalten.
Das Gesagte mag znr Beleuchtung des Easzubischen vom Stand-
pnnkte des Altpolnischen aus genügen; zu einem ähnlichen Resultat
gelai^ man von der Betrachtung modemer polnischer Dialectverhält-
nisse aus, die wir hier jedoch absichtlich ausgeschlossen haben. Das
kasznbische Missverständniss musste entstehen, sobald man den Volks-
dialeet bloss mit der neuen Schriftsprache verglich ; es schwindet so-
fort, wenn man vernünftiger Weise das altsprachliche und das diaiec-
tische Material berücksichtigt. Wir erwarten , dass noch vor Ablauf
dieses Jahrhunderts die kaszubische Streitfrage gelöst und die Fort-
78 A. Brückner, Randglossen zur kaszubischen Frage.
setzang des kasznbisohen Idiotikons nicht mehr der verfehlte Titel :
j> Wörterbach der pommerscben Sprache« vernnzieren wird, der diesen
ganzen Rnmmel veranlasst hat. A. Brückner.
Zwei Urkunden ans Nordalbanien.
Mitgetheilt von Dr, Ludwig v. Thall6czy und Dr. Cons tantin Jirecek.
Im Folgenden werden zwei bisher anbekannte Urkunden aus Nord-
albanien veröffentlicht, ein slavisch verfasster Geleitsbrief des Fürsten
Ivan Eastriota, des Georg Eastriota oder Skanderbeg Vater, an die Ra-
gusaner vom J. 1420, mitgetheilt von Professor JireSek aus deni Archiv
von Ragusa, und ein Privilegium des Königs Alfons V, (I.) von Arago-
nien und Neapel (1416 — 1458) an die Stadt Eroja aus Skanderbeg^s
Zeit vom J. 1457 , mit der höchst wichtigen Bestätigung alter byzanti-
nischer und serbischer Privilegien dieses Hauptortes der Berge des nörd-
lichen Albaniens, gefanden im Archiv von Barcelona von Archivdireetor
Dr. Ludwig von Thallöczy.
Diese Urkunden betreffen eben die Landschaften, in denen der
Name Albaniens seit der altUlyrischen Zeit heimisch ist, und aus denen
sich dieser Name seit der zweiten Hälfte des Mittelalters weit aber die
ganze Umgebung verbreitet hat. Der illyrische Stamm Jikßav&v mit
der Stadt JUXßavörtoXig wird in der römischen Eaiserzeit genannt bei
Ptolemaios, in den Bergen des westlichen, bis zum Adriatischen Meere
reichenden Theiles der Provinz Macedoni'a, nahe an der Südgrenze der
benachbarten Provinz Dalmatia, die südwärts auch Scodra und Lissna
nmfasste, also gerade in dem Gebirgsland bei Eroja. Hahn suchte dieses
Albanopolis in den Skurt^se. genannten Ruinen bei dem Dorf Funt Grä^e
(wohl fundus und slav. gradt»cf> castellum) am Westfass des Berges von
Eroja, mit oblongen Stadtmauern aus Quadern, Resten eines grossen
runden Thurmes u.s.w. (Hahn, Alb. Studien I, 120 — 121; desselben
Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar, Denkschr. der kais. Aka-
demie der Wiss. Bd. 16. S.-A., S. 13 — 14). Im byzantinischen Mittel-
Zwei Urkttnden aus Nordalbanien. 79
alter, als diese Gegend zar Provinz {&ifia) von Dyrrhacbion gehörte,
gibt es eine lange Zeit ohne genauere Daten Aber das Detail der
Provinzialgeographie der Adriatisehen Küste. Seit dem XI. Jahrh. er-
seheint aber der antike Stammname der Albaner als Bezeichnung der
Nachkommen der alten Dlyrer, die sich in diesem Oebirgsland behauptet
haben und als Name des Berglandes in dem Viereck zwischen Scutari,
Dyrrhachion, Ochrid nnd Prizren. Zuerst erwähnt Michael Attaleiates
bei der Geschichte der von Dyrrhacbion ausgehenden Pronunciamentos
desManiakes (1042) undVasilakes (1078) die J^A/9af/o/ oäet JiQßavlrai
(ed. Bonn, p. 9, 18, 297). Anna Eomnena kennt in der Geschichte
ihres Vaters, des Kaisers Alexios Komnenos (1081 — 1118), die Land-
schaft ^ÜQßavov auf dem Wege von Dyrrhacbion nachDebra, mit Pässen,
Steilpfaden und Burgen und die Völkerschaft der JiQßdvcjv oder JiQ-
ßavixwv. Georgios AkropoUtes im XDI. Jahrb., der als byzantinischer
Statthalter diese Gegenden aus eigener Anschauung kannte , nennt die
Landschaft Üikßavov mit der Burg von Kroja (ed. Bonn. p. 98) und das
Volk der JikßapiTai, die später bei Kantakuzenos u. A. als Jilßavoi
geechrieben werden. In lateinisch verfassten, besonders kirchlichen
Quellen, liest man den Namen als Arbanum , den Volksnamen als Ar-
banenses (z. B. in der ürk. 1210 bei Tafel und Thomas 2, 122), Alba-
nenses, daraus italienisch (in den Büchern von Ragnsa 1320 f.) Alba-
nese, Arbanese, Slavisch nannte man das Volk flpkSAHaCH (s 3CMa
apcaHACK^^ in der ürk. Asen's II. an die Ragusaner, 3fMA ... apBa-
hacr;i^ in Asen^sII. Inschrift in der Kirche der 40 Märtyrer in Tmovo] .
Der Name Arbanasi ist in den älteren dalmatinischen Dichtungen , so-
-wie in den Volksliedern bei Bogisiö und Vnk zu lesen , heute aber hört
man ihn nur im Sflden, besonders in Ragusa und Montenegro, wo Ar-
banas einen katholischen Albanesen bedeutet. In Bulgarien und Serbien
ist er durch eine neuere Form verdrängt, durch Amaut , -t», aus dem
tHrk. Namen, der wieder aus dem ngr. JiQßavlvrjg abgeleitet ist. Die
Landschaft von ^qßavov (^Xß-) , Arbanum hiess slavisch im Mittel-
alter Habmh (Adj. rabfottskij. Dieser Name ist ganz regelrecht aus
Arbanum, üiQßavov gebildet, mit Vermeidung des fremden vocalischen
Anlautes, in derselben Art wie Arsia sl. Rasa und Albona sl. Labin in
Istrien , Arba sl. Rab unter den Inseln Dalmatiens , Almus sl. Lom in
Bulgarien u. A. Ueber die Bedeutung und die Schicksale des Namens,
der ans dem XII. — XV. Jahrh. gut belegt ist, hat Archimandrit Ilarion
Ruvarac in dieser Zeitschrift Bd. 17 S. 567 bereits ausführlich gesprochen.
80 Thall6czy und Const. Jireoek,
Dass Kroja das Centrum dieses mittelalterlichen Arbannm war,
unterliegt keinem Zweifel, nach der Angabe der Sitoation bei Anna
Komnena, nach dem Zengnlss des Akropolites nnd nach dem Titel des
Türken Balabanbeg, der 1415 als »Snbasa Ton Eroja nnd Rabbub« titn-
lirt wird (cSfi4UlA Kpt$H<KH H fiäEäHtKH , beherrscht KpBH H Af^d-
hauikS 3IMAI0, Pncid I, p. 132). Die Identität des Gebietes und des
Bisthams von Arbannm mit dem von Kroja ist nnlftngst nachgewiesen
worden in den trefflichen Bemerkungen zn den Briefen des Erzbischofs
Demetrios ChomatiaBos, dieMarinS. Drinovin »VizantijskijVremennik«
(Bd. I, S. 332—340) verOffenÜicht hat^). Im XU.— XIH. Jahrh. ge-
hörten zn Arbannm auch die Landschaften von Polatnm , sl. Pilot (ein
Bischof Ilohk&ißiv schon 877 , in den älteren Notit. episc. genannt
unter dem griech. Metropoliten von Dyrrhachion, befand sich aber seit
dem XI. Jahrh. nnter dem lat. Erzbischof von Antivari) , das (vergl. No-
vakoviö, Godiinjica I, 208 — 212) viel grösser war, als das heutige Pn-
lati, indem es das gesammte Bergland längs der Strasse vonSeutari nach
Prizren timfasste : iVTk fIpksaHACk ÜHAOTk Urk. des Nemanja an
^) Die Notitia episcopatuum bei Parthey (Hieroclis Synecdemus et No-
tltiae graecae episcopatuum, Berlin 1866), p. 124 — 125, 220, jedenfalls vor dem
XI. Jahrh. verfasst, zählt unter dem Metropoliten von Djrrrhachion 15 BischOfe
auf: o 2TBfpayta%&¥ (bei Valona), o Xovvaßiag (zwischen Durazzo und den
Bergen auf der Westseite des oberen Thaies des Mat), o Kqo&v, o ^EXufcov
(Lissus, j. Alessio), o JicuXeiaffilm rtfm.Doclea oder dessen Gebiet), o Ixo^güy
(Scodra), o Jqißatnov, o JloXa&toy, b rXaßivixCas (FAABkHHl^a in der Visio
Danielis, vgl. Jireoek, Das christl. Element in der top. Nom. 92; bei Yalonaj,
o AijXiavBlas (Valona), o yivxiyiday (nicht LychnidoB, sondern Olcinium, Dul-
cigno, altserb. Akl^HHk), o j4 yrißa^aatg {Antiyaxi, wo seit dem XI. Jahrh. ein
kathol. Erzbisthum bestand), o TCsQyixov (vielleicht in der jetzigen Landschaft
Cerminika bei Elbassan, ^HpkMkHHKk ?), o UovXx^Q^^^oXemc (wahrschein-
lich Bdigrad, jetzt Berat), o r^adttCiov (FpAA^U^y das antike Byllis östlich
von Valona, Ruinen bei Dorf Gradioa). Arbsnnm fehlt hier; es gehörte unter
den Bischof von KgoaL Nach Farlati-Coleti, Illyricum sacrum VII (Venetiis
1817), 191 f., 411 f. erscheinen die Bischöfe von Arbanum unter der latein.
Kirche von Antivari erst seit dem Xn. Jahrb., ja im XIII. Jahrb. (p. 192 A)
soll es im Sprengel des episcopus Albanensis sogar zwei Bischöfe neben
einander gegeben haben, einen lateinischen und einen griechischen, was
jedenfalls ein Missverständniss ist (vgl. Drinov im Viz. Vrem. I, 333 — 335).
Eigene Bischöfe von Kroja neben denen von Arbanum kennt Farlati erst seit
1286 und bemerkt, dass nach der Eroberung von Kroja durch die Türken die
Titel des episcopus Grojensia und Albanensis wieder zu ^inem vereinigt wur-
den (p. 193 B).
Zwei Urkunden nns Nordnlbanien. 8 1
das Kloster Ohilnndar = UiTk Pakha ÜHAOTd ivea in der Biographie
Nemanja's von seinem Sohn, dem hl. Sava (ed. äafaffk p. 1). Der mäch-
tige albanesische Fürst Karl Topia, der in der dreisprachigen Inschrift
des St. Johannesklostera bei Elbassan vom J. 1381 ai&irrqg Ttiarjg
%&qag uiXß6v€v, princeps in Albania nnd rocnoAHHk paskHkCKH'
(▼ergl. Bnyarae 1. c.) genannt wird, beherrschte anch die Landschaft
des jetzigen Elbassan, wie denn die Familie der Topia nach neapolita-
nischen Urkunden schon 1338 das ganze Gebiet vom Flnsse Mat bis zum
FInss Skump besessen hat (so genannt nach der antiken Stadt Scampa ;
der Flnss hiess Oennsns im Alterthnm, Yrego im Mittelalter, Scombino
des Musachi, finme Scnmbine im XYI. Jahrh.) : »comitatas a Maet nsqne
Seampinnm«, citirt bei Maknsev, HcTopE^ecKifl paaucKasifl o GjfaBimax'B
FB AxtfamE S. 44 (gedruckt Amaet) ; der Vocal in Maet ist hier als lang
wiedergegeben, wie in »flumen nomine Mahatc in dem Vertrag des 8er-
benkönigs Uros II. Milntin mit Karl von Valois 1308, Olasnik Bd. 27
(1870), S. 324, sonst aber als kurz, wie ^ MAvq bei Akropolites ed.
Bonn. 149, Ha MdTH in serb. ürk. (vergl. DaniM^, RjeSnik). Es ge-
hörten also zu Arbanum alle Gebiete von den « Albanesischen Alpen «
zwischen den Flflssen Lim und Drim angefangen bis zu den Bergen süd-
lich Ton Elbassan.
Allmählich wuchs der Name Albaniens aus diesem engeren Gebiete
hinaus. Die Ostkllste des Adriatischen Meeres wurde lange in Sclauonia
(Kroatien, Dalmatien, serbisches Reich) und Romania eingetheilt. Zu
Bomania, was die alte den Arabern, Italienern, Slaven u. A. geläufige
Benennung des ganzen oströmischen Eaiserthums war, werden in ragus.
ürk. noch 1280 Durazzo^ 1301 Valona (damals wirklich noch im by-
zantinischen Besitz) gezählt. Später zieht sich der Name Romaniens
nach Griechenland zurück und der Name Albaniens breitet sich auch an
der Kfiste aus. Das Territorium der Anjou's von Neapel in der Um-
gebung von Durazzo (1272 f.) hiess amtlich stets »regnum Albaniae«.
Seit dem Ende des XIV. Jahrh. rückt der Name Albaniens nordwärts;
in ragns. Acten erscheint 1386 :»S. Sergius de Albania« an der Bojana-
mflndnng, ebenso 1429 Antivari, 1430 sogar Lustica bei Cattaro, 14^3
Podgorica u. s. w. als in Albanien liegend. Eine Beschreibung von un-
gefUir 1570 (Starine Bd. 12, S. 193] nennt Albanien das Land von
Duleigno bis Valona und zu den Bergen von Chimara. Es ist bekannt,
dass auch die Landschaft von Cattaro als venetianisches, unter Napo-
leon I. als französisches, vor 1848 als österreichisches Albanien be-
ArehiT fb stovifeli« Philologie. XXI. 6
82 Thallöcsy und Const •HreSek,
zeichnet wurde. Heute ist der Name Albaniens ein mehr ethnographi^
scher Begriff von sehr bedeutendem, aber unsicherem, besonders im
Binnenland und im Süden gans unbestimmtem Umfang.
Kroja (tllrk« Akhissar, die »weisse Bürgt) liegt in den Beiden
iwischen den Flflssen Hat und Ismi (Isamo, Tssamo, Dyssamum der
Ragusaner des XIV — XV. Jahrb.), nach der Osterreichischen militftri-
schen Karte 604 Meter hoch, im Osten und Südosten jedoch von höheren
Gipfeln dominirt. Die Position auf einem steilen, meist senkrecht ab-
stflrzenden Felsen, der nur gegen Westen sanfter abf&llt, mit mächtigen
Quellen innerhalb der Befestigungen galt noch im XVI. und XVII. Jahrb.
als fast uneinnehmbar, als »piazza fortissima et inespugnabilec nach den
Worten des Edelmanns Bolizza von Cattaro (Starine 12, 189) . Der Ve-
netianer Oinstiniani schildert 1553 die hohe Lage, »nel mezzo una fon-
tana freschissima» ch' h cosa maravigliosa«, und die gewaltige Aussicht;
man sehe die Berge von Cattaro und Antivari , das Gebiet von Scutari,
Dulcigno, Alessio, Durazzo, Tirana, Petrella, den Berg Tomor bei Berat
und im Westen ein weites Sttlck des Adriatiscben Meeres (Ljubiö, Oom-
missiones et relationes venetae Bd. 2, 230). Eine alte Beschreibung aus
dem XVI. Jahrb. (Starine 12, 197) sagt, Kroja liege »sotto un alto
monte, ma sopra un diruppo di sasso vivo«, befestigt mit alten Mauern,
versorgt mit »fontane vivea ; inmitten der cittä sei eine »cavemaa, darin
eine Cisteme mit Quellwasser, das dann unter der Stadt herausfliesst und
Mflhlen treiben konnte ; die Lage sei schön mit guter Luft und Reichthum
an Holz, Oel, Getreide, Fleisch aus der Umgebung. Aus dem XIX. Jahrb.
gibt es Beschreibungen bei dem Prager Arzt Jos. Mflller (Albanien, Rn-
melien u. s.w. S. 72) und bei Oonsul Hahn (Alb. Studien 1, 87). Die
starken, schwftrzlichen Ringmauern mit Rundthflrmen wurden 1832 nach
der Niederwerfung des Aufstandes des Mahmud Busatli von Scutari ge-
schleift. Frflher soll den Christen der Zutritt nur bei Tag mit moham-
medanischen Fahrern gestattet gewesen sein; bei Nacht durften sie Kroja
unter Todesstrafe nicht betreten. Eine enge lange Bazarstrasse , an der
starke Quellen entspringen, ftihrt auf die Burg, auf welcher sich nach
Hahn 80 arme mohammedanische Hftuser mit einigen Moscheen und
einem ührthurm befinden ; um die Burg herum liegen unten in Baum-
gruppen an 700 Hftuser.
Der Name stammt von den Quellen : alb. krda Quelle. Die Byzan-
tiner schrieben KqoaL im Plural (Not. episc. , Demetrius Chom., Akro-
polites, Philes) ; der Einwohner hiess Kgotvfjg (Groite in der ürk. des
Zwei Urkunden am Nordalbanien. 8$
Kg. Alfons). Die slavische Form lautet Kpo^H (Pndd 1, 132 ; MiletiS,
KroBStädter ürk. Nr. 84, 99 im Sbornik des bulg. MinisteriumB Bd. 13,
S. 82 und 90), lat. Oroya, Crnja, auch oppidum Oroarum« Die erste
Erwähnung findet man in kirchlichen Acten. Der Bischof & Kqo&p
unter dem Metropoliten von Dyrrhachion fehlt in keiner der älteren No*
titiae der griechischen Bisthflmer und erscheint noch zu Anfang des
Xin. Jahrh. in der Correspondenz des Erzbischofs Demetrios Qhoma-^
tianos von Ochrid. Die Privilegien der byzantinischen Kaiser, von denen
in der Bestätigung des Königs Alfons die Bede ist, beginnen mit Manuel
Komnenos (1147 — 1180), der während seiner vielen Feldzflge auch in
Albanien verweilte. Wie dies von Drinov in der erwähnten Abhandlung
ausgeführt wird, war in Kroja der Sitz der albanesischen Dynasten von
Arbanum schon im XII. — XlII. Jahrh. In der Geschichte der Kriege
des Kaisers Joannes Dukas Vatafzes mit dem Despoten Michael II. von
Epirus erwähnt Akropolites »tö iv T(p JilßAv(fi q>QoiQLOP zitg Kgöagtc
(ed. Bonn. p. 98). Unter den Stadtprivilegien gab es Urkunden dieses
Kaisers , der vom lateinischen Uebersetzer als Joannes Duz bezeichnet
wird , ausgestellt wohl nach der Erwerbung dieser Gebiete durch den
Frieden von Larissa 1252, ebenso seines Sohnes, des ELaisers Theodoros
Laskaris U. (1254 — 1258), unter dessen Regierung der Despot Mi*
chael II« die JUßavivat gegen die Griechen von Nikäa aufwiegelte
und den Gegner ans diesen Gebieten färeinige Zeit verdrängte. Diese
Kämpfe zwischen den Griechen von Arta und Nikäa brachten die Fran-^
ken als Bandesgenossen des Despoten ins Land. Kroja war (nach Hopf)
1272 — 1278 oecupirt von den Truppen des Königs Karl I. von Anjou;
dies war der Höhepunkt der neapolitanischen Herrschaft in Albanien.
Nach der grossen Niederlage der Neapolitaner bei Berat wurde Kroja
um das J. 1 280 wieder von den Byzantinern oecupirt, wie es auch Ma-
nuel Philes in seinem ungefähr 1305 verfassten Lobgedicht an den Feld-
herrn Michael Glavis Tarchaniotes ausdrücklich nennt (Vers 289 : Kqoig
TS xal KAvviva xal ztc xvuldd-ev). Aus dieser Zeit stammte wohl das
Stadtprivilegium von Kaiser Michael Paläologos (f 1282). Neu bestätigt
wurde es durch die in lateinischer Uebersetzung ganz erhaltene Urkunde
seines Sohnes, des Kaisers Andronikos II. (1282 — 1328), datirt vom
October der II. Indiction, also falls sie bald nach dem Regierungsantritt
aosgestellt wurde, vom J. 1288—9 (6797 = l.Sept. 1288 bis 31. Aug.
1289) ; das zweite Jahr des Indlctionscyclus kehrt dann unter der langen
Begierung dieses Kaisers allerdings noch zwei Mal, 1303 — 1304 und
6»
S4 Tb»116czy und Const. Jireoek,
1318—1319 wieder. Andronikos ELL (1 328 — 1341) war dann der letzte
griechisohe Kaiser, welcher die albanesisohen Landschaften beherrscht
nndy wie dies bei Kantaknzenoe und Nikephoros Gregoras ansfflhrlieh
geschildert wird, anf seinen Feldzllgen anch persönlich besucht hat.
Die Nachfolger der Byzantiner worden die Serben. Stephan Dnsan
bestätigte noch als König die Privilegien von Kroja im Jani des Jahres
6851 (die Uebersetznng hat das irrige Datapi 7851), Indiction XI, also
im Jnni 1343. Das Datum ist für die Chronologie der Zeit ron Bedeu-
tung. Stephan von Serbien war nach Andronikos' III. Tod verbündet
mit dem Gegenkaiser Joannes Kantakuzenos , der sich 1342 nach Ser-
bien geflflchtet hatte; die Bundesgenossen entzweiten sich aber 1343
schon im Sommer, da alle Yortheile den Serben zufielen, die eine Stadt
Makadoniens nach der anderen für sich besetzten. Wir sehen aus un-
serer Urkunde, dass Stephan zur selben Zeit auch in Nordalbanien die
griechischen Burgen occupirte. Bald folgte die serbische Occupation
Mittelalbaniens. Nach dem Epilog des Psalters des Branko Mladenovi^
(beschr. von Miklosich, Starine 4, 29) nahm im J. 6854 = 1. Sept. 1345
•»^ 31. Aug. 1346 Dgospodin kralj Stefan a Kastoria (slav. Kostur), Bel-
grad (Berat) und die Burg Kanina, diese jedenfalls sammt dem benach-
barten Valona, in welchem August 1347 ragusanische Zollpftchter seit
zwei Jahren, also seit ungefähr Juli 1345 sassen (ürk. im Spomenik
Bd. 11, S. 29). Der Serbenkönig unterstfitzte dabei ttberall die Alba-
nesen gegen die Griechen. Seit dem Ende des XIII. Jahrh. ist nämlich
tinter den Einwohnern der Gebirge Albaniens eine Expansivbewegung
zum Ausbruch gekommen. Die Niederungen waren in Folge der vielen
Kämpfe zwischen den vier Landesherren, den byzantinischen Kaisem,
den Despoten von Epirus, den Anjou's von Neapel und den Serben, ver-
ödet und entvölkert. Die Hirtenbevölkerung der Gebirge hatte dagegen
einen Ueberschuss an Mannschaft und drängte sich zuerst gegen die
Stadtgebiete, später aber nach Nordgriechenland, vor allem nach Thes-
salien. Der Edelmann Michael Gabrielopulos versprach 1295 den Ar-
chonten von Phanarion bei Trikala in Thessalien, dass weder er noch
seine Erben Albanesen im Stadtgebiete ansiedeln werden (jU^ Ttqoaot"
Ttiaü) J^Xßvlrag, Acta graeca 5, 260). Anschaulich schildert das Her-
absteigen der Albanenses aus den Bergen in die durch Anarchie und
durch die Feldzflge der Catalonier verwüstete Ebene von Thessalien ein
Brief des Marino Sanudo von 1325 (bei Tafel und Thomas, Urkunden
1, 500). Ebenso bedrängten 1330 f. albanesische Hirten und Nomaden
Zwei Urkunden aus Nordftlbanien. 85
4ie Stadtgebiete von Belgrad (Berat), Eaninä, Valona u. d. w.^ was den
Kaiser Andronikos IIL bewog, persönlich eine Expedition gegen diese
Bergstämme zu nnternehmen und sie empfindlich zn züchtigen. In Folge
dessen standen Griechen und Albaneser einander feindlich gegenflber,
ein umstand, der den Serben ihre Operationen sehr erleichterte. Als
Car Stephan 1348 Epims und Thessalien occupirte, setzten sich die
Hänptiinge der albanesischen Truppen selbst im Süden des bis dahin
griechisohen Epirotenlandes fest, auf den Ländereien der griechischen
Archonten und Proniaren. Die Truppen des serbischen Feldherm Pre-
Ijnb, welcher bis zn der damals venetianischen Burg Pteleon auf der
Westseite des Ausganges des Golfes von Yolo, gegenüber Nogroponte,
vordrang, werden von den Venetianern 1350 als »Albaneses« bezeich-
net (Ljubiö, Listine 3, 169). Das in der Urkunde des Königs Alfons
erhaltene Privilegium des Stephan DuSan an Kroja zeigt, wie der ser-
bische Hen'scher die albanesischen Edelleute sofort durch Schenkungs-
urkunden zu gewinnen verstand.
Bei dem Zerfall des serbischen Reiches erscheint Kroja im Besitz
des Karl Topia, des mächtigsten der albanesischen Dynasten nach 1360.
Im J. 1392 residirte in der Burg seine Tochter Helena und ihr Gatte,
der venetianische Patricier Marco Barbarigo, ein »rebellisa seiner
Heimathsgemeinde, die damals Durazzo occupirt hatte. Barbarigo
wurde 1394 sogar türkischer Vasall, gelangte aber schliesslich als Ge-
fangener nach Venedig. Sein Nachfolger war ein zweiter Gemahl dieser
Helena Topia, Konstantin, Sohn des Georg Baliiö und der Theodora
(als Nonne Xenia) , über welchen wir in der Vorrede zu Spomenik
Bd. 11, S. 16 f. ausführlich gesprochen haben. Dieser Konstantin, dem
auch die Landschaft Scuria zwischen Durazzo und Tiranna gehörte,
wurde 1402 von den Venetianern in Durazzo, wir wissen nicht warum,
hingerichtet. Im J. 1403 erscheint Kroja im Besitz des Grafen Niketa
Topia, der verpflichtet wurde, die Fahne des hl. Marcus zu hissen und
alijährlich am St. Michaelistage zwei Falken (austures) dem venetiani-
aehen Bailo von Durazzo zu liefern (Ljubi<5, Listine Bd. 5, S. 10 u. 43).
Nach Niketa's Tod regierte 1415 in Kroja ein türkischer Statthalter,
Balabanbeg, SubaSa von Kroja und »Rabanc, während die nächste
Nachbarschaft von Ivan Kastriota beherrscht wurde.
Bekannt und berühmt in ganz Europa wurde der Name von Kroja
in der Zeit des Georg Kastriota oder Skanderbeg (1444 — 1468). Drei-
mal zogen die türkischen Sultane, zuvor Murad II., später sein Sohn
86 Thallöczy nnd Const. Jireoek,
Mohammed II., vergeblich aas znr Erobernng dieser albanesisehen
Felsenbnrg. Nach SkaDderbeg's Tod erhielt Kroja eine venetianische
Besatzung, diese mnsste aber 1478 nach tapferer Vertheidignng capitn-
liren. wobei Mohammed U. persönlich dieSchlflssel derBnrg Übernahm.
Seitdem blieb Eroja als »Akhissar« ein wichtiger Waffenplatz der Tür-
ken im Westen nnd zwar war es nach dem Zengniss des HadSi-Ealfa
(Rnmili und Bosna) nnd der yenetianischen Beschreibung in den Starine
12, 199 untergeordnet dem SandSakbeg von Ochrid im Binnenlande.
Skanderbeg hätte 1453 dem König Alfons gehuldigt. Ans dieser
Zeit stammt die Bestätigung der Privilegien der »universitas (= com-
munitas] oppidiCroarum« von König Alfons, gegeben am 19. April 1457
in Neapel. Von Skanderbeg ist darin kein Wort zu lesen; genannt wer-
den nur der Bischof, der Clerus, die icommnnitas« und die »homines«
der Stadt. Im Texte wierden zwei Privilegien mitgetheilt, verliehen »ab
antiquis imperatoribusir und angeblich beide aus dem Griechischen über-
setzt, von Kaiser Andronikos ;II.) und von König Stephan von Serbien,
der merkwürdiger Weise als icrales {xQAXrig) Bugarorum « bezeichnet
wird. An der Spitze der Gemeinde erscheinen Kleriker und Adelige.
Die Burgbewohner besitzen Weingärten, Getreidefelder, Olivenpflan-
zungen, Fischereirechte, haben unterthane Bauern (colonos sive agri-
colas), aber ihr Hauptbesitz sind zahlreiche «hibemac, Winterweideplätze
(sl. zimü^te^ zimovi&te, vergl. Dani8i6, RjeJ^nik) , deren 19 mit Namen
aufgezählt werden. Die Karten der Landschaft haben noch sc wenig
Detail, dass eine Bestimmung der Lage dieser Ortschaften derzeit nicht
möglich ist; als Parallele zu Pkerza ist zu erwähnen Fjerza, Firza, ein
Pfarrdorf im Dnrchbruch des Drin (Hahn, Reise 211), zu Cercoleso ein
Dorf IJ^pbKOA'kBk in einer Urkunde aus der Zeit des Despoten Stephan
Lazarevid (Glasnik Bd. 24, S. 274). An den Thoren von Kroja waren
die »Kroitenc frei von jeder Abgabe von Holz und jeder anderen »an-
garia«, sowohl beim Eingang als beim Ausgang. Ebenso war ihr Ver-
kehr mit der Stadt Dyrrhachion vollständig zollfrei, wohl noch ein lieber-
rest aus den Zeiten, bevor dieser mittelalterliche Haupthafen Albaniens
in den Besitz der Neapolitaner, später der Yenetianer gelangt ist. Den
Provinzialstatthaltem, Stenerbeamten, sowie den Capitänen, Castellanen
und Wächtern der Burg selbst wird in den Urkunden strenge aufge-
tragen, die Rechte der Kroiten zu. schützen.
Was die mächtigen Geschlechter des Landes anbelangt, findet man
die ersten Nachrichten über dieselben in der Gorrespondenz des Erz-
Zwei Urkunden aiia Nordalbanien. 87
biflohofii Demetrioft Chomatianos. Als erster Dynast Nordalbaniens er-
fleheint im XII. Jahrh. ein Albanese Progan, mit einem wohlbekannten
nationalen Namen (Ilporoilk in der ürk. von DeSani, Progano oft in
venet. Aeten] , der vom Heransgeber der Correspondenz wegen der
Aehnlichkeit mit griech. nfjöyovog Vorfahr missverstanden nnd mit
kleinem Anfangsbnehstaben gedmekt wnrde [&Qxov%og rov uiXß&pov
rivfj Tov IlQoyövov ed« Pitra ooL 1). Des Progon Söhne waren die
Archonten Gin und Defnetrios. Demetrios ist ans den päpstliehen Ur-
kunden 1208 — 1209 bekannt als Arbanensis princeps, judex Albano-
rom, ein Gegner der damals in Dnrazzo herrschenden Venetianer (Ljnbid
1, 27]. Seine Fran Komnina war eine Tochter des Orossiupans (später
erstgekrOnten KOnigs) Stephan von Serbien nnd der Endokia , Tochter
des Kaisers Alexios III. Später erscheint in dieser Landschaft, wie dies
Drinov dargelegt hat, eine Art Nachfolge nur in weiblicher Linie. Nach
dem Tod des Demetrios herrschte in Arbannm unter dem epirotischen
Despoten (später Kaiser) Theodor der Sevastos Gregorios Kamonäs, der
die Wittwe des Demetrios geheirathet hatte, was ganz unkanonisch war,
da des Kamonis erste Frau eine Tochter des Gin, des Bruders desselben
Demetrios gewesen war. Im J. 1253 wird als Landesherr von Albanon
genannt ein GolSm (rovldfiog) , dessen Frau nach Akropolites (ed.
Bonn. p. 98) eine Verwandte der Kaiserin Irene war, nach Drinov's Er-
läuterung eine Tochter der serbischen Komnina.
Im XIV. Jahrh. waren das herrschende Adelsgeschlecht dieses Berg-
landes die Topia (Thobia, Theopia). Erst später werden hier die Ka-
striata erwähnt. Bei Spandugino und Musachi sind Sagen von einem
serbischen Ursprung derselben zu lesen, doch der Name ist ohne Zweifel
griechisch, KaOTQuaTqg von einem Ortsnamen KaarqLov. Griechische
Elemente in den Namen des Adels von Albanien sind bei der viel-
hundertjährigen Herrschaft der Byzantiner nichts aussergewöhnliches.
Auch der Name der Arianiten hat byz. Vorbilder (darflber ausführlich
Hahn, Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar S. 298) ; ebenso
erinnern die Span von Drivasto an griech. anavög , die Scura bei Dn-
razzo an den Personennamen 2yovfog.
Die erste Spur der Familie der Kastriota erscheint am Hofe der
slavisehen Dynasten von Valona, die 1350 — 1417 erwähnt werden
(vergl. JireSek im Spomenik der kgl. serb. Akademie Bd. 11, S. 11 f.).
In Valona residirte zuerst (1350 — 1363) der Schwager des Garen Ste-
phan Dnsan, der Despot Jobannes Komnenos Äsen, ein Bruder des
S8 ThallöcBjT und Const Jireoek,
bulgarischen Caren Johannes Alexander und der serbischen Oarin Helena,
Stephan Dusan's Gattin, dann sein Verwandter oder gar Sohn Alexander
(1366—1368). In dem Eid, den Alexander, «gospodin Kanine i
Avlonu«, den Ragnsanem als ihr Ehrenbflrger (brat od komuna dnbrovbi-
koga) leistete, erscheinen unter den Zeugen voran: ȟpOA^Nk KOie-
BOAA H AlHKACt^iUk (wohl ein Kroate, nach der Namensform; ein
Sfld-Dalmatiner, Serbe, Albanese hiesse Nikola oder Niksa] kc^aahm
B4BA0HCKH, BpAHHAO H Kl^aANU KaHHHCKH KaCTpHIVTka. Der
älteste Eastriota war also nur Beamter, Burghauptmann auf Kanina bei
Yalona; die Ruinen dieser Burg in drei Etagen (die höchste 379 m Aber
dem Meer) stehen heute noch südöstlich von Yalona (Hahn, Alb. Studien
1, 72). Nach dem Texte gehört Branilo kaum zum Namen Eastriot, wie
es Hopf verstanden hat. Später erscheinen die Eoistriota in Nordalba-
nien. Am klarsten schildert die Anfänge der Linie der Despot Musaohi
(1510): »Sappiate, com' 1' avo del Signor Scanderbeg se chiamö Signor
Paulo Gastrioto, e non hebbe piü de due casali, nominati Signa (nach
Hahn Dorf Ober- und Unter-Sinja in der Matja) e Oardi-ipoatesi t
(Hopf, Chroniques gr^co-romanes in^dites p.301). Pauls Sohn Giovanni
Oastrioto «se fece Signor della Matiaa (ib. p. 298, 301). Dessen Sohn
Skanderbeg »depo che recuperö la Matia, stato patemo, s' insignori
della cittä de Groia, ch' il padre non V hebbe c (p. 299); »fü Signore
non solum della Matia, ma si fh Signore de Groia, de Dibra, de Birina
(Brinje in der Matja) cio^ de Randisia, Tomorista e Misia e lo paese de
Guonimi (wohl der Familie Jonima, vergLRuvarac im Archiv 17 S.564)
insino alla Marina« (p. 29S — 9). Bei Hopf, Hahn und Makusev ist die
Genealogie verwirrt dadurch, dass Eonstantin von Eroja , wie oben be-
merkt (vergl. Spomenik 11, S. 15) ein Balsid, in die Familie der Ea-
striota einbezogen wurde, als ein Bruder des Ivan Eastriota, bei Hahn
(Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar S. 304) sogar identificirt
mit Paul und als Skanderbeg's Grossvater aufgefasst.
Ivan Eastriota, Itcanus Castrioti der Zeitgenossen, ist aus dem ür-
kundenmaterial dieser Zeit gut bekannt. Schon 1407 wird er als > do-
minus satis potens in partibus Albaniea genannt. Er hatte sich den
Venetianern, die damals Durazzo, Alessio und Scutari besassen, unter-
worfen (se subiecit fidelitati nostri dominii). Am S.April 1407 beschloss
der Senat von Venedig Fürsprache zu fähren beim Papst in Folge eines
Schreibens dieses albanesischen Fürsten. Der Bischof von Alessio wollte
»occupare duodecimde ecclesiis episcopatus Albanie et illas nititur semo-
Zwei Urbindea aiiB Nnrdalbanien. 89
▼ere ab ipso episcopata Albanie et nnire atque reducere eab episcopatn
8110 c; Ivan Eastriota protestirte dagegen, da diese Kirchen angeblich
schon seit 800 Jahren (iam sunt octingenli anni) dem Bischof von
Albania gehörten nnd da diese Trennung zur Folge haben würde einen
«mazimns tomnltns et dissensio inter eoclesias interqne nobiles et omnes
aiios de contracta illaa (ganz bei LJnbiö 5, 94 — 95). Das Schreiben ist
für die Oeschiohte des Bisthnms von Arbannm von grosser Wichtigkeit ;
der »episoopatns Albanie c, welcherzn Anfang des XV. Jahrb. seine Besitz-
rechte bis ins VII. Jahrb., in die Zeiten des Ejiisers Manricins oder
Fbokas zniUckdatirte, ist nichts anderes als das frflhere Bisthnm KqoQv
der griechischen Qnellen, allerdings nnnmehr im Besitz der Katholiken
befindlich. Seit 21. Mftrz 1413 war Ivan Bflrger von Ragasa, nach Be-
sehlnsa des Consilinm Rogatomm »de aeceptando dominum Inannm
Gastriot in einem et vicinum nostrum, cum omnibas prinilegüs et immn-
nitatibns» qnibns accipinntur alii eines facti per gratiam « (Libri Refor-
mationnm 1412 — 1414 im Archiv von Ragnsa).
Bald darauf musste sich Ivan der tfirkischen Oberhoheit fflgen;
1416 wird er genannt als tflrkischer Vasall, neben Balsa Stracimirovid,
Koja, Bitri Jonima und dem türkischen »capitaneus castri Croyea
(Ljubiö 7, 218). Schon 1410 klagte sein Gesandter in Venedig, »ipsum
esse aatrictum a Turchis et habere proprium natum in obsidem apud eos
et quotidie infestari, ut ipsos Turchos permittat per passus et loca sua
descendere ad territoria et loca nostre dominationi subiectae (Ljubid
6, 51). Während der vielen Kftmpfe gegen Balsa bemühten sich die
Venetianer eifrig den Ivan als Bundesgenossen zu gewinnen; das erste
Angebot des Ivan 1411 lautete, er wolle »equos trecentos Tnrchorum
et equos duo mille de suis et plnres, si plures erunt necessariia stellen
gegen BalSa und gegen jeden anderen Gegner der Venetianer in Alba-
nien, für eine jährliche Provision von Tausend Ducaten (Ljubiö 6, 175).
Die grossen Reiterschaaren, die Ivan auf seinem Gebiete aufstellen
konnte, sprechen für eine bedeutende Ausdehnung seines Territoriums.
Die Verhandlungen wurden öfters von Neuem angeknüpft. Als aber
nach dem Tode des Balsa 1421 Despot Stephan Lazareviö von Serbien
im Gebiet von Scutari einrückte, um als Erbe der Bal&i6i die Venetianer
zn bekämpfen, setzte sich Ivan mit den Serben ins Einvernehmen und
sendete seinen Sohn zum Despoten, ohne jedoch mit Venedig abzubrechen.
Ein venetianischer Gesandter, Andreas Marcello, reiste insgeheim über
Alessio als Kaufmann verkleidet mit Geschenken, um Ivan wieder für
90 ThaUöcsy und Const «Hreoek,
Venedig zu gewinnen; ans seiner Instruetion Yom 28. Jannar 1423 ist
%VL sehen, dass Ivan damals von den Venetianern »illnm honor^n, qnem
habait eomes Nicheta« (Niketa Topia) beansprnehte. Der venetianische
Gesandte sollte ihn anf die Gefahren aufmerksam machen, die ihm nnd
anderen »dominia der Landschaft drohen, »si dictus dominus despotas
dominaretnr in partibns illist; wenn Ivan's Truppen wirklich im Lager
des Despoten vor Scutari sein sollten, möge er sie zurflckbemfen (Ljn-
bid 8, 211 — 214). Doch kam es noch in demselben Jahre zum Frieden
zwischen Serbien nnd Venedig (vgl. Stanojevid, Archiv 18, 466).
Im Mai 1426 bat Ivan die Bagusaner um einen Arzt und der Senat
liess den Stadtarzt Magister Thomas fragen, »si contentns est ire ad
Gastriotumo (Oons. Bog. 25. Mai 1426). In dieser Zeit, 1424—1425,
Hessen die Venetianer den Ivanus Gastrioti ersuchen, dass er »destmi
faciat omnes salinas, quas fieri facit«, Salzsiedereien am Meere irgendwo
bei Alessio. Die »capitula« seiner Gesandtschaften nach Venedig
1428 — 1433 sind leider nur aus den kurzen Angaben der Register be-
kannt, da die Senatsbttcher selbst für 1422 — 1440 sich nicht erhalten
haben. Vgl. Ljubi6 8, 134, wo aber eine bei Hopf (Ersch-Gruber's En-
cyklopädie Bd. 86, S. 101) citirte wichtige Stelle fehlt: im Juli 1428
bat Ivan durch seinen Gesandten, den Priester Demetrius, man möge ihn
nicht verantwortlich machen, wenn sein Sohn Georg (Skanderbeg), der
zum Islam übergetreten, venetianisches Gebiet verheeren sollte. Am
18. Januar 1430 beschloss der grosse Bath von Bagusa, dem Ivan ein
Geschenk in Tflchem im Werthe von 1 50 Perper zu machen, ebenso
seinem Gesandten Nicola Summa eines »in pannist für 50 Perper.
In demselben Jahr 1430 erlebte Ivan böse Tage. Am 29. Mflrzd. J.
hatten die Türken den Venetianern Thessalonich entrissen. Nach dem
Fall dieser wichtigen Stadt zog ein türkisches Heer nach Epirus und
nahm die Stadt Janina (vgl. die Urk. in Acta graeca 3, 282); der Despot
Carlo II Tocco wurde auf den Süden des Despotats mit Arta beschränkt.
Ein zweites türkisches Heer unter dem Feldherm Isak, dem Statthalter
von Skopje, brach in Albanien ein. Das Gebiet des Ivan Kastriota
wurde erobert, vier seiner Burgen geschleift, in zwei Burgen türkische
Besatzungen gelegt. Doch verständigte sich Ivan mit den Türken und
erhielt sein Land zurück, bis auf ein kleines Gebiet, welches der Statt-
halterei des Isak untergeordnet blieb. Ueber diese Ereignisse bieten die
von Ljubiö veröffentlichten venetianischen Urkunden keine Nachricht ;
dafür hat sieh manches Detail in der bisher ungedruckten Correspondenz
Zwei Urkunden ans Nordalbanien. 91
der Bagasaner erhalten. Am 18. Mai 1430 schrieb der Senat von Ra-
giisa seinem Gesandten bei dem bosnischen Orossvojvoden Sandalj,
Benedetto Mar. de Oondola: »De nonelle abiamo qnesto. Come ananti
fo seiitto, lo Toroho obtegnj Salonicho et obtegnndo che Y aae, parte
delie sne gente mando nella Morea e parte contra le tenute e paexe de
Inan Gastrioto, leqnal ad esso laan lenamo quatro forteze, zoe castelle,
che gitomo per terra, et segondo se dicena, esso Inan cerchana sego
achordo. Qne de piü sia segnito, perche nostre barche non son venate
qnesti di de lä, non sapiamo dir«. Am 28. Mai meldeten sie dem Oon-
dola: ^De nonelle altro non abiamo, ne ma che li Tnrchi, de li quali
per altre vi scrinessimo, anno aunto tutta la contrada de Inan Oastrioto
e anno gitado per terra tntte le forteze, excepte dno, le qnal per se anno
fomito e . . . . Et parte della contrada h datta a Tnrchi e parte n' h
lassada al dicto Inan. Lo imperador se ritrona sotto la Janina e gnereza
qnelle contrade, che fomo del dispoth Exau e del dispoth del Artaa.
Am 3. Jani schrieben die Ragnsaner ihrem Gesandten am Hofe des Kö-
nigs Yon Bosnien, an Nicolo Mich, de Resti, ebenfalls Neuigkeiten aus
Albanien: »Di noue di qua se dice, el Turcho auer tolto tute le forteze
a Inan Castrioti e quelle auer ruinate, excetto dne, le qnal a posto in
man e guardia di Tnrchi, e la contrata auer renduta a Inan, saluo al-
gnna particella, data a Isach, e la hoste mazor parte a licentiado, excetto
nna particula, chi e rimasta a guerizar el despoto de ia Janina, e lo im-
perador e andato in Andrinopoli con la sua corte«. Der türkische Feld-
herr brach in Begleitung eines Sohnes des serbischen Despoten selbst in
das venetianische Gebiet von Scutari ein und in die Landschaft des
Gojiin Cmojevid. Darüber wurde am 30. Juni dem Gondola geschrie-
ben: »De nonelle abiamo, che Tsach col fiel del signor despoth son
▼enntj in Zenta et anno arobado e predado la contrada de Goizin e de la
Signoria de Venexia fin sotto Scutarj c (Alles in den Lottere e com-
missioni di Levante, Band 1427 — 1430, im Archiv von Ragusa.) Als
am 13. Sept. 1430 Piero de Luchari und Zorzi de Goze zu Sultan
Mnrad IL gesendet wurden, wurde ihnen aufgetragen, in Pristina alle
dortigen Ragnsaner zu versammeln und mit einem Vertreter derselben
znm Yojvoden Isak zu reisen, um den ragnsanischen Eaufleuten freien
Durchzug »per la contrada fo de Juan Castrioti ad Alexio e per ogni
altra via a nui dextra« zu erwirken (ib.). Am 9. Oet. schrieben die Ge-
sandten ans Skopje, Isak dürfe ohne Erlaubnis des »Imperador turcho«
nichts thnn, worauf die Gesandtschaft alle gewünschten Handelsrechte
92 Thallöczy und Gonst Jireoek,
am Hofe des Grossherrn selbst erwirkte. Die Tarken hatten damals auck
das Gebiet des Tanns Dnkagin occupirt. Im J. 1431 sass ein tflrkischer
Eefalija anf der Barg DaA bei Scatari. Mit diesem » chiephaü al Dagnoc
hatten über den Schatz der Ejinfleate zu sprechen nach ihrer Instraction
vom 2. Dec. d. J. Matteo de Crosi nnd Marino Jan. de Zorzi aaf einer
neuen Gesandtschaftsreise znr Pfort« (Lett. e Comm. 1430 — 1435). Jel-
doch hatte Ivan Eastriota inzwischen wieder einen Einflass aaf diese
Angelegenheiten gewonnen, denn am 19. Janaar 1431 bevollmächtigte
das Consiliam Bogatoram von Ragasa den Rector mit dem kleinen Rath
»respondere litteris comitls Scatari, dohanerioram dohane Dagni et laan
Oastriot, prout eis melins aidebitar, scriptis pro dohana Dagni et via
mercaioram nostroram« (Liber Rogatorum 1427 — 1432).
Am 28. Mai 1438 wurde dem Ivan Eastriota ein Privilegiam von
Venedig aasgestellt (citirt 1445, Ljabid 9, 214). Am 10. Jali 1439 fasste
der Senat von Ragasa den Beschlass, auch den Söhnen Ivans das Bürger-
recht za verleihen : »Prima pars est de confirmando filiis luaniCastrioth
(f. I. C. über der Zeile] cartam cinilitatis (darchstrichen: Georgio Oa-
strioth) , proat et qaemadmodam facta fait laano Castrioth, patri sno.
Per omnesa. Den Tod Ivans verlegt Hopf (Ersch-Graber's Encykl. 86^
123; genealog. Tafeln bei den Chroniqnes 533) ungefähr in das
J. 1443. Seine Freundschaft für Venedig wurde von den Venetianern
seinem Sohn Georg (Skanderbeg), mit dem die Republik des hl. Marcus
manche Missverstftndnisse hatte, energisch zu Gedächtniss geführt:
»antiqua et maxima amicitia, habita cum domino luanne, patre suo, et
quantas comoditates sibi fecimus« (1448, Ljubid, 9, 270).
Dass die unten abgedruckte Urkunde des Ivan Eastriota slavisch,
oder genauer gesagt serbisch, geschrieben ist, bildet in Albanien keine
Ausnahme. Bekannt sind slavische Urkunden der Herren von Valona,
der Dukagin, des Georg Eastriota, geschrieben von seinem «djak« oder
»kanziijer« Ninac Vukosaliö, ja ein Schreiben der Ragusaner an Eaiser
Sigismund von 1434 (vgl. Archiv 17, 568 und 19, 606) sagt ausdrück-
lich, dass die albanesischen Fürsten nur »sclavonos cancellariosa haben.
In der Urkunde erscheint Ivan als »gospodinc (dominus) und seine Söhne
(sinovi, djeca) als seine Mitregenten. Von den Hofbeamten wird ein
»2elnik« Peter genannt, ebenso wie bei Georg Eastriota ein »Selnik»
Rajan erscheint. Der Durchzug der Eaufleute durch das Land des Ivan
war von Bedeutung als sicherer Weg nach Serbien in der Zeit, wo die
Häfen von Cattaro, Antivari, Dulcigno und die Mündung der Bojana für
Zwei Urknaden aus Nordalbanien. 93
doB Handel gesperrt waren durch die Kriege der Venetianer gegen Balsa
und spftter gegen die Serben. Damals (1422), noch vor dem Frieden mit
Serbien, schrieben die Venetianer »domino Johanni Oastrioti circa Ragn-
seoB, transenntes per viam Scatari et territorinm Groye« (Ljnbi<58,133).
Als Eingangspforte seines Landes wird in der Urkunde der Landnngs-
plats Ton Sufadaj oder Sufadaja bei Alessio genannt, Sufat, Sujfada,
Zufada in lateinischen, venetianischen oder ragusanischen Urkunden
dieser Zeit. Die Lage erhellt aus einem venetianischen Act vom 26. Sept.
1393. Bald nach der üebemahme von Alessio durch die Venetianer
meldete der Castellan, dass »aliqui circauicini conantur reducere mer-
cata salis, que erant solita fieri in Alexo (sie), ad quendam locum, vo-
c&tum Suffada^ longinquum per octo milliaria, quod est causa destruendi
£ctnm nostmm locum Alexi«, worauf der Senat den venetianischen
Unterthanen verbot »hoc mercatumc zu besuchen (Misti vol. 42, f. 130;
bei Ljubiö 4, 319 nur im Auszug, vollständiger bei Makusev, HcTopH-
neeidü pasucKaHifl o CjiaBHHax'B bi AjitfamH S. 138). Am 3. Mai 1403
bat ein Gesandter des albanesischen Edelmanns Dimitrius Oionima, dass
ein 98UU8 mercator possit vendere salem ad mercatum Semphandaya
unten : in loco Semphade), mit einem Ertrag von 200 Ducaten jährlich,
waa ihm jedoch verweigert wurde (Misti vol. 46 f. 80). Der Weg durch
Ivan'a Gebiet führte weiter landeinwärts längs der jetzigen Strasse (Scu-*
tari-Dagno-Puka-Prizren) nach Prizreo, in das Land des Georg Vukovi6
(Brankovid) und des Despoten Stephan Lazarevld. Unbekannt ist die
Lage von JRadun, wo ein tflrkischer Zöllner residirte. Mrcarija (mer-
eria), pratei (Waare) sind bekannte Ausdrücke ; dunkel bleibt inbul
Gen. Plur., von IfjLßoXov oder imballare?). Jeder Schaden auf dem
Boden Ivan*8 wird von ihm ersetzt. Der Einfuhrzoll ist festgesetzt auf
eine Pferdelast (tovar, lat. salma) Tuch (evita) 2 Ducaten, in RaduA
Y2 Dnc, auf sonstige i^mrtarijea 1 Perper, in RaduA 6Dinari, der Aus-
fuhrzoll aus Serbien zum Meer auf 1 Perper, in RaduA 6 Dinar. Was
die Münzwerthe anbelangt, so war im XIV. Jahrb. 1 ducatus auri =
2 yperpyri (der yperpyrus war ja in dieser Zeit nur eine Rechenmünze)
=x= 24 grossi, im XV. Jahrh. 1 ducatus auri = 3 yperpyri = 30 gross!
de Ragusio. Aus 1 libra argenti wurden in der Münze von Ragnsa 1383
20, 1422 aber 22 yperpyri Scheidemünze geprägt. Der slavische dtnar
(denarius) entspricht dem grossus (denarius grossus) . Die localen Curse
waren aber sehr verschieden ; auf dem Zollamt von Dagno rechnete man
1433 1 ducatus sogar mit 4 yperpyri (Schreiben der Ragusaner an den
94 Tballöczy und Oonst. Jireoek,
yenet. Oomes von Sontari 30. Jänner 1430, Lettere e Comm. di Levante
1430—1435).
Zwei andere slavische Urkunden des Ivan Eastriota sind bisher nur
ans einer Bemerkung bei GrigoroviS bekannt. QrigoroviS (O^epiTB nyre«
mecTBLS no EeponeHCKOH Typi^in, 2. A«, Moskau 1877 S. 47} notirte
1844 im Archiv des Klosters Chilandar anf dem Athos: No. 39 ohne
Jahr, über den Verkauf des TtifQyog des hl. Qeorg dem Joan KaUriot
und seinen Sehnen Repos^ Konstantin und Georg ^ auf Perg. mit Cur-
sivsohrift und Wachssiegel; No. 40, 6930 = 1422 (eigentlich 1. Sept.
1421 — 31. Aug. 1422), Ivan Kastriot mit seinen Söhnen StanHoy
SepoSj Konstantin und Georg schenkt dem Kloster Chilandar dieDOrfer
Radostina und Trebiste, Perg., Cursiva.
Dass Ivan Kastriota ein Kloster der orientalischen Kirche mit
Schenkungen ausstattete, ist bei dem Schwanken der albanesisohen
Dynasten zwischen beiden Kirchen nichts Aussergewöhnliches. Karl
Topia wird in einem Codex der serbischen Uebersetzung des Georgios
Hamartolos mit den fflr Fflrsten des orientalischen Bekenntnisses üblichen
Formeln genannt (Ruvarac, Archiv 17, 566). In einem von Ljubomir
Stojanovid beschriebenen Pomenik (Spomenik 3, 177] werden albanesi-
sehe Edelleute, ein Aranit und die Familien der zwei »Selnika Riyan
(bei Oeorg Kastriota) und Dmitr genannt Uebrigens hatten die serbi-*
sehen Klöster im XIV. Jahrb. auch Orundbesitz in Nordalbanien. Das
Kloster Chilandar besass in Pilot (Polatum) die Dörfer Kalogeni und
Muriki oder Muliki (1348 SafaHk, Pamätky 2. A., & 101, Mon. serb«
p.lll als Gmoyahkh fttr c(k) Moyahkh, 1354 Mo^ahkc Florinskij,
IlaMHTHHKn S. 49). Das Ersengelkloster von Prizren, eine Stiftung
Stephan DuSan's, besass eine von katholischen Albanesen bewohnte
Dorfgruppe westlich vom Zusammenfluss der beiden Drim, mit Siklja,
Ejujmada (alb. die «grosse Quelle«), Krsti und Sakato in »Gor&i Pilot«
(vgl. Novakoviö, Oodisnjica 1, 209), ferner die Mnttergotteskirche von
Da& (capella S. Mariae subtns Dagnum 1456, Ljubiö 10, 91 ; über deren
Buinen Habn, Beise 41, 328) mit den Dörfern Prapratnica und LonSari,
endlich eine zweite Muttergotteskirche am Flusse Fa^aP^ (fiume del
Jadro 1459, Ljubi6 10, 139, jetzt Fl. Gjadri) und das Dorf ^eravina
(2^ravina 1444, Starine 14, 55 — 56) mit Grundstücken in der Um-
gebung von Alessio (Urk. im Glasnik Bd. 15, S. 286, 304, 310).
Ein ürkundenbuch für die Geschichte Albaniens mit einer voll-
ständigen^ gut edirten Sammlung aller auf dieses Land bezüglichen ür^
Zwei ürkanden aus Nordalbanien. 95
knnden aas Venedig, Rom, Neapel, Bagasa n. b. w. würde die innere
nnd ftassere Oesehichte dieses Landes in den lotsten Jahrhunderten des
Mittelalters trefiflich beleuchten. Von entscheidender Wichtigkeit wäre
ein solcher Codex diplomaticus Albaniae für die Geschichte des Georg
Kastriota oder Skanderbeg, die erstdoroh eine ürknndensammlnng einen
festen historischen Boden gewinnen nnd sich des romanhaften Beiwerks
entledigen wird. C J.
I. 1420, 25. Februar. Geleitsbrief des Herrn Ivan (Kastriota) und seiner
Söhne fOr die Kauf leute von Bagusa auf dem Wege durch sein Land von
äufadaja (bei Alessio) nach Prizren, nebst Bestimmungen über die Zolle.
t Btipa MO» r(OCno}A(H)NA HbAHA H MO(H))fk CHNORk Bca-
KOM9 TpkroBiJtt^ RAAAVitiAro rpAA(A) A^rpobhhka, koh Scj^oKie
AOKH 8 MOlO 3CMAI0 | S UIS^AA^H HAH TKO t$C)^0KI6 8 MOlO
3fUAI0 TpkrOBATH HAH TKO Sc^^Kie MHHStH MOWMk 3fUA0Mk
8 3fMAio I FioprieB^ hah r(ocno)A(H)HA a^chota. h tako HUk
(Uk B'kpS A^^^ ^A K^M fifir}% 8 MOlo 3cmaio S IU^^aaaio,
AKO US I b8aC KOa MTf(T)A HAH 3AOK0 MOIVMk 3fMA0Mk
AO npH3pfHA, A^ ^ r(OCno}A(H)Hk ÜBAHk H UOtl fi,%l\A HAA-
KUUk. A HA WBH | 3AK0Hk U(a}PH[HCKH?] 8rOBOpHAk CUk C
npHUTIAieUk MOHUk A BAlUHMk BpATOUk ÜCTpOMk MHMO BC8
UOIO 3IMAI0, I A^ < ISANA I4[AP]HHA ha TOBApk CBHTI A^A A^*
KAT(a) A ha MkpMApHIO W-T-OBApA nfpni(p}k A t^ Tt^pCKOH 3IMAH
S PaA^HIO I W-T-^BApA CBHTf HOAk A^KATA A WA MpkHApHI
lUICTk AHHApk, A HA BpAKI6HHf IVfllTk UHUO BC8 UOIO | 3IMAI0
AO lUS^AAA» IVA BOCKA H WA HHB^Ak (sio) H WA HHf npA->
tc;kh nipnfpS, a 8 Paa8hi6 TSphhhS uifc;Tk AXHapk. | a bciuS
TOUS U(H)A(0)CTHHKk IlfTpk HfAHHKk.
IIhCAHA ha •;rA- H -H- H -K- A'KTO, U('k]c(f)l^A ^fpBApA -Ki-
A(k)Hk.
Das aufgedrOokte Siegel bedeckt mit einem viereckigen Papierblfttt-
eben; darauf kenntlich in einem Kreis ein links gewendeter Kopf (Abdruck
einer antiken Gemme?) % Auf der BUckseite eine Notiz: leter(a) de dno Juan
ehastroi .... | sauo chonduto ali merch(adanti).
1) Auch Georg Elastriota benutzte als Siegel eine antike Gemme, auf
weicher eine nackte Leda mit dem Schwan dargestellt war. Zwei Urk. von
1459, Hiklosich, Mon. serb. 481—483 (Beschr. der Siegel in handschr. Notizen
des Dr. Johann ^faHk, im Nacblass von P. J. äafaHk im Prager Museum).
96 Thallöcsy nnd GonBt JIreoek,
Das Original auf Papier, 29 Centimeter breit, 16.3 hoch. Die
Cursivschrift, mit schwarzer Tinte geschrieben, anfreoht stehend. Die
Striche von A, p, $, A (Vorderstrich), M (Mittelstrich) weit abwftrts ge-
zogen, der Obertheil von S dagegen weit aufwärts. Die Aber die Zeile
gesetssten Buchstaben sind in unserem Abdruck in die Zeile gezogen :
IV, MOWk, MOK, 3CUA0k, BaiUHk, A^^P^^} ounck. Abgekürzt ist
THk, PHa, ebenso die Formen rpa, A^a A^Ka, zum Schluss fi,Hh..
In nipnipk sind beide p (im ersten Falle nur das erste sichtbar) Aber
die Zeile gesetzt. Die Stelle saKOHk i^pH, worauf ein Loch folgt, lesen
wir als i^apHHCKH, ebenso i6AHa ii(Loch)HNa als i^apHHa. Das Wort
upkMapHti (merzaria) ist an erster Stelle Mkp-, an zweiter llpk- ge-
schrieben, beides ohne Abbreviatur. Das abgekürzte HTca lesen wir als
HTCTa. Zeichen Aber der Zeile sind bemerkbar nur bei Sc^OKie. Die
Zifferbuchstaben im Datum sind mit einer Titla {'-») Aberdacht. Das
ganze Aeussere erinnert an die Originalurkunden der Balsiöi.
IL Neapel, 1457, 19. April. König Alfons y(I). von Aragonien und Nea-
pel bestätigt die von Kaiser Andronikos IL und König Stephan Dusan er-
theilten Privilegien der Stadt Kroja, mit Erwähnung älterer Urkunden der
Kaiser Manuel KomnenoSi Joannes Dukas Vatatzes, Tbeodoros Laskaris IL
und Michael Palaiologos.
Pro nniversitate oppidi Croarum.
NoB Alfonsus etc. consuevimus pro nostro more nedum iis, qui sua
sponte libentique animo nostro sub imperio se posuere, sed et iis etiam, qnos
ardüis horrendisque bellis domitos nostra virtute subiugavimns et antiqnas
grätias ac privilegia confirmare et nostris etiam nobis (novis?) cos donare. Et
quoniam ad nostram maiestatem a clero, comunitate et hominibus oppidi Croa-
rum oratores advenere nos piis vocibus miserandoque humilitatis deprecan-
tes, ut eis, quum nostri subditi sint et nostro imperio, ut ante dictum est, non
inviti, sed libentes ferventique animo dediti, privilegia quedam libertates ab
antiquis imperatoribns eisdem sucesive refirmatis eisdem confirmare et de
novo concedere dignaremor. Quorum quidem teueres privilegiorum e greco
in latinum conversi tales habentur.
Quoniam reverendus episcopus Croensis et venerabllis clerus eiusdem
sancte ecclesie et nobiles oppidi eiusdem Croarum retulerunt ad nos de Om-
nibus juribuB et privilegiis predicti oppidi tam intra quam extra habitis, vi-
delicet de vineis, terris, poBsesionibus, olivetis, piscinis, hibemis, ceteris
Omnibus jnribus, que ad hoc usque tempus habent ac possident, atque in pri-
mis de hibemo vocato Selmazo cum eins vinario, de hiberno Contelo, de hi-
bemo Bezo, de hiberno Castrato, de hibemo Pallaso, de hiberno Santa Eu-
phomia cum eins terris, de hiberno Zale cum eins terris et fönte, de hibemo
Phentopleto cum eins terris, de hibemo Bellice cum eins terris, de hibemo
Santo Blasio cum eins terris, de hibemo Hereno cum eins terris, de hiberno
Metro cum eins terris, de hiberno Hostrati cum eins terris, de hibemo Colli
cum eins terris, de hiberno Pherza cum eins terris, de hibemo Beroa cum
Zwei Urkunden aus Nordalbanien. . 97
eins terris, de hiberno Montemagno Cromi cum eins terris usqae ad propin-
qnnm Nobalnm et Gadinnm, de hiberno CalamaBcuti cam eiuB terris et vineis
et oliveds, de hiberno Cercoleso cum eins terris acqne arboribus fmctiferis
et non fmetiferis, qne omnia jura possident ab antiquo et maiornm snomm
patrimonio habent et privilegiis mandatisqne felicis memorie imperatoris
Hanneiis Magni Comini et superiorum atque etiam felicis memorie Lascarii,
ayi nostri et patris nostri et nostris ; hac de causa robore «t facultate presen-
tis huius privilegii nostri concedimus et largimur omnibus predicti oppidi
Croanun tarn superioribus, quam inferioribus, ut hec omnia possideant libere
et dne ulla molestia et perturbatione fruantur iis per omnia tempora, quem-
admodum in suis privilegiis ac reliquis juribus condnetur. Et non prefecto,
non eapitano, non castellano penitus liceat exigere ab iis aliquid vel pene yel
angarie Tel colecluri vel yectigalis, hoc est gabeile, yel alicuius solutionis,
sed omnino llberos et inmunes apud omnes seryentur et habeantur. Preterea
yolumus, ut nullam ipsam gabeüam exsolyere debeant, ubicumqne reperlantnr»
siye Dnrachii siye alibi, sed sint omnino liberi et inmunes, quemadmodum
in suis privilegiis continetur et presens hoc nostrum Privilegium precipit.
Similiter yolumus etiam, ut in portis eiusdem predicti oppidi nihil ab bis
ipsis hominibus exigatur, vel lignorum yel alicnins angarie, sed ea quoque in
parte sint et habeantur liberi et inmunes ab omni vectigali et quavis alia
Bolutione, siye ingredi sive egredi velint. Nee ab officialibus de facto debeant
retineri, sed quecumque culpa eorum et causa sit, facto judicio et examine
poniantur. Presentia igitnr huius privilegii nostri nemo audeat injuriam aut
molestiam aut impedimentum hiis inferre in hiis omnibus, que presens hoc
nostrum Privilegium declarat et continet. Nam securitatis, inmunitatis tutele-
que gratia nostrum hoc Privilegium concessum iis datumque est mense junio,
indictionis XI, anto ab initio mundi septies (sie) millesimo octlngentesimo
quincnagesimo primo.
Stephanus fidelis in Christo crales Bngarorum.|
Quoniam constat habitatores oppidi Croarum habere jnra antiqua et
super hiis juribus privilegia felicis memorie imperatoris Joanis Ducis et Teo-
dori Lascari eins filii acque etiam Privilegium et mandatum Serenissimi impe-
ratoris nostri patris, ut suis bouis tam intra quam extra predictum oppidum
habitis yel habendis fruantur libere et sine ullo impedimento, sine ulla mo-
lestia sna possideant omuia et tractent, supplicant vero, ut super his ipsis
etiam a nobis Privilegium consequantnr, nos supplicationem et petitiouem
eorum probantes presens hoc Privilegium iis concedimus et largimur, quo pri-
vilegio jubemus, mandamus acque precipimus, ut quemadmodum in antiquis
eorum juribus et in privilegiis super his juribus habitis predictorum impera-
tomm Joanis Ducis et eins filii Theodori Lascari et nostti patris continetur,
sie sua possideant omnia, sive intra sive extra predictum oppidum habean-
tur, verbi gratia domos, vineas, segetes, plana, hibema et eorum colonos sive
agricolas, item oliveta, pisccina et omne, quicquid ex antiquo in hoc usque
tempuB possideant, hec omnia habeant rata et firma eine ulla molestia, sine
ullo detrimento aut impedimento, et fruantur iis omnibus libere et tranquille,
IrekiT fftr sl»Ti8Clie Philologie. XXI. 7
98 ThaÜöczy und ConBt. Jireoek,
nee in hiis ipBis possidendis potiendisque alfqnid vi aut iniaria a vicinis vel
baronibuB vel quibtuvis aliis infestentur. Yolumos enimi ut non prefeeto
eiuB provincie, non publico procnratori, non oapitano predicti oppidi, non
euBtodibuB, non eastellano loei eiuBdem, non alicni penitns lieeat eapere
quioquid ex rebus aut poBsesioniboB eornm predieds vel aliquid iis inferre
ininrie aut molestie et impedimenti, sed omnes servare debeant eos liberos et
omni perturbatione, omni infestatione inmunes circa suas predictas possesio-
nes et poBBesionum colonos aut agricolas. Robore enim et facultate proBen-
tis huiuB nostri privilegii Bervari omnino debent etiam imposterum omne
tempuB habitatoribuB predicti oppidi Croarum inmunitas acque Becuritas at-
que omnis publice infestationlB exactionisque libertas circa predictas eorum
poBBesioneB« quam ex antiquo in hoc usque tempuB assequebantur, iuxta argu-
menta pHvilegiorum et mandatorum, que üb cbbc concesBa ab imperatoribus
diximuB. Et quoniam idem Croite retulerunt ad nos preterea seBe preter in-
munitatem et libertatem, qua firuuntur ex privilegiie et mandatiB, liberos
acque inmunoB aervatoB Bemper fuiBBe etiam a vectigalibuB, hoc est gabellis-
•Durachii oppidi pro mercibuB, quas ipsi vel portarent ad id oppidum vel inde
exportarent et pro ea ipsa inmunitate et Übertäte vectigaüum privil^om
quoque noBtrum obtinuerunt, itemque supücarunt, ut etiam ab ea predicta
Bolutione vectigalium Bint imposterum quoque Überi, inmuneB et omni mo-
leatia, omni impedimento abBoluti, noB hanc etiam eornm Buplicationem
petitionemque probantes jubemus et precipimuB homines eoedem Croitas ser-
vari haberique etiam impoBterum omne tempuB liberos et inmunes a solutione
vectigalis, id est gabelle Durachii oppidi pro mercibus, quas ipsi vel portent
in illud oppidum vel inde exportent, quemadmodum in eo, quod üb ooncesBi-
muB, privilegio continetur, ita ut ad nullam eolutionem vocari trahique de-
beant, nihil ab üb exigi aut peti pro eorum quibusvis mercibus lieeat. Kam
libertatum munitarum securitatis, tutele tranquillitatisque gratia presens hoc
nostrum Privilegium sigiilo pendenti aureo iis predictis habitatoribos oppidi
Croarum concessimus largitique sumuB mense octobris, indictionis II.
AndronicuB fideÜB in Christo Imperator Paleologus-
His itaque attentis et nostro animo repetitis epiBcopo, clero et oommuni-
tati et hominibus Croarum oppidi antedicti tenore presentis nostri privilegii
concedimus et quam liberaüter asBentimus volumusque et jubemus, qnod ex
nunc in antea teneant, habeant et assequantur übere et sine contradictione
aliqua omnia et singula privilegia, gratias, libertates et inmunitate« et
exemptiones, que in preinsertis privilegiis continentur, quas et unam quam-
que ipsarum eisdem episcopo, clero, comunitati et hominibus dicti oppidi
Croarum confirmamus et de novo utique concedimus, mandantes propterea
quibuscumque in partibus Albanie nostre viceregibus, gubematoribus, comi-
sariis et aliis officialibus nostris, presentibus et futuris, et presertim pre-
feeto, capitano, castellano et eustodibus dicti oppidi Croarum ipsas (?) huius-
modi nostram confirmationem, novam concessioaem et gratiam ac omnia et
singula in preinsertis privilegiis contenta episcopo, clero, comunitati et ho-
minibus oppidi Croarum antedicti jfc§neant firmiter et observent tenerique et
observari faciant cumniatim, et in diminutis non contrafaciant ratione aliqua
Zwei Urkunden aus Nordalbanien. 99
Bive causa. In qaorom testimoninm presena Privilegium exemptionis fieri
JQaaimua nostre buUa anrea pendente munitum. Datum in Castelio Novo
eivitatiB noetre NeapoüB die XYIIII aprilis, anno a nativitate Domini
MCGCCLVII, regni hnius Sicilie citra Farnm anno vigesimo tertio, alionim
verum regnomm nostrorum XXXXIL
Bez Alfonaua. To he leido la preaente e plaze me, que asi se £aga.
Dominus Bez mandavit mihi Amaldo FonoUeda.
(Archivio general de la Corona de Aragon, Barcelona, B. 2623, f. 118 — 119 v).
Wer war Pseudodemetrius L?
(BeitrSge sur Quellenkunde und Quellenkritik der Jahre 1591—1606.)
Zweiter Theil. *)
Um von dem Falschen Demetrius sprechen zu dürfen, muss man
dessen ganz sicher sein, dass der echte CareviS wirklich nicht mehr am
Leben war. Diese Thatsache wird nun durch die Acten der officieUen
Untersnchung bestätigt, welche der Bojarin Vasilij Sujskij, der Okol-
Biiij Kleinin, der Djak Vyluzgin, der Metropolit Oelasij bereits 4 Tage
nach dem Tode des D. in XJgiiS eingeleitet haben. Danach ist D. am
15. Mai 1591 unter folgenden Umständen aus dem Leben geschieden:
Mittwoch den 12. Mai st. v. hatte der GareviS wieder einmal einen Anfall
der Epilepsie, an welcher er schon früher gelitten. Freitag den 14.
fühlte er sich etwas besser, seine Mutter, die Carin- Witwe Maria Theo-
dorovna Nagaja, hat ihn an diesem Tage in die Kirche mit sich genom-
men und ihm nach der Messe im Hofe zu spazieren erlaubt. Am anderen
Tage, den 15. Mai, hat sie ihm ebenfalls nach der Messe auf dem Hinter-
hofe zu spielen gestattet. Es sollten mit ihm noch vier Edelknaben
(Peter Kolobov, Ba£en TuSkov, Ivan Krasenskij, Grigorij Kozlovskij)
mitspielen, drei Frauen aber über ihn die Aufsicht übernehmen — seine
Wirterin YasilisaVolochova, die Amme Irina TnSkova und die Kammer-
frau Marja Kolobova. Die Kinder spielten ein volksthümliches Spiel
und warfen wohl mit Messern nach einem bestimmten Punkte auf dem
«) Vergl. Archiv Bd. XX, S. 224—325.
7*
1 00 Eugen äcepkin,
Boden. Da erhielt der CareviS pldtzUeh einen neuen Anfall von EpUq>8ie ;
er fiel auf den Boden mit der Gurgel gerade auf das Messer, welches er
in der Hand hatte. Die AmmeTuSkova nahm den in Krämpfen sterben-
den OareviJ auf die Arme. Als die verwitwete Carin das Geschrei auf
dem Hofe vernommen hatte, da lief sie herbei und fing an, die Wftrterin
Yolochova mit einem Holzscheite su schlagen, indem sie ihren Sohn
Osip VolochoY beschuldigte, den CareviS ermordet zu haben, unter-
dessen ist vom Thurme der Heilandskathedrale das Alarmlänten er-
schollen. Das Volk strömte herbei, es erschienen auf dem Hofe die
Brüder der Carin — Michail und Grigorij Nagie, sie trafen den CareviS
noch athmend und sahen ihn den Geist aufgeben. Michail Nagoj hatte
vordem Unannehmlichkeiten mit dem Djak Michail Bitjagovskij gehabt,
welcher im Namen des Caren Theodor die Aufsicht Aber die ganze
Wirthschaft des kleinen Hofes in UgliS führte. Michail Nagoj hat nämlich
vom M. Bitjagovskij Geld Aber die vom Caren bestimmte Summe begehrt
und eine abschlägige Antwort vom Djak erhalten. Als nun dieser Ejak
herbeilief und den Versuch machte , das Volk zu beschwichtigen, da
haben die Carin und ihr Bruder Michail den Djak Bitjagovskij laut be-
schuldigt, mit Hilfe seines Sohnes Daniil, des Osip Volochov und des
Nikita EaSalov den CareviS D. ums Leben gebracht zu haben. Michail
Nagoj forderte dabei das Volk auf, diese Verbrecher zu tOdten. Das
Volk lief dem Djak Bitjagovskij nach, stiess die Thflre des Hauses, wo
er sich mit Daniil Tretjakov verborgen, ein und tddtete beide. Darauf
stürzte sich das Volk in seine Kanzlei und ermordete hier den Daniil
Bitjagovskij, den Nikita KaSalov und andere, welche die Opfer unter
ihren Schutz zu nehmen versucht hatten. Osip Volochov ward in der
Kirche in Gegenwart der Carin selbst getödtet. Drei Tage später, als
man die Untersuchungskommission unter Sujskij aus Moskau erwartete^
da Hess Michail Nagoj (18. Mai) Waffen von verschiedener Gattung
(Kolben, Armbrüste, Musketen und dgl. m.) mit Hühnerblut bestreichen
und auf die Leichen der vom Volke getOdteten Männer legen, als ein
Beweis, dass gerade sie den CareviS ermordet hätten.
Vor den Untersuchungsrichtern, dem V. äujskij und seinen Ge-
führten, welche am 19. Mai st. v. in UgliS angelangt waren, haben die
Zeugen folgende, einander widersprechende Zeugnisse gegeben. Der
Bruder der Carin, Michail Theodore viS Nagoj, behauptete, ohne es mit
eigenen Augen gesehen zu haben, dass Osip Volochov, Nikita KaSalov
und Daniil Bitjagovskij dem CareviS die Gurgel abgeschnitten hätten.
Wer war Pseadodemetrius L? 101
Die Wirterin des D., Yolochova, die Amme TaSkova, die Kammerfrau
Kolobova, die vier Spielkameraden, also alle die Zeugen, welohe beim Tode
des CareviS wirklich zugegen sein konnten, wiederholten einer nach dem
andern, dass der Carevii in einem Anfalle von Epilepsie sich zufällig die
Ourgel durchstochen hätte. Indessen erregt schon die ganze Art, wie
die Untersuchung geleitet wurde, gewisse Zweifel gegen ihre Ergeb-
nisse. So wurde z. B. die Carin-Witwe gar nicht yerhört Die Fragen,
welche den Zeugen gestellt wurden, legten ihnen im Voraus eine be-
stimmte Antwort in den Mund ; so wurde z. B. Michail Nagoj von An-
fang an gefragt : aufweiche Art ist der Carevii gestorben und was war
das ftlr eine Krankheit, an der er gelitten hat? Die meisten Zeugen er-
zählten nach Hörensagen ; so waren z. B. Gregor, Michail und Andreas
Nagoj alle zu Hause und erschienen erst auf das Alarmläuten. Dort,
wo die Zeugen zufUligerweise mit ein paar Worten einen Lichtstrahl in
die Finstemiss des Qeschehenen zu werfen scheinen, da lassen es die
Untersuchungsrichter unberflcksichtigt und machen keinen weiteren
Yersueh^ durch neue Fragen in derselben Richtung die ganze Wahrheit
aufzuklären. So zeugt Gregor Nagoj, dass er mit dem Bruder Michail
auf das Läuten herbeigelaufen wäre und gefunden hätte, dass der Careyi6
Im Anfalle der Epilepsie sich selbst mit dem Messer erstochen hätte ;
sie hätten den CareviS noch am Leben getroffen und vor ihren Augen
wäre er dann gestorben. Der andere Bruder dagegen berichtet von der
Ermordung des D. Indessen haben die Richter weder die Brüder con -
frontirt, noch die Wunde genau untersucht, ob die Ourgel durchstochen
oder durchschnitten ward. Der Archimandrit des Auferstehungsklosters
Theodorit hat folgendes Zeugniss abgelegt : er hätte an diesem Tage die
Messe in dem Alexiikloster verrichtet; als nun nach der Messe das
Alarmläuten in der Heilandskathedrale erscholl, da hätte er und der Abt
des Alexüklosters Savatij die Klosterdiener geschickt, um zu erfahren,
was das Läuten bedeute. Die Diener kehrten zurück und erzählten, sie
hätten von den Bürgern und Bauern gehört, dass man den CareviS er-
mordet hätte. Diese Diener wurden leider zur Untersuchung nicht her-
beigecogen. Der Abt des Alexüklosters Savatij hat das Zeugniss des
Theodorit bestätigt und hinzugefügt, dass er durch den geistlichen
Bogdas von der Carin selbst herbeigerufen worden wäre und in der
Stadt angelangt den CareviS mit durchschnittener Ourgel liegen ge-
sehen ; von der Carin-Witwe selbst hätte er dort vernommen, dass ihr
Sohn von KaSalov, Daniil Bitjagovskij und Volochov ermordet worden.
102 Eugen äoepkin,
Die üntennchnngsrichter haben noch eine wichtige Frage zwar be-
Tflhrt, aber doch nnanfgekl&rt gelassen, nämlich, wer znerst das Alann-
Iftnten begonnen? Der Hoffonrier bei der Yorrathskammer (St^apMj
KonnoYogo Dvora) Protopopov behauptete, dass er vom Michail Nagoj
den Auftrag erhalten hätte, durch Glockenläuten das Volk zusammen*
zurufen; deshalb hätte er dem Küster Ogurec (»Gurke«, als Beiname)
befohlen zu läuten. Der Kttster Ogurec behauptete, eigentlich hätte der
Wächter MaksimEuznecoY an der Heilandskirche zu läuten angefangen;
nun wäre auch Protopopov ihm, dem Ogurec, entgegengelaufen und
hätte im Namen der Carin ihm anbefohlen, 1 au t zu läuten ^). Die Richter
nnterliessen es aber, an den Wächter Kuznecov die Frage zu stellen, von
wem er den ersten Befehl erhalten zu läuten. Eigentlich blieb auch un-
aufgeklärt, ob alle drei Frauen — die Wärterin, die Amme, die Kam-
merfrau — auf dem Hofe zugegen waren, als der CareviS seine Wunde
erhielt. Die vier Edelknaben bezeugten es ausdrücklich, dass nur die
Amme TuSkova und die Kammerfrau Kolobova zugegen waren. Dass
gerade die Amme den sterbenden CareviS auf die Arme genommen,
scheint diese Nachricht von der Abwesenheit der Wärterin zu bestäti-
gen. Die Moskauer Regierung hat von allen Zeugen, die bei der Unter-
suchung zur Rede gestellt wurden, gerade die Amme Tuikova und ihren
Gemahl nach Moskau kommen lassen. Und doch hat vor dem V. §igskij
eben die Wärterin Volochova das umständlichste Zeugniss abgelegt.
Wenn nun aber die Wärterin Volochova ganz abwesend oder wenigstens
weit von den spielenden Knaben entfernt war, so tauchen die Ver-
muthungen enpor, ob nicht die Carin diese Wärterin Volochova über-
haupt nur für ihre fatale Nachlässigkeit mit dem Holzscheite geprügelt
hat? ob nicht auch ihre Anklage gegen den jungen Volochov theils
unter der Einwirkung des Argwohns gegen die Familie Volochov, theils
als logischer Schluss von der Nachlässigkeit der Wärterin entstanden ist?
Durch den Metropolitan Gelasij hat die Carin selbst ihre Beschuldigungen
gegen die Bitjagovskie (Vater und Sohn) zurückgezogen. Nach dem Zeug-
nisse der Volochova wurde sie auch von dem herbeigelaufenen Gregor Nagoj
auf Befehl der Carin- Witwe geprügelt. Indessen hat Gregor seinerseits
das Zeugniss abgelegt, dass Demetrius an Fallsucht gelitten und im
Anfalle dieser E^rankheit sich mit dem Messer eine tödüiche Wunde
beigebracht habe ; erst als die Bürger und die Bauern herbeiliefen, da
hätten die Leute, man weiss nicht recht wer, angefangen darüber zn
1) »Ghjtho 8B0HHTH«, als ob Euzuccov nicht laut genug geläutet hätte.
Wer w&r PBeadodemetrina I. ? 103
sprecheD, als ob der CareviS Ton Daniil B., von Osip V. und Nikita E.
ermordet wäre. Aus diesen Worten des Gregor kann man folgern, dass
auch er die Wärterin nur für ihre Nachlässigkeit, keineswegs aber für
die Mitschuld an dem Morde geschlagen hat. Die Nachlässigkeit be-
stand aber in ihrer Abwesenheit; denn die Hauptschuld hat die Amme
Tuikova selbst auf sich genommen und vor den Untersuchungsrichtern
eingestanden, dass sie bei dem gefthrlichen Spiele des CareviS zugegen
gewesen und nicht genug auf den Knaben aufgepasst hätte ; als er sich
in Folge dessen mit dem Messer erstochen, da hätte sie ihn auf die Arme
genommen (h ona Toro He ytieperjia u. s. w.) ; bei ihr auf den Armen
hätte auch der CareviS seinen Geist ausgehaucht. Wenn also die Unter-
suchung in ihrem Ganzen tendenziös erscheint , so ist es andererseits
von Wichtigkeit, dass die Beschuldigungen, welche die Carin- Witwe
und Michail Nagoj gegen die vermeintlichen Mörder, besonders gegen
den Volochov erhoben, in den Acten der Untersuchungscommission gar
nicht verschwiegen sind. Die meisten Zeugnisse (leider die Augen-
sengen, d. w. s. die Spielkameraden, die Kammerfrau und die Amme
ausgenommen ^), sind so individuell, dass sie keinesfalls für ein Elaborat
der Untersuchungsrichter gelten dürfen. Wir brauchen also nicht das
Ergebniss der Untersuchung anzunehmen, wir dürfen aber auf Grund
der Aussagen einzelner Zeugen einen selbständigen Schlnss über die
Ereignisse zu UgliS vorbereiten.
Vieles wird in den Acten der Untersuchungscommission verständ-
licher , wenn man die ganze gerichtliche Verhandlung nicht als eine
Untersuchung über den Tod des CareviS, sondern als einen Procoss
gegen die Carin- Witwe und Michail Nagoj wegen der Nachlässigkeit
gegenUber dem CareviS und wegen der Ermordung des Bitjagovskij und
Consorten auffasst. Der Umstand, dass der Carevi6 an einer gewissen
Krankheit litt, wird von den Untersuchungsrichtern als allgemein be-
kannt präsumirt. Um die Unschuld der Bitjagovskie sicher zu stellen,
müssen Gregor Nagoj, die Wärterin Volochova und Andrej Alexandrovi5
1) Zwischen den Zeugnissen der Wärterin und der Amme besteht ein
Widerspruch, welchen wir eben dadurch erklären, dass die Volochova nicht
zugegen gewesen war. idanova-Tuokova behauptete, dass Carevio bei ihr
auf den Armen starb, Volochova erzählte, wie Carevio sich lange in Krämpfen
auf dem Boden wälzte und hier den Geist aushauchte. Der Aussage der
Volochova steht nahe das Zeugniss des Hoffouriers Semen Jüdin; dieser
wollte mit eigenen Augen aus der Ferne gesehen haben, wie sich Carevic
beim Spielen erstochen und wie er sich im Anfalle der Krankheit gewälzt habe.
104 Eugen Scepkin,
Nagoj genau erzählen, wie der Carevi2 schon früher an ähnlichen Krank-
heitsanftUen gelitten und in einem solchen Anfalle der Tochter des An-
drej Nagoj in die Hände gebissen und gekaut hat. Für uns wird die Fall-
sucht des Carevii durch eine andere Erzählung der Volochova sicher
gestellt: Michail Bitjagovskij hätte bei sich eine wahnwitzige Frau ge-
halten , welche auch den Andrej Nagoj besucht habe ; zwei Tage nach
dem Tode des CareviS hätte die Garin-Witwe befohlen, diese Frau auf-
zusuchen und zu tödten, dafür, dass sie auf den Demetrius diese Krankheit
heraufbeschworen. Als ausgemacht betrachten wir auch den Umstand,
dass im Augenblicke des Todes des CareviS Michail Bitjagovskij bei sich
zu Hause mit seinem Beichtvater Bogdan speiste , und dass es gerade
die Carin-Witwe war, welche sowohl zu dem Alarmläuten, als auch zu
den Anklagen gegen den 0. Volochov, N. KaSalov, D. Bitjagovskij den
ersten Wink gab. Weiter steht es fest , dass TnSkoTa (nach dem Vor-
namen des Gemahls auch als' ^danova bezeichnet) , Kolobova und die
vier Edelknaben: TuSkov, Kolobov (wohl die Söhne, oder überhaupt
Verwandte der beiden Frauen), ^) Krasensk^ und Kozlovskij sich auf
dem Spielplatze in der nächsten Nähe des Demetrius befanden. Es flült
geradezu auf, dass man den fallsüchtigen Demetrius mit einem Messer
in der Hand unter vier Messern seiner Kameraden ein gefährliches Spiel
spielen lässt. Die Spielkameraden waren wohl viel älter als der 8 — 9-
jährige CareviS; mit dem Kolobov an der Spitze haben sie dann vor den
Untersuchungsrichtern Antwort gegeben (H ssjnpj üerpyrnKa Eojo-
tfoB'B c TOBapuu^ cKaaajH) . Und doch hat die Wärterin Volochova für
dies Spiel eine Tracht Prügel seitens Maria und Gregor Nagie wohl ver-
dient, um so mehr, da sie sich zu erinnern vorgab, wie der GareviS schon
einmal früher im Anfalle der Krankheit seine eigene Mutter mit einer
Spielkeule (svaja) gestochen hätte. Wenn nun auf einmal die Fallsucht
sich seiner wieder bemächtigt und er mit entstelltem Antlitze in Kräm-
pfen mit den Gliedern zuckend, über die Edelknaben ftllt, um ihnen an
den Händen zu kauen, wer kann da dem jungen Volke übel nehmen,
dass sie dann dem toll gewordenen Kleinen ihre Messer entgegen halten?
Dies wäre ein Zufall, welchen die Erwachsenen hätten im Voraus sehen
und verhüten können; unter Umständen könnten aber die Erwachsenen
einen solchen Zufall auch künstlich heraufbeschwören. Sogar ein Zu-
schauer, welcher mit eigenen Augen den GareviS von dem Messer eines
^) Der Vater des Petruska Kolobov — Samojlo, ein Bojarensohu bei der
Gario, trat auch als Zeuge auf.
Wer wftr PsendodemetriuB I.? 105
Spielkameraden sterben gesehen hätte , würde uns unter solchen Um-
ständen nimmer sagen kOnnen , wo der Zufall zu Ende ging und wo die
bitee Absicht begann. Das sind die Gedanken, welche beim Durchlesen der
üntersuchungsacten auftauchen. Nun wird aber diese Vorstellung von
dem Hergange des Spieles als sichere Tradition von einem Ausländer
und Zeitgenossen gegeben. In dem Berichte über Thomas Smith's Auf-
enthalt in Russland wird eine Erzählung gegeben, welche ohne Zweifel
in Moskau in der Zeit zwischen dem Tode des Boris und dem Einzüge
des PD verbreitet wurde, und wie es uns scheint, von Bogdan Belskij
ausging. Danach hätten der vom Hofe verbannte Bogdan Belskij und
die Mutter des Demetrius den CareviS vor den Nachstellungen des Boris
gerettet und an seine Stelle einen Pfaflfensohn in üglii unterschoben.
Dieser Pfaffensohn erhielt nun zu UgliS eine Ausstattung und Umgebung
ganz wie sie einem Carensohne gebührt hätten. Eines Tages unterhielt
er sich mit einem anderen Knaben , welcher ihm als sein Spielkamerad
zugesellt war. Dieser Geselle hatte, wie es scheint absichtlich, ein
Messer bei sich ; unter dem Vorwande, dem CareviS das schiefstehende
Halsband zurechtzumachen , hat er ihm die Gurgel durchschnitten ^j .
Die Geschichte mit dem Halsbande war auch den russischen Annalisten
bekannt. Nach Nikon's Annalen hätten es aber die Mörder Volochov
und Consorten (nicht aber der Spielkamerad des CareviS] unter dem Ver-
wände, sich das Halsband anzusehen, dem Demetrius einen Stich in die
Gurgel gegeben. Wir besitzen noch eine Nachricht eines Engländers
und Zeitgenossen der Ereignisse zu XJglii ; das ist der Agent der Russia
Company und des englischen Hofes Jerome Horsey. In Moskau wurde
er von dem einflussreichen Djak Andrej äcelkalov verfolgt und hat sich
aus Furcht vor seinen Nachstellungen in den Wunsch des Caren und
des Bojarenrathes gefügt und sich in die Stadt Jaroslavlj zurückgezogen.
Hier befand er sich im Frühjahr 1591 in den Tagen, als in dem unweit
von Jaroslavlj gelegenen UgliS^) die folgenreichen Ereignisse geschahen.
Um Mittemacht nach dem Tage, an welchem Demetrius ums Leben kam,
^) »This counterfet chnrchmans sonne belog then taken for the lawful
PriDce, was attended on and associated according to bis State: with whom
ooe daj another child (that was appointed to bee his play-fellow) disporting
themselnea, finding faulte that the coUor which the supposed Demetre wore
about his necke (as the fashion of the Countrey is) stoode awry, preparing to
mende it, with a sharpe knif (prouided as seems of purpose) cut his throat.«
Sir Thomas Smithes Voyage and Enter tainement in Rushia. London 1605.
^ SemenoVs Geogr. Lex. gibt einen kürzeren Weg zu 100 Werst an.
106 Engen ^cepkin,
wurde bei Horsey am Thor angeklopft. Der Engländer war gut mit
Pistolen und anderen Waffen versehen; er nahm gegen 15 Mann be-
waffnete Diener und ging zum Thore; hier erblickte er beim Mond-
scheine den Athanasij Nagoj, den Bruder der Carin- Witwe : »der CareviS^
Demetrius ist todt, um die sechste Stunde des Tages haben ihm die
Djaki die Gurgel abgeschnitten ; einer von seinen Pagen hat auf der
Folter gestanden, dass er dazu von Boris verftthrt worden ; die Carin ist
vergiftet und nahe dem Tode, es fallen ihr die Haare, die Nftgel und
die Haut ab; helfen sie und geben sie um Gottes Gnaden etwas Gutes«,
so sprach Athanasij Nagoj zu seinem guten Freunde Jerom ^). Danach
wäre also einer von den Spielkameraden des CareviS im Namen des
Boris von den Bitjagovskie (djaki) aufgefordert gewesen, dem Demetrius
die Gurgel abzuschneiden. Diese Nachricht ist zwar aus dem Kreise
der Nagie entsprungen , die Namen der Djaki und des Boris konnten
dem Edelknaben durch die Folter aufgezwungen gewesen sein, die
Krankheit der Carin Witwe (sie wird auch in Nikon's Annalen ange-
deutet) liesse sich vielleicht durch ihre tiefe Gernttthserschütterung oder
auch durch die Uebertreibung des aufgeregten Bruders erklären. Jeden-
falls bleibt aber sicher, dass einer von den Edelknaben als des Mordes
verdächtig gefoltert wurde. Die Wärterin Volochova spricht zwar von
den Edelknaben , als von kleinen Kindern (MajeHKHe poÖATKa auun^bi) ;
es lag aber in ihrem Interesse , die ganze Geschichte mit dem Messer-
spiele als etwas unschuldiges zu schildern. Es waren wohl Pagen in dem
Uebergangsalter von Knaben zu Jünglingen , wenn sie gefoltert werden
mussten. Welchen von den Edelknaben hat aber Athanasij Nagoj ge-
meint? Es konnte entweder Kolobov oder TuSkov gewesen sein. Beide
tragen die selben Familiennamen, wie die zwei Frauen, welche beim
i) Vgl. The Travels of Sir Jerome Horsey edited by Bond (Hakluyt So-
ciety 20) : »One rapt at my gate at midnight. I was well fnmished with pi-
stolls and weapons. I and my servants, some 15, went with these weapons to
the gate. *0 my good frend, Jerom, innobled, lett me speake with you.« I
saw by moen shine the Emperis brother, Alphonassy Nagoie, the late widow
Emporis, mother to the yonge prince Demetrins, who wear plaeed but 25
miells thence at Ogletts. »The Charowich Demetries is dead; his throate
was cutt aboute the sixth hower by the deackes ; some one of his pagis con-
fessed upon the racke by Boris his settinge one; and the Emporis poysoned
and upon pointe of death: her hear and naiils and skin falls of ; haelp and
geave some good thinge for the passion of Christ his sake.« Die Erzählung des
Horsey über die späteren Jahre ist nach Hörensagen geschrieben und strotzt
von Irrthümem. Die Belation des Thomas Smith war ihm bereits bekannt.
Wer war PBeudodemetrius I. ? 107
Tode des Carevii zugegen waren. Eolobov wird, wohl aU der älteste,
AB der Spitze der Pagen in den üntersnchnngsacten genannt Anderer-^
seife aber wurde gerade die Familie Tnikovy, Fran nnd Mann, vom
Caren und den Bojaren nach Moskau berufen, zu gleicher Zeit mit dem
Zauberer MoSaloY, welchen Michail Nagoj bei sich gehalten haben soU^).
Wir glauben also weder an den zufälligen Selbstmord des 8jährigen
Spileptikers, noch an dessen Ermordung durch die Bitjagovskie, wie sich
die Sache die Carin-Witwe vorgestellt hatte. Man könnte höchstens
noch gegen Volochov , den Sohn der Wärterin, einen Verdacht fassen:
weshalb war seine Mutter abwesend , oder weshalb hat die Carin-Witwe
gerade ihn vor ihren Augen tödten lassen? Smith und Horsey können
aoeh ihn unter dem Spielkameraden oder Pagen (iilecj gemeint haben,
denn Nikon's Annalen zufolge spricht eben Volochov mit dem Careviji
von seinem Halsschmucke. Gegen ihn hat sich auch besonders der Zorn
der Carin-Mutter kund gethan : er wurde vor sie gefflhrt und vor ihren
Augen niedergemacht. Aus dem Kreuzfeuer der Nachrichten der ünter-
suehungsacten und der Engländer Horsey und Smith glauben wir
schliessen zu dflrfen, dass einer von den Edelknaben (den Volochov mit
inbegriffen?), wohl auf Anstiften erwachsener Leute, unter irgend
welchem Verwände den CareviS erstochen und dass der ganze Mord-
anschlag früher oder später durch den Schein eines Spieles verdeckt
wurde, ganz in derselben Weise, wie Michail Nagoj seinerseits den
Verdacht des Mordes auf die Bitjagovskie zu werfen versachte, dadurch
dass er Waffen auf ihre Körper legen Hess. Es ist noch eine Frage, ob
1) Car Theodor, d. w. s. Boris Godunoy, hat den Bojaren und den Djaki
befohlen, sich mit den Üntersnchnngsacten zum Patriarchen Hieb und der
ganzen H. Synode zu begeben, um sie dort vorzulesen; vorgelesen hat sie der
Djak Vasilij §ceIkalov. Die Männer, welche den Acten nach die Aufmerk-
samkeit auf sich gezogen , sollten nach Moskau berufen werden (a no 'Ax'h
xmffiE, KOTopue b x^e o6ijraH.iHCH, Bez^i» Fa^pb nocujaTH). So sollte auf Be-
fehl des Caren und nach dem Urtheiie der Bojaren Michail Vasiljevio Moloa-
nov die Amme des Carevio Irina und ihren Gemahl lidan nach der Hauptstadt
bringen. £r sollte unterwegs aufpassen, dass sie ihm ja nicht entlaufe und
ja nicht Hand an sich lege, doch dürfte man ihnen dabei kein Leid thun.
Zum Unterschied davon sollte J^erebcov den Zauberer des Nagoj, Andrej Mo-
calov, in Ketten und zwar eilends nach Moskau fuhren. Dieser Unterschied
in der Behandlung der idanovy und des Molcanov weist darauf hin, dass sie
wohl zu verschiedenen Parteien in Uglio gehört haben. Wir möchten die
Nachricht des Bussow zur Erläuterung herbeiziehen, dass Boris Godunov
nach der Ermordung des Carevio die Mörder nach Moskau berufen hätte und
sie unterwegs ermorden lassen.
I
1 08 Eugen §oepkin,
nicht diese Art des Mordes gegenüber einem Epileptiker viel leichter
ins Werk gesetzt werden konnte, als das von den Historikern, wie
BjeloY, anempfohlene Vergiften unter den wachsamen Augen einer arg-
wöhnischen Mutter. Wir legen kein Gewicht auf die Schilderungen der
russischen Annalen und Sagen ; sie sind alle mindestens 15 Jahre nach
den Ereignissen zu UgliS entstanden und zwar unter Einwirkung der
officiellen Legende aus den Tagen des Pseudodemetrius I. und des
Garen Vasil^* änjskij, welcher im Namen der Carin- Witwe Maria (als
Nonne Martha) auf Kosten seiner Vorgänger seinen eigenen Thron zu
befestigen suchte. Indessen tauchen die officiellen Acten des V. Sigskij
und der Martha in der Historiographie des XVII. Jahrh. erst in ver-
stümmelter Form auf 1) . Die Namen der Frauen und der vermeintlichen
1) Den ausführlichsten Bericht über den Mord zu Uglic gibt »Der neue
Annalist«. (Dieselbe Erzählung s. in Nikon's Annalen.) Boris versucht ver-
gebens, den Garevio D. durch seine Gehilfen zu vergiften. Endlich beruft er
zu sich seine Anverwandten, die Godunovy, und seine Rathgeber, den An-
drej Klesoin mit Kollegen, und kündigt ihnen seine Sache an. Nur Gregor
Vasiljevio Godunov sprach sich gegen den Mord aus. Die Anderen beschlos-
sen, Mörder nach Uglic auszusenden. Sie wählten dazu den Vladimir Zag-
rjal^skij und Nicephor Gep6ttgov ; diese versagten aber den Gehorsam. Da
nahm Klesnin das ganze Unternehmen auf sich und fand in dem Michail Bitja-
govskij einen Mann, welcher bereit war, den Willen des Boris auszuführen.
Godunov nimmt seine Dienste mit Freuden auf, sendet ihn sammt dem Sohne
Daniil und dem Nikita Kaoalov nach Uglic und befiehlt ihnen, dort das Re-
giment zu führen. Die Garin Marja errieth die Absicht, in der dieBitjagovskie
ausgesandt waren, und begann ihren Sohn D. besonders aufmerksam zu hüten.
Da haben die Verschwörer die Wärterin Volochova und ihren Sohn Daniil
(Osip?) für ihre Pläne gewonnen. Am 15. Mai lockte die Wärterin den Gare-
vio aus den Zimmern seiner Mutter hinaus und führte ihn auf die Aussen-
treppe ; die Amme versuchte vergebens, die Volochova daran zu verhindern.
Die Mörder Volochov, Michail Bitjagovskij und Kacalov erblickten den Ga>
revic und näherten sich der Treppe. Volochov nahm ihn bei der Hand und
sprach : Herr, ich sehe ein neues Halsband bei dir. Der Knabe wies mit dem
Finger auf den Halsschmuck und antwortete leise : das ist ein altes Halsband.
Da stach ihn Daniil (Vol.?) mit dem Messer in den Hals, verfehlte aber die
Kehle. Die Amme fiel mit dem Körper über das Kind und begann zu schreien.
Daniil ergriff die Flucht. Michail Bitjagovskij und Kacalov begannen die
Amme zu schlagen, entrissen ihr den Garevic mit Gewalt, ermordeten ihn und
liefen davon. Die Mutter kam auf das Geschrei der Amme herbei und fand
ihren Sohn bereits todt ; voll Schrecken und Qual fiel die Garin in Ohnmacht.
Ein Küster der Kathedrale hat die Ermordung des Garevic gesehen, bestieg
den Glockenthurm, schloss die Thür hinter sich und begann zu läuten. Die
Wer war PsendodemetriuB L? 109
Mörder, die ans den Untersuchnngsacten wohl bekannt sind, werden
z. B. in den Annalen des Patriarchen Nikon verwechselt. Da kommt
Mörder forderten ihn auf, mit dem Läuten aufzuhören, drohten ihn zu ermor-
den, konnten aber Nichts ausrichten. Die Anverwandten des D. erschienen
anf dem Platze und fanden den Carevic ermordet, die Amme und die Carin-
mntter wie todt liegen. Den Michail Bitjagovskij mit Frau und Freunden
hat man gesteinigt Kaoalov und Volochov wären zuerst aus der Stadt ge-
flohen, kehrten aber dann abermals zurUck und wurden von den Bürgern ge-
steinigt. Im Ganzen wurden 12 Verschworene getödtet. Boris hat dem Garen
Theodor berichtet, als ob der Carevic an Fallsucht gelitten und sich selbst er-
Btoehen hätte, infolge der Nachlässigkeit der Nagle. Vor den Untersuchungs-
richtern hat die ganze Stadt den Mich. Bitj. mit Konsorten des Mordes an-
geklagt. Sujskij und Klesnln haben in Moskau auf Wunsch des Boris G. einen
falschen Bericht abgestattet. Boris liess die Nagle nach Moskau bringen,
peinigte den Michail und Andrej Nagoj und forderte, dass sie den Selbstmord
des Carevic mit ihrem Zeugnisse bestätigen. Die Nagie hielten aber die Folter
standhaft ans und wurden nach verschiedenen Städten ins Gefängniss ver-
bannt. An den Bürgern der Stadt Uglic hat Boris für die Ermordung der Bitja-
govskie eine schreckliche Rache genommen : die Einen wurden geköpft, die
Andern verloren die Zungen, Viele — nach Sibirien versandt. Ugli£ verödete
seit dieser Zeit Marja Volochova und die Frauen der Mörder wurden von
Boris mit Gütern belohnt
Einen gedrängten Bericht, der aber in Einzelheiten über das häusliche
Leben des Carevic manches Eigenartige bietet, hat Akademiker Byckov nach
einer Handschrift der Kais. Oeff. Bibl. gedruckt (Ctenija, 1864, IV.). Dieser
Bericht lautet: Den 15. Mai fühlte sich Carevi6 seit Morgen unwohl, er liess
den Kopf von den Schultern hinabhängen. In der vierten Stunde des Tages
ging er zur Kirche und empfing nach dem Evangelium den Segen mit den H.
Bildern von den Mönchen des Cyrilliklosters. Nach der Messe kehrte er in
den Palast zurück, wechselte die Kleider, während der Zeit brachte man die
Mahlzeit, der Priester hatte das Manabiötchen geweiht Es war die Sitte des
Carevic, jeden Tag vom Mariabrot zu kosten. Darauf begehrte D. zu trinken
nnd begab sich mit der Amme zum Spaziergang. In siebenter Stunde des
Tages, als er sich bei der Kirche des Caren Konstantin befand, erschienen
auf Befehl des Boris die Mörder Nikita Kacalov und Daniil Bitjagovskij, be-
täubten mit einer Keule die Amme, warfen sich dann über den Carevic und
schnitten ihm die Kehle ab. Darauf begannen die Mörder laut zu schreien.
Die Mutter vernahm das Geschrei, lief herbei, sah ihren Sohn todt liegen und
nahm seinen Leichnam auf die Arme. Die Mörder standen indessen wie be-
täubt über dem Leichname. Die Onkel speisten unterdessen bei sich zu Hause
und wussten Nichts vom Morde. Die Carin nahm den Leichnam des Sohnes,
brachte ihn in die Verklärungskirche und befahl zu läuten. Das Volk strömte
herbei. Die Carinmutter wandte sich an die Bürger und forderte sie auf, die
Mörder zn tödten. Da hat das Volk die Mörder gesteinigt. Die Mutter wach to
110 Eugen SoepkiD,
eine Marja Volochova mit ihrem Sohne Danilka vor, die ans Vasilisa
Volochova, ans Marja Eolobova, ans Osip Volochov und Danül Bitja-
8 Tage beim Leichname des Sohnes in der Kirche. Mittwoch den 19. (im Texte
9.) Mai erschienen die Untersnchungsrichter. Der Metropolit von Eruticy hat
den Carevic Sonnabend den 22. Mai begraben. Am Todestage war der Care-
vi6 8 Jahre 6 Monate und 28 Tage alt, er ist den 9. Oktober 1582 geboren.
Akad. Byckov stellt die Glaubwürdigkeit des Berichtes sehr hoch, doch finden
wir auch hier Ungereimtheiten, z. B. dass die Mörder selbst zu schreien be-
ginnen, wie betäubt über dem Leichname stehen, bis sie das Volk steinigt.
Die »Sage« aus dem J. 1606 berichtet: Boris hat mehrmals versueht»
durch seine Gehilfen den Carevic zu vergiften. Endlich sendet er nach Ugli^
den Djak Michail Bitjagovskij (nach der kürzeren Redaktion der »Geschichte,
wie Boris den Carenthron gestohlen a auch den Sohn Danül Bitj.} und seinen
Neffen Nikita Eaoalov, um den D. zu ermorden, der acht Jahre alt war. Als
der Carevic einmal das EUius verlassen und sich nach Eindesart zum Spielen
begeben, haben ihn die bösen Buben (lOHoiim, d.w.s. Danül und Nikita) über-
fallen. Einer von ihnen entblösste das Messer und schnitt ihm die Kehle ab.
Die Einwohner der Stadt haben die Mörder niedergemacht. Nach dem »Chro-
nographen« des Djak Timotheev befiehlt Boris dem Elesnin den Carevic aoa
dem Leben zu schaffen. D. wurde vor den Augen seiner Mutter ermordet (uo
saiuaH'B 6bicTi upeAo o^HMa cboa eMy uarepe). Die Mörder wurden auf derselben
Stelle niedergemacht. Boris hat vor dem Caren, dem Patriarchen und der
ganzen Synklete erklärt, dass Carevic an Fallsucht gelitten und während eines
Spieles sich selbst erstochen. Gegenüber den Zeitgenossen, welche den Boris
für unschuldig am Tode des Carevi6 hielten, weist Timotheev daranf hin,
dass Boris die Einwohner der Stadt Uglic, welche an den Mördern Rache ge-
nommen, streng bestraft hat. (Fxt cyn Hxe HiRorxa rjiarojiiomeH, hro aeno-
BHHBa cyma EopHca saKaaEiio iiapcRoro A^THma, ase o napCTsia R'b coBry Toro
saBECTH?) Bei der Enthüllung der Reliquien des Märtyrers D. hätte man Nüsse
gefunden. Dieses Naschwerk zeugt nach Timotheev, dass Carevi6 beim Leben
am allerwenigsten von der Herrschsucht erfüllt war, welche Boris bei ihm
voraussetzte. Dem Avramij Palicyn zufolge hätten gewisse Streber die
Grossen zu Moskau, besonders aber den Boris gegen den Carevic gereizt und
den D. umgebracht. Eatjrrev-Rostovskij berichtet folgendermassen: Boris
sendet den Nikita Ea6alov und Michail Bitjagovskij nach Uglic, um den Care-
vi6 umzubringen. Die Mörder bethören mit Schmeicheleien die Mutter und
den Sohn, führen das Eand unter dem Verwände eines Spieles weg und er-
morden ihn (Ohh ;Ke, oRaHHHiH, oÖoxciHB'b oTpoqa n MaxepB ero, h oTBexoma ero,
>iRo6u Ha yrimeHie atRoe, h aaRjama). Auch nach den beiden Redaktionen der
Sage vom Gregor 0. (»Sage und Geschichte vom Wunder, das in der Caren-
Stadt Moskau geschehen« etc.) haben Nikita Ea6alov und Danül Bitjagovsky
den Carevic zu ügüc auf Befehl des Boris umgebracht Nach der legendären
»Sage über die Regierung des Caren Theodor Ivannovi6« hat Boris fUr den
Mord des Carevic in der Person des Djak Michail Bitjagovskij, seines Sohnes
Wer war Pflendodemetrius I.? 111
govskij entstanden sind. Die Wärterin Volochova lockt hier den Care-
Ti£ hinterlistig anf die Treppe in den Hinterhalt heraus, wo ihn die
Daniil, seines Neffen Nikita Kaöalov und der Vasiüsa Volochova Gehülfen
gefanden. Volochoya wäre in besonderer Ganst bei der Carin Marja Theodo-
Tovna gestanden und von ihr znr Bojarina befördert. Diese Verschwörer
hätten zuerst vergebens versucht, den Carevic durch Mord aus dem Leben zu
schaffen. Endlich hätte Boris jegliche Furcht bei Seite gelegt und seinen Ge-
hfilfen befohlen, den Demetrius niederzustechen. Längere Zeit hätten Michail
Bitj., sein Sohn Daniil, sein Neffe Nikita Kaoalov auf die Gelegenheit ge-
wartet, den Befehl auszuftthren. Da haben sie für Ihr Unternehmen die Amme
des Carevi6 Darja Mitjakova gewonnen, sie sollte den Demetrius in den Hof
spazieren führen. Eines Tages führte sie ihn wirklich in den Hof spazieren
und gab ihm Nüsse zum Naschen. Die Garinmutter war unterdessen in den
hinteren Zimmern und wusste davon gar nichts. Die Mörder versteckten sich
unter der Treppe, welche Carevio in den Hof hinab gehen sollte. Als D. die
Mitte der Treppe erreicht hatte, da sprang Michail Bitj. auf, packte ihn durch
die Treppe bei den Füssen, sein Sohn Daniil fasste den Kopf des Demetrii,
der Neffe Nikita Kaoalov zog das Messer und erstach den Knaben. Darauf
haben Alle die Flucht ergriffen. Eine »gotterwählte« Frau kündigte die Misse-
that der Mutter an. Die Carin Marja lief in den Hof und erblickte ihren Sohn
todt im Blute liegen. Da Hess man die Glocken läuten, das Volk strömte
herbei, einige liefen den Mördern nach und führten sie in den Hof. Hier
hätten diese eingestanden, das Verbrechen auf Befehl des Boris begangen zu
haben. Die Bürger haben nun die Mörder gesteinigt. Boris hat dem Caren
Theodor angezeigt, dass Carevic sich selbst beim Spielen erstochen infolge
der Nachlässigkeit der Nagie. Bei der Untersuchung zu Uglic hätte Andrej
Klesnin Furcht den Bürgern eingejagt, sodass sie Nichts zu wissen angaben.
Klesnin hätte dann nach seiner Willkür Zeugnisse in ihrem Namen geschrieben
und dnrch Drohungen die Zeugen gezwungen, diese falschen Akten zu unter-
schreiben. Wer nicht einwilligte, sollte verbanot und eingekerkert oder ge-
köpft werden. Da eilten alle Bürger, diese Zeugnisse zu unterschreiben.
Nach der Vita Demetrii in dem Tulupovschen Menäum hätte Boris ver-
gebens versucht, den D. zu vergiften. Da bringt er den Daniil Bitjag. und
Nikita Kacalov dazu, dass sie den D. umbringen. AU Carevic einmal nach
Kindersitte zu spielen hinausging, da überfielen ihn die Buben. Einer von
ihnen zog das Messer und schnitt dem Knaben die Kehle ab. Die Bürger der Stadt
machten die Mörder nieder. Bei der Enthüllung der Reliquien erwähnt auch
die Yita die Nüsse. Die Vita Demetrii in Miljutins Menäum gibt dieselbe
Tradition, wie die Sage von der Regierung des Theodor. Der 2. Redaktion
des Chronographen zufolge ist Carevic D. von Kaoalov und Daniil Bitjagovs-
kij ermordet; viele sprachen aber davon, dass er auf Befehl des Moskauer
Bojaren Gk>dunov ermordet worden. Massa berichtet folgendermassen .
Caievio hat den Djak Bitjagovskij für seinen besten Freund gehalten. Ihn
hätte man dazu ertcauft, den Demetrius umzubringen. Michail B. hätte die
112 Eugen Soepkin,
Mörder fiberfallen; die Amme im Gegentheii (sie wird hier gar nicht
beim Kamen genannt) snoht den verwundeten Knaben zu vertheidigen
AasnihrDDg des Planes seinem Sohne Daniil und dessen Kameraden Nikita
Ka6a]ov aufgetragen. Beide Mörder hätten sich zuerst nach Moskau begeben,
um vom Boris dazu den Segen zn erhalten. Nun befahl Michail Bitj. am Tage
des Mordes dem Daniil und Nikita sich in dem Hofe zu verstecken. Er selbst
schlug nach dem Mittage zwei oder drei Edelleuten vor, ein Spiel mit Nüssen
anzustellen und begab sich dann anf die Kanzlei. Als nun das Spiel in
vollem Gange war, haben die zwei Mörder dem Carevi6 die Gurgel abge-
schnitten ; in ihrer Aufregung haben sie es aber vergessen, die übrigen Kinder
zn ermorden. Den Mördern ist es gelungen, auf Pferden, so im voraus für sie
bereit gehalten, davonzusprengen, die jungen Edelleute haben unterdessen
ein lautes Geschrei auf dem Hofe erhoben. Dem Busso w zufolge Hess Boris
die zwei Mörder, welche er vorhin für grosses Geld hierzu erkauft hatte, auf
dem Rückwege nach Moskau umbringen, damit seine ruchlose That nicht an
den Tag komme. Die officiellen Anschauungen der Regierung des Garen
y. änjskij sind in seinem Briefe an das Cyrillikloster vom 29. Mai 1606 dar-
gelegt. Um die Reliquien des Carevio zu enthüllen, wurden nach Uglio der
Metropolit von Rostoy, Philaret, der Bischof von Astrachanj, Theodosius,
Gregor und Andrej Nagie u. a. m. abgesandt Vom 28. Mai haben sie Fol-
gendes aus Uglio berichtet: die Reliquien sind in unversehrtem Zustande auf-
gefunden, auf dem Haupte sind noch Haare, auf dem Gebeine Fleisch vor-
handen, ein Theil zu Erde geworden; Carevio hatte noch im Grabe einen
Halsschmuck aus Perlen, in der linken Hand hielt er ein gold- und silber-
gesticktes seidenes Tuch, über den Reliquien fand sich ein Häufchen Nüsse ;
man behauptete, dass er beim Spielen Nüsse gegessen und dass die Nüsse bei
seiner Ermordung vom Blute roth gefärbt wären. Am 4. Juni, als die Re-
liquien bereits zu Moskau in der Erzengelkathedrale bestattet wurden, da hat
die Garin-Witwe vor der ganzen H. Synode und vor den Bojaren ihre Schuld
eingestanden, dass sie den PD I. aus Eleinmuth nicht hat des Betruges über-
führen wollen: seit der Zeit nämlich , als Carevio auf Befehl des Boris er-
mordet wurde, hatte sie und ihre Anverwandten grosse Noth leiden müssen ;
deshalb wäre sie so schwach gewesen, sich über die Thronbesteigung des FD
zu freuen ; bei der Zusammenkunft hätte er ihr unter Drohungen verboten,
darüber zu sprechen. Da der Halsschmuck des Carevio bereits in der Rela-
tion des Thomas Smith erwähnt wird, so muss diese Tradition noch vor der
' Enthüllung der Reliquien entstandan sein. Die Nüsse kommen dagegen in
dieser Urkunde zum ersten Male vor. Nun werden diese Nüsse seit der Zeit
der Enthüllung in die Schilderung der Ermordung des Carevio eingetragen.
ProfGolubovskij wollte in dieser Nachricht einen Schlüssel zur Erschliessung
des ganzen Geheimnisses gefunden haben ; er stellt sich vor, dass Carevio im
letzten Augenblicke in einer Hand das Tuch, in der anderen die Nüsse ge-
halten hätte (vgl. »HcTopHqecRiH BicTHHR'b 1896, December, Die Frage über
den Tod des Carevio Demetrius). Erstens berichten die Quellen, dass die
Wer war PBeudodemetrius I. ? 113
und wird dafür durchgeprügelt. Diese ganze Scene soll nun ein Küster
der Stadtkathedraie gesehen haben und vom Glockenthurme zu läuten
Nüsse auf die Brust des Carevic gelegt waren. Die Vita Demetrii in dem
MenSum des Tulupov berichtet: »u optzu Ha ^leciHBizx ero nepd&x'B, icKe
odüHJHCJi ^ecTHOH) OFO KpoBiio B'L BpcMA 8&Ro.ieHiA ff. Dlc Urkundc aus dem
J. 1606 sagt; »Aa Ha IXapesH^eBuz'B trq MOo^ex'B nojEOxeno opixoBi ci npH-
ropmH«. Djak Timotheev geht noch weiter: »oöpixoma 60 ck bx paiii BHyrpB
cyTB CBATBiMH ero H^ApBi Aepa^HMii opixH Torsa 6uBniaH, oÖarpHBmaACA so
cTpa^aHia c Massa berichtet, dass Carevic und seine Kameraden mit Nüssen
gespielt hätten. Man kann sich also vorstelleuj dass der kleine Vorrath von
Nüssen in das Tuch gelegt und zugebunden, dann beim Spiele in den Busen
gesteckt wurde. Die Hauptschwierigkeit besteht aber darin, dass man es
gar nicht wissen kann, wie und wann die Nüsse in den Sarg gekommen sind.
Djak Timotheev hat den Sinn dieses Attributs angedeutet. Beim Einkleiden
der Reliquien hat man ohne Zweifel dem Gebeine den Habitus eines unschul-
digen Kindes geben wollen. Wenn andererseits Bussow, Massa, Margeret be-
haupten, dass die Reliquien im Voraus gefälscht waren, wozu ein anderes
Kind (ein Pfaffensohn) vorsätzlich geschlachtet wurde, so ist diese ganze Er-
zählung wohl als eine rationalistische Grille aufzufassen. Die Regeln der
Kanonisirung in der orthodoxen Kirche fordern keineswegs einen ganz un-
versehrten Leib für die Enthüllung der Reliquien und lassen einen freien
Spielraum für die Untersuchnngskommission. Wenn wir die Beschreibung
der Enthüllung der Reliquien des vor 15 Jahren Ermordeten in der Ur-
kunde aus dem J. 1606 mit den Relationen über archäologische Ausgrabungen
vergleichen, so müssen wir den Bericht des Metr. Philaret (was speciell den
Zustand des Gebeines betrifft) für wahrscheinlich halten. Wer die Echtheit
des FD verficht, der wird dieses Gebein natürlich nicht dem Carevic, sondern
dem statt seiner ermordeten Knaben zuschreiben müssen, braucht indessen
keine Abschlachtung eines Knaben ad hoc vorauszusetzen. Nach der Hand-
schrift der Kais. Oeff. Bibl. zu Petersburg »Historya Dmitra f^szywego« hat
Prof. Kostomar ov einen Brief des Garen D. an den Boris gedruckt (»Gmyt-
Hoe BpeMflor). Wir billigen die Auffassung des Prof. Kostomarov, welcher an
der Echtheit des Briefes zweifelt. Jedenfalls ist es indessen ein Aktenstück
der Zeit, wohl ein Plakat der Partei des FD. Hier wird gegen den Boris die
Beschuldigung erhoben, dass er den Garen Simeon blenden, seinen Sohn Jo-
hann hat vergiften lassen. »Du hast gefühlt«, fährt der Brief fort, »dass du
einmal in unserer Gewalt sein würdest. Erinnerst du dich, wie du daran
durch unsere Briefe gemahnt wurdest? wie wir einen Priester mit Mahnung
an dich gesandt haben? wie wir deinen Cognaten (so nennt ihn auch Djak
Timotheev) Andrej Klesnin abgefertigt, welcher von unserem Bruder, dem
Garen Theodor, an uns geschickt war und uns mit Geringachtung behandelt
hat, weil er auf dich vertraute?« Der Historiograph Gerh.Mueller berichtet
nach Akten, die er in Sibirien gefunden, dass im J. 7112 (1603—4) der Strelitze
Stepan Kaoalov nach Toboljsk verbannt worden, weil er den Zorn des Garen
ArchlT fftr slaTiflche Philologie. XXI. S
114 Eugen äoepkin,
angefangen. Wenn nun Nikon's Annalen weiterhin mit Entrüstung be-
richten, wie die yerruchte Wärterin für ihre Missethat sammt dem Ge-
mahle zum Boris nach Moskau berufen und mit Landgütera belohnt
wurde, so erinnert man sich gleich daran, dass den Untersuchungsacten
zufolge die Familie !^danov-Tu2koy, keineswegs aber die Wärterin
nach Moskau berufen wurde. Es entsteht unwillkürlich ein Zweifel, ob
wir es nicht abermals hier mit einem Missverständnisse oder einer Ver-
wechselung der Namen zu thun haben, ganz ebenso, wie bei der Marja
Volochova oder dem Küster der Kathedrale ; denn auch der letztere ist
aus dem Küster der Konstantinkirche Ogurec und dem Wächter Kuzne-
cov zusammengeschmolzen, zu geschweigen, dass beide wohl auf frem-
den Befehl zu läuten angefangen haben.
Wir finden also in Bezug auf den Tod des CarcTic drei verschie-
dene Traditionen in unseren Quellen : erstens — der fallsüchtige Care-
vi6 hat sich selbst beim Spiele erstochen (Untersuchungsacten) ; zwei-
tens — Carevic wurde beim Spiele von einem Spielkameraden erstochen
(Horsey-Smith) ; drittens — CareviJ wurde von Danül Bitj., Nikita
KaS. und Osip Vol. bereits beim Spielen (Massa) oder noch an der
Treppe ermordet (Sage aus dem J. 1606 und Nikon's Annalen). Alle
drei Gattungen der Tradition kennen nur in Bezug auf die Thatsache
mit einander versöhnt werden, dass CareviS beim Spielen um's Leben
gekommen. Die zwei letzten Gattungen der Tradition können unter
einander auch in Bezug auf die Deutung dieser Thatsache versöhnt
werden, dass nämlich das Spiel nur dazu gedient, um den Mord zu er-
leichtem oder zu bemänteln. Die erste Tradition, d. w. s. von einem
sich zugezogen. Die Kacalovy nahmen später höhere Aemter in Toboijsk ein
und galten immer für Nachkommen des Nikita K., des Mörders des Carevic
zu Uglio. Unter den Bauern zu Pelyn^j fand Mueller 30 Mann aus Uglic er-
wähnt, die seiner Meinung nach vom Boris in die Verbannung geschickt sind,
um den Mord zu verhehlen (ExeMica^HUfl Go^HHeHls, Jänner 1764). Unter
seinen Belegen dafOr, dass der Car D. I. keineswegs der echte Carevic D. ge-
wesen, führt Bussow folgende Erzählung an: nach der Ermordung des
Caren wäre er mit einem deutschen Kaufmann nach Uglic gereist und hätte
unweit der Stadt einen Russen getroffen, welcher 105 Jahre alt und seiner
Zeit im Schlosse Uglic beim jungen Demetrius Aufseher (Starosta) gewesen.
Dieser Greis hat nun auf die Fragen des Bussow geantwortet: Der erschla-
gene Car war ein verständiger Herr, aber Demetrius des Tyrannen Sohn ist
er nicht gewesen; denn dieser ist vor 17 Jahren zu Uglic ermordet und längst
verfault; ich habe ihn auf seinem Spielplatze todt liegen gesehen.
Wer war Pseadodemetrias I. ? 115
zQfiÜiigen Selbstmorde beim Spiele, kann gegen die Synthese der zwei
letzten Gattungen der Tradition nicht Stich halten, weil die ünter-
Buehnngsacten in Bezug auf die Thatsache des Spieles mit ihnen über-
einstimmen, sonst aber parteiisch gefärbt nnd reich an Widersprüchen
sind. Die Quellen weichen von einander nur in Bezug auf die Thatsftch-
lichkeit des Spieles ab, ob es stattgefunden, oder ob es eine reine Fiction
gewesen^). Diese Widerspräche der Ueberlieferung machen jede dra-
matische Schilderung der Begebenheit geradezu gewagt, sie lassen aber
den Kein der Sache, nämlich einen Mord unter dem Deckmantel eines
Spieles, über jeden Zweifel erhaben sein.
Es gibt auch in der historischen Litteratnr verschiedene Ansichten
darüber, ob wir mit einem Morde oder einem Selbstmorde des OareviS
zu thun haben. Für unsere specielle Frage ist es eigentlich ziemlich
gleichgültig. Noch weniger sind wir darüber zu forschen verpflichtet, ob
und in wie weit Boris an diesem Verbrechen schuld war. Als er später
den Thron bestiegen hatte, da hat der Glauben an seine Schuld aus Bück*
sichten des cui prodest Wurzel gefasst. Seit dem J. 1605, wo die ihm
feindlichen Mächte Oberhand gewonnen haben, wird Boris in allen An-
nalen und of&ciellen Acten als Mörder des Demetrius verschrien. In-
dessen mnss nu&n bei der Anwendung des Princips cui prodest eine ge*
wisse historische Perspective beobachten. Im J. 1 59 1 haben an dem Tode
des Garevi& ausschliesslich die Nagie verloren, welche nach dem Abgange
des Garen Theodor im Namen des unmündigen Demetrius hätten die
^) In dieser Hinsicht können wir vier Grade der Thatsächlichkeit unter-
scheiden: a) Das Spiel bat in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden (Nikon*B
Annalen, Byokov's Fragment). Dann muss die Thatsache hinterher ersonnen
worden sein, um den Mord zu verdecken, ähnlich wie Nagoj auf die Leichen
der Bitjagovskie Wa£fen legen Hess, b) Das Spiel hat stattgefunden, der Ca-
revio wurde aber doch von Daniil Bitj, Osip Volochov und Nikita Eaoalov
ermordet; vielleicht nahm einer von den Mördern Theil an dem Spiele, jeden-
falls war das Spiel des Mordes halber angestellt (Massa, Eatyrev-Bostovskij,
Die Sage ans dem J. 1606). c) Das Spiel hat stattgefunden, der Gare vio wurde
dabei von einem der Spielkameraden erstochen (Smith, Horsey). d) Das Spiel
hat stattgefunden^ der Garevic hat sieh aber dabei selbst erstochen (Process-
acten). In den beiden letzten Fällen würde es auffallen, dass die Unter-
suchung so widerrechtlich durchgeführt, wenn die Thatsachen so harmlos
gewesen, und dass weder die Nagie während der drei ersten Tage, noch die
Moskauer Bcgierung nach der Untersuchung es fttr nöthig befunden, gegen
die Spielkameraden, die Wärterin und die Amme wegen ihrer strafbaren Un-
besonnenheit hart zu verfahren.
8*
116 Eugen §cepkin,
ganze Regierung an sich reissen können. Wer konnte aber an dem Tode
des CareviS gewinnen ? Vor allem die ganze nächste Umgebung des
Demetrius: Djak Bitjagovskij, als Vertreter der Centralregiemng, die
Gehfllfen des Djaks, yielleicht sogar die Edelknaben, als Spielkameraden
des kränklichen GareviS, hatten genug Grund, von dem zukünftigen
Alleinherrscher dieselben Ausbrüche der Rachsucht und des Eigenwillens
zu erwarten, durch welche seinerzeit Johann der Schreckliche seine Mün-
digkeit kund gethan hat. Sowohl die Ausländer Fletcher und Bussow,
als auch Avraamij Palicyn legen dafür Zeugnisse ab, dass die Erzieher
des CareviS seinen schlimmen Instincten garnicht entgegensteuerten und
ihn von Kindheit an gegen die Moskauer Bojaren aufzuhetzen suchten.
Car Theodor oder wenigstens seine Staatsmänner, wie Boris Oodunov,
hatten Grund genug, in der Zukunft einen Staatsstreich seitens des
D. von UgliS oder seiner Anverwandten zu erwarten. Andererseits
musste für die Gesammtheit der Bojaren das Aussterben des Geschlechtes
des Caren Johanns des Schrecklichen sehr erwünscht sein. Nicht nur
die einzelnen Bojaren, sondern der Bojarenrath, als ein Organ der Re-
gierung und Verkörperung des aristokratischen Princips, konnte an dem
Tode des Demetrius nur gewinnen. Ein einzelnes Bojarengeschlecht
würde Aussichten auf den Thron, der Bojarenrath die Gelegenheit, den
%VL wählenden Alleinherrscher zu beschränken, erhalten haben. Was
ipeciell Boris Godunov betrifft, durfte er im J. 1591 garnicht dessen
sicher sein, dass die Alleinherrschaft gerade ihm zufallen würde. Die
Carin Irina hat bereits nach der Ermordung des D. von Ugliii ein Töch-
terchen Theodosija geboren. Dann stritten ja seit dem Tode Johanns
des Schrecklichen drei Familien um den höchsten Rang — die Sujskie,
die Romanovy, die Godunovy. Mit den äujskie war Boris eigentlich noch
vor dem J. 1591 fertig, aber es wäre für ihn zu früh gewesen, die Hand
an den Demetrius anzulegen, bevor er die Romanovy noch nicht ver-
drängt hatte. Man kann gegen die Untersuchungsrichter zu UgliS den
Argwohn schöpfen, als ob sie alle Bojaren insgesammt und den Boris
insbesondere vor jeglichem Verdachte des politischen Mordes zu schützen
suchten, oder im Gegentheile, dass sie schon jetzt eine heimliche Ver-
abredung mit der Carin- Witwe gegen Boris zu Stande gebracht haben ^) ;
^) Der Gedanke, dass V. äujskij sowohl an der Ermordung des echten
CareviS, als auch an der Vorbereitung des Falschen D. die Hauptschuld trägt,
ist in dem Aufsatze entwickelt: »Wer hat den Carevio D. ermordet?« (Hcto-
Wer war Pseudodemetrius I. ? ]] 7
jedenfallB bleibt neben allen Verrnnthnngen die sichere, von allen Zeugen
beatätigte Thatsache, dass deijenige Demetrins, welcher zu U^liS nnter
den Angen der ganzen Stadt anferzogen wurde, am 15. Maj 1591 ge-
storben ist. Statt des echten CareviS einen anderen Knaben zn Ugli!
unterzuschieben, scheint uns unter den Verhältnissen, in welchen die
Oarin-Witwe mit ihrem Sohne dort lebte, kaum möglich gewesen zn sein:
zwischen den Nagie und den BitjagOTskie herrschten gegenseitiges Miss-
trauen und Feindschaft; der CareviS pflegte im Kreise von Edelknaben zu
spielen, mit seiner Mutter die Kirche zu besuchen. Der Umtausch des
Sandes konnte nur vor der Ankunft nach ügliS bewerkstelligt werden.
Nun musste aber der Streich zu Gunsten der »Opriifnina«, welchen Bog-
dan Belskij in Moskau bei der Thronbesteigung des Caren Theodor ins
Werk setzte, schon damals die ganze Aufmerksamkeit der Regierung auf
den CareviS gelenkt haben. Ohne Zweifel war er schon seit dem Todes-
tage Johanns des Schrecklichen von den Agenten des Boris umringt
und überwacht. Als die Carin-Witwe Maria und ihr Bruder Michail das
Volk zu üglic gegen dieBitjagovskie und Volochovy aufhetzten, da haben
sie ganz klar angedeutet, wo sie diese Agenten des Boris zu finden
glaubten. Nach dem Berichte des Ayraamij Palicyn waren mit dem Mord-
anschlage gegen Demetrius auch andere Bojaren ausser dem Boris Go-
dnnov einverstanden. Wir haben kaum Recht, diese Beschuldigung
weiter zu differenzieren. In der Beseitigung des epileptischen Söhnchens
Johanns des Schreckliche'n, welches im Hasse gegen die Moskauer Re-
gierung auferzogen werden sollte, finden wir jedenfalls nichts, was mit
der vielgelobten staatsmftnnischen Klugheit des Boris im Widerspruche
stunde. Derselbe Adel, welcher in neueren Zeiten neben den Orlovy
und den beiden Nikity Paniny auch einen Theodor Barjatinskij und
Fürst Jaswil hervorgebracht hat, konnte am Ende des XVI. Jahrhunderts
erat recht neben dem Boris Oodunov und VasiUj Sujskij auch einen Vo-
lochov oder TuSkov geliefert haben.
Mit der Untersuchung zu UgliS verhallt der Name des Carevi6 De-
metrius; erst Aber zehn Jahre später erschallt er abermals in Polen.
pn. BicTH. 1891). Diese Vermnthung lässt sich kaum aus den Quellen er-
weisen. Vasilij äigskij ist bis zum letzten Augenblicke der Familie Godunov
treu geblieben und wurde unter der Regierung des FD. I. zu einem systema-
tischen Verschwörer. Auch ist es undenkbar, dass Boris ihn nicht hätte
durchschauen können. Möglich ist indessen, dass sowohl V. §aJBkij, als auch
andere Bojaren von dem Falschen D. bereits seit dem J. 1598 Kunde hatten.
118 Engen ^oepkiD,
Die Jesniten nnd die polnischen Oesandten haben diese Aufentehnng
des Demetrins ziemlich genan geschildert.
IL
Im Jahre 1603 erschien in Polen ein junger Grossrusse in der
Tracht eines Basilianers. Er kam als Wallfahrer, nm die heiligen Stätten
des Landes Kiev zu. besuchen, flier fasste er den Entschluss, nie mehr
zurückzukehren, und fing an, um die Gunst der Edelleute und Magnaten
zu werben. Da ihm von Natur eine gewisse Zartheit im Verkehr ange-
boren war, so gelang es ihm, viele Freunde zu erwerben, sogar die
Aufmerksamkeit einiger dem höheren Adel angehörigen Persönlich-
keiten auf sich zu lenken. Nun begann er etwas freier aufzutreten,
etwas vertraulicher zu werden und sich endlich allmählich für einen
Sprössling aus dem Stamme der Grossfdrsten von Moskau, nämlich fflr
den Demetrins, den Sohn des Caren Johann des Schrecklichen auszu-
geben. Durch manche und zwar glaub wUrdige Argumente verstand er
Einige zu überzeugen; das Gerücht von ihm verbreitete sich bald
unter dem Volke. Jetzt fand er auch einen Beschützer, welcher ihn
unter seine Obhut nahm und seine Sache bei Anderen befürwortete, das
war Fürst Adam Wiszniewiecki. Einige Monate verbrachte D. bei ihm
im Hause. Hier schmiegen sich die Haeretiker, besonders die Arianer
an ihn, in der Hoffhung, ihn für ihre Sekte zu gewinnen und dann durch
ihn ihre Lehren in ganz Russland zu verbreiten ; es gelingt ihnen auch
wirklich gewisse Zweifel bei dem erfahrenen Jünglinge zu erwecken^).
1) Unter denHaeretikem, welche im polnischen Russland auf Demetrins
einen Einflnss ausgeübt und auch später um seine Gunst geworben haben
sollen, wird man die Socinianer verstehen müssen (s. JEeBHimiH, GoiuraiaHCTBo
B'L nOdiBint H H)ro-3anaAHoä PycH. KieBCKan OiapHHa 1882, April — Mai). Die
im Reiche Moskau verfolgten Haeretiker, welche auf den Monotheismus im
Sinne des Alten Testamentes zurückgekommen waren (die sog. jüdisch ge-
sinnten, xsAOBCTByH)mie), näherten sich in Polen den Anhängern des Faustus
Socinus. Ein gewisser Hang zum Antitrinitarianismus verbreitete sich im
Lande Volynj unter dem griechisch-orthodoxen Adel in der Art einer beson-
deren Freidenkerei. Der Fürst Konstantin Ostrogsk^, der Verfechter der
Orthodoxie in Volynien und Eiovien, duldete solche russische Antitrinitarier
an seinem Hofe und liess sie geg^n die Jesuiten polemisch auftreten. Der
russische Flüchtling aus den Zeiten Johanns des Schrecklichen, Fürst Kurb-
Akij, war darüber empört, dass Ostrogskij die Orthodoxie dadurch zu verthei-
Wer war PBeudodemetriuB I. ? 119
Von Adam W. kommt er zu Konstantin W. und endlich zmn MniszecL
nach Sambor. Hier lernt er den Pfarrer Francisk Pomaski kennen nnd
wird mit ihm befreundet. Dieser Pomaski lenkt zuerst die Aufmerk-
samkeit der Jesuiten auf den D. und schlägt ihnen vor, ihre Annäherung
an den Prätendenten zu yermitteln. Die Jesuiten haben natürlich diese
Gelegenheit nicht aus den Händen gelassen. Kaspar Sawicki war der
erste Jesuit, welcher den D. im Namen seiner Gesellschaft begrüsst und
ihm die Vorzflge der katholischen Religion auseinandergesetzt hat. In
zwei Gesprächen hat Sawicki die Sache der S.J. so weit gefördert, dass
D. von selbst einen dritten Glaubensstreit bei ihm ausgewirkt hat, wel-
cher Allen, besonders aber den Russen, geheim gehalten werden sollte.
Diese neue Auseinandersetzung fand am T.April s.n. unter Betheiligung
der Jesuiten Sawicki und Grodzicki statt. Das nächste Colloquium kam
am 15. April bei den Franciskanern zu Stande. Endlich äusserte D.
den Wunsch — dem Sawicki zu beichten und in die rOmisch-katholisohe
Kirche aufgenommen zu werden. Gr. und Saw. pflogen darüber mit
SkargaRath. Der Yojevode von Krakau Zebrzydowski, als Mitglied der
Brüderschaft der Barmherzigkeit, sollte dem Brauche nach in den letzten
zwei Tagen der Charwoche in der Stadt herum Almosen sammeln ; am
17. April ladet er auch den D. dazu ein und unter diesem Verwände
schleichen sie, ohne erkannt zu werden, durch die Stadt Krakau bis zum
Ordenshause der H. Barbara. Hier bleibt D. mit dem Sawicki unter vier
Augen. Das Gerücht, als ob D. kein wahrer Sohn des Caren Johanns des
digen suchte, dass er einen Haeretiker, wie der bei ihm im Dienste und in
Gunst stehende Motovilo ein Buch gegen den Jesuiten Peter Skarga hat
schreiben lassen (CRasaHÜi kh. Kyp6cKaro, hsa. 3. YcipiuoBa, 1868). Im J.1599
war gegen einen gewissen Stanislav Kandyba, der auch im Dienste beim
Fürsten Ostrogskij gestanden hatte, die Anklage vor dem Gerichte erhoben,
dass er sich mit Gewalt eines kirchlichen Gutes, des Dorfes Vodyrady in
Volynien bemächtigt, die dortige Kirche als ein Arianer, d. w. s. ein Socinia-
ner, von Heil. Bildern, Glocken, dem Heil. Gtoräthe entbtösst und in ein Gebet-
haus der AntitriDitarier verwandelt hätte. Kein Wunder, dass eine apologe-
tische Schrift der Socinianer, welche die bedeutendsten Mitglieder der Sekte
au&ählte, auch den Fürsten Koust. Ostrogskij, wie auch den Roman Hojskij
in Hosca zu den heimlichen Anhängern der Antitrinitarier mitrechnete (s. bei
Levickij, 1. c. Quin et Constantinus dux in Ostrog, palatinus Kyoyiensis et
Romanns Hoyski, dominus in Hoszcza, castellanus Kyoyiensis, capitaneus
Volodimiriensis, quamvis religionem unitariam [quam in corde amplecteban-
tnr] aperte non sint professi, unitarioram tarnen fautores et patroni faerunt).
Bei diesem Hojskij hat Demetrius eine Zeit lang in Hoszcza geweilt.
l20 Eugen ^cepkin,
Schrecklichen wäre, war dem Beichtvater nicht unbekannt. Sawicki
mahnt also den D., darauf gefasst zu sein, dass er gleich ein Geständniss
nach bestem Wissen und Gewissen zu machen haben werde. D. verfällt
für eine kurze Weile in Gedanken ; darauf fasst er sich und versichert,
dass er sich treuherzig vor Gott und den Menschen fühle und nur auf
die Gerechtigkeit baue. Jetzt erst lässt ihn Sawicki zur Beichte, worauf
D. sich vom Schisma lossagt und sich an die katholische Kirche an-
schliesst. Auf den Wunsch des D. befiehlt der Provincial der S. J. zwei
Mitgliedern des GoUegiums zu Jaroslavij* — dem Nikolaus Czyrzowski
und dem Andreas Lawioki — , den Prätendenten auf seinem Zuge nach
Moskau zu begleiten. Dieses Unternehmen des D. wäre auch vom König
und dem Senate gebilligt. So lautet die Darstellung des J. Wielewicki,
welche er auf Grund eines Tagebuches und einer Denkschrift des Kas-
par Sawicki selbst ausgearbeitet hat ^) .
Die Relationen des päpstlichen Nuntius Rangoni scheinen diese
.Berichte zu bestätigen. Den 1. November 1603 erwähnt Rangoni zum
ersten Male den D. Der König selbst hat ihm die Nachricht mitgetheilt,
dass der Sohn Johanns des Schrecklichen aus Moskau zum Wiszniewiecki
geflohen wäre und dass viele hervorragende Moskowiten ihn anerkannt
hätten. Der Vicekanzler hat dem Nuntius auch die ausführlichere Ge-
schichte von der Errettung des D. durch einen Arzt (un medico) u.s.w. ^)
erzählt. Im Januar des J. 1604 erzählt abermals der König selbst dem
Rangoni, dass ein Livländer, welcher dem Knaben D. einmal gedient
haben wollte, und der in Polen erschienene Carevi6 einander erkannt
hätten. Anfang März 1604 erschien endlich D. in Krakau; hier sah ihn
Rangoni zum ersten Male gegen den 13. März st. n. während eines Gast-
mahls beim Yojevoden von Sandomir, wo CareviS incognito an einer an-
deren Tafel in Gesellschaft sass. Der päpstliche Nuntius glaubte an
ihm die Spuren einer adeligen Herkunft, eine gewisse Kühnheit im Ge-
spräche und geradezu etwas Majestätisches in seinem Auftreten zu
merken 3). Rangoni horchte mit Neugier auf die verschiedenen Mei-
1) Scriptores Rerum Polonicarum, t. YII (Ks. Jana Wielewickiego S. J.
Dziennik spraw domu zakonnego 0. 0. Jezuitöw u l§. Barbary w Krakowie).
Vgl. auch P. Pierling, Rome et D^m^trius.
2) Vgl. die Nova Relatio.
3) Vgl. bei Pierling, Pieces Justificatives : » Con mano longa et bianca et
fatta dl modo, che da indizio di nobilitä, ö ardito nel parlare et neir andare
et trattare ha veram^^ ^el grande.«
Wer war PsendodemetriaB I. ? 121
nungen Aber den D. Der Grossmarschall nnterwarf den D. einer Prtt-
fong nnd blieb nnbefriedigt. Auch der Vicekanzler nnd der Kastellan
▼on Krakau schenkten dem Prätendenten keinen rechten Glauben. An-
dererseits fand Vojna, der Generalnotar von Litauen, den D. dem ver-
storbenen Grossfürsten von Moskau ähnlich. Auch der Grosskanzler
Ton Litauen schien ihn für den wahren CareviS zu halten; der Bischof
und der Yojvode von Krakau waren dessen vollkommen überzeugt.
Montag den 15. März st. n. wurde D. vom Könige in einer privaten
Audienz empfangen. Erst jetzt schwinden die letzten Zweifel beim
Nuntius. Den 19. März empfangt er einen Besuch des D. selbst, wel-
cher in Begleitung des Vojevoden Mniszech erscheint. Der CareviS hob
in einer feinen Rede die Gerechtigkeit seiner Sache hervor, nämlich
dass er von einem Diener seines Vaters um sein Reich betrogen worden
sei ; der Nuntius sollte ihn dem Papste empfehlen und sein Unternehmen
beim Könige Sigismund befürworten, denn es könnte vielleicht zu einer
Vereinigung aller Christen gegen die Türken fahren. In seiner Relation
vom 20. März berichtet Rangoni von diesem Besuche des D. und fügt
hinzu, dass seine Ansprüche immer mehr Zutrauen finden und dass so-
gar der Vicekanzler nach einer neuen genaueren Prüfung des Livländers
endlich sehr befriedigt geblieben wäre. Bald darauf — nach Wielie-
wicki am letzten Tage des Monats März — besucht der erste Jesuit
Sawicki den Prätendenten. Wir können also mit Hilfe der katholischen
Quellen das ganze Bild des Aufenthalts desD. in Polen vervollständigen.
Er erscheint zuerst beim Hofe des griechisch-orthodoxen Fürsten Ostrog-
skij, wird in Ostrog aus Barmherzigkeit freundlich aufgenommen, findet
aber keine Aussicht auf Hilfe zur Erlangung des Thrones seitens dieser
Partei des polnischen Adels. Nun wirft er sich den Wiszniewiecki in
die Arme, vielleicht wirklich vom Abte des Höhlenklosters anempfohlen.
Diese Familie musste damals .durch ihren Unternehmungsgeist in der
Politik und durch ihre Energie in der aggressiven kolonisatorischen
Thätigkeit, besonders aber wegen des offenen Krieges mit dem Caren
Boris um die Burg Priluki ganz geeignet dazu erscheinen, die Sache des
D. zu befördern. Die Wiszniewiecki ziehen einige andere adelige Fa-
milien (Mniszech) und sogar den König selbst in ihr Hazardspiel hinein.
Der König geht darauf wohl nur unter der Bedingung ein, dass das
ganze Unternehmen stark|katholisch gefärbt werde. Der ersten Audienz
beim Könige muss auch der Besuch beim päpstlichen Nuntius, der Ver-
brüderung mit dem polnischen Adel auch eine Annäherung an die Je-
122 Engen äoepkin,
sniten folgen. Was D. bei der zaghaften orthodoxen Partei des Ostrog-
skij nicht hatte durchsetzen können, was der legale Zamojsky zu hinter-
treiben versucht hatte, das erlangte der Prätendent von einer Combination
der thatenlustigen W., des gewissenlosen Mniszech, des jesuitisch ge-
sinnten Sigismund in.
Ein Prätendent, der seiner Krone noch unsicher war, durfte weder
in seinen Mitteln allzu wählerisch sein, noch allzufrüh die Frage anf-
werfen, wie er sich in Moskau von den Mächten befreien würde, die ihm
zum Throne verhalfen. Es war für ihn nur die Frage, ob er sich von
den Franciskanem (Bernhardinern), oder von den Jesuiten bekehren
lassen sollte. In seinem Briefe an den Papst vom 5. November 1605
behauptet nämUch Mniszech, dass gerade die Bernhardiner den üeber-
tritt des D. zum katholischen Glauben vermittelt haben ^) . Rangoni und
Wielewicki berichten ebenfalls, dass D. beim Gottesdienste der Francis-
kaner (Bernhardiner) erschienen sei und gerade bei den Franciskanem
eine Unterredung mit dem Sawicki gehabt habe. Den letzten Schritt
seiner Apostasie hat er aber doch bei den Jesuiten in dem Hause der
H. Barbara gethan. Am ersten Ostertage, den 18. April 1604 st. n.,
hat nun D. seinen ersten Brief an den Papst Clemens VIU. in polnischer
Sprache entworfen, den 24. April hat er beim Nuntius Rangoni heimlich
das Abendmahl nach dem katholischen Ritus genossen und seinen Brief
an den Papst dem Sawicki eingehändigt, welcher ihn ins Lateinische
übersetzen musste. Hier hat er dem Rangoni auch das Versprechen ge-
geben, seine zukünftigen Unterthanen zum Anschlüsse an die Union zu
bewegen, wenn es ihm gelingen sollte, den Thron zu erlangen^). Noch
1) Pierling, 1. c. Pikees Jnstificatives : Non debeo relinquere tacitam
eam consolationem omnium Cathollcorum quam ]!)ux Moschus Demetrius no-
bis Omnibus attnlit sui animi erga religionem Gatholicam ao unionem decla-
ratione. Quae magna ex parte tribuenda est tum exemplis Patrum Berardi-
norum tum salutaribus colloquiis cum eodem saepius habitiB. Hominem enim
flchismaticum in schismate ac inter sectae primarios (czemcos vocant) ad ns-
que aetatem virilem enutritum sufficienterqne in errore confirmatum, cum
peroptarem quantum in me erat, imbui doctrina veritatis . . proposui vitam
et exempla Patnim horum etc. Daraus sieht man, dass die Vorstellung des
Papstes, als ob Demetrius von Kindheit an im katholischen Glauben unter-
richtet wurde, auf einem Missverst&ndniss beruht. Vgl. Turgeniev U, 42 — 43 :
»qui admirabili Dei consilio profugus a patria apud vos Catholica Religione
a pueritia sua eruditus est«.
3) Ha promesso di far partire dal scisma et unire li snoi popoli del rito
Wer war Pseadodemetrius I. ? ] 23
Tags vorher, am 23. April, hat er Abschied vom Könige genommen und
ausser den Gesehenken eine Anweisung auf vier Tausend Florin er-
halten, welche der Vojevode von Sandomir aus den königlichen Ein-
kfinften auszahlen sollte. Man hatte keine Lust, auf den Reichstag zu
warten. Das ganze Unternehmen sollte vorläufig einen privaten Cha-
rakter tragen, da Polen mit Boris einen Friedensvertrag geschlossen
hatte ; man wollte auch augenscheinlich den Grosskanzler überspringen,
welchem allein der Oberbefehl gebühren würde, falls der Zug nach
Moskau auf einem Reichstage beschlossen wäre. D. sollte also mit
Mniszech, Wiszniewiecki und anderen an die Grenze ziehen, um dort
nach Umständen den letzten Entschluss zu fassen; derEönig war bereit,
es zu gestatten^). In dem Briefe an den Papst bekennt sich D. zum
katholischen Glauben, gesteht aber, dass er vorläufig seinen Uebertritt
noch verheimlichen muss ^). Nur kryptokatholisch ist D. bis auf den
greeo, se mai poträ come nou despera, recuperare la sede saa patema. Vgl.
Pierüng, Piöces Jnstificatives.
1) Die Relation des Rangoni vom 24. April 1604 bei Pierling: con tole-
ranza del Re.
^ Absque Ulla mora ad eandem unionem et fidem cathoücam Romanam,
sfaigulari gratia divina robur animi mihi snppeditante, accessi et sacramentis
Ecclesiae confortatus, factus sum Ovicula S^ Yrae . . Rationibus autem meis
ita postulantibus, occultare me adbuc debeo et expectare quid de me Dens
üniversonxm oonstituerit . . Vgl. Pierling, Pikees Just, D6m6trins ä Cle-
ment Vni., 24. Apr. 1604.
Nachdem der erste Theil unserer Untersuchung bereits gedruckt war
(Archiv für slavische Philologie B. XX), haben wir von Hochw. P. Pierling
die phototypische Reproduktion dieses Briefes in polnischer Sprache erhal-
ten, wie er vom PD eigenhändig entworfen und vom Herausgeber aufgefun-
den worden ist. Dieser wichtige Fund des Hochw. P. Pierling wirft etwas
Licht auf die Muttersprache des PD. Dem Inhalte nach ist der polnische
Entwarf nur insoweit von Bedeutung, als P. Sawicki bei der Uebersetzung
ins Lateinische gewisse Aendemngen darin vorgenommen. Dem Satze der
lateinischen Uebersetzung »mortem evasi, a qua me Providentia sua liberavit
Dens praepotens atque in has oras S^Poloniae Regis subjectas impulit, igno-
tnmque et latentem conservavit« entsprechen in dem polnischen Concepte
folgende Worte : »przemieszkalem napred w samem Panstwie moskwieskiem
miedzy cziemcamy do czasu Piewniego, potym w granicach Polskych nepo-
znaoy y zataiony. Prziszedl czas yiem sia osnaymyc musel y priswany do
oaiaanieyszego krolia Polskiego etc.« Dieses Geständniss des PD, dass er in
Rosslaad unter den MOnehen gelebt, entspricht den Berichten des Königs
Sigismund UI. in seinem Briefe an Zenovicz und der polnischen Gesandten in
124 £iigen ^pkin,
Tod geblieben. Den 25. April b^ab sieh D. naeh SAmbor, wo er noch
einige Monate yerweilte, nm seine militftrisehen YoTbereltangen zn be-
enden. Der Kastellan von Erakan, Kfirst Jannsz Ostrogskij, hatte eine
Zeit lang den Vorsatz gehabt, den Zug des D. an die mssische Grenze
auf jegliche Weise za verhindern und zu hintertreiben. Es scheint,
dass auch sein Vater Konstantin Ostrogskij und der Grosskanzler Za-
mojski gegen das private Unternehmen desMniazech gestimmt waren i).
Hoskau ans dem J. 1608. Die polnische Sprache und Orthographie des Briefes
sind in dem Masse unkorrekt, dass die Kenner der slsvischen Sprachen die
russische Nationalität des Verfassers daran sicher zu erkennen glauben. Wir
wurden von Fachmännern auf folgende Fehler aufmerksam gemacht : diwn%
statt dziwnii; Aprel statt kwiecieö; ktorzy stett ktöry; prigod, napred.
Also bald r statt rz, bald z nach r hinterher als eine Korrektur hinzugefügt.
Viele Fehler in Bezug auf 4 und ^, z.B.wzioiem, przygamel, bendziCi swient
Einen Bussen verräth auch priswany statt powohmy; krzescianstiey mit
einem t, sia statt si^ n. s. w. Da der Verfasser des Briefes ohne Zweifel unter
der Einwirkung der kirchenslavischen Schriftsprache gestanden hat, so kann
der Umstand, dass darin keine weiss- und kleinrussischen Formen vorkom-
men, noch keineswegs die Frage über die Herkunft des Verfassers definitiv
entscheiden. Das Wahrscheinlichere bleibt aber, dass der Brief von einem
Grossrussep geschrieben ist Was die Frage anbetrifft, weshalb PD das Con-
cept polnisch entworfen und wozu die katholische Kirche es aufgehoben hat,
so haben wir von diesem Briefe folgenden Eindruck erhalten: bevor der
Nuntius und die Jesuiten sich entschlossen, ihren Einfluss in den Dienst des
PD zu stellen, wollten sie einen schriftlichen Beweis haben, dass er wirklich
der katholischen Kirche für immer angehöre. Hit diesem Concepte in der
Hand waren sie nach Umständen immer im Stande, den Garen D. vor seinen
eigenen Unterthanen blosszustellen.
1) Vgl. bei Pierling, D^plches du Nonce Claude Bangoni 12. juin 1604
und 3. juillet 1604: che 11 Palatini di Ohio via et Volinia et Caatollano di Crac»
cerchino impedirlo.
Ein Briefwechsel zwischen dem Vojevoden Mniszech und dem Kanzler
ZamoJBki ist in den Listy St. ^Ikiewskiego 1584—1620 zu Krakau im J. 1868
gedruckt. In einem Briefe vom 10. Mai 1604 erklärt es Mniszech für möglich,
auch ohne den Reichstag abzuwarten, dem D. Über die Grenze zu verhelfen.
Da aber der König auf den Rath der Herren Senatoren die Sache der Ent-
scheidung des Reichstages zu überlassen geruht, so will D. keineswegs
gegen den Willen S. M. handeln, fürchtet indessen sich durch seine Geduld
Schwierigkeiten zu schaffen. In dem undatirten Concepte eines Briefes vom
GK. Zamojski an den V. Mniszech wird hervorgehoben, dass nach der Mei-
nung Aller Mniszech seine Vorbereitungen ohne den Willen des Königs treffe,
und dass auch er, als Kanzler, keine Verordnungen in diesem Sinne vom
König erhalten hätte. In seinem Briefe vom 28. August 1604 benachrichtigt
Wer war Pseudodemetrius I. ? 125
D. mnsste sich (12. Juni st. n.) an den Nuntius mit der Bitte wenden,
diese Schwierigkeiten ihm aus dem Wege zu räumen und sein Unter-
nehmen beim Kastellan von Krakau, beim Vicekanzler, beim Könige
und Papste aufs neue zu befürworten ; der CareviS versicherte dabei,
dass er der Sympathie der Bevölkerung in Russland sicher sei und
vorläufig nur bis an die Grenze ziehen wolle, um dort die Aussichten
auf Erfolg nach Umständen beurtheilen zu können. Endlich hat Mni-
szech beim Kastellan von Krakau das Versprechen erwirkt^ dem D.
keine Hindemisse weiter in den Weg zu legen. Indessen haben die
Scharen des Jänusz Ostrogskij den Zug des D. bis an den Dnjepr ver-
folgt und den Uebergang über diesen Fluss dadurch zu verhindern ver-
sucht, dass sie alle die Fähren wegschaffen Hessen ^ j . Wir sehen hier
den Gonflict der verfassuiigstreuen, legalen Partei desZamojski und der
Ostrogski mit den rücksichtslosen Abenteurern, wie Mniszech und
Wiazn., hinter welchen sich der König und die römisch-katholische
Eärche, den Erfolg abwartend, versteckt haben : im Juli hatte D. bereits
eine Antwort des Papstes auf seinen ersten Brief in der Hand 2).
Durch die Jesuiten Czyrzowski und Lawicki, welche mit dem D.
nach Moskau gezogen waren , ' konnte die katholische Kirche jeden
indessen Mniszech den Zamojski, dass trotz aller Bedenken der Carevio sich
am Ende doch entschlossen habe, an die Moskauer Grenze zu ziehen und sei
bereits auf dem Marsche dahin. Der Brief des Mniszech an den Zamojski,
wie ihn der Danziger Becess aus dem J. 1605 erwähnt, worin sich der Yoje-
vode auf die Erlaubniss des Königs Sigismnnd HI. berufen haben soll, die
Sache des Demetrius zu fördern, kommt also in den Listy Zölk. nicht vor.
Die Thatsache selbst wird aber auch sonst sowohl durch die Narratio Succ.
als auch die Aussage der polnischen Gesandten im J. 1606 (bei Nowakowski)
bestätigt.
In der Instruktion, welche der König Sigismund IIL vom 16. April 1612
seinem Sekretär Samuil GruSeckij bei seiner Absendnng an den spanischen
König Philipp HI. gegeben, erklärt er den Garen für einen falschen Demetrius
(H TOThf KOTOpUU HOA^ JBLOXHLIM'B ElfeHeM'B ^HMHXpifl C1 nOMOIIÜH) IlaSBCKUZ'B
BOHCiTL BToprHyj[CJi BT» FocyAapcTBO, 6hijrh yÖHTx ^epes'i h%cko2bko MicfsneB'h ca-
MHMH MocRBHTHHaMu. Die msslsche Uebersetzung der Instruktion s. Ctenija
1847, Nr. 4).
1) HcTopH^. £h6j[., t. L Wyprawa czara Moskiewskiego Dymitra do Mos-
kwj: «Id%c ku Kiiowu, obawialismi si^ woyska x. Ostrowkiego, kastelana
Krakowskiego, ktore si^ wieszalo nad nami asz do samego Dniepru . . Przy-
flzlismy potym nad Dniepr, gdzie pan Krakowski wszytkie prumy kazal: po-
zaei^gac precz» etc.
^ Der zweite Brief des D. an den Papst ist vom 30. Juli 1604 datirt.
126 Eugen Scepkin,
Sehritt des Prätendenten beobachten. Ihre Briefe schildern uns den
Demetrins als eine reichbegabte, lebenslnstige, vom Wissensdrange nicht
minder als von Thatenlnst angeregte Natnr. Man merkt an ihm keine
Spnr von der scholastisch-systematischen Gelehrsamkeit, von der seelen-
losen Disciplin des äusseren Betrs^ens und der engen Richtung des
Geistes, welche in ihm einen Schüler der Jesuiten verrathen könnten.
Den 20. April st. n. in Putivl fordert er die beiden Jesuiten auf, ihn in
die Gelehrsamkeit der Jesnitenschulen einzuführen. Vergebens setzen
ihm Czyrzowski und Lawicki die Schwierigkeit entgegen, die freien
Wissenschaften einem Schüler vorzutragen, welcher weder der griechi-
schen, noch der lateinischen Sprache mächtig wäre. Er bestand fest auf
seinem Wunsche, in der Rhetorik und Philosophie unterrichtet zu wer-
den, indem er die Theologie den Geistlichen überliess. Drei Tage muss-
ten also L. und C. die Anfänge der Rhetorik und der Dialektik dem zu-
künftigen Garen in Anwesenheit von russischen und polnischen Grossen
auseinandersetzen. Eryptokatholisch, officiell orthodox und im höchsten
Grade tolerant gegen die Protestanten ist D. auch auf dem Throne ge-
blieben ; vom Glücke und Erfolgen verwöhnt, ist er dabei noch durch
und durch frivol in seinen Sitten und im Grunde genommen wohl gleich-
gültig gegen alle diese Glaubensnnterschiede geworden. Unter dem
Drucke der Vergangenheit und der Gegenwart lernte er ein Gleich-
gewicht zu beobachten unter allen den Kräften, welche entweder ihm
zur Krone verhelfen hatten^ oder ihn vom Throne wegspülen konnten.
Der Jesuit Czyrzowski hält an seinem Erönungstage im Namen des pol-
nischen Heeres eine polnische Ansprache an den Garen, welcher selbst
den Sinn jedes einzelnen Satzes den russischen Grossen wiedergibt. Der
deutsche Pastor Beer hält in dem Palaste des FD die erste lutherische
Predigt und der vertraute Sekretär des Garen, Stanislav Buczynski er-
weist sich auch als ein Protestant. Andererseits sucht Demetrins I. für
seine zukünftige Frau beim Nuntius Rangoni das Recht auszuwirken,
orthodoxe Gebräuche äusserlich beobachten zu dürfen ^), Im Februar des
J. 1606 hat Gzyrzowski den Garen um eine Audienz gebeten infolge der
Gerüchte aus Polen, als ob D. der Sache der Anabaptisten seine Gunst
zugewendet hätte, und während Graf Alexander Rangoni bei der Audienz
1) Pierling, Ibidem 167. Instruction de D6m^trias ä Jean Buczynski:
»Agere de licentia ut Seren"*^ Virgo Marina in actu sponsalitiorum a Sanct°^
PatrePatriarchaSacramentomEucharistiae percipere possit . . ut fana graeca
frequentare lioeat . . . ita tarnen ut sibi liberum sit sacra sua quotidie obire.«
Wer war Psendodemetrias I. ? 127
am 19. Februar 1606 st. n. demselben D. die Hand kttsste, welcher am
24. April 1604 bereit war, seinem Oheim, dem Nuntius Klaudius R.,
alfl dem Vertreter des Papstes, die Fttsse zu küssen, hatte er schon
Grund sn befürchten, dass der Protestant Buczynski offen ,aus England
die Ingenieure und Handwerker zu holen bereit gewesen, welche der
Gar durch den Nuntius vom Papste heimlich zu erhalten suchte *). Durch
seinen Hang zur polnischen Bildung hat sich D. die herrschenden Klas-
sen Moskaus entfremdet; durch seine Heirath mit der katholischen
Marina hat er am 18. Mai st. n. die Treue seiner russischen Unterthanen
auf die Probe gestellt. Die grossartigen Pl&nC; die europäischen Staaten
XU einem Ejreuzzuge gegen die Türken zu vereinigen, forderten seiner-
seits einen festeren Anschluss an Polen. Indessen hat sein eitles Trach-
ten nach dem Eaisertitel zu einem Conflicte zwischen ihm und Sigis-
mnnd m. geführt. Gereizt durch die ablehnende Antwort des Königs
hat er die Umtriebe des polnischen Adels gegen Sigismund III. geschürt
und unter den Gedapken an einen Krieg gegen Polen ist er von der
Partei des V. äujskij gestürzt und ermordet. Das sind die Widersprüche,
in welche sich der geistreiche Abenteurer durch den Nothbehelf ver-
wickelte, die russisch-orthodoxe Krone mit Unterstützung von Polen
und Jesuiten zu erwerben ; die phantastischen Pläne, sich den Kaiser-
titel anzueignen, vielleicht Bussland und Polen unter seinem Scepter zu
vereinigen und an der Spitze von ganz Europa gegen die Türken zu
liehen, haben seine politische Lage zu einer geradezu verzweifelten ge-
macht. Hochw. Pierling hat in unseren Tagen über die Begierung des
D. das absprechende Urtheil wiederholt, welches bereits Wielewicki
geflUthat^}.
Von dem Urtheile der berüchtigten Menschenkenner wollen wir
uns jetzt zu den Zeugnissen über die Persdnlichkeit des FD wenden,
welche nach seinem Tode von einer anderen ihm befreundeten politischen
1} Ibid. 169: »Che quel Principe quando di qui non havri almeno spe-
lanza di conseguire Tinteuto si volgerä altrove, et forse a procurarsi Ingeg-
neri et artefici almeno d^Inghilterra tanto piü che quotidianam^« stimulato
dall' Heretico Bucinski . . a mandar Amb^« al Be Inglese per condnder una
eonfederatione et commertio con esso, stimulato da certi Inglesi habitanti in
Moscna favoriti dal sodo Bucinski.«
^ »Erat enim Demetrias longe mntatus ab illo, qui erat in Polonia ma-
nens. De fide et religione catholica parum cogitabat . . Erat vitiis camalibus
deditns . . . haereticis omnem aditum ad se patefaciebat.« Script. Ber. Pol.,
tVII.
128 Eugen Scepkin,
Macht, nämlich vom polnischen Adel gegeben wnrden. Der Vojevode
Mniszeoh hat im Monat Mai des J. 1606 folgende Anskonft Aber die
ersten Schritte des ermordeten FD gegeben : D. hat anfangs, bevor er
sich kund that, in Mönchstracht im Kloster zu Eiev, dann beim Hofe
des Fürsten Konstantin Ostrogskij, endlich beim Fürsten Adam Wisznie-
wieoki geweilt; hier hat er sich zum ersten Male für den wahren Nach-
kommen (wlasnem potomki^m] des Caren Johann des Schrecklichen aus-
gegeben und von seiner Errettung zu Ugli6 durch seinen Arzt (za po-
moc^ doktora iego) erzählt; dieser Doktor hätte den CareviS einem
Bojarensohne anvertraut, welcher ihm den Rath gegeben habe, sich
unter die Mönche zu verbergen. Fürst Adam W. hat den Prätendenten
seinem Bruder (?), dem Fürsten Konstantin W., überlassen. Hierher
zum Fürsten K.W. nach Zatosce ist Piotrowski, ein Diener des Gross-
kanzlers von Litauen, gekommen und an gewissen Merkmalen am Körper
des Prätendenten ihn für den wahren Carevic D. anerkannt, welchem
•er zu ügliS gedient haben wollte. Der Fürst K.W.«fuhr darauf mit dem
D. über Sambor zum Könige. Hier, in Sambor, hat ihn Mniszech kennen
gelernt. Ein Diener des Vojevoden von Sandomir, welcher bei Pskov
von den Russen gefangen genommen einige Jahre in Moskau (na Mos-
kwie) gelebt und den D. als Kind gekannt hatte, hat in Sambor seiner-
seits die Echtheit des erschienenen CareviS bestätigt i).
Zu gleicher Zeit mit Mniszech, nämlich nach der Ermordung des
FD, haben die polnischen Gesandten zu Moskau folgendes Zeugniss über
den Demetrius gegeben : Als dieser Mensch in Polen erschienen war,
hat er durch sehr wahrscheinliche Argumente und Merkmale am Körper
zu beweisen gesucht, dass er der echte CareviS sei. Indessen haben ihm
der König und dessen Leute keinen Glauben geschenkt und lange blieb
er gering geachtet. Dann kamen aber zum D. einige Dutzend Mosko-
witen aus den Grenzburgen und haben alle bestätigt, dass er der wahre
CareviS D. sei. Als nun D. mit diesen Leuten beim Könige erschien, hat
ihn Sigismund noch immer für den echten nicht anerkennen wollen. Da
aber Boris an zwei Stellen die litauische Grenze wider die beschworenen
Verträge verletzte, einerseits die kleine Burg des Fürsten W. Priluki
verheeren, andererseits in die Herrschaft Velii 8 Meilen tief hinein
gegen die Burg selbst sein Heer vordringen liess, so hat Sigismund HL.
sich keineswegs für verpflichtet gehalten, den D. ins Gefängniss zu
*) Co6p. Toc. Tp. H Äor., q. H, das Verhör des Vojevoden Mniszech.
Wer war PseadodemetriuB I.? 129
werfen oder dem Garen ansznliefem. Weil aber die beschworenen Ver-
träge es nnpassend erscheinen Hessen, einen Krieg für die Rechte des
D. gegen Moskan anzufangen , so hat der König die Entscheidung dem
göttlichen Willen überlassen. Ueberhaupt lebte D. in Polen, nicht so-
wohl für den CareviS, als für einen Bettler gehalten, welchen einige
Herren aus reiner Barmherzigkeit mit Almosen versorgten. Andere aber
waren geneigt zu glauben, dass er der echte CareviS sei. So liess sich
der Vojevode von Sandomir, ein tugendhafter und aufrichtiger Mensch,
vom D. und seinen Moskowiten dazu bereden, mit einer kleinen Schaar
ihn bis zur russischen Grenze zu begleiten. D. und die Moskowiten
versicherten, dass die russische Bevölkerung jenseits der Grenze ihn
voller Freuden mitBrod und Salz empfangen, sich selbst und ihre Burgen
in seine Gewalt übergeben werde; falls aber diese Erwartungen sich
nicht erfüllen würden, da könnte der Vojevode von der Grenze nach
Hause zurückkehren. Als sie nun ins Feld zogen, da empfingen zahl-
reiche Moskowiten den D. bereits vor der russischen Grenze auf dem
polnischen Gebiete; die Moskowiten übergaben ihm darauf auch wirklich
die Burgen Morawsk und Öemigov. Infolge eines derartigen Ganges
der Ereignisse schoben die polnischen Gesandten die ganze Verant-
wortung für das Unternehmen des FD auf die Russen selbst: der Mann,
welcher sich für den echten Carevi5 ausgegeben hatte, war seiner Ab-
stanminng nach ein Moskowite; die Moskowiten haben ihn an der
Grenze mit Brod und Salz empfangen und bis nach Moskau geftlhrt ; die
Moskowiten haben ihm die Krone auferlegt und Treue geschworen; die
Moskowiten haben ihn endlich auch ermordet ^].
Dieselbe Auffassung der ganzen Geschichte des FD setzten die pol-
nischen Gesandten etwas ausführlicher auch im J. 1608 den russischen
1) JSrödla do Dziejöw Polski przez Nowakowskiego. Berlin 1841, t. U.
Respons ich mo^ö panow posiow naszych na mowy panöw Dumnych do po-
siow po zamordowaniu carskim. Jednak powiesczi tego cziowieka kröl I.M.
pan nasz i liudzie E.I.M. wiary do konca nie dodawali i niemaly czas w pod-
lem vwaieniu byl . . . i tesz ten cz];owiek nie za carewicza alle raczey za ie-
braka pod on czas w narodzie naszym byi policzony i niektörzy w wzgliedem
Boga opatrowali go iahnoin^ iako ladzie cbrze^ciansczy . . . i ten czlowiek >
ktöry sif mianowai bycz prawdziwym Dmitrem waszego narodu byl: mos-
kwicin, a ktosz go potekal s chliebiem i s soli^? Moskwa. Kto podawa^
zamki i armaty? Moskwa. Kto prowadzil do stolicze? Moskwa. Kto coro-
nowai iako hospodaraV Moskwa. Kto mu przysi^gal na wiar^ y poddanstwo?
Moskwa. Potym kto go zamordowi^? Moskwa.
ArehiT fftr Blarisob« Philologie. XXI. 9
1 30 Engen §cepkin,
Bojaren in Moskau auseinander >) . Sie leugneten sowohl, dass der FD
in Polen katholisoh geworden wäre, als auch dass Sigismnnd III. ihn auf
1) Für eine der wichtigsten historischen Quellen im Bereiche unserer
Frage halten wir die Rechtfertigung des Benehmens und der Politik des Kö-
nigs Sigismund III. und des polnischen Adels durch die Botschafter und Ge-
sandten Nikolaj Olesnickij (Kastellan Malogoski), Alexander Korwin-G%-
siewski (Starosta Wieliiski), Stanislaw Witowski und FUrst Jan Drucki-So-
kolinski im Jahre 1608 an Moskau vor dem Bojarin Fürst Ivan Vorotynskij,
Okoljnicij Ivan Kolyoey, Dumnyj Dvorjanin (Adelsmann der Carensynklete)
Vasilij Sukin und den Dumnye Djaki (Staatssekretäre der Carensynklete) Va-
silij Telepney und Andrej Ivanov. Dieses Aktenstück ist sowohl in polni-
scher, als auch in russischer Sprache bekannt. (In polnischer Sprache ist es
nach einer Handschrift aus der Bibliothek des Grafen Delagardi in »Supple-
mentnm adHistoricaBussiaeMonnmenta« gedruckt, in russischer Sprache ist
68 zum Theil im »Sbornik« des Fürsten Obolenskij, vollständig aber in den
»Artli kx BCTopia 3anaAH0H PoccIh, t. IV« nach einer Handschrift der Archäo-
graph. Kommission veröffentlicht.) Die officielle russische Tradition, als ob
PD und Griska 0. eine und dieselbe Persönlichkeit wären, wird vor Allem
durch das Zeqfniss der polnischen Bevollmächtigten vom Standpunkte der
Chronologie afll widerlegt, welches durch den Brief des Jannsz Ostrogskij
an den König (s. Niemcewicz, Dzieje Panowania Zygmunta IIL, t. II, s. 395)
und die deutsche Schrift aus JindHch&^^Eri^ec [ÄiTonucb SaHHTiu Apzeorp.
Komm. X) bestätigt wird. Zur Zeit des vstoriographen Karamzin war diese
Urkunde (ebenso wie auch die Chronik des Isaak Massa) unbekannt. Prof.
Solovjev hat sie unterschätzt; er hat z. B. das Zeugniss der Flüchtlinge aus
Moskauer Bussland und der Geistlichkeit und der Edelleute im polnischen
Rnssland, als ob Demetrius im J. 7109 (1. Sept. 1600 bis 1. Sept. 1601) aus
Moskau fliehend die Grenze überschritten, zwar angeführt, in seiner Auffas-
sung indessen unberücksichtigt gelassen. Prof. Ilovigskij hat den Bericht
dieses Aktenstückes über die Gesandtschaft des Athanasij Vlasjev missver-
standen und ist über alle übrigen Nachrichten der Quelle schweigend hinweg-
gegangen. Da wir im Laufe unserer Untersuchung immer wieder und wieder
auf diese unerschöpfliche Quelle zurückkommen müssen, so wollen wir hier
auf einmal alle die wichtigsten Citate aus ihr geben, die wir als Belege für
unsere Ansichten so oft benutzen, und eine freie deutsche Uebersetzung hin-
zufügen. Von Wichtigkeit sind darin nicht nur die präcisen chronologischen
Daten und durch Urkunden verbürgte Thatsachen, sondern auch die allge-
meinen Anschauungen der polnischen Gesandten und ganz besonders die
scharfe kritische Analyse, welcher sie das ganze Benehmen und alle die Aus-
sagen des Moskauer Adels unterwerfen. Sie behaupten z. B., dass in den
Briefen, welche Smirnoj Otrepjev im J. 1604 als Gesandter des Boris mitge-
bracht hatte, es sich ausschliesslich um Grenzstreitigkeiten gehandelt hätte,
über den Demetrius aber kein Wort gestanden und Smirnoj selbst, als Ge-
sandter, sogar ungenannt geblieben wäre : ob dieser Irrthum durch die Schuld
Wer war PBendodemetriuB I. ? 13t
den Moskauer Thron gesetzt hätte. D. hätte znerst beim Fflrsten Adam
W. sieh als CarewiS kund gethan. Nun erschienen nicht nnr die Mönche
des Boris zn erklären, oder ob die Djaki VerSndemngen darin nntemommen,
das mfissen die russischen Bojaren selbst am besten wissen (rpix'L jkh to Eo-
PKCOFB TaRX TLSJTtkÄ'by EiUI ALÜRB OrO HSMiHAXH, MOXCHO VBOth CaMLIMIb JiyTmeil
BiAaTH H sHaxH). Diese Anschaunng (wohl ans der Praxis der Verhandlnngen
mit Moskau geschöpft), dass die Djaki die of&ciellen Akten einer Gesandt-
schaft eigenmächtig bearbeiten können, haben wir im ersten Theile unserer
Untersuchung als eineVermuthnng angewandt, um den Unterschied zwischen
der Bede des Postnik Ogarev vor dem Könige Sigismund III. im Januar 1605
und dem von ihm mitgebrachten Briefe des Boris zu erklären. Dass die offi-
ciellen Vertreter der Moskauer Regierung in Polen bisweilen von ihr unab-
hängig oder sogar ihr feindlich auftraten, darttber führt Zölkiewski ein Bei-
spiel an, nämlich wie die Sujskie nnd Golicyny durch den Gesandten Bezo-
brazov im J. 1606 gegen den PD L selbst in Polen iutriguirt haben (Historya
Woyny Moskiewskiey). Wir kehren nun zu dem Aktenstücke aus dem J. 1608
zurfiek, dessen Wichtigkeit wir nicht genug hervorheben können. Der ent-
scheidende Text über die Wanderung des PD nach Polen im J. 7109 lautet :
>A JDoniL MocROBCKie, ROTopue npH hhitb 6&LIB, noRaauBaxE, , . . a fb IlancKyx)
rpanany npHinoinb oh-b ao Kiesa k ao Ile^epcRoro MaHaciupH bi roxy ceia tbica-
^eft CIO seBATOiTB ; a to,' bjko roäe oh'B npraneix, ne tojeiro Mocrb£, ajie h na-
niH» JODUtM-h, AyXOBE&IMl PyCREm H CBiTCRHM'B H^ROTOpBIMi TaMOmHHlTB, y
Roiopuxi sapasi BBrnieAmn vb Mocrbu XMjrb, abeo h b^omo 6i>lio.« DieMosko-
witen, welche auf Befehl des Boris längs der Grenze an den Strassensperren
Wache gehalten haben, wie auch die Eilboten, welche ans den russischen
Grenzburgen mit Briefen gegen den Demetrius ankamen, berichteten : seit
der Stunde, wo Boris den Thron bestiegen, foltere nnd pfeile er oder ver-
banne Jeden, der des Demetrius zu gedenken sich erdreistet. (A isom Moc-
soBCKie, KOTOpud Ha BaczaBaxi no py6exax% otb Eopnca cTanBajtH, TaKxe e Tue
roEQU, KOTopuxx 0% xuKH zHciaus nociuuBaHO, CRasuBajcE jmAQVh ero xopo-
4eBCB0X iouocth: . . 60 EopHCi OTK Toro BpoMCHE xaR'B &kÄT> Ea rocnoAapcTBft,
^epen bcce ^laci, xox& MaxexoBiKO xio ak'b jdiöo b'l Mogrobcromi rocnoxapciBi
Toro KBE3E ^METpa BcnoHAEerB, E owh BejiijrB xBixi BCEXi aiyvxxB, sa xoxx ca-
Mtoh, a EBjnxxx Ea Aaxexie ropoffu bx Geöepb aa BEscEBe sacujEajn.) Alle diese
Moskowiten, welche bei dem D. erschienen und seine Echtheit anerkannten,
zeigten dem Könige Briefe an den Prätendenten von hervorragenden Männern
in Moakan (a or& xebiexi HMeEBmxi jnoMßTk vb Mockbu e juctli ao tofo Ahe-
Tpa nncasue joDAeui ero xopoJieBcxox mhjkooix noRaBUBadU). Als Demetrius
Krakau verlassen und sieh mit seinen Moskowiten eine Zeit lang an der russi-
schen Grenze angehalten und das Gerücht von ihm sich immer weiter in
Polen nnd Knssland verbreitete, da freuten sich die herrschenden Männer
Bnsslands darüber, weil sie sich der Tyrannei des Boris erinnerten, wie er
den Fürsten Ivan Mstislavskij, die Fürsten Ivan Petrovic und Andrej Ivano-
vic Sigskie, die Bomanovy verbannt oder sogar ums Leben gebracht, um sei-
9*
132 Engen Seepkiii,
von denen aneh die insnBche Regierung Nachricht hatte , sondern auch
yiele andere Moskowiten, welche ihn als den wahren D. von UgliS
nem Stamme den Thron sicherziutellen. Die pohiisehen Gesandten glaubten
sogar, dass Boris auch an dem Tode des Caren Theodor die Schuld trfige
(Krxhi TOTb AxHTp^ vh xpajo PycKOir&, dxaxeic pyfSexs Mockobckofo ■ rh toio
MocKBOH), KOTop&fl npH Hein 6huuk, vaci xairiH xmrh, ■ cxasa o HeM*& npoxears
ÄU>ß.en y sacb h TjTh y Baci mapa^ucfl ; h bu bcb, npHnomraasqa co(HI TSpae-
CTBO EopHCOBo, pajiLi ecTC To vb Ty nopy cjunxezH ; 60 Bcesiy rocnoAapcTBy Moc-
KOBCKOMy TSpaHCTBO EopHCOBO eCTB BtAOMO . . . BCH S&UHUe 6<^]IlMe pOXU 3BeCTH
■ Bury6aTH yuhimjuun», mTo6it a KopesB ktb ne ocraxca, zort^s tumx (Sesneq-
Btamee lUEOBaHBe cbiHy CBoeny no CMepTS CBoex yrsep^iBTH). Viele Fttrsten,
Bojaren und grosse Herren des Reiches Moskau sind schon damals dem Boris
untreu geworden und haben sich zu ihm über die Grenze begeben; sie brach-
ten heimliche Briefe von anderen Moskowiten mit, worin der Prätendent für
den echten CarevicD. erklärt wurde; die Russen benachrichtigten den D. von
allen Plänen des Boris und forderten ihn auf, die Moskauer Grenze zu fiber-
schreiten, indem sie versicherten, dass man ihm überall mit Brod und Salz
entgegen kommen würde (KHaaH, Co^pe h 60dK&mie jnoxa Mockobckofo rocno-
AapcTBa HBorie Eopacy H3MtHKJ[H . . h icHorie r& neMy enio sa py6e3K'B npa6trajH,
a OTB BHmHZ'B sAimHbix'L JiwAeu xauHue rpaiioTbi npHHOciuH h bo bchz'b rpaMo-
xazi nacbiB&jLH cro npAMUHX, HCTflHHLiM'& KH^eH'B AmirpoBfL YrjeuRHü'B . . h
AaB&SH OMy uacTO b^aomoctb 0 bchz^ paAazi a saMiiciaz^ EopacoBLiz-B, h caaiH
ero jahiBaJLU u. jcuäobsläb. nposÖaiiH cboidih, uitoÖ'B obi» B6op3% maxi» ao rpauEni»
MocKOBCKKZ's, yiieBHJiH)iKH, mTO ero sesA^ s'& züiiöOMi h sx cojibio crpi^axB uijLU
H 6ea'B BCfSKoi xpyAHOCTu oötuajH AocxymiTb CMy rocnoAapcTBa MocKOBCRoro).
Der KOnig Sigismund III. soll dem Mniszech nach dem Lager des Demetrius
geschrieben haben, dass weder er, noch andere Polen dem Prätendenten
gegen den Boris Beistand leisten sollten, und Mniszech, sein Sohn und Mi-
chail Ratomskij hätten dann auch wirklich das Lager verlassen. Nun war D.
so schwach, dass die Moskauer Vojevoden ihm ganz leicht eine Niederlage
hätten anrichten können, statt dessen haben ihn aber die Stadt Putivl und
andere Städte freiwillig als ihren Caren anerkannt (ROToporo jiarBi vh ry nopy
Ue TORMO 6UTB, ajIC B KBBO B3ATL H EopBCOBU OTAaTB xaROe BejHROe BOUCRO HOPJO.
Ajie, 3HaTi, lUTO bt» tom'b m^jh «oiLry ott» BOUCRa xaR-B sejaRoro EopucoBoro,
HXCB Toro BaAi» HHBfB Bc dX^aJLU, mTO BAiJiaTB MorjH : iuie bm^cto roro, ropoAi»
u MiCTO Be.sBRoe IIyTUiU[& h BHiuie MHorie ropoAu h M^cxa caifa Ao6poBOJi>Bi
ero aa rocnoAapa npiuMOBajiH ; küjisu bocboau u abopabo Muorie ao aero npiis-
A3KaAH H Bipst CMy GiyauLiu). Nach der Aussage der Moskauer Bojaren hätte
der Patriarch von Moskau und die ganze H. Synode ihren besonderen Abge-
sandten Andrej Bunakov an die geistlichen Senatoren Polens geschickt und
sie gebeten, dem D. keinen Glauben zu schenken und den Frieden ja nicht
zu brechen ; der Bischof von Viljno hätte aber diesen Gesandten aufgehalten
und dem Patriarchen keine Antwort gegeben. Die polnischen Gesandten
haben im J. 160H darüber folgende Aufklärung gegeben: einige Wochen,
Wer war PBendodemetriaB I. ? 133
anerkannten und das Gerücht von ihm in dem Grenzgebiete verbreiteten.
Von Adam W. begab sich D. zum Fürsten Konstantin W. ; hierher kamen
nachdem der Gesandte Orsa erreicht hatte, ist Boris gestorben; bald darauf
haben alle Rassen den D. als ihren Garen anerkannt. Nichtsdestoweniger bat
der Bischof von Yiljno den Brief allen geistlichen Senatoren, die über ganz
Polen und Litauen zerstreut, mitgetheilt, den Abgesandten unterdessen auf
die Antwort zu warten aufgefordert. Als nun der Abgesandte erfahren hatte,
dass FD I. den Thron bestiegen, da hat er ihn selbst als seinen Garen aner-
kannt und hat es selbst ausgeschlagen, eine Antwort an den Patriarchen mit-
zunehmen; man hat ihn dann anständig über die Grenze expedirt (no npii-
xftHBiD Toro roHua EynaRosa ao OpmH, JiesBO koj^bko ne^iÄh cnycTEBmH, EopHca
PoAyHOBa H6 CTajio « . n roHem tot'l ycsumaBT» to, mTo toti» ^Murpi Ha rocno-
AapcTBo sc^i, caMi ero rocnoAapoM'L cboum'l npusHasajn h otb^ty ao naxpispza
caMT. 6paTa ne xot^'l; a oinynteH'L x OTnpoBaaces'B toxi roHeu'B Ha py6e;K'L
^ecTBo, 6631» saAepxaHiH). Nach Tula wären zum Caren Demetrius die drei
Brüder Yasilij, Dmitrij und Ivan Ivanovioi äiyskie, der Fürst Theodor Mstt-
siavskij, Fürst Vorotynskij und alle anderen Bojaren und hervorragenden
Männer freiwillig erschienen, keineswegs aber gebunden zugeführt. Im
Ganzen stand bei Tula ein Heer von über Hundert Tausend Mann Bussen,
ohne den Adel der Garensynklete mitzurechnen, die Polen wurden dagegen
nur nach Hunderten gerechnet. Weshalb hat also damals der Adel der Garen-
synklete den Demetrius nicht des Betruges überführt und ihn nicht hinge-
richtet? (A 6BLI0 TaM'L Bcero Boucxa Bamoro ÖojiBm'L cxa xbiCAqeu, onpHqe 6oap'L
xyMHUXX, KHHseH H KBO^sivh ; a Jiioffeu HapoAy Hamoro, jtx^a^H b'l xo h xjio-
nuThy HC 611LSO 6oihmi» xoxLRy coxi» : ^OHy aci bu b'l xy nopy, xo.slko 6t» ero
yaaasH 6bixL ho a^sMUWb j!(MHxpOM'L, sapas'L h6 oÖjh^hjh, hb 3LiMajiu h hc cna-
paxH?). Das Volk folgte eben dem Beispiele der Bojaren nach; als diese den
Demetrius I. aus Tula nach Moskau geführt, da wären die Massen mit Pfaffen
und der H. Synode unter Vortragung der H. Kreuze, mit Brod und Salz ihm
entgegengezogen (mxo iiipi» na saci 6oHpi 6oj[i>niHX'L cMoxpA, xoejicL A^Jcaj'B,
mio a BLi xks&ÄSL, x ero sa npaicoro rocnoAapx npxsHaBmx, bt» totl nacL tau ecxe
ero AO HocKBBi npxnpoBaAxxx, bcx cl nonaMx h co bchm'l ^hhomt» ayxobhlim'B co
xpecxaMX, crh iuii6owh x crh coxbh) cxp^Hajni, Micxo x 6paMLi oxoMRHyjnx x bch cl
paAocnx) .axo npBposKoxoro rocnoAapx CBoero npxHXJrx). Die Moskauer Bojaren
behaupteten, der Patriarch Hieb wäre nur deshalb abgesetzt, damit er den
Betrüger weder erkennen, noch überführen könnte. Wenn es wirklich aus
dem Grunde geschehen, weshalb haben denn die Bojaren nicht umgekehrt
den Patriarchen gegen den Betrüger unterstützen wollen ; statt dessen haben
sie den D. zur Krönung ermuntert (A ecjix xo xax'B 6bixK m^jio, mxoö'B ero totl
narpiapxs x xxmie 6oxpe öoxLmie o6xx^xxi Mijx : xe uosbojaxl ö&uo eny b^h-
mvrhca rocyAapcxxM'B BiHXOMi, mxo JiauHo 61» Morjix y^xHXxi». Ase Hx^oro xoro
ae (xaBixaxs öbulo, mxo6x Koxopbiu 3% sacB öojhuihx'B öoxpi ex xlimi naxpiap-
zoMi» npoxKBi» xoro xbho oaBaxLcx m^jh, x OBmcM'L rx xoMy ecxe ero boxx, nixcöi
XXX aa6op9%x Bia^axca). Niemand hat den D. daran verhindert, nach seiner
134 Eugen äoepkin,
zu ihm neue Fiflohtlinge aus den rassischen Orenzstädten and -bargen.
Sowohl D. selbst, als aach diese Ankömmlinge bezeagten, dass Boris
Matter zu schicken. Wenn sie ihn damals vor der KrOnung hingerichtet
hätten, Niemand würde es ihnen zum Vorwarf gemacht haben (axe ö'b sapasi
TO HaA'B WBWh BA&iaJUi, mro ecTe noTOMi y^hhhjkb ; a b'l xy nopy Morju 6% ecie
TO BXizaTL, H HHZTO 6l BSlfB 8a UO H6 nO^KTaJ'B, KOJKH eilld HO 6&UI BtE^aHl FO-
cyAapcRHM'L* BtauoMi). Die Absetzung des Patriarchen EUob fassten die Ge-
sandten aus dem J. 1608 als Rache des D. dafür aaf, dass er den Boris anter-
stützt hatte; ebenso wie auch Vasilij Sujskij den Griechen Ignatij gestürzt.
Nach der Ermordung des D. I. hätte Michail Tatisoev vor den Gesandten and
den Bojaren den Theodor Romanov als den designirten Patriarchen bezeich-
net, welcher damals nach Uglio geschickt wurde, um die Reliquien des H. De-
metrii zu enthüllen. Einige Wochen später hat man statt dessen den Hermo-
genes zum Patriarchen ernannt (üotomi aa HuaimHero rocnoffap«, Tpeaa Toro
CKHHyro, a nocaaceHO Ha naxpijipzoBCTBi BeoAopa MHRiiTH^a, hko o towb (Soicpe
ffyMHiie no oho& CHyri b'l otb£thoh noJiaTt naM'B uocjiom'l caMH CKasbisaXH, Me-
Hym^H, mTO no MomH /(mhtpobu xo Yrjceqa nocjiaHO naxpiapza BeoAopa Mikh-
TH^a; aroBopaz'L iMd cjoBa MazaKJio TaxamoBi npu bchx'l 6oapazx. noTO»
BT» ROjaKO HOAtjKB H TOFO CKXHyjiH, y^HHEjoi ecTO TepHoreHa naxplEpzoM'L. n TaiTB
TenepB xhbux'b naTpiiipzoB'B na MocRBi ^orupen Maere). Die Moskauer Re-
gierung hat den Polen zum Vorwurf gemacht, dass König Sigismand DI. mit
seiner Familie und die Herren Senatoren durch ihre Anwesenheit die Ver-
lobung der Marina Mniszech zu Krakau anerkannt hätten. Die polnischen
Gesandten aus dem J. 1608 erwiderten darauf, dass der Abgesandte Athanasij
Vlasjev im Namen des Garen D. und seiner Mutter, der Carin Marija, den
König um Erlaubniss angegangen hätte, die Marina an den Garen zu verloben ;
Vlasjev hätte dabei hinzugefügt, dass der Patriarch, die ganze H. Synode,
die ganze Garensynklete und ganz Russland es wüssten und sich darüber
freuten, dass er sich die Frau aus Polen nähme ; sie beteten zu Gott, dass er
ewigen Frieden sende, um zusammen gegen die Heiden aufzutreten (a npa-
TOM'B CRa8bIBaJ!['L HaHOlfB CeHaTOpOMl, HJRX naTplapZl, MHTponOJMTBZ, BJiaAUKa H
B6CB AyzoBHuu ^UEX, TaKXo öoüpe, RHABH, OROJiBHmie, ABopAHe K Bca seifxa Bi-
AaK)rB, H paAu TOMy, u Bora npocarB, mTo6i»i rocnoAap'B wrb osReiULica B'b
HOdiBint, u niTOÖi AajfB Eon b^vhbiu mhp'l h ctoütb 6i>i sa-OAHo npoTiBi no*
raHi). Die polnischen Gesandten behaupteten, dass die Bojaren keinen ein-
zigen Brief des Königs Sigismund III. an Demetrius aufzuweisen hätten,
welchen S. Majestät vor der Thronbesteigung des Garen D. geschrieben (To
nOAJUTHHO B^AaeM-B H TBepAUM-B, HSRI HHJiROrO JHCTy OTh ROpOAA CFO MKAOCTH
rocnoAapH samoro ao tofo j!(MHTpa, noRaM^CTa oh'b orL BaCB aa rocnoAapcxBO
npluMOBaHi He öbuitb, ne noaaxceTo). Im Allgemeinen waren die Gesandten der
Meinung, dass derVerrath, den der russische Adel an den Godunovy aus-*
geübt, ganz freiwillig gewesen wäre. Niemanden von ihnen hätte das russische
Heer nach Putivl zum PD. I. gegen seinen Willen gebunden zugeführt. Zu-
erst hätte ihn aus freien Stücken Fürst Ivan Golicyn zugleicn mit anderen
Wer war Paeudodemetriiu I.? 135
dem OareviS nach dem Leben getrachtet, sein Lehrer aber ihn vor diesen
Naehstellongen bewahrt habe, so dass die Mörder einen Anderen statt
seiner umgebracht. Auf den Rath seiner Better h&tte CareviS in der
Tracht eines Mönches nnter einem fremden Namen ein Wanderleben ge-
ftthrt und Hber die polnische Grenze flflchten müssen. Die Russen hfttten
diese Erzählung später selbst dadurch bestätigt, dass sie den FD nach
Moskau geführt. Die Polen hätten ihn aber weder zu sich berufen, noch
seine Echtheit erweisen können, weil sie ihn als einen Fremdling, als
einen Moskowiten überhaupt nirgends früher gekannt hätten. In Polen
hätte der FD in griechischen Klöstern und beim orthodoxen Adam W.
geweilt ; als Car hätte er, wie es ganz Moskau bekannt wäre, seinen
ursprünglichen orthodoxen Glauben immer bekannt. Den griechischen
Geistlichen und einigen weltlichen Herren in Polen selbst müsse es gut
bekannt sein, dass er nach Eiev, nämlich nach dem Höhlenklosser im
J. 7109 aus dem Reiche Moskau gekommen wäre, wie es auch die
rassischen Flüchtlinge behauptet hätten. Als Wiszn. und Mnisz. mit
dem D. nach Erakau gekommen wären, da hätte der GareviS selbst und
seine Moskowiten abermals ihn für den echten Sohn des Caren Johann
des Schrecklichen ausgerufen. Es wären zu derselben Zeit in Erakau
Edelleuten anerkannt; es wären mit ihm gegen Tausend Mann in Putivl er-
schienen und hätten ihn im Namen des ganzen Heeres aufgefordert, nach
Moskau zur Erönungsfeier zu eilen (prosz^c iebj na koronowanie tyar^ hos-
podarsk^ do Moskwy pospieszyl). Später auf dem Marsche hätten sich an
den PD. I. Michail Saltykov, Piotr Basmanov, Fürst Yasilij Golicyn, endlich
auch das ganze russische Heer ganz freiwillig angeschlossen. Nur den Ivan
GodunoY, welcher dabei ein Mörder, nicht besser als Boris selbst ausgeschol-
ten wurde, hätte man als einen Gefangenen ausgeliefert. Das gemeine Volk
in den Burgen (^opHue MyauiRH) würde auch Niemanden von den Bojaren bin-
den und an den D. senden können. Denn das gemeine Volk hätte es unter
Boris besser, als unter den früheren Caren gehabt, und wäre ihm gewogen
gewesen (hpamilkh) ; in den Grenzburgen und -landschaften bedauerten Viele
den Boris noch gegenwärtig. Schwer war es unter Boris zu leben nur für die
Bojaren und den Eleinadel; deshalb hätten sie weder ihm, noch seiner Fa-
milie treu bleiben wollen. Es that also Niemandem noth, sie zu binden ; mit
Freuden also hätten sie sich selbst sammt den Burgen dem D. ergeben (» y
pospolstwo na zamkach nikogo z bojaröw wi%za<5 y do Dymitra odsylad nie
mogli : bo pospolstwu za Borysa, nÜ za pierwszych hospodaröw lepiey byto,
y oni iemu przychylni byli ; a inszych wiele w pogranioznych wielu zamkach
y wtosciach y teraz Borysa ialui^. A ci^f ko hjlo za Borysa bojarom, szla-
cheie . . y nie potrzeba ich byio nikomu wi%zac, y sami radzi Dymitru z zam-
kami si^ pokionilia Suppl. ad Hist. Russ. Monum., S. 425).
136 Eugen äcepkin,
noch einige Bojarensöhne, nämlich Ivan Porosin mit Gefährten, darauf
die Abgesandten der Donkosaken Andrej Eorelo und Michajio Mie^akov
mit Kameraden vor dem D. erschienen; unter den letzten sollte sich
einer befunden haben, welcher den D. noch als Kind gekannt hatte.
Als Alle diese Mosko^iten sich die Merkmale am Körper des D. ange-
schaut hätten, da wären sie vor ihm auf die Knie gefallen und hätten
ihn als ihren angeborenen Caren begrüsst. Infolge aller dieser Zeug-
nisse insgesammt, nicht aber (wie man es in Moskau behauptete) nur
auf Grund der Aussagen des Piotrowski, der zwei Mönche und des Die-
ners des Mniszech, hätten die Polen sich entschlossen, dem FD Glauben
zu schenken. Man hätte auch gehört, als ob die Mönche und andere
Moskowiten nach Kiev gekommen wären und dort bestätigt hätten, dass
der Mann wirklich der Fürst D., nicht aber der Otrepjev wäre. In
Putivl hätten später die Moskowiten, keineswegs aber die Polen, einen
gewissen Hriska Otrepjev gefunden und ihn Allen vorgezeigt ; diesen
Otrepjev hätte man nicht aus Polen, sondern auch aus Moskau herbei-
geschafft. Nach Moskau gekommen, hätte sich D. mit der Krönung gar
nicht gesputet, sondern zuerst den Fürsten Michail Skopin-onjskij nach
seiner vermeintlichen Mutter Maria (Martha) geschickt, um sie nach
Moskau einzuladen. Zu der Zeit hätte Niemand aus den Bojaren den
Betrüger in dem Caren erkannt, Niemand ihn daran gehindert, seine
Mutter kommen zu lassen. Wenn die Mutter ihn hätte verleugnen
können, so würde er nach ihr nicht gesandt haben, umsomehr, da sie
sich damals in einem entlegenen Kloster befunden hätte i). In diesen
Zeugnissen der polnischen Abgesandten können wir die ganze Recht-
fertigung des Benehmens des Königs Sigismund, des Vojevoden Mni-
szech, des Starosta Ratomski nur als einen im Interesse der Zeugen
gelegenen rein subjectiven Versuch aussondern, ihre Parteigenossen von
jedem Verdachte des vorsätzlichen Betruges zu reinigen.
Daneben bleiben aber ihre rein objectiven Aussagen als eine wich-
tige historische Quelle unerschüttert, nämlich die Nachrichten über die
Nationalität und die Religion des FD, über das Jahr und den Ort seiner
Ankunft ia Polen, über seine damalige Tracht und gesellschaftliche
Stellung. Nach ihrer Auffassung war er ein orthodoxer Moskowit, der
nur der Tracht nach für einen Basilianer gelten konnte, und wäre im
1) Es ist wohl das Kloster des H. Nikolaj in Vyksino gemeint (Gouv.
Novgorod, Bezirk Cerepovec).
Wer war PBendodemetrius I. ? 137
J. September 1600 bis Sept. 1601 nach dem Höhlenkloster in Kiev aus
dem Reiche Moskau gekommen.
Für einen Grosarnssen mnssten ihn wohl anch die Bojaren gehalten
haben, wenn sie seine Identit&t mit dem Griska Otrepjev aufrecht zu
halten wagten. Auf demselben Standpunkte steht auch Margeret, wel-
cher den Garen D. selbst hat sprechen gehört und wohl die Gelegenheit
gehabt, die Wirkung seiner Aussprache auf die zuhörenden Grossrussen
zu beobachten, vielleicht sogar mit ihnen zu besprechen. Nach Margeret
hfttte D. ein gutes Russisch gesprochen, correcte russische Briefe dictirt;
nur hätte er die Sitte gehabt, seine Rede bisweilen mit polnischen Sätzen
anszuschmficken. Wenn man auch wirklich bei ihm gewisse Mängel in
der Aussprache einzelner Worte hätte treffen können, so würde man
es, nach Margeret, durch seine langjährige Abwesenheit erklären dürfen.
Margeret widerlegt damit die Anschauung, als ob D. ein Pole oder ein
Transsylvanier oder sonst ein Fremdling gewesen wäre, von Kindheit
an vorsätzlich zu einem Prätendenten auferzogen. Es scheint, als ob
die Vertreter dieser Anschauungen gewisse Sonderbarkeiten in der Aus-
sprache des FD aufzuzählen verstanden hätten (quelque deffant k la
prononciation de quelque parole) . In diesem Falle könnte man sie nicht
nur durch, den langjährigen Aufenthalt in Polen, sondern auch durch
rein subjective Fehler — z. B. ein Lispeln, ein Schnarren u. dgl., oder
sogar durch Eigenthümlichkeiten irgend einer Mundart, z. B. die mund-
artliche Aussprache des Gouvernements Eostroma, erklären. Leider
darf man dabei nicht vergessen, dass weder Margeret, noch seine Gegner
(wie es scheint Ausländer, wie Margeret selbst) für fähig gelten können,
ohne fremde Hilfe die grossrussische Rede von der weissrussischen zu
unterscheiden. Aus Weissrussland führte den FD auch Bussow her.
ni.
Wir kennen die Meinungen der Senatoren über Polens Verhältniss
zu Bnssiand und die Persönlichkeit des Demetrius, wie sie beim Beginne
seines Unternehmens auf dem Reichstage des J. 1605 lauteten. Im
höchsten Grade lehrreich und sehr erspriesslich für unsere Untersuchung
sind die Veränderungen, welche in den Anschauungen der polnischen
Gesellschaft nach und nach eingetreten sind, als nämlich Demetrius den
Thron bestiegen hatte, als er gefallen und äujskij ihm in der Regierung
gefolgt war, als endlich auch änjskij abgesetzt und nach Polen in die
Gefangenschaft weggeführt wurde. Diese Veränderungen können wir
138 Eugen äcepkiD,
in den Reichstagsrecessen des Stadtarchivs zu Danzig fOr die Jahre
1606, 1609, 1611 verfolgen»).
Fflr das Jahr 1606 wählen wir das Votum des Bischofs von Wenden
Otto Schengingk vom 10. März:
»Was anlanget denMuscowietter, musz ich mein votum, so ich form iahr
gehalten, enderen, den ich sehe ds Gott wunderlich den Herren auf seinen
Btuel gesetzet, derhalben vermeine ich das vns der Herr, der all ds seinige
1) Im J. 1606 brach die Empörung des missvergnUgten Adels gegen den
Kdnig Sigismund III. los, welche unter dem Namen des Rokosz Zehrzydow-
skiego bekannt ist. Mikolaj Z., der Vojevoda von Krakau, und Fürst Janusz
Radziwill, der Mundschenk (Podczaszy) von Litauen, waren die Hauptanstifter
der Empörung, welche bei den Zusammenkünften (Zjazdy) der Missvergnügten
zu St^l^yca (im April 1606), bei Lublin (im Juni) und bei Sandomir (im August)
eine feste Organisation erhielt ; es schloss sich ihr auch Stanislaw Stadnickl,
Herr zu LaÄcuta, an. In den Universalen, welche der König vor dem Reichs-
tage des J. 1607, an die Versammlungen der Provinzialstände aussandte, ver>
theidigte er sich gegen die Beschuldigungen der Rokoszanie und rechtfertigte
unter anderem seine Politik in der Demetriifrage (Niemcewicz, Dz. Pan.
Zygm. in, t. II : »Prywatni ludzie rozpocz^li zatargi z Moskw^, nikt iednak
Dmltra nieaznai:, pöki go oni sami Synem Hospodaröw swoich nie oglosili, i
sami po niego do nas nie wyslali poselstwa«). Das Heer der Rebellen unter-
lag in der Schlacht bei Wola Guzowska der vereinigten Kriegskunst der bei-
den Hetmany ^ölkiewski und Ghodkiewicz (6. Juli 1607). Unter den Abge-
sandten der Rebellen wird auch Hawreio Hojski genannt Die Verschwörer
haben sogar 'gewisse Beziehungen zu Gabriel Batori angeknüpft. Nun hat
Prof. Ikonnikov in seinem Aufsatze »Pseudodemetrius und Sigismund UI.«
sehr ausführlich die Anschauung begründet, dass Gar D. I. mit dem Gedanken
umging, den König Sigismund III. des Thrones zu berauben und beide Kronen
auf seinem Haupte zu vereinigen ; in dieser Absicht unterhielt er geheime
Beziehungen mit vielen polnischen Edelleuten. Mniszech wurde später be-
schuldigt, an diesem Spiele theilgenommen zu haben. Auch die Freundschaft
mit seinem Anverwandten StaniBl:aw Stadnicki wurde dem Vojevoden von
Sandomir zum Vorwurfe gemacht Bereits Kostomarov hat die Vertheidi-
gungsrede des Mniszech unter den Handschriften der Bibliothek Krasi^ski
gesehen. Aus einem Briefe des Secretärs Jan Buczinski aus Polen an den
Garen D.I. ersieht man in der That, dass er gewisse geheime Angelegenheiten
dort zu besorgen hatte (Co6p. Fp. h Aor., x.II, Januar 1606 : »bo o nym lyscie,
CO przes Romyke pysalem do W.G.M., na ktorem byl napys taiemny lyst, sam
wiedzielio). Andererseits erhellt es aus demselben Briefe, dass damals auch
gegen den Garen D. selbst eine Verschwörung in Moskau bereits im Gange
war (Kiedy Borsza przyechal, powiedal mi, co Hrypunow mowyl z niem jadac
do Smolenska, ze to iusz tego doszly pewnie w Moskwie, nie lest wlasny Gar
y uyzrysz, co sie bedzie dzialo w Moskwie niedlugo z niem).
Wer war Pseadodemetrias I. ? 139
▼on I. E. M. vnd diese Gron empfangen, ynser expectation nicht gnug thut,
weil er za dieser Zeitt, da er I. E. M. retten solte, mit Gelt and andern sich
bemühet vmb den Titnl des Eaisers vnd wil itzo im bedrengnusz der Cronen
erzwingen. Mein raht wehre ihn den Mnscouiter za mittlren an den Eaiser
od. Babst ymb sich daselbst vmb den Titnl zu bewerben, welche dan pflegn
solche Titnl zu vergeben, wie dan auch der Eaiser dem Eonig in Polen Selb-
sten denselben gegeben hatt; als dan mag er sich zu uns wenden vnd mit vns
weitter davon rathschlagen. Itzo solte er vns billich mit gelt helffen, dan er
einen grossen schätz bekommen, so der Gdonf (Godunov) vor ihm zuesamen
gelesen vnd sollen L E. M. bey ihm anhalten, ds er I. E. H. volck durch sein
landt zifaen laszen in finlandt, den also muszen des feindes vires getrennet
werden, Daran ist (Lottes ehre vnd I. E. M. existimation gelegen.«
Entscheidend für das Verhältniss zwischen Rassland und Polen
waren die Verhandlungen auf dem Reichstage im J. 1609. In der kgl.
Instruction fflr den Reichstag hiess es unter dem Titel » Moskau a :
»Das nach der ordnungk auch der Zerrüttung mitt den andern benach-
barten mention geschehen möge. Den nachdem der vorige Gzar Dimetrius
erschlagn vndt nebenst ihme vnserer leute, die sich dahin hatten begeben
eines teils grausamlich vndt heidnischer weise ermordet, andere mitt schwere
gefengknusz geplag^tt, nachdem die Gesanten I. E. M. so lang aufgehaltn ge-
wesen, ist es endtlich durch tractaten dahin gebracht, ds dieselben Ihrer E.M.
gesandten mitt iezigem Gzar Iwan Wassilowicz (?) Suisky einen stillestandt
auf vier Jahr gemacbtt, Vnter andern Gonditionen ist diese die vomembste
gewesen, das der Moszcowiterscher Gzar alle vnsre daselbst angehalte leute
auf die Littawsche grentz kegenst den 8. Octobris stellen soll vnd all ds
Volck, so bey dem newen Gzar sich auffheltt, I.E.M. von dannen abfordern
soll. Dieser Gondition hatte Szuisky zuuoUenziehn angefangn, Den so baldt
dieser stillstandt geschloszen, hat er all die ienign die vnsern, die in der
Moszkaw gewesen, nebenst denn Gresanten vndt hn Sendomirschn Woywoden
guttwilligk von sich gelaszn vnd die andern, die auf vnterschiedlichn schlo-
flzem vnd orttrn sizen, abzuholen vndt auf der krohnen grentzen, wie obge-
meldet, zu liefern vorsprechn. Aber in diesem vnserer gesanten vndt H. Sen-
domirschn Woywoden zurückezuge sein newe schwerigkeitten eingefallen,
den vnser volck, welches vnterm nahmen des Dimetry vnter der Moszkaw zu
felde ezlich tausent mann starck lieget, hat dem H. Malogosky den wegk vor-
rennett, den vornembsten gesanten vndt H. Sendomirschen Woywoden ange-
halten vndt sie sambtlich von newen zu ihrem lager gefUhrett, wordurch
diese vorgleichungk, so I.E.M. gesantter mitt dem Szuisky gemachtt, ist auf-
gehoben, vnd vnser leute vnter welchem viel vornehmer vom Adell die
Szuisky zu folge der abredungk noch nicht hatte auf die grenze geliefertt,
von newen in gefengknusz gehalten, vndt noch wol in ihres leibes gefahr ge-
raten werden. Daselb nun E.L. selbst richten können, welcher sicherheitt
vnd welcher freundschafft wir vns daraus zuuermutten haben. Gott woU vns
nur bewahren ds ds angezündete feur nicht möge an die wende vnserer be-
nachbarten, alsz vn (von) vnser eigen geschlechtte, gelangn. Weszen wir
140 Eugen äoopkin,
YDs ie lenger ielie mehr durch d vnsrign (?) ihren einzugk, der tod tage
zu tage zunimbt, zubefürchten haben. AUz ist vonnöten ohne vorschlepp
dauon zu rathschlagen, wie demselben vnheill, welches vns von der Seiten
begegnen moechte, vorzukommen yndt wie Respub. zur ruhe zubringn.«
Am 17. Januar gibt sein Votum Aber diese kgl. Propositio der Erz-
bischof von Gnesen :
»Die Hoszkau hatt vns groszen wiederwilln vnd vnglUck veruhrsachett,
daher wier schand vnd schmach erlitten. Die vnserigen sein daselbest so iem-
merlich crmordett, gefenglich gehalten vnd noch nichtt aller frey gelaszn.
Gelegenheitt giebett sich zwar herfuhr, die nichtt geringe ist, wieder solchen
' meineidigen feindt gewaltt zu brauchn vnd solch schmach zu rechnen (rächen?).
Dae noch Stephanus Sehl. gedechttnus gar sehr getrachtett, das er Yhrsach
solches landt zu uerhOhnen vnd verterben gehabett hotte. Aber es seindtt
andere beschwehr wiederumb hergegen zubedencken. Es mangeltt vns an
Nemo belli, welchen man nach langheitt der Zeitt, da es sich wolle auszhal-
ten laszen, zuwege bringen mttsze.«
dD. 20. January hatt der Ciofische Woywode Solkiwskj (i^kiewski) in
seinem Voto . . auff die Proposition ihrer May^^ gestimmett also, das man ins
gemeine pflegett zu sagen, das von den Pohlen die Moszcouiter geschlagen
werden, die Moszcouiter schlagen hiergegen die Tatteren vnd die Tattern
schlagen wiederumb die Pohlen, welches er den ef plis illustriret hatt, für-
gebende, das der Tater die Statt Moszcau zwar einmall eingenommen, doch
wiederumb abziehen muszen. Der Tater aber habe wieder die Pohlen allezeitt
den Siegk behaltten. Die Pohlen sein allezeitt der Moszkowiter mechtigk
worden, Die Vhrsache deszen, warumb die Pohlen wieder die Moszkowiter
den Sieg behalten, ist diese, weill sich dazumall die Pohlen auffs allerbeste
gefast machen vnd mitt einem groszen herzuge die Moszkowiter angriffen.
Dasz aber dakegen wieder den Tatter nichts zuerhaltn geweszn, ist niegoto-
yvok6 na^sa, weil wier vns nie wiedr den Tatter recbtt gefast gemacbtt haben.
Zu dehme veruhrsachett auch solches die Constitution al 9f , welche dem
obersten bindett vnd obligiret, dasz ds Eriegesvolck nirgentts, alsz in ihren
gewOnlichen lagern sol gehalten werdn, welches er trefflichen improbiret
hatt, vnd darzue gerahtten, dasz man dasz Eriegesvolck daselbest haltten
soltte, ubi e ingruens pfculum, nemblichen kegen den dreien Paszen, da die
Tatteren pflegn durchzuzihen.«
»Der Herr Malogosky^) hatt anfenglichen viell discuriret, was von d
Eon. May^t bei Zeitten des Rockosch in der Moszkau auszgesprengett wor-
den, welcher maszen sich der Czar darmitt gekizeltt vnd was sie vor Carceres
haben erleiden muszen vnd wie sie endlichen auff ignominiose pacta mitt ge-
waltt sindt gezwungn worden vnd sich des gefengnus befreiett. Den Zueg in
die Moskau betreffendt vernehme er dasz ezliche demselben zuwieder sein.
1. Das sie nichtt gerne Uhrsach gebn weiten Christen *bluett zuuerguiszen.
1) Nikolaj Oleinicki. Eastellan Malogoski, einer von den Gesandten aus
den JJ. 1606^8.
Wer war PseadodemetrinB I.? 141
2. Das exitos belli non Bit in nf a potestate. Er aber ratett mitt guettem ge-
wiszen, das man den kriegk in die Moszkan nichtt ynterlaszen soll, weil die
Moskawiter nnr titalo tenus ohristen waren, von Qott ynd traditionibns sacris
nichtts wüsten, Die bilder verachteten, den Heil. Ehestand tt ex leuissima
causa trennetten, die eyde nichtt hielte, inmaszen diese Crohn zum offteren
dieses. I. May^^ habe kaum mit dem Boris Fiedrowitz inducias auff 20. Jahren
gemachtt, denselben habe Boris stracks hernach zuewieder gelebett, indeme
er den Alexander Caminsky sambtt dem ganzen Houe verbrantt. Femer hatt
I. kon. May^t dem H. Sedomirischen Woywoden nachgegeben aby pewn^
przyiazn wzi^l z Dimetrem. Der Demetrius hatt auch des H. Sedomirischen
woywodens Tochter mitt verwilligung der Moszkowiter selfoest zur ehe ge-
nommen, alsz sie aber die Pohlen hinneingelockett, haben sie dieselben
nebenst dem Demetrio iämmerlichen ermordett, Haab vnd gaett geraubett
vnd da Saisky von vns gefragett, warumb er also wieder vns verfaren, vnd
den Demetrinm, hatt er geandwortt: auff dasz wier ihn ihr euren äugen
mOchtten erschlagen, vnd das ihr vnsz denselben ins Landt gebrachtt vnd da-
kegen alle vnszere scheze in Pohlen verfuerett. Es laszen sich etliche ver-
lautten, alsz wen solches vor eine priuatam iniuriam zuehaltten, welche die
Crohn nichtt schuldigk zue vindicieren. Er aber hieltte es darfur, das es ein
ininria publica sei, weill er ihn alsz einen Legatum principis, der seines Kö-
niges vnd Herren Persohn repsentierett, hatt incar(c)eriret, vornehme leutte,
so pace publica assecuriret geweszen, erschlagenn vnd auff den gaszen, wie
die Hunde, schleppen laszen. Da nu solche gewaltt die Crohn Pohlen vber
.sich solte ergehen laszen, wurden andere nationes ihrer spotten. Die andere
Motiva belangntt, Sei er dero zuuersichtt zue Gott, dasz Gott zue dieser ex-
pedition werde gluck geben, Dan weill privat Persohnen soviell verrichtett,
das sie fast die ganze Moszkoue einbekommen haben, wasz wurde geschehen,
wan authoritate publica Comitiorum I. May^^ selbest mitt groszer macht hin-
nein ziehen solte. Der feindt ist auch intemis Dissitijs auszgezehrett, viel
volcks verlohren, das landt verhoerett, vnd desto leichtter einzuebekommen,
Vnd seindt ihrer viel im Lande so es I. Kon. May^^ gönnen, wiedz^y poboi-
noi6 y m^stwo W. K. M. Sehe auch nichtt ab, wie das Landtt anders alsz
durch I. Könl. May^^ könne zum friedstandtt gebrachtt werden, jedoch, es ist
hoch nöttigk, das ie ehr ie beszer der Auffzug geschehe. Hiedurch vnirde
nichtt alleine eine grosze accession zur Cron Pohlen zuegetheilett. Sonderen
auch ihr nähme vnd existimation bei iederman — inglich grosz sein vnd end-
liehen wurde man durch dasz mitteil Schweden vnd Liefflandtt leichtt erobe-
renn vnd behalten, Mitt einem Pobur aber ist der Sachen nichtt geholffen,
laszet es vns aber einmall rechtt angreiffenn vnd hernach des lieben friedens
geoiszen, womitt auch derTurcke vudTatter deromaszen wurde geschreckett
werdn, das sie sich nichtt leichtt an die Crohn Pohlen reiben wurden.
Den 21. Januar spricht der Grosskanzler von Litauen:
»Von der Moszkau kuntte er so nichtt reden, wie andere gethan» Dan er
sehe das Grott sonderliche Mittell iezo verliehen, so ein stattliches landt die-
ser Crohnen zuezuebringen, Man furchte sich das viell dazue gehoere, Lieber
1 42 Eugen ScepkiD,
Oott I Bolte man so einen groszen nutz lue schaffen ein oder 2. Pobnr nichtt
geben wollen, welche viel dappell wieder ergänzett könten werden. Man hatt
sich nichtt zaebesorgen, das viel dazue gehöre, Sie ist schon vnser vnd
darffen sie nur einnehmen. Der Susky, der hatt iezo nichtt mehr den die
Stelle Moszkan, Smolentzko vnd gros Nouigrodt, wie ihme neulich daher ge-
schrieben wirtt. Also würde es leichtlich eröbertt sein, auch geschrei allein,
wen sie hören wurden, das wier im anzuge. Den dieser Susky weis woll, das
er nichtt darzu gehörett, vielweniger der iezige Demetrius vnd ds wir Bechtt
dazue haben ynd vnsz billich dahin aufmachen sollen, ist daraus genueg ab-
zunehmen. Hatt der Boris nichtt furerst den frieden mitt vnsz gebrochen, da-
durch dasz er dem Carolo hulff gethan vnd ihn mitt allerhandt munition ge-
schenckett, dadurch er den frieden vnd pacta gebrochen, Der vorige Deme-
trius, hatt der auch nichtt albereitt darnach getrachtett, wie er diese krön sich
vnderthan machte, Hatt er Euer May^^ allerhandt despect zugefugett, indeme
er ihn nichtt einen Königk, sondern den Polnischen Sigmundt genennett?
Susky hatt auch mitt vnsz keine pacta nichtt, den obgleich das Pacta zu
nennen, welche er mitt den H. königlichen gesandten H. Malagusky troffen,
welche doch ihnen auffgezwungenn vnd gedrungen, So hatt er sich doch
selber nichtt gehalten. Den er zugesagett, den 7. September den rest der ge-
fangenen loszzugeben, Nu sein schon so viel! Monatt vorüber vnndt stellett
sich keiner nicht ein, derer noch woll bis 700 darinnen gehaltn werden. Ynd
wasz ist gröszre Uhrsach sich an solche perfide hoste zu rechen, den ds er
£. Kön. May^^ gesandten in gefengnus gehalten, so viell vornehmer Adell bei
den Nationen so jemmerlich vnd verrachtelich ermorde tt vnd gethötett, das
auch in Historien nichtt zu finden, dasz iemalsz für irkeinem (irgend einem)
feinde so viell adeliches bluttes auff einmall vergoszen worden vnd König
Augnstus hatt mitt den Preuszen vnd Liefflendem einen Krieg angefangen
derhalben allein, ds sie einen von Adell seinen gesandten gethöttett Hier
sein so uiell vnd heuffigk vmbs leben brachtt worden, mitt groszem Schimpff
vnd spott vnser weittberumbter nation. Es hatt der Susky zuegesagett allen
schaden zuerstatten, d den vnserigen wiederfaren, welcher sich auff viell
Million beleufftt, aber hett nichtt den geringsten heller bezalett vnd ist noch
einem Jubilierer Nathan von Augsburg genandtt bei Hundert vnd vierzigh
tausendtt gülden schnldigh blieben. Weil wier das jus vnd possibilitatem
solches landtt mitt kriege anzugreiffh vnd zueröbem für vnsz haben, sollen
wier vns billich dazufinden vnndt I. Mät. mitt gutt, leib vnd biuett dazu be-
hulfflich sein, wie er dan solches für seine Persohn rahtett, wunschett vnd
bittett sich angelegen sein zulaszen i).«
1) Eine vorsichtigere Ansicht hat König Sigismund während der Audienz
am 25. Februar aus gut unterrichteten Kreisen gehört: »Eodem die sindt auch
etzliche boten des polnischn kriegsuolcks, so in der Moszkaw ist, priuatim in
königes Pokoy verhörett worden, welche Ihr M^^ erzehlett, wie es sich mitt
dem MoszkauBchn wesen vorhalte, was die Polen darinn für gelttck haben,
vndt wie weit sie den letzign Dimetrium bereitt gebrachtt. Zum andm
haben sie Ihr M^^ gebeten, sie sich nicht vnderstehn wolle mit einer krieges-
Wer war PBeudodemetriofi I. ? 143
Das Untemehmeii gegen Moskan blieb anch auf dem Reichstage
des J. 1611 die wichtigste Frage:
»Den 1. Octobris haben die h. h. Senatores auff angedeutete proposition
zu votiren angefangn ynd am 5. Octobris geendett. In gemein wardt dahin
gestimmet, dasz die Moskavitische expedition solte continuiret werden.
Durch wasz(er)ley mittel aber solche fortzusetzen sey, wurden vnterschied-
liche bedencken beigebracht. Theils habn gerahtn ad tractatus, theüs ad
Arma, theils ad utrumque, also das man die sebel in der handt haltn vnd zue-
gleich tractiren solte. Jedes theil hatt wichtige rationes angezogen, aber die
tractatus allein zuuersuchen, hatt ettwas mehrs bedencken gemacht pp lubri-
cam fidem et perversitatem gentis Moscouiticae, wie auch darumb, das man
nicht absehen kau, mit weme die tractatus anzustellen, ob mit den Bojaren,
die in der Haubtstadt Moskow den Ynserign beypflichten? Dieselben wer-
den ohn zweiffei Kon. M^ Willen vnd meinung gerne annehmen, sintemahll
sie selbst ihre Eon. M^ vociret vnd zur besitzung des fürstlichen Stuels be-
mffh. Ob mit dem Zarutzkj ? Furwar esz wurde cum indignitate R. litis die
handelung geschehen, sintemahl dieser Verrähter nicht werdt ist, das man
von wegen Kon. M^ mit ihme ad tractatus sich einlasze. Ob mit denen, so
dem Zarnczki anhangn? Dieselbn sint schon zerstrewet vnd schuldig con-
ditiones anzunehmen, nicht vorzuschlagen. Ausz gemelten Vrsachen hengett
dieser punct wegn der Tractaten noch in deliberation bisz zur ankunft des
H. Felthaubtmans Zölkiewskj, welcher deszfals beszere Nachrichtung werde
zn gebn wiszen. Alsz die Ordnung in Votando an den H. Sendomirischen
Woywoden kommen, hatt derselbe ante omnia wieder die jenign, so hin vnd
wieder ihn vbel angegeben, sich zu rechtfertign angefangen; insonderheitt
aber beygebraoht, das er weder mit dem Bathori, weder mit dem andern
felsehlich also sich nennende Demetrio, noch dem Stadnitzken ^) jrkeine
practiken gehabt, bittende, wo jemands ettwas in contrarium auff Ihn wiszend,
derselbe, wo er anders einer Ehrlichen adelichen gemuhtes, esz in facie Rei-
pub. vorbringen vnd beweisen wolte, würde er aber solches nicht beweisen,
die geburliche strafe tragn solte. Herr Calischer Castellan ^ ... zu seines
Yeti ende angehengkt hatt, dasz er zwar auff den Sendomirschen Woywoden'
ettwasz wisze, aber er wolle solches priuatim Kon. M^* vnd den H. H. Sena-
toribns offenbaren. Worauff der Sendomirische Woywoda den Callisoher
machtt in die Moszkaw zuziehn, angemerckett sie dadurch mehr schaden
alaz frommen würde, den solte Dir M*^ mit groszem Volcke kommen, würden
die Moscowiter, so in den Polen anhangn, in die gedancken gerathen, alsz
wen sie ganz beweltigen vndt sie vmb ihre kirchn vndt religion gedacht zu-
bringn, dannenhero sie orsach nehmen konten, von den Polen abzutreten
vndt dem Suisky anzuhangn, dadurch die Moscowitersche Expedition fiel ge-
fehriicher werden könte, den sie iemahls gewesen.«
1) Stanislaw Stadnicki z Lancuta.
*) Adam Stadnicki, Kasztelan Kaliski.
144 Eugen Soepkin,
Castellan bey hogsten ehren vermahnet hatt, dasz er alles, so ihm bewost
publice ynd nicht privatim vortragen vnd beweisen solte, bittende solches
ihm kon. M^^ auferlegen wolte; hinwiedemmb herr Calischer Gastella geant-
wortet mit folgenden Worten: Co kolwiek P. Woiewoda S^domirskij moui},
wszistko N. M, nie prawda. Diese Wordt habn ein grosz getummel vnd ge-
murmel erregt, alsz dasz die H. H. Marschalcke mit dem stabe wie gewOnlich
Silentium öfters gebothen vnd nicht balde die a(d?) stauten stillen haben
können. Alsz aber der Sendomirlsche Woywoda femer angehalten vnd ge-
beten, dem h. Galischer Gastellan zu aufferlegen, publice dasz jenige, so er
publice gered, auszfuhrlich zu machen, seint die h. h. Senatoren zu ihrer M^
getreten vnd nach gehaltener Vnterredung hatt der h. Gronen Marschalck
neben Eon. M^ stehend offendtlich auszgespröchen, wie Kofi. M^^ vnd die
h. h. Senatoren sehr versehret seyen vnd können weder mit einem theil, dasz
extra propositionem comitialem geschrittn vnd solche dinge beygebracht,
die an einen andern ort vnd stelle gehöreten, zufriedn sein, noch dem theil es
zu gutte halten, so mit harten Worten ds gegenpart angegriffen vnd ihrer
M^^ hoheit nicht geschonet. Es wolle aber Kon. M^t den rigorem itzo nicht
gebrauchen, sondern sie beyderseits vermahnet haben, dasz sie bedenken
vnd erwogen weiten, welcher maszen dieser ort vnd tag privilegiret sey pu-
blicis constitutionibus, vermöge welchen die H. H. Senatoren, denen diese
Sache zu vrtheilen Eon. M^^ thutt anbefehlen, ein Decretum werden, zu finden
wiszenn. Solchem zu begegnen hatt der h. Plotzker Bischoff samet dem h.
Posnischen Woywoden mit allem Vleisz sich angelegen sein laszen, damit
obbenante adversanten vnter einander möchten vertragn werden. Sintemahl
nun von dieser Zeitt an der Reichstag seinen vortgang gewonnen, haben die
hh. Rähte vnnd ettliche von den hh. Landtbohten sich angelegen sein laszn^
damit der entwachsene Span zwischen dem H. Sendomirischen Woywoden
vnd G/i8tellano Callissien. privatim stihnlich möchte beygelegett werden, wel-
cher Tractat mehr alsz in die 8. tage gewehret, aber dennoch nichts frucht-
barliches geschaffct worden, angemerckt, das beyderseits vuträgliche Gon-
ditiones vorgeschlagn worden. Nichts daveniger weil Ihr Eon. M^t so woU
dem h. Sendomirischen Woywoden, alsz dem Gastellano Galissiefi. interdici-
rct, dasz sie vngeschlichteter sachn die Reichs Rahts Session nicht halten
solten, habenn sie ihre senatoriam existimationem dennoch in acht genommen
vnd derowegen auff persuasion ihrer gutteu freunde ihre begangene vngebühr
nichtt allein ihr Kon. M^t, sondern auch dem gantzen senatui abgebehten,
welches auch ihre Eonigliche M^^ ihrer angobornen mildikeit nach gnädigst
augenommn. Nichts weniger die h. h. Senatoren auch die vorige senatoriam
amicitiam et humanitatem ihnen polliciret. In des aber gleichwoU zuuerneh-
men, das zwischen denn beyden h. h. Senatoren ein rancor animi verbleibet.«
»Den 11. Octobris batt ihre Mj^ abermahls Griminalsachen gerichtet.
Die h. h. landbobteu aber angemerckt, das die viclheitt der Votorum die Zeitt
offtmahls vergeblich hinweg bringet, dahin geschloszen, das zu den obliegen-
den Sachen gewisze herren deputaten solten auszgesetzet vnd angeordnet
werden, wie sie dan quoad modum et continuatioem Belli Moscouitici vol-
lende deputation getroffn, nemblich ex ordine senatorio den H. Gnisenschn
Wer war PseadodemetrinsL? 145
ErtzbiBchoffi h. Ploczker Bischoff, Posinschen ynd Kiovischen Woywoden,
h. Beichs Marschalk vnd h. Gronunter Cantzler. £z ordine DD. Nunciornm
terreetrium 14. personen ex palatinatibus nimirum Majoris et minoris Polo-
niae ; ex Dncatn y. Lithuaniae 4. personen. Vnter andern bey dieser depnta-
tion erwehnet, dasz die qnarta de bonis Regalibus von den hfa. Senatoren in
magno Ducata Lithnaniae ad continnatioem belli Moscovitioi auch gefallen
Bolte. Diese sacbe ist volgendts in etlichen tagen agitiret, entlich auffs paplr
gebracht vnd sowoU in senatu alsz in der hh. Lantbohtenn Stuben ad rati ha-
bitiom vorgetragen worden; wie hindn nach diesem recesz in capitibus deli-
berationum zusehen ist.«
Der Anhang zu dem Recesse enthält auch wirklich die Verband-
langen über den Krieg gegen Moskau, welche in dieser specialen Com-
mission vorgegangen sind ^). Der Bischof von Enjavien Laurentius
^) Capita Delifoerationum: 1) Quae subsidia belli ducenda; 2) Quis mo-
dus eiusdem gerendi.
Auf diese Fragen erfolgen die Vota der Mitglieder : »Votum Je Msci X.
Kanclerza Biskupa Eniawskiego (Laurentius G^bycky) : . . Miales W. K. M.
occasi^, miales y snmmam aequitatem. Przodkowie W.E.M. mieli nie male In-
teresse do tey ziemie (co szerzy Ich M. recensuerunt] tak ii tez Carowie Mos-
kiewBcy byli nieiako Vasalli przodkow W. E.'M. Mislü o tym Dimitr zabity,
zeby aggregaret Moskwa Christianitati, aby byio terrori mocy Moskiewski.
A to nie dokazawszy tego zszedl: W.E.M. lauream t^ zostawi}:. 0 tym nie
discurrui^ iesü byi legitimus, a togo Bog znios}. Drugi nast^pil impostor,
zwiodl ich byt wiele ale y ten ust^ic musial;. Post^piles W. E. M. tak, iako
ten, ktory instum bellum zaczyna.«
»Votum Je® mci X. biskupa krakowskiego (Tylioki) : Woyna ta nie lest
przecsiwna prawu, ale owszem powinna, potrzebna y pozyteczna. Byla roz-
gloszona, na seimiki podana, na Seimie agitowana &c. Bylo to z pozytkiem
Rptey, pokoy by wzruszony, zaznie8zieniemyDo'odonowego(Urodzonego?)
Dymitra, Szuiskiego niepewnosc, impostorow fortuna, ziemia byla otworzona,
mieli na to oczy S^siedzi, podawal Carolus Stryi W. E. M. syna swego. Jesli
teraz W.E.M. lest iniurius, nusz kiedy by mial Moskw^.«
»Episcopus KiouieS (Eazimirski) : . . . Hierauff zu der Proposition ge-
schritten, vnndt erstlich auf dieses, ob man diese Expedition weiter armis
prosequiren, oder ob man sich in tractaten mit den Moscouitem einlaszen
soll, dahingeschloszen, das weill Qott der Herr so einen felicem successum
hoius belli gegeben hette, alsz solte man solchem femer aufs beste nachsetzen,
den belangende der tractaten, konte man keines weges darauf bawen, in be-
trachtung das die Nation der Moscouiter also beschaffen sey, dasz sie zwar
zu tractiien nicht ehe sich begeben, esz sey den das sie befinden, das man
albereit ihnen den fusz auf den halsz gesetzet, so wehre doch auch zu der
Zeit ihnen nicht zu trawen. Dieses bewiesz S. Hochw. Gn. mit vielen Exem-
pelo, derowegen weil man ihnen nicht zu trawen, Alsz solte man armis die
Sachen continuiren, sonderlich weil man auch augenscheinlich sehe, dasz
Arehir fftr slaTiscbe Philologie. XXI. 10
1 46 Eugen ScepkiD,
G^bicki meinte, dass der König sowohl Gelegenheit, als auch Recht ge-
habt hat, den Krieg gegen Rassland zu beginnen. Er wollte nicht die
Gott die Waffen, so sie wieder Ihr May" vndt dero Volck hotten gebrauchen
wollen, auf sie gewcdet vnndt sie damit geschlagen . . Den jungen Printzen
daselbst einzusetzen wehre kein raht, weil es gens perfida wehre, welche
auch ihren angebornen Herren nicht wehren getrewe gewesen. Illustrirte
dleszes auch mit Ezempeln, yermeinete das dasz Landt in provinciam redu-
ciret wUrde, also das die Einwohnner auf die weise ihre gütter hielten wie sie
ynter der Moscouitischer obrigkeit dieselbe gehaltten vndt dasz auch auf die-
selbe weise alles ad Thesaurum Regni gebracht werde ; Da mann auch Colo-
nias transferiren woltte, liesze er ihme solches auch wolgefallen. Belangende
die gefahr, derer man sich wegen Schweden, Dennemarcken, Item dem Tar-
taren Vnnd sonst zubefürchten, würde allem leichtlich können gewehret wer-
den, wofeme man diese Moscoultische Sachen recht fortsetzen wUrde. .«
Votum Jeo Msci P. Woiewodi S^domirskie^ : ». . . (w) krotce te rzeczy
7 capita, o ktore mnie odnioszono do W.K.M. pokornie przeloz^ y na nie od-
powiem. A naprzod niech nie b^dzie przykro, ze pierwsze» Dimitra Dimi-
trem, a wtorego nazwanym Dimitrem zwac b^d^, bo mu y wtey Coronie choc
nomen dawano, y W.K.M. w listach swoich do nie» dawal mu titul kniaza
wielkieo Moskiewskieo ; ozdobilesz moie widanie iey (cörki?) swoi^ bytno-
sci^. Mniemam, ze W. K. M. widzial Act Poslow swycb, co z nym tractowali,
a oszobliwie o articul o imieniu otropinskiem, nie dla tego mowi^, ze bym
tych rzeczy bronit, ale zem ia nie za Otropina ale kniaza Moskiewskieo dal
Cork^ moi^. Miedzy P. P. Posly tam wspomnial: ktosz, abym siq sprawowal ;
dostoi^ kazdemu placu, kto my co zadac chce. Niech sobie ten czlowiek
spomniey, ieslym ia to rzeczy skrycze prowadzil, iesli si§ z tym kry}, ieslym
do uieboszczyka P. Iletmana Coronneo opowiedai^c si^ nie iezdzii; prawda,
ze mu üq do konca nie spodobalo, ale nie bronil mie przeci^ y owszem, gdyni
wyiezdziai, llogosiawit. Nikt my niech nie zadaie, abym to skodzie Rptey
czynil:, p(r?)owadzilem go iako Gzara, prowadzilem iako tego, ktorc» Mos-
kwa pod Putuolem dobrowolnie przyi^la, koronowala, a potym y zabiia.
Drugy punct: Izem dla pracktikiey y ku niebespieczienstwu Rptey dal Cork^
BW^ Dimitrowi. Nie uczynilem tego z wlasney swey rady, wlozytem to byl
na W. K. M. y na Ich M. P. P. Senatory. Nawet balem si^ tego scz^scia, ktore
ludzie sczQsciem zwali. Trzy seimy min^ly, nikt mnie y tego postempku
nie ganil. Teraz mnie dopiero chlostac chca; niewiem o co siq na mnie fra-
sowac? Otom byi z laskiey Bozey pierwszym instruenczykem scz^scia
J.K. M. y dobrego Rptey, niemasz mie o co traducowac, nie w^tpi^, ze to tu
mieisca miec nie b^dzie. Trzeczy punct: za prowadzenie corky moiey, ze-
bych mial directe przeciwko oiczyznie y W. K. M. praktikowac. Jesli cnot>
liwy, niech my to zada y wywiedzie; wyswiadczy mnie cnota moia, w}*-
Bwiadc^ y przywileie, w ktorych wi^c^m dobreo Rptey niz swe^ ostrzegaL
Spytac by si^ raczey, iesli tu kto nie praktikowal, ze Dimitra tak pr^tko
zprz^tnlono, y to ze na nas niebespieczenstwo przyszlo. Jeden poselt bez
Wer war Psendodemetrias I. ? 147
Frage auseinandersetzen, ob D. I. der rechte Carevic war oder nicht ;
jedenfalls hatte D. den Gedanken gehegt, Russland der katholischen
drngiego ma 11 praktikowac? ma 11 osobno inscio alio co traktowac, prawem
Liihewskiem tak ipso facto infamis? A Woiewoda!^ by to Sendomlrsky o
krolestwo praktikowac mMf Nigdy we mnie tak zleo animuszu nie bylo.
Izalem ia sohle po nich tarn wi^cylej?) obiecowac mial, niz po W.E.M., kto-
re<) dobrodzieistwa dozna} y syt ich. Mowi^ to smiele, iz my si^ Dimitr teo
nigdy nie zwierzal, y czasn nawet nie bylo, pr^tko nas pozabirano, powle*
zono, pobito; sczere to plotki, wrzod to Bptey naszey szkodliwy; nie za-
biez ly W.K.H. temn? Umieimy (nimiemy?) sie za pasy, opowiedziawszy siQ
W. K. M.; by y wszltko straczyc, nie drosze^ nad slaw^, przy tey nmrzec
gotowem y powinniem. Powrocilem biq do obozu : to dla praktik! A Dobro-
wolniezem to nczynil? Trzy tysi^ce ludu do mnie poslano, zast^piono, pol-
mano, obrazono, okrötnie si^ z nami obeszio, byl F. Radumski (Ratomski)
wiemy slnga y Senator W. K. M.; pytalismy ich dla czego nas powracacie?
wiemy, iz to Dimitr nie lest; bylo to Iz przysi^ano, ze ten wlasny, a nie
inszy; my gdyszmy snmnieniem takze oswiadczali, ze nie ten, mowili:
WBzy tkie nasze zaslugi na tym, gdy ten przyznany b^dzce ; y tak, tozmy mu-
sziel], uczinilysmy. Szlubowali nam, ze nas daley prowadzic nie mieli; za-
stalismy P. Sapi^, kazano nam daliey ; proszilismy ratunku u nieo, aby nas
wiodl do Polskley ; chcia), ale podolac temn nie mog}. Wi^ y zaci^gn^l sie
losz by} insz% obietnic^ ; y tak od Samka do Samkn nas pomykano. Potym
gdysz Biq i^Ia trwozyc Moskwa, patrz^c na nas, do obozu nas poci^gniono,
po kiika nocy smiercyi mey czekali, przymnszali nas, abyzmy go przyznali ;
inaczey stracili byzmy zaszhizone. Pisaia Gorka moia, ale rozumei^c, ze ten :
bo gdy y trupa ogladano« powiadano, ze nie ten; niechai tedy nieprzyiaciel
nie mowj, zeby dobrowolne to powracanie nasze bylo; potwierdzait^ tQ mowQ
8w% zaniechao tego nie möge, ze zaras przy Przy wroceniu nadalo si^ P. Ra-
domskiemo, isz przystawowie naszy, co zostalj, powiedali tak : zal nam was,
mniemamy, ze wiecie, isz to nie ten czlowiek. Alle uczyncie tak, pofolguicie
n^ troch^ y naci^gao b^dziemy nato, abysmy my to Panstwo na krola Je«
Hscj, abo na krolewica przywodzily. I. M. P. Radomskj, chc^c te rzeczy do
effectu przywie^ö, zwierzyl bIq niektorym; ale ze sIq rzeczy nie nadaly,
widz^ niestateczno6<5, odiecfaal ; ktorego gdyby byi:o dogoniono, gardio by
dac musial. Weszla potym w traktaty Moskwa: chciahi mi^ miec potym,
wskazali przez Moskwicina, ze potrzeba sIq n^m z woiewod^ widziec : Wyie-
chalem do niofa, niedali ml nie mowic, Tylko odpowiedziec, wtasny li to t^n
czy 11 nie. Odpowiedzii^lem, nie ten lese, ale wy powiedzieliscie; pod obron^
krolowj Polskiemu wszyscy poginiecie. Byl:a ta Rozmowa z Galizynem An-
drzeiem, ktory iusz powiedai^ umari; Jest Iwan Brat iego, ktory wie o tym,
tesz go pytai W. K. M. A sti|d wiara y zyczliwoso moia pokaze s!^. Pi^ty
Punkt: Woiewoda odiechal Gorkiey, aby na seimie practicowal; zgadleszl
azalim ia te^ W. K. M. nie radzil, cos wsl^ przed biq; de modo w prawdzie
nie spodziewalem bIq, abys to mial sine consensu Ordinum uczynicz. Ktosz
10*
148 Eugen §cepkin,
Kirche einzuverleiben, nun hat er diesen Rahm dem Könige Sigis-
mund ni. znrflckgelassen. Auch der Bischof von Krakau, Tylioki,
colwiek to byl, Kainzaniuli, kowalski li syn, — nie wiem, kto oica iego w
Ealudze znai — radzilbym Byi przeci^, abys go byl W. K. H. inaczey trak-
towal, nie abysz przyznawal, czego w nim nie byio, ale zebys byi znim po-
8t%mpü inaczey dla Raznieiszego tamtych rzeczy dopinania. Odiachalem
Corkj bo nie moglem iey wzi^ z sob^, uprosiciem iey nie mogl u niego; wie«
dzial CO mu na niey nalezai:o, woltl sobie dogadzac, nisz mnie; w pocciwym
wiQzieniu bylizmy, malzenstwo to nie dobrowolne byio. Mowieiem ia, aby
si^ miala na pieczy, bo ten czlowiek zostac si^ na placu nie moze. Mowielem
y drugim: iusz wy czyncie co cbcecie, chybicie brodu, iezli rzeczj K. J. M.
pOBtrzegac nie b^dziecie. SzostyPunct. A pisales do Moskwy? iakoszOcieo
do Corkiey pisac niema ! musialem simulationibus navabiac, abym Cork^ z
moskwey wybawii; ampak moie tam listy dochodzily y wiem, ze ie chowai^,
niech publice przeczytane b^d^, ni w czym si^ tam wiara moia nie posliznela
przeciwko W. E. M. Mowi^, zes rady dodawai: czy zato, ze mnie zlupi%no?
Dia tego podobno, seby Corka moia Gzarowa byla? Barzo dobrze 1 owszem
takem iey mowih iepiey w polszcze u krola Jeo Msci uprosic k^noik iakiey,
nisz Gzarow^ byc; y by mi byl:o nie zabraniono pisania, Iepiey by byiy rze-
czey poBzly na stron^ W.K.M. Bjl ten Rumor, zes y W.E.M. obiecal iey do-
brodzieistwo pokazac, ale ona nieboz^ntko, ysz moia Rada nie przyst^piia, zle
Bobie poczQla, y teras nie wiem, co si^ zni^ dzieie, k^dy lese, czy zywa; z k^d
wielkj zal ndec iak Ociec muszQ. Bog bIq pomsciey krzywdy moiey. Stra-
ciiem dzieci: Pokiey b^d^ mogl, b^d^ prosii W. E. M., zeby do konca etra-
cona nie byla; gdysz y rzeczi^ W.E.M. expedit to. Siodmy Punkt. Jako bym
z Batorym praktikowi^. Ato zk^d P.Bracie? Takasz by to moia cnota, iako
twoia? CO calumniam idziesz? m^m y zaiyw^m dobrodzieistw W. E. M., a
wielki to pien iest do post^mku tak niecnotliwego. H^mli si^ przy kim opo-
wiedaö? iestem cnotliwy y Boga si^ boi^cy Catolik. Gorke mu chciaiem dac?
a on ma wiasn^ zon^ y do dzieBi^ci nie wiasnych przy niey: tak cnotliwy iako
y ty I Bodai si^ tacy nie rodzili. Daliey. Woiewoda Sabaty (Eabaly?) w ko-
ronq wprowadziL Dowiedziesz ze tego? anie, daleg^osz mie to? Gzemus
nie przestrzegi o nych: a wiedzialem? a mniesz to zlecono? pis^no do in-
Bzych. Mnie min^e6zW.E.M.; dziwowalem bIq, zcb mi sluzycBobie nie kazal,
y opuBcilem rQce. Ale lest zes to Woiewody Sendomierskiego: Atyczemus
takze nie bronil ? Jasna y nie siuszna traductia — Pana Stadnickiego prze-
chowywa]^em: albo nie wiesz, cos iest Jus jHospitalitatiB, co krew? ale do-
wiedz, com mn ziego radzU; y owszem iuBzzem go by} przywiodl do tego, aby
Bi^ Ghrzesciansko spowiedai. Gniewalem si^ o smierc iego: y czosz wi^ksza,
o zginienie si^ przyiaciela frasowacz, czyli na krew bw^ nast^powacz? Pobo-
row S^deckich odradziiem dawac: Nie odradzalem; Ale Burgrabia, üng&
moj, nato si^ podpiBal. A ia com winien? czyli ia to mu rozkazowai, albo
Instructi^ dawi^?« Nun kommt Mniszech auf die Propositionen zu Bprechen:
»Przy traktaciech wybawic GorkQ moi^, — strony ktory przykrzyc bIq nie
Wer war Pseadodemetrius L? 149
vertheidigte den Krieg und machte dabei einen Unterschied zwischen
D.I. nnd den späteren »Betrügern^. Sehr gehässig sprach gegen Rnss-
land der Bischof von Eiev. Er glaubte, dass man sich auf Verträge mit
den treulosen Moskowiten nicht verlassen dflrfe. Es wäre auch aus
demselben Grunde gefährlich, den jungen Prinzen (Wladislaw) dort auf
den Thron zu setzen. Da also Oott die polnischen Waffen mit Sieg und
Erfolgen gesegnet hat, so solle man Russland in eine Provinz der Krone
verwandeln und Kolonien im Lande ansiedeln. Sehr wichtig ffir die
Geschichte der Wirrenzeit ist das Votum des Vojevoden von Sandomir,
Jeszech Mniszech, weil er darin sein Verhältniss au den beiden D. I.
und n. aufklärt und rechtfertigt. Der Vojevode besteht darauf, den
Caren Demetrius auch jetzt noch bloss als D. erwähnen zu müssen, den
zweiten D. aber als den 9 Falschen «r D., da ja der König Sigismund
selbst dem Ersten D. den Titel des Caren gegeben und die Hochzeit der
Tochter des Mniszech durch seine Gegenwart geehrt hat. Der König
mag wohl den Namen eines Otrepjev in den Acten seiner Gesandten
gesehen haben. Mniszech muss aber dagegen antworten, dass er seine
Tochter nicht dem Otrepjev, sondern dem Grossfflrsten von Moskau zur
Frau gegeben hat. Der Vojevode hat seine Verbindung mit dem D. I.
Niemandem verheimlicht, hat sie sogar selbst dem Hetman Koronny an-
gekündigt. Dieser hat zwar an seinem Unternehmen kein Gefallen ge-
fundeU; hat es aber auch nicht verboten, soll sogar dem Mniszech per-
sönlich seinen Segen dazu ertheilt haben. Niemand könne dem Voje-
voden vorwerfen, dass er seinem Vaterlande dadurch geschadet hätte :
er hat den D. nach Moskau als den Caren geleitet, welchen die Russen
selbst bei Putivl aus freien Stücken anerkannt haben. Der zweite Punkt
der Anklage gegen den Vojevoden M. lautete, dass er aus Ränkesucht
nnd auf die Gefahr der Republik seine Tochter dem D. zur Frau ge-
geben hätte. Indessen hat es Mniszech nicht eigenwillig, sondern mit
Wissen des Königs und der Senatoren begangen. Drei Reichstage sind
verflossen, ohne dass« ihn Jemand dafür getadelt hätte. Der dritte
Punkt lautet: Mniszech hat seine Tochter nach Moskau geführt, um
gegen sein Vaterland und den König Ränke zu schmieden. Aber der
bfd^; iesli to ku lepszema Rptey, ze tam zginie, niechay zginie, ieslisz tez
nie, tedy Oicowski moy affect nie moze iedno iey zyczyc iasky W. E. M. Z
Batorym co czynicz? By byla gotowosc, byl by sposob; nie potykac iednak
tego, CO uczyniel; obezlacz go z tym: nie usprawiedliwiszli si^, b^dziem tego
na tobie patrzyc ; a nie czynmy silentio audacem « etc.
150 Eugen ^cepkin,
ehrbare Name des Vojevoden spricht für ihn, es rechtfertigen ihn auch
die von ihm erlangten Privilegien, in denen mehr das Wohl der Re-
publik, als sein privater Nutzen beobachtet worden sind. Man sollte
eher nachforschen, ob nicht Jemandes Ränke in Polen die Schuld daran
tragen, dass Car D. so jäh gestürzt ist und dass die Polen in Moskau in
Gefahr gerathen sind. Der Vojevode durfte sich auch niemals soviel
Gutes vom Garen versprechen, wie er es bereits seitens des Königs ge-
nossen hatte. Demetrius hat dem Mniszech nie irgend welche Anschläge
gegen Polen anvertraut. Das ist alles Klatscherei, das ist ein gefähr-
liches Geschwür am Körper der Republik. Sollte man nicht mit dem
Schwerte in der Hand dagegen auftreten ? Es wird dann dem Vojevoden
von Sandomir vorgeworfen, dass er den Weg nach dem Lager des an-
deren Demetrius genommen hätte. Wohl auch der Ränke halber I Man
sollte erst fragen, ob es aus freien Stücken geschehen ist? Drei Tausend
Kriegsleute wurden dem Mniszech nachgesandt, sind ihm in den Weg
getreten. Mniszech und M. Ratomski, der bei ihm war, haben vergebens
dagegen eingewendet, man solle sie nicht zwingen umzukehren, denn
sie wüssten ja, dass es nicht der rechte D. wäre. Trotz aller Schwüre,
als ob es der echte wäre, und trotz der Verlockungen, durch ihre Aner-
kennung sich Verdienste beim Betrüger zu erwerben, haben Mniszech
und seine Gefährten nach ihrem Gewissen gezeugt, dass es nicht der
Oar D. wäre. Da trafen sie weiter den Jan Peter Sapieha und baten
ihn um Beistand, dass er sie nach Polen führe. J. Sapieha war zwar
damit einverstanden, hat es aber nicht durchsetzen können. So wurde
Mniszech von einer Burg zur anderen geschleppt. Die Russen hatten
indessen keine Ruhe: der Vojevode musste abermals nach dem Lager
geführt und gezwungen werden, den Betrüger anzuerkennen. Man
glaubte schon, dass das Leben des Vojevoden in Gefahr stehe. Die
Tochter hat ihm geschrieben, wobei sie ihren Glauben an die Echtheit
des D. dadurch rechtfertigte, dass man bereits in Moskau nach dem
Sturze und der Ermordung des Caren D. an der Identität des Leichnams
gezweifelt hat. Mniszech konnte auch die Unterhandlungen des M. Ra-
tomski mit seinen Hütern nicht mit Stillschweigen übergehen. Die
Hüter riethen ihm nämlich, den D. H. äusserlich anzuerkennen und ver-
sprachen, ihrerseits die Krone von Moskau in die Hände des Königs
Sigismund HI. oder des KoroleviS Wladislaw zu spielen. M. Ratomski
hatte sich zwar zuerst in diese Unterhandlungen eingelassen, als er aber
später die Unbeständigkeit der Leute merkte, ist er da vongeritten. Es
Wer war Pseudodemetri üb I. ? 151
würde ihm das Leben gekostet haben, wenn man ihn damals eingeholt
h&tte. Nun knüpften die Russen abermals die Verhandlungen mit Mni-
szech an und zwar durch den Fürsten Andrej Golicyn. Sie Hessen den
Yojevoden von Sandomir gar nicht zur Kede kommen, sondern wünschten
nur die Antwort zu erhalten, ob er den D. II. anerkenne, oder nicht.
Mniszech hat auch diesmal die Echtheit geleugnet. £r berief sich dafür
vor dem Könige auf das Zeugniss des anderen Bruders Iwan Golicyn.
Der fünfte Punkt der Anklage lautete: Vojevoda hat seine Tochter
verlassen und ist weggereist, um auf dem Reichstage Ränke zu schmie-
den. Darauf antwortet Mniszech, dass er für seine Person dem Könige
gerathen haben würde, den D. II. (wer es auch gewesen sein mag, ob
aus der 8tadt Kaluga gebürtig, ob der Sohn eines Schmieds) so zu be-
handeln, dass man, ohne ihn anzuerkennen, durch ihn seine Ziele hätte
schneller erreichen können. Seine Tochter hat Vojevoda nur deshalb
dem D. II. zurückgelassen, weil er sie beim Betrüger nicht hat erbeten
können. Ueberhanpt waren Vater und Tochter in einer ehrenvollen
Gefangenschaft, ihre Ehe war diesmal gar nicht freiwillig. Mniszech
hat seine Tochter gewarnt auf ihrer Hut zu bleiben, weil dieser Mann
seinen Platz keineswegs würde behaupten können. Er hat auch andere
Anhänger des D. U. dazu ermahnt, das Interesse des Königs zu beobach-
ten, wenn anders sie keinen Fehltritt zu begehen wünschen. Der sechste
Punkt der Anklage: Mniszech habe nach Russland Briefe geschrieben.
Es darf also der Vater an seine Tochter gar nicht schreiben ! Vojevoda
suchte ja sie nach Hause zu locken. Jedenfalls sind seine Briefe im
Lager erhalten und aufgehoben worden. Man solle sie öffentlich vor-
lesen, sie werden keineswegs gegen die Treue des Vojevoden seinem
Könige gegenüber zeugen können. Man beschuldigt den Mniszech,
Rathschläge dort ertheilt zu haben. Natürlich dafür, dass die Leute
ihn geschunden haben? Oder damit seine Tochter Carin bleibe? Mni-
szech hat im Gegentheil ihr seine Meinung klar geäussert: besser ist
irgend einen Zufluchtsort in Polen beim Könige zu erbeten, als Carin zu
sein. Wenn dem Vojevoden nicht verboten worden wäre, an seine
Tochter zu schreiben, hätte die Sache des Königs davon nur gewonnen.
Da die Unglückliche den Rath des Vaters nicht hat befolgen können,
hat sie schlimm an sich selbst gehandelt. Nun weiss der Vater selbst
nicht, ob sie noch am Leben, wo sie ist und wie es ihr geht. So hat der
Vojevode seine Kinder verloren (den D. und die Marina?). So lange er
kann, wird er den König darum bitten, dass man sie nicht gänzlich dort
152 Engen ^cepkin,
zu Gründe gehen Ifisst. Das fordert ja auch d^A eigene Interesse des
Königs. Der siebente Pnnkt der Anklage : Mniszech habe für den Bbt
thori Praktiken gemacht, habe ihm seine Tochter zur Fran geben wollen.
Statt jeder Rechtfertigung weist Vojevoda auf die Wohlthaten hin,
welche er seitens seines Königs genossen: das ist ein Stein des An-
stosses für jede unehrliche Handlung. Weiter lautete die Beschuldigung:
der Vojevode von Sandomir habe Kabalen im Reiche gesät oder we-
nigstens sie nicht anzeigen wollen. Ifniszech gibt zur Antwort, dass er
weder in die Kabalen eingeweiht, noch gegen' sie aufzutreten befugt
war. Dem Stadnickij habe er nur, als seinem Gaste und Anverwandten,
Zuflucht gegeben. Als endlich Mniszech von der Rechtfertigung zu den
Propositionen überging, da schlug er vor, bei den Verhandlungen mit
Russland die Befreiung seiner Tochter zu fordern, wenn es sonst nicht
gegen das Wohl der Republik laufen würde.
Als König Sigismund III. dem Mniszech seine Zustimmung dazu
gegeben hat, den PD I. nach Moskau zu führen, handelte es sich nur
darum, einen von Polen abhängigen Fürsten auf den Carenthron zu
setzen. Nach dem Falle des Glückskindes steckten die polnischen
Staatsleute ihr Ziel viel höher auf; sie hofften durch die Banden des
PD U. ganz Russland allmählich in den Zustand der Anarchie zu ver-
setzen und sich dadurch die Eroberung des Landes leichtzumaohen. Die
stolzen Hoffnungen des Königs schienen der Erfüllung nahe zu stehen;
als am 29. Oktober 1611 s. n. der russische Car dem polnischen Könige
in Gegenwart des Reichstages die Hand küsste ^), da glaubte man, dass
die Stunde für die Suprematie Polens bereits geschlagen :
»Alsz derMarschalck die Woyivodschafftn, welche in der Brandeburgi-
sehen Sachen qnoad coUatiom feudi sich vereinbaret vnd dagegn welche Pala-
tinatas dieser Intention znwieder ordentlich erzehlen wollen, ist Ihrer M^^
abgeordneter dazwischen kommen, anmeldende, dasz die gefangenen ISuisken
itzo Reipnb. wurden prsesentirett werden: dero wegen sich die hh. landt-
boten zue diesem solemni Actui zu ihrer M^^ vnd den hh. senatoribus finden
vnd denselben bey wohnen weiten, welchem zu folge sie alszbalt auffgebrochen
1) Ein lateinischer Bericht über die Huldigung der äujskie ist in polni-
scher Uebersetzung bei Niemoewicz gedruckt (DzieiePanowaniaZygmuntaHI,
tom III). Er scheint einem Pamphlete der Zeit entlehnt zu sein und hebt die
Auffassung des ganzen Ereignisses hervor, welche damals in Warschau
herrschte (Przypadla kaMemu niezbyt dawnemi laty pami^d ona rokowania
mi^dzy Krölami Polskiemi a Carami Moskiewskiemi , ktoby komu ustQpo-
waö mial:).
Wer war PseudodemetriaB I. ? 15$
▼nd Boindt bey ihrer M^t vnd den hh. senatoribas bisz an den abendt verblie-
ben. SonBten haben die ReuBzen, wegen ihrer religion freyheitt zabestäügen,
auch embBich bey den hh. landtboten, damit solch negociam promouiret
wurde, angehalten : Sint aber im gleichen durch der Suisken ankunfft in ihrer
propoBition vnd petitiB behindert wordenn.
Nachdem nun die hh. landtboten eametUch in den Reichs Bäht sich ein-
gestellet, sint die drey gefangene bmder aus der Moskau, Suisken genat aus
ihr M^ befehlich in dero Gareten inwendig mit schwartzem Sammet gefuttert,
mit 6 roBzen zu Schlosz gebracht, der elteste, welcher zimlich graue, der
Groszfurst, so in der Moskaw nach des Demetrij thodt regieret hatt, BaBÜius
genandt gewesen: Die andern beyden, vnter welchen einer Dux exercitus
gewesen, Demetrius nomine mediocris aetatis, der ander aber noch jung ist
Juan genennet. Der Elteste alsz gewesener Groszfurst in der Garet oben an
gar allein geseszen, mit einem Roten sammeten vnd darauff einem von
goldenstuck gemachtem rok. Vnd dan auch mit einem besonderen gleich
güldenem Zindell Yberrock vnd einer Mützen mit einem hohen auflfschlage
von Schwartzem fuchs etc. bekleidett. Der ander gewesener Dux exercitus
hatt auch ein goldtstuck zum vnterrock vnd ein violbraun Samten Yberrock
vnd der dritte alsz der jüngste ein goltstuck zum vnterrock vnd ein Pome-
rantzfarben Samten Yberrock gehabt, vnd beyder seits gleiche mutzen von
Rohtem Sammet mit Zoblen klein auflfgeschlagen, Ynd voran mit einem gül-
denen borten besetzett, alles auff ihre Moskowi tische art gemachett. Der
gewesene groszfurst vnd jüngste bruder mittelmesziger, der mittelst bruder
aber zimlicher hoher statur. Alsz sie an der treppen, da man ins gemein zu-
schlosz hinauflf in die Stuben der hh. Senatoren gehett, von der Gareten ge-
treten, hatt sich Ihr Gm. G. der Kyouische woywode h. Zolkiewskj, [der Gro-
nen felthaubtman straohs zu ihnen funden, welchem sie mit neigung des
Haubts ihre reuerentz gethann , Darauff halt wolgemelter h. Felthaubtman
ihne vorgangen, wie woll vor dem h. felthaubtmann auch ettliche Yornehme
hh. von der Ritterschafft gangen sint. Sindt derogestalt die 3. gefangene
Suisken in der hh. Senatoren Stube, mit welchen, wie auch den hh. Land-
boten Ihr Eon. M't albereit in session gewesen, gebracht vnd ihrer M*^ wie
auch toti Reipub. zum Vorschein gestellett worden, da dan der h. felthaubt-
man nebenst den gefangenen Suisken, welche vorgengig zu bezeigüg ihrer
Ynterthenikeitt ihre heubter auff die erdn gesenkett, stehend eine oration
gehalten, dero summa gewesen : das er erstlich Ihrer M^^ besonderes glück
vnd Yictorias, so der allerhOgste derselben nicht allein bey Smolensk, son-
dern auch wieder ander ihre feinde gnädigst verliehen, hoch praediciret, also
das man auch von dergleichen bey regierung der vorigen hochloblichstn
Eonigen vnd herrn dieser Eronen nie erfahren. Demnach er dan die Res
gestas ihrer M^^ mit des Alexandri Magni, Julij Gaesaris vnd anderer Monar-
chen vnd hohenn Potentaten rebus optime gestis nicht allein compariret, son-
dern auch vielen vorgezogen. Zu mehrem beweisz deszen er Amplitudinem
MoBcouiae feliciter occupatae angezogen, welche fast vnuberwindtlich ge-
Bchienen, vnd dennoch durch gottliche hülf in ihrer M^t band vnd gewalt ge-
dien : Ja der grausame groszfurst selbst nebenst seinen brudem, so er hiemitt
154 Eugea ^cepkin,
Ihrer Kon. M^^ et uniusreae ßeip. praesentiren thete, gefangen hinweg ge-
fuhret worden. Ob nun woll dieselben, alsz menschen, ihr Vnglück getroffen,
weren es dennoch hohe vnd fürstliches Standes Personen : Wolte demnach
Ihre Kon. M^t in gebührender reuerentz gebehten haben, dieselbte ihrer ange-
bornen sanfftmnht vnd clementz nach , welcher halben sie beij menniglich
allezeitt einen besonderen Preisz gehabt, auch auff diese 3. gefangene fürst-
liche Personen ein gnadiges äuge trag», Vnd ihreClemenz in der gebührlichen
Vnterhaltung im gleichen auch an ihnen verspieren laszenn.
Ihre M^t durch ihre Gm. G. den h. YnterCantzler solches beantworten
laszon, da sie dan erlangtes gluck vnd sieg dem lieben Gott vornemlich mit
Danck zugeschriebn, nichts do (desto?) weniger aber desz h. felthaubtmans
tapfrikeidt gepriesen vnd toti Reipub. commendiret, sintemahl negst gött-
licher hilffe er bey dem Kriegswesen sich ritterlich verhalten, durch welches
Raht vnd thatt auch diese gefangene vnter Ihrer Mtt haut vnd gewaltt weren
kommen: Seiner bitte wolte ihre M^t eingedenkt sein vnd die gepraesentirete
gefangene in gnaden auffnehmen, derer sie hinfuro solten zugenieszen haben.
Sint also die drey gefangene Suiskon zu ihrer M^t handt verstattet, welche
nachdem sie ihrer M^^ handt gekuszet, abermals vor ihrer M^^ ihre heubtcr auff
die erden gesenkt, Vnd also ihren abscheidt genommen, da sie dann mit vo-
rigem wagen vnd roszen wiederumb vom Schlosz sint abgefnhret vnd an ver-
ordnetem ort in custodiam genommen worden : doch sint sie auff freyem fusz
vnd in keinen banden, vnnd werden auch sonsten in eszen vnd trinken woll
gehalten. Bey diesem Actu ein solch grosz gedreng in Area desz Schloszes,
wie auch droben gewesen, alsz nicht viel auff Reichstagn erfahren sein mag,
sonderlich aber drobn zu Schlosz, da nicht allein die Stube der hh. Senatoren,
sondern auch vor derselbn alle örter voll Volcks gewesen, also das sie auch
in die schranckn gedrungen vnd den hh. Senatoren vorstandenn. Darüber
dan der h. Ertzbischoff vnd h. Grosz Cantzler von ihren Stuben auffstehen
muszen vnd eine gutte weile gestanden ; ja etliche auff die Schrancken ge-
standen ; vnd ist eine solche confusion gewesen, dasz alle 4. Marchalci der
elngeriszenen menge, ob sie schon in den hauffen geschlagen, nicht wehren,
viel weniger mitt bitten eine entweichung erhalten kunnen, wie dan auch die
entweichung fast vnmuglich gewesen, in dem eine Person vor der andern nicht
vortkommen kunnten, bisz entlich der hauffe, so ferne an der treppen ge-
standen, zum ersten abzugehen begunte, welches mit solchem gedreng Zu-
gängen, das mancher die Stiegen hinunter gefalle, mancher so gedruckt, das
er esz eine weile wirdt haben fielen muszen, darüber auch einem Jungn der
Arm zerbrochen.
Ehe die Suisken auff das Schlosz kommen, ist der gewesene Woywoda
zu Smolensk, welcher so lange die Vestung daselbst gehalten, Michael Bo-
rissovides Szeia genandt, nebenst dem Eltern gewesenen Woywoden zu
Smolensk, alsz gefangene auff einem schieichten wagen mit einem rosz auch
in das schlosz bracht, sint daselbst von des Koniges Heyducken in ihre Kam-
mer genommen, darinnen auch ihr oberster h. Mareck gewesenn, haben nur
schieichte rohte delien (pln.) mit Schwärtzem Petlitzen angehabt: Der Elteste
gewesene Woywoda zimlicher hoher Statur vnd graue, der Jüngste gewesene
Wer war PseudodemetriuB I. ? 155
Woywoda BoriBaouides Szein mittelmeBziger statar vnd schwartzen haares
VDgefehr von vier oder Vanflf ynd dreyszig Jahren alt : diese sint nicht vor-
gestellet, sondern alda in cnstodia verblieben, doch haben sie in keinen fesz-
len geseszen, sondern an henden vnd fuszen frey.
Alsz die Suisken, wie erwehnet, abgefUhret worden, sindt die abge-
sante ausz Moskaw von des h. Sapieha Volck vnd anderen von der Ritter-
schaft . . in selbter session von Ihrer M^t den h. Senatoren vnd hh Landboten
gehöret worden, derer ganzes gewerbe nichts anders alsz begerte Zahllung
vor ihre trewe Dienst gewesen . . .«
Es war also dem Könige Sigismund III. gelangen, den Garen Va-
siüj Sujskij zu demüthigen und die Bojarenoligarchie in Moskau für die
Wahl eines polnischen EoroleviS auf den Carenthron zu gewinnen. Es
galt hier noch über zwei wichtige Fragen eine Uebereinkunft zu er-
reichen: ob Korolevic Vladislav zum griechisch-orthodoxen Glauben
fibertreten sollte und in wie weit er unabhängig von seinem Vater herr-
schen würde. Die leitenden Männer des polnisch-litauischen Staates
sind indessen von den ersten Kriegserfolgen und dem stäten politischen
Glücke berauscht worden und haben nun weder Mass, noch Ziel in ihrem
nationalen Ehrgeize gehalten. An der persönlichen Herrschsucht Sigis-
munds ÜI. und an seiner starren jesuitischen Gesinnung ist vor Allem
der Versuch gescheitert, die drei Nachbarvölker unter einem königlichen
Hause zu vereinigen. Während der König in Warschau seinen Triumph
feierte, war die Machtstellung seines Hauses in Moskau durch den
Widerstand des Patriarchen Hermogenes bereits erschüttert. Die polen-
freundliche Oligarchie der Bojaren büsst seit diesem Jahre allen ihren
Einfluss ein und es nehmen die demokratischen Kräfte überhand — die
Geistlichkeit, der Kleinadel, die Städte, die Kosaken, welche für den
Glanz der polnischen Magnatenkultur keinen Sinn hatten. Polens Staats-
leute wollten ihr Luftschloss eben nur auf der Alp des russischen Volks-
lebens aufbauen , sie sind aber allzu hastig und etwas planlos an das
Bohren und Sprengen gegangen. Sie haben zu tief gewühlt und die
unterirdischen Gewässer einer Volksbewegung gegen sich heraufbe-
schworen. Von den Wogen einer allgemeinen Volkserhebung wurden
die Polen in Moskau selbst überwältigt und an die Grenze zurückge-
worfen. Noch ein Halbhundert Jahre nach dem Tode des PD I. haben
sie Mühe gehabt, diese Fluth im Herzen ihres eigenen Reiches mit allen
Zauberkünsten der europäischen Diplomatie zu besänftigen ^).
1) Unter den polnischen Geschichtsschreibern der ersten Hälfte des
XVH. Jahrhunderts gibt nur der Bischof Piasecki einen kritischen Bericht :
j 56 Eugen ^opkin.
Die ausserordentliche Fülle und Beweglichkeit des russischen
Staats- und Volkslebens während der Wirrenzeit hat sich in einer rei-
chen historischen Litteratur abgespiegelt, deren bedeutendster Theil be-
reits in die verhältnissmässig ruhigeren Regierungen der ersten Roma-
no vy fällt. Im schroffen Gegensatz zu den polnischen und überhaupt
westeuropäischen Quellen behaupten alle diese russischen Annalen,
Sagen, Geschichten ganz zuversichtlich, dass unter dem Namen des
Caren D. I. eben der flüchtige Mönch GriSka Otrepjev (Razstriga) ge-
herrscht hätte. Den Geschichtsforschern blieb gewöhnlich die Wahl,
einen von den zwei Schattenrissen des Caren D. I. zu zeichnen, denn die
»Demetrins enimquidam ex Moschouia veniens & ploribus annis in Prouincijs
Russiae oberrans, in Aulis diuersorum ibi Principum habitu famulari, cum
originis suae ex Ducibus Moschoniae & seruatae ab insidijs vitae seriem diu-
tiuB praedicasset, tandem narrationi suae fidem & patrocinium cansae inuenit.
£am autem (veramne an commentitiam hucusque param constat) tali relatione
instruebat etc. (Chronica a Paulo Piasecio conscripta, Cracoviae, 1645. —
Plaseckiego, Biskupa Przemy^Iskiego). Die übrigen geben entweder die
russische Tradition in entstellter Form wieder, oder bringen geradezu Fa-
beln, z.B. Stanislai Lubienij (Lubienski) Episcopi Plocensis Opera Posthuma,
Antverpiae, 1643: »Pseudo-Demetrius procul dubio ignotae stirpis homo &
ut postea compertum est, monasticae vitae quam primo professus erat deser-
tor, non tarn Polonorum ope (quamuis hac quoque priuatorum studijs com-
paratä cum subnixum fuisse negari non potest) quam Moschorum fauore Prin-
cipatum adeptus.« Oder, Gestorum Vladislai IV. pars prima authore Ever-
hardo Wassenbergio, Gedani, 1641: »Quippe Borissii in Demetrium technas
soUicita Principum Mater advertit & consilio omnino salubri filiolum suum
periculo mature subduxit . . Adeoque & in Livonia liberalibus imbutus stu-
diis & loqui eleganter latine & scribere didicit. Et poterat hoc Septem anno-
rum spatio quo Borissius imperavit . . . Cum esset ergo a catholica fide non
alienuB, potentibus in Polonia Societatis Jesu Patribus primo personam suam
aperit & fidem invenit . .'. Primum ad Palatinü Georgium Mniscum supplex
introducitur« etc. Oder Historia Vladislai Anctore Stanislao a Eobierzycko
Castellano Gedanensi (Eobierzickj), Dantisci 1655: »Impostor tamen hie erat
& alter ab eo quem Joannes Basilii genuerat; audacius mentiri genus suasit
forma & oris lineamenta quibus haud dissimilis in Demetrium erat. Caeterum
e monastico profugus claustro in Russiam se contulerat perque coenobia am-
plissimarum Regni ditionum Volhiniae Eioviaeque vagus, ignotus primum
latuit ; donec imponeret larvam, sub qua Ducis fabulam confidentius ageret.
Et haue quidem apud Adamum Ducem Visnieviecium exorsus« etc. Es hat
sich also in Polen keine eigenartige Tradition gebildet; auch nach dem Tode
der leitenden Persönlichkeiten der Wirrenzeit sind dort keine neuen Ent-
hüllungen zum Vorschein gekommen.
Wer war PBeudodemetrius L? 157
•
beiden Profile dieser Sphinx von Westen nnd von Osten fallen keines-
wegs ineinander. Doch wollen wir den Versuch anstellen, die beiden
ineongmenten Abrisse aufeinanderzulegen und di^'enigen Striche abzu-
sondern, welche sich decken und dadurch etwas stärker hervortreten ;
auf solchem Wege glauben wir zu einer Synthese aller Nachrichten von
Osten und Westen her durchdringen zu können ^).
IT.
In der Zeitschrift (»Vremennik«) der Kais. Moskauer Gesellschaft
fdr Russ. Geschichte und Alterthflmer, B. 16 (1853), hat Prof . Bjeljaev
»Eine Neue Sage über die Falschen Demetriic (ÜHoe GKasame o Ca-
MOSBani^ax^) nach einer Handschrift aus dem XYII. Jahrb. veröffentlicht,
welche aus einer Reihe von Sagen über die Zeit der Wirren vom Tode
Johanns des Schrecklichen bis auf die ersten Romano vy entstanden ist^).
1) Für die äussere Charakteristik der russischen historischen Quellen
haben wir oft die ForschuDgen des Prof. Platonov zu Rathe gezogen (vgl.
ILsaTOHOB'B, ApeBHopyccKiü GKasaHiii h üob^cth o GMyrHOM'B BpeMCHH XYII BiRa,
dazu den Text der Sagen und Geschichten in der »PyccRa/i HcTopu^ecRaA
EsdrioreKa«, t. XIII). Diese Forschungen tragen aber ein ausschliess-
lich literarhistorisches Gepräge. Prof. Platonov hat vorläufig weder seine
Anschauungen über den PD I. auseinandergesetzt, noch die polnischen, je-
suitischen, überhaupt westeuropäischen Quellen zur Kritik der russischen
Nachrichten herbeigezogen; sogar manche wichtige russische Akten hat der
Verfasser bis jetzt noch unbesprochen gelassen (z. B. das Original des Ge-
sandtschaftsregisters des Fürsten Volkonskij aus den JJ. 1606—7 und den
Brief des Boris an den König Sigismund III. bei der Analyse der Sage aus
dem J. 1606 oder die Schenkungsurkunde für die Brüder Ghripunovy und das
Rangregister zum J. 1604 bei der Analyse des Zeugnisses des Barlaam). In-
folge dessen mussten wir selbst an die kritische Durchforschung der russi-
schen Nachrichten und ihre Zusammenstellung mit der ganzen Hasse der
westeuropäischen Quellen gehen. Also trotz vieler einzelnen bei Prof. Pla-
tonov entlehnten Bemerkungen fällt die Verantwortung für unsere allgemeine
Auffassung der russischen Quellen ausschliesslich auf uns. Wir pflichten der
Meinung des Prof. Platonov bei, dass fast Alles historisch zuverlässige in den
Sagen und Annalen auf die officiellen Akten der russischen Regierung zu-
rfiokaaflihren ist. Im Gegensatz zu seinen Forschungen machen wir indessen
einen Unterschied zwischen den Akten des Boris und des Vasilij Sujskij und
verfolgen beide Strömungen durch die ganze russische historische Literatur
des XVIL und des XIX. Jahrhunderts.
2) Den Titel »Eine Neue oder eine Andere Sage« hat diesem Denkmale
Prof. Bjeljaev gegeben; in den vollständigen Manuskripten folgt sie nämlich
der Sage des Palicyn nach.
1 58 Eugen ^cepkin,
«
Sehr wichtig für nosere Frage sind die zwei ersten Bestandtheile dieser
Geschichte, nämlich die Sage vom Boris Godnnov and Psendodemetrius I.
und eine Sammlung officieller Acten über den Tod des FD und die
Thronbesteigung des Garen äujskij. Der erste Bestandtheil, welchen
wir nach Prof. Platonov als »Die Sage aus dem J. 1606« bezeichnen
werden, enthält die Berichte über die Ermordung des Garevi^s Deme-
trius, über die Thronbesteigung des Boris, über das Erscheinen des FD,
über seinen Kampf gegen Boris und seine Thronbesteigung, über die
Angriffe des FD auf die russische Nationalität und die russische Ortho-
doxie, über die Absetzung des FD und die Thronbesteigung des §uj-
skij, über die Uebertragung der Reliquien des GareviS Demetrins aus
UgliS nach Moskau. Die ganze Sage ist von den Gefühlen des Hasses
gegen Boris und den FD und der Ergebenheit gegen den Garen äujskij
erfüllt ; sie will beweisen, dass Boris und der FD eigentlich nur ihre
Schandthaten gebüsst haben, und freut sich darüber, dass die Wirren
vorbei wären. Sie muss nach dem 3. Juni 1606 s. v. (an diesem Tage
wurden die Reliquien des GareviS nach Moskau übertragen) und vor
dem Herbste des J. 1606 [wo eine Empörung gegen den Sujskij im S.
losgebrochen ist) entstanden sein. (Der Anzug des Bolotnikov bis gegen
Moskau wird erst in dem dritten Theile der »Neuen Sage« erzählt.)
Der Verfasser der Sage scheint zu den Mönchen des Troickij Sergier-
Klosters gehört zu haben. Er behauptet nur das Leben des FD in
Polen nach Gerüchten, alle Begebenheiten in Russland aber als Augen-
zeuge beschrieben zu haben ; diese übertriebene Behauptung eines Mön-
ches des Dreieinigkeitsklosters kann jedenfalls weder auf den Zug des
FD bis nach Moskau, noch auf die Ermordung des GareviS zu UgliS,
noch auch auf die Beschreibung der vermeintlichen Verbrechen des
Boris und des FD Anwendung haben. In seine Sage hat der Verfasser
»Die Anklage des Barlaama und drei Briefe des FD an seine russischen
Unterthanen, vor seiner Ankunft nach Moskau geschrieben, einge-
schaltet. Es wird also die Anklage des Barlaam wohl schon im Sommer
des J. 1606 entstanden sein. Auch sonst findet man Uebereinstimmungen
zwischen der Erzählung der Sage und den officiellen Acten aus der
Regierungszeit des V. Sujskij ^). Im Widerspruche mit Avramij Palicyn
1) Im Februar des J. 1607 hat V. Sujskij beschlossen, den früheren Pa-
triarchen Hiob nach Moskau kommen zu lassen, um das russische Volk von
der Schuld des Verrathes dem Boris gegenüber zu erlösen. Am 5. Februar s.v.
Wer war Pseudodemetrias I. ? 1 59
und sogar mit den officieilen (Jrknnden der Zeit hält die Sage den Va-
dilij Snjskij für den rechtmässigen ^ von ganz Rnssland (bcbio PoccIh-
cKOio oÖJiacTiK)) gewählten Caren. Nach den Urkunden des Caren änj-
akij selbst wurde seine Wahl nur von allen Leuten »der Moskauer Herr-
aefaafta (Mockobckob rocy^apcTBo] getroffen; Boris Godnnov und Mi-
chail Romanov wurden dagegen den Acten der JJ. 1598 und 1613 zu
Folge von allen Christen »aller Herrschaften des russischen Carenreichesa
(set rocyAapi>CTBa PoeeiMCKaro i^apcTnin) gewählt ^). Der Unterschied
zwischen der Moskauer Herrschaft und dem russischen Carenreiche ist
ans der Thatsache zu entnehmen, dass Godunov und Romanov von den
Reichsständen (Zemskij Sobor), Sujskij aber nur von einer Clique der
Moskauer Bojaren gewählt wurden. Der Verfasser der Sage verfolgt
ziemlich genau die einzelnen Ernennungen der Befehlshaber in den
Heeren des Boris und macht Fehler gegen das »Register« nur bei der
Beschreibung der Schlacht bei DobryniM (bei Sjevsk). In Bezug auf
den Tod des CareviS Demetrius geben die officieilen Acten der Moskauer
Regierungen zwei verschiedene Aufklärungen: im Jahre 1591 wurde
sind aUo Papbnutij, der Metropolit von Kruticy (der frühere Abt des Wuo-
derklosters) und andere Würdenträger nach Starica zum Hieb abgesandt.
Am 14. Febr. ist Hieb in Moskau angelangt, am 16. Febr. haben die beiden
Patriarchen — Hieb und Hermogenes — ein gemeinsames Gebet um Vergebung
der Schuld angestimmt ; am 20. Febr. wurde eine Yergebungs- und ErlOsungs-
nrkunde dem Volke vorgelesen. Nun Tvird in dieser Urkunde behauptet, dass
der Carevic D. zu Uglio von Verräthern ermordet sei (npinx'B saRjaHie neno-
BBHHo OTT» pyK'B HSMlHHnKOB-B ccoux'b), was eigentlich im krassen Widerspruche
zu den früheren Aussagen des Hieb stand. Es wird angenommen, dass das
russische Volk nur aus Missverständniss dem Griska gehuldigt, weil es nicht
wusste, dass es kein Carevio, Eondern ein aus dem Kloster entlaufener Mönch
sei (Toro ropa, ne B^Aafl o ucm'b hoa^kihuo, qro oh'b pocTpura, a ne IXapeBHHS
AviiTpeu, BOCXOTima ua PocImckoc rocy^apLCTEO uapcTBOsaTn npiflTa). Nun
wären abermals Wirren in der von frUher her besessenen Provinz Severa aus-
gebrochon (npejtcrnB'B Toc-aci npe^ccoMpaqcuuyio ÖesyMicMi» GtBepcKyH) ynpau-
ny). S. A. A D., II, Nr. 67.
1) In zwei Urkunden aus dem J. 161 1 widerlegt der Patriarch Hermogen
die historisch ganz richtige Auffassung der Feinde des Caren V. Snjskij, dass
er nur von der Stadt Moskau zum Caren gewählt wäre. Nun antwortete da-
gegen Hermogen, dass Moskau stets den Städten Novgoroü, Eazanj, Pskov,
Astrahanj befohlen hätte und dass bei der Wahl des Caren §ujskij die Ver-
treter aller Städte zugegen gewesen wären (ja ii iiao bc^xt. ropoÄOB'B aa ero
aap&CKOM'B Bo^panin u nocraBJCHiii Öbijiu .iio,tii Muorie). Diese letzte Behaup-
tung wird von allen übrigen Quellen widerlegt (A. A. 3., IT, Nr. 169).
160 Eugen äcepkin,
officiell der Selbstmord des CareviJ^ im Anfalle der Epilepsie festgestellt^
1606 wurde die Anklage des Mordes gegen den Boris officiell ver-
kündigt.
Die »Sage aus dem J. 1606« hat diese Beschuldigung des Boris
zum ersten Male in die russische historische Literatur eingeführt und
dem Berichte von dem Selbstmorde , welchen die officiellen Unter-
auchungsacten enthalten, die Beschreibung der Ermordung des CareviS
entgegengestellt. Und doch waren noch die Mutter und die Oheime
(Nagije) des CareviS am Leben , als diese Sage aufgeschrieben wurde.
Nach der »Sage« hätte Boris mehrmals den Versuch gemacht, den Care-
vi6 zu vergiften und am Ende die Mörder M. Bitjagovskij und dessen
Neffen Nikita EaSalov nach Uglii geschickt; einer von diesen hätte
dem Demetrius beim Spielen die Gurgel durchschnitten (npep^sa
ropTanb ero). Ohne den Osip Volochov und den Danila Bitjagovskij
(den Sohn) zu nennen, berichtet die Sage so unklar, als ob Michail B.
(der Vater] selbst den CareviS angegriffen hätte ; indessen haben die
Oheime Nagije bei der Untersuchung das Zeugniss iibgelegt, dass M. B.
erst nach der Ermordung des Demetrius auf dem Spielplatz des Kindes
angekommen wäre. Noch einen anderen groben Fehler begeht die
Sage; sie behauptet, dass zugleich mit dem Bojaren Vasilij äujskij auch
der Patriarch Hieb nach UgiiS vom Boris ausgesandt wäre, um die
Sache zu untersuchen ; die officiellen Acten nennen hier keineswegs den.
Patriarchen Hieb, sondern nur den Metropoliten Gelasij . Die Sage be-
schuldigt den Boris, auch den Caren Theodor aus dem Wege geräumt
zu haben. Sie verschweigt die Thatsache, dass Boris von den Reichs-
ständen seine Krone erhalten hat, und schildert die Begebenheiten auf
die Art, als ob die Bevölkerung der einen Stadt Moskau unter dem
Drucke der Agenten des Oodunov ihn zum Caren ernannt hätte; der
Patriarch Hieb und die Bojaren mussten es tlber sich ergehen lassen,
weil sie die Gefühle des Volkes für aufrichtig gehalten hätten. Der
Nachricht der Sage, als ob Boris durch einen Selbstmord meinem Leben
ein Ende gesetzt hätte, widersprechen die Zeugnisse der Fürsten äachov-
akoj, Katyrev-Rostovskij, Chvorostinin, welche den Hof kreisen nahe-
standen, des Avraamij Palicyn und a. m. Dagegen findet die Nachricht
der Sage, dass der FD ein Liebesverhältniss mit der Tochter des Boris,
Ksenija, angeknüpft hatte, in einem Briefe des Mniszech ihre Bestäti-»
gung. Wichtig ist noch die Erzählung, dass der FD bis nach der Stadt
Putivlj einen gewissen Mönch Leonid mit sich geführt und diesen unter
Wer war Pseadodemetrius I. ? 161
dem Namen des Gregor Otrepjev Allen gezeigt hätte; in Fativlj wurde
Leonid wegen irgend eines Versehnldens ins Oefftngniss geworfen.
Dieselbe »Sage ans dem J. 1606« kommt noch in einer spflteren,
kürzeren Bearbeitung unter dem Titel vor: sDie Geschichte, wie mit
Unrecht Boris Godunov den Carenthron zu Moskau erschlichen hat«
(ÜOBiCTB KaKO BOCZHTH HOnpaBAOH) Ha MocKB^ i^apcioH npecTOj^ Eo*
picx roxyHOB^}. Zufolge dieser kürzeren Version ist Gregor Otrepjev
in Gesellschaft von drei Mönchen — Misail Povadin, Benedikt und Leo-
nid aus dem Erypecki-Eloster — nach Litauen entflohen. Hier lebte
er in der Stadt Eiev im Höhlenkloster; darauf (dem Contexte nach in
Kiev) befahl er dem Leonid, sich Gregor Otr. zu nennen, er selbst fing
an, sich fttr den CareviS Demetrins [auszugeben. Ein Mönch Benedikt
aus dem Dreieinigkeitskloster wird als Zeuge gegen den Otrepjev und
zugleich als sein früherer Mithelfer in dem Briefe des Patriarchen Hiob
erwähnt.
Die »Sage aus dem J. 1606 a gibt über die Jugend des Otrepjev eine
Erzählung, welche zu den Briefen des Boris und Hiob im Widerspruche
steht, dafür aber Manches aus den Acten des Sujskij (vgl. die Gesandt-
schaft des Volkonskij und Ivanov aus dem J. 1606) entlehnt. Juska,
Sohn des Jakob Otrepjev aus GaliS (der andere Name des Vaters hiess
Bogdan) verliert früh seinen Vater und wird von seiner Mutter in der
Heiligen Schrift unterrichtet. Als er die Horae und die Psalmen durch-
stndlrt hatte, verliess er die Mutter und lebte in Moskau. Hier macht
er die Bekanntschaft des Heiligen Triphon aus Vjatka, welcher damals
Abt des Mariahimmelfahrtsklosters in der Stadt Chlynov (jetzt Vjatka)
war; dieser Abt überredete den 14-jährigen Knaben Mönch zu werden.
Ju&ka folgt diesem Rathe und wird unter dem Namen Gregor zum Mönche
gezehoren. Darauf begibt er sich nach Suzdal, weilt hierin dem Heiland-
kloster desEuthymius, in dem Heilandkloster an der Euksa, besucht auch
viele andere Klöster, kehrt endlich nach Moskau zurück und siedelt
sich in dem Wunderkloster an. Auf den Wunsch des Abtes Paphnutij
wird er vom Patriarchen Hiob zum Diakon geweiht, beginnt ketzerische
Bücher zu lesen und wird selbst zum Ketzer. Er entfernt sich abermals
aus Moskau und zwar in das ügreSskij Nikolajkloster, dann nach Ko-
stroma in das ^eleznoborovskijkloster Johanns des Täufers und taucht
nun zum dritten Male in Moskau auf. Erst jetzt verleugnet er den ortho-
doxen Glauben und entflieht nach Polen, indem er noch zwei Mönche
den Misail und Barlaam zur Flucht verführt. Nach dieser Erzählung
ArekiT fftr ilaTiMh« Philologie. XXI. 1 1
1 62 Eugen §oepkin,
folgt in der »Sage ans dem J. 1606« die Anklage des Barlaam. Weder
der Dienst des Gregor bei den Romanov, noch seine Trunksucht , noch
seine Verbrechen, noch sein Dienst beim Patriarchen Hieb etc. werden
in der )>Sage< erwähnt. Nach Boris hätte JnSka eine wilde Jugend hinter
sich, wäre auch mehrmals seinem Vater entflohen; die Sage erwähnt nur
seine schwärmerischen Wanderjahre von der gottesfürchtigen Matter
zum H. Triphon, aus den orthodoxen Klöstern des Reiches Moskau nach
dem ketzerischen Polen. Wenn wir uns daran halten, dass Jn&ka bei
den Romanovy und dem Fürsten Öerkaskij (sowohl den Briefen des
Boris, als auch den Reden der Gesandten Volkonskij und Ivanov zn
Folge) gedient hat, so können wir seinen Eintritt ins Kloster, wie ihn
die Sage aus dem J. 1606 erzählt, nicht mit der Verfolgung gegen die
Romanovy und den Cerkaskij (vgl. die Sage vom GriSka Otrepjev) in
Zusammenhang bringen (sonst wflrde man ihn um das J. 1600 Mönch
und kaum 20 Jahre alt Car werden lassen mttssen). Die »Sage aus dem
J. 1606ff schildert nns überhaupt den JuSka als eine von Kindheit an
durch und durch religiöse Natur, welche durch die Kraft des Denkens,
nicht aber auf den Umwegen der Libertinage in eine Ketzerei verfällt.
Während der 14 Jahre bis zum Eintritt ins Erlöster hätte Griika der
»Sage aus dem J. 1606« überhaupt keine Zeit gehabt Alles dasjenige
durchzumachen, was seinem Griska Boris zugeschrieben hat. Wir
müssen also die ganze »Sagea entweder als eine freie Dichtung eines zu
den Canzleien des V. Snjskij nahe gestandenen Verfassers auffassen,
oder den Otrepjev der »Sage« für einen Doppelgänger des Trunken-
boldes GriSka halten, wie er von Boris und Hieb geschildert wird, fär
seinen Alterego , welcher unter demselben Namen sich in den Klöstern
verborgen hielt bis die Zeit für ihn kam, sich zum Demetrius zn ent-
puppen. Dem Geschichtschreiber bleibt nun die Wahl den Lebenslanf
des Gregor Otr. entweder nach Boris und Hiob , oder nach den Acten
aus der Regierungszeit des äujskij (Gesandtschaftsacten und die Sage
aus dem J. 1606 und die Anklage des Barlaam) zu erzählen. Sobald
er sich in die rein historischen Bearbeitungen des XVII. Jahrhunderts
vertieft, steht er überhaupt gleich auf einem unsicheren Boden. Für
nns hat diese ganze Literatur nur die Bedeutung eines eingebogenen
Spiegels für die officiellen Acten der zeitgenössischen Regierungen.
Nach den Zerrbildern dieses Spiegels können wir noch einmal alle die
Persönlichkeiten revidiren, welche dem FD nahe gestanden und den
Verdacht der Mitschuld seitens der officiellen Acten auf sich gezogen
Wer war PBeadodemetrins I. ? 1 63
haben; wir erkennen darin anch das Wechselspiel der officiellen Nach-
richten wieder, wie bald die gröberen Züge des Gregor, bald das feinere
Antlitz des Demetrins anftanchen. Wir glauben sogar die officiellen
Acten der Untersnchnng des V. äujskij (oder der zweiten des Boris
selbst, welche statt GrlSka den Dem. Rheor. ergeben hat) mit Hilfe der
historischen Werke der Zeit in einer nrsprflnglicheren Form wieder her-
stellen zn können, als wir sie in dem Oesandtschaftsregister des Volchon-
skij finden, denn die »Sage aus dem J. 1606a hat zweifelsohne die Er-
gebnisse dieser Untersuchung reiner aufbewahrt. Aber auch diese reinere
Traditioir der «Sage« kann vervollständigt werden. Die »Sage aus dem
J. 1606« (in der ausführlichen Redaktion, der s. g. »Neuen Sage« des
Prof. Bjeljaev) berichtet z. B., dass Boris seine schlimmen Mithelfer, den
Michail Bitjagovskij und Nikita EaSalov nach Ugli6 ausgesandt hätte.
Die übrigen Mörder werden gar nicht erwähnt und so gewinnt man den
Eindruck, als ob Mich. Bitj. selbst den CareviS überfallen hätte. Nun
bezeichnet aber die »Saget ^später die Mörder als böswillige Jünglinge
(sXO^eCTHBUH TLH lOHOmH . . OAHH'B SB OT'L EBSrh KSBJLeKh HOX'L CtC.)
Wenn wir die entsprechende Stelle in der kürzeren Redaktion (»Ge-
schichte wie Boris den Thron erschlichem] betrachten , so finden wir
dort zwischen dem Mich. Bitj. und Nikita Ea(. auch den Danilka Bitj.,
den Sohn, eingeschoben. So lautete wohl der ursprüngliche Text der
ausftlhrlicheren Sage und die Bezeichnung »Jünglinge« muss eben auf
den Daniil B. und Nikita Ea5. bezogen werden. Die Angabe, dass
Griska 14 Jahre alt gewesen, als er sich hat einkleiden lassen, finden
wir ausser der ausführlichen »Sage aus dem J. 1606« noch in der kür-
zeren Redaktion, in dem Neuen Annalisten, in der »Sage von der Re-
gierung des Garen Theodor IvanoviS.c Nun bringt aber diese letzte
Sage, welche der kürzeren Redaktion folgt («Geschichte wie Boris den
Thron erschlichen«, vgl. die Aufzählung der flüchtigen Mönche — Misail,
Benedikt und Leonid) die Nachricht, dass GriSka zur Zeit des Mordes
zu Ugli£ auch 10 Jahre alt gewesen. Es entspricht den Berichten, dass
FD um ein Paar Jahre älter ausgesehen, als der echte CareviS sein sollte.
Dann würde seine Mönchsweihe in das J. 1595 fallen; in diesem Jahre
war der H. Triphon wirklich in Moskau. Dieselbe »Sage von der Re-
gierung des Garen Theodor« fügt noch die Aussage hinzu, welche D.
über seine Rettung in Polen gethan haben soll: eine gewisse Frau hätte
ihn vor dem Mordanschlage des Boris gerettet und in ein Kloster unter
Obhut gegeben; so hätte er die Mönchskleider aus Furcht vor Boris
164 Eugen §cepkin,
auferlegt. Diese Nachricht jfäUt wirklich mit derjenigen Anssage des
FD ttberein, welche er in seinem polnischen Briefe an den Papst und
auch sonst in Polen gethan hatte [vgl. Narratio Succ. und die Erklärung
der polnischen Gesandten aus dem J. 1608). Die sSage von der Re-
gierung des Caren Theodor« hatte also entweder eine eigene besondere
Quelle für sich benutzt , oder, was wir als das wahrscheinlichere an-
nehmen, sie hat die ihr mit der nSage aus dem J. 1606« gemeinsame
Urquelle reicher benutzt. Der N. Annalist und Nikons Annalen haben
z. B. aus dieser Urquelle die Zusammenkunft des GriSka mit dem H.
Triphon weggelassen, sie geben indessen ganz sicher an, dass Griska
in Moskau geschoren, was die Sage aus dem J. 1606 und die Sage von
der Regiemng des Caren Theodor nur andeuten. Andererseits hat
die kürzere Bedaktion der »Sage aus dem J. 1606a, d. w. s. die Ge-
schichte, wie Boris den Thron erschlichen, die Flucht des Gri&ka mit
Benedikt nnd Leonid ohne Zweifel aus der gemeinsamen Urquelle ent-
nommen; die ausführlichere Redaktion, d. w. s. »Eine Neue Saget, hat
statt dessen das Zeugniss des Barlaam eingeschoben. Es muss also eine
officielle Aufschrift vorausgesetzt werden, wo die Schicksale des GriSka
gerade so eingetragen waren, wie sie die sGeschichte wie Boris den
Thron erschlichena und die >Sage von der Regierung des Caren Theodor«
wiedergeben ^). Wenn wir nun diese officielle Legende aus den Zeiten
des V. äujskij mit dem Register der Gesandten Volchonskij und Jvanov
vergleichen (Statejnyj Spisok), so ftUt es von selbst auf, dass in dem Re-
gister der Gesandten die Aussagen des Boris über den Griska (Dienst
bei den Romanovy, unordentliches Leben) mit der Auskunft der officiellen
Urquelle combinirt sind, welche der Sage aus dem J. 1606, der Sage
von der Regierung des Caren Theodor und dem Neuen Annalisten zu
Grunde gelegen. Wir ziehen daraus den Schluss, dass die Regierung
des äujskij es keineswegs wünschte mit denjenigen Aussagen, welche
bereits Boris in Warschau und Wien gegeben, in Widerspruch zu kommen
nnd also die Ergebnisse einer neueren Untersuchung künstlich damit in
Einklang brachte; das Lebensalter des Griska beim Eintritte ins Kloster
wurde dabei ausgelassen. Der GriSka des Boris ist mit dem GriSka des
äujskij in dem Register der Gesandtschaft zu einem Körper verwachsen^).
^) Vgl. noch den Satz »xaKOH se cBaroyÖinta, ^to h EopHCi ro;r7HOB'B «
nach allen drei Redactionen t
3) Sehr charakteristisch für die Wirrenzeit ist der Lebenslauf des Erz-
bischofs von Elasson, Arsenij, dessen Tagebücher und Vita Prof. Dmitriev-
Wer war PseadodemetriaB I. ? 165
Erst nnter der Regierung des Michail Bomanov ist der Chronograph
des Djak Ivan Timotheev entstanden (BpeMeHHniCL no ce^MOH Tucnnp
Bkij unlängst in Trapeznnt in griechischer Sprache aufgefunden hat. Um das
Jahr 1548—1549 in Thessalien geboren und noch in der Jugend zum Mönche
geschoren, hat er im J. 1586 als Erzbischof von Elasson und Gesandter des
Patriarchen von Konstantinopel zum ersten Male Moskau besucht. Auf der
Bttckreise ist er in Ljvoy (Lemberg) eingekehrt und hier für zwei Jahre ge-
blieben, um den Kampf gegen die Römlinge aufzunehmen und sowohl das
Griechische , als auch das Kirchenslavische vorzutragen. Als der Patriarch von
Konstantinopel Jeremias seine Reise nach Moskau unternommen hatte, da hat
sieh Arsenij in Polen an ihn angeschlossen und unter der Wahlurkunde des
ersten Patriarchen von Moskau, Hieb, seinen Namen unterschrieben. Jetzt
im J. 1589 hat er vom Garen Theodor die Erlaubniss in Russland zu bleiben
und Güter zu seinem Unterhalte zum Geschenk erhalten. Dank dieser Unter-
stützung konnte er in der Kremlburg in der Nähe des Carenpalastes sich eine
Wohnung und sogar eine Kirche zu Ehren des H. Demetrius von Thessalo-
nich begründen. Um das J. 1596 — 97 hat er auf Befehl des Garen Theodor
eine Anstellung bei den Carengräbem in dem Archangelskij Sobor (Erz-
engelskathedrale) erhalten, Im J. 1598 hat Arsenij von Elasson die Wahl-
Urkunde des Garen Boris unterschrieben, am 20. Juni 1605 hat er aus der
Mariahimmelfahrt- nach der Erzengelskathedrale den Pseudodemetrius I. zu
den Gräbern seiner vermeintlichen Vorfahren geleitet ; hier hat er die Er-
klärung des Garen über seine Abstammung von Johann dem Schrecklichen
und dessen Anerkennung seitens des Volkes angehört Den 24. Juni 1605 hat
er an der Absetzung des Patriarchen Hiob und der Wahl des Griechen Ignat^,
des Erzbischofs von Rjazanj, zu seinem Nachfolger Theil genommen. Am
21. Juli hat er in der Erzengelskathedrale bei den Gräbern der Garen Johann
und Theodor den PD mit der Krone des Monomachos gekrönt. Am 8. Mai
des J. 1606 hat Arsenij zugleich mit dem Erzbischof Theodosius von Astra-
chanj auch der Marina Mniszech die Krone dargeboten. In demselben Monate
Mai ist er bei der Wahl des Garen §ujskij betheiligt gewesen. Den 3. Febr.
1607 hat Arsenij zugleich mit dem Metropoliten Paphnutij (dem früheren
Abte des Wunderklosters) den Entschluss unterstützt, den abgesetzten Pa-
triarchen Hiob aus Starica kommen zu lassen, um das Volk von der Sünde
des Verrathes an dem Garen Boris zu erlösen. Auch nach der Absetzung des
Garen §ujskij verblieb Arsenij in Moskau. Als die polnische Besatzung sich
in der Kremlburg eingeschlossen hatte und das Anrücken der Armee des
Königs Sigismund III. erwartete, hat Arsenij während der ganzen Belagerung
auf seinem Posten ausgeharrt. Am 5. Oktober 1611 hat er die Schreiben an den
König von Polen und seinen Sohn unterschrieben, welche den Korolevie Via-
dislav nach Moskau einluden. Als im November des J. 1612 die polnisefae
Besatzung sich den Fürsten Trubeckoj und Pozarskij ergeben hatte, da wurde
Arsenij für seine Ausdauer reich belohnt. Am 2. Mai 1613 ist er dem neuen
Garen Michail Romanov entgegengezogen und hat ihn zu den GarengrSbern
166 Eugen §oepkio,
OT'B coTBopeniü cB^Ta bo ocmoS b% nepBLie Ji^Ta}. Als Djak einer von
den Moskauer Kanzleien (Prikaznyj Djak) hat Ivan Timotheev seinen
in die ihm anvertraute Erzengelskathedrale geleitet. Dnrch die Stürme der
6 Regierungen hat also der Byzantiner glücklich sein Schiff gesteuert. Im
J. 1615 wurde er zum Erzbischof von Suzdal befördert und ist um das J. 1626
aus dem Leben geschieden. Im XVII. Jahrh. ging man eine Zeitlang damit
um, den Arsenij von Elasson heilig zu sprechen.
Ueber die Tagesereignisse berichtet Arsenij in seinen Lebenserinnerun-
gen gemäss der russischen Tradition. Er glaubt, dass der Carevic D. auf Be-
fehl des Boris ermordet wurde, hält den PD fUr den Mönch Gregor n. dgl. m.
Wichtig ist indessen seine Nachricht über das Wunderkloster. Nach der Er-
zählung des Arsenij hätte PD beim Anmärsche gegen Moskau Leute voraus-
geschickt, um den Patriarchen Hiob nnd den Archimandriten des Wunder-
klosters Barlaam in die Verbannung zu schicken. Dadurch wird unsere An-
nahme bestätigt, dass Paphnutij noch von Hiob entfernt nnd durch einen
anderen, dem Unternehmen des PD feindlichen Abt ersetzt worden ist (vgl.
TpyABi KieBCKOH ^yx. AnaA. 1898, Ahbepl, MapTi»). Diese Annahme wird auch
durch die Tabellen des Stroev bestätigt, obgleich sie der Nachricht des Ar-
senij widersprechen. Nach Stroev ist Paphnutij die Jahre 1595 — 1604 Abt
des Wunderklosters, seit 1605 Metropolit von Kruticy gewesen. Für das
J. 1605 und Anfang des J. 1606 gibt Stroev einen gewissen Elias als Abt des
Wunderklosters an, den Barlaam erwähnt er erst für Juni 1606. Noch eine
ganze Reihe von neuen zum Theil einzelnstehenden, zum Theil den russischen
Quellen widersprechenden Nachrichten sind in den Memoiren des Arsenij v. E.
enthalten. Sie bestätigen die russischen Berichte darüber, dass die Geistlich-
keit von Moskau sowohl dem PD selbst entgegengezogen war, als seine Wer-
bung um Marina Mniszech unterstützt hat {Kai avBX&ovjog avxov ßaoiXitag
j^rjfArft^lov eis fXByaXrjv Moa^oßiav anas o Xabg idix^ avxoy fXBxa na^^rjäiag
fXByaXtjs xal nqovnavxrjxricav avxov nayxss ol äQ^iB^els xai leQSis fiBxa nay-
xog xov Xaov fisxa xifjtiiov xal aylfov axavQtay xal slxoyoty . . . iy xoni^ Aovfji-
nXiytfi, d. w. s. auf dem öffentlichen Platze, Lobnoe Mjesto). Nun berichtet
aber Arsenij sehr Sonderbares über die Wahl des Patriarchen Ignatij und die
Krönung und Trauung des Demetrius und der Marina. Danach hätte D. den
Hiob für allzublind erklärt, um weiterhin auf der Katheder zu verbleiben,
nnd die Geistlichkeit aufgefordert, sich einen neuen Patriarchen zu wählen.
So hätte nun eine gesetzliche Wahl *des Ignatij zum Patriarchen stattgefun-
den; am 30. Juni hat er die Katheder bestiegen. Den russischen Quellen zu-
folge war indessen die Absetzung des Hiob und die Ernennung des Ignatij
eine eigenmächtige Gewaltthat des Garen Demetrius I. Was speciell die
Krönung der Marina und ihre Trauung mit D. I. betrifft, so erzählt Arsenij,
als ob die Abneigung der Carin gegen die Orthodoxie so weit gegangen, dass
sie nnd ihr Gemahl am 8. Mai es, versagt hätten, zur Communion zu gehen.
Diese Vernachlässigung des orthodoxen Brauches und die Vorliebe der Ma-
rina zur polnischen Kleidung haben, dem Arsenij zufolge, den Untergang des
Wer war Pseudodemetrins I. ? 1 67
Namen unter der Wahlorknnde des Caren Boris im J. 1598 unterschrie-
ben nnd nnter der Einwirkung des Metropoliten Isidor von Novgorod,
wo er nm die J. 1608 — 10 als des »Fflrstentf Djak erwähnt wird, seinen
Chronographen begonnen. Dieser Chronograph , welcher schon durch
seine bizarre Sprache dem Forscher viele Schwierigkeiten bereitet, war
wenig verbreitet und ist in einer verstümmelten Handschrift bis auf uns
gekommen, welche vom Prof. Platonov veröffentlicht ist.^) Timotheev
glaubt daran, dass Boris den Caren Tlfeodor vergiftet, den CareviS
Demetrius durch Meuchelmörder aus dem Wege geräumt hatte; als das
Werkzeug des Boris wird bei der Ermordung des D. ein Cognatus des
Caren Andreas EleSnin (Lupp) g^annt. (Oöp^T'B . . Jlyiina n^Koero,
öpaxa CH CBOHCTBOH'B H A^jatOM'B) . Soust spendet Timotheev der staats-
männischen Kunst des Boris während der ersten Jahre seiner Regierung
reiches Lob. Als Verfasser des Chronographen hält er den FD für den
Mönch Otrepjev, gesteht aber, dass die Russen, welche mit der Regierung
des Boris missvergnügt waren und an die Echtheit des Demetrius glaub-
ten, sich in den Willen des Prätendenten ergeben hätten , als er noch in
Carenpaares verursacht {Kai fASja xov aTeq)aytooai avxovSt o^* i^i^v^'**^ ^f*"
tpoTEQot fjietaXaßely tiov &si(ay fjivaxrjqifov. Tovro fAByakois ikvntjaBy anayrag
. . . TovTo ovv iyivBTO ngarttj xal fjieyaXrj Xvnrj xai aQxv "^^^ axay&aXov xai
airia noXX&y xaxöiy eh nayxa xoy Xaoy Moa^oßlag xal naarjs Ptaaaiag). Nun
hat aber der Patriarch Philaret (PyccK. ApxuB'B, 1892. 1. BopoÖBes-L) sich dahin
geäussert, dass sowohl D., als auch Marina das Abendmahl nach dem ortho«-
doxen Ritns genossen hätten. Unbekannt war bis jetzt auch der Plan der
Familie Mniszech, eine Ehe zwischen der verwittweten Carin Marina und dem
Caren Yasilij äujskij zu Stande zu bringen {'Eity ovy ijS'sXe Xaßu rr^y ßaci-
Xicaay Maqiay eig yvyaXxa . . . &eXov<fijs xal tfjg ßaaiXicfft^g xal jov naxqos
avx^g FemQyiov £ayxofx^ri xal xtoy uvy avx^ nayxtoy). Bei der Erzählung
von der Belagerung der Eremlburg durch die Heerschaaren der russischen
Städte im J. 1611 erwähnen die Memoiren des Arsenij den Tod des Metro-
politen von Eruticy, Paphnutij, des früheren Abtes in dem Wunderklpster,
wo er nun bestattet worden ist; er wird hier als ein gottesfürchtiger Asket
geschildert Die Memoiren sind indessen allzu freigebig in ihren Lobsprttchen ;
sogar so einen wüsten Barbaren, wie PD II., preisen sie als yioy tpQoyi/noy,
xaXoy xal iXe^fioya xal noXXie y^afAfiaxiCfiiyoy xal doxifjLoy xov noXifiov.
Gegenwärtig ist es noch zu früh, sich eine feste Anschauung von den Me-
moiren des Arsenij zu bilden. Prof. DmitrievskiJ hat vorläufig nur Excerpte
veröffentlicht und macht Hoffnung auf eine eingehende Prüfung des Denk-
mals (TpyAi>i KieBCKou AyzoBHOH ARaAeMÜr, 1898, Januar — ^Mai). Die Commu-
nion der Marina wird durch die polnischen Nachrichten bestätigt. Vgl. Hirsch-
berg, Dymitr Samozwaniec, S. 237.
J) PyccK. HcT. Bh6ä., t. XIII.
168 Engen ^pkin,
Polen war (en^e eir^ bh^ cyn^y npeA^'B PyccKiH sbihjh caMoxoTH^
noBHHymacfl bch). Sajskij hat, nach der Meinung des Timotheev, den
Thron auch als Usurpator ohne Einwilligung des Volkes und des Patriar-
chen bestiegen und als unsittlicher, gransamer, verschwenderischer und
abergläubischer Oar darauf regiert. Von Wichtigkeit könnte fflr die Oe-
Bchichte des FD das Zeugniss des Fflrsten Chvorostinin ausgefallen sein,
wenn er aufrichtiger in seinem Werke gewesen wäre, worin er die
Tagesgeschichte, die Caren und die Hierarchen Moskaus besprochen
hatte. (GjOBeca ahoh h i^apeS h cBATHTejKen Mockobckhxte, eace ecTi»
BX PoccIh). Ein übermttthiger Jflngling, stand er als Mundschenk dem
freisinnigen, ausgelassenen FD nahe genug, um nach dessen Tode unter
äujskij der Ketzerei angeklagt und in ein Kloster eingesperrt zu werden.
Man sprach sogar davon, dass er sich die Gunst des Caren frivol durch
eigene Schande erkauft hätte (s. Massa). Unter Michail Bomanov ist er
wieder als Yojevode angestellt. Seine Hinneigung zur westeuropäischen
Bildung, sein Hang zum Weine und seine Arroganz haben ihm neue
Verfolgungen zugezogen. Man fand bei ihm lateinische Bücher, katho-
lische Heiligenbilder, höhnische Verse auf die Moskauer Sitten und ver-
bannte ihn zur Ausbesserung abermals in ein Kloster (im J. 7131). Erst
im Jänner des J. 1624, kurz vor seinem Tode wurde er begnadigt, nach-
dem er geschworen hatte, sich streng an die Orthodoxie zu halten.^)
In seinen »Wortena über die Tagesgeschichte sucht er sich von den über
ihn schwebenden Beschuldigungen zu reinigen. Er schont seinen früheren
Herrn keineswegs, bezeichnet den Garen Demetrius, als den Mönch
Gregor, als den stinkenden Hund auf dem Throne, aber schweigt sonst
von seiner Lebensgeschichte. Er bemerkt nur über die Art des PD zu
regieren, dass er die Alleinherrschaft über den menschlichen Brauch
gehoben und viel Blut vergossen hätte (Mucjmo TSie n Tii^aHieH'B MHoro
B03BUCHBCA, H caMo;^epa:aBie Buine ^ejOB^^ecKHX'B otfu^aes'B ycTpo-
AA H KpoBH npojGBBaH) . Vielleicht um seinen eigenen Dienst beim FD
zu rechtfertigen, hebt Chvorostinin hervor, dass der Clerus, die Stadt
Moskau und ganz Bussland an die Echtheit des Caren geglaubt und ihn
mit Ehren empfangen hätten (cBHTHTejLCKiH ^izh'b h epcHCKiH co6opx
CB eyn^HMH XHTejm ÖJiaroii^nHO no^Toma 6e33aKOHHaro co cbatlimh
HKOHaifH, ncajmiii h nicHbHH ayzobhumh ytfjiaxmna ero Bei poAU
rpa;i;a Toro h bca crpana npcKJOHHCH is% noxBajeHiio Toro). Chvo-
rostinin war nicht der einzige, welcher jedes Andenken daran auszu-
1) S. Go6p. Tp. H AoT.y ni, Nr. 90. Aktli Apx. 3Rcn.,.Nr. 147 und 149.
Wer war PBeudodemetrius I. ? 169
merzen sachte , dass er seine hohe Stellung dem FD verdankte. Es
wurde z. B. im XVII. Jahrh. officiell angenommen, dass Philaret (Ro-
manov) erst vom Patriarchen Hermogen zum Metropoliten von Rostov
ernannt wftre; indessen hat Philaret noch vor der Ernennung des Her-
mogen zum Patriarchen bereits als Metropolit von Rostov die Reliquien
des Heiligen CareviS Demetrins in UgliS enthüllt. Der Chronograph
ans d^m J. 1617 berichtet in klaren Worten, dass Philaret diese seine
Ernennung dem FD verdankt.
(Fortsetzung folgt.)
Zur GescMchte des Glagolismns in Böhmen.
Der böhmische König Karl lY. gründete bekanntlich in Böhmen und
in Prag eine ganze Reihe von neuen Klöstern, in welchen er dieslavische
Liturgie einführen wollte*). Ausserdem geschah damals auch noch
manches, um das slavische Element in der böhmischen Oeistlichkeit zu
stärken. So beschloss im Jahre 1342, wahrscheinlich nicht ohne An-
theilnahme Karl IV., der Probst und das Convent des Klosters von
Roudnice, in das genannte Kloster nur gebürtige Böhmen (Öechen) auf-
zunehmen, und Papst Clemens VI. bestätigte, den Bitten des Abtes^
Oonventes und Karl IV. nachgebend, am 11. Januar 1349 diesen Be-
schlüsse) . Für den Besuch dieses Klosters erhielten sogar weltliche an
1} Aufgezählt sind diese Klöster bei Kfiisek, N4stin dejü kUstera Be-
nediktinsk^ho na Slovanech, vübec Emaus nazvan^ho, v Nov6m mhBth Pral^^
»k^m, za doby mnichü slovansk^^ch in Pam4tky archeol. a mistopisn^. 1855.
Dil I. SOS. V. S. 193.
*) Emier, Diplomataf kUstera blahoslaven^ Panny Marie feholnich
kanovnikü f&du s. Augustina v Rouduici in SitzuDgsber. der k. böhm. Gesell-
Bchaft der Wiss. in Prag 1893, Nr. 9, S. 13: ... et quod de dictis statutis in
ea parte, ubi prefatus episcopus (loannes IV.) ipsius monasterii quedam di-
vina officia certo modo et ordlne celebrari sub anathematis pena mandavit et
alias, ubi statuit personas, que non essent de lingua seu uacioneBohemica, in
eanonicos dicti monasterii recipi non deberet, dictam anathematis penam et
170 P- Syrku,
den Festen des Herrn Ablässe vom Prager Erzbischof Ernst, aber anch
jene, die vor der Predigt für den König und den Erzbischof Hospodine
pomilnj ny gesnngen hätten ^] . Ob etwas ähnliches anch fflr andere Klöster
bestimmt wurde, ist mir gegenwärtig unbekannt. Mag dem so oder
anders sein, Papst Clemens VI. gab die Einwilligung auch zur Eröffnung
eines rein slavischen Klosters, des benediktinischen Emmaus-Klosters,
welches von Karl lY. in der Neustadt (na Now^m mSst^j in Prag im
Jahre 1348^) mit slavischer Lituigie (nach Karl IV. »in nobili lingna
8lauonica«3), »lingua bohemica, I. natali, natural!«)^) gegründet worden
ist. Das Kloster war geweiht dem Andenken gloriosissimi confessoris
beati Jeronimi Strydoniensis Doctoris egregii, et translatoris, interpre-
tisque eximii sacre scipture de Ebraica in latinam et slauonicam lingnas;
die Kirche hatte den Namen Cosme et Damiani, Cyrilli et Methndii,
Adalberti et Procopii, patronorum regni Bohemiae Martyrum et Con-
fessorum. Das Kloster wurde von Karl ausgeschmflckt^) und mit vielen
personarum excepcionem tollere dignaremur super hoc humiliter
supplicantis de statutis eiusdem sublatis et penitus irritatis. 1348, Jan. 11
in Avignon. Noch in demselben Jahre wurde diese Verordnung durch den
Prager Erzbischof Ernst abgeschafft. Ib. Nr. 10, S. 15.
1) Ib. Nr. 13, S. 20: ... postremo eciam, quocienscumque quis sermoni
ibidem interfuerit pro regOi archiepiscopo, Hospodine pomilug ny ante ser-
monein cum aliis cantaverit. Die Urkunde ist vom 26. Febr. 1358 ; auch die
Feste sind in ihr aufgezählt.
2j Ausführliches darüber s. Pelzel, Kaiser Karl IV., König in Böhmen,
I. Prag 1789. S. 186—187 und bei Friedjung, Kaiser Karl IV. Wien 1876.
S. 120 — 1 24. Nach einigen ist von Karl ein slav. Kloster noch in Deutschland zu
Ingelheim gegründet worden. Hanns, Quellenkunde der Bibl. u. Liter. S.24;
Friedjung, S. 122, Bern. 4.
3] Pelzel op. c. S. 385, Nr. CCCXLIII. Bei einigen Gelehrten wird so-
gar aus diesem Anlass über die Nationalität Karl's IV. disputirt. Werun-
sky, Gesch. Kaiser Karl's IV. und seiner Zeit. I. Innsbruck 1880, S. 442— 445;
L oserth , Ueber die Nationalität Karl's IV. in Mittheil, des Vereins f. Gesch.
der Deutschen in Böhmen XVII. S. 291 und Kalouse^, Ueber die Natio-
nalität Karl's IV. Entgegnung auf einen von Prof Dr. J. Loserth unter dem-
selben Titel geschriebenen Aufsatz. Abgedrucktausder »Politik« 1897. Prag
1897, S. 3 sqq.
*) Pelzel I, 95 u. 98; II, Prag 1781, S. 972; Werunsky, S. 443; Stulc,
Pohled na literaturu ceskou veku Karla IV. im Progr. des k. k. AltstSdter-
Staatsgymn. zu Prag 1856. S. V; Kfizek, N&stin, S. 195.
^} Die Acten über den Aufbau und das Einrichten des slav. Klosters in
Prag sind in einem besonderen Pergamentbuche Registrum Literarum Mo-
Zur Geschichte des Glagolismus in Bühmen. 171
•
Landgütern und Gutsappertinentien beschenkt^}; überhaupt Hessen sich
Karl IV. und seine Gemahlin Bianca dasselbe' angelegen sein^). Die
eisten Mdnche wurden hierher, vom Prager Erzbischof Ernst s) berufen;
sie waren nicht durchwegs Böhmen, aber vorzüglich Slaven, wie Efiiek,
doch ohne den Grund anzugeben, sagt, aus Croatien, Bosnien, Serbien
und Dalmatien, darunter auch russische Bulgaren, Croaten, Serben und
Dalmatiner^). Man kann gegründete Zweifel hegen, dass die Mönche
aus allen diesen Ländern her waren. So viel mir bekannt ist, waren
wenigsten in Bosnien schwerlich jemals Benediktiner, wo es bekanntlich
immer nur Franciskaner gegeben hat ^). Viel wahrscheinlicher Jst
meiner Meinung nach jene Voraussetzung oder Ansicht, dass die von
Karl berufenen Mönche aus dem kroatisch-dalmatinischen Küstenland
herstammten. Der utraquistische Priester Bohuslaw Bilejowsky sagt,
dass Karl aus Zengg (Segna) die Glagoliten berufen hat ^). Er fügt
hinzu, Karl IV. habe aus Liebe zur böhmischen (cechischen) Sprache das
Klässter Slowany des h. Hieronymus gegründet und dort sei der Gottes-
dienst in slavischer Sprache verrichtet worden. Er hatte auch mit slavi-
schen Buchstaben geschriebene Bücher: Bibeln, Psalter, Missale und
andere liturgische Bücher gesammelt, welche auch jetzt dort seien'').
Das Emmaus-Kloster wurde noch slowansky oder na Slowanech nach
nasteril Sla verum enthalten. Alle diese Urkunden sind abgedruckt bei Pe 1-
zel I, S. 84 sqq.; II, S. 382 sqq.; die angezeigte Stelle s. I, S. 91—93. Nr.
Lxxxm.
i) Ib. I. S. 91 sqq.
2) Ib.I. Nm.LXXXIII,LXXXVI,LXXXVIII— C,CXC; II. Nr.CCCXL
und CCCXLIII.
3) Ueber seine Person und seine Bolle in der Stadt siehe einen übrigens
wenig inhaltsreichen Artikel des Benediktiners Methodej Voj&cek: Arci-
biskup Amost z Pardubic in Al^theia, I. Jahrg. 1897, S. 3 — 11, wo auch die
Literatur angegeben ist.
«) N&stin, S. 194.
^) Cf. Bati nid, Djelovanje Franjevaca u Bosni i Hereegovini, I. S. 29 ff.
[Agram 1881).
•) Boh. Bilegowsk^ho, Kronyka Cyrkewnj — Wyd. od Joz. Skalic-
k6ho. W Praze 1816, S. 22: Tak6 y mnichüv toho um^nj (d. 1. slowansk^ho)
z Sene i^e dobyl, aby oecby tomu uoili. Friedjung. S. 122 f.; Kolar, Sitz.-
Ber. der k. böhm. Ges. d. Wiss. 1879, S. 403.
T) Kronyka Cyrkewnj, S. 22.
172 P- Syrku,
den dort befindlichen slavischen Mönchen benannt i). Ob nnn in diesem
1) Ans Anlass der Berufung der kroatischen Mönche nach Emmaus sagt
Hajek, Chronyka czeski, Prag 1541, Bl. CCCXVIIIb und nach ihm Bart.
Paprocky^Diadochns, Prag 1602, S. 324, dass sn cl^eohowe od slowaknow
Bwuog pocatek wzali a z yazyku Slowanskeho possli (Hajek). Unzweifelhaft
ist das eine Beflezion der im Mittelalter herrschenden Ansicht, dass die
Böhmen von den Kroaten herstammen. Der erste spricht davon Dalimil in der
Reimchronik :
W syrbskem yazyku yest zemye,
giesto Charwaty yest gmye.
W tey zemy byesse loch,
gemuzto gmye byesse czech.
Dieser Czech mnsste wegen muzoboystva sein Land verlassen. Der
habe sechs Brüder :
prouyez myegiesse mocz y czest
A otnych mnoho czeledy
Weiter erzählt die Chronik, dass er sein Vaterland auf immer ver-
lassend , mit seinem ganzen Geschlechte durch Wälder wanderte und nach
langem und unangenehmen Umherirren zu einem Berge gelangte, bei welchem
er mit seinen Kindern, die er auf seinen Schultern trug, mit seiner Diener-
schaft und Habe stehen blieb. Am folgenden Tage bestieg er den Berg und
die Gegend besichtigend sah er das Land an Producten verschiedener Art, an
Thieren und Vögeln, reich, und er beschloss deshalb, auf immer hier mit allen
Seinen zu bleiben. Den Berg benannte man Rzyp. Zum Oberhaupt wurde
Cech gewählt, wovon auch das Land den Namen Czechy bekam. Kronika
Dalimilova. Nach der Handschrift in Cambridge herausgegeben von i)r. V.E.
Mourek, Prag 1892, S. 4—7 ; Dalimilova chronika ceskÄ, herausg. vonV.Hanka
mit Bemerkungen von Jan Orth. Prag. 1874,3.7 — H. Siehe auch deutsch :
Dalimil Über Ursprung des böhmischen Landes in Voigt's Acta Utteraria Bohe-
miae et Moraviae, S. 188. Hajek gibt in der Kronyka czeskA eine ziemlich
genaue Erzählung von der Ankunft der Knijiata Chrowatski Czech a Lech
in Böhmen und von ihrer Ansiedlung. Der Inhalt der Erzählung ist derselbe
wie bei Dalimil : der Hauptnnterschied liegt darin, dass hier nicht der einzige
Czech , sondern auch Lech , zwei Brüder erscheinen. Endlich erzählt davon
auch der Jesuit Bohuslav Balbinus (i 1688), Epitome histor. rerum Bohemi-
carum, Prag 1677, aber mit einigen Zuthaten, namentlich, dass die beiden
Brüder Cech und Lech lange Zeit in Croatien in ihren Burgen Krapina und
Psara gelebt haben, woher sie im J. 278 zur Zeit des Markomannenkrieges mit
dem markom. Könige Zalmanin nach Böhmen gekommen sind, welches sie
sich nach diesem Könige und dessen Sohne Tursko unterwarfen. Özech
wurde König. Von den äechen trennte sich Lech, der Bruder des Cech, der
Polen besetzte, wo sich zuletzt das polnische Reich herausgebildet habe
(S. 70 f.). W. Nehring, Ueber die Namen fiir Polen und Lochen im Arch. f.
Zar Gesohiohte des GlagoÜBmiiB in Böhmen. 173
Kloster der Gottesdienst nur slavisch oder bisweilen anch Uteiniseh ver-
slay. Phil. III S. 470. Diese Tradition existirt auch bei den Polen, bei welchen
sich die Benennung Lechitae znerst bei Vinc. Eadlubek (f 1223) vorfindet;
die Ueberlieferungssage selbst findet sich in einer späteren Chronik des Bo-
gii£al (i 1253) — Pasko — und ziemlich genau bei D^agosz (f 1460) und bei
anderen vor, worüber Nehring's oben angeführte Abhandlung einzusehen ist
Im Uebrigen hat er nicht die entsprechende Aufmerksamkeit auf die Worte
Hajek's gelenkt, der sich ebenfalls auf polnische Schriftsteller beruft, nament-
lich auf Philipp Kalimach und Hatth. Mechovita. Op. c, vergl. V. Klaiö, Prica
o Cehu, Lehn i Mehu im Yienac, 1889, XXI. Jahrgang, S. 92. — Diese Sage
existirt auch bei den Kroaten noch heutzutage und ist mit dem Namen des
Ortes Krapina yerknUpft. L. Gaj, Die Schlösser bei Krapina. Karlstadt 1826,
eit bei Knlakowskij, Illirizm':^. Warschau 1891, S. 83 f., er führt die Sage aus
dem nicht herausgegebenen Werke Gajs (ausführliche Geschichte Illyriens)
an; vergl. s. Bemerkungen zum III. Tb., s. 019 — 020. Maretiö, Slaveni u
davnini, Agram 1889, cf. S. 26. Bei ihnen war diese Sage auch im vergangenen
Jarhundert bekannt Inwieweit sie bekannt ist (cf. Maretiö, S. 26), begegnet
uns die Slteste Erwähnung bei Faustus Vranciö oder Verantius im Dictiona-
rium qninque nobilissimarum Europae linguarum. Yenetiis 1595, im Vor-
wort: Ex his (Croatiae) finibus puritatem linguae suae, quam habent, una cum
primis dncibus suis Lecho et Cecho, Poloni et Bohemi receperunt. Maretlö
(1. c.) weist auf ein anderes Werk des Verantius hin, in welchem über diese
Tradition gesprochen wird und zwar auf: !^vot nikoliko izabranih divic.
U Bimu 1606; leider ist mir aber dasselbe unbekannt geblieben; zu Ende
dieses Buches, sagt Maretic, erwähnt Verantius den Cech, Leh uud Bus, doch
fügt er hinzu, dass das unwahr ist, was von ihnen gesprochen wird. Dann
spricht von dieser Sage 90 Jahre später Pavle Vitezoviö in seiner Chronik
(heransg. 1696) unter dem Jahre 650 : okolu ovoga vremena nikoteri böte, da
SU tri brata Geh, Leh i Bus, hrvatska gospoda zaradi Ijudomorstva s vnogimi
prijateljmi , slugami i podloiniki prik Drave i Dunaja otisli, i äeh CcBko, Leh
Leiko aliti Poljsko, a Bus rusko kraljevstvo zasadili (bei llÜaretiö S. 27) . Vitezo-
viö stellte seine Chronik von der Erschaffung der Welt bis zum Jahre 1578 nach
der »Kronika vezda znoviS zpravljena« (Laibach 157S) von Antun Vramec
zusammen; doch finden wir bei dem letzteren kein Wort von dieser Sage
(Haretiö S. 27). Mauro Orbini, II Begno degl Slavi. In Pesaio 1601, S. 47—50,
spricht ziemlich ausführlich über die Ankunft der Brüder Czecho e Lecho
aus Groazia in das heutige Böhmen, d. h. in das germanische Land Bohemia,
und über die Ursachen, weswegen sie von dort ausgewandert sind ; sie machten
halt a monte, che s'erge fri duo fiumi Albio e Vltavia, gli habitanti lo chia-
mano Bzip; nach Darbringung von Opfern siedelten sie sich hier an ... .
Mauro Orbini weist auf Giovanni Dubravio al I libro, und zu Ende der Er-
zählung auf Venceslao Boemo, Matthia Mecovita, Giovanni Dubravio und
ICartino Cromero hin. — Fast gleichzeitig mit Mauro Orbini schrieb darüber
Luceari , Gapioso ristretto degli annali di Bagusa (Venedig 1605 und später
174 P. Syrku,
richtet würde, ist natürlich jetzt schwer zn sagen. Doch nach dem
Bagnsa 1790; [ich citire nach der ragasanischen Ausgabe], S. 5), welcher
sagt, dasB Lech e Cech frateili uterini dl Selimir; sie lebten la rocca di Psani,
posta yicino a} fiume Empa, confine di Groacia; von hier machten sie sich
auf den Weg im J. 550 und fanden paesi quasi disabitati die Servia, Boemia,
Moravia, Sveyia e Polonia, wo sie sich niederliessen Später schrieb
Rattkay (Memoria regum et bauorum regnorum Dalmatiae, Groatiae et Slavo-
niae. Viennae Anstriae, 1652, S. 23) darüber, dass Zagoriae sedes Arx cum
oppido Grapina fuit, Ghehy et Leby, fratrum virorum in Regno potentium na-
tale domicilium, qui ob civiles, nt rara est concordia fratmm, inde recedentes
discordias alias sibi quaesivere sedes ; quorum ille eam terrae portionem, quae
nuncBohemia dicitur, hie yeroPoloniam ocupavit: Regionesdeindeacpopulos
ase ipsis illeGhehios idestBohemos, hicLengelos hoc estPolonosdenominatos
volnere, ut fus^ tradit Ablavius in anualibus Bohemorum. S. auch bei Elaid
im Vienac 1889, S. 94. Um die Hälfte des XVIII. Jahrb. giebt Jambresid (Jam-
bressich), Lexicon Latinum, Agram 1742, S. 468, unter dem Worte Erapina
an, dass dies »vaross y grad szloyeuszki vu szadassni Horvatzki zemlji
lesechi, koj yu sztarih negda vremenah kruto zmosen i glaszovit je biU, war.
Weiter spricht er yon der Sage, nach welcher Erapina yor Ghristi Ge-
burt existirt habe und die Residenz des il lyrischen Eönigs und Gentrnm des
alten Illyricums gewesen sei. Aus ihm sind auch die berühmten Prinzen Gzech
und Lech ausgegangen, welche das böhmische und polnische Reich gegründet
haben. Einige, fügt er hinzu, erzählen auch yon einem dritten Prinzen Mos-
cus, dem ersten Führer des moskauischen Volkes. Abgesehen yon der
ganzen Reihe der Jahrhunderte, sind die Ruinen yon Erapina yon einem ge-
wissen Grade der Ehrwücdigkeit und Grösse umgeben, so dass sie fremde
Besucher an sich ziehen , und deshalb ehren sie alle unwillkürlich. (Elaiö,
Vienac, 1889, S. 94). Ausführlicher als alle seine Vorgänger schreibt über
Erapina Jordan, De originibus slayicis. Vindob. 1745, L Gap. XIV, §. 37,
S. 74—91, Gap. XV, §. 17, S. — ; er besuchte im J. 1740 absichtlich Erapina
und beschrieb ziemlich genau die Umgebung und führt schliesslich das an,
was darüber bei slayischen und nichtslayischen Schriftstellern und Ghroniken
erwähnt wird. II. Sect. LH, Apparat. Historicus, S. 129 — 150, cf Elaiö, op. c.
S. 94. Er spricht schon nicht yon einer Erapina, sondern yon drei; ausser
Erapina führt er noch Psari und Sabac an, wo in alten Zeiten drei Brüder.
Gzech, Lech und Rus geherrscht hatten, welche wegen ihrer Schwester in
Streit gerathen und deswegen nach y erschied enen Seiten auseinandergegangen
waren. Ib . . Aus allem dem gesagten ist ersichtlich, 1) dass sich im Laufe
der Zeit diese Sage yerwickelt hat und sich 2) immer mehr ausdehnte und zu-
letzt zum Gemeingute des Volkes ward. Die Verbreitung im Volke förderte
zum Theil auch die Geistlichkeit, so hielt z. B. der Franciskaner Prokop
Svoboda, ein kroatischer Öeche, der allem Anscheine nach einige Zeit im
Eloster zu Erapina yerlebt hatte, im J. 1765 am 4. Tage des Monates Juli,
seinem Namenstage, in der Erapiner Eirche eine Predigt , welche, wie richtig
Zur Geschichte des Glagolismus in Böhmen. 175
Widerstände, welcher dort, d. i. in Prag, aus Anlass der Einftlhrung des
Klalö bemerkt (Vienac 18S9, S. 95), wegen der Popularität des Inhaltes nach
2 Jahren (1767) in Agram unter folgendem Titel gedruckt wurde: »Preporodjeni
Ceh, aliti svetosti svetost sy. Prokopa yu domovini Ceha, Erapine i po milosöi
i daresÜTosti g. Sigismunda §öitarocia, Kanonika Zagrebeokoga, vu cirkvi
menseh bratov naprvostaylena«. Wie es scheint, glaubte P. Svoboda selbst
an die Wahrheit dieser Sage, Über welche er in dieser Chronik ziemlich de-
taillirt spricht, indem er auf den berühmten böhmischen Mathematiker und
Ghronologisten Petrus Codicillus (1533 — 1589} hinweist; er erzählt hier sogar
einige Einzelheiten , die sich bei den Chronisten und überhaupt bei den Vor-
gängern Svoboda's nicht vorfinden. — Einige neuere Gelehrte glaubten, dass
diese Sage eine Erfindung des Illyrismus ist Mit dieser Ansicht kann man
natürlich nicht übereinstimmen. Aus dem oben Gesagten ist klar, dass diese
Sage schon im XIY. Jahrb. bekannt war, natürlich nicht in solcher Gestalt,
in welcher sie später erscheint (cf. Klaid, S. 95). Einige von den zeit-
genössischen G^elehrten sind yorauszusetzen geneigt, dass diese Sage zu ihrem
Grunde Weisskroatien in den Earpathen haben könnte, und folglich aus An-
lass der Einführung der kirchenslavischen Sprache in Emmaus auch die Ueber-
liefemng selbst als eine alte oder wenigstens nicht sehr neue anzusehen ist
In wie weit das richtig ist, ist natürlich sehr schwer zu sagen. Mag dem
so oder anders sein, es wäre allerdings sehr interessant, die literarische und
folkloristische Geschichte dieser Sage zu yerfolgen. Dsnn wird uns doch zu
einem gewissen Grade klar sein , weswegen sie in Kroatien bei Erapina oder
Kmpa localisirt worden ist — Nicht minder interessant stellt sieb uns die
yon Hajek apokryphe Urkunde Alexander des Grossen an die Slayen dar
(Kronyka czesk&, CCCXIX). So yiel mir bekannt ist, wird diese Urkunde
yon anderen böhmischen Chronisten nicht angeführt, aber sie findet sich ge-
trennt in einzelnen böhmischen Handschriften des XVI — XVII. Jahrh. yor,
wie mir Herr Mencik (in der k. Hofbilbl. zu Wien) mitgetheilt hat. Cf. Hanus
Quellenkunde und Bibliographie der böhmischen Literaturgeschichte. Prag
1868, S. 174. In lateinischer Sprache führt dieselbe Battkay in seiner Memo-
ria, S. 10 f. an , wo er eine lange Erzählung yon den Alexander dem Grossen
yon den Slayen in den Erlegen im Osten erwiesenen Diensten beibringt
Alexander giebt deswegen diploma nobili genti Sdayorum et eorum linguae
yon sich und yon seinen posteris, qui in mundo succedent Imperium. Quoniam
semper, wird dort gesagt, nobis constantes in fide animosi et armis, et strenui
adiutores nostris fuistis ; ideo yobts damus et donamus plena libertate in per-
petunm omnem terrae plagam ab Aquiione, usque ad Ultimos fines meridiem
yersos; ea conditione, ut nulla allia gens et natio ibidem ressidere, inhabitare,
aut possidere quidquam audeat, nisi yestra. Et si homines ibi habitantes re-
perientur, sint subditi ac captiyi yestri, et filii eorum captiyi filiorum yestrorum.
Ich glaube, dass dieses Sendschreiben aus einer solchen Redaction der
Alexandreis entlehnt ist, wo die Slayen als Eampfgenossen Alexanders des
Grossen figuriren.
176 P. Syrku,
rein slavischen Oottesdienstes in Eoimans^), aber möglicherweise anoh
an anderen Orten, entstand, zn nrtheilen, bin ich geneigt zu glauben,
dass der slavisohe Gottesdienst in Emmans vorzllglich nnd ohne Zweifel
znm grössten Theile von jenen Mönchen verrichtet wurde, welche aus
dem slavischen Süden berufen worden waren ; es ist jedoch schwer zu
glauben, dass dort nicht der lateinische Gottesdienst, wenigstens dann
und wann, gestattet war. Die Böhmen, welche von allem Anfang an
noch nicht den slavischen Gottesdienst kannten, verrichteten ihn, glaube
ich, in der ersten Zeit noch in lateinischer Sprache, obwohl dies ziemlich
selten stattgefunden haben dürfte. Gegenwärtig kann man mit Bestimmt-
heit sagen, dass auch die Schfller der sttdslavischen Mönche, d. h. ge-
borene Böhmen, schon ziemlich früh in Emmaus den Gottesdienst slavisch
zu verrichten anfingen ^). Die in Emmaus eingeführten slavischen
Bücher waren glagolitisch geschrieben, und dies, scheint mir, war eine
Schwierigkeit für die Böhmen , wenigstens für die erste Zeit, auf einmal
oder in der allernächsten Zeit Eirchenslavisch zu erlernen.
Schwerlich gab es in Emmaus viele Mönche aus Kroatien oder Dal-
matien. Nach den vorhandenen Daten kann man glauben, dass diese
Mönche von den literarischen Producten , die sie in Emmaus zu Stande
brachten, nicht sehr viel hinterlassen haben; wenigstens gegenwärtig
kann man nicht auf ein einziges solches Buch mit voller Sicherheit hin-
weisen^). Die glagolitischen Denkmäler dieser Zeit, von denen sieh
Angaben über ihre Schreiben erhalten haben, weisen auf Schüler dieser
Mönche hin. So ist sogar die Notiz zu Ende des im Jahre 1395 geschrie-
benen Rheimser Evangeliums, schon in böhmischer Sprache abgefasst,
T
obwohl der Text selbst nicht »o ÖpaTpsn K.iamTepcKHxa, d. i. von böh-
mischen Mönchen, geschrieben sein konnte. Dafür finden wir im Post-
scriptum zu der erhaltenen böhmisch-glagolitischen Bibel, dass sie im
T T
Jahre 1416 >o OpaTpsu KjiamTepcKHx' aje h% o micapaoyB' zapBaTCKHx'c
1) Gf. Boh. Bilegow8k6ho, Rrooyka Cyrk., S. 22.
2) Cf. Paprocky's Diadocbus. Prag 1602. S. 324, 362.
>} Unlängst wurde von Prof.Miloetiö (Archiv XIX, 563) die Ansicht aus-
gesprochen, dass die kroat Glagoliten einen böhm. Lucidarius ins Kroatische
übersetzt haben. Das ist wohl richtig, ob aber und inwiefern gerade das
Emmaus-Eloster dabei betheiligt war — das lässt sich nicht mit Bestimmt-
heit sagen.
Zur Geschichte des Glagoliamas in Böhmen. 177
gesehrieben worden ist^j. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten die
dalmatinischen Mönche nicht nnr die Verpflichtung zn schreiben , oder
richtiger Bflcher abzuschreiben, sondern auch die böhmischen Mönche
in der Glagolica und in der kirchenslavischen Sprache, hauptsflchlich je-
doch im ersteren zu unterrichten, was sie auch mit ziemlichem Erfolge
thaten. Wir finden Spuren dieses Unterrichtes vor. Im Museum regni
Bohemiae wird ein Pergamentstück (in 4^ min.) mit kroatisch-glagoli-
tischem Texte des 1. Ps. sammt dem Anfange des 2. mit freigelassenen
Stellen fflr die Initialen der Psalmen und Verse aufbewahrt; dabei laufen
der Anfang und das Ende der Zeilen ganz unregelmässig, sowohl zu An-
fang des 1 . Ps. ak auch zu Ende des Textes überhaupt. Die Buchstaben
sind unbeholfen und unregelmässig in der Zeile geschrieben, was am
besten einen Schreiber, dessen Hand noch nicht an die Schrift, und dazu
eine complicirte, wie die glagolitische, gewöhnt war, bekundet. Aber
auch das Pergament selbst, wie es abgeschnitten ist, zeigt deutlich, dass
dieses Blatt nicht ans einem Buche herrührt, sondern absichtlich zur
Uebung bereitet wurde.
Der Unterricht begann unzweifelhaft mit dem glagolitischen Alpha-
bete, dessen Spuren sich ebenfalls erhalten haben. Der verstorbene
P. Beda Dudik fand in Stockholm ein Azbukivediarium (Azbukownak)
oder Alphabetum Slanorum auf einem Pergament in dem grossen Buche,
das ans Böhmen dahin gekommen ist. Dies Alphabet liess Abt Diwiss
(B(ewniow) aufsetzen. Die Züge der glagolitischen Buchstaben sind
nicht so schön, wie in der Bibel. Die Namen der Buchstaben, denen
anch ihr Zahlwerth beigesetzt ist, sind nach damaliger böhmischer
Orthographie geschrieben : Az, buky, widi, glagole, dobro, gest, zzywyte,
zelo, zemla, yzze, i, ge, kako, ludy, myslyte (und noch einmal myslyte
über der 2. Figur], nass, on, pokog, rezy, slowo, trdo (anstatt twrdo),
uct (für uk), frt, chyr, ot, sstya, ci, czvw, ssa, ger, yat, yus. Bei ger
steht neben der Figur zur Erklärung titla, neben yat ya, bei yus yu^),
i} Eine Biandschrift der Universitätsbibl. in Prag. XVII. A. I, fol. 258.
Ueber diese Handschrift s. bei Kola ^, Sitzungsber. etc. 1866, S. 84—89.
^ Siehe beiDobrowsky, Geschichte der böhm. Sprache und älteren
Literatur. Prag 1818, S. 57 — 58, wo er auf den Abt Diwis II. hinweist. Da er
(Diwiss j im J. 1409 starb, sagt Dobr., so mag es um das J. 1400 geschrieben
sein. Ausfiihrlioher über dieses Alphabet vgl. bei Dudik, Forschungen in
Schweden für Mährens Gesch. Brunn 1852, S.216f., wo er beweist, dass man
unter Diwiss namentlich den ersten mit diesem Namen (1360—66) verstehen
AtcMt fftr slATisclie Philolos^e. XXI. 12
1
178 P.Syrku,
Ein zweites Exemplar desselben Alphabetes wird in der Prager ünirer-
sitats- oder öffentlichen Bibliothek aufbewahrt (XI. A. 14); es ist auf
Papier und im Jahre 1434^) neben einem hebr. und griech. Alphabet
niedergeschrieben.
Die Böhmen lernten, dem Anscheine nach, mit ziemlich gutem Er-
folge, wenn man darnach urtheilen darf, dass einem von ihnen, Joannes,
von Karl IV. für seine schöne Schrift eine jährliche Remuneration von
10 Marken aus den Prager Fleischläden yerliehen wurde, wie das aus
der Urkunde dieses Königs yom 26. Sept. 1356 ersichtlich ist; darin,
wird gesagt, dass diese Belohnung für das fleissige und treue Absohreiben
von Heiligenlegenden und Liedern in der vornehmen slavischen Sprache
ausgestellt worden ist, und sie soll so lange fortdauern, als die Arbeit
fortgesetzt werden würde ^). Ob viele Bücher dieser Joannes geschrieben,
ist gegenwärtig nicht möglich zu sagen. Unzweifelhaft ist meiner Mei-
nung nach, dass das Passionale oder Martyrologium, wovon sich sehr
wenig erhalten hat, von ihm geschrieben wurde ^). Ohne Zweifel gab
muss (S. 211 — 19). Mit noch mehr Ueberzeugung erhärtet er dies in seiner
Geschichte des Benedikt-Stiftes Raygem, I. BrUnn 1849, S. 340, und zwar
auf Grund seiner Forschungen über die Handschriften des Klosters Raygem.
— Hanusch, Zur Glagolita-Frage, in Slavisohe Bibl., herausgeg. von Mikl.
n, S. 203; Hanns, Dodavky a doplnky k Jungmannov^ Historii litetatury
cesk^. I. V Praze, S. 5. Nr. 1; Pecirka im C.Ö.M. 1851, I. S. 100.
1) Hanns, Zur Glagolita-Frage etc. S.203; id. Dodavky I. S.6. Ausser-
dem ist zu Ende der glagol. Bibel in der Prager Univ.-Bibl. ebenfalls ein
glagol. Alphabet niedergeschrieben. Hanslick, Gesch. und Beschreibung der
Prager Univ.-Bibl. Prag 1851, 1, S. 619; Hanns, Dodavky I. S. 6.
^ In dem Schriftstücke wird unter anderem so gesagt: Johanni, scrip-
tori librorum monasterii Slavorum ordinis sancti Benedict! in Nova civitate
Prag, noue fundationis nostre, denoto et fideli nostro dilecto graciam nostram
et omne bonum. Consideratis multiplicibus obsequiis tuis, quibus pro decore
monasterii nostri Slauorum in scribendis libris legendamm et cantus nobili
lingue Slauonice hucusque prouide mentis studio tam sollicite quam fideliter
laborasti; et laborabis, sicnt non ambigimus, prestancius in futurum, de Sin-
gular! nostre Maiestatis gracia, damus, deputamus et assignamus tibi decem
marcas redditum anni census in et super maccellis civitatis Pragensis, in quo-
rum possessione nunc esse dignosceris, per te nee non legitimus heredes in
laborando et scribendo libros legendamm et cantns dicti vulgaris slauonici
actu et operacione continuaveris ac perseueraneris fideliter et attente. Pel-
zel, Kaiser Kari IV., I. S. 385. Nr. CCCXLni;^Patera, Novfe nalezenö
sbytky starooeskych passionalü ze XIV. stoleti in C.6.M.1882. S.522f. Bern.
S) Von diesem Passional haben sich nur zwei beschädigte Blätter, die
Zur Geschichte des Glagolismas in Böhmen. 179
68 auch andere glagolitische Schreiber oder Abschreiber; von ihnen
rtthrt die Bibel ans dem Jahre 1614 her, deren eine Theil in der
Prager Üniversitäts-Bibliothek (XVU. A. 1) aufbewahrt wird. Dieser
Codex enthält genau den 2. Theil der BibeU), wie es aus der mit rother
Tinte geschriebenen Notiz auf Blatt Ib, in welcher sein Inhalt angegeben
ist, ersichtlich ist:
E tom'to CBas^Koy ApoyreM' noncann ec. .^i- khhtb. a Hannp'Bi
KHHTH napaJOLnoMeHOH abob, khhth esApamoBH. ABoe. khiith HOMHac.
KHHTH T06HaC. KHHTH V)ßflT . KHHTH OCT^p'. KHHTH ho6'. KHHTH np3H'
eCIOBHe. KHHTH HOy^pOCTH. KHHTH ÖKJeSHaCT^C. KHHTH KaHTHKa
KaHTHKOpOyM. KHHTH ÖKKIBSHaCTHKOyC. KHHTH SLaiTapS. Ha TH K9JBifiß
KHHTH, npsBAMjioyBH CT^TO EpoHHMa facoy HoncaHH B nOCJeAHHBM' KBa^
TepHHB THBXTO KHHT. aH^Ö CBa3K0y.
Auf Blatt 258^ des Codex steht geschrieben:
ThTO KHHTH AOKOHaHH hcoy nO J%T§X* HapOSBHH CHa ÖOXHBTO
»V f>t t\t
no .^. oy. ei. sa ^acoy khhbsb Kp3H»:B onara cJEOBan'cKBTO. ncann
TaTO dnäje o (SparpsH KJiainTBpcKHx\ aiB h% o nncapsoyB' xap-
BaTCKHx'.
Diese Notiz ist sehr wichtig; neben der Angabe der Zeit des Auf-
schreibens weist sie nach meiner Meinung bis zu einem gewissen Grade
auch auf die im Kloster na Slowanech bestandenen Verhältnisse hin,
und zwar auf die Beziehungen zwischen den angekommenen und ein-
geborenen böhmischen Mönchen. Die ersteren werden nncapsn xap-
BaTmTH genannt und wurden, wie es scheint, nicht als eb^bürtige
beim Einbände von Apologie stavü krilovstvi cesh^ho z r. 1618 n. verwendet
wurden, erhalten; beide wnrden von A. Pater a entdeckt, der das eine von
V V
ihnen in C.C.M. 1882, S. 524 — 527 in lat. Transscription herausgab. Der In-
halt des 2. Blattes wird unten angegeben werden. Die Blätter werden im
böhm. Museum aufbewahrt ; leider haben sie die Signatur noch nicht.
1) Darüber siehe bei Hans lick, Geschichte u. Beschreibung der Prager
Univer8.-Bibl. Prag 1851; Dobrowsky im Literar. Magazin II. S. 32 und
seiner Gesch. d.Spr.u. Liter. S.212f.; Jungmann, Historie literatnry cesk^,
2. Aufl. 1849, in. Nr.506, S.91 ; Hanns, Dodavky a doplnky etc. IL VPraze
1871, S. 64, Nr. 506, wo auch die Literatur angegeben ist; Hanns, Qaellen-
knnde S. 91, 103, 219; Jirecek im ÖÖM, 1864, L S. 141 ; Eol&f , Sitzungs-
her. d. böhm. Ges. d. Wiss. 1866, S. 84--89.
12*
180 P.Syrku,
Mitglieder des Klosters angesehen; man nennt nur die letzteren
6paTp3H KjraniTepcKH nnd sie waren die eigentlichen Herren na Slo-
wanech. Durch die Benennung imeapsH zapnaTiuTH wird auch die
Function dieser na Slowanech bestimmt; sie hatten die Verpflichtung,
Bflcher zu schreiben und die Böhmen in der slavischen, d.i. glagolitischen
Schrift zu unterrichten.
Wir haben Orund zu glauben, dass die böhmische, glagolitisch ge-
schriebene Bibel im vollen Umfang vorhanden war. Von ihren einzelnen
Theilen haben sich aber nur unbedeutende Fragmente erhalten, die
heutzutage im Museum aufbewahrt werden. Diese sind: aus dem
^ten xheile: ein Bruchstück aus dem Buche Levit ^] ; aus dem
III^«''Theile: 1) drei Abschnitte aus DobHchovic, — Zachar. VU,
23 — IX, 11 und XIV, 6 — 14 mit einem Vorworte des heil.
Hieronymus zu Malachias, ein Theil des Vorwortes zu Ag-
geas 2) und aus I Makkab. XIV, 31—46 ») ; 2) 1/4 Blatt aus
Jezeh., XXXVII, Anfang und Ende von XXXVIII, Anfang
von XXXIX ; endlich aus dem
jyten xhcilc: zwei Abschnitte aus den Acta apostolorum: a) IX,
1 — 6, 13; b] eine C!olumne aus I, 2; c) hannoverisches
Bruchstttck in einem Blatte, und d. Erklärung von hebräisch.
Wörteoi.
1) Ueber diese Bruchstücke vgl. Hanka, Ostatky slovansk^ho boho-
Blnzeni v Cech4ch. Prag 1859. S. XI. Dobner sagt, dass sich in bibliotheca
Altova^ßnsi ordinis cistercian. eine glagolit. Handschrift befindet und fügt
hinzu: Ne autem lectorem celem, quid codex iste manuscriptus complectatur,
continet is primam partem Bibliorum (Annalium Hagecianorum pars VI.
Pragae 1782, S. 11). In der Beschreibung der im Stifte Hohenfurt befindlichen
Handschriften, von p. Baph. Pavel in Xenia Bernardina. Wien 1891, pars U.
2, S. 167-- 461 kommt aber keine solche Handschrift vor. Soll man nicht hier
die Hohenfurter Fragmente verstehen? Jireoek, Rukovet, I. S.246. J. Eo-
Hf im ÖÖM. 1870. S. 394; da und in den Sitzungsber. d. böhm. Ges. d. Wiss.
1866, S. 89 zählt Kol&f mit Jirecek (an cit. Stelle) zu dem nicht erhalte-
nen Theile der Bibel auch die Bruchstücke aus dem Cistercienser-Stifte zu
Hohenfurt (Vyssi Brod); doch sind diese Fragmente aus der allgemeinen Ge-
schichte, wie unten dargethan ist.
^ Ueber diese Bruchstücke s. bei Eoläf ÖCM. 1870. S. 394; das Vorwort
ist ibid. herausgegeben, S. 398.
'j Ib. herausgegeben, S. 399.
Znr Geschichte deB Glsg^IismüB in Böhmen. Igt
•
Man maB8 jedoch yermathen, dass es nicht nur ein Exemplar der
höhmiach-glagolitischen Bibel gegeben hat, sondern wenigstens zwei,
nnd dass das zweite von ihnen auf Papier geschrieben, übrigens vielleicht
nnyollstftndig war.
Ausser den biblischen Bruchstücken sind auf uns Fragmente aus
der allgemeinen Geschichte ^) auf den 2 bereits genannten Pergament-
blftttern aus dem Oistercienser-Stifte zu Hohenfurt (VysSf Brod) in fol.,
2 Columnen gekommen; das 2. Blatt ist unvollständig, — an der äusse-
ren Seite ist ^1^ des Blattes von oben bis unten abgeschnitten. Die
erste Columne des ersten Blattes ist schwierig zu lesen, da sie sehr be-
schmutzt ist. Das Ende dieses Blattes in der 2. Columne lautet so :
ETepaK' c^AHH caMO iniecTo iuhh jihah. Atoho nosHsaxoy snEesaim
H simeBaKEHHe hba' norpsHeÖeii' hocne a HHora ^acon' b lo^^a hsa' i^o*
cnaH otiHOBaxoy. A k TOMoy KBHejeHH hotom' thx epesraac' npsBxa
hirae KBHejieHHe hba* sÖopseuH HHccTa. Darauf fängt unmittelbar der
Aufsatz an: OynaA SHMHan. 3a ahob hocne .r. KpajL* psnucKH xaoy-
Koyc' (sie) Mapi^Hoyc*. BHoyK* HoyMOß* 3e wepn. Ten* nopoy aAseH*
THHoy np3HqHHH K HnecToy. Ha^ MopssM* ei (16) mhjo. o iraecTa.
MHecTO rncTHan' To^nm* oÖhbt' oycTaBH. Ox^noBneÄH haohbo. Toro
nasnpB* p3hmc*kh seHne noxHBaJa ecT\ IlaTH psioiCKH Kpaji' TapK^BH-
HHoyc^ npHCKoyc* okojo p3HMa 3An a3
y. 0 Tp3Hex* cHHHex* hocHamoBHx*. Anfang: OycTann.
d. 0 hoaxHM' a o oypna. a o npi^cTBH epMHe. Auf. : IlaR hoaxHM'
ÖHeme ai (15) jigt^ kahx' 6hj no^aji' KpaJiOBaTH. ai (11) jt^t^
KpaJiOBaji' B^ epoysajeH'.
€. Der Titel abgeschnitten. Anf. : Hoa' 03Ha Kpaien' lo^a. CKona ....
t. Der Titel beschnitten. Anf.: JleTa. hi (31). 03n Kpa-
jiOBa ac^ CHH^ ....
i;. O no^aTKoy hnMaHHe slhaob^ Kn ei (16). Anf.: 3aAH0B «ai^ee
TsrAaT^ «a^aeap' Kpa2[' acoyp\ hneAe ao nsparej'. HL ecT^ muH-
HO. Ten' JEH e 6hj[' «oyj'. ^Exa hnHH. HL noiueHH nnmipcoy somh.
Hetf' KpahÖHHoy sa hopAaHeM\ a shHMas* nojK*Tp3eTHe noKOjeHBe
1] Darüber bei Dobro wsky, Glagolitica in der Ausgabe Hanka's, S. 20.
Das Fcs. aus dieser Geschichte oder den Hohenfurter Fragmenten s. bei Pel-
zel, Kaiser Karl IV. 1781, zwischen S. 530—534.
182 P. Syrku,
^flß Ci co6oy a TaKe noiueHH rajrajeaM'. 3 noKOJteHHe 3a6oy-
Äen\ ä HenTajEHM' mhofh npsHB^AO (sie) c co6oy ao acHpne.
^. 0 lioaTaM' KpajH. Anf.: JeTa Apoyre rn^ai^e. KpaJ[eBa(ji)
hoTan' CHE* 03He b epoysaieMH h^. (25) j^tb Öhj'. kahs' no-
^aj[' KpazesaTH. a. ei. (16) jeot^ Kpaji[eBaj[\ hMse MaTepsn ero
Hepoyca. wepa caAOx\ E[ ^heh Ao6p3He npsneA' 6reiM[\ BinaK
BHCOCTH (?). — Mit diesem Worte hört das Blatt auf.
Ob nun die böhm. Schreiber oder KjaniTepcKH tfpaTpan auch kroat.-
glagolit. Bücher geschrieben oder dieselben nur abgeschrieben haben,
ist gegenwärtig nicht leicht zu sagen. Herr J. Kolär glaubt, dass die
dalm. Mönche kroat. Bücher und unter anderem den Lobkovitzer Psal-
ter, welchen »mica Khphhb aiaKaHBcc (Quirinus diaconus] im Jahre 1359
AB CTOMB KoysMH ^aMB^HH B ccHH«^), uud ausscrdcm den Psalter oder
das Breviarium, von welchem sich einige Bruchstücke erhalten haben :
die von DobHchowitz (DobHchovice) , Earlin, Tursko und Borotitz (Bo-
rotice)^) mit sich gebracht haben. Schwerlich ist es möglich^ die An-
nahme des H.Kollä]f' für richtig zu halten. Man muas vor allem bemer-
ken, dass es solcher Bruchstücke, die auf verschiedenen Stellen Böhmens
gefunden wurden, weit mehr gibt ; im Ganzen ergeben sie die Zahl von
18 Blättern und 7 Stückchen oder Abschnitzeln, auch muss man dazu
1) Dieser Psalter stellt etwas in der Art der russ. cji^xoBaHHaA ncazTupL
vor, weil nach ihm das Beviarium Romanum folgt. Von einem Psalter wurde
die Copie in lat. Transscription für P. J. äafarik auf seinen Wunsch gemacht ;
dieser wird unter den Papieren ^i^aHk's in der Bibliothek des böhm. Museums
(IX. H. 15 = IX, D. 12) aufbewahrt. Lobkovicer heisst der Psalter, weil er
dem Grafen Lobkovic angehört; früher war er Eigenthum des Grafen Stern-
berg. S. darüber bei D obre wsky, Geschichte der böhm. Sprache u. älteren
Literatur. Prag 1818, S. 385; Glagolitica. Prag 1832, S. 79 f. und Slawin.
Prag 1833, S. 389; Kolär in Sitzungsber. der k. böhm. Ges. d. Wiss. 1879,
S. 403.
2) Sitzungsberichte der k. böhm. Ges. d. Wiss. 1879, S. 403; Kolif
zählt c. 10 Bruchstücke auf. Ib. S. 402—405; cf. COM. 1870, S. 393, wo auf
S. 397 die Psalmen CXXXVI, CXLVII und CXLVIII aas den Bruchstücken
von DobHchowitz herausgegeben sind; von den Bruchstücken von Borotitz
sind herausgegeben Ezod. X, 8 — 19 nnd Habbak. III, 1—19 in den cit. Sitz.-
ber. 1879, S. 405. Aus den Bruchstücken von Tur findet man Abdrücke bei
äafaHk, PamÄtky hlaholsköho pisemnictvi S. 74 f
Zur Geschichte des Glagolismus in Böhmen. 183
noch 3 Blätter aus den Papieren Saf.'s hinzufügen i-j- n. — ö~ ) ^i^d
dann noch 11 Stückchen (-7— )> und so erhalten wir 21 Blätter und
18 Stückchen, welche gegenwärtig alle im Museum aufbewahrt werden.
Ich habe sie alle durchgesehen und mir bei jedem von ihnen den Inhalt
angemerkt, da in der Hoffnung auf neue Funde eine Beschreibung der-
selben bis heute noch nicht existirt, sie sind aber auch noch nicht in die
gehörige Ordnung gebracht. Sie enthalten Lectionen aus den biblischen
Büchern des Alten und Neuen Testamentes, Officien zu den grossen
Fasten, wie den Kanon auf denCharfreitag^), Lieder auf Mutter Gottes,
Officien oder Missen der Heiligen, wie z. B. die Missa für den heil. Erst-
märtyrer Stephan ^j . Hanka glaubt, vielleicht nicht ganz richtig, dass
die eben angeführten Bruchstücke aus drei Breviarien oder Missalen
herstammen. Aus dem
I. zwei Blätter, aufbewahrt in der Prager Üniversitäts-Bibliothek,
deren Inhalt lateinisch vom Priester Pisely transscribirt ^), und
so transscribirt von Dobrowsk^ abgedruckt wurde ^) ; aus dem
n. zwei Blätter, von denen das eine in Turnau, das zweite in Buda-
pest gefunden wurde ^) ; aus dem
ni. zwei Blätter in der Hessen-Kasseler kurfürstlichen Bibliothek
zu Kassel^) und zwei Blätter von Erben inPraskoles gefunden^].
Alle diese Bruchstücke sind nach Hankas^) und anderer^) Meinung
in Emmaus-Kloster geschrieben worden. Natürlich sind bei dieser Be-
stimmung Hankas nicht alle Bruchstücke in eine Gruppe zusammen-
1] Abgedruckt bei §af. PamÄtky S. 71 f. und bei Hanka, Ostatky slo-
vansk6ho bohoslulseni v CechAch, S. 50—60.
'} Abgedruckt bei Hanka ib., S. 66 f.
3) Hanka ib. S. XI; ebendort abgedruckt S. 42--47.
*) Glagolitica. Prag 1807, wo er das Fcs. von einem kleinen Stücke die-
ser Fragmente beibringt Zweite Ausgabe von Hanka 44 f. u. 65 — 67 und das
Fcs. Taf. I; cf. Gesch. d. böhm. Spr. u. Liter. Prag 1818. S. 58.
5) S. bei Hanka, ib. S. XH; ib. S. 35—38 das Turnauer, S. 47—50 das
Budapester Blatt herausgegeben.
^ S. bei Hanka ib. S. XIII; ib. auch herausgegeben (S. 26—35).
^) Ib. S. Xni, herausgegeben S. 50—60, wo. der Gottesdienst auf den
Charfreitag enthalten ist.
8) Op. cit. S. Xn u. XVI.
^ Of. Jnngmann, Historia literatury oesk^. III. Abtheilung, S. 91,
Nr. 506; Hanui, Dodavky I, S. 2, Nr. 8; Quellenkunde S. 216.
184 P. Syrku,
gestellt ^). Er sagt z. B. nicht, wohin man das Stück eines Blattes aus
einem Menologinm setzen mnss, welches Stück in den Papieren Gerronis
gefunden wurde ^j. Ausserdem kann man als unzweifelhaft annehmen,
dass auch andere Bücher sowohl in der höhmischen (Sechischen], als
auch kroatischen Sprache glagolitisch geschrieben wurden. Von einigen
auf uns nicht überkommenen glagolitischen Büchern haben wir directe
Nachrichten. So finden wir z. B. in den Gerichtsbüchem des Prager
Consistoriums vom Jahre 1379 folgende Notiz: Przibislaus archidiaeonua
Horssov. assignat quosdam quintemos pergameni scriptos in Slauonica
lingua Paula abbati Slavomm ^). Ausserdem theilt uns Fr. Pe-
tera Rohoznick]^ mit, dass im Jahre 1844 — 5 in Josefov eine ganze
glagolitische Handschrift, 2 Daumen dick und in Folio zum Einwickeln
der Waare in einem Oeschäfte veniichtet wurde ^).
Man kann überzeugt sein, dass man mit der Zeit noch mehr Bruch-
stücke solcher Bücher entdecken wird, üebrigens kann man gegen-
wärtig schon auf Bruchstücke aus glagolitischen Büchern kroatischen
Ursprunges hinweisen, die man nicht mit yoUer Sicherheit auf das
Emmauser Kloster beziehen oder den Emmauser Schreibern zuschreiben
kann. Ein solches ist das Innsbrucker Fragment^) und drei andere:
zwei aus einem Missale und eins aus einem Breviarium des XIV. — XV.
Jahrh., aufbewahrt in der Wiener k. Hof bibliothek ; gezeigt hat sie mir
Ferd. Mencfk. Das Blatt ans dem Missale in Folio ist der Schrift nach
ebensolchen Bruchstücken, die in der Bibliothek des Museum regni Bob.
vorhanden sind, überaus ähnlich. Schliesslich haben wir auch noch
literarische Hinweise, welche uns Anlass geben zu vermuthen, dass noch
andere Denkmäler der glagolitischen Literatur bei den Böhmen existiert
1} Fr. Patera Rohozniok^ theilt in Praisk^ Nowin^ 1859, 7. Jan. vou der
Vernichtung einer ganzen glagolitischen Handschrift mit. Hanka, Ostatky,
S. XVI.
^ Hanka, Ostatky, S. XI; herausgegeben S. 42; das Fcs. bei Do-
bro wsk/s Glagolitica, 2^« Ausgabe, Taf. III; Gresch. d. böhm. ßpr.u. Lit. —
zu Ende.
8j Acta jud. II, 151 bei Tadra, KancelÄfd a pisai^ v zemich ceakfch.
V Praze 1892, S. 213, Bemerk. 12, wo gesagt wird, dass es weitere Nachrich-
ten Über diese Bücher nicht gibt.
*) PraSskö noviny, 1859, 7. Jan.; Hanka, Ostatky, 8. XVI.
^) lieber diese Bruchstücke siehe bei ^afai^ik in Sitzber. der k. böhm.
Ges. d. Wiss. 1859, IIL, S. 23; Vojt-SafaUk, ib. S. 60 und äembera,
Historie liter. cesk6, 3. Aufl. S. 56.
Znr GeBchichte des Glagolismas in Böhmen. ] 85
hatten, nnd zwar führt Matth. Beneiovsky (Ton Benesov); Philonomas
genannt, der einige Zeit Abt des Emmaus- Klosters gewesen war^ in
seiner ziemlich interessanten »Knjiika slow öesk^ch wylozen^^ch^ja
7 Psalme ans dem Psalter in lateiniseher Transscription an, allein woher
er diese genommen hat, ist nnbekannt. Y. Hanka glaubte^ ohne einen
Grund dafür anzugeben, dass dem Philonomus kyrillische und nicht
glagolitische^) Bücher zur Quelle gedient haben. Wenn wir von der
Voraussetzung ausgehen, dass in Emmaus noch glagolitische Bücher
kroatischen Ursprunges oder Redaction geschrieben wurden, so konnten
diese nur in den ersten Decennien des Bestehens des Klosters, d. h. nur
in der 2. Hälfte des XIV. Jahrh. geschrieben worden sein; zu Ende des
zweiten Decenniums dieses Jahrhunderts begann man schon böhmische
(cechische) Bücher in der glagolica zu schreiben. Anders konnte es auch
nicht gewesen sein. Es war nothwendig, böhmische Schreiber-Glago-
liten (oder wie sie sich selbst nennen »KJtaiirrepcKH ÖpaTpsn«) vorzu-
bereiten, die böhmische Orthographie auf Grund der glagolitischen Buch-
staben auszuarbeiten und erst dann sich des Bücherschreibens anzuneh-
men. Es ist wahr, dass im Jahre 1356 ein solcher Böhme-Olagolite,
Namens Jan erscheint, welchen, wie ich oben dargethan habe, Karl IV.
eine jährliche Belohnung zu Theil werden Hess; natürlich gab es solche
nur wenige, wenn er gar nicht der einzige war, und ihm Karl IV. diese
Belohnung zu seiner und anderer Anspomung verliehen hatte. Noch
selbst zn Ende des XIV. Jahrh. wurden Bücher kroatischen Ursprunges
geschrieben. Derart ist der glagolitische Theil des Rheimser-Ev. aus
dem Jahre 1395. Wer ihn aber geschrieben hat, ob ein kroatischer
Schreiber oder ein KjamTepcKH 6paTpi>, ist gegenwärtig unmöglich mit
Sicherheit zu sagen. Ich bin geneigt zu glauben, dass ihn ein Böhme
geschrieben hat, der schon gut die glagolitische Schrift und die kirchen-
slavische Sprache beherrschte. Das Buch war für den festlichen Gottes-
dienst bestimmt; die in ihm enthaltenen Evangelien- und Apostol-Lec-
tionen sind jicjob^h'ckhm isKeM« geschrieben, .... hMahn cimeBaHH
6hth Hb roAH, ig(H3Kb onaT doa' Kopoynoy Mmn cjoyxH«, wie es in dem
Postscriptum zu Ende des Codex mitgetheilt ist. Wann der kyrillische
Theil desselben Codex geschrieben worden ist, im XIV. Jahrh. oder
früher, wie einige Gelehrte 3) glauben, ist nicht leicht zu sagen, da bis
<) Dieses Buch wurde in Prag 1587 herausgegeben.
«J Ostatky, S. XVI— XVII.
3) Ueber das Rheimser Evangelium existirt schon eine ganze Literatur.
186 P. Syrku,
zu dioBer Zeit die Handschrift selbst sehr wenig stadirt wurde, mehr be-
kannt ist sie durch das Facsimile des Silvestre, das aber nicht genau
ist. Ich schliesse nicht die Möglichkeit aus, dass der kyrillische Theil im
XIV. Jahrh. geschrieben wurde, trotzdem es nicht ganz leicht ist, dies
zu beweisen. Endlich glaube ich, .dass die Tradition über das Auf-
schreiben dieses Tfaeiles des Evangeliums durch den h. Prokop nicht
gänzlich für unwahracheinlich anzusehen ist. Diese Tradition kann
darauf hinweisen, dass der kyrillische Theil von einer älteren Hand-
schrift als des XIV. Jahrh. und allenfalls in Böhmen entweder fflr die
Böhmen oder die Sttdslaven, die nicht sehr mit den Kyrill-Redactionen
vertraut waren, von einer russischen Handschrift, die auf einem bulga-
rischen Originale fusste, abgeschrieben worden ist.
In Verbindung mit der Frage Aber den kyrillischen Theil des
Rheimser Evangeliums. steht auch die Frage: War denn die kyrillische
Schrift den Böhmen-Glagoliten bekannt und haben sie auch kyrillisch
geschrieben? Dass ihnen auch die Eyrillica bekannt gewesen, unter-
liegt um so weniger einem Zweifel, als ja die Gechen zur Zeit Karl IV.
durch die Polen directe und indirecte Beziehungen zu den Russen
Ich werde ntur auf das HervoiTagende davon hinweiseu. Fast als erste Nach-
richt erscheint über dieses £v. die bei F.C.Alter, Philologische Miscellaneen,
Wien 1799, S. 175; Brief an Hanka von Jastrzfbskl vom J. 1839 im COM.
1S40, S. 187 — 199 mit einem farbigen Fcs. des Postscr.; hier finden sich viele
bibliogr. Angaben vor. Noch früher schrieb Hanka einen ziemlich umfang-
reichen Aufsatz im COM. 1839, S. 491—499. Um dieselbe Zeit setzt B. Eo-
pitar in seinem Hesychii glossographi discipulus. Vindobonae 1839, S. 65 f.
dieses Evang. ins XIV. Jahrh. Derselbe Gegenstand wird im Briefwechsel
zwischen Eopitar und Hanka zu wiederholten Malen berührt (vergl. Neue
Briefe von Dobrowsky, Kopitar, StPtbg. 1897, BBeAeHie S. LXVI— LXVU).
Im J. 1843 gab Silvestre das vollständige Fcs. dieses Ev. photographisch auf
Kosten des Kaisers Nicolaus I. in Paris heraus, im J. 1846 aber Hanka in Prag
mit kyrill. Buchstaben und lat. Transscription, einer Vergleichung mit den
Texten des Ostromirschen Codex und theil weise dem der Ostroger Bibel sammt
einer Einleitung, in welcher er sich bemühte zu beweisen , dass der kyrill.
Theil vom heil. Prokop geschrieben worden ist. Deshalb betitelte er auch
seine Ausgabe folgendermassen : »CasaBo-euMayscRoe cbatoc 6.iaroBicTBOBaHHe«t.
Fast zur selben Zeit trat Kopitar gegen Hanka mit seinen Prolegomena histo-
rica auf, welche in der Art einer Einleitung zu einigen Exemplaren der Pa-
riser Ausgabe und separat in Prag 1846 und in der Slav. Bibl. Miklosich's I.,
S. 80 sqq. erschienen sind, wo er seine früheren Ansichten wiederholt, dass
sich das ganze Ev. auf das XIV. Jahrh. bezieht. Jastrz^ bski wiederholte seine
Zar Geschichte des GlagoliBmus in Böhmen. Ig7
hatten^), und wie wir nnten sehen werden, anch zu den Serben, Ob aber
irgend etwas anch kyrillisch geschrieben wurde, ansser dem Rheimser
Evangelium, wofern es erst im XIV. Jahrh. in Böhmen entstand, ist
llberaus schwer und gegenwärtig sogar unmöglich zu sagen. Wir haben
gar keine Daten, die irgend eina positive Antwort auf diese Frage
geben wflrden.
Man kann dafür halten, dass ausser den oben angegebenen böhm.
und kroatischen Büchern noch Dinge anderen Inhalts geschrieben wur-
den; darauf spielt Karl IV. selbst in seinem Erlasse vom 26. Aug. 1356
an Joannes, den Bttcherschreiber zu Emmaus, an, dass ihm nämlich für
das Schreiben von Büchern von Heiligenviten und Liedern in der slavi-
schen Sprache jährlich 1 0 Mark zur Belohnung ausgestellt sind — (la-
borando et scribendo libros legendarum et cantus vulgaris slauonici^j.
Was die libri legendarum anbetrifft, so muss man unter ihnen, meiner
Meinung nach, jenes Passional oder besser Martjrologium verstehen,
aus welchem schon A. Patera, wie ich oben bemerkt habe, Bruchstücke
abgedruckt hat.
Welcher Art aber die cantus vulgaris slauonici waren, ob weltlichen
oder geistlichen Inhalts, davon haben wir heutzutage keinen Begriff.
Ich glaube nur, dass auch diese cantus glagolitisch geschrieben waren,
wenn wir in Betracht ziehen, dass auch das Passionale oder Martyro-
Ansicht in einem separaten Buche : Notice sur le manuscrit de la biblioth6que
du Reims, connu sous le nom du Text de sacre. Rome 1845.
Eine ganze Dissertation über den kyrill. Thell des Rheimser Ev. hat
B i 1 j ar s k i j im 2. Theile seiner »GyAB6a i^epKosHO-cJiaBAHCKaro nsuRa. Gn6. 1 848«
geschrieben. In späterer Zeit schrieben über diesen Theil (den kyrill.) Prof.
Cerf, L'^vang^liaire slave, manuscrit, dit Text du sacre conservö ä la biblio-
thöque de la ville de Reims. Reims 1885, Sobolevskijim PyccRiii «eägäoth-
qecidu BicTEHK'B XVin (1887), S. 143, wo er zu beweisen trachtet, dass dieser
Theil des Ev. in das Xn. Jahrh. (wenn nicht in ein noch früheres) gehört und
dass derselbe in Rnssland ans einer bulg. Vorlage abgeschrieben worden ist.
Prof.Pastrnek ist fast derselben Ansicht hinsichtlich derZeit des Aufschrei-
bens dieses Theiles, doch meint er, dass er in Böhmen geschrieben worden ist
(Casopis Matice Moravskö, XV. 1891, S. 336 sqq.). An dieselbe Ansicht halten
sichKHoek, N&stin S. 147, und Krasl, Svaty Prokop, jeho klÄster i pam&tka
V üdu. V Praze 1896, S. 166—169.
i) Siehe bei Hoff mann, Sammlung ungedruckter Docum. u. Urkunden.
n. Theil. Halle 1737, S. 226—247, Nr. CCLÜ; cf. Tadra, Kulturn^ styky
Öech s ciBinou. V Praze 1897, S. 149—150.
«) Pelzel, Kaiser Karl IV., IL S. 385, Nr. CCCXLni.
188 P. Syrku,
logium mit denselben Bachataben niedergeschrieben wurde. Wenn diese
cantus veitlichen Inhaltes waren, so könnten sie anch lateinisch ge-
schrieben gewesen sein, obwohl das schwer zn glauben ist. Unzweifel-
haft hatte man die Absicht, vermittels des allgemein zugänglichen Lesens
die glagolitische Schrift zu popularisiren und hinsichtlich dieses konnten
die cantus eher glagolitisch als lateinisch geschrieben sein. Wenn auch
die Nachbarschaft der cantus mit den libri legendarum nicht zunächst an
den weltlichen Inhalt der Lieder denken lässt, so schliesst dieser Um-
stand doch die Möglichkeit ihres weltlichen Charakters nicht aus. Wahr-
scheinlich wflrde, wenn die cantus durchaus geistlichen Charakters waren,
die Urkunde dieselben mit einem ihrer Eigenart entsprechenden Adjek-
tivum charakterisirt haben, was wir in der That nicht sehen ^j . Bo-
huslawBilejowsky^), der schon bekannte utraquistische Priester, spricht
auch 0 gin^ k zpjwänlj (d. h. Gesangbücher), aber diese Worte ergeben
kein klares Bild.
Wenn wir darnach urtheilen, was bis hieher Aber die glagolitischen
Handschriften in Böhmen gesagt worden ist, so könnte man glauben,
dass die böhmischen Glagoliten nicht sehr viel geschrieben haben. That-
sächlich wurden aber in Emmaus bei weitem mehr glagolitische Bttcher
geschrieben. Hier wurde das Abschreiben kirchenslavisch-glagolitischer
Bttcher auch im XV. Jahrb., wie es theilweise die Nachschrift in der
erhaltenen böhmisch-glagolitischen Bibel in der Universitäts-Bibliothek
(v. oben) darthut, und wahrscheinlich bis ans Ende dieses Jahrhunderts,
wenn nicht noch später fortgesetzt. Die böhmisch-glagolitischen und
kroatischen Bttcher haben sich bei den Böhmen bis zum Ende des
XYI. Jahrh. erhalten. Gegen das Ende des XVI. Jarh. waren viele mit
1) Man könnte glauben, dass die cantus Joannis in der Art jener gewesen
sind, wie sie die Hofsänger der böhm. Könige gedichtet habeu. Man muss be-
merken, dass die von einigen cech. Gelehrten : Hattala, Zoubek, Aforizmy v
rukopisi nasich zp^vü, pisni in Lnmir 1886, Nr. 29, S. 445, aogeftthrten Do-
breta und Kojata nicht Sänger (Dichter), sondern joculatores sind; — der
erstere wird in der Urkunde Vladislav's 1167, 20. Jan. ( terram, quam
pater mens joculatori suo, nomine Dobr^ta in villa Zalasaz dederat, ego illi
ecclesiae [Litomyslensis ordiuis Praepronstatensis] contuli, — bei Erben,
Begesta, I, Nr. 319, S. 139; der zweite aber in der Urkunde Sobezlaus 1176:
ecclesiae Olomucensi : . . . . cirouitum, qui vooatur Dobretin, a Kojata jocula-
tori comparavit, — bei Erben, op. c, S. 157) erwähnt.
2) Kronjka G^kewnej. Wyd. od Joz. Skalick^ho. W Praze 1816, S.22.
Dobrowsky, Gesch. der böhm. Spr. u. älteren Literatur. Prag 1818, S. 58 f.
Zur Greschichte des Glagolismus in BOhmen. . j gg
glagolitischen Lettern geschriebene Bficher in dem erwähnten Kloster
zn sehen, wie es Lnpacius ad 29. Mart. und Paproczky bezeugen, so
sagt Pelzel nnd fQgt hinzu, jetzt sei keines mehr vorhanden ^) Und in
der That, spricht derselbe Bohnslaw Bilejowsk^ in seiner böhmischen
(iechischen) Chronik, dass Karl IV. zgednal y knihy literami slowansk^mi
psan6, biblij, 2altäfe, missaly, a gin^ k zpjwänij, gako2 podnes ge
magij. Ebenso schrieb Prokop-Lupacins (f 1591 im 68. Jahre seines
Lebens 2) unter dem 29. März: Eodem 81avi sunt a Caesare introducti,
qui Slavonica lingua sacnun concelebrabant. Extantqne etiamnum hodie
ibidem libri hoc ipso idiomate conscripti ^) . Und der Pole Paprocki
(* 1540, t 1614), der höhmisch geschrieben, sagt, dass Karl das
Emmaus-EIloster gegründet nnd slavische Mönche (mnichy slowäky]
dorthin berufen hat, welchen er knih slowanskj^ch pHchistal mno2stwij;
hiemach führt er 9 Zeilen an, kroatisch-glagolitisch mit lateinischer
Transsoription gedruckt. Aber der glagolitische Text und die Trans-
Bcription sind nicht auf ihre Stellen gesetzt, das, was am Anfange
steht, mttsste an dritter Stelle stehen, dass an der 2., müsste an erster
nnd jenes an der 3., an 2. Stelle sein. Dabei werden in der Trans-
Bcription auch solche Wörter angefahrt, welche im glagolitischen Origi-
nale nicht zu finden sind. Nachdem er gesagt hatte, dass Karl in
Emmans eingesetzt hat opata korunowandho gehoito gm^no litaramf
slowansk^mi takto gest napsan^ :
v+bTO8 vaa+b b8?ffa>8
A ta slowa tak se na ciesko wykladgi : EnSz Pawel Opat IteSen^
Kedw^d ginäk Ursin: a tenum^elleta. PänS 1352. Unmittelbai* darauf
folgt: Tolik^üi w knihäch slowansk^ch: klässtera toho, kter^chS se s&
posawäd mnoho nachäzy, cysai^ Earel dal se pokernd poznamenati th-
mito literami.
>j Pelzel, Kaiser Karl IV., II. Prag 1781, S. 350, Bemerk.; KtiXek,
Nistin d6j& klästera Benedikt, »na Slowanech« in Pamatky, 1855, S. 195.
2) Sabina, Döjepis literat cesko - slovansk6 star6 a sti^dov. doby.
VPrazel866, S. 900.
S) Berum bohemicarum ephimeris sive kalendarium historicum. Autore
Procop. Lupacio Hlawaczowaco Pragensi. Pragae 1583.
190 P. Syrku,
U03-P009 ><ft+UI003b.
filll3A a U09%9 fi<)?3VU+
Toi 86 takto roznmij : slowntn]^ Earel iwrif cfsai Rzijmsk^, kr&l
czesk]^ zaloHL a nadal klässter tento.
Potom po smrti geho, toto doloiili bratfij Slowdcy.
*. o9. *. *. >-P3eb r+v
3A Sr+UO B b3#3rPS
•P3AVB3A
To gest, Sessel z tohoto sw^ta po letn syna Bol^iijho 1378 1).
Die Transscription mttsste übereinstimmend mit dem glagolitisch-
böhmischen Texte in solcher Ordnnng folgen: Slowntny Karel itwarty
cesar rimsky a kral Sesky, Qni zalo^il i nadal tento kUsster, ssel (sessel)
s (z) togo (toho) sweta 1378. Enez Pavel opat reSen^ (i^eSen^)
Nedw8d2).
Mir scheint, dass eine solche Verwechselang der Transscription
gegenüber dem glagolitisch-böhmischen Original darthut, dass Paprock^
selbst nicht viel von der 'glagolitischen Schrift verstanden hat, wenn er
überhaupt etwas davon verstand. Für nns ist es immerhin wichtig, dass
zu seiner Zeit die Glagolica in Emmans noch bekannt war nnd glagoli-
tische Bücher dort noch in grosser Menge aufbewahrt wurden..
Endlich berichtet der Jesuit Bohuslaw Balbinus, dass er als ELnabe
in Emmaus glagolitische Bücher gesehen habe und sogar aus ihnen
lernte ; auch theilt er mit, dass sich solche Bücher in einigen anderen
alten Bibliotheken vorfinden ^).
Aus allen angeführten Zeugnissen geht hervor, dass es glagolitische
Bücher in ziemlich grosser Anzahl in Emmaus gegeben hat, dass sie aber
auch auf einigen anderen Orten Böhmens vorhanden waren. Ferdinand
Tadra glaubt, dass sich die Emmauser Mönche deshalb um die Vermeh-
1) Diadochus. Prag 1602. S. 362.
2} Die in den Klammem angeführten Wörter bedeuten, dass sie bei Pa-
procky aufgeschrieben sind.
3] Epitome remm Bohemicarnm. Pragae 1677, S. 77 : .... quales litera-
rnm notos in coenobio Slavorum Pragae, pueri qnondam legebamus,
Buntqne in vetustis, quibusdam bibliothecis libri eiusmodi genere scrlptura
constantes.
Zar Geschichte des Glagolismns in Böhmen. 191
rang der glagolitischen Bflcher bemttht haben, weil sie dazu von
Karl lY. dnrch Geld angespornt wurden i), was er aas Anlass der Be-
lohnnng des vorerw&hnten slavischen Schreibers in Emmaus dnrch Karl
erwähnt 2).
Schwerlich kann man mit dieser Auffassung übereinstimmen. Eher
konnte das daher gekommen sein, weil diese Bücher in der Mutter-
sprache geschrieben waren und nach dem Verschwinden des Lateinischen
viele böhmische Mönche von ihnen angezogen wurden, die sich mit voller
Begeisternng der heimatlichen Arbeit hingaben.
Dank diesem Umstände wurde das Prager slavische Kloster bis zu
einem gewissen Grade populär, so dass es beim westlichen Slaventhum
nicht das einzige blieb. Unter seinem Einfluss und indem man es nach-
ahmte^ wurde im Jahre 1380 ein ebensolches slavisches Kloster in
Schlesien zu Oels von Konrad II., dem Herzog von Olesnica gegründet
und in dasselbe Mönche aus dem Emmauser Kloster berufen. Wie es
scheint, wurde das genannte Kloster (zu Oelsj zur Zeit der hussitischen
Kriege zerstört 3) .
Auch einem Nachahmen des Schaffens Karl IV. und vielleicht auch
dem Einflüsse der Prager slavischen Mönche muss man die Gründung
eines slavischen Klosters durch den König Vladislav II. auf Wunsch seiner
Gemahlin Hedwigs im Jahre 1390 zur Zeit des Krakauer Bischofs Peter
WIb bei Krakau, in der Vorstadt Kleparz, unweit von dem Flusse Ru-
dava zuschreiben. Geweiht wurde das Kloster dem h. Kreuze. Der pol-
nische König schmückte, bereicherte und beschenkte es mit Landgütern
und Gntsappertinentien. In der ersten Zeit war es hölzern; man begann
aber herum eine steinerne Kirche und Klosterzellen zu bauen. Zur Er-
haltung des Klosters wurden jährlich 2 0 Marken aus der königlichen Kasse
bestimmt. Mönche mussten an 30 gewesen sein. Die ersten Mönche wur-
den ans Prag (ans Emmaus] berufen. Sie waren verpflichtet, die Messe.
den Morgengottesdienst, die Hören und andere kirchliche Officien in
kirchenslavischer Sprache zu verrichten, d. i. zu Zeiten dieser gottes-
dienstlichen Handlungen alles in kirchenslav. Sprache zu singen und
zu lesen. Nach dem Tode des Königs entwickelte sich das Kloster schon
<) Kancelai^e a pisaH V zemich ceskych. V Praze 1892. S. 213.
2) Ib.
3) Tadra, Kniturai stykyÖech s cizinon, S.59; Zeitschr. f. Gesch. Sohle s.
ni, S. 20 f.
192 P. Syrkn,
nicht mehr ^). Man vermuthet, dass dieses Kloster dnrch die Fenersbrnnst
im Jahre 1584 zu Grande ging^). Est ist schwer gegenwärtig zu sagen,
1) Fast alles, was über dieses Kloster bekannt ist, ist bei Dlugos mitge-
theilt, dessen Worte über dasselbe sehr interessant sind. Er spricht darüber
folgendermassen : An. 1390. Wladislans Rex cum Hedwigi Regina monaste-
rium Slayomm ordinis sancti Benedicti Glepardiae sub titulo Sanctae Crucis
fundat et fratres Praga accersit, Slavonico idiomate divina officia celebratu-
ros. — Sempitemum memoriale, quo dementia Redemptoris genus Slavoni-
cum extulit et mirifice honoravit, donando Uli gratiam specialem, ut omnia
Sacra officia et res divinae tam noctnrnae qnam diurnae, ipsa qnoque sacra-
rum missamm arcana idiomate illo possent celebrari (qnod nemini alter i lin-
guagio, praeterquam Graeco, Latino et Hebraeo vidlmus contigisse qaomm
excellentiae etiam bonitas divina Slavonicum aequayit) , Wladislaus secnndus
Poloniae Rex cum consorte sua Hedvigi, femina devota et nobilissima, volen-
tes etiam in Regnum Poloniae diffundere, et de multiplicibns beneficiis et
victoriis, divitus eo anno eis praestitis, ostendere erga Deum gratitudinem et
mnnificentiam regalem, incitati exemplari simili, qnod in civitate Pragensi
habetur monasterium Slavorum ordinis sancti Benedicti, et sub eins regulär!
duraturum, sab honore et titnlo Sanctae Crucis, extra muros Cracovienses) in
oppido Kleparz, non longo a fluvio Rndava, sub pontificatu Petri Wisch epis-
copi Cracoviensis, feria qninta postfestum Sancti Jacobi Apostoli, fundant,
condnnt et dotant, et pulcherrimo muro lateritio circuitum ecclesiae tam chori
quam corporis, opere sumptuose et magnifico designant, chorumque eiusdem
ecclesiae cum Sacristia perficiunt et consumant, corporis vero fundamenta
solum iaciunt; quemadmodnm usque in praesentem diem id coram cernere
licet. Et domum pro monasterio ligneam cum horto construunt, fratresque ex
monasterio Pragensi sumptos in illam introducunt, dantes eis pro dote quam-
vis tenui, viginti marcas singulis annis de censibus et proventibus thelonei
Cracoviensis : a quibus usque ad mea tempora et sub meis oculis ecclesia illa
Sanctae Crisis, et in re divina et in matutinis horisque canonlcis, caeterisque
caeremoniis ecclesiasticis, sonoro cantu et lectione in idiomate Slavonico et
per monachos fratresque Sancti Benedicti et officiabatnr et administrabatnr.
Deliberaverat autem illustrissimus Wladislaus Poloniae Rex cum sua nobilis-
sima consorte Hedvigi, monasterio et loco Uli dare amplam dotem, quae tri-
ginta monachos, praeter alios familiäres et servitores sustentare potuisset;
deliberaverat etiam et monasterium cum omnibus cellis et officiis suis late-
ritio muro fabricare ; sed Interim Regina clarissima Hedvigis Sorte fatal! ab-
stracta est, qua obennte, omnis ardor, ad quem illum stimulo suo Regina Hed-
vigis concitabat, extinctns est, et omne opus usque ad diem hanc omnisque
fabrica ecclesiae et monasteri! intermissa. Joan. Dlugossii Historiae Polonicae,
in Opera omnia, herausgegeben von A.Przezdz!ecki. T. XII. Cracoviae 1876,
S. 487 — 488. üeber dieses Kloster siehe bei Grabe wsky Krakow i jego oko-
lice. Wyd.4te. Krakow 1844, S. 118. (Klaszterj S. Krzyia, zwany sl:owia£8k!.
Ibid., S. 290. KHiek, Mstin., S. 196.
2] Grabe wski S. 1 18. Zu Ende des XVII. Jahrh. wurde dieses Kloster
Zar Gesohiolite des GlagolismuB in BOhmen. 193
ob aucb in diesen beiden Klöstern die Glagolica angewendet wurde oder
nicht; wir haben dafür keine Data. Karl IV. blieb aber bei der Grfln-
dang des slavischen ELlosters in Prag nicht stehen; er ging noch weiter.
Er glaubte, dass die Slaven auch im Glauben yereinigt sein müssten, und
bei der ersten passenden Gelegenheit drückte er das ans, indem er auch
im gegebenen Falle als Grundlage die kirchenslayische Sprache erbliekte.
Am 11. März 1355 schreibt er ans Pisa dem serbischen Caren Stephan
DuSan, dass er ihm eine Gesandtschaft schicke mit dem Bischof Peter
an der Spitze, — per venerabilem Petrum Episcopum Dottensen Sacre
theologie Magistrnm principem et derotum nostrum dileetum, Tiyum
utique approbate virtutis et scientie circumspectum. Diesen Bischof
schickt er auf Wunsch des Papstes Innocenz, damit er, d. i. der Bischof,
plaeidam deo et hominibus commendabilem intentionem vestram (d. i.
Stephans), qua yos velud zelo devotionis accensi inspiratione diuine
gratie ad sancte Matris ecclesie gremium et unitatem orthodoxe fidei
flagrancius aspirati, placidius intimasset. Deswegen gleichgestellt,
was die Kaiserwflrde anbelangt, welche et eiusdem nobilis slavici ydio-
matis participio facit esse communem, cum eiusdem generöse lingue
sublimitas nos felicibus auctore domino et gratis auspiciis pertinuerit . . .
Cum et communis nostre celsitudini debeat esse solemniorum gaudiorum
materia, quod sublimi et ingenua lingua communinm missarum solemnia
et divinorum officiorum laudes eximie licite celebrentur. Et ideo ponti*-
fices, prelati et clerici regni vestri interpositione soUicitudinis nostre
facilina reduci volebunt in fauorem nostre ecclesie, qua pro aliis nacioni-
bus singulari quodam privilegio licet eis in vulgari lingua predicta Slauo-
niea in diuinis laudibus exerceri. Idcirco fraternitatem vestram in do-
mino Totiuis affectibus requirimus et hortamur, quatenus diuine pietatis,
ineffabilem clementiam, qua vos dilecte frater consnete misericordie bo-
nitate ad etemi luminis claritatem vocare dignatus est; dignis humilitäte
spiritns sustineatis affectibus in tam felici vestro proposito quo non solum
persone vestre, sed etiam singulis vestris fidelibus regnicolis dinina salus
offunditur. Hiemach theilt er mit, dass er die Erfolge Dusan's dem nngar.
Könige Ludwig schildern werde und verspricht, sich darum zu bemühen,
wiederhergestellt. Ivan SrocilQski, lawnik prawa Magdebursk. w Krakowie.
In den JJ. 1797 — 1809 wurde es zusammen mit 14 anderen zerstört; seine
verödeten Buinen sind noch heute wahrnehmbar. Grabowski, S. 290;
EÜkek, S. 196.
ArchiT far slansche Philologie. XII. 13
1 94 P. Syrkn,
den Frieden zwischen diesem und Stephan DnSan zum Abscblnss zu
bringen. Endlich benachrichtigt er den serbischen Caren, dass er sich
auf dem Wege nach Mailand befinde, wo er sich krönen lassen werde, nt
videatis liogwam nativitatis communis (d. 1. Slauonicam) tantis efferri
laudibus et tot nobilitatem insigniis decorari ^) . Aber daraus ist nichts
geworden.
Mit dem Tode Karl IV. verlor das slavische Kloster seinen grossen
Protector und Gründer. Die Nachfolger dieses Königes verhielten sich
gar nicht mit jener Liebe und jenem Eifer demselben gegenflber, wie
Karl. Das Kloster gedieh deshalb nicht nur nicht, sondern ging nafch
und nach dem Verfalle entgegen. Der öftere Wechsel der Aebte und
der üebergang der Verwaltung desselben in die Hände deutscher Aebte,
trugen bedeutend zu seinem Verfalle bei. Endlich zerrütteten die hussi-
tischen Kriege zur Gänze die Lebenskräfte dieser für die Cechen so
nützlichen und schönen Gründung und vollendeten derart dessen Ver-
falP). Das Kloster erhielt sich doch bis zum Anfange des XVU. Jahrh.
Zu dieser Zeit wurde es von den dort einquartirten Magyaren geplündert,
welche nach Prag vom König Matthäus gegen seinen Bruder Rudolph U.
berufen worden waren. Einen noch viel grösseren Schaden erlitt das
Kloster im J. 1611. Die Prager Bevölkerung griff es an und tödtete
alle hier befindlichen deutschen Soldaten aus Passan, die hierher vom
Passauer Bischof Leopold zur Hilfe Rudolfs mit geheimen, bösen An-
schlägen geschickt wurden; der Pöbel schonte das Kloster nicht: es
plünderte es vollständig aus und tödtete die Mönche; der Abt des Klosters
hatte seine Rettung nur dem Umstände zu verdanken, dass er sich im
Ofen verborgen hatte. Alle kirchlichen Geräthe und Gefässe wurden
theils zerbrochen, theils weggeschleppt. Zu dieser Zeit wurde auch die
Bibliothek total zu Grunde gerichtet. Eine Menge von Büchern wurde
aus ihr herausgenommen und vernichtet. Es erhielten sich ans derselben
nur einige Bücher 3). Das Kloster gerieth nach diesen Ereignissen ins
äusserste Elend, sodass man es nicht mehr bewohnen konnte. Einige
1) Hoffmann, Sammlang,n, S.185— 187, Nr.CLXXV, wo dieser Brief
ziemlich sonderbar betitelt ist : Imperator scribit Regi Russie ut fidem Chri-
stianam accipiat. Palacky, D^jiny nAroda cesk^ho. 2^« Aufl. S. 107; Efii^ek,
S. 196; Tadra, Styky, S. 126.
-) Die weiteren Schicksale des Prager slav. Klosters siehe bei KH^ek,
Kästln, S. 196—199.
3) Kfi^ek, S. 199.
Zur Geschichte des GlagoliBmus in Böhmen. 195
Mönche, die ihr Leben gerettet hatten, waren genöthigt, in den in der
Nähe liegenden Häuschen ^) Wohnung zu nehmen. Schon in späterer
Zeit übergab das Kloster Ferdinand II. im Jahre 1624 den Beuroniten,
spanischen Mönchen von Monserat, die dasselbe bis heutzjutage im Be-
sitze haben. Von der reichen slavisch-glagolitischen Bibliothek blieb
nicht eine Spur. In der Klosterkirche wird jetzt ausser den Liedern nur
selten das Gotteswort in slavischer Sprache gehört^). Das Kloster ist
heute lateinisch-deutsch. Die slavischen Mönche, die dort zur Zeit der
Uebergabe waren, wurden zur Kirche des h. Nikolaus beordert und nur
dem Namen nach hiessen sie slavische. Sie blieben bei dieser Kirche
bis zu der Beformzeit Joseph U. ^) . Heute ist die Kirche des h. Nico-
laus den Russen abgetreten [vermiethetj und in ihr findet nun der ortho-
doxe Gottesdienst statt.
Die Bücher, die sich nach der Plünderung im Jahre 1611 erhalten
haben, wurden nach allen Seiten verschleppt und endlich zum grössten
Theil zum Einbinden anderer Bücher benutzt oder einige aus Unverstand-
niss vernichtet. Wenigstens alle bis jetzt aufgefundenen Bruchstücke
sind von Einbanddecken von Holz oder Pappe herabgenommen. Es ist
möglich, aber ich weiss nichts davon, dass es bis jetzt irgend ein Bruch-
stück aus Böhmen geben würde, welches nicht von einem Einbände ab-
gelöst worden wäre. Die von mir unten angeführten Bruchstücke rühren
ebenfalls von einem Einband her. Sie kommen auf einem unvollstän-
digen Pergamentblatte vor.
Dieses Blatt wurde von A. Patera in der Bibliothek des dominikani-
schen Klosters des h. Georg in Prag gefunden, an die Einbandplatte des
2. Theiles der Sechischen Apologie stavou Krälovstvl Cesk^ho z r. 1618
angeklebt, wovon er es mit Erlaubniss des Pfarrers F. 0. PohPs ablöste
und in der Bibliothek des Museums aufhob. Dies Blatt ist ohne Zweifel
aus demselben Buche, aus welchem auch jenes Blatt stammt, das von
A. Patera im C. C. M. 1882, S. 524 — 7 abgedruckt ist. Wie das Perga-
ment, so ist auch die Schrift gänzlich gleich, wie ich mich durch einen
Vergleich dieser 2 Blätter überzeugt habe^).
1) KHzek, S. 199.
2) Pelzel, Kaiser Karl IV., S. 530; Dobrowsky, Gesch. der böhm. Spr.
u. B. w. S. 60; KH^ek S. 195.
3) Kmek, S. 199.
^) Da dieses Blatt inzwischen von Herrn A. Patera in dem 6. Heft des
lS97er Jahrganges der böhm. Museal-Zeitschrift erschienen ist — Zbytek sta-
13»
196 P- Syrku,
Zur Erklärung des Inhalts kann ich nur eine Episode hervorheben,
fflr die mir eine, wenn auch etwas abweichende Variante vorliegt. Diese
ist in den Dialogi des römischen Papstes Gregorius I. (f 6 04) erhalten, nach
einer slavischen Handschrift d. kaiserl. Hof bibliothek in Wien (81av. 22),
in der bulgarischen Redaction aus dem Ende des XIII. oder Anfang des
XIV. Jahrb. (fol. 336^—338^). Ungeachtet einiger Abweichungen ist
das Gemeinsame der Erzählung hier und dort sichtbar. Die Episode
von der Brücke in Gregorius' Dialogus stammt entweder aus derselben
Quelle wie in der Sage vom Nicolaus oder die letztere schöpfte aus der
ersten Darstellung. In der slavischen Uebersetzung lautet die betreffende
Episode bei Gregorius^) so:
BoHHB 7R.e H^KUH Bx COMB namoMB rpiäA^ (Rom) {& Öi^Bi Toroxe
Mopa oy^apeuB Öbibb oyiuptTB. t^jio äc oyöo «ro öea^oyinHO jieÄa-
me, B'B CKopi 7K.e naKBi Auia BX3BpaTHCA b'b t^äo, v. b'b ce6e npmneAB,
uxe BH^t, noB^AStmO) i^ko mhos^mb ce ub^ 6bith. rjaauie cHi^e uko
MocTB 6ime. no HflMace upaKB h t^mho sp^HH«. cMpa^B se necBTp'B-
HHMB H M'BFja HCxo^^n^H 6 HBMB BHA^mecA. p^Ka xo Hd^ HHHB Tevame.
np^ MOCTOM KB Tp^BHHI^H SejeHiiill^nCA 6%X^ HSpAAIIH. ÖBUlfH tfjPOBOH-
HBIMH H I^B^TBI padJH^HBIMH OyKpainaeMH. Ö^JOWAGKHBIX «6 MiLaÜTH
CXHMHn^a B'B HHXB ÖBITH BH^^X^CA ' TOJHKO iSe AXaUl'e ÖJirOBOHla B'B
TOMB MtCTi 6%, HKO RKe TaMO np^XO^AII^HMB H aUiB^Up ÜJ odoH^Hla
Toro ÖJTOikxaHla HacBUu^aTHCA * TaMo wÖHrijn paazH^HBi BejiHKa
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HHsp^BaBMB B'Bna^aame. npaBBAHm^H se, B'B hhxxb cBrpimBHYa hb 6i,
ÖBBüB^aiHOiL H CBo6o;(HO& Horo& no HBMoy MHMoxoay^aaxA ' Taaio
neTpa iukb upKOBnaro npHTBTa 6oj[maaro hsb npix^B ^ernpe Ä^th
rooesköho »Videni Mikul&sova« hiaholsky psan^ho, S. 537 — 540 — so verzich-
ten wir auf die Wiederholung des Textes.
1) Vgl. Migne, Patrolog. lat. LXXVII, col. 382—386.
Zur Geschichte des Glsgolismiu in Böhmen. 197
X X , X
«nepmaro. cxpitMorjaBL BHCAn^a kb cTpamHBiH m^ct^ oh% bha^th
rjme. BejraeA TAxecTU KejiisHOA cBAsana. BinpocHBinoy me moj
qbco paw ce CTpasMeTb, da (uumaTH ero rjame, iiace h mu clb-j^mu
Hse «ro Bx ceMB iq)kobh^ml ;toMoy nosHaxoMb h tofo noMHHaeMB A^a-
ulTa. pe^e 60 ca moj hko cero pa^H cl'a cTpaxAeTb, noue»:e aii^e «Moy
3a crrpimeHla a&th KOMoy msbbi noBej^mecA* MHOKae na?e CD coypo-
B^Huiaro xejaHia Hea:e äh 3a nocjoyiüanXe ^aäuie. da a:e TaKO Öuth
BThcn no3HaBineu ero c'bb%;(a. TaMO xe h npH3BHTepa h^kocfo CTpamia
bb;a^th rjEuie. Hxe na npi&peHBiH moctb iipHm6Ai>, cb tojhi^^m xe
;ip'B3H0BeB][eMi> no HeMoy ni^^i^ej &iHKOi& h 3Ae npinpocTUHeA noxHTb.
Ha TOM xe MOCT% H CTe^aHa, ero xe nptpeKo nosHaTH rjmie * TOMoy xe
nptHTH B-bcxoTiBuioy, Hora ero nonatsecA. h äo hojt'b Tejiece BtH§
MocTa BHcime. cTpamHH xe h^i^h maxes {& p^KU Toro HSHHVAii^a 3a
6e;ipi»i ßjp'hTSüLmß AOJoy Bj^^ax^. ApoyslH xe ö^üowaoxahhh h KpacHH
Mi&xle sa Mumi^A ero ropi BJii^ax^' B^LHer^a xe da 6op($a fl!kimeQA,
ÖJCTUHMB AXOBw Topt «Fo BaiKibH^HMb, JAKaBUHM SB AOJ[oy; Hace da
3pAH, B^ CBOe T^JIO B'L3BpaTHCA.
Ich zweifle nicht, dass mit der Zeit aach für die übrigen Episoden
Parallelen oder Qneilen werden nachgewiesen werden können.
Prag, 30. Juli 1897. P. Syrku,
Anmerkung. Die vorliegende, bibliographisch fleissig ausgearbeitete
Darstellung, die ursprünglich allerdings nur als Einleitung zu dem inzwischen
anderwärts erschienenen Bruchstück einer böhmischen, glagolitisch geschrie-
benen Nicolauslegende beabsichtigt war, legt eine wichtige Frage nahe, die
im Aufsatz des Verfassers nicht aufgeworfen wurde, die ich so formuliren
möchte : wie kamen die Prager Glagoliten auf den absonderlichen Einfall, im
lAufe der Zeit böhmische Texte mit glagolitischen Bachstaben zu schreiben?
war das etwa die Absicht oder gar der Wunsch des Kaisers Elarl IV.? sollte
er sich mit dem wirklich thörichten Gedanken herumgetragen haben, für die
böhmische Sprache und Literatur statt der lateinischen die glagolitische
Schrift einzuführen? Gewiss nicht. Wer oder was verschuldete es also, dass
die ursprüngliche Absicht, die nur darin bestehen konnte, den kirchenslavi-
schen Gottesdienst zu pflegen, zu einem Zerrbilde ausartete ? Kaiser Karl IV.
muss wohl in irgend einer Weise von dem kroatischen, streng römisch-katho-
lischen, und doch seinem Wesen nach slavischen Glagolismus in Kenntniss
gesetzt worden sein. Mag er nun selbst an einem so merkwürdigen Privilegium
198 P- Syrkn, Zur Geschichte des GlagoÜBmus in BühmeD.
Gefallen gefanden haben und es auch in Prag ins Leben setzen wollen oder
wurde ihm der Plan von irgend welcher Seite (wahrscheinlich in Italien) sug-
gerirt, wobei vielleicht der Hintergedanke, eine kirchliche Einigung unter den
Slaven zu erzielen, mit im Spiele war, jedenfalls bezweckte seine Gründung
des slav. Emmausklosters nichts weiter als die Einführung des kirchenslavi-
sehen Gottesdienstes secundum ritnm romanum. Zu diesem Zwecke wurden
aus dem kroatischen Küstenland die in diesem Ritus erfahrenen Glagoliten
(jedenfalls in einiger Anzahl) nach Prag berufen, die als Instructoren fungi-
ren mussten. Denn sollte der slavische Charakter des Klosters in seinem
kirchlichen Gottesdienste von Dauer sein, so musste dafür Sorge getragen
werden, dass nicht nur die ersten Mönche des Klosters, sondern auch ihre
Nachfolger die unentbehrlichen liturgischen Bücher (Missale, Rituale, Horolo-
gium, Psalterium, Homiliarium u. a. m.) in kirchenslavischer Sprache und gla-
golitischer Schrift nicht nur besitzen, sondern auch lesen und verstehen. Das
setzt aber einen ordentlichen Unterricht in der kirchenslavischen Sprache
voraus. Diesen konnten nur die berufenen kroatischen Glagoliten ertheilen.
Nun war es aber nach dem Zustand, in welchem sich der Glagolismus in seiner
Heimath selbst befand, wo für die Hebung des geistigen Niveaus der armen
kroatischen Priester nichts geschah, sondern alles aus einfaltig-aufrichtiger
Liebe und Anhänglichkeit betrieben wurde, so zu sagen mit kleinen Haus-
mitteln, selbst beim besten Willen kaum zu erwarten gewesen, dass den
bOhm. Mönchen, wenn sie gleichfalls Glagoliten werden wollten oder sollten,
ein höherer. Über das Elementarste hinausreichender Unterricht beigebracht
werden könnte. Alles was die kroatischen Glagoliten ihren böhmischen Brü-
dern beizubringen im Stande waren, beschränkte sich auf den Unterricht im
Lesen und Schreiben der glagolitischen Schrift. Dieses Ziel wurde auch
augenscheinlich erreicht, aber nicht mehr. Die kroatischen Glagoliten ver-
standen nicht, vielleicht fehlte es auch an dem dazu nöthigen Ansehen, die
böhmischen Mönche in der kirchenslavischen Sprache in systematischer Weise
zu unterrichten. Auch die böhmischen Mönche scheinen keinen besonderen
Eifer an den Tag gelegt zu haben. Die Sache war ja nicht so leicht. So er-
klärt es sich, dass die Leute ut aliquid fecisse viderentur auf den wirklich
albernen Gedanken verfielen, mit den glagolitischen Buchstaben — so weit
hatten sie es eben gebracht! — böhmische Texte zu schreiben! An dieser
Travestie sind weder Kaiser Karl IV., noch auch die böhmischen Mönche
Schuld. Die Schuld trifft höchstens die Instructoren, ihren Mangel an aus-
reichenden Kenntnissen, und vielleicht auch Diejenigen, die es nicht ver-
standen hatten, diese Instructoren gleich von Anfang mit Ansehen und Ein-
fluss auszurüsten. V, J.
199
Slovenica.
L Zwei Fälle TOn Yocalharmonie im Slovenischen.
Es ist bekannt^ dass die Yocalharmonie keineswegs etwa eine in
der finnisch-ugrischen Groppe von Sprachen isolirt dastehende Erschei-
nung ist, dass sie vielmehr mit einer Reihe von combinatorischen Laut-
Veränderungen unserer indogermanischen Sprachen gleichen Wesens ist
(Ablaut-Brechung, Umlaut, Vocalassimilation, Epenthese] und sich in
der Gestalt, wie wir sie in den finnischen Sprachen antreffen, auch sonst
sporadisch vorfindet.
Im Slovenischen ist das Trnbar'sche mumo (mumu) für mimo (mimu)
richtig durch die Yocalharmonie erklärt worden ; das Gleiche gilt vom
häufigeren koku. In den Dialecten begegnet man vocalharmonischen
Erscheinungen öfter (vgl. MikL, Gr. I, 332 bezüglich Resia's). Hier
mögen zwei solche Fälle aus dem Dialecte von St. Georgen a. d. Stainz
besprochen werden.
a) Blüze = blizu; e entspricht hier einem in diesem Dialecte aus
unbetontem i und n (ü) secundär entstandenen und einem kurzen, ge-
schlossenen e sehr nahe stehenden Yocale; bluze aus *blüzü und dieses
aus *bluzu ; "'bluzu ist aber zweifellos aus blizu durch regi*essive Yocal-
harmonie wie mumu aus mimu ; das unbetonte u (ü) sank zu e herab.
Yolkmer, der in einem benachbarten Dialecte schrieb, hat in No. 3,
p. 16 : Turk tak bluzi ne. —
Brütef = britof tlber *brutof ; deutsch Friedhof. —
Fünkesta, n. pl. = binkoSti, fem. plur., deutsch Pfingsten. —
Lükef = likof, Leihkauf, mhd. litkouf. »Daj ti meni tristo ranj-
&ki. — No tri zlate lukifa«, Pajek, Grtice iz dusevnega iitka Stajerskih
Slovencev, 36.
Mujmo aus '^'mumo = mimo, vgl. oben bei Trubar.
Sürotka = sirotka (aus sirovatka, Mikl. Et. W.) Eäsewasser, über
surotka. .
Sümen = Simon über *Sumon.
y
Süroke = siroki, über '^'suroki; dagegen voda teSe v Siren (wohl
= V Sirem, von sir = äiren, a, o, cf. böhm. &fry) , hier blieb mit dem
Wegfall der Ursache auch die Wirkung aus.
v.v
200 Franz Ilesic,
Strütef = Stritof, Leinwandatreifen oder Hölzchen, mit dessen
Hilfe man Garn windet (Pleteränik) , ans Streiftnch, Streichtnch, Let.
Mat. Slov. 1895, p. 44.
Hierher gehört auch proslek (weiter im Westen auch prslek, Ple-
tersnik) = Weste, wenn anders dies Wort aus prsluk, einer slavisch-
türkischen hybrida vox, zu erklären ist ; man denkt jedoch beim slav.
Wort an das deutsche »Brustfleck«.
Man sieht, dass in allen diesen Fällen die betonte Stammsilbe mit
dem hellen Vocal i von dem dumpfen und stärkeren, aber unbetonten
Vocal der darauf folgenden Silbe (u, o] afficirt, assimilirt worden ist,
worauf der letztere meist eine Schwächung erlitt (regressive Assimi-
lation) .
Dieselbe Erscheinung, nur an anderen Vocalen beobachten wir in
znave = znova von Neuem über *znava, odvecara = od v^Sera,
Nachmittag, valati = veljatiy zarjav für zerjav, weiter wäre in dieser
Weise sogoren^ suguren, kühn unternehmend, das bei PleterSnik in den
Formen, sogoren^ segaren, skoren, skuren angeführt ist; das erste o in
sogoren ist secundär aus segoren, das eine volksetymologische Anleh-
nung des skoren an siguren ist.
Prta = proti (Volkmer, No. 33, 1: itOJaz nesrecni! tak se tozi
— En skopecperta drugem mozid) dürfte aber aus prottva zu erklären
sein, das eine altslov. und serbische Nebenform znprotivq, protiiyb ist;
das resianische />r2/da (Mikl. Et. W.) entspricht wohl unserem j9r^a. Im
Compositum sproletje = sprotilefje ist die gewöhnliche Form proti
vorhanden*).
Durch Yocalassimilation deute ich mir lohanja für /eia^y'a, Schädel,
lobotati für labotati plappern; eigenthümlich ist das allgemeinslov. ro-
poiati für altslov. r^p^tatiy wofür wir *reptati erwarten. Das Frage-
adverb kama = wohin ist aus kamo entstanden unter gleichzeitiger
*) Was diese Erklärangsversuche anbelangt, so wird man wohl in den
allerwenigsten von den hier aufgezählten Fällen ein wirkliches Bestreben
nach der Vocalharmonie, besser wäre es zu sagen Assimilation, annehmen
können. Der Verfasser hätte den Charakter der Silbe, in welcher die angeb-
liche Vocalharmonie sich einstellt, in Betracht ziehen sollen, da hätte er ge-
funden, dass meistens vor oder nach dem Vocal r oder l steht. Ferner war
die Betonung zu berücksichtigen, da in der Regel ein betonter, deutlich aus-
gesprochener Vocal auf den benachbarten tieftonigen eine assimilirende Kraft
ausübt: fUr die wenigsten hier aufgezählten Fälle trifft das zu. Bei lohanja
war auf serbokr. luhanja zu verweisen, auch altslov. kommt j^ÖHHa vor. V. J.
Slovenica. 201
AnlebnuDg an ta^ tija dorthin; da hätten wir schon ein Beispiel von
progressiver Assimilation, das zur zweiten hier zn besprechenden Er-
scheinung fflhrt, bei der man vielleicht lieber von Epenthese als Vocal-
harmonie wird reden wollen; der Fall betrifft
b] zunächst mehrere Verba, von denen einige bereits bei Miklo&i6
erwähnt sind; man spricht nämlich in 8t. Georgen: bujti = ubiti^ moj-
knoti se == umeknoti se^ mujrati = umiratij mujti = umiti^ vojniti
= uveniti, vojzniti = uveznitij vujati = uvij'ati (viti); dazu finde
ich noch bei Pajek, Örtice, ioujzdati si = uivizdati si
Bujti n. s. w.y in dem man seinerzeit den Rest des alten jery er-
blickte, ohne zu bedenken, dass das Wort ebensowenig wie irgend ein
anderes der oben aufgezählten ausser umiti jemals ein jery gehabt hat,
— in der Orthographie der Freisingerdenkmäler glaubte man eine will-
kommene Stütze ftlr diese Ansicht zu finden — ist zweifelsohne aus
ulnti zu erklären, schon die Perfectivität des bujti weist auf die Zu-
sammengesetztheit hin, das imperfective biti hat nie ein u. Daher haben
wir in bujti aus ubiii qihq Epenthese des u anzunehmen, aus t^itW wurde
durch progressive »Assimilation« ubujti und daraus nach Wegfall des
consonantisch gewordenen u bujti.
Die mittlere Form ubujti^ utnujti ist im Dialecte von Kanal im
Gdrzischen erhalten, woselbst man auch ukuazati = ukazati hört —
da hat man gelegentlich von einem » Utacismus « gesprochen. — Die
zweite Vermittelungsstufe, die zu bujti führte, nämlich vbujti (mit con-
sonantischem Anlaut) lese ich bei Volkmer Nr. 3, p. 15 : »Turk gre, on
nas fbuje«, vgl. Nr. 9, p. 19: «Eones, paneübujesa; Nr. 9, p. 19:
»Dlako si je gosto i^mia«.
Wenn man aber nun bujti u. s. w. aus ubiti u. s. w. mit vbadati,
fcakatiy fciniti, vdaritij vgasnoti^ fkaniti^ fkoncati^ vleknoti, vlejati,
vnesti, der Reihe nach aus ubadati (?), ucakati, uciniti^ udariti u. s.w.
vergleicht, so sieht man, dass trotz des durchaus gleichartigen Anlautes
{u + Cons. -|- Voc.) die Epenthese des u nur in bujti u. s. w. einge-
treten ist; wo liegt die Ursache dieses Auseinandergehens? Im u kann
sie nicht liegen, man kann sie nur im Anlaut des Verbum simplex
suchen.
Der durch die Epenthese veränderte Stammvocal ist in u^miti,
U'bitij U'vijatij u-miratij uzvizdati das i, in vojzniti^ vojniti das e (^),
in mojknoti das e (%], also durchwegs helle Vocale, die um so leichter
eine Assimilation an das u erlitten, je weiter sie von demselben ab*
v.v
202 Franz Ilesic
stehen ; dabei wurde aus dem u + i = uj\ aus w + ö = o;'. Weiter
ist wichtig : in umiti, umirati^ umeknoti sprang das u ttber m, in ubiti
über bj in uvijati^ uvegniti^ uveniti, uzvizdati über r, also im Ganzen
Aber i, m, t?, durch deren stark labialen Charakter das 2/~Element
gefördert worden sein mag.
Zu diesen epenthesirten Verben gesellen sich noch einige präpo-
sitionale Redewendungen, deren Eigenthümlichkeit ich mir ebenfalls auf
diese Weise erkläre : hierher gehört zunächst koga mujsli meti = koga
V misli tmeti Jemandes gedenken, ihn erwähnen, kein Mensch würde
aber sagen : *mujsel = misel ; ebenso : v mvjz^co = v miznico, nie-
mals aber auch im Nom. *mujz^caj weiter : v huj'so = v hiso, aber nie-
mals *hujsa ^) , endlich nemren jemi v mojt^ ich kann ihm nicht ins
Wort kommen, was wohl gleich ist einem : ne morem mu v met ich kam
ihm nicht in den Wurf (vgl. Pleteränik, sub voce met, meta)^). Etwas
weiter gegen Luttenberg ist sehr verbreitet der Ausdruck : vojs pritij
wofür man auch gleichbedeutend na ves priti sagt, daher vojs priti =
f) ves priti.
Da der eigenthümliche Wandel des Stammvocals in diesen Sub-
stantiven auf die Verbindung mit der Präposition v beschränkt bleibt
und sich sonst in keinem Casus findet, so ist die Ursache desselben eben
in dieser Präposition v zu suchen und die Erscheinung als Epenthese
derselben in das Substantivum hinein ganz in der Weise aufzufassen,
wie wir es bei obigen Verben gesehen haben ; auch hier findet sie vor
dem Vocal i (v mtsel, v mtznico, v htso) und vor e (v met, v ves) statt
und zwar über die Consonanten m (v misel, v miznico, v met), über v
(v ves) und über h (v biso) . Zur Epenthese über v rechne ich noch den
Ausdruck vußka nach oben, hinauf, den ich mir nach Analogie von
kama?^ ta! aus vuj'iak entstanden denke; vujsakj das sich nach Geit-
ler, Rad jugosl. akad. knj. 44, p. 128 auch in Kärnten finden soll, lese
ich bei Volkmer Nr. 36, p. 35 : »On hitro vuisag vzdigne psa«, Nr. 37,
p. 36 : j»Vse stiri bistro vuisak vriecc ; vujhak ist sicher aus *v viäak
zu deuten, nur vermisse ich das Substantivum *visak im Slov. und finde
nur visek; ja Danjko, Emet Izidor, p. 83 aiibi schreibt gerade visek
für Volkmer's vuisak.
1] Uebrigens bin ich mir dieses Ausdruckes nicht ganz sicher.
2) Junge Slovenen, die hier studiren, meinen, dass t; moß in dieser Phrase
auf dem aus dem deutschen »Muth« entlehnten mot beruhen könnte. V. J.
Slovenioa. 203
Dass eine Präposition anf das dazn gehörige Wort wirkt, das wird
Niemand Wundernehmen, der die Festigkeit vieler solcher Verbindungen
kennt. Nnr ist dabei in unserem Falle vorauszusetzen, dass die Prä-
position V zur Zeit der Entstehung dieser Epenthesen labialen Cha-
rakter hatte, sonst hätte sie kein u in der folgenden Silbe hervorrufen
können, während gegenwärtig im besprochenen Dialecte das silben-
schliessende v sammt der Präposition vor weichen Oonsonanten einfach
labial ist wie das deutsche Wj vor harten aber dental wie f. Dieser
historische Wandel in der Aussprache des v muss zugegeben werden,
wenn man bedenkt, dass Volkmer und Danjko, die in benachbarten
Dialecten schrieben, sporadisch die Präposition in der Form vu brauchen
und dass vu {vo) in einigen Fällen noch gegenwärtig erhalten ist ; ab-
gesehen von domo aus domov durch domo^ (niemals *domof) sind hier
anzuführen: vovek = uvek^ uvjek^ auch vujtro^ vujirano^ das ich aus
*vüjutro^ vü jutro ratio erkläre (vgl. böhm. nazejfrij doch aus ria
zejutH — na zejitri); schliesslich glaube ich vu auch zu finden im
Namen der Stadt Pettau : Opttt (in der Schriftsprache Ptuj-Petovium) ;
man sagt: to je Opttt, v Optüji sem, rujpti grem; Eoseski braucht in
seiner Slovenija cesarju Ferdinandu Qptuj\ im Kroatischen heisst die
Stadt überhaupt Optuj\ Vujptt, eigenüich vujpte aus vujptü (unbe-
tontes ü wird ein «-artiger Vocal) , ist vü ptüj\ wobei die Präposition
den Accent bekam. Der Nominativ Optü ist nun nichts anderes als der
Local vujpti mit auf das Substantivum geworfenem Accente, wodurch
vu (unbetont) vo [6) wurde; vgl. Stämbul u. ä.
Dass gerade die Präposition v häufig vu{=V'\- u) lautet, während
sonst alle v der labialen Aussprache ausweichen und die Dentale bevor-
zugen, das dttrfte seinen Erklärungsgrand darin finden, dass der ur-
sprüngliche Halb vocal nicht immer ausfiel : v^ gab u^ daher in St. Georgen
vujigati aus uzgati = vb-zgati {v^z-zgat{)^ dann vüne aus *une [v^ne)^
vün aus *un [vrbnb)^ vüs aus u& {v^h), kroat. vas oder us, vüzem ans
*uzem {v^zhm^), kroat. vazam. Dass sich das v nach Abfall des
Halbvocals zu u zerdehnt hätte, was Skrabec, Cvetje VIU, 1 1 behauptet,
ist kaum anzunehmen ; das wäre in den östlichen Dialecten eine allen
anderen Erscheinungen zuwiderlaufende Bewegung.
U« Einiges zum Wortanlant.
Der Vergleich eines bujti [vbujti, ubujtiy ubiti) miifsehnoti aus
usehnotij mit fkrasti aus ukrastij mit vüj'spati aus uspati regt folgende
204 Franz lleiii,
zwei Fragen an : 1 ) Warum ist in vrljapati das u nicht zu v (f) ge-
worden, wie in bujti^ fsehnoti^ fkrasti'? 2) Warum ist v in bujti ab-
gefallen, \nf8ehnoti^ßcr<istivL\Q\ii?
Auf die erste Frage hat für die westlichen Dialecte bereits Skrabeo
(Qyetje VIII, 11) die treffende Antwort gegeben: sie stimmt auch ftlr
den slov. Osten ; in vüj'spatt, vüjzffatt] vujgnoti^ vujbrati, vujvretij
vüjmlatiti, vujmleiij vuj'prati = uspati\ uzgattj lu/noti^ t^ira^t u.s.w.
haben wir jetzt im Anlaut des Yerbum simplez doppelten Consonan-
tismus und zwar waren die zwei Consonanten ursprtlngiich durch einen
Halbvocal getrennt; da bleibt das u in seinem vollen Werth; wo da-
gegen das Simplex mit einem Consonanten oder mit zwei, aber niemals
durch einen Halbvocal getrennt gewesenen Consonanten anlautet, da
verwandelt sich das Präfix u in t?, ä9heT fcakafi, fcesnott, fcimtij vda--
ritiy vdelati^ vgasnotij fkaniti^ fkoncati^ vleci^ vlejatij vlomiti, u. s.w.
— mit zwei Cons. : fklanjati^ fkrasti^ Vrban^ ftrgati u. s. w. aus
U'cakatij u-cesnoti ...., u-klanjati^ u-krasti u. s. w. — vüjmlatiti ist
eine Analogiebildung.
Die zweite Frage betrifft den Abfall des zu v gewordenen u in jener
Gruppe von Worten, bei denen wir oben die Epenthese constatirt
haben ; aus vbujti wird bujti^ vnesü bleibt dagegen. Darauf ist zu
antworten : das anlautende t? föUt gern weg wie in boxen ans ubozen
(miser),' vielleicht auch bogati für ubogati, doch vgl. deutsch » folgen «r,
ladati für vladatt, tat für vlat, las für vlas, notri für vnotri^ femer
zdigniti für vz-digniti^ zdehnoti für vz-dehnoti, zdrzati für vz-^rzatij
zmoci für vz-^moci u.s. w. lauter Verba, die mit dem Präfix v^z zusam-
mengesetzt sind. Da reihen sich nun auch bujtiy mu/ti, mujrati aus
vbvj'tij vmujti, vmujrati an. Der Abfall eines solchen v erleichert oft
die Aussprache und stört hier das Yerständniss nicht. Wo dagegen das
Fehlen des v eine syntaktische Ungenauigkeit nach sich zöge, da wird
es beibehalten: fiele in fcakati, fcinüij vgasnoti u. s. w. das v if) ab,
so hätten wir auf einmal Verba imperfectiva ; das v stützt also in der
Qrw^^Q fcakati u. s. w. die Perfectivität. In vz-^riati kann v abfallen,
denn der Rest des Präfixes z unterscheidet das Wort vom Imperfectivum
drzati, in bujti ist der Stammvocal gegenüber dem Imperfect. biti cha-
rakteristisch. Für mreii (perf., daher gleich umreti) würden wir
vmreti erwarten, da mreti imperf. ist; aber für das imperf. ist im
Dialecte nur mujrati in Gebrauch, nicht mreti, daher war die Gefahr
der Undeutlichkeit ausgeschlossen. Für tismiliti braucht man smiliti.
Slovenica. 205
während fttr das imperf. smiliti meiBt militi eintritt. Verwischt ist je-
doch der Unterschied in staviti (= stavitiy ustavtti), strastti (= st7*a-
iiti nnd tsstraüti).
Bekanntlich kennen gerade die östlichen Dialecte Steiermarks ein
silbenbildendes r; dasselbe wird jedoch im Wortanlaut zu ar. Bei-
spiele, deren ich habhaft werden konnte, sind :
1) adresefij bei Pletersnik angeführt als rdeselj Knöterich, polypo-
nns, man spreche es als ardeselj; ausserdem locale Formen: an-
dreselj] ctdreselj) dreselj] dresen, redeselj] redesen, rdreselj)
rdresen, rdric, — Ursprünglich wohl rdeselj [rdesen\ daher bei
Mikl., Et. W. unter rhdes . . . ; aus ^desen wurde avdesen und
durch Metathese unser adresen.
2) avdeci füLTjfdeci, a\ts\ov. fi)deti, ardecka rothe Kuh ; cf. Danjko,
Kmet Izidor, 47: ardeca roza\ Pajek, Örtice, p. 32 : »s fajdelna
ardeSega,
3) arja = r/oj altslov. rbzda, Danjko, Kmet Izidor, 113: zaarja-
veti.
4) arjam^ altslov» r^zdav^.
5) arjüti, arjüjen (m), altslov. rjutty revq.
6) arzeni kruh (Kornbrot), altslov. rhh.
In diesen Beispielen ist aus dem (sonantischen) ^ ein secundärer
Halbvocal entwickelt worden ; die Entwickelung eines solchen ist in den
westlichen slov. Dialecten gewöhnlich, ja im flussersten Westen nahet
er einem a, wie in unserem Falle, daher venetianisch arjuti (Mikl.
Et. W.), Pletersnik führt an : arsati für rsati, arman für rman. Aber
im Dialecte von St. Oeorgen ist dies deshalb auffallend, weil es auf den
Anlaut beschränkt ist; im Inlaute ist rb + Conson. (sonantisches) ^
geblieben, sm^ty sm^din (m), k^ty p^hek .... ^j. Doch selbst im Anlaut
haben wir nicht immer an hrtalec (Rüssel) aus rtalec, hrzati aus rzatiy
altslov. rbzati\ freilich sieht man, dass in diesen beiden Beispielen das
r nicht mehr im Anlaute steht, dass es vielmehr in h einen Vorschlag
erhalten hat, wie wir diese Erscheinung namentlich aus dem Serbo-
kroatischen kennen. Ist das h früher vorgetreten, als die Entwickelung
des anlautenden f begann ?
I] iarjav ist aus ierjav, nicht aus Irjav zu erklären, durch Vocalharmonie.
y*y
206 Franz Ilesic,
Die Schreibung rudec^ ruj'av ist also auch vom Standpunkte der
östlichen Dialecte verfehlt^ wie dies schon von den westlichen Dialecten
aus äkrabec nachgewiesen hat ; richtig dagegen ist ruman — im Osten
remenilo aus rümenüo^ rumenilo, — itj'uha lautet um St. Georgen
ruha. daher kommt es hier nicht in Betracht.
Noch möge aber der Taufname Arne^ Amicek Bartholomäus er-
wähnt werden ; Arne, Arnecek ist aus Rne, JRnecek zu erklären, wie
ardec aus fdec, Rne, Rnecek aber aus Jrnej) Jrenej, Irendeus ') ; in-
dem der Accent auf die Anfangssilbe geworfen wurde, wurde das
schliessendey unhörbar wie in vsele = vselej] oder gen. plur. postt für
postij u. s. w., das unbetonte e der Mittelsilbe fiel aus. Im Westen
wurde aus jß/z^;' regelrecht Emej — Jemej\ wiejermen für ernten aus
^men (Riemen).
m. Ein Geschlechtswechsel im Plural.
Die weiblichen Substantiva hajdkna^ korüza, njtva^psentca. r^pa,
die mit Ausnahme von njtva Acker bekannte Getreidearten, bez. Feld-
Früchte bezeichnen ; bilden im Dialect von St. Georgen a/d. Stainz den
Plural nach Art der Neutra auf a, bei gleichzeitiger Längung der be-
tonten vorletzten Silbe, daher : hajdhna (mit anderer Dehnung als im
Sing.), korüzüy njivOj pSenica, repa so lepe (die Adjectiva n. plur.
nehmen meist überhaupt die weibliche Endung e an, daher hat diese
hier nichts zu bedeuten). Der Quantitätswechsel gleicht dem vieler
Neutra wie itto-zita, Uto-leta, mästo-mesta, okno-ökna und ist bei
diesen Neutris mit den ursprünglichen Accentverhältnissen im Zusam-
menhange, indem dem jetzigen Singular ztto^ leto, m^sto^ ökno ein
älteres ziid, leid, mestdj oknd entspricht, während der Plural seit jeher
die vorletzte Silbe betonte, daher zita, leta^ mesta^ okna etc. Einen
solchen Accent- und Quantitätswechsel zwischen dem Singular und
Plural finden wir aber bei weiblichen Substantiven nicht, ja auch njiva^
das einzige von den oben aufgezählten Substantiven, das einen gewöhn-
lichen weiblichen Plural bilden kann, behält in dieser regelmässigen
Pluralform die alte Quantität : njtve ; der Qnantitätswechsel ist also an
die neutrale Form auf a geknüpft und beides, Quantität wie Form, nach
den Neutris zu erklären.
1) Es ist schon bekannt, dass der heil. Bartholomäus bei den Slovenen
vom beil. IrenSus den Namen bekam.
Slovenica. 207
Es entsteht nnn dieFrage, was denn eigentlich die Analogiewirkung
begrflndet hat. Die Erscheinung ist anf weibliche Snbstantiva, die
Getreidearten bezeichnen, bez. die Stätte ihrer Cnltnr, beschränkt; man
wäre daher versucht, den Ausgangspunkt etwa in iito-zita zu suchen;
▼on der gewöhnlichen Pluralbildung — bei Stoff- oder Collectivwörtern
ist die Pluralendung überhaupt beschränkt — wurde um so leichter und
lieber abgegangen, als auch die Bedeutung des neuen Plurals eine ganz
besondere sein sollte : diese Plurale haben nämlich sämmtlich einen
coUectiven Sinn: Buchweizen-, Mais-, Weizen-, Roggen-Felder oder
-Saaten, während der Singular entweder die Frucht oder ein Feld be-
zeichnet ; auch njiva bedeutet einen Complex von Aeckeru, an deren
Zahl man gar nicht denkt ; will man dagegen Aecker zählen, so muss
man die regelrechte Form brauchen : tri^ stiri njtve.
Der neutralen Form wie coUectiven Bedeutung nach erinnert diese
Bildungsweise an die von Oblak in Archiv XII, 379 besprochene Eigen-
thflmlichkeit des Dialects von Lu^e bei Bischoflack in Oberkraiu, nur
erscheint sie daselbst an männlichen Substantiven, z. B. lonca (kupc
prodaja lonca), dagegen lonce einzelne Gefässe .... vecera^ gen. nur
vecer^ dieses Beispiel macht mich an unsere Wendung je>o veceräh an
Abenden, aufmerksam, das vielleicht nach pojütrah gebildet ist, im
Sing, ist vecer nur masc. ; wenn man dobro vecer hört, so ist dies nach
dobro^jutroj dobro opodne^ dobro odvecara entstanden. Vgl. noch
Mikl. Gr. IH, 135.
Besonders ausgebreitet ist der Geschlechtswandel des Plurals im
Russischen, vgl. die Auseinandersetzung dessen bei MiklosiS, Gr. ni,
290 — 292; doch beobachten wir ihn da ebenfalls nur an männlichen
Substantiven : knjazhja , muzhja u. s. w. ; das Slovakische stellt den
üebergang zum Russischen dar, wenn es ein chlapovia^ fudia (Archiv
f. slav. Phil. XX, 40), und ein oracja hat (Archiv XX, 352).
Dass Substantiva im Plural oft Neutra werden [olTog-alxa^ iocus-
ioca), das wird uns aus dem Wesen des Plurals erklärlich, in dem das
geschlechtliche Individuum als solches gewissermassen zu Grunde geht
(vgl. Miklosii an der oben citlrten Stelle) — der Allgemeinheit, dem
Collectivum zu Liebe I
Die nahe Berührung des Collectivums und Neutrums ist von jenen
Sprachforschem schon längst anerkannt und betont worden, welche die
neutrale Pluralendung auf -a für eine Kürzung der Femininendung des
Singulars -ä collectiver Substantiva angesehen haben (Brugmann U,
V .V
208 Franz IleBic,
§ 33 7y Zeitschr. fttr Völkerps. u. Spraehw. von Lazarus-Steinthal XIV,
p. 410 — 434, besonders 414, 415, 421).
Der Abstand des Collectivbegriffs von den einzelnen Bestandtheilen
ist für das Sprachgefühl oft so bedeutend, dass es entweder neue For-
men zar Bezeichnung des Collectivums heranzieht, wie in unserem
Falle, oder wenigstens vorhandene Doppelformen zu dieser Unterschei-
dung verwendet, so sind im Dialect von St. Georgen die alten gen. plur.
auf 'i : lasij vozi, zoli nur coUectiv gebräuchlich ; kommt es auf die
Zahl an, so bedient man sich der neueren Formen auf ^ov, —
IT. Dobri-dobryj im sIoTenischen Dialecte Ton St. Georgen
a. d. Stalnz.
Der altslovenische Unterschied dohrb-dobruf ist im Neuslovenischen
formell nur im nom. sing. masc. erhalten, sonst ist er entweder durch Con-
tractionserscheinungen verwischt, wie im nom. sing. fem. dohra es altslov.
dobra und dobraja, nom. acc. sing, neutr. dobro = altslov. dobro und dobroje,
oder es ist, wie in den meisten übrigen Casus, die componirte Form die allein
übliche geworden. Wie nun im Serbokroatischen »oblici odredjenih pridjeva
dosta se cesto govore mjesto oblika neodredjenih ^ alt tada zadrzavaju akeenie
kakvi SU u neodredjenih^ n, pr. mjesto ^ütüy &üta govori se % ^ütoga, £ütom (be-
stimmt: &utogaj Eütoni)j Daniciö, Oblici 42, so wird auch in einigen Dialecten
des Slovenischen der syntaktische Unterschied formell zwar nicht ausge-
drückt, aber durch den Accent angezeigt, indem lepo mit lepö^ lepega mit le-
pegä wechselt.
Im Osten des slovenischen Sprachgebietes (Brezje bei St. Georgen
a. d. Stainz in Steiermark] ist nun der genannte Unterschied in der Form
des nom. sing, masc. zwar auch erhalten, ist jedoch nicht an die Verschieden-
heit der syntaktischen Verwendung eines und desselben Adjectivs ge-
knüpft, sondern hat sich über die Gesammtheit der Adjectiva so vertheilt,
dass ein Adjectiv in allen syntaktischen Funktionen entweder bloss die be-
stimmte oder bloss die unbestimmte Form zeigt ; man sagt nur: slah troitje
tOj ein schwacher Trost, tisti slab c/ooeA: jener schwache Mensch, dagegen beli
pes leti ein weisser Hund, toti pesje belt dieser Hund ist weiss. Die Adjective
des erwähnten Dialectes kann man demnach — abgesehen von den Possessiv-
adjectivis auf -ov, -in, -ski, -jV, die überall gleich behandelt werden — in
solche mit dem i im nom. sing. masc. und in solche ohne dasselbe eintheilen.
1. Die in den westlichen slovenischen Dialecten im nom. sing. masc. der
nominalen Declination einsilbigen Adjectiva verhalten sich in dieser Be-
ziehung folgendermassen :
a) nom. sing. masc. ohne t: grdy hujd, lepy nor^ rad, sit^ slab, zdrav, zrea
(ss zrel) — hos, kriv, sam, dazu kommen die part. perf. pass. : bit, o-hrit, o-dei,
se-gret, s-krit, mttft, v-iit, pre-slet, s^trt, ob-Mt, z-Ut.
Sloyeniea. 209
b) nom. sing. masc. mit i : helij bUdi, e$Uy ^ti, Smi, dragi, dugij glühi,
gotU^jahi^jari^ kaki, ffUbi, malt (im Sloy. wie im Serbokroat. überall nur in
der bestimmten Form], mladi, nagiy f^f^ni, novi, pravij rahi, rant, serij sivi,
skopi, slanij slepi^ slokt, starte sUhij sveti, iaki, trdi, vaaki^ zvestiy igeei, £wi,
hui, daran schliessen sich noch die part. perf. pass. : na-ieti, o-drii, pre-kUiiy
pMij no'^eti, na-piti, z-viU, za-vrÜ, vtei%\ — ode-brani, o-^rani, p<hscani,
te^aniy o-tnaiu, znant.
Auf die Fragte nnn, worauf sich denn dieser Unterscliied eigentlich grün-
det, wird man unter Berücksichtigung der Aussprache dieser Adjectiva zu-
niiehst die Antwort geben kOnnen, dass die Adjecdva und Participia der
Gruppe b) durchaus langen Stammvocal zeigen, während die Gruppe a) bis
auf 65«, kfiv, wm kurze Quantität hat^).
2. Sehen wir uns die Adjectiva an, die in der unbestimmten Form des
nom. sing. masc. in den westlichen Dialecten zweisilbig sind und es im nom.
sing. fem. und neutr. bleiben, das heisst Adjectiva mit einem Halbvooal (be-
weglichen Yocal) im Suffix des nom. sing, masc, der sonst ausfällt; das Suffix
ist -«A, «/, «n, €T, ev.
Diese Adjectiva haben nie ein t; bezüglich der Quantität der Stamm-
silbe kann man sie neuerdings in zwei Gruppen eintheilen:
a) kurzen Stammvocal haben: lesen, bister, blaten, ba&en, bridek, ced^n,
irstev — , dober, gibHen, gladek, gnüsen, goden, grozen, kiter, hladen, kieja (= kisel),
krhek, kroiek, laeen, medel, mehek, miren, mo^en, tnoker, mrtev, oster, praien,
prhek, resen, roden, skUzek, skrben, sladek, stalen, straien, übek, temen, tesen,
tUcenj varen, ve^en, vuhek, iarek, ILeUSen ;
b) langen Stammvocal haben : drohen^ duien, ß&en, kratek, ndacen, mo'
der, nagel, plitev, pozen, raven, redek, resen (s wahr), smesen^ sna&en, stekel,
trezen^ trüden, vUden, votel, vozek, vreden, leden, imeten.
3. Adjectiva mit zwei- oder mehrsilbigem Stamm, wie bögat oder pepel-
ns^t, die also in der unbestimmten Form des nom. sing. masc. einen fixen
Yocal habend).
a) Adjectiva ohne % (Suffixe -at, -av, -iv): bbgat, präsnat; lUnjäv, kllav,
paklav, gizdav (oder gizdäv) ; (Trrit?, kdyiv, plesniv, pozablßv, straslßv ;
b) Adjectiva mit t (Suffixe ast, at, av, ec, el, en, ev) : gbbeatii, Rüasti, mu-
iagti, nosdsU, rogldsti, tr^pasti* kosmdti, pephlnati, posUmdU, smölnati; arjävi,
krvdvi; ardii%\ debili, ves^li; drevSni, jeJfmM, ovsini, zelini, aber ognjknit
suknjeni, vodini, ivepl^ni', sirovi.
Dabei zeigt sich: die Adjectiva ohne t haben die letzte Silbe des Stam*
mes kurz, entsprechen also den einsilbigen Adjectiven mit kurzer Quantität;
1) Doch habe ich etwa '/4 Standen von Brezje weg auch en sämi Üovek
gehört; da kriv nur in der Verbindung iesa kriv biti gebraucht wird, so er-
gibt sich die Ausnahmestellung dieser 3 Adjectiva aus ihrer seit jeher durch-
aus prädicativen Function.
^ Die Kürze zeige ich durch ^, die Länge durch ' an, da ich nicht im
Stande bin, die Accentqualitäten genauer zu scheiden; oft tritt jedoch der
Deutlichkeit halber das Zeichen der Kürze oder Länge hinzu.
▲rekiT fftr sUTiscIi» Philologie. XXI. 14
210 Fruizlleiic,
die Adjectiva mit t haben die letzte Silbe des Stammet entweder lang, wo-
durch sie den einsilbigen langen Stämmen gleichkommen, oder sie haben den
Ton auf der vorletzten Silbe des Stammes^).
In die Gruppe b) gehOren alle part. perf. pass. anf -«n, -» ausser einigen
einsilbigen» die bereits oben unter L b. aufgezählt sind.
In 1. und 3. ist der Zusammenhang des t und der Quantität nicht zu
leugnen; es fragt sich aber, welches von beiden bedingend und welches be-
dingt ist; bei dieser Art der Fragestellung haben wir nicht nur vorausge-
setzt, dass das t ursprünglich nicht in der Weise beschränkt und vertheilt
war, was ja klar ist, sondern auch, dass der Quantitätsunterschied eventuell
ebenfalls ein erst gewordener sein kann; das Serbische mit seinen ursprüng-
licheren Verhältnissen belehrt uns bald, dass wir uns die Vertheilung der
Quantität ohne das », nicht aber die Vertheilung des i ohne die Quantität
erklären künnen, dass also die Quantität das Ursprüngliche, • das Secnn-
däre ist.
Dem Typus 1. a. phn, phna, puno entspricht im Serbischen unbestimmt
puny puna^ puno^ bestimmt punij punaj punoj ebenso ist es bei radf sit, slab,
zdrav, zreo. Der Stammvocal ist bei diesen Adjectiven sowohl in der nomi-
nalen als auch in der zusammengesetzten Form kurz; davon weichen ab lep
und hfifdf denen im Serbischen lange Vocale entsprechen; dabei ist aber zu
bemerken, dass neben grd gerade /ep häufig ein t bekommt.
Dem Typus l.b. biliy hila^ hilo\ &äli, zita, ÜLto entspricht im Serbischen
unbestimmt: £u^, lüta^ lüto^ bestidimt: iut^, iuta^ iuto u. s. w.; da wäre also
der Vocal der bestimmten wie unbestimmten Formen ursprünglich lang.
Doch ergibt sich da eine grössere Zahl von Ausnahmen: den Adjectiven
cUtiy dugij novi, pravi, sivi, atari, tihi, znani entspricht nämlich im Serbischen
der Typus pttn^ punay puno — nov, nova^ tiovOy not$, nova^ novo, weshalb wir im
Slo venischen n^v, $%v u. s. w. erwarten.
Dem serbischen Typus pun, puna, puno — pun%, puno, puno entspricht
unser pun, ptkia, puno ; dem serbischen iuty &üta, iüto — £t^t, iuta^ iuto unser
Id^i, iuta, Is&to; im ersten Typus ist die Kürze, im zweiten die Länge ur-
sprunglich und allgemein; der erste attrahirte hinsichtlich d^i: Quantität grä^
Ify, häjd, die ursprünglich lang waren, der zweite dagegen fistij dugi, novi,
praviy aivi, stari, tihi, znani, welche AdjectiviT ursprünglich durchaus kurzen
Stammvocal hatten ; die attrahirten Adjectiva wurden ihrer neuen Quantität
entsprechend behandelt; doch sind gerade bei diesen Adjectiven noch Spuren
ihrer ursprünglichen Quantität erhalten in Adverbien und Redensarten: ctsto
nie, t&go ga nega, aamo to nur das; serb. »iar hat aiär, stara, staro im Sinne
der Frage, wie alt Jemand ist, prädicativ: ja senlb Ut star, stara] in solchen
Adverbien ruht sogar oft der Accent an seiner ursprünglichen Stelle : hujdo
tnije, na mladö poje (serb. hnkdo, mlddo aus oak. hüdo, mlädö), an mlad6 ist der
parallele Begriff angepasst: na staro poje; gosto hodik nan (m), mar^ö hodif
aamd nie ne pride, rahö gre; das Gleiche gilt von vedrdje, kurz ist auch das
>) Unerklärt bleiben dabei ogt^lfni, auknfini, vodifm, Iveptitii.
Slovenica. 211
Adverb p^zno je; eine Besonderheit stellt das substantivirte Adjectiv g<h
davnö dar.
Der Annahme, die Länge des Stammvocals hätte das t, beziehungsweise
die Beibehaltung oder Verallgemeinerung desselben zur Folge gehabt, ist nun
die Gruppe 2. der Adjectiva nicht günstig.
Dass der Typus 2. a. krUdk, krotka^ l-rotko — krotkt, krotka, krotko kurz
und ohne t geblieben ist, kroiek u. s. w., das stimmt ganz gut zu pun; der
Typus krätekj krdtka, krdtko — hraikl, kratku^ kratkS, der durchwegs langen
Stammvocal zeigt, und der Typus trudan, trudna, irudno — irwin%, irudna,
trädno mit ebenfalls langem Stammvocal haben nun im besprochenen Dialecte
auch Vertreter mit langem Vocal (2. b.) — aber ohne t; die Länge ist also
da, die angebliche Folgeerscheinung fehlt; nur in tinki scheint beides vor-
handen zu sein, dagegen würden wir in unserem drihen^ vizek, vliien, jü^en
überhaupt eine Kürze erwarten.
Gleichwohl ist die Gruppe 2. kein stichhaltiger Einwurf gegen die obige
Erklärung; ein Grund für die abweichende Behandlung der Gruppen 1. und
2. ist eben in ihrer Ein- bez. Zweisilbigkeit zu suchen; in der ersten fand die
Länge des Stammvocals in dem fluctuirenden und dem Schwund seiner frühe-
ren Bedeutung anheimfallenden % eine willkommene Entlastung seiner eigenen
Schwere, sozusagen ein bequemes Absatzgebiet; sie gab einen Theil ihrer
Quantität an das zu diesem Zwecke festgenommene t ab; in der Gruppe 2.
brauchte die Länge einen solchen Nothnagel nicht, es war das Wort ohnedies
zweisilbig. In der Gruppe 3. kamen die nämlichen Verhältnisse zur Geltung
wie in 1.: pM^onzi^t entspricht dem Is^t, in gohcasii sowie in allen auf dritt-
letzter Silbe betonten Adjectiven und Participien kam das •' unter einen
Nebenton und erhielt sich unter dessen Schutz.
Diese Erklärung von der Beeinflussung einer Silbe durch die Quantität
der vorhergehenden hat eine Parallele im Schweben des Accentes über meh-
reren Silben, wie es gerade im Slavischen so oft angetroffen wird: neben
vielem Anderen sei nur auf das Verhältniss des cakavischen und stokavischen
Aeeentes hingewiesen, das man sich nur in dieser Weise erklären kann.
In der Quantität (beziehungsweise Zwei- oder Mehrsilbigkeit des Stam-
mes) suche ich die Ursache der Fixirung des t. Für diese Ansicht scheint
auch eine Keihe von Fällen zu sprechen, wo das i augenscheinlich nur die
Folge der aus einem speciellen Grunde stark gedehnten Aussprache des
Stammvocals ist; im Allgemeinen ist grd nur in dieser unbestimmten Form
üblich ; will man jedoch der Bedeutung des Wortes besonderen Nachdruck
verleihen und spricht man es zu dem Zwecke gedehnt aus, so bekommen wir
auf einmal ein t: tisti grd pes zendrtigin laja, ovi leppajetiho; dagegen
tisti grdi pes zendrügin laja a jener garstige (nicht im Gegensatz zum schö-
nen Hunde, sondern im übertragenen Sinne als Schimpfwort) Hund bellt
immerfort Ebenso steht es bei fop, das zum Zwecke besonderer Belobung in
der bestimmten Form lipi gebraucht wird: toti lep grozd de (ss bode) m/j;, ovi
pa tvqfy dagegen toti lepi grozd n<y je moj fss diese wunderschöne Traube) ;
auch bei hujd dürfte sich der Unterschied finden, also gerade bei jenen in der
unbestimmten Form einsilbigen Adjectiven, bei denen wir (nach Obigem)
14*
21 2 Franz Desio, Sioyenica.
L&Dge mit s erwarteten und die unter 1. a. alB Ausnahmen erschienen; zu
ihnen gesellt sich nor, das niri lautet, wenn es sich um eine besonders starke
Beschimpfung handelt (cf. im fem.: ti, nira pamei!), desgleichen irviv, wenn
es ein Schimpfwort ist: toti ^tv oreh, aber toti An^pebar « dieser wttrmige
(nichtsnutzige) Knabe.
Da die Dehnung besonders hSufig beim Vocativ auftritt, so dfirfte sie
vielleicht mit der schon altslovenischen Eigenart dieses »Casus« zusammen-
hängen, dass die Adjectiva in ihm meist die zusammengesetzte Form haben;
als Ausdruck der Verwunderung, die sich in einer besonderen Belobung oder
Beschimpfung äussert, wurde er der Ausgangspunkt einer weiteren Ent-
wickelung, dass nämlich seine bestimmte Form überhaupt das Grepräge des
Lobes oder Tadels bekam.
Anhangsweise sei des Unterschiedes von kiri und her (aus ktert) ge-
dacht: kert clovek = so mancher Mensch, A;^ chvek? es welcher Mensch? (oder
auch relativ), weiter des Unterschiedes von meuten und migtm: toti mosten
falat (dieses fette StUck), aber nur migtrii tork (der Faschingsdienstag).
Quantitative Unterschiede bedingen überhaupt oft einen Bedeutungs-
wandel, vgl. Vondr&k, Archiv Xu, 77: »Peiorative Bedeutung k()nnen die
WOrter durch bestimmte, namentlich kurze Aussprache der Vocale erhalten:
haba und dSvka im Gegensatze zu hdba und divka^^ das gilt fUrs Slovenische, in
St Georgen a. d. Stainz ist bäba Schimpfwort, buba die Puppe als Spielzeug.
In der Verwendung der bestimmten und unbestimmten Adjectivform
entfernt sich dieser östliche Dialect wesentlich von den westlichen — slov.
Dialecten, namentlich aber vom Serbokroatischen, das den Unterschied
ziemlich gut erhalten hat, und nähert sich wie in vielen anderen Punkten
dem Böhmischen, wo der grösste Theil der Adjectiva bloss die bestimmte
Form hat, Gebauer, Listy filologick^ 1895, p. 303 : » — mimo v^azy adver-
bialni a adjektiva zpodstatn&U adjektivni tvary jmennö se zachovaly skoro
Jen ve funkci doplükov^, a i to skoro jen v jazyku kni&n^m . . .«
Insofern jedoch im Böhmischen die nominale Form neben der zusammen-
gesetzten erscheint, unterscheidet sie sich wie im besprochenen slov. Dialect
von derselben durch die Quantität, nur ist entsprechend dem Gesetze, wo-
nach südslavische (serbokroatische und theilweise slovenische) Kürzen im
Böhmischen Längen, südslavische Längen im Böhmischen Kürzen werden,
wie BÜdslav. kräva böhm. krdva, südslav. gräh bÖhm. hrdchy sfldslav. giäva
böhm. glava, im Böhm, die zusammengesetzte Form kurz, die nominale lang;
Gebauer, ib. p. 291, sagt, dass sich die Dehnung nicht consequent zeige, dass
sich dafür Überhaupt keine Regel finden lasse, daher begnüge er sich mit der
Aufzählung einer längeren Reihe von Fällen; wir finden daselbst: maly-mdl,
mdlGf mdlOj mlady-nUdd^ nah^-ndg, pravg^prdv, rany-rdno, slabi^-sldh, starj-
stdr, zdravg-zdrdVf cisty-cüt u. s. w.
Alle bei Grebauer angeführten Beispiele gehören unter unsere Gruppe
1. b., nur ßlaby und zdravy unter 1. a. Ob sich denn wirklich nicht eine wenn
auch von Analogiewirkungen gestörte Regel finden Hesse?
Laibaoh. Franz IlesiS^
Kritischer Anzeiger.
Albanesische Texte mit Glossar von Holger Pedersen. Des XV« Bdes
der Abhandlungen der philolog.-histor. Gl. der E. Sächsischen
Gesellschaft der Wiss. Nr. HI. Leipzig 1895. gr.-S». 208.
Zur albanesischen Volkskunde von Dr. H. Pedersen, Privatdoc. d.
vergl. Sprachwissenschaft an d. Univ. Kopenhagen. Uebersetznng
der in den Abhandl. d. E. Sachs. Ges. d. Wiss., philolog.-histor.
Cl. XV, vom Verfasser veröffentlichten albanes. Texte. Eopen-
hagen 1898. 8». 125 S.
Obwohl das erstgenannte Buch im Jahre 1895 erschienen ist, glaube ich
doch nicht es umgehen zu dürfen, sondern über dasselbe einige Worte zu
sagen. Erstens wurde es bis jetzt nur kurz angezeigt in den Idg. Forsch.
Bd. V, 233 (von Meyer Lübke). Zweitens bietet^ wie man aus dem Titel des
zweiten Buches ersieht, dieses die Uebersetznng der im ersten vertf£fentlich-
ten Texte. Drittens endlich mOchte ich aus der grammatischen Einleitung
Yor der Ausgabe der Texte einige Punkte hervorheben und besprechen.
Die von Pedersen herausgegebenen Texte sind eine Auswahl aus eiiner
Sammlung, die er 1893 während eines 6-monatlichen Aufenthaltes in Corfu
und einer kurzen Reise nach Epirus gemacht hatte. Sie bestehen aus 12
Märchen, 18 Bäthseln, einem Abschnitte: Volksglaube (18 Stücke) und 13
Liedern. Die Märchen, die das Hauptsächlichste der Sammlung bilden [sie
umfassen 68 Seiten, die übrigen Texte nur 12], rühren von einem aus Mursi
bei Konispoli gebürtigen Viehhändler her, der ein vorzüglicher Erzähler ge-
wesen zu sein scheint. Unerwähnt ist bei Pedersen, wie es sich mit der
Frage hinsichtlich des oamischen Dialektes dieses Mannes verhält. Dieser
selbst erzählt, wie er gerade als Viehhändler gute Gelegenheit gehabt hatte,
Yiele Märchen zu lernen, »denn ein jeder Hirt könne irgend ein Märchen;
übrigens habe er auch im Gefängniss, wo er wegen eines Todtschlages einige
Zeit hatte verbringen müssen, Gelegenheit gehabt, Märchen zu hören«. Man
weiss nun, dass in einem solchen Falle in der Türkei der Betreffende immer
in eine Stadt, wo ein Valija seinen Sitz hat, geschickt wird. Das alles be«
weist also, dass der genannte Mann viel herumgereist war, und man demnach
214 Kritischer Anzeiger.
seinen oamisohen Dialekt (von Mursi) als einen etwas unbestimmten Begriff
bezeichnen muss. Camisch ist z. B. auch der von Hahn behandelte albanes.
Dialekt, wie dies auch manche sich von selbst erklärende Uebereinstim-
mungen in Laut und Form bei Hahn und Ped. zeigen. Doch gibt es Dinge,
die uns zur obigen Bemerkung führen können.
Die Mittheilungen über den Volksglauben hat Ped. von einem Stefan
Eonomi aus dem »jetzt zerstörten« Dorf Leküresi bei Santi Quaranta. Dieser
wurde von Ped. auch sonst hinsichtlich der Sprache ausgefragt. Die Lieder
sind ihm von vielen verschiedenen Personen (Männern und Frauen) in Corfu
und Epirus dictirt worden ; sie repräsentiren keinen bestimmten Dialekt und
sind nach Ped. (1895, S. 4) dialektisch nicht von Bedeutung.
In dem (1895) hinten angebrachten Glossar sind auch die nichtheraus-
gegebenen Texte der Ped.'schen Sammlung herangezogen worden. Auf dieses
verlegte er überhaupt einen besonderen Fleiss. Selbst die grammatische
Einleitung berührt, wie er sagt, nur das Allernöthigste, da das Glossar schon
das Wesentlichste der Formenlehre und Syntax in sich enthält Zu Ende
eines jeden Textes stehen Anmerkungen, wo auf Parallelen, doch nur solche
aus der albanes. Yolksliteratur, hingewiesen wird. Einige Zusätze dazu sind
auch im Vorworte zu der Uebersetzung der Texte.
Ped.'s Beiträge bewegen sich also nach zwei Seiten hin, einer folklo-
ristischen und einer sprachlich-dialectologischen. Trotzdem man Ped. schon
für das Geleistete, namentlich vor allem für das gebotene Material zum Dank
verpflichtet sein muss, ist doch nicht abzuleugnen, dass sowohl in dialectolog.
als folklor. Hinsicht, in dialectolog. vielleicht mehr, eine grossere Ausführlich-
keit und Genauigkeit der gemachten Angaben und Bemerkungen zu wünschen
gewesen wäre.
Die schriftliche Darstellung der albanes. Laute ist die von G.Meyer. Er
beabsichtigte ursprünglich die griech. Zeichen ^, if, Xi Xi 7% ® durch die gleich
bedeutenden lat. ^, ^, a;, x\ ;, 9 zu ersetzen, hat aber diese Absicht nur auf
das bestimmte Verlangen Brug^ann*s aufgegeben, der volle Uebereinstim-
mung mit der G. Meyer'schen Orthographie wünschte (S. 5).
Bekanntermassen ist die albanesische Sprache noch in jenem Stadium,
wo es kaum die allerersten Anfänge einer bescheidenen Literatur gibt, und wo
dieser nicht einmal solche nothwendige Prämissen fördernd zur Seite stehen,
wie eine einheitliche Literatursprache und ein gemeinsames Alphabet. Man hat
gebraucht und braucht theil weise noch jetzt (im Volke) neben dem meist ver-
breiteten lat. Alphabete das türk. (z. B. in der Beilage der albanes. Zeitschr.
Albania in Brüssel), griech. und cyrill. Heute stehen die Dinge derart, dass
man mit Ausnahme einiger von fremder (griech.) Seite beeinflussten Volks-
theile (bei den Tosken) die Annahme des lat. Alphabetes von Seiten der in
Betracht kommenden Faktoren als ein fait accompli ansehen muss.
Es gibt nun sowohl ans früherer als gegenwärtiger Zeit so manche Ver-
suche, das lat. Alphabet in Bezug auf die Eigenthümlichkeiten des Albane-
sischen zu bereichem. Man muss jedoch sagen, dass man bis jetzt im Ganzen
und Grossen noch immer nicht einen Modus gefunden hat, der allgemein an-
genommen und durchwegs befriedigend wäre. Von diesem Gesichtspunkte
S^erd Pekmezi, H. Pedersen^s Albanesische Texte. 215
geleitet, regte das Bnkarester albanes. Blatt Shqiperia (1898, Nr. 44) [heraus-
g^eben wird es von dem dortigen albanes. Gomit^] an, es mischten die vier
albanes. Blätter (Sbqiperia, Albania and die in Italien erscheinenden La Na-
zione Albanese und La Nnova Albania) die nOthigen Schritte thnn, um zu
einem einheitlichen Alphabete zu gelangen. Die Brüsseler Albania kam die-
sem Vorschlage in der Weise entgegen, dass sie sich an einige hervorragende
Philologen wandte und sie um Bathschläge, die Reform des lat. Alphabetes
fürs Albanes. betreffend, ersuchte, deren Antworten sie veröffentlicht. Da
demnach die Frage über das albanes. Alphabet eben jetzt actnell geworden
zu sein scheint, so sei es mir erlaubt, auch meinerseits dahier einen Beitrag
zu liefern. Vor allem kommt es darauf an, in welcher Weise man das lat.
Alphabet zu Zwecken des Albanesischen zu bereichem geneigt ist. Selbst-
verstiindlich kann es sich beim Albanes., da ja das Alphabet erst festgestellt
werden soll, nicht um eine historische, sondern nur um eine phonetische Or-
thographie handeln, bei welcher die Bezeichnung eines Lautes von seiner ge-
nauen lautphysiologischen Bestimmung abhängt. Das Ideal, das da vorzu-
schweben hat, ist für einen jeden besonderen Laut auch ein besonderes Zei-
chen. Von vornherein ist demnach eine jede Cnmulation von Schriftzeichen
für die Bezeichnung eines Lautes auszuschliessen. Eine Bereicherung kann
also nur dadurch geschehen, dass entweder diakritische Zeichen angewandt
oder neue Buchstaben erfanden oder aber solche aus anderen Alphabeten
aufgenommen werden, was ja alles in unserem Falle bereits versucht wurde.
Das Aufbringen neuer und dazu vielleicht noch ungelenker Zeichen ist wohl
in der heutigen realen Zeit fast ein Ding der Unmöglichkeit Auch bei den
diakritischen Zeichen liegt es nahe, sich womöglich nur an entsprechende, in
anderen lat. phonetischen Alphabeten bereits für identische Laute gebrauchte
zu halten, üebrigens muss man sich da besonders bei den Vocalen vor dem
Zuviel des Guten hüten, damit man nicht wie Meyer (Albanes. Studien I, Wien
1883) in die Zwangslage kommt, dass er den Accent nicht überall »vorwiegend
aus ästhetischen Rücksichten bezeichnen wollte, weil das Zusammentreffen
80 vieler Accente mit den übrigen diakritischen Zeichen einen höchst uner-
freulichen und verwirrenden Eindruck hervorbringt« (S. 16). Die Aufnahme
eines Buchstaben aus einem fremden Alphabete, sagen wir dem griech. oder
cyrilL, würde sich nur dann empfehlen, falls er wirklich einen ganz mit dem
in Betracht kommenden gleichen Laut bezeichnen würde, ein eventuelles
diakridflches Zeichen auf einen lat. Buchstaben aber erst auszudenken und
auch schwer auszuführen wäre.
Ich glaube nun, dass man auf Grund der eben angeführten Gesichts-
punkte für das Albanesische leicht ein meiner Ansicht nach praktisches und
den gestellten Anforderungen entsprechendes Alphabet herstellen kann.
Membra disiecta dieses reformirten albanes. Alphabetes, wie ich es mir denke,
wurden meistens schon hier und dort angewandt. Bevor ich sie jedoch
sammele und es ganz vorführe, sei es mir gestattet, einen kurzen Rückblick
auf die bisherigen alb.-lat Schreibweisen zu werfen, üebersichtstabellen,
wenn auch nicht ganz vollständige, findet man z. B. bei Miklosich im 1. Hefte
seiner Albanes. Forschungen S. 14 (1870 in den Denkschr. der Wiener Akad.
216 Kritischer Anzeiger.
herausgeg.) und in den als Mannscript gedruckten Materialien zur Trans-
Bcription der Laute der albanes. Sprache. Der Gtebrauch von a, t, o, u, 5, d,f,
m^ riyp, r, tj v veranlasst zu keiner Bemerkung, da sie überall als der Bezeich-
nung für die betreffenden albanes. Laute vollkommen entsprechend ange-
sehen wurden. Es erübrigt nun eine Beihe von Lauten, die Meyer in seiner
bekannten albanes. Gramm. (1888) folgendermassen bezeichnet hat: e, 6, ü,
dZf rf£, <f, ^y g, ^, Ä, Xi XiJi *i ^j h ^i ^» *»> ^j *» ^» ^») '*) «» ^> ^* Dio Bezeichnung
Meyer's stimmt sehr, in seinen früheren Schriften fast ganz, mit jener Kristo-
foridi's (Neues Testament, Constantinopel 1872) überein. Abweichungen sind
hier bei Eristoforidi nur folgende: ; für Meyer's e, u — ß, d9 — dz, di--dl, y— ;/,
T'-r, a— qf. Eristoforidi, der sich um die Fizirung und grammatische Dar-
steUung seiner Muttersprache die wesentlichsten Verdienste erworben hat,
wendet, wie man sieht, Lepsius' Standard-Alphabet an (cf. Meyer, Albanes.
Studien I).
In Nordalbanien stilisirte ein eigenartiges albanes. Alphabet bereits 1635
der erste albanes. Schriftsteller Blanchus (im Dictionarium latino-epiroticum,
Bom). Seine betreffenden Zeichen sind z. B.: e und« (f. Meyer's eunde),
« (f. ö), z (f. dz und fe), gi (f. di:), « (f. cf ), SIE (f. ^), gh (f. g\ g (f. g), c— cÄ— *
(f. k\ ch'-chi (f. Ä), // (f. i), ni und gn (f. n), rr (f. r), sc (f. /), c (f. ti), e (f. «),
e^A (f. £). Blanchus' Alphabet lebt, einige unbedeutende Aenderungen abge-
sehen (z. B. A f. Blanchus' ü, sc f. egh), noch heute bei den Gegen. In diesem
Alphabet, wenn auch etwas modificirt, sind auch die Werke Jungg's und die
Bücher der Propaganda geschrieben. Der albanesische Schriftsteller und
Dichter Fraseri gebraucht folgende Bezeichnungsweise: e (bei Meyer «), e (e),
y (ö), z ((?£), « (d£)y S (<f), a (*), B [gh q i^h ^ W, v W, p (?=), <r (/), c ««), c iü),
z (z), z (£). Fraseri's Alphabet wendet man in den Ausgaben des albanesischen
Vereines Desire zu Sophia und theils auch in zu Bukarest herausgegebenen
Büchern an. Ausserdem ist dieses Alphabet in grösserem Masse bei den
Tosken verbreitet, da Fraseri's Schulbücher dort (z. B. in Korea) als Lehr-
bücher dienen. Die von der Bukarester Shqiperia und der Brüsseler Albania
verwendeten Alphabete sind sich fast ganz gleich: e (Meyer's e), e (e), y (ü),
dz (Meyer's dz, die Albania schreibt x), dj (bei Meyer di}, dh und ^ (f. d und
^), gh (f- 9h » (f-J, Albania haty), q (f. Ä), Ih (f. /), n (f. >i, Alb. h), rk (f. ?=),
sh (f. I), c (f. U), c (f. <«, Alb. c), z (f. z), j (f. £, Alb. £).
In Süditalien ist (um noch das zu erwähnen) folgende Schreibweise in
üebung gekommen: ¥ (Meyer's b), ii (w), d (cf), d- (^), gki ij), kj (Meyer's k), l (?),
^ [^\ g^ '\fi)i ^ {^), sh is), tz {ts), c (ts), C (z), sg (£). 1896 erschien auf Kosten
des Vicepräsidenten der Society Albanese in Corigliano Calabro ein Abece-
dario della lingua albanese, welches auf einem Congresse dortselbst (im
Oktober 1895) auf obige Welse festgestellt worden ist.
Von der Mis6re in der Bezeichnung der albanes. Laute dürfte schon das
Angeführte einen genügenden Beweis liefern. Man möge jedoch nicht glau-
ben, dass sich damit die Schreibweisen erschöpfen. Nicht nur fast in jedem
kleinsten albanes. Büchlein, sondern auch in jenen über Albanesisches kann
man geringere oder grössere, von anderen abweichende Besonderheiten in der
Orthographie finden, ein Beweis eben, dass es wirklich dringend noth thut, in
BerS Pekmezi, H. Pedersen'B Albanesiache Texte. 217
dieser Sache Wandel in schaffen. Man vergl. die Worte Camarda^s (eines
ital.-albane8. Schriftstellers und Grammatikers), der sag^, dass man das alte
qnot capita tot sententiae mit Bücksicht auf die Schreibung des Albanes. frei
übersetzen könne : quante persone che scrivono come che sia, altrettanti me-
todi di scrittura (cf. Meyer, Alb. Stud. 1, 14 f.).
Ich will nun an diese Uebersicht meine eigenen Bemerkungen anknüpfen.
Von den Vocalen muss selbstverständlich e unangetastet bleiben, was in den
angeführten Bezeichnungsweisen meistens nicht geschehen ist Den sogen.
Halblaut brachte man mit e zusammen. Mit diakritischen Zeichen wird es f
(Kristoforidi), « (Bogdanus, Cuneus prophetarum 1685) und ¥ (Rada, gramma-
tica della lingua albanese, Firenze 1871) bezeichnet, ausserdem durch 9 (z. B.
Pedersen) und e (bei Meyer). Der Laut hat phonetisch mit e nichts zu thun.
Was überhaupt die diakritischen Zeichen dahier anbetrifft, wenn man schon
e wählen wollte, so verweise ich auf das oben angeführte Citat aus Meyer's
Albanes. Studien I. Diakritische Zeichen auf Vocalen sollen der Bezeichnung
für Quantität und Accent dienen. 9 gehurt in die ieur. Grammatik und b kann
noch weniger befriedigen, da es ja einen ganz anderen Laut im Griech. be-
zeichnet. Wenn sich schon Meyer für ein fremdes Zeichen entschied, und wir
wirklich auch andere solche wie cf, ^, die mit den gleichen albanes. Lauten
identisch sind, sogar in Italien und bei Kristoforidi (und Meyer) aufgenommen
sehen, so würde ich für den Halbvocal ohne Weiteres das urspr. altkslav. %
wählen, womit die Bulgaren noch heute einen dem albanes. ganz gleichen
Laut bezeichnen und welches sich auch die lat. Transscription für diesen
Laut (cf. Miklosic, Jagid, Leskien, Brugmaun) angeeignet hat.
Wenn im Rumänischen zu Beginn der 60er Jahre % aus dem rum.-lat.
Alphabete ausgeschieden worden ist, so ist das nicht irgendwelchen wissen-
schaftlichen Principien zu Liebe geschehen, vielmehr hat man darin nur eine
Fortsetzung jenes schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts aufgekommenen
extremen Purismus zu sehen, der besonders in den westlichen Landschaften
allmählich »zum Bange einer kaum discutirbaren Glaubenslehre« erhoben
worden ist (cf. Gröber, Grundr. d. roman. Philolog. I, 442). Für die bei den
Rumänen gebrauchte Umschreibung des « durch ü gilt ebenso wie für den
event Gebrauch davon im Albanesischen, was Leskien (Altbulg. Gramm. ^.
Weimar 1898, 5) hinsichtlich des Akslav. sagt, dass eine solche leicht zu einer
falschen Vorstellung über den Ursprung dieses Lautes führen kann. Sie
würde doch auch sonst ebenso wenig genügen, wie ein e mit einem diakriti-
schen Zeichen (siehe einige Zeilen weiter oben).
Neben Meyer's ü kommt dafür infolge der schon angeführten Gründe
nur die Bezeichnung y (Fraseri, Shqiperia, Albania, Jarnik) in Betracht. Bei
Meyer's ü denken wir an das deutsche ü. Der betreffende albanes. Laut steht
nun näher, wenn er nicht gleich ist, dem russ. li, transscribirt y, und dem
poln. y. Nebenbei kann es nur erwünscht sein, dadurch ein einfaches Zeichen
iXi gewinnen.
Von den Consonanten seien zunächst nur <f und d- erwähnt. Kristoforidi
und die Italiener nahmen bereits die griech. Zeichen an. Auch die Zeichen
bei Fraseri sind nur Versuche, dieselben etwas lateinischer zu fassen. DA, ih
218 Kritischer Anzeiger.
IQ der Shqiperia, Albania und bei Jarnik (früher schon bei Leake) können
nach den oben dargethanen allgemeinen Principien der Aufnahme von (f und 9-
wohl nicht vorgezogen werden.
Meyer'fi ^ und Je würde man besser mit ö und ä bezeichnen. Die beiden
Laute stellen etwas von den ieur. £ und g phonetisch ganz Verschiedenes vor.
Ihr etymolog. Werth kann nicht in Betracht kommen, da die Laute heute
etwas ganz anderes als bloss palatalisirte k, g sind. Der Annahme von Cj i
widerspricht nichts, da die Bezeichnungsweisen aus den angegebenen Gründen
als nicht geltend entfallen, und wir ja auch ausser diesen, im kroatischen
Alphabete für diese identischen Laute üblichen Zeichen, aus den slavischen
(auch kroat. also] Alphabeten ein /, z, £ etc. (cf. Kristoforidi, thellweise Shqi-
peria, Albania u.b. w.) bereits angenommen sehen. Meyer selbst sagt (cf.oben),
dass der lautphysiologische Werth bei einem Laute vor allem zu berück-
sichtigen ist.
Meyer's ts, ts entspricht nicht der wirklichen Aussprache. Die beiden
Laute sind einheitlich, was nicht in dem Masse von Jz, dJL zu behaupten ist.
C wendet schon Fraseri an, c und c Albania etc.
Alle übrigen noch nicht ervähnten Lantzeichen bei Meyer könnte man,
so wie er sie schreibt, und das wiederum infolge der bisherigen Darstellung,
so annehmen, wie Meyer sie vorschlägt. Statt /' wäre vielleicht besser, Dani-
ciö's l zu schreiben (cf. diese Schreibweise z. B. im Lexicon der Agramer
Akademie etc.).
Nach allem würde sich demnach das gesammte, von mir vertheidlgte
lat.-albanes. Alphabet folgendermassen darstellen : a, qf, 6, c, 6, c^ </, d, dz^ dz,
<f, ^, e, f, *,/, g, Ä, x^ /» », hj\ *, h i, ^ »», «, w, 0, (), p, r, r, «, «, t, m, ^, y, y ,
v, z, £.
Ich erachte diese meine vorgebrachten Bemerkungen hinsichtlich des
albanes. Alphabets als eine Antwort, wenn auch nicht angerufene, auf den
Aufruf der Brüsseler Albania. Sie fällt gewiss zum grössten Theil im Sinne
jener hervorragenden Gelehrten aus, deren angesuchte Ansichten dortselbst
zur Sprache kommen. Doch nicht nur eine Antwort, sondern auch ein Appell
an die betreffenden Kreise mögen diese Worte sein, dass wir endlich zu einem
Resultate gelangen. Als Albanese muss ich ja erklärlicherweise daran ein
sehr grosses Interesse haben, dem es schwer ankommt zu hören, wie nicht
nur Leute wegen alphabetischer Schwierigkeiten vom Lesen (die Albania
sagt, dass ein Albanese, wenn er ein beliebiges einheimisches Buch lesen will,
zuerst dessen Alphabet erlernen muss), sondern auch manche sonst gebildete
Leute bei uns sogar vom Schreiben albanes. volksanf klärender Bücher ans
dem einzigen Grunde abgehalten werden, weil sie nicht wissen, wie sie schrei-
ben sollten, wofür ich concreto Fälle anführen könnte.
Aus der Lautlehre möchte ich zunächst die /-Frage herausheben. Ihr
widmet auch Pedersen die grösste Aufmerksamkeit (eine volle Seite, gegen-
über 2en für's üebrige).
Die Angaben sämmtlicher älterer Albanologen über die Aussprache des
/ im Albanes. stellte Miklosich in den Albanes. Forsch. I zusammen, da ihm
die Sache unklar war.
BerS Pekmesi, H. Pedersen'B Albaneslsche Texte. 219
In den Albanes. Stadien (III, Lautlehre 1892) nahm Meyer ein dreifaches
/ fär das Albanes. (entsprechend wie in den slav. Sprachen): ein palatales
(monillirtes), alveolares (mittleres) und gutturales (hartes) an. Das Vorkommen
des gutturalen und palatalen kann nicht bezweifelt werden und steht nach
allem fest. Anders steht es mit dem sogenannten mittleren /. Meyer (1. c. 75)
scheint dieses nur in Fremdwörtern yorzukommen, und wäre »also von dem
dem Albanes. selbst eigenthttmlichen Lautbestande auszuschliessen«.
1895 erschien in Kuhn's Zeitschr. (Bd. XXXIII, S. 536 ff.) von Pedersen
eine eigene Monographie : Die albanesischen /-Laute. Er erwähnt nicht ein-
mal das Ton Meyer zugegebene mittlere /; die albanes. Sprache habe seit alter
Zeit nur zwei /-Laute, ein gutturales i und ein mouillirtes T. Es werden so-
dann Meyer*s Auseinandersetzungen (in den cit Studien III) über die Ver-
theilung dieser beiden Laute im idg. Wortvorrath des Albanes. einer Unter-
suchung unterzogen, wobei Ped. zu Schlüssen kommt, die Meyer vervollstän-
digen oder berichtigen. In dem camischen Dialekte, den Ped. in der
besprochenen grammat. Einleitung behandelt, kommt nach Ped. das mittlere /
keineswegs vor. »Ebenso scheint, sagt Ped., die Sache in den meisten alban.
Dialekten zu liegen. Die Mehrzahl der Quellen kennen nur zwei /-Laute.« In
den »Beiträgen zur Kenntniss der in Griechenland gesprochenen albanesischen
Mundarten« (Albanes. Stud. V. Wien 1896), wo die Keinhold'sche Sammlung
der Wissenschaft zugänglich gemacht wird, erzählt Meyer, er habe in Grie-
chenland von Albanesen gehört, Reinhold (er war als Arzt über 30 Jahre in
Griechenland) »hätte viel besser albanesisch sprechen können, als sie alle«.
Reinhold kennt nun drei /: /, / und X (Meyer's /, /', i), die Meyer beibehalten
hat, »denn sie existiren im griech. Albanesisch wirklich«, wie sich Meyer
selbst überzeugt hatte. Auch das / ist mehr erweicht als unser gewöhnliches
/, aber der Unterschied von /' ist bei einiger Uebung doch nicht schwer zu
erfassen« (1. c. S. 3). »Aus dem Ghibiete des Starover Dialektes abstammend,
ist mir selbst der genannte Dialekt von Haus aus geläufig. Mit der grössten
Oewiflsheit kann ich nun die Behauptung aufstellen, dass dieser Dialekt eben-
faUfl ein dreifaches / hat, welche drei / physiologisch stark verschieden sind.
Das mittlere / ist ein coronal-postalveolares, das palatale ein dorsal-post-
iüveolares, nur wird hieir die Zunge gegen den Gaumen gehoben, während sie
dort nach oben ausgehöhlt ist.
Das mittlere / steht nun nicht nur, wie man nach Meyer glauben könnte,
in Fremdwörtern, sondern überhaupt in einer Menge von Beispielen, die
Meyer und Ped. etc. als palatal angeben, z. B. im Anlaute : U^, kden, hms, le,
leir%, leset, liffh, /m, /iirum, lind, Iqj, lava, /»m«, /ai^t, lakra, lelek, leöe, lei, liioj,
leodqfj lUar, lipsem, lop^f lode, loH etc., hingegen richtig ^epur, Zop, ^ed-, (eh,
fo§, lut etc. etc.
Von den Beispielen einer anlautenden Consonantengruppe mit / als
zweitem Bestandtheil ist in der Gruppe Labialis + / bei uns immer das mitt-
lere /. Dasselbe finde ich bei Reinhold: hU (Reinbold S. 38, 40, 41, 58), bluq;
(R. 45), bleH (R. 61), fle (R. 20, 27, 41, 43, 47, 57, 63, 64), ßak%, f^% (R. 61),
flohh,ßuturoj,ßori (R. 35, 55), flas (R 40, 56), plak (R. 13, 38, 49, 59), plakoa,
phSjpUp, plest (R. 31), plot (R. 33, 41), phhur (R. 11, 32, 66). Das mittlere /
220 KritiBcher Anzeiger.
steht bei uns auch vor Labialen, für welche Fälle Ped. sagt: »Schwieriger ist
die Frage, welcher ^Laut vor p, h und m steht; jedoch scheint auch hier V
allein berechtigt zu sein.« Wir sprechen : ttalp (nicht ttaljn), dahm, heim (R.
8, 64), äilpin, puip%, delp'brh (R. 6, 30). Auch in Worten, die Ped. mit l au»
-U- schreibt, kommt das mittlere l vor: dal, dola (B. 37), daU (B. 32), äteJ»,
kal (R. 26], mal (R. 38), pid%, fjal% (R. 40), niah.
Mit mittlerem l wird auch ausgesprochen: h<Uth, mjaUh, p%lea8, ielk, tdk,
mhuloj, dely kopil, ngul, skul, cili, peh, dele etc.
Von dem Vorkommen des mittleren / neben dem palatalen, und das
nicht nur in Fremdwörtern, sondern in ähnlicher Weise, wie in meinem Hei-
mathsdialekte, hatte ich einigemal Gelegenheit mich zu überzeugen in letz-
terer Zeit in Wien. Ich sprach mit einem Mann aus B&lica (im Ctobiete von
Struga), mit dreien aus Deb'ir, einem aus Bakovo, mit mehreren aus §kodra
(Scutari) und einem aus Ealivia bei Athen.
Von einer Ahnung eines dreifachen / könnte man, abgesehen von Dozon,
auch namentlich in Puljevski's Pc^ehk oa xpH jeaExa (macedon., albanes« und
türkisch, Belgrad 1875) und vielleicht bei Kavalliotis (Meyer's Albanes- Stud.
rV. Wien 1895) sprechen, ohne natürlich dabei an eine consequente Unter-
scheidung und Bezeichnung zu denken. Dass die ältere Bezeichnung meist
nur ein zweifaches / kennt, beweist nichts, da wir hierbei nicht ein grosses
Verständniss für solche Feinheiten des albanes. Consonantismus vorauszu-
setzen berechtigt sind. Es spielte da immer der Einfluss einer fremden
Sprache mit.
Auf Grund alles Angeführten gelange ich zu dem Schlüsse, dass im AI-
banesischen drei ^ Arten existiren: l, 1,1, deren gegenseitiges Verhältniss im
Auftreten, ihr etymologischer Werth für den gesammten Bereich des Alba-
nesischen einer künftigen Studie vorbehalten ist. Ped.'s Behauptung, dass
im Albanesischen die Dialekte mit drei / in der Minorität sind, ist auf jeden
Fall unrichtig. Es verhält sich gerade umgekehrt.
Wenn Ped. (S. 6) Meyer (Albanes- Stud. III, S. 85) citirt, dass e vor dem
Nasal, neben t in bestimmten Fällen, in den übrigen noch zu % (imToskischen)
und f (im Geg.; vor nddaq) wird [% soll nach Meyer, Die lat Elemente im
Albanes. S. 5, auch aus a vor dem Nasal geworden sein], so ist das nicht so
vollkommen richtig. Im Tosk. (meinem Heimathsdial. und sonst bei Kaval-
liotis, Mitko, Reinhold, Hahn) kommt nicht nur «n mit oder ohne Oons., son-
dern auch en vor, z. B.: kuvent (bei Meyer kuv^nt), vende (bei Eavall., Rein-
hold, bei Mitko auch e, bei Meyer und Ped. v%nde), demp (Kavall., Mitko mit «,
Meyer, Ped. und auch Reinhold hier ^), den (Mitko auch mit e, Meyer beides,
Ped. ^), nden (Mitko e, Meyer z), tremp (Kavall., Mitko e, Meyer «), cen (Kavall.,
Reinhold e, Meyer beides], gitken% (Kavall. e, Meyer %), end%l (Kavall. e, Meyer
%), perendi, demb^r% (Kavall. e), ment (Ejivall., Reinhold 0}, embir (Mitko. Ka-
vall. e, Ped. «), hrenda (KavalL, Mitko e), kremte (Kavall. und Meyer 9), penä%
(Reinhold, Kavall., Mitko e) ; peri (bekanntlich wird intervoc. n im Tosk. zu r),
freri, zem^rb (Kavall. e, Reinhold, Meyer, Mitko %) etc. Wir sehen demnach,
dass die Fortsetzung des geg. ^ weiter nach Süden reicht, als man glaubt In
meinem Dialekte ist en das Vorherrschende. Die Behauptung, dem ^e^^. f
BerS Pekmezi, H. Pedenen'B Albanesische Texte. 22 t
«Dtspreche bei den Tosken bloss «n, kann man nicht gelten lassen. Wenn in
dem Debirdialekt statt unseres twde tande gesagt wird, so erklärt sich das
4arans, dass dort ^ (wie in dem dortigen Maced., cf. Oblak, Maced. Studien)
als o ausgesprochen wird.
Seite 9 führt Ped. aus dem camischen Dialekte Beispiele mit n und m
für nd und tnb an, das bis jetzt als gegisch nur galt. Dieselben Beispiele
kommen auch bei uns vor, auch hörte ich sie von dem Albanesen aus Ealivia.
Die Assimilation von nd und nib in nn und mm wird auch als gegisch, das Be-
wahren von nd und mb als toskisch bezeichnet. Ich finde nun, dass wir auch
4m Geg. nd und mb sehr verbreitet vorfinden. Nn und mm ist speciell scuta-
rinisch, wie das z. B. in den Materialien etc. S. 2 u. 8 bezeugt ist, und auch
von Meyer, Albanes. Stud. II, S. 67 und Lat. Elemente S. 16 erwähnt wird,
während er vielfach (und Hahn) in dem Wörterbuche nd und mb als speciell
toskisch anführt Nebenbei möchte ich hier bemerken, dass der Vorwurf
Meyer'B gegen Eristoforidi, dass dieser mnH nicht richtig statt mnd% infolge
von Uniformirung der Zahlwörter geschrieben hätte, nicht gilt; denn t wird
wirklich bei uns und sonst gesprochen, gewiss infolge der Analogie nach den
benachbarten Zahlen {tet%, diet^; cf. AehnUches im Slav.).
S. 7 sagt Ped.: ^ti, di + cons. wird oft zu 8,L Darauf beruht Conj.
% Sg. vis neben viü von vij u. s. w.« Ped. macht also den Ausgang J und «
ete. von dem Anlaute des nächstfolgenden Wortes abhängig. Die vielen Bei-
spiele in seinen Texten, die dagegen sprechen, können mich davon nicht über-
zeugen. In meinem Heimathsdialekte liegt der Grund für das i oder « zu
Ende der genannten Form, Im Optativ und im passiv. Aor. in dem vorher-
gehenden Laute. Ist das ein Cons., so haben wir «T, ist es ein Voc, /, z. B. :
thbles, ihrti, thfsts, tbpiiy Hßes^ u k%rhuahy u skruah» etc., aber djekca^
ndzjeriaj sjeUa, u ndzjerSh, u djekik etc. Den gleichen GniDd scheint bei
Kristoforidi das Vorkommen von tc keqkdj'ä und tb keQkoyin, re äk^nafi und
«E 'du^aayjä etc. zu haben {rgafif^arixi} t^c j4Xß. rXu>a(sr}g, 1882, S. 136 f.).
Wie Kristoforidi xe qUnä, tb vdxBkä haben kann, weiss ich nicht. Bei uns
ist nur tb riepc oder th riepxs (welche vocalische Bildung bei uns fast schon
zur alleinigen Herrschaft gekommen ist, vielmehr z. B. als bei den G^gen).
Hinsichtlich des Optativs gibt auch Ped. die gleiche Erklärung (S. 17).
Eine Beleuchtung der Angaben über die Flexionslehre ist erst möglich,
wenn wir möglichst viel dialectologisches Material haben werden, unter den
angeführten Dingen finde ich manches, was sich z. B. in unserem Dialekte
anders verhält. So kommt bei uns der unbestimmte Genitiv viel seltener vor.
Die Contraction beim attributiven Gen. : bir % mbretit für biri t mbreUt,
vafte mhre£U für vqjza e mbretit kommt bei uns nur in dem Falle vor, wenn es
.sich um gleiche Vocale handelt Die aufgezählten Neutra kennen auch wir
bis auf ^k%, das bei uns fem. bestimmt Mca lautet Wo Ped. vom Genus-
wechsel spricht, erinnere ich mich, dass er in Kuhn's Zeitschr. Bd. XXXIV,
S. 290 (Das albanes. Neutrum) an Meyer die Frage richtet, ob dieser »sein
atopusa irgendwo vorgefunden, oder nach der von ihm gegebenen Begel
•constmirt hat«. Bei uns ist nun a topusa in Gebrauch.
222 Kritischer Anzeiger.
Bei der ploralen Stammerweitening mit ^r würde ans interesairen, ob
das auf eine Classe von Hauptwörtern gebunden ist oder aber mit einer be-
stimmten BedeutnngsSnderung zusammenhängt, was bei uns stattfindet. Es
drückt dieser Plural bei uns n&mlich bei gewissen Hauptwörtern (Stoffnamen)
eine ins Verächtliche gekehrte Bedeutung des betreffenden Wortes aus, z. B.
vom sg. mii (Fleisch) das plur. mihra (sohlechte Fleischstücke) etc.
Wenn im Camischen nach gewissen Pronominen das Substantiv im Ge-
nitiv bisweilen unflectirt bleibt (S. ll), so gilt das für unseren Dialekt all-
gemein.
Die Formen der Conjugation bieten im Allgemeinen wenig Neues, das
nicht schon aus Hahn's Grammatik bekannt wäre. Lesehswerth sind die Be-
merkungen, die Ped. hinzufügt, z. B. S. 17, die Erklärung des Optativs als
eines Conjuct. Aor. Die Classification der Verba ist bei Ped. abweichend
von Meyer die Hahn's. Mag man mit beiden noch nicht etwas endgiltig Zu-
friedenstellendes erreicht haben, so entspricht doch die Meyer's viel mehr
den wissenschaftlichen Anforderungen. Es würde uns interessiren, Ped.'s
Gründe in dieser Hinsicht zu hören. Zu den einzelnen Formen könnte ich aus
meinem heimathlichen Dialekte einzelne Abweichungen anführen — wie ja
einige solche Ped. selbst in den beiden camischen, dem von Mursi und L'Bku-
rBB], gefunden und angeführt hat. Ich glaube jedoch, dass das blosse An-
führen keine grosse Bedeutung hätte ; für ein näheres Eingehen wäre aber
hier nicht der Platz.
Hinsichtlich der syntaktischen Bemerkungen und des Glossars könnte
ich hier nicht mehr sagen, als Meyer Lübke in der citirten Anzeige gethan
hat, wo er sich hauptsächlich darüber auslässt. Es wird da die Bedeutung
des Ped.'schen Glossars hervorgehoben, der einen Beitrag zu einem beschrei-
benden albanes. Wörterbuche liefern wollte. Ped. nimmt Rücksicht auf die
Phraseologie, das gegenseitige Verhältniss der verschiedenen Bedeutungen
und die nöthigen syntaktischen Erscheinungen. Namentlich sind die Partikeln
mit grosser Ausführlichkeit behandelt Das Glossar ist überhaupt, wie schon
oben bemerkt wurde, der Kern der Leistung Ped.'s. Neben den Vorzügen
kommen bei Meyer Lübke auch einige Mängel des Glossars zur Sprache. So
hat Ped. für seinen Zweck: »das Verständniss der Texte zu ermöglichen«
[Ped. 1895, S. 5] eher zu wenig als zu viel gethan. Im Uebrigen verweise ich
auf die genannte Anzeige.
Interessant ist der starke Einfluss des neugriechischen Lexicons auf die
Sprache der von Ped. herausgegebenen Texte. Für viele Ausdrücke in den
Texten verwendet man in meinem Heimathsdialekte und auch sonst nicht
griechische. Ich führe einige Beispiele an : Ped. toidjo (sonst ah, vet%\ akoma
(«<f^, siiosej {mendohem), eftis (p^riMherh)^ &uroj (/«/), ka^e {p^r), rüvuina$i [mar-
toj)y paiaks [g^nej), proto (iparbf auch bei Ped. vorkommend), pelslci [B%path),
evjenja {nder)^ kolia (n^t'Q, vias (ndz%toj\ ksafnis (apatu^s)y /wem (derdem), U-
likset (p^rviiet) , elefteras (liroj) , penesure {levduarb)^ djavas [khndoj] , spanöti
[öo^'a; dies Wort liest man auch bei Ped. mehrmals), feks (tidrifj, djatqfi (tir*
durtm), palo {vieHr), potia [vadit], proktaai {artti) u. s. w.
Pedersen's Uebersetzung der Texte kann man im Ganzen und Grossen
BerS Pekmezi,»H. Pedersen's AlbanesiBche Texte. 22&
als gelnngen ansehen. An manchen Stellen wnrde etwas freier übersetzt, als
im Vorworte dargethan wird. Einige Bemerkungen, die sich mir beim Lesen
der Uebersetsnng ergaben, mOcbte ich anführen: S. 7, Zeile 1 und 2 (S. 28) ^
wäre genauer »Matrose« als »Mann« für naßi; S. 11, Zeile 6 v. u. (S. 30) soll
nicht »betrübt« stehen, sondern die hier an den übrigen Stellen für »siioüej«
gebrauchte Uebersetzung (versunken). S. 1, Z. 1 (S. 33) entspricht »Hessen
ihn im Frieden« nicht dem albanes. »vane napun te iure* (und sie gingen auf
ihre Arbeit); S. 19, Z. 2 (S. 34) ist nicht »der eine von den älteren Brüdern«,
sondern »der ältere Bruder« zu setzen; S. 21, Z. 4 v. u. (S. 36) soll »wie es
natürlich war« und »sein Vater etc.« in [ ] 2) stehen, ebenso S. 22, Z. 11 (S. 37)
»ich habe eine Bitte an dich ! sage mir was du wünschest!«; S. 27, Z. 13 (S. 40)
Tormisst man die Uebersetzung von » Si vane tnbrenda* (wie sie hinein gingen) ;
S. 46, Z. 2 V. u. (S. 53) Übersetzt Pedersen kokone mit »Hündchen« (im Grie-
chischen bedeutet xoxfoya und dann im Macedo-slay. kökona und bei uns ko-
k&m ein »schönes, junges Mädchen«); S. 64, Z. 16 (S. 65) steht im Texte nicht
»unterwegs«, sondern »woher du kommen wirst«; S. 74, Z. 5 y. u. (S. 72) ist
»wie es mit dem Esel gegangen war« ungenaue Uebersetzung von »«e ts kt»
her gomariv (was der Esel gemacht hat), ebenso S. 75, Z. 9 (S. 73) »gestorben«
für ngordi (verreckt); S. 77, Z. 15 v. u. (S. 74) und noch an einigen anderen
Stellen stehe »mit dem [festen] Entschluss«; S. 87, Z. 12 (S. 80) verstehe ich
die Uebersetzung »gib mir dies, dass du auch mir sagest, was du weiset « für
»Xs ne ma to, te ms dsfldts e&e mua aiö, Jcs dt tin im ersten Theil nicht, es sollte
heissen: »wenn du mich liebst, so sage auch mir jenes, was du weisst«; S. 94,
Z. 14 (S. 84, Z. 18) ist die Uebersetzung von: »» strembuan &e tßtrene dor; e
pjen e<fe per müi, e^i iojdjp u ^a« ausgelassen (sie krümmten auch die andere
Hand, fragten um's Mehl und dasselbe (seil. Mädchen) sagte ihnen); S. 96,
Z. 21 (S. 85) wird mhuiur mit »in Thränen« übersetzt, im Wörterbuche ist je-
doch diese Uebersetzung nicht angemerkt; S. 108, Räthsel 11 (S. 93) würde
man statt »Milch« für galpe »Butter« erwarten (cf. auch Meyer's Lexicon
S. 137); S. 110, Volksglauben 4 (S. 94) soll »[oder Norden]« und »[oder Sü*
den]« stehen; S. 118, Lied 3, Vers 9 (S. 99) ist »dass dich ein Unglück treffe«
nicht die Uebersetzung des albanes. pla^ (es heisst: verrecke); S. 121, L. 8,
V. 4 (S. 100) vermisst man die Uebersetzung von »per ate ^n« (für jenen
Hund) etc.
Die angeführten Dinge sind aus einer Reihe von ähnlichen Fällen heraus-
genommen und sollen dartiiun, nach welchen Richtungen hin die Uebersetzung
Schwächen aufweist. Ich muss aber bemerken, dass wohl das Hauptsäch-
lichste angeführt wurde.
Unsere Bemerkungen mögen das wahre Verdienst des Herausgebers der
beiden besprochenen Bücher nicht irgenwie verdunkeln, und unser Wunsch
1) Die Zahlen in den Klammem beziehen sich auf den Text, die anderen
auf die Uebersetzung.
^ Mit dieser Klammer bezeichnet Ped. jene Worte, die im Original feh-
len, in der Uebersetzung aber nöthig sind.
^24 Kritischer Anzeiger«
ist, der Verfasser möge bald noch Weiteres aas seiner reichen Sammlung und
.seinen Erfahrungen auf dem Gebiete des Albanes. mittheilen wollen.
i>0rii PekmezL
Leskien^A.: Handbuch der altbulgarischen (altkirchen-slayischen)
Sprache. Grammatik — Texte — Glossar. Dritte Auflage. Weimar.
Hermann Böhlau's Nachfolger. 1898. 8». XIV + 334 S.
Es w&re ganz überflüssig, wenn wir über die Vortrefflichkeit des
Leskien'schen Handbuches, das nun in dritter Auf läge vorliegt, und das schon
in der zweiten eine solche Anerkennung fand, hier noch ein Wort verlieren
wollten. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland die slavistischen Studien
noch nicht mit jener Intensität, welche die Bedeutung des Gegenstandes er-
heischt, betrieben werden, so wird man sich nicht wundem, dass von einem
so wichtigen Werke, das für weite Kreise berechnet ist, jetzt erst die dritte-
Auflage noth wendig wurde (die zweite erschien im J. 1886). Das Buch wird
allerdings auch ausserhalb Deutschlands stark benutzt, es fand Eingang
selbst zu den Slaven, die ihm nicht immer ähnliche Hilfsmittel zur Seite
stellen können.
Wie der Verfasser selbst in der Vorrede angabt, hat die dritte Auflage
gegenüber der zweiten zwar viele kleine Aendernngen und Verbesserungen,
aber keine wesentliche Umgestaltung erfahren. Schön auch der äussere Um-
fang des Buches ist so ziemlich derselbe geblieben : die neue Auflage hat um
zwei Seiten mehr. Auf dem Gebiete der Grammatik sind infolge der neueren
Forschungen einzelne Verbesserungen nothwendig geworden; vielleicht wäre
es angezeigt gewesen, noch durchgreifendere Aendernngen vorzunehmen. Im
Folgenden wollen wir nur auf Einzelnes näher eingehen. Was gleich den
sogenannten Kanon der altslovenischen Denkmäler anbelangt, so blieb Les-
kien bei den Denkmälern, die er schon in der zweiten Auflage als massgebend
anerkannt hatte, trotzdem er selbst zugibt, dass es nützlich gewesen wärCi
darüber hinauszugehen. Wenn ich auch nicht dafür wäre, etwa das Ostromir^
sehe Evangelium »hineinzuarbeiten«, so mOchte ich doch, wenn es sich um
eine Grammatik des Altkirchenslav. handelt, ein Denkmal nicht unberück-
sichtigt lassen, nämlich die Kiever Blätter. Sie enthalten allerdings auch
Moravismen (Slovacismen), daneben aber zeigen sie eine so strenge Anwen-
dung der Nasale, Halbvocale etc., dass ihnen kein anderes Denkmal, nicht
einmal der Zogr., zur Seite gestellt werden kann. Uebrig^ns, welches Denk-
mal zeigt das Altkircbenslavische in der ursprünglichen, reinen Gestalt? Der
bei Leskien an der Spitze des Kanons stehende Glag. Cloz. enthält ja be-
kanntlich auch Croatismen. Am meisten bietet sich noch Gelegenheit zu Ein-
wendungen in der Lautlehre und in dem Abschnitt über die Aussprache. Dass
zunächst KfiAH als »kraji« und »kraJL« gelesen werden kann (S. 6), ist natür-
lich nur eine theoretische Ansicht, über die man streiten kann. Die vergl.
Grammatik kann nicht entscheiden, wo es sich um die Aussprache im Alt-
kirchenslav. handelt. Vielfacher Anfechtung werden auch die auf S. 13 und
W. Yondr&k, A. Leskien's HAndbueh der altbulgar. Sprache. 225
sonst angesetzten Yoeale ifh^g ^u^d / unterliegen. Aus g, f soll slav. m*, bI
geworden sein, woraus dann vor Consonanten altbalg, i*, /, geschrieben
p*k, Alk. Dieser Process hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Grosse
Schwierigkeiten bereiten im Slav. einige Fälle der AuslautsgesetzC) ttber die
in letzter Zeit vielfach gehandelt wurde. Um jedoch die Sache nicht zu com*
plicixen, hat Leskien die Fassung dieser Auslautgesetze mit unwesentlichen
Aenderungen aus der zweiten Auflage herübergenommen (S. 21 — 22). Bei
dem jetzigen Stande der Dinge war es wohl das vemlinftigste. Es genügt
nicht zu sagen, die Yocalisation der Halbvooale trete dann ein, wenn eine
nnprünglich ^ oder h enthaltende Silbe geschlossen wird (S. 23). Das würde
uns nicht alles erklären. Die sog. ümlautserscheinungen der Halbvocale fin-
den wir hier auch nicht näher erörtert Gerade bei der Behandlung jener
lautlichen Erscheinungen, welche die Halbvocale betreffen, fühlt man es, wie
misslich es ist, von den Kiever Blättern abzusehen. Mit der Annahme, dass
mit der Schreibweise Hp'kBk, MpkKk, A^"*^!"*!^? A^>^l''l^ einfach ^b, d^
gemeint sei (S. 30), würde man wohl auskommen, wenn man nachweisen
konnte, dass ursprünglich wirklich ohne Unterschied sowol HpikBk als
spkBk, sowohl A^'^1^1*' ^B A^"^***^ geschrieben worden ist. Allein die
Quellen scheinen nicht dafür zu sprechen. In den allerdings nicht sehr um«
fangreichen EieverBlättem wird hier zwischen 1%. und k genau so unterschie-
den, wie wir es etymologisch erwarten und in den anderen Denkmälern findet
man deutliche Spuren dieser Schreibweise. Einzelne dieser Spuren habe ich
gesammelt in >0 mluve Jana ezarcha bnlharsk^bo«. Woher dann diese ur-
sprüngliche etymologische Scheidung der Halbvocale? Das Beispiel aus
Assem. TBOpUKl|J^MK Joh. 15. 2 (S. 35) ist ^u streichen, da das Original richtig
TBOpAllJ- hat Die Form 3CIIH habe ich als den Ueberrest eines t-Themas
erkll^ (vgl. noch den Acc. temh in gewissen Wendungen) ; dass das t das
Ausfallen des sog. ^epentheticum verursacht hätte, scheint nicht recht glaub-
würdig. Im Snpr. haben wir z. B. nur 3CIIH, aber auch A^BifHH etc. Vgl.
IF, X. 114.
In der Formenlehre ist nur wenig geändert worden. So steht z.B. in der
2. Auflage im Acc. Sg. der r-Stämme an erster Stelle uaTf pc, an zweiter
UATipky in der neuen Auflage umgekehrt Uebrigens wäre es richtiger, die
Form lIATipc im Acc. überhaupt zu streichen: der Acc. ist nur uaTipk
(ans *mater^m). Leskien folgte hier Scholvin, der (Archiv II, S. 523) die Mög-
lichkeit nicht bestreitet, dass solche Formen wie uaTCpc wirkliche Accu-
sative sind. Im Zogr. Mar. Assem. Gloz. Euch. Psalt. haben wir nur liaTipk
(Seholvin citirt 1. c. S. 542«als zweifelhaft: nOMkTfTli OTki^a H UATifii
Matth. 15, 5, allein das ist ein Gen., denn es heisst eigentlich: H^Kf HC
nOHkTiT'k etc.). Im Snpr. gibt es 4 Beispiele des Acc. auf -pi gegen 8 auf
-spk und in der Sav. kn. bilden sie die Regel. Dass bei den Worten UATH,
A'^lflH der Gen. an die Stelle des Acc trat (nur im Aksl. vgl. serb. Daniciö,
Istor. oblik. S. 29, slov. maierj kür Arch. Xin, S. 64 u. s. w.) erklärt Meillet
durch die begriff Hohe Verwandtschaft mit OTklilk, CklHlt (Becherches etc.
S. 71). Analog verhält es sich mit dem Accus, von lilpkK'ki: in der zweiten
Anflage hatte Leskien i^p'kK'kBC lllpikKIkBk, in der dritten umgekehrt :
IrekiT Ar tlsfiMh« Pkilologi«. XXL ] 5
226 KritiBcher Anzeiger.
I^pikKlkBk iJlpikK'kBf . £b ist wiederum nur uipkK'kKb die eigentliehe
AocuBativform. Für Uf Hf Kommt UHf nicht bloss im Psalt, sondern anoh
im Euch, vor (S. 97).
Auch bei der Darstellung der altbulg. Conjugation wurde fast gar nichts
geändert. Leskien hat hier noch seine Eintheilung nach dem Präsensstamme,
die keinen rechten Anklang finden will, beibehalten. In den Textproben
wurde ebenfalls, da ja kein Grund dazu vorlag, wenig geändert. Kur aus dem
Supr. wurde ein Stück durch ein anderes ersetzt. Aus dem Psalt u. Euch,
sind einige kleinere Stücke hinzugefügt worden. Druckfehler sind nur we-
nige, z. B. S. 12, Z. 11 st t lies ot, sl. £, lit ai, S; S. 13, Z. 7 st vor Gonsonant
iv lies: vor Vocal; S. 21. D. ß, st § 29 lies § 26 u. s. w.
Wenn auch dem Anfänger die Anordnung des Stoffes aus der Lautlehre
Schwierigkeiten bereiten und die Eintheilung des Verbums ungewöhnlich er-
scheinen dürfte, so kann doch die nun vorliegende dritte Auflage des Werkes
Allen, die das Altkirohenslavische ernstlich betreiben wollen, bestens em-
pfohlen werden. 7F. Fondrdk.
Broch, Olaf: Studien von der slovakisch-kleinrusBischen Sprach-
grenze im östlichen Ungarn [mit einer Eaii;e). Kristiania 1897. S^.
76 S. (In den » Videnskabsselskabets Skrifters. IL hist.-philos.
Classe. 1897. Nr. 5.)
Derselbe: Weitere Stadien von der slovakisch-kleinrassischen
Sprachgrenze im östlichen Ungarn. Kristiania 1S99. 8<>. 104 S.
(Ib. 1899. Nr. 1.)
Den Lesern dieser Zeitschrift ist der Autor der beiden vorliegenden
Abhandlungen, ein norwegischer Slsvist, der an der Universität in Christiania
wirkt, bekannt Er hat nämlich über dasselbe Thema schon im Archiv Einiges
veröffentlicht und zwar: »Zum EJeinrussischen in Ungarn« (Archiv XYil,
S. 321—416) und »Zum Eleinrussischen in Ungarn IIa (Arch. XIX, S. 1—21).
Beides ist auch vereinigt unterdessen in russischer Sprache in den Publica-
tionen der kais. Akademie der Wissenschaften in Petersburg erschienen. Im
ersten Aufsatz schilderte er die Eigenthümlichkeiten des kleinrussischen
Dialektes von Ublya in Ungarn nach der Sprache eines einzigen Individuums
aus jenem Orte. Im zweiten brachte er einzelne Ergänzungen und Berichti-
gungen, nachdem er unterdessen Gelegenheit hatte, den Dialekt an Ort und
Stelle zu Studiren.
Von den oben angeführten Studien beschäftigt sich nun die erste mit
dem ostslovakischen Dialekte, wie erinDubravka undFalkus im Zem-
pliner Comitate (in der Nähe von Ungvar) gesprochen wird, während die
zweite unsere Aufmerksamkeit auf den Mischdialekt der sogen. Sotaken
(statt CO »was« sagen sie so) lenkt, als deren Centrum der Ort Eorumlya
(ebenfalls in der Nähe von Ungvar) gilt Dieses Gebiet nun, auf dem sich die
Wogen der verschiedenen Sprachindividualitäten brechen (Ostslovakisch, das
W. Vondrik über 0. Brocb's BloYak.-kleinras8. Studien. 227
mit polnischen Elementen stark versetzt ist, Batbenisch und Magyarisch),
bietet jedenfalls f&r den Sprachforscher ein äusserst interessantes Beobach-
tnngsobject, da man hier die gegenseitige Beeinflussung dieser Sprachen genau
verfolgen kann. Der Sprachforscher wird hier vielleicht auch die Lösung so
manchen Problems finden, das ihn in der Theorie der Sprachen beschäftigt.
In allen diesen dialektischen Studien bildet neben der Formenlehre die
Phonetik die Hauptsache. Das wäre zwar ganz in Ordnung, wenn man die
Dialekte nur an und ffir sich darzustellen hätte. Nun handelt sichs aber auch
um ihren Zusammenhang und da lässt uns die Phonetik häufig im Stich. Dass
uns die phonetische Seite nicht genügt, wenn wir einen Dialekt zu beschrei-
ben haben, zeigt uns gleich das Folgende. Bekanntlich wird in der mittleren
Gruppe der slovakischen Dialekte das « vielfach von o vertreten. Weil nun
dieser lautliche Process an das Russische erinnert, so würden wir ihn vor
allem auch in den Östlichen slovakischen Dialekten erwarten, die doch mit
dem Bussischen in näherer Verbindung stehen. Diese Voraussetzung trifft
jedoch nicht zu. Aus Broch's Arbeit erfahren wir nun ganz zufällig, dass in
dem Ostlichsten der Ostlichen Dialekte diese Erscheinung wieder vorkommt.
In der Sprachprobe lesen wir zamok (S. 42, 43), deBok (S. 48), von (S. 27) gegen
eerkeff, kre^ (S. 54). Die Sache gestaltet sich nun um so complicirter, als wir
selbst in dem Sotaken-Dialekt, der unter den ostslovakischen Dialekten dem
Ugrorussischen am nächsten steht, nicht ausschliesslich o f Ur » finden. Neben
van »hinaus«, 9a^»Laus«, pisoA; »Sand« finden wir auch lokSt »Elbogen«, nochit
»Nagel«, dann kri^ oder kre^ »Blut«, blicha »Floh« (vgl. ü, S. 93 — ^94). Das
ist also ein Punkt, über den wir doch nähere Aufklärung haben machten.
Man muss also möglichst viele solcher Beispiele zusammenstellen, indem man
sich von vom herein diese Aufgabe stellt Es genügt also nicht die Phonetik,
sondern man muss auch den sprachgeschichtlichen Momenten mehr Rechnung
tragen.
Sonst ist die phonetische Seite des Dialektes bis in die äussersten Con-
sequenzen berücksichtigt, bis zu den minutiösesten Feinheiten, so dass das
graphische Material kaum hinreicht, um alle diese Nuancen zum Ausdrucke
zu bringen. Punkte, Häkchen, Striche, ja auch griechische Buchstaben wer-
den in Anwendung gebracht, um ja den Anforderungen der Sprachphysio-
logen gerecht zu werden. Ihnen zu Liebe wird hier auch die mit keineswegs
anheimelnd klingenden Termini technici versehene Sweet-Sievers'sche Ta-
belle zu Grande gelegt. Man kann auch nicht sagen, dass dadurch, dass sich
der Autor vielfach auf die im Archiv gegebenen Erklärungen der einzelnen
Zeichen und Laute beruft, die Sache dem Leser erleichtert wird. Doch sind
es Umstände, die neben den anderen Vorzügen dieser Arbeiten nicht in Be-
tracht kommen.
Aus der Darstellung des östlichen slovakischen Dialektes vonDubravka
und Falkus ersehen wir, dass er nicht so sehr unter dem Einflüsse des Ugro-
russischen steht, wie wir es etwa erwarten könnten. Man bemerkt nur z. B. ,
dass die 1. Pers. Sg. Praes. auf -u ausgebt, z. B. h^ecuj iednu, kupt^fu etc., nur
die Verba auf -o^t haben -am : iitam. Was hier dagegen am meisten auffällt,
ist, dass die unaccentuirten Silben klar ausgesprochen werden.
15*
228 Kritischer Ansefger.
Diese reine Aussprache der unbetonten Silben oharakterisirt unseren
Dialekt im gegebenen Falle als einen slovakischen und der Autor kann sie
nur mit dem Böhmischen vergleichen, wo eben diese Silben fUr ein germam-
sches Ohr merkwUrdig deutlich ausgesprochen werden (S. 24). Wie bei den
ostsloyakischen Dialekten folgt hier der Accent Überall derselben Regel wie
im Polnischen, ruht also immer auf der vorietzten Silbe (S. 23). Sonst auch
gibt es in der Laut- und Formenlehre zahlreiche Uebereinstimmungen mit den
anderen ostsloyakischen Dialekten: Schwund der Längen, ieri, tart für trt,
Assimilation wie kub mi (aus kup mijy die ans dem Ostsloyakischen auch in
das UgroruBsische einzudringen beginnt, etc.
Auf der beigegebenen Karte, welche uns die Vertheilung der von Broch
beschriebenen Dialekte veranschaulicht, bemerken wir ein Dialektgebiet,
welches nur einige Dörfer, darunter auch Korumlya , umfasst Es ist dies
das Gebiet der Sotaken, deren Dialekt nun in der zweiten Arbeit beschrie-
ben wird und durch diese Leistung hat sich Herr Broch um die slavische
Philologie besonders verdient gemacht. Hier wird er auch den sprachge-
schichtlichen Anforderungen mehr gerecht, was ja die Beschaffenheit des
Dialektes selbst erheischte. Derselbe nimmt lautlich und zum geringeren
Theile auch formell eine Mittelstellung zwischen dem Ugromssischen und
dem Ostslovakischen ein. Die Betonung ist die des Ugrornssischen (S. 10];
jedoch mit einer ausgesprochenen Neigung zur Oxytonirung (S. 98), weicht
also ganz ab von der ostslovakischen Dialektgruppe. Die unbetonten Vocale
sind durchgehends zu einer etwas schlafferen und undeutlicheren Aussprache
geneigt, also wie im ügrorussischen (S. 11). Aelteres f und d' wird zumTheil
noch bewahrt und auch bei den «-Lauten stellt sich der sotakische Dialekt
dem ugrorassischen zur Seite (65, 6 und 66). In der Behandlung des Yocales
der palatalisirten Silbe stellt sich wieder dieser Dialekt nahe zum ostslova-
kischen, wenn er auch nicht mit diesem ganz zusammenfallt (S. 67) etc. In
der Formenlehre bemerkt man, dass das Sotakische sich mehr an das Ost-
slovakische anschliesst (S. 19 — 66). Mitunter kommen aber in diesem Dialekte
Doubletteii oder Doppeltypen vor : wir finden hier das russische mol6t neben
mlU, daneben aber auch dräha u. s. w. (S. 58). Im Allgemeinen müssen wir
wohl zugeben, wenn wir die Sprachproben auf S. 14 — 19 näher prüfen, dass
der Dialekt sich mehr dem Slovakischen nähert
Wie ist nun dieser Dialekt zu erklären? Auf Grund eines v-Lautes, den
Broch mit w bezeichnet und der sieh aus t/ und ö entwickelt hat, kommt er zu
dem Schlüsse, dass das Sotakische ursprünglich ein ugrorussischer Dialekt
war, der stark slovakisirt wurde (S.80ff., S. 100). In dieser Anschauung wird
er auch durch die allgemeine Beobachtung bestärkt, dass sich das Slovakische
auf Kosten des ügrorussischen überhaupt verbreitet, so dass ein fortwähren-
des Vordringen dieses Dialektes und seiner Eigenthümlichkeiten auf dem be-
nachbarten ügrorussischen Gebiete beobachtet werden kann. So wäre sogar
die Möglichkeit vorhanden, dass auf dem Gebiete, auf welchem jetzt die ost-
slovakischen Dialekte gesprochen werden, einst theilweise das Ugrorussische
heimisch war (S. 103). Die Grenze Hesse sich freilich nicht so leicht bestim-
men. Und beide Sprachgebiete werden dabei unbarmherzig magyarisirt, so
W. Yondi&k über 0. Brooli's 8lovak.-kleinrasB. Studien. 229
d«8S man an die Stafenleiter in der Fabel dabei erinnert wird. Dw magya-
riache Staatsgedanke ist in dieser Hinaiobt unerbittlicli : eine Exittenabe-
rechtignng haben nach ihm die aouermagyarischen Völkerschaften niehtl
Uebrigens möchte ich die Frage nach dem Ursprünge des Sotakendialektes
mit Bücksicht auf das vorhandene Material selbst nach den soharfsinnigen
Ausf&hrangen des Autors nicht für abgeschlossen halten.
Auf eine syntaktische Eigenthiimlichkeit möchte ich noch hinweisen,
die wir in der Sprachprobe des sotakischen Dialektes finden. Auf S. 15 lesen
wir : a haijßvk pi^cy^ i povedziu panai iebe, Panai »ehe fHlit auf, da hier der
Dat. des Beflexivpronomens statt des Possessivums steht. Es ist dies eine
Eigenthflmlichkeit, die uns auch aus dem Altklrchenslav. bekannt ist, vgl.
meine Ausgabe des Glag.Cloz. S. 38. Hier ersieht man aus der Zusammenstellung
der entsprechenden Texte im Glag.Cloz. und Supr., wie diese Eigenthümlich-^
keit später sehr stark um sich gri£f. Weiter vgl. auch meine Schrift »0 mluy&
Jana exarcha bulh. S. 36 und 9. Schon in der ältesten Evangelienübersetzung
kommen diese Dative vor (meist die unbetonte Form tni, ti, m, jedoch nicht
ausschliesslich), vielfach wird damit das eigentliche Pron. possess. verstärkt
[avqfa si etc.) . Von dem Pronomen erstreckte sich dann diese Eigenthümlich-
keit auch auf das Substantivum. Im Serbokroatischen ging aber diese Ent-
wickelung nicht so weit, wie im Bulgarischen. Was bei Miklosich und Del-
brück dahin gerechnet wird, ist vielfach anders zu erklären. Nun ist die
Frage, ist die oben erwähnte Eigenthümlichkeit des sotakischen Dialektes
alt, oder hat sie sich hier später selbständig entwickelt?
Wenn auch das Material, wie wir gesehen haben, nicht immer erschöp-
fend ist (bei einem Aufenthalte von 5 Wochen ist es auch nicht erreichbar),
so gehören Broch's Arbeiten jedenfalls zu dem Besten, was auf dialektologi-
schem Gebiete in neuerer Zeit veröffentlicht worden ist W. Vondrdk.
Flajähans, Y.: Podrobnf seznam slov rokopisu krälodyorskäho.
Se zvl&stnim zretelem ke kritice ctenf a v]^kladn (Ausführliches
Yerzeiehniss der Wörter in der Eöniginhofer Handschrift. Mit be-
sonderer Bttcksioht auf die Kritik der Lesarten and ihre Erklä-
rung). V Praze. N&kladem ceskö akademie et(^. 1897. 8^. VI +
114 S. + (2 Bl.) (Erschienen in dem von der S.Glasse der Akademie
herausgegebenen »Archiv pro lexikografii a dialektologii« Nr. 2).
Eigentlich muss man sich wundem, dass diese Arbeit — eine alphabe-
tiecke Zusammenstellung aller Wörter in der Eöniginhofer Hs. — nicht frtther
unternommen worden ist. Man wttrde glauben, dass es doch nahe lag bei den
Controversen, welche die KH. hervorgerufen hat, einfach das Wortmaterial
übersichtlich zusammenzustellen, um damit philologisch operiren lu kÖBiien.
Allein das ist bis jetzt nicht geschehen. Nekrasov^s diesbezügliche Arbeit
(EraledvorskajaBukopis. StPetersburg 1872) ist nicht vollstiindig. Man kann
jedoch auch jetzt nicht sagen, dass die vorliegende Zusammenstellung so zu
230 Kritischer Anzeiger.
sagen post festnm gekommen wSre, denn, wenn anch massgebende philolog.
Kreise von der Uneehtheit der Hs. Überzeugt sind, so bleibt doch noch eine
wichtige Frage zn lOsen fibrig, nSmlich wer der Urheber dieser Hs. ist und
mit welchen Hilfsmitteln es ihm gelang, diese Gedichte zu Stande zu bringen.
Bei diesen und ilhnlichen Fragen kann ein ausführliches Wörterverzeichniss ,
wie das vorliegende, werth volle Dienste leisten.
Herr Flajshans hat in letzterer Zeit den Versuch unternommen, die Echt-
heit der KH. zu beweisen, obzwar er früher von derselben nichts wissen
wollte. Dieser Wandel in der Anschauung hat einigermassen überrascht, da
die philologischen Motive, die ihn hervorgerufen haben sollten, nicht von
einer solchen hervorragenden Bedeutung zu sein schienen. Das, was von
H. Flajshans in sprachlicher Hinsicht vorgebracht wurde, hat nicht überzeugt.
Bei seinen Rettungsversuchen mochte er nun den Mangel einer solchen Zu-
sammenstellung der WOrter empfunden haben, und so ging er selbst an die
Arbeit, die in diesem Falle gewiss nicht vergeblich war. Indem er auch das aller-
dings sehr karge Wortmaterial der Streifen, die die Hs. noch nebst den gan-
zan Blättern enthält, berücksichtigte, brachte er es bis zu 1531 Schlagworten
mit 6222 Belegen. An vielen Stellen sucht er eine selbständige, von den bis-
herigen abweichende Erklärung zu geben, daher finden wir bei ihm auch viele
neue Lesarten.
Man kann nun leichter das zusammengestellte und alphabetisch geord-
nete Wortmaterial beurtheilen und philologisch verwerthen.. Der erste Ein-
druck, den es auf uns macht, ist der, dass es wegen seiner Gleichartigkeit
zeitlich und räumlich einem sehr eugen Kreise angehören muss. In der EH.
kommen bekanntlich Gedichte vor, die ans der heidnischen Zeit stammen
sollen ; daneben auch andere, in denen schon das Christenthum herrschend
ist Nun würde man erwarten, dass auch in lexikalischer Hinsicht ein ge-
wisser Unterschied obwalten sollte, denn der Abschreiber kann ja in der
Umarbeitung, wenn er überhaupt welche vornimmt, doch nicht so weit gehen»
dass er etwa ganz neue Texte liefere. Bei Gedichten insbesondere bestand
nicht dieser Usus. Esmüsste also unter allen Umständen eine gewisse Hetero-
genität in den Gedichten bemerkbar sein. Diesen Eindruck macht aber das
Wortmaterial der KH. auf uns nicht. Es kehren hier gewisse lexikalische
Eigenthümlichkeiten mehr oder weniger in allen Gedichten wieder, so dass
man in der Ansicht bestärkt werden muss, alle Gedichte der KH. rühren in
sprachlicher Hinsicht 'entweder von einer Person her, oder doch von einem
sehr engen literarischen Kreise. Man sehe sich z. B. gleich die Interjection
aj an. Sie kehrt häufig fast in allen Gedichten wieder und zwar etwa 50 mal.
Dazu kommen dann noch die Verbindungen wie aj-a, aj-lile, qj-nastojte, qf-ta
und aj-tu, Verhältnissmässig häufig kommt hier auch das Wort chrabrost und
chrahry vor (Jar. 99 v jesut by chrabrost ^Ivi^Y, Jar. 268 pod oceli chrabrost
1^20; «^ar. 159 dodise chrabrost "/»-«; ^l* ^^ vzmuke chrabrost Vis; ^et. 81
i^vise chrabrost ^Vi3> Lud. 116 zkusi chrabrost ^/s; Ol. 24 chrabro na Polany
1} Die Zahl vor dem Belege bedeutet den Vers des betreffenden Gedich-
tes, der Bruch nach dem Belege die Seite und Zeile des Originals.
W. Vondrik über FUjShans' Glossar znr König. Handschrift. 231
Vts> ^B^ 2^ chrabm ruku 1^/27), femer das Adj. fut^y etwa 20 mal, dazu noch
^eluiy und veUTuty (je einmal) und kotiUaS: Jar. 258 sien sie kotie s o^
^/i4; ^t. 234 Ylaslay pozemi sie koti ^7/32; Lud. 93 Bolemir sie s kon£ kotl
^/m; Z^h. 146 i skoti sie dfevo na voj ^/s. Auffallend sind die zahlreichen
Zusammensetzungen mit pfe- inzpfedluhy Lud. 26 ^/^t-^i predrahuüky Zbyh.
1625/13; pf^etuty Z&b. 160^/ii; pfgmnohy Ost 198iVii; prsmnolUivie Jar. 132
10/»; pfesiln^ Zib. tiO^/u; Z&b. eS^Vss; preudatny Zbyh. 2525/i8; Ol. 28Vsi ;
pftodiky Jar. 438/19-90; pfezmiUtky Zbyh. 4^5/^. Mit anderen altbOhm. Denk-
mälern lassen sich Überhaupt nicht in Einklang bringen die zahlreichen Com-
posita, denen wir hier begegnen und die auch schon aufgefallen sind, wie
biahodifny Ost 118 ^Vi; dl6hapu8ty ZAb. 8S0/19.-S0 (an die Deutung: lesem
dlüho pnst^m wird man nicht denken kennen); hkuonoany Jar. 229 12/,^..^
(hlasonosnü ob&t Tzdimy, ein sehr gekünstelter Ausdruck); hrözonoui^ Jar.
^Vn-wlMobnfny Lud. 112«>/i; Ju.:!i9|^^;Jarohlavy £st. 206iViB (liska
oblädi sur jarohlavy); weiter noch: lepotvorny fist 119^721 masoiravy Zbyh.
23 »/is; nehodkihy Jar. 28619/33; hdosery Ol. 14Vio; vhestrasivy Jar. 156ii/6;
vietiehunky Ol. 35 ^/^n u. 27 ; vysokoroatly Cst 89 1^/^— is; zlato8tvüci Lud. 1 3 i^/i^.
Mit Pd/€- kommen hier drei Gomposita yor : velebystry Jar. 269 is/21 ; veUTuty
Jar. 277 »/jj und veleslapny Ol. 16 Vii ; Jar. 1 721 9 abgesehen vom Nom. propr.
Veleslav (Fragm.). SchUessfich muss noch das Compositum Vkulavohojee Cst.
243 18/7 angeführt werden. Eine auffallende Vorliebe zeigt sich hier weiter
für Bildungen wie duiiee Jel. 1827/,^; 222^/23; helmiee Jar. 81 Vis; ^^^^Iti;
ehyliee Ben. 16^^/23; kravice Cst. 174^/30; fubiee ZAb. 2620/^-32; no£ic« Jah. 4
"/23; 6^/23; 34"/6; Jel. 2927/28; t?^<»w« Zbyh. SO««/?; »oiw« Kyt. 726/^^; 152ß/ao:
zemiee Kyt. 920/ie, abgesehen von Worten wie d^vice, jehlice, kytice. Auch
beiNeutris: Miee Zbyh. 53 26/}^; ardiee Zbyh. 1926/^5; zh<&iee Ben. 1 4^^/22 u.8.w.
Das lexikalische Material macht demnach nicht den Eindruck, als habe
man es mit Gedichten verschiedenen Alters und verschiedenen Ursprungs zu
thun, sondern es weist einen ziemlich einheitlichen Charakter auf.
W, Vondrdk.
FiajShans, V. : Enihy ce8k6 y knihovn&ch svödsk^ch a rask^ch.
y^zkem z cesty, kteron 1896 — 1897 s podporon cesk6 akademie
a Svatobom podnike (Böhmische Bücher in den schwedischen und
russischen Bibliotheken. Ergebnisse einer im J. 1896 — 97 mit
Dntersttltznng der Böhmischen Akademie und des Svatobor unter-
nommenen Reise). VPraze. 1897. S«. 725S. + (1B1.) (Erschie-
nen in der von der 3. Gl. der Böhm. Akademie herausgegebenen
»Sbirka pramenüy kn poznäni literamiho iivota y Öechäch, na
Moray£ y Slezskn. Gruppe lü. Bibliographische Arbeiten. Nr. 2).
Mit den bei der vorhergehenden Schrift erwähnten Rettungsversuchen,
die von Herrn Flajshans zu Gunsten der Königinhofer Hs. unternommen wur-
den, hing auch seine Forschungsreise nach Schweden und Bussland zusam-
232 Kritischer Anzeiger.
men, ttber die er im »Vftstnik Cesk^ Akademie^ Jahrg. VI, S. 306 — 314 aw-
ftthrlich berichtet hat. Es wäre ja doch ein ttberaus glücklicher Fund, wenn
man in irgend einer bis jetzt wenig oder gar nicht bekannten alten Hand-
•ehrift auf irgend welche Anspielung oder gar auf die verlorene Partie der
EE.y deren schmale Streifen neben den erhaltenen ganaen Blättern wie aneh
die schon yorgeschrittene Gapitelzahl eine so wette Perspective eröffnen,
stossen würde, wodurch zugleich ein glänzender Beweis ihrer Echtheit er-
bracht würde.
Eigentlich enthält die vorliegende Schrift nur eine mehr oder weniger
ausführliche Beschreibung zuerst der böhmischen Handschriften in der Peters-
burger Öffentlichen Bibliothek (S. 2 — 52, so dass von dieser Beschreibung —
im Ganzen sind es 61 Nummern — der grossere Theil der Schrift ausgefüllt
wird), dann die Beschreibung einiger in Schweden befindlichen Handschriften,
die aus BOhmen herrühren oder für Böhmen ein Interesse haben (S. 52 — 55}.
Es sind nur wenige, meist lateinisch geschriebene Hss. Was weniger oder
gar nicht bekannt war, wird ausfOhrlicher behandelt Von den bOhm. ge-
schriebenen Hss. findet sich nunmehr nur eine einzige in Schweden (Üpsada)
vor, dagegen wurden alle, die in der Stockholmer Bibliothek vorhanden
waren, im J. 1878 nach Mähren zurückgebracht. Schliesslich folgt ein Ver-
zeichniss bOhm. Drucke (mit einigen Incunabeln), die sich in den dortigen
Bibliotheken vorfinden (S. 56—72).
Diese Schrift bringt nun so manche Bereicherung unserer Kenntnisse
des altbOhm. und mittelbOhm.Schriftthums. So haben wir jetzt eine ausführ-
liche Beschreibung der in der Petersburger Bibliothek enthaltenen Bevela-
tionen der heil. Brigitta (v. J. 1419) mit einigen sprachlichen Eigenthümlich-
keiten (z. B. statt zf pflegt f zu stehen). Es wurden auch einzelne bis jetzt im
bOhm. Schriftthum unbekannte Verfassemamen entdeckt, so: Zeranovskif
(Predigten aus dem XYII. Jahrb.), Sturzmfeld (Satirische Schriften aus dem
XVI. Jahrb.) , der Text der altbOhm. Pilatuslegende wurde hier vollständig
abgedruckt (S. 32 — 37). Aus einer Boihe von hier ausführlicher beschriebe-
nen Hss. ersehen wir den mächtigen Einfluss der böhmischen Literatur und
Sprache auf das Polnische (Nr. 8, 15, 41 u. 45). Der wichtigste Factor für
diese bOhmisch-polnischen 3eziehungen war Krakau, insbesondere um das
J. 1430 und auch später (vgl. S. 47—48).
Doch sollten auch die Anhänger der Echtheit der KH. nicht ganz leer
ausgehen. In einer altbOhm. Hs. aus dem Ende des XIV. Jahrb. hat H. Flajs-
hans nicht weniger als 4 sprachliche Analogien gefunden (S. 14), nämlich ein
Participium auf -«m: podoben jsem vezinyem pelikinovi, womit noch ver-
glichen wird: hnevem neb nepoßuf/emßtoym; weiter das Yerbum «M«et,
'hihu : kdez tvi svatä krev jest v döstojnöm srdci, tu zli duchov6 sabj^ehu a
dobH anjelovö na pomoc prichäzeji; der Instr. -iem: anjelskym pyenyem;
die 4. allerdings selbst nach Flajshans einigermassen unsichere Analogie sei
die Präposition pfe: veden prz$/e Pilata (in der früher besprochenen Schrift
»Podrobny seznam slov rukopisu kralodvorsköho« S. 62 sieht übrigens Herr
FUgShans »p pohany« der EOniginhofer Hs. als einen Fehler an: st.jpdpo-
hany » pKd p., diese Schrift ist auch später erschienen). Diese Analogien
W.Yondrik über FUjahans' bibl.For8chiiiigen in Schweden u. Bassland. 233
sind aber leider nicht derartig, dass sie sehr zu Gunsten der EH. sprechen
konnten. Das Part ueinkn ist offenbar ein Schreibfehier, das m im Anslant
ist wohl hervorgernfen durch das yorhergehende jsem (im it\. u. 2w. lesen
wir richtig u&nh%)\ in ntpoaluiemsMm hat das m im Anslant das vorher-
gehende m als Sehreibfehler herrorgemfen. Anch das andere kann, wie man
sieht, die KOniginhofer Hs. nicht retten. W. Vondrdk.
Milas, M.) Prayi akcenti i fiziologija njihova n hrvatskom ili srp-
skom jeziku (Skolski Vjesnik, Sarajevo 1898, S. 511 — 534).
Die Frage yon der richtigen Auffassung der serbokroat. Betonung wird
infolge der grossen Aufinerksamkeit, die man ihr in der letzten Zeit schenkt,
immer mehr verworren ! Vielen, besonders fremden Gelehrten war es
schon ziemlich schwer, die beiden von Vuk festgesetzten Accentarten aus-
einanderzuhalten; jetzt tritt Herr H. Milas, Gymnasialprofessor in Mostar,
mit der recht beunruhigenden Entdeckung eines vierartigen Accentes im
Serbokroat. auf, so dass wir — wenn wir den Unterschied in der Quantität
hinznnehmen — von nun an nicht vier, sondern acht verschiedene Accent-
zeichen verwenden und richtig unterscheiden müssten I Doch, wenn im Serbo*
kroatischen wirklich vier verschiedene Arten von Accenten vorhanden sind,
so darf man natttrlich dieselben der Bequemlichkeit wegen nicht ignoriren.
Das ist aber eben die Frage : gibt es nur zwei oder vier verschiedene Accentn
arten? Ich habe den Aufsatz Mllas' aufmerksam gelesen, alle von ihm ange-
rathenen Proben angestellt, meine Aussprache und die Anderer sorgf<ig
beobachtet, und schliesslich konnte ich dennoch die von ihm behaupteten
Unterschiede nicht hGren. Selbstverständlich will ich damit nicht gesagt
haben, dass diese Unterschiede auch nicht ezistiren, denn ich habe zu oft
konstatiren kOnnen, dass Andere nicht hören konnten, was ich genau unter-
scheide; es wäre daher möglich, dass auch ich die feinen Accentunterschiede
Hilas' ganz einfach ebenfalls nicht hören kann. Ich will daher lieber gleich
sagen, worin die vier verschiedenen Accente Milas' bestehen sollen. Er
unterscheidet (S. 7) mit Rücksicht anf die Stärke starke und schwache
Accente, welche zweifacher Art sein können: bei den einen, den »ersten« —
wie er sie nennt — fällt die Stärke des Accentes, bei den anderen, den »zwei-
ten«, steigt sie; yuk's|>o^, meso, dontco, hvdla haben nach H. erste Accente,
dagegen sjifnej jpKca, ri^a, bäbo haben zweite Accente. Für die Unter-
scheidung von ersten und zweiten Accenten ist somit die Tonstärke
massgebend. Wodurch sich aber starke und schwache Accente unter-
scheiden, das sagt Herr M. nirgends; überhaupt er berücksichtigt
fast nirgends die Tonhöhe, denn nur in § 10 gibt er bei Erwähnung der
»bisherigen« Ansieht zu, dass z. B. sowohl ^0/0 (mit erstem starken Accent)
alsaneh ^'eme (mit zweitem starken Accent) mit stärkerem und höhe-
rem Ton ausgesprochen werden. Erst auf eine Anfrage meinerseits erklärte
Herr M., dass auch er der bisherigen Ansicht über die Tonhöhe der Accente
234 Kritischer Anzeiger.
beipflichtet Das hätte ausdrücklich nnd klar im Aufsätze selbst gesagt wer*
den sollen, denn man wäre fast geneigt anzunehmen, er theile die allgemeine
Ansicht über die Natur der starken und schwachen Accente im Serbe*
kroat. nicht. Schon seine ziemlich geringschätzige Meinung über die Noth-
wendigkeit musikalischer Kenntnisse für die richtige Auffassung der Beto-
nung (in der Einleitung) ist etwas auffallend. Ungewöhnlich ist femer, dass
Herr H. nicht selten die Ausdrücke »Höhe (visina)« und »Tiefe (nizina)« in der
Bedeutung von »stärkerer, bezw. schwächerer Theil« gebraucht, z. B. in § 10,3 :
». . . . na rjjeci baniea pada akcenat s v isine svoje jakosti, a na rijeoi miica
raste s nizine svoje jakosti«. Völlig befremdend ist es aber, wenn Herr M.
in § 12 sagt : »Von den Silben mit starkem Accent geht die Tonstärke auf die
beiden folgenden Silben über, und zwar ist auf der ersten derselben die Ton-
stärke etwas schwächer als auf der betonten Silbe, während die Tonstärke
der zweitfolgenden Silbe ungefähr der Stärke schwacher Accente
gleich ist.« Diese Auffassung der »schwachen« (d. i. der steigenden) Ac-
cente als Accente, die sich von den »starken« (d. i. den fallenden) hauptsäch-
lich durch geringeren Nachdruck unterscheiden, tritt uns im Laufe der Er-
örterung auch sonst entgegen, so dass man wirklich vermuthen darf, Herr M.
habe wenigstens zur Zeit der Abfassung seines Aufsatzes die »schwachen«
und »starken« Accente eben als schwache und starke, nicht aber als
steigende und fallende aufgefasst. Dann begreifen wir, warum er in § 7
die Accente mit Rücksicht »bloss auf die Tonstärke« in starke und schwache
theilt und in § 14 behauptet, »die Stärke der schwachen Accente sei viel
schwächer als diejenige der starken«, ja dies erklärt uns überhaupt, warum
Herr M. in seinem Aufsatze sehr viel von Tonstärke und gar nichts von
Tonhöhe spricht! Dass Herr M. eine ganz eigenthümliche Auffassung yon
dem Verhältnisse zwischen »starken» und »schwachen« Accenten hat, ersehe
ich auch aus seinem obenerwähnten Briefe, in welchem er wörtlich sagt:
» . . . . in den Beispielen sjeme (nach Vuk sjetne) und rucica (nach Vuk ruciea)
besteht der Unterschied darin, dass in ^eme der Accent stärker und höher
ist, während rulica einen gewöhnlichen, schwächeren und tieferen Ton
hat.« Also der »schwache (= steigende)« Accent ist gegenüber dem »starken
(SB fallenden)« schwächer und tiefer! Und doch sagt Herr M. gleich in der
Einleitung, er habe Alles darchstudirt, was bis jetzt über die Betonung im
Serbokroat. geschrieben worden ist I Allerdings ^gt er ziemlich wegwerfend
hinzu' » ali da sam se time bas pomogao u ovom poslu, nijesam, nego .
onoliko, koliko pomaze uopde svaka nauka o jednoj struci.« Ich möchte da-
her Herrn M. rathen, die Literatur über die serbokroat. Betonung noch ein-
mal durchzunehmen und zunächst — vielleicht mitHilfe einiger elementarsten
musikalischen Sätze 1 — das gegenseitige Verhältniss der serbokroat. Accente
sich anzueignen.
Diese verkehrte Auffassung der »bisherigen« Lehre von der serbokroat.
Betonung (ich bin überzeugt, sie wird auch die »neue« Theorie überleben I)
soll uns aber nicht hindern, die von Herrn M. zur Begründung, bezw. zur Er-
klärung seiner Theorie angeführten »Beweise« und »Hilfsmittel« zu berück-
sichtigen. Als »Beweise« dienen Herrn M.: Ij das Verhältniss der ikavischen
y. Besetar Über M. Milas* Acoenttheorie im Serbischen. 235
(ekayiachen) Aassprache snr jekavischen ; 2) die durch das VerBtammen eines
h ▼emrsachten AccentSndenmgen ; 3) der Wandel eines (silbenBchliessenden)
/ SQ Cy und 4) der Uebergang der Accente auf die vor starken Aocenten
stehenden Silben. Ich habe mich redlich bemüht, die ganze Kraft dieser Be-
weise auf mich einwirken zu lassen, — bezüglich der drei ersten Punkte ganz
umsonst: ich kann den Zusammenhang derselben mit dem zu beweisenden
Sats nicht entdecken. Nur bezüglich des vierten Beweises ist es klar, dass nach
Milas* Theorie Enklitiken vor »ersten« starken Accenten ebenfalls einen starken
Accent (auf der ersten Silbe) bekommen, während dieselben vor »zweiten«
starken Accenten schwach accentuirt sind; also die bekannte Erscheinung,
dass wir z. B. bez pe6ty tspred pe6i, dagegen h^z iahey ispred iahe haben. Das
habe ich ganz gut verstanden: ja ich vermuthe sogar, dass die verschiedene
Betonung der Enklitiken vor fallend accentuirten Worten der Ausgangspunkt
für die ganze Theorie Milas' war. Aber auch bezüglich dieser einzigen That*
Sache, welche die Hypothese von zwei verschiedenen »starken« Accenten zu
unterstützen scheint, steht Herr M. mit sich selbst in einem unlöslichen
Widerspruche, denn im § 33 behauptet er, Enklitiken erhalten nur vor
«ersten« starken Accenten den starken Accent (iez pe6i u. s. w.), im § 35 (und
sonst) stellt er aber als feste Begel auf, den »ersten« starken Accent können
nur höchstens zweisilbige Worte haben. Wie kann er uns dann er-
klären, dass nicht selten auch vor dreisilbigen Worten Enklitiken den starken
Accent tragen? Man vergleiche nur z. B. Zdpomo6\y od olova, u vt«mii, na do"
govor, d& venera u. s. w. u. s. w. Dieser auffallende Widerspruch, der sich
nicht hinwegdisputiren lässt, beweist, dass Herr Milas selbst über seine neue
Theorie noch ganz schwankende Begriffe hat.
Aber auch die »Hilfsmittel für die Unterscheidung der Accente (§ 34) «
befriedigen sehr wenig. Die Behauptung, dass bei den »ersten« Accenten der
Nachdruck abnimmt, während umgekehrt bei dem zweiten derselbe zunimmt,
femer, dass bei den »zweiten« Accenten ein nachfolgender Konsonant wie
geminirt ausgesprochen wird, ist wenigstens für mein Gehör ganz falsch.
Deswegen will und kann ich mich in Einzelheiten nicht einlassen; ich will
nur erwähnen, dass in Bezug auf die Quantität Herr M. eine betonte Kürze
zweien unbetonten Kürzen, eine betonte Länge einer kurzen und einer langen
unbetonten Silbe oder dreien unbetonten Kürzen gleichstellt (§ 9), woraus
folgt, dass eine betonte Kürze und eine unbetonte Länge die gleiche
Dauer haben müssten! I Qlaubt das wirklich Herr M.?? Herr M. hat auch
die Frage Über die Aussprache des langen i im Serbokroat. besprochen
(§§ 25. 26) und stimmt mit meiner diesbezüglichen, im Archiv XIII begrün-
deten Ansicht insofern nicht überein, als er in allen Fällen das lange t nur
als einen einsilbigen Diphthong gelten lässt Ich werde nächstens die Ge-
legenheit haben, darauf zurückzukommen, will daher nur die von Herrn M.
gegebene Erklärung für die auch von ihm zugestandene Zweisilbigkeit der
i-£ndungen in der zusammengesetzten Deklination der Adjektive erwähnen.
Nach der Ansicht Milas' entspricht z. B. der instr. sing, dohrijem nicht einem
dobremh (nach Analogie von -temh u.s.w.), sondern es soll dadurch entstanden
sein, dass in der organischen Form dobryimh das t durch das e der Pronomina
236 Kritischer Anzeiger.
ersetzt wurde, wodnreh eben die Form dobriinn, d. i. dobrijem entsteht. Herr
M. beruft sich für diese Erklärung mit Unrecht auf eine von ihm missverstan-
dene Stelle in Danioid^s Istorya ohUka und übersieht jedenfalls, dass aus sei-
nem ddbrihnh in ikavischen Dialekten ein *dobrißm und in ekavischen eben-
falls ein dohrijem heryorgehen Bollte !
Ich glaubte diese neue Theorie über die »wahren« Accente im Serbo-
kroat kurz besprechen zu müssen, um vor ihr rechtzeitig zu warnen, denn
sonst künnte sie für Jemand der Anlass zu neuen Kombinationen über die
Entwickelung der Betonung im Serbokroat. sein, was wenigstens verfrüht
wäre, da die ganze Lehre Milas', wie man sieht, auf sehr schwachen Füssen
steht. Dass unsere gegenwärtige Auffassung vom Wesen der serbokroat. Be-
tonung einer Erweiterung, bezw. einer Korrektur bedarf, ist vielleicht
möglich, doch da wird man viel feinere Beobachtungen machen und viel
triftigere Argumente ins Feld führen müssen. Jf. Rdetar.
Jana Eocbanowskiego dzieta wszystkie. Wydanie pomnikowe.
Band IV (Schlnssband) , I.Hälfte. Warschan (1897). Jan Eocha-
nowski, jego röd, ^ywot i dziela. Przez Bomana Plenkiewicza. YII
und 674 SS. gr.-8o.
Für 1884, zur dreihundertjährigen Todesfeier des grossen Dichters,
wurde in Warschau eine Monumentalausgabe von dessen Werken unternom-
men; es erschienen auch damals der I. und n. Band, in der splendidesten
Ausstattung die polnischen Werke umfassend — ich referirte darüber ein-
gehend Archiv VIII, 1885, S. 477—513. Nach Jahren kam der dritte Band,
mit den lateinischen Werken ; wieder nach Jahren, Ende 1897, der erste Theil
des vierten Bandes, die Biographie des Dichters, in einem Umfange, der
anderthalb Jahrgängen des Archivs entsprechen würde, lieber den Inhalt
dieses Biesenbandes haben wir uns nunmehr zu äussern, gleichsam in Fort-
setzung jenes Referates von 1885.
Unwillkürlich erhebt sich als Vorfrage, womit konnte der Band ausge-
füllt werden? Bekanntlich verlief das ganze Leben unseres grossen Huma-
nisten, den, zum Unterschiede von zahlreichen Kunstgenossen, weder Ehr-
geiz, noch Habgier, noch Sinneslust plagten, der äusserlichem, lärmenden,
wirren Treiben abhold, von Stadt und Hof, Amt und Pfründen, Karriere und
Politik, zu den geliebten Klassikern, aufs stille Dorf, in den Schooss der Fa-
milie sich rechtzeitig zu flüchten wusste, der auf seine Zeitgenossen nicht
durch die Wucht persönlichen Eindruckes, durch den Glanz gewinnender
Bede, durch die Erfahrenheit des gewiegten Politikers, nicht durch seine Ge-
burt, seine Beziehungen, durch Latifundien oder bewegliche Habe, sondern
ganz ausschliesslich durch seine Lieder, und zwar durch die polnischen, ein-
wirkte — in der denkbar einfachsten Weise. Ein paar Bildungsreisen, einige
Jahre Versuche, im königlichen Dienste zu Geld und Ehren zu kommen, der
Rest eines nicht langen Erdenwallens auf dem Landgute unter den Seinen
A. Brückner über J. Eochanow8ki*8 Biopraphie von Plenkiewicz. 237
▼erbracht — das ist der g;anie Inhalt eines Lebens, dessen Katastrophen, in
der Jngend auf mangelndes Taschengeld, drohende VermOgenseinbusse und
allerlei Peripetien flüchtiger Liebschaften, im Ifannesalter auf das Aufgeben
einer nicht zusagenden Karriere, auf Schwanken der Gresundheit und auf den
Verlust yoB ein paar geliebten Häuptern sich beschränkten. Offenbar ist bei
Kochanowski das innere Leben, das Heranreifen seiner Kunst, die Bildung
seines Geschmackes und seiner ästhetischen wie ethischen Prinzipien das
Wissenswerthe und Interessante; das äussere Beiwerk eines beschaulichen,
eines Stilllebens (Panül nieeh drudty za iby ehodzq, aja sif dzitotiff wünschte
sieh ja der Dichter selbst als göttliche Gabe) bietet nichts Fesselndes.
Herr Plenkiewicz hat seine Aufgabe anders aufgefasst; der Dichter und
seine Werke traten ihm in den Hintergrund: er konzentrirte seine vieljährige,
▼ielseitige und mühselige Thätigkeit auf die Erforschung und Darstellung
des Aeusserlichen und des UeberflUssigen. So kamen die umfassendsten und
genauesten Archivstudien, um Grewissheit über alle Ahnen des Dichters, alle
ihre VermOgensänderungen, alle ihre Prozesse und Streitigkeiten (cui bono P)
za erlangen, und füllten viele, viele Seiten; es kamen dann eingehende und
gründliche Beschreibungen aller der Orte, an denen der Dichter geweilt hat,
nicht nur etwa des geliebten Gzamolas, des väterlichen oder des eigenen
Heims, sondern aller der Orte, welche jedes gebildeten Polen Fuss im XVI.
Jahrhundert zu betreten verpflichtet war, als da Krakau, Wien, Venedig,
Padna, Rom, Paris, Wilno, Bischofs- und Magnatenresidenzen; jeder spätere
Biograph eines Zamoyski, Qo^licki, G6micki, Nidecki, eines Duditbius u. s. w,
kann die betreffenden Seiten des Buches unverändert für seine Zwecke aus-
schreiben ; sie enthalten ja fast nichts, das nur von Kochanovski, das nicht
von allen den eben Genannten, mit ebensoviel, wenn nicht mit mehr Becht,
ausgesagt werden könnte.
und als das alles nicht langte, die einmal geweckte Schreiblust zu be*
friedigen, kam hinzu die ausführliche Darstellung der inneren Geschichte
des gleichzeitigen Polen, des Königs und seiner Ehen ^ der Magnaten und
ihrer Faktionen, des Reichstags und seines Lärmens : seitenlange Auseinan-
dersetzungen, die mit Kochanowski in keinem Zusammenhange stehen. So
wäre man versucht, den Titel des Buches zu ändern, es zu benennen: Polen
im Zeitalter des Kochanowski mit besonderer Berücksichtigung des Dichters,
seiner Werke und seiner Familie (das ist die einzige, richtige Inhaltsangabe
desselben); man wäre versucht, zu fragen, warum vieles andere, das mit dem-
selben oder gar mit besserem Rechte behandelt werden konnte, nicht aufge-
nommen wurde: so ist z. B. Wilno geschildert worden, aber nicht Posen, und
doch war Kochanowski in Wilno vielleicht nie, aber in Posen war er Probst;
so ist z. B. Sigismund August mit minutiöser Sorgfalt charakterisirt worden,
aber nicht Karl V., der doch in dem jugendlichen Dichter einen ungleich tie-
feren Eindruck erregte, als je der eigene König es vermocht hätte; wir ver-
missen bezeichnende Persönlichkeiten aus dem Bekanntenkreise des Dich-
ters, während anderen, oft unbedeutenderen, viel Platz gewidmet ist u. dgl.m.
Im Interesse einer einheitlichen Wirkung beklagen wir dieses über-
flüssige Hineinzerren überflüssigen Stoffes — doch geben wir gerne zu, dass
238 Kritischer Anzeiger.
der VerfaBser gut zu erzälilen und za schildern weiss, dass der Leser, falls er
die archivalischen Kapitel, die Bechtsstreitigkeiten der Familie überschlXgt
und wenn er es nicht vorzieht, zu den Bearbeitungen aus erster Hand, z. B.
Sznjski in den Essais Über den König und seine Frauen, Noailles and
Zakrzewski Über die Wahl des Anjou und des Ungarn, zu greifen, sich
mit Vergnügen in diese Kapitel eines förmlichen historischen Romans hinein-
lesen kann, wobei er freilich, gerade wie im Boman, die Hauptgestalt oft
völlig aus dem Gesichtskreise verlieren wird — er empfindet dann doppelte
Freude, nach einigen Kapiteln ihr wieder zu begegnen. Sollte durch diese
Darstellung Kenntniss polnischer Geschichte der Jahre 1540 — 1580 populari-
sirt werden, sollten Gestalten bewegter, farbenprächtiger Vergangenheit dem
heutigen Verständniss weiterer Kreise näher gerückt werden, so hätten wir
gegen diese epische Fülle, gegen dieses überwuchernde Beiwerk ebensowenig
einzuwenden, wie wenig wir uns sträuben, einen drei- oder sechsbändigen
Roman zu Ende zu lesen, vorausgesetzt, dass er halbwegs interessant er-
zählt ist.
An einen Roman mahnen denn in der That manche Kapitel des Werkes.
Die zweifelhaften Lorbeem Derjenigen, welche dem Dichter in Paris oder in
Polen Liebesabenteuer mit vornehmen Damen angedichtet hatten, Hessen
auch den Verfasser nicht ruhen und so hat er, S.418 — 465, ein neues erotisch-
matrimoniales Intermezzo erfunden und mit Behagen ausgesponnen, an dem
allerdings, wie im Roman, kein einziges Wort wahr ist; den Stoff entnahm
er meist polnischen Gedichten auf eine Hanna, obwohl die meisten von ihnen
dem Kundigen verrathen, dass sie nicht in Polen 1570 — 1571 und nicht einem
»Frauenzimmer a der königlichen Schwester, sondern in Padua, 1552—1556,
einem losen Mädchen zu Liebe geschrieben sein können. Aber was im Ro-
mane, der auf historische Treue keinerlei Anspruch erhebt, wohl angeht, be-
fremdet und stört in einer »monumentalen« Biographie, die doch nicht mit
baaren Erfindungen operiren darf.
und so ist manches andere, nicht nur diese Liebesepisode allein, er-
funden und wird nun unter der Flagge einer Monumentalausgabe, die gerade
nur solide und rechtmässige Waare decken sollte, eingeschmuggelt Mitunter
auch in bestimmter, bewusster Tendenz, mit willkürlicher Ausdeutung von
Einzelnheiten, mit Verstössen gegen Text und Kritik, gegen Zeit und Geist,
nur um einem Vorurtheil oder einer Voreingenommenheit des Verfassers
Bahn zu schaffen — und gerade gegen dieses Einschmuggeln so vieler, ofi
unbeweisbarer, oft jedoch falscher und willkürlicher Auffassungen des Gan-
zen und des Einzelnen in eine »Denkmalsausgabe «, in ein, vorläufig ab-
schliessendes Werk unserer ganzen Kochanowskiforschung, müssen wir ent-
schieden protestiren.
Mir stehen nicht, um das Werk zu widerlegen nnd zu ergänzen, Hun-
derte Quartseiten engen Druckes zur Verfügung. An ein paar Beispielen
will ich jedoch meinen Vorwurf erläutern und begründen; ich wähle sie im
beliebigen Durcheinander.
Der Verfasser ist eifriger Katholik und als solcher bestrebt, denKatholi-
cismns des Kochanowski reinzuwaschen. Es ist zwar Mohrenwäsche — bei
A. Brückner über J. Eochanowski'B Biog^raphie von Plenkiewicz. 239
^faieni Humanisten des XVI. Jahrb. mit dessen konfessioneller Indifferenz,
namentlich aber bei Eochanowski, der, auch nachdem längst protestantische
Anwandinngen seiner Jugend verflogen waren, sich nicht scheute, in seinen
lateiniscben und polnischen Gedichten über katholische Geistlichkeit, Heiligen-
kalt, Legenden u. a. zu scherzen, während doch sogar sein Freund Gömicki
sieh scheute, in diesen damals allgemeinen Chorus einzustimmen. Auf Grund
seiner Scbrifton haben denn auch Protestanten, seine eifrigen Verehrer (unter
den Ersten, die TrauergesSnge zu Ehren des jäh Verschiedenen anstimmten,
war ja ein Protestant!), ihn für einen der ihrigen ausgeben wollen — was
allerdings gleich unrichtig wäre. Nun legte der katholische Bischof Dudithius
seine Würden nieder und heirathete; der »katholische« Dichter stellte sich
sofort mit einem, wie die Schlussverse beweisen, wärmer empfundenen Ge-
legenheitskarmen gratulirend ein; wegen dieses »unpassenden« Benehmens ist
der Dichter von modernen Katholiken bereits gehörig abgekanzelt worden.
Herr Plenkiewicz geht weiter: er findet glücklich heraus, dass die Gratulation
»ironisch» gemeint war (S. 414f.), dass aus ihr eher »Schadenfreude« (ich
brauche seinen eigenen Ausdruck) darüber spricht, dass sein einstiger, so
hochgestellter Freund »durch eigenen Leichtsinn in die Reihe allergewöhn-
licbster Menschen heruntergestiegen war«, d.h. Herr Plenkiewicz scheut sich
nicht, seinem Helden einen moralischen Makel (boshafte Freude über einen
Fehltritt des Freundes) und einen künstlerischen (denn Niemand durch 330
Jahre hat die »Ironie« herausfühlen können) anzudichten, um nur seinen
Katholicismus reinzuwaschen! Mit welchem Triumphe wird nicht S. 307 f.
ein Ausdruck im Einzugsgedichte an Bischof Padniewski (von den seine
Heerde bedrohenden Wölfen) gegen Protestanten ausgedeutet; tiefsinnige
Vermuthungen über den Grund dieser Wandlung beim Dichter werden ange-
stellt, in Wahrheit ist es jedoch nur eine durch die Gelegenheit gebotene
Einflechtung, eine Floskel christlicher Rhetorik, wie so oft bei einem Huma-
nisten u. s. w.
S. 97 — 102 sucht der Verfasser herauszufinden, welche polnischen Ge-
dichte der Jugendzeit oder der Krakauer Studienzeit (1544—1549) angehören
mögen. Dass nach dem eigensten, unzweideutigsten Zeugniss des Dichters,
er polnisch zu schreiben erst in Padua (und es ist leicht zu begreifen, warum
gerade dort und nicht früher, nicht anderswo) begonnen hat — er spricht von
seiner dordgen Latia atque reeens (d. i. frische) slaviea Musa Eleg.1,6 — wird
natürlich unbeachtet gelassen.
Zu diesen Jugendgedichten soll nun das Lied, Fragmenta 8, gehören,
Über welches ich Archiv VIII, S. 509 — 511 gehandelt habe; ich machte darauf
aufmerksam, dass ein antiker Stoff, Ovid^s achte Heroide (Hermione an Ores-
tes) in einer Weise verarbeitet ist, die förmlich an das Schicksal der Hallka
von Ostrog erinnern könnte, und erinnerte an das Pendant in Pieini 1, 17,
wo eine andere Heroide mit etwas ähnlicher Freiheit verarbeitet ist Herr
Plenkiewicz streicht nun meine Vermuthung über die Hallka hervor, ver-
schweigt, dass ich selbst auf die Heroide und auf Pie^ni 1, 17 verwiesen habe
[im Archiv a. a. 0. sind sogar die einzelnen Verse der Heroide und des Lie-
des verglichen worden), widerlegt nun mit Leichtigkeit meinen Hallkaeinfall
240 KritiBoher Anzeiger.
und ersetzt ihn durch folgende Ungehenerlichkeit: die im Thnrme gefangene
Schöne, die ihren Bruder und künftigen Gemahl um Bettung vor dem jetzigen,
ungeliebten Manne anfleht, ist — Elisabeth, gest 1545, die erste Gemahlin
Sigismund Augusts, also ist das Gedicht bald nach 1545 entworfen, daher
eines der gesuchten Jugendgediohte. Aber woher weiss der Verfasser, dass
das Gredicht auf Elisabeth geht? Kein einziger Zug desselben passt auch nur
im entferntesten auf die habsburgische Prinzessin (mit demselben Recht hätte
Katharina von Medici oder Maria Stuart genannt werden können!) — doch
hält der Verfasser ^inen grossen Trumpf in seiner Hand: im Druck von 1590
ist nämlich das Wort Stryja (der Bruder 90II nach dem Beispiel seines Oheinu
Bache Üben) mit grossen Buchstaben gedruckt, folglich geht das Wort auf
Kaiser Karl V.!! Ich will dem Verfasser verrathen, warum das Wort 8irt/ja
gross gedruckt ist: weil damit Kochanowski eine Korrektur des Ovid be-
zweckte. Hermione hatte ihren Orestes auf das Beispiel des Menelaus zu
▼erweisen, der ja die Helena rächte, und bezeichnete bei Ovid den Menelaus
als socer des Orestes, was er ja noch gar nicht war und auch nie (nach dem
Sinne des Menelaus) werden sollte ; also Menelaus war strt/j, patruns (nicht
teäö, socer) des Orestes, daher diese Hervorhebung des sirfo' durch den Druck!
Wann hat denn Karl V. die Rolle eines Menelaus gespielt? wann war seine
Maria eine Helena gewesen? und konnte Elisabeth den Bruder auch heira-
then? Alle anderen Argumente, welche die Annahme von » Jugendgedichten«
aus derselben Zeit stützen sollen, sind gleichermassen haltlos; ebenso yer-
hält es sich mit dem Ansetzen »venetianischer« Gedichte, mit der ersten Ar-
beit an den Szachy u. s. w. u. s. w.
In Petersburg hatte ich eine Handschrift, GoUectanea eines (Protestan-
ten) Osmölski, gefunden, welche u. a. eine Frühredaktion zweier Bücher la-
teinischer Elegien des Kochanowski enthält; ich bewies, dass die Redaktion
spätestens 1563 entstanden sein kann, ich glaube aber, dass auch die Ab-
schrift von 1563 datirt. Das passt nun nicht Herrn Plenkiewicz, denn in
dieser Redaktion von 1563 ist eine Elegie enthalten, die nach ihm der Dichter
erst 1571, während und in Folge jener erfundenen Romanliebschaft, gedichtet
haben kann; er beweist somit, dass Redaktion und Abschrift bei Osmölski
nach 1571 fallen müssen. Aber wie? Er verschweigt meine entscheidenden
Gründe und schiebt mir dafür Argumente unter, an die ich nie auch nur ge-
dacht habe. Nach S.III wäre für mich »entscheidender Hinweis« (rozBtrxyga-
jqcq wskazowhq) gewesen eine Notiz auf dem ersten Blatte der Hdschr. » Joh.
Cochanovii Elegiae. . . 1552 — 1563« — aber in meinem Studium darüber habe
ich jene Notiz gar nicht erwähnt, weil ich wohl weiss, wie wenig derlei
Notizen (von fremder Hand) etwas beweisen können. Meine rozsirzygajtica
wskazdtokay die Plenkiewicz nicht mit einem Wörtchen erwähnt, war (neben
vielem Anderen, was hier übergangen sei) folgende: in den Elegien bei
Osmölski kommt vor eine etwa um 1559 geschriebene Elegie an den jungen
T^zynski, der zu den höchsten Hoffnungen alle berechtigte, durch Adel,
Rang, Reichthum und Anlagen zugleich — aber der frühe Tod des 26 jährigen
Verlobten einer schwedischen Prinzessin in dänischer Gefangenschaft (vor
dem 25. Januar 1564) zerstörte alle diese Hoffnungen und so hat der Dichter
A. Brückner über J. Eochanowaki's Biographie von Plenkiewicz. 241
auf diese Toclesbotsohaft hin der ISngst abgeschlossenen Elegie Zusatzverse
(Heu miserande puer etc.) zugedichtet. Diese Zusatzverse fehlen nun in der
Bedaktion bei Osmölski, folglich faillt diese Redaktion vor 1564 und kann
demnach nicht Verse von 1571 enthalten (und enthält auch wirklich nicht das
geringste sonst, was nach 1563 gehOrte).
Das bedeutendste Werk des Kochanowski, dessen Ruhm bei Mit- und
Nachwelt sogar die Grenzen Polens überschritt und bis Moskau sich verbrei-
tete (vgl. meine Nachweise Archiv YIII, 490), ist der Psalter. Diese centrale
Stellung nimmt nun der Psalter in der Darstellung des H. Plenkiewicz durchf
ans nicht ein — bot er doch allzuwenig Stoff zu Kombinationen und Ge-
schichtchen aller Art, doch kommt der Verfasser mehrfach auf ihn zurück.
Ich hatte zuerst den Nachweis geführt (a. a. 0. 485—490), dass die lateinische
Psaltemachdichtung des (Protestanten) Buchanan, wenn nicht geradezu den
Antrieb, so jedenfalls das nachgeahmte Muster für Kochanowski abgegeben
hat; nachher hat A. Sienicki (Programm von Sambor 1893, 65 SS.) dieses
Verhaltniss zwischen dem polnischen Psalter und dieser Paraphrasis Psal-
morum eingehendst geprüft (in 33 Psalmen fehlen Beziehungen, in 13 Psalmen
sind solche sehr zahlreich, in den übrigen kommen sie vereinzelt vor). Herr
Plenkiewicz kennt die Arbeit von Sienicki nicht; meine Ausführungen ver-
ursachen ihm Unbehagen, doch kann er sie nicht todtschweigen und sucht sie
nur nach Kräften abzuschwächen. Dazu schiebt er in den Vordergrund die
polnischen Uebersetzungen des Psalters vor Kochanowski, lässt ihn mit ihnen
schon seit dem Elternhause vertraut sein, lässt ihn vom Psalter überall be-
gleitet sein u. dgl. m. — alles willkürliches Gerede ohne jegliche Stütze.
Beim Vergleich zwischen Kochanowski und Buchanan hält er sich ans
Aeusserliche — an das beiderseitige Metrum und findet den grössten dichte-
rischen Triumph des Polen darin, dass derselbe im Psalm 136 den 26 mal
wiederholten »Refrain« (»denn ewiglich ist seine Barmherzigkeit«) jedesmal
anders variirt hat, als ob solche Künstelei Poesie ausmachte : Erasmus hat
die Sätze tnae literae me magnopere delectarunt und semper dum vivam tui
meminero sogar 150 mal variirt — wäre etwa auch das Poesie? Falsch ist
die Beziehung des Psalmes 35 (S. 469) auf persönliche, trübe Erfahrungen des
Dichters im Jahre 1571, seine dwomi (darmojadowie) sind nämlich kaum b
dwor^cy aulici Höflinge, sondern viel eher spöttelnde, höhnende, neugierige
Menschen, curiosu Dagegen fragt er nicht, welche Psalmen bereits vor 1571
entstanden waren und doch könnte man dies von einigen vermuthen, z. B.
vom XX. und XXI., die an Sigismund August förmlich gerichtet sein könn-
ten, und übergeht noch manches andere.
Es würde uns zu weit abführen, wenn wir alle falschen Datirungen, Be-
ziehungen und Auffassungen des Herrn Plenkiewicz berichtigen wollten;
nebenbei sei bemerkt, dass er der bekannten Anekdote von Rej und Kocha-
nowski, die ich a. a. 0. S. 495 ins Reich der Erfindungen verwiesen habe,
wieder zum Leben verhelfen will (S.216 — 218): »wenn etwas. dieser Tradition
den Anschein der Wahrheit gewährt, so ist es dieser Doppel vers des Rey, der
ans seinem leibhaftigen Munde entnommen scheint« — mir schien gerade
dieser Doppelvers mit Rey unverträglich und Hauptgrund zur Beanstandung
ArehiT für BlaTiscbe Pkiloloffie. XXL 16
242 Kritischer Anzeiger.
der Anekdote: ich möchte nun Herrn Plenkiewics fragen, ob er mir im ganzen
Rey zum zweiten Male eine bogini ihwieMka (BlayischeMnse) wird nachweisen
können? Begriff und Ausdruck sind Bey vollstftndig fremd, ohne Weiteres
denkbar im Munde eines Koohanowski, Miaskowski oder Herburt, nur nicht
in dem des sarmatischen Satyr von Naglowiee, dessen Urtheil über Eocha-
nowski wir übrigens kennen.
Sehr ausführlich handelt der Verfasser über die schon vielbesprochene
Tragödie Odprawa (S. 551—572), doch bietet er wenig Neues, über die Ab-
sichten des Zamoyski etwa oder über den Impuls, den Padua und das dortige
angebliche Grabmal des Antenor auf die Stoffwahl abgegeben haben. Noch
ausführlicher handelt er über die Treny (S. 606— 628): er beharrt bei der
einst landläufigen Auffassung der verheerenden Wirkungen des Schmerzes
über den Verlust des Kindes auf den Dichter und seine Schaffenskraft und
sucht sie mit neuen Argumenten zu stützen; er gibt einige neue Parallelen
aus Cicero (undBoethius?) und das ist wohl der einzige positive Gewinn
seiner Ausführungen. Denn wenn er sich vergebens nach einem Muster für
das Ganze in der Antike umsieht, so hätte er zu seiner Erklärung nicht nach
Eschyläischen Chören, sondern eher zur neulateischen Poesie, die diese Gat-
tung stets pflegte, wenden können. Wenn er wiederum als eigentlich zu-
sammengehörend nur die Threni II— IV, VI— XI und XVII— XIX hinstellt,
die übrigen nur als »Varianten« bezeichnet, welche der Dichter »in seinem
Schmerze zwar gleichzeitig verfasst habe, weil sie ihm Linderung brachten,
ohne an das artistische Ganze und dessen Forderungen zu denken , die er
dann nicht mehr missen wollte und sie daher unter die übrigen durcheinander*
geworfen hat {m^cjeporoasrzucaipomifdtyjinne), ohne zu denken, ob sie nicht
dem Ganzen schaden« — so können wir ihm hierin wieder nicht folgen. Der
Wunsch ist hier Vater des Gedankens gewesen: weil die Threni I, V, XU —
XVI meist »Erudition« und »Mythologie« enthalten, möchte sie der moderne
Leser gerne missen — aber Eochanowski war anderer Meinung! In dem länd-
lichen Gedichte Sobötki (das scheint der ursprüngliche Titel gewesen au
sein) wird z. B. einem Landmädchen der Philomelenmythus in den Mund ge-
legt — , diese und ähnliche klassische Krücken würden wir eben so gerne bei
Kochanowski wie bei Szymonowic oder Miaskowski missen, leider sind sie
von Zeit und Geist untrennbar, gehören zu deren festem Inventar und müssen
in den Kauf genommen werden; ein Sträuben dagegen. Wegerklären u. dgl.
hilft nicht.
Doch genug der Einzelnheiten; wir fassen unser Urtheil zusammen. Im
Vergleich zu dem Aufwand von Mühe, Zeit und Kosten ist die wissensehaft-
liehe Ausbeute als eine geringe zu bezeichnen ; es ist zwar manches berichtigt
und erklärt, aber dafür sind alte, todtgeglaubte Fehler wieder auferweckt
und viele neue hinzugefügt worden; das grosse Werk ist nicht nur kein ab-
schliessendes, letztes Wort über Kochanowski geworden, es ist stellenweise
hinter dem bisherigen Forschungsertrag zurückgeblieben. So ausführlich das
Werk auch ist, bietet es doch Lücken: Urtheile der Zeitgenossen, Wirkungen
auf dieselben und auf die Späteren, allgemeinere Ausführungen über den
Lyriker und Epigrammatiker, Reifen seines Ausdruckes, Verhältniss zur
A. Brückner über J. Kochanowski's Biographie von Plenkiewioz. 243
Antike im Ganzen n. dgl. m. werden entweder gar nicht oder nur nebenbei
berührt
Es erscheint uns somit der wissenschaftliche Werth des grossen Buches
gering — aber das Boch kann in anderer Weise vielleicht recht nützlich wer-
den: es kann beim grossen Pnbliknm, bei den Laien, historischen Sinn nnd
YerstSndniss wecken, das Interesse an heimischer Geschichte beleben und
vertiefen; gelingt ihm dies — und wir wünschen es lebhaft, so scheint uns
alle Mühe nnd Zeit nicht verschwendet, so kann der Verfasser gerechten An-
spruch auf dankende Anerkennung erheben.
Die Ausstattung ist dieselbe gediegene und glänzende, wie in den vor-
ausgegangenen BSnden; beigegeben sind stattliche Holzschnitte, doch war
man in der Auswahl sehr unglücklich: statt eines Lehnstuhls oder Thürbe-
sehläge von mehr als zweifelhafter Authenticität hätten wir z. B. Bildnisse der
wichtigsten Personen, der Einige, GOnner (Bischof Myszkowski vor allen,
der um Eochanowski und dadurch um die ganze ältere Litteratur so hoch
verdiente I) u. a. viel eher beanspruchen kOnnen. A. Brückner.
Adam Mickiewicz przez Dra. Jözefa Eallenbacha. 2 Tom.
Eraköv^. Spöika wydawnicza Polska. 1897. T. I. 300 S., T. 11.
430 S.
Unter den grossen polnischen Dichtem dieses Jahrhunderts gibt es ge-
wiss keinen, der die literarische Forschung und Kritik in so hohem Grade l>e^
scfaäftigt hat, wie Adam Mickiewicz. Und mit allem Recht; das Leben und
die Dichtung des Verfassers der »Dziady« und des »Pan Tadeusz« bieten ein
so vielseitiges Interesse dar, dass der Gegenstand für die polnischen Litera-
turkenner noch immer Anziehungskraft besitzt, sei es dass man denselben
aus rein ästhetisch-literarischem oder politisch-geschichtlichem oder ethisch-
psychologischem Gesichtspunkt betrachtet.
Was über Mickiewicz in der polnischen und der ausländischen Literatur
geschrieben worden ist, seitdem er im J. 1822 die erste Auflage seiner »Bal-
lady i Romanse« selbst veröffentlichte, bildet schon eine umfangreiche Lite-
ratur an sieh. Leider kann man doch auch in diesem Falle den Wunsch nicht
unterdrücken, es wäre — nicht nur für den Dichter, sondern auch für den
betreffenden Skribenten — besser gewesen, wenn etwas weniger geschrieben
worden wäre. Es wird mitunter des Guten zu viel geleistet, und eine Ueber-
sehätBung der Werke eines anerkannten Meisters, aus patriotischen Gründen
leicht erklärlich und bei einer politischen Nation, wie der polnischen, sogar
verzeihlich, dient wenig der Sache selbst.
Immerhin ist von den polnischen Literaturforschem — man braucht nur
die Namen Biegeleisen, Chmielowski, Cybulski, Nehring, Pilat, Tamowski,
Tretiak, Witwicki, Zaleski zu erwähnen — und von der in Lemberg seit 1886
existirenden Mickiewicz -Gesellschaft (»Towarzystwo literackie im. Adama
Mickiewicza«), sowie auch von dem Sohne des Dichters, Wladyslaw Mickie-
wicz in Paris, so viel Material gesammelt und kritisch verwerthet, dass in
16»
244 Kritiseher Anzeigen
Betreff neuer Thatsachen wenig mehr fUr die Hickiewicz-Literatnr zn er-
obern sein dürfte.
Das vorliegende Buch enthält demnach fast nichts Nenes von Belang ;
es ist aber eine gewissenhafte Zusammenstellung und Ausnutzung des bio-
graphischen und ästhetischen Stoffes, bisjetzt das Umfangreichste, was in
einem Buche über Mickiewicz geschrieben worden ist. Und es ist — Gott
sei Dank! — keine patriotisch übetriebenePanegyrik, sondern eine schlich^,
mit klarem Blick und warmem Geftihl geschriebene Darstellung der Haupt-
momente des Lebens und der Dichtung von Mickiewicz.
Der Biograph , Dr. JozefKallenbach, bekanntlich Professor der
slayischen Sprachen und Literaturen an der Universität zu Freiburg (in der
Schweiz), selbst Pole von Geburt, hat sich schon vorher als Mickiewicz-For-
scher dokumentirt und zwar durch einen Essay über den IV. Theil der
»Dziady« (»Czwarta cz^i6 Dziadöw«, Erakau 1888) und hat die besten Vor-
aussetzungen, um eine derartige Aufgabe zu erfüllen : er beherrscht die be-
treffende Literatur vollständig und hat in selbständiger Freiheit arbeiten
können, ohne die ntfthige Fühlung mit der gelehrten Welt des ehemaligen
Königreiches zu verlieren.
Es ist selbstverständlich, dass ein solcher Gegenstand wie der ganze
Mickiewicz in einem Werke von nur 700 Seiten nicht völlig erschöpft werden
kann. Der Verfasser hat sich auch sichtbar bemüht, das Objekt seiner Unter-
suchungen zu begrenzen und keine Seite des Dichters auf Kosten einer an-
deren zu stark hervortreten zu lassen, und das Resultat ist ein in chronolo-
gischer Reihe dargestelltes Totalbild in klaren, objektiven Grundzügen. Das
Nebensächliche, ebenso wie das Apokryphische und Anekdotische ist sorg-
fältig bei Seite gelassen, und durch häufige Hinweisungen zu den Quellen hat
das Buch einen grundlegenden Werth für Diejenigen, die sich mit dem pol-
nischen Nationaldichter eingehend befassen wollen.
Durch das von dem Umfange des Buches jbedingte Verzichten auf De-
tails und Episoden ist der Vortheil gewonnen, dass thatsächliche Irrthümer
oder unbeweisliche Angaben sich nicht haben einschmiegen können. Wün-
schenswerth hätte es dem Rec. allerdings geschienen, dass die poetische und
literarische Wirksamkeit des Mickiewicz noch etwas mehr gewürdigt worden
wäre, z. B. eine Bedeutung für den polnisch-slavischen Romantismus, sein
byronistischer »Napoleonismus« und sein Hauptwerk »Pan Tadeusz«. Da-
rüber ist doch schon Viel genug geschrieben, und mehr könnte von diesen
Gegenständen nicht gesagt werden, ohne die spätere Thätigkeit des Mickie-
wicz (denTowianismus und den politischen Messianismus) zu beeinträchtigen.
Der Hauptzweck, der mit dem Kallenbach'schen Buche erzielt worden war, »
ist, ein grösseres Publikum mit dem Dichter allseitig bekannt zu machen, was
auch als gelungen anzusehen ist
Aber gerade in dieser Hinsicht scheint es dem Recensenten, es wäre
besser gewesen, wenn das Buch in französischer oder in deutscher Sprache
erschienen wäre. Die polnische Lesewelt kann schon genug über Mickiewicz
in den polnischen Bibliotheken finden, und sein Name ist schon genügend
anerkannt. Mickiewicz gehört aber der Weltliteratur an, und in der allge-
A. J(eii8en) ttber KallenbAch's A. Mickiewicz. 245
meinen Literatargeschichte fehlt es uns noch an einer zuverlSssigen Biogra-
phie des grossen Dichters (aasgenommen die Grandrisse in der deutschen
und französischen Ausgabe der slayischen Literaturgeschichte von Pypin-
Spasowicz). Durch Uebersetzungen — nicht immer befriedigend — ist
Mickiewicz in der Weltliteratur schon eingebürgert -^ doch lange nicht so,
wie er es verdient.
Der wissenschaftliche Werth des Eallenbach'schen Buches wird durch
eine Beilage bisjetzt ungedruckter Briefe von und über Mickiewicz, die von
verschiedenen Seiten dem Herausgeber zur Verfügung gestellt worden sind»
nicht wenig erhöht. A — d /.
Povjest knjiievnosti hrvatske i arpske. Napisac Dr. Büro
äurmin. 1898. 8». 317 S. Zagreb (Kuglii Deutsch).
Endlich haben wir eine serbokroatische Literaturgeschichte I So könnte
man beim Anblick dieses sehr schön ausgestatteten, sogar mit zahlreichen
Illustrationen versehenen Buches ausrufen. Man würde dabei zwar biblio>
graphisch nicht ganz genau im Ausdruck sein, da man sich bekanntlich, wenn
man von meinem, beim Anfang gebliebenen Buch ans dem J. 1867 absieht,
eine Literaturgeschichte von Stojan Novakovid und eine andere, sogar zwei-
bändige von S.Ljubid ins Gedächtniss zurückrufen muss. Allein das Büchlein
NovakoviiTs ist ein ganz kurz und trocken gehaltenes Hilfsmittel, für die mitt-
leren Schulen bestimmt, und Ljubid war sein ganzes Leben lang und auch in
seinem »Ogledalo« mehr ein Archäolog und Documentensammler, für die liters"
targeschichtlichen Forschungen wenig geeignet. Also dem Verfasser des
vorliegenden Buches wurde in der That wenig vorgearbeitet. Für die brei-
teren Kreise der kroatischen und serbischen Intelligenz war ein solches
Werk, wie das oben erwähnte im Sinne und nach dem Wunsch der rührigen
Verleger ausfallen sollte, in der That noch nicht vorhanden. Herrn Dr.
§armin muss das Verdienst unbenommen bleiben, zum ersten Male in kroati-
scher Sprache den Versuch gemacht zu haben, für das grössere Publicum
ein Gesammtbild der literarischen Thätigkeit der Kroaten und Serben von
den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart zu entwerfen und zu zeichnen.
Selbstverständlich konnte bei dem ziemlich knapp bemessenen Umfang von
etwas ttber 300 Seiten (den Raum für Illustrationen mitgerechnet) das Bild,
wenn es wirklich als solches auf die Leser einwirken soll, nur in ganz grossen
Zügen ausgeführt werden, mit Ausserachtlassung vieler, den Ueberblick und
Totaleindruck nur störenden Einzelheiten. Sonst lag die Gefahr nahe, dass
der Erzähler bei der anzustrebenden Kürze in das trockene Aufzählen von
Namen und Titeln verfallen könnte, wie das z. B. in meiner in Jihoslovan6
gelieferten Skizze wirklich der Fall war, wo man allerdings diesen Fehler
wenigstens einigermassen durch den Umstand, dass jene Skizze für ein Con-
versationslexicon abgefasst war, entschuldigen kann. Soll ich die Frage,
ob der Verfosser der erwähnten Gefahr glücklich entging, aufrichtig beant-
worten ^ so müsste ich sagen, dass ihm das nur zum Theil gelang. Er hat
246 Kritischer Anzeiger.
einen Theil des Ballastes allerdinge mathig ttber Bord geworfen, doch auch
jetzt noch machen sich viele Namen breit, hie und da mit wenigen nichts-
sagenden Worten begleitet, bei denen der Leser zu gar keiner Vorstellung
kommen kann. Man lese z. B. die gedrängten Namen auf 8.96— 98, 102—104,
106 — 107, 121 n. s. w. ^nd sage sich ehrlich, ob man aus dem Gelesenen viel
Belehrung schöpfen kann, ob dadurch das Gesammtbild besser beleuchtet und
anschaulicher wird. Ich mttohte entschieden nein sagen. Und wenn schon in
der Darstellung der älteren Perioden hie und da die Darstellung an Ueber-
ladung durch Nennung der Namen und der Titel leidet, was soll man erst zur
Schilderung der neueren Literatur, zumal der serbischen, sagen, wo die Zahl
der Namen zunimmt und wo nur eine Gruppirung und Gharakterisirung nach
bestimmten Bichtunge;i und bei jeder die Hervorhebung des Tonangebenden
dem ermüdeten Gedächtniss beispringen und erwünschte Buhepunkte schaf-
fen könnte. Nein, bei einer neuen Bearbeitung des Werkes müsste der Ver-
fasser in dem Bestreben, seine Literaturgeschichte von der trockenen Auf-
zählung der Namen und Titel zu befreien, entschiedene Fortschritte mächen
und auf grössere Plastik und Anschaulichkeit des Ganzen Gewicht legen.
Allerdings kann es bei der Kürze, der man gegenüber dem reichlich vor-
handenen Material sich befleissigen muss, sehr leicht geschehen, dass man
etwas Wichtiges auslässt und etwas Minderwichtiges berücksichtigt. Solche
Ungleichheiten sind unvermeidlich, namentlich wo die Einzelforschung noch
nicht den Werth jedes Prodnctes festgestellt hat Vieles hängt ausserdem
von dem feinen Geschmack und der tüchtigen Schulung des Literaturhisto-
rikers ab. Der Verfasser der vorliegenden Literaturgeschichte zeigt wenig
Selbständigkeit im Urtheil, er lehnt sich meist an die übliche, zu irgend einer
Zeit in den Curs gesetzte und vielfach wiederholte Ansicht an, ohne an der
Richtigkeit de]:8elben zu zweifeln, ohne sie eigener Prüfung zu unterziehen.
Man muss aber gerecht sein und von ihm nicht das Unmögliche verlangen.
Wer eine beliebige Literaturgeschichte in zusammenfassender Darstellung
liefert, muss mehr oder weniger Compilator sein, er kann ja nicht alle
Perioden selbständig studiren, es ist schon das sehr viel, wenn er seine Lei-
stung aus guten Quellen zu schöpfen und nach guten Mustern zusammenzu-
stellen im Stande ist Das Buch ^urmin's verräth den Fleiss des Nachsuchens
und Sammeins, aber einen gereiften Geschmack vermisse ich in ihm. Seine
ganze Auffassung von der Aufgabe der Literaturgeschichte — man kann da-
rüber in seiner Einleitung nachlesen — wird kaum auf Billigung rechnen
können. Ihm imponirt entschieden zu stark die — Versification : er stellt die
Belehrung in einen zumeist unbegründeten Gegensatz zur Unterhaltung. So
soll nach ihm bei der mündlichen Volksüberlieferung die Belehrung gänzlich
— ausgeschlossen sein! ! Darum bringt er es viel leichter über's Herz, einen
Namen aus dem Bereich der »Belehrung« auszumerzen, als einem Versificator,
der ja »unterhalten« wollte, wehe zu thun. Selbst in der älteren Literatur, wo
embarras du choix nicht so gross ist, trägt er kein Bedenken, einen Kasiö
oder Mikalja oder Della Bella mit Stillschweigen zu übergehen (merkwürdig,
Belostenec und Jambresiö fanden dennoch Gnade), während viele Minder-
werthige doch wenigstens dem Namen nach genannt wurden. Aehnlichea
y. Jagiö Aber kroat-serb. Literatargeschichte Sarmin's. 247
wiederholt sich in der neueren Literatur. Z.B. ein um die Hebung der Volks-
bildung dureh die Schule und pKdagogische Literatur so verdienter Schrift-
steller, wie es It. Filipoviö war, konnte nach der Auffassung des Verfassers
dieser Literaturgeschichte nie und nimmer gegenüber einem beliebigen Autor
eines massigen Bändchens von nichtssagenden Gedichten aufkommen. Wie
wenig ist in diesem Buche von Bulek die Bede ! Freilich hat er keine Verse
gemacht, worfiber sich Dr. äurmin selbst wundert Wie wenig wird der
Leser über das grosse kritische Talent D. Buvarac's , der als Geschichts-
forscher dem Backi ebenbürtig die Hand reicht, belehrt. Dass Ljuba Eova-
ceviö, Panta Sredkoviö, Eariö u.v.A.gar nicht genannt werden, hat wohl den-
aelben Grund. Wer die Triebfedern des culturellen Lebens, dessen Gentrum
Agram bildet, einigermassen kennt, wird sich wundem, einige Namen, wie
z.B. Antun Staroevid, gar nicht, andere, wie z. B. Perkovac, Miskatoviö, kaum
genannt zu finden.
Man wird beim Mangel an monographischen Untersuchungen leicht be-
greiflich finden, dass einzelne Theile des Werkes, je nach dem Stande der
Vorarbeiten, sehr ungleich ausgefallen sind. Entschieden besser sind die
ältesten Abschnitte und auch die mittleren Perioden der Literatur, als die
neuere Zeit ausgearbeitet. Der erste Theil des Buches ist überhaupt im Ver-
hältniss zur neueren Zeit, die doch hauptsächlich auf die weiteren Leser-
kreise Anziehungskraft ausüben kOnnte, viel zu ausfUhrlicb. Die schwächste
Seite des Werkes bildet die neuere serbische Literatur. Dieser Abschnitt
bedarf einer gründlichen Umarbeitung. Man fühlt es aus der Darstellung
heraus, wie unsicher da die Kenntniss des Verfassers, wie unselbständig
sein Urtheil ist. Offenbar besitzt er selbst kein abgerundetes Bild der
neueren serbischen Literatur, wie soll er es für die Leser zu Wege bringen I
Ich sehe von solchem lapsus calami, wie die Vereinigung des Bozidar und
Bogoljub Petranovid in einer einzigen Person, ab (S. 282). Aber die Auf-
einanderfolge der einzelnen Dichter, mit Ausserachtlassung ihres inneren
Zusammenhangs, ohne Betonung der Verwandtschaftsverhältnisse, lässt
viel, sehr viel zu wünschen übrig. Wie kann man z. B. den Vladika Petar
in die Epoche von 1847 bis 1868 setzen und auf diese Weise weit von Sime
Milutinovid trennen, während sie doch als Aelterer und Jüngerer beide
einer und derselben Epoche angehören, mit manchen verwandtschaftlichen
Zügen und Berührungspunkten? Fühlte denn der Verfasser nicht das Un-
passende, da er den Branko Badioeviö vor den Vladika Petar stellte und den
Dr. Jov. Subbotiö als einen nach Branko auftretenden Dichter behandelte ?f
Wo ist da der literaturgeschichtliche , wo ist da der der Wirklichkeit ent-
sprechende Zusammenhang? Nach welcher Logik der Ttiatsachen wird Laza
Kosti^ mit zwei banalen Ausdrücken erst auf S. 299, d. h. nach den beiden
Ilijö (Vojslav und Dragutin), und der ganzen Phalange jüngerer Dichter ge-
nannt? Wie kann Andra Gavriloviö vor Lazar Lazareviö zur Sprache kom-
men? Wodurch will der Verfasser rechtfertigen, dass er früher von Miliöeviö
als Erzähler spricht, dessen 3HMH»e Beqeps ein Jahr nach dem Tode Ljubisa's
erschienen, und dann erst den Ljubisa zur Sprache bringt, der auf diese Weise
unter die jüngeren Erzähler gerieth, wo nicht sein Platz ist, er sollte über-
248 Elitischer Anzeiger.
haupt näher zu Montenegro gerückt werdeoi geradeso wie z. B. Matavulj mit
seinen besten Leistungen ein Dalmatiner ist, wie Vuk Vroeviö ein Sprachrohr
von Heroegovina war, u.s.w. Ueberhanpt weder der geographische Gesichts-
punkt (ich meine den inhaltlich geographischcD, doch dieser stimmt in der
Regel mit dem Ursprung des Dichters selbst ttberein, der ja doch wohl mei-
stens aus der Gegend seiner ältesten und besten Bekanntschaft Schilderungen
von Land und Menschen ableiten wird), noch die Geschmacksrichtung und
Schulung gibt irgend welche Eintheilung der neueren Literatur ab, alles wird
bunt durcheinander, selbst ohne genügende Berücksichtigung der chronolo-
gischen Beihenfolge, erzählt. Nirgends werden gemeinsame leitende Gedan-
ken, nirgends die Ideale, welche die Vertreter der Literatur beseelten, nirgends
die Eindrücke, die sie auf die Zeitgenossen hervorbrachten, besprochen. Hat
der Leser das Buch zu Ende gelesen, so weiss er erst nicht, woran er mit die-
sem Haufen von Namen der Schriftsteller und ihrer Werke ist, repräsentirt
die serbokroatische Literatur eine Macht und wie äussert sich diese auf die
Gesellschaft? Hat sie eine erziehende, aufklärende Kraft ausgeübt und in
welcher Richtung? Vermag sie, um den naiven Standpunkt des Verfassers
einzunehmen, die Gesellschaft zu fesseln, anzuziehen und zu unterhalten?
Ebensowenig kommen die verschiedenen Einflüsse, unter welchen in ein-
zelnen Perioden die Literatur stand, anschaulich zur Geltung. Mit einem
Wort, von der Vertiefung in den Gegenstand, von einer verständniss vollen
Würdigung der guten und schlechten Seiten der serbokroatischen Literatur
verspürt man in diesem Buche äusserst wenig. Da ich am Ende dennoch
wünschen muss, dass das Werk in Ermangelung eines besseren, viele Leser
finde, so möchte ich auch dem Verfasser desselben, der ja noch jung
und bildungsfähig ist, den Gedanken nahe legen, sich etwas mehr in seine
Aufgabe zu vertiefen; er darf ja nicht ausser Acht lassen, dass er damit eine
grosse Verantwortung übernimmt, um bei seinen Lesern keine falschen Ur-
theile und Ansichten zu erwecken, dass er dem Andenken vieler verdienst-
lichen Männer aus älterer und neuerer Zeit Gerechtigkeit und Unparteilich-
keit schuldet und dass er auch gegenüber der Mitwelt sich sehr hüten muss,
dem unbegründeten Eigendünkel Vorschub zu leisten.
Mehr noch als die Mängel an Einzelheiten, auf die ich nicht weiter ein-
gehen will, berührt mich unangenehm der unlösbare Widerspruch, über den
ich mich nicht ruhig hinwegsetzen kann, zwischen der einige Male in der
Einleitung betonten Behauptung, die Kroaten und Serben seien 6in Volk mit
6iner Sprache — und an diesem Palladium sollten doch alle Kroaten und
Serben festhalten — und der damit durchaus nicht übereinstimmenden Be-
handlung der Literatur dieses 6inen Volkes als zwei ganz getrennte Grössen.
Wo ist da die Unwahrheit oder Unaufrichtigkeit ? Ich sollte mich einer Kritik
dieses auffallenden Widerspruchs zwischen der Behauptung und Bethätigung
enthalten, da ja, wie es scheint, die Beurtheiler des Werkes damit einver-
standen sind, wenigstens erinnere ich mich nicht, gelesen zu haben, dass da-
gegen Einwendungen erhoben wurden. — In der That, wer die heute immer
lauter werdenden Ausbrüche des Hasses auch nur halbwegs zu Ohren be-
kommt -— und ich gestehe nur sehr fragmentarisch mit diesen Blüthen der
y. Jagiö über kroat.-86rb. Literaturgeschichte äurmin's. 249
Zwiflt yertraut zn sein — , wer die sich auf allen Gebieten des öffentlichen und
gesellschaftlichen Lebens vollziehende Trennung und Absonderung beobachtet,
dem wird es für den ersten Augenblick schwer fallen zu glauben, dass er eine
ethnische und geistige Einheit vor sich hat. Allein man vergesse doch nicht,
dass die Gleschichte der Literatur etwas mehr als eine einzige Epoche zu um-
fassen bestimmt ist. Einer Epoche, die vielleicht wirklich reichlichen Grund
zur abgesonderten Behandlung gibt, können ja vorausgehen oder nachfolgen
andere und zwar solche, in welchen die Trennung in einen aus den ephe-
meren Umstünden abgeleiteten Dualismus vor der ruhigen Erwägung nicht
Stand hElt. Und das ist bei der Literaturgeschichte der Kroaten und Serben,
wenigstens was die Vergangenheit betrifft — die Zukunft ist ja in Gottes
Hand — , wirklich der Fall. Im Laufe von Jahrhunderten ihres geistigen
Lebens machten sich einigende und trennende Factoren in sehr verschiedener,
sich ablösender und bekämpfender Weise geltend, aber mit der theoretischen
Aufstellung des Dualismus im Sinne der modernen separatistischen Be-
strebungen kann man ihnen nicht beikommen. Ich will nicht in Abrede
stellen, dass es in der Geschichte des politischen und culturellen, geistigen
Lebens der Kroaten und Serben mehr trennende als einigende Momente gab,
aber diese Kräfte wirkten in verschiedenen Dimensionen und kreuzten sich
so untereinander, dass man dennoch leichter mit der Aufstellung eines monisti-
schen als eines dualistischen Princips den wahren, reellen, wirklichen Verhält-
nissen verschiedener Epochen auf. den Grund kommt Dr. Murmln sieht sich
selbst gezwungen, weuigBtens die Volksdichtung und überhaupt die VolksUber-
liefemng als etwas Einheitliches zu behandeln. Ferner kann er nicht umhin,
den Ursprung der kirchenslav. Literatur für das ganze Gebiet in einem Pro-
eess zu finden. Wie wenig geschichtlichen Sinn verräth er aber, wenn er
gleich darauf, von einem gewissen Zeitpunkt an, auf einmal den Glagolismus
ausschliesslich den Kroaten, den Gyrillismus ausschliesslich den Serben im-
putirt — doch nein, hier macht er zu Gunsten der Kroaten eine Ausnahme
und spricht von der »bosnischen« cyrillischen Schrift als geistigem Eigen-
thnm der Kroaten. Also ein Literaturhistoriker aus dem Ende des XIX.
Jahrh. kann sich nicht auf den Standpunkt emporschwingen, den die armen
sich selbst tiberlassenen Glagoliten des XIV. — ^XV. Jahrh. einzunehmen Ein-
sicht genug hatten, d. h. ihnen war der Inhalt der cyrillischen Literatur be-
kannt, sie schöpften aus demselben wie aus ihrer eigenen Quelle und variirten
nur die Schrift. Weiss der Verfasser dieses Buches nichts von den Resultaten
der slavistischen Studien auf diesem Gebiete seit §afaHk? Hörte er nichts
von dem gemeinsamen Ursprung aller liturgischen Texte, mögen sie nun
cyrillisch oder glagolitisch niedergeschrieben sein? Ist es ihm nicht bekannt,
dass sogar cyrillische und glagolitische Texte der Troja- und Alexandersage,
cyrillische und glagolitische Apokryphenerzählungen entweder noch wirklich
existiren oder als vorhanden gewesen anzunehmen sind ? Freilich weiss er
alles das, allein er verstand es nicht, die Thatsachen richtig zu verwerthen
und geschichtlich treu darzustellen. Zerstückelt unter »kroatisch« und »ser-
bisch« kommt in seinem Buche die wahre Bedeutung der kirchenslavischen
Literatur gewiss nicht voll zur Geltung, ja die merkwürdigsten BlUthen der-
250 E^tischer Anzeiger.
selben werden kaum unter der »serbiiMshen« Literatur gestreift nnd etwas da-
von wird in ungerechtfertigter Weise ausschliesslich für »Bosnien« in An-
spruch genommen.
Hat der Verfasser durch die Entsweireissung der Literatur in zwei ge-
trennt behandelte Theile wenigstens innerhalb jeder H&lfte eine grossere
Einheitlichkeit erzielt? Keineswegs. Man braucht nur sein Buch in die Hand
zu nehmen, um das zu verneinen. Er musste doch bei der »kroatischena
Literatur die territorialen Ausstrahlungen anerkennen, er konnte doch nicht
die slavonische oder bosnische Epoche in der dalmatinisch-ragusanischen,
oder die ki^kavische in irgend einer von diesen aufgehen lassen. Mit einem
Worte, eine »kroatische« einheitliche Literatur im modernen Sinne gab es
damals ebensowenig, wie eine »serbische«, ausser der kirchlichen. Wozu also
einseitige Annexionen im modernen Sinne der Vergangenheit aufdrängen und
die Brandfackel der modernen Zwist in vergangene Jahrhunderte hinein*
tragen, die ja genug an eigenen Bedrängnissen und Nöthen zu leiden hatten.
Was erreichte man damit, dass sich der Verfasser nicht begütigte, auf der
natürlichen Basis der sprachlichen Einheit stehen bleibend, den ganzen Gang
des geistigen Lebens dieser mehr vom Elend heimgesuchten als vom Gltlck
begünstigten Länder in geschichtlicher Entwickelung zu beleuchten? Zu-
nächst zerriss man durch die Zweitheilung den innigen Verkehr, den Jahr-
hunderte lang Bagusa mit den Hinterländern der Balkanhalbinsel pflegte, der
nicht bloss mercantiler, sondern auch culturell geistiger Natur war und in
der Literaturgeschichte schon wegen der zahllosen cyrillischen Urkunden,
die uns die ragusanischen Archive gerettet haben, zur Sprache kommen und
cbarakterisirt werden muss. Gewiss sind geschriebene Urkunden ebenso ein
Stück des geistigen Lebens wie die geschriebenen Gesetze, wie die geschicht-
lichen Aufzeichnungen, wie die Grcsangs- und Gebetbücher. Man muss also
den EigenthUmlichkeiten der Freistadt Ragusa dadurch gerecht zu werden
trachten, dass man ihren weiten Horizont nicht durch moderne Engherzigkeit
in zu engen Rahmen treibt. Wer das geistige Leben Ragusas vom XU. bis
XVIII. Jahrh. einseitig als »kroatisch« oder als »serbisch« hinzustellen sich
abmüht, versündigt sich an der Geschichte dieser klugen, weitsichtigen Stadt,
verkennt ihren Charakter und reisst sie von ihrer glänzenden HOhe herab.
Dann aber wird durch die Zweitheilung der Literatur die so merkwürdige
Mittelstellung Bosniens in falsche Lage versetzt, sie hört auf, den Tummel-
platz zweier cultureller Strömungen, der byzantinischen und der römischen,
abzugeben, die sich dort durch Jahrhunderte geltend machten und bekämpf-
ten, wobei bald der eine, bald der andere Einfluss die Oberhand gewann. Zur
Charakteristik Bosniens genügt es nicht, so, wie es hier geschah, mit den
Bogomilen anzufangen und dann gleich einen Salto mortale zu den Francis-
canem zu machen: danoiit ist der volle Inhalt der literaturgeschichtlichen
Themen betreffs dieses Theiles der serbokroatischen Gesammtheit nicht er-
schöpft. Und wie bewährt sich diese Zweitheilung im »aufgeklärten« XIX.
Jahrb.? Fördert sie die Erklärung der literaturgeschichtlichen Thatsachen,
mögen diese unter was immer für Namen auftauchen? Gewiss nicht. Selbst
der heute in allen Tonarten geführte Streit zwischen »serbisch» und »kroa-
y. Jagiö über kroat.-86rb. Literatargeschichte §annin'8. 251
tisch« bleibt nach dem Bach Sarmin^s onTerständlich. Wären das zwei so«
getrennt von einander und neben einander gehende Literataren, wie das in
seinem Bache zor Darstellang kommt, wie könnte man da so viel schreien i
und zanken? Noch viel bezeichnender scheint mir dieThatsache zu sein,
dass man viele literarische ErschelDungen der modernen Zeit (seit der Mitte
unseres Jahrhunderts) nur unter dem Gesichtspunkt der ans der Einheit
sich ergebenden gegenseitigen Beeinflussung überhaupt verstehen kann.
Das ist freilich ein Gapitel, über welches der Verfasser dieser Literatur-
geschichte wie über vieles Andere gründlich schweigt. Vielleicht fehlt auch
der gegenwärtigen Zeit die dazu nOthige Buhe und Unbefangenheit, um die
Frage zu behandeln, welche Befruchtung Agram von Belgrad und Belgrad
von Agram in der Sprache und Literatur empfangen. Aber mag man sich
heute noch in gegenseitiger Selbstüberhebung dagegen auflehnen, einmal
wird die Frage doch gestellt und beantwortet werden müssen.
Selbstverständlich lässt sich über dieses Thema noch viel sagen, ich
begnüge mich mit kurzen Andeutungen, um meinem Schmerz, meiner Ent-
täuschung Ausdruck zu geben. Mir schwebte, als ich als ganz junger Mann
die Skizze für Jihoslovan^ schrieb, und als ich den ersten Theil der Literatur-
geschichte herausgab, ein ganz anderes Bild vor, ich hätte mir damals aif ch
nicht träumen lassen, dass zu Ende des Jahrhunderts die Ideen, die uns dar-
mals heilig waren, von der nachkommenden Generation verworfen, verleugnet
werden. In diesem Sinne betrachte ich dieses Buch als einen beklagens-
werthen Bückschritt, mag ich mit dieser Auffassung auch vereinzelt da-
stehen. Persönlich will ich damit Niemandem nahe treten, am allerwenigsten
den Verfasser des Buches tadeln. Er ist unter solchen Eindrücken grossge-
wachsen, er handelte nach seiner Ueberzeugung, die ich nicht theilen kann.
F. Jag%6,
StaroccBkä Gesta Bomanornm. Die staro6esk^ch mkopisü
podÄYä Dr. Jan V. Noyäk (Altböhmische Qesta Bomanoram.
Nach altböhm. Handschriften veröffentlicht von Dr. Jan V. Nov&k
in »Sbirka pramentiy kn poznänl literämiho ^vota t Cechäch, na
Morayfi a y Slezskuff. Vyd&vä III trida ceskö akademie
Gruppe 1. Reihe 2. Nr. 2). V Praze 1895. 8o. XXIV + 259 S.
Kurz nach einander erschien die polnische Uebersetzung der Gesta Ro-
manorum als »Hystorye rzymskie« (Gesta Romanorum) vydal Dr. JanBystroÄ.
Krakow 1894. 80 (nach alten Drucken) und die vorliegende altbOhmische.
Von einer altböhm. Uebersetzung der Gesta Romanorum hatte man
früher vor dem Erscheinen dieser Ausgabe nur Proben, welche J. Jirecek in
der böhm. Zeitschrift ^Casopis oesk^ho museum« 1862, S. 369 — 380 nach einer
Hs. der Prager Universitätsbibliothek (XVII. F. 28) veröffentlicht hat Diese
enthält 111 Erzählungen. Im nächsten Jahrgange derselben Zeitschrift (1863)
S. 91 — 98 gab er Proben aus einer anderen Olmützer Hs. ähnlichen Inhaltes,,
doch stellt es sich heraus, dass unter den 35 Erzählungen dieser Hs. nur etwa^
252 Kritischer Anzeiger.
zwei inhaltlich mit den Gesta Romanoram Übereinstimmen, wShrend die an-
deren bloss in ihrem Geiste geschrieben sind. Diese Hs. kann demnach bei
der Frage nach der ursprünglichen Gestalt der altbOhm. Üebersetzung unseres
Textes nur von minderer Bedeutung sein. Von dem Herausgeber der altböhm.
Üebersetzung blieb sie auch ganz unberücksichtigt. Eine andere Hs., die sich
in der Prager Museumsbibliothek befindet (3. F. 25), gehOrt dagegen in diesen
Kreis. Wie die erste ist sie auch unvollständig, doch ergänzen sich beide Hss.
so, dass man sich selbe zu einem Ganzen vervollständigen konnte.
Dazu kam nun in neuerer Zeit eine dritte Hs., die Bi^eznitzer, welche
sich nun ebenfalls in der Prager Museumsbibliothek befindet (VIII. E. 1.].
Da dies eine vollständige Hs. ist und den Text besser als die anderen wieder-
gibt, so war ihre Herausgabe, seit dem sie bekannt wurde, dringend erwünscht.
Diese Aufgabe nahm nun Prof. J. V. Nov&k auf sich und bot uns eine Aus-
gabe, für die wir ihm dankbar sein müssen. Seiner Ausgabe hat er selbstver-
ständlich dieBfeznitzerHs. zu Grunde gelegt. An den Text dieser Hs. schliesst
sich enger an jener der Museumshandschrift , so dass die Varianten daraus
einfach nur unter dem Striche angebracht werden konnten. Der Text der in
der Universitätsbibliothek befindlichen Hs. weicht dagegen schon bedeutend
ab, der Herausgeber hat ihn daher selbständig im Anhang (S. 160—250} ver-
öffentlicht. Doch gehen alle diese Texte, wie er überzeugend nachweist, auf
eine einzige ursprüngliche altböhmische Üebersetzung zurück.
Was nun das Original, nach welchem übersetzt wurde , anbelangt, so
findet der Herausgeber, dass es gewiss vor allem ein lateinischer Text war.
Dafür sprechen einzelne Uebersetzungsfehler, die nicht selten in allen erhal-
tenen altböhm. Hss. wiederkehren, obzwar sie handgreifliche Unmöglichkeiten
enthalten. So lesen wir in allen drei Handschriften : k tomu (vzal) pikny konik
svuoj maly ; i jal ah jiti . . . pravü nohü na hiebet pekn^ho 8v6ho konika vlotil
. . . was dem lat. Text: »suemque pulcherrimam (sumpsit) pro equo; dextrum
crus suum super dorsum pulcherrimi suis posuit velut equitans« entsprechen
soll. Sei es dass die Hs. so ungenau war, sei es dass der Uebersetzer sein la-
teinisches Original nur flüchtig las, jedenfalls brachte er hier eine Leistung
zu Stande, auf die er nicht sonderlich stolz sein könnte, da er das Subst. sus,
suis mit dem Pron. suusy suo verwechselte, was ihn zu einer Ungeheuerlichkeit
in der Üebersetzung führen musste : er lässt einen Ritter zu seinem König so
kommen, dass der Bitter den einen Fuss auf dem Rücken seines Pferdes hat
und mit dem andern über den Boden einherschreitet! So lange man keine
lat. Hs. mit solchen Missverständnissen findet, muss man sie auf die Rechnung
des Uebersetzers setzen. Neben diesen Uebersetzungsfehlern und Missver-
ständnissen findet man selbst noch lateinische Worte in dem altböhm. Text.
So liest man in der Bfezniizer Hs. und in der Mumseumschr. das Wort hur-
genstSy in der Hs. der Universitätsbibliothek das Wort autemf man sieht also
ganz deutlich, dass ein lateinischer Text zu Grunde lag. Dem Herausgeber
war es jedoch nicht möglich unter den vielen lat. Hss. einen entsprechenden
Text zu finden. In der Prager Universitätsbibliothek gibt es zwar zwei lat
Hss., welche die Gesta Romanorum enthalten und die verwandt sind mit dem
böhm. Text, aber sie sind unvollständig und ausserdem fehlen ihnen in der
W. Yondr&k ttber altböhm. Gesta Bomanorum, herausg. von Noy&k. 253
erhaltenen Partie einzelne Stücke , die im böhm. Text vorkommen. Da sich
die altböhm. Hss. zn einem Ganzen von 112 Erzählungen ergänzen, so gehört
der altböhm.Text nach dieser Anzahl der Erzählungen und sonst auch seinem
Charakter nach zu der Gruppe, welche Ptaszycki (»GpeffueBtROBLifl sanaAHo-
eBponeäcRlH noBtcTH b'b pyccRox h oiaBXHCKHX'B zHTepaxypax'Ba in »Hcxop. 06o3-
piHie«, 1893, Bd. 6, S. 166 ff.) an zweiter Stelle als anglo-lateinische und mit-
teleuropäische anführt. Die Mehrzahl dieser Texte beginnt mit der Erzählung
»De milite qui ad peregrinandum profeotos est« und endet mit »De filia regis
et quinque militibns et cane«. Sonst findet der Herausgeber, dass der altbOhm.
Text hinsichtlich der Reihenfolge der Erzählungen und ihres Inhaltes am
meisten verwandt sei mit der deutschen Uebersetzung der Gesta, welche Ad.
Keller im J. 1841 herausgegeben hat (Bibliothek der gesammten deutschen
National-Literatur, 23. Bd.: Gesta Romanorum, das ist der Römer Tat). Nur
die Nummer CXI ist in der deutschen Bearbeitung ausführlicher. Auch die
Erzählung von den 7 Weisen findet sich hier vor, während sie in den lateini-
schen Sammlungen des Westens fehlt. Demnach war das lateinische Original,
welches in Böhmen tibersetzt wurde, sehr ähnlich jenem, welches der deutsche
üebersetzer benutzt hat. Während jedoch Ptaszycki meinte, der Urheber der
böhm. Uebersetzung hätte neben dem lat. Text auch noch die deutsche Ueber-
setzung gehabt (1. c. S. 180), ist H. Nov&k der Ansicht, man könne dies nicht
bestimmt behaupten , so lange der entsprechende lateinische Text nicht be-
kannt sei. Ich glaube, man kann nnn wohl mit Recht behaupten, dass die
deutsche Uebersetzung nicht benutzt wurde, denn sonst wären die früher er-
wähnten MisBverständnisse und Uebersetzungsfehler kaum vorhanden. Was
nun die anderen bis jetzt bekannten Angaben der Gesta Romanorum anbe-
langt, so findet H. Noväk, dass der von Wilh. Dick veröffentlichte Text (Die
Gesta Romanorum. Nach der Innsbrucker Handschrift vom J. 1342 und vier
MUnchener Handschriften herausg. in »Erlanger Beiträge zur engl. Philologie«,
YII. Heft, 1890) im grossen Ganzen ziemlich ähnlich sei, doch fehlen hier die
Moralisationen.
Da die Forschungen des Herausgebers nach dieser Richtung hin nicht
ein positives Resultat ergeben haben, so hat er in einer Tabelle wenigstens
die einzelnen Erzählungen zusammengestellt (auf S. XXII — XXIV) und damit
die Aufeinanderfolge in den Ausgaben des Keller, Oesterley, Dick nnd By-
stro£ (letztere Ausgabe enthält allerdings nur 39 Nummern) verglichen. Aus
dieser Tabelle ersieht man, dass die Aufeinanderfolge der einzelnen Erzäh-
lungen in den böhm. Hss. und in der Ausgabe des Keller dieselbe ist, bis auf
etwa 5 Fälle, in denen je zwei unmittelbar auf einander folgenden Erzäh-
lungen in der letzteren Ausgabe ihre Plätze vertauschen Von den Texten der
Ausgaben Oesterley und Dick kann der erste hinsichtlich der Aufeinander-
folge gar nicht verglichen werden. Dagegen schliesst sich die zweite mehr
an. Man kann sagen, es ist im Allgemeinen dieselbe Aufeinanderfolge, nur
erscheint die Reihe der altböhm. Erzählungen, jener des Dick gegenüber,
lückenhaft, namentlich gleich im Anfang. Die erste Nummer des Altböhm. n.
Keller'schen Textes erscheint bei Dick erst als Nr. 14. Zumeist ist es jedoch
immer nur eine Nummer, die im Altböhm. Texte ausgefallen ist. Da nun der
254 Kritischer Anzeiger.
Text des Dick die älteste bekannte Form aufweist , so beruht die altb5hm.
üebersetsung auf einem Original, das erst aus jenem geflossen war. Aus
dieser Tabelle ersieht man weiter, dass der poln. Text Bystro£s mit keinem
der hier erwähnten hinsichtlich der Aufeinanderfolge der Erzählungen über-
einstimmt.
Zum Schlüsse folgt noch in der Ausgabe ein Namens- und Sachregister
(S. 251—265), wie auch ein Yerzeichniss altbOhm. Wörter (S. 256—259). So
hat uns H. Novi^k eine Ausgabe geboten, die uns recht willkommen ist. Viel-
leicht hätte nur die sprachliche Seite des Denkmals mehr Beachtung finden
kennen. Der Herausgeber berücksichtigt zwar auch diese Seite (Tgl. S. XIII,
XVn — XYIII), doch scheinen mir die betreffenden Bemerkungen etwas mager
ausgefallen zu sein. Namentlich die Sprache der Hs. in der Universitäts-
bibliothek, in welcher der Herausgeber einen mährischen Dialekt sieht, bietet
vieles Interessantes , das noch hätte erwähnt werden können. Auch auf die
Frage, wann etwa die altböhm. Uebersetzung entstanden ist, ist der Heraus-
geber nicht näher eingegangen. W, Vondrdk. -
Komensk^ (Comenius), Jan-Arnos: Theatnim nniversitatis re-
rnm. Z rakopisu podäyaji (nach einer Handschrifl; herausgegeben
von) Jan Y. Nov&k a Adolf Patera. V Praze. Näkladem ceskä
akademie etc. 1897. 8«. XIV + 805 (als Nr. 2 der »Spisy Jana
Amosa Komenskäho«).
Mit einer Jugendschrifl; Eomensk^^s werden wir hier bekannt gemacht,
leider ist sie nur fragmentarisch erhalten. Unter dem Einflüsse seines Leh-
rers Altstedt in Herbom, der sich als Encyklopädist und Pansoph einen Ruf
erworben hatte, fasste Komensk^ frühzeitig den Plan, auch seine Landsleute
wenigstens theilweise mit der Welt und ihrem Lauf bekannt zu machen,
ihnen eine kurze Uebersicht der damaligen Kenntnisse, insbesondere aus dem
(Gebiete der Naturwissenschaften zu geben. In seinem Briefe an Peter van
den Berge (Montanus) vom 10. Dez. 1661 spricht er von diesem Werke und
nennt es »Amphitheatrum nniversitatis rerum«. Es hätte darnach 28 Bücher
enthalten und das zweite wäre zu Grunde gegangen. Ebenso wird es erwähnt
in einem Briefe an seinen Schwiegersohn Figulus vom 22. Hai 1666. Man
wusste sonst nichts welter von diesem Werke, bis der Nachlass Drabik's im
J. 1893 in Holleschau (Holesov in Mähren] bekannt geworden ist, in welcher
man das Fragment einer Schrift fand, von der mit Hecht behauptet werden
kann, sie sei das früher erwähnte Amphitheatrum. Der Titel stimmt zwar
nicht ganz, auch die Bücher- und Capitelzahl klappt nicht, aber die ganze
Anlage und der Inhalt des Werkes lassen uns nicht im Zweifel, dass es das
erwähnte Jugendwerk Komenskf's sei. Wie die Herausgeber vermnthen,
hatte Komensky die Hs., welche dann im Besitze Drabik's war, nicht mehr
bei der Hand, als er den oben erwähnten Brief schrieb. Dass es ein Jugend-
^ werk Komensky's ist, folgt nicht bloss aus der Art und Weise, wie er hier
W. Vondrik über KomenBky's Theatram nniy. rerom. 255
seinen Namen unterschrieben hat, sondern auch aus dem Standpunkte, den
er den Natnrwissensohaften gegenüber in der Hs. einnimmt. Nach dem Bei-
spiele Altstedt*s tritt bei ihm die persönliche Erforschung der Natur und die
eigene Erfahrung ganz in den Hintergrund. Die aus älteren Werken gesam-
melten Nachrichten bilden hier eigentlich die Hauptsache; daher finden wir
hier die mannichfachsten Märchen aus alten Büchern herUbergenommen neben
positiven Kenntnissen. Es ist bekannt, dass Komensk^ später seinen Stand-
punkt ganz geändert hat; er legt das Hauptgewicht auf die reale Erkenntniss
der Dinge und die Anschauung tritt bei ihm in den Vordergrund. Von dem
ganzen Werke, das nach der Vorrede 16 Bücher enthalten sollte, ist in dem
vorliegenden Bruchstück nur das erste erhalten mit einer lateinisch geschrie-
benen Vorrede. Möglich, dass es gelingt, noch den Rest der Hs. irgendwo aus-
findig zu machen.
Den Herausgebern, die sich im böhm. Schriftthum so klangvoller Namen
erfreuen, müssen wir wie auch der Akademie für diese so hübsche Ausgabe
.Dank wissen, neben einer recht instructiven Vorrede haben sie das Werk mit
•einem Namen- und Sachregister versehen. Auch ein Facsimile der letzten
Seite der Hs. wurde beigegeben; darauf befindet sich eine eigenhändige
Zeichnung Komenskf's, die Welt darstellend. In der Hs. finden sich sonst
such noch Eintragungen von seiner Hand herrührend. W. Vondrdk.
ArchangeFskij, A. S.: K% HCTopin H^Me^Ka^o h ^emcKano j[yipiAa-
piycoB% (Zur Geschichte des deutschen nnd böhmischen Lncidarins).
KaaaHB 1897. 8^ 106 S.
Die vorliegende Arbeit ist zumTheil eine ausführliche Kritik, zumTheil
eine wesentliche Ergänzung der Arbeit Schorbach's: Studien über das deut-
sche Volksbuch Lucidarius und seine Bearbeitungen in fremden Sprachen.
Strassbürg 1894 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte
der germanischen Völker. LXXIV). Der Verfasser polemisirt gegen einzelne
Ausführungen Schorbach's, dessen Schrift auf ihn keinen besonders günstigen
Eindruck gemacht hat. Nur ihr bibliographischer Theil verdiene alle Aner-
kennung, dagegen sei der literar-historische weniger gelungen [S. 14). Aller-
dings verweist Herr Schorbach häufig auf ausführlichere Studien, die er sich
für eine spätere Zeit vorbehalten hat. Insbesondere verspricht er uns eine
kritische Ausgabe des deutschen Lucidarius, die für das vergleichende Stu-
dium dieses Textes von grosser Bedeutung sein wird.
Zuerst beschäftigt sich Herr Archangel'skij an der Hand der Studien
Schorbach's mit dem Lucidarius in der deutschen Literatur (bis S. 47), dann
folgt der böhmische, und auf diese Partie wollen wir hier näher eingehen.
Der böhmische Lucidarius ist erhalten in einer Handschrift, und ausser dieser
haben wir 7 Drucke, die zum Theil aus einer späteren Zeit stammen. Was
den handschriftlichen anbelangt, so konnte Herr Archangel'skij über die all-
gemeine Bemerkung Schorbach's, »dass der cechische Lucidarius zur Sippe
256 Kritischer Anzeiger.
des dentschen Volksbuchs und nicht zum lateinischen Eluoidarium des Ho-
norius gehört«, nicht hinauskommen. Die Hb. befindet sich in der Fürsten-
berg'schen Bibliothek zu Piirglitz (KHvokUt in Böhmen), und trotzdem Herr
Archangerskij mehrere Versuche unternahm, ist es ihm doch nicht gelungen,
die Hs. zu Gesicht zu bekommen. Schorbach hat einzelne dürftige Notizen
daraus gemacht, doch war es für ihn schwer, einen besseren Einblick zu be-
kommen, da er der böhm. Sprache nicht mächtig war. Die beiden ältesten
Drucke des böhm, Lucidarius, vom J. 1498 und vor 1567, welche von Jung-
mann angeführt werden, sind jetzt nicht vorhanden. Ein Exemplar der ersten
Ausgabe befand sich in der Musealbibliothek zu Prag, Jungmann hatte es in
der Hand, von der zweiten erfuhr er aus einer Erlaubniss des Bischofs v. 01-
mütz, das Werk zu verkaufen, Herr Archangel'skij konnte daher erst den
böhm. Druck aus dem XVII. Jahrh. (Musealbibliothek 27. 2. 7) mit den deut-
schen Texten vergleichen, dann den Olmützer Druck v.J. 1779 und 1783, dann
jenen v. J. 1811 und schliesslich v. J. 1877. Er sieht eine Abhängigkeit, so
dass eine ursprüngliche deutsche Vorlage für alle böhmischen Bearbeitungen
angenommen werden muss (S. 50), doch constatirt er auch zahlreiche Abwei-
chungen (am meisten stimmt noch der Text v.J. 1783; vgl. auch Archiv XIX,
S. 556 ff.). Die böhmischen Texte haben auch einzelne Zusätze, die den deut-
schen fehlen, so den Zusatz vom Holze des Kreuzes, vom Adamsschädel; ins-
besondere ist es der Text v. J. 1779, der stark abweicht, theilweise auch der
aus dem XVII. Jahrh., der an den v. J. 1779 hie und da stark erinnert (S. 64).
Während es sonst in der früheren Partie dem Autor häufig gelungen war an-
zugeben, woher einzelne Zusätze der dentschen Ausgaben aufgenommen
worden sind, forschte er hier leider nicht weiter darnach, so dass diese Frage
noch offen bleibt. In der Ausgabe v. J. 1811 findet er einen Text, der ganz
abweicht. Zu bestimmten Resultaten konnte H. Archangerskij allerdings
nicht gelangen, da das Material, das ihm zur Verfügung stand, unzulänglich
war. Immerhin hat er einzelne Beiträge geliefert, die den späteren Forschern
auf dem Gebiete dieser Frage sehr zu statten kommen werden.
TT. Vondrdk.
Bektorskä lec M. :&ehore Prazsk^ho r. 1476. Pod&y& Dr. Jan
V. Nov&k (Die Bectorsrede des M. Gregor von Prag). V Praze.
Tiskem Ed. Gr6gra. 1897. 8^ 20 S. (Aus »VSstnlk kril. cesk^
spolecnosti näuk». THda fil.-hist.-jaz. 1897. Nr. XXIII.)
M. Gregor von Prag wird nach dem Zeugniss des Jan älechta in seinem
Briefe an M. Peter v. Pisek (Boh. Hasisteinii Farrago Poematum, ed. Th. Mitis,
Pragae 1570, p. 372) allgemein als der erste Humanist an der Prager Univer-
sität angesehen. Nun stimmt der Inhalt der hier veröffentlichten lateinischen
Bede Gregor's nicht mit der neuen Bichtnng. Gregor zieht hier heftig los
gegen Jene, welche die Magister verspotteten und behaupteten, dass die alt-
berühmte Universität Karl's eigentlich schon eingegangen wäre. Das waren
natürlich vor allem Leute, die einer neuen Bichtung huldigten, also die Hu-
W. Vondr&k über Z&tar6ck:^'8 Slovak. Sprichwörter. 257
manisten. Sonst ist der Inhalt ganz im Einklang mit der alten Bcholastischen
Bichtung: es wird hier der zweifache Weg des Lebens geschildert, der Weg
der Tagend and des Lasters, wobei Gregor die heil. Schrift näher steht, als
die dassischen Völker. Wenn man daher die Notiz des Jan Slechta richtig
denten will, moss man annehmen, dass Gregor von Prag erst gegen das Ende
seines Lebens (er starb im J. 1485) von der humanistischen Richtung auch
beeinflusst wurde, so dass eigentlich mit M. Vaclav v. Pisek die neue Eich-
tung an der Prager Universität zum Durchbruch kam.
Der Text der Bede ist an manchen Stellen unklar, der Herausgeber that
sein Möglichstes, um ihn unserem Verständniss näher zu bringen ; er versah
ihn daher mit zahlreichen Anmerkungen. W. Vondrdk,
Z&tnreck^, Adolf-Petr: Slovenskä pHslovi, porekadla a äsloyi
(SlovakiBche Sprichwörter, Redensarten und Idiotismen) . V Fraze.
8. A. (1897). 8». VI + 389 S. + (1 BL). (Auf Kosten der Böhm.
Akademie der Wissenschaften in Prag.)
Dass die böhm. Akademie von ihrem Wirkungskreis das Slovakische
nicht auBSchliesst oder vielleicht besser, dass auch die Slovaken mit ihren
literarischen Produkten bei der böhm. Akademie Zuflucht suchen und sie auch
finden, wie die vorliegende PublicatioD zeigt, das ist jedenfalls eine sehr er-
freuliche Thatsache, und es wäre nur zu wünschen, dass wir recht häufig G^
legenheit hätten, sie zu constatiren.
Man kann sich denken, dass die Slovaken, welche so schöne Produkte
in der Volkspoesie aufweisen , auch hinsichtlich der Sprichwörter nicht zu-
rückbleiben. In der vorliegenden Sammlung werden uns weit mehr als
13000 Sprichwörter geboten. Für den Herausgeber war es keine leichte Auf-
gabe, es bis dahin zu bringen und er erzählt uns in der Vorrede, mit welchen
Schwierigkeiten er zu kämpfen hatte. Es sei hier nur erwähnt, dass er es bis
zur 8. Abschrift, beziehungsweise Bearbeitung seiner Sammlung brachte,
bevor sie gedruckt wurde. Um eine möglichst grosse Vollständigkeit zu er-
reichen , benutzte er auch frühere Sammlungen , doch konnte er die des G.
Rybay nicht in die Hand bekommen. Selbe befindet sich im Pester National-
museum, er wandte sich dahin, bekam aber nicht einmal eine Antwort — was
in Culturländern sonst nicht vorzukommen pflegt.
Vor die schwierige Wahl gestellt , nach welchem System er die Sprich-
wörter ordnen sollte, entschied sich H. Zätureckf nicht für eine rein alpha-
betische Ordnung, sondern glaubte den Anweisungen Celakovskys folgen zu
müssen, die sich gegen eine solche Anordnung kehreu. Indem er also die
Sprichwörter nach dem Inhalte ordnete, erhielt er 21 Gruppen mit Unterab-
theilungen: die erste Gruppe enthält Sprichwörter, die sich auf Gott be-
ziehen, in der zweiten betreffen die Sprichwörter den Glauben und die
Sitten überhaupt u. s. w. Die Unterabtheilungen sind alphabetisch geord-
net Bei vielen Sprichwörtern sind Citate , die sich auf Parallelen aus Oela-
kovsk^'s Sammlung (mudroslovi), aus Adalberg's Sammlung polnischer Sprich-
ArehiT für ilaTisclie Philologie. ZXI. 17
258 Kritischer Anzeiger.
Wörter (über 2000) beziehen ; femer sind hier Parallelen ans dem Dentschen.
Magyarischen (gegen 400) und Lateinischen. Trotz mancher Yortheile, die
eine Anordnung der Sprichwörter, nach dem Inhalte gewährt, möchte ich doch
lieber eine Zusammenstellung einfach nach dem Alphabet vorziehen. Man
wird erst dazu kommen, sie nach bestimmten Gesichtspunkten zu ordnen.
Eine Eintheilung nach dem Inhalte, die streng logisch wäre, ist vor der Hand
gar nicht möglich und so wird man bei vielen Sprichwörtern nicht begreifen,
warum sie gerade in diese oder jene Gruppe eingereiht worden sind. Man wird
es noch angehen lassen, wenn z. B. das Sprichwort »malych zlodejov vesajü,
velkych puslajü (kleine Diebe hängt man, grosse lässt man laufen) nicht in der
Gruppe »Zlod^jstvi« (Dieberei), die auch hier vorkommt (X. B. 23, S. 182), son-
dern in der Gruppe »Nespravedlnöst« (Ungerechtigkeit) sich befindet, pagegen
wird man nicht recht damit einverstanden sein können, wenn das Sprichwort
»Koho PÄn Boh chce potrestat, potresce ho na rozume « (Wen Gott bestrafen
will, den bestraft er am Verstände), weder in die Gruppe »Büh« ((xott), noch
in die Gruppe »Bozum« (Verstand), wie der Herausgeber anführt, sondern in
die Gruppe »Fales« (Falschheit) eingereiht wurde. Man ersieht aus den Bei-
spielen, dass eine solche Eintheilung der Sprichwörter nach dem Inhalte sehr
stark von der persönlichen Auffassung abhängig und daher nicht einwandfrei
ist. Eine rein alphabetische Sammlung ist dagegen sowohl für den Sammler
als auch für jenen, der etwas nachschlagen will, bequemer. In der vorliegenden
Sammlung werden allerdings die Nachtheile, die aus einer solchen Eintheilung
entspringen, dadurch Null gemacht, dass hinten ein Index angebracht ist
(S. 296 — 383), der alle in den Sprichwörtern etwa in Betracht kommenden
Schlagworte enthält , so dass man an der Hand desselben jedes Sprichwort
im Buche finden kann. Eine solche Einrichtung versöhnt uns allerdings mit
einer sonst nach dem Inhalte durchgeführten Eintheilung. Aus diesem Index
ersieht man, wie z.B. das Wort »Zigeuner« häufig in den slovakischen Sprich-
wörtern vorkommt (S. 301), was offenbar als eine locale (ungarische) Färbung
anzusehen ist. Wie auch sonst , spielt ebenfalls hier der Teufel eine grosse
Rolle : er nimmt mehr als zwei Columnen ein (S. 302 — 304). Auch ein Ver-
zcichniss ausschliesslich slovakisch er Wörter und Formen, die in den Sprich-
wörtern vorkommen, wurde beigegeben (S. 287 — 295), doch ist hier leider
nicht alles aufgenommen worden , was hier stehen sollte. Es ist ferner nur
zu bedauern, dass nicht alle Sprichwörter in dem localen dialektischen Kleide
erscheinen, das ihnen eigentlich zukommt, ein Fehler, der sich freilich nur
in einigen Beiträgen findet, welche dem Herausgeber zugeschickt wurden.
In den meisten Fällen sind allerdings die dialektischen Eigenthttmlichkeiten
gewahrt. Natürlich handelt es sich hier nur um solche Sprichwörter, die nicht
allgemein slovakische sind, sondern sich nur auf einzelne Gebiete beschrtinken.
Dass die Sprichwörter in sprachlicher Hinsicht mitunter Archaismen und
andere interessante sprachliche Eigenthümlichkeiten aufweisen, ist bekannt.
Ich will es hier nur an einem Beispiel zeigen. Bekanntlich hatte das Particip
im Altslav. eine grössere verbale Kraft als es jetzt der Fall ist. Dasselbe
bemerken wir noch im Altböhm. So sind es z. B. einige Fragmente der alt-
böhm. Alexandreis, die durch den Überaus häufigen Gebrauch der Participien
Prof. Polivka ttber Federowskf s Weissrussland. 259
statt der beatimmten verbalen Formen auffallen. Nun haben wir jetzt noch
im Böhm, (anter den Blovakisehen kann ich es trotz Index nicht finden) das
Sprichwort (Redensart): chval hohajak moha. Das Particip molM hat hier also
noch dieselbe verbale Kraft wie im Altböhm. Sonst ist dieser Gebrauch des
Particips jetzt im Böhm, nicht mehr möglich.
Es wäre natürlich vergebliche Mühe , wollten wir als Proben einzelne
treffliche Sprichwörter, die etwa als echt slovakisch aufgefasst werden könn-
ten, aus einer so grossen Anzahl anführen, und so sei das Buch selbst einem
Jeden empfohlen, der sich von dieser Seite des geistigen Lebens der Slovaken
überzeugen will. W» Vondrdk.
Lud bialoruski naRusi litewskiej. Materyaly do etnograf ii
stowianskiej zgromadzone w latach 1877 — 1891 przez Michata
Federowskiego. Tom I. Wiara, wierzenia 1 przes^dy ladu z
okolic Wolkowyska, SJonima, Lidy i Sokölki, W Erakowie. Na-
ktadem Akademii Umiej^tnosci. 1897. XX S. + 509.
Der Verfasser beginnt mit dem uns vorliegenden Bande ein grosses, auf
mehrere Bände angelegtes Werk über die Ethnographie des westlichen Zwei-
ges des Weissrussischen Volkes. Dieser westliche Zweig nimmt ein, nach
seinen Angaben, die südliche Spitze des Gouv. Wilna, im Gouv. Grodno bis
zu den Flüssen Niemen und Biebrza gegen Westen, und bis an den Fluss Na-
rew, den Wald von Bielowieü, die Sümpfe und Wälder im Kreise Slonim
gegen Süden. Der Verfasser brachte eine lange Reihe von Jahren in den
verschiedenen Gegenden dieses Gebietes zu und trat als Oekonom in die
engsten Beziehungen zu den breitesten Schichten der Bevölkerung, eignete
sich dessen Sprache an, beobachtete und studirte eingehends dessen psychi-
sches und physisches Leben, notirte alles, auch die geringfügigste Sache,
wenn sie nur irgendwie zur vollständigeren Charakterisirung des Volkes hei-
mtragen konnte.- In dem I. Bande publicirt er nun die Materialien, die er im
Bez. Woikowysk, der ihm die grösste Ausbeute bot, im Bez. Sionim im süd-
östlichen Theil des Gouv. Grodno, dann im Süden des Bez. Lida im Gouv.
Wilna, und im Bez.Sokolka im nordwestlichen Theile des Gouv. Grodno auf-
zeichnete. Alles Material ist der Herausgeber bestrebt, treu phonetisch
wiederzugeben, freilich mit den Mitteln der polnischen Graphik, bezeichnet
auch durchwegs den Accent, ausgenommen die vorletzte Silbe, welche jeder
Pole gewohnt ist zu accentuiren. In der kurzen Einleitung wird flüchtig der
Dialect dieser Gegenden charakterisirt, hervorgehoben insbesondere der
»weissrussisch-polnische Uebergangs-Dialect« in den nordwestlichen Grenz-
gebieten des Gouv. Grodno. Aber noch weiter nach Osten, bis in den Bez.
Wolkowysk, ist aus dem Poln. der Nasalismus vorgedrungen, es wird nicht
nur der in Vocal und Consonant n zerfallene Nasal gesprochen, sondern es
wird auch der dem n vorangehende Vocal, auch wo ursprünglich kein Nasal
war, nasalirt gesprochen : mi^szy, kami^ezyk. Wir wollen hoffen, dass wir
von Herrn M. Federowski bald gründlicher werden über diese Dialecte be-
17*
260 Kritischer Anzeiger.
lehrt werden. Für die Frage nach den »UebergangB-Dialecten« scheinen diese
Dialecte überaus interessante Beispiele zu bieten.
Das gesammelte Material hat der Herausgeber systematisch geordnet,
und zwar zuerst in zwei grosse Theile : I. Glauben und Ansichten über die
Natur; II. Cultur. In diesem II. Theil wird eingehends dargestellt: 1] die
Religion des Volkes, seine religiösen Vorstellungen, seine Ethik ; 2) die Ge-
bräuche bei Taufe, Hochzeit, Begräbniss, Spiele u. s. w., wie auch Bechts-
gebräuche; 3) die Beschäftigung des Volkes, hierbei auch Volksmedicin, und
daran schliesst sich etnVerzeichniss der heilkräftigen Pflanzen. In der I. Ab-
theilung sind die verschiedenen Materialien, wie Sagen, Märchen, Legenden,
Sprichwörter, Aberglauben u. a. wieder in verschiedene Abtheilungen zu-
sammengestellt: A) Glauben: 1) Gott und die Heiligen; 2) Dämone, und zwar
Teufel, Geister, Gespenster, mythischis Wesen u. ä.; B. Natur: 1) Ansichten
und Vorstellungen von der überirdischen Welt; 2) von der irdischen, sicht-
baren Welt: a) Lufterscheinungen, Donner, Blitz, Thau, Regen etc.; b) Erde;
c) Steine; d) Pflanzen; e) Thiere; 3) der Mensch. In diesen verschiedenen
Abtheilungen finden wir eingereiht mannigfaltige Sagen und Märchen, die
uns aus anderen osteuropäischen wie auch westeuropäischen Sammlungen
wohlbekannt sind, vielfach zum internationalen Gemeingut gehören. Z. B.
S. 70 f., Nr. 208 : Ein waghalsiges Mädchen nimmt einem Todten sein Todten-
hemd, der Todte will es zurück, vgl. dTHorpa«. 06o3p. XXIX — XXX, 139 f.
Slovensk6 Pohl'ady 1896, S. 266. Revue des trad.pop.XI, 145. Söbillot, Gont.
pop. de la H. Bret. I, 303. Bartsch, SMMeklenburg I, 223 u. a. — S. 91 f.,
Nr. 280 lesen wir eine Version des weit verbreiteten Märchens vom Zauberer
und seinem Lehrling, welche Ref. in seiner Schrift über dieses Märchen im
XV. Bd. des G6. mhh. leider nicht mehr benützen konnte. — Allgemein ver-
breitet sind die Märchen, die unter den Titeln »jBohaterowie mityczni« und
»Potwory mityczne« S. 109 f. zusammengestellt sind. Es ist mindestens
zweifelhaft, was für einen mythischen Gehalt internationale Märchengestalten
wie Kaciharosseky Nieznqfkoy Raawaliharä, Saztoalmury, Ziamiialiezo u. s. W.
haben, und fraglich, wie weit diese von Volk zu Volk durch Generationen
übertragenen Märchen mit den mythischen Vorstellungen des Volkes selbst,
das sie erzählt, verbunden sind. Es ist daher fraglich, ob und in wie weit
derlei Sagen und Märchen zur Darstellung der Mythologie eines Volksstam-
mes zu gebrauchen sind.
Der Herausgeber hebt in seiner Vorrede den hohen Conservatismus
dieses westlichen Zweiges des weissrussischen Stammes hervor, er glaubt,
dass es auf dem ganzen weiten Slavengebiet heute kaum einen Winkel gibt,
wo sich das Volk in diesem Masse noch seine mythologischen, den Stempel
der Urzeiten tragenden, Vorstellungen erhalten hat Ref. hat nicht diesen
Eindruck empfangen, glaubt vielmehr, dass das von Romanov z. B. publicirte
Material viel ursprünglicher ist, viel mehr »mythologischen« Charakter hat.
Uebrigens bemerkt der Herausgeber selbst den Zusammenhang und die Ver-
wandtschaft des westweissrussischen Folklores mit dem Folklore des benach-
barten polnischen Stammes, er hat bei Wöjcicki, Kolberg, Gheichowski u. a.
nicht eine einzige Sage gefunden, die nicht in einer mehr oder weniger ahn-
Prof. Polivka über SumcoT's ethnogr.-literaturgesoh. Forschungen. 261
liehen Bearbeitung bekannt wäre, in zahlreichen Dörfern am Niemen, an der
äwiBloez und Szczara, in den yom Herausgeber durchforschten Gebieten des
Crouv. Grodno und im südwestlichen Winkel des Gouy. Wilna. O. P.
N. T. Samcov: a) GKasaHin o npoBajHBnmxcfl ropoAaxi. XapbKOB'B
1896. — b) K'B 6H6j[iorpa«in cTapHHHUX'i MajiopyccKHX'L pejmrios-
HKETB cKasanlH. XapBKOBi 1896. — c) JIz^Hue oäeperH oti crjiasa.
XapBKOB'B 1896. — d) JEnrepaTypHaÄ po^HH pascKasa rp. A. H. Toj-
CTarO V^ilTL JODAH SKEBBia. XapBKOBI 1896. — e) 0 BJliHHiH Majo-
pyccKOH. cxoiiacTH^ecKOH jinrepaTypu XYII b. Ha BejTHKopyccKyio
jnrrepaTypy XVIII b. h 06% oTpaxeHm b'b pacKOJBHHqecKOH jniTepsi-
Typi MaccoHCTBa. "Kievh 1896.
Unter a) (Abdruck aus dem G^ophhk-b zcTop.-«EJiojior. o6m. in Charkov
1895) sind einige kleinrussische, und auch kaukasische Sagen von unterge-
gangenen Ortschaften zusammengestellt, und werden mit anderen, besonders
französischen, Sagen auf Grund des in der Revue des Trad. pop. 1888 ff. mit-
getheilten Materials verglichen. — Unter b] (Abdruck aus derselben Zs.) wer-
den aus Galjatovsky's Schrift »He6o hoboo« und aus anderen Quellen ältere
legendarische Aufzeichnungen wie auch jüngere kleinrussische Sagen mitge-
theilt, so über Kirchen und Bilder, die selbst sich übertrugen auf einen an-
deren Ort, über übernatürlichen Schutz der Russen vor Tataren und Türken,
über Schändung von Heiligenbildern durch die Tartaren, wie Kerzen in der
Kirche von selbst entzündeten, über Bilder vom Evang. Lucas, Über weinende
Hadonnenbilder u. ä. — In dem Aufsatze c) über Schutzmittel gegen Bezau-
berungen lesen wir wenig neues Material ; die Schutzmittel sind in bestimmte
Gruppen zusammengestellt. Iv/ dem Absatz über das Hufeisen als häuslichen
Talisman finden wir das Wort Benffu ! (Wenden) neben Kelten und Germanen :
(S. 12) HCTO^HHRX ero RpocTCH BX pciiuriosHOüfB no^nraHlH kohoh KexBTaMH, rep-
MaHUaMH, BOHAaMH. JlUfi OXpaseHlA CBOEX'B CTaA'B OI'B MOpOBOH HSBBI BOHAU
BTBiKajsn rosoBU jiomaseH h sopoB'B na satfopazi BORpyri JcoHionieH'L u tjAbowl,
— Die unter d) untersuchte, vom Grafen Leo Tolstoj wiedererzählte Legende
von dem ungehorsamen, von Gott auf die Erde auf ein Jahr geschickten Engel
hat bereits M. Dragomanov im YII. Bd. des C6opHnR sa napoAHH yMOTBopeHEA
ausführlich untersucht Ausser den von beiden Gelehrten beigebrachten Va-
rianten sind noch zu erwähnen eine kleinrussische in der von Dr. Ivan Franko
herausgegebenen Zs. S^t< i GLiobo 1894, Heft 6, S. 350 f., aus Samogitien' in
den von M. Dowojna Sylwestrowicz gesammelten Podania zmujdzkie II,
S. 231 f ; theilweise gehurt hieher die slovakische bei Dobsinsk^, Slov. povesti
Heft 5, S. 88 f., theilweise die bulgarische aus §tip in Makedonien im CkiopH.
sa Hap. yiiOTBOp. X, Abth. 3, S. 145 f., wo Gott statt des Engels den Tod aus-
schickte, und die mit dieser bulg. ganz Übereinstimmende griech. Version aus
Lesbos bei Bernhardt Schmidt, Griechische Märchen, Sagen u. Lieder S. 132,
wo die Rolle des Engels oder Todes Gbaros vertritt. — Im Aufsatze e) (Ab-
262 KritiBcher Anzeiger.
«
druck aoB der Zb. KieBCsaH GiapHna) macht aoB Prof. Sumcov mit einer Hb.
derRaBkolniki bekannt, in welcher die Vorreden doB südraBBlBchen Predigers
Lazar Baranovic sich finden und die kommentirte ApocalypsiB ; in derBelben
wird ein Behr starker EinflusB der BÜdruBBischen, Kiewer Bcholastischen Lite-
ratur des XVII. Jahrh. nachgewiesen ; diese Schrift zeigt ausserdem noch
ziemlichen Einfluss der Freimaurerliteratur, sie polemisirt heftig gegen die
Freimaurer ; freimaurerische Lieder wurden vielfach in den Text aufgenom-
men, oftmals auch parodirt ; überhaupt interessirten sich die Raskolniki sehr
stark für die religiÖs-mystiBchen Werke der Freimaurer. O, P.
lipo«. H. 6. GyMi^OBi. PaauoKamA wh oÖJiacTH aHe^ffOTviecKOH jni-
TspaTypu. AHeKAOTu o rjryiiii^arB. Xapi>KOB% 1898. 200]S.
Im Anschluss an das Buch von W. A. Clouston »The book of noodles«
werden zahlreiche, besonders russische und polnische, theilweise auch sttd*
slavische Erzählungen, Anekdoten von SpiesBbürgera, einf<igen, dummen
Leuten zusammengestellt. Stellenweise versucht der Verfasser, die Frage
nach dem Ursprung, der Quelle einzelner, besonders kleinrussischer Versio-
nen zu lösen. Die slavische Märchenliteratur ist bisher überhaupt in sehr
geringem Masse durchforscht, es fand der Verfasser auch auf dem engeren
Gebiete, dessen Sichtung und Erforschung er diese seine »Untiarsuchungen«
widmete, nur einige wenige Vorarbeiten. GrOsstentheils musste er das Mate-
rial selbst zusammentragen, und hier ist auch seine Arbeit nach Verdienst
anzuerkennen. Die zahlreichen hierher gehörigen Erzählungen sind nach
einzelnen Motiven gruppirt, und wir könnten nicht sagen, durchwegs glück-
lich , so sind z. B. im § 39 zusammengestellt einige Erzählungen , wie der
Freier nach dem Mädchen mit den Augen wirft, und im § 43 überhaupt Er-
zählungen vom einfältigen Freier. Die in einzelnen §§ gruppirten Erzählun-
gen werden nicht gründlicher analysirt und nicht nach ihrer inneren Ver-
wandtschaft aneinandergereiht, sondern mehr äusserlich; es werden auch
mitunter Versionen angeführt, die eigentlich nicht an die Stelle gehören, wo
sie wiedergegeben werden, z.B. im § 40 von der Märchengruppe, die R. Köhler
»List und Leichtgläubigkeit« benannt hat (Orient und Occident U, 486 ff..
Kleinere Schriften zur Märchenforschung 230 ff.) wird angeführt das Märchen
aus AeaHacBeBi», Pyc. Hap. ck.3 II, 363 f., Nr. 224, welches eigentlich zu jener
Gruppe gehört, die der Verfasser im § 38 zusammengestellt hat unter dem
Titel »MisBlungene Erfüllung der Rathschläge«; ebendaselbst noch das Mär-
chen aus derselben Sammlung Nr. 225, welches wieder in die Gruppe gehört,
die der Verfasser im § 41 zusammengestellt hat von dem Dummen, der den
Ochsen einem Baume oder einer Statue verkauft. Das slaviBche Material ist
durchaus nicht erschöpft, und andere Gelehrte werden das von Prof. Sumcov
zusammengestellte Material stark zu vervollständigen und auch die einzelnen
Märchenstoffe und Motive eingehender zu analysiren haben. Vgl.^z. B. § 3 :
»Von Einfältigen, die den vermeintlichen Tod des in der Zukunft zu erwar-
tenden Kindes beweinen«, welches Motiv der Verfasser schon in seiner Be-
G. Polivka über Sumcov's Forsohnngen in der Auecdotenliteratur. 263
cension der ethnographiBchen Werke Romanov's (S. 68 f.) berührt hatte, hier
aber wie die weiBsrasB. Version bei Romanov [EijEopyc. Gtf.III, 483 f.), so auch
andere unerwShnt lieBB : IIIeBH'B, Maxep. ciBepo-san. Kpan Nr. 85, 86, HBaHimKlu,
fioioroA* S. 284, Nr. 39. Mater, antrop.-archeol. i etnogr. I, Abtb. 2, S. 52 ;
n, Abth.2, S. 87 f. ETHorpa*. B6ipHHK III, 131 f. Karlowicz, Podania na Lit-
wie Nr. 6. Kolberg, Lud Vin, 220 f. CiBzewslsi I, Nr. 225, 226. Chelchow-
ski II, 81 f. Dobsinsky, Slov. pov. YIII, 3 f. u. a. m. Vgl. weiter § 26: »Der
Leichnam« bei der Thür aufgestellt, von Andern wieder erschlagen, theuer
bezahlt u. s. f., wo nicht einmal alle Motive (der Leichnam auf dem Wagen
mit Aepfeln etc.) aufgezählt sind, und auf eine Zahl von Versionen bloss
bibliographisch verwiesen ist; § 27: Das Weib gibt dem Mann, der von Gott,
aus dem FaradicB kommt, Kleider und Geld für ihren Vater, seligen Mann
u. B. w. 8. Frey^s Gartengesellsohaft, hsgb. von Joh. Bolte S. 236 f. Hieran
war anzuknüpfen das erst in § 45 besprochene Motiv : das Weib gibt dem
»FürpaBB«, »le temps long« u. ä. Geschenke, den Schatz u. a., vgl. hierzu Et-
Horpa». 36ipHHK III, S. 131 f. N&rodopisny sbomik oeskoslov. III, 111. — Einige
Motive sind recht gründlich durchgearbeitet, andere flüchtiger behandelt,
oftmals hat er bloss auf ähnliche speciale Studien hingewiesen, und sich mit
einer kurzen Aufzählung ähnlicher Versionen begnügt. Vollständigkeit hat
der Verfasser nicht beansprucht — absolute Vollständigkeit ist kaum zu er-
reichen auch in den Sitzen unserer reichen westeuropäischen Bibliotheken,
geschweige denn in einer russischen Provinzstadt Und doch ist es ohne ver-
hältnissmässig vollständige Ausnützung alles zugänglichen Materials kaum
mOglich, auf diesem Gebiete zu irgendwie sicheren Resultaten zu gelangen.
(?. P.
£. A.rpHH?eHKo: 3THorpa«H^ecKi6 MaTepiajoj; cotfpaHHue b'b ?epHH-
roBCKOH H cociABH3?B CB HBH rytfepmflX'B. Bun. I. PascKasu, cKasKH,
npeAanla, nocjOBiopi, saraAKH h np. — ^epimroB^ 1895. S.IV+ 308.
Das in diesem Buche publicirte zahlreiche und grOsstentheils werthvolle
ethnographische Material wurde von verschiedenen Personen im Gouv. Cer-
nigov und den benachbarten Gouv. Voly^, Gharkov, Poltava und Jekaterino-
slav gesammelt. Leider hat der Herausgeber die gewiss zahlreichen dialek-
tischen Eigenthümlichkeiten fast durchgehends verwischt, der Accent ist auch
nicht bezeichnet, die Beiträge über Zauberei, Beschwörungen von Krank-
heiten etc. sind sogar in der (grosB)russischen Schriftsprache wiedergegeben.
Kurz für den Sprachforscher bietet das Buch kein Interesse. Für den For-
Bcher der Volksliteratur, der Sagen und Märchen, Sprichwörter und Räthsel,
des Aberglaubens und der Volksmedizin bringt dagegen diese neue klein-
russische Publication reichen und interessanten Stoff. Dieser ist in einzelne
Kapitel vertheilt auf eine Weise, die allerdings hie und da auf Widerspruch
stÖBSt. Einige Abtheilungen sind so schwach vertreten, besonders Sagen, dasB
sie hätten füglich wegfallen können, umsomehr, da der Herausgeber ja, nach
dem Titel zu urtheilen, beabsichtigt, noch anderes Material in einem zweiten
oder vielleicht noch mehr Heften zu publiciren.
264 Kritischer Anzeiger.
Im Folgenden wollen wir einzelne Märchen insbesondere hervorheben,
und auf ähnliche slavische, hie and da auch nichtslavische Varianten hin-
weisen. Der Herausgeber selbst führte in den Anmerkungen ähnliche Versio-
nen an, doch nur aus kleinrussischen Sammlungen, und das nur, soweit sie
ihm zugänglich waren.
I. Vorstellungen und Erzählungen von Naturerscheinungen und Erfin-
dungen. S. 1 — 10.
Nr. 1. Von den Sternlein. Unter den Sternen, die den Wagen bil-
den, ist ein kleines Sternlein, das Hündchen genannt; dieses nähert sich im-
mer mehr dem mittleren Stern, und wenn es bei ihm ankommt, wird das
jüngste Gericht eintreten.
Nr. 2. Von den Hundsköpfen. Bei diesen einäugigen Menschen-
fressern diente als Lakai ein RussCi bereitete ihnen Essen aus Schlangen-
fleisch, ass selbst davon, und wurde dadurch sehr weise, erfuhr auch den Weg
nach Hause und entfloh schliesslich. Auf der Flucht sah er sich auf die un-
aufhörlichen Zurufe der Hundsköpfe um, und vergass dadurch die Hälfte
dessen, was er wusste.
Nr. 3. Die Gelsen bitten Gott um Abhilfe, dass der Mensch sie nicht
■
zerquetscht, wenn sie ihn stechen.
Nr. 4. Ein Fragment aus dem Doctor Allwissend: Ein Bauer
sucht seine Ochsen. Eine Zauberin schlägt die Karten auf und schickt in den
Wald, wo eine rothe Säule steht. Wirklich waren dort die Ochsen in dem
Gesträuche festgebannt, und ein Gtolsenschwarm saugte aus ihnen Blut, bis
er blutroth war ; er erhob sich und bildete eine glühende Säule.
Nr. 6. Die Schlangen kriechen am Tage der * Kreuzes -Erhöhung
(26. Sept.) in ihre Höhlen.
Nr. 7, 8. Von Schlangen mit goldenen Hörnern und wie man
diese goldenen Homer erlangen kann; wer sie hat, bei dem hält sich viel Geld.
Nr. 12. Von der Fledermaus : vgl. Archiv XIX, 260 zu §ejn Nr. 201.
Nr. 13. Warum zanken sich Hund und Katze. Vgl. Archiv XIX, 260 zu
§ejn Nr. 194, 195.
Nr. 14. Mit der Kuh gehen die Leute sehr zart und fein um, am Oster-
feste küssen sie sie u. a.
Nr. 15. Der Schmied und der Teufel. Der Teufel lernt schmieden.
Nr. 16. Das Glas, etymologisches Märchen, creiuo : Fuhrleute machten
auf zwei Ellumpen Salpeter im Sande Feuer und' stellten einen Kessel darüber ;
über die Nacht floss es in eine Masse zusammen, cieiLio, daher benannten
sie so die neue Masse.
Nr. 17. Vom teuflischen Ursprung des Tabaks. Vgl.Sumcov, GoBpeMOH-
Haa Mimopyc. 3THorpa«iji S. 128 f. PoHaeoB's, E&Kopyc. C6. IV, S. 23, Nr. 19.
dxHorpa«. Göospi^Ble X, S. 58 f. Strohal, Hrvat nar. pripov. Nr. 53. CJöophhk'b
3a Hap. yMOTBop. VII, Abth. 3, S. 138.
II. Vorzeichen und Aberglauben. S. 11 — 23. Unter anderem wie bei
grosser Dürre Regen hervorzurufen, Hagel zu vertreiben, die Hand eines
todten Kindes schützt die Diebe, Gebräuche bei Todesfall u. a. ä.
Prof. Polivka über HriBoenko's Ethnogr. Material I. 265
•
in. Zauberei und Besprechungen (S. 24 — 37) gegen Krankheiten, gegen
Cholera, beim Gebären, bei der Pflege des Kindes n. a. ä.
IV. Erzählungen von ttbematttriichen Wesen (S. 38—47) : Nr. 73. Wer
den Teufeln seine Seele nicht verschreibt, wird nicht reich. Einem Müller
führen die Teufel eine ganze Fuhre Silber zu, Leute, die beim Abladen helfen,
bekommen als Lohn eine Handyoll Silberstttcke, bei näherer Besichtigung
bemerken sie, dass es Kohlen sind.
Nr. 75. Der Teufel bethOrt : soll sich die Seele holen, wenn alles Laub
abgefallen sein wird. Vgl. Revue des trad. pop. YU, 593.
Nr. 76. Ein Mann verschreibt dem Teufel seine Seele, wenn er ihn zum
besten Geiger der Welt macht Der Teufel bethört.
Nr. 77. Der Teufel geht Honig naschen, vom Bauer geprügelt
Nr. 78. Ein Mann, der nur Böses that, trug seinem Sohne vor seinem
Tode auf, durch einen Kummet zu schauen, was mit seinem Leichnam ge-
schehen wird. Teufel tragen die Leiche weg, und ein Teufel legt sich auf die
Bank statt des Leichnams. Der Teufel, mit siedendem Wasser begossen,
entflieht.
Nr. 79. Ein reicher Mann verschenkt auf Anrathen des Teufels vor dem
Tode sein Geld. Um Mittemacht kamen Teufel, und schüttelten das Geld
aus der Leiche heraus für den Kirchensänger, der die ganze Nacht bei der
Leiche betete. Eine gleiche Erzählung bei Athanasjev, übersetzt in der Re-
vue des Trad. popul I, S. 35.
Nr. 80. Dem Waldgotte hüteten drei Brüder einen Stier : der Hirt soll
bringen, was der Stier frisst und trinkt. Der jüngste, dumme, verfolgt den
Stier über einen Fluss, bis zu einer Kirche, wo der Stier, in einen Priester
verwandelt, Messe liest, »Semmeln« isst und Wein trinkt. Vgl. Dowojna Syl-
westrowlcz, Pod. imujdzkie I,262f Dobsinsky, Slov.pov. H.7, S. 3f. Ungar.
Revue V (1885), S. 640 f.
Nr. 82. Ein Mann von der verlassenen Geliebten in einen Wärwolf ver-
wandelt. Vgl. JliTomich HCiop.-«Hj[OJior. o6mecTBa HOBopocc. yhhb. III, S. 128 f.
y. Erzählungen von Todten (S. 48—56.
Nr. 85. Von Einem, der auszog, das Fürchten zu lernen. Uebemachtet
am Friedhof, erfährt von einem Vampyr, wie er von ihm getödtete junge
Eheleute wieder beleben kann. Vgl. EiHorpa«iqHnH 86ipHHK I, 2. Abhandlung,
S. 5 f., Nr. 2. TpcHjraHA'B, JTaTLimcidA CKasiui S. 139 f., Nr. 95, 96.
Nr. 86. Aehnlich wie Nr. 85. Der Sohn, aus der Fremde nach Hause ge-
kommen, findet seinen, den Nachrichten nach todten, Vater; er fährt mit ihm
auf eine Hochzeit. Der Vater ist ein Vampyr. Wie die jungen Eheleute zu
beleben sind, erfährt von ihm der Sohn auf der Rückfahrt, ebenso, wie der
Vampyr unschädlich gemacht werden kann.
VI. Aberglauben und Erzählungen von Hexen und Zauberern [S. 57 — 61).
Nr. 89. Hexen beschmieren sich mit einer Salbe und fliegen durch den
Schornstein hinaus; ein Mann macht es ihnen nach. Vgl. N. Th. Sumcov im
PyccKlH ^KÄ. BtcT. XXXI, S. 295 f. zu Puskin's FycapB, ausserdem Dowojna-
Sylwestrowicz II, S.94 f., 257 f. Strohal, Hrvat. nar. prip. Nr. 28. Zibrt, Jak se
V ÖechÄch tancovalo S. 223 f.
266 Kritischer Anzeiger.
VII. SchatzBagen S. 62.
VUI. (S.7d — 76). Nr. 91. Variante der OedipuBsage, beBonders nahe der
Version bei AparoMaHOB'B, Maxopyc npeA. S. 130 f. Vgl. Dragomanov : GsasflE-
cKHTi npinpaBKH ha D/oniOBaTa HciopnH im C6op. aa nap. yMomop. V, Abth. 1,
S. 286 f.
Nr. 92, 93, 209. Die Hexenmatter rächt sich am Jüngling, der ihre Toch-
ter verschmSht Er tödtet sie zufällig, mnsB daher drei Nächte in einer leeren
Hütte zubringen, in einem Zauberkreis eingeschlosBen rettet er sich kaum vor
den Hexen, erst nachdem Gott selbst eingriflf und den Hahnenschrei früher
ertönen liess. Vgl. Dragomanov, Maj[opyc. npeA. S. 71, Nr. 14 u. a.
Nr. 94. »Der Engel« wurde bereits von Prof. Sumcov herangezogen in
der Abhandlung JbrrepaTypHaA poxHii pascRasa rp. JL H. Tocraro »^^mx jnofM
XHBuc ; vgl. oben S. 262.
Nr. 95. »Der Heilige«. Vgl. Archiv XIX, 261 zu äejn Nr. 218, 219.
Nr. 96. Der Zigeuner darf lügen, denn mit einer Lüge beschützte er den
gekreuzigten Herrn, dass ihm nicht noch der Kopf angenagelt wurde. Vgl.
SECeto i Gjobo 1894, Bd. ü, S. 181, Nr. 6. Aehnlich darf nach einer baskischen
Legende der Zigeuner stehlen, weil einst eine Zigeunerin das Kindlein Jesu
vor Herodes verbarg. Revue des trad. popul. III, S. 650.
Nr. 97. Jesus führte aus der HOlle alle Menschen heraus, nur Salomon
liess er dort, denn der wird durch seine Klugheit selbst sich befreien. Als dann
Salomon zum Paradies kam, las er dort geschrieben: »die Menschen haben
zu leben 1000 Jahre«. »Wenig«, sagte Salomon, und schrieb noch seine 700
Jahre hinzu. So haben sie Gottes Jahre bereits verlebt, und leben jetzt nur
mehr Salomon^s Jahre, und auch diese gehen zur Neige.
IX. Erzählungen aus dem familiären und gesellschaftlichen Leben
(S. 77— 127) : Nr. 105. Ein Mann sucht ein Nachtlager: in der 1. Hütte fand er
den Tisch voll Schlangen, in der 2. schlief der Mann mit seinem Weibe, und
zwischen ihnen eine Schlange , in der 3. sprang vom schlafenden Mann ein
Frosch auf das schlafende Weib und zurück etc. Morgens kommt er sich zu
dem Herrn dieser Hütten beklagen, wieso er die ganze Nacht nicht schlafen
konnte. Dieser erklärt es ihm : in der 1. Hütte werden die Brosamen nicht
vom TiBche weggefegt, in der 2. hassen sich Mann und Weib, in der 3. lieben
und achten sie sich u. s. f.
Nr. 107. Warum gehen nicht gleich die Kinder nach der Geburt : Gott
erschien bei Eva, als ihr ein Sohn geboren wurde, und wollte, dass sie ihn
über das Thor werfe; sie fürchtete sich aber und gehorchte nicht Gott. Aehn-
lich, aber ausführlicher PoiiaHOBx, B^op. G6. IV, S. 178, Nr. 37. Bev. trad.
pop. II, 485.
Nr. 109. Ein Sohn missachtet seine Mutter ; als sie ihn zu Ostern be-
suchte, empfing er sie schlecht, ging in den Garten hinaus, in der Hoffnung
sie früher los zu werden; doch dort umschlang seinen Hals eine grosse
Schlange; sie verlässt ihn erst, als er büssend nach langjährigen Wallfahrten
starb. Vgl. ETHorpa«. 36ipHHR II, Abh. 1, S. 47 f., Nr. 23.
. Nr. 1 1 1 . Die bekannte Episode aus der apocryphen Erzählung von Moses,
aber hier fing das Kind den König bei seinem Schnurrbart, griff nicht nach
Prof. Poliyka über Hrinoenko's Ethnogr. Material I. 267
Pharao's Krone. Das Kind hat dann zn wählen zwischen Gold und einer an-
gezündeten Kerze, im Apocryph zwischen Edelsteinen nnd glühender Kohle.
Nr. 112. Variante zn Grimm, KHM. Nr. 14. »Die drei Spinnerinnen«. Vgl.
RadostOY I, S. 60 f. Schleicher, Lit. M. S. 12 f. TpeHJiaHX'L, JEaxLiincKiji ck. I,
Nr. 123, S. 240 f. Strohal I, Nr. 34. B. Schmidt, Griech. M. S. 65 f.
Nr. 120. Ein Herr wettet, dass sein Diener trea ist. Vgl. Gonzenbach
Nr. 8. Dobsinsky, Slov. pov. H. 8, S. 37 f. GöopsitE'B sa nap. yMOTsop. IX,
Abth. 3, S. 171 f.
Nr. 121. Von den drei Brüdern, die in die Welt zogen und russisch ler-
nen wollten. Vgl. Archiv XTX, S. 268 zu Nr. 4.
Nr. 125. Das untreue Weib entwendet dem Manne seine Wunderdinge.
Der Mann bekam sie als Belohnung für die treuen Dienste bei einer Schlange
— einem Mädchen. Von diesem bekam er ein Kraut, durch welches er sich
in ein beliebiges Thier verwandeln konnte, und so gelangte er wieder zu sei-
nen Wunderdingen.
Nr. 126. »Die unrechte Thata. Ein Bauer verkauft sein von einem
wüthenden Hund gebissenes Schwein. Die Leute, die es kauften, konnten es
ohne Schaden zu nehmen verzehren, doch als der Bauer davon genass, wurde
er ebenfalls wüthend.
Nr. 130. Das Glück {aojlsl) des reichen Bruders ist auf dem Lande, das
des armen Bruders in der Stadt, treibt Handel. Vgl. Wisla 1894, S. 521 f.
X. Traditionen von historischen Persönlichkeiten (S. 128—129).
Nr. 146. »AapiH la MaKUAOH'B«. Eine Episode aus der Alexander-Sage.
Darius gibt dem verkleideten König von Macedonien einen Sack Mohn : wie
vielKOrner darin, so gross ist sein Heer. Dieser zerdrückt den Mohn in seiner
Hand, ebenso wird er den Saft aus dem Heer ausdrücken. Vgl. Veselovskij,
HrB HCTOplH poiiaHa h noB^CTS I, 172 f.
XI. Local-Sagen (S. 130—143).
XII. »Phantastische Märchen«, Wortspiele und Witz (S. 144—250).
Nr. 154. »Der Bär, der Alte und der Fuchs«. Vgl. Archiv XIX, 258 zu
&ejn Nr. 128.
Nr. 155. »Der Specht, der Gevatter und der Fuchs«. Vgl. Archiv XIX,
249 zu heju Nr. 17. Die Geschichte ist besonders nahe der bei Karlowicz
Nr. 49 erzählten.
Nr. 156. »Der Grossvater und die Grossmutter«. Ein Häufungsmärchen.
Vgl. Archiv XIX, 249 zu Sejn Nr. 15, 16. C6o^jatsi» Max. ujieMeH'L KasRasa
XV, Abth. 2, S. 144 f.
Nr. 157, 158. Die untreue Mutter von einem Drachen überredet, stellt
ihrem Sohne nach dem Leben. In Nr. 157 entflieht der Sohn mit Hilfe seines
Pferdes und befreit drei königliche Prinzessinnen vom Drachen. In Nr. 158
befreit die Mutter, wie bei Manzura 37 f., Romanov S.66f., den Drachen von
seinen Fesseln. Sie wurde mit dem Kinde aus dem Hause vertrieben und die
Hände ihr abgthackt ; sie wuchsen ihr wieder an, nachdem sie auf das Ge-
heiss ihres Kindes die Handstumpfe im Brunnen benetzt hat
Nr. 159. Aus der Macht des Drachen ein Mädchen befreit. Der Held
hilft dem Drachen im Kampfe mit anderen drei Drachen, daher schont ihn
268 Kritischer Anzeiger.
dreimal der Drache, als er das Mädchen entführte nnd von ihm eingeholt
wurde. Der Bruder des Helden, der Wolf, bringt ihn wieder zum Leben mit
dem Lebenswasser, und lehrt ihn, dass er iiur auf einem Wunderpferde die
Schöne dem Drachen entführen kann.
Nr. 160. Ein reicher Kaufmann auf Beisen, von starkem Durst geplagt,
erbittet sich vom Herrscher dieses Landes Wasser; der gewährt es ihnen nur
unter der Bedingung, wenn er giebt, was er zu Hause hat Der Mann neigte
sich also hier nicht in die Quelle, wie bei Athanasjey Y, S. 132 f. Ghudjakov
I, Nr. 17, 18. DobroYoIjski, Smol. Sb. I, S. 99 f. Gli&ski I, S. 98 f. Karlowicz
Nr. 44. Dowojna Sylwestrowicz II, S.344f. G6opH. Max. Kasicas. XVI, Abth. 1,
S. 295 f. Der Sohn des Kaufmannes herangewachsen, geht zu diesem Herrn,
und der, ein böser Zauberer, legt ihm schwere Aufgaben auf, in einer Nacht
hat er den dortigen Fluss abzudämmen, das Flussbett zu ackern, besäen, und
den Weizen reifen zu lassen, Mehl mahlen und des Morgens seine Semmel zu
bringen u. ä. Das wird mit Hilfe der jüngsten Tochter des Zauberers voll-
bracht, beide entfliehenen nach verschiedenen Verwandlungen.
Nr. 161. Dem Vater sollen seine drei Söhne abwechselnd auf da« Grab
jede Weihnachten das Abendessen bringen. Gewöhnlich haben sie nur des
Vaters Grab durch drei Nächte zu bewachen. Vgl. Archiv f. slav. Phil. XVII,
578 zu Ciszewski Nr. 141, 142 Athanasjev II, Nr. 25; III, Nr. 5; V, Nr. 18.
Dobrovoljskij I, S. 590 f., Nr. 30, 31. Chudjakov II, Nr. 50. Weryho Podania
lot. S. 195 f. Podania bialorus. Nr. 23. TpeüjaHA'B, JEaxumcRiH es. Nr. 119, 120.
£THorpa*iiiHKH 36ipHHR I, S. 36 f., Nr. 10.
Nr. 162. Ein König verspricht Demjenigen seine Tochter und die Hälfte
seines Beiches, der zu seiner Tochter durchdringt und den Ring ihr weg-
nimmt. Der Held Hess eine solche Uhr bauen, die auch Musik spielt, und in
der er Platz hat zu sitzen ; doch darf der Meister sie nur dem König ver-
kaufen. Und so gelangte der Held zur Prinzessin, entwendete ihr den Ring,
verdarb das Spielwerk, und wurde mit der Uhr zu dem Meister in Reparatur
gebracht. Vgl.Gonzenbach Nr.10,23, II, S.209. Wolf, DHM.S.73f. U.Jahn
I, S. 169. Erdelyi-Stier S. 76. B. Schmidt, Griech. Märch. S. 103. Kolberg,
Lud VIII, 28 f. C6opH. Mai. KaBKas. XVIII, Abth. 3, S. 390 f.
Nr. 163. Der reiche Bruder stach dem armen die Augen aus für Brod,
schnitt ihm weiter die Ohren ab, dann auch Hände und Füsse, alles für Brod.
Von dem wunderthätigen l'hau erfuhr er, nachdem er sich in ein Fuchsloch
verkrochen hat. Vgl. Archiv XIX, S. 244 zu Väclavek Nr. 6. Dobrovoljskij
I, S. 644 f., Nr. 7. ExEorpa^i^BHU 36ipHER I, Artikel 2, Nr. 19.
Nr. 164. Der arme an dem Namensfeste seines reichen Bruders ver-
trieben, geht zu den Teufeln, erfährt von ihnen unbemerkt, wie der Damm
zu bauen ist, dass er nicht mehr zerrissen wird. Vom Müller dafür reich be-
schenkt. Es geht dann der reiche Bruder hin etc. wie in Nr. 163 u. ä.
Nr. 165. »Jean de l'Ours« und seine Genossen Dubrovyk und ein Mann
mit einem so langen Schnurrbarte, dass er damit Fische fing. Kampf mit dem
Zwerge mit dem ellenlangen Bart u. s. w. Die Version sehr kurz und ver-
derbt. Aehnlich ragt auch in der weissrussischen Version bei Dobrovoljskij
Prof. Polivka über Hrincenko's Ethnogr. Material I. 269
I, S. 436 der Held mit seinem langen Schnurrbarte hervor, der drehte ans ihm
eine Brücke; bei Erlenvejn S. 127 f. dämmte er den Teich ein.
Nr. 166. Der Held bekommt für seine treuen Dienste von seinem Herrn
ein weisses Pferd, welches das ganze feindliche Heer zusammentritt und un-
verwundbar ist Befreit eine alte Frau von Hexen, und zum Lohne hiefttr
wird er mit einem Zauberschwert beschenkt und ausserdem mit dem guten
Bathe, dem Weibe bis 7 Jahre und 7 Wochen nicht zu glauben. Der Held
befreit einen König, heirathet dessen Tochter, von dieser dem Feinde ver-
rathen.
Nr. 167 gehört zu dem Märchen vom tapferen Schneiderlein. Vgl. Atha-
nasjev H, S. 135 f. V, S. 48 f. Önbinskij U, S. 635 f. Dobrovoljskij S. 622 f.
Dobsinsky, Slov. pov. Heft 3, S. 9 f. Benes-Tfebizsky, N&rod. poh. a pov.
S. 34 f. Eres IV, S.30f., Nr. 2. ^apkarev, Exjurap. nap. npnK. Nr. 28, G6ophhkx
Hap. yMOTBop. IX, B. 368 f., Nr. 220, 221, 223. G6opH. Maiep. KaBRaa. XVI,
Abth. 2, S. 100 f. TKniOkii OrapHHa V, 454 f.
Nr. 168. Für seine Dienste bekommt der Diener je einen Heller, die bei-
den ersten Jahre sinken die Geldstücke im Flusse unter; er kehrt in den
Dienst zurück, da er nicht redlich gedient hat. Erst das dritte Jahr taucht es
ebenfalls unter, kommt aber mit den beiden ersten Geldstücken wieder her-
vor. Er befreit dafür eine Katze, einen Hund und eine Schlange von ihren
Peinigern. Die Schlange eine verwünschte Prinzessin. Vgl. G6opbhri MaTep.
jUfl onscaHlH MicTH. H iLseMeH'L KasKasa XV. Abth. 2, S. 179 f.
Nr. 170. Die Kaufmannstochter vom KSuberhauptmann gefreit. Vgl.
Archiv XIX, 257 zu §ejn Nr. 105. Göops. iiaTep. KaBRas. XV, Abth. 2, S. 165 f.
C6opHHR'B 3a Hap. yMOXBOp. XI, Abth. 3, S. 102. Sapkarev, GöopsHR'B IX, S. 532 f.
Nr. 171. Der Sohn zieht in die Welt, um noch dümmere Leute zu sehen.
Vgl. Archiv XIX, 255 zu §ejn Nr. 86. Cesk^ Lid V, S. 459. ü. a. auch die
Kuh auf das Dach gezogen, wie bei Athanasjev II, S. 16 u. a.
Nr. 172. Der Dumme geht Über das Eis, wo es geborsten, schmiert er es
mit Honig aus, wie z.B. bei Kolberg, Lud HI, 158 das Loch in der Brücke mit
einem Laib Brod ausgestopft wurde u. s. f. Vgl. Athanasjev V, S. 47 f. Chu-
djakov II, S. 114 f. Dobrovoljskij I, S. 493 f.
Nr. 173. Von zwei Brüdern, dem gescheidten und dem dummen. — Der
Ochs einem Baume verkauft: Cubinskij II, S. 495 f., Nr. 4. Athanasjev V,
S. 231. Erlenvejn S. 58 f. Kulda III, S. 56 f., Nr. 7. Haltrich, Deutsche V.-M.
S. 291. Vgl. Archiv XVII, S. 579 zu Ciszewski Nr. 151. Der Dumme geht um
ein Mass für den Schatz zum Popen, der will zusehen, wie sie den Schatz
messen, vom Dummen erschlagen, der Leichnam in den Brunnen geworfen,
ein Bock aus dem Brunnen herausgezogen. Vgl. ^BaHH^RiH S. 201, Nr. 34.
Dragomanov, Ma.sopyc. npeA. S. 332, GöopnHR'B sa nap. yifOTBOp. VIU, Abth. 3,
S. 184 f. A. Mouli6ras & Ren6 Basset, Le Fourberies de Si Djeh'a S. 18,
Nr. 21, 55.
Nr. 175. Meisterdieb. Vgl. Archiv XIX, 256 zu §ejn Nr. 95, 96. OSopu.
uaTop. KasRas. XV, Abth. 2, S. 103 f., 193 f. ^Kht« i Oiobo 1895, H. 6, S. 358 f.
^apkarev, GOophhrx IX, S. 411 f., Nr. 247.
Nr. 176, 177, 178, 179. Lügenmärchen. Vgl. Archiv XIX, 257 zu Sejn
270 Kritischer Anzeiger.
Nr. 114—119. G60PH. MaTep. KaBRaa. XII, Ablii.l, S.93. XV, Abth. 2, S. 47 f.,
49 f. DobrovolJBkij I, S. 467 f., 663 f. DoWojna Sylwestrowicz I, 259 f. Sap-
karev, Cöophek-b IX, S. 437 f., Nr. 255.
Nr. 180. Einer will reich werden, kauft gläserne Waaren zusammen,
Übernachtet in einer leeren Hütte, berechnet, wie er reich werden wird, die
Tochter des Garen heimführt, — stosst dann mit seinem Fnss in das Glas.
Ebenso ^Kirre i Gjobo 1895, H. 5, S. 179, Nr. 15. Vgl. Archiv XVI, 319 zu Sl&ma
Nr. 22.
Nach verschiedenen kleineren Anecdoten folgt eine grössere Anzahl von
Sprichwörtern (S. 231—247) und Bäthseln (S. 247—250).
In den Ergänzungen (S. 231 — 300), in welchen verschiedenes Material
abgedruckt wurde, welches während des Druckes einging, lesen wir neben
Beschwörungen des Fiebers (S. 256 f.), besonders ein einer bäuerlichen Hs.
entnommenes Arzneibuch (S. 257 — 279), weiter Liebeszauber (S. 280 f.), Be-
schwörungen der Bienen (S. 281) und Fische (S. 282).
Nr. 206. Wenn der Blitz einen Menschen erschlägt, so sagt man, dass
unter diesem Menschen ein Teufel sich verborgen hat ; glücklich ist so ein
Mensch, denn durch ihn hat Gott auch einen Teufel erschlagen.
Nr. 207, 208. Wie kann man eine Hexe erkennen.
Nr. 210. Vor seiner Hochzeit besucht der Bräutigam das Grab seines
Bruders und ladet ihn zur Hochzeit ; der Todte ladet ihn zu sich, erzählt von
dem Leben im Jenseits, die Zeit verschwindet rasch, eine Kerze verlöscht,
100 Jahre verflossen. Vgl. Kres IV, S. 349 f. Kolberg VIII, S. 101 f., Nr. 37, 38.
Dobsinsky H. 3, S. 38 f. Bartsch, Sagen und Märchen aus Meklenburg I,
S. 282 f. Q, PoHvka,
BojKOAHMHp FjaTiDK JüereH^H 3 XiTapLCKoro sÖipHHKa (I-oI noj[.
XVIII B.): SanHCKH HayKOBoro Tosap. Im. lüeB^eHKa. Bd. XVI (1897,
Nr. 2), S. 1—38.
In dem X. Bd. der Mittheilungen der äewcenko-Gesellschaft der Wissen-
schaften wurde bereits ein kurzer Bericht von einer interessanten Hs. aus der
1. Hälfte des XVIII. Jahrh. abgedruckt, die bei einem Bauern des Dorfes Chi-
tar im Bezirke Stryj gefunden wurde, und seit der I.Hälfte des XVIII. Jahrh.
in den Händen von Bewohnern dieser Gegend, grösstentheils in einerund
derselben Familie sich befand. Die Hs. ist ungemein interessant sowohl der
Sprache als auch dem Inhalte nach : sie lässt uns einen Einblick in die Lee-
türe des ruthen. Volkes, von der 1. Hälfte des XVIII. Jahrh. an, gewähren.
Die Hb. enthält nämlich den Alexanderroman, und zwar eine Bearbeitung sei-
ner serbischen Redaction, wie Dr. Ivan Franko sich daselbst (Miscell. S. 9)
aussprach, und eine Reihe von verschiedenen Legenden und Erzählungen.
Diese wurden nun von H. Volod. Hnatjuk herausgegeben. Die Publicirung
des Alexanderromanes wurde auf eine spätere Zeit vorbehalten.
Nr. 1, S. 4 f. »Die Geschichte von einem König, der in der Nacht mit
einem Diebe stehlen ging. Wäre er nicht stehlen gegangen, so wäre er eines
bösen Todes gestorben.« Der Hsg. druckt daneben eine neue kleinrussische
Pr f. Polivka üb. Hlatj uk's Ausg. eines klr. ethnogr. literaturgesch. Werkes. 271
Version dieses Märchens mit, die in derselben Gegend jüngst aufgezeichnet
wurde, woher auch die Hs. stammt. Vgl. Dowojna-Sylwestrowicz, Podania
Imujdzkie I, 416; II, 470. AoÖpobojlbckIh Gmoj. 06, l, S. 384 f., Nr. 26. ^y6HH-
ckIh TpyÄM n, S. 592 f., Nr. 77. Vgl. CoTOHeHlÄ A. A. KoTjUÄpeBCKaro II, S. 49 flf.
Nr. 4, S. 14 f. enthält eine Legende vom Kampfe eines Ritters mit dem
Tode, die jetzt noch für das Volk gedruckt wird; der Hsg. theilte hierzu
noch eine Variante mit, die bei den ungar. Buthenen aufgezeichnet wurde.
In der Hs. brüstet sich der Tod, d/iss alle, auch die grüssten Helden, ihm
folgen mussten, sogar Bova Eorolevic und auch der König »Bronstvik« ^ro-
TopuH 6BidrB ca-jiBOMB 3aHinoj['i> noA sezeHyio cxopoHy«. Es ist dies also ein Be-
weis dafür, dass der Roman von BruncYik auch bei den galizischen Ruthenen
bekannt war.
Nr. 5, S. 20 f. Jovinian. Vgl. Archiv XVU, 572 zu Giszewski Erako-
wiacy Nr. 48. C6opH. Maxep. KaBKas. XVIII, Abth.3, S. 194 f., N. 9 b. Pyff^eHRO
Hap. lOKHopyc. ck. II, Nr. 36.
Nr. 6, S. 27 f. Vom reuevollen Räuber David im Kloster.
Nr. 7, S. 29. Vom Räuber Flavianus, der als MOnch verkleidet in ein
Nonnenkloster sich einschlich, um in der Nacht seinen Genossen den Eingang
zu öffnen, im Kloster sich aber zum christlichen Glauben bekehrte und selbst
Mönch wurde.
Nr. 8, S. 31 f. Die bekannte Legende vom Einsiedler und dem Engel.
Zu der S. 36 angeführten Literatur sei noch hinzugefügt. Kulda Morav. när.
poh. a povisti III, S. 20 f. Kolberg Lud XIV, S. 166 f., Nr. 36, Ao6poBOjncRiu
Gmoi. GöopH. I, 308 f. G6opHHR'B sa nap. ynoTBopoEHH Bd. VI. Abth. 3, S. 117 f.
Zs. Ver. f. VK. 1895, S. 76 f. 0. Rohde, Die Erzählung vom Einsiedler und
dem EngeL Rostocker Dissertation 1894.
Nr. 9 ist eine nicht vollendete Legende vom Patriarchen Terentios von
Gonstantinopel, der auf Antreiben eines fanatischen Juden auf die Wahrheit
des Evangeliums und der Lehre Ghristi Gift nahm.
In der Sprache der Hs. kommt sehr oft der Dialekt zur Geltung; für 6
ist einigemal % geschrieben, d.i.t : b%rho 5, uor^h 5, oor%b'b 23, cor^ 25 neben
coROJiB 26, instr. pl. HtzroMa 23, u^qjiir'L 33, B^AOTny 15, niAenix 22; ebenso
für e: npHHT^'B 6, jAtl 5, CTep^rx 5, yi^R'L 7, micTB 16 u. a. Statt y ist e:
(SecB statt 6bicB 7, 10. Neben rpbu 22, RpBBaBoro 24, finden wir RHpBaBoro 22,
23, Ao RTbpBe {i SS h). Zwischen zwei Vocalen ist v ausgefallen: AHOBasHCA 28,
OTpoHTH 6, oTpoHTH 5 nebcu OTpoBHTH. Assimiürt hat sich dn: tohhuh 14, 20,
6iHHBiu 24. Vorgeschlagen ist t in hicbctiith 21. Neben BHxy 22 lesen wir
daselbst auch Biray, vielleicht statt BUA^y? Ausgefallen ist h in gen.sg. ^ep^A
30, gen.pl. qepmoB'B 15. Die Präpositionen H3- und c^ sind zusammengefallen:
H3 co6o]0 14, H8 CBOHMB 16, E3 To6oK> 34, HS HJia^eMB 17, H3 njta^OM 24, H3 aecape-
BOH) 22, 26, H3 noRJiOHaMH 25, hs MOJiHTBaMH 25, HSMeacE HacB und bmckh HinrB
26, HC naHCTBOMB 6, hg xoBapHinoMB 6, 3 pocRoinaMH 14, 3 Aymeio 25, 3 BaMH 27
neben Kasaro h3 BasfH Ty 6bith 28, 3 paAocTHH) 30, s hhmb 32, ns xphcthahh h 3
naTpHHpzoB) 37, c rocthh 14, c Toro CBtia 16, 3 bhcorocth 27, c Roxoporo . . hh-
BaJTB 32, ynaBi» H3 rohs 17, 3 Mocxy 33, ne sHHMaHMemB co6% H3 rojoBU manRBi
5, daneben auch co*. co xenaMH 37, 38, co 3hh6bkm xaohx 5, co sjcsich 10, co
.^
272 Kritischer Anzeiger.
hhiuhmh AHABOJftMH 11, Und 30 MHOio 15, 17, 32, auch H30 mhoh) 33, so Bcero 18,
30 pTa 11 u. a. Wie in den heutigen Dialekten finden wir in dieser Hb. auch
schon HA KOMy 23 ; nom.sg. Harne 3AopoBH 24, CBoe opyAH 14, oa^hh cbo« 21 u.a. ;
instr. sg. hs AynieB'B 22, 30 mhobx 6, c ioÖob'b 12 u. a.
Durch poln. Einfluss ist jedenfalls eingedrungen h scTeic 4, 14, 21 u. a.
neben ne ecx h Ayz'L 22, 1. pl. ecxecMo 31 ; 2.sg. ne acx tu ^ejioBiR'L aae tu «ob
22, npHDiOJiB eH 28, ocKBepnYBL «m 28, kojiko Aymi eicB j[H)ABCKHxi nory^HJi'L 29,
KOSH 6ML 6%Ay ^hhIbx 29, xenepB rojeh safL na noRyri 29. Beine Polonismen
sind öapso 14, 20 u. a., cjKOHine 16, 17, 20, RpojL 20, xjoh'b, 21, cpoAse 23, 24,
oy roMÖe 12^ no ho 9, ahÖoüi'l 11, ao AHÖjna 10, voc. AHÖJie 11, 21, bo ^Hcny 13,
^HCHOBUxx 13, pnxjEO 23; vielleicht ofchb 11, 34, oreH'B 11, poseöpaBniH 21,
3Ae6Ry 33, -chb statt -ctl: a^chb 21, 22, ropAocHB 25, BJiacHB 37. Nicht russisch
ist RerB 13, ygl. pol. kiedy, slovak. kej. Q. P.
IIoqHHi. G6opHHK% 06ii^ecTBa .ootfETejceS poccIhckoh cjiOBecHocTn na
1896 roA%. MocKsa 1896.
Dieser neue Band des von dem Moskauer Verein der Freunde der rus-
sischen Literatur herausgegebenen Jahrbuches bringt einige sehr interes-
sante Abhandlungen zur Geschichte der älteren wie auch zur gründlicheren
ErkenntnisB der modernen russischen Literatur. Aus den Universitäts-Vor-
trägen des verewigten Meisters der russ. Literaturgeschichte, des Akad. N. S.
Tichonravov, wird ein einleitender Vortrag in die Geschichte der Literatur
des XVL Jahrh. abgedruckt (S. 35—49), in welchem in grossen ZQgen die
Entwickelung der Literatur und des geistigen Lebens Russlands bis zum
XVL Jahrh. dargestellt ist. In einer Abhandlung über die Denkmäler der
altchristlichen Literatur in der russ. Literatur (S. 230 — 241) schildert M. N.
Speranskij insbesondere die Bedeutung der apokryphen Evangelien und
der an diese anknüpfenden Legenden. — A. N. Pypin gewährt uns in einem
Aufsatz »Homunculus, Eine Episode aus der Alchemie und aus der Geschichte
der russischen Literatur« (S. 51 — 63) einen tiefen Einblick in die literarische
Thätigkeit der russischen Freimaurer des XVIII. Jahrh. auf Grundlage einiger
Handschriften der kais. Petersburger Bibliothek. Ausserdem finden wir Bei-
träge zur Biographie Herzen's über seinen Aufenthalt in Vjatka (S. 87—131),
zur Biographie von B^linskij: P. !N. Miljukov druckt seine Briefe an die
Braut ab (S. 143--228); über das Verhältniss J. S. Tur^enev's zu den fran-
zösischen Literaten (S. 553 — 593), Essays über die Poesie der Dichterin Jul.
V. Jiadovskaja (S. 270— 283) und den Poeten Scerbina (S. 516— 533), —
Nicht geringes Interesse wecken neue Memoiren von Th.Buslajev (S. 1—34).
— Prof. Vs. Th. Miller bringt einen neuen Beitrag aus seinen Studien Über
das russ. Volksepos. Er untersucht in dem Aufsatz »EBunHa 0 Earui«
(S. 348^371) die von Bybnikov, Hilferding u. a. verzeichneten epischen Lie-
der von Batyj und dem Tataren-Einfall, und weist nach, dass ihnen ältere
Lieder zu Grunde liegen. Spuren alter historischer Lieder über die Ereignisse
der Jahre 1237—1240 erblickt der Verfasser besonders in der altruss. Er-
Prof. Polivka über einen literatargesch. Sammelband »Focin'L«. 273
zShlong von dem Angriffe des tatarischen Heeres auf Bjaza&. Deren Ver-
fasser erzShlt auf Grundlage von epischen Liedern, wie der tatarische Er-
oberer den fürstlichen Abgesandten tOdtete, wie sich dessen Fran mit ihrem
Sohne von ihrem Palast hinnnterstünte, und weiter von dem siegreichen An-
griffe eines tapferen Rjazaner Heerführers auf die Tataren. Prof. Miller gibt
übrigens nur die Existenz solcher Lieder zu, die einzelne Heldenthaten mss.
Krieger gegen die Tataren besangen. Das Gedicht über Batyj wurde etwas
später yerfasst, als schon die Erinnerungen an die Verheerungen der Tataren-
horden stark verblasst waren, und die Tataren ihre starke Machtstellung
schon sehr eingebüsst hatten, und zwar wurde es von professionalen Sängern
etwa im XVL— XVIL Jahrh.yerfa8st. — Aus den andern belletristischen Auf-
sätzen soll besonders das Essay von Grigorij Maotet »HBaEX« (S. 534 — 552)
hervorgehoben werden, diese (beschichte des Mul^ik vom Anfang dieses Jahr-
hunderts, von Puskin bis heute, erweckt starkes literatur- und kulturhistori-
sches Interesse.
Unsere Hoffnung, die der Band des üovhh'b für das Jahr 1895 erweckte
(8. Archiv XIX, 297), dass dieses Jahrbuch eine kritisch - bibliographische
Uebersicht der wichtigsten Erscheinungen der russischen Literatur bringen
wird, wurde leider nicht erfüllt. Statt ihrer finden wir nur kurze kritische
Bemerkungen von V. Golcev über die Werke V. äelgunov's und die kritbchen
Skizzen und Essays M. Protopopov's (S. 627—630). O. P.
£. /(. rpHH^eHKo : 3THorpa«H^eoKie MaTepiaJoi, cotfpaHHue vh Tlep-
HHTOBCKOH H coc^AHHX'B c% HÖH lyöepmAxi. BiJnycirL 2. PascKasu,
cKasKH, npeAamn, nocjiOBHiqii, sara^KH h np. ^epHHroB'B 1897. II -f-
390 S.
Der zweite Band der kleinmssiscben Volksttberlieferungen folgte dem
oben angezeigten I. Band bald nach. Er überragt ihn vielfach. Das mit-
getheilte ethnographische Material, welches in dieselben Rubriken gruppirt
ist, wie im I.Bd., ist ebenso reichaltig. In dessen Wiedergabe ist die sprach-
liche Seite viel treuer bewahrt und bietet daher auch dem Sprachforscher
nicht wenig Interessantes. Insbesondere für das Lexicon gibt es reichen
Stoff, das bekannte Wörterbuch von ^elechowski könnte aus diesem Bande
sehr stark vervollständigt werden, vgl. z. B. offjH>ffiKOM'L S. 153 fern von Men-
schen, 8CBiHu6oxuBCL [S.183) Gottcs Sohn anrufen? (SyÖHMJto (S.200) Trommel,
AHioBairbiTL (S.206) eine weitere Bildung von mnosaTH? 8aBiffRyBaTu& ^ojicbIki
(S. 171), nlAqHBX (S. 171) saufite, no^axa sarepoByBam Hory saroioBy (S. 167),
Bona HiiiH (so. Hory) cyBepAejuiTL y ropy (S. 167), vh Horon xeio MOMcaJiacL bohs
(S.167), voro MSTU T9Xh lozTopuTL (S. 166) von iDza Schimpfwort, Bösewicht,
Schuft? (vgl. bei Jagid Geheimsprachen S. 59 f.) neÖeanpeMHHHo (S. 292, 350)
BB grruss. HonpeMiHHo, u. v. a. Nicht wenig interessante Ausbeute liefert das
Buch für die Lautlehre, secundäres polnoglasie BoaometfHUR'b (S. 110); tsitb
MH8B spu H nevepy co6a saxniOB'B (S. 160) statt uix (uexxy), Ogonowski Stu-
dien (S. 75, 186) erwähnt es bereits ohne nähere Belege ; häufig n zwischen
AreliiT fftr slaTiiche Philologi«. XXI. 18
274 Ejritischer Anzeiger.
m und ja : mhxco (S. 181), BpevHfl (S. 328), kmha (S. 345) a. a. EegelmäaBig ist
statt •: XB oder z : zBauiiTOB'L (S. 120) Phaeton, ZBOKycHUR'L (S. 203), KaHZBe-
xaMU (S. 214) St. ROH«eT-, zbemuIh (S. 254), zBepmaji'B (S. 222) st «epmarB
Feldsoheer, ZBopMa (S. 352), zBypMaHi neben zypMaa (S. 195), zpyHTL 296
Fronte, zpaarB (S. 351), grmss. «pann, uszpeuTyp'L (S. 62) Gefreiter. Das
Wort npBiKapmbiK'B st. npHRaD^HK'B hat den Laut r etwa infolge einer Volks-
etymologie aufgenommen, es wurde verbunden mit icapaTH strafen, züchtigen.
Der Einflnss des Polnischen ist ziemlich unbedeutend : mhubo (S. 198), 8Jor&
(S. 330), besonders wo das Verhäitniss zwischen Herrn und Diener geschil-
dert wird : npome nasa neben npomy nasa (S. 195). Mächtiger zeigt sich der
Einfluss des Grossrussischen, besonders in den Erzählungen, die aus dem
Munde von Soldaten aufgezeichnet wurden, z.B. A&HOT^a, siuLOBoe ctao
(S. 209), naMpiom'L-nauABom'B (S.218), aABOxa (S. 345), zapamo (S. 346, 350), Ma-
JUxeAL (S. 348, 351), raB'BBAUBa (S. 350) u. a. m.
Sehr erwünscht sind die reichhaltigen bibliographischen Verzeichnisse,
die einzelnen Abtheilungen, Vorzeichen und Aberglauben, Zauberei und Be-
sprechungen, Erzählungen von Todten, Aberglauben und Erzählungen von
Hexen, Zauberern, WärwOlfen u. a. angefügt sind. Es sind da alle einschlä-
gigen, auch fremdsprachigen, polnisch, deutsch (von Eaindl) oder böhmisch
(von ^hoi^) .geschriebenen Aufsätze über das kleinrussische Folklore aufge-
zählt. Ziemlich reichhaltig sind auch die bibliographischen Bemerkungen zu
einzelnen Märehen; es wird freilich nur auf ähnliche kleinrussiBche Varianten
hingewiesen. Das Werk schliesst ein genaues Register zum I. und II. Bande
(S. 356—390) ab, in welchem kurz der Inhalt der einzelnen Märchen, Sagen
u. a. angegeben ist.
Im Folgenden sollen die wichtigeren und interessanteren Traditionen
näher besprochen und auf ähnliche, meistens slavische Versionen hingewiesen
werden.
I. Vorstellungen und Erzählungen von Naturerscheinungen und Erfin-
dungen (S. 1—16).
Nr. 1. In alter Zeit war es so heiss, dass man Eier im Sande braten
konnte.
Nr. 2. Der Meteor wird als ein feuriger Drache vorgestellt, der sich auf
die Frauen wirft und ihnen Milch aus der Brust saugt. Vgl. Slovensk^ Po-
hl'ady 1896, S. 252.
Nr. 4. »Die Oynocephalen«: Sie haben auf der rechten Seite ein Auge,
auf der linken ein Hörn. Ein reicher Bauer ging das Unheil suchen : Polyphem.
Vgl. Archiv XIX, 254, 264. Archiv f. Religionswissenschaft I, 330.
Nr. 5. Der Specht, der Fuchs und der Bauer. Vgl. Archiv XXI, 267 zu
rpHE^OBKO I, Nr. 155.
Nr. 13. Die Ringelnatter saugt eine Kuh, die gibt dann viele und gute
Milch.
Nr. 15. Vom Ursprung der Flöhe. Von Gott gesandt einem alten Weib,
auf dessen Bitte um Vertreiben der Langeweile.
Nr. 16. Die Fliege und der Floh. Vgl. Archiv XVII, 583 zu Giszewski
Nr. 276.
Prof. Polivka über Hrinoenko's Ethnogr. Material II. 275
Nr. 17. Vom ünprung des Tabaks. Ans dem Blate eines Teufels, den
ein MOnch in eine Eiche verwünschte und einzwängte. Vgl. Arohiv XXI, 264
zn rpntqeHKo I, Nr. 17. Vgl. anch eine in Snchomlinov's HcropiA pocc aKaxe-
Mix n, 333 erwähnte, vom Akad. Ozereckovskij im XVIII. Jahrh. bei den
Baskolniki mitgetheilte Sage vom Ursprung des Tabaks aus einem unzüchti-
gen Weib.
Nr. 18. Gott schuf für die Menschen Hafer, Haide, Korn und Weizen.
Der Teufel bittet Gott, ihm doch den Hafer zu lassen, dass er wovon zu leben
hat S. Peter schreckt aber absichtlich den Teufel, so dass dieser vergisst,
dass er Hafer (oves) von Gott bekommen hat, und Peter sagt ihm, er habe
fortwährend Distel (osot) gerufen. Seit der Zeit gehört dem Teufel die Distel
und er säet sie in das Getreide des Bauern.
IL Vorzeichen und Aberglauben (S. 17 — 30) Auch Prognostioa.
ni. Zauberei und Besprechungen (S. 31 — 54).
IV. Erzählungen von übernatürlichen Wesen (S. 55 — ^91).
Nr. 58. Der Teufel bethört in der Gestalt eines Lammes einen Mann.
Nr. 59. Reiche Leute bethört sehr gern der Teufel im Walde.
Nr. 60. Der Teufel ladet einen von einer Hochzeit zurückkehrenden
Musikanten zu sich. Vgl. Archiv XIX, 253 zu nioHH'B Nr. 52, SrHorpa*. OSoep.
XXVm, S. 103 f.
Nr. 61. Aehnlich wie Nr. 60. Der Musikant bemerkt, wie seine Tänzer
ihre Augen mit etwas aus einem Gefässe beschmieren, er thut dasselbe, und
erkennt, dass er Teufeln aufspielt, verflucht sie. Die Teufel reissen ihm das
linke Auge aus. Vgl. drHorpa*. Oöosp. XXVIII, 8. 101 f. Dowojna Sylwestro-
wicz n, 14 f.
Nr. 62. Der Teufel verkauft seine Gtoige. Bei den Teufeln lernen die
Leute auf der Geige spielen und tanzen.
Nr. 63. Ein Mann flieht vor einem bösen Weib, würde seine Seele dem
Teufel geben, wenn dieser ihm mit einer Fischreuse aus dem Bache Wasser
geben könnte. Der Teufel flieht, die Fischreuse sei böser, als jenes Weib.
Nr. 65. Ein Fischer fing mit der Beuse einen Teufel. Der Teufel ver-
spricht ihm viel G(eld, er soll nur auf einen gewissen Ort mit seinem besten
Freund kommen. Der Fischer geht hin mit seinem Weibe. (Der Teufel zeigt
ihm, dass das Weib der grösste Feind des Mannes ist, und der beste Freund
der Hund. Vgl. drHorpa*. 0<k»p. XXVIII, S. 117 f. AotfpOBOJiBCKiH Gmob. G6. I.
642 f.
Nr. 66. Der Teufel in Gestalt einer Ziege vom Wolfe angefallen, von
einem Manne gerettet, der Wolf erschlagen. Die Ziege verspricht sich ihm
zu entlohnen in der Türkei. Es bricht Krieg aus , der Mann muss in die
Türkei, kommt in das Sohloss — des Teufels; dort erfährt er, dass sein Weib
wieder heirathen will, und wird vom Teufel zu rechter Zeit zurückgebracht,
um die Trauung zu verhindern.
Nr. 68. Der Teufel muss einem armen Bauer dienen wegen seiner bösen
Thaten, wie sonst dem Bauer, den er bestohlen hat. Vgl. Archiv XIX, 243 zu
Kulda IV, Nr. 1 3. Mittheilg. litau. litter. Ges. n, 347 f.
18*
276 ELritischer Anzeiger.
Nr. 69. Aehnlich, nur dass statt des Teufels ein Wolf das Stück Brod
auffrass. Vom heil. Qeorg, dem Hirten des Wildes, wird der Wolf verurtheilt,
dem armen Bauer drei Jahre zu dienen. S.Georg ist besonders Hirt der
Wölfe. Vgl dTHorpa*. 06o8p. XXVIII, S. 96. Der Knecht verdient nun sei-
nem Herrn viel Geld, indem er alte Leute in junge umschmiedet. Nachdem
der Knecht seine drei Jahre abgedient hat, will es ihm sein Herr nachmachen.
Vgl. Archiv XIX, 254 zunXeuHx Nr. 65. Öesky Lid y.286. Hht« i Gjiobo 1894,
S. 182 f.
Nr. 70. Zu einem Bauern fliegt in der Nacht in den Schornstein ein weisser
Hahn — der Teufel, der Bauer will ihn fangen, der weisse Hahn aber ent-
flieht, reisst auch das Dach mit, zugleich verschwanden seine Hähne. Er geht
sie suchen in die Welt, kommt zu einer Hexe, bemerkt, wie die Hexen sich
mit einer Salbe beschmieren und durch den Bauchfang wegfliegen. Er macht
es ihnen nach. Vgl. Archiv XXI, 265 zu rpsH^eHRO I, Nr. 8. Auf dem Rück-
wege nach Hause trifft er drei Teufel, die um ihr väterliches Erbtheil streiten,
Siebenmeilenstiefel, Tarrenkappe und Geldsäckchen.
Nr. 71. »Die dummen Teufel und der gescheidte Knecht«. Der Knecht
flicht Seile, um Teufel zu fangen, der Teufel verspricht ihm alles mögliche,
wenn er hievon absteht. Vgl. meHH'L II, Nr. 55, 56. ETHorpa«. 36ipHER I, Ab-
handl. 2, str. 64 f. Mittheilg. litau. litter. Ges. U, 345 f. Hierauf Wettkampf
zwischen Teufel und Knecht (der Knecht trägt zwischen den Füssen das
Pferd um den See herum ; sein alter Vater, der Bär, überwindet den Teufel
im Ringkampf u. a. m.). Vom Teufel bekommt der Knecht nicht nur Schätze,
sondern auch ein Zauberpfeifchen, mit dem spielt er auf der Weide seinen
Schafen vor, sein Herr kommt nachsehen: »der Jud im Dom«. Vgl. Archiv
XVII, 577 zu Ciszewski Nr. 120; Polaczek W\e^ Rudawa S.88. Sprawozdanie
Komis. JQzyk. V, S. 96. Dowojna Sylwestrowicz 1, 160, XjjuiKovh I, S. 110 f.
nieiiH'L II, S. 64, Dobsinsk^ Slov. pov. III, 47. AG. Nar. pripov. v Soskih
planinah 11, 49; Strohal Hrvat. nar. pripov. S. 93, 100, 105. Kres V, S. 90,
401 . G6opHHKX sa Hap. yMOTBop. III, Abth. 3, S. 242 ; VIII, Abth. 3, S. 187 ; IX,
Abth. 3. S. 186. nianRapeB'B E'urap. npHK. S. 106.
Nr. 72. Der Arme trägt seinem reichen Bruder Suppe. Der schickt ihn
weg, er soll sie der Teufelsmntter tragen. Der Arme geht wirklich hin, ein
Greis weist ihm den Weg, und wählt sich nach dessen Rath statt allen
Schätzen, die ihm zur Belohnung angeboten werden, einen Widder. Den
bringt er nach Hause, in der Frühe findet er grosse Schätze neben seiner
Ruhestätte. Der Reiche geht auch dorthin, nimmt sich einen Sack voll Gold
mit, schleppt ihn kaum nach Hause, an der Schwelle seines Hauses stürzt er
todt nieder.
Nr. 73. »Wie das Weib den Teufel überlistete.« Der Teufel hilft ackern,
bekommt einmal den oberen, ein anderes Mal den unteren Theil. Vgl. Kaarle
Krohn, Bär (Wolf) und Fuchs S. 103 f. PouaHOBi III, 26 f. HleuH'E U, S. 31 f.,
Nr. 18. /(o6poBOincKix I, 638 f. SEsBafl GrapHaa V, 84 f. Dowojna Sylwestro-
wicz I, 211. Slovensk^ Pohl'ady 1895, S. 329 f. Göophhr'b sa Hap. yiioTBop. n,
Abth. 3, S.186 ; III, Abth. 3, S.201 f. — Der Teufel kämpft mit dem Weib im
Stall, dann im Hofe, immer geprügelt, einmal mit dem Ifangelholz, dann mit
Prof. Polivka über Hrincenko's Ethnogr. Material II. 277
der Heugabel. Im Walde hilft dann der Teufel dem Bauer, wird tod ihm
lum Essen geladen, als dann der Vater den hungrigen Kindern ärgerlich zu-
ruft: »den Teufel werdet ihr fressen«, läuft er erschreckt davon.
Nr. 74. Der Hausgeist (aohoblik'b) jagt die Insassen von der Stelle weg,
wo es ihnen sohlecht ergeht.
Nr. 75. Der Tod macht zum Arzt den Knaben, der mit ihm sein Mittags-
mahl theilte. Sie beide machten Freundschaft und leben zusammen in einer
Hütte. Wenn der Tod mit der rothen Farbe winkt, wird der Kranke am Leben
bleiben ; wenn aber mit der schwarzen, stirbt er.
V. Erzählungen von Todten (S. 92—107).
Nr. 76. Der Todte plagt sich, weil die Mutter ihn zu sehr beweint, er
musB alle ihre Thränen mit sich herumschleppen. Vgl. dTHorpa«. Oöosp. XXIX —
XXX, S. 136; Slovenskö PohPady 1895, S. 490. Strohal Hrvat. nar. pripov.
Nr. 40. Bevue trad. popul. VI, 47.
Nr. 77. Die Verstorbenen kommen in der Nacht in der Kirche zusammen.
Eine Mutter geht nachsehen, ob es wahr ist, dass auch ihre verstorbenen drei
Töchter dort herumgehen. Vgl.HyOHHCRiH U, S.416f.; Eyjsm'L 3an. o ioskhoh
Pycz II, 43. Bartsch SMMeklenburg I, 222, 363. Bevue trad. pop. I, 86 f. Zs.
Ver. Volkskunde VI, 441 f.
Nr. 78. Ein Tischler, der seine bestellte Arbeit bei Lebzeiten nicht voll-
endet hat, kehrt wieder.
Nr. 79. Der verstorbene Mann besucht seine Frau, wie kann sie ihn ver-
treiben. Vgl. Kyjnnn'L San. o roxHou PycH 11, 42 f. PoManoB'B IV, S. 126, Nr. 68.
Nr. 80. Der verstorbene Bauer geht als Vampyr um Mittemacht zu sei-
nem Haus und saugt aus der Ecke Blut: alle Inwohner werden fahl, bis es
ein Mensch bemerkte und die Leiche mit einem Espenpfahl durchstiess.
Nr. 81. Der Vampyr kann nicht in das Haus eintreten, wo die Leute
beten, oder wo die Fenster bekreuzigt sind. Ein Töpfer übernachtet auf einem
Friedhof, ladet Gk>tt zum Nachtmahl, es kommt zu ihm ein Todter, ein Vam-
pyr. Der nimmt ihn mit sich in das Dorf, saugt Blut aus den schlafenden Be-
wohnern, bietet auch seinem Begleiter Blut an.
Nr. 82. Aehnlich wie TpHE^eHKO I, Nr. 85, vgl. Archiv XX, S. 265.
Nr. 83. Ein todter Soldat kehrt aus dem Krieg heim und lebt wieder mit
seinem Weib, geht aber nirgends hin. Als der Nachbar starb, schickte ihn
das Weih hin. Kaum trat er ein, so wieherte er wie ein Pferd und auch der
Todte wieherte so. Auf das Drängen seines Weibes bekennt er, dass der
Todte ein Vampyr sei, gibt ihr auch ein Mittel an, ihn zu vertreiben: wer
den Halfter, den sieben Jahre die graue Stute trägt, nimmt, erblickt den Vam-
pyr ; wenn er in die Hütte eintritt, soll man bloss den Halfter auf ihn werfen
und ihm »tpru ! « zurufen, dann kommt er nimmermehr. Das Weib gebraucht
dies Mittel gegen ihren eigenen Mann, wie sie das gethan, zerfloss er in Pech.
Nr. 84. Der Vater macht mit seinem Sohne vor seinem Tode aus, dass
er ihm jede Nacht eine Mahlzeit vorbereitet. Der andere Sohn kehrt vom
Kriege zurück , findet das Nachtmahl und verzehrt es. Indem kommt der
Vater-Vampyr und will eingelassen werden, er wird ihn selbst aufessen, weil
er sein Nachtmahl verzehrt hat. Der Soldat macht dem Vampyr nicht auf,
278 Kritischer Anzeiger.
der nagt die Thttre durch, schon steckt er den Kopf durch — da hant ihn der
Soldat mit seinem SSbel ab und der Hahnenschrei erlclingt. Den andern Tag
machte der Soldat einen Sarg, legte den Vater hinein, und verschloss ihn
noch mit drei eisernen Reifen. Er fährt nun den Vater begraben, sie waren
nicht weit, so springen die Reifen ab, und der Vampyr stürzt sich auf den
Soldaten los, um ihn aufzufressen. Der Soldat flieht in eine Hütte: aus der
stürzt sich ein anderer Mensch, auch einTodter, auf den Vampyr, sie kämpfen
bis zum Hahnenschrei. In der Frühe begrub der Soldat den Leichnam, und
durchbohrte ihn mit einem Espeopfahl.
Nr. 85. Ein Bauer warnt seine Söhne davor, dass sie ihn selbst begraben,
sie sollen dafür lieber einen anderen Menschen für theueres Qeld aufnehmen.
Sie nehmen hiezu einen Soldaten auf. Die Scenen zwischen dem Vampyr und
dem Soldaten sind hier noch mehr ausgeschmückt als in Nr. 84.
VI. Aberglauben und Erzählungen von Hexen, Zauberern, WärwOlfen
(S. 108—140).
Nr. 87. Die Hexe drückt in der Nacht einen Jungen wie ein Alp. Es
gibt geborene und gelernte Hexen, die ersteren haben einen Schwanz am
Rücken.
Nr. 88. Ein Soldat von einer Hexe geplagt. Ihre Schwester rathet ihm,
wie er sie los wird, nur muss er dann mit ihr leben. Er soll nur seinen Zaum
auf sie werfen, auf sie sich setzen und fahren, und so marterte er sie todt.
Dann kauft er Spähne, läset sie vom Pfarrer weihen, und breitet sie um das
Grab der Hexe ringsherum aus. In der Nacht legt er sich neben das Orab,
mit den Spähnen ganz verdeckt. Die todte Hexe steht auf und sucht ihn
überall, so durch drei Nächte, in der letzten Nacht schreit sie wie der Hahn,
macht den Glockenschlag nach, nur um ihn aufzuwecken, wirft auf ihn Steine,
will die Spähne anzünden, aber diese fangen nicht, denn sie sind geweiht ;
die geweihten Spähne lassen sie auch nicht näher treten. Nachdem er sich so
von ihr befreit hat, geht er mit der zweiten Schwester zu Ihrem Vater. Der
stirbt bald, eigentlich stellt sich nur todt Er soll ihn begraben. Es wieder-
holen sich nun dieselben Scenen im Ganzen wie in Nr. 84, 85.
Nr. 89. Ein Weib, das der böse Geist besuchte, verwandelte ihren Mann
in einen Hund. Der Hund hütete Heerden, verkauft dem Kaiser. Der Kaiser
gewinnt ihn ungemein lieb, wegen seiner Weisheit, denn er kann alles lesen,
macht ihn zu seinem Schwiegersohn. Seine Frau, die Tochter des Kaisers,
vertheilt Almosen, ein Greis zerschnitt den Strick am Halse des Hundes, der
Zauber war verschwunden, der Hund wurde wieder Mensch. Von demselben
erfährt er, wie er sein erstes, untreues Weib in ein Pferd verwandelt und
auch ihren Liebhaber, spannt sie in einen Wagen ein, und fährt mit ihnen
herum drei Jahre, ohne ihnen Speise und Trank zu geben. Dadurch werden
auch die Beiden gute, christliche Menschen. Vgl Archiv XIX, 250 zu HleHn
Nr. 22. AoÖpoBOJiBCRlH Guoä. C6. I, S. 139 f.
Nr. 90. Ein Herr Hess sich eine Schlange braten ; von ihr genoss auch
der Koch, der zugleich auch sein Kutscher war. Er verstand nun die Sprache
der Thiere, Pflanzen, (Jeräthschaften u. s. w. Vom Herrn verfolgt entkommt
er. Er vergass dann alles, als er sich einmal unter dem Beifuss (Artemisia
Pirof. Polivka über Hrinoenko's Ethnogr. Material IL 279
valgaris) Bohlafen legte. Vgl. dxHorpa*. Otop. XXIX— XXX, S. 114; Xyjm-
ROB-L 1, 136. Erben SIot. cit. 14 Waldau Böhm. Märch. 13. Eres V, 8. 29,
Nr. 36 u. a.
Nr. 91. Ein Soldat dient beim Teafel als Heizer, in den Kessel darf er
nicht nachsehen, was dort kocht. Dass er das Verbot Übertreten, verräth das
erste Jahr der Backofen auf die Frage des Tenfels hin. Das zweite Jahr fragt
der Tenfel das Loch in einer gemauerten Sänle, ob der Soldat Strafe oder ein
gutes Wort verdient. In der Stadt entdeckt der Soldat dann, wo die ge-
stohlene Waare aufbewahrt wird; er fragt darnach das Loch über einem
Laden.
Nr. 92. Wie ein junger Zauberer weiden wollte und dann ein ganzes
Jahr als Wolf herumlief.
Nr. 93. Der Sohn solcher Eltern, die am Ostersonntag sündigten, ist zeit-
weise Wärwolf, zerreisst zum Schluss noch sein Weib.
Vn. Schatzsagen (S. 141—144).
Nr. 94. Der Schatz leuchtet wie ein Feuer; in einem Sarg liegt der Schatz
und steht eine Kerze.
Nr. 95. Der Schatz zeigt sich als alter Bettler und winkt, in Nr. 96 als
Pferde.
Nr. 97. Eine geizige Frau vergrub ihr Geld mit der Verwünschung:
»welche Hand das G«ld vergraben, die gräbt es auch aus, und wer diesen
meinen . . . auffrisst, der wird auch mein Geld gemessen«. Die Schwieger-
tochter hörte das, und als die Frau bald darauf starb, riss sie ihr die Hand
ab, die das Geld vergraben hat, grub das Geld mit ihr ans, wickelte das, was
oben war, in ein Tuch und legte es auf den Ofen trocknen ; die Hand steckt
sie wieder dem Leichnam in den Aermel. Nach einiger Zeit nahm sie jenes
Bündel vom Ofen, zerstiess es, und schüttete es jeden Tag statt Pfeffer in
das Essen für den Mann, bis er so alles aufgegessen. Und so blieb ihnen das
Geld. Vgl. Archiv XIX, 245 zu Violavek Nr. 22, 23. Tpe&ju^npi» JEaTum. ck.
Nr. 70, Var. IL
VIU (S. 145—156). Nr. 98. Einem faulen Menschen gab Gott ein fleissi-
ges Mädchen zur Frau. Vgl /(o6poBOjiK£CRiH I, S. 319, Nr. 13. Fr. S. Krausa
Sag. Märch. Südslav. II, Nr. 137. Cesk^ Lid V, 286. Göops. sa nap. yuoTBop.
m, Abth. 3, S. 184 f.
Nr. 99. Ein Bauer gibt von seinem Brod dem heil Hija, schlägt es aber
dem heil. Petrus ab, beschimpfte und schlug ihn obendrein, weil zu seiner
Zeit, um S. Peter der grösste Huuger herrscht. Petrus verfolgt ihn, Ilija
schützt ihn. Vgl. Archiv XIX, 261 zu ULdkn-b Nr. 214, 215. Ao6poBo.KicKiH I,
298 f., Nr. 4, 5.
Nr. 100. Von Ostersonntag bis Himmelfahrt geht jedes Jahr Christus auf
der Erde um.
Nr. 101. Ein getaufter Jude starb bald nach seiner Taufe, wurde von
Petrus in den Himmel nicht eingelassen, weil er in sein Verzeichniss noch
nicht eingetragen war, noch von Moses, weil er aus dessen Verzeichniss be-
reits gestrichen war, kam daher zum Teufel.
Nr. 102. Ein Sohn vertheilte sein ganzes Erbtheil nach seinem reichen
280 Kritischer Anzeiger.
Vater, denn der liat nicht seinen Reichthnm erarbeitet, sondern von »ihm«
bekommen. Lebte dann als Einsiedler im Walde, einM&dchen verführte ihn
zur Sünde.
Nr. 103. Zwei Brüder, der reiche und der arme, pflügten nnd säeten,
Gott frag sie nach ihrer Arbeit, der reiche antwortete trotzig, der arme gottes-
fürchtig: der reiche hatte eine schlechte Ernte, der arme eine reiche Ernte.
Vgl. Karlowicz Podania na Litwie S. 88, Nr. 64.
Nr. 104. Der Gerechte in der Kirche, der Teufel schreibt anf einer
Ochsenhaut die Sünder auf. Vgl. Archiv XXI, 266 zu Ppn^eHRO I, Nr. 95.
axHorpa». 0(k»p. XVIII, S.104 f. Zs. vergl. Liter.-Gesch. NF. XI, S. 249 f.
Nr. 105. Eine grosse Sünde ist es, an einem Feiertag zu arbeiten. Vgl.
Kariowicz Podania Nr. 33. ^SRht« 1 CUobo 1895, Heft 5, S. 187 f., Nr. 29, 30.
dTHorpa». 06osp. XXVIII, 97; GöopHKRi Maxep. KaBKas. XIX, Abth. 2, S. 151.
IX. Erzählungen aus dem Familien- und gesellschaftlichen Leben
(S. 157—229).
Nr. 108. Das »kranke« Weib schickt ihren Mann um das »Wunderding«,
w&hrenddem unterhält sie sich mit einem andern. Der Mann bekam das Wun-
derding vom Teufel, bei dem er ein Jahr diente. Es war wie der Truthahn
bei meHH'B Nr. 79, Archiv XIX, 255. An dem Wunderding bleiben Weib und
Liebhaber hängen, am Wege hängen sich noch andere an. Vgl. G6opH: icaiep.
KasKas. XIII, Abth. 2, S. 328 f. LPineau Gontes pop. du Poitou S. 35 f.
Nr. 109. Das tugendhafte Weib ladet die sich ihr aufdrängenden Lieb-
haber ein, sperrt sie in einen Kasten ein u. s. w. Vgl. den Aufsatz von S.
Fränkel »Die tugendhafte und kluge Wittwe« in den Germanistischen Ab-
handlungen XII, S. 39 f. J. Oestrup Gontes de Damas Nr. 8.
Nr. 115. In alter Zeit wurden die altersschwachen Greise in eine Grube
hinausgeführt. So zog auch ein Sohn seinen Vater auf einem Brettchen hinaus.
Es geht auch das Enkelchen mit, um zu sehen, wohin es einst seinen Vater
hinausziehen wird, widersetzt sich auch, dass das Brettchen sammt dem
GroBsvater in die Grube geworfen wird, denn er wird es selbst brauchen für
seinen Vater. Aehnlich bei PoManoBi IV, S. 179, Nr. 38. ZsVVK 1898, S. 25 f.
Nr. 127. Ein geldgieriger Blinder nahm für das angebotene kleinere
Almosen zwei Silberstücke, der Schenker geht ihm nach in seine Wohnung,
nimmt ihm sein ganzes zusammengescharrtes Geld : daneben lebte noch ein
Bettler, die beiden streiten sich, und auch diesem nimmt der Mann das Geld.
Aehnlich bei OcTpoyMOB'L Gapxu II, S. 133 f., Nr. 22.
Nr. 129. Ein Geizhals Hess sich in seinen Sarg unter den Kopf legen
einen Polster, in dem er all sein Geld aufbewahrte.
Nr. 130. Das Schicksal der neugeborenen Kinder wird von Gott der
Beihe nach bestimmt, Gott hat vor sich drei Tische, bei zweien wird das
Glück, bei dem dritten das unglückliche Schicksal bestimmt. Dem anwesen-
den Jüngling wird der Rath gegeben , von dem ihm verlobten reichen Mäd-
chen zu lassen, und ein armes Mädchen zu heirathen, das wird sein Glück
sein. Bald nach der Hochzeit werden ihm in der Nacht grosse Schätze ge-
bracht Vgl. Dowojna Sylwestrowicz Pod. zmujdzkie I, S. 2 f. V.Baldessari
Nirodni pohAdky S. 13 f.
Prof. Polivka über Hrinoenko'e Ethnogr. Material II. 281
Nr. 131. Ein armer Mensch begegnete dem Glück und üngltlck; das
Unglück schenkte ihm zweimal 50 je Rub., beidemale kam er darum durch die
Unwissenheit seines Weibes; zum letzten Male schenkte ihm das Glück
3 Groschen, dafür kaufte er einen Fisch, darin war ein kostbarer Edelstein.
Vgl. Archiv XIX, 255 zu IHeiiH'L Nr. 80. SECnTa i Gjtobo 1894, Heft 5, S. 191 f.
Nr. 153. Drei Bauern fragen einen Zigeuner auf einmal : »^u AsuceKo ao
cejuk?«, »^u rJiuöORa ps'iKa?«! »hk'b Teöe soByn?« Der Zigeuner antwortet
ebenso rasch : »chitb Bepcr&, no KOJizHa, MaTBiHc. Die Bauern y erstehen ihn
lange nicht. Aehnlich in einer nordgrossruss. Version von Salomon XHBaji
dapiraa V, S. 212.
Nr. 165. »Der sehr gescheidte Josko mit den Juden im Ejrieg« hängt
wohl zusammen mit dem Cyclus vom » Judenkrieg« (Wojna fydowska), über
welchen Dr. Iv. Franko in der Wii^ VI, 263 f. schrieb. Die Juden übernach-
ten auf einer Eiche, aus Furcht vor Wölfen; in der Frühe lassen sie sich so
herab, dass einer sich an den andern hält, der eine ruft, die andern sollen
warten, bis er sich in die Hände spuckt, alle fallen hinunter, ähnlich, wie
sonst die Tiefe eines Brunnens gemessen wird. Mark Lidzbarski Geschichten
aus neuaram. Hss. S. 72. Revue d. trad. pop. II, 278 f.; XI, 649.
X. Erzählungen von historischen Persönlichkeiten und Ereignissen
(S. 230—234), besonders aus der Zeit der Leibeigenschaft von der fast un-
glaublichen Grausamkeit und Bohheit der Herren gegen die Bauern und
Juden.
XI. Locabagen (S. 235— 236). Nr. 175. Den Drachen überlistete ein
Schmied, der Drache steckt durch die Wand seine Zunge, der Schmied nagelt
sie an, spannt dann den Drachen in den Pflug ein und pflügt mit ihm. Aehn-
lich PoMaHOB-B IV, S. 17, Nr. 12. AeaHacBOBi PHap.cR.> (1897) I, Nr. 85, S. 196 f.
Xn. Phantastische Märchen, Wortspiel und Witz (S. 237—301).
Nr. 178. »Der Wolf und der Fuchs«. Der Fuchs fastet, denn es ist gerade
Freitag; geht aber mit dem Wolf auf die Jagd. Der Wolf fängt sich in einer
Schlinge, die ihn hinaufzieht. Der Fuchs frisst nun, der Wolf hat aber Frei-
tag (nxATHuufl), weil er mit den Fersen (n'&ATaubi) die Erde nicht berührt —
ein ziemlich grobes Wortspiel. Der Fuchs geht ins Kloster auf Gänse, er-
wischt und mit einem Mönchsstabe arg durchgeprügelt. Vor dem Wolf
brüstet er sich, dass er im Kloster war und dort geweiht wurde, schickt den
Wolf hin.
Nr. 181. »Die Henne, der Hahn, der Stier, das Schwein und der Trut-
hahn«. Aehnlich wie »Hausthiere und Räuber«, hier Wölfe verjagt, wie Aea-
HacBeBi IV (1860), Nr. 21, 22, 26. GaAOBHHROB-B Nr. 51, S. 173 u. a.
Nr. 182. Der Adler kämpft mit der Schlange, besiegt sie, wird von ihr
ganz wenig beschädigt, konnte aber nicht fliegen, tritt als Jüngling verwan-
delt in die Dienste eines Bauern, macht ihn schlieslich zum Kaiser. Als die
Federn wieder nachgewachsen waren, verwandelte er sich wieder in einen
Adler, der Kaiser setzt sich auf ihn, und bittet sich von der Jüngsten zur Be-
lohnung ein goldenes Kästchen aus : wie er es aufmacht, treten 12 Mädchen,
12 junge Frauen und 12 Jünglinge heraus und tragen ihm mannigfache Spei-
sen und Getränke zu. Vgl. Ao^poboibckIk Gmojik. G6. I, 569 f. GöopH. Maxep.
282 Kritischer Anzeiger.
KftBEas. XVm, Abth. 3, S. 87 f. ; XIX, Abth. 2, S. 8 f. Sbomik za nar. kivot
i obio. jaz. Slavena I, 125. Diesen goldenen Kasten wechselte er mit einer
Axt aus : wenn man mit ihr in einen Baum schlügt, baut sich ein Haus auf.
Diese Axt wechselt er mit einer Peitsche aus: diese geht und bringt alles,
was man wünscht. Sie brächte ihm das Kästchen und die Axt. Endlich
tauschte er das Kästchen noch mit einem Stock um, der jeden lebendig macht,
mit dem er schlägt. Die Peitsche brachte ihm wieder das Kästchen. Vgl.
BJttlg, Die Märchen des Siddhi-Kür S. 87 f. Waldau Böhm. Mbuch 111, Hrase
Poyidky IH, 217.
Nr. 183. »Von der Gans, die goldene Eier legte«. Unter ihrer mochten
FlUgel ist aufgeschrieben, »wer diesen Flügel isst, der wird Kaiser«, und
unter dem linken FlOgel »wer diesen Flügel aufisst, wird Oeld spucken«.
Vgl. Archiv XIX, 266 f. /(oöpoBOJBCRiu I, S. 561 f. lüanKapeB'B G6opHHR% on
Hap. yMOTBop. IX, S. 444 f., 538 f.
Nr. 184. Drei Brüder kamen zu drei Schwestern, die als Tauben yer-
wandelt tief im Walde lebten. Als sie wegzogen, bekam der 1. einen Stock :
wenn er mit dessen dickem Ende schlägt, erscheint, was er sich nur wünscht,
der 2. ein Säckchen, wie er damit schüttelt, ist es voll Qeld, der 3. eine Tar-
renkappe. Der mittlere Bruder verspielte alles dies bei einer Prinzessin. Im
Walde findet er Aepfel, nach deren Genuss Homer hervorwachsen, und Bir-
nen, nach deren Genuss die HÖmer abfallen. Vgl. dpJOHBeHH'B Pyc. nap. ck.
S. 27 f. PoHaHOB'B III, S. 182 f.
Nr. 185. Beminiscenzen aus verschiedenen Sagen zusammengeschweisst.
Ein reicher Kaufmann verarmt vollends, weil er einen Greis (Gott) von seiner
Schwelle wegjagte. Er hat eine sehr schOne Tochter, ein Kaiser heirathet
sie. Sie sind kinderlos. Einmal träumte der Kaiser: er soll vor seinem Hans
einen aus dem Wald ausgegrabenen Apfelbaum einsetzen, ihn so lange be-
giessen, bis Aepfel reifen, und so viel Aepfel er herabschttttelt, soviel Kinder
wird er haben ; die Aepfel soll er mit seiner Frau aufessen. Er schüttelte nur
zwei Aepfel ab, den einen ass er mit seiner Frau auf, den anderen trug ein
Hase weg, fand später der Gärtner, isst ihn mit seinem Weib auf. Die Kai-
serin gebiert eine Tochter, die Gärtnerin einen Sohn. Die Kaiserin träumt,
dass sie ihr Kind bis in das 15. Jahr so halten muss, dass es niemanden sieht;
einen ähnlichen Traum hatte auch die Gärtnerin. Zufällig erblicken sich
beide, der Sohn entflieht, das Mädchen stirbt. Nach einiger Zeit kehrt der
Jüngling zurück; nach einem Traum riss er im Walde ein Kraut aus, zündete
es an, und dessen Rauch trägt ihn, so dass er wie eine Biene oder Fliege
fliegt. Zum Schlnss wird er vom Kaiser als Sohn angenommen und zum Nach-
folger bestimmt
Nr. 186. Kaiserin und Schmiedin zanken mit einander. Das Kind im
Leibe der Kaiserin sagt: »Die Hündin fing mit der Hündin zu schimpfen an«.
Die Kaiserin reisst erzürnt das Kind aus ihrem Leibe und gibt es dem Schmied,
der soll es tödten, braten und ihr zum Essen bringen. Das Kind spricht den
Schmied an und bittet ihn, statt seiner das Junge von einem Windhunde zu
braten, und von ihm nur einen Finger der Kaiserin zu bringen. Bei Ao6po-
bojkbckIh I, S. 245 f. lässt sich die Kaiserin nicht so weit hinreissen von ihrem
Prof. Polivka ttber Hrincenko's Ethnogr. Material ü. 283
Zorn, Bondem befiehlt ihrem Mftdehen, das neugeborene Kind zu ertr&nken;
ähnlicher Ao^poBoncKix I, 259. In der kleinroBB. Version ist das E[ind ein
sonst ungenannter weiser Knabe, sie gehört zn den weit verbreiteten Legen-
den Ton Salomon. Dem Schmiede wird aufgetragen: 1) aus einem Stiere
Käse und Butter zu bereiten, 2) weder zu Fuss kommen noch zu Pferd, 3) ein
Geschenk zu bringen und ein Geschenk nicht zu bringen: bringt eine Semmel
und eine Schnepfe: die lässt er wegfliegen, wie der Kaiser nach ihr greift.
Vgl. Ao6poBOjncKiH I, 253 f., 260 f. Kinder sollen einen Kaiser wählen, es
wird der, auf dessen Gebot die Frösche still werden, ebenso /(oi^poBoncKiii I,
S. 248 f. ]KHBaA GrapsHa V, 212 f. In einem fremden Lande heirathe^e Salo-
mon^ sein Drache entflihrte sein Weib, er sucht und findet es, vom Drachen
gefangen genommen, soll gehängt werden, auf drei Trompetenstösse kommt
sein Heer angestürmt u. s. w. Vgl. AoOpOBoncKlK I, 256 f. yKasaji GrapHfla
V, 213.
Nr. 187. Beminiscenzen von Ilja Muromec, wie er sieben Jahre nicht
gehen konnte, und auf einmal aufstand und ein starker Held wurde, als ein
Greis ihn besuchte. Vgl. PobehckIh Pyc nap. Kapr. IV, S. 2, 5, 11 f. Ao6po-
BoncRiii I, S. 397 f. PouaHoin III, 259. Tpe&JiaHX% JlaTBnn. ck. S. 144 f. Hieran
knüpft sich das Motiv von der untreuen Mutter, die ihren Sohn dem Drachen
ausliefert. Vgl. PouaHOB'B III, 39, 66 f., 69 f. Weryho Podania biatorus S. 19f.
Zbiör wiad. antrop. V, Abth. 3, S. 241. Wisia II, S. 17 f. Leskien und Brug-
mann S. 548 f. Dobsinsky SIov. pov. V, 53 f. Göopa. Haiep. KaBicas. ZXI,
Abth. 2, S. 8 f. FpHH^eHKO I, Nr. 157, 158. Kres V, S. 246 f. Strohal I, S. 38 f.
manicapeB'B G(k>pH. nap. yuoTBop. IX, S. 406 f.
Nr. 188. Ein Soldat kehrt nach Hause zurück, wo er als Knabe von der
Stiefmutter vertrieben wurde. Er übernachtete am Wege bei einem Bauern.
Dessen Söhne wollen ihm das Pferd auswechseln oder abkaufen, welches er
von einem Herrn ausgeborgt hatte. Der Soldat entwich vor Tagesanbruch.
Die Bauemsöhne fanden ihn nicht mehr im Stall, sondern einen nackten Er-
hängen, den schnitten sie ab und der Erhängte lief dem Soldaten nach, er-
eilte ihn und bot sich ihm als Kutscher an. Er rettet ihn vor den Anschlägen
der Stiefmutter, die ihn ttfdten will. Der Erhängte in den Kleidern seines
Herrn tOdtet selbst die Stiefmutter. Nun will der Kutscher ihn verheirathen
mit einer von den drei Schwestern. Die ältere nimmt den Soldaten als Mann
an, wenn er etwas schöneres hat als sie. Ihr Vater nämlich hat goldenen
Schopf und Bart Sie werden ihm 2 — 3 Haare ausreissen, etwas schöneres
bekommt er nicht. Sein Kutscher, als Käfer verwandelt, fliegt der in eine
Ente verwandelten Schwester nach und reisst dem Vater fast alle goldenen
Haare aus. So bekam also doch der Soldat seine Schwester.
Nr. 189. »Das weise Mädchen« hilft einem Jüngling die ihm von seinem
Vater auferlegten Räthselaufgaben lösen. Vgl. Archiv XIX, 243 f. zu Vicla-
vek Nr. 4, nieHH'B Nr. 92. Mater. antropoL-archeolog. i etnogr. I, Abth. 2,
S. 52. Nar. pripov. v Soskih plan. III, 80 f. G6opH. Maxep. KaBKaa. XVUI,
Abth. 3, S. 103 f.
Nr. 190. Ein dummes Weib vom Juden bethört, zum Schluss betrunken,
mit Pech beschmiert, mit Federn beschüttet: ist sie es, oder ein Vogel. Vgl.
284 Kritischer Anzeiger.
Arohiv XIX, 256 zu meHHi Nr. 89. — Der Mann geht in die Welt dümmere
Leute suchen: das erste Weib konnte nicht im Hemd Oeffoungen für den
Kopf zu machen, das zweite Weib trügt Sonnenlicht in die fensterlose Hütte,
das dritte Weib glaubt ihm, dass er von jener Welt kommt und Grüsse von
ihrem seligen Manne ausrichtet, übergibt ihm Geschenke für diesen. Vgl.
Eolberg Lud VIII, 22t. Öesky Lid y,459. C60pH.MaT6p.KaBRa3.XIX, Abth.2,
S. 33 f. ByR Ct. Kapa^Hh Gpn. sap. npanoB. S. 301. B. Schmidt Griech. MSrch.
S. 125 f. Revue des trad. pop. III, 381 f.; XI, 299 f. Melusine I, S. 133 f.,
135 f., 352 f. Wie der Mann nach Hause zurückgekommen, prahlt sein Weib,
dass sie Salz ausgesäet hat. Vgl. Oesky Lid V, S. 35. PyA^eHRo Hap. »xnop.
CR. n, S. 194.
Nr. 191, 192. »Der Student und der Bauer« Katze — Reinheit, Feuer —
Schönheit, Mauer: Höhe, Wasser — Wohlthat; der Student bindet der Katze
einen Feuerbrand an und jagt sie auf das Dach, »die Reinheit trug die Schön-
heit in die Höhe ; nimm schnell die Wohlthat und eile giessen«. Vgl. HleHH'L
II, Nr. 143. aiHorpa*. 36ipHHR I, Abth. 3, S. 23 f. Lud II, S. 43. In Nr. 192
kommt der Junge noch in eine Räuberhöhle, wird von den Räubern in ein
Fass gesteckt; es kommt ein Wolf, steckt den Schweif in das Loch des
Fasses, der Junge fasst den Schweif, das Fass wurde zerbrochen und der
Junge gerettet. Aehnlich ist der Schluss von Nr. 241, S. 336, von Nr. 242,
S. 339. Vgl. Archiv XVII, 581 zu Giszewski I, Nr. 211—214. M. Kremnitz
Rumän. M. S. 152 f. G6opH. sa nap. yMOTBop. VIII, Abth. 3, S. 187. Melusine
I, S. 91. Revue des trad. pop. II, 11 f. Dowojna Sylwestrowicz I, 210.
Nr. 204. Von drei lispelnden Schwestern. Vgl. Archiv XIX, 259 zu
meikHi Nr. 149. Am Urquell 1897, S. 121 f.
Nr. 208, S. 302—310. Sprichwörter.
Nr. 209, S. 310—312. Räthsel.
S. 313—352. Nachträge, neue Materialien, die während des Druckes zu-
flössen, besonders Über Zauberei, Besprechungen von Krankheiten u. ä.
Nr. 232. Ein verwünschtes Mädchen erlöst von einem Soldaten, der die
ganze Nacht hindurch trotz der grössten Widerwärtigkeiten den Psalter über
ihr liest. Vgl. Archiv XIX, 251 zu IIIeHH'B Nr. 33. AoÖpOBOJiBCRiu I, 550 f.,
554 f. PyÄ'ieHKo II, Nr. 12.
Nr. 235. Der Diener eines geizigen Herrn gibt an, nie zu essen und nie
zu trinken. Der Herr will es auch lernen, vom Diener überlistet, stirbt an
Hunger; der Diener ist sein Universalerbe. Aehnlich bei Kolberg Lud III,
S. 166 f. von einer geizigen Frau und ihrer Dienerin.
Nr. 238. Den Fröschen Geld geworfen ins Wasser, sie sollen nachzählen.
Vgl. Kres IV, 1884, S.86. Fr.S.Krauss Sag. Märch. Südslav. I, Nr. 52. Scham-
bach & Müller Niedersächq^Märch. S.319. Schneller Märch. WälschtirolS. 167.
Gitt^e&Lemoine Gont. d. pays Wallon S. 89. Decourdemanche Les plaisant.
de Nasr-Eddin Hodja S. 59, Nr. 69.
Nr. 241, 242 enthalten Reminiscenzen ans IIIeMJiRHHX CyA'B. Vgl. /[o5po-
Bos&CRiH I, 376 f. JKüBafl GxapHHa V, S. 208 f. M.Lidzbarski Erzählungen aus
neuaram. Handschriften S. 258 f.
Nr. 243, 244, 245, 246, 247 Lügenmärchen.
Prof.PoUvka, die V Bände der ethnogr. Publication der ^ycenko-Ges. 285
Nr. 248. Der Held dient bei zwei Drachen, der Eintritt in den zweiten
Pferdestall ihm verboten. Er findet dort zwei Pferde, das eine frisst Weizen,
das andere Gold: von dem vergolden seine Hände und sein Kopf. Flieht
nun : dem Pferde schmiedet er die Hufeisen verkehrt an, dass die Verfolger
seine wahre Spur verlieren. Auf die Flucht nimmt er mit eine Bürste — da-
raus ein ungeheuer hoher Berg, eine Hechel : daraus ein endloser, hoher und
dichter Wald, und ein Tuch: daraus ein endloses, ungemein tiefes Heer. Der
Held tritt in die Dienste eines Gutsbesitzers als Schweinehirt, überwindet
den benachbarten Drachen, der die Herde nicht auf seinen Besitz lässt, be-
freit ans dessen Biacht drei Helden. Von diesen bekommt er als Geschenk
einen kostbaren Bing, der wie ein Stemlein leuchtet Die jüngste Tochter
des Gutsbesitzers verliebt sich in ihn und heirathet ihn. Befreit zum Schloss
diese von einem Drachen, als sie ihm geopfert werden sollte. — Die ver-
schiedensten Märchenmotive sind hier zusammengewürfelt. O. PoUvka,
ETHorpa«i^HHH StfipmiK. BH^ae HayicoBe TOBapncTBO iMOHH lüeB^eHKa
3a pe^aKipeio M. rpymeBCLKoro. Y JElbobI I — V. 1895 — 1898.
Die ethnographische Erforschung des kleinrussischen Volkes ist sehr
fortgeschritten, ihre Geschichte gehOrt unter die glänzendsten Gapitel der
russischen Ethnographie, haben sich doch an dieser Arbeit die hervorragend-
sten Geister betheiligt. Fest organisirt war sie freilich nicht bis auf eine
kurze Zeit, während der Wirksamkeit der ethnographischen südwestrussi-
schen Abtheilung der kais. geographischen Gesellschaft in Kiew. Doch fan-
den ethnographische Arbeiten über die Kleinrussen die bereitwilligste Auf-
nahme besonders in der Moskauer Ethnographischen Rundschau, und neuer-
dings in einigen wissenschaftlichen Gesellschaften, besonders der histor.-
philologischen Gesellschaft in Charkow und Odessa. In Galizien fanden sie
Aufnahme in dem von der Krakauer Akademie herausgegebenen Zbiör wia-
dano&ci do antropologii krajowöj, und neuestens publicirte zahlreiches Mate-
rial besonders aus der Volksliteratur Dr. Iwan Franko in seiner Revue 7Kxt9
iCxoBO 1894 und 1895.
Doch mangelte es wie auch anderswo an der nothwendigen Organi-
sation der ethnographischen Forschung, an systematischem Sammeln ethno-
graphischen Materials. Diese Arbeit nun nahm auf sich der neuestens so
rege und thatluräftige wissenschaftliche i^evcenko-Verein in Lemberg. Vor
der Hand begann er ein ethnographisches Jahrbuch herauszugeben, von dem
uns nun bereits 5 Bände vorliegen. Das Programm ist auf das ganze von
Kleinrussen bewohnte Territorium ausgedehnt: wir finden auch in den vor-
liegenden Bänden Materialien aus dem weiten Osten, vom Kaukasus, aus der
Ukrajina, aus Galizien und Ungarn. Selbständige wissenschaftliche Studien
und kritisch-bibliographische Abhandlungen aus dem Gebiete der kleinruss.
Ethnographie werden nicht in diesem Jahrbuch, sondern in der Zeitschrift des
Vereines, in den SanscRK, auch fernerhin publicirt werden«
Dem ersten Band ist ein detaillirter Fragebogen beigelegt (S. 1 — 16), der
286 EritiBcher Anzeiger.
recht eifrig verbreitet und noch eifriger und gründlicher beantwortet werden
sollte.
In den zwei bisher herausgegebenen Bänden ist recht reiches und
mannigfaltiges Material publioirt. Jede Abhandlung ist selbständig paginirt.
Bd. I. 1)M. Kramaren ko beschreibt (S. 1 — ^24) eingehend die Feste
und Gebräuche zu Weihnachten, Neujahr und bis zum Tage der heil, drei
Onige im Kosakendorf Pavlovskaja, Bezirk Jejsk im Kuban-Gebiet. Unter
anderem ist dort auch der Gebrauch des Schimmelreitens verbreitet wie im
mittleren Europa. Erzählt wird weiter, wie die Mädchen rathen und zauberui
z.B. wer Bräutigam sein wird aus dem Benehmen eines Hahnes; aus einzelnen
unter dem Fenster aufgefangenen Wörtern ihr Schicksal erfahren wollen u. ä. ;
wie und woraus die älteren Leute wieder auf die Witterung im kommenden
Jahre schliessen etc. 2) Dr. IvanFranko gab aus einer grossen Sammlung
von Volks-Traditionen aus dem Bezirke Brody 25 Märchen heraus (S. 1 — 96),
versah die einzelnen Märchen mit kurzen erläuternden Anmerkungen, und
fttgte ein Yerzeichniss der in ihnen vorkommenden Motive hinzu (S.97 — 120).
Ref. hat an einer anderen Stelle bereits diese Märchen besprochen (Zs. f. Ost.
Vk. II, S. 220 f.). Die Märchen sind treu dem Volksmunde entnommen, der
Dialekt phonetisch treu wiedergegeben. Doch finden wir in demselben Mär-
chen neben einander verschiedene Formen: können wir daraus schliessen,
dass sie so neben einander wirklich im Volksmunde vorkommen ? Z. B. in
Nr. 16 lesen wir neben den regelmässigen Formen löro, n^ro, caicöro noch
Formen mit ausgefallenem h: ao töo nasa S. 55, ao h6o S. 55 und ausserdem
noch mit einem gegen den Hiat eingeschobenen sekundären Laut: Toyo ca-
hi6fo S. 55, AO CBoyo S. 54, 8 Heyo S. 56, cxapöyo MCjgcHHKa S. 59, sytfa aR^AHoyo
S. 58 ; in der 3. plur. praes. rosöpai S. 54, roBÖpaTB S. 56 ; aubetbcbI S. 59 und
AUBHT&CLa S. 59; AHyjiLaTLCLa S. 59 und AHBJiLaTBCBa S. 59. 1. pers. sg. perf.
bhabIb-Im S. 58 und BiiABiB-eM S. 59. — In dem demselben Erzähler nachge-
schriebenen Märchen Nr. 17 : gen. sg. xöro S. 60, 61, daneben töo S. 60, 61, 62,
TaKöo S. 60, hIahöo S. 60 und noch xöyo HlAHÖyo S. 60, canöyo S. 62, ao Apyroyo
S. 62, Himoj^o S. 62, xaRÖ^o BejsuRoro S. 61 ; nycTHy na yy6öpy S. 62 und 6yi[&
Ha ytföpi S. 62. — In Nr. 18 finden wir z. B. hIa^h Apyoo BimauH, Ia^h Apyo sa-
6hu, Ia^h ap^o' sapixH, Ia^h Apyoo yröiiH S. 64 ; Ao sdro S. 64, TÖro S. 64, hhfö
S. 64 und daneben ao e6o S. 64, hhö S. 63, ausserdem Töyo S. 64, Royö S. 65 ;
Apyoo zusammengezogen in Apto S. 63 u. a. m. Sehr stark äussert sich in die-
sen ostgalizischen Märchen der polnische Einfluss : uhhxk, moi^, moi^ho, praes.
Lsg. jßhUEhKJpka (S.71), buhhi^h, nj[BÖHTpo, ckohAi BaBSBHHTail, «kbohui, saHziua
xiHKa b nhHEJKE (S. 46), TMUhjp» (S. 76), ntJiku cxay sa xuz uH&CTaz xaKHK;
örpyA, nosLyMRH (S. 27), nnypö (S. 76). — kv neben cv: rbItk nosauBBiTUH
(S. 45) findet sich auch in weiter östlichen Dialekten. Der Text ist durchwegs
accentuirt. Mit einem Worte, nicht bloss der Märchenforscher, sondern auch
der Sprachforscher wird in dieser Sammlung reiches und interessantes Mate-
rial finden — Endlich ist 3) noch eine kleinere Sammlung ukraj inischer
Volksanekdoten und Schwanke von Op. ^ymcenko abgedruckt (S. 1 — 20), die
auch einiges nicht uninteressantes Material enthält. Vgl. Zs. f. Ost Vk. 11, S. 224.
Bd. II enthält 1) eine Abhandlung von Voiodymyr Hnatjuk tlber
Prof. Poliyka, die V Bände der ethnogr. Publioation der äevcenko-Qes. 287
die BettelsSnger geistlicher Lieder (Lirnyki) in Qalizien, deren Er-
ziehung, soziale Verhältnisse, besonders über deren Geheimsprache, and
fügt eine ansehnliche Sammlnng geistlicher und religiöser Lieder, darunter
auch einige polnische, hinzn, wie auch einige Gebete. Die Nachrichten über
das Leben und Treiben dieser Liedersänger werden einem Limyk ans ^il^no-
mir im Bezirke Buozacz nacherzählt nnd zwar genau in seinem Dialekte. Der
Bericht yon Dr.Kyrill Studynski in der Schrift »JUpHHKna 1894 wird hier ver-
vollständigt. Neben den von diesem aufgezählten Wörtern dieser Geheim-
spraehe wird noch eine ganze Reihe neuer in alphabetischer Reihenfolge an-
geführt. In eine Erklärung dieses lexikalen Materials lässt sich Herr Vol.
Hnatjuk nicht ein, die Abhandlung von Prof. V. Jagid »Die Geheimsprachen
bei den Slaven« konnte er offenbar nicht mehr benützen, doch wären wir ihm
gewiss sehr dankbar gewesen, wenn er die Wörter nach ihrer Verwandtschaft
gruppirt, und sich nicht bloss mit ihrer alphabetischen Zusammenstellung
begnügt hätte. Er hätte zusammenstellen können z. B. BaHffsHparH, Bi-, bh-
BaHffs^yBaTH, nHpHsaHXSHpHHK (88 nopoM), npOBaHABHpHHR (npoBlAHHK) ; bIa-, ^',
poBHan6piiTH, sxanöpyBATz (die Erklärung gab V. Jagiö op. c. 59, 60) ; dadurch
hätte der Verfasser das Studium seines interessanten Beitrages sehr erleich-
tert. Was das Material selbst anbelangt, so sind die einzelnen Wörter bereits
aus der Greheimsprache der podolischen und weissrussischen Bettelsänger
grossentheils bekannt und, die fremdsprachlichen Bestandtheile ausgenom-
men, von Prof. V. Jagid in der erwähnten Schrift erklärt. Auch die anders-
woher noch nicht bekannten Wörter lassen sich in die von V. Ja^d festge-
stellten Gruppen einreihen, so z. B. vy6aHOK-8(iaHOK, x^((p&R-3Re6paK, xh^u-
pösyM, «oBHpxHHHik-BepzHHHa (Obers, Rahm), s. V. Jagid op. c. p. 44 sq., t»iu-
aIm ib. 42, 6dU3BueH0, r]ipRH,M»sH, uaBhMHwk-6ÄSShK0, rspRau, hobhii, vgl. ib.
55 f. ffeproMHTH-AepraxH (mahlen), vgl. ib. 57, 70; 66t.ileth, Bad6TjnHTK-<(yTZ,
vgl. ib. 63 63I22TL ; jkihkc&th, vgl. ib. 66, BUjiflKcaxLi herauskommen, buök-
caxL ; cxaKOMHEK Tanz, vgl. ib. 58 ckeköheth tanzen, S. 57 ciyröuEHK Diener
u. a. m. Zur genaueren Kenntniss der russ. Gbheimsprachen ist dieser Bei-
trag sehr wichtig, er vermehrt nicht bloss beträchtlich deren lexikalisches
Material, sondern scheint auch den Weg zu neuen Erklärungen zu weisen, so
ist z. B. in p^noaxB, p6ocaHRa, p6ncaHHE, p^ncaniH gegen nscaTH, nxcaHKa, ns-
cap, uHCLMo die Silbe re vorgesetzt, die V. Jagid in dem vorliegenden Material
nicht vorfand.
In dem 2. Artikel theilt Jnryj i^atkovyc »Ethnographische Bemer-
kungen über die ungarischen Ruthenen« mit (S. 1—38). Der Ver-
fasser theilt die ungar. Ruthenen der Sprache nach in zwei Gruppen, in die
Lemken und die Lysaken : diese letzteren wohnen in der Marmarosch und in
den angrenzenden Dörfern der Gomitate Bereg und Ugocsa. Nach der Aus-
sprache des o in geschlossenen Silben würden sie in mehr Gruppen zerfallen :
die sogenannten BepzoBHH^Y, der im Gebirge wohnende Zweig spricht dafür t :
uin, kIhb, MicT ; die Bewohner des südlichen Streifens der Gomitate Marma-
rosch und Unghvar, wie auch des Comitates Ugocsa sprechen dafür u: nyn,
KyHB, MycT ; die Bewohner eines weiteren Theiles des südlichen Streifens und
des mittleren des Comitates Bereg sprechen dafür das deutsche ü: püp, kü&,
288 Kritischer Anzeiger.
müst; endlicli die Buthenen, die um die Slovaken herum wohneiii Bprechen
ein ganz reines o : pop, ko&, most Von der Aussprache des « und anderen
Eigenthtimlichkeiten der kleinruss. Dialekte in Ungarn erzählt der Verfasser
nichts mehr, ausser der verschiedenen Aussprache des mo. Die Grenze der
Kleinrnssen in Ungarn gegenüber den anderen Volksstämmen in Ungarn wird
nicht bestimmt, auch nicht gegen die Slovaken, Aber welche Frage gerade
die letzte Zeit eine ziemlich lebhafte Polemik sich entwickelte (vgl.Slovensk6
Pohl'ady 1895 8.500,566, 623; 1896 8.125, %EB&flGTapHHaV,235f.). Vielgrttnd-
lieber werden die Gebräuche, der Aberglauben, und überhaupt das ganze Leben
der Ungar. Kleinrussen geschildert, der Volkskalender, Prognostica : am Christ-
abend wird ein eigenes Brod gebacken — KepeqyH — diese Form ist also wirklich
im Gebrauch, vgl. Archiv IX, 694; Hochzeit, Geburt, Taufe, Krankheit, Tod
und BegräbnisSi Kleidung und Küche, Landwirthschaft, Viehzucht; ausser-
dem lesen wir einige Bemerkungen Über das Verhältniss der Kleinrussen zu
anderen Nationalitäten, insbesondere zu den Juden ; das Sprichwort »PycBKi
MOCTH, nanicLKi uocth, KaäiBBlHCBKoe Ha<(oxeHCTBo: oto BmflTRO (UaseHCTBO« als
Variante eines bei Polen und Russen bekannten Sprichwortes, das Celakov-
Bkf (Mudroslovi 8. 460 f.) bereits anführt, ist wenig charakteristisch für die
Anschauungen der Kleinrussen über die verschiedenen Religionen. Aus der
»mündlichen« Literatur der Kleinrussen theilt der Verfasser recht karge
Brocken mit, wir wollen hoffen, dass er diesen Mangel bald ersetzen wird.
Am Anfange seiner Studie erzählte er (8.3) eine (beschichte von einem Schrei-
ber — die Schreiber werden vophorhhxhhr genannt, weil sie immer ein
schwarzes Buch bei sich trugen; der war Zeuge, wie die Hausfrau ihren Ge-
liebten gastirte, vom Gatten dann Überrascht wurde; der Schreiber prophe-
zeite aus dem Buche, wo alle diese Leckerbissen aufbewahrt sind, wie sonst
in den verwandten Märchen der Rabe in der Kuhhaut u. a. Grimm, KHM
Nr. 61, Cosquin I, 229 f.; II, 329 f. Pomehobi III, 8. 406 f. Ao6poBOACidx I,
S. 143 f. Dowojna Sylwestrowicz I, 446; II, 250 f. u. a. 8. 36 f. lesen wir die
bekannte Legende von Noe, wie er die Arche baute, der Teufel nachforschte
nach seiner Arbeit und dann Branntwein brachte, um ihn trunken zu machen.
Vgl. AoöpoBOJLCKiH I, 8. 237 f. V&clavek 8. 139.
Dann 8. 37 eine Reihe von Sprichwörtern und endlich noch die alte vom
Pfaffen vom Kahlenberg erzählte Anekdote, wie die Belohnung — Schläge -—
der wahre Finder mit anderen Freunden theilte. Vgl. Archiv XIX, 256 zu
^jn Nr. 93, 94. Nar. pripovedke v Soikih planinah H. 3, 8. 29 f.
In der dritten Abhandlung des II, Bandes werden einige im Distrikt des
Schwarzen Meeres meistens in Jekaterinodar von Mitrofan Dykariv ge-
sammelten Märchen und Anekdoten veröffentlicht (8. 1—29), angefügt
sind verschiedene Bemerkungen und Parallelen (8.30—43), and ein Verzeich-
niss der darin vorkommenden Motive (S. 44 — 5l|^ Die Texte sind treu im
Dialekte wiedergegeben und durchwegs accentuirt. Den Dialekt charakteri-
sirt am meisten der Uebergang des unbetonten einu: nxpHBEs^, HHcrä, nju-
cTu, 1. pl. praes. 6fKiDi, bösbmhm; Hau^vHHO u. a., doch findet man daneben
auch e: z. B. 8. 18 chjiö und cejuö, 8. 18 nix BHp6ÖH> und na B6p6iix; e scheint
sich nur im Auslaut zu erhalten : gen. sg. u6ue, c66e, praes. 3. sg. 6^X0» rx^e,
G. Poliyka, Ethnogr. Pablio. der Seyoenko-GeBellBohaft I— V. 289
R4xe, BAözHe, cn&CHe, fape n. a., wo auch fttr anbetonteB u ein e gesprochen
wird: no6ave S. 12 (aber öivHiB S. 15), npHZÖAe, npHHÖce S. 22 n. a.
Die wichtigeren Märchen wollen wir nun hervorheben.
Nr. 1. Wessen Gott ist Slter, der unsere oder der jüdische?
Nr. 4. Jesus und Mohamed stritten, wer ein grösseres Wunder bewirkt.
Mohamed will Jesum hintergehen, lässt auf zwei bis drei Stellen Schläuche
mit Wasser yergraben und mit Steinen bedecken. Er hoffte so Wasser aus
der Erde mit seinem eisernen Stock heryorspringen zu lassen. Auf einmal
jedoch kam ein Schwein und wiihlte diese Schläuche aus der Erde heraus.
Mohamed fing das Schwein beim Schweif und drehte den Schweif herum,
er verflucht das Schwein, Jesus aber die Stelle, an der er das Schwein fest-
hielt, seitdem ist der Schweif des Schweines so gedreht. In einer Variante
wird dieselbe Geschichte von einem christlichen Priester und einem Mullah
erzählt. Die Mohamedaner essen daher kein Schweinefleisch.
Nr. 5. Eain zornig auf Abel, weil er ihn vor dem blinden Vater Adam
Lfigen strafte, spiesst ihn auf die Heugabel auf; beide wurden daher am
Monde aufgestellt Im jÜiionscL HCTop.-«Edio.s. o6m. HOBOpocc. yhxb. III, S. 61
wird dasselbe von zwei ungenannten Brüdern erzählt
Nr. 6. Jesus und S.Peter warten, bis Jemand sie Über den Flnss hinüber-
führt Ein reicher Fuhrmann weist sie ab, ein armer Fuhrmann, trotzdem
sein Wagen stark beladen ist, nimmt sie auf. Peter kommt zu einem schmutzi-
gen Brunnen voll Schlangen — so wird es auf jener Welt dem reichen Fuhr-
mann ergehen, dann zu einem klaren, reinen, mit Blumen umwachsenen
Brunnen, Peter gefällt es hiebei so, dass er zwei Minuten, eigentlich aber
100 Jahre dort verblieb. — - Vgl. oben S. 270 zu rpHOTOHRo I, Nr. 210. In der
Legende aus Ostgalizten 2Btea i Gjobo 1894, H. 6, S. 353, Nr. 24 wird der arme
und brave Fuhrmann bestraft, wie in der weitverbreiteten Legende die arme
Wittwe.
Nr. 7. Dieselbe Legende, wie auf die Bitte S. Peter*s die Weiber als
Herrinnen eingesetzt werden, wie Archiv XIX, S. 265, Nr. 4 ; Ao6poBOACRÜi
I, S. 291 f., Nr. 62. GyimoBi CoBpeic. Mazopyc aiHorpaftis S. 98.
Nr. 8. Jesus mit S. Peter und noch einem Apostel Übernachten in einer
Schänke, Peter immer geprügelt Vgl. Dobsinsk^ H. 4, S. 57, Slovenskö
PohPady 1896, S. 210. Fr. Erauss 11, Nr. 60, Dowojna Sylwestrowicz I, 47 f.
Nr. 9. S. Peter erschuf die Kosaken aus Lehm, und die Soldaten aus
Graupenmehl. Während Peter mit den Kosaken sich beschäftigte, frass ein
Hund die Soldaten auf. Peter schlug den Hund, der seh. . . . aus Schrecken
mehr Soldaten, als er aufgefressen etc.
Nr. 11. rpHTopiä no6iAOHoc6KB, wohl statt des heil. Georg, wie in Nr. 12,
Herr über die Wölfe. In anderen kleinrnss. Märchen wird der heil. Peter ge-
nannt. GymtoBrb GoBpOM. Majiop. arHorp. S. 103.
Nr. 12. Ein Jäger kommt mit seinem Hunde in eine HOhle, wo in der
Mitte von Bären, Füchsen und meistens Wölfen der heil. Georg sass; dieser
fordert den Jäger auf, seinen Hund zu tödten, denn er mordete ihm schon eine
Unmasse von Thieren. Der Jäger schlägt es ab, erst nachdem ihm mit dem
Tode gedroht wird, tödtet er den Hund. Vgl. Ao6poBaacKi& I, S. 137 f., Nr. 69.
▲leklT fftr •Ufieolie Philologi«. ZU. 19
290 Kritischer Anseiger.
Nr. 13. Die Tochter flieht vor ihrem Vater (einem Priester), der sie vu
Frau will. Eb findet sie Ivan, der Prinz von Bussland, sie verschwieg ihm
ihren Namen und ihre Abkunft. Erst nachdem sie einen Knaben geboren, ge-
stand sie alles. Der Vater zur Taufe gebeten; tOdtet das Kind, steckt das
blutige Messer der Tochter in die Tasche u. s. f. Aehnlich Vouxaovh III,
S. 66 f. Verjagt in den Wald mit dem an ihre Brüste angebundenen Leich-
nam ihres Kindes. Dort sieht sie einmal, wie eine alte Schlange ihr todtes
Junge wieder lebendig macht durch ein Gras: sie berührt damit die Fesseln
auf ihrer Hand: die fallen ab, die Wunden des Kindes heilen, es wird
lebendig. Vgl. drHorpa*. Otop. XI, S. 11 f. Wisia 1894, S.798. Kolberg, Lud
VIII,S.117. Dowojna Sylwestrowicz 1, 383. Kulda m, S. 222. KresV(1885),
S. 31. ByK Gt. Kapamih Nr. 27. Fr. S. Krauss 11, Nr. 139. &apkarev, Göopsm
IX, S. 300, Nr. 162. — Ihr Sohn wächst rasch heran, wie der Biese, der viele
Jahre mit der Muttermilch genährt wurde, tOdtet fünf Drachen und befreit
dann die ihm von S. Nicolaus gezeigte Braut, die vom Teufel auf einer hun-
dertjährigen Eiche gefangen gehalten wird.
Nr. 14. Ein Soldat begrüsst die Todten am Ostersonntage, trägt ihnen
Ostereier. Einmal las er den Psalter über einer Leiche, einem Zauberer; be-
freite sich von ihm dadurch, dass er ihn mit dem Psalter auf den Kopf schlug.
Nr. 15. Der Zigeuner und der Draohe. Aehnlich wie sonst mit dem
Teufel oder Biesen, aus einem Stein Wasser, wer stärker pfeift u. s. f. Vgl.
nioHE'B Nr. 55, 56, 57, 138. Pys^eHRo I, S.61f., 63 f., 68f. AeaHac&eBBV,S.121.
Dowojna Sylwestrowicz 1,467. TpoK^aEXi JhkTumcBist ceasrh Nr. 50, 51. Wiad.
antropol. kraj. V, Abth. 3, S. 220 ; XV, Abth. 3, 3. 22 f. ; XVI, S. 6, Nr. 9.
Glinski III, 196 f. u. a. m. GöopH. icaTcp. EasKas. XIII, S. 28.
Nr. 16. Der Bauer, der von ihm von Hunden befreite Wolf und der
Fuchs. Vgl. Archiv XXI, 267 zu PpüH^eHKo Nr. 154. B. Basset, Contes popul.
herberes Nr. 3, S. 7 f., 134 f.
Nr. 25. Die bekannte Diebeslist, zuerst ein Schuh weggeworfen, dann
der andere, der Bauer läuft um den ersten Schuh zurück etc.
Nr. 26. Wegen Geld kommen die Menschen ins Verderben. Die verbrei-
tete Geschichte von den beiden einander wegen des Geldes vergiftenden
Strolchen. Vgl. GasoBHHROBi Nr. 89. Ben6 Basset, Contes pop. berböres
Nr. 52, S. 202.
Bd. III (S. XX + 236) und IV (S. VDI + 254) enthält die von H. Volo-
dymyrHnatjuk gesammelten Ethnographischen Materialien aus den russi-
schen Districten Nord-Ungarns, aus den Gomitaten Marmarosch, Bereg, Ung-
var, theilweise auch Ugocsa und Zemplin: Legenden, Erzählungen, Märchen,
Fabeln u. ä. Es wird in diesen zwei Bänden wie dem Sprachforscher so dem
Ethnographen ein gleich werthvoUes und überaus reichhaltiges Material vor-
gelegt, und zw^r aus einer Gegend, der die Wissenschaft erst in der neuesten
Zeit regere Aufmerksamkeit zuzuwenden beginnt. Auf der Grundlage dieses
Materials wird es uns erst ermöglicht, tiefer in die kleinrussischen Dialecte
Nord-Ungarns einzudringen. Der Herausgeber dieser Sammlung unterscheidet
drei grössere Dialectgruppen nach der Aussprache des ursprünglichen o in
der geschlossenen Silbe (vgl. den Aufsatz des H. iatkovyo im ETHorp. 3<UpH.
G. Poliyka, Ethnogr. Pablic der SeYoenko-GesellBoliaft I— V. 291
n): t an den Grenzen von Galizien und der Bnkovina, u in den sttdlioheren»
an das rumänische und magyarische Sprachgebiet angrenzenden Gegenden,
und ü zwischen diesen beiden Dialecten (der Hg. bezeichnet den Laut mit 0 •:
niSn, obgleich ü zn seiner streng phonetischen Graphik sich etwa besser eignen
würde). Daneben werden noch zwei andere Dialeote erwähnt, einer, wo für o
ein hartes t {y) lautet, im Com. Szepes, und ein anderer, wo o erhalten
blieb. Es wird auch noch ein »slovakisirter« kleinrussischer Dialect er-
wähnt, der im westlichen Theile von Zemplin, in Saros, AbanJ, Bihar ge-
sprochen wird, ebenso in den »ruthenischen« Kolonien in der Bacska und in
Syrmien. Zur Entscheidung dieser Fragen bedürfen wir reicheres Material.
Vgl. übrigens die Bemerkungen von Prof. Pastmek Listy Filolog. XXV, 151,
N&rodopisny Sbomik oslov. III, 65. — Ein ganz reiner Dialect wird nach der
Bemerkung des Hsg. sehr selten gefunden, meistens findet man gegenseitige
Dnrchdringong einzelner dialectischerEigenthümlichkeiten, und daher treten
auch in den Erzählungen derselben Personen verschiedene sprachliche |Er-
scheinungen nebeneinander auf. So finden wir nebeneinander dn und d mit n
asslmilirt: röAHH und roHHx III, 62, y Msjlo und f u:khbo III, 104, BMAMOxösHe
IV, 134 neben yAMO.iöAHe IV, 135; ebenso neben bn und mn : HznoTpiÖHEu IV,
215 und HsnorpiMEHU ib.; co aceHÖKy und ic cBÖ&oy xohöj^ III, 85; kcihhh
neben kphct^hh IV, 168; S.pLpraes. zöxBaTB und JLhf6jn>&T IV, 133, 8aMli4yT&
IV, 134, sBiAyyr IV, 135, sHSBai ib., Käsyr ib., in der 3. sg. praes. daneben
bloss t: iHTax IV. 133, pöAux, chht IV, 134 u. a. Ohne auf andere nicht we-
niger interessante sprachliche Eigenthümlichkeiten näher einzugehen, wollen
wir nur noch auf den übergrossen Einfluss der magyarischen Sprache hin-
weisen. Besonders in lexicalischer Hinsicht ist er sehr gross, so dass diese Mär-
ehen erst durch das vom Hsg. beigegebene Verzeichniss der ung.-mssischen
Local-Ausdrücke (IV, 234 — 251) dem des Magyarischen unkundigen Leser
zugänglich werden. Heimische Bezeichnungen von Sachen, die im alltäg-
lichen Gebrauche sind, treten vor neueren, magyarischen zurück, alte slav.
WOrter werden von den Magyaren in magyarischer Umschmiedung zurück-
genommen: cepöBva, davon neugebildet adj. cepeE^jibiiu, gHpHHxa, nöpoHLV,
rH]assK6ik6a, {poL j^dza, kaflchub.ytz<i) ; 6apaTÖj^ciBo; mit dem magyar. Suffix
CTÖJLGm, crojLkm, MHacaponz u. a. Der magyarische Einfluss äussert sich in den
Märchen natürlich in jeder Hinsicht als das höhere Element sowohl social wie
cultnrell: die Gescheidtheit des alten Hundes kann nicht bezeichnender her-
vorgehoben werden als durch die Bemerkung, dass er sogar magyarisch er-
lernte und so verstand, was seine Herren unter sich sprachen (IV, 167). Die
Drachen, welche Sonne und Mond wegtrugen, fluchen wie vollblütige Magya-
ren. — Ziemlich stark äussert sich auch der deutsche Einfluss hauptsächlich
in Folge des Soldatenlebens. —
Ueber den Werth dieser Märchensammlung für die vergleichende Mär-
chenkunde ist nicht nothwendig weitläufig zu sprechen. Besonders interessant
ist, wie die alten ziemlich stark erhaltenen mytholog. Elemente in den Märchen,
Legenden mit modernen Vorstellungen und Begriffen vermischt und zersetzt
sind. Das in den letzten Jahren so erschrecklich grassirende Auswanderungs-
fieber äussert sich in nicht geringem Masse; wo immer von einem fernen Lande
19*
292 Kritifloher Anzeiger.
erzählt wird, wird Amerika genannt, als Beispiel eines besonders heissen
Landes wird Brasilien angeftthrt. Eine grosse Rolle spielt in dem Leben der
alten Helden das Eafifeehaus (KaBeuras), der Kellner (RilnHHp)' belehrt den
Helden ; statt einer Prinzessin wird ans der Gewalt des Drachen eine kiaa^
aonka befreit Den Söhnen des Zaren seqnestrirt der Jude seine Pferde
(IV, 65). Der Jude spekulirt (znnHRyjnyiin) immerfort, wie er von dem
Bussen leben kann (IV, 82) u. a. m. Neben allgemein verbreiteten alten Mär-
chen finden wir auch neue Erzählungen, die uns zeigen, wie hente noch neue
Erzählungen erfunden werden, respective in das Volk eindringen. Wir wollen
hier besonders auf die unten erwähnte vom Phonographen verweisen. Der
Hsg. führte bei jeder Nr. zahlreiche bibliographische Verzeichnisse slavischer
und fremdsprachiger Varianten an. Im Folgenden wollen wir noch auf einige
andere vom Hsg. nicht erwähnte Varianten hinweisen.
I. Legenden. S. 1 — 24.
Nr. 1, S. 1 f. Von der Erschaffung der Welt. Adam hatte ursprünglich
am ganzen Körper eine Hornhaut, deren Reste sich dann nur an den Nägeln
erhielten. Vgl. AoöpobojibcrIh Cmojc.Gö. I, 236 sl. Nr. 16, 19. Federowski Lud
bialoruski I, 201 . G6opH. mhh. II, Abth. 3, S. 162. ^ Vom Adamsapfel. Vgl.
Federowski I, 206, ÄTaHac. HHKOjHh Cp6. nap. npsnoB. I, S. 75. Göopa. mhh.
XI, Abth. 3, S. 98. — Von Adams Kopf nach der Sintfluth, die bekannte apo-
kryphische Legende.
Nr. 2, S. 3 f. Der Kampf des Erzengel Michael mit Lucifer.
Nr. 3, S. 5 f. Von Noe, wie er die Arche baut, der Teufel erfindet
Branntwein, macht Noe trunken. Vgl. Archiv XXI, 288.
Nr. 4, S. 7. Von Lot und seinem Weibe. Christus und Set. Peter suchte
mit einer Laterne in der Hand wie Diogenes in einer Stadt bei Tag einen
Menschen, bis sie Lot und sein Weib fanden.
Nr. 5, S. 7 f. Von Sodom und Gromorrha.
Nr. 6, S. 13 f. Von Joseph in Egypten.
Nr. 7, S. 16 f. Juden und Zigeuner unter Moses und Pharaon. Zigeuner
waren die Egypter und Pharaon ihr König. Nach ihrem Untergang wurde
das Zigeunergeschlecht aus der Verbindung eines Zigeunerweibes mit dem
Teufel geboren.
Nr. 8, S. 19 f. Von Samson.
Nr. 9, S. 21 f. Von David, als er den Psalter schrieb. Aehnlich C6opH.
MHH. I, Abth. 3, S. 108.
Nr. 10, S. 22 f. Salomon als Kind, Knabe und Kaiser. Die Königin von
Saba ist hier eine christliche Königin in Amerika und fahrt zu Salomon per
Dampfschiff. Neben ihr herrschte dorten der Teufel und zwar über die
Männerwelt, während das weibliche Geschlecht der Königin von Saba unter-
than war. Der Teufel wurde überlistet und zu Salomon gebracht, überlistete
dann aber selbst Salomon und vertrieb ihn.
Nr. 11, S. 29 f. Salomon von Kindesjahren an bis zum Tode. Hierin
auch die Legende, wie Adam dem Teufel die ganze Welt verkaufte, wie
Jesus dann Adams Schrift der Hölle entriss etc.
Nr. 12, 13, S. 37 f. Salomon und sein untreues Weib. In Nr. 13 anstatt
G. Poliyka, Ethnogr. Pablic. der Sevoenko-GesellBchaft I—V. 293
Salomon ist Josef »der Schöne«. Mit der alten Erzählung hat Nr. 13 gemein
das alte Motiv, wie anf die Trompetenstösse des nnter dem Galgen stehenden
Herrn das im Wald verborgene Heer zu Hilfe eilt. Am Anfange der Erzäh-
lung finden wir das weitverbreitete Motiv von dem Bilde der Schönen, in
welches sich der Prinz verliebt.
Nr. 14, S.47f. Die Tenfel von Salomon in ein Fass gefangen und dieses
nnter dem Altar vergraben. Es befreit sie ein Teufel, den Salomon ver-
gessen hatte, indem er dem Priester vorspiegelte, es wäre dort ein Schatz
verborgen.
Nr. 15, S. 49. Salomon schlichtet den Streit zwischen Bettlern; das
Füllen unter einem Wagen gefunden, wem gehört es. Ein sehr verbreitetes
Motiv besonders in den Erzählungen vom weisen Mädchen oder weisen
Knaben.
Nr. 16, 17, S. 49 f. Vom Propheten Jonas.
Nr. 18, S. 51. »Von der Prophetin Annas <!• ^' eigentlich die Geschichte
des hl. Kreuzes.
Nr. 19. »Die Mutter Gottes und ihre Dienerin«, d. i. Marie warst du in
der Kammer? Grimm KHM. Nr. 3.
Nr. 20. Wie Gott unter die Völker ihr Schicksal vertheilte. Vgl. ByK
Gie«. KapaoHh Gpn. Hap. npHnoB. S. 282 f., Nr. 5. (XopH. mhh. I, 3, S. 124.
Nr. 22, 23, S.56f. Christus, Petr. und Paul dreschen. Vgl. Archiv XIX,
261, Nr. 216. AotfpoBOKBCKiH Gmojc. G6. I, S. 307.
Nr. 24, S. 59 f. Christus als Arzt, der Jude will nach seinem Beispiel
heilen. Vgl. Zs. österr. Vk. ü, 224 »Bruder Lustig«.
Nr. 25, S. 62. Christus mit S. Peter bei der Ueberfuhr. Vgl. oben S. 289
Nr. 6.
Nr. 26, S. 63. S. Peter in der Branntweinstube, wo die Teufel den
Branntwein brannten. Ein Teufel fiel in das Fass, die anderen fingen an zu
schreien, dass er verbrannte (sropi^), seitdem heisst er Branntwein 8(r)opiyEa.
Nr. 27, S. 64 f. Christus schnitt dem Pferde die Füsse ab, die er be-
schlagen sollte, und setzte sie ihm wieder an. Der Schmied wollte es ihm
nachmachen. Vgl. C. Lid V, 285. R. Köhler Klein. Schrift. I, 182.
Nr. 28, S. 65 f. S. Peter wollte, dass das Weib dem Manne befehlen
sollte, und erkannte dann an seiner Person selbst die Vorzüge der Weiber-
herrschaft. Vgl. oben S. 289 Nr. 7. Federowski Lud bialoruski I, Nr. 20.
Peter ist immer geprügelt, ob er vor oder hinter Christus liegt. Vgl. Archiv
XIX, 261 Nr. 276; 265 Nr. 4. ^o^poBOJicRiK I, 307. Dobsinskij Sloven. pov.
IV, 57; Slovensk^ Pohl'ady 1896, 210. JleTonHC BiaTHite cpncKe 148 (1887),
S. 141. SwiQtek Lud nadrabski 327. Mater, antrop.-archeol. i etnograf. III,
Abth. 2, S. 151 f. Peter geht ins Gasthaus, obgleich Christus ihn warnt, und
wird dort geprügelt.
Nr. 29, S. 67 f. Dasselbe wie in Nr. 28 . Ausserdem die von Goethe be-
arbeitete Legende vom Hufeisen, vgl. Goethe Jahrbuch XIX, 307 f. Weiter
von der Entstehung der Pilze aus dem von Peter ausgespuckten Kuchen.
Vgl. Wi^ J895, S. 102 f Lud II, 19 f. Zbiör wiad. antrop. XQI, Abth. 3,
294 KrltiBoher Anseiger.
S. 76. b. Lid V, 284. XmtM Oiapna II, 1, S.95. Polaozek Wiei Bndawa 91.
— S. 70 f. Die bekannte Legende yon Jndas.
Nr. 30, S. 73 f. Christas yerheirathet einen Bnssen, bei dem sie über
Naolit waren, mit einem wunderschönen MSdchen. Der König wünscht sie zn
besitzen, legt dem Bussen schwere Aufgaben auf; der löst sie mit Hilfe sei-
nes WeibeSi das yon überirdischer Abkunft ist Vgl. Archiv XIX, 261, Nr. 222;
S. 265, Nr. 7. AeaHac&eBi Pyc. Hap. cr.8 n, Nr. 122 a— d, 123, 124, 178, 179.
Dowojna Sylwestrowicz 1, 70, n, 372. Jones & Kropf Magyar Folk Tales 18 f.
Nr. 31, S. 76 f. Christus ist mit S.Peter zu Gast bei einer armen Wittwe,
segnet den yon ihr aus Koth gekneteten, mit Asche bestreuten Kuchen, wo-
mit der Hunger ihrer drei Söhne gestillt werden soll. Vgl. G6opH. mkh. n, 3,
S. 201 ; jQEy^a 1896 (H), S. 84 f. Den drei Knaben schenkt Christas auf ihren
Wunsch eine Mühle, ein Gasthaus und eine Wirthschaft, nachdem sie yer-
sprechen hatten, den Armen gegenüber Barmherzigkeit zu üben. Als Christus
nach einigen Jahren sie aufsuchte, wurde er nur von dem dritten, dem Bauern
bewirthet; ja dieser opfert ihm sogar sein Kind, und mit dessen Blut die
Wunde am Fusse des Gastes heilen zu können. Vgl. Zs. österr. Vk. 1, 188,
Nr. 9. nianKapeB'B G6opH. nap. ynoTSop. IX, 373. B. Basset Nouy. Contes ber-
böresNr. 81.
Nr. 32, 8. 80. Dem Teufel yerschreibt sich ein Soldat, wenn er ihn mit
der kaiserlichen Prinzessin yerheirathet Vgl. Sebillot Cent pop. de la H.
Bret I, 270. Er bespuckt den Gekreuzigten und yemeigt sich yor der
Schlange. Vgl. ib. II, 284 f.
Nr. 33, S. 82 f. Die Legende yon Placidus-£ustach. Vgl. GKopu. mxe.
XIV, Abth. 3, S. 128 f. CöopH. Maiep. KasRas. XVIII, Abth. 3, S. 166 f. M.
Lidzbarski Gesch. neuaram. Hss. 108 f., 195 f.
Nr. 34, 35, 36. Ist es besser in der Jugend oder im Alter Unglück zu
leiden, »Steine zu nagen«? Vgl. Archiy XIX, S. 254, Nr. 76. AoöpoBojacRlu I,
530 f. mamcapeB'B GöopH. nap. ynoTBop. IX, Nr. 1 02, S. 300.
Nr. 37, S. 104 f. In einer Hütte wird das Glück den neugeborenen Kin-
dern ertheilt. Der Unglückliche bekommt dort den Bath, ein Mädchen reich
gewordener, glücklicher Leute zu heirathen, doch darf er nie sagen, dass das
Vermögen ihm gehört. Vgl. Archiy V, 74, Nr. 56. B. Köhler Kleinere Schrif-
ten I, 465 f. Dowojna Sylwestrowicz I, 2 f. Ck(opE. mhh. VHI, Abth. 3, S. 176 f.
Nr. 38, S. 105 f. Ein armer Seiler bekam eine gewisse Summe Geld, die
war ihm nichts nütze ; er wurde erst reich, als er einen glücklichen Kreuzer
bekam. Vgl. Archiy XXI, 280, Nr. 131. Jones & Kropf Magyar Folk Tales
22 f. Klimo Cent et 16g. de Hongrie 232 f.
Nr. 39, S. 108 f. Das Glück des reichen Bruders sammelt auf dem Felde
Aehren zusammen, das Glück des armen Bruders sitzt auf dem Geldfass in
der BSuberhöhle. Der arme Mann sucht es auf und trägt mit dessen Hilfe
Schätze aus der Bänberhöhle weg. Die Erzählung yon Alibaba und den 40
Bäubem ist hier also modificirt. Vgl. Archiy XVn, 575. TpeKJiaiurB JLxnd-
mcBiR CK. 327, Nr. 185. Sbomik mus. sloy. spol. 1, 168. Bronisch E^aschub.
Dialectstudien U, 40 f. nianKapeB'B G6opH. aap. yMoxBop. IX, 327, Nr. 185.
Nr. 43, 44, S. 114 f. Der yon Gott yerbannte Engel im Dienste eines
6. PolivkA, Ethnogr. Pablie. der äeySenko-Gesellschaft I—V. 295
GetotliohoiL Vgl. Archiv XXI, 261: Zur 4. Studie des Prof. Samcov. Federow-
8ki Lud biatoniski S. 140, Nr. 366; S. 230, Nr. 1093. Wii^a 1895, S. 118 f.
Nr. 47, S. 12 f. Von Madej, d. i. dem reuigen Räuber. Vgl. Archiv XIX,
245, Nr. 21. Oesky Lid V, 55, Ifateryjaly antropol.-archeol. i etnograf. n,
Abth. n, S. 98 f, G6opH. Maiep. KaBxaa. XVI, Abtk. 1, S. 201 f. Kocia PHCTHh
H B. JEoH^apcKH GpucRC Hap. upimoB. Nr. 2. Mijat Stojanoyiö Packe pripo-
yiedke 37 f. Jones & Kropf Magyar Folk Tales Nr. 2.
n. Erzählungen (Novellen). S. 125—234. Der Pfaffe itn Dom. Der Hirt
hält eine Weide, dass sie nicht umfUllt. Der Richter und Notar halten sie
statt seiner, wenn er ihre Pferde beschlägt. Befreit eine Braut, die gegen
ihren Willen zur Hochzeit geführt wird. In ihre Kleider gekleidet, nimmt er
ihre Stelle ein. In der Nacht entwischt er aus dem Ehebett und bindet einen
Widder an den Strick an, den der Bräutigam hält. Er flüchtet zu einem
Müller, sagt, dass ihn Teufel verfolgen, weil er schlecht misst; der Müller
flieht und ertrinkt. Der Hirt an des Müllers Stelle, die Hochzeitsgäste kom-
men hin, glauben es sei der Müller. Er fUhrt nun mit ihnen einen noch grö-
beren Scherz auf.
Nr. 2, S. 130 f. Das dumme Weib wechselt den gefundenen Schatz gegen
Töpfe ein. Vgl. G6opH. msh. XI, Abth. 3, S. 105. IHanKapeB'B G6opH. Hap.yMOTBop.
IX, 450, Nr. 261. R. Köhler Kleinere Schriften I, 71. Das auf das Frühjahr
aufgehobene Selchfleisch gab sie einem Manne, Namens Frühjahr (»Yesna«).
Vgl. R.. Köhler Kleinere Schriften I, 66, 341. Frey's Gartengesellschaft hsg.
von J. Holte Nr. 61. Glasnik slovenski 1864, X, S. 288. Viclavek Valassk^
poh. a pov. II, 43 f., Nr. 6. GyHi^OBi PaaucKaBlA vh o6jacTH aHeKXox. jiHTep.
147 f. — Der Sohn geht in die Welt, noch dümmere Leute zu suchen ; kommt
zu einer Jüdin, und spiegelt ihr vor, dass er aus der andern Welt komme und
ihr Nachrichten von ihrem seligen Mann bringe. Vgl GyM^oB■B op. c. 51 f.
Jacob's English Fairy Tales Nr. 8. Öesky Lid V, 459. Byn Gr. Kapa^inh Opa.
Hap. npMnoB. Nr. 28. Kolberg Lud VIU, 221. G6opH. Maiep. KaBRas. XIX,
Abth. 3, S. 33 f.
Nr. 3, 4, S. 133 f. Der dumme Pfarrer und sein Knecht: wer sich zuerst
ärgert, dem werden die Riemen aus dem Rücken geschunden. Vgl. Archiv
XVI, 318, Nr. 6. R. Köhler Kleinere Schriften 1, 149 f. Materyjaly antropol.-
archeol. i etnograf. II, Abth. 2, S. 38, 92 f., 96 f. H. 6. GyMi^oBi Btioali o Hy-
mKHHi y, 53. G6opH. Maiep. KaBKas. XII, 123 f. Zbiör wiad. antrop. IX, Abth. 3,
S. 152 f., Nr. 32, 33. Kolberg Lud VHI, 189 f. Kres IV (1884), S, 32 f. Göopu.
MHH. III, Abth. 3, S. 242 f.
Nr. 5, 6, S. 138 f. Besonders nahe den klein- und weissrussischen Ver-
sionen von Doctor Alwissend. Vgl. meinen Aufsatz in der Wisla XI, 62 f.
Nr. 7, S. 145 f. Der Bauer brachte die traurige Prinzessin zum Lachen.
Als Belohnung erbat er sich 300 Schläge : die vertheilte er theilweise unter
die Dienerschaft des Königs, das letzte Drittel verkaufte er einem Juden.
Vgl. Archiv XXI, 288 zu EiHorp. 36ipH. II, 2, S .37. Göopn. MaT. KaBKas. XVIII,
Abth. 3, S. 32 f. Mater antrop.-archeol. i etnograf. III, Abth. 2, S. 152 f. Mali-
nowski Powietoi ludu pol. w l^l^ku I, 20 f.
Nr. 11, S. 151 f. Der Pfarrer buhlt bei einer Bäuerin, ein Zigeuner
296 Kritischer Anaeiger.
Bohleicht sich unbemerkt hinein nnd versteckt sich unter das Bett : Der Bauer
überrascht sie, der Pfarrer kriecht unter das Bett, mnss dem Zigeuner nach
und nach alle seine Kleider geben. Der Zigeuner geht dann hinaus, kehrt als
Pfarrer zurück, bietet sich an, den Unreinen, der sein Weib quält, zu ver-
treiben ; brüht den Pfarrer mit siedendem Wasser ab. Vgl. Materyjaly antro-
pol.-aroheol. i etnograf. II, Abth. 2, S. 50 f. B. Köhler Kleinere Schriften I,
386, Nr. 2.
Nr. 12, 13, 14, S. 155 f. Der Mann fand einen Schatz und sein einfältiges
Weib. Vgl. Archiv XIX, 255, Nr. 87—90. G6opH. scaTop. KasKas. XIV, Abth. 2,
S. 192 f.; XV, S. 187 f. MateryjiOy antrop.-archeol. i etnograf. II, Abth. 2,
S. 67 f., Nr. 37, GynuoBX PasLiCRaEl« bx o6ji. aneRAOT. arorep. 83 f. B. Köhler
Kleinere Schriften I, 342. In Nr.. 12 ging der Mann eigentlich zum Herrn sein
Geld zu stehlen, wie bei Aoöpobojklcküc I, 355 f., Nr. 9.
Nr. 15, 16, S. 163 f. Von den drei Bathschlägen, der dritte: übernachte
nicht, wo ein junges Weib und ein alter Wirth ist. Vgl. Archiv XIX, 257,
Nr. 112. nianKapeB'B G6opHHK'L IX, 344 f., 481 f. CtfopHERi Maxep. KasRas. XVIII,
Abth. 3, S. 91 f.; XIX, Abth. 2, S. 148 f.; XXI, Abth. 2, S. 104 f., OcTpoyxoBX
Gapxu II, 139 f.
Nr. 17, S. 170. »Thue, was du willst, aber bedenke das Ende«. Diesen
Bathschlag kauft der Kaiser. Nach Hause zurückgekehrt, bewillkommnete
er mit diesen Worten seinen Baseur, der ihn ermorden sollte.
Nr. 1 8, S. 1 72 f. Eine sehr interessante Erzählung vom Phonograph : dieser
absolvirt den Gottesdienst an Stelle des Priesters. Diese Maschine wurde
dann dem Kaiser gebracht; ein Journalist sagt einem Bleche, dass alle grosse
Gehalte haben, nur er Elend leiden mnss, und steckt dieses Blech in die Ma-
schine. In Anwesenheit aller Herrschaften vor dem E^aiser wurden diese
Worte gehört
Nr. 24, S. 182 f. Ein Busse ass einmal zwei Eier, der Jude zählte ihm
nach einigen Jahren eine grosse Schuld auf. Vgl. Slovensk6 PohPady 1896,
S. 261. Dowojna Sylwestrowicz I, 470. Väclavek Valasskö pohidy 1898,
S. 40 f.
Nr. 26, S. 186 f. Eine stolze Prinzessin wies den Bewerber, einen könig-
lichen Prinzen, ab ; wurde dann von ihm grausam gedemUthigt. Vgl. Archiv
XIX, 243, Nr. 1.
Nr. 27, S. 184 f. Ein König verspricht seine Tochter demjenigen, der zu
Pferde kommt und nicht zu Pferde, angezogen und nicht angezogen, ein Ge-
schenk bringt und kein Geschenk. Die Prinzessin ist dann als verheirathete
Frau sehr träge, bis der Mann sie aus ihrer Trägheit heilt, indem er ihr nicht
satt zu essen gibt. Vgl. Dowojna Sylwestrowicz II, 410 f. u. a.
Nr. 28, 29, S. 191 f. Der Kaiser verirrte sich im Wald, der Soldat kommt
mit ihm zusammen und beide verirren sich in eine Bäuberhöhle ; der Kaiser
durch die List des Soldaten befreit Vgl. Archiv XVII, 582, Nr. 241, 242.
AeaHacBOBX Pyc. nap. ck. ' II, Nr. 197. /(oöpoBosBcidH I, 381 f.
Nr. 30, 31, 32, S. 195 f. »Meisterdieb«.
Nr. 33, S. 214 f. Juden angeführt: verkauft ihnen ein Silber seh ... .
G. Polivka, Ethnogr. Publie. der Sevcenko-Gesellschaft I— V. 297
Pferd; ein Bär als Kuhhirt, ein Wolf als Schäfer, ein Stock, der alte Weiber
verjüngt
Nr. 35, S. 226 f. »Das Urtheil des §emjaka«. Vgl. R. Köhler Kleinere
Schriften 1, 578. MaMsi GiapEHa V, 208 f. Zbiör wiad. antropol. XVJ, Abth. 2,
S«81f.
Nr. 36, S.229 f. Die erste Hälfte gleicht der vorhergehenden Erzählong.
Im zweiten Theile ist damit verknüpft die weit verbreitete Geschichte von
Recht und Unrecht, wie der Reiche den Hanger des Armen stillte, nachdem
er ihm beide Aagen genommen hatte. Vgl. Archiv XIX, 244, Nr. 6. Zs.dsterr.
Vk. II, 223, Nr. 19. (Mops. Maiep. KaBRas. XIX, Abth. 2, S. 104 f. R. Köhler
Kleinere Schriften 1, 465. Wisla XI, 266 f. KojaHOB-OcdftaHOBHh GpncKe nap.
npanoB. 198 f., Nr. 22. Jones & Kropf Magyar Folk Tales 36 f.
Bd. IV. I. Märchen. S. 1-161.
Nr. 1, S. 3 f. »Der Sohn des Barons in Amerika«. Ein ans den verschie-
densten Motiven zasammengeschweisstes Märchen: ein Magnetberg; Riesen-
Menschenfresser, ziemlich an die Sage von Polyphem erinnernd ; ein riesen-
grosses Ei, von welchem sie nicht wussten, ob es ein Hans oder ein Felsen
ist; ein riesengrosser Vogel, der Schatten wie Wolken wirft; die Brantleute
schwören, dass wer von beiden am Leben bleiben würde, sich mit dem ver-
storbenen Ehegespons eingraben lässt. Der mit der früh gestorbenen Frau
zusammen vergrabene Gemahl entflieht dann aus der Gruft und kehrt endlich
aus Amerika glücklich nach Hause zurück zu seiner Frau, welche er aus
Hang nach Abenteuern verlassen hatte.
Nr. 2, S. 12 f. Eine Robinsonade.
Nr. 3, S. 14 f. Ein Verschwender tritt in die Dienste des Teufels, nach-
dem er sein ganzes Hab und Gut vergeudet hatte. Der Teufel nähte ihn in
eine Pferdehaut ein, in dieser kam er auf einen grossen Berg, welcher voll
von Diamanten und Gold war. Diese soll er ihm in der Haut hinunterwerfen.
Auf dem Berge kam er zu einem Gynocephal ; dieser hatte ein menschliches
Auge und ein Auge wie ein grosses Gefäss ; er trat in seine Dienste. Der
Gynocephal sagt seinem Diener, wo er ein Weib finden konnte; zu einem
Brunnen fliegen vier Vögel — verwünschte Mädchen; der einen soll er ihre
Federn wegnehmen. Die junge Frau fand einst den Schlüssel vom Kästchen,
wo ihr Federkleid verborgen war, und entfloh sammt ihrem Kinde. Der Mann
sucht sie, und findet sie mit Hilfe der dankbaren Thiere, unter die er die
Beute vertheilt hatte. Vgl. AeanacBeB'B Hap. pyc. cr.8 I, 244, Nr. 97. Dowojna
Sylwestrowicz II, 355. Narod. pripov. v Soskih plan. 111,41. IHanRapesi
G6opHHR'B IX, 374 u. a. — Er verwandelt sich in eine Maus, einen Sperling,
einen Löwen, wenn er sich die Feder, das Haar unter die Zunge legt, vgl.
XjjssROVh BezKKOp. CK. 1, 16 f. Weryho Pod. tot. 105 f. AeanacLeBi Hap. pyc.
GR. 3 n, 144 u. a.
Nr. 4, S. 20 f. 24 Brüder suchen für sich 24 Schwestern zu freien. Vgl.
B. Köhler Kleinere Schriften I, 467. Lud II, 46 f. Swi^tek Lud nadrabski
337 f. JoBaH £. BoJHHOBHh Gpn. Hap. npHUOB. 46. AeanacBeBi Hap. pyc. cr.^ I,
Nr. 60. G6opH. Maxep. KaBxas. XIII, Abth. 2, S. 308 f. ; XIV, Abth. 2, S. 204 f. ;
XVIU, Abth« 1, S. 64 f. Jones & Kropf Magyar Folk Tales 262 f. Das aller-
298 Kritiseher Ansdger.
schlechteste Pferd soll der jttngste von den Brttdern sich als Belohnung fOr
die Dienste beim König auswählen. Vgl. AeaHacieBi ^ I, 302. PoMaEOBi in,
158. JoBan E. BoJHHOBHh 45. KojanoB GretaHOBah 146. Jones & Kropf Magyar
Folk Tales 157 u. a. m. Bis auf den jüngsten gehen alle Brttder sanunt ihrem
Vater auf Brautschau; werden vom Teufel nicht weitergelassep, weil sie
unter dem Baum, dessen Schatten sie genossen haben, nicht einen Kreuzer
zurückgelassen haben; sie versprechen dafUr dem Teufel ihren jüngsten
Bruder. Dem schenkt der Teufel das Leben, wenn er ihm das schöne Weib
eines stolzen Teufels hinter dem rothen Meere verscha£Et. £ine Brücke über
das Meer aus dem Haare des Wunder-Pferdes. Durch eine von den gewöhn-
lichen Versionen abweichende List bekommt der Held selbst die Schöne und
der Teufel kommt ums Leben.
Nr. b, S. 26 f. In einem grossen Fass sind etliche immer kleinere Fässer,
in dem letzten, wie eine Haselnuss kleinen Fässchen eine Karte, und auf der
ist aufgeschrieben »Krikus-Krakus«; wie der Name ausgesprochen wird, er-
scheint ein Teufel dieses Namens und ist dem Helden zu Diensten. Vgl.
Swi^tek Lud nadrabski 326. Pröhle M. f. d. Jugend 98. Stnmme Tunis M. II,
48. Der Teufel verschafft seinem Herrn eine reiche schöne Braut und löst die
von deren Vater auferlegten Aufgaben, erbaut einen Palast ; bethört dann
den Helden, indem er ihn um jene Karte bittet. Zum Sohluss aber wusste der
Held den Teufel zu überlisten, bemächtigte sich der Karte und ver-
schluckte sie.
Nr. 6, S. 30 f. Eine theilweise neue Version des Märchens Grimm 68.
(»Handeif nn sien Meestere). Vgl. meinen Aufsatz »MarBocHHR'BrL k aeroBainrB
yvoHHK'Bff im GöopHaKi mhh. XV, S. 393 f.
Nr. 7, S. 33 f. Jean de TOurs und seine Kameraden: 1) zerschlug Steine
und buk aus ihnen Kuchen, 2) machte aus Wald und Gras Stricke. Vgl.
R. Köhler Kleinere Schriften I, 543. AotfpoBoiicKiii I, 410. Federowski Lud
bialoruski 1, 132. Weryho Podania ]:otew. 18. Dowojna Syiwestrowicz 1, 6,
138, 354; II, 73. Wirfa XI, 295, 455. Kolberg Lud VIII, 76. Cesky Lid V, 80;
VI, 197. Kres VI (1886), 180. KojaHOB CrManoBEh Cpn. Hap. npimoB. 60. Mijat
Stojanoviö Pnoke pripov. 98. ATaHacHJe HuROjiHh Cp((cRe Hap. npiraoB. II, 131.
Ckk>pHHR-B Maxep. KaBKSs. XIV, Abth. 2, S. 128; XVIII, Abth. 3, S. 393; XXI,
Abth. 2, S. 1 f. OcTpoyMOB'L CapTu II, 143 f. — Aus dem Abgrunde trägt den
Helden hinauf ein Adler, dessen Jungen er vor einem feurigen Regen bewahrt
hat Vgl. Archiv XIX, 253, Nr. 53. ;io6po60JucRiH I, 509. Federowski Lud
bialoruski 1, 134. Dowojna Syiwestrowicz 1, 16, 225, 360. Zbiör wiad. antrop.
EX, Abth. 3, S. 99. Kolberg Lud III, 115. Jones & Kropf Magyar Folk Tales
249. Gaal M. Magyar. 101 f. u. a.
Nr. 8, S. 39 f. Von den drei nach Genuas eines Fisches geborenen Kna-
ben. Vgl. Archiv XIX, 253, Nr. 53. Sie gehen Sonne, Mond und Stern suchen,
welche drei Drachen geraubt haben. — Auf dem Rückwege kehrt der Held
bei der Schwiegermutter und den Frauen der getödteten Drachen ein, hört,
wie sie ihn und seine Kameraden bethören wollen. Vgl. Aeaaac&eB^ ^ 1, 157,
165, 168. Masacypa 136. PyjpieHKo II, 74. Materyjaly antropol-archeol. i et-
nograf. II, Abth. 2, S. 31. PoMaaoBi III, 115, 127. Ao6poBai&CKiK I, 408, 425,
6. Poliyk«, Ethnogr. Public der Sevoenko-QeBellsehaft I— Y. 299
430. XjnxKCfVhTL, 45. JSsauanmjk 172. Weryho Pod.iotew. 31. MeBsikMorav.
poh.apoy.61. Zbior wiad. antrop.IX, Abth. 3, S. 108. Jones & Kropf Magyar
Folk Tales 202. Dobainskf V, 47. . — Der Zauberin, der Schwiegermutter des
Drachen, kommt Lakcibrada zu Hilfe; der Held verspricht ihm eine Prin-
zessin zu verschaffen. Dem Helden helfen hiebe! der Fresser, Säufer, der
immer Frost Leidende, der Läufer und der scharfblickende Schütze. Vgl.
oben S. 268. PpinveHKo I, Nr. 165. Lakcibrada überlistet ihn wieder. Der
Held aber sucht ihn auf und erfahrt, wo dessen Kraft verborgen ist : beim
Brunnen steht ein Hirsch, in dem Hirsch ist ein Beh, im Reh ein Hase, im
Hasen eine Ente, in der Ente zwei Eier: wenn beide zerschlaigen werden, ist
er todt.
Nr. 10, S. 58 f. In der vom Kaiser erbauten Kirche fehlen Sonne und
Mond. Sie sind bei der Hyndiibaba im 77teii Land hinter dem rothen
Meer, hinter dem gläsernen Berg. Der Held zieht aus sie zu holen, und der
Kaiser verspricht ihm dafür die jüngste Prinzessin. Aehnlich Nr. 8, überwin-
det er drei Drachen, Söhne der Hyndüibaba u. s. f. Sie entfliehen glücklich, es
ereilt sie ein Zwerg, Namens Bukomnät, und entreisst ihm Sonne und
Mond; gibt sie ihm, wenn er ihm eine Prinzessin, die Tochter des Kaisers
Zlatokridlyk, verschafft. Dem Helden schliessen sich an der Hunger, der
Frost, der Scharfblickende und der Läufer.
Nr. 11, S. 62 f. In einem fremden Lande, Amerika, vertheilte eine Frau
verschiedene Wunderdinge: goldene Bimensamen, Tarrenkäppchen, einen
unsicJitbar machenden Mantel, einen Sattel, der an den gewünschten Ort ver*
setzt, dinen Säbel, der selbst in den Krieg zieht statt seines Herrn u. a., sagte
allen bei ihr zusammengekommenen Helden, dass sie alle Kaiser werden und
bestimmte ihnen ihre Länder. Einer von ihnen bekam das russische Land
und säete den Bimensamen aus, aus dem ein grosser goldener Birnbaum ent*
spross. Als seine drei Söhne heranwuchsen, gingen sie nacheinander um eine
Schöne, die beiden älteren bleiben im Wirthshaus, nur der jüngste erreicht
sein Ziel mit Hilfe eines Biesen, den er loskaufte von seinen Gläubigern.
Nr. 12, S. 70 f. Der alte kranke König schickt seine drei Söhne um Heil-
mittel (heilkräftiges Wasser) aus. Vgl. Zs. österr. Vk. II, 220, Nr. 6; III, 220.
G6opH. Maxep. KaBRas. XVIII, Abth. 3, 3. 44. Jones & Kropf Magyar Folk
Tales 288 f.
Nr. 13, S. 75 f. Ein König Ucht mit dem einen Auge, weint mit dem
andern. Seine drei Söhne Vyoyrja, Püünoonyk, Zorja frugen ihn nach dessen
Ursache. Kremnitz Bumän. M. 238. Jones & Kropf Magyar Folk Tales 60 f.
— Die Söhne ausgeschickt um ein heilkräftiges Wasser. — Gleiche Namen
führen die Prinzen bei AeaHacioB'B ^ l, 173. AxaHac. HmcojiEh II, 112.
Nr. 14, S. 81 f. »Zaubermühle, Goldwidder, Knüppel«. Vgl. Slovensk6
Pohrady 1896, 322 f. Mater, antrop.-archeol. i etnograf. II, Abth. 2, S. 79 f.
Ao6poBO^icKiH I, 597, 601. Zbiör wiadom. antrop. IX, Abth. 3, S. 84 f. C6opH.
au Hap. yMOTBop. IX, Abth. 3, S. 158 ; XI, Abth. 3, S. 126. Octpotmobi Gapru
II, 29. Jones & Kropf Magyar Folk Tales 161 f,
Nr. 15, S. 88 f. »Tischlein deck dich, Goldziege, Knüppel« bekam der
Arme vom Winde, der ihm seinen ausgesäeten Hafer vernichtete. Vgl. PyA-
300 Kritischer Anzeiger.
?6HRo n, Nr. 31. /(o6poBOjncRiä I, 585. PoMaHOFL III, 277, Nr. 52, 53. Federow-
ski Lud biaioras. I, 96, 161. Zbiör wiad. antrop. XYI, Abth. 2, S. 77. Ungar.
Revue VIII, 332. Slavia hida I, sv. 4, S. 14. Eres IV (1884), 451. Var. h. Ver-
naleken Oest. EHM. 235 f. u. a.
Nr. 16, S.92 f. Goldwidder, Tiscblein deck dich, Enttppel, bekommt der
Mann von Gk>tt, weil er sein Weib schlug.
Nr. 17, S. 96 f. Ein Schütze erschoss mit einer geweihten Engel einen
Drachen, und wurde dafür mit der Gabe belohnt, die Sprache der Thiere und
Bäume zu verstehen. Sein Weib will wissen, warum er lachte. Vgl. B. Basset
Nouv. contes berböres Nr. 108. AoÖpoboilckIu I, 354. AeaHacLeirB ' U, Nr. 139.
Polaczek Wie6 Budawa 102. Eres V, 28. manKapeB'B GöopHBRi IX, Nr. 168,
182. nsBicTljt o6m. apzeoji. hct. arsorp. KaaaH. XIY, 251. Mijat Stojanoviö
Puoke pripov. 239. dxHorpa». Odosp. 1897, H. 4, S. 125 f.
Nr. 18, S. 99 f. Aehnlich wie Nr. 17, nur dass der Mann diese Gabe von
dem Vater der Schlange erhielt, die er aus dem Feuer rettete. Vgl. G6opH.
MHH. XIII, Abth. 3, S. 212 u. a.
Nr. 19, S. 101 f. Das treulose Weib verwandelt ihren Mann in einen
Hund. Vgl. Archiv f. slav. Phil. XIX, 250, Nr. 22. ATanac. HEEO.i[Hh 11, 102 f.
G6opH. Haxep. EasRas. XII, 78 f.
Nr. 20, S. 106 f. Der Held entflieht aus den Diensten des Teufels mit
dessen Pferd, nachdem er das Pferd und sich mit dem goldenen Wasser be-
gossen hat Auf der Flucht zuerst der Striegel geworfen — daraus ein stei»
nemer und domiger Berg, dann die Pferdedecke — daraus ein Meer. Der
Held tritt ganz verkleidet in die Dienste eines EOnigs und antwortet auf alles
bloss nemtüdom, also magyarisch, darnach wird er auch Nemtddom genannt,
ähnlich bei AeaHacieB'L ^ II, Nr. 165 a,b heisst er HesHaKKo. Die Prinzessin
weist seinetwegen kaiserliche Bewerber ab. Vgl. Federowski Lud biaioruski
I, 113 f. AxaH. HEROKHh II, 133. Dowojna Sylwestrowicz I, 105; II, 22 u. a.
B. Eöhler Eleinere Schriften I, 330, 419. — Der Held hilft dann seinem
Schwiegervater gegen den Feind : er haut in einen Apfel, und es fällt aus
dem heraus das Heer des Teufels.
Nr. 21, S. 112. Von den sieben Baben. Vgl. Archiv XVII, 575, Nr. 95.
Eulda III, 98 f. Slavia fada I, H. 3, S. 15. VÄdavek Valasskö poh. a pov. II,
45 f. Bronisch Easchub. Dialectstudien n, 44 f. Urquell N. F. 1, 313. Dowojna
Sylwestrowicz II, 345. Tpeu.iaHA'B 172. Eres IV (1884), S. 352 f. Hiemit ver-
bunden das Märchen von Sneewittchen : Vgl. Archiv XVII, 573, Nr. 52. Mater,
antrop.-archeol. i etnograf. EL, Abth. 2, S. 70, 105. G6ophhk'b MaTep. KaBsas.
XV, 112. manKapeB'B G6opHHK'B nap. yMoxBop. IX, Nr. 231. H. GyMixoB'L 9te»xbi
0 üyniRiiH^ V, 59. Jones & Eropf Magyar Folk Tales 163. Dowojna Syl-
westrowicz I, 64, 175, 199; 11,247,309. — Verbunden ist auch noch das Motiv
vom Mädchen ohne Hände.
Nr. 22, S. 1 17 f. Ein Prinz nahm dasjenige Mädchen von drei Schwestern
zur Frau, die versprach, zwei silberhaarige Einder, einen Enaben und ein
Mädchen, zu gebären. Vgl. Archiv XIX, 251, Nr. 25. Es verfolgen sie hier
aber nicht etwa die neidischen Schwestern, sondern die Hebamme.
Nr. 23, S. 122 f. Ein Prinz veriiebt sich in das Bild der Schdnen. Vgl.
G. Polivka, Ethnogr. Public, der äevcenko-GeBellBchaft I— V. 301
EiHorpa*. 36ip]iine III, 43, Nr. 13. Weryho Pod. lot. 170. 0. Enoop, Y.S.
Hlnterpommem 204. ^tqb V (1885), 199. Jleromic mst. cpncRe Bd. 145, S. 106.
Hitsotakifl Griech. M. 113 f. OcTpoyicoB'L GapTu ü, 35, 83. lüaiiKapeFB G6op-
HHiTB IX, 392 n. a. — Der Prinz geht sie Buchen, sein Diener bethtfrt die Leute,
die sich um die Wunschdinge streiten (Elleid, Knüppel, Buch und Stiefel),
nimmt sie ihnen ab. Mit ihnen Idst der Diener die Aufgaben, die die 3chöne.
die Geliebte des Teufels, ihm auferlegt. Eb sind hier verschiedene Beminis-
cenzen aus anderen Märchen, besonders von der Prinzessin, die jede Nacht
zwOlf Paar Schuhe zerreisst.
Nr. 24, S. 125 f. Sehr ähnlich der Geschichte vom weisen Akir. Vgl.
Zbiör wiad. antrop. XVI, Abth. 2, S. 67. Dowojna Sylwestrowicz I, 452.
Jones & Kropf Magyar Folk Tales 118 f., 239 f. Klimo Gontes et legendes de
la Hongrie 187 f.
Nr. 25, S. 129 f. Vom Pathenkind des Kaisers. Der Diener zwingt den
Jfingling, ihn als das Pathenkind des Kaisers anzuerkennen, sich selbst als
dessen Diener auszugeben. Vgl. Arohiv XIX, S. 250, Nr. 24. Mater, antrop.
archeol. II, Abth. 2, S. 27 f. AoöpoBOSLcidu I, 473. IIIanKapeFL G6opEHm
IX, 401 f. CkiopH. MHH. III, Abth. 3, S. 222 f. KojaHOB Oce«aH0BEh Nn 7. Kres
V (1885), 87 f.
Nr. 26, S. 132 f. »Der reiche Marko und die Reise zur Sonne«. Vgl.
Archiv XVII, 573, Nr. 59. JloöpoBOjncRiH I, 293.. Dowojna Sylwestrowicz I, 53,
128, 348; 11, 108. Weryho Pod. iot 35. Cöops. Maiep. Kasicas. XIII, Abth. 2,
S.297; XIV, Abth. 2, S.178; XIX, Abth. 2, S.65. Hsb^ctIa o6m. apzeas.-KCTop.-
3THorp. EasaH. XIII, H.2. C6opH. mhh.VI, Abth. 3, S. 110; VII, Abth. 3, S.154f.,
175. JoBaH. E. BoJHHOBHh Gpn. nap. npEuoB. S. 102 f. Dozon Gont. albanais 97.
Andrews Contes ligures 248 f. Jacobs English Fairy Tales 190 f., Nr. 35 u.a.m.
Nr. 27, S. 137 f. Ganz gleich dem ukrajinischen Märchen in Mater,
antrop.-archeol. 11, Abth. 2, S. 116 f. Der ans dem Hause seines angehenden
Schwiegervaters vertriebene Jüngling bekommt von einem »Greise« im Walde
die Gabe, dass jeglicher Wunsch ihm erfüllt wird, und so bleibt einer am an-
dern fest hängen. Vgl. Archiv XIX, 255, Nr. 79. Federowski 1, 186 f., Nr. 687.
Jones & Kropf Magyar Folk Tales 14 f. JoBas E. BoJHHOBEh 109 f.
Nr. 28, S. 140 f. Der Teufel dient dem Armen, dem er sein Brod aufge-
gessen hat, Vgl. Archiv XXI, 275. Nr. 68, 69. Zs. Ost. Vk. II, 223, Nr. 17.
Nr. 29, S. 143 f. Der Arme kauft einen Menschen, eigentlich einen Teu-
fel, vom Galgen los. Der Teufel dient nun bei ihm, trägt zu ihm von seinem
reichen Bruder Geld, Getreide etc. Das alte Weib auf der Wache, der Teufel
steckt ihr einen Kuchen in den Mund. Das Weib erstickt. Der Teufel trägt
den Leichnam zurück in den Keller, den Schweinestall des Reichen. Vgl.
Archiv XIX, S. 256, Nr. 102; S. 267, Nr. 29.
Nr. 31, S. 147. Der Donner verfolgt den Teufel, ein Jäger erschiesst ihn,
wird dafür mit alles treflfendem Schiessmaterial beschenkt. Vgl. Xet9 i Gkobo
1894, II, S. 180; 1895, III, S. 218, 372. AoÖpoBOXECKiH I, 226 f., Nr. 2, 3, 5.
Nr. 32, S. 148. Vom Ursprung des Hagels. Vgl. Zbiör wiad. antrop.
XVI, S. 8, Nr. 11. Slavia fada I, H.1, S.25. BufkovirWanklovi Z Jecminkovy
Hie 277.
302 Kritischer Aoseiger.
Nr. 33, S. 148 f. Ein Reicher versprach dem Teufel seine Haut, weil er
ihm Geld zutrug. Wenn die Teufel seinen Leichnam ausgraben und so schüt-
teln werden, dass alle Gebeine herausfallen und nur die Haut zurückbleibt,
diese dann hinter sich werfen, soll der arme Gevatter des Reichen verborgen
diese Haut fangen und nicht den Teufeln zurückgeben. Die Teufel tragen
ihm Geld bis zum Hahnenschrei. Vgl. Archiv XXI, 265, Nr. 79. Zs. Ost. Vk.
111,93.
Nr. 34, S. 149. £in Priester eingeladen zum Hexenmahle. Als er nach
seiner Grewohnheit segnete, verschwand alles und er befand sich auf einem
Baume in einer fernen, unbekannten Gegend. Vgl. Blad6 Cont pop. de la
Gascogne II, 240.
Nr. 35, S. 151. >Lenorea. Vgl. Sbornik slov. mns. spol. 1, 174. Öesk^
Lid VI, 198. Jones & Kropf Magyar Folk Tales 278.
Nr. 36, S. 153. Der dumme Zigeuner hackt den Ast ab, auf dem er sitzt.
Vgl. Cyunovb PasucR. fl oÖxacTE aneKAOT. jiHrep. 111 f. Slovenskö Pohl'ady
1895, 328. A.G.Nar. pripov. v Soskih plan, n, 45. R. Basset Cont. pop. ber-
böres Nr. 48. R. Köhler Kleinere Schriften I, 51, 135. — Glaubt gestorben zu
sein. Vgl. Zs. Ost Vk. 1, 188. GyM^oB'L op. c. 106. äwi^tek Lud nadiabski
446. KOhler op. c I, 486 f. — Angeknüpft hieran endlich eine sehr verderbte
Version des Märchens vom tapferen Schneiderlein. Vgl. Archiv XXI, 266,
Nr. 167. Mater. antrop.-archeol. II, Abth. 2, S. 39 f. G6opH. Marep. KaBxas. XXI,
Abth. 2, S. 190 ; XXII, Abth. 3, S. 47 f. F. H. Groome Gypsy Folk Tales 80 £,
Nr. 21. Köhler Kleinere Schriften I, 563 f. Gjunovb op. c 175 f.
(Fortsetzung folgt) O. PöUvka.
MiipocjiaBOBo JesaH^ejie. j^vang^liaire ancien Serbe da prince Mi-
roslav. Edition de Sa Majestö Alexandre I., roi de Serbie (ßroBs-
folioband, X n. 229 Seiten, phototypiscli nnd typograph. gedruckt
in Wien 1897).
Die prächtige Handschrift des serbischen Evangelioms des Fürsten Mi-
roslav (f 1197) , vor kurzem von den München des Klosters Ghllandar in
Athos dem serbischen König Alezander znm Qeschenk gemacht nnd auf
dessen Befehl in photographischer Beproduction mit Farben herausgegeben,
stellt ein schätzbares Denkmal des Schriftthnms, der Sprache und der alten
Omamentation dar, in der Form eines luxuriösen Widmungsezemplars ruft
sie die bekannten karlovingischen Codices in Erinnerung. Die treue Bepro-
duction eines solchen Denkmals bildet eine kostbare Bereicherung der Ar-
chäologie, die schon bei der ersten Bekanntmachung einiger Omamentations-
muster aus diesem Evangelium in dem monumentalen Werke Stasov's »L'ome-
ment. slave et oriental« (Tafel XIY u. XV) ihre Aufmerksamkeit auf dieses
Denkmal gelenkt hatte. Diese Aufmerksamkeit war nicht ganz frei von
einiger Verwunderung, hervorgerufen durch die schönen, aber unverhältniss-
mässig grossen Initialen, die auch der Schreiber dieser Zeilen seinerseits offen
Prof. Kondakoff über die Omamentation des Miroslav. Evang. 303
gesteht getheilt zu haben, ja es wurde selbst Ifisstraneii gegen die Zeichner
der Zeichnungen (ans der Expedition P. J. Sevastianov's) wach. Doppelte
Bedeutung bekam diese Omamentation, seitdem sie von dem unvergesslichen
Kenner der altrussisohen Kunst, dem verstorbenen Prof. Th. J. Buslajev, kri-
tisch beurtheilt wurde. Diese Handschrift lieferte ihm nämlich Stoff zur all-
gemeinen Charakteristik des serbischen Ornamentes als eines solchen, das
»in der äusseren Pracht alle übrigen slavischen Ornamente überrage, aber in
der Originalität und innerer Beschaffenheit weit hinter dem bulgarischen
zurückbleibe«; das serbische Ornament war nach dem Ausspruch Buslajev's
»eine späte Erscheinung«, ein Ornament, »das schon im XII. Jahrh. eine uner-
wartete Beimischung des westlichen Elementes in ziemlich fühlbaren Pro-
portionen zeigte«, das »dem historischen Boden (d. h. der oontinuirlichen
Ueberlieferung) entrückt, früh dem verführerischen Zug des Westens unter-
lag«, das »Neigung zur Ersetzung des Stilistischen durch das Malerische,
zur Verwandlung des Ornamentes in die Miniatur und überhaupt zur Docu-
mentirung des feinen Geschmacks im Detail verrieth«, das »mit einem Wort
schon im XTT. Jahrh. einen entschiedenen Schritt zu jenem Benaissance-
stil machte, den wir in unserem Sdiriftthum des XV. und Anfang des XVI.
Jahrh. finden«.
Wir haben diese ganze Charakteristik des altserbischen Ornamentes
nach dem Wortlaute der Hauptstellen aus der Kritik des durch weiten Um-
£uig seiner geschichtliche« Verallgemeinerungen berühmten und die Bolle
der Ueberlieferung im geistigen Leben der Völker hoch anschlagenden For-
schers absichtlich mitgetheilt Denn obgleich als Grundbedingung des ge-
schichtlichen Lebens der Verkehr der VOlker unter einander und die An-
eignung von allerlei Einflüssen gelten muss, so erschien doch bezüglich des
im Schosse der griechischen Cultur sich entwickelnden Slaventhums die
Entlehnung der westlichen, d.h. der lateinischen Formen nach dem geschicht-
lichen Gesichtspunkte immer als eine Art Abtrttnnigkeit von dem heimischen
Kreis. Im gegebenen Falle wohnte der nationalen Ueberlieferung mehr Geist
und Charakter inne, dagegen die vom Westen kommende äussere Pracht ent-
behrte das Charakteristische, oder jenen tiefen, mystischen Sinn, der in der
mittelalterlichen Kunst mit dem »Thierstil« verknüpft wurde. Im Vergleich
zui äusseren Pracht des serbischen Ornamentes unterscheide sieh das bulga-
rische durch Bohheit, technische Ungeschicklichkeit, Verunstaltung des natu-
ralistischen byzantinischen Stils, es erhebe sich bis zur widernatürlichen
Wunderlichkeit in seinen Formen, allein es sei inhaltsvoll, reich an Origina-
lität, enthalte eine unendliche Beihe kühner Versuche, etwas Neues zu schaffen ;
selbst dort, wo das Teratologische der Formen des Thierstils alle Grenzen
des Künstierischen überschreitet, sei »die kühne und energische Hand eines
verwegenen Waghalses sichtbar, der gewöhnt war, die dassischen Bauten
der antiken Welt niederzureissen, ihre Trümmer aber und den bunten Schutt-
haufen für seine anspruchslosen Bedür&isse mit leichter Hand dienstbar zu
machen«. In den bulgarischen Handschriften »wehe der Geist der Zerstörung
alter Formen, aber zugleich des Aufbaues aus ihren Fragmenten neuer
Formen«.
304 Kritischer Anzeiger.
Diese Verallgemeinerangen werden durch die Omamentation des Mi-
roslay 'sehen Eyangeliams begründet: »die ganze Tafel XIV des Stasov*-
schen Atlas«, sagt Bnslajev, »stellt in der Omamentation etwas ganz eigen-
thtimliches, nichtdagewesenes, ja ich sage es geradezu — etwas für die slavi-
sehen, mit der cyrillischen Schrift geschriebenen Handschriften nicht nur des
XII., sondern auch der späteren Jahrhunderte ganz unmögliches dar. Der
Ornamentator als Maler hält die Thiere oder Vögel nach Arten auseinander,
gibt ihnen entsprechende Bewegung oder ruhende Stellung, ebenso wie den
menschlichen Figuren ; er ist geschiciLt in der Ausarbeitung des Details seiner
Miniaturen und besitzt das Gefühl für das Colorit in der harmonischen Farben-
einigung und in der malerischen Anwendung derselben gemäss der Natur der
gezeichneten Gegenstände, ganz so wie im Westen die Meister des XII. und
XIII. Jahrh. oder wie vor ihnen die Vorläufer der ersten Jahrhunderte des
Christenthums im Westen und im Osten, da die classischen Traditionen noch
nicht verloren gegangen waren«.
In dieser Weise rief das Miroslav'sche Evangelium vom ersten Anfang
seiner Bekanntmachung an in der Wissenschaft Zweifel und Bedenken her-
vor, es stellte sich wie eine Art Räthsel dar: man constatirte die byzanti-
nische Grundlage seiner Omamentation, aber man gestand auch einen unbe-
kannten, undefinirten westlichen Einfluss zu und, entsprechend einer gewissen
Metaphysik, sah man sich genöthlgt, die Omamentation des Evangeliums
für etwas »unmögliches« zu erklären. Es entsteht die Frage, ob alle diese
Bedenken noch heute dem Stand unseres Wissens entsprechen ; können sie
gelöst oder beseitigt werden, oder kommt es ihnen zu, auch weiterhin einen
Knoten und Knäuel zu bilden — eine Frage in der zunehmenden Geschichte
des Ornamentes?
Beim ersten Blick auf das Miroslav'sche Evangelium fesselt unsere Auf-
merksamkeit die Grösse der Initialbuchstaben dieses Evangeliums, von 14
bis 18 cm. Höhe, denen Parallelen nur in den karlovingischen Handschriften
und unter den slavischen in den glagolitischen des Adriatischen Küstenlandes
zur Seite stehen (Stasov Tafel 107). Diese Proportion rührt vor allem von
der Ungeschicklichkeit der Kalligraphen her, welche die frühen slavischen
und lateinischen Handschriften schrieben, die ein zu complicirtes byzanti-
nisches oder antikes Original zur Ausführang übernahmen und nothgedrungen
es vergrösserten (was man besonders deutlich an dem Ostromirschen Evan-
gelium sieht, vergl. Stasov Tafel 50). Doch in unserem Falle hing die Di-
mension der Initialen von der Ausstreckung derselben ab, die sehr bezeich-
nend ist und stark an die langgestreckten glagolitischen Buchstaben erinnert :
in der That, die Buchstaben (namentlich P B) sind so langgestreckt, dass
man sie nicht gleich auf den ersten Blick erkennt. Und doch stehen diese
Initialen niemals im Bahmen des Textes, sondern diesem zur Seite, in den
Zwischenräumen der Columnen, wodurch noch mehr die Länge der Buch-
staben hervorgerufen und der byzantinische Typus der Ulustrationen auf-
rechterhalten wird. Dieser Typus besteht vor allem in den byzantinischen
Themen: der Buchstabe bewahrt so oder anders seine Grundzeichnung und
nur seine Züge werden durch die Ornamentik illustrirt. Nicht so geschieht
Prof. Eondakoff über die Omamentation des Miroslav. Evang. 305
es in den westlichen Handschriften, wo die Initiale ein ganzes Gemälde dar-
stellt und als eine Art Vignette erscheint. Hier ist die Vignette getrennt von
dem Buchstaben , stellt eine Arkade mit Brustbildzeichnungen der Evange-
listen in den Arken dar. Fast jeder Buchstabe ist mit einer Art Säule ver-
sehen in der Form einer kleinen Golonne, eines geringelten Drahtes, eines
Balkens, der aufrecht steht und mit Fournierbrettohen geschmückt ist, zu-
weilen mit einem Vogel an der Spitze (altruss. Stengel mit dem Hahn), und mit
einem Ungeheuer in der Basis; wenn das Ganze ein Baum ist, so wird er
durch das Laub belebt (ausschliesslich Acanthus, und zwar in seinem Garten-
typus: Acanthus mollis): um ihn herum oder auf ihm picken die Vögel die
Frucht, verschlingen sie sammt den Blättern (nicht aus dem Schnabel fallen
lassen, wie man gewöhnlich deutet) und verwickeln sich in den Zweigen ;
oder auf den Baum springt ein Baubthier, unter demselben springt ein Löwe
hervor, auf ihn windet sich ein Drache, u. s. w. Zuweilen verbirgt der Baum
in seinen Zweigen einen hinauf kriechenden Jüngling, einen Jäger auf Eber
mit dem Speer in der Hand. Alle diese zoomorphischen und Pflanzenmotive
sind unbedingt und ohne Ausnahme den byzantinischen Originalen entlehnt,
ebenso wie alle phantastischen Formen: die Drachen, Basiliske, Greife, alle
Geflechte mit Schlangen- und Vogelköpfen, alle Arten von Raubthieren, und
alle Compositionen, wie der Jagd, der Verfolgung der Thiere, der an der
Lilie pickenden Vogelpaare u. ä.
Dabei ist jedoch zu bemerken, dass der ganze Stil dieser Compositionen
von den byzant. Gharakterzügen des Xn. Jahrh. schon abweicht: hier sind
die Dimensionen grösser, fehlt das Gold, fehlen die himmelblaue und Rosa-
farbe, die blaue und dunkellila, dagegen die ziegelrothe, hellgrüne und
dunkelgrüne sind vorhanden, es fehlt das Schraffiren mit Gold, der byzanti-
nische Faltentypus u.s. w. — mit einem Wort, die byzantinische Composition
ist da, aber es fehlt der damit verbundene byzantinische Stil, die byzanti-
nische Manier. Weiter bemerken wir hier in vielen Ausmalungen der Buch-
staben und Figuren und besonders in der Zeichnung der Eingangs Vignette
mit den Arkaden gewissermassen Ueberreste des alten orientalisch-byzanti-
nischen Stils, bekannt aus den koptischen Handschriften des VIII. — X. Jahrb.;
dann die Art der Darstellung der Vögel, des Körpers der Baubthiere nur in
Gontouren, grünen oder bläulichen, rothen u. s. w. ist so gehalten, wie wir sie
in einigen Originalhandschriften, z. B. einem Evangelium saec. X der Sinai-
bibliothek Nr. 213 und in den Belehrungen des Theodor Studites vom J. 1086
derselben Bibliothek fanden (vergl. meine HyremeciBle nä GHHau 1882, S. 126 —
127, Tafel 81—83, 85 des Albums). Hier wie dort sind die Farben einfach,
ohne Modellirung, Auf höhungen und Lichter; »die blaue dient als Fond für
Ginnober, der Ocker ersetzt das Gold, die hellgrüne und selten die hellbraune
kommen in dem Detail der Darstellung der Thiere vor«. » Die Initialen grosser
Proportionen enthalten die Üblichen Pflanzenformen der byzantinischen Initia-
len des X. Jahrh. und auch die allerwunderlichsten Züge des romanischen
Thierstils«. Solche Reste der alten Manier, erhalten in der volksthümlichen
Eunstindustrie, kennen wir auch im Bereiche der Miniatur, vorzüglich auf
ArcliiT fOr slftTisebe PhUologie. XXI. 20
306 Eritiecher Anzeiger.
der Balkanhalbinsel, und in den glasirten GefSssen, der Arbeit der ganzen
östlichen Küste des Mittelländischen Meeres.
Doch auf diesem allgemein byzantinischen, strengen und Charakteristik
schen^ aber genug einförmigen Grund schflttete der Ornamentist gleichsam
die Blüthen seiner eigenen Kunst aus, die Frucht seiner eigenen Phantasie
und Erfindung und seiner liebevollen Hingabe zur Arbeit. Dazu gehören aus-
schliesslich die grossen Initialen, geschmückt mit bunten Farben, ausgefüllt
innerhalb der Contouren, grün, roth und hellgelb, mit Farben oder auch mit
Gold. Diese fünfzig bis sechzig Initialen <) hatten auch den künstlerischen
Geschmack Buslajev^s in Entzückung versetzt, sie waren es, die die Frage
von ihrem westlichen Ursprung in Anregung brachten. Wir wollen auch hier
wieder die Composition dieser Initialen von der Manier der Ausführung tren-
nen. In der That, schon das Thema der Zeichnung eines Königs (fol. 85, 161,
letztes auf das Titelblatt herUbergenommen, nur mit Auslassung des F&chers),
der im Ornat auf dem hohen Throne sitzt, erinnert an die lateinischen Hand-
schriften; auf fol. 161 ein Diener vor dem König mit dem Fächer — ist ein
der byzant. Miniatur unbekanntes Sujet, wo der Kaiser von der Leibgarde
umgeben wird. Ferner die Darstellung des Christus aufdem Throne ist
ebenfalls ein lateinisches Thema, während das byzantinische den predigenden
Heiland vorzieht, wie es auch nach dem Evangelium sein soll. Die Evange-
listenmitdemBuch, oder im Medaillon, das auf einer Säule ruht, sind den
griech. Handschriften unbekannt, und während dort die Darstellung eines auf
dem Lesepult schreibenden Evangelisten üblich ist, so wäre die Figur eines
auf den Schaft eines Buchstaben hinaufgekrochenen (fol. 97) oder auf dem
Acanthus sitzenden Evangelisten unmöglich. Das letzte muss wahrscheinlich
dem eigenen Einfall des Ornamentisten zugeschrieben werden. Auf fol. 165
findet man die Darstellung des in Gedanken vertieften (mit der Hand unter
dem Kinn), gleichsam die Worte »in der That, das ist der Sohn Gottes« aus-
sprechenden Centurio: in zahllosen byzantinischen Compositionen oder
Uebertragungen des Crucifixes wird der Centurio immer dargestellt, wie er ent-
weder den Leib Christi durchsticht oder, vom Schrecken erfasst, vor seiner
bösen That zurückschaudert. Wober die hier gegebene Darstellung, die zur
grösseren Deutlichkeit mit der Ueberschrift versehen ist, herrührt, das wissen
wir nicht, aber griechisch ist sie nicht; an und für sich ist die Figur lebhaft,
ausdrucksvoll. Ein Diakonus mit Evangelienbuch und Bauchgefäss — das
ist ein Thema der westlichen Kunst (fol. 83 u. a.). Auch viele Details weisen
auf die westliche Kunst des XII. Jahrb. hin, z. B. die Darstellung des auf dem
Löwen ruhenden Pultes (fol. 121), die Füsse in der Gestalt von Löwen u.s.w.,
wobei der Löwe als ein lebendes Thier dargestellt wird, die häufigen Dar-
stellungen der Greife, Löwen u.s.w. haben den Zweck, ein Marmorpostament,
1) Ich erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, dass Prof. Bnslajev
bei weitem nicht so viel Material vor Augen hatte, als er seine Charakteristik
des serb. Ornamentes schrieb: das Ghinze beschränkte sich auf den bei Stasov
gebotenen Stoff. Um so glänzender bewährte sich das feine Kunstgefühl
Buslajev's. V. J.
Prof. Kondakoff über die Omamentation des MiroBlav. Evang. 307
zn ersetzen. Endlich sei auf die bei der Figur des Johannes des Vorläufers
angebrachte, fremdartig klingende Inschrift ^BaHiEaTlcTa (d. i. Giovanni
Battista) fol. 71 hingewiesen.
Zu den Typen und dem Stil übergehend, finden wir abermals, dass die
Figuren nicht den byzantinisch-griechischen Typus zeigen, die Gesichter sind
rund, die Haare bei allen gekräuselt (ein nationaler Zug des Künstlers?), die
Genrefignren stellen ausschliesslich Kinder oder Knaben dar (ein altchrist^
lieber, in den karlovingischen Handschriften und ihren Imitationen erhaltener
Typus), bei der Zusammenstellung der tölpelhaften Typen kommt die rohe
Bildhauerarbeit in Stein und überhaupt die Sculptur des barbarischen Mittel-
alters zum Vorschein, mit einem Wort, nach dem Stil schloss sich der
Omamentist in den letzteren Themen eher der westlichen Kunst des XL —
XII. Jahrb., als der byzantinischen an.
Bei genauerer Betrachtung der einzelnen Initialen und ihrer gegenseiti-
gen Vergleichung nehmen wir in der Handschrift* eine deutliche, stufen-
weise mit dem Fortschreiten der Illustrationen zunehmende Vervollkomm-
nung wahr: die am Anfang stehenden Initialen sind gröber, einfacher, näher
an die Reliefs erinnernd, die nachfolgenden gestalten sich immer lebhafter
und erfinderischer, die Figuren werden immer kühner, die Bewegung immer
dramatischer. Vergleichen wir z. B. die schüchterne Stellung der Figuren um
den Buchstaben zu Anfang mit den launenhaften Sujeten angefangen von
fol. 111: auf zwei VOgeln (Greifen) sitzt ein Zauberer (Alexander?) mit der
spitzigen Mütze (fol. 4 11), zwei junge Figuren leeren dasFUllhom aus (fol. 129),
der jugendliche Georg tödtet den Drachen (fol. 149), auf fol. 161, 172, 177 und
207 sieht man interessante Verbindungen (Kopf des Löwen, des Drachen auf
dem Körper eines Vogels), auf fol. 189 die Jagd auf den Eber, auf fol. 207 ein
Adler ragt mit dem Kopf durch den Buchstaben heraus, auf fol. 219 ein merk-
würdiger Hirsch, auffol.dll eine charakteristische Stellung des Evangelisten,
auf foL 257 ein Jüngling mit dem Schild vor der Stadtwehr stehend, u. s. w.
Die ganze grosse Launenhaftigkeit, die sich in diesen Initialen ofifenbart,
muss ganz auf die Rechnung der persönlichen Initiative des Meisters selbst
gesetzt werden. In der kargen Sphäre einiger weniger roher Formen sich be-
wegend, die er sich angeeignet, erlangte er durch eigene Kunst das Ziel wirk-
licher Schönheit: einige Gebilde und Geflechte können wirklich künstlerisch
genannt werden (z. B. auf fol. 70) ; verglichen damit erscheinen die pomphaften,
^ber einförmigen, trockenen und sinnlosen Imitationen der westlichen Vor-
bilder in dem Vysegrader Codex als eine arme, handwerksmässige Arbeit.
Und darin steckt, nach meinem Dafürhalten, das ganze Räthsel des Miroslav*-
schen Codex: dort, wo es ein Leben der Kunst gibt, bleibt die Kritik immer
mit einiger Ueberraschung, wie vor einer plötzlichen Offenbarung stehen ; im
Gegensatz zar handwerksmässigen Arbeit, bei welcher alles in ihre Bestand-
theile zerlegt werden kann, stellt ein Kunstproduct nur die Ausgangspunkte
klar dar, aber das »Ganze« bleibt, ungeachtet aller Analysen, ein Räthsel.
Im gegebenen Falle kann von einer Abtrünnigkeit von irgend einer
Ueberlieferung nicht die Rede sein : der Künstler bezog seine Elemente, wo-
her er es wollte, obgleich er unter dem Einfluss der Kunst seiner Zeit stand
20*
308 Kritischer Anzeiger.
and in derselben Manier arbeitete, wie seine Zeitgenossen (grobe Zeichnnng
der Figuren), und obschon diese für ihn von untergeordneter Bedeutung war.
Gegenwärtig, bei dem kläglichen Zustande der sUdslavischen Archäologie, ist
es entschieden unm(5glich, das westliche Original, das dem Künstler vor-
schwebte, genauer zu bestimmen : war das die Kunst des südlichen Deutsch-
lands oder (wahrscheinlicher) des nördlichen Italiens und des dalmatinischen
Küstenlandes? Es wird vielleicht besser sein zu sagen, dass hier die Kunst
von ganz SUdeuropa, von der Mündung der Donau, über Norditalien bis Süd-
frankreich, die einst romanisch benannt wurde, den Grund bildete. Der
romanische Stil war auf allen Punkten seiner Entwickelung eine traditionelle
Kunst, die fortwährend die Ueberlieferungen verarbeitete : die Ostliche, by-
zantinische, altchristliche (antike) und die nationalen Kunsttypen. In die-
sem Sinne nahmen auch die Slaven, d. h. die Bulgaren, Serben und Bussen,
an der Bildung und Entwickelung dieser mittelalterlichen europäi-
schen Kunst ebenso ihren Antheil, wie Nord- und Süddeutschland, Italien,
Frankreich, England und Schweden. Doch über diese allgemeine Frage ist
nicht hier der Ort zu reden, wo es sich nur um ein einziges, wenn auch hervor-
ragendes Denkmal handelt.
Jalta, September 1898. Nicod. P. K<mdakoff.
Zusatz. Ich Hess bei der prächtigen Publication des MiroslaVschen
Evangeliums das Hauptwort,' wie es sich auch gebührt, dem Kunsthisto-
riker, wobei ich nur besorgen muss, vielleicht nicht in allen Einzelausdrücken
die Gedanken meines Freundes präcis genug wiedergegeben zu haben (seine
Besprechung des Werkes war russisch abgefasst). Gross ist auch der Gewinn,
den die noch immer arg darniederliegende südslavische Paläographie aus
diesem Werke schöpfen wird, lieber die graphische (orthographische), gram-
matische (morphologische) und lexicalische Seite des Denkmals handelt er-
schöpfend Prof. Lj. Stojanovid im Anhang zu der Ausgabe. Vielleicht wäre
es besser gewesen, seine diesem Denkmal gewidmete philologische Studie
abgesondert herauszugeben, da sie, wie es mir scheint, zu dem monumentalen
Charakter der Ausgabe nicht recht stimmen will. Doch ergreife ich gern die
Gelegenheit, um das grosse Verdienst, das bezüglich des Zustandekommens
dieser Publication Prof. Stojanovid gebührt, öffentlich auszusprechen. Er
war es, der alle vorbereitenden Schritte einleitete, damit der Codex dem
König von Serbien gelegentlich seines Besuchs der serbischen Fundationen
am Athos von den Mönchen des Klosters Chilandar zum Geschenk gemacht
wurde — er hatte ja ihn schon früher in Athos gesehen und studirt — ; er
brachte mir im J. 1896 die erste Nachricht davon nach Abbazia und besprach
sich mit mir, was nun zu thun wäre; er erwirkte die Bewilligung einer be-
trächtlichen Summe aus der königl. Civilliste zur Bestreitung der Kosten der
Publication ; er brachte den Codex nach Wien und beaufsichtigte hier den
Druck, nachdem wir die Verhandlungen mit den Anstalten u. s. w. gemein-
sam vereinbart hatten. Die äussere Form, ich muss es offen heraussagen, ist
nicht ganz nach meinem Plan durchgeführt. Nachdem es sich nämlich heraus-
gestellt hatte, dass der ganze Codex nicht im vollen Umfang polychromisch
Prof. Kondakoff Über die Ornamentation des Miroslav. Evang. 309
reproducirt werden konnte — das hätte die präliminirte Summe wesentlich
tiberschritten — , standen zwei Wege offen : aj in Farben nur eine Auswahl von
Blättern zu geben — darüber waren wir beide einig und die Auswahl dieser
Blätter (40 Seiten) ist unsere gemeinsame Arbeit ; b) das übrige in voller
Grösse, aber nur in schwarzer Farbe, oder aber unter Reductlon der Original-
grosse, so dass je zwei Seiten des Originals auf eine der Ausgabe unterzu-
bringen wären, dafür aber neben dem photographischen Grundtone noch mit
derReproduction der rothen Farbe herauszugeben. In diesem zweiten Punkte
gingen unsere Ansichten auseinander: ich war für die Beproduction des
ganzen übrigen Textes in der Originalgrösse, aber nur in Schwarz, Prof. Sto>
janovi<5 entschied sich während seines Aufenthaltes zu Weihnachten 1896 in
Belgrad für die letztere, wirklich zu Stande gekommene Art Bedenkt man,
dass wegen der Beproduction der rothen Farbe (Ginnoberroth) für jede Seite
der Ausgabe ohnehin zwei Aufnahmen auf zwei Steinen nothwendig waren,
so würden sich die Kosten der Ausgabe nach meinem Plan fast nur um die
grössere Auslage für das Papier vermehrt haben, also ein im ganzen sehr ge-
ringer Aufwand im Verhältniss zu dem Gewinn, der zu erzielen war, wenn
der ganze Codex in seiner natürlichen Grösse reproducirt worden wäre, und
der Leser desselben nicht nöthig hätte, wie es jetzt der Fall ist, das grosse
und schwere Buch fortwährend herumzudrehen, wobei auch die Reihenfolge
der Seiten nicht immer gewahrt werden konnte. Freilich würde dann auf den
jetzt verkleinerten und querliegenden Seiten das Ginnoberroth fehlen. Ich
muBS aber den Kunsthistorikern überlassen, über die Frage zu entscheiden,
ob damit, dass man bei den vielfarbigen omamentirten Initialen neben dem
photographischen Gmndtone dennoch nur das Roth zur Anwendung brachte
— das wirkliche Bild mehr gewonnen hat, als wenn man überhaupt auf die
Beproduction der Farben, mit Einschluss der rothen, Verzicht geleistet hätte.
Selbstverständlich erzähle ich das nicht, um die Bedeutung der Ausgabe, so
wie sie jetzt aussieht, irgendwie zu schmälern : sie bleibt ja unzweifelhaft das
Schönste, was bisher in diesem Genre die slavischen Literaturen aufweisen
können. Ich wollte nur meinen sehr geringen, mehr moralischen als materiellen
Antheil an dieser Ausgabe ins richtige Licht stellen, wozu ich Grund habe,
weil ja kleinliche Menschen auf Grund irgend einer unrichtigen Zeitungsnotiz
keinen Anstand nahmen, mich indirect in Verdacht zu bringen, als würde ich
mir — im gegebenen Falle oder sonst je — fremde Verdienste aneignen wollen.
Daraus erklärt sich dann auch die — Liebenswürdigkeit, dass man mich, als
Dank für meine Betheiligung an dieser Ausgabe, zu der ich auch die Ueber-
sendung der beiden in der kais. öffentl. Bibliothek zu St. Petersburg befind-
lichen Blätter nach Wien besorgte, in die Zahl derjenigen einrechnete, die
mit einem Exemplar nicht bedacht wurden. Ich quittire hiermit dieses be-
zeichnende Verfahren. V. Jagte.
Kleine Mittheilungen.
Nekrologe.
Die in unserer ZeitBchrift gepflegten Disoiplinen, die slaviBche Philo-
logie und ihre HilfswisseuBchaften, haben im Laufe der letzten zwei Jahre
grosse, bittere Verluste erlitten. Männer von bestem Klang in der slavischen
Philologie sanken einer nach dem anderen ins Grab, ohne gleich in den jtlnge-
ren Kräften ausreichenden Ersatz hinterlassen zu haben. Ich nenne zuerst
den Veteranen der russischen Literatur- und Kunstgeschichte, den slayischen
Jacob Grimm, wie er mit Fug und Kecht heissen kann, den gewesenen Mos-
kauer Professor und russischen Akademiker, den am 12. Aug. n. St. 1897 im
81. Lebensjahre verstorbenen
FEDOR IVANOVIÖ BÜSLAJEV.
Er war am 25. April n. St. 1818 geboren, absolvirte in seinem 20. Jahre
die Moskauer Universitätsstudien und kam bald darauf in das Haus des
Grafen Stroganov als Erzieher. Zu seinem grössten Vortheile war damit eine
Reise ins Ausland und langer Aufenthalt in Italien verbunden, den der junge
Buslajev aufs gewissenhafteste zum Studium der Kunst und Kunstgeschichte
in allen ihren Richtungen benützte. Nach Hanse zurückgekehrt und zunächst
an einem Gymnasium, nachher an der Universität als Professor der russischen
Sprache und Literatur angestellt, war er bis an sein Lebensende bestrebt, die
Vertiefung in die russische Sprache (er schrieb eine historische Grammatik)
und Literatur (viele Abhandlungen über den inneren, zumal mythologischen,
Kern der russischen Volksdichtung) mit der russischen Kunstgeschichte im
Zusammenhang zu betreiben (daher sein letztes grosses Werk über die
Hlustrationen der Apocalypse). In der That, durch alle seine Werke zieht
sich wie ein rother Faden seine Vorliebe und sein seltener Spürsinn für die
Aufhellung der Beziehungen zwischen Literatur und Kunst. Buslajev war
eine sehr feine, ungemein zarte und empfindsame Natur: ein edler und nobler
Charakter, bis in die letzten Jahre seines Lebens begeistert für seine Wissen-
schaft. Seine Werke waren ausserhalb Russlands viel zu wenig bekannt, aber
auch in Moskau hOrte sein geistiger Verkehr mit der Jugend viel zu früh, zum
Schaden der letzteren, auf (schon 1881 gab er auf, Vorlesungen abzuhalten) .
Als ich ihn das letzte Mal während meines kurzen Aufenthaltes in Moskau
besuchte — seine Sehkraft war schon sehr geschwächt — , hielt er mir länger
als eine Stunde einen begeisterten, tiefsinnigen Vortrag über einige illustrirte
Handschriften seiner bedeutenden CoUection, die jetzt in der kais. (5£fentl.
Bibliothek zu St Petersburg aufbewahrt wird: ich schied von ihm mit dem
Kleine HittheilimgeD. 311
aafrichtigen Bedaaem, dass eine solche Perle der Wissenschaft so wenig
Gelegenheit hatte, anf die jüngere Generation anregend zu wirken. Einen
trefflichen Nachmf mit gelungener Charakteristik des grossen Gelehrten lie-
ferte Prof. H. N. Speranskg in Nr. 125 der HaMXTHUKu ApesHeu nHCLMeaHociH :
»naiuTH e. Z. EyGiaesa«. GIIörL 1898. 80. 24.
Schon einige Monate früher, am 15. März 1897, starb zn Agram der ge-
wesene GymnasialprofesBor nnd Mitglied der südslav. Akademie
MATUA VAUAVEC.
Am 17. Febr. 1831 in einem kleinen Orte Krains geboren> besuchte er
das Gymnasinm zn Laibach, die Universität in Wien, wo er zn den aufmerk-
samsten Schülern Miklosich's zählte. Er fand schon gegen Ende der fünfziger
Jahre Anstellung als Gymnasiallehrer in Warasdin, wo ich in den Ferien-
monaten, während ich im väterlichen Hause lebte, mit dem biederen Manne,
der sich schon damals durch das Interesse für das Volksthnm der Gegend
auszeichnete, öfters zusammenkam. Die im J. 1858 erschienene Ausgabe der
Volkserzählungen aus der Warasdiner Gegend machte seinen Namen in der
slavischen Folkloristik bekannt. Er gehörte nach der Sprache seiner Publi-
cationen der slovenischen (durch Dichtungen und Erzählungen) und der serbo-
kroatischen (durch wissenschaftliche Arbeiten) Literatur an. Tüchtig ge-
schult, mit gesunden kritischen Grundsätzen ausgestattet, lieferte er nach
und nach eine grosse Anzahl wichtiger Beiträge zur altkirchenslav. Literatur
(in den Agramer »Starine«) und zur Erweiterung unserer geschichtlichen oder
dialectologischen Kenntnisse innerhalb des Serbokroatischen und Sloveni-
schen. Seine Untersuchungen über die Betonung im Eajkavischen und Slo-
venischen, mit denen er sein Leben beschloss, leiden an zu grosser Ausführ-
lichkeit; es fehlt ihnen die Frische der unmittelbaren Beobachtung. Seine
Biographie vergl. in Enezova knjiinica II zvezek (Laibach 1895), auf S. 162—
210 (von Fr. Levec).
Am 15. Januar 1898 starb inKrakau der Professor der slavischen Philo-
logie an der dortigen Universität und Mitglied der Eurakauer Akademie
LÜCIAN MALINOWSKI.
Geboren am 27. Mai 1839 im Gouvernement Lublin, absolvirte er seine
Studien 1867 in Warschau, reiste dann nach Deutschland (Jena, Leipzig,
Berlin), studirte auch in St. Petersburg, wirkte einige Zeit am Gymnasium zu
Krakau und Warschau (1870—1877), bekam dann den Ruf an die Krakauer
Universität, wo er bis an sein Lebensende blieb als Professor der slavischen
Philologie, obwohl sein eigentliches Fach die polnische Sprache bildete.
Malinowski gilt durch seine musterhaften dialectologischen Forschungen (im
Bereich des schlesischen Dialectes) als Bahnbrecher und Begründer der
neueren, wissenschaftlichen Dialectologie in der polnischen Sprache. Sehr
anregend wirkten seine Studien, sie zogen eine ganze Reihe ähnlicher Einzel-
forschungen nach sich, die in den Schriften der Krak. Akademie erschienen.
Er gab auch mehrere altpoln. Texte heraus und war ein gründlicher, metho-
discher Erforscher des Volksthums, eine äusserst sympathische, biedere
Persönlichkeit!
312 Kleine Mittheilungen.
Am 26. Mai a. St. 1898 starb in Snchnm im 73. Lebensjahre ein verdienst-
voller Moskauer Archäolog, vortrefflicher Kenner der christlichen Kunst
JURI DIMITRIJEVIÖ PILIMONOV.
Nach der Vollendung der Moskauer Universitätsstudien im J.1849 lebte
er mehrere Jahre in Charkov, an der dortigen Universitätsbibliothek ange-
stellt, trat aber im J. 1856 in das Moskauer Zeughaus (opyaceHHafl uajLaTa), wo
er es bis zum Vicedirector brachte ; er war den altrussischen Alterthümem
mit ganzer Seele ergeben, publicirte viele Beiträge zur altrussischen Kunst
und Ikonographie, darunter auch über den Bildermaler Usakov» über das
Mstislav'sche Evangelium , über den Ursprung der Mütze Monomach's, über
die Form der altrussischen Ikonostase, u. m. a. Bef. sah den verstorbenen
Archäologen öfters in Moskau und fand in ihm immer einen äusserst liebens-
würdigen, zuvorkommenden Menschen. (Vergl. im S^MHup. 1898 das- Juliheft
und Nr. 132 des »üaMjrrHHKH ApeBHeH nHCLM6HH0CTK k HCRyccTBo« die Nachrufe
von Pokrovskij und Grafen S. §eremetev).
Am 28. Aug. n. St 1898 verlor nicht nur Bussland, sondern die ganze
europ. Wissenschaft den besten und gelehrtesten Vertreter des canonischen
Bechtes der orthodoxen byzantinisch -slavischen Kirche, den gewesenen
Odessaer, später Moskauer Professor
ALEXEJ STEPANOVIÖ PAVLOV.
Er war im Jahre 1832 in Sibirien geboren als Sohn eines bescheidenen
Kirchendieners in Tobolsk, wo er auch die ersten Studien durchmachte;
nachher kam er in die geistliche Akademie nach Kazani, die er als erster
Magister theologiae im J. 1858 beendete. Infolge der Beorganisation der
russ. Universitäten (1863) wurde er an derselben Universität als Docent des
canon. Bechtes angestellt und ging 1867 als ausserordentl. Professor zur Er-
weiterung seiner Kenntnisse nach Deutschland (die grösste Zeit brachte er in
Heidelberg zu). Nach Bussland heimgekehrt, wurde er zum ord. Professor
desselben Faches an der Universität zu Odessa erwählt, wo ich im Jahre 1872
mit ihm zusammentraf und in ihm einen sehr erwünschten, einsichtsvollen
und energischen, in voller Entfaltung seiner geistigen Kräfte stehenden
Gollegen fand. Wie kein Zweiter an der damaligen jurid. Facultät war er für
seine Disciplin Feuer und Flamme, als echter Mann der Wissenschaft kannte
er keine Compromisse, keine Bücksichten, wo es sich um die Interessen sei-
nes Faches handelte, das er auf Grund der kritischen Quellenforschung neu
aufzubauen trachtete. Durch ihn und den gelehrten, aber etwas hinterlistigen
Grigorovic wurde auch mein Horizont wesentlich erweitert; meine philologi-
schen Kenntnisse, in denen ich ihnen sonst überlegen war, gewannen durch
den intimen Verkehr mit diesen beiden Männern realere Bichtung , was ich
dankbar anerkenne. Doch wir sollten uns bald trennen, im J. 1874 ging ich
nach Berlin, im nächsten Jahre Pavlov nach Moskau, Grigorovic starb. Ich
blieb auch weiterhin mit Pavlov in freundschaftlichem brieflichem Verkehr,
doch vermag ich nicht zu sagen, worin eigentlich der Grund lag, dass er sich
in Moskau weniger zufrieden fUhlte als in Odessa. Er scheint doch nicht das
erwartete Verständniss für seine weitgehenden wissenschaftl. Pläne gefunden
Kleine Mittbeilnngen. 313
itt haben. Aber auch die Hoffiinngen unser aller, die wir seine glänzende Be-
gabung hoch schätzten, gingen nicht in Erfüllung. Ich hätte von ihm eine
kritische Ausgabe aller Hauptquellen des canonischen Rechtes der russ.-slav.
orthodoxen ELirche erwartet, wozu er allerdings so manchen wichtigen Beitrag
lieferte. Sein kritisches Talent zeigte sich schon 1869 in der sehr werthyollen
Monographie: üepBOHa^ax&Huu cjiaBHHopyccKiu uoMoicaHOH'B [KaaaHB 1864), in
seiner Analyse der altruss. polemischen Schriften gegen die Lateiner (1878),
in der Bekämpfung der Ansicht von der kathol. Beeinflussung einiger alt-
slavischer Texte canon. Inhaltes (1892) u.a. Unter den Ausgaben der Quellen
erwähne ich: IIbmathkkh speBHepyccKaro KaHosH^ecKaro npaBa, GII6ri 1880
(im VI. Bande der FyccKax HCTopH^ecKaA 6]i6jiioTeRa) und die zweimalige
Herausgabe des HoMORaHOH'B npii öosluiom'b TpeÖHHKi (2. Ausg. Moskau 1897).
Yergl. im 2KMHnp. 1898, Oktoberheft: IlaMATu npo«. A.i6Rctfl CrenaHOBH^a
naB.S0Ba und He3a6BeHHOH usmxir npo*eccopoB'& A. G. HasitoBa h H. 0. KpacHO-
ceiLQeBa, von A. Dmitrijevski. "Kievh 1899.
Um dieselbe Zeit starb in Constantinopel ein bescheidener in seinen
äusseren Ansprüchen, aber in seinem wissenschaftlichen Streben aufopferungs-
voller und sehr verdienstlicher Gelehrter Busslands, zuletzt Professor der
Odessaer Universität
NIKOLAJ FOMIÖ KRASNOSELCEV.
Aus dem Gouvernement Ufa stammend, Sohn eines armen Priesters,
kam er nach Absolvirung des Seminarcursus an die geistl. Akademie in Ea-
zauL (1866 — 1870), wurde bereits im nächsten Jahre an derselben Anstalt zum
Docenten der Liturgik und christl. Archäologie ernannt. Namentlich in letz-
terer Richtung fühlte er das Bedürfniss einer grösseren directen Bekanntschaft
mit den Denkmälern der christlichen Kunst, das ihm erfüllt wurde durch die
Gewährung einer Studienreise (1881/2) nach Italien, Frankreich und Deutsch-
land. Diese Reise, so fragmentarisch sie auch war, mag dazu beigetragen
haben, dass er seine wiss. Kräfte doch einer anderen Richtung zuwandte, wo
er offenbar grössere Erfolge zu erzielen hoffte, nämlich den Quellenforschungen
im Bereich der Geschichte des orthodoxen Gottesdienstes und der Byzanto-
logie überhaupt, wobei ihm sein grenzenloser Fleiss in der Sammlung des
handschriftlichen Materials (zu Rom, Moskau, Petersburg und zu Hause selbst,
in Kazan&, wo ihm Prof. Porfirijev mit schönem Beispiel vorleuchtete), den
Weg ebnete. Nachdem er schon früher bei der Beschreibung der Handschrif-
ten der Solovki'schen Sammlung in KazauB wesentlichen Antheil nahm, gab
er 1885 eine inhaltsreiche Schrift zur Geschichte der orthodoxen Liturgik nach
den vatikanischen und russ. Texten heraus und im J. 1889 folgte ein anderes
Werk unter ähnlichem Titel, ebenso die Beschreibung einiger slav. Hand-
schriften der Jerusalemer Bibliothek (Jerusalem besuchte er im J. 1888). Die
Rücksicht auf seine schwache Ctosundheit wird ihn bestimmt haben, eine An-
stellung in Odessa als Professor der Kirchengeschichte anzunehmen (1889).
Von da an bewegte sich seine wiss. Thätigkeit in dem lebensfrischen Ge-
lehrtenkreis der Odessaer Professoren der histor.-philolog. Facultät, zu dem
der jetzige Director des archäolog. Institutes zuGonstantinope], der damalige
3 1 4 Kleine Mitthellangen.
Odessaer Univ.-Professor Th. J. Uspenskij, die ersten Impulse gab. Das Ziel
seiner etwas erweiterten Forschungen von nun an waren die Beziehungen der
byzant. Literatur zur kirchenslavischen, worin er durch die Publication un-
bekannter griech. Texte (so zur EeciAa Tpezx CBATHrejeH, zur Fragen- und
Antworten-Literatur) für die slav. Philologie grosse Verdienste sich erwarb.
Vieles konnte man noch von dem fleissigen Mann erwarten, wenn nicht auf
der zur Kräftigung der angegriffenen Gesundheit unternommenen Reise nach
dem SUden in Gonstantinopel ein jäher Tod seinem Leben ein Ende gemacht
hätte. Einen warm geschriebenen Nachruf widmete ihm Prof. Dmitrijevskij
in der oben (unter Pavlov) citirten kleinen Schrift.
Zu Anfang des Jahres 1899 verlor die russische Geschichte und Alter-
thumswissenschaft einen Gelehrten ersten Banges, dessen Name weit über
die Grenzen Busslands rühmlich bekannt war. Im hohen Alter von 85 Jahren
starb am 30. Januar n. St. in St. Petersburg der Senior der kais. Akademie
der Wissenschaften
A. A. (d. i. ABIST ABISTOVIÖ, eig. EBNST) KÜNIK.
Geboren in Preussisch-Schlesien, im J. 1814, als Sohn eines nicht un-
vermögenden deutsch -protestantischen Gutsbesitzers, besuchte Kunik das
Gymnasium zu Liegnitz, die Universitäten zu Breslau und Berlin. Das Stu-
dium der schles. Landesgeschichte, deren Vertretung damals in der Person
des Prof. Stenzel concentrirt war, brachte den jungen Kunik naturgemäss auf
die polnische und weiter auf die russische und slavische Geschichte über-
haupt. Ein Jahr nach der Vollendung seiner Universitätsstudien (1838) hört
man schon von ihm als einem jungen Gelehrten, der sich in Moskau mit dem
Studium der russ. Geschichte beschäftigt. Pogodin von der Beise ins Aus-
land, wo er zuerst mit ^afaHk, Kopitar, Karadziö zusammentraf, heimgekehrt
(im J. 1839) schrieb an Uvarov: »In Moskau hält sich jetzt ein junger Deut-
scher, Kunik aus Preussen, auf, der mit der ausgesprochenen Absicht, die
russ. Geschichte zu studiren, zu uns kam, wie er bereits früher andere slav.
Geschichten studirte, nachher will er über alle slav. Volksstämme und ihre
Literaturen wahre Berichte und zum Theil Auszüge aus den wichtigsten
Werken dem deutschen Lesepublicum vorlegen. Dieser Kunik erschien mir
auf den ersten Blick als ein aufrichtig der Sache ergebener Gelehrter und ich
lud ihn, ohne mich weiter um seine Gedankenrichtung zu kümmern, zu mir
ein, um ihn in gehöriger und für Bussland nützlicher Weise in das Studium
der russ. Geschichte einzufahren; ich glaube, man kOnnte sich seiner bedie*
nen, um durch ihn richtige Nachrichten über Bussland in die deutschen Zeit-
schriften zu bringen.« Im Juni oder Juli des Jahres 1840, als Pogodin den
Minister Uvarov auf dem schönen Landgut Porecje besuchte, nahm er auch
Kunik mit. Man sollte glauben, der intime Verkehr Kunik's mit Pogodin
werde auf den letzteren einigen Einfluss betreffs der Darstellung der ältesten,
normannischen, Periode der russischen Geschichte ausüben. Das scheint je-
doch nicht der Fall gewesen zu sein : Kunik war ein zu gut geschulter philo-
logischer Kopf, als dass seine Ansichten in dem unphilologischen Kopf Pogo-
din's Platz finden könnten. Als dann sein IL Band der »Hs&itAOBaHi/i, 3&Mt-
Kleine Mittheilungen. 315
nxBia H JleKiiüi« (Moskau 1846) erschien, citirt er ganz zuletzt (S. 318) auch
Eunik mit dem Zusatz unter der Zeile : sein Buch sei erst soeben erschienen
und habe nicht in Betracht gezogen werden können. Dagegen erzählt Pogo-
din, dass Eunik mit erstaunlichem Fleiss das ganze Werk Nevolin's »dHuu-
EjioneAifl SaKOHOB^A^HlA« und ebenso noch andere Werke ins Deutsche über-
setzt hStte (EapcyKOBi, Xmia h tpjabi üoroAHHa V, 398). Ob das richtig ist?
Eunik konnte die Darstellung in dem Buche Barsukov's lesen, aber daraus,
dass er dazu schwieg, folgt noch nicht, dass diese Notizen alle ganz genau
sind. Eunik war noch im Mai d. J. 1841 in Moskau bei Pogodin (EapcyROB-B
1. c. VI, 123), er nahm an gelehrten Debatten mit diesem, aber auch an For-
schungen Anderer (in der ihm eigenen Weise) Antheil. So dankt ihm Certkov
durch Pogodin für die Bemerkungen zu dem im J.1842 erschienenen Werke:
0 nepcBOAi MaHacciiiHOH jrkTOiuicK (EapcyKOB'B a. a. 0. 134), deren einige in der
That so aussehen, als wären sie aus der Feder Eunik's geflossen. Zu Anfang
des J. 1842 reiste Eunik zurück nach Deutschland, und zwar über Alt-Nov-
gorod und Petersburg, wo er sich einige Zeit aufhielt. Im Mai 1842 war er
schon in Berlin, wo er Bekanntschaften machte u. a. mit dem bekannten Poli-
tiker Vamhagen, mit Prof. Cybulski, u. a. Aus einem Briefe an Pogodin, in
welchem er die damalige Stimmung Berlins schildert, sieht man, dass Eunik
schon damals die Interessen Busslands zu vertreten sich verpflichtet fühlte.
So bedauerte er, dass der slavische Lehrstuhl in den Händen eines Polen sich
befand, der bloss das weltliche Slaventhum berücksichtigte, er beklagte sich
über BbicoKOMipie der polnischen Ereise Berlins u. a. (EapcyKOB'B a. a. 0. 337).
In Leipzig traf Eunik in demselben Jahre mit Pogodin zusammen und soll
sich ihm gegenüber beklagt haben, dass er für sein in Moskau zusammen-
getragenes Material über Bussland in Leipzig keinen Verleger finden konnte.
Pogodin meinte, daran sei der für Russland sympathische Ton der geplanten
Pnblication Schuld. Eunik befolgte den Rath Pogodin's und kam im Nov.
1842 zurück nach Russland, diesmal nach St. Petersburg, um mehr als 55 Jahre
seines Lebens hier zu verleben. Nicht gleich gelang es ihm, hier eine ge-
sicherte Existenz sich zu gründen, er plante damals ein Literatur- oder
Quellenverzeichniss der russ. Geschichte herauszugeben. Die Aufmerksam-
keit Th. P. Adelung's die er auf sich gelenkt hatte, der ihn auch in die Aka-
demie zu bringen trachtete, dauerte leider nicht lange, dieser starb am 30.
Januar 1843, nachdem er doch das Schicksal des jungen Gelehrten einigen
Akademikern, vor allem dem Historiker Erug, dann Eöppen und Baer ans
Herz gelegt hatte. Eunik war schon jetzt mit Vorarbeiten für seine »Rodsen«
beschäftigt, wie aus den an Pogodin gerichteten Briefen (EapcyKOBi» 1. c. VII,
220 ff.) ersichtlich ist, aber auch jenes andere Werk, die Quellen zur russ.
Geschichte, ging ihm nicht aus dem Eopf, doch vor allem quälte ihn die
Existenzfrage, denn seine ausländische Abkunft flüsste vielfach Bedenken
gegen seine Anstellung ein, die er durch die Yermittelung Pogodin's möglichst
zu zerstreuen trachtete. Von den Eltern scheint ihm keine ausreichende
Unterstützung zu Theil geworden zu sein, wahrscheinlieh war sein Vater mit
dem Plane des Sohnes, dauernd in den Dienst der russischen Geschichte zu
treten, durchaus nicht einverstanden. Es zeugt von unbeugsamer Willens-
316 Kleine Mittheilungen.
stärke und starker Geisteskraft, dass Kunik unter so schwierigen Lebens-
verhältnissen mit der Ausarbeitung seines ersten und Hauptwerkes seines
Lebens, »Die Berufung der schwedischen Rodsen« (I. Band erschien 1844,
IL 1845) ununterbrochen beschäftigt war und es zu Ende führen konnte. Das
scheint aber auch das entscheidende Argument gewesen zu sein, dass die
ehrenwerthen Akademiker für ihren ausländischen Connationalen endlich ein
Obdach fanden, er wurde zu Anfang des Jahres 1844 im Numismatischen Mu-
seum der Akademie angestellt. Da starb am 16. Juni n. St. 1844 der alte,
achtzigjährige Historiker Krug und für Kunik wurde der Weg in die Akade-
mie offen. Dies geschah durch die am 17. October erfolgte Wahl Kunik's zum
Adjuncten der kais. Akademie. Sechs Jahre später wurde er ausserordent-
licher Akademiker, zum ordentlichen brachte er es nicht, anfangs konnte,
nachher wollte er nicht diese Beförderung annehmen. Wichtiger als in der
Akademie war seine Stellung in der kaiserl. Eremitage, wo er als tüchtiger
Kenner der mittelalterlichen, zumal russischen Numismatik zuletzt die ange-
sehene Stelle des ältesten Gustos des kaiserl. Mlinzcabinets bekleidete.
Kunik war ein Gelehrter von erstaunlicher Belesenheit, ein unerschöpf-
liches Nachschlagebuch für einen Jeden, der sich die Mühe gab, diesen Schatz
zu Bathe zu ziehen. Wie sein Hauptwerk zeigt, bestand seine Stärke in der
Dienstbarmachung der vergleichenden Sprachwissenschaft den Fragen der
ältesten Geschichte, in dieser Beziehung erinnert er einigermassen an Müllen-
hoff. In dieser Behandlung der russ. Geschichte war ihm kein gleichzeitiger
russ. Historiker gewachsen, geschweige denn überlegen. Kunik brachte da-
durch in die russische Geschichtsforschung ein Element, das seinen Zeitge-
nossen fremd war, das man als eine fremde Pflanze, die auf dem russ. Boden
noch nicht Wurzel gefasst hatte, wo nicht geradezu missachtete, so doch nicht
liebte. Und wenn Jemand auf das geföhrliche Gebiet der etymologischen
Gombinationen, ihm folgend, sich hervorwagte, so machte er in der Regel un-
verzeihliche Schnitzer, die Kunik ärgerten, er sprach von einer etymologia
bovina, ohne sich je aufgerafft zu haben, eine zusammenhängende systema-
tische Widerlegung aller Derjenigen, die seine Lehre bekämpften, zu schrei-
ben. Wenige selbständige Werke gab er nachher heraus (z. B. die hübsche
Schrift: 0 pyccKOBHBaHTiucKJix'B MOHexaxi» /Ipocji&Ba I. BxaAUMipoBuqa 1860), in
dieser Beziehung muss man gerecht sein und sagen, die Erwartungen, die
man von ihm nach seiner Schrift »Die Berufung« hegen mochte, gingen nicht
in Erfüllung, allein in der Form von Anmerkungen zu fremden Werken (z. B.
Gedeonov, Dorn, Baron Rosen, Bielenstein) schüttete er aus dem Füllhorn
seines Wissens viele reizende Kleinigkeiten aus. Er liebte, wenn man ihn in
seiner mit Büchern vollgepfropften Behausung am Newa-Quai bei der Nikolai-
brücke aufsuchte, Über alle möglichen Fragen der slav. Alterthumswissen-
schaft und der russischen Geschichte zu raisonniren, wobei viele scharfsinnige
Bemerkungen fielen, doch war er nicht zu bewegen, seine Gedanken nieder,
zuschreiben. So wirkte er zwar sehr anregend auf die nicht kleine Zahl seinem
häufigeren Besucher — wozu regelmässig alle Fremden, die zu wissenschaft-
lichen Zwecken nach Petersburg kamen, zählten — , aber da er weder als
Docent Gelegenheit hatte, mit der russ. Jugend in näheren Verkehr zu treten,
Kleine Mittheilungen. 317
noch in der rnss. geBchichtlichen Literatur polemisch auftreten woUte, so
hatten seine Gedanken nicht den Einflnss auf die gleichzeitige Geschichts-
forschung, den sie verdient hätten und der ihnen nicht ausbleiben kann, wenn
einmal die auf wissenschaftlicher philologischer Basis begründete Geschichts-
kritik in Russland erstarkt.
Am 14. April n. St. dieses Jahres schloss das kühle Grab noch einen an-
deren bedeutenden Vertreter des russischen geistigen Lebens ein, den Di-
rector der kais. Offentl. Bibliothek, w. g. B. und Mitglied des Staatsrathes,
AFANASU PEDOROVIC BYÖKOV.
Aus einer altadeligen russischen Familie des Jaroslaver Gouvernements
stammend, erblickte Byokov das Licht der Welt am 15. Dec. 1828 zu Frede-
rickshamn in Finnland, wo sein Vater als Offleier gamisonirte. Die erste Er-
ziehung genoss der Knabe zu Hause, später gab man ihn in das adelige Pen>
sionat des Demidov^schen Institutes in JaroslavlB, wo er von 1833 bis 1836
die Gymnasialstudien absolvirte. Auf Anrathen Pogodin's, dem er schon als
Gymnasialschüler auf dem Gute seiner Tante Vladykina vorgestellt wurde,
bezog er statt des Demidov'schen Lycaeums die Moskauer Universität, wo er
Pogodin in der russ. Geschichte zum Lehrer hatte, dieser verstand ihm auch
die Liebe zur russ. Geschichte u. d. Alterthümem einzuflOssen und in ihm den
Gedanken zu erwecken, später selbst die wissenschaftliche Laufbahn einzu-
schlagen. Häuslich war er in der Familie eines deutschen Pastors Sederholm
gut untergebracht B. beendigte die Universitätsstudien im J. 1840 und wurde
auf Wunsch des Gurators, Grafen Stroganov, bei der Universität belassen.
Da geschah es, dass Minister Uvarov an Pogodin mit der Bitte herantrat, ihm
fUr die Archäographische Gommission — eine für die Vorbereitung der Her-
ausgabe russ. Geschichtsquellen besonders errichtete Anstalt — junge Männer,
die für die russ. Geschichte Vorliebe zeigten, zur Anstellung zu empfehlen.
Pogodin wies auf Byokov und Kalacov hin. Der junge Byckov nahm das
Anerbieten dankbar an und Ende Juni 1840 war er schon in St. Petersburg,
mit Empfehlungen an Sjögren und Serbinovio u. A., die ihm neben seiner amt-
lichen Stellung auch den Verkehr mit den Vertretern der Wissenschaft sichern
sollten, nachträglich erbat er sich noch eine Empfehlung an Vostokov, da
»Beziehungen zu solchen Männern wie Vostokov einem Menschen, der studiren
will, ungemein nützlich sind«. Byokov verrichtete gewissenhaft seinen archi-
valischen Dienst, der im Ordnen, Katalogisiren u. s. w. der Documente be-
stand, studirte aber auch fleissig, um sich für das Magisterexamen vorzube-
reiten, da er im Stillen die Hoffnung hegte, einmal die Professur für die russ.
Geschichte zu erlangen. Einzelne Beiträge erschienen schon jetzt von ihm im
Druck. Nach wenigen Jahren entschied das Schicksal anders über seine Zu-
kunft: er wurde im J. 1844 zum Gustos der handschriftlichen Abtheilung der
kais. Offentl. Bibliothek ernannt an die Stelle VostokoVs, der nicht ganz frei-
willig in Pension ging. Die Gründe dieser plötzlichen Pensionirung kann
man bei Barsukov, SChshb h TpyAu IIoroAHHa VII, 325 ff., 329 ff. auseinander-
gesetzt finden. Byckov's schönste Wünsche und Pläne gingen uhverhofft
schnell in Erfüllung. In der ersten Begeisterung schrieb er seinem einstigen
318 Kleine Mittheilungen.
Lehrer (Pogodin) eine interessante Anseinandersetzung über die ihm nach
seiner damaligen Auffassung bevorstehenden nächsten Aufgaben (EapcyKOBi
ib. 330 ff.) und es wäre die Frage nicht müssig — aber es ist nicht hier der
geeignete Ort, sie zu stellen — , ob alle Pläne des jungen Custos im Verlaufe
von einer mehr als halbhundertjährigen Thätigkeit Byckov's in der öffent-
lichen Bibliothek in Erfüllung gingen. Fast fUnfundfÜnfzig Jahre seines
Lebens widmete Byckov der von ihm in den Jugendjahren angestrebten und
liebgewonnenen schönen Anstalt, er wuchs so zu sagen in ihr und mit ihr auf,
mit seiner Bedeutung, seinem Einfluss stieg auch die Grösse und die Bedeu-
tung dieser Anstalt, deren weitere Ausgestaltung und Bereicherung er fort-
während in seinem Herzen trug als das Gelöbniss seines Lebens. Als Vice-
director (seit 1868) und Director (seit 1882) der kais. öffentl. Bibliothek sam-
melte sich Byokov unvergessliche Verdienste für dieses prächtige Institut,
das dem British Museum nacheifert; sein Name ist mit wesentlicher Erweite-
rung der Bibliothek im Ganzen, mit Acquisitionen seltenster Art auf immer
verknüpft. Namentlich die russische Geschichte und Literatur, slavische
Philologie und Alterthumskunde, die Byokov selbst als Gelehrter mit Aus-
dauer und Erfolg pflegte und mit zahlreichen eigenen Forschungen und Aus-
gaben beschenkte (russische Annalen, Briefe Peter des Grossen, verschiedene
Texte u. s. w.), erfuhren unter ihm starke Bereicherung durch Anschaffung
so wichtiger grosser Sammlungen, wie das ganze ApcBHexpaHSJiHme Pogodin's,
die Handschriftensammlungen Hilferding' s, Porphyriev's, Verkovio's, Busla-
jeVs u. a. Byckov hat durch das glänzende Beispiel seiner unermüdlichen
Fürsorge für die kais. öffentl. Bibliothek gezeigt, was ein Director, der nicht
seine Aufgabe als trockener Beamter der Anstalt auffasst, zu leisten vermag,
selbst bei nicht sehr imponirender Dotation, wenn die Liebe zur Anstalt, die
unversiegbare Schaffensfreude und ein für alle culturellen und wissenschaft-
lichen Bedürfnisse empfänglicher Sinn die Triebfedern seiner Wirksamkeit
bilden. Byckov als Vicedirector und nachher Director der kais. Bibliothek
war durch seine schönen persönlichen Eigenschaften, Liebenswürdigkeit und
Zuvorkommenheit bei vornehmem Wesen und Benehmen, eine in ganz Russ-
land wohlbekannte und hoch verehrte Persönlichkeit; viele Hunderte von
Gelehrten Russlands und des Auslandes werden ihm für sein humanes, freund-
liches Entgegenkommen , für seine Bereitwilligkeit, allen laut gewordenen
Wünschen oder an ihn gerichteten Bitten nach Möglichkeit gerecht zu wer-
den, dankbare Erinnerung in ihren Herzen bewahren. Ich gestehe es offen,
wenn mir im J. 1886 die Trennung von St. Petersburg schwer kam, so waren
es hauptsächlich die beiden Anstalten, die kais. Akademie und die öffentliche
Bibliothek, von deren Räumen, Schätzen und — Menschen ich sehr ungern
Abschied nahm. Seit 1872, als ich das erste Mal die einem jeden Slavisten
heiligen Räume betrat, wo ein Ostromir'sches Evangelium, wo ein Codex Zo-
graphiensis verwahrt wird, war der verstorbene Afanasij Fedorovic fortwäh-
rend aufmerksamer Gönner meiner Studien, bis nach Berlin und Wien wurden
mir slavische Handschriften zu wissenschaftlichen Zwecken nachgeschickt.
Und ähnliche Gefälligkeit erfuhren auch viele andere ausländische Gelehrte,
weil Byckov seine Aufgabe, an der Spitze einer grossen Bibliothek zu stehen,
Kleine Mittheilungen. 319
richtig aaffasBte. Aber nicht nur das, einem jeden wissenschaftlichen Unter-
nehmen, einem jeden strebsamen Talent stand er ft$rdemd, befürwortend,
schützend bei. So manche segensreiche Wirksamkeit jüngerer Kräfte ver-
dankt seinem grossen Ansehen, das er in den höchsten Kreisen der Regie-
rung, namentlich in dem Unterrichtsministerium genoss, ihre Initiative, er
zögerte nie, seine Stimme in die Wagschale zu legen, sobald er überzeugt
war, dass es sich um etwas Gutes handelte. Auch in der Akademie der Wissen-
schaften, welcher er vom Anfang der sechziger Jahre angehörte, ebenso wie
in der Archäographischen Oommission, war seine Thätigkeit segensreich.
Byckov verfügte über sehr ausgebreitete Kenntnisse im Bereich der russischen
Geschichte, Literatur undAlterthümer, wozu er schon durch den Gang seiner
Universitätsstudien vorbereitet war; in der slavischen Philologie nahm er
den Standpunkt Sreznevskij's ein, mit dem er sehr eng befreundet und durch
viele Jahre, ja selbst nach dessen Tode an dem Nachlass (altruss. Wörterbuch)
treuer Mitarbeiter war. Ich rechne Byckov als grosses Verdienst an, dass er
gleichsam zur Erinnerung an die einstigen inhaltsreichen HsBicTiA, in deren
zehn Bänden sich Sreznevskij's bibliograph. Sammelfleiss abspiegelte, in sei-
nen letzten Jahren die Erneuerung der »HsB^CTifl« anregte und ins Leben
brachte. Byckov's Andenken wird mir bis an mein Lebensende theuer blei-
ben. In der kais. ö£fentl. Bibliothek lebt sein Geist fort in dem Sohne, Gastos
der handschriftlichen Abtheilung, Ivan Byckov, dem wir schon bisher viele
äusserst sorgfältig ausgearbeitete Berichte und Beschreibungen bibliographi-
scher Natur verdanken.
Granz vor kurzem, am 25. Mai n. St., starb zu Florenz der bedeutendste
russische Byzantolog, Professor der Geschichte an der St Petersburger Uni-
versität und Akademiker,
VASILIJ GRIGORJEVIÖ VASILJEVSKIJ.
Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten war häufig in unserer Zeitschrift
die Rede, eine grosse Belesenheit in den byzantinischen Schriftstellern, ge-
paart mit dem Scharfsinn der Interpretation, zeichnete seine Forschungen
aus, die sich hauptsächlich auf die Kritik einzelner Geschichtsquellen be-
zogen und vielfach in die älteste rassische Geschichte eingriffen. Er gab auch
mehrere byzantinische Texte heraus. Die byzantinisch-russische Geschichts-
forschung erlitt durch seinen Tod einen sehr schmerzlichen, nicht leicht er-
setzbaren Verlust. Es ist sehr zu bedauern, dass Vasiljevskij nicht dazu
kam, seine in verschiedenen Zeitschriften (namentlich im HMHnp., dessen
Vice- und zuletzt Hauptredacteur er war) zerstreuten Forschungen zu sam-
meln und mit etwaigen Umarbeitungen vollständig herauszugeben. Seine und
seines Schülers Regel Schöpfung ist auch die Herausgabe der russisch-
byzanün. Zeitschrift (BiraaHTiHCKiH speMeHEBRi). Prof. Vasiljevskij war ein
aufrichtiger, biederer Charakter und lieber College. V. Jagiö.
320 Kleine Mittheilungen.
Abrecliiiiing.
Die Beiträge znr Errichtung eines Grabdenkmals fttr den verstorbenen
Dr. V. Oblak ergaben laut Ausweis (Archiv XIX, 644] 535 fl. 84 kr., seither
kamen noch dazu von Prof. M. N. Speranskij ans Bussland 10 fl., von Dr. W.
Yondr&k aus Wien 5 fl. im Ganzen zusammen 550 fl. 84 kr. (S. W.
Ausgegeben wurden:
a) Für ein bei H. Felix Toman bestelltes Denkmal, aus schwar-
zem böhm. Syenit, sammt Transport und Aufstellung ... 523 fl.
b) Für ein Modell in Gyps an B. B 7 fl.
c) Für ein in weissem Marmor ausgearbeitetes Portrait des Ver-
storbenen an den Sculptureleven Berneker in Wien .... 45 fl.
Zusammen 575 fl.
Der Fehlbetrag von 24 fl. 16 kr. wurde von mir zum Theil ans den Zinsen
der Sparkasse im Betrag von 13 fl. 54 kr., zum Theil aas Eigenem gedeckt.
Das Denkmal wurde am 15. April d. J. zur Erinnerung an den vor drei
Jahren an diesem Tage erfolgten Tod Dr. V.Oblak's im Cillier Friedhof auf-
gestellt und der Familie übergeben.
Die Inschrift auf dem Sockel der mit dem Portrait des Verstorbenen
geschmückten Pyramide lautet so :
Dr. Vatroslav Oblak
r. 15. V. 1864 in u. 15. IV. Ifilf6
V Celju.
A0CT0HH% tiuCT'L OT'BBpiCTH K^EHTEI.
Svojemu prijatelju
postavili slovanski filologi v spomin.
(d. h.: Dr. V. 0., geb. 15. V. 1864 und verst 15. IV. 1896 in Cilli. »Er war
würdig das Buch aufzuthun«. Ihrem Freund zum Andenken errichtet von
den slavischen Philologen).
Der dem 5. Capitel der Apocalypse entnommene Spruch kann in über-
tragener Bedeutung auf den Verstorbenen bezogen werden, der die altkirchen-
slavische Uebersetznng der Apocalypse zum Gegenstand seiner Doctordisser-
tation gewählt hatte (Archiv B. XIII) und nicht erfolglos altkirchenslavische
und slovenische Bibelübersetzung nicht einmal aufschlug. —
Ich fühle mich allen Jenen, die durch ihre Beiträge die Erfüllung meines
Herzenswunsches ermöglichten, sowie Herrn Felix Toman in Laibach für die
vortreffliche Ausführung des schOnen Denkmals, zu herzlichem Danke ver-
pflichtet.
Wi en, d. 15. Mai 1899. V. Jagiö,
Verlag der Weidmannschen Buchhandlnng in Berlin.
NEUE BRIEFE
VON
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UND ANDEREN
SÜD- UND WESTSLAVEN
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DOBROWSKY UND KOPITAR
(1808—1828).
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CODEX MAEIANUS GLAGOLITICUS
CHARACTERIBUS CYRILLICIS TRANSCRIPTUM
EDIDIT
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gr. Lex.-80 ,'XXX und 607 S.) Preis 15 Mark.
Russische Unterrichtsmittel.
Die Heraiuig»b« von modernen Lelir^ekelfen inr Erlernung des Bussischen und Polnifchen bildet eine
besondere, wohlgepflegte Specialitit der Yerlagsbacbbandlting. Die darüber von Zeit zu Zeit TeröiFent-
licbten Verlagtberichte stehen gratis und portofrei zu Diensten.
In Karzern beginnt zn erscheinen :
Russische Nationalbibiiothek !ii,,ä.rrnS,.rÄ;aSu»r b".5S ."^f^"«:
Dritte, sorgfiltfg durcligesehene und verbesserte Auflege. Monatlich 1 Heft S^ 1 Ji. Alle 12 Hefte
in SuDakription, sasaramen berechnet nnd erhoben Ji 10. — .
Das Stadium der rusaischen Sprache ist in allen Kalturstaaten, speciell in Dentschland^ in steigen-
der Verbreitung becriifen. Von der Krenzseitun^ wurde das Russische wegen seines Formenreichtums und
aus praktischen Gründen neuerdings an Stelle einer toten Sprache für unsere höheren Schulen empfohlen.
Demgemäss steigert sich auch der Absatz der IttutaUichen XtttUmalbiblMhek ron Jahr zu Jahr.
Bereite erschienen:
Russische Grammatik auf wissenschaftlicher Grundlage ?^X'"büÜ?
bettet vom Kais. Bass. Kolleg.-Rat und äymn.-0b6rlehrer a. D. L. von Marnitz, Docent der Kgl. Kriegs-
akademie zu Berlin. .4^ 2.80, Keb. Jt 3.20.
In der deutsch-russischen Presse gl&nzend rezensiert und offiziell eingeführt an der Kgl. Kriegs-
akademie, sowie in Köln a. Bh., Leipzig, Biga, Keval, Mitau etc.
Als TiAflAhllpll AlL7n ini^ f^' leiditen LesettUcken für den AnfaiM gab der Verfasser in den
AIS UeseKlUtn UH^U ^,ä„*,.,^,,^„ MeiBterwefken- soeben heraus: ^
Briefe eines Jungen Seidaten ron W. Glasunov. Bussischer Text mit Accenten. Hinweisen auf
obige Grammatik und Kommentar. Aussähe ohne Kommentar J( —.SO, geb. .4f 1.—. — Auä^p^be
mit Kommentar, geh. .S 1.—, geb. Jt 1.30.
Ein Übungsbuch dazu zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Russische
ist unter der Presse.
„ . . . . Gerade die Abschnitte der ruttHaehet». Gran%tnaHkf die den* Nichlrtissen viele
tiehwierigkeiten bereiten^ gifid dem Verfasser besonders gehingenm Dieses gilt ganz besonders
TOn der Gliederung und Behandlung des Verbum und speziell von der Lehre von den Aspekten (bh^u
narojiol. Jeder^ der sich mit der russischen Sprache besch&ftigt, weiss, wie schwierig diese Aspekte sind;
denn sie sind eine Eigentümlichkeit der russischen Sprache, sonst nur noch dem Alt-Griechischen bekannt.
Durchaus einleuchtend und für die Aneignung praktisch ist hierbei die Einteilung der Yerba in U (resp. 4)
Gruppen, je nach der Bildung der Aspekte. Ein glücklicher Gedanke ist die Verweisung der Lehre vom
Koigunktiv in die Syntax; sowohl wissenHchaftlich als praktisch erscheint diese Abweichung vom üblichen
System durchaus berechtigt." St. Petersburger Ztg. 18{«S Nr. 136.
Hauptschwierigkeiten der russischen Sprache Zy?^iur'B»it^> '^ ''"^
I. Teil: Formenlehre. II. Teil * Formenlextfcon. Komplett .4^ .Vis, geb. .4V (s.—.
„Das vorliegende Buch stellt eine Erg&nzung zu Grammatik und Lexikon dar, wo beide den über
eine Frage der Formenbildung schnelle und sichere Aujikunft Suchenden im Stiche lanaen Bemerkens-
wert ist noch, daüs das Buch nicht etwa nur nach Büchern geschrieben ist, sondern iu bestättdiger
Jt\ailu9tiß tnit der lebendigen Sprache.** St. Petersburger Herold 189^ lo!2.
„. . . . Das Ganze ist ein glänzendes Zeugftis detitschen l^'leisses und ttHssenschaßlieher
Tüchtigkeit.** Prof. Fischer in der Kreuizeifung lS<)b, 12.
Kurzgefasste russische Grammatik SL-J-p^ÄCa^Ä ""uJ^tTTili:
Phraseologie der russischen Sprache SlÄ:?'Sis"ch^.rXrtlmin.%:
und Signaturenschlüssel zu allen russischen Karten. Praktisches Hilfsbuch znr Erlernung des Bassischen
von Hauptmann Cremet. Geh. Ji 4.5o, in Lwd. geb. ,H h.—. Mit der Grammatik in einem Bande
geh- .// 5.40, in Lwd. geb. ^U ß.— .
QA piioeienho Uonrfcf^hpiffAn ^° Faksimile reproduziert. Zar Übung im Lesen russischer
%IT I UOOlObllC nailUOUIII IIIUII Schriftstücke. Mit einem Schlüssel in Druckschrift und
grammatischen Erläuterungen, herausgegeben von Dr. S. Anders. Ji 1.40.
Sonder-Abdruck aus Dr. Anders' Russischer Dolmetscher-Prüfung. Die ganz verschiedenartiaen
Original-Schriftstücke sind sneihodiseh attgeordnet, rmnTjeirhieren xnm Schtv^reren, Bekannißch
bedienen sich die Russen im täglichen Verkehr zahlreicher Varianten für die einzelnen Buchstaben beim
flüchtigen Schreiben, die von den in den Lehrbüchern vorgeführten Schriftzeichen wesentlich abweichen.
Alle diese Eigenheiten, ohne deren Kenntnis man russische Briefe nicht entziftem kann, werden in obigem
fWerke vorgeführt und durch einen Sehinsnel in J>ruekschrift erkl&rt.
Präparation zu den russischen übungsstQcken '^JmMJim\S!Z^
der russischen Sprache. Von Gymn.-Lehrer Pirrss. 2 Teile (einzeln käuflich; u ^K 2.So.
Gerhards Russische Wandalphabete. if„o':r„'"X"en*^o™aV«Y!i*-.''9S"iS
Pappkasten mit eingeführten Zwi^ichenalphabeten zur schnellen Auftindun^. ,S !>.40. In Hols-
kiste (aufgezogou), ebenso eingeteilt .4f U.— . Lese-3Iaschine (eingerichtet zum Aufstellen und Auf-
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RUSSiSChO MsiStBrWBfke mit Accenten und Kommentaren. U Hefte ii 60 Pf.
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RAIMUND «ERHARD, Speclalverlag für russ. Lehrbücher, LEIPZIG.
Für die Redaktion verantwortlich: Prof. Dr. A. Brückner in Beriiu.
Druck von Breitkopf i: Härtel in Leipzig.
I jÜL-t-^^'^^.
!_.
fr -\
ÄCHIV
. FÜR
E PHILOLOGIE.
UNTER MITWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, J. GEBAÜER, C. JIRECEK,
BSBLIN, PBAQ, WIEN«
A.LESKIEN, W.NEHRIN6, ST. NOVAKOVIC, A. WESSELOFSKY,
LEIPZIG, BBESLAU, BELGRAD, ST. PBTEBSBUBG,
HERAUSGEOEBEN
VON
V. JAGiC.
EINÜNDZWANZIGSTER BAND
DRITTES UND VIERTES HEFT.
^»
BERLIN 1899
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
B W. ZIMMEBSTRASSE 94.
8T. PETSBBBUBO, A. DEYBIEMT.
INHALT.
Abhandlungen. 8«ite
Untersuchungen Über Betonungs- und QuantitfttsverhältniBBe in den slaTisohen
Sprachen, von A. Leskien • . • 321
Beiträge zur ragusanischen Literaturgeschichte, von Const. Jirecek 399
Die oyrillisolie Inschrift Tom Jahre 993, yon Const. Jirecek und V. Jagi6 • 543
Wer war Pseudodemetiius L? von Eugen i^cepkin 558
Kritischer Anzeiger.
V. N. Zlatarski^s Abhandlungen zur bulgarischen Geschichte, erschienen in
Sbomik XIII. und ZV., in Periodicesko ßpisanie Heft 54 und Bilgarski
pregled lY, 3, angezeigt von Prof. C. Jirecek 607
Monumente hiitorico-juridica Slavorum meridionalium Vol. VI. Acta croatioa
(lllu — 1499), herausgegeben von Dr. Büro Surmin, angezeigt von Prof.
C. Jirecek ^. . . 617
Theodori Ducae Lascaris epiatolae ed. N. Feste, angezei^ von Prof. Jirecek . 622
Mohammedanische Heldenheder. Red. von Luka Mar)anoyi(5, herausgegeben
von der »Matica hrvateka« (Band III der Sammlung »Hrvateke narodne
pjesme«), angezeigt von V. Jagiö 626
L^£vang61iare slavon de Reims, par Louis Leger, angezeigt von V. Jagid . . . 635
Kleine Mittheilungen.
Zu Menoetid, von A. Leskien 637
Zur Bibliographie apokrypher Gebete von St. Stanojevid 638
Ein serbokroatisches Wörterverzeichnis aus dem Ende des XV. Jahrhunderte, von
Milan Pajk 639
Alle Einsendungen für das »Archiv fax slavische Philologie i sind
an mich nach Wien YIII. Kochgasse 15, zu richten.
Y. Jagic.
Das Archiv fiii slavische Philologie erscheint in Heften zu 10 Bogen
oder Doppelheften zu 20 Bogen, je vier Hefte bilden einen Jahrgang.
Preis für den Band 20 Jly für einzelne Hefte 6 Jl.
Die ersten 12 Bände sind zum ermäßigten Preise von 180 •# (bls-
hes 241 J[) durch jede Buchhandlung zu beziehen.
Weidmannsche Buchhandlung.
Verlag der Weidmsnnschen Bnchhandlnng in Berlin.
Soeben ist erschienen:
GOETHES FAUST
ZBDGIISSE UID EICDIISB Vi SEHER BITSTEBDIGSGESCBIGBTE
VON
OTTO PNIOWER.
gr. 80. fX u. 308 S.) 7 Mark.
I ^<vU-.) w' ' ^" ^
#
O
ft
.)•
üntersnchimgeii über Betonnngs- nnd QnantitätB-
YerMltnisse in den slayischen Sprachen.
L Das Yerhältnlss der serbischen nnd slorenischen
Betonung.
Es war meine Absicht, den folgenden Untersuchungen eine
vergleichende Darstellung der slovenischen und serbischen Ton-
qualitäten auf Grund der Arbeiten von Skrabec, der von Valjavec
(Rad jugosl. Akad. 43 fg.) und des Wörterbuchs von Pletersnik
Toranzuschicken. Mein Manuskript lag druckfertig da, als mir im
Rad 132 (1897) die Abhandlung von Valjavec, Glavne tocke o na-
fflasu knjizevne alovemtine^ zuging. Sie enthält in den Hauptsachen
alles, was ich herausgebracht hatte, und da sie das Slovenische
ausführlich behandelt, über diese Sprache weit mehr, als ich bieten
wollte. Ich lasse daher meine Arbeit ungedruckt und gebe nur ein
Resultat, das mir fttr gewisse Theile dieser Untersuchungen wich-
tig ist.
Nach der heutigen serbischen Betonungsweise kann steigen-
der Ton bei kurzer Silbe nur stattfinden, wenn diese den sekun-
dären, zurückgezogenen Hochton trägt, z. B. vbda^ iina. Dagegen
haben alle mit "" betonten, also den ursprünglichen Hochton be-
wahrenden kurzen Silben fallenden Ton, einerlei ob die Kürze ur-
sprünglich ist, wie z. B. gen. bdffOy fem. koza, oder ob sie aus einer
ursprünglich steigend betonten Länge durch Verkürzung entstan-
den ist, z. B. krävay pj^na. Zieht man aber das Slovenische hinzu,
so zeigt sich, dass diese Gleichförmigkeit nicht ursprünglich ist,
sondern dass es einst unter ursprünglichem Hochton auch steigend
betonte Kürzen neben fallend betonten gab.
Die Vergleichung des Serbischen ergibt mit dem nothwendigen
Zusatz, dass im Slovenischen jede hochbetonte Silbe, die nicht End-
silbe des Wortes ist, gedehnt werden muss :
ArcbiT fttr •Urisch« PUlologia. ZXI. 21
322 A. Leskien,
I. Slovenischer fallender Ton entspricht:
1 . serbischem fallenden Ton bei ursprünglich langer Silbe^
z. B. slov. glas gen. gla^a serb. glas glasa^ slOY. breg brega
serb. brijeg brijega, slov. dob doba serb. düb düba.
2. in bestimmten Fällen serbischem "^ auf ursprünglich kurzer
Silbe, z. B. slov. bdga gen. (mit Umspringen des Hochtons
bogä) serb. boga^ Ao\,pdlje (mit Umspringen />o^ 6 ) serb.
polj'e.
II. Slovenischer steigender Ton entspricht:
1. serbischem steigenden Ton, wenn beide Sprachen den
ursprünglichen Hochton um eine Stelle zurückgezogen
haben :
a. bei langer Silbe, in beiden Sprachen z. B. dnia^ krilo.
b. bei ursprünglich kurzer Silbe, z. B. slov. gora serb. gdra^
slov. vöda serb. vdda.
2. serbischer fallender Kürze ("") bei bewahrtem ursprüng-
lichem Hochton :
a. wo im Serbischen eine ursprünglich steigende Länge
verkürzt ist, z. B. slov. kräva serb. kräva^ slov. pena
serb. pßna.
b. in bestimmten Fällen bei ursprünglicher Kürze, z. B.
slov. köra serb. kora.
Der springende Punkt ist hier das Verhältniss von I. 2. und
II.2.b., der Umstand, dass Silben, die im Serbischen ganz gleich
betont sind, bdga kdra, im Slo venischen verschiedene Tonqualitäten
haben : boga köra. Nach den übrigen Entsprechungen des Slove-
nischen und Serbischen kann daraus nur der Schluss gezogen wer-
den, dass einst die Kürze in bdga fallend, die Kürze in ^ra stei-
gend betont war. Für alle Einzelheiten verweise ich auf die Arbeit
von Valjavec.
Bei der folgenden Anwendung des Slovenischen brauche ich
in Uebereinstimmung mit dem Wörterbuch und der genannten Ab-
handlung von Valjavec für den fallenden Ton ", für den steigen-
den ^j für betonte Kürzen ^ ; unberücksichtigt lasse ich die zur
Bezeichnung verschiedener Nuancen von o e verwendeten diakriti-
schen Zeichen unter diesen Buchstaben, da die Unterscheidungen
für meinen Zweck nicht wesentlich sind.
Untersuch, üb. Betonunga- a. QuantitätsverhältniBse in den slav. Spr. 323
In manchen einzelnen Anfstellnngen, namentlich wo es sich
um Verschiebnngen eines ursprünglichen Hochtons handelt, weiche
ich TonYaljayec's Benrtheilung der Verhältnisse ab und werde das
s. Z. hervorheben.
n. Terkflrzmigen nrsprflngllch langer Silben Tor gewissen
SnfBxen im Serbischen.
Bei zweisilbigen Stämmen mit ursprünglich langer erster
Silbe (Wurzelsilbe) gilt im Serbischen die Begel: alte hochbe«
tonte Länge kann nur erhalten bleiben, wenn sie fallend betont
war, ist dagegen verkürzt, wenn sie steigenden Ton hatte. Ganz
allgemein gilt femer der Satz : alte unbetonte Länge kann nur
bewahrt werden, 1. wenn sie eine Stelle vor der alten Hochton-
stelle lag (also jetzt mit ' betont ist), weiter zurückliegend ist sie
nothwendig kurz; 2. wenn sie nach der alten Hochtonsilbe stand
(vgl. meine »Untersuchungen über Quantität und Betonung«, Ab-
handlungen der E. Sachs. Ges. d. W. phil.-hist. Gl. B. X u. XHI).
Die sogenannten sekundären, mehrsilbigen Nominalbildungen
zeigen nun eine Menge Verkürzungen ursprünglich langer Silben
auch da, wo man nach Massgabe der zu Grunde liegenden Worte
und mit Berücksichtigung der angegebenen Regeln die Erhaltung
der Länge erwarten möchte. Man wird die Frage aufwerfen
müssen, warum es z. B. hrhzina zu Wljeg (= hreg)^ grädlite zu
^roJheisst, obwohl keiner heutigen serbischen Regel eine Quantität
und Betonung wie *br%j^zina (*briima)y *gräd%ste vriderspräche.
Es ist wohl kaum bis jetzt genügend hervorgehoben, dass im
Serbischen eine sehr grosse Anzahl von Nominalsuffixen in den
Silben vorher keine Länge verträgt. Die mit dem Yerbum eng ver-
bundenen Nominalbildungen, Participia und Infinitiv, schliesse ich
hier ganz aus, da sie nur in Zusammenhang mit dem Yerbum ge-
nügend behandelt werden können. Auf die übrigen Fälle habe
ich im einzelnen in den »Untersuchungen ff LA. (Bd.X) aufmerk-
sam gemacht, aber nicht den Zusammenhang hergestellt.
Die herkömmliche Eintheilung in primäre Bildungen, d.h. Ab-
leitungen von einem als Wurzel angesehenen Element oder von
einem beliebigen Yerbalstamm, und sekundären, d. h. Ableitungen
aus Nominal-, Numeral-, Pronominalstämmen, die in der Sprache
21*
324 A. Leskien,
vorliegen oder yoransgesetzt werden dürfen, ist ja sehr unvoll-
kommen. Gleiche Suffixe werden zu Ableitungen der einen wie
der andern Glasse gebraucht. Da es sich mir nicht um diese
Classen, sondern um die Wirkung gewisser Lautcomplexe handelt,
werde ich anders verfahren und die Bildungen eintheilen in solche
mit leichten und mit schweren Suffixen, und nenne schwer alle
zweisilbigen Suffixe mit vollem Vocal der ersten Silbe, d. h. alle,
die in dieser Silbe nicht % oder h hatten. Auch was bei einer Ab-
leitang als Stamm, was als Suffix anzusehen sei, anders ausge-
drückt, mit welchem Laute das Suffix beginne, kann streitig sein.
Suffixe führen ja ausserhalb der mit ihnen gebildeten Worte kein
selbständiges Leben, abgesehen von jungen, noch als Zusammen-
setzung erkennbaren Bildungen, wie etwa den deutschen mit -loSy
deren zweiter Theil noch als selbständiges Wort besteht. Ich ver-
stehe hier, wenn es sich um Ableitungen von nicht verbalen
Elementen handelt, unter Suffix den Lautcomplex, der nach dem
letzten Gonsonanten des zu Grunde liegenden Wortes steht^ nehme
also z. B. in Zlätoje als Suffix -oje, obwohl das Grundwort den
Stamm zlato- hat. Natürlich geht die Bechnang nicht ganz glatt
auf, da es Worte geben kann, in denen dem Suffix ein vocaUsch
auslautendes Element vorangeht ; sie sind selten und machen keine
Schwierigkeit, da als Suffix einfach das betrachtet werden mass,
was die Sprache nach Gonsonanten so anwendet. Bei Ableitun-
gen von Verben ist als Stamm anzusehen der sogen. Infinitiv-
stamm desVerbums, also was übrig bleibt, wenn man die Infinitiv-
endung -^t abschneidet ; hier kann es jedoch vorkommen, dass der
letzte Vocal eines solchen Stammes als znm Suffix gehörig empfan-
den wird. Das alles sieht sehr mechanisch aus und ist es auch,
aber die lebendige Sprache verfährt eben so, wie sie z. B. auch in
der DecUnation nur consonantische Stämme kennt, d. h. als Gasus-
endung alles empfindet, was nach dem letzten Gonsonanten des
Wortes steht, mag unsere etymologische Analyse die Trennung
auch ganz anderswo machen.
Von den Verkürzungen ist die selbstverständlich, die unter
die oben gegebene Regel 1 fällt, alle solche Fälle können also hier
übergangen werden, z. B. gen.jundka = *junäkäy vratära = *rra-
förÄ, nom. jünäk = urspr. *junäln>^ vrätär = urspr. *vratarh. Auch
eine bestimmte Art von Länge, die sekundäre Dehnung vor r, /, m,
Untersuch, üb. Betonungs- u. QaAntitKtsverhSltnisse in den slav. Spr. 825
n^j\ V -^ Cohb. und bei Ausfall von t> {gräblje zu grUb) kommt bier^
wo es sich nur um alte Längen handelt^ nicht in Betracht
. Man kann nun als Grundregel aufstellen, dass schwere Suf-
fixe keine Länge vor sich dulden. Bei der Besprechung der
einzelnen Fälle gebe ich nur je einige Beispiele, verweise im Uebrigen
auf die oben genannten 9 Untersuchungen c L A. (citirt als U, mit
Nummer) und auf Daniele, Osnove (DO, mit Seitenzahl). Die Beispiele
sind womöglich so gewählt, dass der Ableitung ein Grundwort mit
langem Vocal gegenttbergestellt werden konnte, denn wenn das
Grundwort schon Kürze hat, kann man immer das Bedenken haben,
die Ableitung möge einfach von ihrem Grundworte abhängig sein.
-sy msc, gen. -ö/a (U 1, DO 71), z. B. närucäj : ruka^ beson-
ders anschaulich /7o^j9aiä;' : pas^ das BXJApojas contrahirt ist.
-aja f. (U 1, DO 72), z. B. prekaja : pryek.
-ava f. (U 4, DO 85), z. B. dübrava : düb (= dqb^), krivnjava :
kriviti krtvlm se.
-är msc, g. -ära (ü 12, DO 1 14). Die Fälle wie zlätär zlatdra
(= *zlaiärä), die ausserordentlich zahlreich sind, fallen unter das Ge-
setz 1, die Kürzungsregel ist aber allgemein, z. B. bünistär : bünlite^
ddiacür (neben odzäcär) : ddzäk.
-ara f. (ü 10, DO 108), z. B. zläiara (vgl. zlätär) : zläiOj svir
lara : svüa^ sträzara : sträia, sjenara : si/eno, crepara : crijepf
trävara : trdva^ vräcara (f. zu vräcär).
"älj msc, g. -ä/;a (U 15 a, DO 130), z. B. küsälj : käs f. küsa,
-an msc. (mit festem a, U 18, DO 138), fem. -ana, fast durch-
weg Eigennamen, z. B. Vükan : vük^ Drägan : drag fem. drdga,
Dusan : düSay zvjezdan : zvifezda, zlätan : zlato ; ist das Suffix un-
betont, so lautet es -an^ die Kürzungsregel ist dieselbe, z.B. ^ivün :
ziv fem. ziva^ kümän : küm. Feminina z. B. Vükatiaj Zivanaj
ZvjdzdanUj Cvj'eiana : cvijet, Frauenname CvifHa^ güjana : güja.
-^h^n^J deminuirte Adjektiva, serb. -ahan, mit Verlust des h
-an, kann hier eingerechnet werden, weil das erste a fest ist (DO
142), z. B. pünahan g. pünahna, pttnan : pün, bljMjan : bFijed fem.
bli/eda, mlädjahan, mlädjan : mlad fem.m/oc^a, SSdjan : vgl. iSdan.
-Jan (= -A3*; U 20, DO 147), Adj., z. B. liizan : lug g. lüga,
snfezan : sritjeg^ sfircan : sijerak^ irnjan : tfn,
-at (U 28, DO 212), Adj., z. B. brädat : bräda^ glävat : gldva,
zübat : zübj krilat : krihy dugülj'at : dügülj.
326 A. Leskien,
-asty Adj. (U 29, DO 213), z. B. tvßzdast : zvijizda, krilast :
krilo^ cvßtaat : cpijetj püsast ipäe [winpojas)^ prütast \prütj M-
»a8t : küs fem. kuaa^ golMast : gälüb, pastüiaat ipästüh g.ptutüha.
-aöi (bestimmte Form ; DO 240), A^j^, z. B. spävaöi : spdtati^
cjelivadi : cjelivati.
-äd f. (i-Stämme; U 38, DO 258), z. B. vücäd : vük, zvfirud :
zvijer.
-ata f. (U 50, DO 348), z. B. pokrivaca : pokrivatiy udävaca :
uddvaUy bjdlaca : bto fem. hijSIa^ krivaca : kriv fem. £rtt>a, slänaca :
«/an fem. «/4na, suvaca : «äA fem. «uAa (suva) . Die Mascalina auf
-äo g. -^a (U 50) haben alle Endbetonung, die Kürze daher nach 1.
-aj msc. (U 52, DO 358), z. B. bßläi : ilio fem. i«>Wa, krtläi :
£rt/o.
-ao, Adj. (U 5, DO 86), mit Ausnahme der drei Worte vämicav :
vdmicay gronicav : gronicay mätemicav : mätemica geht die Etlrzung
ganz durch, z. B. gizdav : gizda, gtibav : ^/f i, tr^njav : ^rän, ^ärao :
gär^ metiljav : m^ülj g. metüja.
-äk msc. (U 40, DO 262), z. B. nUMjäk : mlad fem. m/a^,
Ä;l[;aA;; die geringfügigen Ausnahmen sind a. 0. verzeichnet. Zum
Femininum -a^a vgl. divljaka : div^ak g. divljdka.
-men msc, -mc (= mq) ntr. (U 9, DO 101, 103), z. B. ^men,
pl&men {=*polfnenh)j jlicmen {=jqcbmenf>); brhne {=*bermq],
vime {=f)tfmq), sßme (=«em^). Der Nominativ x>nj^e(^^*vermq)
zu gen. vrhnena unterliegt einem auch sonst (s. u. -qt-) zu be*
obachtenden Wechsel.
-men^ Adj. (DO 102), z. B. stämen fest (vgl. den Eigennamen
Si&mena).
-el, Adj. (DO 125), kiseo (= kgseh).
-en msc. (DO 143, 191), z. Th. alte consonantische Stämme,
z. B.jäsen g.j&sena, Vitcen : vük,
-en, Adj. (U 19, DO 144), z. B. Ti««« (= Ißsen) : Ay««, w?&n
[^vüen] : «9i2a, vi &ni : vüa ; «Mn^n : ^£no ; kUtvem : kletva, tä»
den : lud fem. /ucja, hrUbren : hräbar fem. Araira.
-etf -ot msc. (U 30, DO 217), z. B. ^^oS^^^ : zv^k^j tr&set : iriati
tresem (= tr^s-).
"ielj msc. ; das Suffix (U 36, DO 248) erscheint ausser in vBs-
tefy' und prljaUlj thatsächlich nur als '-iielj und t ist mit zum Suffix
Untersach. üb. BetonnngB- n. Qnantit&tsyerhältniBBe in den slav. Spr. 327
empfandeii, z.B. stkütelj \ svetitij hranitey : hränitiy späsiteif :
spästi spdsem.
-etGj masc. Personennamen femininaler Fonn (DO 254), z. B.
VJMeiay Dräieta : dräff fem. dräga^ Vüceta : vük. Wo eine Länge
steht, z. B. Vüjietay beniht sie anf Wirkung der bekannten Con-
sonantenyerbindangen.
~ei msc, ^ia f. (DO 360), z. B. Vränei^ f. vränesa : trän fem.
vräna^ CrrübeSa (bei DO Orübeäa) : grub fem. grüba\ ridjeia : ridj
fem. rt£(;a.
-^^ serb. -et- (nom. -e; U37, DO 249) ntr.; ttber die spätere
Ansdehnnng dieses nrsprttnglich in der Anwendung sehr beschränk-
ten Suffixes s. »Untersuchungenc C. (Abhandl. B. XIII, S. 608 =
82) . Bemerkenswerth ist, dass die altererbten Bildungen die Wur-
zelsilbe kurz haben, abgesehen vom Nominativ, ich gebe daher den
Oenitir: dvizeta (nom. dvize)^ idribeta (idrijebe), präaeta (präse)^
kljüseia (kljüse), jüneta (Jüne)^ zvjdreia [zvijh'e)^ d/eteta (difSte).
Die späteren Ableitungen, deren -^^ meist mit anderen Deminutiv-
suffixen verbunden ist, folgen einfach den Qaantitätsverhältnissen
des Grundwortes.
-ivo ntr. (U 7, DO 94), z. B. pr'Sdivo : prSstipredem (= pr^) ,
väfivo : vdriti.
-iva f. (U 7, DO 94), stätiva.
-ivj 'Ifivj Adj. (U 8, DO 94), mit zwei Ausnahmen, dsorslßv^
svojffßvy geht die Kürze durch, z. B.j'izw :jeza, liiäßv ; rUq; g.
rUäj'aj ffuaärljiv : gitsär g. güsära, evräbl/iv : wräb, smjei^w : sniijek,
-^njl (bestimmte Form), poss. Adj. (DO 196), z. B. golubinjl :
goluby güjinjl : güja^ mrävinji : mräv.
-♦7, Adj. (U 31, DO 219), z.B. glävit : gläva, rßcit : ryeb, glär
nt : gläs^ usärii : üsar g. usära^ Ijutit : ^üt fem. Ijüta.
-tk msc. (U 41, DO 271] ; die Kürzung geht ganz durch, bedarf
aber hier keiner näheren Besprechung, weil die in Betracht kom-
menden Beispiele alle Endbetonung haben, daher unter das Gre-
setz 1 fallen. — Femininum -ika (U 42, DO 276), z. B. mlßcika :
tnlijekOj prtUUka : prüd g. prüda^ bjelika : b'io fem. ftyWa, mlädika :
nUad fem. mläda^ muhärika : mähär.
-ii msc. g. -lia und fem. -tia (U 54, DO 361), z. B. nemarti :
nhnär\ hvälüa (Prahler) : hvdla, hmliti.
-in msc. (U 21 Anhang, DO 148); die Kürzungsregel liegt
328 A. LeskieD,
-liegt deutlich vor z. B. in Vüj'in : Vüjo^ Miläün : niilaif tMjin :
tüdj fem. tvdja^ Cvjetäiin n. 8. w., mit zwei drei Ausnahmen, z.B.
Cvyeiin : cvijetj wo Anschluss an das Grundwort stattfindet.
'ina f. (ü 22, DO 152). Die Abstracta von Adjektiven (U S. 106
= 38), z. B. hjeVma : ^io bij'dla, können hier ausser Betracht blei-
ben, da sie fast durchweg alte Endbetonung zeigen , daher noth-
wendig die Silben vor dem Suffix kurz haben mtlssen. Ganz deutlich
zeigen die Kürzung die Augmentativa u.s.w., z.B. breiina : brijeg^
vücina : vük^ düsina : düSa, rücina : ruka^ mesina : meso^ srMina :
srij^da, njemcina : ntjemaCf obläcina : obläk^ junacina ijüriäk g.
junäka^ Ijekärina : Ijkkar g. Ijekära^ pasürina ipäsfir g. pastira.
Die Ausnahmen beruhen, wie a. 0. S. 102 = 34 gezeigt ist, auf der
Dehnung vor den bekannten Gonsonantengruppen.
'inja f. {=-ym\ -yna; U 27, DO 196). Die wenigen erhaltenen
alten Abstracta mit dieser einfachen Form des Suffixes : grdinja^
püstin/uy svStinja, haben Länge der Wurzelsilbe ; man kann hier
nicht entscheiden, ob urprüngliche Verhältnisse vorliegen oder ein
Anschluss an grdan (grditi), pust, svet Auch zur Bildung femini-
naler Personenbezeichnungen ist es im Serbischen nur noch ver-
einzelt vorhanden, die Kürze vor dem Suffix geht durch, vgl. kne-
ginj'a (= kbn^gyni)^ vlähinja : vl&h^ fürkinja : türcin pl. türci.
Lebendig ist das Suffix in der Verbindung -kiiija^ d. h. entstanden
aus der Anfügung von -inja an Feminina auf -ka. Es ist von vorn-
herein zu erwarten, dass hier einfach Anschluss an das Grundwort
stattfindet; Spuren von Kürzungen finden sich aber auch hier, so
Sremkinja : Srtjemka : Srljem g. Srijdma (Syrmien) ; und ganz aus-
nahmslos muss gekürzt werden^ wenn mit -inJa Weiterbildungen
von Masculinen auf -äk g. -ä^a vorgenommen werden, z. B. Bohijar-
kinja : Bbsnjäk g. Bosnjäka, zemljäkinja : zhmljak g. zemlfdka,
prostäkin/a : prbstäk g. prostdka.
"ic, msc. Deminutiva (U 34, DO 231). Die a. 0. gegebenen
Vergleiche zeigen deutlich die allgemeine Kürzungsregel, z. B.
vjdnctö : vij'dnac, güjiö : güja, djäciö : dj'äkj zdrepctö : idrijebctc^
kräljiö : kralj g. krälj'a^ grädid : gräd^ listiö : list, müziö : müz, krü-
iiö : krugj junäctö ijünäk g.junäka,
-ica f. (Ü48, DO 313); bei allen Alten von Ableitungen, aus-
genommen die von /-Participien (ü S. 185 = 117), wo die Verhält-
nisse des Grundwortes festgehalten werden, findet regelmässig
Untersuch, üb. Betonangs- u. QuantitätsverhlUtniBse in den slav. Spr. 329
Verkürzung statt, z. B. brädica : hräda^ glävica : ffläva, rucica :
rüia^ cestica oder cistica : cest^ vücica : vuk, bjiliea : Vio f. bi/ela,
süHca : aüh f. mha\ lopärica : löpär g. lopdra, vratärica : vrätär
g. vratdra.
-dste ntr. (U 51, DO 353), mit zwei drei Ausnahmen geht die
Kürze durch, z. B. gärlite : gär, grädiite : gräd, päUHe : pdliti.
-oje^ mse- Eigennamen neutraler Form (DO 73), z. B. VMoje :
tük^ Zl&toje : zlätOf Sridoje ; srijdday CvfUoje : cvtj'et.
"oro, -ero (ü 10% DO 110), num., z. B. pl^toro :pet {=^p^tb),
ddsetoro : d'iset (= desqtt).
-ota (ü 30, DO 217), -oöa f. (DO 230). Da die Worte endbetont
waren, versteht sich die Kürze der Silben vor dem Suffix von selbst,
sie mögen aber erwähnt werden, weil bei den wenigen Fällen an-
derer Betonung die gleiche Erscheinung stattfindet, z. B. Ijepota :
lijep fem. lijdpa, vr¬a : vrän fem. vrd?ia, räbota.
"Osa f. (DO 360), z. B. krilosa : hrüo^ cvJHoäa : cvij'et. Aus-
nahme macht roffoiaj angeschlossen an den nom. rog (g. rdga).
-öo Adj. (U 6, DO 92) . Die Masse dieser lebendigen Bildungen
ist ganz abhängig von den Quantitäten der Grundworte, allein es
ist doch bemerkenswerth, dass eine Anzahl alter Bildungen (s. U
S. 84 = 1 6) die Kürzung hat, z. B. dübov : düb, vinov : vino, Ijes-
kov : lijdskaj lücev : lue g. lüca^ müzev : müz ; an sich könnte ein
*dübov ganz ebensogut bestehen, wie z. B. sladünov zu slädün g.
sladüna. Zu vergleichen ist hier auch das Doppelsuffix ^ovtm^
serb. -ovan fem. -ovna (US. 115 = 47), wo regelmässig die voran-
gehende Silbe kurz ist, z. B. vitövan : vilüy vrätövan : vrät, südö^
van : süd, düsevan : dü&a.
"ür g. -tcra msc, fem. -^ra (Uli, DO 112), die Masculina sind
vereinzelt, mfdhür : nii/ehy häufiger die Feminina, z. B. glävura :
gldva.
-ul msc, fem. -^la (U14*, DO 126) nur ein Paar Eigennamen,
z. B. RMuly Däncul [a wegen -nc-) ; BMtda.
-ulja f. (U 17, DO 132), z. B. plävulja : pläv fem. pläva, kü-
sidja : küs fem. küsa^ pjdskulja ipij^sakj cr^ülj'a : crijep.
-U7> g.-üna msc. (U24, DO 173), z.B. slMün, Vlädün; ebenso
das fem. --una.
-^k g. -aka msc, fem. -^uka (DO 278), seltene Worte, zvizdük,
JUilukuj Mäduka.
330 A. LeBkien,
-uda f. (U 53, DO 361), z. B. pjiskuia ipi/isak^ povrätuia :
p&prät^ govedäruia : govddär g, govedära^ seljäkuia : siljäk g.
sefyaka.
-üff g. -^ffa msc. (U 56, DO 367), seltene Worte, bjliUig : Sio
bij'dla; häufiger das femininale -^uga^ z. B. IjHuga.
Dazu kommen noch einige an sich leichte Suffixe, die den Cha-
rakter von schweren annehmen, indem der letzte Vocal des zu
Grunde liegenden Yerbalstammes dazugezogen wird :
-/o [=^lo oder-/o, die Formen sind nicht immer sicher scheid-
bar) ntr. (U 14, DO 122). Es muss hier unterschieden werden zwi-
schen Bildungen, die von einer einsilbigen Wurzel, und solchen,
die von mehrsilbigen Verbalstämmen auf -^ und -a- herkommen.
Die ersten haben eine ursprünglich lange Wurzelsilbe kurz, wenn
sie den Hochton trägt: Vih^ grlo^ dßlo^ ddjelo, kliloj niHo^ pilo,
rUloy rilo, filoy jUlo, m&slo ; behalten sie lang bei alter Endbetonung:
odij^lo^ zdrtjdloj zdrlo^ krilo, opij^lo^ trlo, Uglo (hg-\ poreldo
[^zrSk-j vgl. podrif€Üo)y prtiglo, prSlo, sijilo, rasülo, povrijdslo und
rijdslo] bei ursprünglich kurzem Wurzelvocal bleibt die Kürze,
seloy ogrdbhj omelo, veslo^ dazu stimmt nicht stählo [=i*8tMo) und
das ui^Llare dibh. Dagegen ist bei Ableitungen Yon Verbalstämmen
auf a und % die Kürze der Wurzelsilbe feste Regel, z. B. küsalo :
küsati, bj^Uh : bijelitu Es wurde schon U S. 91 darauf hingewie-
sen, dass die Kürzung schlagend hervortritt bei Ableitungen von
Iterativstämmen, z, B. pokrlvalo : pokrivaii. Alle Beispiele bei
Yuk und Dani6ic verhalten sich so, ich habe aber auch von Serben
statt z. B. skäkalo : skäkati, sükcdo : sükatij preglbalo : pregibati,
probädalo : probädati^ pocivala : pocivati sprechen hören : skdkalo,
sükaloj pregibalo,probadalOj pocivalo u.a.d. A. Man kann nicht an-
nehmen, dass Yuk in all den zahlreichen Fällen falsch gehört oder
bezeichnet habe , die Länge erklärt sich aber leicht durch neuen
Anschluss an das Yerbum.
Worte auf -ba (U 139, DO 241 , 259) ; die auf -oba, da sie alte
Endbetonung haben, müssen die Silbe vorher kurz zeigen, z.B. ru-
göba (vgl. mit anderer Betonung vereinzelt ütroba). Die Bildungen
auf -idboj theils von Yerbalsülmmen auf -i-, theils von andern,
erfordern Kürze der Wurzelsilbe, z. B. bjdlidba zu bijelitij präüdba
zu prdsitiy vezidba zu vizati. Es scheint aber, dass auch das ein-
fache-ia (= -f>ia) dieselbe Regel hat, vgl. sjedba^ üdadba, drüiba.
Untersueh. üb. Betonniigs- u. QuantitätsyerhSltniBse in den slay. Spr. 33t
slüibay tüzha^ iälba^ tvMba, dvö/ba^ uredba, doch mit Ausnahmen :
möba (sss molba) , kdrba^ svojdba.
Den dargelegten Verhältnissen gegenüber gibt es nur eine ver-
schwindende Anzahl schwerer Suffixe, die sich gegen die Quanti-
täten des Grundwortes gleichgiltig verhalten, d. h. diese einfach
belassen :
-f^ poss. Adj., z. B. slügin : slüga, sndHn : sndiayVÜin : vila^
wie bMin : bMa^ mähin : snäha u. s. w. (U 23, DO 172).
-est f., z. B. drdffdst : dräg fem. dräga^ svitost : svet fem. sveta^
wie niildst : tnio fem. mila; ganz vereinzelt findet sich Verkürzung,
z. B. lüdost : lud fem. lüda^ svjMlöst : svijetao fem. svij^Üa (U 32).
-anin msc. (U 21, DO 149), z. B. Rimljanin : Bitn^ wie Sfinja-
nin : i^inj\ auch hier vereinzelte Fälle von Verkürzung, väroianin :
edroif siräianin : sträza, grddjanin : ^rotf .
-on/a (U 26, DO 194) kann auch zu denen gerechnet werden,
die der Quantität des Grundwortes (Hypokoristika) folgen, z. B.
bälonja : bäloj mäconja : mäca\ von anders gearteten Worten z. B.
Es ist wohl möglich, dass die erwähnten Verkürzungen auch
hier auf eine alte Eürzungsregel deuten, die aber dann so durch-
brochen ist, dass man keinen Schluss mehr darauf bauen darf.
Noch geringer ist die Zahl der schweren Suffixe, bei denen
die Wurzelsilbe lang bleiben muss ; ich weiss hierher mit Sicher-
heit nur das eine -ei (U 57, DO 368) zu ziehen, vgl. grdbei^ mdtezy
mütei, päleij trpez u. s. w. ; die Ausnahmen Pädez (Eigenname)^
m&dez (mlMeij Mal am Körper, unklarer Herkunft) dürften kaum
zu rechnen sein.
Endlich ist hervorzuheben, dass auch vor leichten Suffixen
Verkürzungen vorkommen, aber nur in einem einzigen Falle, der
Comparativbildung, consequent, mag diese nun auf altem 'jtS"
oder altem -ejhs- (serb. -yi) beruhen, z. B. dräg : dräzl, ridj: ridjlj
hrupan : krüpnijl^ tijep : Ijl^psi, itv : zivlji^ sküp : sküpf/i. Bei
andern (vgl. ü25-b«*; DO 82 -ji poss. Adj.; U43, DO 279 -hkb
[-^bkh]; U43, DO 306 -hskö; DO 241 -tva) kommen mehr oder
minder häufig Verkürzungen vor, aber eine Regel ist nicht zu ent
decken. Selbst bei den Comparativen könnte man noch Zweifel
hegen, ob die Verkürzung nicht mit der bestimmten Form, in der
sie allein auftreten, zusammenhange; es kommen in der That solche
332 A. Leskien,
Verkttrziingen , wenn aach nicht häufig, vor, z. B. zu svet : sveüj
cest : c^süf kräpan : krüpnt, krdtak : krätki. Mag das sich non
verhalten, wie es will, der Satz, dass es in der Sprache ein rhyth-
misches Prinzip gibt, nach dem vor schweren Suffixen Länge ver-
mieden wird, scheint mir genügend begründet.
In den »Untersuchungen« C. (Abh. Bd. XIII, S. 579 fg.) ist
das Yerhältniss von Betonung und Quantität in den stammbilden-
den Suffixen behandelt. Das Resultat lässt sich so zusammen-
fassen: Suffixe mit ursprünglich langem Yocal, die heute in der
Sprache bald mit Länge, bald mit Kürze erscheinen, haben die
Kürze, wenn der betreffende Vocal selbst den alten Hochton trug ;
Suffixe mit ursprünglicher Länge, in denen diese Länge verharrt
(-äj g. "äja ; -Ivo ; -ör g. -äraj -ür g. -üra<^ -Ir g. -tra, -alj g. -alja,
-M» g. -M»a, -äk g. -ÖÄ», 'ik g. -iÄa, -Ic g. -ica^ -5c g. -äca, -öi g.
--aia^ -U g. -ila, -wy g. -w^a, -äg g. -5^a, -öd g. -ädt) haben niemals
den alten Hochton auf der betreffenden Silbe, sondern dieser steht
nach- oder vorher. Ein Beispiel für alle : es wechselt wohl käme-
när g. k&menära und kamenär g. kamendra (= *kamenarji käme"
narja)j aber ein serbisches *kamenär *kamenära (= *kamendrjh
kamenärja) kann es nicht geben. Bekommt in etwaigen Weiter-
bildungen, in Ableitungen von solchen Worten, der betreffende
Vocal dieser Suffixe den Hochton, so wird er nothwendig verkürzt,
vgl. vräcara = *vracära, fem. zu vräcär g. vracära (= *vracarjb
vracarja). So in allen gleichartigen Fällen. Mir scheint daraus
hervorzugehen, dass die Längen in den Suffixen steigenden Ton
hatten, daher unter Hochton verkürzt werden mussten. Wir können
freilich nicht ausmachen, weshalb bei einer Anzahl solcher Suffixe
der Hochton und die damit verbundene Kürzung ganz vermieden
wird; man kann sich aber immer denken, dass eine bedeutende
Anzahl gleichartiger Fälle, die von Haus aus den Hochton auf
Silben vor dem Suffix oder Endbetonung hatten (wie es z. B. bei
den Masc. auf -är gen. -ärä wirklich der Fall ist) dem Sprachgefühl
die Länge als eine Nothwendigkeit eingeprägt haben.
Die Ansicht von dem ursprünglich steigenden Ton der Suffixe
wird mir bestätigt durch das Slovenische. Die Suffixe haben hier,
wenn sie den Hochton tragen, mit wenig Ausnahmen die steigende
Betonung. Vgl. Masculina: -an g. -äna : bratän bratäna, grajän
grajdna] -ic -ica : crvic crvica] -ez -eza : tepez tepeza] -et -eta :
Untersnch. üb. Betonung n. QaantitStsverhKltnisBe in den bUy. Spr. 333
trepH trepeta'j -dt -öta : grohdt groh6ta\ -en -^ena \jilenjelina; --äc
-äca : koväc kovdca ; -a^ ^ka : cuddk cuddka ; -dr -dra : glavdr
glavdra; -cü -dia : mejdi mejdia; -$% -nik : malik malika^ doiintk
doiinika ; -tr -ira : pastir pastira ; -tÜ -tia : ^o/äf golüa ; -tiA ^Aa :
lenüh lenüha ; -ti^' -ti(;a : metfUj mettUja; -ür -üra : mehür meküra;
'üi --üia : lepüS lepüia; -üi '■tiza : mehküi mehkdia\ Feminina:
'dna : hratdna ; -dca : glavdca ; -ic^a : i^/tVra ; -ina : crepina ; -tn;a :
draffmja; -ika : ndadika; -tia : Jertia; --ira : «eitra; -tiya : /o-
rti^a; -tiAa : cmu^; -ti{;a ; bhbetülja; -ti/a : plavtUa; -uca :
^rmtica; -ütaikoiüta; -öba : gräoba; ^öta : slepöta (Betonungen
wie dobrota kommen in geringer Anzahl vor, Valjavec Bad 132,
S. 177 erklärt sie ans Anschlnss an den mit " betonten Accnsatiy);
-eja : koleja^ vereja; Neutra: -iSce : dvorüce; "ilo ~dlo : cmüo,
dridlo; -en- : breme bremena\ -^t- : tele teleta; Adjektiva: -ät f.
'äta : bogät bogdta ; -äv -^va : rjav rjdva ; -dk --öka : itrd£ üroka.
Diesen gegenüber steht eine kleinere Anzahl mit fallendem Ton.
Von diesen kann man gleieh ausscheiden die Feminina auf -a^a
"ilja (periljajy denn diese verdanken die Betonung dem sekundären
Aneinanderrücken von l-j nach ausgefallenem t», genau wie die
Neutra SLüt-hje, naglävje (s. Rad 132, S« 152). Ferner kann man
ausser Betracht lassen die Feminina auf -3ca, die Masculina auf -tc,
da diese Bildungen (vgl. Valjavec, Ead43, S.64; 46, S.73) wesent-
lich dem Eajkavischen angehören. Die übrigen Fälle sind: Mas-
culina auf -ä;', -en^ -in, Feminina auf -ära, -^ra, äva^ Neutra auf
-ivoj femin. i-Stämme auf -a^, -eiy ^en, -est, -ost^ -ad-, Adjektiva
auf -c«, -f ^, -äw, -aA, -at. Mit diesen hat es aber eine eigene Be-
wandniss. Valjavec zählt (Rad 132, S. 194 fg.] die meisten zu den
Fällen, wo der jetzige fallende Ton der betreffenden Silbe auf dem
Umspringen des Hochtons von der vorhergehenden Silbe aus her-
rührt. Die neue Lage des Hochtons erfordert aber bei diesem Vor-
gange fallende Betonung, die also für die ursprüngliche Betonungs-
art des Suffixes nichts besagt. So -äj: liiäj scrb. VUüj; -S» : greben
s. greben; -in : tujin s. tüdßn] femin. t-Stämme auf -ät : ziväi;
-ei : deiet\ -cn : strmen s. sirmen-^ -est : bolest s. bolest; -ist :
mladQst s. mlädöst; -äd : ziväd s. Stväd; Neutra -ft?o : predivo s.
prMivo; Adjektiva: sneien vgl. s. mfiian\ -an (aus -hm) : droban
8. drMan] -äk (aus -bkhj -^k^) : krotäk s. krütak] -äi (aus -hh) :
svetäi s. svtjetao. Es bleiben noch die Feminina auf -ära -üra, zu
^34 A. Leskien,
denen es änsserst wenig zwischen Serbisch und SloTcnisch ver-
gleichbare Beispiele gibt, zu -ura kenne ich gar kein sicheres, zu
-^Lra : koiara s. kdsara, kqzära s. kdzara; femer -ara : dobräva
(als Ortsname auch auf der ersten Silbe betont] s. dübrava; driava
8. driava\ trdnjäva vgl. s. tordjava] meljava s. meljava\ die Ad-
jektiva auf -it f. -fto : erdlt s. 9ird%t^ stanovit s. standvit^ kamenit s.
k&menit und kam^it Wie es mit diesen Fällen stehen mag und ob
nicht bei denen, die von Valjavec auf Umspringen des Hoch-
tons zurückgefbhrt werden; noch andere Verhältnisse in Betracht
zu ziehen sind, kann ich hier nicht untersuchen; mir genügt der
allgemeine Satz, dass das Slovenische die über die serbischen Suf-
fixe ausgesprochene Ansicht wesentlich bestätigt.
Es erhebt sich nun die weitere Frage, wie haben wir ttber eine
Kürze z. B. in mläddst zu urtheilen? Gälte hier die Regel, dass
Verkürzung der alten Länge nur stattfinden kann bei steigender
Betonung , wie bei den zweisilbigen Stämmen, so müsste die erste
Silbe Yon mläddst als vor alters steigend betont angesetzt werden.
Dem widerspricht zweierlei , einmal die fallende Betonung des
russ. HÖJOAOCTB, dann im Serbischen selbst die Betonung bei syntak-
tisch er Verbindung mit Präpositionen, es heisst tiä. mläddst^ od mla"
dosti. Das ist, wie später näher auszuführen, nur möglich bei fal-
lendem Ton der ersten Silbe. Es beruht also die Kürze von mlä-
dost auf Verkürzung einer einst fallenden Länge in Folge des
schweren Suffixes. Damit ist ausgesprochen, dass im Serbischen
Verkürzungen alter Längen nicht aus einem Princip erklärt wer-
den können. Es kommt nun darauf an, ob man nachweisen kann,
dass bei der allgemeinen Verkürzung langer Silben vor den be-
stimmten Suffixen alte steigende Längen zu steigenden Kürzen,
alte fallende Längen zu fallenden Kürzen umgewandelt sind. Da-
für müssen herangezogen werden die Composita und endlich die
Verbindungen von Präposition und Casus.
in« Betonung und Quantität der serbischen Nominal-
composita.
In der bekannten grossen Abhandlung »Die nominale Zusam-
mensetzung im Serbischen« berücksichtigt Miklosich auch die Be-
tonung, meist in kürzeren Bemerkungen, und fasst die allgemeinen
Untersnoh. üb. Betonungs- u. QaantitätsverhältniBBe in den slav. Spr. 335
Regeln, zu denen er gekommen war, am Ende zusammen. Es heisst
dort: > Hinsichtlich der Accentaation der nominalen Gomposita
scheinen folgende allgemeine Begeln zu gelten : a) wenn das erste
Glied ein Substantiv, Adjektiv, ein Numerale oder ein Pari prät.
pass. ist, so wird der Auslaut des ersten Gliedes betont. Hierin
stimmt mit dem Serbischen das Litauische ttberein , indem
auch im Litauischen der vocalische Auslaut des ersten Gliedes in
den allerdings nicht zahlreichen Fällen ; wo er sich erhalten hat,
den Ton hat. Schleicher 1 34. b) Ist das erste Glied ein Part. präs.
act. 1), so wird die erste Silbe des ersten Gliedes betont c) Ist
der erste Theil eine Partikel, so erhält diese den Ton.« Miklosich
hat bei a] Schleichersche Beispiele wie kakldryszis im Auge ; aber
auch abgesehen davon, dass die Behauptung über das Litauische
in dieser Allgemeinheit unrichtig ist, widerspricht die serbische Be-
tonung wie hjelbjug geradezu der litauischen, denn jene ist, auf
die ältere Betonung zurückgeführt, Hjelojüg gewesen, und die
spätere Verschiebung hat natürlich mit der angenommenen litaui-
schen Betonungsweise nichts zu schaffen. Es fällt auf, dass Miklo-
sich, der bei den einzelnen von ihm aufgestellten Classen der Gom-
posita, aufgestellt nach der Bedeutung oder den constituirenden
Elementen, gesehen hat, dass ein Accent "^ auf dem ersten Element
mit einer Länge im zweiten zusammenhängt, doch diese Fälle auf
eine Linie mit denen stellt, die auf dem Ende des ersten Gliedes
den Accent ^ tragen. Es rührt das daher, dass z. B. bjeUUk und
bfelolifk ihm als sozusagen gleichwertig betont gelten, beide auf
dem ersten Gliede, nur dass die Art des Tones verschieden ist.
Historisch betrachtet geht aber hjelölik zurück auf *bjeloUk, die
Regel müsste also eigentlich heissen: die Gomposita aus Nomen
und Nomen haben den (alten) Hochton auf dem zweiten Element,
davon gibt es gewisse Ausnahmen, die das erste Glied (mit "*") be-
tonen. Durch dieselbe Yerkennung hat sich bei Miklosich auch die
Regel über die Betonung der Gomposita aus Partikel und Nomen
ganz verschoben, denn die Betonung auf der Partikel ist keines-
wegs, den alten Hochton in Betracht gezogen, allgemein.
Es ist daher wohl gerechtfertigt, die Untersuchung noch ein-
1) Miklosich versteht darunter das erste Glied der sog. Imperativcom-
poaita mit dem Auslaut i.
336 A. Leflkien,
mal aufzunehmen. Mich veranlaBst dazu namentlich die Wahr-
nehmung^ dasB die Betonung der serbischen Nominalcomposita von
bestimmten rhythmischen Kegeln abhängt, die weitere Bedeutung
für die Lehre von Betonung und Quantität haben. In Betracht
kommen dabei sowohl die Zusammensetzungen aus Nomen und
Nomen, wie die aus Präposition und Nomen. Im Allgemeinen sei
Yorausbemerkt : die Composita aus Nomen und Nomen haben alle
eine Eigenthttmlichkeit gemein, die Wurzelsilbe des erstenBe-
standtheils muss kurz sein, einerlei, welche Quantität das selb-
ständige Wort haben mag. Die Betonung ist aber recht merk-
würdig, und ich gehe darauf näher ein. Um zu einem sichern, nicht
durch Kreuzungen mit andern Erscheinungen gefährdeten Resultat
zu gelangen, muss man die Fälle zusammennehmen, in denen beide
Glieder des Compositums von zweisilbigen Stämmen gebildet wer-
den, wie es ohnehin in der weit überwiegenden Menge der Fall ist.
Getheilt werden sie hier in: 1] i-Stämme, 2) masculine o-Stämme,
3) o-Stämme. Die sogenannten Imperativcomposita mit dem Aus-
laut i des ersten Gliedes sind dabei ausgeschlossen und werden
in einem Anhang behandelt. Es mag auffallen, dass ich die
Nominalcomposita nicht nach Bedeutungsclassen (Determinativ-,
Possessivcomposita u.s,w.) scheide; ich unterlasse es, weil nirgends
ein durchgehender Betonungsunterschied solcher Classen im Slavi-
schen zu finden ist. Zur gegenseitigen Erläuterung und Begrün-
dung der Betonungs- und Quantitätserscheinungen ist es nothwen-
dig, zu jeder Glasse der Composita aus Nomen und Nomen gleich
die Zusammensetzungen aus Präposition und Nomen hinzuzufügen.
1. Die iStämme,
A. Zusammensetzungen aus Nomen und Nomen.
Im Serbischen gilt die einfache Regel : der erste Bestandtheil
hat * auf der ersten Silbe, der zweite die Wurzelsilbe lang : bBgo-
vijest (gute Botschaft) das Fest Maria Verkündigung : bläff f. bläga,
crvotoc Wurmfrass : cft) g. cfvi, gdropäd Raserei, E&modräi (Orts-
name) wohl zu kam g. Xnimay Utorest »das Erzeugniss der Haus-
thiere von einem Jahra (diaLForm für Ißtorest, Ifitorctsi]^ pilstopas
(freie Weide) ungesperrte Wiese : jtua^ tpüsta, rosopäs Schellkraut,
rModrz (Handhabe) Pflugsterze : rükaj rttkovet Handvoll, Vükodräz
Untersuch, üb. BetonnngB- u. Qaantitätsverb<niBBe in den slav. Spr. 337
(Flussname): vuk g. vüka; auch das adverb. strmoglät) (mit dem
Kopf voran) gehört hierher, die alte Form war strbtnoglavh. Davon
gibt es, so weit ich gesehen habe, nur eine Ausnahme, blagddat [bla-
gddjet) Segen, vgl. russ. ÖJiaroA&Tb, ein der Eirchensprache ent-
nommenes Wort. Bemerkenswerth ist , dass die wenigen bei Ne-
maniö (I, 1 , 70) verzeichneten cakavischen Beispiele Endbetonung
haben: kolotec, rukovet, senoiet.
Das Slovenische besitzt, wie es scheint, nur wenig Beispiele;
Valjavec (Rad 60/ hat: ^rvo/^^^Wurmfrass, A;o/oma«^ Wagenschmiere,
samocäst Eigenlob, senoiet (daneben senoiet^ so auch im Wb. ; vgl.
cak. senoiet)] aus dem Wb. entnehme ich noch: blagodät^ blago-
vestj glavobol, letaräst, rokoboi^ rokovet (vgl. £ak. rukov^t), satno-
rästj senokoi (Nebenform von senokoia). Eine Betonung auf dem
ersten Element scheint nicht vorzukommen ; die fallende Betonung
des zweiten ergibt sich aus den Beispielen, mit steigender Beto-
nung habe ich nur das eine shpovoz Wb. (Blindschleiche) gefunden.
Das Russische bevorzugt ganz entschieden die Betonung auf
dem ersten Glied: 66p3oimcb Schnellschrift, XHBOimcB Malerei,
HKOHooHCB Malerei von Heiligenbildern, jiTooHCb Chronik, npdno-
uHCb Rechtschreibung, pfKonHCb Handschrift, cKoponncB Schnell-
schrift, cT^HonHcii Wandmalerei, CKtpomicb dass., TäHHonHCb Qe-
heimschrift, ^HCTonHCb Reinschrift, so sind auch gebildet csiTonHCB
(Lichtbild) Photographie, cdMonHci» dass.; s^AosepTB, sÖAOKpyrb
Wasserwirbel, BÖAOMeTb, BÖ^onaAB Wasserfall (vgl.masc.soAon&A'B),
BÖAonojEB Hochwasser, b6aopoctb und b6aopocjb (so Dahl, von An-
dern wird auch BOAop6ciB angegeben ; eig. Wasserwuchs) Pflanzen-
name, xHBopocjtB (so Dahl, angegeben auch shbopöcjib) Thierpflanze,
ji^TopocTB und ji^TopocjiB Jahresschössling, H^BopocjiB Halm-, Gras-
pflanzen; BOAOToqB (und bgaotö^b, beides bei Dahl), röjiojieAB (und
rojioj^AB) Glatteis, hhoxoab Passgang, cKÖpoxo^B Schnelllauf (vgl.
masc. cKopoxöA'B Schnellläufer), KOJioBepTB Wasserstrudel, k6hoba3b
Pferdekoppel, pöaonacjB Stiefmütterchen, pösonacTB Schöllkraut,
pyKonamB Faustkampf, cupoMOJioTB (Dahl, nach andrer Angabe
ciipoMOJiÖTB) Mehl aus unreifem Getreide, cbipomatb weissgares
Leder. Man sieht, es besteht hier ein wenn auch unbedeutendes
Schwanken. Femer kommt nach den Angaben von Grammatikern
und Lexikographen eine kleine Anzahl von Beispielen mit dem
Hochton auf dem zweiten Gliede hinzu; ich habe notirt: tfjaroA&TB
▲ichlT f&r BUTiach« PkUologie. XXI. 22
338 A. Leskien,
Gnade, boaot6iib Wasserstrom (vgl. oben b6;^oto^ und bgaotö^b) ,
jnicTon^B Blattfall, Herbst (daneben bei Dahl msc. jibctoo^],
MumeiiAi» Mänsefrass, nycTopöcjb sambucus nigra (bei Dahl ohne
Accent, vgl. dagegen jiTopocjrb, hhbopocjib), py^OKÖm» Erzgrabe,
pyKo^Tb (das Wort ist ungebräuchlich, dafür pyKOflTKa) Handhabe,
^epHoöbun» (nnd msc. ^epHOÖujt'B) Beifass, cB^TOTiHB Halbdunkel
(wohl eine künstliche moderne Bildung). Die Yergleichnng mit
dem Eleinrussischen ergibt nichts Bestimmtes. Im Allgemeinen
kann man sagen, die Betonung auf dem zweiten Gliede werde ver-
mieden (selten sind Fälle wie konovjdz notirt) . Das Zelichowski -
sehe Wörterbuch betont meist auf der zweiten Silbe, dem sogen.
Gompositionsvocal, z. B. golölid', litdpyij niköpyi, litorosty cemöbyt^
So lange aber keine bestimmteren Angaben über die kleinruss.
Composita vorliegen, als dass die Betonung ausserordentlich
schwankend sei (Werchratskij, Archiv 3, 399), muss man sich wei-
terer Schlüsse aus diesem Material enthalten.
B. Zusammensetzungen aus Präposition und Nomen.
Um die Quantität der Präpositionen richtig zu verstehen, muss
man sich erinnern, dass diese zerfallen in solche mit uraprünglich
kurzem und in solche mit ursprünglich langem Yocal. Mit ge-
ringen, später anzuführenden Ausnahmen gilt nun die Regel, dass
in den Zusammensetzungen, deren Hochton als "^ auf der Präpo-
sition liegt, alte Längen der Präpositionen verkürzt sind, dagegen
in solchen, deren alter Hochton auf der Wurzelsilbe des nominalen
Bestandtheils lag , die Längen erhalten bleiben , vgl. zägrada mit
zdbavüj prikret mit prißkor. Das ist völlig im Einklang mit
der allgemeinen Regel, dass alte Längen eine Stelle vor altem
Hochton bewahrt werden. Welche Tonqualität der kurz geworde-
nen Präposition ("") zuzuerkennen ist, wird sich im Einzelnen zeigen.
Eine besondere Stellung nimmt iz- ein.
Die Betonung auf der Präposition ist bei dieser Wortclasse so
allgemein, dass die wenigen unten anzugebenden Ausnahmen kaum
in Betracht kommen.
a) Die Präposition hat urBprttnglich kurzen Yocal.
rfo-: ddbit Gewinn, sl. dobit,
0- ob-: Siari^ Krümmung ; Siy^^^ Muthwille, sl. obßst; <ikuc
Unteranch. üb. BetonnngB- n. QnantitätsyerhSltnisse in den slav. Spr. 339
Windnng; dpästYerlenmäung; Si/o«^ Macht, sl. obläsi, r.66j[acTB;
dzim Wintersaat, r. öshmi».
po^ip&klic Ruf, r. nÖKJorgtB; pdmöc gea.pdmo6iy sl. pamac, r.
nÖMo^; pioräst Wuchs j r. nöpocTi» Flechten (Pflanze); pSstät »die
Reihe (bei der Ernte) o, sl.postät derTheil des Feldes, der Yon einer
Reihe Arbeiter in einem Gange durchgemacht wird, r. n6cTaTi>
Stellung; pMöc (gen. beiPaviö potoci) Verfolgung; poeäst (gen.
pdcasti wie cäst cä^tf ?), r. noqecxb; pdffibao (= *'gybh) Verderben;
p^mlaao Gedanke, s\, pomi87>l\ pdmfzcto Frost; päntkao Hervor-
spriessendes.
pod-: pddhöii pl. Trittbretter ; p&dräst Art Krankheit, shpod-
rast Nachwuchs; potkisK pl. » Streifen, die das fallende Wasser
zurUcklässtc.
pro-: prdbadi pl. Seitenstechen; prSdd {=prMdl) g.prddoU
Thal ; pr&päst Abgrund, sl. propäst^ r. np6nacTb ; prdsijec Art
Fass ; pr&stnz Oeffiiung im Mantel zum Durchstecken der Hände ;
prdtöc g. prätöci Durchfall ; prdüsli pl. Seitenstechen.
«^ (= ^) : sd^tvar Geschöpf (die gewöhnliche Form ist s-tvar),
uz-- = v^Z': üzräst Wuchs, sl. vzrästj russ. nöspacTB.
b) Die PrSpoBition hat ursprttnglioh langen Vocal.
non: näye«^ Sättigung, nä^^^i Erkältung, näzebiw [= *^zqbh)
dasselbe.
pre-: prigrst pl. prigfiti beide flache Hände zum Fassen hin-
gehalten ; prSkret (neben msc. prSkret) Umschwung ; prSsrt äusser-
ste Spitze eines Berges ; JPrSsijec (Ortsname) ; prSfftb(w Gelenk.
por- : pämety el.pämet^ r. h&mati» Gedächtniss; p&vit Weinrebe.
raz^: rästrii Schlitz.
za-: zMrtc Verbot.
vr : ^gär zum künftigen Anbau aufgerissene Erde.
c) Zusammensetzungen mit it-i
ti^^yVJ Auszehrung; ^käp in der Wendung ndriskäp bis auf die
Hefen (eig. Austropfen), ohne GenusbezeichnuDg, wohl fem. ; ^znlkao
Aufspriessendes ; tVö^too Auswuchs.
Wenn die Präposition vocallos ist, liegt der Hochton selbstyer*
stibidlich auf dem nominalen Theil : s-tvär Geschöpf, stüi Cordon,
22»
840 ^' Leskien,
svijest Bewusstsein , stnfzao Frost, zgäd Ekelhaftes; sp^t Falle
(bei Pavic späst)j smrt Tod, zffFdbi pl. Halfter.
Die wenigen Ausnahmen, in denen die Präposition den
Accent ' trägt, der ältere Hochton also aaf dem nominalen Ele-
ment lag, sind : namjer Zufall (poet. Form bei Yuk Wb.), ndpaai
Unfall, sl. napästj r. nänacTb und nandcTb; ndruc das Leihen; pri-
cest Gommunion ; süvrst Gleichaltrigkeit ; zäpad (in Klammern dazu
bei Yuk zäpäd) schattiger Ort, zdvüt Neid, sl. zavist, r. s&BHCTb.
Die Länge des Vocals der Präposition erklärt sich von selbst aus
der Stellung unmittelbar vor altem Hochton.
Gehen wir über zur Vergleichung mit den beiden anderen
Sprachen, so zeigt sich, dass das Russische in der ungeheuren
Ueberzahl der Fälle den Hochton auf der Präposition hat. Die ab-,
weichenden Fälle sind so spärlich, dass z. B. Jel'sin gar keine an-
fährt, sondern nur bemerkt, neben nänacTb sage man auch uan&cTi».
Es gibt wohl noch eine kleine Anzahl mehr, sie können aber neben
den Hunderten der andern, als normal anzusehenden Betonung
nicht in Betracht kommen. Zur Veranschaulichung einige Bei-
spiele: säsHCTb, a^MOTb, 3&M0ji0Tb, H3B0p0Tb, H3rapi>, HdropO^b, H&MO-
posib, niflflach, öÖjacTb, 66opoTi>, 6ropoAi>, oqepeAi», ÖTMoposB, n6pe-
M^cb, n6peiiHCb, n6pecunb, höbasi», n6uoHh, npinpflSb, npHCTaui»,
npHxoTL, nponacTB, pössflSB, pocKomb, cyneTb, cyM^cb, yraapb,
yqacTb u. s. w. (vgl. Grot, Razyskanija ^ I, 391).
Bemerken will ich noch, dass das Bulgarische, so weit mir
aus Cankoff's Grammatik und aus der Abhandlung von Conev über
die Betonung des Bulgarischen (Sbomik VI) zuverlässig accentuirte
Beispiele zur Verfügung stehen, den Hochton auf die Präposition
legt wie das Russische, vgl. pomostj pdmet^ pdvit, prödol, propast^
öblastj zdvist, ügar (bei Conev masc, in Duvernois^ Wörterbuch auch
als fem. angegeben). Immerhin ist die Uebereinstimmung bemer-
kenswerth und darf mit als ein Zeugniss für die Alterthümlichkeit
dieser Betonung angeführt werden.
Im Slovenischen dagegen (vgl. Valjavec, Rad 60) liegt in
der grossen Ueberzahl der Fälle der Hochton, und zwar als fallen-
der Ton, auf dem nominalen Element, z. B. doUt Gewinn, odjed
InsektenfrasS; naräst Anwuchs, narez Anschnitt, osldst Wollust,
pohot Beginn, pomoc Hilfe, povest Erzählung, razkoS Wollust, za-
vtst Neid u. s. w. Bei vocalloser Präposition ebenso, z. B. sloc
Untersuch, flb. Betonungs- n. QuantitätaverhältDisse in den Blav. Spr. 341
KrümmuDg, zmäz Schmiere, vkläd Einlage a. s. w. Diese Abwei-
chung des Slovenischen ist aber eine erst später entstandene, was
näher zu begründen ist. An sich lässt eine Betonung wie propästj
povest eine doppelte Erklärung zu : es kann eine alte Betonung auf
der letzten Silbe im Slovenischen bewahrt sein, es kann aber auch
die Betonung, wie sie nns Yorliegt, durch Umspringen des Hoch-
tons entstanden sein. Diese Erklärung hat Yaljavec (Bad 132,
S. 201 ), setzt also povest = älterem und serb. pdvesi, pomoc =^8-
moc u. s. w. Die betreffende Regel des Sloyenischen lautet nun :
wenn ein Wort auf der ersten Silbe fallenden Ton hatte, muss er,
und zwar als fallend, auf die zweite Silbe übergehen (vgl. meso =
mesOj bog gen. bogä für boga = serb. bog boga^ kolo fUr kolo = serb.
Aofo, acc. vodo ^=. serb. vbdu u. s. w., s. Yaljavec a. a. 0. 191 fg.).
Wenn also der Ansatz polest = pdvest richtig sein soll, muss noth-
wendig vorausgesetzt werden, dass die Präposition fallend betont
war. Das ist aber nicht an sich nothwendig, denn wenn sonst im
Slovenischen durch irgend welche Verhältnisse die Präposition be-
tont ist, hat sie steigenden Ton, vgl. z. B. o^va, zA-mka^ zdr-tka^
zdkon^ näpadj prelaz. Beweisen lässt sich der fallende Ton daraus :
wo im Russischen Polnoglasie die Betonungsart erkennen lässt — es
ist nur möglich bei nepe , ist der Ton fallend, vgl. nfipe^aTL,
n^peicnm», n^peicra^, n^pejirai», n6penamL, n^penncb, n^pecLini» u.a. ;
das abweichende nepeKÖni» hat schon Orot, Razysk. ^ I, 394 durch
Beeinflussung vom alten masc. nepeKÖn^ erklärt, übrigens betont
Dahl n6peKonL (bei ihm finde ich nep6cTaHB, 6e3i nep6cTaHH). Her-
vorzuheben ist dabei, dass im Russischen diese Art der Betonung
von nepe- nicht an sich nothwendig ist, vgl. nep6-TKa, nep6-iiiBa
u. a. d. A. Weiter kommt in Betracht: wenn im Russischen oder
im Serbischen ein t-Stamm mit zwei Präpositionen zusammenge-
setzt ist, so liegt in beiden Sprachen der Hochton auf der ersten
Präposition, also auf der ersten Wortsilbe, vgl. russ. sänoBi&A^,
Hcno6%Ai>i np6noB$Ai») öthob^ai») 3&HaB%cL, nöy6ujn>, serb. 'ispovyfest,
pripof>ij€stj zäpovijedj hpovijed. Im Slovenischen liegt im gleichen
Falle der Hochton auf der zweiten Präposition, vgl. povest, poved,
B.her pripovest, napoved, odpoved, izpoved (Yaljavec, Rad 132, S. 201).
Da es nun unmöglich ist, die Betonung izpoved aus einem ehemali-
gen *izpoved zu erklären, andererseits aber povest völlig erklärt ist
ans der durch das Russische erweisbaren fallenden Betonung der
342 A. Leskien,
Präposition und dem dann noth wendigen Umspringen des Hochtons
(ans povesij, ist der Schluss nothwendig, dass einst auch im Sloye-
nisehen die Präposition den Hochton hatte. Ich lasse es zunächst
dahingestellt, ob die slov. Betonung pripovest als solche alt oder
selbst wieder aus pripovest entstanden ist. Das zu bestimmen,
wird später Gelegenheit sein bei der Behandlung der Betonung
Ton Verbindungen aus Präposition und abhängigem Casus. Hier
kommt es mir nur darauf an zu constatiren, dass im Serbischen^
Russischen, Slovenischen, und soweit das Material
einen Schliiss erlaubt, auch im Bulgarischen, die mit
Präpositionen componirten t-Stämme den Hochton auf
der Präposition fordern, und dass dieser als fallend
anzusehen ist.
Zu dieser Betonung der Präpositionaloomposita stimmen im
Russischen und Serbischen die Zusammensetzungen aus Nomen
und Nomen völlig, indem sie ebenfalls das erste Glied und zwar
auf der ersten Silbe betonen (s. o. S. 336). Die wenigen Beispiele
des Slovenischen widersprechen, denn ein crvoßd kann nicht aus
Yorausgesetztem *crvo'jed erklärt werden, da dies *crvdjed er-
geben hätte. Ich halte es Übrigens filr nicht unmöglich, dass die
ganz anomale Betonung senöiet (snoiet bei Strekelj, Morphologie
des Görzer Mittelkarstdialektes S.68, wo ' keine Bezeichnung einer
Tonqualität, sondern nur der Länge ist) aus einem älteren *sefwiet
=3 *8Snoiet hervorgegangen sei. Wie dem aber auch sein mag, ich
meine, gegenüber der schlagenden Uebereinstimmung des Russi-
schen und Serbischen kann das Slovenische hier nicht entscheidend
sein. Jedenfalls dürfen wir annehmen, dass ein besonderer Grund
vorhanden sein muss, der in jenen beiden Sprachen die Gleich-
artigkeit der Betonung veranlasste.
Dieser Grund ergibt sich mir aus der Betrachtung der nicht
componirten i-Stämme in den Sprachen. Im Serbischen haben
sie so gut wie alle fallenden Ton : mit langem Yocal und durch-
gehender Länge by'est hrv büdj cijev cädj cest eint pl. öud dül
ffläd gfst grudi pl. hrid jär käp kVijet hob last Ijüdi (pl. msc.)
mast mtsao mlad mtijec mrijest niz pari pl. ped pPi/esan prt
rtjec säpi pl. sijeri pl. släst sriijei slüz skfb src sri sfi stii stud
siüi trap trst tvär tär vläst zedj; mit kurzem Yocal und Deh-
nung des Nominativs b^l gen. bdli, cä$t cUstiy dob dobi, kcst X&$Hj
Untersneh. ttb. BetonnngB- n. QuantitätsyerhältniBse in den slav. Spr. 343
hfv H^vij laz läzij moö moci, noö ndct, peö piöi^ fz rix (raz räzt),
so sdli, sväst svästij üi äSi {väi väii), zob zdbij zuc iüct. Dass bei
der letzten Kategorie der kurze Vocal als fallend betont anzusehen
ist, geht klar hervor aus dem Verhalten der Präpositionen vor den
betreffenden Casus, es heisst z. B. od kosti (vgl. Daniele, Glasnik
1 1 , S. 30) . Dagegen führt mit durchgehender Betonung "", also auch
auf dem Nominativ, Daniele a. a. 0. S. 25 nur an pest gen. p^isti
(cakavisch dagegen pest pesti^ das wäre serb. pest pestt), mjM
mßdi^ stri strzi] Pavic führt noch an rät rätij das aber bei Vuk
auch Masc. ist, und nit tiitij dies ist fast ausschliesslich im Plural
bräuchlich, der keine Entscheidung gibt, so wenig wie die Pluralia
tantum prsi, dsti, pdvi. Zweifellos ist die normale Betonung dieser
Feminina der fallende Ton. Vergleicht man nun damit das Bus-
sische, so können nur Fälle in Betracht kommen, deren Polno-
glasie die Art des Tones erkennen lässt, und dieser ist fallend:
66Äonh Splint^ 66poHi> Verbot, x6jioab kalte Speise, möjeoab junger
Wald, HÖpocTb Laichzeit, höidtb Speckseite, c6jioti> Sumpf, bojoctl
Bezirk, böjiotl Aehre, ndpoTb linke Seite von Zeug (eigentl. Wen-
dung], BÖpoHL Art schwarzer Färbung, TÖpoob Hast, c6jiohi> Ein-
gesalzenes ; 66pesB Sparsamkeit, c6peHi> Glatteis (der Accent nach
Dahl), q6peABK) i. sg. in der Reihe. Abweichungen scheinen, so weit
ich nachkommen kann, ganz vereinzelt zu sein: aojohl (jiav^tÖHB)
flache Hand , cTopöau» Obacht , cKopÖMb an Festtagen verbotene
Speise. Nimmt man endlich das Slovenische hinzu, so ist hier
ebenfalls der fallende Ton fast durchgehend (vgl. Valjavec, Rad
60, S. 1 fg., Rad 132, S. 189 fg.), z. B. mästj slästy sträst, klet, niz,
goSj doiiy kost, cäst u. s. w. Es kann also mit Grund behauptet
werden, dass zweisilbige «-Stämme im Slavischen ursprünglich
fallenden Ton der Wurzelsilbe hatten.
Verbindet man nun die eben behandelte Gleichförmigkeit mit
der Gleichförmigkeit der Betonung der Gomposita, so wird man den
Schluss ziehen dürfen, dass die erste die Ursache der zweiten ist ;
anders ausgedrückt : im Serbischen und Russischen muss bei ur-
sprünglich fallendem Ton des zweiten Gompositionsgliedes der
Hoehton auf das erste Glied fallen, und zwar tritt, wie die Beispiele
zeigen, der Hochton soweit zurück als möglich, d. h. auf die erste
Silbe. Dies Resultat ergab sich aus der Betrachtung der «-Stämme.
Ich stelle hier aber gleich zunächst für das Serbische einen all-
344 A. Lcikien,
gemeinen Satz anf, der durch die folgenden Betrachtangen weiter
zu begründen ist: eine mittlere Silbe mit ursprünglichem
fallenden Ton kann den Hochton nicht tragen, sondern
dieser muss auf die Anfangssilbe des Wortes zurück-
gezogen werden (als ^].
2. Die Masculinaj o-Stämme,
A. Zusammensetzungen aus Nomen und Nomen.
Das Serbische hat hier zwei Haupttypen, entweder das
zweite Glied hatte alten Hoch ton (also jetzigen Accent auf dem
CompositionSYOcal als ^} und dabei kurzen Yocal, oder das erste
Glied hat alten Hochton auf der ersten Silbe als "", dabei das zweite
Glied langen Vocal, entweder durchgängig oder im Nominativ.
Alle anders beschaffenen Beispiele sind ganz gering an Zahl.
I. Das zweite Glied hat alten Hochton. Scheidet man
die Beispiele nach den Betonungs- und Quantitätsverhältnissen des
zweiten Gliedes, so weit es als selbständig nachweisbar ist, so er-
gibt sich Folgendes :
a) Das zweite Glied hat ursprünglich lange Silbe,
und zwar :
a) mit steigendem Ton, der, wenn er selbst Hochton ist,
die Silbe verkürzt hat, wenn er vor dem Hochton steht, die Länge
bewahrt hat : bjelhgrab^ crnbgrah (Pflanzennamen) : grUb Weissbuche ;
bjeldjug Art Südwind : ßtg ; bjelhgrU weisshalsig : grlo ; cjeldkup
unversehrt: vgl. Mpa Haufen, Mpiti; dragdcjen kostbar : cijdna;
dvöstruk zwiefach^ trdstruk dvQitskChy stdstruk hundertfältig :«^rä^a;
golbbrad (eig. nacktbärtig) bartlos : brdda; golöglav barhäuptig,
krioöglav krummkOpfig, phsndglav Plattkopf, psdglav Hundskopf,
trdglav dreiköpfig, tupdglav stumpfköpfig, tvrddglav hartköpfig,
vrtdglav schwindlig, zlatdglav (eig. Goldkopf) Asphodill, zmijöglao
schlangenköpfig : gldva ; Ijevbruk linkhändig, pustdruk leerhändig,
zlaibruk goldhändig : rüka\ mekdput was keine Strapazen aushält
(vom Pferde) : pttto Fessel ; mekdust weichmäulig , tvrdduat hart-
mäulig : üsta ; pustdsvat Hochzeitsgast, der bei der Hochzeit kein
besonderes Amt hat : svUt ; samdhran sich selbst ernährend, zldhran
schlecht verdauend : hräna^ hrdniti; samdiiv egoistisch : itv f. iiva\
suhdvrh dürrgipflig, tankdvrh schlankgipflig : vfh vYha] svüorun
Untersuch, üb. Betonnngs- u. QuaDtitätsverhältnisse in den slay. Spr. 345
seidenvliessig : rüno ; iesidkriU sechsfltigelig, zlatdkriU goldflügelig :
krüo\ hirkdvlah ttlrkiscber Viach : vläh; zldrad der Schadenfroh:
rM. Von einigen ist das zweite Glied als selbständig nicht
nachzuweisen oder nur ein verwandtes Verbnm: dvbgub zwie-
fach, nogbstup Fusssteig : stüpiti stüpati treten, novdrez kürzlich
verschnittenes Schwein : rlizaii rizem schneiden, sambuk Auto-
didakt : ücüi lehren^ tankövija [kudjelja] f. fein : viti vtjem
wickeln. Dazu kommen noch einige Eigennamen : Boffbljub, Mirh-
sav, Vuhhsav. — ß) mit fallendem Ton, der im selbständigen
Worte die Länge bewahrt, während im Compositum Kürze einge-
treten ist : dobrööud von gutem Charakter, zlböudhl^BSLitig : öüd fem.
f-St. ; ffolbffuz, krivbffuzj oblbguz^ atrmbguz : guz podex ; golbkrak
nacktbeinig, trbkrak dreizackig, sedmbkrak siebenbeinig : £ra^ ;
golbvrat nackthalsig, krivbvrat krummhalsig : t?rä^ ; kestbzub (zu
kSsiti zube die Zähne fletschen) : züb ; mübduh Liebstöckel , svetb-
duh vom heiligen Geist erfüllt : düh\ bjelblik weisswangig, mladb-
ft'i jungen Gesichtes, starblik alten Gesichtes : llk\ crnbrep (AWb.
(^narep) Schwarzschwanz (eine Fischart], dugbrep langschwän-
zig : rep\ zlbcest schlecht : cest
b) Das zweite Glied hat ursprünglich kurze Silbe.
Die meisten Beispiele sind der Art, dass das zweite Glied von einem
selbständig nicht vorkommenden Nomen agentis oder Nomen actio-
nis gebildet wird: brzblov schnell jagend; brzbplet in Eile gefloch-
tener Zaun, kolbpkt Drehrad; brzbrek schnell redend; buhbber
Flohsammler (in einem Räthsel], ^^öi^r Aehrenleser, krajbber
Schnitter, der am Rande mäht, f?tndi^ Weinlese ; celbpek (eig. Stim-
brand) Sonnenseite; coriö/oi{; Suppenschlürfer, ATt?6/o£ Blutsauger;
drambser [qui drachmas cacat) Schimpfwort auf Kauf leute, krvbser
qui sanguinem cacat \ grebbder Leichenträger, kozbder (eig. Ziegen-
schinder) schlechtes Wetter, volbder (eig. Ochsenschinder) Bergbe-
zeichnung; hladblei (und hlMolei) Zaunwinde; hljebdider Brot-
fresser; kolbvoz Geleise; kostblom Beinbrecher (eine erdichtete
Pflanze), vratblom Halsbrecher; kozbmar (eig.Ziegentödter) schlech-
tes Wetter, misbmor Mäusetod, Mäusegift; mirbkov (eig. Friedens-
schmied) Friedenstifter, stardkov (vom Pferde) alt beschlagen;
puikbmet Flintenschussweite, tmbmet Art Besen, vjetrdmet Wind-
sturm; sambkres von selbst losgehende Pistole, Feuerschwamm;
sambtvor aus einem Stück gemacht; samdtok (und sUmotbk) feinster
346 A. Leskien,
Honig (der von selbst aus der Wabe geflossen ist) ; sjendkos Wiese ;
trnökop Radehacke, zlbkop panicum dactylon] voddpöj gen. -poja
Tränke; voldvod eine Pflanzenart. Das zweite Olied ist als
selbständiges Gebilde vorhanden : hosbnog nacktfüssig, krivbnog
knimmftlssig : noga\ cnsdA;^^ schwarzhaarig, (^{tf^^Ao« langhaarig,
srebrbkos silberhaarig, svilbkos seidenhaarig, zlatbkos goldhaarig :
kh8a\ dvbrog zweihömig : rog gen. roga\ äarbper buntgefiedert,
Sestbper sechsfltlgelig : p^o ; tvrdbsan festen Schlaf habend : sän
gen. snS\ vrljbok mit verletztem Auge : oko\ mvbdol {suhbdolj eig.
Trockenthal) Ortsname : do dola; iitbrod Getreidewuchs (gutes
Gedeihen des Getreides) : rdd gen. rdda.
U. Das erste Glied hat den Hochton auf der ersten
Silbe [% der Vocal des zweiten ist lang. Wo sich das zweite
Glied als selbständiges Wort nachweisen lässt, hat es fallenden Ton.
a) Das zweite Glied hat ursprünglich lange Silbe:
bjilobrk blondbärtig : hrk\ bjelogüz, svrbogüzy Grdlogüz (Eigen-
name, vgl, oben golbguz).LMogüz:güz; crno^rü^ Art Giftschlange:
krüg^ crnorep (Vuk crnbrep s. o.), vtjorep Art Spiel : rep^ dr&goküp
Thenerkauf : kvp fehlt bei Vuk, slov. küp hat fallenden Ton, ^8-
rocvijet (Bergblume) adonis verncdü : cvtjet^ p^stozüb (s. o. kestlh
zub) : zübj prdozvek eine Bohnenart : zf>ek Klang, räkosäd selbst-
angelegter Weinberg : säd Pflanzung , s&moräst Pflanzen, die auf
abgeerntetem Acker aus verstreutem Samen wachsen : rast, 8&m<h-
teg (Selbstzug) offene Schleuse bei der Mühle : teg, sthnogred
strmogled Trauerweide : gredj gled AWb., s&hoztd (Trockenmauer)
Mauer ohne Mörtel : z%d^ tocokljün Blauspecht : kljün Schnabel,
ztmollst (Winterblatt) eine Pflanzenart : Rst, zTdgük Unglücks-
prophet : gük Girren, gükati^ Vuegräd : gräd, Mtrodar : dar. Bei
einigen vereinzelten Beispielen hat das zweite Wort steigenden
Ton : bdgodän von Gott gegeben : dän fem. däna^ püsiodjäk Schü-
ler, der die Schule schwänzt : djäk djäka; hier kann aber sehr
wohl die Tonqualität der Nominative massgebend gewesen sein.
Zu drSgoljub (vgl. den Eigennamen Drägofyub bei Vuk) Kapuziner-
kresse, Bdgoljüb ist im heutigen Serbischen das Adj. f/ub nicht ge-
bräuchlich, slov. Ijüb fem. Ijuba. lieber das zweite Element in den
Eigennamen Drcigomtr^ Godomir^ LjUbomlr^ R&domtr, T&iomtr,
Vttomtr lässt sich nicht sicher nrtheilen. Eine grössere Anzahl
enthält als zweites Glied ein nicht selbständiges Nomen ag. oder
Untersuch, üb. Betonnngs- n. QuantitStsyerhältnisse in den slav. Spr. 347
Nom. act., ^8ü»ot?a/;'( Dreckwälzer) Mistkäfer : vdljaii^ jMroklek
(Morgenhock) ein Scherzwort für sterctM : kUcati^ kolamäz Wagen-
Bchmiere : tn&zaii, Mlomk Drehrad : 8ukati\ kdlovrät Wirbel, süno-
vrät Narcisse : vrdiiti; käkotres (Bedeutung ?), Tt^^oj^äeif Blattfall,
Oktober : pSsti, pMem\ rükopts (wahrscheinlich ursprünglich t-
Stamm) und das scherzhaft gebildete sMopts Handschrift : pisati ;
sUmontk von selbst keimend : niöi tiiknem^ sololük Salzstössel : tü6iy
süncokret Sonnenblume : kr Statt, ttvoljez (daneben üvolj'ez; = üholj.)
Ohrwurm : Ij^dsti Ißzem, vddapläv Wegwarte : pl&viti, t>rbopüc das
Ausschlagen der Weiden : pücati, zFöslüt Unglttcksprophet : slütiH
ahnen.
b) Das zweite Glied hat ursprünglich kurze Silbe;
die Beispiele sind spärlich: hlägosäv, gen. sova Segen (in älterer
Zeit auch fem. ^St) : slovo mit fallendem Ton, s. slov. slovo, nid-
droköa Yogelart : wohl zu kos Amsel, sämotdk (und sambtok s. o.,
der zweite Theil bei Vuk nicht vorhanden) , vinoböj gen. -boja
Pflanzenname : bcj boja ; Vuk hat noch ein prikohöi ohne Genus-
angabe, vielleicht alter ^Stamm : nhga. Die Länge im Nomin. sg.
bei diesen Worten kann nur bedeuten, dass der Ton fallend war.
Beispiele, die von den angeftlhrten Typen der Betonung und
Quantität abweichen, sind nur in ganz geringer Anzahl vorhanden :
1) es kommt vor, dass das erste Element "" hat, trotzdem das zweite
kurzen Vocal ; mit ursprünglich langer Silbe des zweiten Gliedes
finde ich nur tükoluk Enoblauchstössel (scheint ein Scherzwort zu
sein) : lük, vljoglav (und fem. mjoglaoc^ Wendehals, Slävoljub
(neben Slavhljub) ; dazu kommt eine Anzahl mit -sav (fttr -slav, zu
sl&va) gebildeter Eigennamen Drägosav [DrUgoslav], Mtlosav (da-
neben Milbsav, vgl. auch Vukbsav), BMosav ; femer Drägobrat :
brät, Lttpoglav (Ortsname aus einem Verse) : gläva, MVorad : rM.
Mit ursprünglich kurzer Wurzelsilbe: k^njorog am Hom ver-
stümmelt, vitarog mit gewundenen Hörnern : rog rdga; hl&-
dolei (und hladblei, eig. Ealtlieger) Pflanzenname, pütonog bläss-
ftlssig : nbga, zTotvor Uebelthäter, dazu die Ortsnamen Sämobor,
Sävobar (= SMobar) : bor bdra. — 2) der alte Hochton liegt auf
der zweiten Silbe des ersten Gliedes (dem Gompositionsvocal), also
jetzt als ^ auf der ersten Silbe. Appellative Beispiele sind ganz
spärlich: dworog (ein Räthselwort, divoroga kräva) mit wunder-
lichen Hörnern : rog roga, vinogräd Weinberg : gräd, Hsobrk der
348 A. LeskioD,
den Schnurrbart stutzt : SiSati^ bfk. Bei Vuk stehen zwar noch
einige Beispiele : bvljook glotzäugig, cYnook schwarzäugig, plävook
blauäugig, diese sind aber anders zu beurtheilen ; die normale Be-
tonung ist cmbok (so AWb., vgl. dort auch bjelhok] u. s. w. Die
beiden o werden contrahirt, und da die so entstehende Endbetonung
nothwendig aufgehoben werden muss, rückt der Hochton zurück,
daher crnok (so AkW.), vgl. auch die als Thiemamen gebrauchten
Feminina büljoka^ vränökuj iütoka. Dazu kommen einige Eigen-
namen, die gleichgebildeten Bbgosav [Bbgoalav] , DbbrosaVf Ljübth-
sav^ SkbrosaVj ferner Ljübobrat, Rädobud, Dbbrovük. Vergleicht
man damit die eben vorher angeführten Drägosav^ Mtlosav und
Milbsav u. 8. w., so sieht man, dass in diesen Namenbildungen die
Betonung sehr schwankend ist, und dass man bei der Beurtheilung
der Verhältnisse von ihnen absehen muss. Hält man sich die Ge-
sammtheit der masculinen Gomposita vor Augen, so wird man nicht
anders schliessen können, als dass die Typen T, II die Segel re-
präsentiren, denen gegenüber die zuletzt behandelten Abweichungen
nicht in Betracht kommen. Die Typen I, II ergeben aber, dass die
Betonung auf dem ersten Gliede (mit ^) abhängt von der
fallenden Betonung des zweiten Gliedes, also dieselbe Regel
gewonnen wird wie bei den t-Stämmen. Dass dabei einige Un-
regelmässigkeiten vorkommen, z. B. golbguz neben bjilogüz^ crno-
rep neben cmhrep (s. o. unter I, II) kann nicht auffallen, der Typus I
ist eingedrungen, wo II normal war ; man muss sich eher wundern,
dass die Unregelmässigkeiten nicht häufiger sind.
Die Vergleichung mit den beiden anderen Sprachen ergibt
Folgendes : im Bussi sehen ist der Hoch ton auf dem zweiten Ele-
ment stehend, die Bedeutung mag sein wie sie will, das Wort sub-
stantivisch oder adjektivisch gebraucht werden (bei der Motion der
Adjektiva ändert sich der Hochton nicht], die Wurzelsilbe des
zweiten Gliedes ursprünglich lang oder kurz sein. Also es fehlt
dem Russischen der serbische Typus II. Aus den Hunderten von
Beispielen gebe ich eine kleine Anzahl zur Veranschaulichung.
Substantiva: ^jooßfixhrh (Schüssellecker, jnszodx&^rb dass.) Schma-
rotzer, Ö^coroH'B Windbeutel, BepTonp&x'B dass., bo^oöitl Wasser-
behälter, AOMoc^A'B Haushocker, 3y6ocK&ji['B Zähnefletscher (cKaio-
376% dass.) , , 3j[o;^H Uebelthäter, KoconörB Geissfuss, MyxoMop^
(Fliegentod) Fliegenschwamm, jttcoBdjTB Windbruch im Walde,
Untersuch, üb. Betonungs- n. QuantitätsverhSltniBBe in den slav. Spr. 349
HOBOciiTB neaer Anbau, hobocöjk'b Ansiedler, putfojös'B Fischer, cto-
jOB&pB Theerbrenner, c^hob&jix Heuscbober, cinociK'B Henschlag,
xMfk6oc6ÄT> Gastfreier, qepnoseMx Schwarzerde. Adjektiva: 6^jio-
HÖriH weissfbssig, tf^JtopyKiS weisshändig, AOJropyidH langhändig,
cyxoB^pxiS gipfeldttrr u. s. w. Wo Polnoglasie die Tonqualität er-
kennen lässt, findet steigender Ton statt, z. B. 6^orojL6wh (Weiss-
kopf) mit Schnee bedeckter Pfahl, TojcTorojÖB'B (Dickkopf) eine
Fisohart, dopoHOBOJtdieB Eggenzieher, boaobop6tb Wasserwirbel,
KOJcoBopÖTB Windelbohrer, ötjoBOjioeuH weisshaarig, ^epHotiopÖAUH
schwarzbärtig.
Im Slovenischen hat die ungeheure Mehrzahl der Beispiele
dieselbe Betonung wie im Russischen. Der im Nom. sg. der Sub-
stantiva, im Masc. der Adjektiva demnach auf der Endsilbe liegende
Hochton (^, kurze Silbe), erscheint, wo in Flexion oder Motion die
betreffende Silbe nicht mehr die Endsilbe bildet, folglich gedehnt
werden muss, als ', d. h. der Ton ist steigend, also zum Bussi-
schen stimmend, z.B. drvotbn gen. drvotdnaj belorog fem. beloröga.
Auch hier gebe ich nur eine Anzahl Worte zur Veranschaulichung.
Substantiya : delopüst Feierabend, drvosdk Holzhau, drvotbn Stätte
zum Holzhacken, kolomäz Wagenschmiere, koloiok MUhllanf, kolo-
vhz Radspur, listopäd Blattfall (Oktober), mesojed Fleischesser,
rokomit Wurfweite, senosdk Heumäher, vodonbs Wasserschaff,
vratolbm Halsbruch und Halsbrecher, zvezdogled Sterngucker
u. s. w. Adjektiva: belorbg weisshömig, zlatorbg goldhömig,
bosonbg barfüssig, gologläv nacktköpfig, trdogläv hartköpfig,
vrtogläv schwindelig u. s. f. — Anders betonte Fälle sind an
Zahl ganz verschwindend: 1) mit " auf dem zweiten Element
finde ich bei Va1javec(Rad49) nur /ts^o^^S;' Blattfäule (November),
pismoük Schriftgelehrter, samoük Autodidakt, pizdogriz ranunculus
(im Wb. pizdogriz). Ein nnd anderes Beispiel bietet noch das
Wörterbuch, blagodär Segen, milodär Liebesgabe [dar Gabe) ; ob
dies volksthttmliche Worte sind, kann ich nicht entscheiden,
sicher sind barvotisk Farbendruck, celoiisk Stereotypie, lastoper
Mauerschwalbe, letogräd Sommerschloss, samosij Leuchtstein mo-
derne Neubildungen; «amoc^^rä^ selbander, samosvet allein heilig
sind erst aus den Zusammenrückungen sam-drüg, sam-svei in die
Analogie der üomposita ttbergefährt worden. Aufgefallen ist mir
ausserdem, dass im Wb. Zusammensetzungen aus Adjektiv nnd
350 ^' Leskien,
Adjektiv, deren erstes das zweite näher bestimmt, zuweilen
Endbetonung mit " haben : bledozolt blassgelb, zlatoioH goldgelb,
cmozoit schwarzgelb, cmobled schwarzbleich, drobnomii (fein-lieb)
niedlich, ialomii (weh-lieb) wehmüthig, ^o/ona^(nackt-blos8) faden-
nackt. 2) Kaum in Betracht kommt der Fall, dass das erste
Glied ' (also steigenden Ton) auf der ersten Silbe hat ; ich finde
so: delopusi (Valj., Wb. delopüst), vinograd (Valj. neben vinograd^
so Wb.), listopad (neben lütopäd s. o.), srakoper sWcoper Valj.
Würger (Vogel; srakapdr Wb.), kruhopek Bäcker (neben kruhop^k).
Es scheint, dass hier z. Th. die Betonung des ersten Elements als
selbständiges Woit eingewirkt hat, vgl. delo^ vmo, krüh gen. krüha.
3) Noch seltener sind die Fälle, in denen die zweite Silbe (der
GompositionsYocal) ' hat; ich habe nur bemerkt: vinograd [nehen
tnnograd) Weinberg, vinöraz Bebenmesser, slanövrat und slindivrat
(neben soinovrät) Hahnenfuss, zlöcest (neben zlocest) böse. Die Zahl
der unter 1 — 3 angeführten Beispiele ist yersch windend gegen den
als regelmässig zu bezeichnenden Typus drvothn.
Es scheint also auch dem Slovenischen der serbisehe Typus II
{gorocmjet) zu fehlen. Freilich ist ein Beispiel vorhanden mit " auf
der zweiten Silbe : kolovratj das Valjavec (Rad 132, S. 201) dem serb.
kälovräty mit der bekannten Umstellung des Hochtons, gleichsetzt;
die gleiche Form zeigt noch zRdej Uebelthäter, und im Wb. samo^
stret Armbrust, falls ich nicht dort eins oder anderes übersehen
habe. Die Frage, ob das Bussische den serbischen Typus 11 einst
besessen und ganz verloren habe, ob das Slovenische ihn ebenfalls
einst hatte, lässt sich erst im Zusammenhange mit den Präpositional-
compositis behandeln, zu denen ich jetzt übergehe.
B. Zusammensetzungen aus Präposition und Nomen.
1. Die Präposition hat den Accent ""j d. h. alten Hoch-
ton, die Wurzelsilbe des zweiten, nominalen Compo-
sitionsgliedes hat langen Vocal.
a) Präpositionen mit ursprünglich kurzem Vocal.
do- : dohvät Erreichen.
o- ob: obläk Wolke, sl. obläk, r. kchsl. 66j[aKB (r. 66ä9ko ntr.);
obiik Antlitz, sl. oblik^ r. dÖjaoTL; dblük eine Art Bund, den Verlobte
aufsetzen; SiöcfRand, sl. obod, r. 66oxh Reifen, Radkranz; dbrüc
ünterBuch. üb. Betonnngs- a. Quantit&tsverhältnisBe in den slav. Spr. 351
Beifen, sl. oJrSc, r. oßpy^'B; dbnr Umblick, sl. obztr oz%r\ 8eßr Plün-
derer, r. o6ahp'b Ansplttndem ; ^dgläv Eopftheil des Pferdegeschirrs,
sl. abweichend ogläv g. ogläva u. a. Halfter ; Mrijek Wassermoos,
vgl. sl. okräk dass. nnd Froschlaich; oJ^ Flick; okri Gemetzel
(zu I^üti brechen); ^omäm Köder; ^päd Fall (des Wassers), sl. ab-
weichend opäd g. opddaj r. ond^'B; dpäz Hut, sl. abweichend opäz
g. opdza; dprez Umsicht (zu prezati lauem), sl. oprez; osvlt
Tagesanbruch, sl. osvU; dsled Ebbe; dük Pflugreute; dämrk (zu
Smrk- spritzen) Wasserhose; ovrlj eine Art Kopfbedeckung der
Frauen {^ bei Pavic S. 58, in Vuk's Wb. ist der Accent undeuüich) ;
dzlb Hebung (mit dem Hebel), sl. ozibi pl. schwankendes Erdreich.
od-: odzdräv Gegengrnss, sl. abweichend ozdräv g. ozdrdva;
dtläip Loskauf, sL odküp, r. 611:711%; dipäd AhfM, sl. abweichend
odpäd g. odpddaj r. OTnä^'^.
po-: p>ed Blick, sl. abweichend pogUd g. pogleda, r. no-
TJL&ffh; pdjäs Gttrtel, sl. ^q;«*, r. noHCx; pbkriv [zu pokrivati), sl.
pokriv Deckel, r. nom. act. hokpkib'b (Dahl) ; p8mäz Art Brei zum
Ueberstreichen von Maisbrot, sl. abweichend pomäz g. pomdza
Salbe, r. nom&s'B Lappen u. a. zum Ueberstreichen ; pdmen Erwäh-
nung, sl. abweichend pomin g.pamSna; poklön Geschenk, Yer-
neigung, sl. abweichend poklhn g. poklöna^ r. noKjiÖH^ Vemeigung;
pbpik eine Art Ballspiel, Schlagball; popläv {und pbplav) Begen-
bach; pSprd (eig. Dreck) Tand; pioräat (auch fem. »-St.) Wuchs;
pdsijek (vgl. pbsjek) Gemetzel; poslüh Gehör, sl. poslüh, klr.
poshich Gehorsam (r. kchsl. nöcjiyx'B Zeuge); pMeg (eig. Anzug)
Stange am Wagen, sl. abweichend poteg g. potega Anziehen, Zug,
r. noTflFB ein Wagentheil; pitrk Lauf; p&tük (zu tü6i tü6€m=^
thkq) Böttcherwerkzeug zum Anschlagen der Beifen, sl. potoik
Niederlage in einem Treffen; povrat (in einem Liede bei Ynk)
Umkehr, sl. abweichend povrat g, povräta^ r. nosopöT'L; pdvraz
Eisen zum Kesselaufhängen (zu vrizq), sl. abweichend povräz g.
popräza; pdzdräf) Gruss, sl. abweichend pozdräv g. pozdrdva; pd-
iär Brand, sl. poiär, r. nos&p^.
pod-: podrig Aufstossen; pdtprig »quod incoquitur cibo (fa-
rina et butyrum)a; plotpfdS^Ü; pdtprüg Saumsattelgurt, sl. ab-
weichend podprbg g. podproga Bauchgurt des Pferdes ; pddsmijeh
Lachen über etwas, sl. podsmehf r. noAciiix'L.
pro-: prdbtr Auswahl, r. npoßip'B (Dahl); proci/ep Kloben,
352 A. Leskien,
s\. procep »Qaandelstangec; PrSkäp (scherzhafter Name, za pro-
käpati durchtränfeln), r. nom. act. npoKäiTB (Dahl); prolijet Wind-
beutel (Lügner); prdsijek kleine Hacke; prdfäk grobes Sieb (vgl.
protdkati sieben) ; prdvläk gezogene Wachskerze, r. nom. act. npo-
BOjidiTL (Dahl).
8^- sa-: säpdni pl. (kroatisch nach Ynk's Angabe) Walzen,
auf denen die Webebaumstützen ruhen ; sUpläk metallne Trink-
schale der Reiter (ist wohl ein Fremdwort).
UZ" = v^z-: üzdäh (= v^^d^ch^] Seufzer, r. bsaox'b; üzgred
Vorbeigehen ; itzräst Wuchs, Statur.
b) Präpositionen mit ursprünglich langem Vocal.
Da die Präposition den Accent ^, nicht " hat, kann angenom-
men werden, dass sie steigenden Ton hatte, daher die Verkürzung
des Vocals gemäss der allgemeinen Regel.
na-: tiäteg (u. fem. nätega) Heber, sl. abweichend naUg g. fto-
tega Spannung, r. naTirB u. a. Spannriemen.
pa-: pälik (s. Vuk u. liciii se); /^ä/r/;' Baumstumpf .
prcL-: prMjed Urgrossvater, unregelmässig in der Quantität
des Nomons.
pr%^\ pripädom (i. sg. zu pripad] in Nebenstunden, sl. ab-
weichend pripäd g. pripäda ; pripüz (zu phzq) einer, der ins Haus
eingeheirathet hat; pristäv Knecht in der Wirthschaft, sl. pristav
Meier, r. npHCTaB'B u. a. Aufseher; privük (soviel wie pripüz \ zu
vücem = vhkq) .
pre-i Pridräg (Eigenname); prSkid Unterbrechung, r. nepe-
KHÄ** Hinüberwerfen ; />r2Ar^^ Umschwung, sl. abweichend />reA;r^^
g.prekreta; prdmet Purzelbaum, sl. abweichend ^rem^^ g. premita
Umwerfen; /^rS/ry Unterbrechung, sl. abweichend /?re% g.j>rc<r^a.
raz-\ rfizre^j Schlitz, r. paapts'B ; rä^ve^ Tagesanbruch, sl. ab-
weichend razsvit g. rtizsvita, vgl. r. pascBiT'B; räzüm Vernunft, sl.
razümj r. pfayM'B.
2:0-: zädäh (= zad^ch^; u. fem. zMaha) Gestank, sl. abwei-
chend zadäh g. zaddhaj r. smöx'b Schwüle; zMüh Geruch; zäglüh
Betäubung; zäpädWe^ten, r. adnaA'B, sl. abweichend zapad zapäda\
z&teg Spannung, r. saTArb Spannriemen; zMzii^lxit. (s. Vuk); z&üi
Umdrehen des Schiffes, das stromaufwärts fährt.
8u = sc^: sümräk Abenddämmerung, sl. sömrakj r. cyHopoirB.
w = o\f' : ümäk^ ein Ei na umak kochen = weich kochen,
Untersuch, üb. Betonungs- n. QnantitätBTerhSltniB sein den Blav. Spr. 353
von Miklosich EW. auf mok- bezogen, in dem Falle u- vielleicht =
e%-; üprt, etwas na uprt = anf den Bücken nehmen, vgl. üprtiti
anf den Rücken nehmen nnd ^prta Achselriemen des Ranzen, sL
uprtiti (neben oprtittj dass., op)rt g. oprta Tragriemen ; Mär Schlag,
sl. udävy r. ya&P'b; ügled Anschein, sl. abweichend uglid g. ugUcla;
itffär (zu fforeti) Brachland, sl. bei Miklosich EW. üffor, r. jr&ph
Dnnst; ^res Schmuck; äoär in der Redensart z&uvär zum Nutzen.
c) Zusammensetzungen mit iz-i tzrijeiom L sg. mit
eigentlichem Namen, sl. abweichend izrik g. izrSka Ausspruch.
Abweichungen von dem ausgefllhrten Betonungs- und Quanti-
tätsverhältniss finden sich nur, wenn ich nicht eins oder das andere
übersehen habe, in nute ff eine Art des Schiffziehens, näd (neben
näd) Hoffnung, räspüt^ ein in Parallele zu put gebildetes Räthsel-
wort.
Zu beachten sind die Beispiele mit vocallosem «- und Länge
des nominalen Bestandtheils, weil sie fallenden Ton des zweiten
Elements sicher zeigen : splav Floss, spüi Schnecke, avläk abge-
legter Schlangenbalg, zffäd Ekelhaftes, zgtb Gelenk.
Die Zahl der Beispiele mit der Betonung "^ und folgender langer
Silbe beträgt ca. 80. Bemerkenswerth ist, dass mit ganz geringen
Ausnahmen (jibdd, poklön, priuiet, zädäh) die Wurzelsilbe des
Nomen ursprünglich lang war.
2. Die Präposition hat den Accent ^ oder ', d. h. der
Hochton lag ursprünglich auf der zweiten Silbe, der
Wurzelsilbe fles nominalen Bestandtheils; diese ist stets
kurz. Das schliesst nothwendig in sich, dass der Ton steigend
war, denn nur so konnte ursprünglich lange Wurzelsilbe des Nomen
verkürzt werden.
a) Präpositionen mit ursprünglich kurzem Yocal.
do-i dhmetWuTfyfeitej sh damit g.domitay r.nom.act fffiu6vh
(Dahl) ; dbnos Zutrag, sl. donbs g. donösa Hinterbringung, Ertrag,
r. AOHÖCB (Dahl) ; dbhod Zugang, sl. dohbd g. dohöda, r. aoxoa^.
0- ob-: bbloff Wette, sl. oblbff g. oblöffa Einfassung, Besatz, r.
o6x6rB u. a. Aufschlag am Aermel ; bbluk Sattelknopf, sl. abwei-
chend oblok Bogen, r. abweichend öÖJiyicB u.a. Kutschersitz; bbor
(zu vhrq) Einzäunung, sl. obbr g. obara; O^oe? (Eigenname);
bbrtiz Wange, sl. obräz g. obrdza, r. abweichend ötfpas'B Bild; bbrok
Frist, sl. obrbk g. obröka Deputat u. a., r. otipÖKB Abgabe; bbrub
ArolÜT Ar ■UTisohe PUlologie. XXI. 23
354 A. Leskien,
Samn, el.obrbb g. obröbay r. o(ipy6'B Einfassung; bpkopSchasissßy sl.
obkbp g. olkapa^ r. oköifb (Dahl) ; hpy'ek »Lehne, tamolnscy sl. obsek g.
obseka das Behauen, r. o6ciirB dass. ; hptok Emfassnngy sl. obthk g.
obtoka Umfliessong; hdor Plünderer (in einem Verse bei Vnk), r.
oÖAop'B nom. act . ; hgreb was auf der Flachsranfe beim Abziehen bleibt,
sl. ogreb g. ogreba^ r. orpe^x Znsammenharken ; hgrjet) Heizung ; hkiad
Wette, sl. okläd g. okläda Einfassung, r. okji&a^ Belag, Beschlag ;
hMop Ettrass, sl. oklhp g. okl6pa\ oko g. hkola Lager (eig. Bunde,
Umkreis), sl. okbl okola^ r. okojtb; hkop Schwaden; hkov Beschlag,
sl. okhv g. oköva^ r. oköbx (Dahl); hmet Fege (scopulae); bpüJi »ge-
rollte Gerste, alica«, zu opähati abstäuben, sl. opäh opäha Nessel-
anssehlag, r. on&xx Abstäubung; bsip Hautausschlag, sl. osip osipa
Behäufeln, r. oc^m^; bsjek Abhang, sl. osek osika Pferch, r. ocim
Verhau; biea [=pbte8)j sl. otis g. otesa Behauung, r. ott6c% (Dahl);
btrov Gift, sl. ötrov (mit zurückgezogenem Hochton) und otrbv g.
otröva] bieg Schtirhaken, sl. oÜhg g. oigä (zu ihg-)^ r. oxSpb.
odr: bdbor (eigentl. Wegklaubung, s. Vuk), sl. odbbr odbara
Ausschuss (Comitä), r. ot66^t> Auswahl; bdljud Unmensch; bdtnet
Dinge zum Wegwerfen, sl.odmit g. oc^m^^a Ablehnung, Verwerfung,
r. OTuöTt (Dahl); bdmar Erholung, sl. odmbr g. odtnöra Bast; bdrod
der sich von der Verwandtschaft losgesagt hat, sl. odrbd g. odröda
Abkunft, r. oxpo^Tb Wurzelschössling, Ableger; bdsjek (= bsjek)^ sl.
odsik g. odsika^ r. otcIicb Segment; bdskok Absprung, sl. odskbk
g. odskökuj r. otcköici; ^^oor Leibesöffnung, sl. otvbr g. otodra Oeff-
nung, r. oTsöpx Oeffnen ; 6^^o« Schwaden, r. otköcb u. a. Heumähen ;
bikotf Dengelzeug, sl. odkbv g. odkova Losschmieden, r. otk6bi Aus-
schmieden; btpor Entschuldigung (Erwiederung), sl. odpbr g. od-
pöra Widerstand, r. oxnöpx.
p(H: Pbböj g, Pbboja (Ortsname), sl. pobbj g. poböja^ r. no66H
Schlag, Schlacht; pbcek Borg, sl. abweichend /)ooa£ ; pbcinj (Wort
aus einem Kinderspiel, znpocinjati anfangen), vgl. r. noqnH'B An-
fang; pbgon Wegtreiben, sl. pogbn g. pogona^ r. norÖHTb; pbgreb
Begräbniss, sl. pogreb g. pogriba, r. abweichend nörpeÖ'B Keller,
klr. pogrib Begräbniss; pbhod Abreise, sl. pohbd g.pohöda^ r. no-
xoAx; pbkladi plur. (neben fem. pbklade) Tag vor den Fasten, sl.
pokläd g. pokläda Fundament, r. noKJiaA'B u. a. Vergleich; pbköj g.
pbkoja Buhe, sl. pökoj (Accent zurückgezogen) g. poköja^ r. uoköh;
pbkolj Blutbad (Gemetzel) , Bl.pökol; (scheint eine Neubildung oder
Untersnch. üb. Betonungs- n. Quantit&tBverbältnisse in den slav. Spr. 355
Entlehniing) , vgl. r. noKÖjn Stich ; pbkop Begräbniss, sl. pokbp g. po-
kdpa] phkor Tadel, r. noKÖpx; phkrov (Decke) Leichentach, sl. ^o-
krhv g.pokrova, r. noKpoB'B; pbloff (Lager) untergelegtes Ei, sl.^o-
Ibff g. poloffUj r. nojEÖFB; pbldj g. pbloja der Ueberschwemmung
ausgesetzter Ort, sl. polbj g-polöja^ r. nojioH; pblom (Bruch) Nieder-
lage, sh polbm g. poloma^ r. noÄ6wh; pbmet (Fege) Schneegestöber,
sl. pomet g.pom^taf r. uov^Trb] pbmor Seuche, B\,pombr g.pomöra;
pbnor Schlucht, Bhp6nor (zurückgezogener Accent) g. ponöra; pb-
no8 Stolz, sl. ponbs g. panösa, r. noHÖc^ u. a. Lästerung; pbpas
Frühaustrieb des Viehes, sl. abweichend ^öpo* Abweidung, r. no-
n&ci eine Art der Hut; pbplat Fusssohle, vgl. Bl.podplät g.pod-
pldta Sohle, r. uoxoä&tu Halbsohlen; pbplav {and popläv) Bogen-
bach, r. nonjiäB'B Wasserweg ; ^ipfe^ Geflecht, sl.popUt g.papUta;
pbpret mit Asche bedeckte Glut; pbprug Saumsattelgurt; pbrob
»Vollstreckung eines Urtheils« Vuk (aus Ragusa), sl. porbh g. po-
röba )» das Geld, das von den Schuldnern an die Häscher oder Ge-
richtsdiener bezahlt wirda; pbrod Nachkommenschaft, sl. pdrod
(mit zurückgezogenem Hochton) g. poröda^ r. nopö;^^; pbr(m= pb-
nor ^ wohl nur volksetymologisch an roniti angeschlossen; pbrub
Saum, el.porbb g.poröba Baumstumpf u. a., r. nopyÖ'L Abhau u.a. ;
pbruk (poet. Wort) Bürge, Bl.porok (mit zurückgezogenem Hochton)
g, poröka; pbsao [=pos^h) g, pbsla Geschäft, Arbeit, sl. abwei-
chend ^o^ g. pösla Bote, Geschäft, r. nocojTB g. nocjä Gesandter;
pbsvjet Beleuchtung, sl. abweichend ^o^t??/, r. hocb^t'l Leuchter;
pbsjed Besuch, r. noc^Au plur. Sitzen, Erholung; pbsj'ek Thier, das
zum Winterschlachten bestimmt ist, sl.posek g.poaika Abtrieb des
Holzes u. a., r. nociicL Anbau; pbstav Leinwand, sl. postäv postdva
Stellen, r. nocTäBi Arten von Gestellen, u. a. Webstuhl, auch Ote-
webe^pbstö g. pbstola Schuh, sl. pösioi (zurückgezogener Hochton)
g. postolay klr. postü g. postoia Bastschuhe pl. postöty^ r. nocTÖJU
(Dahl); pbsiup d Stillstand der Mflhle bei zu hohem Wasserstandtr,
sl.postbp g.postopa Auttreten, r. abweichend n6cTyirB Schritt, Gang;
pbtes eingehegte Aecker oder Wiesen (s. Vuk), r. noT6c^ Behauung ;
pbtok Bach, shpotok (zurückgezogener Hochton) g.potöka, r. ootokb;
pbtop Flut, ühpotbp g. potöpuj r. noTön'B; pbtrap neu angelegter
Weinberg (zu trctpiti)] pbtres Erdbeben, sl. potrds g. potresa; pbtiz
Binde am Rocken, el.povbz g.povöza Binde ; jt^^f^^^; dass., r.noBAS'B;
pbvod Strick zum Pferdeflihren, sl. povbd g. pavoda Hundekoppel,
23*
356 A. Leskien,
r. abweichend nÖBo^x Zügel; povoj g. pbvoja Binde, sL abweichend
povoj] r. noBOH ; phzder Scheren (nach Miklosich EW. zu der-)^ al.
abweichend pazder xmäpozder g. -^erja; pbzor Obacht, A.pozbr
g. pozora, r. nosop'B Anblick.
pod-: phdbjel Huflattich, sl. podbei g.podbila ; pbdbdjg.pbdr-
boja Fussboden, sl. podbbj g.podböja Thttrpfosten, r. nofifi6S. allerlei
BoBchlsLg; pbdnos Präsentirbrett, nl.podnbs g. podnösa^ r. noAHocB;
pbtkov das Beschlagen, r. hoakob'b (Dahl), pbtpts Unterschrift, sl.
podpis g.podpisGy r. abweichend nöAiiHci&; pbdrub Saum (vgl. pb-
rub\ r. noApy6'£ n. a. untergezogener Balken; pbdrum Keller; pbd-
sad Brut, b\. podsäd g.podsdda Geheck, r. no^cd^ u. a. junger
Anwuchs; pbdvoz Fuhre, sl. abweichend podvoz Achsenstock, r.
noABÖs'B Zufuhr.
pro-: prbder Bruch (hernia); prbhod Spaziergang, sl. prohbd
g.prohöda, r. npoxÖA'B Durchgang; prbkop Graben, A.prokbp g.
proköpa^ r. npoKÖiTB (Dahl) Durchstich ; prbljev Vergiessen ; Prbhg
(Ortsname), vgl. r. npcjön niedriges Thal; Prblom (Ortsname),
vgl. r. npojiÖM'B Durchbruch; prbnos erstgelegtes Ei, r. npoHÖcx
Durchtragen; j!>r6{/'ßA; Durchhau, r. npociicB; prbvor Seitenstechen;
prbzor Fenster, sl. prözor (mit zurückgezogenem Hochton) g. pro^
zoruj r. nposop'B Durchblick.
8 [z), sa = 8^ (über su- = sq-^ s. S. 361) . Die normale Form des
Serbischen ist s (z)j dazu gehören zwei Arten von Beispielen, was
die Betonung betrifft: 1) die Wurzelsilbe hat den Accent '', diese
Betonung stimmt überein mit der der bisher behandelten Composita,
nur dass der Hochton, der bei den yollyocaligen Präpositionen auf
diese zurücktritt, auf das yocallose s nicht treten kann, sondern
auf dem nominalen Element verbleibt : sklM Garbenschober, skäp
Haufe, smctk {=8hfmkb) Ende, shos Anschwemmung, späs Heiland,
spPet Haarflechte, svSz Nath, svjiit Rath, zbjdg Flucht; srok g. srdka
Zeichen; stvor g. stvora Machwerk, zboj g. zbdja Haufen, zbor g.
zbora Versammlung. Dazu kommen mit Endbetonung der Casus :
skPdp g. sklbpa Zusammenstoss ; slog g. slbga Gartenbeet; slom g.
slbma (Zerbrechung) Untergang ; sm&t g. sm^ta zusammengewehter
Schnee; svbd svbda Gewölbe; zgTob g. zgUba Gelenk ; zg^on g. zgbna
Stück Land zwischen zwei Grenzhügeln. Ganz selten erscheint
die Form «a-, bei Vuk nur einmal mit kurzem Yocal säkup Ver-
sammlung (aus einem Liede), das normale ist sk^p^ mehrmals ed :
UntersQch. üb. BetonungB- u. Quantitätsverhältnisse in den slav. Spr. 357
sähdj g. sdboja (ans einem Liede) Zusammenlanf, nonnal ist zboj
g. zboja (s. 0.), sdbar Eirehenversammlang, wohl kirchenslavisch,
nonnal serbisch ist zbar g. zhdra, sävjet Rath (ans einem Liede) ,
s. 0. svfit, sdpon Bindseil, sd/am g. säjma (= shjhtm) Markt, wo ä
in den Casnsformen wegen der Lautfolge Vocal +j + Gons. ein-
getreten nnd die Länge in den Nominativ übertragen ist.
t< = B'k. Es gibt nnr sehr wenige sicher als solche zu er-
kennende Zusammensetzungen mit dieser Präposition: ükop Be-
gräbniss, sl. ekbp g. vkopa Eingrabnng, r. bkoifl; üljez einer, der
sich in ein Haus einheirathet ; üzov Einladung; ümir Friede
(u = oy?).
uz = EikB'. Auch hier ist die Anzahl der Beispiele sehr
klein : üskrs (Auferstehung) Ostern , üspor Stauung (von Wasser),
üstuk Spruch gegen ein Uebel, Gegenmittel, üzmak (*fybzrmkb) Rück-
zug, üzvod eine mit Streifen durchzogene Leinwand.
b) Präpositionen mit ursprünglich langem Vocal.
Da der Vocal der Präposition in der Silbe vor dem alten Hoch-
ton steht, bleibt er der allgemeinen Begel des Serbischen gemäss
lang.
na-: ndboj Wunde an der Sohle, Wand aus Erde, sl. nabbjg.
naboja dass., r. natfön Beule; näbor Falte, sl. nabhr g. nabora^ r.
Ha66prB u. a. Besteck, Einschubboden; ndcin Art und Weise, sl.
naan g. nacinaj r. uswarh Anfangen; nddam (zu d^mq) Blähung;
nddjev Füllsel, sl. nadev g. nadeva] ndgon Antrieb, Zwang, sl. na-
ghn g,nag6na^ r. narÖH'B Zusammentreiben, Einjagen; nähod Fund,
r. HazoA'B; näjam g. näjmay sl. ruy'em g. najema Miethe, r. naeiTB
g. HaHMd; nakaz monstrum, sl. nakäz g. nakäza Unterweisung, r.
HaKd3%; ndkit Putz, Schmuck, sl. ncJcit g. naküa\ ndlet (eig. Anflug)
lästiger Mensch, sl. nalit g.naleta Anprall, r. najeT'B Heranfliegen;
ndloff Auftrag, sl. ruUoff (zurückgezogener Hochton) g. naUga^ r.
HsuKOFB Auflage, Steuer; nämet Auflage (Steuer], sl. namet g. na-
meta Aufgeworfenes, rnaM^rB u.a. Aufwurf; ndmjer Zufall; ndniz
Schnur Perlen, r. nauHsi Aufreihen; nänos alluvio, sl. nanhs g. nor
nosüj r. HauöcB; ndper Mühlwehr; ndplet Angeflechte, sl. ?iaplet g.
napUta^ r. Hanji6TL (Dahlj; ndpdj g. ndpoja flüssiges Futter, sl.
napoj g. napoja^ r. nanÖH Trank; ndpon Anstrengung, sl. naphn g.
nap6na\ ndrod Volk, sl. ndrod (zurückgezogener Hochton) g. nor
rödüj r. HapÖAnb; naroA; Schicksal, r. HapöicL Termin ; na^oi/ unter-
358 ^ Leskien,
gelegte Brateier, sl. nasäd g. nasdda Anpflanzung, Brateier, r. na-
c^ Ansatz pl. Hac^AU Pfahlwerk (Rostwerk) ; ndsap Damm; ndsip
Damm, sl. nasip g. nasipa, r. abweichend h&cuitb Mtlhltrichter, bei
Dahl nom. act.HäcunB u. nactm^; näslon bedeckter Gang, Schuppen,
sl. naslbn g. naslona Anlehnen, r. nom. act. HacjoH'B (Dahl) ; ndstup
Anfall (von Krankheit), sl. nastbp g. nastopa Antritt, r. abweichend
HäcTyn% Anfall, Angriff ; nduk Lehre, sl. abweichend näuk g.näuka
(und naükaf\ r. abweichend HäyiTB Gewohnheit; näval (und fem.
nävala) Zulauf, Drang, sl. naf>äl g. navdla Andrang, r. naslrB
(Dahl) ; ndvrt Pfropfreis, r. Has^pTL Aufdrehen, Einbohren ; nazor
Obacht, A.nazor (zurückgezogener Hochton) g. »o^ora Anschauung.
Den Hochton auf dem Ende hatte naianj g. ndznj'a Schnitt bei der
Ernte, sl. ndhnj g. näinja. Ich bemerke noch, dass der lange Vocal
der Präposition bei den mit na- zusammengesetzten, dadurch de-
minuirten Adjektiven, z. B. ndgluh etwas taub, nazut etwas gelb
u. s. w., denselben Grund hat.
nad-: bei Yuk nur ein Beispiel, nätpis,
pa- : pärog Hakenstock, vgl. \slT,pdnh (zu rog^) Geweihsprosse ;
y^o^Ltt päulj g. paülja Grashalm stammt, weiss ich nicht.
pri-\ prihöj g. priboja Ort auf dem Wasser, wo regelmässig
der Wind hinschlägt {pribija), r. npHÖOH Anschlagen des Wassers
ans Ufer; prikaz (Darbringung) Geschenk (neben (em. prikaza) ,
sl. prikäz g. prikdza Erscheinung, r. npHKis'B Befehl; prüog Opfer,
sl. prilbg g. priloga Beilage, r. npaiora Zugabe; pHmJer Beispiel,
sl. prim^ g. primSra, r. npHnip'L ; prinos (Beitrag) Gabe, sl. prinbs
g. prinosa Darbringung, r. npHEÖcx; pripoj g. pripoja Schlagloth,
r. npHnÖH Angelöthetes ; pripon eine Art Strick, sl. pripbn g. pri-
p6na\ prirez Nebensteuer, r. npiipis'B Zumessen, Zutheilen; prisad
Setzling, sl. prisad (zurückgezogener Hochton) g. priaäda Brand
(am KOrper), r. npHcä^^ Dazugepflanztes ; ji^mton Hafen, sl. abwei-
chend ji^m^a» ; pritvar Art kleiner Hürde, r. npnTBÖp'B u. a. Vor-
halle einer Kirche; pritop Schmalz.
pre-, Berh. prije-: prijeboj Scheiiffwsjiij Fischzaun, ^hpre-
bbjg. preboja Zwischenwand, r. nepetfön u. a. Fischzaun; prijeder
(eig. Ueberwegtreiben) Kampf; prißgon Kampf, sl. preghn g. pre-
gona Durchtrieb, Verfolgung; />ry'Moc; Transportschiff, A. prehbd
g. prehoda, r. nepexÖA^ Uebergang ; prißklad Seitenstein am Herde,
sl. prekläd g. prekldda Ueberlegen ; prij eklet Verschlag im Hause ;
Untennch. flb. Betonnngs- u. QnantitStBverh<nisBe in den slav. Spr. 359
•
prijekor Vorwurf, sl. prekhr g. prekora Disput, r. nepeKop'B Streit;
pry^laz Furt, sl. prelaz (zurttckgezogener Hochton) g. preldza
Durchgang, r. nepejiäs'B a. a. Fxirt\ prij'dlaff noch nicht anfgeriBsene
Erde, f\,prelhg g.prelöga n.a. Verlegung, prehg Brachland; prij^
met »Tino koje se otoci ispod ledaa, %\.premet g.premeta u. a.
Durchwerfen, r. nepeM^TB Hinttberwerfen ; prijdnos Umtragung (des
Kelches in der Kirche), Bl.prenhs g.prenosay r. nepenöc^ Ueber-
tragung; prijepek zweimal gebrannter Branntwein, s\. prepik g.
prepeka Durchbacken, r. nepeneicB zu starkes Backen ; prijepis Gon*
skription, sl. prepis g. prepüa Abschrift ; prijesad verpflanzte Ge-
wächse, Hl.prisad (zurückgezogener Hochton) g. presäda Verpflan-
zung und Verpflanztes, r. nepecÄA^; prijesjed Nachzucht (von Bienen)
zur Fortpflanzung, sl. presdd g. preseda Einsattelung des Berges;
prijisjek Abtheilung (Fach), el.presek g.presSka Durchhieb, Durch-
schnitt, r. nepeciiTB u.a. abgehacktes Stttck; prij^stö g. -^tola
Thron, A. pristoi (zurttckgezogener Hochton) g. prestola, r. ksl.
npecTOjn; prijestup (Hinttberschreiten) ein Ausdruck fbr Schaltjahr,
Bhpresthp g.prestopa Ueberschreitung, r.nepecTfni (DM); pri/^
top das beim Braten abträufelnde Fett, sl. pretbp g. pretöpa Um-
Schmelzung, r. neperon'B (Dahl) Ueberheizung ; prijetu'es Sohleier,
r. nepoB^c^ u. a. Uebergewicht, Vogelgam; prijevoz Ueberfuhr,
sl. prevoz (zurttckgezogener Hochton) g. prevoza^ r. nepeBÖs'B Fähre,
Ueberfahrt.
raz-: räzhöj g. räzhoja Webstuhl, räuberischer Einfall, sl.
razbbj g. razboja Raub, r. pasöön ; räzbor (das Auseinanderlegen)
Unterschied, sl. ra^^ior (zurttckgez. Hochton) g.razböra, r. pasÖöp'L;
räzdvöj g. rdzdvoja Markscheide, Trennung, sl. razdvbj g. rcuxlvo/a
Entzweiung, r. pa3ABÖH Theilung in zwei Theile ; räzdio g. räzdfela
Markscheide, sl. razd^ g. razdila Vertheilung, r. pasA^rB; rdzdor
Uneinigkeit, Zwiespalt, sl. razdbr g. razd6ra, r. pasAÖp'B; räzffon
eine Pflanzenart, sl. razgbn g. razgona (eig. Auseinandertreiben)
Furche zwischen Ackerbeeten u.a., r. pasrÖEx Auseinandertreiben;
rd;s/a2; Auseinandergehen ; räzmet (daneben rcizyne^) Zerwerfen, sl.
razmet g. razmita Zerstreuung, r. pasH^rB Auseinanderwerfen, pos-
MöTi Vertheilung ; rdzlog Ueberlegung, sl. razlbg g. razlöga Orund,
r. paajopB Abschüssigkeit (alles eig. Zerlegung); rdsd g. rdaola
Lake, sl. abw. rdzsaij r. pac6x^ (pascörs); räz-or Zerstörung, r.
pasöpB; rdsad (u. fem. r&sada) PSanzen aus dem Pflanzgarten;
360 A. Leskien,
rAsap g. räspa Zerstörang (=» '^raz'^pb) ; räskoi Wonne, bIoy. fem.
t-St. razkoi^ ebenso r. p6cKoiin>; räspis Umlaofschreiben, sL razpis
g. razpüa ; rasplet eine Art Nath, sl. razpUt g. razplita Entfal-
tung ; rdspon Theil des Pflugs, sl. razpbn g. razpdna Spannrahmen ;
räspop Expriester [rasphpiti einem Priester die Weihen nehmen),
r. pacnöni abgesetzter Priester; rdspor (dass. was rdspon), sl. raz-
pbr g. razpora u. a. Spalt, r. pacnöpx Auseinanderspreizen ; rcupust
Ehescheidung, sl. abweichend razpüst Auflösung (einer Versamm-
lung), r. abweichend pöcnycTB Entlassung, Scheidung.
za-: zdbat Giebel; zähran (u. fem. z&hrana) Hegewald; zabun
Gelispel; zdg<m Angriff, sl. zagbn g. zagona Anlauf, r. saroHi u. a.
Eintreiben des Viehes; zdgrad (u. fem. zägrada) Verzäunung, sL
zagräd g. zagräda; Zagreb (Ortsname), sl. z€igrdb g. zagreba u. a.
Bollwerk; zahod Niedergang, sl. zahhd g. zahoda^ r. saxoA^; zdjam
g. zdjma Borg, r. saeirL g. saHMä, sl. abweichend zAjem g. zajma\
zäklad Kleinod, sl. zakläd g. zakUda Schatz, r. saicjä^'B Pfand;
zaklon Zuflucht, sl. zaJdhn g. zaklöna Deckung, Schutz, r. saKJiös'L
Untergang, Niedergang ; zdklop Eiegel, sl. zaJdhp g. zakUpa Deckel ;
z&kolj das Schlachten, sl. zäkol (zurückgezogener Hochton) g. zor
köla ; zäkon Gesetz, sl. zakon (zurückgezogener Hochton) g. z€J66naj
r. saKÖH« ; z^^p Begräbniss, sl. zakhp g. zakopa u. a. Vergrabung,
r. saKonx Verschanzung ; zdkoe mähbares Gebirgsland, r. saKÖcib
Heuschlag ; zdkup Pacht, sl. abweichend zaküpy r. abweichend sä-
Kynx Aufkauf; zäiaz Umweg, r. saiäsi Oeffnung zum Einkriechen;
zalet Stelle, wohin der Bienenflug geht, sl. zcdH g. zalita Anlauf,
r. 3ajB[6T'B u. a. das Ziehen der VOgel; zälio Bai, sl. abweichend
zaUv^ r. sams^; zälog Pfand, sl. zalog (zurückgezogener Hochton) g.
zalogoy r. saiöri; zdmlaz Art saurer Milch (zu mhzq)\ zdnos Irre-
sein, Phantasieren (von Kranken, zu zanisti se), sl. zanbs g. zanosa
u. a. Extase, r. saHÖci u. a. Schneewehe ; zapü Talisman, sl. zapis
g. zapüa Aufischreibung, Eintragung; zdpoj g. zdpoja Trank, r.
aanöH periodische Trunksucht ; zdpon Hoffahrt, sl. zaphn g. zapona
Heftel , r. abweichend sänoH'B u. a. Schurz ; zdpoat Fastenanfang ;
zdpret mit Asche zugedeckte Glut, r. sanpiTi Verstecken; zdpus
bei Vuk ohne Bedeutungsangabe (= zdpast ?) ; zdrez Einschnitt,
sl. zarez g. zariza^ r. sapis'B (Dahl); zdrok Wette, sl. zarhk g. 20-
roka u. a. Verlöbniss, r. sapöin eidliches Versprechen ; zdslon Zu-
fluchtsort, sl. zaslbn g. zaslanay r. sacjBLÖvB allerlei Schutzvorrich-
Untenaoh. ttb. BetonungB- n. QuantitätarerhältnlsBe in den slav. Spr. 361
taugen; zästrug (n. fem. z&strtiga) Art hölzerner Deckelschttgsel,
r. sacTpyrB u. a. Scbmbbhobel ; zätvor Haft, sl. zatvbr g. zatvora
Sperre, Eiegel, r. saTsop'L; zäioc Wette (zu zateöi se sich anheischig
machen), sl. zatbc g.zatoca Schub imEegelspiel; zdton Meerbusen,
sl. zatbn g. zatöna^ r. saTOH'B überschwemmtes Land; zatop Art
eiDgelegter, beim Gebrauch wieder gewärmter Fleischspeise, r. 3a-
T6n% Heizung (des Ofens] ; zdvjes Vorhang; zdvjet Gelübde, sl. zof-
vet g. zavetüj r. saB^T'L u. a. letzter Wille; zdvoj g. zdvoja Ver-
band, sl. zavhj g. zaooja u. a. Verpackung, r. sasöH Genick (bei
vierfÜssigenThieren); ;;dora^ Umkehr, r. saBopoT'B; zdzor dasUebel-
ansehen, sl. zazbr g. zazöra Verdacht, r. sasöp'B Schimpf; zdzanj
g. zdznja (zu hnq i^ti) Grenze einer Reihe [postat) beim Ernten.
sur = 8(^\ sugreb aufgescharrte Erde, vgl. r. cyrpoÖ'L Schnee-
haufen; 9U8Jed (und süsjed) Nachbar, f\,8Ö8ed (mit zurückgezogenem
Hochton) g. soseduj r. coc^a'b (mit st- componirt); süsret Begegnung;
süton tiefe Dämmerung.
w = oy- : üböj g. üboja (neben üboj) Schläge, sl. ubbj g. uböja
Totschlag, r. yÖöS; üjam g. ü/ma Mahlgebühr, sl. abweichend
üjbfn g. üjma dass., r. yäicB yHMä Wegnehmen; ülozi^lnr, Gicht,
sl. abweichend uloffi plur., r. jjidrh Hinstreckung; üpor Art West-
wind auf dem Skutari-See (eigentl. wohl Widerstand) , sl. upbr g.
upora Anstemmung, Widerstand, r. ynop'B.
c) Zusammensetzungen mit iz-. Diese Präposition ist hier
besonders gestellt, weil sie, obwohl dem Anschein nach mit ur-
sprünglich langem Vocal versehen, doch keine Beispiele der Be-
tonung iz' zeigt, sondern nur iz-j also kurzen Vocal. Der Grund
wird wohl sein, dass uranfänglich der Vocal kurz war, vgl. lit. »i-
[isz-). Im Slayischen entspräche *hz, da aber h nicht anlauten kann,
entsteht ^ßz- und daraus iz-] der so entstandene volle Vocal ist
also nicht in die Reihe der ursprünglichen Länge eingerückt. Die
Beispiele sind: i^Aoc? Ausgang, sl. izhbd g. izhöda, r. hcxöa'b; isjek
ausgehauenes Stück, sl. izsek g. izseka Ausschnitt; iskon Anfang,
r. HCKÖEx; iskop Vernichtung, sl. izkbp g. izkopa Ausgrabung; iskup
Versammlung ; ispek Eesselzins (?) ; tspö g. ispola Schöpfgefäss ;
ispust Auslass, sl. abweichend izpüsi, vgl. r. HcnycicB; izbor Aus-
wahl, sl. izbbr g. izbor a; izdan Quellort; izder starkes Tuch; izlaz
Ausgang; tzmak Ende, Ausgang; tzmet Auswurf, Ausschuss, sl.
izmH g. izmetaj r. H3MerB; usnos Abtragen (von Kleidern), sl. iznbs
362 A. Leakien,
g. tznösa Hinaustragen, r. hshocl Abnutzen; izHjr Ackergetreide;
izrod Ausgearteter, sl. izrbd g. izröda, r. HspoA'B Erzeugen, vgl. h3-
p6;(oirB Abart; izvir Quelle, sl. abweichend izvir] izvor Quelle, sl.
izt>hr g. izvöra; izvoz Ausfuhr, sl. izvbz g. izvozüj r. h3b63'b.
In diesem Abschnitt sind in runder Zahl 280 Beispiele auf-
gezählt.
Um zu zeigen, wie regelmässig die Quantitäts- und Betonungs-
erscheinungen des Serbischen in diesem Falle sind, mache ich noch
die Gegenprobe, d. h. führe die Beispiele an, die kurzen Vocal des
nominalen Elements, dabei aber andre Betonung als ^ oder ^ auf
der Präposition haben^ und solche, deren Präposition nicht die zu
erwartende Quantität hat. Solche sind : pdrez Steuer (neben dem
fem. pdrezuj das normal betont ist, s.u.), man erwartet *pbrez oder
*porez (s. u.) ; otok Insel (daneben otök g. dtoka Geschwür), sl. otbk
g. otoka Insel, Geschwulst, r. otökb Insel, Wassersucht; pStpor
Stütze (neben fem. pdtpora), bI. podpbr g.podpora^ r. noAn6p%;^rd-
rok Prophet, sl. prorok g. proroka^ r. npopoici; pristup Zutritt, sl.
pristhp g.pristopaj russ. abweichend npncTyirB; /wiccÄBorg; prtstor
Art Fischnetz ; prid Draufgabe beim Tausch (dies Beispiel ist im
Grunde normal, denn ein ursprünglich gedachtes pridi kann ser-
bisch bei der Einsilbigkeit nur prid geben) ; pry'erov Graben, sl.
prerbv g. preröva Durchstich; prebjeg Flüchtling, A.preb^g g^pre-
bega Ueberlauf, Ueberläufer, r. nepe6ira das Ueberlaufen ; prebol
Genesung ; prdbor eine Art Weberei ; Prerad (Eigenname) ; pretek
Ueberfluss; räzH)r Furche, sl. räzor g. r(iz6ra\ räzmak (= *raz-
tmkb) Trennung (bei Vuk aus einem liede), sl. razmäk g. razmaJea
Abstand; räzmet Zerwerfen, aber daneben rdzmet; räspik eine
scherzhafte Bildung zu dem Kinderspielworte pik (s. Vuk) ; rästok
Antimon, sl. raztbk g. raztöka; "istok Sonnenaufgang, Osten, sl. iz-
tbk g. iztöka Ausfluss, r. hctoki; ütok (= mtokb) Mündung, sl. vtbk
g. vtöka ; süsjed Nachbar, aber daneben normal stisjed. Das sind
im ganzen, ohne die Zusammensetzungen mit u- = oy (s. u.) c. 20
Beispiele. Auffallender Weise zeigen die Compositionen mit dem
eben genannten u^ häufiger die Abweichung, dass trotz der Endbe-
tonung das u den Accent ^ trägt, also kurz ist : üböj g. üboja (aber
daneben üböj] s. S. 361); übrm Handtuch, slov. abweichend ubrüs^
r. yöpycL; ücin Gerben, That, sl. abweichend ttcin Wirkung; üdes
Unfall ; üklin (zu uklinjati se) eine Sache, mit der man yerwünscht
Untersuch, ttb. BetonnngB- u. QnantitätsyerhältnisBe in den slav. Spr. 363
werden kann; ükor Vorwurf, sl. ukdr g. uköra, r. yKÖp-B; ütnor
Ermttdang (na umoru in den letzten Ztigen) , sl. umor g. umora^ r.
yMÖpi Tödtnng; üpret unter der Asche yerdeckte Glut; üroci plur.
Beschreiung, sl. urdk g. uroka, r. ypoKH plur.; üskok Flüchtling,
sl. uskdk g. uskokttj r. ycKoicB Sprung; üsjev Aussaat, r. yc^FL;
Ü8ÖV (Dehnung durch v), g. üsova (eig. Abschiebung) Lavine, vgl.
r. ycoFB Hindemiss, Riegel; üsud Schicksal, sl. abweichend üsod;
üitup (= "^f^^f^) Vollmond, sl. abweichend üicbp; ütar (neben fem.
tUore plur.) Kimme, sl. utdr g. utora, r. yropi; ütrs (wenn hierher
gehörend) Wundreiben beim Gehen ; ütuk (neben üstuk) Gegenmittel
(wenn u nicht = w) ; ütvor (neben fem. ütvora) Gespenst, sl. uivhr
g. utvara Gebilde, r. yTBop'B Zuthat (beim Einsäuern des Teiges) ;
üvjet Vereinbarung, sl. uvet g. uveta Bedingung, r. ysirB Vermah-
nung; vgl. noch übog arm, sl. abweichend ubog, r. y66riH; ügon
Verrenkung, r. yrou'B in die Enge treiben. Das sind ebenfalls ca.
20 Fälle, denen (s. oben S. 361) nur vier mit langem u- gegenflber-
stehen: übdj\ üjam, ülozt, üpor. Das Verhältniss ist sehr auffällig,
wenn man daneben hält, dass bei den andern Präpositionen mit
ursprünglicher Länge, na, za, pri u. s. w. entweder gar keine oder
ganz vereinzelte Abweichungen von der Regel vorkommen. Ich
weiss das nicht zu erklären, wenn man nicht annehmen will, dass
im Sprachgefühl eine Vermischung des u = v^ mit seinem kurzen
Vocal und des u = oy eingetreten ist. Jedenfalls können die im
ganzen ca. 40 Beispiele abweichender Betonung und Quantität das
Gewicht der gleichartigen 280 nicht umstossen.
Die cakavischen Dialekte sind leider nicht so bearbeitet,
dass man sie in vollem Masse zur Vergleichung mit dem Serbischen
heranziehen kann, in einer gewissen Ausdehnung aber lässt sich
das Material bei Nemani6 verwerthen. Unter den ca. 1 20 Beispielen
von Präpositionalzusammensetzungen, die hier in Betracht kommen,
habe ich nur ein einziges gefunden, das bei langer Wurzelsilbe des
Nomen auf dieser den Hochton hat und behält: oblic oblica
Antlitz; dazu ist freilich noch popönpopdna pannus funebris ange-
führt, allein daneben popön popdna und man sieht, dass popöna
nur auf einer Uebertragung der Länge des Nominativs in die obli-
quen Casus beruht. Nun gibt es freilich noch einige Beispiele mit
Länge im Nomen, die haben aber einen Betonungstypus, der dem
Serbischen fehlt (ausser bei Einsilblem, z. B. srdg sldga)^ nämlich
364 A. Leskien,
Endbetonimg : razdel razdelä Scheitel, serb. rdzdio räzdjela^ daneben
aber 6ak. räzdel räzdela = serb. rdzdjela; oplen oplenä (transtmm
cnrrns], serb. dpi/en dpljena] nadrep nadrepä (particula avinm su-
pra caadam); nacin nacinä^ aber cak. daneben näcm näcina, was
genau der serbischen Betonung und Quantität nacin ndcina ent-
spricht, femer noch nacin näcinay sonst dem Serbischen gleich,
nur mit Dehnung im Nominativ, endlich ndcin ndcina. Endbetonung
kommt auch einige wenige Male bei kurzer Wurzelsilbe des Nomens
vor, ebenfalls dem Serbischen unbekannt: pokrdv pokravä, serb.
pdkrot pdkrova] otrdo otrovä, daneben dtrov dtrova^ beides von
serb. htrov btrava abweichend; postöl postolä, aber daneben po^to/
posthla wie serb. phstö pbstola] otrhk otrokä Kind. Diese Endbe-
tonungen sind, wie die Uebereinstimmung des Russischen, Serbi-
schen, Slovenischen in der Vermeidung dieser Betonungsweise
zeigt, sicher unursprünglich. Lässt man also diese Fälle bei Seite,
' so zeigt das Öakavische wie das Serbische zwei Betonungstypen :
1) Hochton auf dem nominalen Element, kurze Wurzelsilbe des
Nomens, die aber häufig im Nominativ gedehnt ist, was im Serbi-
schen ausser bei Einsilblem wie srok srdka nicht vorkommt; z. B.
uzrbk serb. üzrok^ postüp serb. pbstup, polbg serb. pbhg, pogreb
serb. pbgrebj obräz serb. bbraz\ potök potbka ^erh. pbtok pbtoka.
Hat die Präposition ursprünglich Länge, so ist sie auch im Uaka-
vischen lang: zävet serb. zdvjet, zäkbn (daneben zäkon^ aber gen.
in beiden Fällen zäkbna) serb. zdkon, süsdd serb. süsjedy räsäd serb.
rdsad, presäd serb. prijesadj näpöj näpbja serb. ndpöjndpoja, nä-
rbd serb. ndrodj näcin serb. ndcin, razdel g. räzd^la serb. rdzdio
rdzdjela^ primrdk g.pnmrdka Dämmerung. Ln Cakavischen hat zu-
weilen auch eine Präposition mit ursprünglich kurzem Vocal Deh-
nung, z.B.pötr€8 {dsLuehen pbtres, das wäre ein oerh. *p&ire8) serb.
pbtresy prösdk serb. prbsjek, doch sind das vereinzelte Fälle, in der
grossen Ueberzahl bleibt die Kürze. 2) Der Hochton liegt auf der
Präposition, z.B. pbvraz Berh. povräz, pbgled Berh. pdgled, bblak
serb. 3JföÄ, bbrtAc serb. SJröc, bgrad, dbseg^ prbpad, pbgrez u. s.w.;
die Vergleichnng mit dem Serbischen bringt aber hier kein Resultat)
weil diese cak. Dialekte jede Silbe nach dem Hochton verkürzen. Man
kann nun für das Öakavische noch einen dritten Typus aufteilen :
Betonung der Präposition bei langem Vocal, man sieht aber sofort >
dass hier eine nnursprüngliche Verschiebung vorliegt, denn alle Bei-
Untersuch, üb. Betonnngs- u. QuantitStsverhältniBse in den slav. Spr. 365
spiele haben die normalen Nebenformen: riäbar Falte und näbör
nabhra^ serb. ncihor\ näcin und näcin, serb. ndctn; ndrod und nö-
r6rf, serb. ndrod; parod und porhd^ serb. pbrod] patres und potr^s
(und phtres)^ serb. pbtres ; pribor Auswahl und prebar oder prebbr
g.prebbra; pristreh Halbdaeh und^^m^M; zdklon windgeschtitz-
ter Ort und zäkldn zäklbna, seih. zdklon; zdtor Verderben und zätar
zätbra; das einzige rdzum (serb. rUzüm) scheint keine Nebenform
zu haben. Man sieht daraus , dass in diesen Dialekten allerlei
Schwankungen vorkommen, die nur eine genauere FeststeUnng der
Localdialekte ordnen kann; ich gehe auch deshalb nicht weiter
darauf ein, es lag mir nur daran, die für das Serbische bemerkens-
werthen Erscheinungen hervorzuheben.
Fragen wir zunächst, was die Vergleichung mit dem Bussischen
und Slovenischen ergibt. Das Bussische hat zwei Betonungs-
typen: 1) in den meisten, tausenden von Fällen liegt der Hochton
auf der WurzelsUbe des nominalen Elementes, also im heutigen
Bussisch nach dem Verlust des auslautenden ^ auf der letzten Silbe
des Nominativ sg., und bleibt auf derselben Silbe unveränderlich
in allen Formen, z. B. BocTÖpra, sajtHB'B, HczdAnb, nepexöA^, cob^tb,
cocTäB^, cycTäB'B, cynpypB u. s. w. 2) In einer verhältnissmässig
kleinen Zahl dieser Zusammensetzungen liegt der Hochton auf der
Präposition. In den Zusammenstellungen russischer Grammatiker
ttber den Accent findet man sie verzeichnet, so z. B. bei JeFsin (Hpa-
Biua y^apenifl vh pyccKoifB flauici, Warschau 1890). Es stehen dort
106 Beispiele, davon 17 mit ursprünglich kurzer Wurzelsilbe des
Nomen. Beide Betonungstypen hat, wie wir sahen, auch das Ser-
bische, und sie sind zweifellos beide alt. Man kann dafür direkt
solche Beispiele heranziehen, wo im Serbischen wie im Bussischen
der Hochton auf der Präposition ruht : ndsAyxi vUzdüh (bei Vuk
Wb. als in Cattaro gebräuchlich, kaum echt serbisch), BöspacTi
(ksl. Form, russisch wäre BspocTL, so kleinr.) üzräst^ aösub'b do-
ztv Ak. Wb., sins^A^ zSpädj npöMucexx promlscto, npHTHCicB prtiisak
(g. "üska), 66xBKh Mlik, ö6jyirB dblük (und bbluk)j ötfpy^TL dbrüCj
nöTHTB pSteffy Tjfisjwh räzüm, cyMpaiCB (ksl. Form, r. cyMopoKi)
sümrak, öncyirB dtküpy nöacrhpSjäSj irp&eTssrb pristäv, ö6oa% ^dbod.
In andern Fällen, wo das Bussische den Hochton auf die Präposition
legt, hat das Serbische den alten Hochton auf dem Nomen, z. B.
HiLcTyiTB ndstup, npöciKB prbsjek^ ö6pa3% bbrazy 3änoH% zdpon^ nö-
366 A. Leskien,
rpe6'L phgreb ; doch hat es keine Bedeatnng^ diese Abweichungen
aufzuzählen, da man eine Regel daraus nicht entnehmen kann.
Wichtig dagegen ist, dass sich aus dem Bussischen da, wo Polno-
glasie Zweisilbigkeit der Wurzelsilbe bewirkt hat, die Qualität
des Tones bestimmen lässt. In allen Fällen, wo das Nomen den
Hochton trägt, hat es steigenden Ton, gleichartige nicht componirte
Worte mögen so oder so betont sein, also: H3B0jiöin, otbojöicb,
nepeBOJÖKB, nOBOJrÖICB, vgl. BÖJKOKI; SaBOpÖT'B, HSBOpÖT'B, OÖOpÖT'B,
nepeBopöTx, ygl. BÖpoT'B; passopöx'B, vgl. Böpoxi; oropö/i^L, OTro-
pöA%, ygl. röpoAi; okojeöt'b; nepeMozöTB, saMOJtöT'B, npHMOJÖTi,
yMOJtöTB, ygl. möjiotb; npimojöHi, pacnojöu'B, wie uojöh'b; nepeno-
jiöx'B, ynojiöx%, wie nojLöx'B; ucTepÄÖ'B, oTepfiÖTb, wie TepiÖx; yro-
jiöKB, ygl. TÖJOKi, TojöKa; yxopöH^. Es ist dabei gleichgiltig, ob
die Präposition unsilbig ist (b-, bs-, c-): BropöAi^, bsbojiöki, bcuo-
jöciTB, cBopöT'B, cnojöxH pl. ; als abweichend sind mir nur aufgefallen
cBÖJioirB, cHöpoB'B. Dicsc letzten Beispiele zeigen jedenfalls, dass
üallender Ton in der Composition möglich war, und wir werden
später sehen, dass sie parallel zu stellen sind mit Fällen wie ö6e-
perB, npHBepeA^, HdBOJOicB, HäMOj[OT%, HäHopos'B, öcTepePBU.a.d.A.,
d. h. solchen, wo das Nomen Polnoglasie hat, die Präposition be-
tont ist.
Das Sloyenische hat mehrere Betonungstypen : 1) der Hoch-
ton liegt auf dem nominalen Bestandtheil, also im Nom. sg. auf der
heutigen Endsilbe, diese ist kurz ; er yerbleibt in der Flexion auf
derselben Silbe, diese wird aber, da sie nicht mehr Endsilbe ist,
gedehnt, die Betonung ist in diesem Falle steigend (^]; es ist dabei
gleichgiltig, ob der Wurzelyocal des Nomen zu den ursprünglich
langen oder den ursprünglich kurzen Vocalen gehört. Die Mehr-
zahl der sloyenischen Composita fällt in diese Abtheilung. Einige
Beispiele mögen zur Veranschaulichung genügen: odnia odnesa
Dachyorsprung ; spiet spUta Geschlecht; izbbr izbdra Auswahl ;
prihhd prihoda Ankunft ; nateg natega Spannung ; dosthp dostopa
Zutritt; izs^k izseka Ausschnitt; napäd napdda Anfall; prevrätpre^
vrdta Umkehr ; dopts dopisa Zuschrift , spis spisa Schrift ; tuigib
nagibaBngj zgib zgibadaAB.] naküp naAt^pa Anhäufung, skup sküpa
Inbegriff; otrp otrpa Starre ; zavH zavrta Umdrehung.
2) Der Hochton liegt auf dem nominalen Bestandtheil im Nom.
sg. und in allen andern Formen , die Wurzelsilbe des Nomen ist
Unteiflnch. üb. Betonungs- u. Qiuuititätsyerhältnisse in den slav. Spr. 367
lang nnd hat fallenden Ton. Die Zahl der Fälle ist weit geringer
als die unter 1); bemerkenswerth ist dabei besonders, dass mit
wenig Ausnahmen nur solche Vocale in der Wurzelsilbe des No-
men Yorkommen, die den ursprünglichen Längen a, t, y, u, e, ^, q
entsprechen. Auch hier gebe ich von jedem Yocal einige Beispiele :
a: ts^j? Auströpfeln, t^rv^SA; Ausziehen, oblak Wolke^ izvräff Am-
werfen, abrät Umkehrung, pomräk Halbdunkel; popäs Abwieiden,
poiär Brand, podär Geschenk, s-pär Dunst, udar Schlag, zakväs
Sauerteig. — t = i: doliv Nachguss, 08f>it Morgendämmerung, po-
min Erinnerung, preblUk lichte Stelle am Himmel (eig. Durchglanz),
8-tUk Gedränge. — t = y: izdih Aushauch , vzdih Seufzer, nagrtz
Anbiss, nazlv Benennung, pogib Seitenwendung, pomik Ruck, z-vik
Gewohnheit. — u : dopüst Erlaubniss, izküs Versuch, naküp An-
kauf, odlüp Abschälen, ostüd Scheusal, poslüh Anhörung, r azurn
Verstand, ubrus Handtuch. — e = ^\ oprez Umsicht, odmek Er-
weichung. — 0 = q: no^moef Ansengung, oi/oA; Beweinen, oblok
Bogen, priroc Handhabe, razloc Unterschied, ^oz Losdrücken. —
e s= i: izbeg Ausweg, oblek Kleid, poameh Gespött, pHmes Bei-
mischung. — Silben mit urspr. %r hr^ ^l ü + Consonant : %zf>fg kuB-
wurt, podvfi untergeschobenes Kind, ob- po^pre^ zormik (zu mhk-
nqti verstummen), sodoig Mitschuld, zgoic Besprechung. Ganz
selten sind Fälle dieser Art bei ursprünglichem e, im Wörterbuch
findet man ein und das andere Beispiel wie izßm Ausnahme, etwa
ein Dutzend enthalten altes o, z. B. obod Ring, povdj Binde, zvod
Hebel.
3) Der Hochton liegtauf der Präposition, diese muss dann dem
allgemeinen Dehnungsgesetze gemäss langen Vocal zeigen, der
Ton ist auf ihr steigend. Fast regelmässig ist diese Betonung , wo
die Wurzelsilbe schwachen, später ausgefallenen Vocal hatte, z.B.
zd8^p zäspa Wall, zdJ^m zdjma Anleihe, ponl pöala Bote, ndtbnj
nähga Ernteertrag, nähv ndsva Aufnäht; seltener hat bei dieser
Gestalt des Nomen dessen Wurzelsilbe den Hochton im Nom. sg. bei
Endbetonung in den andern Casus, z. B. oüg ozgä Senge, o- pre-
prirÜv g. "ivä. Beispiele dieser Betonung bei vollem Vocal der
Wurzelsilbe des Nomen führt Valjavec Rad 47, S. 19, an, z. B.
ndsadj prelaz^ zdkon^ ndrod, prihod u. a., aber mit dem Zusätze,
dass in der Flexion der Hochton vrieder auf das Nomen übergeht,
also gen. nasdda^ zakana u. s. w. Die weitere Untersuchung dieser
368 A. Leskien,
Eigenthttmlichkeit unterlasse ich hier , da es mir nur darauf an-
kommt, die Verhältnisse im ganzen und grossen darzulegen, und
dabei ergibt sich, dass die Kategorie 3, mit ihrer geringen Anzahl
von z. Th. auch schwankenden Beispielen ausser Betracht gelassen
werden kann.
Stellt man Russisch, Serbisch, Slovenisch zusammen, so er-
gibt sich:
1) Die Mehrzahl der masculinen Gomposita hat den Hochton
auf der Wurzelsilbe des Nomen, und zwar ergeben alle drei Spra-
chen, dass er steigend war, das Eussische aus der Betonung der
Polnoglasie auf der zweiten Silbe, das Serbische aus der Verkür-
zung ursprünglich langer Silben, das Slo venische unmittelbar aus
seinem steigenden Ton auf der gedehnten Silbe.
2) Eine geringere Anzahl hat im Russischen wie im Serbischen
den Hochton auf der Präposition. Das Serbische hat in diesem
Falle langen Vocal des Nomen, den Vocal einst langsilbiger Prä-
positionen stets kurz. Die entsprechenden Beispiele haben im Slo-
venischen den Hochton und zwar als fallenden Ton auf dem Nomen.
Lassen wir das Slovenische wegen eines besondem, unten zu be-
sprechenden Umstandes zunächst bei Seite und fragen nach der
Ursache des doppelten Betonungstypus im Russischen und Serbi-
schen, so ergibt sich die Antwort aus der Betrachtung der t-Stämme.
Wenn es richtig ist; dass diese die Betonung auf der Präposition
dem ursprünglich fallenden Ton des Nomen verdanken, anders
ausgedrückt , dass der Hochton um eine Silbe zurückgezogen ist,
wenn das Nomen fallend betont war, so liegt der Schluss auf der
Hand , dass bei den Masculina , die den gleichen Betonungstypus
zeigen, die Ursache ebenfalls in dem einst fallenden Ton des No-
men zu suchen ist. Bei den t-Stämmen gab es nur einen Typus,
weil auch alle nicht componirten Worte fallenden Ton haben , bei
den Masculina zwei, weil diese, auch wenn nicht componirt; sowohl
fallenden wie steigenden Ton haben können, vgl. r. Mopös'B s.mräzj
r. röpoA'B s. ffräd. Ob im Serbischen der Ton der Präposition {^)
als fallend oder steigend anzusetzen sei, lasse ich vorläufig uner-
örtert; um bei Betrachtung andrer Wortverbindungen mit Präpositio-
nen darauf zurückzukommen. Das Russische, so weit man aus
den wenigen Beispielen mit nepe-, die den Hochton auf der Prä-
position tragen, schliessen darf, zieht möglichst weit zurück, d. h.
Untersuch, üb. Betonongs- u. QuantitStsyerhältnisse in den eUv. Spr. 369
die Präposition erhält (wie bei den «-Stämmen) fallenden Ton:
n6perap'B (neben neperäp'i), n^peKpecT'L^ n6penji[ecKi, n^penycin,
n^pe^epiTB. Wie ist nnn die slovenische Betonang zu beurtheilen?
Valjavec (Rad 132, S. 200] lässt übereinstimmend mit seinen übri-
gen Ansetzungen ohlak^ obUk^ obldk, pozar u. s. w. durch Um-
springen des Tones aus obläk^ dbUk^ obtök (serb. Mlük\ pdzär ent-
stehen. Nothwendig ist an sich dieser Hergang nicht, denn ein als
alt angesetztes obläk oblok könnte auch so yerblieben sein. Die
Ansicht von Valjavec ist aber begründet, weil es heisst pod oblak.
Die Betonung dieser Verbindung kann auf zweierlei Weise erklärt
werden : man kann ausgehen von einer Betonungsweise wie der des
serb. pod obläk\ wenn dabei pM als fallend betont angesehen wird,
muss sloy. pod oblak entstehen ; man kann aber auch annehmen,
dass pod oblak eine aus älterer Zeit so liegende Betonung be-
wahrt hat, dann ist einst auch ausserhalb casueller Verbindung
mit der Präposition das Wort so betont gewesen, und zwar auf dem
präp^itionalen Bestandtheil fallend, was wieder mit dem Russi-
schen und dem Verfahren des Slovenischen bei den i-Stämmen
stimmt Demnach ergibt sich auch für das Slovenische , was die
Lage des Hochtons betrifft, der gleiche Betonungstypus wie in den
andern Sprachen, und der Grund muss auch derselbe sein.
Fasst man aus den beiden behandelten Abtheilungen die Prä-
positionalcomposita zusammen, so stellt sich heraus, dass bei den
»-Stämmen wie bei den Masculina alle drei Sprachen ursprünglich
ein gleiches Betonungsprincip hatten: der Hochton ruht auf
dem Nomen, wenn dieses steigend betont war, er geht
auf die Präposition über, wenn das Nomen fallend be-
tont war, was bei den t-Stämmen immer der Fall ist
Fasst man die Gomposita aus Nomen und Nomen zusammen,
so haben Serbisch und Russisch bei den «-Stämmen das gleiche
Betonungsprincip wie bei denPräpositionaloomposita: der Hochton
liegt auf dem ersten Gliede und zwar auf dessen erster Silbe. Das
Slovenische lässt wegen der geringen Zahl seiner Beispiele keine
Entscheidung zu. Bei den masc. o-Stämmen hat das Serbische die-
selben beiden Typen wie bei den Präpositionalzusammensetzungen :
Typus I (s. 0. S. 344), Hochton auf dem zweiten Glied, wenn dies
an sich steigende Betonung hat; Typus H, Hochton auf dem ersten
Glied (und zwar aof dessen erster Silbe), wenn das zweite Glied an
ATChiT fftr sUTiseh« Philologi«. XXI. 24
370 ^' LeskieD,
sich fallenden Ton hat (s. o. S. 346] . Das Russische kennt den Typus II
nicht, im Slovenischen ist er nicht mit Sicherheit nachweisbar^ aber
wahrscheinlich vorhanden gewesen und in einzelnen Beispielen erhal-
ten. Denkt man nun an die völlig gleiche Behandlung der «-Stämme
im Serbischen und Eussischen, und daran, dass im Bussischen die
Präpositionalcomposita unter den masc. o-Stämmen die zwei Typen
wie im Serbischen zeigen, so darf man den Schluss ziehen, dass
auch bei den Compositis aus Nomen und Nomen ursprünglich beide
Typen im Bussischen bestanden, der Typus 11 aber in die Analogie
von I übergetreten ist. Es ist möglich, dass die kleinrussische,
sehr schwankende Betonung dieser Art von Compositis, z. B. bilo-
grüd bilogrüd (mit zwei Accenten) hilogrud (s. Werchratskij, Archiv
3. 399 ; Hanusz ib. 7. 254) auf einem noch nicht ganz ausgegliche-
nen Durcheinanderwerfen der beiden Typen beruht.
3. Die femininalen a-^Stämme,
A. Zusammensetzungen aus Nomen und NomeiK
Die Zahl der Beispiele steht sehr zurück gegen die Masculina.
Verstanden sind unter o^tämmen alle Worte dieser femininalen
Form, auch wenn sie männliche Personen bezeichnen.
Für das Serbische ergeben sich folgende Verhältnisse. Zu-
nächst erscheint es als selbstverständlich, dass die Feminina der
unter 2. behandelten Adjektiva sich in Quantität und Betonung
verhalten wie die Masculina ; und im Allgemeinen trifft das auch zu,
ganz regelmässig da, wo das Masculinum zum Typus I (S. 344) gehört,
z. B. msc. golbglav fem. golhglava. Ich lasse diese Fälle also hier
unberücksichtigt, ebenso eine Anzahl, die zufällig nur als substan-
tivirte Feminina vorkommen, z. B. sthnoga scolopender, bjelbnoga
weissfüssige Frau. Nicht so einfach steht es bei dem Typus II (S. 346),
hfilobfk. Hier würde nach den heutigen Verhältnissen nichts im
Wege stehen, dass ein Femininum die Länge des zweiten Gliedes
bewahrte. Nun befinden sich darunter sehr wenig Adjektiva und
die Femininalformen kann man um so weniger zu sichern Schlüssen
verwerthen, weil immer eine Einwirkung der Betonung des Masc.
vorliegen kann. Sieht man aber neben einem als Substantiv gel-
tenden bjllogüz ein ebenfalls substantivirtes Femininum bfiloguza
(Vogelart), kann man die Frage aufwerfen, ob nicht überhaupt die
Untersnob. üb. Betonnngs- n. QuantitStaverbSltniBse in den slay. Spr. 371
Feminina Kürze im zweiten Gliede erfordern. Thatsächlich sind
die sabstantivischen Beispiele mit langer Silbe des zweiten Ele-
ments ganz yerschwindend an Zahl: trdlijeska (eig. Dreinuss, ein
willkürlich gebildetes Räthselwort) : lijiska ; gJ&hoprdja^ Kirtoprdja ;
mrkogtedja finster Blickender, s^mogledja einer, der finster vor sich
hinsieht; tUnkoprelja Feinspinnerin: prelja. Alle andern Bei-
spiele haben im zweiten Gliede karzen Vocal; die Be-
tonnngstypen sind folgende :
1) Alter Hochton auf dem zweiten Gliede, also jetzt
Accent ^ aaf dem Ende des ersten, dem Compositionsvocal , und
zwara) bei ursprünglich langer Wurzelsilbe des zweiten
Gliedes: bjelhsljiva eine Pflaumenart: ilfiva^ drvhdjelja Zimmer-
mann : df^loj djUljati, galhbela (wenn = galhbjela schmutzig weiss,
eig. Femin. zu einem Adjektiv galhbjel) Widdemame : Vio fem. M-
j^lüy ^oföf^ra Windbeutel : ^igra, kalbgaza eig. Eothtreter (ein Spott-
wort) : zu g&ziti, kozbpasa Ziegenhirt : p^ü pdsem weiden, p&ia
Weide, volbpasa Ochsenweide : päsa ; kravbsica (eig. Euhsauger?;
daneben kräosica, das wohl einer Aussprache krodca oder einem
diphthongischen Laute des ao entspricht, daher die anomale Beto-
nung) eine Schlangenart, Xrv^/ya Blutvergiesser : Uti rijem\ krvb-
pija Blutsauger, vinbpija Weinsänfer, vodbpija eine Pflanzenart :
pitipyem -; krivbSija Erummhalsiger : ^ t/a, milbbruka Spassmacher :
brükcy morbkvaia Achsendeckel am Wagen, nakbjedja (eig. Nagel-
esser) »Nagel Wurzel« :y8Ä^«^"8rfem,y8rf;a Speise; petbprsta (eig.
Fünffinger, fem. zu einem msc. petbprst) Pflanzenname : prst, sre-
dbkraca Mittelpunkt, sredbrusa vierter Mittwoch nach Ostern: zu
r^a [riisa gldva) , stbklasa (eig. fem. zu msc. stbklas) Pflanzenname :
kläs^ stbkuda Klatschweib (eig. die in hundert Häusern herumträgt):
ktidoj Stetocinja Schadenstifter : ctm7t, vodbjaza Wassergraben ijäia^
dies wohl aus/Sia entstanden, zlbpata Elend«: zu zlbpatiti und erst
aus dieser Zusammenrückung gebildet, zlbsreöa Unglückskind :
srida^ iirbpadja Eüchelfall : pUsti pMem. Dazu die Eigennamen
Ljubbvidja^ Dragbrnira, vgl. msc. Drägomlr,
b) Mit ursprünglicher Kürze des zweiten Gliedes:
bogbmolja Bethaus : mhliti mdllm se\ bremenoia Lastträger, cabrb-
noia Zuberträger, glasonoia Bote, govnbnosa Düngerträger, habrb-
noSa Nachrichtenbringer, knjigbnoia Briefträger, krstbnose pl. ein
Fest, ruckbnoia Essenbringerin, torbbnoia Sackträger : nbsiti n&slm ;
24*
372 A. LeskieD,
celdvodja Anführer, krtdvodja Jagdhnndfllhrer (Spottwort), iljepd-
vodja Blindenführer y tancdvod/a Tanzfiihrer (Vortänzer), vojskd^
vodja Heerführer : fdcb'^i f>odlm\ glavdbolja Kopfschmerz, ffuzd-
bolja^ kostdbolja Gicht; nogöbolja Fassgicht, srddbolja Ruhr, trbö-
io{/a Baachweh : bdlj'eti schmerzen, bol Schmeri; jedoffonja (vjedö-
gonja) Art Gespenst, tordgonja (eig. zur Hürde, tör. Treibender)
Lärmglocke, vjetrögonja Windbeutel : goniti gomm\ konjömora
(eig. Pferdetöter) heftiger ßitt, Ijudömora Leuteschinder : möriti\
krajdbera (fem. zu krajdber) Schnitterin, die am Bande mäht : bräti
bh'em] loncdpera Topfwäscherin, suddpera Waschlappen : prätt
pdrem ; mladdzenja Bräutigam : zeniti zinlm^ zena ; sjenökosa Wiese :
kbsiti Kd8%in\ sthkoza eine Baumart : zu Icoza Fell?; trbmedja Ort,
wo sich drei Grenzen treffen : medja ; zlbvoi;a (scherzhaft gebil-
deter Mannesname) : vdlj'a, vbljeti vdlim. Die Anzahl ist im Grunde
sehr klein; wenn man die 10 mit -no6a, 5 mit -vodja^ 5 mit -bolfa^
3 mit -gonja^ 2 mit -mora^ 2 mit -pera zusammengesetzten Beispiele
als je eins rechnet, bleiben nur einige vereinzelte übrig. Dennoch
repräsentiren die Fälle anter 1 den Haupttypus, alles anders Be-
tonte ist noch weit spärlicher.
2) Alter Hochton [^) auf der ersten Silbe des ersten
Gliedes: cS^oooe^/'a Anführer einer cS^a, AJ>/ot7oe^'a Anführer eines
Kdlo\ gegenüber dem celdvodja a. s. w. (s. o.) kann man wohl
annehmen, dass die Betonung durch die des selbständigen cita kolo
veranlasst ist; drägoresa ein Ziegenname : resa u. a. Wamme, kär-
saronja (Compositum?) trapa natans, d'ivokoza (Wildziege) Gemse :
közOj krätoHj'a Kurzhals, eine Art Bebe (vgl. oben krivditja) : itja,
Ißpoieta ein Ziegenname : ietati sctäm wandeln, rdaroga (Schimpf-
wort) : rog rdguy üholaza Ohrwurm : läziti, voj'evoda Heerführer :
vödiii v&dlm,
3) Aelterer Hochton lag auf dem Ende des ersten
Gliedes (dem Gompositionsvocal) , also jetzt der Accent ^ auf der
ersten Silbe. Ausser den beiden Pflanzennamen güsomacoj zütokara
sind mir nur aufgefallen die mit gleichem zweiten Element gebildeten
Eigennamen: Dikosava^ Ljübosava (msc. Ljübosav), Mirosava (vgl.
msc. Mirösav und M^irosav)^ Skörosava (msc. Skbrosav)^ Tänkosava^
Vidosava^ Vükosava.
Wenn man nach dem oben unter 1 a behandelten Typus kom-
binirt, so wird man zu dem Schlüsse kommen, dass das zweite
Untersach. ttb. Betonnngs- n. QuantitätsyerhältniBse in den slav. Spr. 373
Glied mit seiner VerkOrzniig alter Längen steigend betont war.
Zunächst wird zn fragen sein, wie weit die andern Sprachen das
bestätigen. Das Slovenische hat fast durchweg steigenden Ton
anf dem zweiten Element : cistomolja Rosenkranz, crmnooka Plötze,
glasonoia (ans dem Kroatischen) Bote, listonoia (ebenso) Briefträger,
glatoholja Kopfschmerz, grloholja Halsweh, zohoholja Zahnweh,
knßgovodja Bnchftthrer, kolovodja Reigenftthrer, vojskovodja Heer-
fUhrer, kolomSra (Rnndmass) Schneidermass, koloUca Badspnr,
A;o/ot?r^a Wagnerstahl, kozotnoiza Ziegenmelker, krvoltjaBlutBtUTZ,
^rro^^ ^rvo^^a Blnthamen, lepodüha (Pflanzenname), konjoreja
Pferdezucht, fo«or^a Waldbau, riJor^a Fischzucht, «arf;*er^a Obst-
bau, vinoreja Weinbaa, mesojeja Fleischessen, samojija Ranunkel,
mimohqjayotQibet^^heji^ m/a(/oi^;2;a Bräutigam , mlekoseda Lsi)'
kraut, redoseja Art Sieb, samohoja im Schnee getretener Weg, sch
movldda Alleinherrschaft, samovoJja Eigenwille, senoköia Berg-
wiese, senoseca Heumahd. Ich kann auch hier, wie sonst im Slo-
yenischen, nicht bestimmen, wie viel davon volksthümlich ist;
jedenfalls beweisen diese Beispiele, dass den Verfassern des Wörter-
buchs dieser Typus als der normale gilt, denn die Zahl der Bei-
spiele mit fallender Betonung auf dem zweiten Element ist ganz
gering : crevobolja Bauchgrimmen (vgl. aber oben glavobolja u. s. w.),
hmstoreja Eichenzucht (aber oben lesoreja u. s. w.) , ghisovodja
Stimmführer [aber oben kolovodja u. a.), goloplüta ein Fischname,
kozopäia Ziegenhirt, pizdoglaja (Valj.), samopäia Zttgellosigkeit,
samoroga Thiername, svetokräja Kirchendiebstahl.
Das Russische endlich, in dem diese Composita auch wenig
vertreten sind, hat, so weit ich constatiren kann, durchaus den
Hochton auf der Wurzelsilbe des zweiten Gliedes, vgl. 6%jiom6H
Weisshalsiger, Bo^^oBdxAa (kirchensl. Form) Wasserrohr, Bo;(OT6qa
Wasserstrom, B0Ä0^6pna Schöpfgef&ss, BoeBÖ^a Heerführer, ryöo-
A@pra den Mund Verziehender, ApoBoc^Ka jE^coeina Holzschlag, Ay-
merp6fl Seelenwärmer (Kleidungsstück), 3y6opixa Zahnen des Kin-
des, KosKOM^Ka Gerber, npocTOKBäma saure Milch, nycTOM^jiA
Schwätzer, cKopoT6qa Eilbote, cjraHOT^qa Speichelfluss, cyxoixa
trocknes Essen, cuToixa Sattessen u. s. w.
Das Material aus dieser ganzen Abtheilung ist nicht reich
genug, um darauf allein eine Ansicht zu gründen, es müssen die
Composita mit Präpositionen herangezogen werden.
S74 A. LeskioD,
B. Zasammensetzangen auB Präposition und Nomen.
AuBnahmslos gilt bei jeder Art von Betonung, dass die Wurzelsilbe
des nominalen Bestandtheils kurz sein muss.
1. Die Präposition bat den Accent "", d. h. alten
Hochton.
a) Präpositionen mit ursprünglich kurzem Vocal.
do- : ddplata Zugabe beim Kauf, r. Aonj&Ta Nachzahlung, Zu-
schuss ; ddsada Belästigung, Ueberdruss, r. Aoc^a ; ddtuga Eile.
0-, ob: dbala Ufer, sl. obäla; Mara gebrtihtes Gemüse, sl.
obära Abkochung, Eingekochtes; oblaka Kleidung, r. o6oji6Ka
(Dahl) das Umziehen; obrana Schutz, r. oöopoHa; dbrva Braue, sL
obrva ; oglava Schuh aus der Kopfhaut des Thieres ; offoja Pflege ;
^ffradüf ogradja Einfriedigung, Zaun, sl. ogräda^ ogräja^ r. nom.
act. oropÖAa (vgl. msc. oropDAnb); oklada, opklada Wette, sl. oJdada
Umlage, obkläda u. a. Foumier; dkruga Art Kopfputz, r. oKpyra
Umkreis, Bezirk ; ^kyka Windung ; omara Schwüle ; omjera Mass,
sl. ovnera Verhältniss; omraza Entzweiung, sl. omräza Hass; opala
Verbranntes; ^dpara (Ausdruck in einem Spiele, s. Vuk u. krmaca)^
sl. opära u. a. Abbrühwasser, r. onäpa u. a. Bähfutter; opeka ge-
brannter Ziegel, sl. opeka\ oplaza ein beim Pflügen vom Pflug über-
sprungenes Stück; oplata u. a. Thürverkleidung, sl. oplata u. a.
Pflugschiene; ^dpna (= ophna) Häutchen, sl. öpna\ oprava Zurich-
tung, sl. oprava j r. onpdBa Einfassung u. a.; oprha Schneeanflug;
opsjena Blendwerk, sl. obsena Beschattung, Blendung, Blendwerk ;
optrka einer, der hin- und herläuft; osveta Bache, sl. 08veta\ osjeka
Ebbe, sl. 08eka\ osoka Saft, r. ocÖKa u. a. Jauche; ostava Deposi-
tum, sl. ostäva] dive pl. (= ohva) Theil des weiblichen Hemdes,
sl. oha; omce pl. (= otmca) hat sekundäre Dehnung vor der Laut-
folge m + Gonsonant.
od-: Maja Abgabe, sl. odäja\ odgoja Pflege, sl. odgoja Er-
ziehung; odlika Wehrgeld, sl. odllka Abfertigung in Geld; Mluka
Entschluss, sl. odloka^ r. oTjyKa Trennung; Mmj'ena Ersatz, sl. od-
mena, r. oTHina u. a. Abänderung; odvala Rückfall; odsuda Ur-
theil; dduka Entwöhnung, sl. odüka\ odvoda Ast; otoka Seitenarm
eines Flusses.
po-: pMjeda Sieg, r. noÖ^Aa; poboja (in einem Weihnaohts-
liede bei Vuk, mir unklar, vielleicht nicht hierhergehörig, Vuk gibt
keine Bedeutung an) ; pobuna Aufruhr ; podjela (eig. VertheiluDg)
Untersuch, üb. Betonungs- u. Qaantitätsverhältnisse in den slav. Spr. 375
Almosen ; jfdgona das mittlere Paar von einem Sechsgespann Ochsen ;
pogrda Schimpf, sl. pogrda ; pohara^ poara Verheerung {^on Vuk
zn pd/Mratij ansplttndem, gezogen ; ist piäara die bessere Schrei-
bung, so wäre es mit orttij zerstören, zu verbinden); pdhvala Lob,
ß\.pohväla, klr, pochväta (r. noxBajiä mit Anschluss an xnaii);
pdhlepa Begierde, Bl.pohlepa] pohode pl. Besuch der Verwandten
bei den Neuvermählten; pMrana Verwahrung, r. nöxoponu Ote-
bräuche beim Begräbniss, Begräbniss; pdjata (fremd?) Stall, sl.
pojata] pdkora Busse, sl.pokora, r. noKopa Vorwurf, Schande; po-
laia (eig. Nachlttge) Nachlügner, bei Vuk in einem Verse dem
ebendort vorkommenden läia (Lügner) nachgebildet; pdmama Wut,
%\.pofnama Betäubung; pomije plur. Spülicht (zu myii)^ A.pomije;
ponude pl. Angebotenes, %\. ponüda Angebot, r. non^Aa (Dahl);
popara aufgesottenes altes Brod, ^Vpopära\ poplata Einsammlung
von erbetenem Gelde; poprava Ausbesserung, %\. poprava^ r. no-
npäBa (Dahl) ; poreza Steuer, sl. poreza; poruga Hohn, sl. poroga^
r. nopyra (Dahl) ; poruka Bestellung, sl. poroka u. a. Bürgschaft,
r. nopyKa; poaije plur. (zu iijati sieben) Kleie; p^sjeka Nieder-
hauen, %\.po8eka Holzschlag, r.nociKa (Dahl); pdsluga Bedienung,
r. nocjyra Dienstleistung; p&stava Eleiderfutter, Art Gefäss, sl.
postäva Körperbau, r. nocTäsa u. a. Gestell ; p^suda Borg (vgl. po-
süditi borgen), H\.po8oda; poita [=^pocbta) Ehrerbietung; poiaja
Verborgenheit, sl. ^o/a;a Geheimhaltung; potega (= m^. p^dteg),
A.poiega Anziehen ; pofjera Verfolgung ; potka (=spothka) Einschlag
beim Weben ; potra {=potbra oder -r;'a) Getreideschaden durch Vieh ;
p^otraga Verfolgung; pdtreba Bedürfniss, A. potreha^ r. noTp66a;
^S^9n2a Bestätigung ;^S^9ora Verläumdung;/>S«afaAnsturm;/>S0bAa
(neben ^äv/a^a) Sahne, uLpovläka Ueberzug, r. nosojiÖKa; pdvlata
oberste Lage des Schobers ; pl&vrte plur. Theil des Joches ; pozlaia
Vergoldung, sl. pozläta, r. noacjÖTa; pdzala Beschwerde; P&zega
(Ortsname), r. noKÖra Rodeland; pdiuda Begierde.
pod-: piddloga Unterlage, sl. podloga, r. no^jöra; pddmita Be-
stechung, A.podmita] pddsada untergelegtes Brutei, r. noxc&Aa u.a.
Hinterhalt ; podvala Untergeschobenes ; pddveza Strumpfband, sl.
podveza; pddvore pl. Stangen, auf denen Heuhaufen getragen wer-
den, sl. podvora Pflugschleife ; pdtkita Fransen ; potkrpa (Untere
flick) Einsatz der hidben Sohle am Schuh u. a., sl. podkrpa Ein-
flickung, Einschiebung ; potpala Holz zum Unterheizen, Bl,podpala'y
376 A. Leskien,
pMplata Unterfutter, r. noAiuiTu pl. Halbsohlen; pdtpora Stütze,
b1. podpora, r. no^nöpa.
pro-: prodaja Verkauf, sl. prodäja\ prdkaza Wassersucht, r.
npoKdda Aussatz ; prokola abgespaltenes Stück ; prdvnaha Zugluft ;
prdnyena Tausch, r. npoMina; prdsj'eka Thal, r. npoc^Ka Durchhan;
j9rS«/at?a Verherrlichung; protuha Schwärmer, Abenteurer; provara
(beim Kochen?) gerinnende Milch.
«-=«%-: skl&ta Dummkopf, slika Zusammenpassendes, sldga
Eintracht, «i7i;'S«a Gemengsei, snäita Schnee wetter, ?q9ära (s.Vuk),
apl&ka Pfütze, sp^a Schlinge, spr&va Machwerk, spriga Zusammen-
spannen, sprhna Vorrathskammer, apreia Eile, stega Gordon, s(eza
Fingerkraut, stöka Heerdenreichthum, svMja Zank, sviza Band,
sfirha Ende, zdßla hölzerne Schüssel, zdüha (= jedogonja], zgoda
Gelegenheit, zgrMa Gebäude. Dazu mit sa-: sMrana (bei Vuk als
montenegrinisch) Schutz.
ur = v^^': Maja [djevojka na udaju mannbares Mädchen; eig.
Hingabe), sl. vdaja\ üklada (Einlage) Wette, sl. vkläda Einlage;
^meta (wenn nicht u = oy) Ofenwisch.
uz^ =■ v^Z''\ ttsprema Ordnung, üstra {= *fyb8tbra oder -rja)
Scheermesser, ^huna Aufstand, ^rese pl. Art Kopfputz.
b) Präpositionen mit ursprünglich langem Vocal.
na-: näknada Ersatz, sl. naknäda\ nämama (und ndmama)
Lockspeise; h&plata (und niplata) Beitreibung von Geld; n&slada
Ergötzlichkeit deliciae, sl. naslada Süssigkeit, Vergnügen, r. in
andrer Bedeutung pLnaccjÖAu faulender Sumpf; »ä^^^a Heber, sl.
natega, r. uaTjira u. a. Spannriemen ; nätra {^natwa oder -^ja) u. a.
Webstuhl ; n&traga Anwuchs ; nävala (und ndtaloy auch msc. ndtoal^
Andrang, Zulauf, sl. naväla\ n&vlaka (und nävlaka) Ueberzug, sl.
nävlaka^ r. HdBOjOKa.
pari p&praöa Frauenabtheilung in der Kirche; pätoka Lauer
beim Branntwein ; pUvlaka Polstersack.
pra-\ />r$iafta Urgrossmutter.
pri-: prtglava {neben prdglava, unter diesem Wort steht mit
Fragezeichen /7ri^20t7a) Jochholz; prigoda Gelegenheit, sl. prigoda,
r. npHTÖAa u. a. Zufall ; priguia (zu ght-) etwas zum Zubeissen (bei
trocknem Brot); prihvata (eig. Hinzuriss) neu eingezäuntes Stück
Land ; prtpaSa was von der Heerde beim Hause bleibt (nicht ver-
kauft wird) ; pripeka Schwüle, sl. priptka^ r. npHncKa u. a. sonnige
Untersach. ttb. BetonuDgs- n. Qnantitäts Verhältnisse in den slav. Spr. 377
Stelle; priprava Vorbereitung (neben prSprava)^ b\. pripräva, r.
npHnp^Ba Znthat (WVirze)] prislava (s. Yak); prituga (Zwang) Noth.
pre-: precjena zu hoher Preis, sl. jorecSwa üeberschätzung ;
pridaja Uebergabe, sl. predaja^ vgl. r. npe^^^a; pr'ikada Be-
räucherung ; prdpeka doppelt gebrannter Branntwein (mBcpri/epek
dass.), sI. prepeka Durchbraten; pr'ipona Leisten (ilia), sl. prepona
Zwerchfell, r. nepenöna Membran ; prSprava Vorbereitung, r. nepe-
npdBa u. a. Uebersetzen (über Fluss) ; prSprata die Eirehenabthei-
lung der Frauen ; prdpreka Hindemiss ; prhada (vgl. mAii.prijhad)
Pflanzen zum Umsetzen, r. nepeca^a; prhega Leistenbruch durch
Ueberanstrengnng; prisjeka Querthal, sl. preseka und preseka
Durchhau \pri8uda Urtheil ; pr'itega Gewicht am Brunnenschwengel,
sl. pretega Uebergewicht, r. nepeTira (Hinüberziehen) u. a. Fähre;
/)rS^«£a Abfluss ; prMraga Ausspähung; Prhlaka (Ortsname), sl.
prevlaka u. a. Ueberzug, r. nepeBOjroKa Isthmus, ttber den Schiffe
gezogen werden; prh>rta (zu vrbi-) Art Eierspeise.
raz-: räzmjena Tausch, r. paBM^Ha; rUsada (u. msc. räsad)
Setzpflanzen, r. pascä^a; r&soke pl. Zacken, sl. räzsoha gabelförmi-
ges Holz, r. pa3c6xa zweitheilige Pflugschar; rä^ara Art Eierspeise ;
r&spra Streit, sl. raxpr/a, r. päcnpH; rSsprava Auseinandersetzung,
sl. razpräva Abhandlung, r. pacnpäsa Gericht.
8u^ = sq^: sMlata Schimpfwort auf einen Tölpel; sümlata
dass. ; sütika Ereigniss; sütuka (und sütuka) Unheilbringendes;
süy'eda (vgl. msc. süsjed und süsjed) Nachbarin.
zor-'. z&brana (vgl. msc. zihran] Hegewald, sl. zabräna u. a.
Gehege; zMaha (vgl. msc. zMäh) Ubier Geruch; zäduha (vgl. msc.
zMüh) Asthma, sl. zadüha Erstickung; zUgrada zägradja (vgl. msc.
zdgrad) Verzäunung, %\,zagrada zagraja^ r. saropö^a; zMvala Lob,
Dank, sl. zcAväla; zähvata (eig. Ergreifung) ein Stttck, das Einer
von des Nachbarn Felde in das seinige einschliesst ; zSkuka Win-
dung (eines Flusses) ; zUljeva Art saurer Milch; z&mama Lockspeise,
sl. zamama Bethörung; zSmjena Ersatz, sl. zamena, r. saHina; zä-
paha Anhauch; zäsjeda Hinterhalt, sl. zaseda; zäsjeka Verhau, sl.
zaseka^ r. aaelKa; z&slada^ sl. zasläda Dessert, r. sacozö^a Ver-
sttssung; zä^/u^a Verdienst, A, zaslüga^ r. sacjiyra; zästava, sl.
zastäva Fahne, r. BacTäna u. a. Haltestelle; z&struga (vgl. msc. zä-
atrug) Art hölzerner Schüssel, r. sacTp^ra u. a. angehobeltes Stttck ;
z&tore Saueuter.
378 A. Leskien,
t4n=sOY'' ti^Jena Abschätzung ; ttglava (w = r* ?) Verabredimg ;
Moda (eig. Ueberlänfer) Spion ; itpala Brunst ; ttpora Gegenstrebe
u. a.; ^prava Leitung, Regierung, sL upräva, r. ynp4Ba u.a. Rechts-
pflege; üprta (vgl. msc. üprt) Tragriemen des Ranzen, Tgl. sl.
opfta] üsjeka (eig. Abhau) Feuerschwamm; üstava Schleuse, sl.
ustäva Hemmung; tttjeha Trost, sl. uteha, r. yrixa; ütore pl. (vgl.
msc. ütor) Kimme, ol.utora] ütvara undä^0ra(ygl.m8C. ütvor) Ge-
spenst, sl. utvora-, utega Bruchband; itvala Thal; phduplata Futter
am Hemde, setzt ein *äplata voraus, vgl. r. ynjtäTu f. pl. Halb-
sohlen.
c) Zusammensetzungen mit iz-: "Uplata Auszahlung; t^-
pratJö Bewilligung, sl.w/^rat)« Berichtigung, r. Hcnpdßa Verbesserung;
tstraga Vertilgung; ^izdaj'a Verrath, sl. izdaja\ ^izmjena Wechsel,
sl. izmena u. a. Verwechslung, r. H3Miua u. a. Verrath; tzvoda
Pflanze, die man zur Samenerzeugung stehen lässt.
2. Die Präposition hat den Accent ^ oder ^ d. h. der
alte Hochton lag auf der ersten Silbe des nominalen
Bestandtheils.
a) Präpositionen mit ursprünglich kurzem Vocal.
do-y keine Beispiele.
0' ob-: obdulja Wettlaufspreis ; hhuda Beschuhung, sl. obüca;
hdezda Messgewand, ist kirchensL, in der Betonung = serb.öc(fWa,
aber nicht in der Form, die einem altbulg. *odeäta entspräche (dem
kirchensl. odezda kann slov. odeja gleich gesetzt werden); ohodja
(u. neutr. ohodje) Umweg; ometa (neben msc. omet) Fege; hpaia
fUr Wintervorrath geschlachtetes Thier; bpona (vgl. opna) Häut-
chen, sl. opona Vorhang, r. onöna; hputa Opankenriemen; hsama
Einsamkeit, sl.o^ama, wohl beides neuere Bildungen ; 6^ot?a Zettel
beim Weben, sl. osnova^ r. ociioBa; bspa (dem. ospica) = oshpa
Blatter, r. oena; bstruga Brombeerstrauch, sl. ostr6ga\ dtava Grum-
met, sl. oiavGj r. OT&Ba ; öicela Hobelspäne.
od-: ddvika Entwöhnung, wohl eine direkte Ableitung von od-
vidi, bdviknutij daher mit dessen Accent; bdsleka Ebbe (daneben
sUka Flut) .
po-'. pbgonja^ soviel mAp^dgona xynApMjera Verfolgung, viel-
leicht erst spätere Bildung direkt von dem componirten Verbum
pogbniti pbgontm ; pbmnja {=pomhnja) Umsicht, Aufinerksamkeit,
sl. pomnja ; pbpaia Weidegeld, sl.joopaia Abweiden, Weideschaden;
untersuch, üb. Betonnngs- n. Qaantit&tBverhältnisBe in den slav. Spr. 379
phraha Gebranch, ist kroatisch, scheint nnr in der Betonnng serbi-
sirt dnrch die nothwendige Zurückziehung , slov. poraha\ phstelja
Bett, sl. postelja ; pbklade (daneben msc. pdkladi) plur. ; pdkradj'a
das Gestohlene, r. noKp&sa ; pöpije pl. Gegend zwischen den Brauen ;
pdrada Art Fischemetz, wohl fremd, wie sicher pdluga Stange (aus
phalanffa) ; pospa (= poaPbpa] Eisenspäne.
pod-^ nur pödkova Hafeisen, sl. podkova, r. noAKOBa.
pro-, nur Prbloga (Ortsname); prodja Abgang der Waare, ist
abhängig Yon pr66i prodjem.
sa-: wenn hierher gehörig und nicht Fremdwort, säöttra eine
Art Brodkorb.
w- = ©*-, kein Beispiel.
UZ' = v^z^: üzma (im Fluche) Gicht, vgl. üzei gichtbrttchig
(zu v^Z'^^ti txbz-wiq).
b) Präpositionen mit ursprünglich langem Vocal, be-
tont ' (dazu einige abweichende Beispiele mit ^).
na-: ndvrta ein beim Auszählen (Losen) gebrauchtes Wort
(s. Yuk u. kolof>rta)\ nävada Angewöhnung, sl. naväda, r. nas^a
Verlockung; nävala (neben näväla) Zulauf, Andrang; ndgrda Häss-
liches, sl. fiagfda Missgestalt ; ndhlada Erkältung ; näkaza (neben
msc. ndkaz) Monstrum, sl. ncJcaza ; näloga Gedränge, sl. naloga u. a.
Aufgabe (Pensum), r. uaiora Bedrückung; nämama (neben n&mama)
Lockspeise; nämjera (neben msc. nämj&i') Begegnung, Zufall, sl.
namera\ ndplava alluvio; ndplata (neben näplata); ndpraDaYeT-
richtung; sl. napräva; ndruka Bestellung; ndstava Unterweisung,
sl. nastäva Aufstellung ; ^ nduka Lehre (vgl. msc. nduk), r. nayKa;
ndzeha Erkältung (daneben n&zeh fem.), sl. nazeba ; ndzima Erkäl-
tung; ndda (vgl. msc. nadxmd nM) Hoffnung.
Angereiht mögen werden die ganz vereinzelten Fälle nävika
Gewohnheit, A.navxka\ nävlakaj gewöhnlich nävlaka, Kissenüber-
zug ; naklja (wenn es hierher gehört) Windung eines Flusses.
nad-, keine Beispiele.
pri-: pridruga Pfahl, an dem Flechtwerk zusammengestellt
wird, vgl. slov. in ähnlicher Bedeutung pridrogi msc. pl.; prüika
Ding gleicher Art, Beispiel, A. prüika und prüika, r. npHJHKa Ueber-
führung durch Zeugen. Ich stelle dazu die vereinzelten mit " auf der
Präposition: priika (s=:prttbka) Pflock, prica (=pritbca, vielleicht
aus dem Kirchenslavischen) Erzählung, sl. prica bedeutet u. a.
380 A. LeBkiec,
Gegenwart, Zeugniss; endlich, falls es hierher gehört, prikala Beif
[pruina],
pri-', prijevara Betrug, sl. prevära^ und das abweichende pre-
vjera Glanbensändemng (vgl. prevjeriti), sl. prevera Aberglaube.
pred-^ kein Beispiel.
raz-\ rdskida (ja nijesam 8 raskide^ ich bin von der Partei,
halte mit) ; räzlika Unterschied, sl. razlika^ r. pasjiHKa. Femer ganz
abweichend räsprava, aber daneben räsprava^ Auseinandersetzung;
räzvadja Auseinanderbringen Streitender, abhängig vom componir-
ten räzvaditi.
za-: zäbava Zeitvertreib, r. 3a6&Ba, sl. zabäva Ungelegenheit,
Ghicane; zähuna Verwirrung; zdcina Würze, sl. zacina\ zddjeva
Hindemiss, sl. zadeva; zddruga die Hausgenossenschaft der Sttd-
slaven, sl. zddntga\ zuloga (neben msc. zälog) Verpfändung, sl.
zaBga Unterpfand; zAmjera das Ucbelnehmen, ^\,zamera\ zämuka
Verdienst (vgl. zur Bedeutung zathuciti ito sich etwas ermtthen,
erwerben) ; zäpara Schwüle, sl. zapära Verbrühung, r. san&pa Ab-
brühen; zäpreka Verbot, sl. zapreka Hemmung; zdvada Zihk, sl.
zaväda.
Daran schliesse ich gleich Fälle mit " auf der Präposition :
zämka (= zamtka) Schlinge ist = *z&mkaj die Dehnung beruht auf
der Stellung des Vocals vor m + Consonant ; zätka (= zatbka ;
monten. nach Vuk) Aufforderung zum Kampf; za^^a Anlauf. Völlig
vereinzelt ist zäklada (in einem Verse bei Vuk) sonst msc. zäklad.
8Ur =^ sc^: sutuka (neben «ä^t^A;a) Unheilbringendes; sumnja
(= sqmhnja) Zweifel. — Dazu mit kurzem Vocal der Präposition :
sümedja Grenzscheide, sl. 8omijQ\ 8Ümje8a Gemenge; sümuzga Zu-
sammenballen des Schnees; süpruga Enittel, r. cynpyra Gattin;
süsreöa Begegnung.
un = t/-, nur abweichende Beispiele mit ^ auf der Präposition:
ütoka Entlaufen, sl. utoka Zuflucht; obüm/era Massstab (Mess-
faden).
c) Zusammensetzungen mit iz-: i;^ela Vielfrass ; upaäa
Weide, sl. izpäsa Beschädigung durch Abweiden; vgl. Masc. wie
iskup, izbor (S. 361).
Aufgezählt sind unter 1 und 2 c. 220 Beispiele mit der Beto-
nung "" auf der Präposition, c. 80 mit ^ ^ auf der Präposition. Es
scheint demnach, dass die normale Betonungsweise dieser Art
Unterauch. üb. Betonongs- u. QaantitätSTerhiUtnisBe in den slav. Spr. 381
üomposita im Serbischen den Hochton {^) anf der Präposition, Un-
betontheit des nominalen Bestandtheils fordert. Andrerseits kann
man doch nicht annehmen, dass jene 80 Beispiele alle anf einer
sekundären Abweichung von einer einst durchgängigen normalen
Betonung beruhen, sondern wird wegen der Gleichartigkeit in der
Lage des Hochtons des Bussischen und Slovenischen, ygl. z. B.
serb. ndloffaj sl. naloga^ r. najiöra eher geneigt sein, in dem serbi-
sehen Worte eine von altersher verbliebene Betonung zu sehen. Es
ist zunächst nicht ohne Interesse, wenn man trotz des ungenügen-
den Materials das Öakavische heranzieht. Bei den Femininen
auf -a geht eins ganz durch: wie im Serbischen ist der Yocal des
Nomen stets kurz, auch wenn er den Hochton hat. Der Hochton
kann an sich auf der Präposition wie auf dem Nomen liegen; es ist
aber auffällig, wie wenig die vergleichbaren Beispiele mit dem
Serbischen stimmen.
1. Der Hochton liegt auf der Präposition. Zum Ser-
bischen stimmen: öbrva serb. ^dhrva Braue; hgrada^ aber daneben
ogräda^ s. dgrcuia] bprta, daneben opHa, fascia cocularia, vgl. s.
ttprta; prestka, dsjiGben presika Durchhau, s, prdsjeka] prigoda
Gelegenheit, s. prigoda, — Nicht übereinstimmend sind: podkova
Hufeisen, ^/phtkova\ popaia Weideschaden, s. /)5paja Weidegeld;
pbstelja, daneben postelj'a, s. postelja Bett ; prUika Bild (dagegen
prilika als occasio), B.prtlika. — Die Gleichung fehlt bei: näruga
Schimpf; phsuda^ daneben posüda vas ; pbtrofui, daneben potrhfia
Unkosten; pritoka fiirca currus; rästroha Gabelast. — Es fällt
ausserdem auf, dass sechs von den wenigen Fällen Nebenformen
mit Hochton auf dem Nomen haben.
2. Der Hochton liegt auf dem Nomen. Zum Serbischen
stimmend: naoäda Gewohnheit, s. ndvada\ obüöa Kleidung, s.
bbuöa; o^^rt^a Brombeere, s. bstruga; otäva Grummet, s. btava;
postelja neben pbatelja^ B.pbstelja ; zabäoa Aufenthalt, s. zäbava, —
Nicht stimmend: ogräda neben bgrada^ s. dgrada] opiirta neben
bprta^ s. vgl. tiprta\ pokbra Busse, s. päkora', pomiji pl. (und po-
mwi) Spülicht, s. pomije ; posiß pl. Kleien, s. pdsi/e ; posüda Borg,
s. pdsuda; poir^ba Gebrauch, s. pdireba\ presika neben prdsikay s.
pr'isjeka] prodäja YerkAnf, B.prddaja, — Nicht vergleichbar sind:
natrbha res nocitura, ombla Abhang, ovläka Riemen, oienja spon-
382 A. Leskien,
BUS, podstäva Unterlage , posüda neben pdsuda vas , potrdha neben
pdtroha, Pristäva (Ortsname), proväia Latrine, zaUga Embryo.
Mit langem Vocal der Präposition sind mir bei Nemanic nnr
drei Beispiele aufgefallen: prilika occasio, zdruki pl. sponsalia,
zdtara pemicies. Ist die Präposition vocallos, so ruht der Hocbton
auf der Wurzelsilbe des Nomens, die stets kurz ist : slika längliches
Thal, slika Form, Gestalt, slhga Eintracht, spleta Flechtwerk, sreca
Glück, zdela Schüssel, zgräda Gebäude. Jedenfalls kann das Ca-
kayische zeigen , dass zwei Typen der Betonung von älterer Zeit
her vorhanden sind. Vergleicht man nun das Russische und das
Slovenische, so stellt sich ein ganz eigenthümliches Verhältniss
heraus. Im Bussischen liegt so gut wie durchgängig der Hoch-
ton auf der Wurzelsilbe des nominalen Theils, also auf der Torletz-
ten des ganzen Gebildes. Aus den Hunderten von Beispielen (ygl.
auch oben die russ. Parallelen zu den serb. Beispielen) führe ich
nur wenige zur Veranschaulichung an: AorÖAa; Ao6bi?a, Aonpäsa,
AOC^Aa, sadäsa, saHÖsa, sanjidTa, sapdsa, Hsr&ra, ncnpdßa, HCTÖma,
HCTp&Ta, HaB^Aa, naAcxa, HaTyra, nayKa, oÖM^Ha, o66pa, oöysa, onÖHa,
onopa, ocHÖBa, oxÖTa, 0Tji[yKa, OTM^ua, nepeMiHa, nepenöua, nepecaAa,
noÖ^Aa, noroAa, noKÖpa, noKp&sca, noHÖpa, noAKÖBa, noAuopa, noAnpyra,
noACTäBa, npHncKa, npHupäsa, npnpÖAa, npncdAa, npHCjtyra, npHcira,
npoMina, npocryAa, npoTOKa, pasiEHKa, pa3J[yKa, paenf Ka, pacTÖKa,
cynpyra, cyxyra, yrpöaa, ycjyra, yxöpa, yxtxa u. s. w. Es ist da-
bei gleichgiltig, ob die Präposition an sich eine Silbe bildet oder
vocallos und unsilbisch ist (b-, bs-, c-], z. B. BA&^a, BsCiyAa, B3jH3a,
CB&Aa, CBopa, CBAsa, CMÖJiBa, cMlua, cndna, cTara u. s. w. Betrachtet
man die abweichenden Fälle mit Hochton auf der Präposition,
so ist ihre Zahl verschwindend , wenn die Wurzelsilbe des Nomen
vollen Vocal bewahrt hat. Die russischen Grammatiker führen zwei
drei Beispiele an, S0HäA0J[6a; eine Durchsicht der grösseren Wörter-
bücher ergibt etwa 20. Dagegen erhält bei Verlust eines ursprüng-
lichen ^, h in der Wurzelsilbe des Nomen die Präposition nothwen-
dig den Hochton, z. B. säcna, 3&TKa, ocna, nep^psa, nep6niBa, nöacHH,
nousa, npopxa, p&cnpA u. s.w. Ganz vereinzelt ist bei diesem Laut-
verhältniss Endbetonung, ich kann nur noMCTd anführen, wie über-
haupt Endbetonung bei allen diesen Gompositis fast ganz fehlt; die
Grammatiker führen nur an noxBaj[ä (betont wie xBaiä), es gehört
noch dahin noKpoHä (Sahlleiste), vielleicht noch eins oder das andre
Untersuch, üb. Betonung^- n. Qu&ntitiitsyerhältiiiBse in den slav. Spr. 3g3
mir entgangene Beispiel. Zweifellos ist im Rassischen die normale
Betonung der Hochton auf dem nominalen Bestandtheil, im Gegen-
satz za der serbischen Betonnngsweise.
Das Russische hat femer eine Eigenthümlichkeit, die bei der
Betrachtang des Serbischen wichtig sein kann. Wenn die be-
tonte Wurzelsilbe des Nomen Polnoglasie hat, so liegt der Hochton
regelmässig auf der zweiten der beiden Silben ohne Rücksicht
darauf, wo er etwa in gleich gebildeten nicht zusammengesetzten
Worten liegen mag, vgl. noöepera npHÖepera (Sparsamer; die per-
sönlich angewendeten Worte befolgen ganz dieselben Regeln wie
die abstrakter oder sachlich-concreter Bedeutung) ; oÖopoHa ; saso-
ÄOKVkj OTBOJÖKa, nepeBOJÖKa, noBOjÖKa, noABOJÖKa, npnBOjEÖKa, npoBO-
joKa, pasBOJCÖKa, yBOjÖKa, vgl. böjoki; npHBopdxa, vgl. BÖpoPB;
3aBop6xa, vgl. BÖpox'B; saropo^a, OTropö^a, neperopö^a, cropo^a, Tgl.
röpoA'B; noATopoxa, pasropöxa, vgl. ropoa:&; onojiöcKa; aacojiÖAa,
Hacozö^u pl.) vgl. c6jL0Xh; ocTepera; npocTop6a:a, wie cTop6auk;
sacTopöna (das Verdecken, Verstellen mit etwas), ygl. oTopoH&
Seite; nepeTOJiÖKa, npHTOjiÖKa, npoTOJiÖKa, yrojiÖKa, wie TOjiÖKa;
yropoKa, wie Topona. Das heisst also: die Wurzelsilbe des Nomens
war steigend betont.
Ganz ebenso, was die Lage des Hochtons betrifft, verhält sich
das Bulgarische; das Duvemois'sche Wörterbuch hat mit kaum
zwei drei Ausnahmen überall den Hochton auf der Wurzel-
silbe des Nomen. Ich unterlasse es, beliebige Beispiele aus dem
Wörterbuch zu geben, weil ich nicht entscheiden kann, wie weit
die Worte im volksthümlichen Gebrauch sind. Wo das Wortver-'
zeichniss in Gankoff's Grammatik dieselben Worte bietet, haben
sie die gleiche Betonung : zapldtt^ izmem, naükt^ obüstbj omräzt^
osn&&hj oträm>y podloffb^ potköüh, pomij\ pofähy pregräd%^ prekrdtby
raskrÜTb. Immerhin scheint mir auch diese Uebereinstimmung ein
starkes Zeugniss dafUr zu sein , dass diese Art der Betonung als
urslavisch anzusehen ist.
Vergleicht man das Slovenische, so zeigt sich Ueberein-
stimmung mit dem Russischen in der Lage des Hochtons : dieser
liegt auf der Wurzelsilbe des nominalen Elements, aber die Be-
tonung ist fallend , wobei die ursprüngliche Quantität des Vocals .
gleichgiltig ist, auch die ursprünglichen Kürzen werden zu fallen-
der Länge gedehnt. Zur Veranschaulichung mögen wenige Bei-
384 A. Leskien,
spiele genügen (vgl. die oben gegebenen sloven. Parallelen zn den
serbisehen Wörtern) : dologa^ dosega^ iziega^ namähij naväla, na-
vika, nazeba^ obuka, odloka^ odmena, pokora^ posädoj predajay pre-
ponay prevlekUf prigoda, pripeka^ rüzpoka, razpora^ sloga^ sprega,
vzgojaj zabräna^ zagräda, zagräja^ ziigüba n. B. w. Die Abhandlang
von Valjayec Rad 43 bestätigt die Begelmässigkeit dieser Betonung ;
dort werden nur sehr wenig Beispiele der Betonong auf der Präpo-
sition angegeben und diese meist aus dem ungarischen Slovenisch
und aus der KajkavHtina. Nur wenn die Wurzelsilbe des nominalen
Elements durch Verlust von ^^ h vocallos geworden ist, hat regel-
mässig die Präposition den Ton, der Vocal muss in dieser betonten
Silbe gedehnt sein und hat regelmässig steigenden Ton, z. B. 64vaj
o-tkay zä-tnkaj za-tka.
Man darf also den Satz aufstellen: die normale Betonung
dieser Composita im Slovenischen ist bei yoUem Vocal des nomi-
nalen Bestandtheils fallender Ton auf dessen Wurzelsilbe. Die
weitere Frage ist nun, ob diese Betonungs weise ursprünglich ist,
anders ausgedrückt, ob die Lage des Hochtons, jetzt im Russischen
und Slovenischen übereinstimmend, im Slovenischen altererbt
oder erst durch besondere Entwicklung aus ehemals andrer Lage
v^ederhergestellt ist. Zur Beantwortung dieser Frage muss man
gewisse Betonungen der Verbindungen von Präpositionen mit ab-
hängigem Casus im Slovenischen und Serbischen heranziehen.
Wenn vor Nominalcasus, deren erste Silbe fallend betont ist, Prä-
positionen treten, so verliert im Serbischen das Nomen überhaupt
den Ton, er geht als "" auf die Präposition über, z. B. gen. boga^
aber M bogoj gen. grada^ aber od gräda^ acc. vddu^ aber n& vodu ;
im Slovenischen verbleibt der Hochton dem Nomen, wechselt
aber nicht wie im einzelnen stehenden Nomen seine Stelle, vgl. gen.
bogäy aber od boga^ nebd (s. nebo)y aber na nebo (s. n& nebo)^ aoc. vodo^
aber na vodo. Valjavec deutet das auf Grundlage der serbischen
Betonungsverhältnisse, nimmt also an, dass wie dem serb. lioga ein
slov. bogä entspricht, ebenso nach dem bekannten oben (S. 341]
angeführten Gesetz aus einem älteren od-boga ein od-bdga geworden
sei. Derselbe Grundsatz wird (Rad 132, S.202) auf die uns beschäf-
tigenden Composita angewendet, also slov. nasläda^ odgdja^ pohora^
posoda u. s. w. aufgefasst als umgesetzt aus einer älteren, der serbi-
schen gleichartigen Betonung, serb. näslada^ ^ddgoja^ p&karaj p&suda.
Untersuch, üb. Betonungs- u. QuantitätsyerhiUtniBse in den slav. Spr. 385
Ist die Ansicht richtig , so stttnden Serbisch und Sloyenisch in der
Betonung dieser Gomposita principiell gleich, die heutigen sloveni-
schen Verhältnisse wären sekundär, beide Sprachen wichen von
der russischen Betonungsweise gleichmässig ab. Richtig kann aber
die Ansicht nur sein unter der Voraussetzung, dass die Präpositio-
nen in solchen Zusammensetzungen alle fallenden Ton hatten, denn
eben nur unter dieser Bedingung kann die slovenische Verschiebung
stattfinden. Das ist indess auch hier nicht selbstverständlich, denn
wo im Slovenischen die Präposition heute den Hochton trägt, hat
ihre durch den Hochton gedehnte Silbe steigenden Ton, ygl. na-
rokaj rdzffona, zdplata. Es liegen demnach hier noch zu lösende
Probleme vor :
1) Im Bussischen zeigen, wo Polnoglasie die Tonqualität er-
kennen lässt, diese Gomposita steigenden Ton auf dem Nomen.
Verallgemeinert man das hypothetisch zu dem Satze : das nominale
Glied hat steigenden Ton, so stimmt das völlig zu den serbischen
Beispielen, die alten Hochton auf dem nominalen Bestandtheil
tragen (also jetzt ' oder ^ auf der Präposition), z. B. ndhladaj ndr-
loga^ bbuöa u. 8. w. (s. o. S. 378) = altem ^nahläda (^ als Bezeich-
nung des steigenden Tones verstanden) , denn die Kürze im nomi-
nalen Element ist nur verständlich durch ehemaligen steigenden
Ton. Femer stimmt die Hypothese ausgezeichnet zu der That-
sache, dass überhaupt zweisilbige femininale o-Stämme mit fallen-
dem Ton so gut wie vollständig fehlen, dass die normale Betonung
steigender Ton der Wurzelsilbe oder Endbetonung war, wobei ich
absehe von dem Eintreten fallenden Tons in einzelnen Casus der
endbetonten Worte, wie brdda acc. bräduy r. 6opoA& acc. tiöpo^y;
im Russischen gibt es keine Betonung dro 6h ere der Feminina mit
Polnoglasie, dem entsprechend im Serbischen keine mit der Be-
tonung -ije~ und nur ganz vereinzelte mit-ra- (s. Abb. der sächs. Oes.
d. W. Xni, S. 559 = 33). Weiter: die serbische Betonungsweise
der meisten Fälle, wie n&slada, priprava u. s. w., als ursprüng-
lich gedacht, lässt es unverständlich, warum nicht die nach ur-
sprünglicher Hochtonstelle stehende alte Länge erhalten blieb, also
z. B. *pripräf>a. Verständlich wird es, wenn man annimmt, hier
habe eine Umstellung aus ehemaligem *pnpräva stattgefunden, die
zweite Silbe als steigend betont gedacht und darum verkürzt.
Demnach scheint mir der Schluss berechtigt : alle diese femininalen
ArelüT fftr sUTiaeht PUlologie. XXI. 25
386 A. Leskien,
Präpositionalcomposita hatten einmal steigenden Ton als Hochton
anf der Wurzelsilbe des zweiten, nominalen Gliedes.
2) Das Slovenische stimmt in der Lage des Hochtons zum
Russischen, hat aber fallenden Ton der betreffenden Silbe. Wenn
aber nach 1 . der Ton ursprünglich steigend war, muss eine Um-
wandlung des einst steigenden in den fallenden Ton stattgefunden
haben, zunächst in fallende Ettrze (denn auch im Slovenischen
yerkürzte alter steigender Ton die Längen), die aber dann nach der
bekannten sekundären Dehnung der Hochtonsilbe sich in fallende
Länge verwandelte. Der neu entstandene fallende Ton würde, anf
das Serbische angewendet, es hier verständlich machen, warum in
der Ueberzahl der Beispiele der Hochton auf die erste Wortsilbe,
die Präposition, zurückging, gemäss dem Satze, dass eine innere
Wortsilbe fallenden Ton nicht festhalten kann. Die Frage spitzt
sich also wieder dahin zu, ob man es wahrscheinlich machen kann,
dass die heutige Lage des Hochtons (abgesehen zunächst von sei-
ner Qualität) im Slovenischen ursprünglich sei, denn darauf beruht
zunächst die Möglichkeit des für das Serbische oben angenommenen
Vorganges. Die Gleichung nasläda pokora = serb. n&slada po-
kora beiValjavec beruht darauf, dass er diesen Fall gleichsetzt mit
Fällen wie ffoldb, serb. golüb, r. röjryÖB ; pepet, serb. pdpeoj r. n6-
nejB; jezeroy serh, jSzero, r. öaepo; na vodo^ serb. n& vodu u. s. w.
Es ist aber klar, dass an sich eine Nöthigung zu jener Gleichsetzung
nicht vorhanden ist: hei golqbh^pepeh^jezero wissen wir aus der
Uebereinstimmung der Sprachen bestimmt, dass der Hochton einst
auf der ersten Silbe lag, in Fällen wie slov. nasläda pozläta u. s.w.
wissen wir das nicht sicher, und das russ. nosojiÖTa wider-
spricht. Im Slovenischen selbst gibt es aber kein Betonungsgesetz,
das verböte, den fallenden Hochton auf zweiter Wortsilbe als alt
anzusehen, wenn sonst Gründe für das Alter dieser Hochtonstelle
vorhanden sind. Die Uebereinstimmung des Bussischen und Bul-
garischen ist aber sicher ein solcher Grund. Die Möglichkeit also,
dass im Slovenischen pozläta seine alte Hochtonsilbe bewahrt habe,
muss jedenfalls ins Auge gefasst werden. Und ein Umstand scheint
mir im Slovenischen selbst gegen die Auffassung von Valjavec zu
sprechen: im Serbischen geht bei Zusammensetzung mit zwei Prä-
positionen der Hochton auf die erste über, genau wie bei den i-
Stämmen, z. B. dpamena, üspamenaj prSoblaka, prSobukaj dtporuka,
Untennch. üb. Betonungs- u. QuantitätsyerhältniBse in den slav. Spr. 387
priporuka ; im SloYenischen ist aber diese Uebereinstimmimg nicht
Yorhanden, tiberall, so weit ich nachkommen kann, verbleibt der
Hochton auf dem Komen, Tgl. zaprüega^ prispodoba^ priporoka^
preohleka^ opotnena (Valjayec, Bad 43, S. 17 — 22; das Wörterbuch
gibt eine Menge gleichartiger Beispiele, die ich nicht anführe, da
ich nicht entscheiden kann, wie weit hier nen gemachte Worte
Yorliegen), also genau wie prüega^ apoddha^ poroka^ obloka, po-
mena. Wäre nun, nach ValjaYec's Annahme, ein sIoy. poroka erst
durch Umspringen des Hochtons aus älterem *pSroka = serb. jp9-
rtika entstanden, wie povest aus älterem pdvest = serb. pdvi/est,
so hätte es bei Zusammensetzung mit noch einer weiteren Prilpo-
sition sloYenisch lauten müssen *pr^oroka. Wenn ein pripovest
nach ValjaYec beweisen soll, dass die einstige Betonung ^pripovest
= serb. pfipavijest war, und damit indirekt (s. o. S. 341), dass j9o-
vest aus pdvest entstanden ist, so muss auch umgekehrt das Nicht-
eintreten Yon *priporoka neben poroka^ die Gleichheit der Betonung
-von priporoka xmiSi pof'oka^ beweisen können, dass in poroka der
Hochton an seiner alten Stelle steht. Damit stimmt femer überein,
dass, wie Ya^jaYec (Bad 132, S.202) bemerkt, bei casueller Verbin-
dung mit Präpositionen der Hochton selten auf der ersten Silbe des
Casus liegt ; er führt nur die Beispiele an : na posodo auf Borg (po-
8oda acc. posodo)^ k poroki zur Trauung [poroka^ dat. poroki). Es
wäre doch höchst auffallend, dass bei der grossen Zahl derartiger
Composita das SloYcnische nicht regelmässig oder wenigstens häufig
die bei angenommenem alten Hochton, xmd zwar nach ValjaYec
fallendem Ton auf der Präposition, Ycrlangte Stellung des Hoch-
tons bei Verbindung aus Präpositionen und Casus zeigt. Femer,
wenn man das Serbische, auf dessen Grundlage Va^jaYCcconstrairt,
heranzieht, wird der Widersprach noch stärker : das Serbische kennt
nämlich die nach seiner Theorie zu erwartende Betonung *n& po-
ruku gar nicht Es liegt aber im Serbischen gar kein findbarer
Gmnd Yor, waram man nicht sogut wie z. B. odmladosH auch hätte
betonen können *n& poruku, falls das pd- Yon piSruku fallend betont
war; die Betonung nä poruku (d.i. ^napSruku) zeigt eben, dass p3-
nicht fallend betont war. Ich meine, die Schwierigkeit löst sich,
wenn man annimmt, dass diese Art der Composita den alten Hoch-
ton, der zum rassischen Verfahren stimmt, beibehalten haben, und
dass das Serbische alleii^ ihn Ycrsetzt habe.
26»
388 A. Leskien,
Es bleibt dann noch das Problem zu besprechen, weshalb im
Slovenischen durchweg, im Serbischen in den meisten Fällen der
einst steigende Ton des zweiten Gliedes in den fallenden übergeführt
ist. Ich mnss gestehen, dass ich darauf eine befriedigende Antwort
nicht gefunden habe, will aber wenigstens auf die in Betracht
kommenden Verhältnisse aufmerksam machen. Aeusserlich veran-
schaulicht, wäre der Gang der gewesen: ursprünglich hiess es
*zägo¥da { ^ als Zeichen des steigenden Tons genommen ; r. saro-
pö^a), serbisch daraus "^zägrhda (die Ettrze der zweiten Silbe wegen
des steigenden Tons) ; dies wurde mit Wandlung des steigenden in
den fallenden Ton *zägrMa [^ als Zeichen der fallenden Ettrze zu
verstehen ; als wenn russisch ein *zag6roda entstanden wäre) ; die
fallend betonte Silbe wirft ihren Hochton zurück und zwar so weit
wie möglich, daher zUgrctda pr'iporuka. Der charakteristische
Unterschied von dem Verfahren bei den t-Stämmen ist aber der,
dass bei diesen die Präposition fallend betont erscheint, daher nä
pameti, lliz pomodi, dagegen bei jenen steigend, daher bd zoffrade,
d. h. *od z&grade. Es mag dieser Unterschied damit zusammen-
hängen, dass bei den i-Stämmen die fallende Betonung des nomi-
nalen Elements uralt, dagegen bei den componirten Feminina auf
-a im Serbischen und Slovenischen eine Neuerung ist. Das Problem
verwickelt sich nun weiter, wenn man einem solchen Femininum
ein aus den gleichen Bestandtheilen componirtes Masculinum gegen-
überstellt, hier also zagrad = *zägräd (r. 3arop6A) gen. zdgrtida =
*zägräda (r. saropoAa). Die Betonungsverhältnisse sind hier ganz
dieselben wie bei der vorausgesetzten älteren Form des Femininums
*zäffrädaj in beiden Fällen steigender Ton des nominalen Bestand-
theils , beim Masculinum aber wird dieser nicht in den fallenden
verwandelt, der Hochton tritt also auch nicht auf die Präposition
(vgl. ebenso (em.prdsada, ms^e.prijesad). Derselbe Widerspruch,
dass das Masculinum den steigenden Ton bewahrt, das Femininum
fallenden Ton erhält, ist im Slovenischen vorhanden, vgl. msc. zor
gräd gen. zagräda^ fem. zagräda. Nun kommt weiter dazu, dass
im Serbischen unter den c. 300 aufgeführten Beispielen (s.o. S. 380)
c. 80 die gleiche Betonungsweise wie die Masculina haben, z. B.
hpaia = *opäiay ndhlada = *näM&da^ also genau wie gen. msc. zdr
grada = *zagrMa\ dass einzelne Feminina zwischen beiden Typen
schwanken : n&vala und ndvaloy fiämama xmd nämama^ n&plata und
üntennch. fib. Betonungs- a. Qaftntitätsyerhftltnisse in den slav. Spr. 3g9
ndplata^ sütuka nnd sutuka^ während bei Mascalinen ein solches
Schwanken nicht stattfindet. Nimmt man das alles zusammen, so
sieht man, dass man es bei den in Rede stehenden femininalen Com-
positis des Serbischen mit einer nicht zum Abschlass gekommenen
Bewegung zu thun hat.
Anhang. Die sogenannten Imperativcomposita. Wie man
auch diese Gomposita erklären mag, ob aus verbaler Umdeutung ur-
sprünglich nominaler erster Glieder, oder aus der Zusammensetzung
mit wirklich verbal empfundenen (Thätigkeit ausdrückenden)
ersten Elementen, sicher ist, dass sie im Slavischen überhaupt und
so auch im Serbischen empfunden werden als einen Imperativ ent-
haltend, abgesehen natürlich von solchen Eigennamen, die keine
Anknüpfung mehr an gebräuchliche Verba haben. Die meist in
scherzhaftem oder spottendem Sinne gebrauchten Appellativa sind
nach dem heutigen Stande der Sprache als eine Art Zusammen-
rttckung anzusehen, wie sie auch Miklosich, Stammb. S. 366, be-
handelt. Man muss aber hervorheben, dass sie im Serbischen nicht
mehr auf dem Standpunkte einer Zusammenrückung stehen, denn
sie nehmen Theil an dem Gesetz der Gomposita aus Nomen und
Nomen , dass die Wurzelsilbe des ersten Gliedes kurz sein muss,
auch wenn der selbständige Imperativ langen Vocal hat, vgl. käzi-
püt (imp. kdii), kdzizüb {kSsi), Ijubidrag [Ijübi]^ t^tigüz [vrti)^ krä-
dikoza [hrädi). Durch Accentverhältnisse ist diese Kürze nicht be-
dingt, ein ^krädikozay daraus *krddikoza hätte an sich ebenso gut
bestehen können wie *krädty daraus krddi.
Die Betonung dieser Gomposita ist im Serbischen durchgängig
so, dass der alte Hochton auf dem Ende des ersten Gliedes, also
auf dem -4- stand , daher jetzt ^ auf der ersten Silbe. Was die
Masculina betrifiFt, d. h. die mit masc. zweitem Gliede, so kommen
bei Vuk nur Beispiele vor, wo dies, bei langem Vocal, von Haus
aus fallenden Ton hatte : Oämzigräd (eig. Kriech-, Wimmelstadt,
scherzhafter Ortsname) : gämziii^ gräd\ glädibfk den Schnurrbart
Glättender : gJMiii^ hfk\ käiipüt (eig. Zeige-weg) Zeigefinger:
kdzatiypüt (der Gen. u. s.w. mit steigendem Ton pütoj das ist aber
unursprüngli'ch, das Wort ist ursprünglich »-Stamm) ; kisizüb : kSsiH
die Zähne zeigen, züb] Ijubidräg Kapuzinerkresse (auch Eigen-
name) : Ijubüij dräg (fem. dräga) ; nädrigüz eine Art Ballspiel (eig.
scinde-anum) : nädrijeti nMrem^ güz\ räzbigüz Glatteis (eig.frang&-
390 A. Leskieiii
annm) : räzUti^ güz\ svrrbiffüz Hagebutte : wrbjeti jncken, guz\
virtiffüz ein Vogelname (eig. yerte-anom) : vr^etiy güz ; pämtivijek
[od pämtimjeka seit Menschengedenken) : pämtiti gedenken, vyeij
ebenso gebildet vädivek anstrengende, am Leben zehrende Arbeit :
vädüi'y pdcirep (eig. Backe-schwanz) Beiname eines Mannes : pidi,
^^P \ pj^^rüg Singefreund : pfhati^ drüg ; pläOdrüg Mitweiner
(Weine-freund) : p/^a^*, drüg,, Vücitrn (eig. Zieh-dom) Ortsname:
vüöi^ iTn\ Zvhnigräd (Msn»,m^ : zvbniti Wnen, grad\ mdlibög (eig.
Bete-zu-gott) scherzhafte Bezeichnung eines Mönches : mblüi, bog
gen. bdga; vHikös ein Räthselwort : wenn zu kos Amsel, mit fallen-
dem Ton. Dahin gehören auch die mit -mir zusammengesetzten
Personennamen : Büdimlr^ Desimlry Gäzimlry Jezdiimr^ Käzimir^
Stämmtr^ Strätimlr^ VHimlr. Ob es ein Zufall ist, dass Vuk nur
Beispiele dieser Art hat, vermag ich nicht zu entscheiden. Ettrze
des zweiten Gliedes haben die mit -aa« [slati) zusammengesetzten
Eigennamen : Birüavy DJürüav^ Büdiaav^ JSräjisaVj MUüae^ Bä-
düav, BänisaVy StänüaVy Vlädisav] släva hatte alten steigenden
Ton. Das vereinzelte Däbiziv, das zwar gleicher Form ist, aber
aussieht wie die Zusammenrttckung eines Satzes da bi Od (ut vivas),
liesse nach iiv f. iiva eher *Däbillv erwarten.
Die Feminina, in Wirklichkeit meist Masculina femininaler
Form, haben alle Kürze des zweiten Elements, das scheinbar ab-
weichende küpivojska (eig. Sammle-heer) Werber, zu k&piti und
vq/ska verdankt seine Länge der Stellung des Vocals yotj + Cotl-
sonant. Sonst büljioka Glotzender : bülßtij dko ; ctsiikuda die das
Haus reinigt: cistüij küöa] räspikuöa Verschwender : rämti r^pem
zerstreuen, ^öda ; ^^(;t%tf<fa Haushalter : ^^dt erwerben, Möa] diri-
guia Halskratzer : d^atiy güia] näpnigtiia Eehlaufblaser (vom
Frosch) : näpeti nUpnem, {^a\ grdbikapa eine Art Spiel : gr&biti
raJDfen, K&pa Mütze; hläpimuha (eig. Fliegenschnapper) Elatsoh-
maul : hl&püi^ müha ; krädikoza Ziegendieb : kr(^t% krädemy khza ;
Ihmigora (eig. Brich-berg, Brich-wald] ein Ziegenname : Jhmiti^
girq\ iärigora der den Berg, den Wald zerreibt : trti iäremj imp.
t&rij gbra ; mämiaapra Geldlocker : mdmitij &spra ; müztkrava Knhr
melker : mö«^ft müzetnj kr&va] nädrihyiga (eig.Buchanreisser) Halb-
gelehrter : nädrijeti nädrem, knfiga ; pirivatra (Scherzwort) Blase-
feuer : piriti, v&ira] pUtikosa (eig. Flicht- haar) Beiname eines
Mannes ; pHibaba (eig. Röste- weih) Schimpfname auf Haiduken :
ünterBUoh. ttb. Betonung»- n. QuantitiitsyerhSltniBse in den slav. Spr. 391
prziti^ bäba\ smirdibahay smfdibuba Thiername : smrdjeti stinken,
hUha^ Mtba Ungeziefer ; vUibaba Schneeglöckchen : visiti hängen,
bMa; smVdivrana Vogelname : smrdjetij vräna Krähe; tHüaza
Lttgenmaol : iHaii laufen, *laza Lüge (ygl. loa Bit dass.). Man
sieht, dass alle diese Worte mit Feminina zusammengesetzt sind, die
als Simplicia kurzen Vocal haben, also, wo dieser ursprunglich
lang war, alte steigende Betonung hatten. Dazu kommen noch
femininale Eigennamen mit ^sava {-slava) : Kräüava^ MUisava,
StänisavOj Stöjisava^ und Käzimira,
Endlich gibt es noch einige wenige, die mit ^eutris zusam-
mengesetzt sind und die neutrale Form behalten: gäziblato (eig.
Wate-koth) , scherzhafte Bezeichnung eines Wichtigthuers : gUziti^
bläto; st^zislovo der das Wort (d. i. die Studien) aufgibt : 8vr6ij
sPavo; värimeso : t?ar»Vi kochen, meso Fleisch.
Leider ist hier mit der Vergleichung der andern Sprachen
wenig anzufangen. Das Slovenische bietet, wie es scheint, sehr
wenig Beispiele, einige mehr, aber auch nicht viele, das Russische.
Hier begegnet man Fällen mit derselben Betonung wie im Serbi-
schen: copBi-ro.ioBa, oTopsi-roJcna Galgenstrick, 6osirojiowh eine
Art Schierling, ÖojmrojcoBa dass. (so bei Dahl, das ältere Ak.Wb.
hat tfojcHTOjiÖFB, das neuere schwankend ÖojiHrojoB'B, vgl. BepTH-
rojÖBKa, KpyrrarojÖBKa, BepTHmÖHKa Wendehals), Bjmhmhp'b. Da-
gegen ganz schwankend : acpxhjiöaba (eine Art Fisch) Dahl, ^ep-
xHjiaAi>i Ak.Wb., Acpsua^bH Pawl.Wb.; AepsHA^peno (paliurus
aculeatus) Dahl, Ak.Wb., AepxHAepeBO Pawl. ; nepcKaTH-nöje (Sichel-
dolde) Pawl., nepeKaTHoöJte Ak.Wb., bei Dahl ohne Accent, aber
KaTHUoxe; cBepÖnrys'L (Beinwell) Dahl, Ak.Wb., cBepÖmysi Pawl.
Es mag noch mehr dergleichen Beispiele geben ; bei der Unsicher«-
heit der Betonung habe ich nicht systematisch darnach gesucht.
Man gewinnt den Eindruck, dass einst auch im Bussischen die im
Serbischen durchgehende Betonungsweise geherrscht haben könne.
Ich möchte glauben, dass diese Art der Gomposita ziemlich späten
Ursprungs ist; jedenfalls wäre es vergeblich, aus den doch im
ganzen wenig zahlreichen Fällen mit ihrem Charakter von Scherz-
worten eine Theorie bauen zu wollen.
1
392 |A. Leskien,
IT. Die Betonung der Terbindungen yon PrSposition
nnd Casns.
In den yorangehenden Abschnitten habe ich mehrmals die Be-
tonungsweise dieser Verbindungen zur Erläuterung und Bestätigung
vorläufig heranziehen müssen, es wird aber nützlich sein, sie im
Zusammenhange und zugleich in Parallele mit der Betonung der
nominalen Präpositionscomposita zu betrachten. Die thatsächlichen
Verhältnisse sind dargestellt bei Dani6i6, Glasnik VIU, 59, XI, 20
u. 30, Slay. Bibl. I, 97, bei Budmani, Gramm. § 267, bei Paviö am
Ende seiner Accentarbeit im Bad Bd. 59. Ich betone, dass es mir
im Folgenden nicht auf jede Einzelheit, sondern auf die durch-
gehenden Principien ankommt, also nicht Vorschriften für jeden
denkbaren Fall gegeben werden.
ImSerbischen gelten für die Betonung Präposition und Ca-
sus als eine Einheit, beide zusammen haben nur eine Hochtonsilbe.
Die Präposition kann nie den Hochton tragen , wenn der folgende
Casus einen der Accente ^ oder ^ hat, also selbst ursprünglich nicht
auf der ersten Silbe betont war, anders ausgedrückt: die allgemeine
serbische Zurückziehung des alten Hochtons erreicht in diesem
Falle die Präposition nicht. Die Präposition kann den Hochton nur
erhalten, wenn der darauf folgende Casus ursprünglich auf der
ersten Silbe, also mit "^ oder ^ betont ist. Aber auch in diesem
Falle herrscht keine Gleichheit. Serbischen Grammatikern ist die
Eigenthümlichkeit verschiedenartiger Betonung scheinbar gleich-
artiger Verbindungen immer aufgefallen. Warum heisst es bd brata,
dagegen dd boga^ während doch die Genitive br^ta und Vdga gleich
betont scheinen. Im ersten Fall geht die Zurückziehung nach der
allgemeinen Begel vor sich, bd braia = od bräta^ wie etwa mlädica
= tnladica^ im andern Falle nicht, sondern die Präposition trägt
alten Hochton, das Nomen ist tonlos. Die richtige Erklärung gibt
Valjavec, Bad 132, S. 191 : der Hochton geht nur dann auf die Prä-
position über, wenn die erste Silbe des folgenden Casus fallend be-
tont war. Bekanntermassen decken sich auch Fälle im Bussischen,
wie 3& Hope u. s, w. mit serbischen Betonungen wie od boga, ich
lasse sie aber hier aus dem Spiel, weil sich die Grundregel im
Bussischen nicht mehr erkennen lässt.
Untennch. üb. Betonongs- a. Quantitätsverhttltnisse in den Blav. Spr. 393
I. Am einfachsten liegt die Sache bei den femininalen i-
Stämmen. 1) Ursprünglich zweisilbige Worte, die durchgehende
Betonung " haben, oder die im Nom. sg. "" zeigen, sonst "^^ versetzen
den Hochton (^) auf die Präposition, z. B. zu rijecj nä misao, od
kosti [kost kdsti)y pM noö ^) . So verfahren alle zweisilbigen »-Stämme,
mit Ausnahme der wenigen vereinzelten Fälle, die andre Betonung
zeigen : zlkt^ mjMy stri (r&tj nüQ, und das Compositum smrt. Das
stimmt nun völlig überein mit dem Verfahren der Präpositional-
composita, z. B. ablast, prdpäst^ äzräst u. s. w. (s. o. S. 338).
2) Für die mehrsilbigen Stämme lautet die äussere Regel so :
sie werfen den Hochton auf die Präposition, wenn die erste Silbe
den Accent "^ hat, die zweite entweder stehend lang , oder falls an
sich kurz in Nom. sg. gedehnt ist, daher z.B. zMen : nä zelen, pä-
mei : hiz pameit^ ml&döst : od mladostij nä mladdst.
Die i-Stämme werden also überall gleich behandelt : mit Nomen
zusammengesetzt rüko-driy mit Präposition obläst, mit Präposition
casuell verbunden nä mladdsi. Es wurde oben (S. 342} nachgewiesen,
dass die ursprünglich zweisilbigen »-Stämme so gut wie alle fallen-
den Ton der Wurzelsilbe haben ; in Fällen dagegen wie mlädosty
pämet kann man im Serbischen nicht unmittelbar erkennen, ob der
Hochton der Präposition als ursprünglich steigend oder fallend an-
zusehen sei, nimmt man aber das russ. möjoaoctb, n6pecunL (s. o.
S. 340), so zeigt sich die ursprünglich fallende Qualität sofort, und
daraus ergibt sich weiter, dass auch in pdvijestj dazu pripovijest^ od
povijesii dasselbe stattfindet. Man wird also im Becht sein, wenn
man ftlr die Gleichmässigkeit der Betonung der Zusammensetzungen
und Verbindungen als Ursache die gleichmässige fallende Betonung
der ersten Silbe der «-Stämme ansetzt 2).
n. Die Masculina. Die Angaben der Grammatiker sind
hier nicht einheitlich und auch nicht voll ausreichend ; selbst habe
ich beim Anhören serbisch Redender allerlei Schwankungen und
^) Abzurechnen sind immer die CasuBformen, die an sich Endbetonung
hatten, z. B. gen. pl. hrvi, p^di; bei ihnen kommt die ganze Frage der Tonver-
Bchiebung überhaupt nicht in Betracht
^ Die Bestimmung der Accentuation ist nach Budmani § 267.4 gemacht ;
Danicid, Glasn. XI, S. 31, ist unsicher: er betont zäpripovest gegenüber Bud-
mani's u zapavifed, und meint, es hiesse auch üpropästt wo nach Budmani
u propäsi zu sprechen ist.
394 A. Leskien,
Unsicherheiten bemerkt, allein die Anfstellongen von Daniciö und
Badmani sind grösstentiieils in sich oonseqnent nnd stimmen zn
dem bisher Ausgeführten, so dass man ruhig darauf bauen kann.
1) Wenn zweisilbige Stämme bei langem Wuraelyocal durch-
weg ", bei kurzem "^ mit Dehnung im Nom. sg. haben, so geht der
Hochton (als *) auf die Präposition ttber, z. B. gräd : od grada^ bog
boga : z& boga. Mit andern Worten : die Zurtlckziehung des Hoch-
tons erfolgt, wenn die erste Silbe des Casus fallend betont war, bei
zwei Präpositionen auf die erste, z. B. ^ispod hda.
2) Bei mehrsilbigen Stämmen mit ^ auf der ersten, mit " auf
der nächsten Silbe, sei dies ' stehend oder nur im Nom. sg. yor-
banden, fällt der Hochton ebenfalls auf die Präposition, z. B. mfi-
sec mfheca : n& mßsecy Kämen K&mena : ^d kaimena. Nun fallen in
diese Kategorie alle Präpositionalcomposita mit ^ auf der ersten, ~
auf der zweiten Silbe, z. B. obtak MWca :pod obläke^). Oben
(S. 369) wurde die Betonungsweise von dbläk u. s. w. daraus er-
klärt, dass der nominale Bestandtheil dieser Composition^n fallend
betont war. In dem fertigen obläk u. s. w. kann man (vgl. die Be-
merkung bei den t-Stämmen) im Serbischen nicht erkennen, ob die
Betonung der Präposition als fallend oder steigend anzusetzen sei.
Es gibt aber wieder das Bussische durch die Beispiele wie n6pe-
nycicL die Bestätigung, dass die Präposition fallenden Ton trug.
Wir gewinnen so eine ToUständige Parallele mit den i-Stämmen : M
ri/eci — od gräda ; M kosti — ^dd boga; dd zeleni — ^d kamena ;
dd propästi — M obläka; vgl. noch prtpovijest — zäpostät. Die
Grammatiker geben keine deutliche Vorschrift, wie es bei der Ver-
bindung von masc. Worten der Gestalt z&postät, rükosäd, d. h. wo
Accent "" und Quantität ~ nicht unmittelbar auf einander folgen, mit
Präpositionen gehalten wird; nach der Analogie der ^Stämme,
ü zapotnjedy erwartet man: M zapostäta, dd rukosäda. Lassen wir
diesen Fall bei Seite, so zeigen doch die oben gegebenen Parallelen
deutlich genug, dass es sich um dieselbe Regel wie bei den t-S^m-
men handelt.
1) Um keine möglichen MissYerständniBse zu lassen, bemerke ich, dass
nicht an sich die Ton- nnd Qnantitfttsfolge "» ~ bei den mehrailbigen Maacn-
linen die Versetzung bedingt, vgl. z. B. j^ziky gen. pl. jizlkä, trotzdem nicht
*^Jez%kä, sondern bdjeiXkä d. h. odjh^kä.
ünterBnoh. üb. Betonungs- n. QnantitStSYerhältiiisBe in den slay. Spr. 395
in. Die zweisilbigen Neutra auf o {e).
1) Hat die erste Silbe ^j so wird nothwendig der Hochton auf
die Präposition verlegt, z.B. zlato : dd zläta^ üjelo :p8 tij'elu^ meso :
ü meso. Es war eben der Ton dieser Silbe fallend; üjelo zeigt das
im Serbisehen unmittelbar, zu zläto vgl. russ. söjotg, zu meso slov.
meso = meso. Die von den Grammatikern hinzugefugte Bemerkung
(vgl. Budmani § 267. 2), dass die Versetzung unterbleibe, wenn die
Länge vor mehreren Consonanten stehe, z. B. sünce : iz sünca =
iz suncoj cärstvo : ü cärstvo = u eärstvo, hat ihren guten Grund ;
diese Längen sind sekundär, bewirkt durch die Stellung des Yoeals
vor Nasal oder Liquida + Cons. und haben mit der alten fallenden
Länge nichts zu schaffen.
2) Hat die erste Silbe "^y so sind die Erscheinungen für die ur-
sprünglichen Accentverhältnisse sehr interessant. Daniele (Glasnik
XI. 22) führt a) als ihm bekannte Fälle der Zurückziehung des Hoch-
tons (als "") auf die Präposition an : kälo : ü kolo^ more : ^ more,
dio : ^iz oka, pdlje : ü polje, srce : z& srce, grlo : zä grlo^ zrno : n&
zrnoy Ipito : n& ljeto<^ sPovo : dd slova^jütro : tzjutraj llrdo : ä^ brdo,
drvo : n& drvo ; b) dagegen findet nach ihm (S. 20) die Zurückziehung
nicht statt bei hl&to : t^ blato (d. i. u bläto, und so in allen folgen-
den Fällen), jUto : iz jata^ püto : t^ puto, sälo : zä salo^ sito : phd
sitomj djMo : nä djelu, mj'dsto : na mjesto^filo : zäjelo^ stMo :pbd
stadom, iMo : bd cuda ; und bei den Pluralen Kola : pbd kola^ nji-
dra : ü njedra^sila (zu s^h = *«ö/8) : pb selima^ ribra (zu ribro =
*rebrd) : ü rebra^ bMra (zu bkdro = ^bedrd) : b bedrima. Die An-
gaben Budmani's sind aus § 267. 2 und § 90. 3 zu combiniren und
ergeben dann ftlr die Zurückziehung noch die Beispiele : jMro :
n&jedrOj nSbo : nä neboy ztto : tz ittoy zv&no : dd zvona^ m&sh : dd
masla (dies letzte Beispiel der Ansetzung von Dani6ic wider-
sprechend). Sondert man, um die Quantitätsverhältnisse mit den
Betonungen verbinden zu können, die Beispiele der ersten Art
in solche mit ursprünglich langer und solche mit ursprünglich
kurzer Wurzelsilbe, so ergeben sich: 1) mit ursprünglich langer
Wurzelsilbe : srce^ grlo^ zr^noy IjMo^ jütro, irdoj drvo, fhdro^ zito,
mäslo; 2) mit ursprünglicher Kürze : kälo^ m&re^ S^o, polje, slovo,
nSboy /svdno. Diese haben alle {zvSno ist slov. nicht gebräuchlich)
im Slovenischen fallenden Ton auf der ersten Silbe, daher ikoR,
morjey okoy po^e (vgl. napolfejy slovo^ neboj also stimmt die Zurück-
396 A. Leskien,
Ziehung des Hochtons (als "") auf die Präposition im Serbischen genau
zu dem bei den t-Stämmen und den Masculinen beobachteten
Princip.
Betrachten wir nnn zunächst einmal die Beispiele, bei denen
nach Daniciö die Zurückziehung nicht stattfindet, so sind alle so
beschaffen, dass die erste Silbe einst steigend betont war. Das er-
gibt sich im Serbischen selbst aus der Verkürzung einst langer
Silben, ausserdem aus dem Slovenischen : bläto sl. bldto (vgl. russ.
6oj[6to), jäto sl. jato, püto sl. pöto, s&lo sl. sdlo^ sito sl. sito^ djMo
sl. delo^ mjesto sl. mSstOjjl^lo A.jelo^ ctido sl. cüdo, m&slo sl. mdslo.
Aus dem bisher Gesagten darf man also schliessen, dass auch bei
dieser Wortklasse die Zurückziehung und Nichtzurückziehung des
Hochtons auf die Präposition von der Tonqualität des Nomen abhing.
Aber die Regel ist bei den oben unter 2 a) angeführten Worten nicht
rein erhalten ; zwar stimmt srce : zä srce zu der erwarteten Betonung,
denn slovenisch hat das Wort fallenden Ton, «rcS, dagegen ist die
Zurückziehung bei grlo sl. grlo^ zfno sl. zrno^ Ißto sl. fe7o, jMro
f\,jütro^ brdo sl. Jrrfo, drvo sl. dhoo^f^dro sL Jidro^ zito sl. zito,
wo also überall der Ton steigend war, gegen die Erwartung. Es
wird so sein, dass die Gewohnheit, bei einer Anzahl Neutra (mit
ursprünglich fallendem Ton) den 'Hochton auf die Präposition zu
werfen, dieselbe Hochtonstelle auch bei denen hervorgerufen hat,
die alten steigenden Ton hatten (vgl. das oben angegebene Schwan-
ken bei tnäslo) . Wenn Pavic a. a. 0. S. 102 kurzer Hand die Regel
gibt, dass vor jedem auf erster Silbe mit "" betontem o-Neutrum der
Hochton auf die Präposition übergehe , und diese Regel wirklich,
wenn auch nur local, durchgeht, so wäre damit das Ueberwuchem
des einen Typus vollständig geworden.
Es würde sich noch die Frage erheben, wie das Verhalten vor
den mit "" betonten Pluralen ist. Nach Daniele heisst es pb seUma
u. s. w., findet also keine Zurückziehung auf die Präposition statt.
Aber die Angaben der Grammatiker reichen hier zu genaueren
Untersuchungen nicht aus; ich habe sogar aus dem Munde von
Serben aufgezeichnet na s&la^ eine (falls ich mich nicht verhört habe)
ganz anomale Betonung, so dass ich diesen Punkt hier fallen
lassen muss.
IV. Die Feminina auf a. Die Regel lautet hier: 1] wenn
bei langer Silbe im Wechsel der Flexion der Accent ^ in " übergeht.
Untersuch, üb. Betonangs- u. Quantitätsyerhältnisae in den sUv. Spr. 397
mnss der Hochton {^) auf die Präposition fallen, z. B. gldva : n&
glätu^ weil ace. glavu^ kä glävi^ weil dat.^2aft ; ruka^ aber n& rüke,
weil ace. pl. riike; stijhia^ aber k& stijeni^ weil dat. süj'enu Die
Veranlassang ist hier augenfällig, glävu, glavi^ ruke, aüjeni haben
eben fallenden Ton. 2) Wenn bei kurzer Silbe im Wechsel der
Flexion der Accent ^ in "^ (also damit nothwendig auf die erste Silbe
übergeht), so tritt ebenfalls der Hochton auf die Präposition, z. B.
vhda^ aber n& vodu, nä vode, weil die Accusative vddu, v&de lauten ;
planinüy aber nä planinu, weil ace. pläninu. Der Grund muss der-
selbe sein, d. h. fallender Tod, hier fallende Kürze der ersten Silbe.
Die Bestätigung wird durch das Slovenische gegeben ; dort heisst
es nom. vöda = vodä, dagegen ace. vodo^ durch Umspringen aus
vodoy mit fallendem Ton, daher auch na vodo.
Wenn nun bei der grossen Zahl der mit Präposition componir-
ten Feminina, wie näslada^ die betrefiPenden Casus ganz die gleichen
Betonungsverhältnisse zu enthalten scheinen, ace. n&sladu wie plär-
ninu, doch aber bei jenen die Verschiebung des Hochtons auf die
Präposition unterbleibt {bd naslade = od n&slade)^ so bleibt kaum
ein andrer Schluss übrig, als dass die erste Silbe von näalada nicht
fallenden, sondern steigenden Ton hatte. In der heutigen Sprache
sind nUsladu und pläninu ganz gleich betont.
Merkwürdig ist nun das Verhalten des Sloyenischen in all
solchen Fällen. Es hat nirgends den Hochton der Verbindungen
von Präposition und Casus auf der Präposition, ebenso wenig bei
Verbindung oder Zusammensetzung mit zwei Präpositionen auf der
ersten Präposition, sondern die Wirkung derartiger Verbindungen
ist sozusagen eine negative : während bei einem selbständig stehen-
den Worte dessen ursprünglich auf der ersten Silbe liegender
fallender Hochton auf die nächste übergeht, daher nebo^ gen. bogä,
ace. vodoj povesty unterbleibt das bei casueller Verbindung mit Prä-
position und ebenso bei Zusammensetzung mit zwei Präpositionen ;
der Hochton hat dann seine alte Stelle, also pred grad^ na most, iz
gräda, gen. bogä aber od boga^ nebd aber na neboy ace. vodo aber
na vodoj ace. glavo aber na glävo^ a. pl. roke aber na roke^ oblak
aber pod oblaky ebenso zapoved pripovest. Valjayec deutet das alles
auf Grund der serbischen Betonungen : nä gräd, nä mdst, dd boga,
nä neboy nä vodu^ nä gläüUy nä rüke, pod obläk, pripovijest, u. s. w.
Aber die Sache ist doch nicht so einfach. Dass diese Erklärung
398 A. LoBkien, Unteraachungen etc.
bei den slov. Femininen wie zagräda gegenüber serb. z&grada^ wo
sie YaljaYec anch anwendet, versagt, wenigstens nicht zur Evidenz
gebracht werden kann, wurde oben (S. 386) auseinandergesetzt.
Femer ist der unmittelbare Vergleich dieser Gomposita mit den
Fällen wie gen. sg. Vdga, slov. hoga^ kösti, slov. kostiy wie ihn
Yaljavec Rad 132, S. 193 anstellt, deswegen nicht stringent, weil
bei bdga, kdstiy Mläk eben der fallende Ton auf der ersten Silbe
liegt. Darauf kommt es an und darauf beruht die Möglichkeit der
Verschiebung im slovenischen boga kosü ohlak. Stellen wir uns
aber die älteste denkbare Betonung der als ein Wort empfundenen
Verbindungen von Präposition und Casus vor, also od V^ga^ na
glävq, pod obläk, SO war eben die betonte Silbe nicht die erste, und
es lässt sich nicht erweisen, dass das Slovenische die alte Betonung
in seinem od boga^ na glävo, pod oblak nicht festgehalten habe.
Ich unterlasse es zunächst, diesen Gegenstand wie andre nahe
liegende Probleme weiter zu verfolgen. Nur im Allgemeinen sei
bemerkt, dass sicher oder wahrscheinlich noch manche Eigenthttm-
lichkeiten der serbischen Betonung mit dem Versetzen des ursprüng-
lichen fallenden Hochtons innerer Wortsilben auf vorhergehende
Silben zusammenhangen, u. a. beruht z. B. die Betonung des Gen.
pl. b^isjedä von besjeda und ähnlichen Worten darauf, dass der alte
Genitiv besjed die zweite Silbe fallend betont hatte , ebenso auf-
fallende Betonungen von Verbalformen. Auf diese Dinge komme
ich vielleicht später einmal zurück.
Auf die Ansichten von ^achmatov (K'b noTopin y^apeniH vh
cjiaBHHCKnx'B H3UKax^, vgl. BeSetar, Arch. XX, S. 397) , die sich mit
meinen Auseinandersetzungen z. Th. berühren, bin ich nicht ein-
gegangen, weil es mir nothwendig scheint, das sprachliche Material
noch weiter aufzuarbeiten, ehe man zu abschliessenden principiellen
Darstellungen gelangen kann.
A, Leskien,
399
O
Beiträge zur ragnsanischen LiteratnrgescMehte,
Die Abhandlung Aber äiSko HenSetiö und seine Zeit, die im Archiv
Bd. XIX erschienen ist, fand allseits eine solche Aufnahme, dass ich
einer Fortführung der dort in Angriff genommenen mehr literarge-
sohichtlichen, als historischen Aufgaben mich schwer entziehen konnte.
Ich habe in den Sommerferien 1897 das Studium der Archivbflcher von
Ragusa 1500 f. in dieser Richtung fortgesetzt und im September 1898
noch eine kleine Nachlese unternommen. Im Folgenden werden theils
Nachträge oder Berichtigungen zur letzten Abhandlung, theils eine Art
Fortsetzung zu derselben bis zur Mitte des XVI. Jahrh. geboten.
Die Lectflre der Senatsprotokolle setzte ich Aber das J. 1500 fort
und habe die »Libri Consilii Rogatorum« 1501 — 1526 (11 Bände] ge-
lesen. Von den dazu gehörigen »Secreta Rogatorumc hat Herr Professor
Jos. Oelcich bei der Ordnung des Hauptarchivs den Band 1497 — 1537
entdeckt, der leider in den J. 1503 — 1521 eine grosse Lflcke enthält.
Aus den iProcessus secreti Minoris Consiliia 1547 — 15Q§ bringe ich
merkwürdige Daten zur Biographie des Marin DrJiic. Die Testamente
1498 — 1562 (14 Bände] habe ich nunmehr vollständig durchgearbeitet.
Ebenso vermochte ich bisher eine ziemliche Reihe der voluminösen
Bände der Diversa Notarie und Diversa Cancellarie dieser Zeit durch-
zusehen^). Viele wichtige Daten bieten drei Pergamentbände des
»Specchio del Maggior Consiglioa mit Verzeichnissen aller Aemter, die
Jahr aus Jahr ein wechselten; der erste ist angelegt 1440; der zweite
1) Exeerpirt wurden 'ans der ersten Hälfte des XVI. Jahrb. die Bände
der Diversa Notarie 1500— 1507 (7 voll.), 1514, 1519, 152^M^24, 1526—1528,
1533, 1536, 1537—1639, 1544, 1548—1550, der Diversa CaliPrarie 1505, 1514,
1522—1523, 1526—1528, 1530—1531, 1535, 1540—1541, 1550—1551. Es bleiben
demnach manche Lücken übrig. Zur Leetüre aller Bände müsste man viel
mehr Zeit zur Verfügung haben, aber auch nicht wenig Geduld, bei der Mo-
notonie des meist nur an handelsgesehicbtlichen Daten reichen Materials.
400 Const Jireoek,
nmfaBst die Jahre 1500 — 1599, der dritte (Liber specnli ezcellenlissimi
et generalis Maioris Consilii) 1600 — 1699. Anohdas »RegistroMaritaggi
dei Nobili« (1478 — 1648), einen Pergamentcodex in Holzdeckeln, habe
ich nenerdings genauer excerpirt, da ich daraus bloss einige Notizen
von meiner Reise 1878 besass, die nur das Onomastioon der Ragnsaner
berftcksichtigten.
Den Hütern dieser Schätze in beiden Archiven von Ragusa, Herrn
Ereisgerichtspräsidenten und Landtagsabgeordneten Yinoenz Mili6 und
Herrn Professor und Conservator, dem kais. Rath Joseph Oelcich, bin
ich zu vielem Dank verpflichtet.
Die Nachforschungen nach den Edelleuten sind leicht, da dieselben
als regierende Classe der Republik in den Archivbachem im Vorder-
grund stehen. Bei den Bttrgem »de populo« sind sie viel schwieriger.
So kann ich über öubranovid leider nur Combinationen vorbringen, wäh-
rend bei Eristiieviö, Vetrani6, Naljeskovi(5, Marin DrM<5 u. A. die Ana-
beute nicht gering ist. Die folgenden Mittheilungen sind meist nur
Fragmente und Bausteine, die wieder weitere Sammlungen, Nachträge
und höchst wahrscheinlich auch Berichtigungen erfordern. Doch ist bei
dem Mangel alter Privatbriefe oder Memoiren für die Cultur- und Lite-
raturgeschichte von Ragusa nur durch solche Excerpte aus Amtsbüchem
eine kritische Grundlage zu schaffen. Ich nehme mit dieser Abhandlung
für jetzt Abschied vom ragusanischen Cinquecento, um wieder zu den
Aufgaben der mittelalterlichen Oeschichte zurückzukehren.
L Zar Caltargeschiclite Ton Bagnsa in der ersten Hälfte
des XTI. Jahrhunderts.
Verhältniss zur Pforte. Austausch von Geschenken. Türkische Besuche in
der Stadt. »Signum laetitiae« bei türkischen Siegen. Furchtsame Politik
der Republik. Pestgefahr. Erdbeben 1520. Reste der Bauten der Zeit.
Piraterie. Vertheidigung und Bewachung der Stadt. Lnxusgesetze und
Eleiderordnungen. Maskeraden. Bibliotheken. Versuche die Buchdrucker-
kunst einzuführen; Projekt des Kanzlers Lucas Pasqualis de Primo (Primoje-
vi(^ 1514 mit Lob der Druckerei der Gmojeviöi von Montenegro. Buchhandel
und Bücherimport aus Italien.
In den Rathsbüchem der Zeit 1501 — 1526 stehen im Vordergrund
die Beziehungen der Ragnsaner zu den Türken, denen die Republik
tributär war, obwohl sie damals auch noch dem König von Ungarn Jahr-
gelder entrichtete, allerdings unregelmässig und ungern. Fortwährend
Beiträge zar raguBaniBchen Literaturgeschichte. 4OI
ist die Rede von Verhältnissen zum »Imperator Tnrchornm«: oder
»magnns Turchns«, zu dessen »viseriia und »bassallariia, sowie zu den
benachbarten Statthaltern, vor Allem dem Sandi^akbeg der Hercegovina
oder »sanzachus craisnichus noster« (slav. krajiSnik), der damals meist
in FoSa residirte, und dem Sand^akbeg von Bosnien in Vrhbosna (Sara-
jevo), seltener zu jenen von Scutari, Smederevo u. s. w. Sehr oft wer-
den erwähnt die nächsten Türken, die in der Festung Castelnuovo, in
dieser Zeit gewöhnlich Novi genannt, am Eingang in den Golf von Gat-
taro ihren Sitz hatten.
Fast auf jeder Seite der Bttcher ist von Geschenken an die Türken
zu lesen, vom Grossherrn selbst angefangen bis zu den Häuptern in der
Nachbarschaft oder einzelnen Besuchern der Stadt. An solchen Be-
suchern fehlte es nie. Am letzten März 1519 beschloss das Consilium
Rogatorum ein Geschenk »Saito, qni est in Bosna caput presbiterorum
Turcorumor, ebenso am 6. Juni d. J. einem Scheich, »Secho Turco, quf
est patriarcha Turcorum maior Saito et venit pro videndo ciuitatem cum
literis sanzachi craisnichi (r, im Werthe von 500 Aspem. Ebenfalls aui
500 Aspem war nach Beschluss vom 15. October 1510 berechnet das
Geschenk j»janizariis quatuor, qui venerunt ex locis vicinis, in quibus
visitauerunt suos, et donauerunt dominio nostro unum tapetum et unum
pulcrum arcum cum sagittis XXI, computata la tota depicta rnbea, sti-
mat(a) valoris ducatorum quinque in totum«. Jeder Wechsel der türki-
schen Beamten in der Nachbarschaft, jede Einladung von Seite der
Türken zu einer Hochzeit oder »ad circumcisionem filioruma, jede
Regelung der gemeinsamen Rechnungen über die Zölle oder den Salz-
handel, sogar jede Hinrichtung eines Räubers, der einen ragusanischen
Kaufmann jenseits der Grenze ermordet und ausgeplündert hatte , bot
Anlass zu Geschenken, begleitet von Trinkgeldern (beueraginm, man-
zaria) an die kleineren Leute, die ja im Reiche des Grossherrn leicht mit
der Zeit zu hohen Würden emporsteigen konnten. Auch Beamte, die
mit denRagusanern direct wenig in Berührung kamen, wurden bedacht,
so am 9. Juli 1502 »Turchus, qui querit pueros per Bosnam« (Knaben
für das JaniSarencorps), allerdings als Gegengeschenk, ebenso am 17.
Januar 1503 der Tefterdar von Natolia, »qui alias fiiit in Bosna ad eli-
gendum pucios pro Imperatoren, obwohl beides nicht ganz ohne Ursache
war. Die Türken versuchten mitunter junge ragusanische Kaufleute in
ihren Ländern zum grossherrlichen Dienst wegzuschleppen. So wurde
am 26. October 1515 Benedictus Georgii Crispi zur Pforte gesendet,
Arohiv f&r ■layisohe PhUologie. XXI. 26
402 Gonst. Jireoek,
»pro nostris javenibns mercatoribna, qnos sclani porte in locis Tarcomm
querunt accipere pro domo ImperatoriB, sicnt nobis scribnnt ex Scopia,
ubi Yoluenint accipere filinm Ser Jacobi Christ, de Zamagno et pner unns
(sie) Sebastiani Sfetilasichc, ebenso am 23. December d. J. Stephanns
Antonii Bratossalioh Bassin i) nach Sofia oder bis znr Pforte »pro filio
Ser Pasqnalis Laurentii de Sorgo, retento in Sophia pro imperatore, et
pro aliis nostris , qni sunt acceptia. Im September 1515 wnrde vom
Senat beschenkt einEmin der Pforte, »faciens descriptionem sanzachatos
Cherzegonine« oder »qui describit villas et loca Cherzegoninet, ebenso
andere solche pripisnici (emin pripisnicns), Katasterbeamte, sowie te-
losnici oder dukatnici, Steuereinnehmer der Pforte in der Nachbar-
schaft 2).
Die Geschenke von Seiten der Ragnsaner bestanden in der Regel
bei sehr hochgestellten Männern ans Silbergeschirr (taeiae de argento),
sonst ans Kleiderstoffen (drappi), Wachs (cera alba), Esswaaren (in re-
bus cibariis ; confectiones) oder Spezereien, selten in Baargeld (pecnnia
numerata). Gross ist die Auswahl der Stoffe : panni de sirico ; cauecia
de grana de scharlato; velnti leonati, carmisini; cauetium de velnto vi-
ridi scuro; cauetium de raso chremesino rubeo; cauetium pauonatium
(pavonazzo it. violett) de grana u. s. w. Der Sandiak der Hercegovina
erhielt alljährlich zu Weihnachten Fische, Frfichte und Süssigkeiten, im
Januar 1509 überdies »unam salmam maluasie et unam scatolam cotig--
nate in zucharo« (cotognata it. candirtes Qoittenbrot), im Februar wieder
ein neues Geschenk lin piscibus condendis in gelatina, confeetionibns et
aliis rebus comestibilibus«. Am 24. Juli 1508 sendete der Rath nach
Novi »piscatores cum barcha pro piscandoa für den »sanzachus craisni-
custf, ebenso am 3. October 1513 »unam barcam cum piscatoribus ad
piscandum pro sanzacho nostro in Narento, venture ad Gabellam et inde
ituro ad Popouoc, ganz wie man es seiner Zeit vor der türkischen Er-
oberung der Nachbarländer machte, als der König von Bosnien, der
Grossvojvode Sandalj oder der Herzog Stipan VukSiö in die Nähe des
Meeres kamen und sich an dem Genuss frischer Seefische ergötzen woll-
1) Ans der Familie, welcher der Dichter Antan Sasin oder Antonio Sassi
(um 1590) entstammte (Stari pisci XVI). Ein Andrea dl Matheo Sazo 1550 in
Belgrad, Dlv. Canc. 1550 f. 181 v. Stephanus Saxin Nachbar eines Hauses »in
uia lata prope S. Dominum«, Dlv. Not. 1533 f. 28.
*) Ueber die finanzielle türkiBche Beichsbeschreibung aus dem XV. und
XVI. Jahrh. vgl. Jireoek, Das Farstenthum Bulgarien S. 154—165.
Beiträge zar ragasaniachen Literaturgeschichte. 403
ten. xPisces in gelatinacr, eingemachte Fische, waren ein Geschenk, an
dem sich die so oft wechselnden Sand^akbegs von Bosnien oder der
Hercegovina allj&hrlich wiederholt zu erfreuen pflegten. Es scheint
besonders ein Erzeugniss der Insel Lagosta gewesen zu sein, deren Ge-
meinde (universitas) zu Neujahr dem Senate eine solche sgelatina pis-
ciumc zu überreichen pflegte. Am 5. März 1523 ging an den SandlSak-
beg in Mostar eine mit Caviar verstärkte Sendung ab (de cauiaro] . Auch
Zucker wurde oft gespendet, so im März 1517 dem Sandzakbeg der
Nachbarschaft «de zucharo fino panes parvulos c^ntuma, »a libris cen-
tum infraa. Die x^fructaria« der Geschenke waren Feigen, Orangen
(salma de narantiis dulcibus), Granatäpfel (salma de granatis dulcibus)
u. s. w. An Spezereien (speciaria) wird 1520 ein Geschenk erwähnt »in
pipere, canella, garrofalis et gingiberi«, 1523 eines in »canfora«. Auch
Wein, Muscateller oder Malvasier, wurde von den gläubigen Moham-
medanern aus den Händen der christlichen Kauf leute von Ragusa nicht
ungern angenommen; so erhielt der SandSakbeg von Vrhbosna vom
Senat 1511 »tres salmas moschatelli vel maluasie«, 1516 ein Geschenk
»in moscatello, malnasiis, fructariis«, 1520 ein «barile maluasie«. Zum
Brauen von Spirituosen diente wohl das »lambicumv, das der Sandl^ak
der Hercegovina auf seinen Wunsch im Mai 1523 vom Senat zugesendet
erhielt (maluasiam, vitrum, lambicum). Mitunter kam es vor, dass der
Türke das Geschenk nicht annehmen wollte, da es ihm zu gering schien
und dass er erst durch eine Vergrdsserung der Gabe milder gestimmt
wurde. Diese Verwegenheit («temeritas« heisst es in den Senatsproto-
kollen) hatten nicht nur die Veziere der Pforte und die Sandiakbegs,
sondern auch die Boten mit Briefen des Grossherm und die Emins der
Zollämter.
Das Geschenk erfolgte gewöhnlich nicht ohne Gegengeschenk, ob-
wohl in der Regel die Türken weniger und die Ragusaner mehr gaben.
Die Ueberreichung der türkischen Geschenke geschah oft ganz ceremo-
niell vor dem Minor Consiglio, z. B. durch den Eapid^ibasa oder Eehaja
des Sandiakbeg mit einem Dutzend »seruitores«. Die »dona Turco-
ruma bestanden zumeist in Teppichen (tapetum), mitunter von 5 Ellen
Länge, und Pferderüstungen (habenae; 1510 i^uusim pocriuaziam ab
equocr, pokrivaSa Decke). Sonst pflegten es zu sein: weisse Mützen
(baretizas albas, bireta de tela), Gürtel (centura), kostbare Stoffe (pecia
zambelloti ; peoias de veluto cum floribus de auro ; cauecia de veluto ;
pecia sete vocate chuthai, cnthai; unnm athlas de seta crocei coloris ;
26*
404 GonBt Jirecek,
chamncha: de cendato nigro ^) n. s.w.), Tücher (faceolos de velo), Krüge
(brooharellos), Trinkgefilsse ans Metall und Leder (samachos ab aqua ;
sumachos de corio pro bibendo; anum flaschetnm de corio deanratom ab
aqna; nnnm bochale de ramine pulcroj, Täschchen ans rothem Leder
(valisia paraa de pelle chermesina), Bogen mit Pfeilen, türkische Streit-
kolben oder Buzdogans (basdochannm de ferro ; anum basdochan, muni-
tum argentoj, Trommeln (timpanetum) und dgl. Vom Sandiakbeg von
Smederevo kamen ganze Pferdelasten Fische, Hausen und Störe aus der
Donau (1 — 2 salmas »morone et sturionic 1509, 1513). Die türkischen
Beamten aus der nächsten Nachbarschaft sendeten den Ragusanem be-
sonders zu Neujahr (in Calendis) lebendes Vieh, Kühe, Kälber, Schöpse
und Lämmer, die sofort abgeschätzt und auf den Markt gebracht wur-
den. Pferde pflegte der Senat in der Regel nicht anzunehmen oder rasch
zurückzuschenken, wohl um den Staatsschatz der Republik nicht mit
Fütterungskosten zu belasten. Dagegen wurden Jagdhunde (canis lepo-
rarius) behalten, da man sie zu Geschenken in Italien verwenden konnte.
Die in der Finanzkammer der Republik aufgespeicherten Geschenke
wurden nach einiger Zeit öffentlich versteigert ; z. B. am 8. November
1515 beschloss das Consilium Rogatorum »vendere ad publicum inean-
tum drappos et alias res, existentes in camera communis nostri de donis,
factis dominio nostro et oratoribus nostrls«, ebenso am 23. Januar 1522
über die >dona existentia in camera communis vendenda tam ad minu-
tum, quam ad simula.
Eine grosse Abrechnung über Geschenke und Anderes gab es bei
der Rückkehr der alljährlichen Gesandtschaft mit dem Tribut zur Pforte.
Die Ducaten des Tributs wurden von den Türken nicht nur gewogen,
sondern auch im Feuer geprüft (probati per ignem) . Dabei kam es jedes-
mal vor, dass sich beim Abwägen eine kleine Differenz zeigte, oder dass
gar einige dieser venetianischen Goldstücke zerrannen, wie 1511, wo
»ducati quinque, liquefacti in dicto ignea den Gesandten ersetzt wurden,
oder 1504, wo 9 Ducaten, »combusti, quando extracti faerunt ex igne«,
verrechnet werden. Auch dabei gab es Geschenke. Am 1. Juli 1512
wird den Gesandten ein Geschenk von 2 Ducaten und 20 Grossi ver-
rechnet, >quos ponunt in eorum computo dedisse mechteris Imperatoris,
qui numerant et probant ducatos tributior, ebenso eine merkwürdige
1) Ueber diese Stoffe, camocato, zendato und dgl. vgl.Heyd, Geschichte
des Levantehandels TL, 687 f. Chuthai wohl von Cataja, russ. Eit%j, China.
BeitrSge zur ragaBanlschen LiteratnrgeBohiobte. 405
Auslage für Färbung der Goldstüeke: )>aspros triginta, qui facinnt gros-
SOS viginti duos, qnos ponunt expendisse pro cohrando duc. 772, refn-
tatos a Chadaro Bani, scribano chasne Imperatoris, in despectam, qnia
non donaneriint ei nnam taciam«.
Die Türken, welche nach Ragnsa kamen, waren Gesandte, Conriere,
Nachbarn, besonders aber Eanfleute, die oft mit Seidenstoffen und an-
deren Waaren weiter nach Italien durchreisten , auf die damals von
Türken ; Peroten und Griechen aus der Türkei viel besuchten Jahr-
märkte (feria, nundinae) von Recanati bei Ancona und Lanzano bei
Ortona. Andere Mohammedaner kamen, um die italienischen Aerzte
der Stadt zu consultiren ; mitunter starb einer in Ragusa, wie Deli Chamza
Abdulacouioh, Turcus de Verbossanie, dessen Nachlass nach Beschluss
desRathes vom 10. Januar 1510 seinem Bruder Machmut, der mit einem
Brief seines Bandi^akbegs eingetroffen war, übergeben wurde. Diese
Türken wohnten nicht in dem »hospitiumc oder »la hostariac, wo z. B.
nach Beschluss vom 26. Mai 1511 der Italiener Ludovicus de Michu9io
de Aquila vornehme Fremdlinge zu beherbergen hatte («alogiare ogni
gentilhomo et altra persona da benee, mit »boni lettiff)^], sondern nach
Beschluss vom 5. Juni 1501 in einem Hause »prope S. Nicolaum«, einer
Art Earavanserai, wobei man streng darauf sah, dass das Haus keine
weibliche Bedienung habe. Am 9. Juli 1502 beschloss der Rath »de
dando libertatem domino rectori et suo minori consilio inueniendi et po-
nendi ad curam caruassarie unum bonum hominem, qui non habeat fa-
miliam femininam et qui non possit conducere feminas in dictam char-
uassartam^ cui possint prouidere de ypp. 60 in anno«, jedoch schon am
24. November d. J. fasste man den Beschluss »removere receptaculum
Turchorum de loco, in quo est factum, ob multos bonos respectus«. Der
nach Venedig reisende türkische Gesandte, der am 18. November 1514
>hic descendit propter suum barianum (Bairamfest], quem hodie cele-
brant Turci«, erhielt eine Wohnung »in domo Sandalist, in dem alten
Palast des Grossvojvoden Sandalj, der damals noch oft erwähnt wird.
Im Februar 1527 erscheint unter den »salariati« der Republik auch
«Radiz Brancouich, hospes Turcarum ad Priechi put«, also innerhalb
der Stadt 2).
Das Benehmen der Türken in der Stadt bot Anlass zu manchen
1) Ein eigenes Hospiz fUr sich hatten damals in Ragusa die Florentiner.
3) Liber Consilii Minoris 1524—1528, f. 225.
406 Gonst. Jirecek,
Klagen. Am 22. Mai 1502 wurde den Gesandten zu dem damaligen
Sand£akbeg der Hercegovina Mehmedbeg Obrenovid, Stephan 6io. de
Sorgo und Bemard Mar. de Ooze, die den Statthalter von Trebinje dnrch
das ragnsanische Canale nach Novi (Castelnnovo) zu begleiten hatten,
aufgetragen, bei ihm Beschwerde zu führen, dass die Asapi der Be-
satzung von Novi täglich zu sechs, acht, zehn Mann durch Canale nach
Ragusa kommen, einige Tage dort bleiben und sich dabei unter grossem
Lärm betrinken ij. Am 20. Februar 1522 beschloss der Senat, den
Sultan umErlaubniss zu bitten, die »levente« (Seesoldaten) ^ aus Castel-
nnovo, die ohne Briefe des Sandi^akbeg, Kadi, Emin oder Dizdar
(Festungscommandanten) kommen, wegschicken oder nicht einlassen zu
dürfen, »expellere, non dare ingressum in ciuitatem, pro obuiando sean-
dalis, qui intervenire possent ex eorum sinistris deportamentis«; nur
j)mercatores et qui habent titulum dignitatis et officii Imperatoris« sollen
stets Einlass haben. Die Aufführung dieser türkischen Soldaten in der
Stadt schildert anschaulich ein Schreiben des Senates vom 7. October
1523 an die Gesandten bei der Pforte: »Sapiale, che li dicti (Turchi)
sono tanto aroganti e superbi, che non se po hauer da loro resposta di
cossa alguna senza villania. Et la pratica loro, che fano per la cittä, di
continuo la fano con qualche iniuria nostra, intrando in le chiesie ad
nostra confusione senza alcuno respecto, anzi cum tanta insolenzia, che
uno giorno dicto sclauoj intrato cum altri Turchi in la chiesa de Sancta
Maria Magier, us5 dire: ,doue la casna^t datime questa vostra casfmV^)
doue considerate, che parole sono queste. Et Taltro giorno, inducti dal
diabolico spirito, hano cum saxo rotte li dedi ^) de la mano de la statua
de San Biasio intra le porte de la ponta. Et ultra de questo li dicti sei
leuenti per la via molestano le donne, per le quäle poteriano seguire
grandi scandali, perche in la cittä se trouano cittadini, li quali vedendo
euer oldando tale insolentie non haueriano pacientia. Et piü perche
dicti Turchi questi giomi passati se hano facto vogare per mare al pia-
cere loro fin in Ombla et in alguni altri loghi, tamen contra la volunta
nostra, perche poteria interuenir tal scandalo per mare, che tota la citta
1} Lettere e Commissioni de Levante 1493—1528.
^ Leventa, ein noch jetzt auf der Halbinsel nicht vergessenes Wort,
schon 1536 als Spitzname: presbyter Marinus Leuenta, Div. Canc. 1535,
f. 229 V.
3) Chazna tttrk. Schatz.
^) Dialektisch für le dita, die Finger.
Beiträge zur ragnsanischen Literatargesohichte. 407
se dolera, per le gente de malfare, le qnale vano per marea^). Schon
am 7. Aug. 1522 ist die Rede von einem chochiumo, den die Gesandten
»pro leventisc erlangt haben, doch scheinen die Befehle nicht streng
dnrchgefflhrt worden zu sein.
Der Druck der mächtigen Nachbarschaft des osmanischen Welt-
reiches bewog die BAgusaner manches zu ihun, was ihnen schwer vom
Herzen ging. In diesen Zeiten trafen nicht selten Nachrichten ein Aber
gewaltige Siege der türkischen Armeen. Das tributäre Ragusa musste
sich mit den Türken freuen und seine Freude öffentlich bezeugen durch
Kanonendonner und Pulverdämpf von den Geschützen auf den Mauern
und Thürmen der Stadt: »facere solitam demonstrationem letitie cam
bombardis in aduentu ad nos nuncii porte cum litteris yictorie Impera-
toris«^). Am 5. August 1516 traf ein Öaus Namens Mustafa ein, auf
der Durchreise als Gesandter nach Venedig, mit Briefen des Sultan
Selim, datirt vom 1. Juli »in Asia inpadaliate (slav. padaliste Lager,
Quartier) Gogna« (Koni^, das alte Ikonion), über einen Sieg gegen die
Perser (contra Sophianos) und mit dem Auftrag an die Ragusaner, den
Gesandten zur See weiter zu befördern ; »cum quibns literis nobis pre-
sentauit unum caput, missum per dictum Imperatorem unius ex princi-
palibus Sophianis occisis, sicut scribiter, den abgeschnittenen Kopf eines
der letzten persischen Statthalter in Kurdistan! '). Am 29. Sept. d. J.
Nachmittags kam ein ulak (Courier) mit einem Schreiben des Prinzen
Suleiman aus Adrianopel, sein Vater habe in Asien den Sultan von
Aegypten geschlagen und gefangen, ihm den Kopf abgehauen (capto
dicto soldano amputauit caput) und sein Reich erobert. Am 6. November
meldete ein Brief des Sultan Selim aus Aleppo selbst abermals diesen
Sieg »contra Soldanum Ohairi apud Alepuma ^). Am 26. Juni 1517
trafen zwei Couriere ein, mit neuen Siegesnachrichten aus Aegypten, die
am 1. Juli bestätigt wurden durch einen »uUachus seu tabellariusc des
Sohnes des Sultans aus Adrianopel, Alia, »caput de 11 seimenic. Er
überbrachte wieder einen Brief des Kaisers selbst: »subiugauit et sup-
posuit imperio suo Egiptum, Siriam cum toto Imperio Soldani Chaieri,
1) Lottere e Gommissioni di Levante 1504 — 1526.
s) Consilinm Rogatorum, 12. September 1521.
^ Vgl. Hammer, Geschichte des osman. Reiches I^, 752.
^) MittheiluDgen der Ragusaner darüber an König Ludwig II. von Un-
garn : Geloich und Thallöczy, Diplomatarinm relationum reipublicae Raga-
sanae cum regno Hungariae p. 679.
408 Oonst. Jireoek,
capto ipso noüo Soldano et sibi presentatis et interfeotis et necatis om-
nibns mamaluchisj exhortans dominium nostrum, nt faciat Signum leti-
ciev. Die Nachriclit war für die Ragnsaner wichtig, weil sie in Alexan-
dria damals einen nicht geringen Handel trieben und eben mit den
letzten Mamelnkensnltanen über ihre Handelsrechte unterhandelt hatten.
Bald folgte eine Zeit, wo das »Signum leticieci nicht mehr türkischen
Siegen gegen mohammedanische Henrscher im fernen Osten galt, sondern
den Fortschritten der Osmanen gegen die europäischen Christen an der
mittleren Donau, und wo bei diesem Kanonendonner das Herz vieler Ra-
gnsaner von aufrichtigem Schmerz um den Niedergang der Sache des
Christenthums erschüttert wurde. Am 24. September 1521 las man im
Senat einen Brief des neuen Sultans Suleiman über den Fall von Belgrad
und der Schlösser von Syrmien (de captura Beigradi et multarum alia-
mm terrarum Sremi regni Hungarie) ^j. Am 6. Juni 1522 wurde Hiero-
n3rmu8 Luciani de Bona mit Geschenken zu dem »sanzachus craisnicus
noster« nach Mostar gesendet, »in reditu suo cum ezercitu ex Groatia
cum Victoria, qui subegit imperio Imperatoris Turcorum Tninum (die
Burg Enin) et Scardonam«. Ein Brief des Grossherm meldete am
2. März 1523 «victoriam suam contra Rhodum debellatum et captum,
longa narratione pugne et ruine dicte ciuitatis et dicte capture«. Am
22. September 1526 wurde mit 30 Ducaten ein ÖauS der Pforte be-
ßchenkt, welcher die Siegesnachricht von Mohacs nach Ragusa und Ve-
nedig überbringen sollte, »cum literis Imperatoris Turcarum, factis in
partibus Hungarie in Michaceuo pogle(sic),'ubi factum est conflictum« 2).
Am 20.October bestimmte das Consilium Rogatorum eine Gesandtschaft
zum Sultan, »signo leticie nostre pro victoria parta contra regnum Hun-
garie per cum occupatumc, mit Geschenken im Werthe von 2000 Du-
caten. Am 25. October brachte Chussain Spachirogli neuerdings einen
Brief des Grossherm über die »victoria Imperatoris contra regnum Hun-
garie, per cum deuastatum et desolatum ac depredatum et spoliatum
cum maxima strage« und wurde mit kostbaren Stoffen im Werthe von
200 Ducaten beschenkt.
Mit welchen Gefühlen die gebildeten Ragusaner diese Ereignisse
1) Lateinische üebersetzung dieses Schreibens (ex lingua persiana] bei
Sanudo, Archiv za povjestnicu jugoslavensku VIU, 136; zum Schluss: »lae-
titiam pariter et exultationem faciatis«.
2) Mohacs als »Mihacevo polje« auch in den slavischen, von Prof. Bogdan
herausgegebenen Chroniken der Moldau (Archiv XV, 88).
BeitrSge zur ragaaanischen Literatargeschichte. 409
verfolgten, darttber haben wir ein beredtes Zengniss in den fftr den
Historiker beachtenswerthen Gedichten des Zeitgenossen Vetrani(5 (Stari
pisci lU, S. 44 ff.). Es ist besonders ein Gedicht über den Ruhm des
tfirkischen Kaisers (Pjesanca slavi carevoj), wo der geistvolle Benedik-
tiner den Untergang der alten christlichen Staaten des Ostens, den Fall
von Rhodos und Belgrad, die Katastrophe in Ungarn, das Unglück
Kroatiens bespricht und auch sein schwaches Ragusa, »Dubrovnik slabi
gradc^ zur Vorsicht mahnt. Mag es auch bei den Türken jetzt in Gunst
sein, soll es seinen Schätzen, Festungsmauern und der Hilfe der Christen-
heit ja nicht zu viel trauen, sondern resignirt in Frömmigkeit ohne Stolz
und Sünde dem Hause Osmans dienen (i mimo sve ino i dvori i sluH ot-
mansko koljeno, S. 49).
Die Correspondenz mit der Pforte und deren Statthaltern wurde
meist noch in slavischer Sprache mit cyrillischer Schrift geführt, aber
schon war es nothwendig, auch türkische Dolmetscher und Schreiber zu
besolden, besonders zur Uebersetzung türkisch geschriebener Urkunden.
£ivan MihaSevid wird 1508 — 1527 als »dragomanustr oder »interpres
literarum turcarumc oft erwähnt, »qui habet linguam et literas tnrcas in
perfectioneff. Neben ihm wurde am 1. Juli 1522 Thomas Pavlovid aus
Krbava in Ejroatien angestellt »pro interprete literarum turcarum, qui
optime seit dictas literas legere et scribere et linguam«, mit nur 2 Du-
caten monatlich^). Am 18. April 1523 erhielt Thomas einen Urlaub
für 20 Tage zu einer Reise nach Kroatien, »causa accipiendi quosdam
libros turcosa. Im J. 1545 erscheint in den Büchern ein Blasius Mathei
. de Brenne, interpres linguae turcicae ^) .
Die ganze Politik der Ragusaner war in Folge dieser Zustände voll
Aengstlichkeit und Vorsicht. Die Freundschaft sowohl mit den Türken
als mit den Christen hatte manche sehr unangenehme Situation zur Folge.
Die Ragusaner konnten es nicht verhindern, dass sieben türkische Schiffe
im October 1510 im Hafen von Malfi (sl. Zaton) einen spanischen, aus
Sicilien eingetroffenen Kauffahrer aus Biscaya nach hartem Kampfe
wegnahmen ^). Die Ritter von Rhodos machten sich dagegen kein Ge-
^) Der Scharfrichter (magister justicie) Baptista hatte (1513) 4 Ducaten
monatlioh.
2) Di versa Notarie 1544, f. 113 v.
^ Vgl. Consilium Rogatorum 25.-28. October 1510. In den Annales
Ragusini ed. Nodilo p. 96 erst zum Januar 1511 notirt, ebenso p. 275 zum
J. 1511.
410 Const Jireoek,
wissen daraus, auf die ragasanischen Handelsschiffe Jagd zu machen.
Ein spanischer Ritter Don Pedro Bobadilla^) begann im December 1516
mit einer Gallione von 180 Mann Besatzung ragusanische Schiffe zu
fangen. Seine Standplätze waren bei Cap Spartivento, bei Valona, bei
Gap Matapan und Cap Malea (Cauomalia) , wo er besonders den nach
Candia und Aegypten segelnden Fahrzeugen auflauerte. Im Mai 1517
sendeten die Ragusaner vier bewafiiiete Schiffe mit je 150 Mann unter
dem Oberbefehl des Michael Nie. de Bona gegen ihn. Bobadilla entfloh,
aber eines der von ihm gekaperten und ausgerüsteten Schiffe wurde in
»aquis Vallis de Comparea, in den Gewässern des alten Ithaka, genom-
men und mit zahlreichen gefesselten Gefangenen im Juli nach Ragusa
gebracht. Der Senat war aber mit den Leistungen der Flotte unzufrie-
den ; er beschloss den Bona »habere pro fallitoa, ))castigando de verbisc,
wahrscheinlich weil er den Bobadilla selbst nicht eiqgeholt hat. Die
Weiber und Schiffsjungen aus Rhodos, Candia und Oerigo wurden frei-
gelassen, die Männer eingekerkert. Schon fttnf Tage nach der Ankunft
(18. Juli) beschloss man, 7 der Gefangenen zu hängen. Am 27. August
wurde die Hinrichtung der übrigen vcursarii« festgesetzt; sechs wurden
gehängt »et reliqui decem vel quot sunt descopando^) in barcha et proii-
ciendo in mari cum saxo ad Collum« umgebracht. Von dem Rest wurde
am 28. Juli 1518 ein Genuese auf Fürbitte eines Cardinais und der Re-
publik Genua freigelassen, ebenso ein Franzose auf Bitten eines Kammer-
herm des französischen Königs, der über Ragusa nach Rhodos reiste
und »in minori consilio supplicauit flexis genibus pro dicto Duranto,
quem dixit esse nobilem Francie, juvenem captum a corsario«. Die
letzten drei Piraten, aus Rhodos, Cerigo und »de brachio Maine« ge-
bürtig, hat man am 15. August d. J. durch eine kirchliche Ceremonie
entlassen : »donati gloriose Virgini S.Marie et presentati sibi in ecclesia
sua maioriff. Bobadilla trieb indessen sein Handwerk weiter, unter wie-
derholten Klagen der Ragusaner, die den Handel nach Rhodos ganz
1) Wohl ein Verwandter des Calatravaritters Francisco de Bobadilla,
der 1500 als Nachfolger des Admirals Cristoforo Colombo den Entdecker
Amerikas in Ketten nach Spanien sendete (vgl. Pescbel, Greschichte des Zeit-
alters der Entdeckungen, 2. A. S. 275 ff.]. Die Ragusaner schreiben: Boua-
dilia Hispanus. Annales Ragusini ed. Nodilo p. 276 ganz verfehlt : don Pietro
de Cascuglia.
^ Descopare, decopare fehlt bei Du Gange, der aber copare franz. couper
angibt. Descopare cf. franz. d^couper.
Beiträge zar ragnsanisohen Literatargeschiohte. 411
verboten hatten und sich beim Papst, in Venedig und beim Grossmeister
des Johanniterordens beschwerten. Schiffe wurden gegen den Corsaren
noch zweimal ausgerüstet, ohne Erfolg. Zuletzt half eine »tagliaa, ein
Preis von 2000 Goldducaten auf den Kopf des Bobadilla, nebst einer
lebenslflnglichen Provision von 6 Ducaten monatlich für den Mörder.
Das war eine verführerische Prämie für das internationale Gelichter auf
den Raubschiffen des Spaniers. Im Januar 1519 bemühte sich der
Rhodiserritter Don Diego de Cabrera von Neapel aus um einen Frieden
zwischen Bobadilla und Ragusa.
Wegen der wiederholten Anwesenheit einzelner Türken in der
Stadt war man auch sehr vorsichtig beim Einlass von Fremden. Im Juli
1515 meldete der Comes der Isola di Mezzo, es sei dort aus den Marken
ein Mann eingetroffen, der sich für ein Mitglied der ehemaligen albane-
sischen Fürstenfamilie der Dukagin ausgibt (facit se de domo Duchagini) ;
am 24. d. M. beschloss der Senat einstimmig, sofort einen Nobilis hin-
zusenden, der diesen Reisenden unzweideutig zur Abreise bewegen
sollte ^) . Als im J. 1521, eben als das Schicksal von Belgrad auf dem
Spiele stand, ein ungarischer Gesandter, »dominus Simon, aulicus et
orator Regis Hungariea in Gravosa eintraf und dort im Kloster S.Grucis
abstieg, liess man ihn am S.April nur »secretea in die Stadt hinein und
zwar in das Franciskanerkloster bei dem Thor, wo zwei Mitglieder des
kleinen Rathes oder, wenn er es wünscht, das ganze Minor Consiglio mit
ihm sprechen sollte, aber alles ganz im Geheimen ^) . Als es dann hiess,
es werde abermals ein ungarischer Gesandter nach Ragusa um den Tribut
kommen, warteten vom 6. bis zum 13. August zwei Nobiles auf Schiffen
im Sund von Vratnik (ad Vrathnich), jetzt it. Bocche false, und bei den
Klippen der Grebeni (ad Grebenos], it. Pettini, um ihn gar nicht in die
Nähe der Stadt gelangen zu lassen ; doch er kam nicht ^) . Ebenso blieb
im Juli 1522 Gjuragj Martinid, Abgesandter des Comes Petar Krusid
und der tapferen Bewohner der Burg Clissa, versteckt auf der Insel
Mezzo und erhielt dort statt der verlangten Subvention ein Geschenk
von 10 Ducaten^). Aus diesem Grunde wurden von den Ragusanem zu
vielen Gesandtschaftsreisen einheimische Dominikaner verwendet, die
^) lieber die Dukagins vgl. Sanndo 1515, Arkiv VI, 454.
^ Gelcich und Thallöczy S. 843.
3) Liber Consilii Rogatorum 1521—1522.
*) Consilium Rogatorum 8. Juli 1522 (cuidam Giuraghio Martinich, pro-
curatori terre Clissi, ad nos misso per comitem Petarum Crusich) .
412 OoiiBt. Jireoek,
ganz nnbemerkt abreisen und znrflckkehren konnten, wie frater Bar-
tholomaens Bogissioh (1512, 1518) znm König von Spanien, frater Tho-
mas deCriena naeh Ungarn (1521), Neapel, zu König Ferdinand, frater
Clemens de Ragnina , des Dichters Dinko Ranjina väterlicher Oheim,
ebenfalls (1532) zum römischen König n. A.
Unter diesen Umständen hat die Republik auch die Verbreitung
mttndlicher Neuigkeiten und besonders deren schriftliche Mittheilung ins
Ausland strenge verboten; das Recht, mit dem Orient und Occident
zugleich zu correspondiren, sollte der Regierung allein bleiben, die es
auch mit grosser Virtuosität ausübte und den Sultan, den Papst, die Ve-
netianer und die Könige von Ungarn und Spanien stets mit sorgfältig
überlegten Neuigkeiten versorgte. Ein Verbot vom H.Mai 1496 befahl,
»quod non fiant circula per ciuitatem nostram, in quibus sunt sermones
de nouis et de principibus et potestatibuse, und verbot »interrogationes
curiosas et inuestigationes nouorum«. Ein Beschluss vom 30. Mai 1509
spricht »de providendo contra obloquentes et curiosos interrogare, le-
gere et referre de nouis publice, pro euitandis scandalis«. Am 24. Mai
1511 wurde beschlossen »de prouidendo contra loquentes et interrogan-
tes publice et in circulis de nouis« und den Provisoren Vollmacht ge-
geben » faciendi admonitiones, quibus eis videbitur, et imponendi penas,
ne quis loquatur publice de nouis vel legat literas, et castigandi contra-
facientes c. Aus den Tagebüchern des Marino Sanudo wissen wir jedoch,
wie viel Nachrichten damals gerade aus Ragusa nach Venedig kamen.
Ueber das durch geheime Gorrespondenz mit dem Ausland verursachte
bittere Schicksal des edlen Geschlechtes der Bucignolo werden wir noch
sprechen.
Es gab unter den Ragusanem dieser Zeit viele Verehrer der Gegner
der Türken. Ein Legat für die Nachkommen des tapferen albanesischen
Fürsten Skanderbeg (f 1468) machte in seinem Testament der Kauf-
mann Franciscus Marini de Francho 1503, Oheim des Polo Mich, de Stai
und des Zohan Natal Masibradich, Verwandter der Familie Nale (Naljes-
kovi^) : »Item lasse alli successori de la madonna et meiere de signor
Schenderhegh vechio, quäl aiutö una volta Re Ferdinande in guerra de
Duca Zohanne in Puglia, ducati trentaa ^). Nach den Stammtafeln bei
Hopf ist des Georg Kastriota Witwe Andronika 1500 gestorben; es
^) Testamenta Notarie 1503 f. 23 v. (Testamentum olim Franc. Mar. de
Francho, eingetragen 29. Nov. 1503).
BeitrSge znr ragnsanischen Literaturgeschichte . 413
lebten im Königreich beider Sicilien noch ihre Enkel, sowie Söhne des
Neffen Skanderbeg's Branilo. Anch das nngarische Königreich, wo viele
Ragnsaner als Kauf leute oder Gelehrte sich Ruhm oder Vermögen er-
worben haben, genoss viele Sympathien. So hat Ser Dragoe domini
Aloisii de Goze in seinem Testament 1498 den ungarischen Landes-
patronen einen Altar in der Dominikanerkirche zu Ragusa errichten
lassen: »Lasso a Sancto Dominico perperi trexento per far uno altar ad
honor de Dio et de la gloriosa Verzene et de li tre sancti de Hungaria,
Stephane, Vladissauo et Emericot^).
Viel Sorgen machte die pennanente Pestgefahr. Bei der Ankunft
aus verdächtigen Ländern mussten die Reisenden auf Öden Inseln, auf
dem scopulum S.Petri vor Ragusa vecchia, auf Meleda u. s. w. Qnaran-
taine halten. Die von der Pforte zurückkehrenden Gesandten, wie ge-
wöhnlich begleitet von zahlreichen Kauf leuten, die sich wegen der be-
waffneten Bedeckung denselben angeschlossen hatten, erhielten am 2. Mai
1513 »confine ad schopulum Lachliane c, auf der unbewohnten, heute
zum Theil mit schönem Nadelholz bewachsenen Insel Jakljan zwischen
Giuppana (sl. Sipan) und Stagno, bei den oben erwähnten Bocche false ^) ;
am 8. d. M. erlaubte man ihnen, zur Stadt in die gewöhnliche Quaran-
taine auf der Anhöhe DanSe (ad Danzias) vor dem Castell S. Lorenzo zu
kommen, aber »januis dansis«, mit »bona custodia« ^j. Bei einzelnen
Pestfällen ging man streng vor. Ein Beschluss vom 4. Mai 1503 er-
laubte den Beamten, die Häuser der unfolgsamen Angesteckten auch mit
Gewalt niederzubrennen: »quod infectis in Canali et alibi, si non obe-
dienty possint comburi facere domos et ipsos inobedientes in ipsis domi-
bus possint cbmburi facere«. Die Desinfection wurde betrieben durch
1) Testamenta Notarie 1498--1503, f. 11 (datirt 16. Sept. 1498).
^) Die Schreibung Licignana, Lichignana, Licbgnana im XIV. Jahrh.
würde zu einer römischen iwula Liciniana führen ; im XV. Jahrh. Laclana,
Lachgnana, Lachliana» insnla de la Cliana. Damals gab es hier eine Kirche
des hl. Isidor, Waldungen (arbores de zapino 1429, borovina 1473) und Wein-
gärten mit wenigen Hütten, Besitz der Familien Cerva, Saraca u. A.
8} Dance plur., gen. Danaoa. In den Diversa 1335 apud Ange, 1342 ad
An^e, im XV. Jahrh. ad Dan^as, Dancias, Danceas. Die hiesige Marienkirche
in den Testamenten des XVL Jahrh. oft beschenkt. Von der einstigen um-
mauerten Quarantaine wahrscheinlich heisst jetzt eine nahe Stelle Oradae,
1898 als Park mit schöner Aussicht auf das offene Meer eingerichtet.
414 CoiiBt. Jireceki
Verbrennen, Waschen, Ränchem der inficirten Sachen (combnrere, la-
vare, pnrgare res infectas) *).
Die Gefahr war vergrössert dnrch die Enge der dicht verbauten
Stadt. Auf der «plateat gab es vor den Häusern und den ELauf laden
überall Holzdächer und Holzhäuschen, die 1512 theilweise weggeräumt
wurden ^). Im folgenden Jahre beschloss man, eine Bude zum Olashandel
unter den Arcaden des Zollamtes [domuncula, in qua venditur vitrum
sub sponza) zu entfernen. Aus Gründen, die mit der Stadtvertheidlgung
im Zusammenhang waren, verfügte ein Beschluss vom 4. März 1508
die Ausräumung der i contra 11 ordenia angewachsenen »burgia, der
Vorstädte vor den Stadtthoren. Die »salariati nostri, zoe tromboni,
piffari, riueri, chnesaci^), bombarderi et altria, die nartesani, che exer-
citano el mestero de lana, zoe tezori, schartezeri, pectinatori, vergezeri
et garzotti et le famiglie lorocr, ebenso wie die iperlabuchia (Krämer)
und »bechariic (Metzger) mussten in die Stadt hinein ziehen. Draussen
blieben nur dioEdelleute mit einigen Bevorzugten, sowie von den Hand-
werkern ausser den Giessern (condenari) ^) »li tentori, buttari, bocha-
lari, vetrari et lo maestro dal sapone negroa. Am 23. Mai 1510 wurde
den türkischen Amaldaren oder Salzbeamten, Slaven oder Griechen, vor
den Thoren gleichfalls befohlen in die Stadt zu ziehen (amaldarii et
eorum seruitores, famuli et familie eorum omnes teneantur et debeant se
reducere ad habitandum in ciuitate) . Zugleich hat man die Bestimmung
erneuert, dass Häuser »de petra et calce vel de trauaturisa in »suburbiis
Ragusiia ohne Bewilligung des Consilium Rogatorum nicht gebaut wer-
den dürfen.
Ein grosses Unheil, Vorbote einer anderthalb Jahrhunderte später
eingetroffenen grossen Katastrophe, war das Erdbeben am 17. Mai 1520
1) Becepte gegen die Pest im Liber Consilium Rogatorum 1525—1527,
f. 195—196.
') »Facere omnino destrui omnia sofficta et domunculas de lignamine
ante stationes in platea«, »tectus et tabulas ante domos et stationes«, »quia
omnes leges clamant contra oceupationem viarum«. Weggeräumt »a via lata
versus ponentem«. Coos. Bog. 23. Juli 1512.
8) Knei^ak (enesach, chnesachus etc.) hiess im XV. — ^XVI. Jahrb. der
famulus regiminis (oder comitis in Slano, Canale u. s. w.) .
*) Oondenarius fehlt bei Du Gange. Genannt werden im Beschluss:
Paulo Radoichonich condenar, Natalino de luan Lilouich condenaro et bom-
bardero cum la saa fameglia. »Contrata vocata condenarsca uliza«, Div.Ganc.
1522-1523, f. 102.
I
Beiträge zur raguBanischen Literaturgeschichte. 415
zeitlich morgens (mane hora nndecima), gerade am Festtage der Himmel-
fahrt des Herrn ^) . Die Strassen füllten sich mit Trttmmem der Dächer
nnd Kamine, H&oser stürzten ein oder erhielten grosse Sprünge, Kirchen
nnd Klöster erlitten vielen Schaden, ebenso die Stadtthürme nnd der
Regiemngspalast (in palacio leso et aperto in plnribns locis ex terre-
motu), so dasB die gefangenen Nobiles und Bürger aus den Kerkern im
Palaste entlassen werden mussten (propter periculum carcerum concus-
sorum ex terremotu). Es gab auch Verwundete und einige Todte. Im
Beschluss der Rogati vom 19. Mai ist von diesem »terremotus maximusa
bemerkt : »si magis aliquantulum durasset, totam ciuitatem traxisset et
conuertisset in totalem desolationem cum maxima cede personarum«.
Auch ausserhalb der Stadt gab es viel Schaden. In Canale litt das Haus
des Comes, in Slano das des Kanzlers ; selbst das Kloster S. Andreas de
Pelago auf einsamer Klippe Dindiget maximis expensis reparationis«.
Sofort begann man die Strassen vom Schutt zu reinigen und die beschä-
digten Häuser auszubessern oder ganz zu demoliren. Bald nach dem
Ereigniss wurde beschlossen, an den Vigilien des Festes Ascensionis Jesu
Christi stets Processionen abzuhalten und eine Capelle der Himmelfahrt
Christi zu errichten «in cortino contiguo monasterio fratrum minorum,
nbi est cistema cum sabulo«; man kann diese Kirche heute noch sehen,
links innerhalb der Mauern, wenn man die Stadt durch die Porta Pilo
betritt^). Zahlreiche Aufzeichnungen der RathsprotokoUe betreffen die
Restauration des Regierungspalastes ^). Daraus ist ersichtlich, wie der
Platz vor dem »dvor«, wie die Ragusaner sagen, einmal dicht verbaut
war. Es gab auch Häuser zwischen dem Palast und der Kathedrale, wo
jetzt alles offen ist. Ein Beschluss der Rogati vom 13. October 1520
bestimmt »pro ornamento ecclesie cathedralis et pro ampliando campum
ante portam ponte et dictum palatium « die Entfernung eines Hauses der
Nonnen von S.Maria de Castello «ante palatium« mit dem darin befind-
lichen Spezereigeschäft des Florentiners Jac. Juliani, damals florenti-
^) Vgl. die Notizen über die Erdbeben in Ragusa in einem Codex des
Statuts bei Bogisiö, Pisani zakoni na slovenskom jugu (Zagreb 1872), S. 99.
^ Abbildung bei Gelcich, Dello sviluppo civile di Ragnsa (Ragusa 1884}
zu S. 40.
. 8) Bei der Capeila S. Asceusionis, dem Fondego delle biave und im Pa-
läste an Säulen, Fenstern, Thüren u. s. w. arbeitete Petrus Marci Andrijch de
Cnrzola; cf. Liber Cons. Rog. 1525—1527, f. 149—150. Vgl. auch Cons. Rog.
30. Dec. 1518.
416 GoiLBt Jireoek,
nischen imd venetianischen Oonsnls in Ragnsa ^) , sowie des Hauses der
Erben des Franc. Steph. de Benessa »ante palacinmc, angrenzend an
die »Camera officii artis lanee; ferner wurde beschlossen xruinare fun-
ditus omnes schalas in via, que est post dictas domos et cameram officii
artis laue, faciendo viam planam pro transitu ad ecdesiam S.Marie Maio-
ristt. Unter den Arkaden des Palastes selbst waren Kanonen aufge-
stellt; dies erhellt aus dem Beschluss vom 27. November 1522 »de pro-
uidendo pro artelariis, que stant publice sub voltis in palatio, repo-
nendisc.
Leicht kommt man auf die Frage, ob es heutigen Tages in Ragusa
und in der Umgebung noch Privathäuser gibt, die schon die Zeiten eines
Men2;eti6 und Vetrani6 gesehen haben. In den unteren Stadttheilen, die
seit dem grossen Erdbeben von 1667 fast ganz neugebaut sind, aller-
dings nicht, wohl aber in dem so alterthümlichen Viertel Pustjema.
Wenn man z.B. in der j»Ulioa od Pustjeme« von Osten durch die vielen
Sottoportici hinter den erzbischöflichen Palast kommt, sieht man rechts
in der Nfthe der durch die merkwürdige Thttreinfassung in langobardi-
schem Stil bemerkenswerthen Capelle des hl. Bartholomäus hoch oben
auf der Hausmauer die Jahreszahl 1473. Ein schönes alterthflmliches
Gebäude ist in Gravosa auf der Westseite des Hafens der Palast, welcher
dem im Herbst 1897 gestorbenen letzten Nachkommen der altberühmten
Familie Giorgi, dem Landtagsabgeordneten Marin (im Localdialect Ma-
rinica) di Giorgi gehörte. Kurz vor seinem Tode hat mir der greise ra-
gusanische Patricier sein Landhaus gezeigt. Der steinerne Bau enthält
im oberen Geschoss grosse luftige Säle mit Aussicht theils auf den Hafen,
theils auf den benachbarten Park, einen schönen alten Cypressenhain.
Eine Merkwürdigkeit ist ein Plafond mit Malereien aus den Zeiten der
Renaissance ; andere verblasste Fresken mit lateinischen Aufschriften
und Versen führen uns in Zeiten zurück, wo man das klassische Alter-
thum so verehrte. Ueber den Thüren sind auf den steinernen Portalen
oft die Buchstaben »P.S.« zu lesen. Die Tradition bezeichnet 1520 als
das Erbauungsjahr, was richtig ist, und deutet den Namen als Pasqualis
de Sorgo. Doch es war Ser Petrus Junii de Sorgo, Sohn des Junius
Pasqualis de Sorgo. In den Archivbüchern ist am 15. October 1520 ein
Vertrag dieses Sorgo mit dem Magister Siluester Antonouich de CurzoU
1) Sanudo im Arkiv za povjestnicu jugoslav. VIII, 72 ff. Makusev, Mo-
numenta I, 409 (Giuliani llorent. Gonsul in Ragnsa 1495—1533).
Beiträge zur raguBanischen Literaturgeschichte. 417
Upicida zu lesen; der Meister von CurzoU liefert bis zum nächsten
Camisprivinm »in Granosio snb zardino dicti Ser Petri« »dnos arcns
illins modi et forme«, wie die bereits gelieferten, femer wird er »snpra
pilastnun, snper qno est fons, dare omnia fomimenta et complere de
omnibns laboreriis opportnnis et necessariis«, ebenso »nnam fontanel-
lamc herstellen, alles fflr 25 Ducaten, »de bona et pnlcra petra de Cnr-
zola sine macula et de pnlcro magisterio, ad landem boni lapicide et
boni mnratoris«^).
Ungelegenheiten bereiteten der Eepnblik nicht selten auch ihre
Bürger. Ser Aloisins 6eo. Alois, de Goze hat im Sommer 1504 mit sei-
ner Garavelle auf offener See zwischen Vesta und Manfredonia einen
Akt von Piraterie verübt, an einem mit »res amicomm nostromm, vide-
licet Manfredonensinm« beladenen Ejinffahrer; im August wurde zu
seiner Verfolgung ein bewafEhetes Schiff ausgerüstet und in der Loggia
für seine Gefangennehmung ein Preis von 1 500 Perper, für seine Tödtung
einer von 1000 Perper durch den Herold öffentlich verkündet. Anfang
1515 wurde auf einen als Rebell und Pirat verfolgten Einwohner der
Isola di Mezzo (slav. Lopud), Ylachus Sachatouich, von einem ragusani-
sehen Kriegsschiff unter Stephanus Jo. de Sorgo Jagd gemacht; seine
Gallione wurde nach Bagusa gebracht, aUes Schiffsgeräth verkauft, das
Wrack selbst verbrannt, alle Habe des Sachatouich confiscirt und sein
Haus demolirt (ruinari usque ad fundum). In den Orten ausserhalb der
Stadt fehlte es nicht an Krawallen, meist wegen der Zollgesetze, so im
October 1516 in Zaptat (Ragusa vecchia) gegen den dortigen Capita-
neus. Am 28. August 1525 gab es auf der Insula de Medio einen Tumult
»contra Ser Ambrosium Nat. de Goze et drabantos et soldatos, missos
per officiales contrabandi vini«r, wobei die »insulanic als Weiber maskirt
(mascarati in vestibus muliebribus), einige Personen durch Steinwürfe
verletzten und »Ser Ambrosius vix aufugit in ecdesiam fratrum mino-
mm, percttssus cum saxo post tergadu DerRath beschloss 15 Schuldige,
darunter auch einige auf der Insel angesiedelte Lesinenser, einzufangen
und sie durch Verlust der Hand (amputari manus dextra) und Demolirung
1} Diversa Notarie 1519, f. 146. Die Testamente des Ser Petrus Jnnii de
Sorgo und seiner Frau Paula sind 1535 eingetragen (Test. Not. 1533 — 1535,
f. 92, 101 V.) ; ihr einziger Sohn hiess Pasqnalis, ihr Enkel wieder Petrus. Die
Giorgl waren die Erben dieser Linie der Sorgo. Der Fall ist von Interesse,
weil hier die Identit&t eines Privathauses mit einem vor mehr als drei Jahr-
hunderten urkundlich erwähnten ganz feststeht
ArebiT fftr •lATiiche Philologi«. XXI. 27
418 Gonst. Jireoek)
ihrer Hftaser zu bestrafen. Jedoch sind die Schnldigen, wie gewöhnlich,
rasch entkommen. Aach die Männer der Kirche yemrsachten manche
Unruhe. Am 20. October 1513 verbannte das Consilinm Rogatorom den
f rater Ohristophorns ordinis predicatorom aaf 40 Jahre wegen eines
»crimen lese Maiestatis er, begangen durch aufrührerische Affichen: »af-
fixit in valnis ecclesie Sancti Lnce hora vesperarum in vigilia eins festi-
nitatis nnam armam pictam cnm suprascriptione literis maiusculis sedi-
tiosa et pericnlosa, quam ore proprio confessus fuit sc scripsisse et iliam
affixisse dictis valuis«. Am 19. December 1521 beschäftigte sich der
Rath mit ähnlichen geheimnissToUen Pamphleten : »libellis, affixis nocte
precedenti ante hanc noctem transactam ad columnas palatii et ad valuas
ecclesie cathedralis et in logia contra nobiles, qui in dictis libellis ap-
pellantur coniurati et simul fecisse quasdam conuenticulas pemiciosas et
reipublice nostre pacem subuertentesa. In der Loggia wurde ein Preis
von 500 Ducaten auf Aufdeckung der Verschwörer ausgerufen. Im
Herbst 1518 waren die Nonnen des adeligen Klosters Sancta Clara gegen
die Befehle der Regierung so ungehorsam, dass man ihnen eine Wache
Yor das Thor stellte und ihre Einkünfte einzog ; schliesslich wurden sie
mürbe gemacht durch die Drohung, man werde ihre »schala in cortinoc
demoliren und sie dadurch ganz absperren.
Die Befestigungen der Stadt wurden damals sorgfältig vermehrt,
die Geschützgiesserei der »magistri ad fundendum bombardasa mit Onss
von Bombardon und Falconetten aus Eisen oder Bronze sehr befördert.
Es gab auch einen »magister ad fundendum ballotas de ferro a bombar-
disc. Als j)magister arcuum« wird 1503 Ambrosius de Chriseuzi (Eji-
ievci in Kroatien) erwähnt^) und als »magister faciendi schiopetos«
wnrde am 29. März 1522 »Paulus Valentinouich, Hungarus de Zagabria«
angestellt. Die Geschütze bedienten Dbombardarii«, angeworbene Be-
rufssoldaten, Ragusaner, Franzosen, Savoyarden, Teutonici, Kroaten u. A. ;
es gab eine eigene »fratemitas bombardariorum« mit einem Altar »snb
Yocabulo S. Barbaraea in der St. Sebastianskirche. Berufssoldaten waren
auch die lodrabanti« mit ihren »capitanei« und »desethniciff, meist Un-
garn, Kroaten, auch einzelne Böhmen nnd Polen, aufgestellt theils in
Ragusa, theils in Stagno, meist verheirathet^]. Die »desetnicic hielten
1) Diversa Not. 1502, f. 140 v.
^ Namen einzelner Drabanten dieser Zeit : Giurus Chouaz, Chussarus
Berezchus (1507), Michael Seremi, Andreas frater Urbani ex partibus Hunga-
rie (1510), Imber (1515), Balentus (1516), Blasius de Zagabria (1517), Gepregli
Beiträge zur ragnsamsoben Literaturgeschichte. 419
sich noch einen Schildknappen (ragacios) . Einzelne dieser Eriegslente
waren fromm und nahmen Urlaub zu einer Pilgerfahrt nach Rom. Eine
flble Geschichte war 1507 zu Tage gekommen, nämlich dass einige Dra-
banten zwei Frauen haben, eine hier, die andere zu Hause. Der Rath
beschloBS am 10. April d. J. »de cassando illos Septem drabantos, qui
habent duas uxores, ut nobis quedam fide digna persona fecit constare,
videlicet hie unam et aliam in patria suaa, doch haben yon den Beschul-
digten zwei nachgewiesen, dass ihre Lebensgefährtin wirklich die ein-
zige sei. Die Bürger, die sich stets im Gebrauche der Waffen übten,
hielten im Stadtgraben Schiessübungen mit den damaligen schwerftlligen
Luntenflinten ab. Dabei geschah es im März 1506, dass der Barbier
Marinus Bunosich, »cum jaceretnr ad bersalium de schiopeto in fossa ad
Plocias«, den Müller Nicolaus Cheraseouich »ictu schiopeti« erschoss;
doch erkannte der Rath seine Unschuld, unter der Ueberzeugung i dic-
tum casum interuenisse quodam infortunio, latente igne in schiopeto«.
Zahlreich sind die Bestimmungen über die Wachen bei Tag und
Nacht. Die Porta Plociarum wurde Abends früher geschlossen als die
Porta Pilarum, die auch Morgens früher geöffnet wurde. Bei diesen bei-
den Landthoren sassen auch bei Tag stets Drabanten und Bombardiere,
während die beiden Hafenthore (Porta della ponta und Porta della pe-
scharia) auch zur Tageszeit stets von je sechs Bewaffneten aus den
Zünften bewacht wurden. Jeder Fremde musste im Thor die Waffen
ablegen. Die Nachtwachen auf den Thürmen und Mauern stellte die
Bürgerschaft zwischen 25 und 50 Jahren, gegen eine kleine Geldent-
schädigung. Es waren 13, später 18 Wachtposten, davon 13 auf der
Seeseite, 5 auf der Landseite, von je 2 — 4 Mann ^) . Das Hauptquartier
der Nachtwachen für die Stadt innerhalb der Mauern, bestehend aus
Michagl, Urbanus (1518), Veres Mathe, capitaneus drabantorum Stagni (1520)i
Nicola Mladossouich de Canalii ein Ragnsaner, der in Ungarn gedient hatte
(1521), desethnicus Bartholus Pogliach, desethnicus Sebastianus de Moravia,
Salai Petrus, Mladhelia (1525), Andreasius de Crastouiza, Dindisi Janus, Ba-
rogne Janus, capitanei Mathiasius et Ferenzius in Stagno, ürbanus und Barla-
basius, ebenfalls capitanei in Stagno (1526).
1) Beschreibung der Postenkette Gons. Bog. 16. Oct. 1501 (mit einem
Sprichwort, »segondo el proverbio volgare: bona guardia schiua rea Ven-
tura«) und 31. Mai 1511. Der verstärkte Posten auf dem Bevellino vor der
Porta Piooe wurde zur Seeseite gerechnet Yerhältnissmässig die meisten
Posten waren um den Hafen herum und auf den Mauern der Pustjema, west-
lich vom Hafen gegen das offene Meer.
27»
420 Confit Jireeek,
20 Drabanten, 6 »riueri et chnesaehi« und 4 Mann von den Jifratig&e
delle arte«, unter dem Befehl der zwei »domini noctis« oder »signori di
nottec, befand sich bei dem Zollamt (Sponza). Es gab Zeiten, wo die
Nachtwache verstärkt werden mosste, wie im Febraar 1505 durch eine
»soprazontac von 2 Nobiles, 2 »riueria, 12 Drabanten. Die Aufgabe
derselben war die Festnahme nicht so sehr der ohne Licht herumstreifen-
den Personen, sondern besonders derjenigen, welche mit Licht, aber
auch mit Waffen Nachtschwftrmerei in den unbeleuchteten Oassen und
Laubengängen trieben, ein Treiben, dessen Reize und Schattenseiten
unseren Lesern nicht mehr unbekannt sind.
Von grossem Interesse für dieCulturgeschichte sind die zahlreichen
Luxusgesetze und Eleiderordnungen der Ragusaner, bemerkenswerth
auch im Vergleich zu ähnlichen Bestimmungen in anderen europäischen
Ländern zur selben Zeit ^) . Wir werden dieselben im Auszug mit-
theiien ^).
Ein Dprouedimentum super vestimentis mulierumcr vom 9. Februar
1503 verbietet Frauen und Jungfrauen, Kleider von Seide oder aus
Oold- oder Silberstoffien zu tragen, mit Ausnahme der Seidenärmel:
»Che da mo auanti alguna dona, tanto maritata, quanto non maritata,
non possa portar tanto in casa, quanto fora de casa alguno vestito de
seda, ne de panno d'oro ne dWzento, excepto solamente manege de
seda«. Verboten sind den Frauen (donne) und Mädchen (garzone):
»frixeti, li quali insieme con li bottoni excedano el peso de vnze sette
de perle, la Valuta de le quäl perle non exceda Valuta de duc. 4 la vnza«.
Verboten sind femer »cordelle de filo d'oro, le quäle tra le manege et
bussi excedano la Valuta de yperpyri diexe per vna vesta ouer gonella
et per li bussi soll non excedano la Valuta de ypp. quatroc Bei Ueber-
tretnng aller dieser Bestimmungen zahlt der Gatte, bei Mädchen der
Vater 100 Perper. Verboten ist auch »alguno lauorero de oro ne de ar-
zento, lauorado a filoa. »Item, che a simile pena cadono li aurifici, li
quali farano tali lauoreri, lanoradi a filo, cussi per la citta e luogi nostri,
1) Historisches über die Luxnsgesetzgebung überhaupt vgl. bei W. Bo-
scher, System der Volkswirthschaft I^, S. 563 ff*.
') Ein Venetianer fand 1555, dass die Bagusanerinnen sich schlecht klei-
den und gibt manche Details über Tracht und Sitten. Ljubid, Commissionea
et relationes venetae (Mon. bist. Slav. mer. XI) III, 73. Tracht der ragnsani-
Bchen Gesandten in Venedig 1510 beschrieben bei Sanudo, Arkiv za povjest-
nicu jugosL VI, 347.
Beiträge zur ragusanifichen Literatargeschichte. 421
como per mandarli in Inogi forestieric Dieser »ordine« galt für 20 Jahre
und wurde ausgerufen (cridato) »in logia per Andream Milissich rine-
rinm, notario dictante et legente«, ebenso wiederholt am 12. Juni
15151).
Wenige Tage später, am 1 1. Februar d. J., beschloss das Consilium
Rogatorum neue «ordines« gegen den Luxus bei Hochzeiten, mit Be-
schränkung der bisher üblichen Geschenke, ja selbst der Speisen, wobei
die Marzipane ganz verboten wurden und deren Zubereitung nur für
Kranke und zur Ausfuhr gestattet blieb. Die jBraut durfte nicht mit
Musik durch die Strassen in das Haus des Gatten geleitet werden ; nur
bei der Hochzeitstafel und den dabei üblichen Tänzen war es den Mu-
sikern erlaubt, ihre Instrumente ertönen zu lassen : j»Sponse seu nouicie,
que de cetero ibunt et traduoentur ad domos maritorum causa consuma-
tionis matrimonii, non possunt associari cum tubicinibus et tibicinibus
neque cum aliquo alio instrumento musico, possint tamen in domo, in
quo nuptie celebrantur, esse tnbicines et tibicines et alia instrumenta
musica ad sonandum ad mensam, ut ad choreas et tripudia secundnm
morem, solummodo in Ula die, qua nuptie celebrantur«. Auch die Be-
gleitung der Braut durch Männer wurde verboten: »Item dicte nouicie
siue sponse non possint associari per homines, sed solum per mulieres,
eo modo, quo associantur, quando post celebratas nuptias octaua vel
circa reuertuntur ad domum patnim aut illorum, e quorum domibus iuerunt
ad maritos c. Die sordinesc gehen streng in das Detail der Küche und
der essbaren Hochzeitsgeschenke ein: »Item quod celebrantes nuptias
non possint dare et apponere inuitatis ultra duo fercula, videlicet liqui-
dum et affatum, et de pluri lacticima pura, et post lacticima confectiones
de zucharo. Item quod dicti celebrantes nuptias non possint alicui mit-
tere ad leuatum neque in illis diebus ante nuptias aliquid esculentum
aut poculentum, prout erat consuetum, preterque ad domum nouiciarum,
ut mos est«. Solange sich die Braut bei ihrem Vater befindet, durften
die Geschenke jedesmal (singula vice) nicht 5 Pfand »confectionum de
zucharo« überschreiten, "bmarzapanis omnino exclusis, qui mitti non
possint«. »Nee etiam possint fieri ipsi marzapani per aliquem in ciui-
tate nostra, excepto pro infirmis aut pro mittende illos extra urbem et
tenutas nostras. Nee etiam possint mitti tartare pie^ arthodce (sie)»
maznize ^) et similiat . Selbst die Auswahl der Gäste blieb nicht ohne
1) Liber Gons. Sogat. 1501—1504. <} Wohl masniea; fehlt bei Stnlli.
422 ConBt. Jirecek,
Aufsicht : »Item ad aliqnod lenatam naptiarnm non possit ire nee recipi
aliquis preter eos, qni Bunt de familia nonicij, et ad penam cadant tarn
enntes, quam recipientes eos in domo nonicie«. Die Braut gibt auf dem
Gang zum Gatten Geschenke nur den Hausleuten, ebenso der Bräutigam
auf dem Gang ^ad domum sponse«, und zwar nur »de fazoletis tele com-
munis et confectionibusa. Auf alles dies sind Strafen festgesetzt, 150
Perper und 2 Monate Kerker. Der »ordoc war 20 Jahre giltig und
wurde 1515 in der Loggia abermals promulgirt.
Am 30. März d. J. fasste der Senat neue BeschlUsse als Ergänzung
der Kleiderordnung: »recusans facere cordellas de auro filato secundum
ordinem« zahlt 50 Perper Strafe; »pro manifactura et laborerio unius
paris frixetorum cum bottonis perlatum pro manicis gonellarum non
possit accipi neque solui ultra ypp. quatuora, unter Androhung derselben
GeldbuBse.
Am 5. Mai 1506 berieth das Consilium Rogatorum »de nouis fogiis
et portamentis, quibus ad presens utitur Juventus in civitate nostra, non
convenientibus honestati ciuilitatis nostrec. Am 1. Juli 1507 beschloss
der Bath »de prouidendo pro eollainis^), quod non portentur ad coUum
per nouioias, que traducentur ad nouicios in vestibus raguseis, videlicet
in guamazolis«. Am 25. Juni 1509 beschäftigte der Luxus in Kleidern
und Schmuck abermals die Rogati: »de prouidendo pro portamentis ni-
mis sumptuosis et superbis vestimentorum et omamentorum, tam yiro-
nun quam mulierum«. Daraus wurde der am 18. April 1510 genehmigte
Vorschlag »ad obuiandum portamentis introductis in ciuitate et districtu
nostro« und zwar »per refrenare li immoderati appetiti de la juventü
dissoluta, per le nouitä introducte in la citta et districto«. Die Bestim-
mungen gegen die »portamenti sfogiatia richteten sich gegen die Aber-
massige Breite der Aermel, die scheokigen Schuhe und die Luxushemden.
Verboten war »portare manege de zuponi de largeza vltra mezo brazo
raguseo, ne alguno sarto le olse farec unter Strafe von 5 Perper und
15 Tagen Kerker für den Besteller, einem Monat Kerker fOr den Schnei-
der, im Falle einer Wiederholung sogar von zwei Monaten. Verboten
waren femer vielfarbige oder schachbrettartig bunte Schuhe: »fare ne
portare calze sfozate, saluo o tuto de uno color o tute negre, senza franze
ouer frappe et senza schachi et altri adornamenti, et in quelle non possa
1) Kolajna jetzt Medaille, ursprünglich Halskette, Halsband aus ital.
oollana.
Beiträge zur ragusanischen LiteraCnrgeBchichte. 423
esBere seda de algnna sortec. Verboten war »fare ne presnma far fare
ne portare coretti cum franze oiier com li cugni de altro drappo, salno
de quelle medeaimo, che sera el coretto, intendando tanto de li pnti pi-
ooliy qnanto de li grandic. Man dnrfte auch nicht »fare ne portare ca-
mise crespate ne de mazor valor de perperi tre per nna camiBa, fora lo
colaro«, unter Strafe von 5 Perper. Die in der Loggia promulgirte Ver-
ordnung wurde am 12. Juni 1515 wiederholt^).
Sehr ausführlich Bind die am T.Juni 1515 erneuerten Luxusgesetze.
Eine Bestimmung betraf abermals die essbaren Hochzeitsgeschenke, die
auf gekochtes oder gebratenes Geflügel beschränkt wurden: »che alla
casa del nouizo de mo in auanti non se possa mandare de la casa de la
nouiza algune cose cibarie o viuande, saluo uno piatto de leKO de came
cum vna gallina euer un capon, et uno piatto di rosto de came cum una
pemise euer una gallina o altro polloc. Verboten war es dem Bräutigam
oder Anderen, Armbänder, narukvice^) zu schenken, als eine über-
flüssige, aus de Morlachei eingedrungene Sitte, also von den «Wlachenc
derHercegovina: »non mandare ne donare ad alguno nouizo ne ad altre
persone naroquize de alguna sorte, et dicte naroquize non se possano
vendere ne fare per modo alguno in la citta nostra et tenute nostre,
sotto le dicte pene, perche sono cose deriuate de Morlachia da spexa,
senza alguno seruitio«. Bisher war es üblich, dass ein fröhlich durch
die Strassen hüpfendes kolo (Reigen) der Dienstboten oder junger Männer
den Bräutigam abholte. Dies blieb fortan untersagt: >Item che da mo
in auanti alla celebratione de le noze non se possa mandare per lo no-
uizo el ballo de fantesche o de maschi, chiamato collo^ ne dicto collo da
mo in auanti possa andare per la cittjt, sotto le dicte penec
In Bezug auf Beeidung war es Frauen und Jungfrauen verboten,
kostbare Taschentücher zu tragen, »portare in casa et fora de casa fa-
zoli chiamati ptjp^H, ne altri fazoli, lauorati cum oro, argento o perlet,
die auch nicht erzeugt werden durften. Verboten waren theuere
Nadeln, »alli capi delle cordeile et de licordoni de le gonelle, borti et
barchani et de altri vestimenti agi de argento euer de oro, ne indorato«;
die »orefici« durften sie nicht mehr machen. Auch der Prunk in den
Schürzen war untersagt : »gremiali de velo, ne lauorati ouer adomati
cum oro, argento o perle«. Die Verordnung betraf auch den Luxus im
1) Lib. Gons. Bog. 1508—1511.
^ Narukya, narukvica, smaniglia, maniglia, armillae, brachiale Stulli.
424 Const. Jireoek,
Pelzwerk : »saioni de grana, qnanto de altro colore de lane francesche
et algnno Baione de altre lane non possa essere fodrato cnm algnna sorte
et qualita de pelle, salao cnm agneline oaer Tolpe«^) ; ebenso waren
▼erboten »pellize de altra sorte de pelle, salao de agneline oner volpe«,
was anch den »pellizaria eingeschärft wnrde. Weitere Bestimmungen
betrafen den Hals- und Eopfsohmack; verboten waren ticollaine de oro
oner indorate, et non possa portare in testa bochete ne rechami de oro,
argento et perlet.
Fflr die Männer wurden die Bestimmungen von 1510 wiederholt
und verboten: »zuponi o manege de zuponi bastonati ne rechamatic,
»zuponi sgolati, zoe senza coUaro«, »mantelli sgolati ne crespati ne fo-
drati cum alguna sorte et qualitä de seda, excepto de cendato et cum
coUaroc, »camise ne bragesse de drappo de seda ne lauorate et adomate
de rechamo, ne cum franze o frappe, ne schachate ne fodrate cum sedaa.
Wer nicht Doctor oder Ritter war, durfte keine goldenen Halsketten,
»coUaine« tragen. Verboten waren Birette aus Seide oder mit Gold-
stickereien und Perlen: J>barette de seda, ne rechamate ouer adomate
cum oro ouer tremolanti o cum perle a. Goldschmiede oder Schneider
hatten für die Uebertretung dieser Gesetze eine Geldstrafe von 20 Du-
caten und überdies 6 Monate Kerker zu erwarten ; ein Edelmann (zen-
tilhomo) sollte 50 Perper zahlen und blieb 5 Jahre »private de tuü offi-
cii«; ein «popolano o plebeio« zahlte gleichfalls 50 Perper, kam aber
noch auf ein Jahr in den Kerker^).
Schon im nächsten Jahre, am 28. März 1516, erliessen die Rogati
eine neue Verordnung über den weiblichen Schmuck, die klar zeigt, wie
die bisherigen Gesetze wenig befolgt wurden : »quod aliqua mulier, tarn
maritata, quam non maritata, non possit a modo in antea aliquo modo
portare in ciuitate et extra ciuitatem in tenutis nostris super gonelia et
alia vestimenta ad morem Raguseum aliquem frisium noue fogie neque
alias nouas fogias, preterquam solitas cordellas de auro et portamenta
concessa per ordines et prouisiones nostras, sub pena ypp. centum ma-
rito mulieris contrafacientis pro qualibet vice«. In Abwesenheit des
Gatten zahlt »ille, qui haberet curam familie domus«, bei Ledigen der
Vater »vel sub cuius cura esset«. Die Schuldige wird überdies persön-
lich auf 5 Jahre durch Entziehung des Rechtes, erlaubte Paradekleider
^) Ein Zusatz vom 12. Juli 1515 sagt: »sotto dioto vocabulo de saioni se
intendano etiam coretti«, aber man darf sie tragen »de carisee«.
^ Liber Cons. Rog. 1513—1516. Erneuert 13. Juni 1526.
Beiträge znr raguBanischen Literaturgeschichte. 425
zn tragen, getroffen : »non possit portare gonellam de soarUto neqne
aliqnas perlas ad manicas gonellarnm, neque eordeUas de aaroff, unter
Strafe von 100 Perper.
üeber Maskeraden und Maskentftnze bei Hochzeiten liest man etwas
in einem Beschluss vom 2. Mai 1524 ^). Einigen jnngen »nobiles, qui
fnemnt mascharcUi noctis tempore in domo Franc. Mattei de Stagno in
suis nnptüsc, wurde wegen irgend eines Scandals der Process gemacht.
Ser Marinus Steph. de Bona kam auf sechs Monate »in carcerem sub
scalasa, wobei »cibaria eidem dentur per fenestrellam carcerisc. Mari-
nus Franc. Mar. de 6oze, Paulus Mar. Pol. de Basilio, Clemens Nat. de
Goze, »qui cum aliis mascharis baUauerunt in domo Franc. Mattei de
Stagno noctis tempore in eins nuptiis, volentes vi ducere secum diaconum
Yincentium pifarum, servientem in dictis nuptiis pro pifaro« hatten einen
Monat »in carcere sub dragone« abzusitzen, wo ihnen die Speisen gleich-
falls durch die »fenestrella dicti carceris« gereicht werden sollten. Ma-
rinus Nat. de Goze, Hieronymus Jacobi de Georgio, Nie. Ant. Mich, de
Ragnina, Nie. Pasch, de Caboga, Junius Nunt. de Lucha^}, und Blasius
Hier. Blas, de Sorgo, »qui similiter fuerunt mascharati in nuptiis Franc.
Mattei de Stagno, faciendo tripudium seu hcdlum in domo ipsius Fran-
cisci noctis tempore«, wurden freigesprochen.
Wichtig sind einige Nachrichten über die Bibliotheken der Stadt.
Es gab nicht nur zahlreiche private Bflcherliebhaber, sondern auch
öffentliche Sammlungen. Die Elosterbibliotheken waren nämlich nicht
allein den Klosterbrüdern, sondern auch allen Freunden der Wissen-
schafton unter den Stadtbewohnern und den fremden Gästen zugänglich.
Deshalb hat die Republik die Errichtung eines Bibliotheksaales im Do-
minikanerkloster mit einer Geldspende unterstützt. Am 23. April 1501
beschloss das Consilium Rogatorum »de conuertendo in fabrica librarie
conuentus predicatorum ypp. 300 legati fratris Dom. Mich, de Restis,
facti communi nostro .... secundum supplicationem et petitionem fra-
tmm dicti conuentus, quia dicta libraria erit ad honorem Dei, ad decorem
1) Liber Cons. Rog. 1523—1525. Ueber die Maskeraden in der ragus.
Poesie vgl. Dr. Milorad Medini, Dubrovaoke poklade u XVI. i XYH. v^eku,
Ragnsa 1898 (S.A. aus dem Gymnasialprogramm für 1897—98).
^) Die Patricier de Lucha waren ausgezeichnet durch das ungewölmlich
hohe Alter, das sie zu erreichen pflegten : Ser Nunciatus Nicolai de Lucha
geb. 1457, starb 1531, 84 Jahre alt, Ser Nicolaus Baptiste geb. 1463, starb
1546, 83 Jahre alt, dessen Bruder Johannes, geb. 1464, starb 1550, 86 Jahre alt.
426 Oonst. Jirecek,
(sie) dicti connentns et ad consolationem tarn omninm ciuiiim nostromni,
qnam adnenamm dinertentiam in oiuitate nostrac. Am 27. Hftrz 1511
beschloBS dasselbe Consilium, den Predigermönchen noch 300 Perper zn
leihen, >nt possint complere librariam«. Vollendet wnrde der Bau (nach
Serafino de Cerva) im J. 1520.
Unter den privaten Bflchersammlem dieses Zeitalters war der her-
vorragendste Georgias de Cruce (Erusiö). Ein Nachkomme einer be-
rühmten Adelsfamilie der Stadt, wnrde er als Jüngling von mindestens
20 Jahren, bereits mit dem an einer italienischen Universität erworbenen
Magistertitel geschmückt, am 27. November 1466 in den grossen Bath
aufgenommen, war 1469 einer der sechs Gonsules des Oivilgerichtes,
später aber ist er, wie es im i>Specchio del Maggior Consiglioc heisst,
»ingressns religionem«. Im J. 1470 begab er sich nach Ungarn und
stand dort in grosser Ounst bei König Mathias. Nach Bagnsa heimge-
kehrt, war er zuletzt seit 1493 Bischof von Mercana und Trebinje und
dabei öfters Vicar des Erzbischofs von Bagusa i). Er starb am 21. Nov.
1513 und wnrde am selben Tage »sepultus in capella, quam construxit
vivens in ecclesia S. Simeoniscr. Das Testament des Bischofs Georg,
))viri doctrinaet religione omatissimi«, an demselben Tage in die Perga-
mentbände der »Testamenta Notarie a eingetragen, ist von ihm 1505 >in
domo mea suburbana« eigenhändig lateinisch niedergeschrieben worden.
Von seinem seit Jahren mit Eifer und Fleiss gesammelten Bücherschatz,
dem »thesaurus mens« und diesem »totius presentis vite mee incundissi-
mum solaciumcr, spricht er darin mit rührender Freude und Begeisterung.
Nach der Grabrede, die ihm Aelius L. Cerva hielt, waren es an 2000
Bände; »omnis enim civitas ad illius bibliothecam confluebamusa, und
der Besitzer selbst las darin bei Tag und Nacht. Bischof Georg ver-
machte seine Bibliothek zu gleichen Theilen den ELlöstem der Domini-
kaner und der Franziskaner und stiftete auch eine Summe, um die
Bücher durch eiserne Eettchen an die »bancia befestigen zu lassen.
Ausdrücklich ersucht er die Vorsteher beider Klöster, sie soUen allen
»bonarum artium studiosis viris, qui legendi gratia libros meos adire
cupierinttf, wohlwollend in freundlichster Weise den Zutritt gewähren,
1) Dominus Georgias de Cruce, episcopus Merchanensis et Tribuniensis
ist z. B. am 24. Oct. 1493 (Div. Canc. 1492, f. 176) und am 1. August 1494 (Cons.
Bog.) ausdrücklich genannt. Farlati's Illyricum sacrum, dessen Angaben oft
mit Vorsicht nachzuprüfen sind, hat VI, 300 hier zwei Georgii, zuerst einen
frater Georgius 1493—1498, dann erst 1498 f. den Georgius de Cruce.
Beiträge zur ragnBanischen Literaturgeschichte. 427
damit diese siit vieler Mfihe gesammelten Schätze nicht unter dem Bcheflfel
yerborgen bleiben ^). Von diesen Bflchem ist naoh den vielen Stflrmen,
welche die Stadt getroflTen haben, nicht viel übrig geblieben. Die Biblio-
thek der Franziskaner, grösstentheils neu gesammelt von Fr. Innoc.
Öuliö, ist bekannt aus der Beschreibung von Dr. KaznaSi6 ^) . Die Biblio-
thek der Dominikaner z&hlte noch im XVin. Jahrh. nach der Beschrei-
bung des Serafino di Cerva an 10 000 Bände, darunter viele Pergament-
handschriften und Incunabeln. Ihre Beste hat unlängst Conte Dr. Const.
Vojnovi^ in den »Starinec Bd. 28 (1896) ausfllhrlich beschrieben.
Eine öffentliche Gemeindebibliothek wollte der im August 1529
gestorbene Presbyter NicoUms Mich, Bameo (Bameus) errichten.
In seinem vom 1. April 1527 datirten Testament (Beilage 3) vermachte
er seine ganze »librariac der Gemeinde, unter der Bedingung, sie soll
vtrovare nna officina in loco publice et locare ditta libraria ad honore
1) »Item lego uniuersam meam]bibliothecam, quam longo tempore et
multo studio comparaui, que quoqne et totius presentis vite mee incundissi-
mum solacium fuit et future, ut spero, adinmentum non mediocre erit, duobns
conuentibus in ciuitate Ragusii existentibus, scilicet conuentui Sancti Demi-
nici et conuentui Sancti Francisci, juxta ordinationem meam per literas manu
propria exaratas equali portione justissime diuidendam et pacatissime reci-
piendam, et insuper lego viginti ducatos, uni prefato conuentui decem et al-
ten decem, ut cum eis ipsis ferree cathenule emantur, quibus libri mei omnes
bancis illigati vel affixi perpetuo in utraque bibliotbeca permanebunt. Et ad
hec ambomm conuentuum prelatos et presentes et futuros vehementissime
rogo, ut propter deuotionem, quam maximam erga eos semper tuli, et ob sin-
gularem charitatem, quam vera operis exhibitione in huius potioris thesauri
mei pia legatione amiciter impendi, post huiusce vite mee ex benigna Deipare
aduocatione fellcem decessum suis frugiferis atque immortali Deo acceptissi-
mis orationibus inter legendos libros meos animam meam, quo in Christo do-
mino felioiter requiescat, frequenter atque salnbriter jnvare felicitareque
curent Et postremo eosdem quoque fratrum presidentes rog^, ut omnibus
bonarum artium studiosis viris, qui legendi gratia libros meos adire oupierint,
benignum ac patulum aditum humaniter prebere velint, ne tale tantumque
talentum lucubratissime industrie mee a teneris usque annis graul corporis
animique sudore partum sub modio, ut aiunt, sepultum, sed iuxta summi ma-
glstri verbum super candelabrum lucens omnibus docilibus discipulis >aper-
tissime facillimeque patere possit.« Testamenta Notarie 1512 — 1516, f. 84 v sq.
Ein älteres Testament des Georgins de Gruce von 1470 bei Farlati, lUyricum
sacrum VI, 301 ; vgl. den Auszug aus der Bede des Aelius L. Gerva bei Raoki,
Starine IV, 192.
^ Eaznaciö, BibUoteca di Fra I. Öuliö nella libreria de' RB.PP. Frau-
cescani di Bagusa, Zara 1860. Vgl. F. Backi, Rad 26, 183.
428 Const Jirecek,
della patria et ntilitä della gioventiL Ragasina et consolatione delli pro*
yetticr. Sollte diese Bedingnng binnen einem Monat nioht erfollt sein, so
sollen die Bfleher an die Meistbietenden verkauft werden. Ich vermag
heute nicht zu sagen, ob die Gemeinde diese Verfügung angenommen
hat* Einzelne Bände hinterliess Bameo dem Kloster des hl. Jakob von
Visnjica, sowie dem Ehester von Meleda, femer dem Ber Bemard Mar.
di Binciola und dem Geistlichen Marin de Benediotis. Ausgeschlossen
von diesen Schenkungen blieb eine Reihe alter Manuscripte, über die ich
noch berichten werde. Was den Büchersammler selbst anbelangt, so ist
sein Name wohl aus Bmja ^), dem heute noch landesüblichen Diminutiv
von Bernardo, zu deuten. Genannt wird von seiner Familie ein zweiter
Geistlicher Pre Michael Bameo, 1523 jpcurie archiepiscopalis scriba et
notariusff, und eine E^tharina, Wittwe des vor 1501 verstorbenen Paulus
Mich. Bameus. Es waren jedenfalls wohlhabende Bürger der Stadt.
Don Nicolaus Mich. Baraeo, seit 1498 oft genannt, hatte ohne Zweifel
in Italien studirt und dort den Grad eines Doctors beider Rechte er-
worben. Sein Yerhältniss zur Vaterstadt war nicht immer ungetrübt.
Am 8. November 1501 beschloss das Consilium Rogatorum im Einver-
ständniss mit dem Vicar des Erzbischofs, ihn vor den Rector und das
Consilium minus mfen zu lassen, mit der Aufifordemng, er soll die ohne
Erlaubniss der Republik erworbenen »bullas Sancte Annunciate« aus-
liefem, unter Androhung der Folgen seiner »inobedientiac. Im J. 1504
erscheint Bameo, damals Eiiplan der St. Andreaskirche, als »officiaiis
fratemitatis sacerdotum S.Mariae Maioris«, der Eathedralkirche. Am
8. Juni 1510 verbannte das Consilium Rogatorum den Don Nicolaus
Bameus gar auf zwanzig Jahre aus der Stadt, wegen öffentlicher Belei-
digung der Republik, »gravitate oblocutionis prolate ante forum alta
voce et malo animo in Maiestatem Reipublice nostrec. Doch wurde der
Verbannte bereits am 27. Nov. 1511 wieder begnadigt, und bei der
Wandelbarkeit der Gemüther geschah es, dass man ihn durch Besehluss
vom 14« Dec. 1512 sogar als Vertreter der Republik nach Rom sendete,
üeber seine Verwandtschaft sind einige Nachrichten von Interesse. Zu
den damals keineswegs seltenen ünthaten junger Patrizier gehört 1501
die Verwundung, welche Ser Johannes, Sohn des verstorbenen Ser Bar-
tholus de Bona, einer »cognata presbyteri Nicole Bameic beibrachte,
»cni destmcta et vulnerata fuit manus, ex quo vulnere perdidit dictam
1) Im XVI. Jahrh. in Ragusa Bergna, Bergniza.
BeitrSge zur ragoBanischen Literaturgeschichte. 429
mannm« ; das Oonsiliiioi Rogatomm beBchftftigte sich mit diesem Cri-
minalfall seit März d. J. und Temriheilte zuletzt am 17. Juli den Bona
zn empfindlichen Strafen. Eine Nichte des Don Nicola Bameo, Nicoletta
oder wie man sie in der Krajina nannte, Barbara, war verheirathet an
den Conte Petar Pavlovi^ ans der Krajina von Makarska^]. Von ihren
fttnf Söhnen wurde der älteste Paul »per disgratia di suo padrec Moham-
medaner; der jüngste Tadeo starb in Ragnsa während des Pesljahres
1527; die übrigen drei, Nicolo, Georgi und Bartholo, lebten noch, als
Don Nicola sein Testament schrieb. Bei diesen Verwandtschaftsverhält-
nissen ist es nicht aufißUlig, dass in dem Ragusaner Hanse des Don Ni-
cola unter der Strasse Prieki put neben Büchern auch Waffen, Panzer,
Säbel und dgl. zu finden waren, über die er in seinem letzten Willen
verflgte.
Eine reiche Bibliothek besass das Benediktinerkloster des hl. Jakob
zu Visnjica südlich von Ragusa. Sie wird auch nach dem Tode des be-
rühmten Historikers, des Abtes dieses Klosters Aloisius de Gerva (Tnbero)
erwähnt. Ser Siffismundus Philochristus de Oorgiata, filius quondam Ser
Junii Sigismundi de Georgio^ bestimmt in seinem am 9. Juni 1533 einge-
tragenen Testament: »E perche io ho di libri in mia libraria, ligati et
desligati, circa pezi numero ducenti, come appare per inventario, voglio
che siano dati alli monachi di Sto Jacomo de Visgniza, per tenerli, dove
se potrano legere c ^) . Auch in anderen letztwilligen Verfügungen dieser
Zeit ist die Rede von Büchern, so in der des D, Marmus de Benedictis
(früher meist Marinus Benchi cimatoris genannt), artium doctor, 1505—
1508 und 1510 — 1512 Rector der Stadtschule, zuletzt plebanus S.Bla-
sii, eingetragen am 15. Nov. 1537. Er errichtete eine geistliche Stiftung
für einen Priester aus dem Bürgerstande, mit besonderer Berücksichti-
gung seiner eigenen Verwandtschaft. iCui lege libros meos, exceptis iis,
quorum mentionem hie fecero« : »Titum Livium, Solinum, Comucopiam
et Margaritam poetaruma vermachte er dem Seraphinus Ors. de Za-
1) Sohn des Paul Petroviö aus den Radivojeviöi oder Vlatkovidi (Stamm-
tafel beiKovaoeviö, Godisnjica X, 214), genannt bei Einkünften aus dem Haus
der Familie in Ragusa >ad Pnstemam in via vocata Pobiana vliza« 1497 (Div.
Not 1496—97, f. 132), 1499 (Div. Not .1499, f. 36 v.) u. 8. w.
^ Testamenta Notarie 1528—1533, f. 195. Einen Sisko Gjorgjid zu Anf.
des XVL Jahrh. bezeichnet Appendini als Verfasser eines 1611 in Ron\ ge-
druckten Gebetbuches. Dr. Milan von Resetar, Primorski iekcionari XV. vi-
jeka, Rad 134, S. 118 (S.A., S. 39).
430 Const. Jireoek,
magno 1). Aber je weiter man die Testamente des XVI. Jahrh. liest,
desto seltener werden Erwähnungen von Büchern.
Neben den Bibliotheken sind von cultnrgeschichtlicher Bedeutung
die Projecte zur Gründung einer Buchdruckerei in der Stadt. Es
wäre auffallend, wenn in einer Zeit, wo in so vielen Städten Italiens
zahlreiche kleine Druckereien thätig waren und wo selbst in den nahen
Gebirgen Montenegros Bücher in der neuen Art yeryielfältigt wurden,
in Bagusa nicht Jemand an die Errichtung einer typographischen Officin
gedacht hätte. Ein Ragusaner hat sich ja in derselben Zeit in Italien
und in Frankreich als Buchdrucker und Verleger einen berühmten
Namen gemacht, Boninus de Boninis de Roffmia. Er hat sein Vater^
land vor 1478 verlassen, zuerst mit Magister Andreas de Paltasichis aus
Cattaro in Venedig (1478) gearbeitet, später in Verona (1481), dann
längere Zeit (1483 f.) in Brescia, dort in Compagnie mit dem Florentiner
Miniatus Delsera und später allein, und liess sich zuletzt in Lyon nieder
(1491 f.). Seit 1508 verschwindet seine Spur. Mit seinen Landsleuten,
besonders mit dem Bischof Georgius de Cruce, blieb er in Verkehr 2).
Serafino Cerva behauptet, dieser Buchdrucker sei ein Verwandter der
Nale oder NaljeskovieSi gewesen. In der That hiess ein Zweig dieser
Familie, über die wir noch sprechen werden, im XV. und XVI. Jahrh.
Dohridy Dobriöeviö und einzelne Mitglieder derselben Dohruschus
oder latinisirt Bonus ^ Boninus ^ Bonicus, Der Name Boninus war
auch ausserdem in Ragusa nicht selten. Ein Canonicus Boninus de To-
lentis de Gurzola, decretalium doctor, war 1444 — 1465 Vicar des Erz-
bischofs von Bagusa. In der Mitte des XVI. Jahrh. werden unter der
Bürgerschaft erwähnt ein Bonino de Piero Zupan oder Giupanouich und
ein Boninus Mathei de Stai. Eine Oertlichkeit über dem Meer zwischen
Ragusa und dem Hafen von Gravosa heisst heute noch » Bonino voc, von
einem dieser Bonini.
Zu Anfang des XVI. Jahrh. werden Pressen und Lettern, sogar
cyrillische, in Ragusa ausdrücklich erwähnt. Prof. Luko Zore verOffent*-
i) Testamenta Notarie 1536, f. 135.
«) Vgl. M. Breyer, 0 Dobrisi Dobridu Dubrovoaninu, »Vienac« 1897, S.
516—519. — Jedna od zbiraka Dra V. Bogisida. Zbirka slovenskih inkuna-
bula. Dnbrovnik 1898 (SA. ans dem Kalender Dnbrovnik für 1898), S. 5—13
(Nr. 2, 3, 10 — 31). — Die von Eukuljeviö aufgebrachte slavische Form seines
Namens Dobrisa Dobriö ist nicht urkundlich (eher Dobrasko Dobriöevid,
Dobriö).
Beiträge zur ragUBanischen Literaturgeschichte. 431
lichte 1876 im Rad jugoslavenske akademije Bd. 34, S. 154, Anm. 3
eine Stelle aus dem Testament des 1502 verstorbenen Geistlichen huka
Ecuiovanoviö, nach welcher derselbe dem Don Paul VukaÜnaüiö ein
»torcnlo da imprimere libri cum soi ponzoni de lettera sohiava cnm soi
argazic vermachte, das sich in seinem Hanse befand^}. Ein ausfuhr-
liches Excerpt ans dem Testamente dieses am 14. Jnli 1502 verstorbe-
nen Kaplans der Nonnen von Sancta Maria de Castello im hochgelegenen
Ältesten Theil von Ragnsa theile ich in den Beilagen (1) mit. Aus die-
sem Docnment erfahren wir nichts darüber, wie diese Drnckerpresse in
den Besitz des Don Lnka Radovanovi6 gelangt war. Wir wissen anch
nicht, ob er dieselbe zum Bflcherdmck wirklich verwendet hat. lieber
Radovanovid selbst kann ich nur noch sagen, dass er 1490 Pächter des
kirchlichen Bodens auf der Insel Mercana war, die anch in seinem Testar
mente erw&hnt wird. Bekannter ist Don oder Pre Polo Vuchassmo-
uichj stets mit dem Beinamen »librarius«, »libraro«, »librer« genannt.
Im J. 1493 baute er in Gravosa eine Kirche mit Campanile ^) und wird
seitdem als Zeuge, Epitrop n. s. w. sehr oft erwähnt ^j. Don Nicolaus
Bameo ernannte ihn in seinem am 1. April 1527 verfassten Testament
zu einem der drei Executoren, denen er seine Projecte zum Druck von
Büchern in Ragusa selbst anvertraute. Doch ist Presbyter Paulus Yu-
cassinouich librarins, zuletzt Kaplan der St. Lucaskirche, schon wenige
Wochen später in Podstranje im nahen Thale von Breno an der damali-
gen Pest gestorben, nachdem er dort am 20. April 1527 sein Testament
itaüenisch niedergeschrieben hatte ^).
Das merkwürdigste Stück, ein Gesuch (1514) um ein Privilegium
für eine Druckerei mit lateinischen, griechischen und cyrillischen Lettern,
1) Citirt auch von Dr.G.A.Eaznacid, Alcune pagine su Ragusa (Ragusa
1881) S. 4, wo gelesen wird »sei ponzoni . . . co* suoi argazzi«. Das Orig. hat
soi (suoi).
^ Diversa Cancellarie 1492, f. 129.
^ Er ist nicht zu verwechseln mit presbyter Paulus Vuohceuich diotus
Tamparizay f 1550 (Testamenta Notarie 1549, f. 51 v— 52). Das ist wohl der
Presbyter Paulus Uuchzich, einer der epitropi des Radovanoviö und einer der
gastaldi fraternitatis presbyteromm 1524 (Div. Not. 1524, f. 60v) und der
presbyter Paulus Uulcatius, capellanus ecclesie S. Nicolai infra muros Ra-
gusii 1537 (Div. Not. 1536, f. 164). Ein dritter Geistlicher ähnlichen Namens
war presbyter Helias Yuchichieuich alias Ztfp» {Testament 1501 in den Testar
menta 1498, f. 142).
«) Testamenta Notarie 1525—1527, f. 129.
432 CoiiBt. Jirecek,
knüpft sich an die Geschichte der Familie de Primo oder slavisch iVi-
mojeviö. Das Project ist in der neueren Literatur nicht unbemerkt ge-
blieben. Prof. Oelcich bespricht es in einem interessanten Buch über
die Familie der OhmuSeviöi und Aber die Beziehungen der ragusanisohen
Marine zu Spanien im XVI. — ^XVII. Jahrb., doch hat seine Notiz nicht
die Ycrdiente Beachtung gcAinden ^). Die Primojeviöi waren ein bürger-
liches Haus, dessen Nachkommen erst nach dem grossen Erdbeben von
1667 unter den Stadtadel aufgenommen wurden^). Die Mitglieder der
Familie dienten in der Zeit des MenSetiö und Dr£i6 durch zwei Oenera-
tionen hindurch in der Kanzlei der Bepublik für slavische Correspon-
denz (lidioma nostrum« im Liber Beformationum 1501, »idioma dalma-
ticum«, »matemuma 1502). Ein Sohn des Primus de Bon und seiner
Frau Badula (f 1503), Pasqualis Primi de Bon, in slavischer Form
Paschoie Primoeuich, in den lateinischen Stadtbüchem meist Pasqualis
de Primo (oder P. Primi) geschrieben, war 45 Jahre lang Kanzler der
slayischen Ejuizlei, von 1482 bis in das Pestjahr 1527. Am 20. Febr.
1527 wurde das »testamentum providi viri Paschalis de Primo, can-
cellarii in lingua seu idiomate sclauo excellentissimi dominii Bhagusini«
registrirt, verfasst am 5. d. M. in italienischer Sprache ^). Von Pasquals
und seiner (seit 1482) Gattin Lucretia vier Söhnen wird der älteste Se-
bastiano (Bastiane) bei Handelsgeschäften genannt. Die übrigen drei
haben alle in der Stadtkanzlei von Bagusa gearbeitet. Troianus Pas-
qualis de Primo war seit Februar 1525 Goadiutor des alternden Vaters
in der slavischen Kanzlei und 1527 — 1536 sein Nachfolger im Amte.
Des Troianus Nachfolger als slavischer Kanzler war wieder sein Bruder
Nicolaus Pasqualis de Primo 1536 — 1550. uns interessirt hier ein
vierter Bruder, Lucas Pasqualis de Primo ^ der in der lateinischen
Kanzlei angestellt war. Seine Ernennung war eine Neuerung; an Stelle
der bis dahin seit dem XTTT. Jahrh. regelmässig aus Italien berufenen
Secretäre treten allmählich geborene Ragusaner. Schon im October 1503
wurde der Ragusaner Don Marinus Marinchi (de Florio, seit 1504 Rector
der Schule) auf drei Monate als Coadiutor in der Kanzlei angestellt,
^] Prof! G. Gelcich, I conti di Tuhe^j. Contributo alla storia della ma-
rina dalmata ne' suoi rapporti coUa Spagna. Seconda edizione. Bagusa, Pret-
ner 1890, S. 37^39 (mit Abdruck des Projectes).
s) Annales Ragusini ed. Nodilo p. 163.
>) Testamenta Notarie 1525-<1527, f. 68 v: lo Paschal de Primo, can-
cell<> in lingua slaua, vechio e debile del corpo etc.
Beiträge zur ragasanischen Literatargeschichte. 433
w&hrend der Abwesenheit eines der italienischen Kanzler ; er sollte da-
bei Bcribere poliizas, dohanas, dare et ostendere libros, acceptare scrip-
tnras cancellarie. Am 19. Januar 1504 wurde LnkaPrimojevic Coadiutor
auf acht Monate und blieb seitdem in der lateinischen Kanzlei. Slavisch
schrieb er daneben auch gat; wir werden noch ein in cyrillischer Schrift
von ihm registrirtes Testament vorlegen. Daneben wurde er auch zu
Gesandtschaftsreisen verwendet, wie sein Vater; z. B. 1524 reiste er in
Angelegenheiten ragusanischer Kaufleute nach Neapel. Er starb drei
Jahre vor seinem Vater, am 25. September 1524, und hinterliess seine
Frau Aniza, Tochter des Florio de Andrea, die in erster Ehe mit einem
Fiorio verheirathet gewesen war, und drei Söhne, Pasqualis (schon 1516
volljährig erklärt, später Geistlicher), Zohanne Fiorio, Zohanne Piero ^).
Im März 1514 legte der Kanzler Lucas Pasq. de Primo dem Con-
silium Rogatorum eine italienisch verfasste Bittschrift vor, in welcher er
darlegte, er wtlnsche zur Ehre Gottes, der christlichen Religion und sei-
ner Vaterstadt, »essendo la cittä Vostra nominata et extimatain molte
parte del mondocr, in Ragusa die Kunst des Buchdrucks einführen,
»l'arte et exercitio de stampar libri«. Anfangs wolle er, bis einheimische
Leute diese Kunst erlernen, zwei gute Meister des Buchdrucks aus Italien
bestellen, einen Dstampator« und einen »tiratora, nebstallen nöthigen
Instrumenten und Geräthen. Bttcher wollte er drucken lassen >de bona
et bella scripturav in lateinischer, nach Bedarf auch in griechischer
Sprache und überdies noch »in lottere rassiane al modo, che usano li
callogeri dela religione rassiana in loro chiesie«. Bei dieser Gelegenheit
hören wir das Lob des Buchdrucks der Fürsten Cmojeviöi in Montenegro,
ausgesprochen von einem Zeitgenossen: »de simile lottere, che haueano
comenzato Zamoeuichi, che (zu verstehen ist: opera, stampa) per tuto
era laudata et apreciata«. Die erste Druckerei der Fürsten der Zeta
wird also in Bezug auf Form und Inhalt ihrer Erzeugnisse als ein allge-
mein anerkanntes Muster hingestellt. Daran schliesst sich ein Lob der
kirchlichen Literatur in der Drassianischen« Sprache: »et in questo
ydioma se trouano libri et authori dignissimi, maxime in cose sacre et
ecclesiasticheir. Die Verantwortlichkeit über die Auswahl der Druck-
werke scheint Lucas de Primo von sich ablehnen zu wollen; die Meister,
1) Testamenta Notarie 1519—1524, f. 229. Das Test. Annizae, uxoris
Ser Luce Pasq. de Primo, von 1518 eingetragen erst 1561 in den Testamenta
1555, f. 208. Presbyter Paschalis, filius quondam Ser Luce Pasqualis de Primo,
cancellarii communis Ragusii, Div. Not. 1536, f. 221.
ArohiT fftr slaviache Philologie. XII. 28
434 Const Jireoek»
sagt er, werden >nno intelligente a haben, der sie leiten wird. Um die
grossen Einrichtungskosten bestreiten zu kOnnen, bittet er den Senat,
ihm, wie es bei der Einfllhmng anderer Gewerbe oft geschehen war, ein
Hans und ein Geschftftslooal auf dem Hanptplatz anweisen, sowie Zoll-
freiheit für das eingeführte Papier gewähren zu wollen. Die Hauptsache
ist aber ein Privilegium, nach der in Italien Ablieben Art, auf 15 Jahre,
vor deren Ablauf Niemand als er allein die Buchdruckerkunst in Ragusa
und dessen Territorium ausflben dflrfe. Zum Schluss wird nochmals auf
den Nutzen dieser Kunst fflr die Edelleute, Bflrger und Nonnen der
Stadt aufmerksam gemacht. Das Consilium Rogatorum bewilligte am
8. März 1514 mit 38 gegen 5 Stimmen das gewünschte Privil^um.
Ein vom Consilium minus anzuweisendes Haus und eine ostalio ad pla-
team«; beides »sine solutione afifictus alicuius«, wurde mit 33 gegen 10
Stimmen in Aussicht gestellt. Sollte aber Lucas Pasq. de Primo inner-
halb eines Jahres die Arbeit nicht beginnen, so erlöschen alle diese Be-
günstigungen. Ein Jahr später hatte Lucas die Druckerei in der That
noch nicht eröffnet und suchte deshalb um eine Verlängerung des Ter-
mins um acht Monate an, was ihm das Consilium Bogatomm am 13. März
1515 mit allen gegen zwei Stimmen bewilligte (Beilage 2).
Vergeblich suchten wir in den Raths- oder Notarialbflchem der
nächsten Jahre eine weitere Nachricht über dieses Unternehmen. Luka
Primojevii^ ist es wahrscheinlich nicht gelungen, die nöthigen Meister zu
gewinnen ; vielleicht fehlte es ihm auch an Geld.
Von Bttcherdruck lesen wir dann in dem bereits erwähnten Testa-
ment des Don Nicolaus Mich. Bameus [\ 1529). Von seinen Schen-
kungen ist eine Reihe alter Codices ausgenommen, »libri antiqui, ligati
et desligati, scripti cor acter e langobardot^ wahrscheinlich aus Unter-
italien, aus den Benedictinerklöstem von Monte Cassino u. A., theologi-
schen Inhaltes, Werke von Remigius episcopus Remensis, Beda, Inno-
cenz III. u. A. Die Bücher hatte Bameus während seiner Verbannung
1510 nach Italien mitgenommen und wollte sie dort drucken lassen, doch
glückte ihm dies nicht, wegen der vielen damaligen Kriege und Pest-
krankheiten. Seine drei Testamentsexecutoren, Ser Bernardo de Bin-
ciola, Don Marino de Benedictis und Don Paulo Vukasinoviö bat er,
seinen Plan auszuführen ; er habe eigens drei reiche Männer dazu aus-
ersehen, »accio che essi li faccino imprimere qui in Magusi con aiuto
della Signoria«. Sollte dies aber nicht möglich sein, so sollen sie die
Codices dem Kloster des hl. Jakob zu Visnjica übergeben (Beilage 3).
Beiträge zur ragnsanischen Literatargeschichte. 435
In einigen Handbflchem wird angegeben, in Ragusa habe der
Bflcherdmck im J. 1524 begonnen ^). Doch beruht dies auf einem MIbs-
verständnisB. Anlass dazu gab eine gedruckte Zeitung aus diesem Jahre :
jiEpistola Michaelis Bocignoli Ragusei ad Oerardum Planiam, Oaesareae
Maiestatis secretarium, in qua exponit causas rebellionis Axmati (sie) a
Solymano Turcarum imperatore« eto., zwei Quatemionen (A, Bj oder
8 Bl&tter, ohne Angabe des Druckortes. Der Brief selbst ist zum Schluss
datirt Ragusü, 29. Juni 1524 ^j. Dieses Datum wurde irrthflmlich als
Druckort angesehen. Bei den Verboten der Sepublik gegen jede Cor-
respondenz Aber Ereignisse in der Nachbarschaft nach auswärts und bei
den Schicksalen des Bueignolo selbst, die wir noch erörtern werden, ist
die Annahme von Ragusa als Drnckort ganz ausgeschlossen. Die Bro-
schüre ist eher in Wien oder in Deutschland gedruckt worden ^) . Eine
Druckerei wurde in der Republik erst im XVUI. Jahrh. eröffnet.
Buehhändler waren in Ragusa die »librarii«, Don Paul Vuka&i-
noviö (f 1527), Sebastiano de Boiso aus Mailand (f 1555) und Antonio
de Odolis aus Brescia. Was die Ragusaner dieser Zeit zu kaufen und
zu lesen pflegten, erfahren wir aus einem Inventar von drei Eisten
Bttcher, welche 1549 der Buchdrucker Traiano Navö aus Venedig durch
Vermittelung des Don Nicolaus de Gozze, Archipresbyter der Kathedrale
^) Dr.EarlFalkenstein, Geschichte der Buch druckerkanst, Leipzig 1840,
40 S. 395 im chronologischen Verzeichniss der Dmckorte. Von dort wieder-
holt in den CoUectaneen P. J. SafaHk's bei Dr. C. Zibrt, Ffisp^vky ke studiu
bibliothecmch soustav a zaHzeni, Prag 1898. Graesse, Lehrbuch einer allg.
LiterSrgeschichte aller bekannten Völker der Welt, III, 1 (Leipzig 1852),
S. 218: »Mit dem Datum von 1524 führt Gotton, Typogr. Gazett. p. 236 einen
Druck von Michael Bocignolius Schrift Über den Tflrkenkrieg von Ragusa
an« (im Register der Druckorte Ragusa 1524 mit Fragezeichen).
2) Ein Exemplar in der kais. Hof bibliothek in Wien (40. Q. 130). In der
Sammlung Eukuljeviö in Agram eine handschriftliche Copie (Enjii^eynik II,
311). Den Inhalt des Briefes bildet die Geschichte des Aufstandes des Statt-
halters von Syrien Ghasalibeg (1520 — 1521), sehr abweichend von der bei Ham-
mer, 2. A., n, S. 18 — 19 dargelegten. Daran schliesst sich eine ausführliche
Erzählung über die Walachei und deren Fürsten an; in ital.Uebersetzung bei
Jorga, Pretenden];! domnesci in secolul al XVI-lea (Analele der rumän. Aka-
demie, II. Serie, Bd. 19), S.A., Bukarest 1898, S. 79—82. Zum Schluss ein
Bericht über die Abweisung eines türkischen Angriffs auf Clissa und über
den Fall von Ostrovica.
8) Euknljeyiö, Stari pisci I, Vorrede S. XXVIU bezeichnet Wien als den
Druckort.
28*
436 Const. Jirecek,
von Ragusa, an Antonio de Odolis sendete (Beilage 4). Es waren fiber
700 Exemplare, darunter auch nicht geheftete Stücke (a risma). Die
damalige Begeisterung ftlr das klassische Alterthum ist an der ganz
stattlichen Menge der lateinischen und griechischen Autoren in Original
und Uebersetzung zu sehen, die durch ungefähr 200 Exemplare vertreten
sind. Am meisten begehrt waren Cicero, Horaz und Ovid. Es fehlen
neben den Dichtem nicht die Prosaiker, Herodot, Xenophon, Polybius,
Plinius, Appian, Plutarch u. A. ; im griechischen Original finden sich
vor Homer und Hesiod. Ausser den lateinischen i^Elegantiaec von Laur.
Valla und Grammatiken gab es auch griechische Handbücher von Eonst.
Laskaris und Theodor Gazes. Neben Euklid und Dioskorides war in
dem Bficherladen des Antonio de Odolis das medicinische Buch des Paul
von Aegina, eines Byzantiners des VH. Jahrb., zu haben. Die mittel-
alterliche lateinische Literatur ist vertreten durch Petrus de Grescentiis
über den Ackerbau und den Alchimisten Amaldus de Villanova, durch
Notarialformulare und durch Theologica, wie denn auch Bibeln, Evan*
gelien, Episteln, Legenden u. A. nicht fehlen. Zahlreich sind in dem
Verzeichniss die neulateinischen Werke von Poggio (die Facetien), Lau-
rentius Valla, Pontanus, Aldus Manutius, Erasmus von Rotterdam, sowie
die der italienischen Historiker Marcus Antonius Sabellicus und Paulus
Aemilius. Bemi oder Bernia mit den Erzeugnissen seiner burlesken
Dpoesia bemescaa, Ariosto mit seinen Schauspielen, Sonetten und epi-
schen Dichtungen und der damals in Venedig lebende Pietro Aretino
stehen unter den Italienern im Vordergrund, neben Petrarca, Castiglione,
Machiavelli, Varchi, Giraldi, dem Historiker der venetianischen Türken-
kriege Guazzo, den »Viaggie ungenannter Autoren u. s. w. Sehr beliebt
waren alle Stoffe der Earlssage: die i^Reali di Francia«, i»Bovo d'An-
tonac, der »Morgante maggiorec des Pulci, der »Orlando innamoratoi
des Bemi, der »Orlando fnrioso« des Ariosto, die »Marfisaa des Aretino
und des Giambattista Dragoncino, die »Lacrime d'Angelicaa des Are-
tino. Dazu gesellen sich »Innamoramenti«, wohl der Roman von Florio
und Biancifiore, und »U Meschinoc. Von Schauspielen waren begehrt
die des Ariosto und Giraldi.
Beitrüge zur ragasanischen LiteraturgeBchichte. 437
IL Znr lateinisclieii Literatar der Bagnsaner.
iVoleius Blasii de Babalio und der Kanzler Joannes Laurentius Reginns aus
Feltre. Petrus Marini de Menze, poeta laureatus (f 1508). Carolus Pauli de
Puteo (f 1522). Aelius Lampridius Cerva als Rector der Schule, Castellan von
Stagno (1495) und Sokol (1504—5), zuletzt Canonicus (f 1520). Der Abt Aloi-
sius Cervinus, genannt Tubero (f 1527).
üeber die ersten neulateinischen Dichter der Humanistenzeit in Ra-
gusa kann ich etwas Genaueres mittheilen. In der letzten Abhandlung
bezeichnete ich als wahrscheinlich den ältesten derselben den Volcius
Blasii de Babalio (VnkBobaljevid), einen hervorragenden ragnsanischen
Diplomaten des XV. Jahrb., der den letzten byzantinischen Kaiser^ die
letzten griechischen Despoten von Morea, den Despoten Georg von Ser-
bien, den Herzog Stipan VQkSi<5, den König Ladislaus Posthumus und
andere berühmte Zeitgenossen persönlich kannte ^). Die Nachricht des
Kukuljevi^, auf die ich mich berief, stammt ans des Serafino di Cerva
um 1 740 verfassten »Bibliotheca Ragusina 1 2). Der gelehrte Dominikaner
aus der alten Ragusaner Schriftstellerfamile entnahm seine Notiz einem
Codex des Klosters des hl. Jakob zu Visnjica, welcher lateinische und
italienische Gedichte des Joannes Laurcntins Reginns ans Feltre enthielt,
eines Notars der Ragusaner um die Mitte des XV. Jahrb. ^) : »Plura ad
Voltium nostrum epigrammata dedit, in quibus virum laudat, litterarum
studüs addictum, librorum copia praeditum et egreginm dignumque
Aonio choro poetamf. Ein Gedicht wird mitgetheilt: »Ad Voltium Bo-
balium, patricium Ragusinum, Joannes Laurentius Rheginus« :
Se tu sei dormentato, per svegliarti
Et risonando udir tua dolce lira,
Laqual cho tal Stupor Apollo mira,
Che parmi vol di lauro verde omarti etc.
*) Volcius Blasii de Babalio, 1440 Mitglied des grossen Rathes, »obiit in
Ungaria« (ohne Jahr) nach dem »Specchio«. Sein Altersgenosse war Michiet
VoIqo de Babalio, f 1475. Bei Serafino di Cerva wird der Dichter wohl irr-
thflmlich als »Voltius, Michaelis filius« bezeichnet: ein Volcius Michaelis de
B. (Vlksa Misetiö) gehört in die Zeit um 1405, Spomenik XI, 50.
^ Auf meiner Reise 1897 benutzte ich eine Copie, 4 voll. fol. (das Auto-
graph ist bei den Dominikanern in Ragusa) in der Bibliothek des Gymnasiums
von Zara, wobei ich der zuvorkommenden Unterstützung des Bibliothekars
Herrn Prof. V.Brunelli, eines allen Freunden der Geschichte Dalmatiens wohl-
bekannten Historikers, dankbar gedenke.
3) üeber diesen Kanzler vermag ich leider nichts N&heres anzugeben.
438 Gonst. Jireoek,
Der Codex ist nicht yerschoUen. Durch die Freundlichkeit eines
Nachkommen der alten Patricier von Ragusa, des Advocaten Herrn Dr.
Mato von Zamagna, lernte ich das Verzeichniss des umfangreichen Nach-'
lasses eines als Büchersammler bekannten Geistlichen der Stadt kennen :
«Catalogo dei libri rari, manoscritti e membranacei, appartenenti alla
biblioteca relitta da Don Luca Paulovid. Ragusa. Alle spese della massa
ereditaria 1889« (8<>, 30 S.)- Pavlovi6>] besass zahlreiche Ineunabeln
lateinischer und griechischer Klassiker, sowie eine Anzahl Handschrif-
ten auf Pergament und Papier, meist theologischen Inhaltes. Nr. 775
des Catalogs ist bezeichnet: »Giov. Lorenzo Regino di Feltre, cancel-
liere della Rep. di Ragnsa (1460 circa], poesie diverse ital. e latine, ms.
autogr. 4®, vi mancano poche pagine in principio e in finea. Das ist
wohl die Handschrift, die Serafino di Gerva einst » in Saigaoobaeo asce-
terioc gelesen hat. Die Bibliothek des Don Luca Pavlovi6 scheint über-
haupt viele Reste der in den Zeiten Napoleon's I. verschleppten Biblio-
theken der aufgehobenen Benediktinerklöster von Meleda, Lacroma und
St. Jakob zu enthalten. Sie befindet sich jetzt im Besitz eines Ragnsaner
Juristen, des Herrn Dr. M. Graciö. Die archivalischen Aufgaben, die ich
binnen wenigen Wochen zu bewältigen suchte, gestatteten mir leider nicht,
diese Büohersammlung aufzusuchen. Die Handschrift könnte jedenfalls
manche Aufschlüsse über die Literatur von Ragusa im XV. Jahrb., in
der Zeit zwischen Philippus de Diversis und Aelius Lampr. Gerva bieten.
Babalio gehört in die Mitte des XV. Jahrh. Von den besser be-
kannten lateinischen Poeten der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts
war der älteste der »poeta laureatusoc PetrtM Marini de Menze, Sohn
des Ser Marinus Petri de Menze ^) und Bruder des Savinus. Geboren
1451, wurde er in das Gonsilinm malus aufgenommen am 1. Dec. 1472,
1) Don Luca Pavloviö war ein leidenschaftliofaer Sammler, ja manches
hat nach seinem Tode in die — Archive zurückgestellt werden müssen (vgl.
Spomenik XI, 24). £r war ein Sonderling, der in seinen letzten Lebensjahren
in merkwürdige Wahnideen verfiel. So soll er behauptet haben, das alte Rom
sei in — Epidaur (Ragusa vecchia, sl. Gavtat) gewesen, wo er sogar auch die
sieben Hügel ausfindig machte; erst die Venetianer hätten in den Hand-
schriften des Livius and anderer Historiker überall den Namen Epidaur ge-
löscht und Roma dafür gesetzt!
*) Nicht des Marinus Lampridii de Menze, wie ich im Archiv XIX, 62
meinte. Der Dichter ist auch nicht zu verwechseln mit seinem Zeitgenossen
Petrus Andree de Menze, geb. 1459, in das Gonsilium malus aufgenommen
1479, •{• 1522.
1
Beiträge zur ragiuaiiiBohen Literaturgeschichte. 439
21 Jahre alt. Er hat in Italien wahrscheinlich die Rechte stndirt; in
den Bathsbflchem wird er daher als »dominus« oder i^misser« titulirt,
nicht einfach als Ser^). Bald finden wir ihn in den Aemtem, als einen
der drei officiales der »Lavorieri de pagamentof 1473, der drei »officiali
de scritta d'armamentoc 1477, 1479, sowie der drei »fontigieri« in der
»gabella del fontico« 1485, daneben als einen der sechs »advocati del
proprio« 1484, 1487 und noch dreimal bis 1497. Er war zu sehr Kind
seiner Zeit, um nicht bei Oelegenheit auch mit der Wucht physischer
Kraft aufzutreten. Im Juli 1484 wird vor Gericht geklagt, dass Petrus
Mar. de Menzis decapillavit et verberavit cum manibus Yocaz petrarium
»prope Sanctnm Petrumc^). im Juli 1486 heirathete er Nicoletta,
Tochter des Ser Zohanne di Buchia ') . In den jährlich wechselnden
Aemtem der Republik war er unter den »advocati del comun« 1488,
1496, 1499, unter den drei »officiali deir arte di lana« 1489, 1491,
unter den 21 Mitgliedern des Appellationsgericbtes von 1491 angefangen
öfters bis 1499, unter den fünf »cazamortia 1495, unter den sechs »con-
soli delle cause civiliv 1498. Dreimal war er Oonte von Stagno, 1495,
1502, 1506, daneben nochmals »advocato del proprio« 1501, 1505. Als
Procurator der Klöster und Kirchen, wozu stets je drei Nobiles auf drei
Jahre bestimmt wurden, wurde er gewählt für die Dominikaner 1490,
fflr die Franziskaner 1494, fflr das Kloster S. Maria Angelorum 1499.
Die Rectorswilrde bekleidete er im December 1504. Ausserdem finden
wir ihn auf Oesandtschaftsreisen, z. B. 1501 nach Gattaro, Anfang 1503
bei SkenderbaSa, dem Sand&akbeg von Yerchbossania (Sarajevo), im
November d. J. bei Mechmetbeg, dem Sandi^ak der Herzegovina, an der
Narentamflndung, 1504 in Venedig. Sein Testament ist registrirt am
4. Februar 1508: »testamentum nobilis viri etpoete domini Petri Mar.
dcMenoe, nudius tercius deAinctia, ganz lateinisch geschrieben, während
die Testamente dieser Zeit in der Regel italienisch redigirt sind 4). Unter
1) Wo er den Dichterlorbeer erlangt hatte, ist nicht bekannt. Damals
war dies gar nicht so schwer. Vgl. die Satire des Giammario Filelfo »in vul-
gus eqnitum auro notatomm ... et poetarum laureatorum« bei Abbate Giro-
lamo Tiraboachi, Storia della litteratura itaL VI, 2 (Napoli 1781), p. 253—254;
vgl. Georg Voigt, Die Wiederbelebung des class. Alterthums, 3. A. (Berlin
1893) 1,531.
s) Lamenta de intus 1484, f. 146.
3) Registro Maritaggi de Nobili f. 10 (Ivit ad maritum 1486, 18 Julii).
«) Testamenta Notarie 1506, f. 61 sq.
440 Const. Jireoek,
Anderen ist darin die Rede von 120 Dacaten, »missi emptum pannos in
Britanniam de mea rationeir ; der Dichter hat sich also von den Handels-
geschäften seiner Mitbürger nicht fem gehalten. »Libros meos omnes
Yolo yenumdari, si Joannes mihi filins discere nolueritc Seine Wittwe
Nicoletta starb 1 539 1). Sein einziger Sohn Johannes hat nach Art fiber-
mttthiger Herrensöhne gelebt ; in den Protokollen des Consilimn Boga-
toram ist am 12.Febrnar 1517 zu lesen, dass Ser Johannes dominiPetri
de Menze snperioribns diebus animo premeditato interfecit ad plateam
Blasiam Radossani Ginrasseuich. Dieser Jagendstreich hinderte den
Sohn des Poeten später nicht an der Wahl zu verschiedenen Aemtem ; er
war Comes 1528 in Slano, 1529, 1535 auf der Isola di Mezzo, 1531 in
Canale. Von den drei Töchtern des lorbeergekrönten Dichters war Or-
snla oder Ora seit November 1516 verheirathet an Ser Stephanns S. de
Benessa, Aniza seit 1526 an Ser Sigismnndus Ju. de 6oze; die dritte,
Maria, blieb unvermählt. Serafino di Cerva im Xyni.Jahrh. kannte den
Rohm des »poeta laureatas« Petras Mentias, aber von seinen Gedichten
war ihm nichts mehr bekannt : »Qaamvis nallam hac nostra aetate scrip-
toram atqne poematom Petri Menzii sapersit vestigiam, illam nihilomi-
nas eximiam faisse poetam et immortali lande dignam nemo negabit«.
Charakteristisch für die geringe Intensität der Qaellenstndien des Sera-
fino di Cerva ist der Zweifel, ob der Dichter den Nobiles dieses Na-
mens oder einer gleichnamigen Bürgerfamilie angehörte; bei einem
Einblick in die Archivbflcher kann doch über diese Frage nicht der
kleinste Zweifel obwalten ^j .
Ein wenig jünger war Ser Carolas Pauli de Poza oder latinisirt
de Puteo^ Sohn des Ser Paulas Nie. de Poza. Geboren im J. 1458,
wurde er mit 20 Jahren am 4. Nov. 1478 in den grossen Rath aufge-
nommen. In den Aemtem wird er oft genannt: 1488 und wiederholt in
den folgenden Jahren unter den »advocati del proprio«, 1499 unter den
»advocati alla camera deir arte della lana«r, 1506 als Conte von Stagno,
1511 als Conte von Slano, 1516 — 17 als Conte von Canale, 1515, 1519,
1) Ihr Testament ist am 7. Aug. 1539 registrirt in Test. Not 1539, f. 33.
^) Im Katalog der gedruckten Bücher des British Museum findet man
unter dem Namen Petrus Mentius zwei Werke, eine Oratio pro capessenda
expeditione contra infideles, habita in capella palatii apostolici 1490 und eine
Relation des Bischofs von Cesena an den Papst »super falsis brevibus aposto-
licis«, Rom 1497. Dieser Römer Mentius ist mit dem Ragusaner Menze nicht
identisch.
Beitrüge zur raguBanischen LiteratnrgeBohichte. 441
1520 als Mitglied des Consilinm Rogatorum. Am 19. März 1500 hei-
rathete er Nicoletta, Tochter des verstorbenen Ser Aloisio de Giorgi ;
seine Söhne Pandnlphns (f 1555) nnd Raynaldns Caroli de Poza erschei-
nen im XVI. Jahrh. in verschiedenen Aemtem, Pandnlphns z. B. 1542
gleichfalls als Conte von Slano,' nachdem er früher, 1535, auf einer
Handelsreise in Chios gewesen war. Carolns de Poza starb im Febrnar
1522 ^]. Er besass von seinem Vater einen nicht unbedeutenden Besitz;
bei der »parzogna« (Theilung) mit seinem Bruder Pandnlphns 1503
fielen ihm zahlreiche Ornndstücke auf der Insel Zupana, ein Haus in
Zaptat (Ragusa vecchia) und Weinberge in Gravosa zu ^) . Befreundet
war er mit dem Bücher sammelnden Bischof Georgius de Cmce ; unter
den Testamentsexecutoren des gelehrten Prälaten erscheint »dominus
Carolus, fauste memorationis Pauli de Puteo filius«. i» Carolns, Slani
praefectus«r, der des Aelius Lampr. Cerva Alascivientia carmina laces-
sivita 3), war unser Carolus de Poza, der die Würde eines Conte dl Slano
nur einmal bekleidete: 1511 vom 26. Februar bis 24. October, wo Pe-
trus Nat. de Saracha sein Nachfolger wurde. Serafino di Cerva schreibt
von Poza, dass er trotz vieler Amtsgeschäfte »Mnsas secum peregrinari,
rusticari, cubare, coenare, una simul vivere volebat, nee eas, quamvis
negotiorum mole distentns, a latere suo vel ad horam discedere patieba-
turff. Ob aber seine Gedichte erhalten seieu, sagt Cerva, »plane ignoro«;
er kennt nur ein Gedicht in den Büchern des Georgius Benignus, ein
Lob der Schrift desselben »De natura Angelorum« (1499). Diese Dich-
tungen sind nicht verschollen. Ein Epigramm des Carolns Pnteus ist
abgedruckt nach einer Vorrede des Aelius Lampridius Cerva vor des
Georgius Benignus )» Oratio funebris, habita pro magnifico et generöse
senatore Junio Georgio, patritio Ragusino, in aede divi Francisci ^TTT
Kai. Mart. MCCCCLXXXXVUUc^j. In der Sammlung südslavischer
^) Testamentum Ser Caroli Pau. de Puteis, lateiniBcb, ganz kurz, datirt
Ragusa 13. Februar 1522, eingetragen am 17. d.M. in den Testamenta Notarie
1519 — 1524, f. 117. Von Büchern ist keine Rede. Genannt werden sein Bruder
PandulphuB (geb. 1454), sowie vier Kinder des Erblassers, die Söhne Raynal-
dus und Pandulphus und die Töchter Petronella, die »dotem et perchiuiuma
erhält, . und Anucla, die ins Kloster gehen soll (Anuclam volo de bonis meis
monachari et in monasterium monialium more solito ad seruiendum sponso
altissimo dari et poni).
2) Diversa Notarie 1502, f. 51.
8) Backt, Starine IV, 190, vgl. ib. 187.
') In der Sammlung von Bogisid Nr. 38 (s. die folg. Anm.).
442 CoABt Jireoek,
Incnnabeln des Herrn Dr. Balthasar Bogisi^ ans Ragnsa, gegenwärtig
Jostizministers im Fflrstenthnm Montenegro, befindet sich des Carolas
Pntens, patricins Ragnsinus, »Elegiarnm iibellns de landibns Gnesae
pnellaecr, 4 El. in 8^, ohne Angabe des Drackortes, gedmckt wahrschein-
lich in Venedig zu Ende des XV. Jahrh. i).
Znr Biographie des berühmten lateinischen Dichters Aelius Lam-
pridius Cerea (geb. 1463, f 1520) habe ich einige Notizen nachcntragen,
darunter anch solche, die das Temperament des Mannes näher beleuch-
ten. Sein Vater Ser Lampre (Lampriza) Helie de Crieva war im Jnni
1486 Rector der Republik gewesen und ist 1487 aus dem Leben ge-
schieden. Des Aelius Bruder Troianus, der in Adrianopel 1493 gestor-
y
ben ist und wegen dessen Nachlass Sisko MenSeti6 als Bevollmächtigter
der Betheiligten in die Türkei reiste (Archiv XIX, 68), war sechs Jahre
älter, in den grossen Rath aufgenommen 1477, also geb. 1457. Schon
bei der Aufnahme in den grossen Rath am 1. Dec. 1483 ist der Name
Elias in Aelius verändert: »Ser Helius Lampr. de Crieuat. Der Bei-
name poeta in den Archivbüchern, sogar bei Pacht von Weinkellern
oder Ankauf von Brettern, ist wahrscheinlich nicht immer als Ehren-
titel gedacht, sondern meist nur der Unterscheidung wegen gesetzt. Es
gab nämlich zu dieser Zeit noch drei andere Elias unter den Cerva's :
Hellas Mat. de Orieva (f 1486) und dessen Nachkommenschaft, Hellas
Andree (f 1482) und Hellas Nicolai (1493 Castellan von Sokol u. s. w.).
Sohn eines dieser drei und nicht des Aelius war Baptista Helie deCrieva,
welchen das Consilium Rogatorum am 10. März 1506 zugleich mit Seba^
stianus Mich, de Proculo, »causa insultus inhonesti, facti contra duas
puellas, que de nocte ibant ad barberium causa infirmitatis olim Ser
Mathei Dym. de Ragnina a^ zu 4 Monaten »in uno ex tribus carceribus anti-
quis, januis clausisa verurtheilte ; Sebastian entsprang aus dem finsteren
Verliess schon vier Tage später, Baptista wurde am 5. Mai begnadigt.
Die lateinische Oedächtnissrede des Aelius für den König Mathias
Corvinus (f 1490) war noch im frischen Gedächtniss, als der lorbeer-
gekrönte Poet einen argen Skandal provocirte. Der 28 jährige Huma-
nist hatte einen Wortwechsel mit Ser Lucas Aloisii de Oeorgio und
nannte dabei dessen Frau öffentlich mit einem solchen Ausdruck, dass
das Consilium Rogatorum am 16. November 1491 den Dichter zu sechs
1) Jedna od zbiraka Dra V. Bogisiöa. Zbirka slovenskih inkunabula.
Dubrovnik (S«A. aus dem Kalender »Dubrovnik«) 1898, 8. 15, Nr. 37.
Beiträge zur ragasanischen LiteratorgeBchichte. 443
Monaten Kerker »in nno ex tribns carceribns antiqais« verurtheilte nnd
ihm befahl, die Strafe sofort am nftchsten Tage »sab pena dnplicr anzu-
treten^). Im J. 1494 finden wir den »Helins« zum ersten Mal in den
Stadtftmtem als Advokaten »del comuna.
Der Redner und Dichter war aber auch ffir militärische Würden
befähigt. Am 29. Juli 1495 wurde »D. Helins de Crieua poeta« zum
Castellan von Stagno (slav. Ston) gewählt, wo er nicht lange blieb, da
ihn schon am 18. November 8er Paulus Nie. de Poza ablöste. Der Isth-
mus oder besser gesagt die Schlucht der Prevlaka von Stagno ist heute
noch abgeschlossen von den Ruinen einer festen Quermauer, die sich
westlich vom Passe über steile Felsen von Meer zu Meer hinzieht, von
Oross-Stagno mit dessen übel duftenden Salinen im Süden bis Klein-
Stagno im Norden ^j. Die oberste Burg in der Mitte der Quermauer, noch
gegenwärtig benannt mit dem alten Namen Pozvizd, hatte einen eigenen
Castellan; 1495 war es Marinchus Jo. Fed. de Gondola. Ebenso hatte
Klein*Stagno zwei Castellane, einen in den jetzt verfallenen, epheu-
1) Consilium Rogatorum, 16. November 149] (am Rand: contra d. Helium
de Crieua): »Prima pars est de cognoscendo in presenti consilio casum iolurie
ignominiose et vituperose, quam palam dixit dominus Helius de Crieua Ser
Luce Alo. de Georgio, nominando eius uxorem inhonesto nomine. Per XXX
contra VII. (Secunda pars est de remittendo casum hunc ad dominos judices
de criminali). — Prima pars est de habendo ipsnm dominum Helium pro fal-
lito. Per XXXVIII contra III. — Prima pars est de castigando ipsum de
factis. Per XXXVIII contra III. (Secunda pars etc. de verbis). — Prima pars
est de senteutiando ipsum ad standum sex mensibus in uno ex tribus carceri-
bus antiquis, januis continue clausis, excepto quod possit dimitti de sero ad
cercam, qnando omnes incarcerati dimittuntur. Per XXIII contra XVIII. (Se-
cunda pars etc. menses quatuor etc.). — Prima pars est, quod si dictus d. He-
lius unquam exiret de dicto caroere, nisi ad dictam cercam, et constaret per
duos testes idoneos, a dicta die rursus incipiat terminus sex mensium. Per
XXXIIII contra VII. — Prima pars est, quod dictus d. Helius debeat intrare
in carcerem hodie sub pena dupli. Secunda pars est» quod debeat intrare cras
sub dicta pena; per XXXV contra VI (Consilinm Rogatorum 1489—1492,
f. 219). — Der Brief des Cerva an König Wladislaw von UDgarn, Starine IV,
177, iet vom 13. April 1493 (nicht 1492, da waren ja die sechs Monate der Haft
noch nicht abgelaufen) ; der darin genannte ragusanische Gesandte Stepha-
nus war S. de Zamagna, einer der drei Gesandten an den König im J. 1493,
des Aelius Verwandter von mütterlicher Seite (Matkoviö, Rad VII, 258 ; Gel-
eich und Thallöczy 643) .
3) Vgl. meine Skizze »Ston a Mljet«, Gsv^ta 1891, S. 4—19, 109—120
(Heft 1 und 2).
444 Const Jireoek,
umrankten Thflrmen der Burg Corona, den anderen in dem unteren
Fort am Hafen. Schon damals galt Gross-Stagno als ein ungesundes
Fiebemest mit sumpfiger Luft. Im Castell dieser Stadt, dessen Ruinen
noch an dem seichten Hafen zu sehen sind, schrieb Aelius seine hübsche
Ode an Ragusa: »Ocelle mi, Ragusa, ocelle mi patria!« Die Situation
in der Fieberluft des Isthmus ist darin anschaulich geschildert, in der
Ansprache an die Vaterstadt:
Quod interire me nee emori sinis, ^
febriculosa in arce praesidem, Isthmii
Bole aerisque pestilentia obsitum
et Stagni bimaris lue,
tibique reddis Aelium et sibi unico
favore debilemque alumnulum allevas
tuoque rursus educatulum in sinu,
ut Bacchus gremio Joyis i).
Von Februar 1497 bis August 1504 stand Aelius neben dem ge-
lehrten Daniel Clarius aus Parma als zweiter Rector der Stadtschule
vor, war aber, wie aus seinen Briefen ersichtlich ist, nicht abgeneigt
Ragusa für Italien oder Ungarn einzutauschen. Das Rectorat ging nach
sieben Jahren wieder in ein Castellanat über, diesmal auf der Burg So-
kol, der kleinen Bergfestung, welche die Landschaft Canale von der
Landseite deckte, am Eingang zu dem gegen Trebinje hinauf führenden,
im Mittelalter befestigten Pass, den man damals »Enei^a ulica« nannte.
Das Gemäuer des Schlosses auf der Höhe ist jetzt noch gut aus weiter
Feme zu erkennen. xiD, Helius de Cireua (sie) poeta« wurde am 21. Oc^
tober 1504 zum Castellan von Sokol gewählt und blieb dort, bis ihn der
am 18. Juni 1505 gewählte Johannes Mar. Jo. de Crieva ablöste. Der
Posten in der einsamen, hochgelegenen Burg war, besonders im Winter,
langweiliger und mit mehr Verantwortlichkeit verbunden, als im Fort
neben der belebten Stadt Stagno. Vorräthe von Pökelfleisch (carnium
salitarum), Käse, Oel, Bohnen, Getreide mit den dazu gehörigen Hand-
mühlen (paria duo macinarum a manu) und einem Backofen nebst dem
nöthigen Holz und Eienspänen (taeda) waren bestimmt zum Unterhalt
der Besatzung. Wasser lieferte die »griechische Cisternec. Die unge-
fllhr 16 Mann standen auf der Wache, kochten, schwatzten unter ein-
ander oder putzten die Bombardon und Bailisten ; vielleicht haben sie
^) Ganz bei Racki, Starine IV, 170—171. Ocellus Reminisoenz aus Ca-
tullus 31, 2.
Beiträge zur ragasanischen Literatargeschichte. 445
auch öfters gesungen. Die Bargglocke erklang, so oft bei Tag Jemand
nahte, bei Nacht in bestimmten Zeitabständen, beantwortet vom melan-
cholischen Ruf der Wachtposten. Der Castellan, stets ein Nobilis, war
aaf Lectflre, einsame Meditationen oder die Gesellschaft des Bnrgcaplans
und des Intendanten (massarins) angewiesen. Hie und da darfte Jemand
aaf Urlaab ans dem Castell hinnnter in die Dörfer, nach Snbtas-Sochol
oder Podgradje and nach Mrcine. Keine Fran hatte Zatritt in die Barg;
selbst die Gattin eines erkrankten Soldaten masste zam Aafenthalt im
Gasteil eine eigene Bewilligang des Rathscollegioms haben.
Nach der Rückkehr erwartete den Aelins ein Process. Die Proto-
colle ttber das Verhör im Consiliüm minns konnte ich nicht auffinden ;
in dem erhaltenen Band der »Secreta Rogatornm« aus dieser Zeit sind
die Blätter aas diesem Jahre aasgerissen, wahrscheinlich von irgend
einem Edelmann, dem seine oder der Seinigen Geschichte unbeqaem war.
Vielleicht ging der dichtende Castellan gar zn oft hinaas in die freie
Natar aasserhalb des Bargfriedens, vielleicht war die Disciplin anter
seiner Verwaltung locker. Sicheres ist ans nichts bekannt, bis aaf ein
ytsecretam«, das einer der Soldaten, ^ivko Petrojevid aus Malfo (Zaton),
der dafür auch entsprechend belohnt wurde, dem Rathscollegium ver-
rieth: )>de mulieribus receptis in castellum Socholi per castellanuma.
Wer waren diese »mulieres«? Waren es Soldatenfrauen, waren es Ver-
wandte des damals 4 i jährigen Aelius, war es seine eigene Frau mit
ihren kleinen Töchtern, waren es gar — Freundinnen ? Das Oonsilium
Rogatorum hat den Dichter am 9. August 1505 schuldig gefunden. Mit
27 gegen 12 Stimmen wurde beschlossen, ihn nicht mit Worten, sondern
»de f actis« zu strafen, worauf er mit 22 gegen 17 Stimmen auf fünf
Jahre von allen »officiis et beneficiis communis nostri« ausgeschlossen
wurde ; die Minorität war für eine Ausschliessung auf vier Jahre ^). Doch
^} Oonsilium Rogatorum, 9. August 1505 : »Prima pars est de delibe-
rando in causa Processus formati in minori consilio contra d. Helium de Grieua,
castellanum Socholi, lecti in presenti consilio, per XX contra XVIIII (Se-
cunda pars etc. de induciando). Prima pars est de habende dictum d. Helium
pro fallito, per XXXI contra VIII. Prima pars est de castigando ipsum d.
Helium de factis, per XXVII contra XII (See. pars etc. de verbis). Prima pars
est de sententiando dictum d. Helium secnndum ordinem in libro viridi ad ca-
pitula 408. Secunda pars est de sententiando cum aliter, per XX contra XVnil.
Prima pars est de priuando ipsum d. Helium per annos quinque continuos
prozime futuros omnibus officiis et beneficiis communis nostri per sententiam,
per XXII contra XVII (See. pars etc. annos quatuorj. Prima pars est de te-
446 ConBt Jirecek,
liessen sich die Ragasaner bald erweichen. Schon am 12. Januar 1506
beschloBS der grosse Rath mit 170 Stimmen von 194 Anwesenden den
dominus Helius de Crieva zu begnadigen, mit Rücksicht auf seine Ver-
dienste und Tugenden^). Schon am 9. October d. J. wurde er sogar
unter die Mitglieder der Rogati (Pregati), des eigentlichen Senates, ge-
wählt. Am 11. October 1507 gelangte »dominus Helius Laur. (sie) de
Crieua poetaa unter die drei Jiadvocati del comun«; am 20. April 1509
kam er abermals in das Consilium Rogatorum.
Am 1. October 1510 begann wieder seine Theilnahme an der Schule
als Reotor derselben. Oegenflber der letzten Abhandlung habe ich nach-
zutragen, dass Aelius diese Würde ununterbrochen bis zu seinem Tode
bekleidete. Zum letzten Mal liest man am 2. April 1520 den Beschluss
»de firmando d. Helium Cef'uinum (er wird hier so geschrieben, wie sein
Verwandter, der Historiker) poetam pro rectore scholaect, auf sechs
Monate vom gestrigen Tage angefangen, mit 240 Perper jährlich. In-
dessen ist er schon am 15. September d. J. gestorben und bereits am
19. d. M. beschloss der Rath, einen neuen Rector in Italien zu suchen.
In den geistlichen Stand ist Aelius erst nach 1510 getreten, sonst hätte
man bei der Uebernahme des Rectorats der Schule damals nicht den
Verzicht auf alle Officia der Republik verlangt, da dies bei einem Geist-
lichen selbstverständlich war. Zum ersten Mal fand ich ihn als Canoni-
cus am 12. März 1512, wo er mit seinem GoUegen Joannes Sim.deMenze,
dem Bruder des slavischen Dichters Sigismundus de Menze, als Vertreter
des Domkapitels ein Grundstück bei der St. Michaelskirche in Gravosa
verpachtete ^) . Sein Gegensatz mit dem Dichter Garolus de Poza wird
nendo secretam sab sacramento Ziuchum Petroeuich de Malfo, soldatum So-
choli, pro reuellatione, quam fecit de mulieribus receptis in castellum Socholi
per castellanum, quod non possit cassari a dicto soldo nisi per presens con-
silium rogatorum, per XXVIIH contra Villi (See. pars est de stände ut sta-
mus).« Liber Consilii Rogatorum 1504 — 1508.
1) Consilium Rogatorum, 10. Januar 1506 »de portando ad malus con-
silium ad faciendnm graciam domino Helio de Crieua poete a sententia contra
cum lata«, mit 33 gegen 8 Stimmen. Consilium maius am 12. Januar d. J.
(195 Mitglieder anwesend): »Prima pars est de faciendo graciam domino Helio
de Crieua poete a sententia contra eum lata per consilium rogatorum, priua-
tionis per quinquennium ab officiis et beneficiis communis nostri, attentis
meritis virtntum dicti d. Helii; per CLXX contra XXIUI, ez(ierunt) alii.«
Consilium maius 1498—1506, f. 264.
2) Notiz in Di versa Notarie 1503, f. 55 v.
Beiträge znr ragnsaBischen Literatargeschichte. 447
nicht gross gewesen sein; am 19. October 1515 lagerte »dominus Helins
Ceruinus poeta et canonicnsa allen Wein seines Verwandten Pasqnalis
Troiani de Orieua (so geschrieben, neben der latinisirten Namensform
des Aelins) in dem Keller des Ser Charolus Pauli de Poza ^] . Im J. 1 5 1 6
finden wir den »poeta et canonicusc als Rector und Abbas der Kirche
S. Salvatoris in dem Stadtviertel Pusterna^ »de jure patronatus nobilinm
de Caboga«, bei einer Verpachtung von Grundstücken der Kirche auf
der Isola di Meszo ^j.
Während seines zweiten Rectorates lehrte Aelius nicht in der Sponza
(Dogana), sondern in einem Gemeindehause gegenüber der Franziskaner-
kirche, da das Zollhaus damals vollständig umgebaut wurde. Erst nach
Aelius' Tod kehrte die Schule laut Beschlnss der Rogati vom 14. Juni
1 524 in die nach dem Plane (modellum) bestimmten Localitäten »in fon-
tico novo« zurück, in die heute noch stehende Dogana oder im Dialect
der Ragusaner »Dlvdna«. Was des Aelius Collegen anbelangt, so war
die Unzufriedenheit des Rathes mit Marinus Becichemus Scodrefms
(Rector in Ragusa 1494—1496, 1508—1510) wahrscheinlich die Ur-
sache, den Landsmann Aelius wieder in die Schule zu berufen ; der ge-
lehrte Albanese war nämlich gar zu viel auf Urlaub in Bresoia, Venedig,
üattaro u. s. w. ^). Neben Aelius wirkten Magister Hieronymus Calvus
aus Vicenza (f 12. Juli 1518 in Ragusa) und Magister Bartholinus Ta-
colletus aus Cremona (Rector der Schule 1519 — 1525). Nach des Aelius
Tod wurde am 16. November 1521 Magister Nicolaus Paranzonus aus
Picenum auf zwei Jahre angeworben. Mit dem egregius dominus Euro-
piu8 Itotnanu8li9Lite die Gemeinde im Winter 1525 — 26 Missgeschick;
in Folge einer uns räthselhaften Reclamation gegen den »medicusc Euro-
pius von Seite des Sandjiakbeg der Hercegovina wurde der Rector nach
drei Monaten am 28. Januar 1526 plötzlich entlassen, »quod possit Ire,
1} Diversa Notarie 1514, f. 121.
2) Ib. f. 177.
8) Marinus Becichemus aus Scutari {jr in Padna 1526) ist in der huma-
nistischen Literatur bekannt durch seine Beschäftigung mit Cicero und PH-
nius. Der gedruckte Katalog des British Museum gibt unter seinem Namen
auch eine »centuria epistolarum« an, gedruckt mit anderen Schriften vereint
ohne Datum (Brescia? 1490?), ein zweites Mal in Venedig 1506. Da in Wien
ein Ex. nicht vorhanden ist, vermag ich nicht anzugeben, was in diesen Brie-
fen über Ragusa zu lesen ist. In Ragusa war Becichemus einer der Correspon-
denten der Venetianer (Sanudo, Arkiy za povjestnicu jugoslav. VI, 328).
448 Const. Jireoek,
quo sibi placnerit, cum famnlo suo«. Am 24. Mai d. J. wurde dann der
Magister Leonardtcs de Taurino poeta engagirt.
An der Schule wurden neben den classischen Literaturen juridische
Studien nicht vernachlässigt. Dompnus Nie. Oioncich hat 1462 — 64
Vorträge Aber canonisches Recht und das Statut von Ragusa abgehalten
(Archiv XIX^ 78). Der Presbyter Antonio de Luca, der sich nach vier-
jährigen juridischen Studien in Italien zum Doctorat vorbereitete, ver-
sprach nach der Rückkehr »fare tre anni continui due lectioni ogni di,
zoe una in jure civili et Faltra in jure canonico, dove parera et piacera
alle S.Vre, senza altro pagamento, per inanimar la juventü alle vertude,
le quäle illustrano le cittade«, wofür ihm das Consilium Rogatorum am
3. Juli 1522 mit 30 Ducaten zum Doctorat unterstützte.
Neben Aelius ist sein Verwandter, der Historiker und Abt Äloisius
Cerva oder seit c. 1515 Cervinus (geb. 1459, f 1527) zu erwähnen,
über welchen ich gleichfalls einige bisher unbekannte Nachrichten fand i).
Sein Beiname Tuber o ist der römischen Literaturgeschichte entlehnt; es
ist der Name des Historikers Quintus Aelius Paetus Tnbero, eines Zeit-
genossen des Cicero. Seraphinus Cerva erzählt von Äloisius, wie er
nach der Rückkehr aus Paris durch seine »vestis longa gallicac in Ra-
gusa Anstoss erregte, bis auf Befehl des Consilium minus »Tuberoni
vestis fuit succisa, indicta ei praeterea multa« ; jedoch gelang es mir in
den Büchern des Minor Consiglio um 1483 nichts über diese Toiletten
des späteren Historikers zu finden. Am letzten August 1498 erscheint
jjvenerabilis dominus Äloisius quondam Ser Johannis Aloisii de Crieua,
monacus, tanquam epitropus et executor testamenti et ultimo voluntatis
olim domine Francisco, matris suea (Testament registrirt am 18. April
1498); er verkauft Besitzungen in Breno (»sub Mrauinaz« und »ad de-
cena Breni«) und Vergato dem Ser Franc. Blasii de Caboga und erhält
als »contracambium« Grundstücke auf der Insula de Medio ^). Die Wahl
des dominus Äloisius de Crieua zum Abt von St. Jakob, 9 de licentia ha-
bita a domino vicario Rmi domini archiepiscopi et de consensu domini
Donati, unici monaci dicti monasteriia, wurde am 17. September 1502 im
Consilium Rogatorum mit 21 Stimmen gegen 15 durchgeführt; 2 Mit-
glieder, wohl Verwandte, stimmten nicht mit. Ais Vicar des Erzbischofs,
der sich in diesen Zeiten meist in Italien aufhielt, wurde Abt Alouisius
1) Die Form Cervarius habe ich in keiner Urkunde dieser Zeit gelesen.
2) Diversa Notarie 1498—1499, f. 14.
Beiträge zur ragusanisohen Literaturgeschichte. 449
von den Rogati am 15. Juli 1516 acceptirt, aber schon am 4. April 1517
musste man ihm zureden, dieses Amt nioht niederzulegen. Es waren
Differenzen wegen der Beform der Benediktinerklöster, wobei das von
Visigica nicht ausgenommen war, welche ihn beunruhigten.
Am 4. Juli 1517 wurde vom Consilium Rogatorum, »acceptando
auctoritatem nobis conoessam per Bdum D. vicarium Rmi d. archiepiscopi
dom. Alouisium Ceruinum, abbatem S. Jacobi de Visgnizac in Anwesen-
heit desselben ein Process gegen Stephanus Nie. de Tudisio, Abt des
Klosters von Paclina auf der Insel Giuppana, wegen einer eigenthflm-
liehen Nachtscene eingeleitet. Einer der Aerzte der Gemeinde, Magister
Alouisins, war der EUger, »attento, quod ipse abbas (Tudisio) traxit de
domo dictum mag. Alouisium et ipsnm conduxit ad quandam mulierem
infirmam, nocte sine lumine, et postea illum relinquens misit domum cum
aliist, nftmlich mit einer Schaar junger Nobiles. Auf dem Rückweg,
»eundo sine lumine«, wurde der Arzt »verberatus in viaf. Den Schuldi-
gen des sinsultusa hatte man nicht gefunden, obwohl desswegen eine
»publica crida in logiac erfolgt war, mit Ausrufung eines Preises von
200 Ducaten fOr den Angeber. Die Sache ist offenbar von Tudisio vor-
bereitet gewesen. Den Abt Tudisio hat der Vicar Cervinus, tsedens in
consilio Rogatorum« mit den Consiliarii, verurtheilt auf ein halbes Jahr
»in carcere, in quo positus est, sub stricturis, sub quibus hactenus stetit
et nunc tenetur clausus«. Auch die jungen Edelleute erhielten Kerker-
strafen, Sigismundus Ju. de Goze 3 Monate, Damianus Mar. Si. de Bons,
Vladislauus Cl. de Restis, Franc. Mich, de Proculo, Nichus Theod. de
Mlaschogna je einen Monat. Den Abt von Paclina traf ein solches Un-
heil wegen seiner Streiche nicht zum ersten Mal. Schon am 13. März
1511 hatte das Consilium Rogatorum den damaligen Vicar des Erz-
bischofe Raynaldus, den Canonicus und Archidiaconus D. Marinus de
Buchia zu sich berufen wegen einer Anklage gegen Tudisio. Es handelte
sich um eine, wie es scheint, sehr üble Sache, »secundum grauitatem
culpe, que culpa reseruatur bono respectu in pectoribus senatus nostri«.
Der Vicar vemrf heilte Tudisio »ad standum uno anno continuo in uno
ex caiceribus regiminis dicte ciuitatis, videlicet in uno ex tribus carceri-
bus antiquis a parte pelagi, januis clausis«^). Später war erzbischöf-
1} Der Kleriker Stephanus de Tudisio war, 21 Jahre alt (!), 1505 vom
Erzbischof Julianus in die Abtei von Pakljena eingesetzt worden (Urk. bei
Farlati VI, 206—207). Er lebte meist in der Stadt und nioht im Kloster. An-
▲roluT für ilATisehe PMlologie. XXI. 29
450 Const. Jireoek,
lieber Vicar ein Verwandter des Erzbischofs, D. Marcos Gratianus de
Cötignola, mit dem die Republik aber in Conflicte gerieth, worauf seit
6. Juni 1522 wieder D. Aloisius Cerninus zum Vicar bestellt war.
Andere Daten betreffen die Umgebungen des 1803 aufgehobenen
St. Jakobsklosters (jetzt ein Gemeindehaus). Das Kloster ist ein male-
risch gelegener Ort der steilen Küste südwärts von der Stadt und deren
Vorstadt PloSe, zwischen Oelbäumen und Cypressen verborgen unter
felsigen Abhängen, auf denen noch Spuren alter Häuser bei einer Kapelle
der hl. Ursula sichtbar sind. Am 27. Juli und 12. August 1515 ver-
pachtete der Abt Alouisius de Grieua auf 600 Jahre (ad annos sexcentos
proxime futuros] itsoldos quattuor de terris rudims seu incultis dicti
monasterii, positis in contrata ecclesie Sancte Orsule, contiguos a parte
lenantis terris domini Marini de Bocignolo sub via communis, per quam
itur ab ecclesia Sancte Orsule ad Vergatum«, dem Michocius Radiceuich
de Vergato und 2 soldos dem Ziuanus, Matchus und Antonius, dessen
Söhnen, für den Zins Von 6 grossi pro soldo jährlich ^). Am 6. Mai 1520
verpachtete der Abt Alouisius Cerninus (sie) auf tausend Jahre (usque
ad annos mille) dem Simcho Marcouich aus Dubaz, dem nächstgelegenen
Dorfe von Breno, eine Höhle mit Steinbrüchen: »speluncam cum toto
petrario dicti monasterii, posito sub ecclesia Sancte Orsule ad mare sub
via communis inter terras, quas tenet Creglia cimator a parte ponentis,
et Veliam dolinam a parte leuantis, cum omnibus suis juribus et perti-
nentiis, pro incidendo petras et herbam et pro colendo dictum locuma,
für einen jährlichen Zins von 8 Grossi, zu zahlen jedesmal am Feste des
hl. Lucas im October^). Eine possessio ad S. Orsulam übernahm damals
übrigens auch Lucas Pasqualis de Primo, der oben erwähnte Kanzler
und Verehrer der Buchdrnckerkunst, und lieferte dem Abt dafür jährlieh
8^2 Perper und ein Lamm, »cum honorantia de uno agnoa^).
Aloisius Cervinns war nicht abgeneigt Bischof zu werden. Am
ders der Prior Jaeobus Andree de Crieua, dessen Liebesgeschichte von 1483
ich im Archiv XIX, 45—46 erzählt habe, der thatsächlich im Inselkloster
S. Andreas de Pelago hauste. Nachzutragen habe ich, dass dieser Prior Ja-
eobus erst 34 Jahre später gestorben ist, am 4. Februar 1517; sein Nachfolger
wurde Don Hilarius de Goze [Cons. Rog.1517, 14. und 28. Februar; cf.Farlati
VI, 211).
1) Diversa Notarie 1514, f. 82 v, 88.
2) Diversa Notarie 1519, f. 92.
8) Ib. f. 207. (März 1521).
Beiträge zur raguBanischen Literatargeschichte. 451
31. Juli 1525 erfuhr das Consilinm Rogatornm, der Abt von St. Jakob
sei bereit, für die Kosten der von der Republik gewünschten Trennung
des Bisthums von Stagno auf ragusanischem Territorium von dem auf
der venetianischen Insel Curzola, wo der Bischof damals residirte, 500
Ducaten beizusteuern, «dummodo ipse sit episcopus dicti episcopatus
Stagnensis«. In diesem Falle könne seine Abtei mit den übrigen ver-
einigt werden, wie es die Republik wünschte. Der Rath beschloss »de
induciando«. Das Bisthum wurde erst 1541 getrennt.
Für eine neue Ausgabe der historischen Schriften dieses gelehrten
Ragnsaners ist zu bemerken, dass in der Bibliothek des verstorbenen
Don Luca Pavloviö unter Nr. 149 sich ein Autograph mit Anmerkungen
und Gorrecturen befinden soll: »Lndovici Tuberonis Dalmatae abbatis
Commentaria de temporibus suis, ms. chart. leg. antogr. cum notis et
corr.«^).
in. Die slayischen Dichter.
Johannes Stephani de Gozze (geb. 1451, •{• 1502). Gjore Drzi<5, Kanzler des
Domcapitels, f wahrscheinlich 1500, und seine Familie. Neues zur Biographie
des Sisko Mencetid. Marin Kristiceviö (f 1531) und sein Geschlecht. Don
MauTO Vetraniö als Mönch, Abt und Praeses der Melitensischen Congregation.
Wer war Andrija Cubranoviö ? Nikola Dimitroviö und seine Handelsgeschäfte
1) Des Abtes Aloisius Freund und Nachlassverwalter Marinus de Bona,
dem auch des Aloisius Skizze der ragusanischen Greschichte gewidmet ist,
hat ihn um einige Jahre überlebt. Das Testament Ser Marini Nie. Giupani de
Bona, verfasst am 13. April 1532, wurde am 26. Februar 1540 in die Bücher
eingetragen. Es zeigt uns ein Interieur der Humanistenzeit. Bona hinter-
lässt Legate für Reisen nach den heiligen Stätten in Jerusalem, Rom, Loretto,
S. Jacobo de Galicia, um dort für sein Seelenheil beten zu lassen, beschenkt
das Kloster von Meleda mit Grundstücken auf der Insel und setzt als Erben
drei »figliuoli natural!« ein: einen Nicolo in Venedig, ungefähr 12 Jahre alt,
einen Gioan Paulo in Ragusa in seinem Hause in der Strasse Garisöe (Garg-
schie), 4 Jahre alt, und einen dritten, den er soeben von Vesella, »mia serui-
tiale«, erwartete. Ihnen vermachte er seine Besitzungen in Stagno, Canale,
bei Petrovo selo oberhalb des Omblathales und zwei Häuser in der Strasse
»Prichiputti« (sie), derVesela überdies eine lebenslängliche Wohnung in dem
»primo soler« des Hauses am Garisöe. Alles übrige, wohl auch seine Bücher,
erhalten die Thesaurarii der Gemeinde als Universalerben. Testamenta No-
tarie 1539, f. 96 (in der Distribution von 1540 ib. werden nur zwei Söhne ge-
nannt).
29*
452 Const. Jirecek,
1536—1541. Die Familie Naljeskoviö und der Dichter Nie. Stephani de Nale
(1528 f.). Miksa Pelegrinoviö als Elanzier von Gurzola 1535 — 1538. Marin
Mar. Drsid und Beine Reisen nach Wien und Konstantinopel mit dem Grafen
Christoph von Rogendorf 1545 — 46. Notizen über Nie. Mar. de Ragnina
(•i-1582), DominicuB Dom.de Ragnina (+1607), Savinus Mich.de Babalio
(f 1585), FranciscuB Fran. de Lucari (f 1598), Joannes Franc, de Gondola
(Gundnliö), Vlad. Hier, de Menze (f 1666) und die beiden Palmotiö.
Was die slavischen Dichter anbelangt, war Johannes Stephani de
Goze, der von AelinsLampr. Cerva gefeierte dreisprachige Schriftsteller,
nicht so alt, wie RaSki meinte ^). Aufgenommen wurde er in den grossen
Rath am 21. October 1471, war also geboren im J. 1451. In den J.
1487, 1489, 1496 war er »adnocatus communis«, im September 1501
Rector der Republik. Sonst wird er nur bei Handelsgeschäften erwähnt;
z. B. im October 1498 betheiligte er sich an einer Gesellschaft, welche
ein Schiff nach »Romania« (Nordgriechenland) sendete, um Schweine
und Schweinefleisch (porcos et carnes porcinas) zukaufen. Im »Specchio
del Maggior Consiglioa ist bei seiner Aufnahme in den grossen Raih be-
merkt: vobiit Xlmartij 1502or. Sein italienisch verfasstea Testament
ist am 13. März 1502 in die Bttcher eingetragen (Beilage 6). Er beaass
»libri greci et latini«, die nach seinem Tode Öffentlich verkauft werden
sollten. Daneben wird eine Reihe ausgeliehener Bttcher erwähnt, Papier-
codices einer Decade des Llvius, des Terenz, Priscian, Ovid, Juvenal,
Solinus u. 3. w., Plato's Republik, zwei gedruckte Exemplare der Briefe
Gicero's und dgl. Von seiner Frau Dechussa, die Ooze 1474 geheirathet
hatte, hinterliess er keine Kinder; Universalerbe war sein Neffe Paulus
quondam Blasii de Goze. Wie in vielen Testamenten der Zeit, spielt
auch bei ihm die Rückerstattung unrechtmässigen Gewinnes eine Rolle,
an die Gemeinde von Ragusa für kleine Unterschleife aus der Zeit, wo
er als junger Edelmann im Zollamt oder Salzmagazin diente, an das Zoll-
amt von Venedig fttr Umgehnng desselben bei Export von Tüchern u.8.w.
Solche Legate »per conscientia« oder »per maltoUeto incerto« sind in
diesen Zeiten nichts Seltenes ; nur habe ich nirgends bemerkt, dass ein
Ragusaner dem türkischen Kaiser oder seinen Zöllnern etwas testamen-
tarisch zurückgestellt hätte.
Meine neue Ausbeute vermehrt auch die wenigen Daten, die wir
über GJore Drziö oder wie man ihn lateinisch nannte, den Presbyter
Georffitcs Nicolai de Dersa, besitzen. Die Nachforschungen über die
i) »Dozivio je 90 godina«, Racki, Starine IV, 197.
Beiträge zur raguBanischen Literatargeschichte. 453
Reihenfolge der Aebte der Kirche S. Maria Asnunciata oberhalb Gra-
vosa, die Dersa als Rector und Abbas im J. 1497 übernommen hatte;
lieferten nichts zu seiner Biographie, ausser der Nachricht^ dass schon
1501 Jemand anderer dieses Beneficium besass. Am 8. November 1501
wollte das Consilium Rogatomm dem Presbyter Nicolans Bameus die
von ihm wahrscheinlich ohne Vor wissen der Republik erworbenen »buUas
Sancte Anunciate« abverlangen; Bameus war also bereits ein Nach-
folger des Dersa. In einem Schreiben des Erzbischofs vom 1 . Februar 1506
wird gefragt, «si beneficium Annunciate vacat per obitum Nie. de Alber-
tisdt, der nach der »spontana resignatio« des Nie. Barneus dort einge-
setzt war ^). Von Dersa ist dabei keine Rede mehr.
Dafür fanden wir auf den letzten Blättern des Buches »Diversa
Notariae« 1498, umgekehrt beschrieben, f. Av — 6t; von rückwärts,
einige Aufzeichnungen und Urkunden vom November und December
1498, in denen er als »Presbiter Georgius de Darsa (sie), juratus scriba
et cancellarius venerabilium dominorum canonicorum et eorum capitulia,
oder als »honestus vir presbiter Georgius de Darsa, tanquam persona
publica et juratus notarius et cancellarius venerandi capituli dominorum
canonicorum eccclesie cathedralis Ragusine« genannt wird. In den Ur-
kunden des Domkapitels unterschrieb er sich: »Ego Giore [G und i ver-
schlungen) de Darsa, prefati capituli Ragusini cancellarius et scribanus,
manu mea propria scripsi presens instrumentum et in hanc publicam
formam reassumpsi, jussus a prefatis dominis canonicis et rogatus«, oder
kurz: «Et ego Georgius de Darsa, publicus notarius, ad hec specialiter
vocatus et rogatus, scripsi mea manu propriacc. Er scheint sich also
Darsa geschrieben zu haben ^); was den Taufnamen anbelangt, wird auch
einer der damaligen Canonici, Georgius de Mläschogna, bald als Zore,
bald als Geore^) geschrieben. Die Urkunden betreffen einen Streit zwi-
schen den Canonici der Ragusaner Domkirche über die Frage, ob ein
Mitglied des Kapitels in seinem Testament über die Einkünfte des ersten
1) Copie auf den letzten Blättern der Diversa Notarie 1505. Ueber die
Erledigung der Praebende von S. Annunciata durch den Tod des Nie. de Al-
bertis vgl. auch Theiner, Mon. Slav. I, 553.
3) Die Üblichste Form ist sonst in dieser Zeit Dersa ; erst im XVI. Jahrb.
liest man Öfters Darsa. Ausgesprochen wurde der Name höchst wahrschein-
lich Dria, worauf die Schreibweise Derxa 1488, 1538 u. s. w. offenbar hinweist.
3) In seinem Testament 1515: lo Geore de Mlaschogua. Testamenta
1512—1516, f. 159.
454
Const. Jirecek,
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Beiträge zur ragnsanischen Literaturgeschichte. 455
Jahres nach seinem Tode frei yerfflgen dürfe oder nicht. Unter den
Canonici, sämmtlich Edellenten unter dem Präsidium des Archidiaconus
Mathens de Ragnis oder Araneus (Ragnina) — einer derselben war
Johannes de Menze, Sigismunds Bruder — bildeten sich dabei zwei Par-
teien. Die Declarationen derselben wurden von Dersa niedergeschrieben
und dem Notar der Republik zur Registrirung in den öffentlichen Bü-
chern überreicht. Am 1. December 1498 war die Versammlung des
Kapitels »hora vesperornm« in der Sakristei der Eathedralkirche be-
sonders stürmisch. Die Minorität wollte den Beschluss durch die ge-
waltsame Vertreibung des Notars Dersa aus dem Kapitel vereiteln ; man
sah «dominum Franciscum de Zamagno et dominum Marinum de Buchia
in capitulo excitare tumultum et conantes de capitulo vi expellere me
infrascriptum notarium, volentes finem imponere negotio cause infra-
Scripte a^ jedoch vergeblich.
Vom 25. Juni 1500 ist datirt das Testament der Mutter des Ojore
DTi\6, der Nicoleta, uzor quondam Nicolai de Dersa. Sie nennt darin
vier Söhne: Marinus, Blasius, unseren Georg und Andreas. Speciell
bedacht werden Marin und Blasius. ^Dom Zorzi, mtoßoloa erhält 100
Perper, einen Schrank aus Nussholz und einen »coffiano« sammt allem
Inhalt, zwei Polster von blauer Seide u. s. w., alles »per amor«. Der
vierte Sohn Andreas wird auch mit Hausrath bedacht und unter den
Executoren allein aus der Familie genannt (Beilage 5). Wenige Wochen
jünger ist das Testament des Franciscus q. Michaelis de Galvano, datirt
am 14. September 1500 in Stagno, voll Nachrichten über Bücher. Gal-
vano weist dem Don Gjore DrJii(5 einen Martial, die Tusculanen Cicero's,
Claudian und eine Rhetorik zu. Die Executoren, verfügt er, »pigliano
11 mei libri della cassa et uno, zoe Marcial, da Mara, moglie de mio bar-
bano Antonio, altro Tuschulane, nouo ligato cum lo comento de Bero-
aldo, doue hauende tolto tut! li libri, voglio, che 9e dagano a dorn Geore
Da[r]cich Claudian, Rethorica, ligati in la pelle rossa, et che pigliano
uno dein mei libri, quäl pora satisfare per grossi 30, che lo dagano allo
detto Geore. Item voglio che dagano a Ser Zupano de Bona, zenero de
Ser Polo de Gradl. Item voglio, che tute le mie opere de Ouidio dagano
a figliol de maestro Marco, Suetonio, epistole de Ciceron noue famiale (sie)
dagano a Misser Michiel canonico, fiol die Ser Olemento Nie. de Resti,
et che daga esso a mi Vergilio, scritto de man, lo quäl Vergilio et L'arte
Vechia dagano a Ser Michiel Mar. de Bocignolo, ma che esso mi paga
la ligatura, e lo libro legato cum la dicta Arte Vechia pigliano 11 mei
456 ConBt. Jirecek,
epitropi e vendano li altri mei libri, che restarano et che li vendano, de
li qnali denaria etc. i) .
Einer der drei Brüder des Don Gjore, Blasins Nicolai de Dersa
oder Biasio de condam Nicolo de Dersa, yerfasste am 3. Dec. 1501 sein
Testament, das am 7. d. M. in die öffentlichen Bücher eingetragen wurde.
Genannt werden darin: Marino mio fratello, Andrea fratello, Ginana
nxor, mei doi fioli Nicolo e Piero. Von Qjore kein Wort. Die Todten-
messe soll lesen »dom Panlo libraroc, der nns schon bekannte Panl
VnkaSinoviö^). Am 28. Mai 1502 erfolgte die »dioisio sen parzogna
bonorum stabilium Marini et olim Blasii Nie. de Dersa fratrum«, zwischen
Marinus einerseits, den Tutoren der Erben des Blasius, unter welchen
sich Dom Andreas Nie. de Dersa, der also auch Geistlicher geworden
war, und Johanna, des Blasius Wittwe, befanden, andererseits. Marinus
de Dersa erhftlt die «casa grande de la nostra habitatione apresso el
pala^ot, Grundstücke bei Stagno, Imoti9a, Podgorie, in Canale in Dra-
gaina und Vitaglina, in Bielo und auf der Insel Calamotta, die Erben des
Blasius Besitzungen in Gravosa und Ombla und eine «casa cum fomoc
in Ragusa »sopra Prechiput«^). Gjore DTi\6 wird hier gleichfalls nicht
genannt. So viel ich gegenwärtig sagen kann, hören alle Nachrichten über
ihn mit September 1500 auf. Auch die Abtei von S. Maria Annunciata
war 1501 schon in anderer Hand. Hätte er länger gelebt, so würde bei
verschiedenen Angelegenheiten der Familie doch irgend eine Notiz von
ihm zu lesen sein. Dom Andreas, gleichfalls ein Geistlicher, ist ja dabei
öfters erwähnt, noch z. B. 1526 als Vertreter seines Neffen Peter bei
einem Verkauf von Wein. Dieser Andreas, der Bruder des Gjore Dr£6,
wird 1522 — 1524 als Abt eines kleinen Klosters auf der Insel Cala-
motta genannt: »dominus Andreas Nicolai de Dersa, dericus Ragusinus,
tamquam rector et abbas ecdesiae Sancti Petri de Calamota, de iure
patronatus laicorum de Dersa «^).
Von den zwei weltlichen Brüdern des Dichters Gjore stammen die
Dersa des XVI. Jahrhunderts ab. Marinus Nicolai de Dersa (f 1538?)
hatte fünf Söhne, darunter den bekannten jüngeren Dichter Marin Driic
(s. S. 481). Der zweite, Blasius Nicolai de Dersa, hatte zwei Söhne, Petrus
1) Testamenta Notarie 1498—1503, f. 89 v. Ueber Michael Mar. de Bo-
cigDolo vgl. unten bei Marin Drseiö, S. 486.
2) Ib. f. 152.
8) Diversa Notariae 1501, f. 123.
«) Ib. 1522, f. 46. Ib. 1524, f. 101.
Beiträge Eur ragusanisohen Literaturgeschichte. 457
Blasii (t 1527} und Nicolans Blasii (f 1538), welcher mit Clara de Fiorio
anch zwei Söhne, Blasins and Jnlianns Nicolai, hinterlassen hat i). Dieser
snletzt genannte Blasius Nicolai de Dersa, 1538 mit seinem Bmder Julian
noch nnmilndig, ist der bekannte Vlaho Dritö, des Niko Driid Sohn.
Ylaho's prunkvolle Hochzeit wurde im Hause des »Ojula Pioroviö«, näm-
lich seines mfltterlichen Grossvaters Oiuliano de Mar. de Fiorio (f 1548),
Schwiegervaters des Nicolaus Blasii de Dersa und frflher Tutors der un-
mfindigen Söhne desselben, gefeiert; dazu hat sein Verwandter, der
jflmgere Dichter Marin Driäd, Neffe des Dichters Ojore Drii6 und Oheim
des Vlaho, eine Anzahl Gedichte und Komödien verfasst^). Noch 1614
lebten acht Dersa's ans der Nachkommenschaft der Brüder Blasius und
Julianus Nicolai de Dersa ^).
Zur Geschichte der Mencetiöi- VTahovidi habe ich einiges genea-
logische Detail nachzutragen. Sisko's Grossvater Damianus de Menze ^)
^) Testamentum quondam Petri filii quondam Blaxij Nie. de Dersa, 2. Mai
1527 in den Testamenta Notarie 1525—1527, f. 124 v. (Universalerbe die Frau
Descia, Besitzungen in Gravosa und Ombla, Epitropo der Bmder Nicolo, Ma-
rino de Dersa etc.). Testamentum Nicolai Blas, de Darsa, registrirt 14. Nov.
1538 in den Test. Not. 1536, f. 190y., die Distribution von 1614 ib. f. 192
(Kinder Biagio, Giuliano, Giua, Frau Clara, Giuliano de Mar. de Fiorio mio
socero).
*) Stari pisci VH, 23, 30. Erwähnt wird das Haus des Gjula Piorovid,
eines angesehenen »plemid«, und seine Enkel (die Söhne seiner Tochter), die
wie Ejiezen in Seide einhergehen; es sind die »sinovi gizdavi« des Niko Drsid,
von denen die ältere Vlaho, »vitez hrabreni, pravi plemiö svime«, eben hei-
rathet. Das Haus war angesehen, reich und alt, aber das Lob der Familie in
diesen Gedichten ist kein Zeugniss ihres Adelsstandes. Adeligen Ursprungs
waren die Drl^iöi, aber in der Archiv XIX, 75 angegebenen Weise. Im Mag-
gior Consiglio gab es seit dem XIV. Jahrh. keine Dersa's mehr.
3) Julianus Mar. de Fiorio starb im December 1548 ab intestato (Div.
Not. 1548 — 1550, f. 25 v.). Das Testament seiner Wittwe Maria ist eingetragen
13. März 1561 (Test. Not 1555, f. 206). Ihre Universalerben waren ihre Enkel,
Biaggio di Nicolo di Darsa (erwähnt wird seine Frau Maria und seine Tochter
Clara, 1570 verlobt mit Laur. Franc. Jesussi) und dessen Bruder Giuliano.
Die Marginalnoten ttber die Distributio gehen bis 1605. Blasius starb vor
1570, wo Julian noch lebte.
*) Testament seines Vaters, viri nobilis Ser Johannis Blasii de Menge,
registrirt am 16. März 1424, Testamenta Notarie 1418, f. 100; nennt Daria mia
donna, die Söhne Damian, noch nicht 17 Jahre alt, und Tibaldo und die
Töchter (figle dongelle e gargonete) Nicoleta, Catarina» Clara, Margarita und
Maria.
458 Const. Jirecek,
war nach dem »Specchio« in den J. 1441 — 1472 elfmal Rector der Re-
publik, bekleidete ausserdem abwechselnd zahlreiche andere Würden
und ist als einer der sechs »consoli de le cause ciuil« im Juli 1476 ge-
storben. äiSko's Vater Simon Damiani (f 1506) war 1480—1489
viermal Rector. Simonis Bruder Joannes Damiani (f 1508) war öfters
Rector in den J. 1491 — 1507, ebenso dessen Sohn Damianus Joatmis
(t 1540), seit 14. Mai 1495 im grossen Rath, 1520^1539 siebenmal;
der Letztere hinterliess vier Söhne, Nicolaus Damiani, Marinus Da-
miani (1540 im grossen Rath, 1562 November und 1565 August Rector,
f 1567), Pasqualis Damiani (f 1599) und Troianus Damiani.
Auch über Sisko's Geschwister ist einiges nachzutragen. SiSko's
Bruder Marinus Simonis de Menze war viel jünger als er; geb. 1473,
wurde er mit 20 Jahren am 4. März 1493 in das ConsiÜum malus auf-
genommen, heirathete 1509 die Ligna oder Lignussa, Tochter des Franc.
Jo. de Sorgo (f 1530), war 1514, 1517 Castellan von Stagno, 1521,
1525, 1529 Castellan des Hafenschlosses von Elein*Stagno u. s. w. und
starb 1533. Sein Sohn Simon Marini, geb. 1514, trat 1534 in den
grossen Rath und starb 1568 als Conte der Insel Lagosta. Dessen
Söhne, Grossneffen des Sisko, die den Anbruch des XYU. Jahrhunderts
erlebten, waren: Marinus Simonis, geb. 1543, seit 1563 im grossen Rath,
1567 Castellan vonSokol, zuletzt Canonicus, Petrus Simonis, geb. 1548,
1568 des Vaters Nachfolger auf Lagosta, starb 1603, Jacobus Simonis,
1567 Conte von Lagosta, und Matthaeus Simonis, 1588 Cornea von Ca-
nale. Ein anderer Bruder Siiko's war frühzeitig gestorben *) : Damia-
nus Simonis, geb. ungefähr 1456, 1476 im grossen Rath, 1483 Consul
in Skopje, starb 1486. Von den drei Schwestern des äiSko wird D. Mar-
garita Sim. de Menze als abbatissa monasterii Sanctorum Apostolorum
erwähnt ^). Charakteristisch für die Namensgebräuche ist der Umstand,
dass die an Georg Mar. de Goze verheirathete zweite Schwester des
äi&ko Men(eti6, Magdalena, einen zweiten Namen Stria führte, also
einen nationalen neben dem kirchlichen; in dem Codex »Registro Mari-
taggi de Nobili« f. 11 liest man nämlich, dass »D. Stria, fiola di Ser
Simon de Menze, uxor di Ser Zorzi Mar. de Goze, ando al marito 1488
die 23 nou(em]bris((, nebst Notizen über die Mitgift, da Ser Zorzi 1501
^) Fehlt Archiv XIX, 60, wie es überhaupt schwer ist, Stammtafeln vor-
zugsweise aus Testamenten zusammenzustellen, da in denselben die ver-
storbenen Mitglieder der Familie in der Regel nicht erwähnt werden.
2) Diversa Notarie 1514, f. 36 v.
Beiträge zur ragusamschen Literaturgeschichte. 459
seinem Schwiegervater Ser Symon Dam. di Menze 12 perper anwies, der
sie wieder 1504 an hBqt Sigismondo, filio snoic abtrat. Das Testament
der dritten nnverheiratheten Schwester, »D. Patde, filie quondam Ser
Simonis de Mence (sie)«; ist registrirt am 4. December 1516; Universal-
erbe ist die Schwester Magdalena, Epitropi sind der Bmder Canonicns
Joannes, der Schwager Ser Georgias M. de Qoze, die Schwester Magda-
lena nnd der Neffe Ser Simon Georgii de Qoze. Sigismund wird dabei
nicht erwähnt 1).
Einige Zflge vervollständigen das Bild des Ser Siffismundtcs Simo-
nis de Menze, des Dichters §isko MenSetid oder JStiko VTahoviö, wie
ihn schon Marin Dr2i6 nennt ^). Im »Registro Maritaggi de' Nobili« f. 1 3 v.
ist seine Heirath von den Tesorieri genau eingetragen: »D. Maria, fiola
de olim Ser Marincho Fed. de Gondola, perperos ducentos. — Affidata
per Ser Sigismondo Sim. de Menze a di 8. novembris 1496. — luit ad
maritum 1497 die 15.januarii. — Die 10. martij 1498 cassa, quia est
pro masculo ^), ut fuit captnm die presenti in consiiio rogatoruma. Ebenso
f. 8v. von rückwärts: »Ser Sigismundo Sim. de Menze cum d. Mara,
fiola de olim Ser Marincho Fed. de Gondola, maritato 1497adil5ze-
naroe. Am 8. und 21. April 1503 erscheint diese Mara oder Maria als
Margarita. Die Thesaurarii, »audita humili petitione Ser Sigismundi
Symonis de Menze, mariti domine Margarite, filie et heredis bono-
rum olim Ser Marinchi Federici de Gondola mediante morte olim Ser
Federici, filii dicti olim Ser Marinchi, et considerato, quod dicta
domina Margarita de anno in annum multiplicat in prolev, assignie-
ren der Margarita »et eins filiis, tam qui sunt, quam qni erunta, das
Viertel der Besitzungen, welches Marinchus nach dem Testamente des
»olim nobilis et generosi equitis aurati, domini Andree Bene de Gon-
dola« vom 10. Sept. 1377 besass^). Dieser Ritter Andreas de Gondola
war seiner Zeit am Hofe des Königs Ludwig I. von Ungarn gewesen.
Indessen hatte SlavuSa, Wittwe des Theobaldus Joannis de Menze, eines
Bruders des Grossvaters SiSko's Damian, und Tochter des Marinus Raph.
de Goze, eine reiche alte Frau, in ihrem Testamente (registrirt 14. Sept.
1500) auch den Dichter bedacht: »Item lasse a Ser Sigismundo Si. Dam.
1) Testamenta 1512—1516, f. 194.
2) Stari pisci VII, 68—69.
^ D. h. im Erbrecht, als Universalerbin, ohne die übliche Beschränkung
der Mitgift auf bestimmte Maximalsummen.
«) Diversa Notarie 1502, f. 122 und 125.
460 Gonst. Jireoek,
de Menze dncati cinqae per amor«^). In den Libri Cons. Bog. 1503 —
1504 wird die Appellation in einem Process zwischen Sigismnnd und
seiner Fran einerseits nnd Ant. Bim. de Bona 9 pro differentia in Grano-
sio« erw&hnt, ebenso 1508 — 1510 in einem Process, [in welchem anf
einer Seite Margarita nnd ihr Gemahl Sigismundos Sim. de Menze, femer
Nicolinus und Marinus Orsati de Menze, sowie Federichus, Marinchos
nnd Blas. Jo. Fed. de Gondola, auf der anderen Seite Nicoleta, Wittwe
des Nie. Petri de Prodanello, und ihre Söhne Martoliza und Theodor
standen; endlich 25. Juni 1510 in einem Process des Ser Sigismnndus
de Menze gegen Antonius de Bonico dictus Salomon.
Seinen Amtspflichten in den verschiedenen von Jahr zu Jahr wech-
selnden Würden der Republik scheint der Dichter sehr saumselig nach-
gekommen zu sein. Er hatte die Gewohnheit, oft auszubleiben. Seit
1505 liest man durch 20 Jahre öfters von Geldstrafen, »pontature«, zu
denen er deshalb yerurtheilt wurde. Er zahlte sie immer ungern. Am
19. November 1510 beschlossen die Rogati den Sigismundum S. de
Menze, tpontatum in collegioci von dieser »pontaturac nicht zu befreien.
Am 13. October 1519 stand Sigismund, damals Mitglied des Gonsilium
minus ^), wieder eine Geldstrafe bevor, weil er angeblich wegen eines
starken Regens nicht in der Sitzung erschienen war. Die Entschuldi-
gung wurde nicht angenommen: »Prima pars est de franoando Ser Sigis-
mundum Sim. de Menze, pontatnm in presenti consilio, a dicta pontatura,
quia propter pluuias maximas non potuit venire. Secunda pars est de
non francando — per XVIUI contra XI, ezierunt VIII <r. Am 2. Sep-
tember 1523 kam Sigismund aus Gravosa nicht in die Stadt zur Gerichts-
sitzung, jedoch der Rath befreite ihn am 12. November d. J. von der
»puntaturac von 25 Perper, »quia iurat sibi non fuisse preoeptum in
Grauosioff.
Rector der Republik war Sigismnndus Sim. de Menze nicht einmal,
wie ich in meiner Abhandlung angegeben habe, sondern zweimal, im
December 1521 und im Juni 1524. Während des zweiten Rectorats
feierte er im Regierungspalaste die Hochzeit seiner Tochter Veöa,
welche somit den Namen von Sigismund's Mutter führte, mit einem
ij Testomenta Notarie 149S~1503, f. 85.
^ Würden des Sigismund in den letzten Jahren: 1516 Mitglied des Con-
silium minus, 1518 des Cons. Rogatorum, 1519 Cons. minus, 1521 Rogatonim
(December: Rector), 1522 Cons. minus, 1523 judex de criminali, 1524 Cons.
Rogatorum (Juni : Rector), 1525 Cons. minus.
Beiträge zur ragasanischen Literaturgeschichte. 461
Patricier ans dem Hanse der Tudisio, mit Ser Francesco Joannis de
Tudisio ^). Die Thesaurarii notirten in dem citirten Codex (f. 35) über
die Heirathen der Nobiles and die Beisteuer zur Mitgift: »D. Vechia,
filia Ser Sigismundi Si. de Menze, nondum affidata, perperi OC. — Affi-
data per Ser Francesco Jo. de Tudisio 1519, 12. Febr. — luit ad ma-
ritum die XVIIU junij 1524, dt4cta ex pcUaiioti, ebenso an zweiter
Stelle (f. 21 von rückwärts): »Ser Francesco Jo. de Tudisio cum D.
Yechia, fioLa de Ser Sigismundo Si. de Menze, maritato a di 19 zugno
1524, duxit tAxorem ex palatiot. Im December d. J. zahlte Sigismund
den Thesaurarii 94 Perper, davon 77 »per pontature«. Den Rest, 106
Perper, erhielten nach einer Marginalnote erst die — Ur6nkel des Sigis-
mund im Mai 1625 von den Thesaurarii, als »heredes et successores
quondam Ser Sig. Sim. de Menze, mediante persona quondam D. Vecchi^«.
Francesco Jo. de Tudisio hatte n&mlich mit Veda, der Tochter des
Dichters, drei Eonder, Sigismund, Marinchus und Aniza (verlobt mit
Mich. Jac. de Cruce); 1625 lebten zwei Söhne dieses Marinchus und
einer des Sigismund ^) .
Sisko's Sohn Marinus [Marincus) Sigism. Sim. de Menze wurde,
21 Jahre alt, am 29. Juli 1524 in den grossen Rath aufgenommen, am
11. April 1527 zu einem der zwei officiali des »armamento de paga-
mento« gewählt, starb aber im Laufe des Jahres an der Pest (vgl. Archiv
XIX, 72), worauf am 14. December d. J. Franc. Luc. de Lucaris, der
Vater des Dichters Franc Lnkarevid, und Marinus Mat. de Oetaldis zu
diesem Amte gewählt wurden.
Das genaue Datum des Todes des §iiko ist auch in den Randglossen
des )»Specchioa nicht angemerkt. §isko ist in dem furchtbaren Pestjahre
kurz vor dem 25. Juni 1527 aus dem Leben geschieden. Im Liber Con-
silii Minoris 1524 — 1528, f. 232 ist nämlich unter diesem Datum ange-
merkt: »Ser Damianus Jo. de Menze, Ser Pasqualis Troiani de Zrieua,
1) Veöa fehlt in meiner vorigen Abhandlung, in der ich meinte, Sigis-
mund de Menze habe nur Söhne gehabt; doch sind unter ßliiyßglioli Kinder
beiderlei Geschlechtes zu verstehen, da die Söhne gewöhnlich ausdrücklich
2X%ßgl%uoU maschi bezeichnet werden. Archiv XIX, 73 ist Franc. Joannis de
Tudisio als Sigismund*s Schwiegersohn (nicht Schwager) zu berichtigen.
^ Registro Maritaggi de' Nobili f. 35 von vom und f. 32 von rückwärts.
In den Diversa Cancellarie 1550—1551, f. 53 finde ich Ser Marinus et Ser
Joannes Franc, de Tudisio pro D. Yechia eorum matre, bei der Verpachtung
eines Qrundstttckes in Breno.
462 Const. Jirecek,
Ser Marincas Troiani de Zrieua, Ser Lampriza Troiani de Zriena ^) facti
fnernnt tatores D. Mare, relicte et possidentis lectum et bona qaondam
Sigismundi Sy. de Menze, cum übertäte et auctoritate consaeta«.
Der Gerichtskanzler Franciscus Mar, de Menze, den wir in der
letzten Abhandlung zum Adel zählten, war nur ein Bastard der Familie^).
Er wird nirgends als Ser titulirt. Am 9. November 1501 wnrde er vom
Consilium Rogatornm als inuncius« nach Ungarn gesendet, nachdem
zuvor der Antrag, einen Nobilis hin zu senden^ gefallen war und der
Rath ausdrücklich beschlossen hatte, »aliam personam« zu dieser Mission
zu wählen. Patronymische Bezeichnungen bei »filii naturales« sind in
dieser Zeit gar nicht selten. Ein nicht adeliger luan Sig. de Goze war
1505 — 1517 "Vlcecomes in Canale, ein nicht adeliger Blasius Pasqualis
de Bodaza dictus Mostardich wird sammt seinem Sohn Lucas Blasii de
Bodaza in derselben Zeit wiederholt genannt und ein Marinus de Caboga,
filius naturalis quondam Ser Marini Dam. de Caboga, der ungeHihr
20 Jahre lang als »bombardarius« bei den Genuesen von Chios gedient
hatte, wnrde seit October 1520 gleichfalls als Geschfltzmeister in der
Heimath angestellt. Ein Simchus Marci Jacobi de Luccaris war 1533
»riueriustt (Gemeindeherold), ein magister Petrus Ser Nicolai Georgii
1537 »aurifex« u. s. w. ^). Ein Sohn des Gerichtskanzlers, Namens Ma-
rinus Francisci deMenze wird 1508 — 1527 als Repetitor der Stadtschule
genannt; einmal wurde er 1518 auf ein Jahr auch als Coadiutor in die
Kanzlei der Republik aufgenommen.
Marin Kristiceviö, der Verfasser des bei den Werken des Sisko
Men6eti<5 und Gjore Drii6 erhaltenen hübschen Gedichtes: »Isteci Da-
nice, pogledaj s prozora, Obasjaj me lice, jurve je dan, zora« u. s. w.
(Stari pisci II, 519], tritt in den Documenten als eine ganz deutliche
Persönlichkeit vor uns. Er hat sich am 18. October 1503 im Consilium
Rogatornm um das Amt eines Coadiutors in der lateinischen Kanzlei be-
worben : Marinus Christichieuich neben drei anderen Bewerbern, Mi-
chael de Galuano, Math. Siluestri Petronii und Don Marinus Marinchi de
Florio, doch es fiel ihm keine Stimme zu. Es erhielt dieses Amt zuerst
Don Marinus de Florio, bald darauf aber der oben erwähnte Lucas Pas-
qualis de Primo. KristiSevid gehörte also zu den lateinisch geschulten,
^) Sämmtlich Neffen des Aelius Lampr. de Crieva.
2} Sein Vater ist unter den zahlreichen adeligen Marini de Menze des
XV. Jahrh. zu suchen (Marinus Damiani, Marinus Lampre, Marinus Petri u. s. w. } •
3) Div. Not. 1533, f. 116. Div. Not. 1536, f. 235.
Beiträge zur ragusanischen Literaturgeschichte. 463
stndirten Lenten. Seine Familie ist wohlbekannt unter den reichen
Bürgerfamilien dieser Zeit. In der zweiten Hafte des XV. Jahrh. gab es
in Ragnsa zwei Brüder, Pasqnalis Radossani Braycouich, der 1468 bei
einem »caraoanus in Semiamtr genannt wird ^) und der noch 1487 lebte,
und Christophorus Radossaui Braycouich dictus Gradich, auch Christo-
phorus Radossaui Gradich, kurz Christich Gradich oder (nach Ueber-
setzung des Radosav zu AUegrettus) Christophorus AUegretti genannt,
der 1456 ein Haus in der >ruga callegariorum« besass, 1469 in Novi-
pazar weilte^), 1493 noch lebte, aber vor 1500 gestorben ist. Dieser
Christophorus hatte mit seiner Frau Catherina (i 1529) vier Söhne:
unseren Marinus, Hieronymus, Dominions, Pasqnalis.
Des Dichters voller Name lautet Marinus Christichieuich de Ale-
grettis (Marino X^phoro de Allegretto] oder kurz Marino di Christo-
foro. Nachrichten gibt es über ihn nicht viele. Am 28. Juni 1501 sind
die »creditores Marini quondam Christophori Radossaui Gradich et eins
fratrumcr eingetragen, Martoliza Steph. de Crieua, Jun. Mar. de Gradis,
Marinus Nie. Ben. deGondula, Blas. Mathei de Fiffa, mit 190 Ducaten;
am folgenden Tage kaufte Marinus Grundstücke ))in Zupana in piano«,
die einst dem verstorbenen Jacobus de Lebro gehörten, um 120 Perper.
Im J. 1524 war Marino de Christophoro de Allegretto einer der drei
partitores bonorum quondam Laur. de Radoe Pribissalich ^j. Marinas
Mutter Catherina war vielleicht verwandt mit der Mutter des Gjore
DrSi<5, denn diese erwähnt sie in ihrem Testamente (s. Beilage 5). Das
Testament der Catherina, relicta quondam Christophori AUegreti, ist re-
gistrirt am 8. Juni 1529; es lebten noch zwei ihrer Söhne und zwei
Enkel; erwähnt wird »casa mia, posta appresso Sancto Andrea a ^]. Das
Testament des Marin EristiSevi(5 ist datirt vom 17. April 1531 und nach
seinem Tode im Buche registrirt am letzten Mai d. J. Wir erfahren
daraus, dass seine Frau Nicha eine Tochter des Marino de Fiorio war.
Universalerbe war sein einziger minderjähriger, wie es scheint unge-
rathener Sohn Christophano. Der Vater befiehlt ihm »esser obediente
alla sua madre, a Zuliano suo barba et a Domenego mio fratello et a
Marino figliolo de detto Zuliano a, die er auch zu seinen Epitropi er-
1) Lamenta de foris 1468 (24. Nov.).
2) Lamenta de foris 1469, 21. und 28. April, in Nouipasar ad partes Sola-
uonie, »Xpophorus Radossaui Braycouich dictus Gradich«.
«) Diversa Notarie 1500, f 141. Div. Not. 1524, f. 111.
«) Testamenta Notarie 1528, Jf. 71.
464 . Const. Jirecek,
nannte, »li qnali voglio, che lo possino castighare, come a loro miglio
parera ; . . . se per caso non sara obediente . . . lo possano oazar di
casaci). Julian, »cngnatoc des Marin Kristi6evi<5 und »barba« des
Sohnes desselben, ein Bruder von Marinas Frau Nika, ist der sehen oben
erwähnte Ginliano de Mar. de Fiorio, Schwiegervater des Nike Dri\6
nnd Orossvater des Vlaho Dr&i6. Die Familien des Ejristii^evid nnd Drä6
standen demnach einander vielfaoh nahe.
Die ttbrigen drei Brüder des Marin EristiSevid waren vielgereiste
Kanflente. Hieronymns starb 1516 in Smederevo in Serbien 3). Domi-
nicns war 1520 in Adrianopel, llberlebte alle Brflder nnd hinterliess
zwei Söhne, die gleichfalls Christophoms undMarinns hiessen nnd 1546
in Belgrad verweilten ^) . Pasqnalis hatte in Smederevo 1 520 einen Streit
mit den Türken wegen einer »dogogna« (türk. dllkjan, Kanf laden],
weilte 1526 in Vrhbosna (Sarajevo) nnd starb vor 1529^}. Znr Familie
gehörten noch Hieronymns Pasqnalis Gradich nel de AUgretto, Marin's
Vetter oder Neffe, in dessen Testament 1529 Marino di Christoforo als
Epitrop erscheint ^) , nnd Hieronymns AUegreti Gradich (vielleicht der-
selbe) ,151 5 — 1516 Gesandter znm Mamelnkensnltan in Kairo nnd erster
ragnsanischer Consnl in Alexandria.
Die Biographie des Don Mauro Vetraniöy des dichtenden Eanf-
mannssohnes, der in den Orden des hl. Benedict getreten war, steht in
i) Testamente Noterie 1528, f. 141.
2) Test. 1512— 1516, f. 180v.
3) Christophoro Domenego de Alegretto, Marino Dom. de Alegretto für
den Vater Domenego, fine remissione 1546 in Belgrad, Div.Ganc. 1550, f. 159 v.
*) £in Vorfall in seinem Hause 1518: Ser Alouisios Ni. Alo. de Goze
»violenter intranit nocte in domum Pasqnalis Ghristichieuicb, aperiendo fe-
nestram, ad quam se callauit ex tecto diete domus«, wurde aber für dieses
nächtliche Abenteuer, welches jedenfalls einem Frauenzimmer galt, vom
Gonsilium Bogatorum (13. Aug.) zu einem Jahr Kerker »in compedibus ferreis«
verurtheilt, »in uno ex tribus carceribus antiquis a parte pelagi«. Blasius
Mar. Blasii de Menze war beim »Fensterin« nicht glücklicher. Er stieg an
einem dunklen Decembermorgen 1519 in das Hans des Panlus Jacobi Ba-
deglich »ad uxorem dicti Pauli, que viso homine clamauit alte voce, qnod
omnes vicini aperuerunt fenestras et ipse aufugit« und wurde (27. Dec.) zu
zwei Jahren in demselben Kerker verurtheilt, »clausus in ferris ad pedes«.
Doch haben sich beide Angeklagte bald geflüchtet ; Menze ist sogar aus dem
Kerker entsprungen.
5) Test 1528, f. 53 v.
Beiträge zur ragnsanischen Literaturgeschichte. 465
enger Verbindung mit den Bemühungen der Republik von Ragusa, die
Benediktinerklöster ihres Gebietes zu heben und zu reformiren.
Der Stadt zunächst lag das Marienkloster auf der Insel Lacroma,
seit 1466 eine Zeit lang zugetheilt der Congregation der hl. Justina von
Padua ^). Die Mehrzahl der MOnche waren Italiener, ebenso die Aebte.
Eine Folge davon waren Reibungen zwischen dem Senat und dem Kloster,
wie am 8. October 1494, wo der Rector nach Beschluss des Consilium
Rogatorum den Abt Benedictus aus Ferrara mit den übrigen italienischen
und ragusanischen Mönchen vor sich rufen Hess, mit der Anfrage, warum
sie den Hylarus de Goze, Ben. de Saracha und andere Ragusaner nicht
ins Kloster aufnehmen wollten. Die Mönche entschuldigten sich mit der
Enge ihrer Behausung, nahmen aber die Genannten auf, da ihnen der
Rath drohte, sie im Falle eines Widerstandes binnen drei Tagen nach
Italien wegzusenden (discedant et reuertantur in Italiam). Am folgenden
Tage wurde den Mönchen eingeschärft, sich zu bemühen um die Auf-
hebung eines Beschlusses des Kapitels der Congregation, »quo decreto
nostri, intrare volentes religionem, sunt ezclnsi non solum ab hoc nostro
monasterio Lochromonensi, sed ab omnibus monasteriis Italic dicte con-
gregationisf. Die Republik werde sonst gegen die widerspenstigen
fremden Klosterbrüder energische Massregeln ergreifen: vintcindimus
eos excludere a dicto monasterio nostro Lochromensi, quod monasterium
patres et antecessores nostri fabricauerunt ad laudem Dei et ad commo-
dum ciuium nostrorum, Deo seruire uolentiumc^). Am 18. November
1508 gab es einen Gonflict mit den Mönchen von Lacroma wegen Contre-
bände: xsuperioribus diebus receperunt furtive in monasterium pannos
et alias res foresteriorum, in damnum dohane nostre et ofiensionem rei-
publice nostre a. Der Abt mit den Mönchen wurde vorgeladen und zur
1) Vgl. Theiner, Monumenta Slav. merid. I, 489.
2) Liber Rogatorum 1492—1497, 8. und 9. Oct. Erwähnt auch bei Conte
Const. Vojnoviö, Crkva i drl^ava u dubrovackoj republicii Rad jugosl. akad.
Bd. 119, S. 51. — Aus den Diversa notirte ich mir die Aebte von Lacroma :
Nie. de Saracha (Ragusaner) 1497, Benedictus de Sarazana Januensis 1503—
1504, Paulus de Mediolano 1506, Leonardus de Pontremulis 1514, Lucas de
Yercellis 1519, Joannes de Arbis 1522, Honoratus de Gastiliono Mantue 1549,
Julius de Mantua 1550. Das ganze Kloster in den Diversa Cancellarie 1514,
f. 2S7 : der Abt de Pontremulis, der FnoT aus Genua, der Decanus aus Zara,
von den Mönchen 4 Ragusaner (zwei Placidi, ein Joannes, ein Theodorus),
2 aus Vieenza, 1 aus Calabrien, 1 aus Sicilien. Im J. 1522 (s. S. 471) bestand
das Kapitel wieder meist aus Ragusanem.
ArcldT far sUTiscbe Pliilologi«. XXI. 30
466 Const. Jirecek,
Zahlung des Zolles aufgefordert. Zugleich ging an die Gongregation
der hl. Justina eine Beschwerde gegen das Kloster.
Grosse Sorgen hatten die Ragusaner mit dem MnttergottesUoster
von Meleda (lat. Melita, sl. Mljet), am Westende der grossen Insel ge-
legen, auf einem felsigen Inselchen inmitten einer von hellgrünen Nadel-
holz wäldem umgebenen fischreichen Lagune. Die Anfinge dieser Bene-
diktinerabtei sind in Dunkel gehflllt in Folge der yielen, einander wider-
sprechenden ürkundenfalsificate. Die weltliche Hoheit über die Insel
nahmen die serbischen Herrscher, zuletzt noch Gar Stephan DuSan 1349
und Gar Uros 1357 in ihren Privilegien an die Ragusaner für sich in
Anspruch, aber seit dem Verkauf der Halbinsel von Stagno an Ragusa
war der serbische Einfluss nur nominell. Die Insel erscheint als eine
Art — Republik mit einem Abt an der Spitze, dem drei Richter und
der »sbor«, die Gemeinde der Insulaner, zur Seite standen. Da das
Kloster zur Ragusaner Diöcese gehörte und die Achte meist aus Ragusa
stanunten, gerieth Meleda langsam unter die Herrschaft der Republik.
Seit 1410 residirte auf der Insel ein Locumtenens, später Visconte ge-
nannt, des ragusanischen Gomes von Giuppana; dieser Gomes selbst
hatte in Folge eines Beschlusses des grossen Rathes von diesem Jahre
dreimal jährlich die Insel zu besuchen und fortan die Richter der Insel
selbst zu ernennen. Seit 1499 finden wir jährlich wechselnde eigene
Gomites von Meleda aus dem Adel von Ragnsa.
Zur selben Zeit, ungefthr seit 1480, war Abt des E^losters von
Meleda der ragusanische Patricier Don Bemardus de Gondola ^). Ans
den Tagebüchern des Marino Sanudo ist bekannt, dass dieser Prälat sich
eifrig um alle gleichzeitigen Ereignisse, besonders in der Türkei, inter-
essirte und einer der fleissigsten geheimen Gorrespondenten der vene-
tianischen Regierung war ^) . Auf Meleda war nicht viel Neues zu hören ;
desshalb verweilte er meist in Ragnsa. Die Republik duldete aber seine
wiederholte Abwesenheit vom Kloster nicht und erlaubte ihm Besuche
in der Stadt nur im Fall einer »causa legitimaa, wie es im Beschluss
der Rogati vom 15. Mai 1501 heisst, worauf ihm aber schon am 23. De-
cember d. J. bewilligt wurde wieder in die Stadt zu kommen, »causa sc
cnrandi ab infirmitate de batticoro«. Am 6. Juli 1508 erging ein neuer
i) Ungefähr 26 Jahre Abt 1506, Farlati VI, 208.
3) Auszüge aus Sanudo im Arkiv za povjestnicu jugoslavensku V, 46,
80, 83; VI, 184, 191, 219, 242, 328, 357, 376, 397, 420 (1499—1514).
Beiträge zur niguBanischen LiteratnrgeBchiohte. 467
Befehl an alle Aebte und Priore der Klöster des ragnsanischen Gebietes,
sie sollen in den Klöstern > residentiam continnam facere «r. Im J. 1 5 1 4 kam
es, nach längeren Unterhandlungen in Rom wegen der Klosterreform, zn
einem Conflict, da der Abt Bemardns das Eigenthum des Klosters ver-
schleuderte und auch sonst Anstoss erregte. Am 20. Mai wurde ein
Nobilis mit einer Barke nach Meleda beordert, um dem Abt »sub pena
indignationis nostre« in die Stadt zu bringen, doch Don Bemardo war
entflohen. In Folge dessen segelten am 30. Mai Ser Dragoe Sim. de
Goze und Ser Petrus Nat de Saraoha mit zwei Schiffen (grippi) und be-
waffiieter Mannschaft >ad monasterium Melite pro custodia dicti mona-
sterii et rerum suarum«; ein drittes Schiff unter Paulus Mar. de Grieva
begab sich »ad viam Laguste«, wohl um den Abt zu fangen. Als man
erfuhr, der Flüchtling sei bei den Venetianem auf Curzola, wurde am
31. d. M. sein Bruder Jacobus Paladini de Gondola mit einem Geleits-
brief zu ihm gesendet, um ihn von dort zurückzubringen, was auch ge-
lang. Am 3. Juni beschloss der Bath »de faciendo yenire Ragusium
omnes monacos monasterii Melite, excepto dom Ruscho, qui remaneat in
monasterio viceabbas«. Am 7. d. M. wurde beschlossen, den Erzbischof
zu einem Process gegen den Abt aufzufordern. Dabei hatte der Rath
die Absicht, den Abt zur Abdication zu bewegen, durch das Versprechen
einer lebenslänglichen Provision. Zu gleicher Zeit wurde dem Rector
die Ermächtigung gegeben, »accipiendi de manibus cuiuscunque mulieris
et aliamm personarum, que indebite tenent res et bona monasterii Meli-
tensis, tam stabilia, quam mobilia«. Zugleich begannen in Rom durch
Don Damianus Radognich oder AUegretti, der 12 Monate auf dieser Ge-
sandtschaftsreise abwesend war, neue Verhandlungen pro »reformatione
abbatie Melitensis«, mitHinweis auf päpstlicheBuUen von 1448 und 1466.
Im März 1515 entfloh der Abt Bemard abermals nach Curzola und von
dort nach Gattaro. Nun wurde er durch eine Sentenz des Erzbischofs
abgesetzt, worauf das Gonsilinm Rogatorum am 10. Juni den Viceabbas
Ruschus zum Abt ernannte und die Nobiles mit der Wachmannschaft
aus dem Kloster von Meleda abberief.
Indessen vereinigte Papst Leo X. am 13. Juli 1515 das Kloster von
Meleda mit der Gongregation von Monte Gassino und übertrug dem
Bischof von Mercana Augustinus de Nale (aus der Familie der Na^eS-
kovi6) die Durchführung der Reformation. Im Protocoll der Sitzung
vom 24. Aug. d. J. liest man folgenden Beschluss der Rogati : »Electio
quatuor monachorum, natione Ragusinorum, denominandorum ordinis
30*
468 Const. Jireoek,
S. Benedict], qui debent extrahi ex congregatione Casainensi in exe-
cutione et secnndum tenorem bulle, nnper impetrate pro reformatione
monasterii Melitensis ad obseruantiam regulanun : Domnns Hieronymus
de Benessa (31 Stinunen), Domnus Placidas plebeus, nunc celerarius
Lochrome (25 Stimmen), Domnns Benedictus Pauli Xuxorine (alle 39
Stimmen], darmms Maurns Dimchi de Vetrano (32 gegen 5 Stimmen)«.
Mavro Vetraniö war also unter den vier Rag^isaner Mönchen der Con-
gregation von Monte Cassino, welchen die Erneuerung des Klosters von
Meleda anvertraut war. Aber damit waren die Schwierigkeiten nicht
zu Ende. Am 21. Januar 1516 erfuhr der Rath von der Opposition des
Praeses und des Procurator generalis der Congregatio Cassinensis gegen
die Bulle für Meleda und hOrte, der abgesetzte Abt Don Bemard de Gon-
dola sei nach Rom gereist. Um Intervention wandte man sich an den
Abt von Lacroma, er möge die Congregation brieflich über die Sache
aufklAren. Am 14. Februar wurde dem Erlöster von Meleda die Fischerei
im »portus foris versus ponentem, vocatus Loquiza« auf acht Jahre für
die Restaurirung der ELlostergebäude überlassen, was 1524 auf weitere
acht Jahre verl&ngert wurde. Am 30. Januar 1517 segelte abermals
ein Nobilis, Ant. Andr. de Benessa, mit Bewaffneten nach Meleda, »pro
machinationibus, quos tentat facere Petrus de Albis pro abbatiaMelitcff,
ein ragusanischer Geistlicher im Dienste des päpstlichen Hofes, wie es
hiess, von Curzola aus mit einer angeblichen Bulle ^) ; doch schon nach
wenigen Tagen erfolgte ein Gegenbefehl. Da eben das Priorat des Insel-
klosters von S. Andreas de Pelago durch den Tod des D. Jacobus de
Crieva erledigt war, beschloss der Rath am 28. Februar in Rom eine
Reform auch dieses ELlosters, sowie die Union desselben mit Meleda zu
verlangen. Dasselbe wünschte man auch für das St. Jacobskloster bei der
Stadt, jedoch wurde diese Absicht wegen des Widerstandes des Abtes
Aloisius de Crieva bald aufgegeben.
Am 4. November 1517 hatte sich der Rath mit einer wichtigen
Nachricht aus dem Kloster von Meleda zu beschäftigen. Zwei der ragu-
sanischen Mönche der Congregation von Monte Cassino, welche durch
das Vertrauen der obersten Behörde der Republik zur Klosterreform
nach Meleda berufen waren, wurden nach etwas mehr als zwei Jahren
ihrer Aufgabe überdrüssig. Sie entflohen ohne Wissen und Erlaubniss
des Abtes nach Italien. Es waren eben die zwei, welche die meisten
i) Vgl. darüber Farlati VI, 212—214 (päpstl. Urk. vom Mai 1517).
Beiträge zur ragnsanisehen Literaturgeschichte. 469
Stimmen bei der Wahl im Senat erhalten hatten, Don Benedictns Pauli
Xnxorine nnd Don Manras Dimchi deVetrano. Unzufriedenheit mit dem
Leben in dem einsamen Inselkloster und Sehnsucht nach Italien, wo-
her sie gekommen waren, haben sie wohl zu diesem Schritt bewogen.
Die Senatoren waren sehr aufgebracht. Beide Mönche wurden als »re-
belles nostri, transgressores mandati apostolicicr, für immer aus dem
Territorium und der Stadt Ragusa verbannt, ebenso jeder, der es wagen
wflrde, sie auf ragusanischem Gebiet heimlich zu beherbergen. Wird
einer der Flüchtlinge gefangen genommen, so ist ihm der Process zu
machen. Die geringe Majorität im Rathe, 23 gegen 18 Stimmen, zeigt
jedoch, dass viele Mitglieder des Rathes die Ursachen der Flucht anders
beurtheilten^). Erst nach drei Monaten, am 27. Februar 1518, be-
schwerte sich der Senat bei der Oongregation selbst: i»scribendi Rdo
presidenti et diffinitoribus capituli congregationis Cassinensis per Rdum
d. Abbatem Lochrome, iturum de presenti ad dictum capitulum, contra
illos duos monacos, qui superioribus diebus discesserunt sine licentia ex
monasterio Melite, qui duo monaci introducti erant in dictum monaste-
rinm Melite pro reformatione illius cum bulla et scripturis pape«^). Von
den zwei zurückgebliebenen Mönchen verlangte nunmehr auch Don Hie-
1) Consilium Rogatomm, 4. November 1517 (Band 1516—1518, f. 183):
»Prima pars est de prouidendo pro recessa ex monasterio Melitensi dorn Be-
nedict!, filii olim Pauli Xuxorine, et dorn Mawriyßlii Dimchi de Vetrano (diese
Worte am Rand hinzugesetzt), monacorum, qni extracti ex congregatione
Gassinensi erant introducti in dictum monasterium Melitense pro eins refor-
matione et nunc inscio abbate et sine illius licentia malo spiritu ducti redie-
runt in Italiam, deserentes dictum monasterium cum damnatione anime sue.
Per XXy contra XVI. Prima pars est de habendo dictos dominum Benedic-
tum et domnum Maurum monacos pro rebellis nostris, transgressoribns man-
dati apostolici, qui sint banniti perpetuis temporibus a ciuitate et territorio
nostro, ita quod non possint nnquam venire ad loca nostra. £t si unquam ali-
quis eorum veniret in territorinm nostrum et haberi possit in manibus dominii
nostri, quod debeat retineri et contra cum consuli et prouideri in presenti
consilio, interueniente (f. 183 v.) auctoritate superioris sui. Et qui acceptaret
in tenutis nostris aliquem eorum, si non denunciabit dominio nostro, quod
cadat in illam penam, que in presenti consilio dedarata fuerit. Et quod minus
consilium vocari faciat depntatos in bulla apostolica pro faciendo poni exe-
cutioni dictam bullam, et in dicto minori consilio debeat intimari volnntas et
intentio presentis consilii abbati Lochrome et abbati Melite. Per XXin con-
tra XVin. Seounda pars est de faciendo aliter«.
S) Lib. Cons. Rog. 1516—1518, f. 227.
470 ConBt. Jireoek,
ronymns de Benessa, Mitglied eines Patriziergeschlechtes, die Erlanbniss
zur Rflckkehr ans Meleda »ad snam religionem congregationis Cassinen-
sisff, was ihm das CoDsilinm Rogatoram am 16. Jdi 1519 gestattete,
sogar mit einem Belobongsschreiben (sibi faciendo literas boni semitns).
Am 24. November d. J. schrieb der Senat an die Congregation abermals
nm vier Mönche zor Heformirang des Klosters von Meleda, nach Wort-
laut der päpstlichen Bulle. Da die Zeit alle Gegensätze aasgleicht, was
damals gewöhnlich rascher vor sich ging, als in unseren Tagen, wurde
am 17. März 1522 dem fflr immer verbannten Mönch Don Benedictus q.
Pauli Xuxorine volle Gnade gewährt und ihm die Rflckkehr in sein
Kloster Lacroma gestattet.
Die Zustände im Kloster von Meleda Hessen noch immer viel zu
wflnschen flbrig. Am 14. März d. J. beschloss der Senat in Rom eine
Vereinigung aller ragusanischen Benediktinerabteien, eine »unio mo-
nasteriorum monacorum S. Benedicti diocesis Ragusinet zu betreiben,
um so mehr, als es verlautete (27. März), die Congregation von Monte
Cassino beabsichtige das Kloster von Lacroma »alicui prelato in com-
mendam aut cuidam cardinalia zu geben. Als Gesandter ging nach Rom
Bernardus de Binzola. Demselben wurde am 14. März 1526 bei einer
zweiten Gesandtschaftsreise neben den Verhandlungen um die beabsich-
tigte Union aller ragusanischen Benediktinerklöster speciell aufgetragen,
»creationem abbatis annalis monasterii Melitensis et eins prioris in ca-
pitnlo monasterii, quolibet anno celebrando« zu erwirken und eine aber-
malige Sendung von vier »monachi nationis nostre« aus der Congrega-
tion von Monte Cassino nach Meleda zu erbitten. Binzola erreichte die
Union und die periodische Wahl des Abtes. Die neue Congregation
umfasste alle Benediktinerklöster des ragusanischen Gebietes mit Aus-
nahme von Lacroma ^).
In den Bflchem des Consilium Rogatorum, die ich bis Ende 1526
gelesen habe, fand ich keinen ausdrücklichen Beschluss über eine Be-
gnadigung des Don Maurus. Aus dem Testamente seines Vaters, des
1) Eine urkundliche Geschichte der Melitensischen Congregation auf
Grund der Akten der Archive von Rom, Monte Cassino und Ragnsa wäre eine
nicht undankbare Aufgabe. Die Darstellung bei Farlati VI, 66 f., 212 f. ist
unvollständig. Die definitive Einrichtung der Congregation erfolgte 1528
durch Papst Clemens Vn. (ib. p. 74, 221). Es gehörten dazu die vier Klöster
von Meleda, S. Jacobus de Visnjica, S. Andreas de Pelago und die Abtei von
Pakljena auf der Insel Giupana. Die »praesides« wechselten alljährlich.
BeitrSge zur raguBaniachen Literaturgeschichte. 471
Dominicns Nie. de Vetrano (f Apr. 1526) vom 18. Mai 1525, ist jedoch
sicher zu schliessen^ dass er damate wieder in Ragasa weilte, denn ihm
wird die ganze Testamentsvollstreckung Übertragen (Archiv XIX, 77).
Er ist woU 1522 zusammen mit Znzorina begnadigt worden nnd war
schon in diesem Jahre wieder in Lacroma ^).
Ueber die späteren Schicksale des Vetrani6 vermag ich jetzt nur
wenige urkundliche Daten mitzutheilen, aus denen jedoch erhellt, dass
der Dichter in der neuen Melitensischen Congregation eine bedeutende
Bolle spielte. £r war 1527 — 1528 Abt von Meleda und sollte wegen
der Organisation der Oongregation als Gesandter der Republik zum
Papst reisen, was er nicht annahm 3). Später finden wir ihn 1534 als
Prior des Inselklosters S. Andreas de Pelago, welches er in seinen Ge-
dichten so schon geschildert hat, 1542 als Abt des St. Jakobsklosters
vor der Stadt nnd 1544 als Praeses der ganzen Melitensischen Oongre-
gation.
Am 17. Februar 1534 schloss die Congregation einen Pachtvertrag.
An der Spitze derselben erscheint Don Hieronymus Sym. de Benessa,
derselbe, der einst mit Vetranid 1515 — 1517 das Kloster von Meleda
reformiren sollte, schon 19. Sept. 1531 als Praeses und zugleich abbas
S. Jacobi de Visgniza genannt ^j. »Rdi in Ohristo presentes D. Hieroni-
mus Sym. de Benessa, preses congregationis Melitensis ciuitatis Rhagu-
sij, D. Benedictus, abbas Sti Jacobi in Visgniza, et Z>. Maurus de Uet-
tranis^ prior monasierü Sti Andreae de Pelago^ omnes ibi presentes
et unanimiter concordes ao cum consensu Ser Stephani Sym. de Benessa,
1) In den Div. Notarie 1522, f. 43 erscheint am 1. December 1522 das
Kapitel von Lacroma: D.Joannes de Arbis abbas, D. Hieronymus de Ragnsio
abbas Pomposie pro titulo, D. Benedictus de Ragusio prior, D.Petrus de Pla-
centia celerarius» 2>. Maunu de Bagusio, D. Joannes Maria de Ragusio, D.
Nicolaus de Istria, D. Augustinus de Ragusio, D. Lucas de Ragusio, D. Hie-
ronymus de Ragusio, D. Michael de Ragnsio. D. Maurus ist wohl Niemand
anderer als Maurus de Vetranis; D. Benedictus ist Znzorina.
S) Am 27. Juni 1527 übergab der Oanonicus Mich. Clem. de Restis als
Yicar des Erzbischofs im Kloster von Meleda dem D. Maurus, Abbas von
Meleda, die durch den Tod der letzten Aebte A.Cervinus und Hilarius Gozze
erledigten KlOster von St Jakob und St Andreas (Urk. bei Farlati VI, 221—
222). Presbyter Dam. Allegrettus statt des Maurus Vetranus, abbas Meliten-
sis, 1528 Gesandter zum Papst, ib. VI, 74.
9) Div. Canc. 1530— 1531, f. 156. Benessa soll der eigentliche Begründer
der Oongregation gewesen sein, Farlati VI, 66 f. (Commentarius des Abtes
Ign. Giorgi).
472 CooBt Jireoek,
procuratoris dicte congregationis Melitensifl«, verpachten aaf 500 Jahre
(annos qniogentos) »Michotio Andreae Recich de Granosioa und dessen
Erben, »villico monachomm dicti monasterii 8. Andreae a, Hans und
Garten »in Grauosio prope S. Michaelemc fttr 20 Grossi, jährlich am
St. Andreastag zu zahlen »pro affictn terreni, in qno domns prefata po-
Sita est«, ebenso dem Nie. Badi de Grauosio auf 500 Jahre »medietatem
domns et orti, in qna de presenti habitatc, fUr 10 Gross! jährlich, die
gleichfalls am St. Andreastag zu entrichten sind^). Am 11. Febmar
1536 erscheint Hieronymns de Benessa als Abt von Meleda; er schliesst
mit Maurern aus Gravosa eine Uebereinknnft wegen eines Banes in Ba-
bino polje auf Meleda fttr das Kloster^). Von Vetraniö hören wir erst
einige Jahre später, in dem 1542 verfassten Testament seiner Schwester
Barbara, Wittwe des Blasius Nie. de Latiniza, die als Epitropi einsetzte:
»D. MaurOj mio fratello, abhate di Sto Jacomo^ et Jacomo, mio fra-
telloa'). Am 16. März 1544 abdicirte Benessa, noch immer Abt des
Marienklosters von Meleda, wegen seines hohen Alters (etate senili op-
pressns), um den Rest seines Lebens »in sanctis meditationibus cum omni
debita deuotionec zuzubringen. »Idcirco predictis et aliis animi sui ra-
tionibus motus ex mera et propria sua uoluntate dixit sc rennntiare Bdo
Don Mauro de Vettrano, presidi dicte congregatUmis^ et capitulo to-
tum regimen, quod hucusque et omnem quam in dicta congregatione,
tam in spiritualibus quam temporalibus habuit auctoritatema. Benessa
blieb nur »titularis abbasc^). Er starb Ende 1546, als abbate di S. Ja-
cobe (Visnjica) , worauf der Senat einen Don Grisostomo in Venedig
suchen Hess, nämlich den gelehrten Mönch von Monte Gassino Chry-
sostomus Calvinus aus Calabrien, der 1549 zur Reformation der Bene-
diktinerklöster nach Ragusa kam, öfter Abt und Praeses der Congre-
gation war, zuletzt (1564 — 1575] Erzbischof von Ragusa ^). Ich habe
auch die Testamente der beiden Brüder des Don Maurus gefunden, doch
von ihm ist in ihnen kein Wort. Des Hieronymus Dominici de Veterano
1) Diversa Notarie 1533, f. 122.
2) Div. Canc. 1535, f. 79.
8) Testamenta Notarie 1539, f. 210. Vgl. Archiv XIX, S. 77.
^) Diversa Not 1544, f. 140.
s) Commissio des Aless. di Jac. di Verona, S.Dec. 1546. Lottere e Comm.
di Lev. 1542—1548. Am 16. März 1549 erscheint D. Hieronymus Sauelianus
als abbas mon. S. Jacobi de Visiniza, Div. Not. 1548—1550, f. 81. Ueber Cal-
vinus Fariati VI, 242 f.
Beiträge znr raguBanischen Literaturgeschichte. 473
Testament ist eingetragen am 21. Hai 1556, das des Jacobns Dominici
deVetranis, der zwei Söhne, Dominicas und Daniel, hinterliesS; am
29. September 1 561 ^). Die Akten der Melitensischen Congregation sind
verschollen; das meiste über dieselbe dürfte in Rom zn finden sein, ein
archivalisches Material, von welchem Theiner's Sammlung nur ein un-
vollkommenes Bild liefert. Anch in den Senatsprotokollen nach 1526
nnd in der politischen Correspondenz von Ragnsa mag noch manche
Notiz über Don Mauras verborgen liegen.
Bei den Nachforschungen über Andrija Öuhranotidy wohl einen
der bedeutendsten Dichter der ragusanischen Schule, hatte ich kein
Glück ^). Es haben sich aber dennoch Daten gefunden, welche uns der
Frage näher bringen. Eine Familie Oubranovi6, Cibranovi6 ist zwar
innerhalb der Stadtmauern von Ragusa zu Anfang des XVI. Jahrh. nicht
nachweisbar, aber Leute mit Namen Cyprianus, Zibrano und den davon
abgeleiteten Patronymica hat es in Ragusa und Umgebung am Ende des
Mittelalters genug gegeben. Ein Rossinus de Zibrano wird am 2. Sept.
1282 genannt'). Ein Bene de Zibrano oder Cibriano aurifex erscheint
um 1350^). Itumcho Zubranouich klagte am 2. März 1374, gestern
seien ihm bei Sonnenuntergang »prope ecclesiam S. Orsulec zwei Pack-
pferde mit Oel, Wein, Salz u. s. w. von vier Leuten aus Popovo geraubt
worden^). Es ist wohl derselbe 2^uchtis Zibranouichj der am 15. Juli
1403 sein Testament abfassen Hess, worin »caxa mia e uignain Ora-
uossac, seine Frau Zfieta, sein Bruder Maroye genannt wird<^). Dieses
Maroe Zibranoutch Testament ist am 2. October 1429 eingetragen;
seine Frau hiess Glubissaua, seine Söhne Giucho, Nicola, Vlacota, Ruscho
und luoho^). Ein Zubar Zubranouich de Grauosio wird 1436 ge-
nannt^).
1) Testamenta 1555, f. 27v.— 28, 221 v.
2) Für Uubranoviö fehlt es überhaupt an chronologischen Anhaltspunk-
ten. Die Angabe, dass die »Jegjupka« am 20. Juli 1527 in Ragusa recidrt wurde
(Stari pisci VIII, S. VII) ist entschieden unrichtig, denn eben in diesem Som-
mer wüthete die Pest in der Stadt in ganz furchtbarer Weise (vgl. Archiv
XIX, 72). Oder soll dieses Datum den Todestag des Dichters bezeichnen?
<) Liber diuersarum 1282—1284 (Div. Not).
*) Vgl. auch Starine XI, 10 ; Monumenta Ragusina III, 63.
^) Lamenta de intus 1372—1374.
«) Testamenta Notarie 1402, f. 56.
7) Ib. 1418, f. 211 V.
9) 5. Dec. 1436, Lamentationes de foris 1436.
474 Const Jireoek,
In der Zeit des HenSetid and Dri^iö lebte in Orarosa ein ganzes
Qeschlecht von Manrermeistern, genannt Oibranütdch oder Zibranauich,
dessen Mitglieder bei Bauten innerhalb und ausserhalb der Stadt in den
Bflchem der »Diversa Notarie« und »Diversa Oaneellarie« sehr oft ge-
nannt werden. Es waren 1486 f. die vier Brüder Bartholos, Maroe,
Franciscus, Bogoe, mnratores de Granosio, fratres Zibranooich, filii
qnondam Nicolai Zibranonich; auch bloss als Nicolich (oder Nicolich
dictns Cibranooich] bezeichnet, dann die Söhne derselben, Bogoe Ma-
roenich dictns Cibranouich oder kurz Bogoie Cibranonich de Granosa
(Testament 1530) und Marin Bartolouich detto Vtua (utva Ente) Zibra-
nouich in Grauosa 1 528 ^) . Ein Verwandter derselben war der Maurer-
meister Ruschus Qabrouich, Zubrouich, Cibranouich, 1498 — 1524 bei
zahlreichen Kirchenbauten, besonders des Aposteiklosters oft genannt,
sowie dessen Söhne, die »muratoresc Antonius Buschi dictus Cibranonich
(Cyb-), Petrus Ruschi Cibranouich (1535 — 1538) und Christophorus
Ruschi de Grauozio (1550). Zu nennen ist noch ein Marcus Luchxe
Cibranouich de Grauosio 1493 und ein Paulus Zibranouich 1528. Eine
andere Gruppe dieser Cibranoviöi von Gravosa wird in einer Cession
vom 10. April 1505 genannt: »Stiepchus et Andrects fratres, filii quon-
dam Luce Helijch dicti Cibranouich de Grauosio« mit ihrer Mutter Sla-
uussa treten dem Bogoe Nicole Maroeuich dicti Cibranouich die »jura
et rationes« ab, welche sie »jure polouicie ac laboreriorum et meliora-
mentorumc auf 2Y4Soldi Grund »in Grauosio apud ecdesiam S. Michae-
lis« hatten, nftmlich auf Besitzungen des Frauenklosters St. Thomas,
»alios locatos ad polouiciam olim Cibrano«, einem Vorfahren der Fa-
milie, nach der Eintragung in den Diversa Notarie am 7. December
1 375 2) . Der Name Andreas kam also unter diesen Öibranoviöi von Gra-
vosa vor. Sollte dieser Andreas, Sohn des verstorbenen Luka Iliö Öib-
ranoviö, von 1505 der Dichter sein')?
Antun Sasin (Ende des XVI. Jahrh.) bezeichnet Öubranoviö als
»Andrija zlatara^j; auch nach Dolci soll er laurifexa gewesen sein,
1) Lamenta de foris 1528, f. 266 v.
2) Diversa Notarie 1504, t 99 v.
3) Ein Dragitius Nicolai dictus Ciobranouich (sie) in den Diversa Not.
1537—1539 f.2 V. erscheint in seinem Testament 1530 dreimal richtig als Cio-
banouich, von ooban Hirt. In der Matricola della confratemiti di S. Lazaro
unter den fratelli: Dragloh de Nicola Cioban.
«) Stari pisci XVI, 107, 160.
BeitrSge zur ragoBaniBchen Literaturgeschichte« 475
nach Serafino di Gerva die »argentaria anc betrieben haben. Die Gold-
Bchmiede und Goldschläger, aurifices nnd batianri, hatten eigene Corpo-
rationen, die aber durch den Beschlnss des Oonsilium Rogatomm vom
29. Januar 1521 zu äner fratemitas »sub una banderia« vereinigt wur-
den. Die Nachforschungen Aber die einzelnen Mitglieder dieser Zunft
gestalten sich sehr schwierig, da die oresi und battiori oder battidori,
ebenso wie die lanari, fornari, pelizari u. A. noch über 1550 hinaus
meist nur mit Tauf- nnd Vatersnamen bezeichnet werden, ohne Familien-
namen, z. B. Hieronymus Mathei aurifex, Oliueriua Andree battiaurius,
Biasio de Uia orese u. s. w.
Unter den Goldschl&gem gibt es in dieser Zeit einen Andrea di
Elia (de Bia)^). Am 8. Januar 1545 hat er sich wegen der «mala qua-
litä delli tempi corsi« mit zahlreichen Edelleuten und Bflrgem zu ver-
gleichen, um nicht unbedeutende Summen (Zanobio Bartholi 846 Dn-
caten, Jao. Georgii de Cabogha 600 Duc. u. s. w.)^). Im J. 1547 war
er, selbst schon ein Greis (graue d'anni e del corpo), iruinato per la
pocha fede di Miohele Petrouichc und reichte dem Oonsilium Rogatomm
ein Gesuch Aber einen Ausgleich ein, worauf der Rath das »accordium«
billigte; unter den Glftubigem waren Jac. Georgii de Caboga, Mar. Georgii
de Gozze, Marin Piero de Cerva, Pietro Fr. de Lucari und Aug. de
Nale'). Am 28. Mai 1548 verfasste Andrea di Elia battioro sein Testar
ment, in welchem seine Frau Paula und als Universalerbin seine Tochter
Maria genannt werden. Er begab sich nach Siebenbflrgen nnd wurde in
demselben Sommer bei Karlsburg ermordet; das Testament ist am 20^
September d. J. in das Buch eingetragen mit der Bemerkung: »Hoc est
testamentum quondam Andreae Eliae battioro, interempti [in partilms
Älbae Juliae, repertum in notaria publica ciuitatis eiusdem, ubi datom
fuerat ad saluandum«^). Am 1. Deeember 1548 erscheinen bereits die
conservatores bonorum »quondam Andreae Eliae battioro«, mit einem
Salvus Conductus für Georgius Radi, Schuldner des Verstorbenen ^). Ist
dieser in Siebenbürgen ermordete alte und abgewirthschaftete Gold-
^) Andrea de Dia hatioro in der Matricola della confratemit& di S. La-
zaro (jetzt im Hauptarchiv in Ragusa, aus der Sammlung §ariöj f. 73 A, unter
den Brüdern, »queUi che non sono de capitulo«.
3) Diversa Kotarie 1644, f. 104.
3) Gons. Rogatomm 1547—1549, f. 32.
«) Testamenta Notarie 1543—1549, f. 240.
^) Div. Notarie 1548—1550, f. 25.
476 Gonst. Jirecek,
Schläger Andreas, des Elias Sohn, der Dichter der »Jegjnpka«? Ich
glaube nicht. Sein Schicksal wäre den älteren ragnsanischen Literar-
historikern nicht geheim geblieben.
Wenn wir bei den Goidschlägem bleiben, so gibt es noch eine Spar.
Ein reicher angesehener Mann dieser Zeit war der seit 1524 oft ge-
nannte Simon de Andrea haiidoro oder Simon Andree battiaurins. Er
besass in der Stadt ein grosses Hans nnd betrieb Handel in der Fremde,
wie er 1535 mit dem Dichter NaljeSkovid (s.S. 480] Geschäfte in Aegyp-
ten hatte. Simon starb 1547, seine Fran Marrha (sie) schon 1544 1).
In seinem Testament werden drei Söhne genannt : Marino, der wichtigste
Erbe, als Marinas Simonis battiaari oft genannt bei Handelsgeschäften,
Lederexport aas Bosnien and Assecarationen von Schiffen, Jacopo and
Francesco. Zwei Töchter, Gatha and Nicha, waren verheirathet an einen
Michael und einen Petras, wohl Petras Natalis pictor, fttr den Simon
1536 Schiedsrichter in einer Erbschaftsangelegenheit war 3); Paula war
Gattin des Nicolaus Joannis aurifex gewesen, der nach ihrem Tode 1533
eine neue Ehe einging und ihrem Vater Simon die Mitgift von 400 Duc.
Gold zurückzahlte; zwei Töchter waren Nonnen, Fiora im Kloster St.
Thomas, Benedetta in S. Maria di Gastello. War Simonis Vater Andreas
der Dichter? In den Familien von Bagusa war es üblich, dass die Na-
men der GrossYäter sich regelmässig unter den Enkeln wiederholten.
Hatte Simon, Sohn eines Andreas, nicht noch einen vierten Sohn, der
auch Andreas hiess und frühzeitig gestorben war, und war dieser uns
sonst unbekannte Andreas der Dichter der »Jegjupka«?
Die Nachforschungen nach der Familie Uubranoviö in Ragusa bis
1550 sind erfolglos geblieben. Bei der Verarbeitung meiner Notizen
sehe ich, leider zu spät, dass ausser einem glücklichen Zufall nur ein
einziger Weg zu einem Resultat führmi könnte. Marc Battitore (wohl
ein »batidoro«) widmete die Editio princeps der JiJegjupka«, Venedig
1599, dem »Thomu Nadalu Budislavu . . . pasanomu vitezu i poStovanomu
kanoniku polja5komu(t, der dabei ausdrücklich als ein Verwandter des
Dichters mütterlicherseits bezeichnet wird: »kako rodjak i plemenom ma-
terinijem od iste kuce Öubranoviöc^). Der Genealogie dieses Ganonicus
^) Testamentum quondam prudentis viri Simeonis Andreae BattiorJ,
registrirt am 29. Oct. 1547, Test Not 1543—1549, f 210. Testament der Marrha
ib. f. 77.
2) Div. Notarie 1533, f. 41.
3) Suri pisci VIII, p. XXIV.
Beiträge zar ragusanischen Literaturgeschichte. 477
Thomas, aber anch der des Battitore selbst ist näher nachzugehen,
üeber den ersteren bietet Fariati-Coleti einige Nachrichten. Thomas
Natalis studirte in Bologna, lebte als Arzt in Eonstantinopel, später in
Polen, wo er die Ritterwflrde und ein Krakauer Canonicat erhielt, wurde
zuletzt zum Bischof von Trebinje und Mercana ernannt (1606 — 1608)
und starb 1608 in Neapel. Sein Urgrossvater Natalis Budislavid, an-
geblich aus einem Adelsgeschlecht einheimischer »comitesv, soll am Ende
des XV. Jahrhunderts aus Nevesinje nach Ragnsa eingewandert sein.
Des Natalis Sohn hiess Leonardus. Leonardas Sohn und des Bischofs
Vater war Vincentius^ i>qui lectissimam feminam ex gente Ciubrano-
vichia Ragusiensi uxorem duxerat, ejusque genus Thomas in suo testa-
mento pluribus omat, tum in Vegliensem etiam et Flnminensem familias
divisumc ^). Also 1608 gab es noch Öubranovidi in Veglia und in Fiume,
obwohl die Familie ursprünglich aus Ragusa stammte. •
Klar ist die Persönlichkeit des Dichters Ntkola Jera Dimitrovic.
Die kaufmännischen Familien hielten mehr auf ständige Familiennamen.
Söhne eines vor 1484 verstorbenen Marinus de Dimitrio^) waren die
drei Brüder Hieronymus, Dimitrius und Nicolaus, angesehene Bürger
»de populoff. Hieronymus, seit 1486 oft genannt, miethete 1506 den
Garten der Canonici der Kathedralkirche »ad Pillasa, besass ein von
seinem Vater 1458 den Epitropi des Nie. de Russino abgekauftes grosses
Haus in der Stadt und ist 1527 an der Pest gestorben. Des Hieronymus
drei Söhne waren: Marinus, Joannes, der 1517 als frater Felix ordinis
predicatorum gestorben ist^), und Nicolaus, der Dichter. Am 13. März
1536 finden wir den Dichter neben Edelleuten Bona, Gondola, Gozze
und dem Dominico Christophoro de AUegretto bei der Assecuration eines
Schiffes des Mar. Radulouich, Namens »SanctaTrinitas«, das nach Rho-
dos, Smyrna und Beyrut segeln sollte: »Nicoiao Hier, de Dimitrio asse-
cura, ut Bupra, ducati dieci e per suo risico ha hauuto ducato uno et
grossi ottoc. Bald darauf erscheint er als Procurator des Andreas Geor-
gii de Nouomonte (Novo Brdo), bei der Vermiethung eines Hauses des-
selben in der »ruga S. Siguratitr an den Doctor Donatus de Mutina ^).
Am 3. Januar 1537 mietheten in Genua Nicolaus Hieronymi de Demitrio,
1} Farlati, Illyricnm sacmm VI.
2) 1451 Bankier in Venedig, Gelcich und Thallöczy, Diplomatarium
S. 487.
>) Testamenta Notarie 1517, f. 10 v.
«) Diversa Gancellarie 1535, f. 93 (cf. f. 68 v.) und f. 101.
478 Const Jireoek,
NicolaQB Nale de Stephaso (der Dichter Naljeskovi^) und Jacobas Jo.
Antichii ein Schiff, genannt »St. Johannes« und befehligt von Johannes
Panli Ragusens, durch einen von einem genuesischen Notar ausgefer-
tigten Vertrag, den auch Darius de Vivaldis, Gonsul der Ragusäer in
Genua, unterfertigte. Am 4. August 1539 wurde in Ragusa darüber
Abrechnung gehalten^). Im October 1541 finden wir Nicolaus Hier, de
Dimitrio mit anderen Eaufleuten wieder bei der Assecuration eines
Schiffes^). Daneben erscheinen noch andere Mitglieder der Familie, wie
z. B. Marinus Nicolai de Dimitrio (f 1528), der während der norditalieni-
sehen Feldzüge 1522 in der Lombardei »in uiagio Londrec von den
Franzosen gefangen und in Cremona eingekerkert wurde und der 1526
abermals »in partibus Angliecc verweilte.
Die Kanfmannsfamilie Nah, Naliescouich (H^AlEiiJKORHKk) ist
bekannt seit dem XIV. Jahrhundert. Nicht alle Personen dieses Namens
gehören ^iner Familie an. Es gab in Ragusa auch eine gleichnamige,
aus Antivari eingewanderte Familie, die Brüder Nicola (oder Nixa) Ma-
rini de Nale de Antibaro (f 1451) und Joannes; der jüngste Sohn des
Nicola, Nicolans Nichxe Marini de Nale (f 1522) wird 1496 und 1500
als mensnrator in Canali, 1511 — 12 als scribanus ofificii rationum ge-
nannt.
Die Ragusaner Nale stammen von den vier Söhnen eines Nale (Na-
dal, Natalis) im XIV. Jahrhundert ab : der Geistliche dompnus Grrego^
rtusßlius Nalis presbiter (f 1401), auch Don Gergoe genannt, Dohrich
Naliscouichj Dobrich, -ius de Nale oder Dobrichus Natalis^ oft er-
wähnt seit 1389, gestorben 1421 3), sowie Marinus und Stephanus,
Des Dobrich zahlreiche Nachkommen führen den Beinamen Do-
brichieuich oder abgekürzt Dobrich, vor allem seine als Eaufleute in
Serbien erwähnten drei Söhne : Natalis (Nalcho) Dobrichieuich de Nale
oder Natalis de Dobrigh de Nale um 1432 — 1442, Thomas Dobrichieuich
de Nale (oder Thomas Boni de Nale) um 1426 — 1448 (venetianischer
*) Diversa Notarie 1537—1539, f. 347.
3) Diversa Cancellarie 1540—1541, f. 235.
S) Testamentum dompni Gregorii Nalis presbiteri (dompnus Gregorins
presbiter, filius Nalis), registrirt 8. Mai 1401, Testamenta 1391—1402, f. 254
(nennt Nale mio padre, Dobrich mlo fradello). — Testamentum Dobrichi de
Nale vom 22. Sept. 1421, eingetragen Test Notarie 1418, f. 57 (Oct 1421);
nennt Marin e Stefano miei fradelli, Nalcho e Tomcho e Martino fioli miei,
Nicoleta uxor.
Beiträge zur ragnaaniBeheii Literaturgesohichte. 479
Oonsul in Ragusa 1448) und Martinas Dobriohii de Nale. Des Letzt-
genannten Sohn bt der in den Arehivbflchem oft genannte Geistliche,
Magister, Don oder Misser Bonichus guondam Martini Dobrichii de
Naie oder Bonichua de Boninisy Boms^ Bon^ um 1486 — 1504, 1486
Titnlarabt von S. Theodor im Stadtviertel Pustema, 1504 von S. Sal-
vator ebendaselbst. Andere Mitglieder dieser Linie sind Nachkommen
des Thomas, wie Bonns oder Bonicns Nicolai Thome de Dobiich oder
Dobriehienioh (1518), unsicher ob identisch mit dem in den »Diversa
Notarie« 1501 genannten Boninus seu Dobruschus Natalis^). Augusti-
nus filius Marini Natalis de Dobrich kam 1503 als ungarischer Gesandter
nach Ragusa und ist 1514 in Ofen gestorben^).
Eine zweite Gruppe sind die Nachkommen des dritten Bruders, des
um 1403 — 1424 in Novo Brdo, TrepSa, Ancona, als Boten nach Ungarn
u. s. w. oft genannten Marin, Maroje de Nale oder Naljeikoviö
(f 1428)'), sowie seiner SOhne, besonders des Natalis (Nalcho, Naucho)
und Tadeus (Tadioko)^). Des Natalis Sohn Marinus Natalis Mar. de Nale
starb 1498 in Eonstantinopel, ebenso dessen Sohn Natalis Mar. de Nale
1511; der Bruder des Letztgenannten, Tadeo Marini de Nale wird
1521 — 1522 als interpres regius, wohl tflrkischer Dotanetsch, in Ungarn
erwähnt.
Die dritte Gruppe umfasst die Nachkommen des um 1447 genann-
ten Stephanus de Nale (Stjepko NaljeSkovid) und seiner vier S()hne:
Natalis (f vor 1498), Nicolaus (f Oct. 1504), Joannes (f 1505) und
Blasius (f 1517). Joannes (Giucho), der seit 1471 öfters Beisen in die
>) Testament desBonichus filius Nicolai Thome de Dobrich (loBono etc.)
1518 in den Testomenta Notarie 1517—1519, f. 142. Die creditores Bonini seu
Dobruscbi Natalis de Ragnsio erwähnt August 1501, Di versa Notarie 1500,
f. 167.
^ Test, eingetragen im Herbst 1514 in den Testamenta Kotarie 1512—
1516, f. 112, verfasst 1505, 24. Aug. »in Bnda«: lo Agostino de Marino de
Natale, citadino de Ragusi, seruitore dello Ser. Wladissauo, Re de Ongaria et
de Boemia etc.
^ Testamentum Marini de Nale (Alapoie llaA*kllJKOBHKk Puciö I,
S. 61, 120), eingetragen 15. Januar 1428; nennt Stefano mio frar, Nalcho fiol
de Dobrich fradel mio und Gompagniegesch&fte mit ihnen; femer 4 fioli,
Nalcho, Tadeo, Ghergoe, Dobmscho, sowie tre fiele, Marusciza, Nicoleta,
Franusa. Die Frau Marinas hiess Decusa. Testamenta Notarie 1418, f. 167 t.
*) Tadioko sin Maroja Naljeskovida 1466 Zeuge beim Testament des
Herceg Stjepan, Puciö II, 127.
480 Gonst. Jirecek,
Türkei unternahm und noch 1500 mit zwei seiner Söhne anf einer Han-
delsreise in TrnoYo in Bulgarien erwähnt wird, hinterliess sechs Söhne
und zwei Töchter. Von den Söhnen wurde der Dominikaner Augusti"
nits Joannis de Nah Bischof von Mercana (1513 — 1527), ein Oheim
des Dichters NaljeSkovic. Nicolaus Stephani de Naie oder Nicoians
Nalescouich (f 1504), der 1468 mit Geschenken der Stadt zu Moham-
med II. reisen sollte, was jedoch wegen der Abreise einer grösseren <}e-
sandtschaft abgesagt wurde, ist mit seiner Qattin Katharina (f 1502)
der Grossvater des Dichters, nach seinem Testamente mit vielen Legaten
ein wohlhabender Mann. Sein, wie es scheint, einziger Sohn Stephanus
Nicolai Stephani de Nale, des Dichters Vater, bekleidete Eanzleiämter
in der Republik und wurde wiederholt mit Vermessungsarbeiten betraut.
Am 24. Juli 1511 bestellte ihn das Consilium Rogatorum bei den »or-
dines pro flumineBreni« als »mensurators; im Januar 1521 hatte er die
Grundstücke in Zonchetto bei einer Regulirung der Wasserleitung zu
vermessen ^). Daneben wurde er an der Stelle seines Namensvetters, des
oben erwähnten Nicolaus Nichxe Mar. de Nale aus den Antibarenser
Nale, »qui refutauit propter infirmitatemc, seit Januar 1512 von zwei
zu zwei Jahren zum »scribanus ad officia rationum communis« ernannt,
zuletzt im Januar 1525. Aus dem Leben schied er während derselben
Pest, die dem Abt Tubero, äisko Men^etiö und vielen anderen hervor-
ragenden Ragusanem den Tod brachte. Im Consilium Minus wurden
am 12. Mai 1528 SerSteph.Sym. deBenessa, MarinusPetri deRadagP),
Marinus Jo. de Nale, Pasq. Mar. de Pace, Petrus Nie. de Radagl und
der Sohn Nicolaus Stephani de Nale zu tutores filiorum quondam
Stephani Nie. de Nale bestimmt ^),
Das ist die erste mir bekannte urkundliche Notiz über den Dichter
Nicolaus Stephani de Nale, ^XsLYiBchNikolaStjepkaNaljeskoviö (f 1587).
Im J. 1535 unternahm er eine Reise nach Aegypten, für welche er am
15. November d. J. eine Abrechnung hatte mit dem Goldschläger Simeon:
»Simeon battiaums ex una et Nie. Steph. de Nale parte ex altera, volen-
tes sine judiciorum fastidiis et expensis amicabiliter componere differen-
tiam quandam« über das »viagium Allexandrie« des Nicolaus, ernennen
1) Lib. Consilii Rogatorum 1521—1522, f. 4.
2) Aus der Familie Radagl oder Radeglich (nicht Radulinoviö) war die
Frau dieses Naljeskoviö, des Dichters Mutter. Stari pisci V, p. IV.
3) Liber Cons. Minoris 1524—28, f. 277 v.
Beiträge zur ragasanischen Literaturgeschichte. 481
den Georg Hier. Inginich und Franc, de Crispis zu Schiedsrichtern i).
Am 23. Januar 1538 war NaljeSkovid in Curzola Zeuge bei der Aus-
fertigung einer Rechtsurkunde, die der Dichter MiMa Pelegrinomö aus
Lesina als Kanzler des venetianischen Conte der Stadt niederschrieb.
Der Conte übergab dem Dragoe de Gondula und dem ragusanischen
Kanzler Laurentius de Oiganti (Gigantibus) als Gesandten der Ragusaner
einige Ballen Tuch ans irgend einem ragusanischen Schiff. »lo Nicolo
de Stephano di Nale fui presente a quanto di soprae; die Urkunde selbst
schrieb TuMichael Peregrmm Emilius Phartus, notarius publicus et ad
presens specialis Com. Cnrzole«^). üeber des Naljeskoviö Geschftfte in
Genua und Ragusa mit Dimitrovid haben wir schon gesprochen. Die
Biographie von Cerva erwähnt eine Braut des Dichters, Lucrezia Zuzo-
rina, die angeblich wegen eines Ehehindemisses ins Kloster ging^). Im
Buche Testamenta Notarie 1539 f. 5v. ist am 26. März 1539 das Ver-
mächtniss der Lucretia filia quondam Blasii Zuzorine, monialis S. Marie
de Castello, eingetragen, verfasst 6. März 1538, als sie ins Kloster ging,
avolendo monacharmi«. Sie hat demnach den Eintritt ins Kloster nur
ein Jahr ttberlebt^).
Auch die Biographie des talentvollen KomOdiendichters Marin
Driiö oder Marinus Marini de Derxa^ Darsa beginnt aus dem bis-
herigen Dunkel hervorzutreten. Der genealogische Zusammenhang der
Familie ist schon oben dargelegt worden. Sein Vater Marin, des Don
Gjore Drü6 Bruder, hatte mit seiner Frau Anuchla ^) ftnf SOhne : Bla-
sius, Vincentius, Joannes, Nicolaus und Marinus. Er betrieb mit seinen
1) Diversa Gancellarie 1535, f. 19.
>) Copie in den Diversa Notarie 1537—1539, f. 62. — Pelegrinovid war
damals schon einige Jahre in Curzola. Am 29. August 1535 schrieb er eine
Urkunde, »actum Gnrciule penes domum habitationis mei cancellarii«, ttber
einen Vergleich (genannt ist Stephanns quondam Antonii Bratossaglich de
Bhagusio, dietns Sassina u. A.) : • Michael Peregrinu» JErnüku Pharttu, nota-
rius publicus et ad presens juratus sp. co. Curoiule cancell.» suprascriptum
compromissi instrumentum ex actis cancellarie fideliter exemplauit, subscrip-
sit et sigillo Diui Marci roborauit« (Diversa Cancellarie 1535, f. 113v.). Emi-
lius hiess der Vater des Pelegrinovic, Stari pisci Vm, Vorrede S. XI.
8) Stari pisci V, Vorrede S. VI.
*) Eine andere Lucretia, Tochter des Paolo Zuzorina, wird 1527 in den
Div. Notarie erwähnt.
6) Serafino di Cerva (Bibliotheca Bagusina sub Marinus Darscius] nennt
des Dichters Mutter Anna, Marini Cotrugli filia, aus einer im XV.— XVI. Jahrb.
hervorragenden ragusanischen Kaufinannsfamilie.
ArohiT f&r lUTiMke Philologie. XXI. 31
482 Const Jireoek,
älteren Söhnen Handelsgeschäfte, die allem Anschein nach nicht beson-
ders glücklich endigten. Am 13. Juni 1538 ist ein Vergleich des Vaters
Marino Nie. dl Derxa nnd drei seiner Söhne Vicenzo, Giovanni und Ki-
colo Mar. di Derxa mit deren Creditoren eingetragen; »disposti dl sodis-
fare a nostri creditori« werden sie binnen einem Jahr zahlen, »con sna
perdita de cinqnanta per centoa^)« Der alte Marin Kic. de Derxa ist
wahrscheinlich bald daranf gestorben. Am 5. November 1541 machten
vier seiner Söhne, Blasins, Vincentius, Nicolans, Joannes, alle Marini
de Darsa, nnißr se finem et remissionemot^]. Drei Jahre später waren
Vincentius, Nicolans nnd Joannes zahlnngsnnfilhig. Nnr der Erst-
genannte war in Ragnsa anwesend. Am 26. November 1544 Hessen
Ser Marinns Panli de Gradis, Marinas Petri de Grieva nnd Joannes Luc.
de Sorgo, officiales in consiUo Rogatornm Bcreati super bonis Vincentii,
Nicolai et Joannis Mar. Derxe fallitorum et ad instantiam et pro Inter-
esse creditorum dictomm Joannis et Nicolai« in der Loggia prodamieren,
Joannes und Nicolaus sollen, falls sie in Ragusa sind, binnen 6mem Tag,
falls sie im Stadtgebiete sich befinden, binnen acht Tagen, falls sie in
Eonstantinopel verweilen, binnen drei Monaten »comparere et presen-
tare omnes libros et scripturas«^). Unter den Gläubigem befand sich
auch der Bruder Blasius Mar. de Derxa, mit ungefähr 120 Ducaten,
neben Mitgliedern der Familien Sorgo, Nale u. A. Blasius und Vincen-
tius lebten noch 1562, wo des Vincentius Gattin Jela (Hiella) starb.
Marin Dr2i6, wahrscheinlich der jüngste der fünf Brflder, trat in den
geistlichen Stand. Er ist kaum identisch mit dem »Marinus Deresich
diachonusa, den am 12. October 1536 Domina Marta, Aebtissin des
St. Andreasklosters, und die Procuratoren dieses Klosters um den seit
zwei Jahren rückständigen Zins im Betrag von 20 Perper mahnen liessen,
»pro affictu domus posite supra S. Petrum, et hoc pro annis duobust^).
Bald erscheint Marin Dr£i6 in Geldverlegenheiten, noch nicht als
Kleriker bezeichnet. Am 5. September 1538 cedirte Marinus Mar. de
Derxa (sie) 1/4 »dotis matris suae Anuchlae, sibi spectans post mortem
matris Anuchlae et patris sui Marini« dem Ser Pasqualis Traiani de
Crieva; dieser trat den Antheil am 21. Oct. d. J. dem Ser Stephanus
1) Diversa Notarie 1537, f. 111.
2) Diversa Gancellarie 1540—1541, f. 254.
3) Diversa Notarie 1544, f. 95, vgl. f. 138y.
*) Div. Ganc. 1535, f.203v. Zum Namen vgl. donna Marha (Maria), con-
Bors quondam Polo Deresich de Zuppana 1556, Testamenta 1555, f. 20.
Beiträge zur raguBaniBchen Literaturgeschichte. 483
Nie. de Prodanello ab und dieser am 2. Oct. 1539 wieder dem Vincen-
tins Mar. de Dersa. Marin selbst erhielt dieses Viertel erst viele Jahre
später, nach dem Tode seiner Mntter. Der Znsammenbmch der Ge-
schäfte seiner Brflder zwang wahrscheinlich den Sprössling der einst so
wohlhabenden Eanfmannsfamilie fremde Dienste zn snchen, die ihn bis
zur Donau und zum Bosporus führten, üeber seine Reisen ins Ausland
fand ich wider Erwarten ganz ausführliche und merkwürdige Nach-
richten in den Acten eines politischen Processes, eingetragen auf den
ersten Blättern des Bandes der »Processus secreti Minoris Consilü 1547
— 1563a im Hauptarchiv von Ragusa.
Die Schicksale des Marin Dr!^i6 knüpfen sich an die Biographie
einer romanhaften Gestalt des XVI. Jahrhunderts^ des Grafen Christoph
von Rogendorfy in dessen Gefolge er sich zweimal befand, einmal in
Oesterreich, das andere Mal in der Türkei. Die Rogendorf ^), eine ur-
sprünglich in Steiermark ansässige Familie, siedelten sich im XV. Jahrh.
in Nieder-Oesterreich an und gelangten hier zn grossem Ansehen, 1521
zu Freiherren von Rogendorf und Mollenburg erhoben. Rogendorf war
ein damals üblicher, jetzt erloschener Name des Schlosses POggstall im
Viertel ob dem Manhartsberg, nördlich von der Donau in der Gegend
von Pöchlam ; in unseren Tagen ist Pöggstall Sitz eines Bezirksgerichtes
im politischen Bezirk Ej-ems und ebenso wie das nahe Mollenburg ein
Familienfondsgut des kaiserlichen Hauses. Wilhelm von Rogendorf
(f 1541) war ein berühmter Mann seiner Zeit: Edelknabe und später
Kämmerer bei Philipp dem Schönen in Gent, Feldherr gegen die Vene-
tianer am Gardasee und gegen die Franzosen unter den Pyrenäen, Statt-
halter Eodser Ejirrs V. in Friesland, später in Catalonien, 1529 einer
der Vertheidiger Wiens gegen die Türken, Feldherr auf zwei Feldzügen
gegen Ofen, Erbhofmeister von Nieder-Oesterreich. Sein und der Elisa-
beth von Oettingen einziger Sohn Christoph (geb. 1510) von Rogendorf
und Mollenburg, Herr zu Conte und Retomae (Cond^ und Revaux in
Hennegau), wurde noch in jungen Jahren Oberst der deutschen Leib-
<) Ueber das Geschlecht der Rogendorf vgl. Jos. Bergmann, Medaillen
auf berühmte und ausgezeichnete Männer des Oesterr. Kaiserstaates, I (Wien
1844), S. 216 ff. und v. Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 26 (1874),
S. 267 ff. (nebst Stammtafel). Wenig bekannt sind beiden die Schicksale
Christoph^s nach seiner Flucht in die Türkei. — Es leben noch in unserer
Zeit die Nachkommen einer Linie dieses Hauses, die Grafen von Rogendorf
in Ungarn ; sie besitzen ein neugegrttndetes Rogendorf im Torontaler Comitat.
31*
484 Gonst. Jireoek,
garde Kaiser EarFs V., focht tapfer gegen die Tttrken in Ungarn und
nahm an der Expedition nach Tnnis (1535) theil. Er wurde 1537 von
König Ferdinand znm Grafen von Oontersdorf erhoben, so genannt nach
einem väterlichen Schlosse gleichfalls in Oesterreich unter der Enns, im
jetzigen Bezirk Ober-Hollabrunn, gegenwärtig im Besitz der Freiherren
von Ludwigstorff. Bekannt ist Christoph's Antheil an dem letzten Zug
seines Vaters nach Ungarn 154H). Noch 1544 unternahm er Reisen
im Auftrage seines kaiserlichen Herrn ^). Verhängnissvoll wurde dem
jungen, prunkliebenden und verschwenderischen Edelmann, einem Ver-
wandten der Salm, Eitzing, Oettingen und anderer angesehener 6e-
schlechteri eine Heirath, mit Elisabeth, der Wittwe des Herzogs Fried-
rich von Sachsen (f 1539), die aus der Familie der Grafen von Mansfeld
stammte. Die Ehe war unglflcklich. Da der Kaiser und dessen Schwester,
die ehemalige Königin von Ungarn und spätere Begentin der Nieder-
lande^ Maria, die Partei seiner Gattin ergriffen, verliess Bogendorf un-
muthig den kaiserlichen Hof. Dieses Zerwttrfniss mit der Frau bezeich-
nen Alle als Beweggrund seiner ganzen späteren Handlungsweise; auch
Dersa erzählte in Bagusa, Bogendorf habe den kaiserlichen Hof wegen
des Verdrusses mit seiner Frau verlassen: ipartito della corte del Impe-
ratore . . . per el sdegno della sua moglie«.
Auf einer Beise nach dem Sflden gelangte Graf Christoph von
Bogendorf 1545 zum ersten Mal nach Bagusa. Der Senat empfing den
hervorragenden deutschen Kriegsmann mit Auszeichnung. Ser Marino
Pietro de Crieva und Ser Marino Zuppani de Bona leisteten ihm Gesell-
schaft. Um die Unterhaltung bei der Tafel zu beleben, sendeten sie um
Marino Dersa, »per dare qualche spasso al ditto conte«. Welcher Art
diese »spasso« des Dersa beschaffen waren, wissen wir ungefähr aus
seinen Komödien, bei deren Abfassung, wie es mir scheint, u. A. auch
die damals vielgelesenen Werke des Zeitgenossen Pietro Aretino (f 1556)
nicht ohne Einfluss blieben ; der »Onkel Maroje« mit dem ungerathenen,
auf Beisen gesendeten jungen Bagusaner und dessen Courtisane in Born
erinnert an Aretino's »La Cortigiana«, und eine lustige Person des Dersa,
der verliebte Arkulin, ist vielleicht nicht ohne Zusammenhang mit dem
») Vgl. Huber, Gesch. Oesterreichs IV, S. 77—78.
2) Am 7. Oct 1544 schrieb Conte de Bogendorff französisch dem Kaiser
aus Prag über Erledigung eines Auftrages an König Ferdinand, den er in
Beneschau angetroffen hatte. Lanz, Gorrespondenz des Kaisers Karl V., H
(1845), S. 417.
Beiträge znr ragusanischen Literaturgeschichte. 4g5
Namen des Arcolano in demselben Lustspiel des bertüimten Italieners.
Dersa sprach den Wunsch aus, in die Dienste des hoohgestellten Gastes
der Ragusaner zu treten, um die Welt kennen zu lernen. Ser Marin Za-
magna, der als Gesandter bei Karl Y. gewesen war und den kaiserlichen
Hof kannte, empfahl den Dersa dem Grafen, »dandogli raguaglio della
qnalitä sua<r ^j. Der Poet wurde wirklich als Kammerherr in die Dienste
des Rogendorf aufgenommen, gegen eine Besoldung von zwei Ducaten
monatlich, nebst zwei geziemenden Kleidungen jährlich und anderen
flblichen Geschenken. Die Reise ging zu Schiff von Ragusa bis zu einem
Hafen eine halbe Tagereise von Gradisca, wahrscheinlich nach Marano
in Friaul. In Gradisca besuchte Rogendorf zuerst das Haus eines da-
heim in Acht und Bann erklärten ragusanischen Edelmannes, des Michael
Marini de Bucignolo, um demselben einige Briefe aus Ragusa zu ttber-
geben, und begab sich erst dann in das Haus des Gouverneurs von Gra-
disca, der ihn zu sich geladen hatte ^].
1} Marin Zamagna, »ung tres saige gentilhomme«, wird von dem zur
Pforte gesendeten Veltwyck dem Kaiser Karl V. in zwei Briefen aus Ragusa
vom 30. Juni und 10. Juli 1545 bestens empfohlen. Lanz op. cit. II, 455, 458.
Vgl. auch die Beilagen bei Chesneau in der Edition von Schefer p. 199. —
Am 6. Augast 1547 sendeten die Ragusaner den Aligretto Franc. Giurasseuich
zu Kaiser Karl V., er möge seinen Correspondenten Marin Zamagna »rimo-
uere di questo ufficio«, wegen der Gefahr von den Türken, und lieber einen
eigenen Agenten nach Ragusa senden (Lett. e Comm. di Lev. 1542—1548).
2) 9. Januar 1547. »Don Marino Derza, constituto dauanti li Magnifici
Signori Ser Francesco Mar. de Cabogha e Ser Bemardo Gabr. de Crieua, dua
del Minor Consiglio al presente esamine deputati, interrogato: dichi, che
causa rha condntto di andar al seruegio del Signor Gonte Rongordorf o, dissi,
che siando Ser Marino P'*» de Crieua a Ser Marino Zupp. di Buona a magnare
con el ditto conte, mandarono per esso Don Marino, douesse andare da essi,
per dare qualche spasso al ditto Conte, se poi raggionando con Ser Ambr.
Franc, di Goze, come desirarebbe andare col ditto Signor Conte per uedere
delle cosse del mundo, lo prego douesse (?) andare seco, per parlare con M.
Marin Zamagno', accio Taccordasse con lui etc. Cussi hauende parlato con
M. Marino esso parl6 col Conte, dandogli raguaglio della qnalita sua, e cussi
fu accettato per camariero, e questo fn la prima uolta, doue lo ditto Conte a
Raugia per mercede li offerse dua ducati al mese e dua uolte uestirlo al anno
honoratamente, oltra alcuni presenti, quali al anno se sogliano dare etc. E
cussi al partir da Raugia ando seco in barcha. Per el viaggio sino a Gra-
disca, di8se,non fu alcuno ragionamento diinportanza ne delli fatti deBuccig-
nola, ma solo di cosse piaceuole. Et arrivati in uno porto discosto da Gra-
disca megia (sie) giornata, smontorono et andarono a de longo in Gradisca et
486 Const. Jireoek,
Diese Verbindungen Rogendorf 's mit den Bncignolo sind Oegen-
stand der Untersnehnng, bei welcher Dersa als Zeuge verhört wurde.
Marinus Mich, de Bucignolo, Freund des Tubero und Nachbar des
Klosters des hl. Jakob von Yisnjica, war ein angesehenes Mitglied des
Stadtadels, hatte 1531 als Gesandter der Eagusaner eine Reise zu ELarl V.
unternommen und ist 1535 gestorben^). Er hinterliess drei Söhne, Mi-
chael, Paulus und Hieronymus. Michael Mar. de Bucignolo war seit
22. November 1499 Mitglied des grossen Rathes, hatte 1517 ein Kriegs-
schiff gegen die Piraten aus Rhodos befehligt, war Gesandter 1521 bei
den SandSaks der Hercegovina und von Vrhbosna (Sarajevo), 1528
wieder bei dem der Hercegovina u. s. w. Sein Unheil wurde eine Jahre
lang fortgesetzte geheime Correspondenz mit König Ferdinand, dem er
militärische Nachrichten über die Türken übermittelte. Einen solchen
Brief haben wir oben bei der Geschichte des Buchdrucks näher be-
sprochen. Am 28. December 1526, mitten unter der Pestgefahr, beschloss
das Consilium Rogatorum »providere contra scribentes nova Turcorum
ad aliena loca extra tenutas nostras« , sowohl gegen Nobiles der Stadt,
als gegen Fremdlinge; die Strafe wurde mit 100 Ducaten und 6 Monaten
Kerker festgesetzt ^j. Im Juli 1529 wurde ein chiffrirter Brief (carat-
teres dicte cyfre) des Michael Mar. de Bucignolo abgefangen und der
Verfasser mit der erwähnten Strafe bedroht. Im April 1532 kam es zu
Tage, dass Bucignolo nicht aufhört geheime Briefe zu schreiben; er
wurde »privatus officüs« und auf ein Jahr in den Kerker gesetzt. Jedoch
schon im Juli entkam er ans dem Gefängniss, zuerst nach Bari, von dort
nach Venedig und weiter in das Gebiet des Königs Ferdinand 3). Sein
Bruder Paul, damals »venditore di sale nella scala di Narentac, flüchtete
sich gleichfalls nach Italien und nahm die Salzcassa mit 2000 Ducaten
mit. Es war eben während des Feldzuges des Sultans Suleiman I. bis
intraroDo in casa di M. Buccignola. Interrogato, se lo Gonte faaueua lottere
de particulari, dirette a Michele Buccignola, disse de si e per questa causa lo
Gonte, disse, uoleua andar la uolta de Gradisca per consegnar aloune lottere
a Michele Buccegnola, quäle lettere disse non sapere de che fussero, e uene-
uano da Raugia«. Processus secreti Minoris Gonsilii dal 1547—1563, f. 1 sq.
^) Testamentum »clarissimi patritii et equitis aurati D. Marini Mich, de
Bucignolis«, eingetragen 20. März 1535, Testamenta Notarie 1533—1535, f. 74.
^ Liber Gons. Rogatorum 1525—1527.
3) Secreta Rogatorum 1497 — 1537. Gut unterrichtet ist Ragnina, Annales
(Mon.Slav. mer. XIV) S. 283.
BeitrSge znr ragasanischen LiteraturgeBchichte. 487
Gllns und Graz. König Ferdinand wies dem Flflchtling, der seinetwegen
verfolgt war; Gehalt und Wohnsitz in Oradisca an nnd verwendete sich
ftlr ihn bei der Repnblik durch ein Schreiben, das Franciscns de FInmine
(Flame) im Jannar 1533 nach Ragusa brachte. Die Ragusaner bezwei-
felten die Echtheit des Briefes und sendeten insgeheim den Dominikaner
Ambrosius de Ragnina zum König ^), offenbar ohne Erfolg. Sehr bald
wiederholte Ferdinand seine Reclamationen zu Gunsten des Bucignolo
mit noch grösserem Nachdruck. Im J. 1535 erfuhr der Senat aus Ancona
von Vorbereitungen der Bucignolo*s, des Michael und Paul, zu einem
Ueberfall von Stagno. Da gab es keine Gnade mehr. Die ganze Ver-
wandtschaft wurde i^als ribelli et della sua patria traditorie verbannt,
Paolo fflr vogelfrei erklärt und auf seinen Kopf ein Preis gesetzt. Im
Specchio ist seitdem bei der Aufnahme des Michael in den grossen Rath
die Bemerkung zu lesen: «Cassus q. proditor et rebellis patriae «r. Wäh-
rend der Kämpfe der Spanier und Venetianer gegen die Tflrken um
Castelnuovo 1538 hat Paul Mar. de Bucignolo gegen die Ragusaner
einige Acte der Seeräuberei verttbt, um 8000 Ducaten Beute gemacht
und einige Kauf leute ganz ruinirt, wortlber sich der Senat durch seinen
Gesandten Nie. Petri de Luccari 1539 bei König Ferdinand abermals
vergeblich beklagte^).
Graf Rogendorf nahm in Gradisca auf Bitten des Paul de Bucignolo
dessen jugendlichen Sohn Marinus sofort in seine Dienste mit nach Wien
und versprach sich beim König um die Erhöhung des jvsalarioa der Ver-
bannten zu bemühen. Unterwegs besuchte er seine Burg Rogendorf.
1) Secreta Rogatorum I. c.
^ Ragnina, Annales p. 285—286, 291, 293. Ein ausfahrliches Schreiben
der Ragusaner vom 13. September 1546 Rmo D. Joanni Medicis, archiepiscopo
nostro, der eben aus Italien nach Deutschland reisen sollte, mit auBflihrlicher
Darlegung der ganzen Angelegenheit und Ersuchen um Fürbitte bei König
Ferdinand in den Lottere e Gommissioni di Levante 1542—1548. Michele
Buccignola sei »una persona inquieta e di uno ingegno vano«; sein Kerker
sei eher eine »camara buona« gewesen ; die Frauen seien nicht verbannt ge-
wesen, wie denn die Mitgift derselben von der Gonfiscation ausgenommen
war, und seien aus freien Stücken mit den Kindern den Männern nachgereist.
Vgl. das gleichzeitige Gedicht des Didacus Pyrrhus, De illustribus familiis,
quaeRhacusae extant, zum Namen Buccignola: ȟnus adest, praecepta negant
quem dicere versu, 0 pereant Lata dura magisteria« (gedruckt bei dem Com-
mentariolus Ludovici Gervarii Tuberonis etc., Ragusa 1790, p. 41). Der dritte
Bruder Hieronymus (f 1567) war ruhig in Ragusa geblieben; sein Sohn Mari-
nus Hieronymi de Bucignolo war Rector der Republik im März 1587.
488 Const. Jirecek,
Dersa sagte ihm gelegentlich anf der Beise dorthin, die Bneignolo hätten
sich in Ragnsa schlecht benommen (se haTCvano deportati male), worauf
derOraf erwiderte, es seien ohne Zweifel leichtsinnige Lente (certamente
sono persone legiere). In Wien blieb Dersa drei Monate. Er erz&hlte,
dass Rogendorf »ogni giomo andaaa dal Re e fra le altre nolte intesi, chel
Re domandana del essere di Rangia e come se gonemana, e dioendo Saa
Maestä, come Rangia era affetionata de Turchi, el conte respose : certa-
mente, per qnello ho visto h molto affetionata de Sua Mta. e per esser
in confini de Tnrchiv. Auch ein anderer Sohn des Panl de Bneignolo
suchte bei Rogendorf nm Dienst oder wenigstens nm Vermittlnng in Ra-
gnsa an, wurde aber von ihm abgewiesen (il conte se iscnsö). Dersa
fühlte sich auf die Dauer nicht recht seiner Stelle gewachsen, nahm
seine Entlassung (conoscendo non esser atto al suo seruigio, domandö
licentia) und kehrte über Villach und Venedig nach Ragusa zurück«
Rogendorf Hess durch ihn dem Senat von Ragnsa melden, er sei der
Republik stets zu Diensten bereit. Er wolle wieder einmal nach Ragnsa
kommen und zwar auf einer Reise nach Jerusalem. Briefe von Bogen-
dorf brachte Dersa mit an Ser Marino de Zamagna und an dessen Söhne
Secondo und Giovanni, sowie an den Schiffspatron Nicolö.
Schon im August 1546 erschien Graf Christoph von Rogendorf
abermals in Ragusa, anf dem Wege nach Eonstantinopel. Als angeb-
liches Ziel seiner Reise galt das hl. Land, in der That aber zog er als
Flüchtling zum Sultan, um dem Grossherm seine Dienste gegen seine
eigenen christlichen Landslente anzubieten. Eine Entscheidung Earl's V.
zu Gunsten von Rogendorf 's Gemahlin, angeblich verbunden mit der
Zuweisung von einigen Besitzungen ihres Gatten, hat den leidenschaft-
lichen Eriegsmann derartig aufgebracht, dass er fortan nur den Tod-
feinden des Eaisers dienen wollte ^). Er hat nicht nur seine Gattin fUr
1) Ueber Rogendorf^s Schicksale ist das meiste zusammengestellt in
Chesneau's Reisebeschreibung und deren Beilagen und Noten in der Ausgabe
von Cfa.Scfaefer: Recueil de voyages et de documents poor servir k Thistoire
de la g^ographie, YIII. Le voyage de Mr. dAramon, escript par le noble
homme Jean Ghesneau, Paris 1887, besonders S. XXin f., Chesneau's Text
p. 21 — 25 uebst Noten und die Beilagen p. 199 sq. Aus Österreichischen und
venet. Gesandtschaftsberichten Einiges bei Hammer, Geschichte des osman.
Reiches, 30. Buch (11^ S. 201) . Manche Einzelnheiten bei £. Charri6re, N6-
gociations de la France dans le Levant (Collection de documents in^dits sur
rhistoire de France) I, p. 629, 638, 653 ; II, p. 11, 35--36, 66, in französischen
Beiträge zur ragnsanischen Literaturgeschichte. 489
immer verlassen, sondern auch seine zahlreichen Gläubiger. Mit seinem
Secretilr Benedetto Bertapaglia ans Padna und dem übrigen Gefolge ver-
weilte er einige Tage am Hafen von Gravosa. Dort begrflssten und be-
suchten ihn die genannten drei Zamagna's, davon Secondo «con la sua
mogliec, femer Marino Biagio di Sorgo und einige Italiener. Auch
Marin Dersa, um den man gesendet hatte, fand sich ein und wurde von
Bogendorf sofort als Dragoman für die Beise aufgenommen. Pldtzlich
gerieth der Senat von Bagusa in grosse Aufregung, unter dem Gefolge
des deutschen Grafen befand sich nämlich auch der erwähnte Marinus
Pauli de Bucignolo, noch ein Knabe (putto). Da auch die Gäste Bogen-
dorf s mit ihm sprachen, konnte sein Verweilen in der Nähe der Stadt
nicht geheim bleiben. In grosser Erregung beschloss der Bath sogleich
den Bann gegen die Bucignolo zu erneuem und sogar auf die Tödtnng
des jungen Verbannten, der sich in das Vaterland eingeschlichen hatte,
einen Preis von 500 Ducaten auszuschreiben. Obwohl der Beschluss als
geheim gelten sollte, erhielt der Graf Nachricht davon und sendete den
jungen Bucignolo unverweilt Abends zu dem Zollamt von Carina an die
tllrkische Grenze. Beim Senat entschuldigte er sich, er habe vom Banne
keine Kenntniss gehabt, klagte aber vor den Anwesenden Aber die ragu-
sanische Signoria: »che colpa ha hauuto questo putto I« Am anderen
Abend zog der Graf mit seinem Gefolge zur Carina und blieb dort drei
Tage, beschäftigt mit Vorbereitungen zur Weiterreise nach Eonstanti-
nopel. Gleich am nächsten Morgen kam nach Carina Bucignolo aus
einem nahen Dorf, begleitet vom Schneider des Gefolges. Auf dem Wege
nach Noyipazar sprach der Graf von der otagliac der Bagusaner auf
den Kopf des jungen Verbannten, und jenseits Novipazar war die Bede
von einer »contratagliaa seinerseits.
Im September fand man in Bagusa auf den Thoren und Mauern der
Stadt eines Morgens handschriftliche Proclamationen, in denen der Graf
Depeschen aus Venedig und Eonstantinopel. Die Geschichte Bogendorf 's
erzählen auch die Annales Bagusini anonymi (Mon.Slav.merid.XIV) p. 110 —
114 mit einer Menge Details. Der Name ist wiedergegeben als Christoforo
oder Christofano Gandolfi, conte di AUamagna, mit der klaren Bemerkung »lo
Buo padre fu — consigliere di Ferdinando, Be d'Ungaria, et capitan generale
del campo christiano nel tempo di Turco (che) assediö la citta di Vienna«.
Nichtsdestoweniger hält der Herausgeber Prof. Nodilo diesen Conte (S. 113
Anm.) für einen Frangipani (Frankopan), »visto che il nome Cristoforo h fre-
quente in questa famiglia« 1 Ein Einblick in das Werk Hammer's hätte doch
leicht zur Kenntniss des wahren Sachverhaltes geführt.
490 Gonst. Jireoek,
von Rogendorf in dem Falle, dass sein Begleiter, der junge Bncignolo,
ermordet werden sollte, demjenigen, der den Mörder, wer es immer sei,
umbringt, den doppelten Preis, n&mlich 1000 Dacaten in Gold, ver-
sprach. Marin Dersa sagte später als Zenge, die Schrift des Aufrufes
sei die des Secretftrs Bertapaglia, die Unterschrift des Rogendorf selbst
Laut Beschluss der Rogati vom 4. December 1546 wurde am 7. d. M.
Öffentlich in der Loggia ein Preis von 500 Ducaten auf die Auffindung
der Leute verkündet, welche diese Zettel in der Stadt befestigt haben ^).
Der Schuldige wurde bald ausgeforscht und auf die Tortur gebracht. Es
war ein albanesischer Schmied aus Antivari, einer damals noch veno-
tianischen Stadt. Er wurde nach längerer Haft verbannt, mit der siche-
ren Aussicht, bei der nächsten Wiederkehr nach Ragusa auf dem Galgen
zu hängen. Aber auch die nächsten Verwandten der Bucignolo hatten
manches Unangenehme durchzumachen, bis es ihnen gelang, ihre Un-
schuld nachzuweisen.
Indessen war Rogendorf am 27. September 1546 in Eonstantinopel
eingetroffen. In der türkischen Hauptstadt verbreitete sich das Gerücht,
der edle Fremdling besitze sieben Burgen in Oesterreich und habe 40,000
Ducaten mitgebracht. Den Türken sagte Rogendorf selbst unverhohlen,
er wolle dem Sultan gegen den Kaiser oder gegen dessen Bruder, den
König Ferdinand, dienen und sei bereit, mit Hilfe seiner Freunde und
Anhänger die Operationen der osmanischen Heere zu erleichtem. Er
rieth sogar zu einem baldigen Angriff auf Wien, dessen Befestigungen
sich gerade in schlechtem Zustande befinden. Dabei rechnete er auf die
deutschen Wirren vor der Schlacht bei Mühlberg. Es schwebte ihm eine
Rolle vor, wie die des venetianischen Bastards Lodovico Gritti in Ungarn,
der allerdings in Konstantinopel geboren und mit den Türken von Jugend
an gut vertraut war. Rogendorf besuchte den Grossvezier Rustem und
den Pfortendolmetsch Junusbeg und hatte am 10. Oktober eine feier-
liche Audienz bei Sultan Suleiman, um ihm die Hand zu küssen. Der
Grossherr verlieh ihm die Würde eines Muteferrika (Fouriers) mit einem
^) Gons. Rog. 4. Dec 1546: »taglium contra illos, qui de mense sept.
affixerunt muris ciaitatis nostre quasdam cedulas, scriptas nomine Gomitis
Rogondorfi et signatas eius sigillo« »noctu affixerunt quasdam apolitias
valvis ciuitatis nostre, scriptas nomine 111. Gomitis Rongondolphi«. Liber
Gons. Rogatorum 1544—1546, f. 263. Der anonyme ragas. Annalist schreibt
(p. 112), dass die »polize . . . furono attaccate alla colonna sotto la porta del
Palazzo et alle porte delli monasterij di frati«.
BeitrSge zur raguBaniBchen Literatorgesohichte. 491
kleinen Gehalt. Eben war der kaiserliche Gesandte, der Holländer Ger-
hard Veltwyck, im Begriffe einen Waffenstillstand mit der Pforte abzn-
schliessen. Den Türken war es wegen des bevorstehenden persischen
Krieges anch erwünscht im Westen Knhe zn haben. Der venetianische
Bailo und die französischen Gesandten in Konstantinopel und Venedig
meldeten ihren Regierungen sofort die sensationelle Neuigkeit von der
Ankunft des flüchtigen kaiserlichen Höflings in der Residenz des tür-
kischen Grossherm. König Franz I. gab seinem Gesandten D^Aramon
gleich den Auftrag, die Ursachen der Flucht des Mannes in die Türkei
genau zu erfragen ^) . Dass der Dragoman Dersa bei allen Audienzen
seines Herrn zugegen war, ist nicht zu bezweifeln. Die meisten in der
türkischen Hauptstadt weilenden Ragusaner wichen jedoch dem Rogen-
dorf wegen des Bucignolo aus. Dersa erzählte, ungefähr 15 Tage nach
der Ankunft habe der Graf einen Brief aus Ragusa erhalten, man wusste
nicht von wem und welchen Inhaltes, den er dem Junusbeg zu lesen
gab. Sonst hat sich Rogendorf nach dem Zeugniss seines Dragomans,
des Dersa, über die Ragusaner bei Junusbeg sehr lobend ausgesprochen.
Zwischen dem jungen Bucignolo und Dersa gab es bald eine Spannung.
Bucignolo schimpfte über die Ragusaner. Dersa ermahnte ihn, er solle
durch Tugenden sein Schicksal bessern (con uertü acquistar qualche
bene). Bucignolo erwiderte: »lo sono gentilhuomo e tu sei una persona
uile«, worauf Dersa antwortete: «Non sai, che tu hai perso la nobilitä
in quinta generatione, per mali deportamenti del tuo padre?c Bald
darauf hörte Dersa vom Schneider des Gefolges, Bucignolo fühle sich
beleidigt. Er entschloss sich desshalb zur Abreise und nahm Entlassung
(buona licentia) von Rogendorf, um nach Ragusa zurückzukehren. Dort
wurde er am 9. Januar 1547 von Ser Franc. Mar. de Caboga und Ser
Bemardo Gabr. de Crieva, zwei Mitgliedern des Minor Consiglio, aus-
führlich verhört über alle seine Beziehungen zum Grafen Christoph von
Rogendorf und über Alles, was er über das Verhältniss des deutschen
Edelmannes zu den Bucignolo wusste. Dabei wird er als 9 Don Marino
Derxa« bezeichnet, also als Geistlicher.
Dersa hat wohlgethan, den Rogendorf bei Zeiten zu verlassen und
1} Dass hinter der Rachsucht Rogendorf ^s nur die Differenzen mit seiner
Frau stecken, wusste man bald allgemein. Die Türken scheinen von Anfang
an nicht viel von ihm gehofft zu haben. Alvise Mocenigo schrieb dem Dogen
am 27.Dec. 1546 aus Heidelberg, der Sultan habe Rogendorf nach der zweiten
Audienz für närrisch gehalten (Yenet. Depeschen vom Kaiserhofe, II, S. 134 A.).
492 Confit Jireoek,
nicht «11' sein bitteres Missgeschick in der Türkei mitzumachen. Als
der Sultan im Winter nach Adrianopel übersiedelte, zog anch Rogen-
dorf hin, kaufte sich dort ein Haus und begann einen Theil desselben
umzubauen; ragusanische Berichte sprechen von einem >gran campo,
nello qnale (face) far uno stupendo palazzo con lo giardinoc^]. Aber
schon bald ging das mitgebrachte Qeld durch seinen kostspieligen Haus-
halt, seine Verschwendung und Spielsucht zur Neige. Die Tflrken ver-
sprachen Rogendorf noch höher zu erheben als einst den Oritti, er solle
sich jedoch früher zum Islam bekehren. Das hatte man Anfangs von
ihm nicht verlangt. Rogendorf wies dieses Ansinnen zurück, brachte
»ululans et plangens« trübe Tage in seinem Hause zu und sohloss sich
mehr und mehr an die französische Gesandschaft an, mit deren Hilfe er
bei dem König von Frankreich einen Dienst zu erlangen wünschte.
Rustem Pascha nannte den Flüchtling einen »doli gjaur«, einen närri-
schen Christen. Eine Bitte um Erhöhung seines Taggeldes wurde vom
Divftn abgewiesen, er habe ja bisher keinen entsprechenden Dienst er-
wiesen. Der Sieg des Kaisers bei Mühlberg und der Tod des Königs
Franz I. veränderten übrigens gänzlich die Situation, mit welcher der
Flüchtling gerechnet hatte. Endlich ergriff Rogendorf als letzten ver-
zweifelten Ausweg die heimliche Flucht. Im Herbst 1547 verschwand
er zu nächtlicher Stunde aus Konstantinopel. Von zwei Dienern be-
gleitet, einem Flamländer und einem Griechen, gelangte er in einem
offenen Boot durch das Marmara-Meer und die Dardanellen glücklich
zu den Genuesen von Chios. Von Ohios wollte er zu den Venetianem
nach Kreta und von dort nach Frankreich. Er bestieg ein Schiff zur
weiteren Reise, doch dasselbe wurde im griechischen Archipelagus von
türkischen Piraten gekapert und der flüchtige Muteferrika des Gross-
herrn nach Konstantinopel zurückgebracht I Man sperrte den unglück-
lichen Rogendorf in die Sieben Thürme. Aber der französische Ge-
sandte D'Aramon nahm sich seiner väterlich an, bis der Sultan den
Flüchtling auf Fürbitte des Königs Heinrich H. begnadigte und im Fe-
bruar 1548 nach Frankreich entUess^} . Christoph von Rogendorf stieg
i) Annales Ragusini p. 113. Depesche Veltwyck's in der Ausgabe des
Chesneau p. 199.
2) Ueber die Flucht aus Konstantinopel ausführlich Chesneau p. 21 — 25,
wobei Schefer handschriftliohe Nachrichten über die Schicksale Rogendorf 's
in Frankreich mittheilt. Das Dankschreiben Heinrich's U. von 1548 an den
Sultan wegen der Entlassung Rogendorf 's : Nögociations II, 66.
Beiträge zur ragUBanischen Literatargeschiohte. 493
in französischen Diensten wieder zu hohen Würden empor nnd wurde
abermals ein angesehener nnd reicher Mann. Der König ernannte ihn
zum Dgentilhomme ordinaire« der königlichen Kammer, zu seinem »oon-
seiller priv^c und zum Marquis der Hy^rischen Inseln an der Küste der
Provence. Rogendorf wurde mit Oesandtsohaftsreisen nach Deutsch-
land betraut, führte Truppen gegen Karl V. und gegen Piemont, befeh-
ligte die deutschen Landsknechte gegen die Hugenotten und soll angeb-
lich noch 1585 gelebt haben. Es gibt eine Medaille mit seinem Wappen
und dem Namen des »Xpofle de Bogendorff, Marquis des Isles D'Or«;
auf der Kehrseite sieht man drei brennende Granaten und darunter die
uns verständliche Aufschrift: »Tant a souffert Bogendorff« i). Zuletzt
verfiel er wieder in Armuth. Ein berühmter Zeitgenosse, der Schrift-
steller Brantöme, schildert ihn als tüchtigen Feldherm; nur sei er »trop
prodigue et despendu« gewesen, so dass er »pauvre et miserable« bei
Hof erschien ; es blieb ihm schliesslich nur ein ärmliches Häuschen auf
dem Wege in die Normandie, das er allein mit zwei, drei Dienern be-
wohnte. Ob Dersa oder andere Bagusaner mit Bogendorf während seines
Aufenthaltes in Frankreich abermals in Beziehungen traten, ist aus dem
mir bis jetzt bekannten Material nicht zu sehen.
Das Testament der Mutter des Marin Dr2i<5, der Anuchla, reliota
qnondam Marini Nicolai Derxe, datirt vom 21. April 1552 ist am 27.
d. M. in die Bücher eingetragen^). Ihre Erben sind zwei ihrer Söhne,
Blasius mit dessen Söhnen, der auch ihre Besitzung auf der Insel Cala-
motta erhielt, und der Dichter Marin ; den übrigen Söhnen vermachte
Frau Anuchla nur ihren Segen (alli altri mei figliuoli lasso la mia bene-
dictione). Marin ist stark bedacht: j>Item lasso el quarto della mia dote
et el resto di quello, che son uagliosa, aM. Marino, mio figiiuolo, el
quäle uoglio, che lui possedi el ditto quarto et il resto di quello suono
uagliosa durante la vita sua e non lo posse donare^ uendere ne alienare;
ma da poi la sua morte uoglio, che uada il ditto mio quarto et el resto
delli mei beni, delli quali suono uagliosa, a Biaggio, mio figiiuolo, et alli
suoi figliuoli maschiff. Epitropi sind Steph. Hier, di Nencho und Marino
Nat. di Nale. Der Dichter erfreute sich an dieser Erbschaft nicht volle
zehn Jahre. Eine Bandnotiz vom 5. November 1561 meldet, dass »Bdus
D. Marinus de Dersa e sowohl den »usufructum quarti dotist, als auch
1) Beschrieben und abgebildet bei Bergmann op. cit
*) Testamente Noterie 1549, f. 131 v.— 132.
494 Const Jirecek,
die übrige Erbschaft seinem Bruder Blasins cedirte. Eine zweite Notiz
vom 14. November d. J. zeigt, dass dies wegen der Schulden des Dich-
ters war: »Michael Nie. Miossa tanqnam procurator Bemardi Pauli
Hyellich, credltoris D. Marini de Darsa (sie)«, übernahm die Bezüge des
»quarti dotis quondam Anuclae, matris eiusdem D. Marini«. Marin Drü6
lebte also noch Ende 1561.
Zum Schluss noch eine Reihe von Notizen über einige ragusanische
Schriftsteller vor und nach 1550, geschöpft meist aus dem »Specchioa.
Der Annalist Nicolaus Marini Andree de jRagnina wurde am
19. Mai 1514, 20 Jahre alt (also geb. 1494), in den grossen Bath auf-
genommen und starb 1582 *]. Sein Vater Marinus Andreae, seit 1466
im grossen Rath, war schon 1507 gestorben 2). Nicolaus Marini war
1537 und 1551 unter den justiciarii, 1543, 1556, 1566, 1570, 1575
Conte der Isola di Mezzo sammt der Nachbarinsel Calamotta, 1547 Gonte
von Slano, endlich im October 1565, October 1571, December 1573,
December 1579 Bector der Republik.
Seines jüngeren Verwandten, des Dichters Dinko Ranjina Gross-
vater W9iMarinus Dimitrii de Ragnina^ 1506 — 1512 einigemal Rec-
tor von Ragusa. Er war zweimal verheirathet; aus der ersten Ehe
stammte Ser Dominicus, der bei der »parzogna« 1520 unter Anderem
ein Haus in Ragusa lante palatium ad angulum vie tortec erhielt, aus
der zweiten Ser Paulus und Ser Nicolaus ^). Ser Dominicus Marini
Dim. de Ragnina war 1527 Conte von Canale, Juli 1534 und October
1538 Rector, und starb 1541; in seinem Testament wird seine Frau
Maria, seine Töchter Vita, als Nonne im St. Michaelskloster Cicilia
(Caecilia) genannt, und Mara, die unmündigen »figliuoli«, jedoch ohne
Angabe von deren Zahl und deren Namen, endlich sein Bruder, der
^) Nicolaus Mar. And. de Ragnina, ann. 20, die 19. mai 1514, obiit 1582
(Specctiio). Wenn er mit »Nie. Mar. de Ragnina, aliter Nixa«, der im October
1508 das Lekcionar (M. Resetar, Zadarski i Raninin lekcionar, Zagreb 1894,
S. 323) und vielleicht auch 1507 die Gedichte des Mencetiö and Drl^id copirt
hat, identisch ist, so hat er diese Handschriften im Alter von 13 — 14 Jahren
geschrieben.
^ Bei Serafino Cerva ebenso Nicolaus Araneus, Marini filius, Andreas
nepos (Makusey, nscJiiffOBaHiA o6'b hci. naM^THHKax'B h ÖbiTonxcaTeiHX'L j!(y6-
poBHHKa 84). Archiv XIX, 71 hielt ich für des Nicolaus Vater irrthümlich den
Marinns Nicolai de Ragnina. — Ein anderer Nicolaus Marini Andr, de Rag^
ntfiaist 1511 in Messina gestorben, Testamenta 1512—1516, f. 113 v.
3) Div. Not 1519, f. 170.
Beiträge zur ragusanischen Literaturgeschichte. 495
Dominikaner frater Clemens (f 1 559) genannt ^] . Dominicus Dominici
de Ragninaj der Dichter, wnrde nach dem »Specchiot 20 Jahre alt am
27. Hftrz 1556 (also geb. 1536) in das Maggior Consiglio aufgenommen
und starb 1607. Er war 1568 einer der drei »advocati del comnnc,
1594 Conte der Isola di Mezzo; als Reotor ist er verzeichnet siebenmal,
im September 1588, März 1590, September 1591, Mai 1598, März 1601,
April 1604 und April 1607, als Criminalrichter 1605 u. s. w.^j.
Sabo MisetiiS Bobaljevi^ hiess lateinisch Ser Savinus Michaelis de
Babalio^). Sein Orossvater desselben Namens war 1500 Conte von
Meleda, 1504 Castellan von Pozvizd n. s. w. und starb 1522; in seinem
Testament setzt er seinen Sohn Michael als Universalerben ein und ent-
erbt den ungehorsamen zweiten Sohn Sebastian, der den Vater gar vor
das Gericht oitirt und ihm viel Kummer verursacht hat^). Des Sabo
1) Testamentam Ser Dominici Mar. de Ragnina, eingetragen 20. Dec.
1541, Testamenta Notarie 1539, f. 193. Unter den Epitropi Steph. Ant. di
Goze, Bemardo Binciola u. A.
2) Den Literarhistorikem, welche einen Stefan Gucetiö als Verfasser der
in den »Stari pisci« noch nicht veröffentlichten »Dervisiade« zu Anfang des
XVI. Jahrh. suchen, kann ich mit einigen Daten über vier Stephan! de Gozze
aus dieser Zeit zu Hilfe kommen. Ser Stsphanu$ Dragoe de Goze wurde, 23
Jahre alt, am 4. Januar 1488 in den grossen Rath aufgenommen und starb 1511
(Specchio). Ser Stephanue Mar. de Goze, mit 20 Jahren am 1 I.Mai 1514 in das
Maggior Consiglio aufgenommen, wurde später Geistlicher und Canonicus
(Specchio). Ser Stephanue Ant&nii Marini de Goze, Sohn des Antonio di Ma-
rino, der 1506 — 1517 fUnfinal Rector der Republik und 1519 Conte von Stagno
gewesen war, wurde mit 25 Jahren (also geb. 1491) am 8. Februar 1516 in den
grossen Rath aufgenommen (im März d. J. sein 27 jähriger Bruder Clemens),
reiste nach Beschluss vom November 1526 als einer der zwei Gesandten mit
dem Tribut zur Pforte und war Juli 1550, August 1552 und October 1556
Rector des Staates. Sein Testament ist am 3. October 1558 in die Bücher ein-
getragen. Nach demselben hatte er vier verstorbene Brüder, Marino, Christo-
phano, Giacomo und Francesco, und von seiner Frau Ora (Orsula) fünf Söhne :
Marino, »morto in le parte d'Ungaria in Piesti« (Pest?), Antonio (1550 Kauf-
mann in Belgrad), Christophano, Paulo, demente und eine Tochter Pera, ver-
mählt mit Scipione de Caboga. Ein vierter Stephanue Mar. de Goze wurde
erst 39 Jahre alt (also geb. 1508) am 17. Juni 1547 in den grossen Rath aufge-
nommen und war September 1553 und Mai 1556 Rector.
S) Racki hat in der Vorrede zur Ausgabe der Dichtungen des Bobaljeviö,
Stari pisci Vin (1876), S. XV— XXII, eine ziemlich reichhaltige Biographie
desselben zusammengestellt.
«) Testamentum Ser Sauini Mich, de Babalio, eingetragen am 20. Februar
1522, Test. Not 1519—1524, f. 118.
496 Const. Jirecek,
Vater Michael Sauini de Balalio wird oft als Mitglied der RathacoUegien
erwähnt, 1531, 1543 als Vicar des Reotors, und starb 1557^). Er hinter-
liess mit seiner Fran Fioccha (Fioca, von Filka = Philippa) fflnf Sdhne
nnd vier Töchter, von denen Paula mit Piero Ors. de Sorgo verheirathet
war, Marha, Nicha, Frana eventuell ins Kloster gehen sollten. Die
Söhne waren bis zum Schluss des Jahrhunderts in den verschiedensten
Aemtern. Der Dichter ist notirt im »Specchioa : »Ser Sauinus Mich, de
Babaiio, ann. XX, die X. Jan. 1550« (also geb. 1529 oder 1530), dazu
die Marginalnote : >obiit 1585«. Er war 1552, 1565, 1568 Gastellan
der Burg von Stagno, 1563 Castellan von Pozvizd, 1571, 1576, 1578,
1580 einer der zwei officiales der «lauoreri de pagamento de Stagno«,
hielt sich also viel in Stagno auf, wie dies auch seine Biographen er-
zählen.
»Gospar Franc, sin Frana de Luccaria^) oder Franc Lukarevid Bu-
rina ist im »Specchio« bei seiner Aufnahme in den grossen Rath einge-
schrieben: »Ser FrandsciLS Fran, de Lucaris, ann. XX, die XXVU junij
1561« (also geb. 1541), mit der klar leserlichen Randnote: »obiit 1598«.
Sein Vater Ser Franciscus Luc. Jac. de Lucharis war mit 20 Jahren am
23. März 1526 in das Haggior Gonsiglio aufgenommen worden, heirafhete
1535 Nicha, eine Tochter des Ser Francesco Petri de Oradi') und war
Nov. 1564, Dec. 1566, April 1569 Rector der Republik, 1567 zu einem
der lebenslänglichen Procuratoren des grossen Hospitals gewählt. Das
edle Geschlecht der Luccari war damals noch recht zahlreich. In den
J. 1500 — 1532 sind nicht weniger als 22 junge Luccari in den grossen
Rath eingetreten. Ein Jahrhundert später waren ihre Nachkommen ge-
ring an Zahl; 1600 — 1611 wurden nur 4 Luccari in den Rath aufge-
nommen, nach den Patronymica zum Theil Nachkommen des Dichters
Franciscus Francisci oder vielleicht seines Namensvetters Franciscus
Laurentii (Sohn des Laurentius Michaelis de Lucharis, f 1562), der
1580 Castellan von Stagno gewesen war 4).
^) Testamentum Ser Michaelis Sauini de Babalio, eingetragen 2. Juli 1557,
Testamenta 1555, f. 71. Die fünf Söhne (cinque figliuoli maschi) sind nicht
mit Namen genannt. In den Büchern der Zeit erscheinen aber sieben Babalio
als Söhne eines Michael, vielleicht aus zwei Linien des Hauses. Ueber Paula
cf. Liber Dotium 1554, f. 49 v.
2) Staripisci X, S. 1 der volle Name im Titel der üebersetzung von
Guarinfs »Pastor fido«.
8) Registro Maritaggi dei Nobili f. 44 v.
*) Die letzten Luccari im »Specchio« sind: Benedictus Francisci, auf-
Beiträge zur ragnaanischen LiteraturgeBchichte. 497
Den lonrsus honoram« des berflhmten Dichters des DOsman«, des
Joannes Frandsd de Oondula hat Herr Professor Giuseppe Gelcioh
bei Gelegenheit der Errichtang des Denkmals für Gundnlid in Ragasa
in einer dabnatinischen Zeitung genau dargelegt i). Im »Speoohioc ist
seine Aufnahme in den grossen Rath bemerkt mit den Worten: »Joannes
Franc, de Gondula die XXVIII maij 1608a, dazu die Randbemerkung:
»obiit 1638«. Seit 1609, wo er unter die drei Beamten der »lauorieri
del pagamento di Ragusa« kam, war er ununterbrochen in Aemtem,
1615 und 1619 als Comes von Canale, sonst meist in juridischen Stel-
lungen, besonders im Appellationscollegium (1621 — 1632 sechsmal),
unter den »consuli delle cause civilis (1635, 1638) und den Oriminal-
richtem (1637). Die Würde eines Rectors der Republik hat Gunduliö
nie bekleidet, wahrscheinlich da es ihm an dem nöthigen Alter fehlte ;
Rectoren waren 1618—1638 oft andere Verwandte aus dem Geschlechte
der Gondola (*ula), Hieronymus Francisci, Secundus Benedicti (f 1635),
Paulus Marinchi, Franciscus Joannis (1619 — 1624), Thomas Joannis,
Hieronymus Joannis, Joannes Marini (f 1650), Joannes Nicolai (f 1643),
Paulus Orsati de Gondula (f 1640). Die Frau des Dichters war Nica,
Tochter des Sigismund Petri de Sorgo^). Eine wichtige Aufzeichnung
über den Tod des Gunduliö (f 1638) und sein Begräbniss in der Fran-
ziskanerkirche hat in den alten Pfarrbüchem Don Paul Pavli<5 entdeckt
und veröffentlicht 3). üeber die Söhne des Gunduli6 befinden sich im
»Specchio« folgende Notizen: Franciscus Joannis de Gondola, am 28.8ep-
tember 1650 in den grossen Rath aufgenommen, )»obiit 1700 Viennaec
(als kaiserlicher General); Sigismundus Joannis de Gondola kam ins
genommen in den grossen Rath 1600, f 1610, MarinusFrancisoi, aufgenommen
1603, Lucas Francisci 1605 (1605 Gastellan von Corona bei Klein-Stagno, 1609
Capitaneus von Janjiua, f 1612), Franciscus Petri Francisci, angenommen
1611, 1619 verheirathet mit Ilaria, Tochter des Franc. Jo. de Gondola (Re-
gistro Maritaggi f. 61), 1622 Comes von Gluppana, 1625 von Slano, endlich
Franciscus Francisci de Lucaris, im grossen Rath seit 1641, 1661 Comes der
Isola di Mezzo, f 1666. Ein Petrus de Luccari war 1664—1680 Bischof von
Stagno, einer der letzten oder gar der letzte seines Hauses.
<] G(iuseppe) G(eloich), Per la biografia del poeta Gunduliö, Smotra dal-
matinska (La Rassegna Dalmata), Jahrg. VI, Nr. 46, Zara 10. Juni 1893, S. 3.
^ »Die XXVI juniij 1641. D. Nica, relicta quondam Ser Joannis Franc,
de Gondola, olim maritata in dictum Ser Joannem, filia quondam Sig. Petri
de Sorgo, perperi 200«. Registro Maritaggi f. 65.
S) Spomenik der kgl. serb. Akademie XXV (1895), S. 43 f.
AnhiT fbr ■lariMli« Philoloffi«. XXI. 32
498 Oonst Jireoek,
Maggior Consiglio am 25. October 1653, starb als Rector der Republik
im September 1682; dessen Sohn Joannes Sigismundi de Gondola, seit
23. Februar 1696 im grossen Rath, starb 1721. Sehr wichtige Nach-
richten über die Handschriften des »Osmana hat jflngst Conte Dr. Lnjo
Vojnoviö aus der Correspondenz der beiden Söhne des Dichters, Frano
und äisko, veröffentlicht^).
Der Dichter der »Trublja slovinskac (1663), Vhidislauus Hiero-
nymi de Menze wurde am 27. October 1637 in den grossen Rath be-
rufen und ist 1666 gestorben, ohne, so viel ich bemerken konnte, viele
Aemter bekleidet zu haben. Von seinen Söhnen wurde Nicolaus Vladis-
laui am 26. October 1677 in das Maggior Consiglio aufgenommen (f 1726),
Sigismundus Vladislaui am 26. Juli 1680 (f 1708).
Im XVII. Jahrh. sind in der slavischen Poesie von Ragusa von
Bedeutung die letzten Vertreter des Hauses der Palmotta. Der Dichter
Gjono Ojora Palmoti6a oder Junim Oiorq de Palmotta ist nach dem
DSpecchio« am 6. November 1626 in den grossen Rath aufgenommen
worden und 1653 (diese Jahreszahl allerdings wenig leserlich) ge-
storben; er war Comes von Canale 1639, von Lagosta 1642, von
Canale abermals 1649, wieder von Lagosta 1653. Mit ihm ist nicht
zu verwechseln Joarmea Giorq Oior^ de Palmotta, im grossen Rath
seit 7. Juni 1630, 1632 Comes von Meleda, f 1645. Verwandt war
Criore Andrej de Palmotta, im grossen Rath seit 14. Januar 1602,
f 1648. Griore Giorq Oiorae (sie) de Palmotta, Mitglied des Maggior
Consiglio seit 25. October 1624, damals 18 Jahre alt, war des Dichters
Junius älterer Bruder, der dessen »Eristiade« drucken liess, 1631 und
1634 Comes von Canale, 1645--46 von Lagosta, 1656—1674 achtmal
Rector, gest. 1675. Der Dichter des »Dubrovnik ponovljen« Jacobus
Joannis (oder Jacobus Junii) de Palmotta, wahrscheinlich Sohn des
Joannes Jacobi de Palmotta (Rector Mai 1642), ist am 11. December
1643 in den grossen Rath aufgenommen worden, war 1648 Comes von
Slano, Mai 1671 und Juli 1674 Rector. Sein Beiname in slavischer
Form : Jaketa Palmotid Dionorid ist ein Metronymicon, ebenso wie das
im XV. Jahrh. in Ragusa unter den Adelsfamilien vorkommende Tama-
ri(S (von Tamara). Dionora^) ist wohl nichts anderes als der Name der
^) Knez Dr. Lujo Vojnovid, daoiTo ce ryeAyjHheB »OcMaH« HEJe niTaunao
y BpHJeMe peny(UHKe. Delo (Belgrad), Juni 1895, S. 404 — 408.
^) Z. B. Dianora filia Mar. Nie. de Gk>zze um 1550, Registro Maritaggi
f. 49. In den Test. 1512 — 1516, f. 10 v. Dionora uzor olim Andree Ribarich,
Beiträge zur raguBanischen Literaturgeschichte. 499
mythischen Gemahlin des Herakles Deianeira, im Zeitalter der Renais-
sance wieder in Gebranch gesetzt, ebenso wie die antiken männlichen
Namen Scipio, Pompeins, die Franennamen Lucretia, Zenobia, Cas-
Sandra n. A. Jacobns Joannis de Palmotta starb 1680 als der letzte
Sprosse seines Hanses, nach der Marginalnote des »Specchioc: »obiit
1680, exstincta familiat.
IT. SlaTische Texte des XT. und XTL Jahrhunderts
aus Bagusa und Stagno.
Zu den slavischen Texten des XV. — XVI. Jahrb., die ich im Archiv
XIX, 8. 52 f. mitgetheilt habe, kann ich einen Nachtrag bieten. Es
sind insgesammt Schriftstücke in cyrillischer Schrift. Die Eauflente,
Handwerker nnd Banern bedienten sich nnter dem Einflnss der Nach-
barschaft, wo die cyrillische Schrift am Golf von Cattaro, in Montenegro,
HercegOTina, Bosnien, im Eüstenlande Dahnatiens, besonders bei Ma-
karska und in den Gemeinden von Poljice zwischen Almissa nnd Spalato,
verbreitet war, noch lange dieses Alphabets. Die stndirten, des Lateins
kundigen Nobiles und Populani von Bagnsa hingegen wendeten in dieser
Zeit bei Niederschreibung slavischer Texte die lateinische Schrift an.
Der Gebranch der cyrillischen nnd lateinischen Schrift neben einan-
der ist ersichtlich anch ans den Unterschriften der Bagusaner in den
italienisch im Binnenlande der Balkanhalbinsel ausgefertigten Urkunden.
Unter den Zeugen eines in Uerbosania (Vrhbosna j. Sarajevo) 6. März
1479 datirten Actes unterschrieben sich zwei cyrillisch: M Fiopa
PSTOUIIBHKk 'KfCaUk CBt^A^Kk BHUJC pfHCHOUS HHCUS. M Ilf-
TAfik PaA^^HKk "KfCaUk CSHA^Kk OBOUSH HHCUS BHUJf pi4f-
HOUS. Ebenso auf einer Urkunde aus Srebmica vom 25. November
1490: Mha'ko IIpHEHHHK' CA^FA rocnoHTBtt BH, per Zane di Polo
Stiepaxinouich v. ss., Pa^HM' OcTOHKk caSra sauik i). Unter einer
»parzogna« (Theilung) zwischen Buschus und Matchus, den Brttdem
des verstorbenen Job. Matchouich, niedergeschrieben in Sofia 1. Dec.
1498 »in domo habitationis olim dom Stephani Giurasseuicha, lateinisch
durch »presbiter Stephanus Georg^, capellanus mercatorum Sophie«;
f. 35 Deianira, uxor Joannis Francisci Siluani de Macerata, caneellarii com-
munis Bagusii (f 1512).
1) Diversa Canc. 1489, f. 121 v., 21 8 v. Ueber die Eaufinannsfamilie Ba-
deljiö 8. oben bei Kristioevid (Anm.) und Naljeskoviö, S. 464, 480, 510.
32»
500 Oonst. Jireoek,
sind die Zengen Damian de DobraBsin, Polo de Zohane Jelich, Zorzi Ra-
doBsalich, Stephane Mar. de Oradi, Polo de Lorenzo barbier mit latei-
nischen Schriftzeichen nnterschrieben, ebenso von den abschliessenden
Parteien Rnscho Jonanonich, dessen Bmder aber cyrillisch : Bl Matko
HoBaHOBHKk, epar' P^c'kobk, Ha)forio c(i) KONVkHaTk (contento)
WA^ CBcra, ipiv roA'^P' ^< A^^'i'^" ^ ^P'X^ pfMiHOu' hhcuS ^),
Unter den Zengen in dem Testament des in Novipazar 1522 gestorbenen
Johannes Radognich hat sich ein Albanese cyrillisch nnterzeichnet :
H u ÜHKCAa l^apHiBk fIpBaHacHHk cBiA^KOio cBapx^ WBora
HHCua, KaKO BH pcHk H Boaa HsaHa PaA^HH^a CBipX'^ (sie)
HHcaHOra^). Anf einer italienischen »fine remissionea aus Vrhbosna
von 1540 ist eine einzige Unterschrift cyrillisch: Ha MapHH PaHHf-
B(H)1i ccau CBHCAWK, KaKW h8)^ weh CTpaNf^). Am 13. April
1550 glichen sich Stephan Radossaglich nnd Andrea di Matheo Saxo in
Belgrad über ihre Rechnungen ans. Neben den italienischen Unter-
schriften eines Oozze n. s. w. unterzeichnete sich eine der Parteien cy-
rillisch: ))Snbscriptio(nem) lingne semiane^) feci (d. h. der ragnsanische
Kanzler) hie scriptam per Nie. Pasq. de Primo, cancellarinm dicte lin-
gne, de mandato d(ominornm) c(onsnlnm) : 1550 UHCcci^a anpHAa Na
13 8 EHorpaA^. M GTHinaHk PaA^caanlik noTBaptiSfUk pc-
HfHO HHCUW, A^ **Ua 8HHHHTH, KaKO WA^^^^P^ TOBOpH H 01|lf
a^Hpuauk (afSrmare), KaKO WABrapk roBopH^).
Solche cyrillische Unterschriften ragnsanischer Kanflente gibt es
anch anf Urkunden aus Italien. Am 20. Juni 1523 sind datirt in Ortona
(Kreis Lanciano, Provinz Chieti) » litter e oambii«, italienisch geschno-
ben, mit den Unterschriften : Luca Biag. de Nale, Stephan Hilosceuich,
>a PaAH4k G9i|J0Hlik npHUH^k A^K^'ra XXU«, Oabrielle di Mar-
tholo de Oabrielle als Zeuge, »quando si pagö sopradicto cambio ad Badiz
Hostoich, fratello de sopradicto Harcho presente et Ser Zugno Mar. de
Oondula et Ser Thomaso Ben. di Bona, et questo fo a di 4 luglio 1 523 « <^).
In den Beilagen (Nr. 17 — 23) theilen wir einige Handelsbriefe der
<) Diversa Notarie 1499, f. 133.
t) Ib. 1522, f. 69.
^ Diversa Cancellarie 1540, f. 51.
4) So zum ersten Mal, sonst immer lingua sclaua.
^ Diversa Cancellarie 1550, f. 181 v.
^ Diversa Notarie 1522, f. 148. Derselbe Radio Ostolö oben 1490 in
Srebmica.
BeitrS£:e zur ragosanisehen Literatargesohichte. 501
Ragusaner von 1505 — 1550 mit. Dieselben sind in den yerschiedensten
Orten abgefasst, in Nii, Novipazar, Yrhbosna (Sarajevo), an der Narentar
mündnng, in Antivari, haben aber in Orthographie nnd Sprache ge-
wisse einheitliche Merkmale. Dazn gehört vor Allem die Menge roma-
nischer Fremdwörter 1) : adventario (19, für inventario), avanija (19),
hah (19, Ballen), harbijer (19), bareta (19, berretta), baia ruka (17,
basso), biSkvatro (17), fierentin (17, panno di Firenze, fiorentino), ga-
vemati (19), kamarin (21), kaniilirija (18), kariiija (19, 21, carisee),
kavic (19, cavezzo), komeüun (17, commissione), kant (17, conto), kutn-
panija (18), leffati (17, 22, leggere), marac (23, merci), numeri plur.
(17), oblegavam (22, 23, obligare), opicijali (20, ofßciales), partit (18),
prokuratur (19, 20), res (23, resto), rtdo (19, ruUo), sakrcmencU (18),
skrito (17, 18, scritto), skritura (23), skrivan (20), skuiati (20, scno-
tere), spenza (19), speniati (19), statera die Wage (19), ^oefun (19,
tntores), venetik (17, Tnch), veroniz (19, Tuch). Im Texte sind ein-
zelne Worte lateinisch geschrieben: nnmero, braza, aspri. Anch der
Einfloss der italienischen Orthographie ist bemerkbar (Nr. 21): Bip-
EOcaHHie (ftlr EpkYkBOCHa), sowie s {firzm chahhc, hchicao, Sciaa,
CAi|io, ebenso gn für n in rHfroBO, roprHCU^. Bagnsanisch ist anch
ar fttr r : csapjf i$, SuapAa, a^P^H- Daneben sind charakteristisch
manche echt slavische Termini: djetiö (19, Diener), mjerilac od sali
(18, mensorator salis), n^'eiine (23, Pelze, Hänte), pratei (19, 23,
Waare), razlog (19, Bechnong) n. A. AnffilUig sind die Formen mit ije
in Nr. 22, das Fehlen des k in Nr. 22.
Bei den Testamenten von Stagno befindet sich auf einem morschen
Blftttchen ein Stück eines Privatbriefes nngeffthr aus dem XV. Jahrb.,
in welchem von einem schlecht gekochten Fisch, wahrscheinlich einem
Geschenk, die Bede ist. Nach dem Anfang: f BfAf AP^*"^ no3APAB-
(a(hhi) ist klar iiiHd (pezzo) pHSf h i|jo Na uc nHiuiuik, a^
noiuaiuk UH th hhicuo iv-ti phei 3a aaaivraH wk8-
CHAH, 3ai|J0 f UHorw 3Aa BHaa 3ai|J0 c 3ao csapfHa
EHAa, a HfSHCUO TH Cf HHl|ja WBAaKWUHAH Ha pHBH U. S. W.
In Bagusa selbst schrieben Lente >de populoa ihre Testamente
schon im Ifittelalter mitunter slaviach. Aber die Fftlle sind selten und
1) Ueber die Fremdwörter im Dialekt von Bagusa vgl. Pero Budmani,
Dubrovacki dijalekat, Bad jugoslav. akademije 65 (1883), S. 160—169, und
Luko Zore, Ay6poi»^Ke xyl^HHKe, Spomenik der serb. Akademie XXVI (1895).
502 Const. Jireoek,
stammen meist aus den Handelscolonien im Binnenland. In den Testa-
menta 1391 — 1402 f. ly. ist eingetragen das des »Dobrieh spatarios,
primo scriptum in sclano, poatea translatom in latinoc (italienisch), vom
20. Jnni 1391. Ebenso in den Testamenta 1418 f. 86 am 13. Angnst
1423 das des Nixa Vtiesenonich, xqnod cnm esset in sclanico idiomate
scriptum et de mandato domini consulis Ser Nicole P. de Poza et jnra-
torum jndicnm sne curie translatnm esset in latinum sermonem per Bas-
cnm magistri Xpofori, cancellarium sclanici ydiomatis commnnis Ragu-
sii«; das Original war an der Narentamfindnng geschrieben, denn be-
stätigt wird es von den »jndici de Narente« und der Erblasser schenkt
drei Perper xa S. Maria de Norin« auf den Rainen der Bömerstadt
Narona. Ebenso übersetzte Rnsko Christof orovid das am 16. Augast
1423 in Novo Brdo datirte Testament des Laca9 Michatoaich, verfasst
»in idiomate sclanoc (ib. f. 101).
In den Testamenten 1498 — 1562 fand ich nnr zwei slavische.
Das eine von 1524 in lateinischer Schrift ist bereits mitgetheilt im
Archiv XIX, 56 — 57. Das andere in cyrillischer Schrift, des Eotnf-
mannes RadiS Aligretovi<5 von 1512, folgt in den Beilagen (Nr. 7). AU-
gretto ist eine im XV. Jahrh. beliebte Uebersetzang der slav. Namen
Radivoj, Radoslav, RadaSin, Radii oder Ratko. Seine Familie stammte
ans Bijela, wo seine Vorfahren in der Kirche Sveta Gospogja begraben
waren, nämlich in der hente noch bestehenden Marienkapelle im Dorf Plat
im sfidlichen Theil des Thaies von Breno ^). Im Text findet man gleich-
falls zahlreiche Fremdwörter: dona t patrona, ßffura, /ra, fratri, in-
kuna (eiyuüP, mlat. ancona, inconia, inchona) , kostati, merttOy mobilo^
nepuca (lAmpotejypridikaturiy stabile, testamenaty testvarija, todure
(tatores). In das Bach eingetragen ist das Testament vom Kanzler
Lacas Pasq. de Primo, demselben, der in Ragasa eine Bnchdrackerei
gründen wollte, mit schöner leserlicher Schrift. Die Bachstaben sind
etwas rechts geneigt, besonders b; p, a, i^ haben lange Striche abwärts,
B ist ein Viereck, T dreifüssig, K aas zwei Theilen bestehend. In der
Jahreszahl ist ftlr 500 la gesetzt statt des sonst üblichen ^, was dem
Zahlwerth des % im Statnt von Poljice and in Nr. 18 (1512) entspricht 2).
Abbreviaturen sind nar : Fk, Bk, irB, riik, rcnHk, rcnpk, uäcth.
lieber die Zeile gesetzt ist A in ^^A^j WA>^y aro^HAa, T in fi,^KATA,
1) Vgl. Archiv XIX, 592 über Bjeleni, Bijela ^ Plat.
^ Ivan Berciö, Bokvar staroslovenskoga jezika (Prag 1860), S. 77.
Beiträge zur ragusaniBchen Literaturgeschichte. 503
KfiATA (mit Weglassang des vocalischen Auslantes), u in ^paTpwu,
EOrwM, H in KaHA*KAa, k in den Endungen anf -HKk. Das vocalische
r ist durch ap wiedergegeben, nur in i^pKa (Name), t^pKORHOUk
durch ß.
Viel grösser ist die Anzahl slavisch geschriebener Testamente aus
Stagno. Aus einem Gonvolut in blauem Umschlag und mit der Aufschrift
DTestamenti di Stagno, saec. XV«, welches eine Reihe loser Blätter und
Fragmente enthält, jetzt im Hauptarchiv von Ragusa, theile ich (Bei-
lage Nr. 8 — 16) 9 Testamente aus den J. 1458 — 1495 mit, von denen
6 in Stagno, 2 in Janjina auf der Halbinsel von Stagno und 1 in Eonjic
an der oberen Narenta von einem Stagnenser verfasst sind. Drei Stücke
sind Testamente von Frauen. Radoslav äagareli<5 schrieb in Stagno
1478 sein Testament eigenhändig nieder; das Testament einer Frau in
Janjina um 1493 schrieb der dortige Geistliche Pop Dom Andrija.
Als Kanzler von Stagno werden im XIV. Jahrh. stets Oeistliche er-
wähnt; der bedeutendste war Pop Ratko (vor 1369), später Kaplan und
Protovestiar des bosnischen Königs Stephan Tvrtko, zuletzt Bischof von
Trebinje und Mercana ^). Im XV. Jahrh. wird ausdrücklich ein slavischer
Kanzler in Stagno erwähnt. Nicola Vuchassinouich barberius war 1459
— 1478 »cancellarius Stagni in lingua sclaua et ad scribendum custo-
dias, cum salario iperpirorum viginti in anno, ultra salarium, quod habet
tanquam soldatus Stagni«, kurz »scribanus in lingua sclaua«^). Can-
cellarius Stagni war neben ihm 1472 — 1474 Maroe Pti9ich, derselbe,
der 1474 — 1482 das Amt eines »cancellarius in lingua sclaua« in Ragusa
selbst verwaltete. Im Anfang des 16. Jahrh. waren Kanzler von Stagno:
Marinus Dobrieuich 1505 — 1506 (starb 13. Januar 1506), Bemardinus
Qeorgii Cresmanouich oder B. 0. Crispi 1506 — 1520 (starb 12. April
1 520), Laurentius Thome de Fifa (bisher Kanzler in Canale) 1520 — 1525
(starb 30. Juli 1525), Mar. Nie. de Pasqualis 1525 (starb schon am 8. Oc-
tober d. J.), Vincentius quondam Marini Berissich vom November 1525 an.
Ebenso wurde auch in der Kanzlei des Conte von Oanale ohne
Zweifel mitunter ein slavisches Stttck geschrieben, doch ist von diesem
Archiv nichts erhalten. Marinus Gvietkovi<5 oder Marinus de Florio, zu-
erst 1447 — 1453 cancellarius Canalis, war 1455 — 1475 »cancellarius in
lingua sclaua ( in Ragusa und hat wahrscheinlich schon in Canale seine
Befähigung zu diesem Amt nachgewiesen.
1) Vgl. Archiv XIX, 596.
2) Consiliam Rogatorum 21. April 1459 u. s. w.
504 CoiLBt. Jireoek,
Die in Stagno und Umgebung in der zweiten Hälfte des XV. Jahrb.
fiblichen Personennamen waren fflr die Frauen: Cvieta, Dehnsa, Dra-
2ula, Franusa, Jelu&a, Katarina, Klara, Krotina (Nr. 1 0), Krunava, Lu-
cia, Madnsa, Mara, Margarita, Maria, Marusa, Mihna, Miliea, Nikoleta,
Petrusa, Radosava, SlavuSa, Stojsava, TomuSa, Vitosaya, Vladava, iivka.
Für die M&nner : Andrija, Andrusko, Antun, Benko, Bijelja, BogiSa, Brajko,
Bratul, DabiSiv, Dobrilo, Dragi^, Dragoje, Franko, Ojure, Ojurica, Ivan,
IvaniS, Ivko, Luka, Luksa, Marko, Matko, Mihoi, Mihovio, Milisa, Mili-
sav, Milobrat, Milorad, Milutin, Mioko, NikSa, Paval, Paskoje, Radosav,
Radovan, Radoje, Simko, Bladoje, Stipan, Vlahna, VlahuSa, Vukan,
Vukosav, 2ivko (J^ivko oder ^ive = Giovanni).
Die Testamente erwähnen zahlreiehe Kirchen in Stagno: Sveta
Oospogja (Marienkirche), Sveti Vlasi^) (1458, 1478, St. Blasins), Sveti
Kozma (oder Kuima, Kuzma) i Damijan, auch Sveti VraSi^) genannt,
mit einem Nonnenkloster, Sveti Mihajao') und die Franziskanerkirche
Sveti Nikola, auserdem die Burg Pozvizd (als Pozdvizd, Nr. 8) über der
Stadt. In der Umgebung wird ein Weinberg «na Perunihc genannt (in
Peroni). In Ragusa nennt ein Testament (Nr. 11) die Kathedrale Sveta
Gospogja (S. Mariae Maioris), die Kirche Svi Sveti i Svetice (Omnium
Sanctorum), sowie die Kirchen Sveti Krst (S. Crucis) und Sveti Mihail
(S. Michael de Arboribus), beide in Oravosa, und Sveta Nonciata (S.
Annunciata) auf der Berglehne oberhalb Oravosa. Ausserdem werden
erwähnt die FranziskanerklOster von Krkar (Curzola), Slano, Rjeka
(Ombla) und Konavli (Canale). Von geographischen Namen sind be-
merkenswerth Asii Assisi (9) und Zamorje Apulien (10).
Das lexikalische Material ist von Interesse : bacve (10), barhan als
Frauenkleid (14, 15, 16), bort (16), cryWt?yar Schuster (14), dinar gto^
sus (10), divojka fantescha (10), djever (14), gvozdja lovacka (12), gunj
als Frauenkleid (15), haljine ebenso (11), ifr/?ot?ߣ?m£ Beichtvater (16),
kapa als weibliche Kopfbedeckung (9), köret einer Frau (16), kosmac^)
1) Als Plural aufgefasst, daraus der Sing. Vlaho (Blasius) abstrahirt.
Budmani, Rad 65, S. 168.
^) Sveti Vraoi, die hl. Aerzte, heissen auch in Serbien und Bulgarien die
hl. Kosmas und Damian. Vgl. Jire^ek, Das christliche Element in der topogr.
Nomendatur der Balkanländer (Sitzungsber. der kais. Akad. 136) S. 20, 43.
^ Die St. Michaelsburg die ursprüngliche Ansiedelung von Stagno, ib. 31.
«) Chosma^, cosma^, cosmatinm eine weibliche Kopfbedeckung (cosmaz
da testa di donna 1457, Lamenta), 1422 erklärt als »touaglias pilosas, vocatas
Beiträge zur ragusanischen Literatargeschichte. 505
(15), kohulja skrojena [\h)^ kraljei(\^^ Rosenkranz), £tfdtoa Diminutiv
yonku6i(ll), kuntui vesüto (10), kuplice^) {lA)^ 20^^^(9,14), litice
srebme (14), muiwna duia die Seele des Gatten (1 3), misu reit, pieti
oder govoritiy obid (Mahl, 11), odar Bett (8), oporuciti {IZ), pleme(iA:
Sovjek od moga plemena), pod danji od ku6e (8), pokuöje Hausgerftth
(9. 15), postav (14, 15), potka oprede (15), rod (14: Mili8i<5em i njih
rodu), rukave od harhana s ombretami {14, 15), sablja (11), skrinja
velja (14), Star ulja (9, 10), stratiti u ku6u expendere (9), suknja büa
rassa biancha (8), suknja svüe einer Frau (9), svite vestimenti (10), tkala
(16), ubrtiscui{\ij 15), vojvoda^) (10), vof/an 8Vime{S), volnik (IZ),
lupa wahrscheinlich als Pfarre, Gemeinde (14: die Zeugen »i ostala
i^upa«).
Das fremde Element ist in der Terminologie stark vertreten : abit
(9,10), €fikat(S), aßktavat(%\ ar^en^tra argenteria (10), avancati
(9, 10, 16), decitna (8, 9, 10), dorn (14, dominus), dona (10), dumna
(10, 11, aus domina, die Nonne), dundo (14, Onkel),^;^f^ra {ll)jfrati-
lija (8, 10, 16),/ra^rf (8, 10), /ra frater, /rwAo/wrt (8: frustadori,
verberati), gonta (8, gionta, v. ionta), inpaSati (15), kalei (11, 16, ca-
lix), kanielarija (13), karpatur (16, copertorium), komunski (8), kon-
sencija (11), lakse (8, 9 : i lasci), libra (11), lificuo (16, lenzuolo), mo-
sarya (8, 10), tnatarac{iß)j mir^) (8, murus), misa, mobilo (8), nepuca
(10, 14), ombrete (14, 15), ospedao (8, 10), otar (10, altare), patrona
(10), peca (9, 15), pitrop epitropus (oft), posizati (10, possidere), pri^
micija (8, 9), resto (10), sag (16), skoiati[\\, scuotere), stabüo (8),
stribuati (8, distribnere), ^m» (8, terreno), testamenat, tezoriri {Iß),
todur (8, 16, tutor), mta (u vitu 8 1), ionta (9, gionta cf. gonta).
Die Analyse der Sprache muss der Historiker dem Plulologen über-
lassen und beschränkt sich nur auf einige Bemerkungen. In den ein-
cosimace« (Lam.)» mitunter »cum seta et auro«; es gab auch cosmaces tur-
cheschos. Fehlt im WOrterbuch von Stulli.
1) Euplica eine weibliche Kopfbedeckung: 1450 eine Frau, »aptans sibi
cuplizam in oapite«, 1447 cupliia eines Knaben cum perlis, ebenso cupliza de
panno (Lam.)«
>) Vojvoda hiessen slavisch die ragusanischen viseonti in den Terre Nove
(Primorje von Slano) im XV. Jahrh. ; es waren nicht adelige Beamte.
') Von mir (murus) der Ortsname Zamirje (extra muros): in Stagno Santa
Maria de Samirie, Test. Not 1498, f. 1, vielleicht identisch mit der chiesa de
la Madonna in piano de Stagno in anderen Bagusaner Testamenten.
506 GoüBt. Jireöek,
zelnen Stücken haben theils jekavische, theils ikavisohe Fonnen die
Oberhand : in Nr. 9 testamtjenat, mrtvijehj da se razdijeli, dagegen
in Nr. 8 dica^ prima, sukna hila, in Nr. 10 Usiaminaty Rika^ razdiltf
covtkj sKpim,pinezej divojke. Anffilllig ist die Verwechselang zwischen
z nnd i: lezedi, pratez, zivot Nr. 8, zena Nr. 10, 11, 12, rozdasivo,
krizj hrize (brJie) Nr. 10, Drazula^ Dabiziv, kalez Nr. 11, dagegen
uieti, uhoUm Nr. 10, ubozi Nr. 1 1 . Das r sonans wird mitunter (Nr. 9,
14) durch -pk- wiedergegeben, aber auch durch -r»- (najprivo, syrihu,
smrit Nr. 8, Origur Nr. 8, 10, Krikar ebenda, briSe Nr. 10, drizat, dri-
zana Nr. 11, 12, crikva Nr. 10, 11, svriSit, syriSena, pristen, Tristenica
Nr. 11), erst zum Schluss des XY. Jahrh. durch -izr- (smartiju Nr. 13,
Oargura Nr. 1 5, najparvo Nr. 16). In der Formenlehre ist auffUlig -^ne
ftlr -m ^) nicht nur im Looal Sing.: na terinu komtmakame (8), sondern
auch im Instr. Sing.: voljan svirne, za malome bradome (8), 8 kuöame
(8, 9), 8 ovijeme nacinom (9), im Dat. Plur. : ubozime, fratrotne (8),
und sogar in der 1. Pers. Sing.: 08ta^'ame i hodu, kako iame pi8ao
(8), ostaljame (9). Indeclinabel ist 8veti in: u 8t>et% Kozmu (8, 9),
u 8veii Vla8t (8) ; vgl. lezeöi u odar (8) statt »u odru«.
Die Schrift ist Urkundenschrift, mit abwärts verlängerten a, r, p
U.S.W., stehend, später mehr rechts geneigt, mit der Zeit immer weniger
sorgfältig und leserlich. Das 1i fehlt nirgends; für lO haben Nr. 15, 16
(1495) ein W\ fftr w haben die Schreiber eine grosse Vorliebe, ja in
Nr. 15, 16 hat es das 0 ganz verdrängt. Der Laut/ wird ausgedrückt
durch h: hi, HOttif (9), HiaSiuh, HSpH^ (10), durch f : »A"^, uoci
(9), durch 1s: uoHWk (11), -fciCTa (12), "baKUiHlik (13), *kd (ego, in
Nr. 9 His), "KCA^Hk, CBO*kOUk, *KdHHHCKOMB (14). Die Erweichung
von Ij bleibt oft unbezeichnet: boac (10), ASsaBk (12), wcxaAaUk.
Einflüsse italienischer Orthographie sind bemerkbar bei derWiedei^abe
von Ij durch gh ROrac (10), PaA^caraHli (16), und nj durch yn:
HanoKorHH, 8 phc Rorat^ (10), Korua (11). Den Verfall der cyrilli-
schen Schreibkunst verräth k nach vocalischem Auslaut : OAaNOWk,
ASl^HHk, HHTKWk, CUHpHWk, 3rpaAHWk (10), liipHk, TKWk, UÄ-
HHWk (12).
Ganz ohne Abbreviaturen ist Nr. 14 in Janjina geschrieben. Das
p'^ ist Ersatz für pk: np'^BO, up^rBHcj^k, cuptrk (9), oder fUr h:
nptuHi^HS (10), ebenso in Nr. 18 von der Narentamündung 1512:
i) Vgl. Dani6iö, HciopEJa odxiiKa S. 44, 173, 179.
Beitrage zur ragusanischen Literatargeschichte. 507
CKp^TO (scritto), npl^UH)fk, th /^HHAfi^. Ligaturen sind xa, th in
Nr. 8. lieber die Zeile oder über den vorangehenden Buchstaben er-
hoben werden T besonders zwischen Vocalen (cBc^f), beim Infinitiv
(^^31* k) und bei st (G'WHk 8, c'wh 1 1), dann A (in WA immer), 0 und
W (in i|JO überall), 9 und II in den Gasusendungen, selten K und p.
Bei einem Besuch in Stagno 1890 zeigte mir der damalige Dechant
der Stadt, jetzt Canonicus in Ragusa, der hochwürdige Don Ante Lie-
popili ^) ein altes Zunftbuch, in welchem drei Seiten mit grosser cyrilli-
scher Schrift beschrieben waren. Ich habe den Codex leider nur flüchtig
angesehen. Durch die Güte des Herrn stud. techn. Sabo Jeli<5 erhielt
ich 1898 gelungene, von ihm sorgfältig hergestellte Photographien dieser
drei Seiten. Nach seinen Mittheilungen ist diese auf der Pfarre von
Stagno verwahrte »matrikula bratstva« in Holzdeckeln mit schwarzem
Leder gebunden (26.4 Cm. hoch, 18.4 breit) ; die Blätter, 24.7 Cm. hoch
und 17.8 breit, beginnen mit der Jahreszahl MCCCCXXVU. Zwischen
lateinischen und italienischen Eintragungen, über die ich derzeit nichts
Näheres mittheilen kann, sind nur diese drei Seiten slavisch. Der cy-
rillische Text beginnt mit einer grossen blauen Initiale mit rothem Omar
ment. In Beilage Nr. 24 theile ich ihn mit (vgl. auch das Facsimile).
Es ist ein Pakt zwischen den bratija der in den Testamenten (Nr. 10,
16) erwähnten yra^t'/ya od svetoga Franhesha in Stagno mit dem dor-
tigen Franziskanerkloster. Sprache und Schrift schliesst sich den übrigen
Schriftstücken aus Stagno an. Fremdwörter sind: oiTttti^Do Almosen 2),
gnardijan^ kuitod (custos), misaj papa, vikar. Ikavisch ist potriba.
Zu den oben angeführten Beispielen von -Tne für -m gehören : dobrime
Sinjenijem, ubozime, zgovorome. Die Schrift ist nicht Urkundenschrift;
sie erinnert an cyrillische Pergamentcodices der Zeit. Das fi^ ist pH in
nptROAHH, nptTfrH8/iH, npttiTH, pk in cup^CHTH; r sonans ist
durch ß, wie i^pKBH, oder einfaches p, wie lipTBH)fk, bezeichnet.
1) Der Name, in seiner Form auffällig, ist sehr alt. Milen Lepopelich
aus Stolac 1318 (Div.); Pribislaus, Plribien Lepopi, Lipopil, Lipopilouioh
1387^1413 (Div., Lamenta) ; Milletta filius Cranchi Liepopie 1406 und dessen
Mutter Pribissaua, uxor Cranchi Lipopil 1418; Yochaz Liepopio 1436^1449
(Lamenta) u. s. w.
') Almustvo in den Lectionaren des XV. Jahrb., neben lemozina: Dr.
Milan Resetar, Primorski lekcionari XV vijeka, Bad jugoslav. akademije 136
(1898), § 151.
508 Const Jireoek,
Beilagen.
1. Zar Geschichte des Buchdruckes und Buchhandels.
1, Testament des Presbyter Luka JRadovafwviö.
(Auszug) 1502, 15. Juli. Testamentum presbiteri Luce Radouanouich,
»capellani monialium Sancte Marie de Gastello heri defuncti«, datirt am 15.0ct.
1501. Legate von 1—2 Perper an die Gonfraternitäten: fratemita laudabile
de li preti de Sancta Maria, fratemita de Ogni Sancti, fratemita de Sancto
Luca de li oleari, fratemita de Sancto Nicolo de li bechari, fratemita de Sancto
Yido de li tesseri, fratemita delli sartori, femer jedem prete und »zago« und
allen Nonnen von S.Maria, diesen auch »el mio organeto, che lo tegnano in
la chiesia«. Drei Messen a S. Orsula (eine Capelle auf dem Abhang oberhalb
des Klosters des hl. Jacob von Visnjica}. Verfügungen über eine possessio
in Ciba^a (im Thale von Breno). »Lasso a dom Paolo, figliolo de condam
Vuchassino, breuiario in carta bona non ligado et tarculo da itnprimere libri
cum soiponzonide leUera schiaua cum soiargazt, quelli se trouara in casa mia.
Lasso al comun tre coracine mie et doi schiopeti. Lasso alli heredi de con-
dam Ratoho libraro perperi tre« (f. 174). Zahlreiche Legate. Besass »la terza
parte de Marchana«. Aus den »intrade de le mie case, ho appresso Sancta
Maria de Gastello«, soll ebendaselbst bei S. Maria eine Kirche gebaut werden,
31^2 Ellen (braza) lang und 18 breit, de pietre lauorade a scarpello bella; in
ihr sollen wöchentlich 4 Messen gelesen werden für den Presbyter Lucas und
für seine Eltem, von einem Weltpriester, nach Möglichkeit einem Verwandten
des Legatars. Ist der Bau unmöglich, soll alles dem Dominikanerkloster
zufallen. Epitropi : Ser Paladine Gio. de Gondola, dessen Sohn Ser Giovanni
und dessen Sohn, Ser Ruscho Nie. de Poza mit seinen Söhnen, Ser Michael
Jun. de Bona, Ser Zugno Mar. de Gk)ndola, don Polo Vuohcich und dessen
Bruder Marino, Nicola Vladoeuich (Testamenta Notarie 1498—1503 f. 173 v.
bis 175).
2. Project des Kanzlers Lucas Pasqualis de Primo oder Primojeviö.
A. Gonsilium Rogatomm, 8. März 1514 (Band 1513—1516 f.29v.): »Prima
pars est de acceptando supplicationem Luce Pasqualis de Primo, cancellarii
nostri, pro arte stampandi libros in ciuitate nostra cum priuilegio annoram
quindecim, infra quos aliqua alia persona non possit exercere dictam artem
in ciuitate et districtu nostro, nisi per oonduoendos et deputandos per dictum
Lucam ad dictam artem, seoundum dictam eins supplicationem. Per XXXVIII
eontra V«.
»Prima pars est, quod dictus Luca teneatnr conducere stampatores et
incipere laborare ad tardius infra nnum annum proxime futurum, et si secus
fecerit, quod non gaudeat beneficio dicte sue supplicationis, et quando inci-
piet laborare, quod tnnc habeat domum et stationem ad plateam sine soIu-
tione affictuB aliouins sibi consignandam per minus consilium in sua discre-
Beitrüge zur ragusanischen Literaturgeschichte. 509
tione et libertate pro toto tempore, quo faciet ezercere dictam artem in oiuitate
nostra cum dicto priuilegio. Per XXXTTT contra X«. (f. 30). —
ȣx(cellenti8Bi)mi Signori, dauanti le S(ignorie) Vre io Luoa di Pasqual
di PrimOy deuoto servitor dele Signorie Vre, desideroso primo ad honor de
Dio et per zelo de la religione christiana et anche per zelo del bono nome
dela patria et ad contemplatione de algunj letterati et amatori dele vertu,
essende la citta Vra nominata et extimata in molte parte del mondo, intro-
dure etiam in quella Tarte et ezeroitio de stampar libri, supplico humilmente
offerendo, ut infra, videlicet«:
»Primo prometto, acceptandome le S. Vre questa mia supplicatione, far
venire in la citta Vra alle mie spexe per questo principio, fina che alguno de
qui imparara la dicta arte, doi boni et sufficienti magistri de stampare libri
dale parte d'Italia, zoe uno stampator et un altro tiratore, cum tuti li in-
Btr(oment)i et artificij necessarg et conuenienti per dicta arte, li quali magistri
stamparano quin! libri et scripture de bona et bella stampa in latino et in
greco, segondo le occorentie, et anchora in lottere rassiane al modo, che usano
li callogeri dela religione rassiana in loro chiesie, de simile lottere, che haueano
comenzato Zamoeuichi, che per tuto era laudata et apreciata; et in questo
ydioma se trouano libri et authori dignissimi, maxime in cose sacre et eccle-
siastiche. Et in questo dicti magistri hauerano uno intelligente, chi li dara in-
drizo, pero che io cum la persona mia non me impazaro de niente in operare«.
»Ma perche maxime in li prinoipij de introdur questa arte me andara
spexa et le S. Vre soleno, ut in pluribus, dar subuentione alle bone arte, sup-
plico, che quelle se degnano per commodita del magisterio et doli magistri
de dicta arte conoederme Io afficto de una casa et de una stazone de bona
commodita in piaza, quanto parera competente alle S. Vre. Et de piu do-
mando, che la cartha, la quäl se condura et bisognara per dicta arte, se possa
condure (f. 30 v.) et li libri se possano cauare(?) senza pagamento de dohane«.
■Item se degnano le S. Vre concedermi gratia et priuilegio , como se
costuma far per tuta Italia, che per anni quindexe proxime futuri altri non
possano poner et exercitar questa arte in la citta et in le tenute de le S. Vre,
facendola operar io in modo predicto«.
»De questa arte ne sentira consolatione spirituale etiam le monage de
li monasteri Vri et altri gentilhomini et cittadinj de esse S. Vre, alle quäl
humihnente me recomando«. —
B. Consilium Rogatorum 13. MSrz 1515 (ib. f. 142 v.): »Prima pars est
de prolongando Luce Pasqualis de Primo, cancellario nostro, eins supplica-
tionis Petitum, sibi aoceptatum die VUI martij 1514 in presenti libro oarta 30,
pro stampando libros hie Bagusii cum priuilegio, modis et conditionibus dicte
sue supplicationis aoceptate, per alios menses octo proxime fnturos. Per
omnes contra ü«.
3. Testament des Ptesbyter Nicolaus Bameus.
(Auszug). 1529, 22. August, testamentum quondam presbyteri Nicolai
Mich. Bamei, »diebus proximis defuncti«, repertum in notaria, datirt vom
510 CoDBt. Jire&ek,
1. April 1527. Legmte. »Et a Santa Maria delle Danze grossi sei per con-
Bcientia a Marin Piero dl Radagli , loqnal ha una sententia sopra 11 beni miei
per pieggiaria de Conte Piero Paulonlch di dncati venticinque, e diemi dare
detto Marino per qnattro sni figlioli, li qnali ho insegnato fidelmente le littere
pia anni, come pare per el mio libretto de Scolari«. Bede von casa snb Pri-
chipnt (sie); anima de olim pre Michele Bameo. «Item lasso et ordino, che li
instnimenti pnblioi, li qnali sono in diota cassetta, nno di dncati sessanta dni,
siano de figlioli di detto Conte Piero, li quali ha hannto con mia nepote D.
Nicoletta onero chiamata la in Craina Madonna Barbara, et sono per nome
ohiamati primo Panlo, il quäle per disgratia di sno padre V^ Tnrcho, altro h
Niccolo, terzo Georgi, qnarto Bartholo, et Tadeo mori di qnesto morbo in
casa mia, e sepulto in Sto Francesco honorenolmente ^}. Item ricordo a detti
miei qnattro nepoti la dote di loro madre, sopradetta D. Nicoletta. Le di dn-
cati cento cinqnanta, come pare in notaria di Ragnsi, et credo che sia copia di
qnella in la detta cassetta mia, accio non si lassino aminchionare del padre
et che sappiano el sno. Item lasso a tre, li quali sono in christianita, cioe
Niocolo, Georgi e Bartolo, in ueste gli si debbia dare ypp. cinque per uno, che
pregano Dio per Fanima mia«. Eine zweite nepote D. Orsola, nxor di Radoie.
Diesem Radoie »la mia targa migliore et la scimitarra con capo di argento;
alla comunita di Ragusi dua ronche et una coraza. Item alla detta comunita
tutta la mia libraria con conditione, che debbano tronare una officina in loco
publice et locare ditta libraria ad honore della patria et utilita della gionentü
Ragusina et consolatiohe delli pronetti. Caso, che non uolesseno segnire la
mia buona ultima uolunta et in uno mese non prouederanno di alocarla, come
ho detto, Yoglio, che si yendano al piu dante. Item lasso alle monasterio
Sancti Jacob! de Uisgniza uno libro chiamato Magister sententiarum, ligato,
Scripte in carta caprina, et la Glementina, ligata a fondeilo. Item lasso al
1) Das Testament einer zweiten Frau desselben Conte Petar Pavloviö ist
eingetragen am 1. September 1519, Testamenta Notarie 1517—1519, f. 193:
Testamentum »olim D. Cläre, uxoris domini Petri Fatdauich voiuode eunuehi
(von XAkMk), ßUe luant Ittanisseuieh de Poglize Craine, defuncte nuper
Slani«, datirt 20. August 1519. Will in der StHieronymuskirche der Franzis-
kaner in Slano begraben sein. Dem Vojvoden Peter vermacht 'sie »la mia
vesta rossa et uno annelo d'oro, che porta per mio amor«. Ihre Tochter Anna
sollen die Brüder der Clara nach Hause nach Poglize bringen, »et venendo la
dicta mia fiola alla debita eti, se li mei fratelli vorano, ladebiano maritar per
Paulo, fiolo del mio marito de la sua prima nxor«. Paul ist also erst seit 1519
Türke geworden. Anna erhält alles, was die Mutter im väterlichen Hause be-
sitzt, 4 veste, due de raesa dalmatina, una celestre et una pauonaza, due de
panno, una fomita de perle menute et una schieta, ambedue pauonaze, sowie
»alcuni cercelli (Ohrgehänge) zoe poriesi, fomiti. de perle et alcnni agi cum
perle minute«. Die frati von S. Hieronymus erhalten »una centura mia et uno
salistach, che ho portato sulo pecto«. Stirbt Anna noch unmündig, erben je
zur Hälfte die Franziskaner in Slano und Trstenica.
BeitrSge zur ragUBanisohen Literatargeschichte. 511
monasterio di Melita Libram decretaliam in fonna minori. Item lasso d. Ma-
rino de BenedictiB pro Bua oonsolatione nno Jibro ligato insieme, Hypocrate
de natura hominis, Benedictns de Nnrsia de conseruatione sanitatiB et Bimi-
liter de consematione Banitatis, Scola Salentina cum ezpoBitione Arnaldi de
Uilla Noua, ligati inBieme. A pre Paulo Vocasini una borsetta di uellnto,
lauorata con le perle et dentro belli corporali Bacrati, inuoltata in uno fa-
zolo di Beta« »Item lasso a Ser Bernardo Mar. di Binciola li miei libretti
di medicina, uno scripto in carta caprina, uechio molto, utile alla humana
natura, et tutti li altri desligati, liquali ho ligati col spago insieme, inuoltati,
posti in detta capsetta mia et sigillati con el sigillo mio«. Erwähnung des
casale de miei antiqui in Bagusi »sopra le scale pleuanoue^, Epitropi: pre
Marino deBenedictis, pre D. Paulo Vocassin, Ser Bernardo de Binciola. »lo pre
Nicolo de Michele Bameo, utriusque juris doctore minimo manu mea propria
scripsi«.
»Et perche faocio mentione di sopra della mia libraria, non si intendano
in quello li Ubri antiqui, li quali sono in studio del balatore, ligati et desli-
gati, Script! caractere langobardo in caprina carta, cioe Bemigius remiBS. (sie) i)
super epistolas Pauli integer, idem sine principio super Matheum, Venera-
bilis Beda in quattuor volumina distinctus, tamen simul ligati, super Lucam
preclarum opus, idem super Marcum ligatus sine tabulis. Item uno libretto,
latino caractere in carta caprina scriptus, ligato, con tauole alla antiqua; nel
principio sono le epistole Sti Pauli, in medio de missarum mysteriis, editus a
papa Innocentio HE, qui splendor canonistarum appellatur. Eiusdem Inno-
centii über de miseria humane conditionis, scriptus anno dni MOCLIX, in quo
etiam sunt post prenominatos multa laude digna. Questi adunque libri antiqui
non se trouano impressi in niuno loco, perche mi 11 ho portati in Italia de 1510,
non era modo ne uia de farli stampare per le guerre et continue pestilentie.
Pero ho lassato et ordinato li miei comissarij tuti tre richi, accio che essi U
faccino imprimere qui in Ragusi con aiuto della Signoria ad laudem et gloriam
dello omnipotente Idio el honore et utilita della patria. Si per caso fare non
faranno, li dagano et consegnano alla abbatia di Sto Jacobo extra muros. Et
se miei epitropi li faranno imprimere, uoglio et cosi ordino, che (fehlt das Ver-
bum: dagano?) alla detta abbatia per uno uolume di quelli ouero li originali
di quelli«. (Testamenta notarie 1528—1533 f. 82>-84y.)
m
4, Inventar einer Büchersendung aus Venedig nach Itagusa 1549, *)
Die 25 iunii 1549. »Infrascriptuminuentariumlibrorum yenalium, trans-
missum ex Venetiis una cum libris per D. Traianum Nauum impressorem Bdo
D. Nicoiao Gotio, archipresbytero Bacusino, qui dictos libroB consignauit hie
§
<) Bemigius Remensis?
*) Unser Commentar ist ein Versuch; eine Vervollständigung desselben
wird Kennern der lateinischen und italienischen Bibliographie des XV. — XVI.
Jahrh. nicht schwer fallen.
512
Gonst. Jireoek,
BaeuBij Antonio de Odolis de Brizia librario et factori dicti D. Traiani, pre-
senti, acoipienti et confitenti omnes et Bingulos infrascriptos libros habnisse
et reoepisse, ut nenderet predicto D. Traiano« etc. etc. »Tre casse con li
inuentarij« . . . »et un torcalo da tondare«.
»Cassa prima.
2 Orlandi del Bernia»)
4.-
5 Institutione del gao
5.
3 Legendär! de S(an}ti
6.-1)
5 Dialogi de Lucian
5.—
4 Vite della M«" Aretina
2. 8
5 Groniclie del Sforza
7.10
6 Facette PogioS)
—.16
4 GaerradeGoti<()
1. 4
6 £p(i8to)le Ouidio in 80
21.16
3 HiBtoria del Sabel(lico) — .-
-(sic)^
2 Croniche canö
2.—
20 libri del frate
12.—
4 Metodus confeBsionis
1.—
6 furioBi in 4» »)
12.
5 Casandra comedia
—.15
3 Suetonio
1.4
5 Lena comedia')
—.10
6 Lectura del Varchi«)
.12
5 Negromante
—.10
4 Elegantie del Liborni lO)
2.12
5 Suppositi comedia
—.10
3 Beali de Franza ii)
1.10
5 Gasaria comedia
—.10
12 ParafraBi di Juaenale
1.10
2 Formulari Instramenti^)
1. 4
8 Terenti in 8«
4.—
3 Scoto di potestate
1. 4
2 Legenda della vergine
—.12
2 Gonsilia Tridentini
7.—
8 Orati p.p.
4.
4 Petrarchi p. p.
2.—
10 Carote (?)
6.
12 Epi8tole,Eaangeliarisma
L-g- (sie)
13 Gapitoli del A retin
—.18
4 Terenti p. p.
2.—
6 Lacrime d'Angelica ^^
—.12
6 Antonio filarimo L
•g- (sie)
6 Valerie Max(im)o in 80
3.12
1) Die Preise in yenetianischen Lire.
2) Die vor 1500 26 mal gedruckten lat. Facetien dCB Poggio.
3) La GaBsaria, I SuppoBiti, La Lena, II Negromante von Lodovico Arioßto
(f 1533), Beit 1525 nnd 1535 wiederholt gedruckt.
*) Wohl mittelalt. Notarialhandbücher, die noch im XVL Jahrh. abge-
druckt wurden. Vgl. BrcBBlau, Urknndenlehre I, 631 f.
^) Orlando innamorato dcB Bojardo, umgearbeitet von Franc. Bemi (f 1536).
0) Eine Uebersetzung des Prokopios oder das Gedicht »Italia liberata
dai Goti« von Trissino (1547).
T) Marc! Antonii Sabellici Rerum Venetarum ab urbe condita ad Bua us-
que tempora libri XXXm, VenetiiB 1487 und öfters wiederholt (auch ital.
Üebersetzungen).
8) Orlando furiose des Ariosto.
») Werke des Florentiners Benedetto Varchi (f 1565).
10) Der venetianische Grammatiker N. Libumio (4* 1557).
11) Die Beali di Francia des Andrea dei Hagnabotti aus Barberino (um
1372—1431).
1^ Le Lagrime d*Angelica, episches Gedicht des Pietro Aretino, Vene-
dig 1538.
Beiträge zur ragnsanischen Literatargeschichte.
513
4 Marfisa bizara ^) 1. 4
9 Ep(iBto)le Tnli 80 6.15
4 L(ette)re del modo q® 4. —
4 Idem seconde 4.10
4 Tnli de ofici (sie) Yer(8ioiie) 2. 8
12 Fioreti dela Bibia
15 Oeomantie 6. —
4 Aagnri — .16
8 Partitio de Tulio 3. 4
6 Born picoli a risma ^ ....
8 £p(i8to)ley Eaangeli .... (sie) —
5 Piroteca 15. —
5 De copia verbornm 3. —
8 Vergili in 80 6.—
4 Ep(ißto)le Tuli ver. 6.—
3 L(ette)re Aldo p» I» 4.10
1 Vergili in foglio 5.10
1 Vergili con Semio 2. 8
4Sabelico') 10.—
10 Satire d'Ariosto 1.—
Gassa Nr. 2.
3 Plini yer(8ione) in 40 12.—
8 Fnriosi «) in 80 gnadagnino 6.—
3 Constantini Lascari Gati (?)i^) 6.—
4 Erodoto yer(Bione) in 80 6) 4.—
4 Commentari Gesare 4.16
4 Apiani Alesandrini ver(Bione) 6. —
V (sie) Oratio de Tulio 6.—
4 Joseffo de Judei 4. —
6 Viues de (lacuna) • 1.16
4 Gento nouelle in 40 8. —
12 Sonett! del Bemia?) 1. 4
10 Greanze de le Done 1.10
2 Opere de Xenofonte compite
in 40 uolumi 6. —
12 Orati in ottauo 6. —
6 Gento nouele in 80 6. —
3 Opere del Bemia stampate a
Firenza 3.12
3 Homeri greci 9. —
3 Esiodi greci — . — (sie)
5 De yanitate yer(8ione) 5.10
1 Mi[ra]colo de la M^ a risma 2.—
6 Fiore de yirtu — . — (sie)
4 OpuBCule Plut(arclii) la parte 4.16
2 Groniche Paulo Emilio 8) 8.—
[f. 130'] 2 Opere Amaldi de Vil-
lanoua^) 1. 4
10 Garonti 6.—
2 Bibie in 40 7.--
2 Ep(i8to)le Tuli yer(8ione) 3.—
4 Groniche del Guazo ^O) 6.—
2 Luminare maiu8 4. —
1) Marfisa Bizzara (aus der Earlssage) des Giambattista Dragoncino de
Fano in 14 Gesängen, Venedig 1531.
^ Gedichte über den aus den »Reali di Francia« bekannten Helden Boyo
d^Antona. üeber denThurm, der seinen Namen in Zara beute noch führt, ygl.
G. Sabalich, Guida archeologica di Zara (Zara 1897), S. 258—262.
') H. A. Sabellico s. oben.
^ Orlando furiose des Ariosto (f 1533).
^) Vielleicht die griechische Grammatik des Eonstantinos Laskaris (Ed.
princeps Mailand 1476).
0) Uebersetzung des Herodot yon Laurentius Valla.
"O Gedichte des Francesco Berni.
8) De rebus gestis Francorum des Veroneser Historikers P. Emilio (f 1 529).
^ Die Werke des berühmten Alchimisten und Arztes Arnald yon Ville-
neuye (bei Ayignon) f 1314 sind gedruckt in Lyon 1504.
10) Marco Guazzo, Historie oye si contengono le guerre di Maometto se-
condo, imperatore de Turchi, hayute per quindici anni continui con la Sig-
noria di Venetia. Venetia 1545 (E. A.Gicogna, Saggio di bibliografia yeneziana,
Venezia 1847, p. 93, Nr. 652).
ArchiT fftr slayisohe Philologie. XXI. 33
514
CoDst Jirecek,
4 Paalo Egineta i) 8. 8
4 MescMDiiii40S) 2.—
8 Meditio(8ic)deStoAgosti(no)2. 8
4 Theodoro Gaza') 6.—
3 Pontan in yersi 4.10
3 Iiiamoranientiin40<) 4.10
4 Testamenti noui lat. 4.10
4 Tartalia compiti ^ 9.12
2 Gomeli de occoltiB 6.—
Gassa nuona.
18 Boni d'Antona in 4^ (lacuna)
10 Orbecha tragedia 6)
2 Lncio Florio vertsione)
2 £p(iBto}le Tnli, Aldo
2 £p(i8to)le ad Atticam
6 Gortegian?)
2 Nouelle solit.
2 Lettere antiche
6 Arati di Mantoa
4 Gomenti del (sie)
4 Testamenti nuoni, yer(8ione) 4.10
5 Thesauri d'abacho ].—
5 Aurora 8] 2. 6
3.—
3.12
2. 8
3.—
3.12
5.—
1.10
1. 4
2. 8
30 Gigante morante a risima^) ....
(lacuna)
12 Didone tragedia «>) 2. 8
4 Vita Marco Aurelio 2.~
4 Libridella Ventura, ver(BioD6) 2. 4
4 Dita notabilia 2. 8
4 Giceroniana 2. 8
5 Scala Grimaldeli 3.—
2 Polibio yer(sione) 3.—
2 X (?) Dasaoho (sie) —.12
3 Vite de Plutarcho yer(Bione) 12.—
12 £p(iBto)le Ouidi 2. 8
2 Bibie in 8» latine 6.—
6 Piero Borgi 3.12
1 Bibia in 40 lat. 5.—
6 Ficheide u) 1.16
5 Dioscoridi yer(Bione) 7.10
4 Petrarcha yelut. 8. —
3 Ganti de Marfisa i^) _. 6
5 Tricassi 3.—
2 DioBcoridi lat. 2.^
. . dta . . n. 40 (sie) 1.12
2 Tuli de ofici con com(en)to
in 40 3.—
1) Das medicinische Buch des Byzantiners PauluB yon Aegina aus dem
VIL Jahrb., ygl. Erumbacher ^ 614.
^ Guerino il Meschino, Bitterroman des Andreas Magnabotti aus dem
Anf. des XV. Jahrb., neubearbeitet als II Meschino yon der neapolitanischen
Dichterin TuUia d'Aragona.
^ Vielleicht das Handbuch des Griechischen yon Theodoros Gazes (Ed.
princeps Venedig 1495).
*) Vielleicht die oft gedruckte Storia delo inamoramento de Florio e
Biandfiore.
6) Schriften des Ingenieurs Nie. Tartaglia aus Venedig (f 1557).
^ Tragödie Orbecche des Giambattista Giraldi Gynthio, Venedig 1543.
"O »II Gortegiano« des Grafen Baldassare Gastiglione (f 1529).
^) Ein dem Bolandinus Passagerii (XIII. Jahrb.) zugeschriebenes Buch.
Vgl. Bresslau I, 632.
^ n Morgante maggiore des Lmgi Pulci (f 1484).
^) Didone des Giambattista Giraldi Gynthio (Graesse, Lehrbuch einer
allg. Literärgeschichte UI, 1, 416).
11) Ficheide des Francesco Maria Molza aus Modena (f 1544).
1^ Marfisa (episch, aus der Karlssage) yon Pietro Aretino, gedruckt 1535.
Beiträge znr ragosanischen Literatargeschichte.
515
2 Elegantie del Yalla 80 1] 2.—
9 Principe Macha (sie) <) 2.14
4 Yiazi dinersi 3) 3.—
3 Panesi a risma (lacnna)
1 Terentio con com(en}to 2.10
4 Peroti*) 1. 4
2 Antonio Bro (illeg.) 7.—
2 säniaorladina^) 1. 4
Questi in casaa 2.
1 B(i8]ma di carta 3.—
6 lire de cartoni — ^.18
6 Salosti ver{Bione) 1.16
1 Bibia yer(8ione) in foglio 3. —
3 Euclide yer(8ione) 13.10
(Diyersa Notarie 1548-
8 L(ette)re Aldo
2 Corona pretioBa
6 TeBtamenti noni
8 Historia del Gnazo ^)
12 Edefici de ricette
6 Pietro Oresentio "^
7. 4
2. 2
7. 4
4.—
1. 4
6.—
6 GonanGerson 8) (fortan ohne Preis-
angabe)
6 Meditation de S(an)to Aag(aBti)no
6 Meditation (de) S. Bonaventura
6 Encheridion d' Erasmo ^
1 Snpositi 10)
1 libro di frate
1 Fior di virtü
2 Scala GrimaldelL«
1550, f. 129v.— 130v.).
n. Zu den Biographien der Schriftsteller.
ö. Testament der Mutter des Dichters Ojore Driid.
(Auszug). 1500, 10. Juli eingetragen testamentum Nicolete, uzoris quon-
dam Nicolai de Dersa, nuper defuncte, datirt vom 25. Juni 1500, mit den Zeu-
gen Ser JacobuB Nie. Sar. de Bona und Ser Marinus Stepfa. de Zamagno. Per
decime et primicie a S. Maria Mazor, S. Maria alle Danze, S. Domenego, S.
Francesco je 6 gross!, »alli poueri leprosi de Sancto Lazaro alle Ploze«
grossi 4, an das conuento de S. Domenego perperi 4 per le messe, al mona-
stero de S. Maria de Castello ducati 2. Legate an Nicoleta's Schwestern An-
dreola, Gatherina, Franussa, an Catherina, relicta de Ghristioh Gradich,
femer per maritation de Nicoleta, fiola de Marin mio fiolo, an Biasio mio fiolo.
»Et a dorn Zarzi, mio fiolo, perperi cento per amor«. Marissaua fantescha,
^) Die bekannten Elegantiae des bertthmten Humanisten Lanrentius
Valla (+ 1457).
^ Wohl »II Principe« des Niccolö MachiavelU (f 1527).
3) Diese Beisewerke sind leider nicht näher bezeichnet
*) Nie. Perotti, Erzbischof von Sipontum {+ 1480), Verfasser von Budi'-
menta grammatices u. s. w.
^) Orlandino des maccaronischen Dichters Teofilo Folengo (•!• 1544)?
^) Gnazzo^s Gesch. der Türkenkriege s. oben.
^ Opus ruralinm commodorum des Petrus de Grescentiis aus Bologna
(f 1320), eines mittelalterlichen Agronomen, seit 1468 wiederholt gedruckt
^ Wohl eine Schrift des franz. Theologen Gerson vom Anf. des XV. Jb.
^) »Enchiridion militis christiania des Erasmus von Botterdam (f 1536).
10) S. oben : Suppositi comedia, von Ariosto.
33»
516 Const Jirecek,
Nieoleta altra fantescha auch betheilt. »Lasso al prefato dorn Zorzi, fiolo mio,
per amor la mia cassa de nugaro, la qaal 6 in la camera in primo solaro apresso
el mio coffano cum tnte quelle cose, che in qaella se tronano. Item al dicto
dorn Zorzi lasso el mio coffano et la carpeta grande noua, la quäl jo ho facto,
e li Cassini mei doi de seda celestri, et la fersa mia nona del coaertor rechar
mata, per la qnal ho jo dato perperi 18. Item ordeno et voglio, che dicto pre
Zorzi f mio fiolo, debia distribuir de le mie vestimente qnello et quanto et
doue jo li ho acommesso. Tato el resto, de qnello io son yaliosa poter testare,
lasso alli mei fioli, alli quali lasso la mia benedictione, la qnalDio 11 confirma
in celo. Et voglio, che loro siano epitropi de qnesto mio testamento et Nicolo
de Galeaz et Thomaso de Blasio de Vodopia et Andrea de Dersa nostro, al
quäl lasso per amor, che li si fazano et dagano para doi de linzoli et nno
coaertor de lecto et dae tonaglie et una peza de tooaglioli, et de pia, qoando
se leuasse de casa nostra, che li si daga de le massaricie de casa, de rame, de
stagno et de altre cose minute per bastanza de la taaola«. (Testamenta Nota-
rie 1498— 1503. f. 77— 77 y.)
6. Testament des Ser Johannes Stephani de Goze (f 1502).
A. (Auszag). »Millesimo qaingentesimo secnndo, indictione quinta, die
XIII mensis martii, Ragusii. Hoc est testamentom olim Ser Johannis Ste de
Goze, nuper defancti, repertnm in notaria Bagnsii, ubi per ipsam testatorem
his diebas prozime preteritis datum faerat ad saluandnm cam aliis testamen-
tis vivorum iaxta morem ciuitatis, cai erant ascripti Ser Joh. Damiani de
Menze judex etHieronymus de Sfondratis, notarius communis Bagnsii, testis.
Guius tenor talis est, videlicet: Jesus Maria. 1502 die XXII Febmarii in Ba-
gusi. AI nome de Dio e della sua madre Maria. Io Gioanne condam Stephani
de Goze, considerando, chel stato presente e maximamente pericoloso, come
manifestamente specular se possiamo nelli quottidiani casi della morte, oc-
corsi alli nostri precessori« etc. ZahLreiche Legate an Kirchen; »per maltol-
leto incerto perperi trenta«. AI commun de Bagusi perperi 300 per conscien-
tia, »deli quali denari una parte ho tolto, siando garzon della dohana grande
et ho avanzado, siando stato venditor del sale; de piu pongo in essi ducati
sette, che leuassemo dalla dohana de panni di Fiorenza«. Vor*21 Jahren
kaufte er panni in Verona und sendete sie über Pesaro ; seine Epitropi sollen
sich mit zwei des canonischen und civilen Bechtes kundigen MSnnern be-
rathen und nach deren Entscheidung der Doana von Venedig, die er um-
gangen, den Schaden ersetzen. Schulden des Vaters, Bechnungen von Handels-
gesellschaften.
Bestimmungen über Bücher: »Item lasso, che se dia alli poueri gross!
trenta per Tanima de Misser Nicolo de Getaldi canonicOi perche tolsi in
casa de Misser Francesco de Gradi una sua Betorica et vendigli grossi trenta
Libri, che ho de condam Ser Bartholo Giov. de Goze, sono questi: una
decha de Liuio in carta bona, uno Terentio in carta bona, Blondio de Hln-
strata Italia, Blondio de Instaurata Vrbe, Prisciano, Eticha de Aristotile, tnti
Beiträge zur ragnsaniBchen Literaturgeschichte. 517
questi in carta bona, Donato sopra Terentio, Nonio Marcello, Solino de mira-
bilibns mundi, Ouidio magior, Juuenale, tuti questi in carta bombasina et tuti
quanti scritti de mano, li quali voglio se rendano alli heredi del dicto Ser
Bartholo, et se nuUo ui manchasse, voglio che li si pagi quanto po valere.
Alli fioli de condam Ser Luciano de Bona voglio se renda uno suo Piaton de
Bep.| el qnal, credo, che ha nelle mane dorn Marino monacho de Meleta, mio
9io, et se non se trouasse, se dia a loro ducato uno per esso delli mei beni.
Mi impresto ancor Misser Marino de Bagnina canonico'^) Epistole familiäre
cum comento in stampa, so(no) in studio mio, voglio se vendano et daga-ssi
alli poueri per 1' anima sua* Alli fratelli de condam Ser Georgio. Lu(ce) de
Bona se rendano le Epistole familiäre de Tulio in stampa, le quäl me im-
presjbo, et sono nello mio studio« j>Item voglio, che tut! li mei vesti-
menti et la mia parte della argenteria et li mei libri greci et latini se vendano
allo publico incanto«. Vestimenti: tre veste di scharlato fora di mantello,
quatro paunaze, una negra fora de mantello, tute noue; sotto mantello, una
rosada, un altra paonaza, terza negra, quarta de damaschino negro.
An das cpmun de Yenetia 22/3 Ducaten wegen Ueberyortheilung bei dem
Export von panni de Verona. Yoto 2 duc. an die Kirche S. Maria alle Danze,
»che se faza una oorona d'arzento al capo de nostra dona«. Für 600 perperi
sollen die Thesaurare ein Haus in der Stadt kaufen, afficto distribuire ogni
anno nello giomo de Natale per le case de nobili de Ragusi et piu besognosi a
perperi doi la casa. Genannt des Erblassers Vater, Oheim Marino, ein verstor-
bener Bruder Ser Biasio, die verstorbene Schwester Tamara, der verstorbene
Stephano und der lebende Polo, fioli de olim Ser Biasio mio fratello, femer
des Erblassers Mutter und seine Frau Dechussa (patti matrimoniali in notaria
9. Nov. 1474). Hat in armaro dello mio studio ducati in contadi circa 1450,
pegni d*oro et argento e perle in cassa circa ducati 70; ogni pegno ha la
cetula söpra. Erwähnt kaufmännische Bechnungen (libro longo). Universal-
erbe ist der Neffe Polo di Ser Biasio mio fratello. Hat derselbe keine Nach-
kommen, so fällt ein Drittel der S. Maria di Gastello zu, ein Drittel den Söhnen
des Ser Symon Dam. de Benessa, ein Drittel den Söhnen des Ser Bemardo
Thome di Bona. Epitropi: mia madre, Decussa mia moglie, Franussa mia
cognata, Ant. Mar. de Goze, Benedetto Mar. Ben. de Gondola, Nicolino Ors.
di Menze. — Giunta vom 21 (sie) Febr. 1502 über das Testament des Giohane
de Groze, auo mio, und Tamara sua uxore, auia mia, sowie über eine Schulft
von 20 Ducaten an Magister Daniel de Parma, preceptor. (Testamenta Notarie
1498—1503 f. 160v.— 166 im Archiv des k. k. Kreisgerichtes in Ragusa.)
B. 1504, 9. December (Auszug) . Inventarium in domo quondam Ser Joh.
Ste de Goze in camera olim D.Decusse, uxoris dicti Ser Johannis, factum per
conseruatores bonorum. Bothoni 27 de perle. »Centura de argento indorato,
tucta de argento, senza seta«. Vno piron de argento de Zazara (sie). Piedule
de arg. dorate 22. »Granelli de argento dorato, de filo uechio, numero tren-
ta sei«. »Vno Agnus Dei de argento cum XII pietre per bottoni de perle v.
»Asule de argento numero septe(m)«. »Vno detal de argento«. »Vna fibia de
1) Sein Testament vom 7. Mai 1499 im selben Buche f. 28 v.
518 CoDBt Jireoek,
centara de argento piccola, vno boton de pater noster et octo botoni pisoli«.
»Yna centara de brocchato doro, fomita de argento c »Vno recordo ad D.
DecnsM de D. Nicoletta, sua madre, scripto in nno foglio«. »Vno pater noatro
de coralli grossi, nnmero sezanta quattro grana cum croce de argento«. »Yno
oollaro cum perle et oro«. »Yna centnra de velluto negro cum argento do-
rato«. »Aloune petre et netri et nno piron cum manico de christaUo et vna
centorella, dixeno esse de Piero de Goze«. »Yno instramento de ipp. 320 de
1424 ind. YII, die nono jonii« »Yno anello de oro cam arma ballator(ia)«.
»Libra meza nel circa de filo biancho«. »Faeioli cum seta et senza sota nn-
mero XIII«. »Dni catenelle de argento com vna croce coperta de acta verde«.
»Yno paro de lenzoli de quondam Ser Piero de Goze«. »Dni fostagni bianohi«.
»Dni g^gnelle de panno negro«. »Item an altra gonella negra de panno« ....
»Yna aca de argento de roccha cam cathena de argento«. »Qoattro cosini
laaorati de panno et corame dorato de Ser Piero Uite de Goze» .... »Una
inaestura de^olpe« — »Yno coretto de bianchetto«. »Dui cherpette (sie)
de quondam Ser Piero de Goze«. Alles »in piu capse et uno cophano in ca-
mera, doue staua D. Decussa«. (Diversa Notarie 1504 f. 29'— f. 30).
in. Slavische Testamente. A) Aus Ragnsa.
7. Testament des Radic Aligretovid^ Eagusa 1517,
Testamentum Badicij Alegretti mercatoris. M'^CGCGXYII, indicüone
quinta, die uero XYI menais febraarii, Bagusii. Hoc est testamentam Radicvj
Aligretti mercatoris, bis preteritis diebas defuncti, repertnm in notaria, abi
alias datum fuerat ad saluandum cum aliis uiaorom testamentis, juxta morem
ciuitatis, cui erant adscripti Ser Marinas Nie. de Gondola judex et Ser Hiero-
nymos de Sfondratis notarius testis ; quod testamentam erat scriptum idio-
mate slauonicoi registratum bic per me Lucam de Primo cancellarium in pre-
senti libro testamentorum de licentia notariorum communis Bagusii, quia ipsi
notarg scripturam slauonicam nesciunt, ouius quidem testamenti tenor est
videlicet :
Hi38ck H MapH4, HA 4:ia:iB (sie) Ha a^h «i- Hosfuspa S
^SepobhhkS. M PaAHHk {laHrpfTOBHK, epaTküiepa BOiiJUpa^)
H PaAOcaBa I^apKc^), hhhhmk uoh nanoKOHH TicTauiHaxk WAk
CBcra Mora A^^P^? ip^ Cf Hal^ie aa uoHOMk cuapTH'KUk A^tuk
Hatiie (sie), A^ BpaxHUk cBaKouS, i|io c nhc S uihi. HaunpHi
UH f saHuaw r(ocnoAH)Hk cork A^iu^7 KOHOUk ah^^ui^ h fai-
Aauk H iiJ aiOAUH roBopnuk, h aaroH uoAHUk tt r(ocnoAH)HS
E(o)rS, A^ i^H A^n^^'TH u(h)a(o]cth cboi, a^ u^ ^ oniTk Bpa-
THUk Bi3k cuap'THora rp'Kx'a, a^ uh A^nScrn npaB^ HSno-
^) YoBtijer wobl von bostaria, osteria.
2] Gf. luan Zercbla, Div. Ganc. 1522, f. 154.
Beitrage zur ragosanischen Literatargeschichte. 519
s BUcTk wfi^h CB-fc^k uot:x>^ ^P^X^' H oi|if cauk a^^^h>>^
I l^pHOH 3IUAH UOHieUk PHNAlSUk TtlAWUk ^), H 3aT0H Cf UO-
* AHUk r(OCnOAH)H8 C(0)rS, A^ UH A^R^CTH UHAOCTk CBOIO, A^
UH A^nScTH, A^ Tieaw uoie hma ui6cto rAie roAi^pf noAi^
CI6H8 l^pKOBHOUk, rAI6 Kl€ nOHHH^TH, A^KAf VA r(OCnOAH]Hk
B(o)rk oniTk 3AP^^H 3 A^uJ^Uk h nouiAie ra 8 bi6k8 BiEHHf
1 cTAHie, TAie bSac Spoahw m(h)a(o]cth r(ocnoAH)Ha cora h
} BAASKiHi A>€Bc MapHie, MaHKi bo:ki6. ü caAa noHHHio nHcaTH,
' i|i0 Cf Hua Shhhhth wa^ uora h cTacHAa h uobhaa, ipo
roAi^p Cf Haliie no uohoh cuapxH wAk uora A^^P^) A^ (^
I HUa no 3aK0H8 ShHHHTH H HapfAHTH, KOKO f 3aK0Hk WAi^
uHcxa, A^ ^^ TaKOH Shhhh. NaHnpHf wfi^h uora a^^P^
I A^ c< ^^^ M^^ ^ GBfTS Focnotiio nfpnfpa leAHa, a^ ^^^^
^ H cBfTa rocnotiia, a^ "ua uou Ä^^>*H^ A>^^^Kk wa uoah-
TaBa, KORf Cf rOBOpf 8 HHOH CBaKH M^^} "^ ^^ UfpHTO U0I6,
Hfro AH 3a UHAOcapA'if hi6. fl 8 OBfTS Focnoliio Ha /^annf
uifCTk AHHapa, a 8 GBfT8 Focnoliio 8 P*kK8 uifCTk A^Hapa, a
8 GBfTH (sie) T0U8 Ha n8CTlEpHH nfpnfp8, a 8 CBfTH /^OUHHHKk
8 npHAHKaT8pf nfpnfp8. H a^ c< HUa nanpaBHTH ^Hr8pa naAk
HaiUOUk paKOUk, KaKOHO 16 H HaAli^ 0HlC3t:UH paKaUH, KOf c8
0H81iie HauJf Kk hctok8, H a^ ^^ HUa nanpaBHTH uiccTO, KaKO
KI6 KaHAlSAA UOKH r0pi6TH HaAk PAABaUH, K0I6 B8a8 AfKH 8
HHOH. H oi|jf A^ ^^ "ua 8hhhht(h) HHK8Ha WA^ B* A^Kara,
Aa Cf cxaBH 8 6BfT8 Focnorio na EHfA8, rAi€ Af}Kf haujh
CTapn. H A^ ^^ HUa A^'*'" uhca n'ifTH wji^h cBfTora Fapk-
r8pa 3a uoio a^uj8, a^ ^^ A^ ^P^ AoBpi6Hi^8 Haujfu8 ivi^8,
Aa OHk roBopn (f. 7) uhc8 3a uoio a^^^j A^ uf cBtrn Fap'-
r8pk 8KA0HH WA naKAA h a^ Uf npHBfA(f) 8 KpaaieBCTBW
r(ocno)A(H)Ha B(o)ra (ausgefallen 8] U0AHTBa)fk Hi6roB*R]Ck. H
oi|if ocTaatauk uoieuk Hfn8Hauk OranH h IlaB'AH, A^ ^^ ^^
HUaiO 8MHHHTH C8KHf, KaKO KI6 KOCTaTH C8KHa HO -f • A^^aTa.
fl UOHOH 3KfHH MapH OCTaAUUk, AKO Cf 8Aa, A^ HUa HUaXH
oh8h nap'KHio, koio I6 3a Uf A^Hieaa, n iCAank nap^cTfHk wfi,h
u^^X^j fi,A Cf cnoufH8i6 wAi^ UfHf, H A"^ HMa -c- A^Kara
HUaTH IVA U^r^ A^^P^! ^KO ah Cf HfBH, A^ ('^^^ ^ CBI6]fk
1) Of. »io rennnoio Tanima mia a M. Domino Iddio, corpo alla terra« im
Testament des Andreas Elie battioro 1548, Test. Not. 1543—1549, f. 240.
520 Const. Jireoek,
CI6A(KH, MOA(KH B(o)ra 34 CBOIO A^UlS H 3A UOIO. H Map'PHTH
A4 cc HMa HAaTHTH, i|jo I cTaaa A^^^^? "^ '<- nfpncpk Ha
roAHi{Jc. H OTienaHtf Smchmhkio wa>^bhiiji naaTc -b- A^^ara
Aa u8 cc AM^7 i^P^ >^ nocASmaHk bhw CBieuk Hauk h A^^po
16 HacTOtaw 3a Hauii cTBapH. $1 caA< HHHHUk toa^^P^ uohoh
9KIHH MapHH H A^^HH UOHOH, KOlo 16 HUaaa CA UHOUk, no
3aK0Ht^ cfraH cBiexa h OBoran uiecxa MHHHUk a^ ^ napsn
TOA^pi^ r(o)cn(o]A(4]pk GrlsnKO ASKapoBHKk a AP^r'H r(o]cn(o)-
A(a)pk Mapoie I^HAtaHki) a xpcTH Eapo 3H3ipOBHKk a «ict-
BapTH uoH BpaT PaAOcaBk I](pKa a hcth uou Hccna MapTta.
H aKo bh ocHAieaa ^AOBHi^ouk 3a UHOUk, a^ ^ a^ha h na-
TpoHa iVAi^ cBcra uora a^^P^ 3^ hi€ }KHBOTa a naKOHk Hie
AI6HH UOHOH H HI6. Ü HOUaHKaBUJH HaiUI K0AI6HW H KaA^
BCKie HiB^Ac WA^ Haiuira KOAiena biki6 HHKora, a^ ^ ^kah
k8k0 ^paxpwu iVA>^ npHAHKax^pa, HCKa uoAf B[o]ra 3a nauic
A^uic H 3a Hauil:)fi^ CTapi€)fk. H oipc a^ ^< A^ ^parpwu S
CB^TH KapcTk 8 FpSHCt^ nepnfpa. H oi|ii uohoh cfCTpn Kaxa-
PHHH -B- A^KaT(a) 3a UHAOCTk, H OCTAAUUk HinSnaUk, Klil-
pcuk KaTHHieuk, KOie cS ^A^hc, CBaKon no A^^ar. H ASi^h
E116AOI6BHK10 i6AHa HO)fa cHHa aan spSna, a^ ^ hoch 8 A^^P^
AHH 3a AioBABk UOIO. H IlaoKS TaKolicpi «loxa CHHa aAH BpBHa,
H E011JK8 H BSKocaBS no ho^^. ü Kl^fpieuk PaA9>6Bi€Uk no
I6AH0H KOnpi€HH aAH HO A^KATS 3AaT8. H TCI^H (sic pro TiTl^H)
AioBH 8 Oppa^OBiJ^S 2) (sie) A^ c^ A^ A^Kaxk, HfKa h ona uoah
Bora 3a uoio a^lu^- H oipf ocTaAuuk nnTponc CBapX'S pi«if-
Hora TicTaucHTa wa^ 3rapa pcHfHc, HannapBO KHi3a Cxt^nKa
ASKapiBHKia, AP^i"^ KHi3a Mapou Nhkoac FSha^ahku, xpirie
Eapa 3H3cpOBHKt2i, HCTBapro uora BpaT(aj PaAOcaBa I^pTcB
a niTO uoio ;k(h8 AiapHio. ü caAa Back 3aKAHHauk ^KHBieuk
Borwu, aKO bh cf 3roAHAa Bap30 uon cuapxk no OBOUiUk (sie)
AHCUk, A^ MH HUaTC ShHHHTH Bap3W SaAOBOAHW obouSh
tictauchtS. {I yjo roAiepk H30CTaHi 3a TfCTaufHTivu, a^
ci Hua A^^^ ^ T(CTBapHio1[3ic) -ii- nipdfpa. H bh uoh, uo-
1) Maroje Giljan = Maroje Nikole Gondulid weiter unten.
^ Orahovac bei Perasto (in mUitelalt. Urk. auch Becouatium) oder ein
anderes in der Landschaft von Trebinje.
Beiträge zur ragosanischen Literaturgeschichte. 521
AHUk SaC Wfi^h CTpaHl B0}KI6, i^HHHHTC UH da^OBOANIM OBOUSh
TfCTaUiHTS H OCTaHHTC 3 EOPOMk, CBH MOH RpYtÜTIAH H Hl-
npYuTfAH, H npocTHTf UfNHie, i|jo cauk Bauk carpieuiHw, h
uoAHTf B(o}ra 3a uok a^uJ^» ^ r(o]cn(o)A(H)Hk ki6 Bork m"^^
Bauk fifirK ^HBOTk H A^B^Pi^ ^ Ha cuap'THH Mack npoipiHie
WAK cBl^x''^ rp*kx'^a (sie). fluiHk.
(Testamenta Notarie 1517 — 1519, Pergamentcodex im Arohiv des
k. k. Ereisgerichtes zu Bagusa, f. 6y. — 7).
B. Aus Stagno.
8. Testament des Niksa Marojevid Rctguiin^ Stagno 1458,
Stagno 1458, 29. März. »In Xpi nomine, amen. 1458 a di 29 marzo.
lo Niohsa Haroieuich, dito Ragnsin i), fazo lo mio vltimo testamento, siando
infirmo del chorpo, sano in la mente mia, gasende (sie) in leto. In prima laso
per dezima et primizia a Santa Maria a Stagno perpero 1. Item laso« (durch-
strichen, unmittelbar darauf:)
M ÜHKiua Mapwi€BHlik pchcnh Part$3HHk hhh8 uwh Ha-
nwKWHH TccraucFk, BSA^t^t HcuwI^aHk wt rSth a 3ApaBk 8
nauiTH UWHWH , Ai3f1iH (sic) 8 WA^pk. HaHnpHBUU (sie) IVCTa-
Aauk 3a fi^tnykM h 3a npHUHi^HS Obitwh FwcniutiH ^ OrwHk
nipncpS; xaKorc ivcTaAauc (sic) 8 OBCTH(sic) Kw3U8 h /^auuHk
nfpnfp8; raKivri wcxaaauk 8 Gbith Ainx^auw (sic) nfpncpH;
TaKwrf wcTaaaui (sic) 8 Obcth Baach nipncpB; TaKwri wcra-
AAUk S wcniAaw Sbw3hmc nipntptf. TaKon wcTaaaui 8 ^pa-
Tpf 8 Gbith HhkwaS 8 GrivHk -fi- ncpnfpa 3a uhcc iva cbc-
Twra FpHrSpa (sie), a^ Huaio pct^H. TaKon wcTaaaui fpaTHAH
WA CBiTivra OpaHHicKa 8 GtwnS i* nfpnipa. TaKori wcxa-
(Aa)Mf H x^^^y A^ Hhkwaa a^ ^ '■"P" ^WAH^'^ cBaKiv rw-
AHi|jf -A- AAKaT cSKHa BHAA Ha caabS r(ocnoAH)Ha Btvra h
CBCTwra Hhkwai h cBH^k Bw;KH]Ck cBfTHX'k 4ip8cKaT8pwu( 8
GxiVHk 3a cSkhi. TaKwri x^t^^, kivio k81i8 nuauf 8 /^S-
BpwBHHKS npHua AlapHHS U^hahawbhI^S, x'wliS A^ cf Hiuwpc
npOA^TH, HH 3a A^*"^ 83fTH HH 3aA0}KHTk, HIFWAH A^ rpfA^
Hhkwah h HiriVBS poA^ h uacapna, kou i6 ehaa 8 kSI^h, kivio
16 83CW MapHHk H GnuKWy H npaTf3k (sic), koio c8 83(ah whh.
H X'WtiS, AKW BN BHW KWH CHHk HHKWAHHk nwnk, \WM fi,A
1) Derselbe Niksa Baguiiin als Zpuge in Srebmica 20. Febr. 1438 in einer
Urk., Spomenik XI, S. 80.
522 Conat Jirecek,
16 HiU^ K91^4 WHAH 8 ^t^BpiUBHHKt^. TaKWiil WCTAAAUi K^fcS 8
GtIVHS, KOa 16 Ha TipHHS KWUSHCKWUI, H K8fc8 CTap8 KWH
unpa H TfpHHk 8 nw3AKH3A8 8 rwHT8 3a uaawMi BpaTH-
wui H BHHwrpaAi c K81iwue Ha /LacTWB8 Hhkwah h hi-
rwBH A><^H. H wcTaaauf ncTp8ijjH, cicrpH Nhkufahhh,
nwA AWHh WA k8ki, kwu i6 na tiphh8 KWM8HCKWUf, a^
CTWH Ha HfUk 3a }KHBWTa cBwra, a naKWHk hi Hnkwah, KaKw
caui (sie) HHcaw WA 3rapa. fl hho wcraaau cbi, ipo rwA hc
UOBHAO H CTaBHAW, 8 BWA8 HhKWAHH8 8 3HBWTk H 8 CUpHTk
(sie), A^ ^ W**^ BWAUHk CBHMf, 1|J0 X^liC 8hHHHT. H WCTAAW
npHnop8H8io 8 bht8 Hhkwah, h a^ujc crapH^k uwh^ h uwic.
TaKwr«, KaA^ ci K8fca b8ac af HKTaBax 8 rpaA8, x^^^ M ^^
Aa 8 uaHacTHpk na Gaahw -t- nipnipk. H x^^^ M M tP^-
Tpwuc Ha KpHKapk (sie) -i- nipnipk wa af HKxa wa K81if. H
WBI AAKCf, KWI6 CaUk WCXaBHW, X'^fc8 A^ HhKWAA CTpHB8a
CBpHX'8 (sio) HirwBf fi^^mt. QcTaaaui HHTpwna h TWA8pa
Hhkwa8 h niTp8iij8.
A di 4 aprile Andrea cang(iler) i) confeso aner rec(e)ato per scriptora 1.
£ a di detto y poaerj delo ospedale eonfesono aner receuto da Nicola In
gener (?) segondo apar in lo presente testamento perpero 1. E a di detto don
Marin capelan de San Biaxio confesso auer anto del detto Nicola segondo etc.
perpero 1. £ a di 12 mazio Giucho Boganzich come procnratore deli frati di
San Francesco de Stagno confeso aner auto perperi 15. A di 22 mazio el
guardian de Slano confeso aner recento perperi 5. A di 7 febr.1460 li of&ciali
de la schola di frnstadori de Santo Nicola Gioicho Bogaucich e compagni con-
fessono aner receunto rassa biancha per anni 2 fino al presente, che fono
br(aza) 60.
9. Testament der Frau Slavuia, Stagno 1463.
Stagno 1463, 30. November. Testament der Slanssa, nzor de Bo-
gissa Ratchonich ^.
H'K 0AaB8iija, xccHa Borniuc ParkKOBHlia, KtiH OpaukKa
}K8prWBHl^a, HHHIO UOH HanWKOHH TfCTaUHfHaTk 8 A^Bp8
naufTk uoio, «i8iotii ci HcuoliHa 8 n8TH a SAP^Ba 8 naucxH
UOHOH. IIptBO OCTaBAtaUf 3a A<HHU8 H 3a npHUHl^HIO 8 0BfT8
Focnoio 8 GroHk -i* ncpncpa. H oi|if ocTaBAtaui 8 Gbith (sie)
1) Ser Andrea de Greds, cancellarius Stagni 1458—1466.
>) Der italienische Titel sammt Datnm auf einem andern Blatt mit alter
Pagination 116.
Beiträge zur ragasanischen Literaturgeschichte. 523
K83U8 H /^aUHUHk «a- nipncpB. H hoi{jc ocTaBAuui 9 Gbcth
MHjcaniv (sie) -a- nipnipS. H HOipf ocTasaiauc 8 Gbcth fiaacH
S GroHk -r- nipnfpf. H HOipi wcTasAuuc S Orcth OpaHk-
HfCKO B GroNt^ ^paxpouk ncTACCfTk ncpnfpk sa a^uJ^ ucH^k
Mp^TBHCYI^ H 3a UOIO, 3a UHCf. H HOipC OCTaBaUMI KliipH
IJ^BHCTHHH MhaSTHHOBH Ufi^M (sic) C^KHIO CBHTf , fi^A HÖH Cf
kShh no nifiUifi^ aaKaTk. H HOipi )fo1iS /^a a npo^^ bhho-
rpa^i^ noaaKk MAHHa 83k r(ocno]A(H)Ha AXh^a BSHHHkHHliai}
h 83k BoKaHa (sie) 3aaTapa h 83k I6pkKa Fpa^Hlia, h wa
AHHapa WA BHHorpaAa x^liS a^ ^^ naaTH obwh, ipo nnuiS
WA 3rapa uoie aaKkcc. fl hho, ipo bh f (sie) aBaHkuaao wa
BHHorpaAA, wcTaBauMi Bophiuh ParkKOBHtiS, uou8 uS3k8, S
}KHBOTk H 8 CUptTk, [h] HNO nOK8tiHI, 1|J0 EH Ci HaiUAO WA
uora. H ocTaatauc cBpt^B a^u^^ EornuiHHi, a^ noiiiac -a-
n8Tk 8 PnMk h 8 fIcHHCk.
!I caAA ]C^ti8 H ocTaaciuc oh8h niH8 npnfKO noTOKa no-
aaKk GBiTora ÜBaHa 83k r(ocno)A(H)Ha Mnya mou8 EpaT8-
«lfA8 EhCAH A\AaAHH0BHl^8, H }K0HkT8 C K81iH0Mf 8 MH^^aHAB
HaKOHk BorHUJf Heu8 H HCPOBH AHiHH H BHfKk BHCKOMk.
H Olpe ocTaAuuc k81i8, 8 koh ctohmo, HaKOHk BorHuii
uou8 BpaT8«iiA^ A8K11JH fiiopkt^i6BHfi8 8 rpaA8, c obhiui Ha-
MHHOUk, i|JO le BorHuia crparno 8 K8tiio, a^ ^^ A8Kiija naaTH
HiTkA^ciTk nipncpa.
H HOifJi Y^tiB A^ B^A^ (< (snpple: wa^) obc K8fii6 CBaKO
roAHi|ji AAEATH 8 ^paxpi no CTap8 8Aia.
H HOipi xoti8, no UOHOH cMp-t^TH A^ ^^ npoA^ Kana h
c8KHe -B* H WA Toran X^^^j A^ ^^ K8nH wrii^B mou8 a^X^^"^'
H0U8 ^pa raA8 aBHTk, a hho 3a UHCf wa CBCTora Fp^rBpa,
Aa ci MA^ nniTH 3a moio fi,Sin^,
H )fo1^8 3a ^HBora EorniuHHa a^ ^^ npOA^ BHHorpaAi^
H A^ (< pa3AHMH, i|J0 roAH ocraAuui moii (sie) AaKkce wa
AHHapa.
fl HHTponi M0I6 ocTaAUMk BorHUj8 PaTKOBHtia H BoKana
^OBpoBOi6BHlia H PaA^caBa UlarapnfAHlia h Hhkoa8 A8rH-
HHlia H Eh€aio AlAaAHHOBHl^a, KOHMk npHnop8H8io A^iu^ uoio.
H 3ai|J0 cauk ocraBHAa A8KkUJH ^iopk1^i6BHti8 K81iio no
^) Ser Michael de Bucignolo.
524 ConBt. Jirecek,
CMptTH EOPHUJHHH A BA K^lilO, 1|J0 16 CTpdTHO BofHUia niTk-
AcciTk mphUifiA, y^I^io a^ A^Kkuia naaTH; aKO ah bh Hf]fOTHO
naaTHTH, ji^A nHrponH BorHUJHHH Huaio npo^^TH Kt^tiio h
paskAHiAHTH sa Bora h 3a a^ujS ^^^X " ^A ^^A^ "< A^u^^^
K^liHa.
Zuvor ital. Uebersetzung, von der jetzt nur der Schloss vorhanden.
Folgt die Distribution : 30 Oct. 1464 lo guardian deli frari, 27 Jan. 1467 Don
Goan Pripcich, cappelano de Sta Maria in Stagno, u. s. w.
10. Testament des Badosav Sagarelidy Stagno 1478.
Stagnol478, 8. Sept Testament des Badosav Sagarelid (Sagarelli).
Das Original geschrieben »con le letere schiaue de sua man propria«. Erhal-
ten auch eine ital. Uebersetzung, aus welcher die wichtigsten, zur Erklärung
des Textes nothwendigen Stellen in den Anmerkungen mitgetheilt sind.
Ha -H- H -S- H -O* H -H- pOBA^CTBa X'piCTOBa, UHICIHa
ciTiHnpa Ha a^h -h- M PaAOcask UlarapnaHlik, hcth^) Pa-
Aocask «ihh8 uoh nanoKorNH TicTauHNark MOHWuk pi^KOUk,
B^A^tii ^ uoHWk (sie) A^^P^u (sie) nauiTio. QcxaRAau cbctoh
FocnoliH ^ ^SBpoBHHKk (sic) 3A A^n,^M H npHUHi^HS -a- nip-
nfpS AHHapa. H wcTaBAauk cBfTiVH FocnoltH na ^aHHi -s-
AHHapa^). OcTaBAauk cbctivh FocnofcH t$ GroHk a- ncpncp^
AHHapa. H ivcTaBAauk cbitouB Nhkoah -a- mpncpS AHHapa.
H wcTaaauk cBfTOUS fiaacH -a- nipnip^ a">^^P^* H ivcraB-
Aauk CBITOU^ KS^KUH H /^auHUhS -a* nipnip^ a^h^P^) A^
cc A^- H wcTaaauk 8 cbith HhkoaS ^parpwu i* nfpnipa,
Aa UH roBwpf uhci wa cBiTora TphrSpa. H wcraaauk ^pa-
TpoMk 8 /k^8BpoBHHK8 -f- nipHipk AHHapa, A^ noio mhci iva
cBCTwra FpHrSpa 3a uoio fifim^, H ivcTaaau na GAaHU k (sic)
8 CBCTH HcpoNHMk f paxpouk *i* Hipncpk AHHapa Ha Gaanivk
(sie), A^ "^1^ UH^^ ^A CBCTora FpnrSpa sa moio a^uj8. H
wi|j liCTaaauk ^parpivuk 8 Phk^^) c- ncpntpk AHHapa, a^
roBwpi UHcc UA cBCTwra Fpnr^pa. H u^cxaaauk 8 KonaBAH
fparpiVMk -c* nipnipk AHHapa, a^ uoac Bora aa uoio fifim^
H A^ roBwpi UHCC WA CBiTOra FpHr8pa. H nucTaaauk 8 cBfT8
1) Radosau Sagarelli, medemo etc.
^ Grosi sei. Auch unten stets AHHapH «= grossi.
s) In obla (Ombla).
Beiträge zur ragasanischen Literatnrgeschichte. 525
FocnoliS Ha KpHKapk^) ^paTpU'Uk -f- nipnipk AHHapa, j^a a
A^A^i A^ n^>^ UHci UA cBiTivra FpHrSpa 3a uoio a^u^^- H
wcxaAau ^paxpwuk 8 cbith HhkoaS 3a asHTk, 8 Hfu cf M
HKonaT><^), •!• nfpnipk AHHapa. H wcxaAauk A^UHauk 8 cBfTf
RpaHf«) •!• nipnipk AHHapa, a^ uoai Bora 3a uoio a^uj^- H
wcTaAau 8 wcncA^w 8 GtohS, koh ctivhc 8 wcncA^AB, a^
Cf HHUk pa3AHAH •!• HCpHipa AHNapa. H Wl|ll WCTaAAU 8bo-
THUk H CAHRHUk -1- Hipnfpa AHHapa, KOAHKO JI^OTiHi HO -B-
AHHapa no HOBHKa. H tvi|ic wcxaAau PaAOcaBH Ha hui Opa-
hSiuh, Koa HC 8 uiHC CTaAAy S cBiTi Bpasi^) •!• nipncpk AH-
Hapa, A^ uoAH Bora 3a uoic fi,^\uS. H tvipf wcxaAauk cbc-
TOUS HhKOAH KSHTSUJk % KOH C 3aA09KHAa AHhAHI^A OTHHa-
HiVBHi^a^) 3a -n- A^KaT(a] h -kb- AHHapa, a^ Smhhc ^paxpn
Ha iVTapk (sie), ipo eoai 3Haio. üko ah Mhahi^a a^ A^^aTi
3aHk, a WHH 3a A^^aTf iva KSHT^uia a^ kShc na wxapk, a^
b8ac 3a uoio a^ujS. H ivcTaanuk MaprapHTH, ^kchh uohivh,
KSIiS ivbSh 8 Gtoh8, KIVH8 cauk ü 3rpaAHWk (sie) 3a uohi
nHHf3i A^unauk 8 hi boa8
(drei Zeilen verblasst) ^o] HIU03KI huath HcnwAani whwu8h b^ac
MaprapHxa, kou8 io ivna a^ ^ah wcxaBH, a^ xaKon bSac, KaKO
MaprapHTa V^lic, A^ xaKon bSa^ 3a MM. H ^oliS u PaAO-
CaBky KWU8 WB8 K81i8 WCTaBH HAH 10 nocH3a 11), A^ A^RA ^^H
•B* crapa CBaKO roAHitii, npHA KpH3k (sie) a^ >*^P< 3^ uoio
A^tuSl^) 8 CBiTH HhKWA8, HHH KIVU8 K81ia WCTaHf, A^ Hl
nornnS inBan -b- cxapa Sau, cbctwuS Hhkoah a^ ^^ A^i^
WA KSfcf. H wcTAAauk fpaTHAH UA cBCTora OpaHHccKa -§-
nipncpa AHHapa a^ hu a A^A^- H wcraAauk HiaSujh 8 Phk8
*) Santa Maria di Chnrznlla.
^) Per abito, in che sero soterato.
^ Alle monache de San Ghosma e Damian.
T) E stata comeso mi, a San Gosma e Damian.
8) Vestido.
^ Maglier de Stipan.
10) Chelli poea dare e lasare oner al sno ouer alla gesia ouer alle mo-
nache, honer yendere in volnnta sna, e se alchnno contrastara per esa chaaa,
che nol posa aner, salno che achnllnj a qnello Margarita 11 dara honer li sara,
che cnsi fia, chome Margarita vol, chnai sia per chasa.
") PoBidera.
^ Dananti al chrozifiso, che arde per anima mia«
626 Oonst Jireoek,
Hhkoahhhi^h i- ncpnipa AHHapd, a^ uOi^H Bora sa uoio A^uii^.
H wcTaAauk GAasSiuH, Hhkoac MapTHHORHl^a ^kchh, -f- ncp-
nipk AHHapa, a^ uüah Eora 3a ui. H ivcTaaauk L^bhth, ASkc
Gnl^fBHlia 3(HH (sie) ^3), -r- nipnfpk AHHapa a^ hw(h] cf MA^?
AA UOAH Ewra 3a uoio a^uj^- H u craaauk MapSiUH, Hin^sH
MaprapHTHHH h skihh Echkobh, -bi- nipnfpk A^napa, a^ uoah
Bora 3a uoio a^u^^- H ii:cTaAauk IIcTpSiuH, uohwh ncn^MH
a 3CHH (sie) MHAwpaAWBH, -Bi- ncpncpa AHHapa a^ hwh ci
AAA^y A^ UOAH Eora 3a uoio A^^ut^. H wcraaauk AlapuH,
KlifpH BnTOcaBHHH, •3- ncpnipk AHHapa a^ "IVh ci aM^? A^
UOAH Bora 3a uoio ji^^m^. H wcxaaauk KarapnHH, HfnSHH
UOHUFH a 3CHH (sic) PaA^BaHa PaA^AHl^a S SaroHk -3- nipnipa,
AA UOAH Bora 3a uwhS A^ini^, M hwh ci aM^- H wcxaAauk
KpSHaBH, cfCTpH uoHtVH a uaxipH PaAOcaBa BWHBWAiy -h-
nipnipk AHHapa a^ hwh a AM^^ A^ uoah Bora 3a uoio
At^uiS 14). H ivcTaaauk PaAOcaBa bohbua« l^^pn Ha(n)cTapHWH
•3- nipncpa AHHapa, a^ hwh ci aM^» A^ uoah Bora 3a uoio
A^uit^. H ucraaauk liipH bwhbwai HsKa^^) -3. nipnipk AH-
Hapa, A^ HWH CI MA^j A^ UOAH Bora 3a uoio a^hiS. H
wcTaaauk A^Hua liipuauk (sic) MhahcaahU; Mapn'fc h U^bh-
thi<^), cBaKOH no r- nipnipk a^ hu ci aM^7 A^ ^^^^ ^ova
3a UOIO A^iu^* H ivcTaaauk HiaSiuh, Mn^iVHa BpaHHAOBHiia
;KIHH, HIHSmH BIVHBWAf, '3. HipHip AHHapa A^ HWH CI AM^j
Aa UOAH Bora 3a uoio a^hiS. H wcraaau HBaHHui^, Bpax^
UOUt^ H HirOBHUk -A' CHHOBWUk, CBaKOUS HH^k HO -A* "^P^
nipH, A^ ^^ 'K. nipnipa cBiUk niTHua, a^ ^^ A^A^ CBaKOU^
no -A* nipnipk. H ivcraaauk HSpnS BwKMHli^i^'') -r- nipnipk
Aa M Cf MA^) A^ uoah Bora 3a uoio a^hjH. H wcTaaauk
Gaaawio MnAfBHliS -r- nfpnfpk AHHapa a^ ^^ ^< AM^ A^
UOAH Bora 3a uoio a^hjS. H wcxaaau PaA^caB^ MnaoBpa-
tivbhI^S -r- nfpnfpk AHHapa a^ uS cf A^A^^ A^ uoah Bora
^} Zuieta mnglier de Luca Sichieuich.
1^) Item laso a Ghranana, surella mia e madre de Radosan yoiaoda pp.
otn (sic) de gros!, che li se diano, che prega dio per anima mia.
1^) Alla fioUa de noiuoda Ii(cho Anuxlla pp. sete de grosi. Im slav. Text
fehlt der Name der Anuchla.
16) Im ital. Text Znieta.
^'^) Gurag Vuchzich.
Beitrüge zar ngofianischen Litenturgeschichte. 527
34 UOIO A^IUS. H WCTAAdU ÜXdfiHH, UiTfiA BhHTSp(i) liCpH,
•r* nipnipk ji^HHAfiA fi,A hwh cf aM^j A^ uoah Bora sa uoio
At^uiS. H wcTaaauk i^^) ^parHfciBH liipH spara
uora HaHuaaAHWH, KOHa hi Ha aauoptf^^), -i. ncpnfpa AHHapa,
A4 HWH ci AM^) A^ u^AH B^''^ ^A UOIO A^ui^- H wcTaaauk
KpoTHHH tiipH fiaaA4B|i^) •{- nipnipk AHHapa, a^ **wh c$
MA^i A^ UOAH cora 3a uoio fi^^in^. H iv(c)Taaauk.ASiJiHHk
(sie), PaAOu OspaHHlia liipH, a^ hivh ci aM^ *<• nf(pnfpk),
A4 U04H Bora 3a uoio a^uiS. H wcxaAauk Kaapn, ^obphaa
KanHHHiia }kihh, -A' nipnipk A^Hapa, a^ uoah Bora 3a uoio
A^uiS. H wcTaaauk Ma(T)K8 Tt^xSAHHi^ -i* nipnfpk A^^Hapa,
A4 UOAH BOPA 34 UOIO A^^UH. H WCT4A4Uk AIh^HH, A^BW-
HU^H 20] uoHivH, -r- nipnipf a^ hivh es AM^? A^ uoah bopa 34
UOIO A^UJ^- H wcT4A4Uk MaprapHT'fc }Kchh uohwk, KaKO
HHiuS WA 3ropa KStiS. H ivcraaauk AIVaprapHT'fc xcihh uohwh
aprcHTHpS UOIO h cbhti uohi h BasBi c BHHWUk H BaliHi (sie)
H cb8 uacapnS^'], i|io hc S kSI^h uohwh, aan f uaao aah
UHoro, A^ ^^ AIVaprapHTa HaA4 cbi awh4 h n4TpWH4, a^ ^^^
HHTKWk (sie!) HlUOMCf HHipO S^KfTH (sio) HH 34AHB4TH p4;KH
(sie} FHC (sie) A^^P^ Borai (sie) ^^)j 4K0 itiw hoahah bwaha npo-
A4THy A^P^BaTHy 3a a^ujS m^^^j ^^^ ^ >*hi (sie), 8 phi BoraS
(sie), cBc i|io H u ivcTaaauk, a^ Hi CBHUk boaka, kako A^Na
H narpoHa. H wsaKOH u PaAOcaBk 8Ka3Sio h )^oti8 a^ ^^
npOAA UOH BHN0rp4A H4 nfp8HH)fk33]^ l|IO UOpf EpH^Kf (sic) r4
npoA4A8 UOH HHTponH, H A^ npoA4(A^) uoh BHHorp4Aii^ ^^^
UlVrS BpH3l . . . A^ • • • AHH4pC UOH riHTpOHH A^ AM^ (B4-
K0U8 2^) ||I0 «VCT4A4Uf S WBOUC TICT4UIH(tB) .....
L|IO WCT4Hf, l|IO piCT4 AHH4p4 4B4HI^4 (TICT4}UIHTWUk^],
"^) Auch im ital. Text verblasst: Item laso alla fiola de Dragich, fra-
») In PagUa. [tel mio.
^ Alla fiola de Chrotina, a Yladaoa.
^ Fantescha.
>i) Argentiera; vestimenti; böte con nin e tini e tnta masaria.
^ Si non de sua bona volunta.
») In Peronj.
M) Chome si pora pin presto, chello yendano mi epitropi, vendendo mia
yignia chome posano pia presto, che rezeneno li denari, mi pitropi che dagano
a tuti queli, che laso in qnesto testamento. E se qnalohe chosa romagniera etc.
^) Romagniera di resto de denari e che ananza del testamento.
528 Conflt Jirecek,
M ci Hua A^'TH noAWBHi^a A^Hapa MaprapHTH :kinh
uoHWk (sic)^ a A,fi>^rA noAORHi^a /^a c8 boahh uoh nurponH
pa3AHAHTH S 1^PHKR8 H t^BOHCHUk (sic). ÜSltiaUf H V^liB, fi,A
Hf S UCH^I^ HHTpona BOPAS^ H UOAS UOHf nHTpOni CUHpHWk
(sic!) H npHKAOHOk (sic!)^ KAKO POCnWA^) A^ SHHHf H CBpHUlf,
KaKO nHiuS. H wcxaAauk h npHnop^nSio uoio A^uit^ S Bauii
pSKI, A^ ^"^^ BWAHH ipO HHIUS^^]. fl TWUSh HHTpOnk BpaxSAk
npHBHAOBHtik H MappapHTa, HCiHa uou, H EfHKO BwKoca-
AHlik27j II A/lapKO EoAHHOBHiik H FtfpC ^paCKWBHlik.
11. Testament des Goldschmieds Francesco^ gestorben in Konjic in
Bosnien 1485.
Konjic 1485, 5. November. 1486, 7. Mai in Stagno eingetragen das
Testament des Francesco horese. »schrito in Ghognich in letera schlaoa«, anf
Befehl des Gonte Paladin de Gondola (war Comes vom 18. Noy. 1485 ange-
fangen), »unde miser lo chonte chon li prefati officiali e zndese, vedendo li
testimoni idonei, acetomo lo dito testamento, lo qoal feceno registrar in libro
deli testamenti, sechondo Fe chonsneto, de verbo ad verbnm in litera sohlaaa«.
Jhs Maria 1485 a di 5 nouembris a Ghoniz. ^ HUI BO^KHf npaBH
OpaHHICKW, HIKa CI 3Ha, KaKO MHHS TICTaUlHaTk S A^spoH
nauiTH uoHwfc. HaHnpH wcTaAnuk ijiphkbh 8 Gtoh8 Obi-
TOUt^ HhKOAH K^liS 8 6tOH8, KOU HHI CBpHlUlHA, A^ ^^ ""^
CBpHlJUHT, A^ ^^^^ UOAI SA UOHX'k CTapH^k H 3a UOIO A^UU^-
H wcTaBAAUk ÜHAP^cKa EpaioTWBHlia tiipiuk •!• A^KaTk. H
ivcTaBAAUk 8 Gbit^^ FocnoliS 8 ^t^EpoBHHKk (sic) -B- nipnipH.
H wcTaBAAUk f^^UK GTHnanS S OroNi^ -i- nipnipk sa uhci
WA cBiTora FpHrSpa. H wcxaaauk -ii- A^Hapa 8 Obith
KpHCTH. H wcTaaauk «b- nipnipH Na nacTk GBiTora AIh-
)faHAa, A^ ^^ P<**< '■- UHca. H wcraaauk Ha nacTk OBHj^k
Obithu (sic) H OBiTHi^auk -B- nipnipH. H wi|ji wcTaaauk
Ha HacTk Gbiti HwHi^HaTi -b- nipnipk h 8 CBaK8 ij^phkbS 8
/k^SEpoBHHKS A^ CI A^ UHca HHiTH Hw -B- A>*Hapa. H WCTa-
Aauk 8 Gbith EpaMk -b- A^^ark A^UHauk 8 Gtoh8. H wcra-
AAUk Hhkoah aP^*"^ uou8 uora KivrHa (sic pro kohu) h caBA8
H -a- npHCTIHk BAATk, H HhKUJH -11- A^KaT H 3IHH (sic) UOHWH
^) Ghe siati va(lio)8i de quello che schrino.
«7) Vuchosalich.
Beiträge zar ragUBMusohfin Literatnrgesohichte. 529
BAdA^BH lUfCAICITk A^KaTk H )faAHHf Hl, KWHI C8 Hl, ^A 16
WHHi (oderwHf?) AM^? KWHf c8 8 ^pa3^Af EpaTSAfSc, h a^
Hf npocTa Borouk h uhou, a^ uh hhc a^uja APHsaHa. H a^
cc cKt^ni CRH 8E03KH (sic) 8 GtohS Na A^Hk cBfTora MH^aHAa,
Aa HU ci 8HHHH ivBHAk. H wcxaaauk /^asHSHsS aAaxapt^
8 KOHUifHi^Hio HfroK^y A^ ^< HAaTH 3a KorHa (sic). H IVCTaBAaU
HHTpona EpaHKa KaucHapa h Hhkoa8, aP^^"^ uora, h Hhkui8
IIoKpaHHHtia. H L|io roAH a uohi uo3Ki HaliH, a^ Huaio ivhh
cKoxcaTk H EpaHKO H Hhkoaa H ÜHKUia. H Wl\ii Tt uoa8,
BpaHKO, WA CTpaHl COXCHI, HanBOAl UH T8H K^tiHl^S CBpHUIH;
AKO BH 1|I0 HCCTaaO AHHApa 3a KSI^S, Hin^CTH KStiC, A^ KOAI
TH cf HiHanaaTH. H witii 3aKAHH8 HhkoaS, aP^''^ uora, bo-
rOUk 3KHBHU, TaKO BOrk TBWIO A^UJB NISBPHAHW, HCUOH UOHi
A^uii SBpHAHT. H wcxaaauk 8 TpHCTiHHu^t^ 8 cbctS FwcnorV
•a- KaAi3k (sic) WA -r- a^kati (sic) h wa *b- (über der Zeile ah-
Bpc) A^B^HpH h -a- (ein yerblasstes unleserliches Wort : hhkSnS?)
WA '<' 4^Hr8pa, a^ ^< cxaBH 8 TpHCTfHHUt^ 8 cbitS FocnorS.
i2. TVaitom^n^ ef«« VJahna Radiieviö, Stagno 1486,
Stagnol486, 8. Januar. Testament des ülachna Badiseuich, » sohrito
per man di Badoie Chrecouicb, bolato e sigilato«, vorgelegt dem Gonte Ni-
chulin Martoli de Grieua (war dreimal Gonte von Stagno : 27. April 1485 f.,
12. Aug. 1489 f., znletzt 17. März 1494, wobei er im Sept. 1494 in Stagno ge-
storben ist). Vgl. Nr. 15.
Mh BAa)^Ha PaAHiufBHfck hhh8 ivbh TfcraufHaTk 3 a^-
Bpouk naufTio uoHivuk. 3a twh w^fwIiS (sic) ühkivaith
UIVHWHH (sie) liCpHk (sic!) CBf UOHf A^BpO H BOAf, KAKO HiV-
[k]8hC 1) (?), 1|I0 Cf Halif 8 K81iH, TaKW H BHHOrpaAH, KIVHf Huaui
C BAACTIAH, U8kS UOIO H K8fc8 UOIO, CBI W)fOli8 liipH ÜHKOAITH
WA U^^^ A^ BfAHKA, HirOAH W)fWliS CHHS UWU8 /^pAPOlO
rBW3AU AOBAHKA 3A ABBABk. ÜKO BH HAH UOU ÜHKOAITA
HlUOrAA AP>f3^Tk (sie) BHHOrpAA^ H AKO BH (bis) )fWTHWk (sio)
TKWk (sie) 83fTk BHHOrpAA^ A^ HUA HAATHTk U8k8 UWIO, K8
CAUk U8HHWk (sie) KfccpH UOHWH ÜHKWAfTH. H WA UOHf U8Kf
WA HAHBOAfPA UOPA A^ UH A^ HnKOAfTA -T- UHCf RHfTH 3A
^ Poknöje? oderposngje?
▲robiT fftr lUTieoht PhUolofio. XXI. 34
530 Gongt JireSek,
Hf -^' 3KfHHW HUAHHiUb UOHU H SfHI (sio) UOf GTWHCaBI, NfKA
HcuoMCf nHTaxH HHi|japb UA uora A^^pa; ivaahahiv ci h(i)
WA UIHi CBHUk, KAKO AtfCaBIO, TAKW H HUAHHIUk.
(Ib. f. 92y.— 93).
13. Testament des Vlahuia Eufy'aiiö im DorfJanjina auf der Halb-
insel von Stagno 1491.
Jaajina 1491 , März. Testament des Vlahaia KuljaSiö (Ghnglazich),
eingetragen 6. April d. J. in der Zeit des Conte Ser Vido de Getaldi.
In Xpi nomine, amen. 1491 a di (sie) de marso. Khi^KI, NfKa 3Ha
Bauia UHAOCby BAajft^uia KSAauiHlik 3a xcHsora cBora ivno-
pBsSl CBOIO UBk8 HaKOHk CfBC 3KIHH CBO'KOH Map^UIH, A Na-
KOHk MapSiiif, aKO npuc Supi A\ap8uia, a^ ocraBH AapSuia,
HanpaBHBkuif A^iu^ ci^^K h u^9KiBkH8 (sie) h fk^^^vw naaTHBiuf,
Aa i ocTaaa HBaHB 3fT^ CBOut^, koh tu hhuh ctoh, noaoBHHa
HiM a noaoBHHa Sn8k8 mouS ÜHkTSoHS, aKO hih HBaHk bSa<
AOEapk H cuapkTHio (sie) hS f^^y^pAHH^ h a^ hhi NHXkKopc
BOAkHHKk 3a Hf 9KHB0Ta, HfFO WHa, H A^ ^< ^AM^ A^Hf
8h8uh WA HiroBa a^^P^- H tou^h 'Kicxa a^^ CBHfAOKa,
3KHBkK0 'baKUlHtik H MapkKO PaA^BHNOBHfck. H TC pHfMH
A^ cf 8nHiii8 8 KaHkxccaapHio.
14. Testament der Bauernfrau Maduia in Janßna 1493 9
(Janjina 1493?, 29. October?) Ans der Zelt des Gomee Ser Marino
Hart de Zorzi (26. Oct 1492—1493). Testament der Madnssa uzor di Ginrag
MUlissich de Janina de Panta, niedergeschrieben von Pop Dom Andrija in
Janina nnd in einem versiegelten Schreiben dem Gonte übersendet Zeugen
Panao Gargoeuich de Janina nnd Miclioz Vitchonich.
FocnOAHNS KHf38 GTOHkCKOUS. HlKa 3Ha BaUia UHAOCk
(sie), A^ MaAt^iuA K)pk''fciBa :KCHa, MHAHUiHHa CHua, a uaxH
^f)^Suia 8 Mhhhh a HinSna PaAOBana i^pHiBktipa t^ GtohS,
WNa bSa^^I^h 8 A^spoH naufXH cboih CBHfAOSkHO Shhhh
TfcraufHaTk 3a fifiiM cboio. HannpHi a^ *kfA^Hk EapkxaHk
CBOH Uai|lfHk, CKpOCHk H KpaAHCUJk CBOH UIHH HOnS A^Uk
ÜHAPHH 8 Mhhhh, a^ ^wra uoaS 3a fi}6\M hc; WEil^a tiiA^Hk
Beiträge zur raguMnisohen Literaturgeschichte. 531
SBpScaUk KOfrOAH CHpOTH H TpH K^HAHUll U0U8 US3K8 lOpklO,
H CKpHHS BIAS UHXCB, A MHkAPHH (slc) AHCBipS U0fU8 UdAtf
tLCAHt^ AHTHl^^ CpiKpkHS. fl UOH A^^^O pAA^BAHk OBStiA UH
ABA EApkJfAHAy KHUk HCliS BHTH CpAUkHA, H ptfKABf K HHUH C
OUBpiTfUH (sie), H 0-TOrAH UH Hifi^A HHl|Jf (sic), HfrO 'KfAI^HI
P^KABI, nOCTABA UH A^ HCTpkA^CfTk AAKATk, A^ ^^ ^^^
U8Kt^, ipO UH OBiliA, TOrAH MH HIA^. H 'fcA TOBOpS AIVaA^UI^:
KAfTk H npOKAfTk WAI^ BOfA, KH BH MOBHfKk WA ^^VA HAf-
UfHA KOI 3A0 SHHHHAk AlHAHUlHtiCUk H HH]fk pOA^ SApAAH
UIHI, *KipC CAUk U CBOlKOUk (slo) SupkAA. !l T0U8 f CBHfA^Kk
ÜABAAk rpkrOfBHfck H MH^OHk fiHTkKOBHiik H OCTAAA XC^HA.
fl SUpkAA I A&AA^UJA HA AB^A^^^*!"*^ ** A^A A"** (s^ UHfCCl^A
OKT^BpA, AUlHk. fl 8 KHfBA KaHUO», I|J0 CAUk CTAAA 8 HffA,
HHI Uf A^nAATHAk CBf ; AKO fcf OpABO, HUA UH A^***** A^AA^-
CITk H HfTk nfpkHfpA; AKO AH H^A^, BOPk US H A^UIA. H Tf
AHHApi A^ c< AM^ n^ uou8 uS}k8 a aP^^a no nonll %AHHHk-
CKOUS, KAAH CAUk AfPkAA. H BOPk T% BCCfAH.
15, Testament der Frau Nikoleia^ Tochter des Vlahna (vgl, Nr, 12)
und Frau des Andrija^ Stagno 1495,
Stagno 1495, 28. Januar. 1495 a di XXYIU de genar. »Testamento
de Nicholeta Andrina, defunta in Stagno«, aus der Zeit desConte Ser Marino
G« di Zrieva (Comes Stagni 12. Sept 1494—11. März 1495).
M HhKWAITA, KIiH fiAA)fHHHA, HHH8 UWH TICTAUlHATk
HAnWKIVHH, B^A^lii HfUWiiHA «VA "^'TH A SApABA tVA HAUITH.
H liCTAAAUk 3A UWIO A^U^^ HWnS A^Uk ÜACKWIO 3A UHCf
WA CBCTWPA FApr^pA •!• HipHipA, H 3A f^^lU^ UATipf UWI
Gtwhcabi ncMl^ hwctaba, a^ ^^ A^ A^u üackwio 3a uhci
WA CBfTWPA FAprSpA!, L|iw (luklar) baaa niHA hwctaba. fl
HHW HAlUf, 1|JW f nWKSfcHI H BHHWrpÄAH, K8M H WCTAAW
nWK^fcHf, CBC flHAPH H A<4H UWHOH, A^ U8 Ci HIHUA HHTKW
HHHAHATH, HIFW flHApH», UBSKk UWH, H AH^UA UWU 9KHBA H
fiHTSHk H KliH UW0. H WCTAAAUk CICTpH ToUt^UIH 3A UH-
AWCk p^KABC WA tAfiXAHA C WUBpfTAUH H KWUISaS CKpWIHt^.
H i|jo WCTAAAUk HChbi^h Gtahhhhhh kwcuam h wipc Maph
KaAPHHH niM^ SBpbCAUlAy A^ HIO H 3AHC, H HWTKS (sIc) WHplA^
34»
532 GoDBt JireSek,
If fi,A fi,A ÜHAPH AHW TpITH, H M flABfi^iAH HHfi^ffiHtä SA A^UI
(sie) HC AH^BWHKdUb ^BWSHUk. H WCTdAdUk ÜA^AfH BpATWK-
H[H]1ia rSHk BWAH H -B* UAßA WUEfiiTA.
16. Testament des Vlahuka Zivkovid^ Stagno 1495.
(Stagno) 1495, 29. October. TeBtament des Ylahnsa iivkoviö.
Zeugen aus Stagno an dem näheren Meer (»huius maris« der rag. Urkunden),
jetzt Stagno Grande, und »s ono mora« (»illios maris« der Urk.), nämlich aus
dem jetzigen Stagno Piccolo.
HicSck H AVapHu. ÜHcaHiv -«il^qc- aitw pw^KdCTBa XpH-
CTWBa, HA •K'O'* A^HA WKTWBpA.
M fiAA)f8UlA 2KHBKWBHlik MHH8 HAHOKWHH UWH TICTA-
UiHTk, B^A^lii HfUWiiAHk THIAIVMk, 3APABk HAUCTHIO. HaH-
HApBW npcnivpSHSio A^iu^ uwhio BwrS h baaxcihivh rwcnwrc
GbCTWH MaPHI H CBiUS ABWp^ HCBICKWU^, A THIAW UUFi
3iUAf, KWC (sie) CTBWpiHO. OniTA WCTAAAUk HA /^AHMI -f-
ncpnipA. GdniTk wcTAAAUk 8 Gbcth HhkoaS •!• nfpncpk 3a
UHCI ABWHf WA CBiTWPA FApr^pA, HCAHC 3A UWIO A^^US A
ApBri (bis) 3A KataphhhhB a^uj8. QniTk wctaaau 8 Gbit9
FwcnwrS 8 Gtwh8 -b- nipncpi. QniTk wctaaau cbctwuS
K83UI h ^auhuh8 -b- ncpnipi. OniTk ivcTAAAUk kSM bc-
ahk8, k8 c Smhhhw WTAi^ uwH, GbitwuS Hhkwac 8 GtwhS.
QcTAAAUk AHCBWHUlf -B- EWpTA H B* KWpITA KATApHHHHA
HAHAHfnAA (sic) H -B* BAPX'AHA 3A Hl CAS}KE8, H Wl|li CAUA
TKAAA WHWH HIVH H -l- nipncpA. KSliA BIAHKA ^pATHAf IVA
CBCTWrA OpAHMICKA, KAKW ( HApfAHAA KATApHHA 3A HCHBWTA,
AA Ci HUAio Saabath AWBpc p^HtEWHVii Sbwpc. H A^ ^< A^
Hbah8 h bpatS u8 -bi- ncpnipA, mauja bcahka uwu MhwkS
HA HACTk, H A^ Ci A^ 8EW3HUk 3A fi^^m^ Wn,A UOCPA HipHipA
•A- H TWH TCSWpHpWUk -HA' A^^ATI, KH C8 8 ASKC BpAU-
HWBHtiA, rwcnwAi a^^P^bamkivh (bis), ipw rwA^ abahi^a, cbc
A^ ci A^ SBW3HU. H ivHc Acnpf, Kwc c8 8 (bis) ASkc Kwkw-
TOBA, A^ ^< AM^ ^P^ ^^APHC, uwu8 hchwbiahhkS, h uata-
pAlJ^k H CAPk H AHHl^BW H KApHATSpk. H A^ ^ MhWKW TW-
A^pk H MaTKW OpAHHiik H F^pHl^A. H WCTAAAUk KAAlSKk 8
Gbith GrmAHk ha rwpHi^^i). fl tSh biuic cbiawi^h: » Mh-
^) Ein abbas von S. Stephanus de la Goriga ersoheint in den Diversa
Beiträge zur ragnsanlBcben Literaturgeschichte. 533
)fU^RHW PaTKWBHfck H ÜHAPHU SKHBKWBHtik, C IVHW U0p4
HsaHk AIVapKWBHiik, fiSKwcaBk Psfi^wcArAHk (sie). Ü TW i
TICTaUfHk (sie) BiiaX'^UII SKHBKWBHiia.
IV. Handelsbriefe.
17. Vertrag des Leonardo Badivojeviö mit Niiola Dmitroviö über
ein Commissionsgeechäft in NU 1Ö05.
Die XI sept. 1506. Mandate D.O. fiiit registratam soriptum infrascriptum
in slano idiomate ad instantiam qaomm interest, qnia mittitur ad niagium, nt
8i forte casu aliquo amitteretur, hie semper inaeniri possit, cnlas tenor sequi-
tnr ut infra, yidelicet:
SC HUI HcSca, 1505 aSaa Ha 4, 8 HhujS.
HlKa 16 BHaTH H B'fcpOBaTH CBaKOUB MA(0)B('fc)KS, KOH BH^H
aan aira oboh hhcuo, KaKO a ÜHKcaa ^UHTpoBHKk Hua)fk
H npHUH]^ WAk A^HapAa PaAHBOfBHKu H'fcA'Kxk KOua^A f hc-
pfHTHHa TpHA^cTH, BaAU Koua^a n^ 30 WAk saiijf (sie) p8Kf.
H OL|ii Hua^k wAi^ piHf Hora ASNapA^ cbhti BHuiKBaTpa aa-
Kara uif ccTk, Baa» aaKaxa n"" 60. H oit» nua^k A^sp^BaMKora
aaKaxa ciA^Uk Ha A^^^''*^! ^^^^ br(«za) 17. H oitii Hua;^ uih-
Bf Hix* HO]fa BiHfTHKa n"" 2. H OL|ic Hua)fk w^w cBapx'S piHiHora
ASnaßA^ Huax'k (sie) A^uauiKHHa, ca saaTOUk «ipBcna, aaKaxa
TS^CKf^k HSUCpH fi,%Afi^iC%TH H fi,%K%rKj BaAU n"^ 29. H HlKa
cf sna, KaKO AM^ ASnapAO uihhc Hhkoah KOUftuH^Hk WA^
CBap)f8 piHfH'fcY^ f 'fcpiHTHHa, HaHBHUJf HO TpHA^CTH A^ HaH-
HH3KI nO A^M^^TH H HfTk 3a H'fcrOBk KOHTky A^UaUJKHHk
KOUfiuH^Hk cBaKH AAKaTk tS^ckh HO A^^ A^^aTa H no. H
OL|ic HfKa ci 3Ha, KaKO OBfKu ASna^A^ Uf h'K Hhkoah 3a uoio
naaTS, a^ Huauk na roAHi|Ji acnpn cTOTHHa ocauk, Baa»
aspri 800, KO'fcUk nOMHHf pOKk CBap)f8 pfHIHH.
M IIiTapk UlHUiaTOBHKk icauk CBl^A^Kk cBap)f8 nnca-
H0U8 CKpHTS. (Div. Canc. 1505, f.99v.)
sehen 1306. Die Kirche war wohl in dem im XIV.— XV. Jahrh.oft genannten
Gori^ Yon Brennnm.
534 Gonst Jireiek,
18. Schreiben des Ojuro Radaiinovtö an den Conte von Stagno über
die Oeldangehgenheiten des Oeorg Bolinoviö und einer in den Bü-
chern der Kanzlei von Stagno eingetragenen Compagnie von der
Narentamündung 12. Sept. 1512.
IIpHCBHTAOH POCnOAH, rOCkHCAHH^ KHfSS GxOHkCKOUS H
WnHMHUAOUk. Ho TWUk ABH3a BdUk, fOCknOTkCTBO Bauic,
KAKW np(H)UH)fk KHHr8 rOCkHOTkCTBA BaUUra nO pCMCHOUk
AliaXkKS EOAHHOBHiilO H pa3SUHI)fk, 1|I0 UH 3anOBHiA^ rock-
nOTkCTBO BatUC, A^ BHAHlIk CTBapk, KaKW CTOH WA^
CKp(H)Ta % KOH Cl HHIUC CBapk^S MapkKa SSpOBHtiU, 8 KIVMk
ckp(h)tS hhuji c%y fi,A Hi A^}KaHk Hl- A^Kara. 3a toh Hicauk
3Bao piHiHora I0p8 BoaHHOBHiia, fi,A fi^ofa np(H)Aa uc, a^
BHAHMk 3a CTBapk, KaKW CTOH UClilO HHUH, H piMfHH tllOpW Bo-
AHHOBHfck ji^^ti npHA^ Uf H Shhhh caKpaufHaxk, KaKO Hl Huaiv
piHINH lllOpW AIVapkKOBHtik H pfHIHH MaTkKIV MapkKOBHiik
H :KfHa piHiHora AlaTkKa BoAHHOBHl%iai •i3- A^Kaxa, koh c9
nwAknHcaHH ^ ckKp(H)Tt^ H KOH ict^ HuaAH -13- A^Kara noBitif
napkTHTa. H kohi roBopH tiiopw, a^ ^^ "^^ AHHap(H) 9 KSUk-
naHHi, KOH c8 ^ KaHk}KHAHpHc (sic). H tou8h cBHf a^ki^ 3ropa
HHCaHOUS MhUIC KpfAOBHitk, KOH HICk (sic) UHIpHAai^k Wfi,h.
coAH. H TOUt^H cBHfAOKk MapkKW /^parouifBHltk. ÜHcaHa
UHfciua ccTiUkcpa Ha -ib- Ha •;^a**KiB* GaSra bh rocknoTk-
CTBa Bauiira tliopiv PaA^uiHHOBHlik.
(Bei den Testamenten von Stagno.)
19. Schreiben des Vicenzo Boiidaroviö aus Novipazar 1514 an die
Tutoren des Ilija Nikole Radinov über dessen Nachlass.
1515, 8 januarii. Mandato D.O. fuit registratum inyentariam infrascrip-
tum, portatnm de Turchia, litteris sclauis, tenoris nt infra, Tidelicet:
i IcSck Mapna. 1514 na 22 arwcra 8 HobouS na3apS.
npHUTCAlO AP^^Hy A^H UHHSTC HpHUHj^k WAi^ TiBf IBAHS
KHHrS no 1](b*Ktk8 BanuHHHS, 8 kohoh pa38u'KYk ji^OEp{^)y
i|iw HHcacTC 3a noTplSBi Bauj€, A^ ^^X^ ^^ HiivrASiunw, a
TOH Bork 3Ha, a^ np'k Hfro mh cti khhpS OHcaan, a^ ^^ ^^
EHAi Ha nauiTH. 3a toh niKa 3HaTi, a^ OBauw, i|io cuw
1) Ital. scritto.
Beiträge ztir ragosanischen Literaturgeschichte. 535
UOrAH nOXpSAHAH H HanpABHAH HAHBOAN, t|JO CUW UOPAH C
HAlU'fcUH np'fcTIAH (slc). fl CA^A HIKA 3HdllJk, 1|I0 CUW M^^
L^B'KTKS nO KHH3H BAUJOH Wfi,h npdTC}KH , KOU Cl 16 OBAUO
NAUIAA HaHHHA.
ÜABIHTApHW WA^ npATI3KH.
NaHnapBW hhsaua TSsKU'fcXk (sie pro T^pc-JBpou 57. H
OL|lf TAHlfeCTApa BpOU 150. H 01)» HOKpOBl^H WJI^h CTpCT^Hä 4.
H oi|if AOAaua wa^ BfpOHHsa Bpou 5. H oi|ic cTaHHKi (?) wAi^
CBHAC BIAHKf 2. H Ot|JI TKaHHHf TH^^TH BCAHKC BpOtfl 3. H OipC
TKAHHHI TH^TH MAAf BpOU 10. H 01|JC l^ieAH TpH KOUAAH
BfpOHHSH 3. H 01|Ji On€T KABHl^A BCpOHH3A ApUlHHA 27. H
01|JI fi,EOH KApl^SHH BpOU 2. H 01|J( KOUI^AC BpOM 2. H 01|Jf
I6AHA A^^^UA NOIUIHA 1. H Ol|Jf 8Bp(^]CI4H UAAH SpOU 2. H
Ol}!! «fO^A WAi^ KApH}KHI6 HOUIfHA 1. H 01|JI HI6BipHUA (?)
BpOM 1. H 01|lf BApiTA l^ApHA 1. H OL|JI I^^^BSH BpOU 1. H
Ol(Jf HHCUI (sie) H niTHH HA HH)^k 1. H 01|ll nAUJUAPf XSpCKI
EpOU 1. H OlflC IBAHC E'kHBI A^ KOA'kHH BpOU 1. H 01|JI
I6AHA KOpAA BpOU 1. H Ol\ki I6AHC UptLBIS A^^P^BAMKC 1.
H Oltif l6AAHk pSHHHHKk BpOU 1. H OltlC l6AAHk COKAHHk
BfAOfHk 1. H nOCAACUO leA^Hk BI6Ak (sie] HA A^Nk 1. H 01|Jf
I6AHI EH3Arf (sie) BpOU 1. H 01)11 I6AHA IUKATSAA BpOU 1. H
01|JI A^A P^^^ HPAAA BpOU 1. H Ot|JI CTATlspA BpOU 1. H OlfJf
HAliOCUO S HAHlHtEJfk EHCAl('K)^k 9 ACnpA)fk rOTOB'^X'i^ ACnpH
XpH )fHAUA< H OCAUk CAT, BAAU ACnp(H) 3840 (slc). G^A^ ßi-
HiH%X^ ACnpH rOpH HHCAH'fcJ^k CniHSKA Cf 3A SKOHk HOKOHHOUS
HaHH BAAU ACnpH 185. H Oltif 1|J0 JI^ACUW ^^liH KAA'i'HHS 3A
H3BAAHTH npATIHCk H CHliHAATA ACnp(H) 27. H 01|JC 3A l^A-
pHH8 WAi^ CBHTI ACnpH 40. H Olpe l|JO I OxlKnAHk CnCHHCAIV,
WA^ KOAI 16 HaHU SupW, BAAA (sic) ACnp'fc 66. H HAATH HA(o)-
B('fc)K8 MaPK^ EApElSpS, ipO I AI6HHW GT'fcnAHA H rSSipHAW
AOCAI, ACnpH 300. 3a1|J0 CMO TAKO EHAH SrOBOpHAH C ÜAHOUk
H OCTABHCUIV 3A CnCH38 GrlSnAHOB^ ACnpH rOTOBt^Yk 700 —
1318. H OBO HAATHCMW W/^h. fiiHiH'^X^ ^^fi^ HHCAH'fcY^ ACHpH
A OCTAAW A^CUO L^BtlTK^ EaHUHHHS, pfMIHOUS npOKSpAT^pS.
H Oltli 3A l6AAHk EI6Ak (sic] SSpil 25.
ü CAAA 3A t8h cbhtS eho uh ch hhcao, a^ ^ npoAAUw
KOUS rOAH) 3A TON Hf)^TI6 HHTKO HH PAiA^TH HH 8 I6AH8
H'KM. 3aT0 CBHT^ TH nOCAACUO, ifii Cl ^3B0UCUW. ü UOAH
536 CoDSt. Jirecek,
OBH uouaKk, HfKa NHI6 asaHHie wfi,^ HOBaliHie (?). H hika
3Hauik, H CBH ci A^roBOpHcuiv H Shhhhcuw MapKS ABi^ acnpH
Ha A^Hk a A^ PMH okoao Gx'fcnaHa, a^ koai hah bSac uap-
TaBk HAH ;KHBk, A^ ^^ ^^ OCTaBH. 3aT0 MapKO CC 16 OECKUIV
OKO Hiera paAHTH, KaKO h a^cai. 9ah Bork 3Ha, lepf Hi6AaHk
HA(0)B(ls)Kk HfB'fcpSie, 1|I0 Cf MapKiv Tp^A^ nOAHHW WA^
Hiera, aaroH u8 cf HfnAaKa hh ji^iurn ahw xp^Aa HieroBa,
aAH MapKO HCPAiA^ Tora, hipo ah octabho le na nauii ho-
BlLMTBIV H nplLTIACTBIV (sic) A^ HOCAie, AKO BOPk A^ OBOUS
AI6THKI0 3APaBI6. H BOPk BH BfCfAH 8 SAP^BHIO.
ü 0B0U8 HHCUS BHIUI OB'^A^H" HhKOAA TBapAHUIHKk H
MnjfOMk }KHBaHa H TnTHAOBHKk, HBAHk PaAOHHKk.
H OL|if kSrhcuw wai^ piHCH'kjfk acnpH kohohi^i h hoskc,
M'fcUk UIHAH pfHCHC BAAf, BAAU ACOpH 9. H 01|Jf 3a (laCUna),
ipo f noAi^ GrlsnaHOUk Bpou rpn, BaAuio acnpn 27. H oi|ic
HatiHOCuw Hi6Kf KHHPf nocHAAHC 3ani«iaTCHi HaiutLUk nma-
TWUk no piHCH0u8 K^b'KtkS, a khhpc cB wa>^ HlSKtL)fk pa3Aora
HAHHH'fc)^k H Gx'knaHOB'fcjfk. 3aT0 npnUHTI H BHt»TI, KaKO
Cf BHAH 60AI6.
A tergo : A^ ^< A^ ^ P^Kf TOA^pwu noKOHHOPa Hahi6 Hh-
KOAt PaAHHOBa.
M BhI^IHI^W E09KHAap0BHKk, KOH nHCa)f CKAfiX^ pfMiHO
HHCUW. (Div. Cancellarie 1514, f. 151v. — 152).
20. Schreiben des Gjuro Radaiinoviöf Schreibers des Salzamtes, an
den Conte van Stagno, von der Narentamündung 1518, 30. August.
A di 11 sept 1518. Copia di ana procura, portata da Narente in nno fo-
glio, scrito in lingna e lettera schiana e sotoscription de li tistimonii (sie), e
regiBtrata nel libro presente in la medesima lettera e lingna de mandato de
lo Conte Ser Gioanni Nie. de Bona (war Gomes von Stagno 1518).
IlACUiHHTOUS H U^APOUB H BHCOKO nOSkTOBAHOUS POCk-
nOAHHS KHf38 GTOHkCKOUS H OHHHHiaAOUk. IIo TWUk HABHC-
ipSlO POCknOTkCTBO BaUJf, KaKO HHHHUk U plHIHH IllOpO Eo-
AHHOBHiik 8 KHHk UOH pcHCHOPA BpaTa uopa MaXkKa EOAH-
HOBHtiU npOK^pATSpa BapkJfS NnKOAf BSSHJ^kHHlin, 1|10 Cf
HAlif A^HCkHHKk UfHHf Iil0p8 EoAHHOBHiilO, 3a TOH MHH8 BpaTa
uopa MaTkKa 8 Knnk uoh, a^ uoMCf cK^^KaxH na pfHfH0U8
HhKOAH ESHHJ^kHHlülO.
Beiträge zur ragasanischen LiteratnrgeBchichte. 537
H 3kr0pa HHCaHOUS pfHIHH IIcTapk PaAHROHfBHiik Nfcauk
CRHfAOKk. H Skropa nHcaHouS pisiHH Il^BHiTkKO PaAOsaHO-
BHlik Hfcauk cBHi^OKk. 3ropa nHcaHOuS pchihh Taacf (?) Hsa-
HOBHlik HICaUk CBHCA^Kk.
H a HHCaX'k PIHIHH lilOpW PaAAlUHHOBHfck pSKIVUk UOH-
«VUk, KSA^I^H CKp(H)BaHk Wfi, COAH 8 HfpfTkBH. ÜHcaHa Na
•a- arSckCTBa (sio) •/ralsiH- (Bei den Testamenten von Stagno.)
21. Ojuro ItuskoviS nimmt 1526 in Vrhboma (Sarajevo) den Stjepan
Zivanoviö in seine Dienste auf.
Die ni nonembriB 1526. Handato D.O. et sine alicuius preiuditio regi-
stratum fait hie chirographum infrascripti tenoiis, qni seqnitnr, videlicet :
Ha 1526 Ha 10 riHapa Na fiipcocaNHio (sie).
HfKa f Ha CNaNHf (sie) cBaKOU^ mobhikS, npHA Kora bh ci
HCNfcao (sie) oboh piHiNO HHCUO, KaKO 0 ThSpo PSckobhIi 8ro-
BopH]^ GTHinaHa HCuBaHOBHliti 8 rOAHi|ii luicnafc A^Kaxa h
Aa uS A^u so^S h a^^^uS wa KauapHHa aan wa KapHxcHi,
AA UH caSsKH OBO roAHi|if. H aKO bh i|jo a^^ Ha BipicHS bcc
UOHI B0AI6, TOH (sic) PHCrOBO (slc), H HOipi OA B^tiHf, aKO BH
US cHAa Scfaa (sic). H oi|jaHiu (sic) u FHSpo GxienaHB wa
ncpBora cxanio A^^axa tuicNaic, a^ roAHitia a^ u8 Huau
A^TH A^Kaxa TpHAiyJH h a^^ A^^axa, Baana (sic) A^Kaxa 32,
H MO^S H A^^^US. Q HHKOaa MapTHHOBHti HHcax U^HOU
pSKOU, cai|io (sic) Uf uoAH Fn^po h I|lHinaH. H touS cf hi-
AOHH (sie), TKO cc HOAnHiiiS OAHCAAAa (sic).
Johanni di Nicolo Xincho son testomonio, nt sapra scriptnm.
10 Pasqnal X«» di Aligretto son testimonio ut s.
11 PaAHM PaAHBOiBHti i6cau cbhca^k roprHiuS (sic) hhcuB.
(Div. Ganc. 1526—1528, f. 66.)
22, Obligation des VlaAuia Ivanoviö an Vukaün Vukasovidy
geschrieben in Antivari 1531,
Die XXII junii 1531. Mandate D.C.et ad instantiam Vuchassini Uuchos-
saglioh liic fuit registratnm infrascriptum chirografum, scriptum in idlomate
sclano, tenorifl infrascripti, videlicet per Ser Traiannm Primi cancellarimn:
i HfcSck AlapHU. Ha 1517 sKSna na 2, 8 Eap8.
HiKa f Ha 3HaHH*k cBaKouS hobhIskS, koh bhah aah mva
OBO piHina HHCua (sic), KaKW u fiAa}f8uia HBanoBHlik ocTa)fk
538 Oonst Jireoek,
BSKAUIHH^ BSKaCOBHlilO ACnpH AHlS (sio) THC81»I H SfTApCTA
H TpHA<CfTH H OCaUk, KdAA ACilfiH 2438. 3aT0H OEAlPABAUk
0 HAa^Buid cauk ccbi h cba A^Kpa uohu, fi^A B^A^Uk A^*****
H nA4THTH pcHCHOuS fiSKatuHH^ pfHfHC acnpH Na Boa8 NirORS,
KaAa Ha EochS fi^^ta. H obwh piMf hw hhcuw hhcax^ n MapKW
PaAHBpaTOBHiik, uoaiHk ivt fiaa^^uic h fiSKauiHHa, saifiiv
OHH Hl SUH'KUlf HHCaTH. H CBHl^A^^H, KCH Cl nOA>^"HUlS, A^
C^ BHt^pOBaHH.
Ha MapTHHk ÜHKOAKl^k lecaUk CBHl^A^Kk obouSh hhcu^
arapa pincHOU^.
Jo Gioanne Polo di Gio. merzaro foi presente, ut snpra.
IlpHUH E^KaujHHk BSKacoBHiik WA Baax^uif ÜBanoBHlia
XHauA^ acnpH «va pcHiHora nncua.
(DiY. Ganc. 1530—1531, f. 112.)
23. Schreiben und Obligation des Andrija Stjepanofoid aus Bosnien
vom Februar 1550 an Marin^ Sohn des Simon batüoro.
Bagnsa 6 Mai 1551. Littere registrate ad inBtantiam Marini Sy. battiaa-
rum (sie) : »1550 a di 14 di aprile in Bosna. M. Marino honorando, carissimo
salate«. Andrea de Stephane sendet per Hexmed (sie) Muiadinoaich (sie) pelle
boaine in balle 21 a pele 12 per balla, sono pele 252, in balle tre eeraine sono
pele 56, adesso per filio di Mexmed pelle bouine, suine 3 per balla sono 12,
2 balle oordonani negri etc. Adresse: Dno Marino Symon battioro sno hono-
rando a Bagnsa. Folgt ein zweiter Brief:
»Ihs Ma(ria) 1550 a di 28 frenar in Bosna. FocnoAHHS AIVapHHS
BIAC AP^>^^ nOSAPAACHHi (sie) IVA U€HI ÜHAPHC. IIOTOUk lOHipa
nw Ofpx'aTt^ npHUH)fk i6Ah8 tboio h pa38uHf]fk cbi, ipw uh
HHuifiuk, H3k (sie) paAH KOHa. KoHa cau npoA^W; a 3a\kaaA'
U0 rocnoi^TB^ saiuiuS na norpSI» hhio. fl caAa A^ ^^a Baiua
UHAOCTk, KaKO BaUk HOCHAaUk Mf^MIA^ BSaAHHOBHiia, HaB-
Aai|jk 3ai|JT0 (sie) lOMipa Hua^k khhpS iva ücpa, KaKO rocna
Mapa 3A0 CTOH, h aaipo uS h oitii Baaa 200 A^K^^a, a^ ^<
3 A^^HHi^H HanpaBH, a caA^ (sie) S Elochh hhc A>*Napa 3a a^
uiouk roTOBa. 3a toh ti uoAHUk, kako aP^i"^ rocnoA^P^^
Aa bh OBfNauF 3a Ilipa obi 200 dnoata (sie) 3a Back uapask (sie).
M t»S nOCAATH CBaKOUKO OBf 8 aAH A^CfTk A^HA UHftUHHa h
Kwpdonane (sie) 3a 200 A^K^Ta tibh. 11 T-H*]fk OBCMa 3a Hira,
HfKa U9 CKpHTSpf t(4HHf, aKO EH U$ HO PpHIJ^i UaTH SUApAAi
BeitrSge zur ragnsanisohen Literaturgeschichte. 589
noAapS, hiuoh hho 8hhhhth, a bh nauh sanosHfTi, i|jo cuo
ui(H, B^AiUO roTOBo. Huauk 1200 uhiuihha a wctaao ti
BHTH OBf 6 A^HA CBC fOTOBO, AKO BOP AM<* 3aT0H Tf UO-
AHU, OBfliAH 3A HIPA 200 dttCata (sie) 3A BACk UApAHk A^ A^Ulk.
ÜKO HC Bt^A< A^ 1^ UApSA, CBAKOUKO HpHI 20. ÜKO TH HHAKO
(bis) SMHHHUk, HCCl^HIHH Ui SOBHCKOUk NHKAA^; TO THH (sic)
UfNI OBfliAH, A^ 'TH CAUk BA3A^ NA BAlUt^ 3AnOBHIA>^} H l|ITO
(sie) TO ^HHHHUJk, TO HHKOUS HiSHHHHUlk HCPO UIHH, A l|IW
UOlik B^ACUIV I6AA IVACA83KHUW. H OHITA UH HO Ml)fUIA^
WAnnuiHTC 3A cbi, kako Smhhhti. Uostro Andrea de Stephane.
FocnoAApS AlApo (gesehrieben Mapa) a^ 3HA1|j (sic), kako
3A8TPA nO UHAOCTH TOCnOAHNA BOPA HOCHAAUk HO BaAH Ilip-
AHKOBIJ^S UHCIUHHA 1200. MOAHU Ti, TOH HpHUH H HpOAAH,
AOKAI HHO A^^^» tf3AAU 8 BOPA, A^ ^^ A^^iH A^ "P^C WA
20 UApMA OHH pfCk, HAH fOTOBO HAH npATI}KH. 3a TOH Tl
UOAHU, AKO BAU Hl AP^>*^9 A^ BHCTi OBIHAAH TCH 200 fifiKATA
SA UifiA, H OBO TH CC 0 OBAfPABAUk 3A 200 A^KATA A^ '■""■^''X'
CAUk a A^^AHk. ObS KHHPS A^P^H WA UOHi p8KC. MOAHU
Ti, HIUOH HHO ShHHHTH. !l BH HAU 3AnOBH(TC. H EOP T( BiCMH.
lo Andria de Stephane scrissi oon la mia man propria in Bosna. Sabscripzio -
dno Marino de Simon batioro sno hooorandissimo.«
(Diversa Cancellarie 1550—155], f. 253 y.— 254).
V. Ein kirchlicher Text (XV. Jahrb.).
24. Aus einem Zunfthuck von Stagno (vgl, das FtMcsimüe),
Ba HUI HcS-XpHCkTOBO. AIh BpATHU, KOH UOAHUO WAUA^)
BHKAPA, A^ BH HACk ROAIOBHIV H UHAOCpkAHIS ShHHHW, A^
BSaIUO kako np(H)BI3AHH Kk BpATH HIFOBH AIOBABHIO H A^
BpHUI HHHI6HHI6Uk, 1|I0 BHCkUO UH UOfAH H Wl|ll Blltl, HIPO
CkUO Ji^CCAH BHAH, UOAHUO Wn,A BHKApA A^ WBAACTHIO, KOlO
HUA «VA ^^^^ ^ WA ^AU^ ilAUi, fi,A HACk npHAP^3KH Kk BpATH
CKOHiVH, A^ BSAIUO AHWHHI4H 8 UOAHTBA)fk H S UHCA)fk HH)fk,
KAKO H HHO BA[b]H}KHCTBO ^) BpATHI6, H HAlUHJf ' UpTBH)f k fiJSUit
1) WHA.
^ BliÜstYo, -Btvo propinqnitaa s. Rjeonik d. sttdsL Akad. 1, 446.
/?
cTH/We HCÖ X-jIHCkT
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fi,A Eififi Jk,HWHHU,H 8 UOAHTEdX'fc H 8 UHCaX'k, [KdKO] H3B4UIH)^k
UpTRHJfk A^Ulf' H WHOH AUSlUTBO, l|10 RVfi,*U9 Kt^nHTH Uffc9
cOBOUf, fi.A cf e8a( WEpaliaTH Hd A^Epo skr«BopeUk WTivi
KStgoAA cTOHkcKorA H rBApAHHHd, dAH E^Af noTpHEd Keqshui
AAH E8A* nOTpHEd I^XBH, Hd ipo npHCTdHf Bifcd CTpdIU WA
Beitrüge sur ragiuaidschen Literaturgeschichte. 54 1
HHJjH OnaOÄHTE^k^
HE41JJIM*k /l/l/TTEHnAÖlUeif
hhth Me^iOXOTOMe Ä4ce
Alf u^ nammf l^MUTBO
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BpaukTBdy Ha To A^ (< "Ua wspaTHTH aroBopouc w\\a kS-
i|JOAA H rsapAHaHa h hhi spaTHie, Kora bh ivhh k cibh
np(H)TfrN8AH. X WBOH BpaHTBo fi,A HH[c]Korap6 HfUOpfUO
np(H]0TH Bf3k BOAi k8i|ioa^bc h rBapAHUHOBi. Üko bh ci
542 ConBt Jireoek, Beitrüge sur raguBuiifichen LiteratargeBchichte.
Kür4/f6 Hemgf€MO nßMl'il
fVHMH0H6: 4IC0RHCe TKT0M4
/^HTH HM€ Hfl^OEO OAHCTOHH
(MO fföle CTTöre OTwf Bor-^-
RE714>K6
omHO)KW Kivjie^ cB6Tor4:
TKO HaiUaiV MfliS HAMH, TKO CH Cl N€ CKAa^AIV C HAUH S
WBOH BpaUTKO, A^ U9 UOpCMO CUp(k)CHTH HUI NCrOBO 8 AHCT^
BHKapOBS. 9 TOH MHNHUO, A^ ^H CMO Bflif CA^Pf 8 r(OCnO)A(H)HA
BOFA H BAASKIHOPA CB(f)TOrA OpAHkMICKA (sic) H A^ HAUk Cf
ABBABk SMH0}KH Kk pi^^ CBITOPA OpAHkHHCKA (sic).
Wien, Neujahr 1899. Dr. Const. Jirecek.
543
Die cyrilüBclie tosclirift vom Jahie 993.
HaAHHCL i^apa Gasiyiua. 6. H. ycnencKaro (S. 1 — 4). — H^ckoako
saMi^amH o ns^fipacE i^apa Ganyiua. T. A.$jopiiHCKaro (S.5 — 13). —
E^Mx CaMyHJBEOBHA HaAimcrB oti 993 roAHHa. Ot^e ^'b jI. MHjeTHurB
(S. 14 — 20). Separatabdmck ans den »nsB^cm pycc. apxeoxorH-
^ecKaro HHCTHryraB'BKoHCTaHTHHonojEic^ toitbIV, 1899, Sofia 1899,
20 S. 80.
I.
Das älteste bisher bekannte datirte slavische Denkmal in kyrillischer
Schrift war das in Bussland geschriebene Evangelium des Ostromir von 1056
— 1057. Es ist ein Verdienst des kais. russischen archäologischen Institutes in
Eonstantinopel ein noch um zwei Menschenalter älteres, genau datirtes Stück
entdeckt zu haben. In der Kirche des Dorfes German am Ostufer des Sees
von Prespa im westlichen Makedonien befindet sich ein Grabstein, den im J.
6501 der byzantinischen Weltära = 1. September 992—31. August 993 der Car
Samuel seinem Vater Nikola, seiner Mutter (Maria?) und seinem Bruder David
aufgestellt hat Die unten rechts beschädigte Inschrift (11 Zeilen) lautet:
t Elk HUA IVTkl^a H CklHHA H CTÄrO A^X^' ^\^^ OaUOHA'k
paB'k E3k(h) I noAdra« nauATk (ivTkiii)|t^ h uatiph h BfiAT{c\
h)a Kp'kCT'kjf'k CH()f'k)' I HUiHA 0YC'Kn'kui(H)f 'k : Hh]|koaa, pAB'k
i}KH, (MapH?)|-k, ^ABA'K (sie). HanHCa (SKf CA Slk) | AlSTO.OT'k
cikTBO(piNHy UHpo)|Y •;r8^A- HH'kAHfKTA -Z-). Wörtlich fibersetzt:
»•f In nomine patris et filii et spiritus sancti. Ego Samuel, servus dei, pono
memoriam patri et matri et fratri in crucibus hisee. Nomina defunctorum :
Nicola, servus dei, (Mari)a, David. Scriptum est anno a creatione mundi 6501,
indictione (6)«.
Eine unsichere Notiz über eine Inschrift im Dorfe German, in welcher
der Name GailOHAlk kenntlich sei, ist in einem anonymen Aufsatz über die
Landschaften von Bitol, Prespa und Ochrid im »Sbomik« des bulg. Ministe-
riums IV (1891) 40 zu lesen. Der verstorbene Professor Eitancev hatte i^m-
lieh 1883 eine von einem Einwohner der nahen Stadt Besen 1880 gemachte
iSeichnung des Steines gesehen, in welcher er nur den Namen SamueFs ent-
ziffern konnte. Die Herren Th. I. Uspenskij, Director des russischen archäo-
logischen Institutes in Konstantinopel, und Professor Miljukov scheinen nicht
ohne Schwierigkeiten von Seite der Einwohner zu diesem Denkmal gelangt
zu sein, um einen Abklatsch davon zu machen. Die Steinplatte, aufgestellt
in der 1888 umgebauten Dorf kirche, ist nach der Beschreibung von Uspenskij
544 Const Jireoek,
1.26 Meter lang und 0.62 breit. Ansser der Inschrift sieht man anf dem Steine
die Umrisse von drei Krenzen, auf welchen ursprünglich metallische ELrenze
befestigt waren, von denen noch Sparen von Nägeln vorhanden sind. Uspen-
skg findet es auffällig, dass zwei andere Brtider Samuel's, Moses und Aron,
nicht genannt werden, die nach Drinov um 993 nicht mehr am Leben waren ;
Nikola hält er für einen Klostemamen des Sisman, Vaters der Brüder.
In der zweiten Abhandlung verweist Professor Florinskij darauf, dass
diese kyrillische Inschrift aus dem Gebiet der Thätigkeit des Bischofs Eli-
ment (f 916} stammt, nur 77 Jahre nach dessen Tod errichtet. Klimenf s an-
gebliche Grabinschrift in Ochrid hielt schon Grigorovic für nicht gleichzeitig.
Florinskij erwähnt noch eine andere Inschrift in Prilep, auf weloher Hilferding
die Worte A*KtO ';rS^A* (^^^^ ^ 996—6) cn^nk gesehen hat. Die Schrift-
zttge des Grabsteines von Qerman sind nach Florinskij denen des Codex
Suprasliensis, des Slepoenski Apostel und des Oktoich von Strumica ähnlich,
dabei aber immer noch der griechischen Schrift des IX — X. Jahrh. näher, als
den sttdslavischen Codices des XI. — XII. Jahrh. In der dritten Abhandlung
verweist Prof. Miletio darauf, dass die ältesten bisher sicher datirten bulga-
rischen Inschriften und Codices aus dem XUI.iJahrh., aus der Zeit des Caren
Joannes Asdn II. stammen und bespricht das Alter der kyrillischen Literatur
in Makedonien gegenüber der glagolitischen. Cmoid habe Recht mit der Be-
hauptung, das gUgolitische Evangelium Assemani*s sei nicht lange nach dem
Tod Kliment^s (916), der im Synazar des Codex erwähnt wird, geschrieben
worden ; die ältesten kyrillischen Notizen der Handschrift könnten schon aas
dem Ende des X. Jahrh. stammen. Den Gedanken, Car Symeon habe das
Ueberwiegen der kyrillischen Schrift über die glagolitische in Ost-Bulgarien
beeinflusst, findet Miletic ganz annehmbar; in West-Bulgarien habe das aus
dem griechischen umgeformte kyrillische Alphabet wohl kaum Jemand anderer
als Bischof Kliment, Symeon's Zeitgenosse, einzuführen begonnen.
Von Interesse ist die Notiz, der »hl. Patriarch Grerman« sei in der Dorf-
kirche unter deren Fussboden begraben. Die Dorftiamen German bei Prespa
und bei Sofia (mit Kloster) und deren Zusammenhang mit dem Cultus des hl.
German in Bulgarien habe ich in meiner Abhandlung über das christliche
Element in der topographischen Nomenclatur der Balkanländer (S. 44, 46)
hervorgehoben. German hiess ein Patriarch der bulg. Kirche in der Zeit Sa-
muePs: Feg/iayocy o xal Faß^ti^X, Iv BodivoZc ical kv tj UqicTiq (Zachariae von
Lingenthal, Beiträge zur Gesch. der bulg. Kirche S. 15, M6moires der Peters-
burger Akademie, VII s^rie, t. VIII, Nr. 3, 1864) : ohne Zweifel ist die St. Ger-
mansklrche am Ufer des Sees von Prespa, um die sich das Dorf gebildet hat,
seine Stiftung. Was die Verehrung des hl. German selbst anbelangt, der von
den Bulgaren am 12. Mai, also am Gedenktage des Konstantinopler Patriarehen
Germanos (716 — 730) gefeiert wird, verweise ich neuerdings auf die merkwür-
dige Stelle bei dem Erzbischof Theophylaktos von Ochrid in der Legende der
Märtyrer von Tiberiopolis (Migne, Patrologia graeca vol. 126, col. 201), unter
dem Fürsten Boris sei der hl. Germanos in Bulgarien erschienen: [Itpavrj fikv
o aytos FhQfAayog knl t^p BovXyoQixfjs x^^^-
Ob die Eltern Samuers und sein Bruder David wirklich in der Kirche
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993. 545
von German begraben liegen, bezweifle ich ; der Stein kann im Laufe der Jahr*
hunderte ans den Kirchenruinen auf den Inseln des Sees dorthin gebracht
worden sein. Es ist bekannt, wie antike und mittelalterliche Inscbriftsteine
in den Balkanländern besonders bei Neubauten hin und her geschleppt werden.
Residenzen der bulgarischen Herrscher der Zeit um 976 — 1018 befanden sich
auf drei Inseln des Sees von Prespa, die jetzt Orad, Mali Grad und Abil (Ail)
genannt werden. Auf der letzten Insel befinden sich Ruinen einer Kirche
des hl. AchilleuBi des Patrons von Thessalien, dessen Reliquien Car Samuel
um 983 ans Larissa hierher gebracht hat. Vgl. Chr. Loparev, ^HTie ob. Axxjunji
jQLapHCCKaro, Bh9. Bpeii. lY, 363—4, mit ^avfxaxa auch im Bulgarenland ; Über
den YP^U*^ CBfTaro OTkUa flpkX'HAHn, Sitz des Bischofs von Moravica
im jetzigen Arilje, vgl. mein Christi. Element 39, wo noch eine Stelle aus
Kanitz, Serbien, Leipzig 1868, 143 — 144 nachzutragen ist, mit der Nachricht^
das angebliche Grab des hl. Achilleus in Arilje sei in der That leer. Nach
Michael Attaleiates starb Samuel auf einer Insel des Prespa-Sees: Iv x^ Xifi-
yi(f yrja<f t^ff Jlqianag (ed. Bonn. 230). Nach dem »liber gestorum« des hl.
Vladimir von Dioklitien, welchen der sogenannte Presbyter Diocleas aus-
geschrieben hat, residirte Car Samuel »in partibus Achridae in loco, qui
Prespa dicitur, ubi et curia eiusdem imperatoris erat« (ed.Cmciö p.42), ebenso
Car Joannes Vladislay in der »imperatoris curia in loco, qui Prespa dicitur«;
vor dem Thore der dortigen Kirche wurde der hl. Vladimir enthauptet und
»in eadem ecclesiaa begraben (S. 44->45). Erst unter der byzantinischen Herr-
schaft wurden bei dem Aufstand 1072 die alten Paläste der Caren in Prespa
von den deutschen und fränkischen SOldnem der Byzantiner niedergebrannt
und dabei auch die Kirche des hl. Achilleus ausgeplündert. Künftige archäo-
logische Untersuchungen sollten ihr Augenmerk besonders diesen drei See-
inseln zuwenden.
Die Inschrift von German bringt auch die ganze Controyerse über die
Entstehung des westbulgariscfaen Reiches in Erinnerung. Kaiser Joannes
Tzimiskes hatte 971 die Russen und ihren heidnischen Grossfürsten Svjatoslav
nach der Eroberung von PrSslav und Drster (das röm. Durostorum, jetzt Si-
listria) aus Donau - Bulgarien und den benachbarten bulgarischen Land-
schaften Thrakiens vertrieben, den bulgarischen Caren Boris II. aus der russi-
schen Gefangenschaft befreit, aber dann nach Konstantinopel abgeführt und
sein Land dem byzantinischen Reich einverleibt. Die Kämpfe des Kaisers
Basilios IL (976—1025) hatten einen anderen Schauplatz, nicht Im pontischen
Gebiet oder an der Donau, sondern im Westen, im Innern Makedoniens, Alba-
niens, im antiken Dardania und Dacia mediterranea, in Gebieten, von denen
seit den Jahren des Kaisers Mauricius in der byzantinischen Kriegsgeschichte
wenig die Rede ist und über welche selbst Konstantinos Porphyrogennetes
nichts berichtet. Der Absohluas des Kampfes erfolgte bei Dyrrhachion an
der Adriatischen Küste. Es waren Landschaften, welche die Bulgaren theil-
weise schon unter Boris besassen and io denen Symeon seine Grenzen ener-
gisch erweitert hat. Symeon hatte noch im Kriege mit Kaiser Leo dem
Weisen (um 893—896) 30 Burgen der Provinz von Dyrrhachion besetzt und
sie im Frieden in Folge der Bemühungen des Magistros Leo Choirosphaktes
ArchiT fftr slavische Philologie. XXI. 35
546 Const. Jirecek,
wieder herausgegeben. Ebenso wollte Symeon, als die Araber 904 Thessa*
lonich überfielen nnd ausplünderten, die Stadt besetzen und bevölkern, bis
ihn Magister Leo auf einer neuen Gesandtschaftsreise bewog davon abzn-
hissen (Brief des Leo Nr. 18, ^eXtloy rys^ icroQixijff xal i&yoXoyix^s kxaiqiac
trig'EXXa^os I, 1883, p.396:. In dem zweiten langjährigen Kriege 913—927
hatte es Symeon besonders auf diesen Westen, die Svüis der Byzantiner, ab-
gesehen (vgl. die Briefe des Patriarchen Nikolaos Mystikos Nr. 9, 27 ; ebenso
des ELaisers Roman l. an Symeon, ^eXtIov IV, 659 f.). Nach Symeon's Tod
begann einer seiner Söhne, der enterbte Mönch Michael einen Aufstand gegea
seinen gekrönten Halbbruder, den Garen Peter, gerade im Westen ; MichaeFs
Anhänger, die nach seinem baldigen Tod das byzantinische Gebiet heim-
suchten, plünderten am Strymon, in Hellas (Nordgriechenland mit der
Proyinzialhauptstadt Larissa) und bei dem epirotischen NikopoHs (Theoph.
Cont. 420).
Von diesem Westen ist in der Kriegsgeschichte des Kaisers Joannes Tzi-
miskes keine Rede. Der Zeitgenosse Leo Diakonos nennt das von Tzimiskes
eroberte Land Mvcia (das röm. Moesien) und darin die Städte Philippopel,
PrSslav, Pliskov, ^iysia, JoqvcroXog oder Jqi<nqa\ die Chronik des Sky-
litzes nennt noch Konstantia am Meere (Costanza in der Dobrudza), Jahja
von Antiochia Dristra und »die benachbarten von den Russen besetzten
Festungen« (in der Uebersetzung von Baron Rosen »u conpex^JiBHUiz ci» HUM-b
RptnocTu, ROTopbiMH saBjfafttjiH Pycbi«, S. 181). Unter Kaiser Basilios H. er-
scheint zehn Jahre nach dem Tode des Kaisers Joannes /Tzimiskes im Cen-
trum und im Westen der Halbinsel wieder ein neuer kräftiger bulgarischer
Staat; in den Urkunden des Basilios IL, bei Skylitzes = Kedrenos, Kekau-
menos, Attaleiates liest man BovXyaQoi, BövXyaQia, seltener das literarische
Mvcoi\ Bulgaren auch bei Jahja; Bulgarini in der St. Vladimirslegende bei
Diocleas; Bulgaria bei Durazzo und Valona bei den Kreuzfahrern und Nor-
mannen des XL — XII. Jahrh. Es wäre an und für sich merkwürdig, wenn
schon Tzimiskes 971 in 6inem Jahre alles das mit Leichtigkeit besetzt hätte
was Basilios IL nnch des Tzimiskes Tod erst durch 40 jährigen Kampf wieder
erobern musste.
Die Nachrichten über die Entstehung dieses westlichen Bulgariens sind
spärlich und unklar. Eine einheimische Quelle fehlt ; die bulg. Visio des Pro-
pheten Isaias ist kein Ersatz dafür. Leo Diaconus, der nächste Zeitgenosse,
erzählt, wie die Mvaoi während der Kämpfe des Basilios IL (976 f.) mit dem
Gegenkaiser Vardas Skliros Makedonien verheerten, beschreibt als Augen-
zeuge den Zug des Basilios IL (nach Jahja 986) bis Serdica, erwähnt die Er-
oberung des makedonischen Berrhoea von diesen Nachbarn, sagt aber kein
Wort über das Verhältniss dieser »Mysier« zu denen, die Tzimiskes unter-
worfen hatte, ebenso nichts über die Anführer derselben. Die chronistischen
Compilationen des Skylitzes, beziehungsweise des Kedrenos, die eine sorg-
fältige neue kritische Ausgabe verdienen, erwähnen eine Revolution der vier
» Komitop ulen« angeblich schon gegen Car Peter (f 969), aber dann wieder
einen Abfall der Bulgaren von Byzanz nach dem Tode des Tzimiskes. Bei
Jahja wird die ganze Erhebung dieser Bulgaren als ein Aufstand gegen Baal-
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993. 547
lios IL geschildert. Bei Eekannienos ist Samuel bezeichnet als rvQauyo^ und
anoaTcmj^, aber bei ihm ist auch Symeon jvqayyoff, da er die byz. Kaiser-
würde usurpirte und byz. Provinzen eroberte. Bei Diocleas erobert der grie-
chische Kaiser (ohne Namen) nach dem Tode des Garen Peter »totam Bulga-
riam«, aber nach dieses Kaisers Tod vertrieb Samuel, »qui se imperatorem
vocari juBsit«, abermals die Griechen »ex tota Bulgaria«; die Daten stammen
ohne Zweifel aus der St. Vladimirlegende, deren Inhalt der Chronist in seiner
Erzählung excerpirte und redigirte.
Von grosser Bedeutung ist dabei eine occidentalische Notiz. Kaiser
Otto I. kehrte 972 nach sechs Jahren aus Italien nach Deutschland zurück
und verweilte 973 im März in Magdeburg, zu Ostern in Quedlinburg, wo sich
bei ihm zahlreiche Fürsten und Gesandte einfanden, darunter auch Gesandte
»Bulgariorum« (vgl. Giesebrecht I, 535, 787; Kunik, Al-Bekri 92). Das war
noch bei Lebzeiten des Kaisers Joannes Tzimiskes ff Januar 976), im zweiten
Jahre nach der Eroberung des Bulgarenreiches an der Donau bei Preslav und
Drster. An dieses Factum suchte man die Erzählung des spanischen Juden
Ibrahim-ibn-Jakub, erhalten bei Al-Bekri, anzuknüpfen, der in Merseburg
am Hofe Otto^s bulgarische Gesandte in engen Kleidern mit langen Gürteln,
an welchen goldene und silberne KnOpfe befestigt waren, gesehen hat (vgl.
die Schilderungen Joannes des Exarchen über die Trachten am Hofe Sy-
meon's und die Notiz Liudprand's über die bulg. Gesandten in Konstanti-
nopel), und Einigos über den König derselben bemerkt, der eine Krone,
Sekretäre, Provinziatgouverneure und Register habe, sowie über das Christen-
thum der Bulgaren mit dem Evangelium in slavischer Sprache. Wann war
aber Ibrahim in Merseburg? Kunik und De Goeje verlegen seine Reise uui
das J. 965, Jos. Jirecek (Ö Ö.M. 1878, 514; vgl. 1880, 293) zu 973. Ich bemerke,
dass Liudprand in der Relation (969) Über seine Kon stau tinopler Gesandt-
schaft zu Kaiser Nikephoros Phokas dem Otto I. die »Bulgarorum nuntiici
am byzantinischen Hofe 968 mit solchen Details über Haartracht und Klei-
dung (Legatio cap. 19) beschreibt, als ob man bei Otto solche Leute bis dahin
noch nicht gesehen hätte ; ist diese Anschauung richtig, dann wäre die Reise
Ibrahim^s später a^s 96S-— 9 anzusetzen. Von Wichtigkeit ist überdies das
Chrysobull des Kaisers Basilios IL an die Kirche von Ochrid vom Mai 1020
(Byz. Z. II, 44); das bulgarische Erzbisthum befand sich darnach unter dem
Garen Peter in Dristra, wurde dann nach Triaditza (Serdica, Srjideci über-
tragen, befand sich später iy xolg BoSrivolg (Voden) xat Iv xolg MoyXaivois
(Moglen), zuletzt in Ochrid; es erfolgte also eine Reihe von Uebersiedelungen
der kirchlichen Residenz von Ost nach West, die sich nur durch Kriegs-
zeiten und Verschiebungen auch des politischen Centrums erklären lassen.
Dass die westbulgarischen Herrscher in Voden und Ochrid residirten, ist
sicher. In der Bestätigung der Kirchenprivilegien durch Basilios IL erscheint
dabei Samuel wie ein unmittelbarer Nachfolger des ßatsilBvg JJixqog,
Die älteren Werke schreiben die Entstehung des westbulgarischen Rei-
ches einem Aufstand gegen die griechischen Eroberer nach dem Tode des
Kaisers Tzimiskes zu, zur Zeit der Erhebung des Gegenkaisers Vardas Skliros
in Kleinasien. Eine neue Hypothese stellte Drinov in seinem Buche IOskhbio
35*
548 Gonst JireSek,
GjiaBHHe H BHsaHTiH fb X b^k^ (Moskau 1876, aus den '^TeHin) auf: das bulga-
rische Westreich riss sich vom Ostreich schon 963 los; Ejiiser Joannes Tzi-
miskes eroberte nur das kleine Ostreich von Prdslav ; das Westreich ist eine
ununterbrochene Fortsetzung des alten bulgarischen Reiches Symeon's und
Peter's. Diese Theorie fand nicht überall Anerkennung. Lipovskij imSCMHüp.
1891, Nov. (nach Jahja) erklärte die Entstehung des westbul garischen Beiches
wieder durch einen Aufstand gegen die Byzantiner. Neuerdings acceptirte
aber die Ansicht Drinov^s Schlumberger in seinem Prachtwerk »L'epop^e by-
zantine k la fin du dixiöme siöcle. Guerres contre Ics Russes, les Arabes, les
Allemands, les Bulgares. Lüttes oiviles contre les deux Bardas. Jean Tzi-
miscös. Les Jeunes annöes de Basile II le Tueur des Bulgares (969—989)«,
Paris 1696 (S.591 sagt der Verf., Drinov habe seine Ansicht »trös yictorieuBe-
ment prouvö«).
Ich halte diese Hypothese flir ganz berechtigt. Die byzantinischen
Chronisten bieten keine Nachrichten über Eroberungen von Burgen mit
byzantinischen Besatzungen im Innern des Bulgaren landes zu Anfang des
Kampfes ; daftlr hat sich im Osten die Garnison von Dristra an der Donau
gegen die Bulgaren auch später gut behauptet (Eedrenos II, 465). Auffällig
ist auch die Colonisation asiatischer »Manichäer« bei Philippopel noch unter
Kaiser Tzimiskes nach dem Krieg gegen die Russen in Bulgarien (Kedrenos
II, 382). Schon früher haben besonders die Ikonoklasten Armenier und Syrer
als Grenzsoldaten in Thrakien gegen die Bulgaren angesiedelt Warum hat
Tzimiskes diesen Colonisten nicht bei Dristra oder sonst an der Donau, an
der neuen Reichsgrenze, Wohnsitze angewiesen? Es war wohl noth wendig,
auch bei Philippopel die Grenze zu decken gegen dasTrajansthor, dieBovXya-
Qixij xXelaic des Joannes Geometres auf dem Weg nach Serdica und gegen das
nicht unterworfene Bulgarien des Westens. Es gibt übrigens ein bisher unbe-
achtetes Zeugniss eines hervorragenden Byzantiners des XI. Jahrh., der aus-
drücklich sagt, Kaiser Basilios II. habe das grosse, schwer zu bekämpfende
Bulgarien unterworfen, das seit langer Zeit keinem derKaiser unter-
worfen war. Michael Attaleiates, der unter den Kaisem Romanos Dio-
genes, Michael VII. Dnkas und Nikephoros Botaneiates hohe Würden be-
kleidete, spricht in seinem 1079 — 1080 vollendeten Geschichtswerk über die
Kriege des Kaisers Basilios 11. und die Unterwerfung »ttjc BovXya^lac dva-
DLajafxaxrjxov . itai noXXrjg utai dvaaXanov ytvfatfxofjiivrjg Ttaytanaaiy, xal fitj-
deyl xioy ßaffiXiiay vnoxayelai]c Int noXh xal Ttaqit rovxo fiif Styieiaiff
rj Bv^ayjog to aviaifxov xal rrjv )(iaqriyiav jtav iivayxaitav (ed. Bonn, p.234).
Die Lostrennung des bulgarischen Westens vom Osten war wohl eine
Folge derOccupation Donau-Bulgariens durch Svjatoslav's heidnische Russen
in den J. 969—971, nach dem Tode des Garen Peter (f 969), als Peter's Sohn
Boris II. mit seinem Hofe Gefangener des GrossfUrsten Svjatoslav war. Als
Liudprand kurz zuvor 968 in Konstantinopel weilte, gab es jedenfalls noch
ein einheitliches Bulgarien unter »Petrus, Bulgarorum vasileus«, durch dessen
Gebiet die Ungarn ihre Streifzttge bis über die byzantinisch -bulgarische
Grenze hinaus zu unternehmen pflegten.
Die Männer, die an der Spitze dieses westlichen Reiches standen, führ-
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993. 549
ten theils altbulgarische (nichtslavische), theils slavische, theils byzantinisch-
christliche Namen. Diese Krakras, Elemagos, Kaukanos n. s. w. waren Nach-
kommen der »bnlgarici rectores«, wie sie FUrst Omortag 827 nach der. ße-
richten der karolingischen Annalen bei den »Sclavi in Pannonia« nach
Vertreibung von deren »duces« einsetzte, der bulgarischen »comites«, wie sie
in den Legenden der Zeiten des Boris und Symeon vorkommen, und der
fisyiaräye^ des Symeon, wie sie bei Theoph. Cont. 413 aufgezählt werden.
Nur waren sie aus Provinzialgouvemeuren halb unabhängige Herren mit Bur-
gen und Haustruppen geworden {jnByiarayes' .... /tiera x&v oixeitoy ^xaaxos
TttyfiartDy, Kedrenos II, 469). Es war der beste, kriegerischeste und kräf-
tigste Theil des altbulgarischen Adels. Die Nachkommen der ßoiXaSe^ und
ßayaiyoi an der unteren Donau, einst der Kern des Bulgarenvolkes, waren
während der Invasion Svjatoslav^s, der nach dem Einmarsch des Tzimiskes
in Bulgarien in Drster an 300 bulgarische Edelleute enthaupten Hess (Leo
Diaconus 1. VIII, cap. 9), grOsstenthells aufgerieben worden ; daher die poli-
tische Bedeutungslosigkeit der unteren Donaul andschaften in der nächst-
folgenden Zeit. An der Spitze des Westens standen vier »Grafen söhne«,
Eomitopulen der Byzantiner, Söhne eines xofirjg. Der Titel ist gar nicht
ungewöhnlich. Die Legende der Märtyrer von Tiberiopolis vom Erzbischof
Theophylakt nennt einen Comes Taridenos unter Fürst Boris und einen Comes
Distros unter Symeon, beide in Makedonien. Auch auf der neugefundenen
bulgarisch -byzantinischen Grenzsäule von Narys-köi bei Thessalonich aus
dem J. 6412 (903—4) wird ein Comes Dristros genannt, nach Balascev (E-^jir.
üperjcAi 1898, März, S.75) identisch mit dem Distros der Legende: ^Exovg
äno TnicBios xocfAov jKf-gviß- Iv^ixji&vog C» oqog ^'Pta/naioDy xal BovXyaqtay
inl £vfjiBoty Ix &eov uQxoyrog Bovkyagtoy, ini G6oS(üQov''OXyov Tqaxavov^ inl
JqiaT^ov xofAitovv (Ausg. von Uspenskij, mir zugänglich nur in der Repro-
duction im Viz. Vremennik VI, 215) *). Der xofÄtjg, Vater der Komitopulen,
erscheint im Pomenik von Zografu als Sisman, ebenso als »Sümanm inipera-
tor« in einer dalmatinischen Urkunde angeblich von 994, die aber fabricirt
wurde in einer Zeit, wo Tmovo die Hauptstadt Bulgariens war, im XIII. — XIV.
Jahrh. (vgl. Raoki, Documenta 23, 28). Sein Sohn nennt ihn aber auf dem
Stein von German Nihda, Ich glanbe nicht, dass dies ein Klostername ist.
Die Leute dieser Zeit führten in der Begel zwei Namen, einen nationalen und
einen kirchlichen : Fürst Michael Boris, der Boljare Greorgios Sursuvulis ; ebenso
hiess SamuePs Nachfolger und Sohn Gabriel oder Roman, auch Radomir ge-
nannt (alle drei Namen bei Kedrenos, Gabriel Radomir im Pomenik des Gri-
gorovic, Radomir bei Diocleas), sodann der letzte Gar Joannes Vladislav.
Nationale Namen neben christlichen finden wir später auch bei den serbischen
Nemanjiden.
^) Der eigentliche Entdecker des Steines (es sollen zwei Säulen mit
ganz identischen Inschriften sein), der »schwedische Reisende« bei Herrn
Balascev S. 61, ist der dänische Archäologe Dr. phil. K. F. Kinch aus Kopen-
hagen, dessen Bekanntschaft ich im Juli 1898 in Wien gemacht habe. Es
wäre sehr zu wünschen, er selbst möge über den wichtigen Fund Bericht
geben.
550 Gonst Jirecek,
Auffällig siod die alttes tarnen tlichen Namen der vier Komitopulen:
David, Moses, Aron. Samuel. Solche Namen waren aber im Osten im IX. —
XII. Jahrb. gar nicht selten. Schon die Namen des ersten christlichen Herr-
schers von fiulgarien und seiner Söhne (im Evangelistar von Cividale, uspr.
von Aquileja) gehören in diese Kategorie: der Vater Michael, die Söhne
Gabriel, Symeon und Jacob. Ein Sohn Symeon^s hiess Beniamin (Theoph.
Cont. 412, Baianus bei Lludprand). Einer der »Sedmo^islennici«, der Glaubens-
boten von Makedonien, führt den alttestamentarischen Prophetennamen Naum.
In Oberalbanien gab es eine Kirche des hl. Salomo (Glasnik 15,287), in Make-
donien in der Eparchie von LSsnovo eine des hl. Elisäus (Glasnik 27, 290).
Benjamin von Tudela, ein spanisch-jüdischer Beisender des XII. Jahrb., war
erstaunt, dass die Wlacben der Gebirge Thessaliens jüdische Namen führen
(»suisque judaica nomina imponunt«, lat. Uebers. bei Tafel, De Tbessalonica
473). In Ungarn heissen im XI. Jahrb. zwei Arp&den Samuel und Salomon.
In Venedig beachte man die alten Kirchen am Canal Grande: San Moiae, San
Geremia, San Zaccaria (errichtet unter Kaiser Leo dem Armenier), San Sa-
muele. In Antivari hiess eine Patricierfamilie im XIV. — XVI. Jahrb. Samoili,
Samoele, Samuelis. In Byzanz gehören hierher zwei Kaiser Isaak (Komnenos
und Angelos), die Chronisten Joel und Manasses, Grosse, die den Namen
Senacherim führen u. s. w. Diese Erscheinung verschwindet zum Scbluss
des Mittelalters, ausser den Klöstern, wo Mönche heute noch Samuel oder
Mojsej zu heissen pflegen.
Samuel wird in der Inschrift ohne Garentitel genannt. David erscheint
als Gar in den Pomeniks (kirchlichen Gedenkbüchern). Abgebildet ist er bei
^efaroviö, CxeMaTorpa^ifl, Wien 1741 (ohne Text). Der Mönch Paysij (1762)
schreibt, Gar David sei freiwillig Mönch geworden und habe die Begierung
seinem Bruder Samuel überlassen ; seine Reliquien wurden nach Ochrid über-
tragen (Ausg. von A. Teodorov, Tp^M-B na ÖXjir. cjOBecHocTB, Heft 1, 1898,
S. 110). Vom Grab am See von Prespa ist in dieser Notiz unbekannter Pro-
venienz keine Rede. Nach Skylitzes (Kedrenoe) wurde David zwischen Kasto-
ria und Prespa bei einer Oertlichkeit KaXäg tf^ü^, »die schönen Eichen«, von
nomadischen Wlacben (Parteigängern der Byzantiner?) getödtet (zum Namen
vgl. KaXit ^iydqa in Thrakien, Anna Komnena VIII, cap. 6; zur Sache vgl.
die charakteristischen Gruppen von zwei Eichen bei Florina u. s. w., Barth,
Reise 155). Moses ist bei einer Belagerung von Seres gefallen, unsicher wann
(Kedrenos). Aron suchte Verbindungen mit den Byzantinern oder wollte sich
selbst der Regierung bemächtigen und wurde nach Kedrenos (II, 435] auf Be-
fehl SamuePs angeblich mit seinem ganzen Geschlechte {nayysyei) getödtet
bei Razmetanica, einem Zufluss des D^ermen bei Dupnica (Cesty po Bulharskn
451) ; in der Sf. Vladimirlegende bei Diocleas (ed. Crnoid 43) lässt Kaiser
Basilios IL dem Joannes Vladislav, Aron^d Sohn, sagen : »Quare non vindicas
sanguinem patris tui? . . . accipe regnum Samuelis, qui patrem tuum et fra-
trem suum interfecit«. Das Datum ist unbekannt. Diese Katastrophe kann
auch um 999 erfolgt sein, einige Jahre, nachdem Samuel den Grabstein seinen
Eltern und seinem Bruder David gesetzt hatte.
Die Erörterung der Fragen, welche die kyrillischen Schriftzeichen der
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993. 55 j|
Inschrift von German betreffen, Überlasse ich den Kennern altslavischer Pa-
läographie. Die kyrillische Schrift, ein modificirtes griechisches Uncial-
aiphabet, hat eine gewisse Familienähnlichkeit mit der koptischen Schrift;
Kopten und Slaven haben die griechischen Formen oft so mechanisch copirt,
dass sie z. B. beide das griechische Doppelzeichen oy fUr den einfachen Laut
u beibehielten. Zur Beurtheilung der ältesten kyrillischen Typen sind auch
die griechischen Inschriften der heidnischen Bulgaren des IX. Jahrh. heran-
zuziehen, die jetzt immer häufiger zum Vorschein kommen. In officiellen
Acten dominirte das Griechische in Bulgarien lange Zeit, nicht nur unter
Omortag und Malamir, sondern, wie die Grenzinschrift von 903 — 904 zeigt,
noch unter Symeon. Die griechischen Schriftzeichen waren den Boljaren,
Kaufleuten u. A. allgemein bekannt. Dies musste naturgemäss zu einer Adap-
tixung der griechischen Uncialschrift für das Slavische führen.
Wien, 17. Juli 1 899 . C. Jireoek.
IL
Zur Paläograpbie der Inschrift.
Nebst ihrem Inhalte, der die bulgarische Geschichte angeht, ver-
dient diese Inschrift auch nach ihrer graphischen Seite die grösste Be-
achtung. Sie ist ja derzeit das älteste genau datirte Denkmal des slavi-
schen Schriftthums. Allerdings reichen einzelne glagolitische Buch-
staben in der Urkunde vom J. 982 um elf Jahre weiter zurück, allein
die Forschung über diese Urkunde betrachte ich selbst nach der wieder-
holten Besprechung des Gegenstandes durch I. I. Sreznevskij noch nicht
für abgeschlossen. Ich will vor allem bemerken, dass mir die im IV. Band
der Ii3B^cTifl des ruasischen archäologischen Institutes zu Constanti-
nopel im Text gegebene Reproduction der Inschrift nicht ausreichend
und nicht plastisch genug erschien — das photographische Facsimile
war aber dem mir aus Sofia zugekommenen Sonderabdruck nicht bei-
gelegt — , darum bat ich Prof. Speranskij gelegentlich seines letzten
Aufenthaltes in Abbazia, mir ein photographisches Facsimile der In-
schrift, das ihm zugänglich war, zu verschaffen, was er auch aufs
bereitwilligste that, wofür ich ihm öffentlich meinen Dank sage. Nach
dieser mir aus Nje£in zugekommenen Photographie wurde die Inschrift
in diesem Heft der Zeitschrift reproducirt. Freilich ist der Massstab der
Reproduction gegenüber der Originalgrösse der Steinplatte sehr klein.
Nach Angaben des Directors des russ. archäol. Institutes zu Constanti-
nopel, Prof. Th. J. Uspenskij, hat die Steinplatte eine Länge von 1.25 Meter
und eine Breite von 0.52 Meter. Die Inschrift selbst nimmt, wie man
an unserem Facsimile sieht, ein bescheidenes Plätzchen, im unteren
Winkel der viereckigen Platte rechts, ein. Das Ganze sieht so aus, als
ob man für die weiteren Eintragungen Raum sparen wollte. Allein die
drei Kreuze, auf die sich auch der Inhalt der Inschrift bezieht, sind
wenn auch nicht gerade symmetrisch ausgemesseo, dennoch über die
552 V. Jagid,
ganze Platte in ungefähr gleichen Zwischenräamen so angebracht, dass
man von einer Bewahrung des Raumes fOr ein weiteres Kreuz n. dgl.
nichts merkt, wenn auch das erste Kreuz von dem grosseren zweiten
etwas weiter abseits steht, als das dritte vom zweiten.
Die Inschrift ist in cyrillischer Schrift abgefassf, was zwar durch-
aus nicht auffällt, da, wie ich bereits vor Jahren sagte, seit der Be^e-
rung des griechischen Zöglings, Kaisers Symeon, das Uebergewieht
dieser Schrift bald gesichert gewesen zu sein scheint. Dennoch hätte uns
auch eine Inschrift mit glagolitischen Schriftzflgen nicht gerade ins Er-
staunen versetzt, weil wir bekanntlich in dem nordwestlichen Winkel des
Sttdslaventhums, auf der Insel Veglia in Quarnerobucht, sehr alte glago-
litische Inschriften besitzen. Fdr Bulgarien und Macedonien liegt ttbii-
gens sehr nahe eine andere Annahme, nämlich dass man seit dem Auf-
kommen der cyrillischen Schrift den Gebrauch derselben gegenfiber der
glagolitischen in griechischer Weise so regelte, dass man z. B. fflr epigra-
phische Zwecke au^chliesslich die cyrill. Schriftzflge, entsprechend der
griech. Unciale, anwendete, während das Glagolitische als die übliche
Bücherschrift galt. Darum möchte ich aus der vorliegenden Inschrift
durchaus nicht den Schluss folgern, dass zu Ende des X. Jahrb. in Mace-
donien die cyrillische Schrift angeblich bekannter und verbreiteter ge-
wesen war als die glagolitische. Die Inschrift darf nur für die Inschriften
das Zeugniss abgeben, und für diese möchte ich im Sinne der Auffassung
jener Zeiten allerdings die cyrillischen Schriftzüge als Regel gelten
lassen, allein für die Bücher Hess sich die glagolitische Schrift selbst
nach dem Aufkommen der cyrillischen nicht so schnell und nicht so
leicht verdrängen. Den sichersten Beweis dafür liefern die zahlreichen
glagolitischen Codices des X. — XI. Jahrb., die wir bisher kennen, sei es
in grösserem Umfange, sei es in Bruchstücken, deren Provenienz be-
kanntlich mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Macedonien, einschliess-
lich des Athosgebietes, hinweist. Erst im XII. Jahrhundert wird auch
hier die cyrillische Schrift das Uebergewieht bekommen haben. Und
doch sind in dem Bologner Psalter, der bekanntlich bei Ochrida ge-
schrieben wurde, die glagolitischen Einschaltungen mit so sicherer Hand
geschrieben, dass man schon aus kalligraphischen Motiven auch für das
Ende des XII. Jahrh. die glagolitische Schrift in Macedonien noch nicht
als ausgestorben ansehen darf. In den östlichen Gebieten Bulgariens
muss allerdings die Oberherrschaft der cyrillischen Schrift viel früher,
und zwar schon im X. Jahrb., sich vollzogen haben, da man sonst den
ausschliesslichen Cyrillismus in Russland, das seit dem X. Jahrh. seinen
Bedarf an Büchern aus Constantinopel und Bulgarien deckte, nicht leicht
erklären könnte. Ich müsste also der Ansicht, als ob diese Inschrift
irgend etwas gegen den Glagolismus zu Ende des X. Jahrh. in Mace-
donien beweisen kann, entschieden widersprechen. Wenn Prof. MiletiS
in seinen sehr hübschen Bemerkungen »Kxmie» CaMyHJOBHA Ha^nnc^ otb
993 roAHHaff, veranlasst gleichsam durch die^e Inschrift, die cyrillischen
Znsätze im Assemanischen Evangeliarinm schon ins zehnte Jahrhundert
H
I
\
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993. 553
versetzen möchte, so muss ich vor solchen etwas voreiligen Combina-
tionen warnen. Da ich jene cyrillischen Zusätze nicht selbst gesehen,
so ziehe ich bis auf weiteres vor, dem verstorbenen Örni^id Olanben zu
schenken, der sie fttr jünger hielt.
Eine gewisse Abhängigkeit der cyrillischen Graphik der Inschrift
SamnePs von den Grandzügen der glagolitischen Graphik wurde bereits
von Prof. MiletiS richtig hervorgehoben. So ist z. B. das auffallend
kleine, nur die obere Hälfte der Zeilenhöhe einnehmende A (^^ ^^^ Zei-
len 2, 9, 11) gewiss nicht unabsichtlich so klein ausgeführt, vielmehr
werden wir an ganz gleichaiiige Erscheinungen bei den glagolitischen
00 und A in den Rijewer Fragmenten erinnert. Auch das stemartige }K ist
sehr klein, wie öfter der entsprechende glagol. Buchstabe in den Kijewer
Fragmenten. Das gilt einigermassen auch von dem lückenhaft erhaltenen
Buchstaben UJ. Für eine Annäherung an die glagolitische Gestalt «
möchte ich auch 8 (statt s) erklären. Wie in den glagolitischen Schrift-
zügen die Wendung des Kopfes dieses Buchstaben nach links die üb-
lichere ist, so ist auch in unserer Inschrift 8 geschrieben, während das
Ostromirische Evangelium oder die Inschrift GlSb's S schreibt. In südsl.
Texten kommt beides vor, üblicher ist s. Die für eine Inschrift auf Stein
gewiss sehr bezeichnende Neigung zur Abrundung bei einigen Buch-
staben in ihren unteren Theilen statt der später üblicheren Dreieckigkeit
(so in 'k, k, in B, R, in tsj könnte ebenfalls aus dem Zusammenhang der
cyrill. Schriftzüge mit den abgerundeten glagolitischen Formen, aus der
Neigung der Hand des Schreibenden zum runden glagolitischen Ductus
erklärt werden, int$ofem hier statt der später mehr dreieckigen Figur in
den unteren Bestandtheilen dieser Buchstaben nach den glagolitischen
Vorbildern noch die abgerundete Form vorherrschte. Die Wiedergabe
des später als u fixirten Lautes durch 'RH zeugt ebenfalls von einer
alten Periode der cyrillischen Graphik, in welcher die später allein
übliche Combination noch nicht fest stand ; bekanntlich fand ein solches
Schwanken auch in den glagolitischen Denkmälern älterer Zeit statt, wo
man neben dem üblichen «eT auch noch «es schrieb. Namentlich aber ist
der Zusammenhang der cyrill. Graphik mit der glagolitischen erkennbar
an der Anwendung des 'k statt ta, an der Verwendung des i für I6. In
dieser Inschrift kommt wirklich kein a, kein i€ vor, zufällig auch einmal
Xk statt des erwarteten uk; die Buchstaben iHrju nnd/f begegnen über-
haupt auf der Inschrift nicht.
Die Form der Buchstaben AßriSH.KAMHOnpcTist ganz
die übliche gleichzeitige griechische, und zwar in ihrem aufrechtstehen-
den runden, nicht in dem spitzigovalen, nach rechts gesenkten Typus, der
bekanntlich in den ältesten cyrill. Handschriften der südslav. Provenienz
nicht selten begegnet. Die Figur des Buchstaben a (im Inneren mit der
winkelig gebrochenen Linie] kehrt in der Schrift mittlerer Grösse des
Ostromirischen Evangeliums (in den Bestandtheilen des Synaxars] und in
der Inschrift Gl€b's vom J. 1063 wieder. Der kleine runde Kopf im P
begegnet dann und wann in sehr alten slav. Handschriften und könnte
Die oyrilliBche Inschrift vom Jalire 993. 555
ebenralls anf der Vorliebe zti Rnndnngen in den Vorbildern des gU^lit.
Alphabetes beruhen. Einst fiel die Zeichnung des Baehstaben P in dem
Eondrat-Fi-ngment dem verstorbenen SafaHk sehr anf, er sprach von
griechischem Einflnss. AlterthOmlich, zu Codes saprasl. o. ä. ganz
vortrefflich stimmend, ist die Figur des Bnohstaben H, d. h. H. Das
neben oy angewendete t( hat nicht nnr im griechischen Alphabet sein
Vorbild, sondem st«ht auch dem einheitlichen glagolitischen Zeichen
Die cjrilliache loBchrift 993.
9 n&her. Anch die Inschrift GlSb'a wendete 9 an. Fttr das hohe Alter
des graphischen Typus der Inschrift kann noch auf die verhältnissmasBig
grosse Breite der Bnohstaben H K A H n hingewiesen werden. Dasselbe
wird anch darch den tief in der Hilte, jaselbat unter der Uitte laufenden
Querstrich bei H stark charakterisirt. Das gilt auch von dem ziem-
lich tief liegenden und recht weit herausr^enden Querstrich bei dem
Buchstaben 'K.
Bei der Wiedergabe einzelner WOrter sieht man die Neigung zur
vollen Setzung aller Buchslaben ohne Abbreviaturen. Da man aber in den
556 V. J«giö,
griechischen Vorbildern schon an die Abbreyiationen bei vielen flblichen
und häufig wiederkehrenden Wörtern gewöhnt war, wobei das Zeichen der
Kürzung in Anwendung kommen musste, so setzte man auch in dieser
Inschrift das Titla- Zeichen auf die voll ausgeschriebenen Wörter
UFTkU^a, CkHHa, ^Qy)(A, — wo kein Grund dafflr vorhanden war — und
auf die wirklich gekürzten Ausdrücke CTÄro fflr CBAxaro, E3KH fOr
E03KHH. Voll ausgeschrieben und doch mit Titla-Zeichen versehen ist
auch KpkCT'K]^'k. Ob am Ende der vierten Zeile WTkH oder OTki^
zu lesen war, das wissen wir nicht, aber auf S der nftchsten Zeile steht
schon wieder das Titla-Zeichen nur darum, weil man in griechischen
Vorbildern das Wort TtarYjQ in allen möglichen Casnsendungen zu kür-
zen pflegte. Beachtenswerth übereinstimmend mit dem Grundsatze der
ältesten Orthographie ist die volle Schreibung der Präposition OT'k statt
des später viel üblicheren (0.
Man kann dem Steinmetz keine grosse Geschicklichkeit in der Aus-
führung dieser Inschrift nachsagen. Das erkennt man daran, dass er
nicht verstand den Raum der Zeilen mit dem Inhalt der Inschrift in Ein-
klang zu bringen, er trennte CKHHa in Ck und hh4, aaik in 4 und S'k,
OTki^S in OTki^ und ^, Ha in H und a, er Hess in der neunten Zeile in
yl^aBHA^^ den Buchstaben H aus. In der vierten Zeile machte er an dem
Buchstaben A einen zu weit gezogenen Querstrich, wodurch er die beiden
sonst in einen Spitzwinkel zusammenfallenden Seitenstriche abstumpfte.
In der fünften Zeile gelang ihm die Figur des Buchstaben U nicht, es
fehlt ein kleiner Verbind nngsstricb, den man bei demselben Buchstaben
in der dritten Zeile sieht. In der siebenten Zeile sieht H so aus, als
hätte der Schreiber an das griechische X, der Minuskelschrift gedacht.
Einem so wenig in seinem Handwerk geübten Meister kann man auch
in dem Worte GauoHak einen Fehler zumuthen. Allerdings nicht etwa
darin, dass er den Namen durch o schrieb, auch nicht darin, dass er
am Ende k setzte. Für diese beiden Erscheinungen liegen sehr er-
wünschte Belege vor : a) in dem Assemanischen Evangelium liest man
im Kalender unter dem 20. August: H npopOKa cauoHAtL (also im
Nominativ cauoHak), b) in dem Ostrom. Evangelium steht unter dem
2 1. Ang. der Dativ cailOHaoy, und in dem Kalender des Mstislav'sohen
Evangelium unter dem 20. August cailOHaa — also die beiden letzten
Formen setzen den Nominativ cailOHAii voraus. Für die weich aus-
lautende Form cauOHak kann man an HSfi^pAHAK eine Stütze finden.
Doch der Steinmetz machte in diesem Namen den Fehler, dass er statt
A unbegreiflicher Weise etwas wie ein n mit einem darüber gegebenen
kleinen ' einmeisselte. Hat er wirklich aus Versehen zuerst ein n ge-
macht, oder wollte er, da er zu hoch mit a ansetzte, irgend eine Ver-
längerung des Buchstaben nach unten erzielen — man sehe sich in der
nennten Zeile ein solches A ^^ — ^^^ könnte man erst an dem Stein
selbst genau herausfinden. Jedenfalls ist ein Versehen da.
Für die Charakteristik der Sprache ist aus den wenigen Zeilen nicht
Die cyrillische Inschrift vom Jahre 993. 557
viel zu gewinnen. Alles stimmt aufs beste zn den theoretischen Vorans-
setznngen. Die schwachen Vocale werden auseinandergehalten, wenig-
stens in OauOHiik, naUATk ist k deutlich sichtbar, ich möchte selbst
in KpkCT'k)f'k nach p eher k als 'k vermnthen. Dagegen ist dentlich ik
in allen anderen Fällen. Der Nasalismus unterscheidet regelmässig A
von Xk, das Wort a3lk ist in echter, alter Form angewendet (kein "kaii
oder Is). Die zusammengezogene Oenitivform CTaro ist wenigstens nicht
auffallend. In der fflnften Zeile würde man, wenn die Steinplatte hier
nicht abgebrochen wäre, genau wissen, ob der Dativ schon epaToy oder
noch Bpaxpoif (eig. BpaTpS) lautete. Das letztere ist nicht unwahr-
scheinlich mit Rücksicht auf die bei Joannes exarchus bulgaricus nach-
weisbare Form mit p (vgl. Vondräk 8. 4). In der sechsten Zeile wird
nach Ha KpkCTlk)^^ ^^X'^ der Raum noch gestatten zu lesen entweder
bloss a oder CH oder vielleicht c^T'k. In der neunten Zeile muss man
nach HanHcanoch ergänzen c/k B'k oder vielleicht selbst 9Kf CA B^. Die
zehnte Zeile muss mit CkTBOpiNH'k UHpo abschliessen, zum letzten
Wort gehört von der elften Zeile das am Anfang stehende y, also zu-
sammen : OT'k CkTBOpiNHls UHpoif. In der letzten Zeile würde
ioh HH'kAH zu HH'kAHKTHOH'k s- ergänzen.
Die unerwartete Entdeckung dieser Inschrift erweckt Hoffnungen,
dass in jenen Gegenden noch manches wichtige Denkmal für das sla-
vische Alterthum steckt. Möge das kais. russische archäologische Institut
unter einem glücklichen Stern seine Forschungen daselbst fortsetzen!
r. Jagiö,
558
Wer war Pseudodemetrins L?
(Beiträge zar Quellenkunde und Quellenkritik der Jahre 1591 — 1606.)
Zweiter Theil (Fortsetzung). *)
Noch auffallender als die Verschwiegenheit des Ffirsten Chvorostinin
flher den Lebenslauf des FD ist uns die Stan*heit des Fürsten Katyrev-
Rostovskij, mit welcher er die Ueberlieferang aus den Zeiten des Boris
und des Snjskij in seiner »Sage« kurz wiederhalleu lässt. Diese im
J. 1626 entstandene »Sage« über die Zeiten der Wirren war lange nur
als der dritte Bestandtheil des compilatori sehen Chronographen des
Sergej Enbasov bezeichnet. Der eigentliche |von Prof. KljnSevskij nnd
Akad. L. Majkov erwiesene) Verfasser dieser Sage, der Fürst Ivan Ea-
tyrey, hat in erster Ehe die Tochter des Theodor NikitiS Bomanov,
Tatiana, geheirathet, welche früh gestorben ist. Wenn wir in der »Sage
aus dem J. 1606« die Anscbannngen der Partei des V. Snjskij vertreten
finden, so können wir in der »Sage« des Eatyrev die Tendenz desjeni-
gen Ereises der Bojaren verfolgen, welche sich an die Romanovy an-
schloss. Eatyrev hat im J. 1598 die Wahlurkunde des Boris nnter-
schrieben und war an seinem Hofe als Truchsess (Stoljnik) angestellt;
hier verblieb er auch unter den Regierungen des FD nnd V. Snjskij.
Als im J. 1608 Pseudodemetrins IL im Anzüge gegen Moskan war nnd
gegen ihn Fürst Skopin-Sujskij nnd Ivan Romanov ansgesandt wurden,
da entstand in ihrem Heere eine Oährung und man war im Begriff dem
Garen Snjskij untreu zu werden. Der Gar Hess das ganze Heer sogleich
nach Moskan zurückrufen und die Verräther bestrafen, unter ihnen die
Fürsten J. Trubeckoj, Ivan Trojeknrov nnd Ivan Eatyrev aus Moskau
verbannen, und zwar den letzten nach Sibirien als Vojevoda von Tobolsk.
Wenn wir uns daran erinnern, dass der Fürst Eatyrev eine Tochter des
Theodor Romanov und der Fürst Trojeknrov dessen Schwester Anna
zur Frau hatten nnd dass dessen Bruder Ivan Nikiti6 Romanov an der
Spitze des verrätherischen Heeres gestanden, dann werden wir die ganze
Verschwörung nicht auf die Selbstsucht einzelner Erieger, welche beim
♦) Vergl. Archiv Bd. XX, S. 224—325; XXI, S. 99-169.
Wer war Pseudodemetrias I. ? 559
FD IL (dem Schelme von TaSino) Beförderung zu finden hofften ^ son-
dern auf einen misslungenen Staatsstreich der Partei der Romanovy
gegen den Caren änjskij zorttckfUhren müssen. Im J. 1613 war Eatyrev
schon wieder in Moskau ; er hat sogar die Wahlurknnde seines Schwa-
gers Michail RomanoY unterschrieben und war bis zu seinem Tode bald
beim Heere, bald beim Hofe, bald bei der Centralverwaltung angestellt.
Er ist als ein Moskauer Edelmann (Moskovskij Dvorjanin) im J. 1640 ge-
storben, ohne zum Bojaren befördert worden zu sein. Sowohl in der
Annahme, dass Boris an dem Tode des Careviö Demetrius schuld ge-
wesen, als auch in der Schilderung des Lebenslaufes des Qriska Otrepjev
folgt Eatyrev der officiellen Legende vom GriSka Otrepjev ^) . Man merkt
1) Auch Katyrev-RostovskiJ scheint angenommen zu haben, dass PD
eben in Eiev sich zum ersten Male einem griechischen Priester während der
Beichte als den Sohn Johanns des Schrecklichen kitndgethan hat (i!(onieA'B
JiHTOBCKie BOM^iM Ao ppaAa KieBa . . u pa36ojitBi> »ce jecTiio, akoöbi h ao CMepru
y^Ke npHineAi», u npHssaBi» k'b ce6t CBameauHKa rpeqecKia Bipu, . . Aa noKa^Kexi»
ero, flKO OHi> ecTB uapoBuqi» ^MiiTp^H . . GBflmeHHHKi» ;Ke toh . . nosi^Aa o ueyLi*
BeiuHeBeuKOMy AAaMy. Toii »e kiihsl nocjia cJiyrH cboa u noB&xi eBO npHBecxu
Bi> AOM'B CBOU H ua^a CBO Bonpomaru . . Ohi> 7Re, s^ioxHmubiu qepHem», aanpcAU o
ccM'B yHOJiHa, a noTOM'B sa kj^itboh) CKasyeT-B eMy bchJ. Mit dieser Auffassung
stimmen Bussow und die Schrift aus Jindrichüv Uradec darin überein, dass
auch sie den Demetrius als einen Knappen beim Fürsten W. schildern. Das
Register nimmt, wie erwähnt, an, dass Griska dem Hegumenos des HOhlen-
klosters gebeichtet. Elisej Pleteneckij wird sowohl in dem Register zum
J. 1604 (Razrjadnaja kniga), als auch in der Urkunde des Patriarchen Hiob
aus dem J. 1605 als Hegumenos (nicht aber als Archimandrit) des Höhlen-
klosters bezeichnet. Man könnte es durch den Kampf zwischen den Unirten
und den Orthodoxen um das Höhlenkloster zu Kiev erklären (vgl. die Ge-
schichte der russischen Kirche des Metropoliten Makarij, B. IX). Im J. 1599
waren sowohl der Metropolit von Kiev, Ragoza, als auch der Archimandrit
des Höhlenklosters, Nikiphor Tur, gestorben. Da hat Sigismund III. am
2. Oktober 1599 die Metropolitankatheder von Kiev zugleich mit dem Titel
des Archimandriten des Höhlenklosters an den unirten Bischof Ipatij Pocej
übertragen ; die Gemeinde der Höhlenmönche scheint aber schon damals den
Elisej Pleteneckij zu ihrem Archimandriten gewählt zu haben. Der Adel von
Kiev nahm sich der Rechte der Höhlengemeinde an und vertheidigte vor dem
Könige den alten Brauch, dass der Archimandrit des Höhlenklosters von den
Mönchen selbst und dem Adel von Kiev gewählt werden soll. Auf den Wunsch
des Königs Sigismund III. hat nun der Papst Kleraens Vlll.im Juli des Jahres
1603 seine Bulle zurückgenommen, durch welche er das Höhlenkloster dem
unirten Metropoliten von Kiev anvertraut hatte. Indessen hat Sigismund III.
erst am 22. Februar des J. 1605 das Höhlenkloster officiell dem Archiman-
560 Eugen äoepkin,
aber an gewissen Einzelheiten, dass er über den FD etwas mehr wnsate,
als Lente, welche ihre Kenntnisse nur aus of&eiellen Acten geschQpft
haben. Er ist der einzige, welcher ganz genau das Kloster anzugeben
im Stande ist, wo Griska zum Mönche geschoreii wurde, nämlich das
Kloster ^eleznoboTskij ; die Klöster der Stadt Suzdal erw&hnt er bei
den Wanderungen seines GriSka garnicht. Einerseits berichtet Katyrev,
dass alle Leute sich Aber den Sieg des FD gefreut hätten, weil sie ihn
fttr den wahren Oarevid hielten, andererseits spendet er Lob seinem
Vater, welcher dem Boris treu geblieben war; nach der Angabe des
Sohnes hätte Katyrev der Vater genau die ga^^e »Lflget des Heretikers
GriSka gekannt (hsb^ctho B^^ame npo cero ÖoroMepsKaro epermca
PacTpHiy TpHuiKy, tito jxa bctb h na^aToiTL jsh h KpoBonpojnrriH,
a He i^apeBHq^B) . Es drängt sich also von selbst die Frage auf, weshalb
denn der alte Katyrev, wenn ihm die Fäden »der Lllge« nicht unbe-
kannt geblieben, gezögert hat, den ganzen Betrug dem Volke aufieu-
klären, welches sich über den Sieg des Heretikers gefreut hat. Er ge-
hörte wohl zu den passiven Naturen, welche in den Zeiten der Wirren
nur durch Schweigen ihre Stellung zu behaupten verstehen. Die Fürsten
Ghvorostinin und Katyrev haben von der Persönlichkeit des FD ohne
Zweifel genauere Kenntniss gehabt, als alle die russischen Geschicht-
schreiber, die je über ihn geschrieben haben ; und doch sind ihre Werke
für die Wahrheit wenig erspriesslich ausgefallen. Der übermüthige
Günstling des FD, welcher unter dem Verdachte der Ketzerei, vielleicht
schon unter Ahnung von Hausdurchsuchungen und in ewiger Furcht
vor strenger Zucht eines Klosters seine »Worte« niedergeschrieben hat,
konnte nach dem Siege der orthodoxen Romanovy nur als ein Reuiger
die Feder ergreifen, um seinen früheren Herrn in den Staub zu treten.
Man vermuthete bei ihm die Absicht, nach dem lieben Polen zu über-
siedeln; wenn es ihm wirklich gelungen wäre, da würde er vielleicht
nach dem Beispiele des Fürsten Knrbskij oder als Vorläufer des Koto-
sichln und Herzen eine durch und durch subjective Schrift über die
Tagesgeschichte ausgearbeitet haben, die für immer ein mächtiges Gegen-
gewicht den Lügen und Vermuthnngen gebildet hätte, welche durch den
driten Pleteneckij übertragen. In den Jahren 1599—1605 durfte also Elisej F.
streng genommen nicht Archimandrit genannt werden. Vielleicht ist aber der
Titel »Igamen« (Abt) von Hieb und dem Register bloss populär gebraucht, als
eine Bezeichnung für die Vorsteher der Klöster im Allgemeinen (Artbi
HcTOpiH K)}RR0U H SanaxHOH Pocciii, t. II, Nr. 1, 17).
Wer war Pseudodemetrius I. ? 561
zufälligen Sieg einer Partei officiell zur Wahrheit gestempelt wurden.
Wenn es dem FD gelungen wäre, seinen Thron zu behaupten und durch
seine Nachkommenschaft die abgestorbene Dynastie des Rjurik zu er-
setzen, da würden die russ. Chronikschreiber mit derselben Verleugnung
ihrer Scharfsichtigkeit den Brief des Fürsten Wisniewiecki an den König
Sigismund abgeschrieben haben, wie sie es unter Sujskij und Romanov
mit dem Briefe des Hieb und der Anklage des Barlaam gethan haben.
Jedes aufrichtige Zeugniss eines Zeitgenossen würde dann zum Staats-
yerbrechen, jede Veröffentlichung von Arohivalien der Laesa Majestas
gleich werden. Wer würde wagen, den Boris des Mordes zu beschul-
digen, wenn der FD den kürzeren gezogen und der Car Theodor Godu-
noY, unbelSeckt von den Ränken des Vaters, den Thron bestiegen hätte?
Mit dem Siege des V. Sujskij kam auch die iSage aus dem J. 1606«
über die Oeschichtschreibung zur Herrschaft. Noch unter dem Michael
RomanoY oder besser zu sagen unter dem Patriarchen Philaret war
Fürst Eatyrev gezwungen, seine eigene Auffassung von den Begeben-
heiten hinter einer conventionellen Objectivität zu yerbergen.
Unter der Regierung des Garen Michail Romanov, und zwar um
das Jahr 1630, ist auch der »Neue Annalist« entstanden i) (KnBra,
1) Diese Jahrbttoher sind nach drei verschiedenen Handschriften ge-
druckt, nämlich als »Annalen der vielen Wirren« (JÜtouhci o uaorsrh matc-
xaz'L ,1771 und 1788), als »Annalen nach der Handschrift des Patriarchen
Nikon« (PyccRaa AtTomcL no Hhkohoby cnHCRy, t. VIU, 1792), endlich als
»Der neue Annalist« nach der Handschrift des Fürsten Obolenskij (Hobu&
JUTonHcem in dem Bp6M6hhhk'b 0. H. h Jl,. 1853). Prof. Platonov hat die Mei-
nung geäussert, dass Nikon*s Annalen den ursprünglichen Text, der neue An-
nalist des Fürsten Obolenskij seine abgekürzte Wiedergabe bietet Er führt
als Beweis folgendes Beispiel an : beide Denkmäler berichten, wie sich am
23. Okt. 1612 die polnische Garnison in der Eremlburg unter den Obristen
Stru6 und Budila ergeben hatte. Nun fügen hier Nikons Annalen eine Schil-
derung hinzu, wie die Polen während der Belagerung so sehr an Hunger ge-
litten, dass sie Menschenfleisch assen; der Annalist berichtet hier in erster
Person : als man die Kitajstadt (Vorstadt der Kreml) erobert, da haben wir
selbst mit eigenen Augen Zuber mit eingesalzenem Menschenfleisch gesehen
(to caHB BXxtzoBfB o^BMa CBOKMa, ^TO MBorHx TqaHU HacojieBBi duma vejioBi-
^HHu). In dem Neuen Annalisten fehlt sowohl die ganze Geschichte, als auch
die erste Person des Erzählers. Nun hat Fürst Obolenskij eine entgegenge-
setzte Anschauung aufgestellt, ohne die Beweisführung für sie gegeben zu
haben: er hält nämlich seinen Neuen Annalisten für die ursprüngliche Re-
daktion, den entsprechenden Theil der Annalen des Patriarchen Nikon — für
ArehiT fftr •laTiseh« PhUologi«. XXI. 35
562 Engen äoepkin,
rjarojeMan Hoboh JiToimcei^BJ . Gewisse eigenartigje Nachrichten dea
»Neuen Annalisten a sind insofern wichtig, als sie die heimlichen Fäden,
eine spätere Bearbeitung. Auch flir diese Anschauung des Fürsten Obolen-
skij können wir einen entscheidenden Beweis anftihren; wir meinen die £r-
Zählung über den Tod des Skopin-^njskij. Als Skopin plötzlich in Moskau
gestorben war, sprachen Viele davon, dass er von seiner TantCi der Fran des
Demetrius §ajskij, vergiftet wäre. Der Neue Annalist berichtet darüber knrz
und klar: »MhosIh trq rjiaroaazy, vto ohx haomi HanoeHi thurh OTh totrh
cBoeH«. Nikon's Annalen suchen den Eindruck abzuschwächen: nur Gott
allein könne die volle Wahrheit wissen (»^to HcnopTiua cbo leTEa eso khhthha
KaTopHsa, a noAJCHHBO to exHOMy Eory«) ; darauf folgt eine Sentenz, welche die
Vorsehung für den Tod des Skopin verantwortlich macht Wenn wir un-
seren Beleg für die Meinung des Fürsten Obolenskij mit der Beweisführung
des Prof. Platonov vergleichen, so kommen wir provisorisch zu der Ansicht,
dass der Neue Annalist des Obolenskij nnd die Annalen Nikon's von einander
unabhängig und auf einen dritten Urtext oder eine ursprüngliche Sammlung
von Materialien zurückzuführen sind. Die erste Person des Erzählers wird
wohl bald auf den Verfasser des Urtextes, bald auf den Redakteur der An-
nalen Nikons bezogen werden müssen, wo er nämlich als Augenzeuge neue
Nachrichten hinzufügt Definitiv kann die Frage nur durch eine vergleichende
Zusammenstellung sämmtUcher Handschriften des Neuen Annalisten entschie-
den werden. Doch können wir auch jetzt unsere Vermuthung ins Einzelne
ausführen. Der Neue Annalist des Fürsten Obolenskij enthält eine chronolo-
gische Uebersicht der Perioden von Adam biä zur Taufe des russischen Vol-
kes, darauf kurze Jahrbücher des russischen Reiches bis auf deuGrossfttrsten
Jaroslav, dann gebt er jäh zu der Regierung des 6F Johann III. über, ver-
folgt fast ausschliesslich in der Art eines Dienst- und Rangregisters (Razrjad-
naja kniga) die Ereignisse aus der Regierung Vasilijs III. und des Caren Jo-
hann IV. des Schrecklichen bis auf das Jahr 7061 (1553). Nun folgt noch das
Register für das J. 7087 (1579), nämlich für den Feldzug nach Litauen. End-
lich wird unter dem J. 7092 (1584) ein Heereszug gegen die Tataren von Ka-
zanj und der Tod Johanns des Schrecklichen erwähnt. Nun beginnen die
Jahrbücher der Wirrenzeit, wobei die Erzählung in kurzen Episoden nach
der chronologischen Reihenfolge vorwärts schreitet. Der Neue Annalist des
Obolenskij endet mit dem J. 7137 (1629). Der ganze einleitende Theil fehlt in
Nikons Annalen. Die Jahrbücher für die Regierung Johanns des Schreck-
lichen im VU. Bande dieser Annalen werden mit dem J. 7066 unterbrochen ;
dann werden noch ein Paar einzelner Ereignisse für die Jahre 1577 angeführt;
am Ende des VU. Bandes ist die Geschichte der Regierung des Grossfürsten
Theodor Ivanovio, verfasst vom Patriarchen Hieb, hinzugefügt. Mit dem
VIII. Bande beginnt der Neue Annalist, dem Titel nach als Vorsetzung der
GxeneHBaH KHEra, d. w. s. der Geschichte nach genealogischen Graden des
Grossfürstenhauses. Es wird hier die Geschichte des 18. Grades, nämlich des
Garen Theodor erzählt ; als Einleitung dazu wird die Eroberung Sibiriens und
Wer war PBeadodemetriuB I.? 563
welche den OriSka mit den Kreisen der Eanzellisten (Djaki) verbanden,
anfenkl&ren verhelfen. Nach der ErzAhlnng dieser Chronik hätte der
der Heereszag gegen die Tataren von Kazanj ans dem J. 7092 (1584) geschil-
dert. Dieser letzte Feldzag wird ansflihrlicber als in dem Neuen Annalisten des
Obolensky erz&hlt; sonst beginnt gerade an dieser Stelle die Uebereinstim-
mnng zwischen beiden Werken. Der YIII. Band endet mit dem J.7138 (1630).
Nun wollen wir die wichtigsten Episoden der Wirrenzeit nach beiden Bedak-
tionen vergleichend zusammenstellen und die Autorität der Quelle — durch
Heranziehen der Urkunden heben. Den 18. März 1584 stirbt Johann der Sehr.
In derl^acht gleich darauf lassen Boris G. und seine Räthe die Nagie und
andere Gtlnstlinge des verstorbenen Garen unter dem Verwände des Ver-
rathes in Haft nehmen und nach verschiedenen Städten verschicken. Dem
Wunsche des Vaters zufolge gibt Gar Theodor seinem Bruder Demetrius die
Stadt Uglio als Apanage und sendet dahin mit ihm zugleich seine Mutter, die
Oheime Nagie, die Wärterin Volochova mit dem Sohne Daniil (Osip?) und den
Kaoalov. (Bei der Erzählung von der Ermordung des D. zu Uglio erzählt dann
der Annalist, dass Boris den Michail Bitjagovskij nach Uglio aussendet mit
dem Auftrage, den Garevic zu ermorden, und fügt hinzu, dass er zugleich mit
ihm seinen Sohn Daniil und den Eacalov gehen lässt und ihnen das ganze Be-
giment in Uglio anbefiehlt.) Unter den gemeinen Leuten und dem Militär der
Stadt Moskau verbreitet sich das Glerücht, als ob Bjeljskij den Garen Ivan
umgebracht und nun seinem Bathgeber (Boris) zum Throne verhelfen wolle.
Das Volk strOmt nach der Eremlburg; zu ihm gesellen sich die Ljapunovy
und Eikiny aus Bjazanj und die Bojarensühne anderer Städte; sie fordern
die Auslieferung des Bje^skij. Gar Theodor lässt den Bogdan Bjeljskij nach
Niinij-Novgorod verbannen. Boris Gk>dunov nimmt an den Ljapunovy, Ki-
kiny und Anderen Bache und verbannt sie ins GeHingniss nach verschiedenen
Städten. Die Thatsache einer Empörung wird durch einen Brief des Legaten
Bolognetti aus Grodno vom 16. Mai 1584 an den Kardinal von Komo be-
stätigt (Turgenevius, Historica Bussiae Monumenta, t II) ; der polnische Ge-
sandte Sapieha hat von ihr aus Moskau berichtet. Darnach hätte B. Bjelj-
skij am 12. April s. n. 1584 einen Staatsstreich zu Gunsten der »Opricnina«
versucht (Hirschberg, Dymitr. S., S. 3 — 4). Auch Djak Thimotheev macht
Anspielungen auf eine Volksbewegung gegen den Bjeljskij, dessen Ent-
fernung vom Hofe und Beziehungen zu Boris. Der Annalist der Annalen
Nikons scheint beim Tode des Garen Theodor zugegen gewesen zu sein oder
wenigstens nach der Erzählung eines Augenzeugen berichtet zu haben. Er
erzählt von einer Vision des sterbenden Garen, spricht dabei vom Patriarchen
in der dritten Person, von sich und anderen Anwesenden in der ersten (in>i xe
Bct ujAxQWhj jiKo BBAHTL OH'B Tocjj^kfh aFHejiOB'B]. lu dem Neuen A. des Obo-
lenskij wird die ganze Greschichte nur in der dritten Person gegeben (h bch
BOBMHima, AKo BHffi BEA^Hie). Nun berichtet der Augenzeuge der Annalen
Nikons, als ob der sterbende Gar in Gegenwart des Patriarchen zwei Engel
gesehen hätte. Wir besitzen aber über diese Vision den Bericht des Patriar-
36»
564 Eugen äoepkin,
Metropolit von Rostov Jona in dem GriSka die Tenfelsbrnt (xiasojiB
cocyx'B] dnrchschant, als Otrepjev beim Patriai*chen Hieb diente. Damals
eben Hiob selbst in seiner »Lebensgeschicbte des Garen Tbeodor« (IIoBicn
0 qecTHtM'L XHTHi I^apA 6oAopa, Nikons Annalen, B. YII). Damaeh hätte der
sterbende Gar noch vor der Ankunft des Patriarchen einen Engel gesehen,
welchen er fUr den Hiob hielt. Als Hiob erschienen war nnd darüber gehOrt
hatte, da hat auch er das Wunder anerkannt; diese zweite Version ist aneh
psychologisch viel wahrscheinlicher. In dem Neuen Ann. des Obolenskij ist
noch ein Gespräch zwischen dem Garen und dem Patriarchen angeführt Hiob
fragte den Theodor, wem er nach seinem Tode den Thron yermache? Gar
Theodor antwortete: ich habe Nichts zu befehlen; wem Gott die Garenmacht
geben will, dem wird Er sie geben. Dieses Gespräch fehlt in Nikons Annalen.
Patriarch Hiob behauptet in der »Lebensgeschichte des Garen Theodor«, dass
Theodor das Zepter seiner Frau Irina gelassen hätte und dass die Garen-
synkiete ihr das Ejenz gektlsst, in Gegenwart des Patriarchen (no C6((i Bpy-
qHBX CRHeeip'B cynpyrc CBoei ixapHue HpHHt . . Eopncrb noBeii cBoeiry uapiCKOxy
CHHRJiHTy Rpecn ]iej[OB&T& H o6iTh CBoi qapime npeffaBarn . . 6% xe y xpen-
cHoro uejioBaHHfl naTpuapx'L h bocb ocBemenEBii co6op'B). Der »Augenzeuge«
der Annalen Nikons erregt also Zweifel gegen sich. Nun berichtet er auch
Über den Gregor 0. in erster Person. Als Griska im Wnnderkloster nnd beim
Patriarchen Hiob lebte, da fragte er viele Leute Aber die Ermordung des De-
metrius aus und hat sichere Auskunft erhalten. Der Annalist hat viele MOnche
des Wunderklosters erzählen gehört, wie sich Griska scherzend vor ihnen
rtthmte, dass er in Moskau als Gar herrschen würde ; die Mönche thaten nur
über ihn spucken und lachen (oro mboihz'b xe ^[H)xobcehz'b crapitoBx cxumaz^,
HRO Bo CM^xoTBopoHHe TJiarojiame CTapuoM'B, jnco uapB 6yAy na Mocrbö). In dem
Neuen Annalisten fehlt die erste Person und der Hinweis auf die Mönche des
Wunderklosters, als die Gewährsleute. Der Metropolit Jona von ßostov hat
die Sache dem Garen Boris angezeigt. Boris befahl dem Djak Smimoj Va-
siljev, den Griska nach dem Soloveckijkloster unter Aufsicht zu senden.
Smimoj sagte darüber dem Djak Semejka Euthymjev, dem Griska verschwä-
gert war. Semejka bat die Verbannung zu verschieben, am Ende hat Smimoj
den Garenbefehl vergessen. (Dem Neuen A. des Obolenskij zufolge wollte
Semenka für den Griska Fürbitte thun, dass er nicht verschickt werde : »xou
SRO Gmhphou CRasa uapeBO noBOJitHie cpoffHHKy ero FpinnRHHy ABfliry GeMeHKi
£B«HMBeBy . . tarh mojuith o newh 6yxy, Aa hb 6yAerB Taico nocjuiH^B«. Nikons An-
nalen zufolge wollte Semejka für den Griska »sorgen«: toexo GeMemca TOMy
FpEinKe CBOH h mojih Cmephofo, vro6*h ero H6 BCRope cocjiaTB, a zota o newh npo-
MbimjiJiTH. Der Neue A.: »Gmhphoh ace 06% homi nojioacz vh BaÖBesie: ffiaB(ay
60 yKpBiBanniy ero sa HaRooTB napoAy«. Nikons Annalen: »xhabojtb ace obo
yRpBiBame, nojioxn cesqr GiCHpHOMy b BSÖBeExe h KapcRoa npKRas^ nosatfu^i«.
Griska erfuhr davon und ergriff die Flucht Der Neue A.: yBi^a 60 ohuh
FpHmRa eace 0 hom^ npuRasa i^apB, yre^e cb Mocrbli. Nikons Annalen : oH'B-xe
FpHmRa, yBtAaBi to, noöe^e c Mocrbbi. Also trotz der ersten Person in Ni-
Wer war Psendodemetrius I. ? 565
hätte Griska das Wanderkloster zu besnehen gepflegt, über den Tod
des Demetrios nachgefragt und oftmals vor den Mönchen daselbst ge-
kons Annalen scheint Fürst Obolensky der Wahrheit nahe gestanden zu
haben, wenn er den Neuen Annalisten als die nrsprflDglichere Redaktion auf-
fasste. Vgl. auch Kap. 91 des Neuen Annalisten mit dem entsprechenden
Kapitel aus Nikons Annalen : 0 nocujnce 3 j^osy b jUhtby or& xosaRorb. Es
unterliegt für uns keinem Zweifel, dass der Nene A. des Obolenskij auch hier
dem ursprünglichen Texte nXher steht.) Als die Nachricht vom PD in Polen
Moskau erreicht hatte, befahl Boris die Wege aus Litauen (zwischen Smolensk
nnd Brjansk) zu sperren, um jegliche Verbindung zu verhindern und der Ver-
breitUDg der Nachrichten in der Hauptstadt zuvorzukommen. Er selbst
schickte unterdessen Kundschafter nach Lilüeiuen, um zu erforscheu, wer die-
ser Garevio sei. Die Kundschafter haben Nachfragen über den PD angestellt
und in ihm den Griska erkannt (nponiffama npo nero h onosHama] ; sie kehrten
zu Boris zurück und theilten es ihm mit Boris lachte darüber (ohi xe o tomi»
nocMftjicfl), denn er wusste, dass er ihn nach Solovki hat verbannen wollen,
Hess also den Smimoj rufen und fragte ihn über den Griska. Smirnoj stand
vor ihm, wie betäubt, und konnte nicht zum Sprechen kommen. Gar Boris
fühlte sich gekränkt und liess den Smimoj unter dem Verwände eines Unter-
sohleifes der Hausgelder bis zum Tode prügeln. Wir wollen zuletzt noch ein
Paar Episoden untersuchen, um das Verhältniss zwischen Nikons Annalen
und dem Neuen Annalisten aufzuklären. PD befahl den V. äujskij zu ent-
haupten; indessen haben, Nikons Annalen zufolge, die Garin-Wittwe Martha
nnd die Bojaren durch ihre Fürbitten den Snjskij gerettet. (Margeret nennt
unter den Fürbittem ausser der Garin-Wittwe noch den Bucinskij.) Diese
Nachricht von der Bettung des äigskij durch die Garin-Wittwe fehlt in dem
Neuen Annalisten. Noch eine Episode: Fürst Michail Skopin ä^jsky nahm
eine befestigte Stellung in Alezandrova Sloboda ein. Hierher schickte zu ihm
Prokopij Ljapunov Briefe aus Bjazanj. Ljapunov suchte den Skopin mit dem
Garen Vasilij zu verfeinden. Skopin hatte Mitleid mit dem Boten und hat ihui
statt ihn dem Garen auszuliefern, zurück nach ^{azanj geschickt Schlimme
Leute benutzten diese Gelegenheit, um den Skopin in den Augen des Garen
Sujskij anzuschwärzen. Der Neue A. berichtet es ausführlicher: »so AjKORcaE-
ApoBy mi» CÄ060SY npacia a» PasaHs ro Khasid MazaEJiy BacxjLeBXiy HpoKO-
•eft JbmyBOin cTaumy, nsca xe otl ce6n ro Khabk) Mhx. Bac, napimaionui ero
HO lüujoßM'hj HO napeM%, h noaffpaBJUfl oMy na uapcTBO, Ilapfl-x'L BacBJtia, äro
Bida yrpusame«. Nikons Annalen nennen hier den Prokopij Ljapunov einen
»Schmeichler« (jlctkbu& q&ioBiR's) und fügen hinzu den kurzen Bericht: »ua-
nxcama rpaiioiu h axopoBama na uapcTBi«. An der Erzählung von der Ver-
schwörung der Ljapunovy gegen den V. äujskij tritt besonders klar hervor,
dass der Neue Annalist nnd Nikons Annalen ein und dasselbe Material auf
verschiedene Art anordnen. Dem N. A. zufolge hätte Gar Sujskij nach der
Niederlage seines Bruders Demetrius bei Klusino die Kriegslente ans ver-
schiedenen Städten nach Moskau zur Vertheidigung berufen. Die Kriegsleute
566 Eugen äcepkin,
äussert, dass er noch Car werden könnte. Jona hat ihn daftlr dem Boris
angezeigt. Der Car befahl nun dem Djak Smirnoj-Vasiljev den Mdneh
Griska nach dem Soloveckikloster (anf den Inseln des Weissen Meeres)
unter strenge Obhut zu verbannen. Smimoj hfttte von diesem Befehle
einen Verwandten des Gri&ka, den Djak Semenka Euthymjev, benaoh-
wollten ihm aber nicht gehorchen. Prokopij Ljapunov und die Kriegsleute
von Rjazanj blieben z. B. zu Hause ; Ljapunov begann sogar mit dem Fürsten
Yasilij GolizynRath zu pflegen, wie er den Garen Sujskij absetzen kOnnte
(Kap. 148). Das nächste Kapitel (149) beginnt der Neue Annalist mit der Er-
zählung, wie Prokopij Ljapunov nach dem Tode des Skopin Briefe an die
Städte aussandte, worin er den Garen Vasilij ^ujskij beschuldigte, den Skopin
aus der Welt geschafft zu haben; er trat sogar in Beziehungen zum Schelme
D.H. in Kaluga; hier wird wiederholt, dass er am meisten mit Vasiiy Qolizyn
Bath pflog gegen den Garen ^ujskij. Das Gerücht von der Revolte des P.
Ljapunov erreichte Moskau. Hier hatte P. Ljapunov Mitverschworene in
der Person seines Bruders Zacharij, des Fürsten Vasilij Golizyn und anderer.
Die Einwohner von Moskau waren bereit, den Garen Sujskij preiszugeben
unter der Bedingung, dass die Anhänger des PD II. ihrerseits den Schelmen
von Tusino im Stiche Hessen. Am 15. Juli 1610 hat Zacharij ljapunov den
Staatsstreich glücklich voUfUhrt. Gar Vasilij wurde zum Mönche geschoren,
die Bojaren und das Volk von Moskau wählten den Korolevic Vladislav zum
Garen (ne corjiacffc& h ho cocjcaBCü cb ropcAann). Patriarch Hermogenes war
bereit ihn anzuerkennen, wenn er zum griechisch-orthodoxen Glauben über-
träte. Die Verräther Michail Saltykov und Vasilij Masaljskij mit Konsorten,
wie Michail Moloanov, erschienen in Moskau und baten den Patriarchen um
Segen. Der Patriarch wies den Moloanov von sich, den Uebrigen ertbeilte er
den Segen nur unter der Reservation: wenn ihre Politik dem grieohisob-
orthodoxen Glauben Einbusse thäte, da sollte sie die Rache Gottes' treffen.
Kurz darauf ging das Prophetenwort des Patriarchen in Erfüllung. Fürst Va-
silij Masaljskij, Michail Moloanov U.A. starben unter Qualen. Ebenso starben
Michail Saltykov u. A. auf elende Weise in Polen. Für Nikons Annalen ist der
Plan der Erzählung anders : sie erzählen vom offenen Ungehorsam des Prokopij
Ljapunov nicht erst nach der Niederlage des Demetrius äujskij bei Klusino,
sondern gleich nach dem Tode des Skopin. Erst nach dem Abfall des Pro-
kopij wird der Sieg des ^ölkiewski bei Klusino erzählt; nun geben auch Ni-
kons Annalen endlich die Worte über den P. Ljap., welche der Neue A. im
Kap. 148 im Zusammenhange mit Klusino enthält; die Annalen erklären jetst
den Ungehorsam der Kriegsleute von Rjazanj durch den Einfluss des Ljap.,
welcher schon seit dem Tode des Skopin zu offener Revolte gegen den Garen
äujskij gegriffen. Es macht also den Eindruck, als ob der N. A: und Nikons
Annalen hier eine dritte Quelle wiedergeben. Im J. 7128 (1620) sind die bei-
den Frauen des Garevio Ivan Ivanovic als Nonnen in den Kl(5stem gestorben.
In die Annalen Nikons sind die Nachrichten über den Tod der Gesarevny ge-
sondert eingetragen ; in dem N. A. wird über beide zugleich berichtet
Wer war Pseudodemetrius I. ? 567
richiigt. Dieser hätte nun flehentlich gebeten^ die Ausführung des Be-
fehles aufzuschieben, worauf Smimoj die ganze Sache der Vergessen-
heit preisgegeben hätte. Unterdessen wäre der Befehl des Caren auch
zur Kenntniss des Griska gekommen ; da hätte er nach Polen (auf dem
Umwege durch Oalic, Murom, Bijansk, Novgorod-Severskij] die Flucht
ergriffen. Hier hätte er sich beim Adam Wisz. fdr den Demetrius aus-
gegeben und in einer Urkunde beschrieben, wie ihn die Bojaren und
die Djaki äSelkaloyy, welchen ihn sein Vater Johann der Schreckliche
anbefohlen, vor den Kachstellungen des Boris gerettet und nach Polen
verschickt hätten; statt seiner wäre aber in Ugli( der Sohn eines
Pfaffen Jeleckij ermordet (vielleicht aus der Stadt Jelec, wahrscheinlich
ist aber die Verwechselung mit Ugleckij, d. w. s. aus UgliS, anzuneh-
men). Als Boris von der Flucht des Griska erfahren, da hätte er be-
fohlen, die Amtsführung des Djaks Smimoj Vasiljev zu revidiren; der
Djak wäre des Unterschleifs der Hofgelder (MHoryio ABopi^OByio Kaany)
angeklagt und dafür zu Tode geprügelt worden. Das Vorhandensein
der Djaki Smirnoj Vasiljev und Semejka Euthymjev in der Haus- und
Hofkanzlei (Prikaz BoljSogo Dvorca) wird durch die Urkunde über neue
Ernennungen des Königs Sigismund El. aus dem J. 1610 bestätigt
(Co6pH. Fp. H ^or., T. 2, Nr. 218); .man sieht daraus, dass Smimoj
und Semejka in der Kanzlei wohl ganz gleich gestellt waren (b Tosapu-
npixx). Nun musste an der Spitze dieser Kanzlei. der Majordom (Dvo-
reckij], d. w. s. Stepan VasiljeviS Godunov gestanden haben. Dieser
S. V. Godunov ist in dem Bangregister (Hobhkob%, Focc. Bhbji., t. XX)
als unter der Regierung des FD gestorben bezeichnet, das wird wohl
heissen — umgebracht worden. Wir haben hier ein Beispiel, wie in
der nächsten Nähe vom Throne zwei kleine Beamte Bänke schmieden,
während ihr Vorgesetzter dem Caren treu bleibt. Das entspricht der-
jenigen Charakteristik, welche Djak Timotheev von den Beamten der
Zeit gegeben hat. ^)
^) Die of&ciellen Akten der Moskauer Regierung kennen noch folgende
Djaki: Im Jänner 1594 haben die Djaki Grigorij Klobukov und Smimoj Va-
siljev Einnahmen in den Schatz des Caren gesammelt (Artbi lOpix., Nr. 214).
Im December 1582 wird Semen Kostkin erwähnt (A.H)., Nr. 212). Im Jänner
1596 werden die Djaki Semejka Sumorokov und Semejka Jemeljanov bei der
Einsammlung der Einnahmen des Caren erwähnt (A. K)., Nr. 216). Unter der
Wahlurkunde des Boris aus dem J. 1598 haben folgende Djaki ihre Namen
unterschrieben : in erster Reihe die Djaki der Ejinzleien Grigorij Klobukov,
Semen Kostkin, Smirnoj Vasiljev; in zweiter Reihe die Djaki der Kanzleien
568 Eugen &oepkiii,
Die späte, ziemlich legendäre Vita des Patriarchen Hiob (die Eano-
nisimng erfolgte im J. 1652), welche indessen auf Omnd Älterer Quellen
Ivan Timopheev, Semejka Snmorokov, Timophej Osipov (A. A. 3. II, Nr. 7).
Ivan Grigorov wird als ein Djak bei der Schatzkanzlei des Patriarchen im
Jänner 1602 erwähnt (A.K)., Nr. 221). In den Akten werden indessen bei den
Djaki bisweilen auch alle drei Namen angegeben — der eigentliche Name des
Mannes, der Name des Vaters (Patronymikon) und Familienname, z. B. der
Kanzlist Jermolka Klimentjev GrigorjeVs Sohn (A.IO., Nr. 210: xiaveK'B £p-
MOjRä KjfHMeHTLOB'B CLIH1 FpHropieBa). Grigorjev's Sohn ist kein Patronymi-
kon, sondern bezeichnet, dass der Sohn, wie auch der Vater den Familien-
namen Grigorjev getragen. Ende des J. 1610 wurde eine Liste derjenigen
Edelleute der Synkletos und der Djaki zusammengestellt, welche durch ihre
Treue gegenüber dem abgesetzten Garen V. äigskij der Partei des Korolevic
Vladislav gefährlich erschienen (Aktu Hct. II, 286). Hier wird in der Kanzlei
der Krone Kazanj (Kazanskij Dvorec) Alexej Zaoharjevio ^pilov als Kollege
des Fürsten Dmitrij äujskij erwähnt; als dritter Verschwörer gegenflber dem
König wird neben ihnen Semen Euthymjev angegeben. (OjeRciu 3axapLeF&
cuHi» Ulanii.iOB'b, cha^"^ b^ KoaaHCROM'B XBopii^ co Kufoewh ff.unT^eu'b IIIyH-
CKEMi; vh nozoAX ctojlsh npoTHB'B FocyffapH co RHfl3eM'& ^BCHTp^eM'L-TKe. jKa
CeMOH'B EyeHMieB-B cha^^'l cl hhuh^cb h yMunufl.s'B aaoARH'B.) In der Haus-
und Hof kanzlei (äbarh XBopuoBBie) werden dagegen die schlimmen Einflttsterer
(3jiue meuTyHu) Goleniscevy erwähnt. Auch in dem Kataster (IlHciiOBua rhrfh,
H3A. nMn.reorp. 06m.) kommen einige von diesen Djaki vor. Dem Kataster zu-
folge muss Semen Jemeljanov um das J.1585 Djak der Haus- und Hofkanzlei
gewesen sein [Prikaz BoJjsogo Dvorca). Djak Semejka Philipovic Snmorokov
wird im Kataster für das J. 7082 (1573—74) im Gebiete der Stadt Moskau er-
wähnt. Semen Kostkin (ohne Namen des Vaters) wird daselbst im Gebiete der
Stadt Kasira erwähnt. Es bleibt also die Möglichkeit, den Semen Kostkin mit
dem Semejka Euthymjev für identisch anzunehmen, da Kostkin ein Familien-
name, Euthymjev aber als Patronymikon aufgefasst werden kann. Nun wird wohl
gerade er als Anhänger der §ujskie im J.1610 hervorgehoben; kein Wunder,
dass Sigismund III. an seine Stelle (indessen in dem Boljsoj Dvorec, nicht
aber in dem Kazanskij) den Bogdan Gubin ernennt. Ob Semejka Euthymjev
sich an die Sujskie bereits damals angeschlossen, als er seinen Verwandten
Gregor Otrepjev in dem Wunderkloster beschützte, oder, wie auch Paphnutij,
erst nach dem Sturze des Garen Demetrius I., ist schwer zu sagen. Der Brief
des Boris an Rudolph II., wie auch die »Sage vom Griska Otrepjev« bringen
den Griska mit den Romanovy und den Cerkaskie in Verbindung. Nur die
legendäre »Sage von der Regierung des Garen Theodor Ivanovic« (PyccHcr.
Eh6j., t. XIII), welche im Allgemeinen den Vasilij Sujskiy zu verherrlichen
sucht, berichtet von seinen Beziehungen zu Griska. Dieser Sage zufolge soll
V. Sojskij nach der Untersuchung in Uglio dem Garen Theodor insgeheim
die volle Wahrheit vom Tode des Carevio D. berichtet zu haben. Wenn man
die herrschende Stellung des Boris neben dem Garen Theodor klar vor Augen
Wer war Paeudodemetrias I.? 569
verfasBt ist, gibt originelle Nachrichten über die Beziehungen zwischen
dem Hieb nnd dem GriSka 0. Danach hfttte man den Qregor, als einen
hat, 80 mnss man diese Nachricht der Sage für einen albernen Versuch halten,
das sch&ndliche Betragen des V. Sujskij bei der Untersnchong in Uglio zu
rechtfertigen. Albern ist die Schilderung der Sage, wie äigskij zn Uglic über
dem Leichnam des Garevio weint, albern auch die Erzählung, wie Boris Gift
dem Garen Theodor in den Meth schüttet: der Gar errSth es, trinkt indessen
die Schale aus und bittet sogar den Godunoy um einen zweiten Trunk von
seinem Gifte. Dieselbe Sage erzählt nun, dass der Gar Demetrius I. den V.
äujskij mit Geschenken und Güterbelohnungen überschüttet hätte, weil er
ihm noch als Djakon in Moskau nahe gestanden hätte : Damals hätte Griska
denV. Snjskij ans dem Wunderkloster oftmals besucht und bei ihm in Gnaden
gestanden; V. I^ujskij hätte indessen den Griska nicht sofort in dem Deme-
trius erkannt. (KairE oh'l PacTpHra 6hvch vh ^»aob^ MOHacTBipi vh xiAKosaxi,
H vacTO npeöusai'B so ssopi y nerOi öospHua, h oht» ero sejCMH acaioBaorB; h vh
Tt nopu BCRopi He noBBaji ero, a HHLxe CTpaza paw h BejiHKie HyxAU h yMOJS-
qaju Ao BpeMeHv.) Auch andere Moskoviten hätten nicht auf einmal den De-
metrius erkennen können, weil er zu einem Manne gereift und mit Haaren
bewachsen war (n t% ero scRopi se hofjui nosnaTi, noHOKe 6o BJiacaHH o6poc'B
n MyxecTBOM^ sooMyauuLT h npeMtsKicji b'b jnni). Die Wenigen, welche ihn
wiedererkannt, hätten lange aus Furcht geschwiegen. Nun sehen wir aber
auf den Bildnissen des D., dass sein Gesicht von Haaren ganz und gar ent-
blOsst war. Der Brief des PD II. an die Bürger von Smolensk erinnert die
Russen gerade daran, dass der Djakon Gregor Otr. einen Bart gehabt, und
hebt es als ein Merkmal hervor, durch welches er sich vom Garen Demetrius
unterscheide. An und für sich könnte es möglich sein, dass die »Sage von
der fiegierung des Theodora trotz ihrer Albernheit die Nachricht von den
Beziehungen des V. Snjskij zum Djakon Gregor aus einer guten Quelle ge-
schöpft; wir haben z. B. bereits erwiesen, dass sie dieselbe wichtige Quelle
ausgenutzt hat, welche auch der Sage aus dem J. 1606 zur Verfügung gestan-
den. Es wäre aber dann zu verwundem, dass diese Besuche des Djakon zum
Bojaren bei den Untersuchungen des Hieb und des Boris nicht ans Licht ge-
kommen. Es ist also wahrscheinlicher, dass der ganze Bericht dazu ersonnen
ist, um die späteren Enthüllungen des V. Sigskij über den Demetrius-Griska
glaubwürdig erscheinen /u lassen. Die Sage behauptet nämlich in ihrer
albernen Art und Weise, dass V. Sajskij den Garen D. I. auf dem öffentlichen
Platze vor dem ganzen Volke für den Griska erklärt hätte. Die Errettung
des äujskij vor der Todesstrafe wird als besondere Gnade Gottes aufgefasst.
Ganz verkehrt ist in der Sage die Absetzung und der Tod des Garen D. I. er-
zählt. V.Sujskij wird überall als ein Märtyrer und Beschützer der orthodoxen
Kirche gepriesen. Wir müssen also das Meiste in dieser Sage für Fabel er-
klären; nur für diejenigen Nachrichten machen wir eine Ausnahme, die der
wichtigen Quelle entnommen sind, welche der »Sage von der Regierung des
Garen Theodora und der »Sage aus dem J. 1606c gemeinsam war. Indem wir
570 Eugen §6epkin>
belesenen und geübten Schreiber aus dem Wunderkloster dem Patriarchen
Hieb empfohlen. Hieb lud den Mönch Gregor 0. zu sich und liess ihn
in seiner Zelle hl. Bücher abschreiben. Nach zwei Sommern haben
einige Geistliche beim Gregor den Hang zum römischen Eatholicismns
bemerkt ^). Die Auffassung, als ob die Häresie des Gregor, welche Hieb
und Boris dem Brauche der Zeit nach ihm zugeschrieben, in seinem
Hange zum römischen Eatholicismns bestanden, ist wohl ein Rück-
schluss Yom späteren Betragen des Caren D. Hieb erfuhr von der
Häresie seines Schreibers und schickte ihn nach dem Wunderkloster
unter Aufsicht zurück, bis Car Boris die Untersuchung anstellt 2). Diese
Nachricht zeugt, dass die Schuld des Gregor 0. eher schon von einer
politischen, als kirchlichen Art war. Der Glaube, dass CareviS D. noch
lebe, konnte ganz gut unter der Häresie des GriSka verstanden werden.
Gregor 0. erwies sich (der Vita des Hieb zufolge) als ein echter Zauberer
und verschwand seinen Wächtern unter den Augen ; man hat vergebens
auf Befehl des Caren und des Patriarchen nach ihm gesucht, er war
nirgends in ganz Russland zu finden ^) . Wir wissen aus Nikon's An-
nalen, dass Griika gar nicht durch seinen Zauber, sondern Dank seiner
Verwandtschaft mit den Djaki hat entschlüpfen können. Noch zwei
Sommer später (also wohl im J. 1604) kam die Nachricht, dass er aus
Polen her gegen die orthodoxe Kirche Ränke schmiede. Nachdem er
nämlich aus Moskau entkommen, wäre er bei den Zaporogen als ein
Laie aufgetaucht^). Darauf wäre er in Polen, als Sohn Johannas des
Schrecklichen, aufgetreten und hätte sogar den Papst zu Rom aufge-
sucht. Der Papst und der König haben den Griska mit einem grossen
Heere unterstützt. Die Städte der Severa und der Rjazanj haben ihm
die Beziehungen des Griska zum Bojaren V. »^ujskij in Zweifel ziehen, fassen
wir das Betragen des Metropoliten Paphnutij und des Djaks Semejka £u-
thymjev unter der Regierung des Garen V. Sajskij als ein temporibus servire
auf. Dass Paphnutij bereits unter der Regierung des FD Metropolit von
Eruticy war, erhellt aus dem Contexte der Sage des Palicyn.
*) PydftKaH HcTopH^ecKan BHdjioxeKa, t. XHI. HcTopiÄ o nepBovL EaTpi-
apxi lOBi : » nO ABOH) ;Ke JI%T%Z'B paSCMOrp^H'L 6bICTB OrB H§RiHXB nepEOBHHROFL
u nosHama ero, slko J[aTBiHCRiH B^pBi Rp^noK'B xpaHBTejiB«.
3) »A6ie OTocjia oro bx ^yAOBi MOHacTBipB bt» co6.iioxeHie ao CBiCRy i^apx
EopHca«.
3) »y cTperymHxx ero boo^Iio spAmiix'B HeBVffHM'B 6bictb, h ero noHCKaBme
MHoro napcRHH'B H CB^THrejicRHM'B noBej^meM'B H He oöpttoma ero bo Bce£ PocciH«.
*) »OöpixecH y ^epRacx 3aiiopo7RCRHX'B Ö^em, a se ^epHeiCB«.
Wer war PseudodemetriuB L ? 57 1
freiwillig gehuldigt^). Im Anschlnss an die Nachrioht, dass Griska beim
Hieb zwei Sommer gedient hätte, mftssen wir daran erinnern, dass zu-
folge dem Register der Gesandtschaft ans dem J. 1606 (Statejnyj Spisok
Volchonskogo) Griska im Wnnderkloster nngefthr ein Jahr verbracht
bat. Die ansfOhrliche Redaktion der »Sagea des Avraamij Palicyn
(Rnss. Hist. Bibl., B. XID) behauptet, dass GriSka zwei Sommer im
Wnnderkloster nnd über ein Jahr beim Hiob gelebt hätte ^). Diese drei
chronologischen Bestimmungen können wir zu dem Schlüsse zusammen-
fassen, dass Gregor 0. in Moskau mindestens drei Sommer (1599 — 1601)
verbracht hat. Dem Zeugnisse des Barlaam zufolge ist ja Gri&ka im
Frühjahre 1602 Aber die litauische Grenze geflohen und hat den Winter
1602 — 1603 in Hojszcza verbracht; nach Ostern des J. 1603 ver-
schwand er, um dann beim Wiszniewiecki aufzutauchen.
Eigenthümliche, wohl aus polnischen Quellen geschöpfte Nach-
richten Aber den FD bietet uns idie Geschichte oder Sage von den Er-
eignissen in der Carenstadt Moskau etc.« (iCKasanie h non^cTi» ese
coA^flCH BT» i^apcTByion^eM'L rpa^i Mockb^ h o pascTpsT^ rpHnnc^
OTpenBOB^ H 0 noxosKAOHin ero er. ^Teuifl, 1847, Nr. 9), welche jeden-
falls vor dem J. 1649 enstanden sein muss. Der Verfasser dieser roman-
haften »Geschichte oder Sage« verräth sowohl durch Fremdwörter in
der Sprache (»KapTe^Kae, »KaMopuc, »vansity »pui^apcTBOBaTLc), bis-
weilen geradezu Polonismen (wie »KjeHHOTU«, »MampKa«, »KaiuaH^t),
als auch durch genügende Kenntnisse von den Sitten und Verhältnissen
in Polen, dass er unter starker Einwirkung von polnischen Quellen ge-
standen haben muss. Nach der »Geschichte und Sage über die Ereig-
nisse in Moskau« wäre GriSka in Gali5 in einer adeligen Familie ge-
boren und auferzogen und vielen von den Bojaren beim Hofe bekannt
gewesen. Zugleich mit einem anderen Edelmanne Michail TrofimoviS
Povadin aus Serpejsk hätte er sich dann etwas gegenüber dem Caren
zu Schulden kommen lassen. GriSka hätte nämlich oft das Haus des
Fürsten Boris Öerkaskij besucht und wäre von dessen Sohne Ivan Bori-
sovii befördert worden. Da nun der Car Boris den Theodor Romanov,
samt den Brüdern, und den Fürsten Boris BekbulatoviS Öerkaskij,
samt der Frau und dem Sohne Ivan, nach den Gefängnissen verschickte,
^) »GsBepcKlA H PesaHCKiA rpaAu i% ne HeBO^Keio, no hbx böse noKopH-
macA eMy«.
^ »B'B ?ioAOB% MOHacTLipi ABa j^Ta Ha RpuJioct CTO>iJi*i H y naTpiApza y
loBa 6ojA roxa bo ABopi 6ziU'b, cjiyxa ühcmomi«.
572 Engen §oepkin,
so hfttte er anch dem OriSka gegrollt. Der listige Griika hätte sich
aber vor dem Qrolle des Caren in ein Kloster yerborgen, nm sich dort
einkleiden zn lassen. Weiter erzfthlt diese lOeschiehte und Saget Fol-
gendes vom Lebenslaufe des Gri&ka. Erst nach längerer Zwischen-
zeit kehrte er nach Moskau zurttck, weilte kurze Zeit im Wnnderkloster,
erlangte hier die Wllrde eines Diakon und siedelte sich dann beim
Patriarchen Hieb an. Sein arger Geist lässt ihm aber keine Ruhe; er
sehnt sich nach der Severa, will nach Brjansk, nach Putiyl, nach Öerni-
gov zn den Heiligen Stätten wallfahren und yerführt zu dieser Reise
auch den einfältigen Michail (als Mönch Misail) Povadin. Misail ladet
noch einen dritten Geehrten, nämlich seinen Freund den Priester Bar-
laam, in demselben Wunderkloster Wohnung zu nehmen. AUe drei
kommen dann auf verabredetem Orte zusammen (y Tpom^i wh nanepTb
Ha pny) und leisten das Gelübde, sich nicht mehr von einander zu
trennen. GriSka entkommt heimlich vom Hieb und erreicht mit seinen
beiden Gefährten das Svinskijkloster zu Brjansk und weilt hier 7 Tage
in Ruhe und Ueberfluss. Er meidet aber den Becher; Misail und Bar-
laam grollen ihm dafOr, dass er den Heiligen spielt. In einem Dorfe
an der litauischen Grenze, wo sie eine barmherzige Frau beherbergt, er-
fahren sie, dass die Grenze gesperrt sei, weil man einen Flüchtling aus
Moskau aufzufangen suche. Da gesteht Griika seinen Gefährten, dass
es auf sein Leben abgesehen sei, und überredet sie, durch den wilden
Wald auf den litauischen Boden und darauf nach Kiey zu fliehen. Sie
gehen drei Tage durch den Wald, am vierten begegnen sie einem Polen,
dem Bienenwärter Jakub. Von ihm erfahren sie, dass sie sich in der
Herrschaft der Brüder VoloviS befinden : der eine Bruder Nikolaj, der
Herr des Jakub, wohne in der Lojowa Göra und sei katholisch; der
Bruder Jan sei lutherisch und dabei grausam. Bei Nikolaj VoloviS wei-
len die Mönche 9 Tage und begeben sich darauf mit seiner Empfehlung
zum Bruder Jan. Hier werden sie 40 Tage beherbergt; während dieses
Aufenthalts hält GriSka einen Glaubensstreit mit Florenz, dem Schwager
des VoloviS. Darauf erreichen die Mönche die Stadt Loew, wo sie vom
Vojevoden Prokulickij als Gäste aufgenommen und dann zu Pferde
(kohhbiite xe nyxeM^) nach Eiev entlassen werden. Ueber Kiev er-
reichen sie die Stadt Ostrog, wo sie den Fürsten Ostrogski, den Voje-
voden von Kiev erblicken. Der Fürst hatte einen bis zur Erde herab-
fallenden Bart; diesen hielt er gewöhnlich auf den Knien auf einer
Decke. In seinem Hause verbringen die Wanderer zwei Monate und
Wer war Pseudodemetriua I. ? 573
brechen dann nach dem Höhlenkloster auf, wo sie der Archimandrit
Jelisej aufnimmt. Nach einiger Zeit yerlässt GriSka seine Reisegefähr-
ten, flieht zn den Zaporogen und schliesst sich der Rotte des Häupt-
lings Gtorasim Eyangelik an. Mit diesen Kosaken hat er die Umgegend
von Eiev verheert, so dass der Fürst Ostrogsky ihn zu ergreifen be-
fohlen hat. Einmal wagt er das Höhlenkloster selbst zu besuchen und
wird sogar vom Archimandriten erkannt; es gelingt ihm aber sich
heimlich aus dem Staube zu machen. Nun nimmt er den Weg nach
Sambor auf die Oflter des Michail Ratomskij, des Herrn Alexander Svir-
skij und des Fürsten Jurij Svirskij. Diese empfingen ihn mit Freuden
und schickten ihn nach dem Stodolskikloster, wo ihre Aeltern begraben
lagen und ein katholisches Stift aus 40 (Bernhardiner?) Mönchen und
5 Jesuiten bestand. Hier stellte sich auch Oriska als einen katholischen
Mönch an. Plötzlich wurde er krank und forderte von dem Abte
(EryMeHTB) Pimen einen Beichtvater griechischer Gonfession. Es kommt
zu ihm auch wirklich der Priester Arsenij, ein Grieche, welchem Griska
w&hrend der Beichte gesteht, dass er CareviS sei. Unterdessen fordert
der Car Boris vom Fürsten Ostrogskij die Auslieferung der drei flüch-
tigen Mönche. Da schickt der Fürst den Misail und den Barlaam nach
Sambor, um auszukundschaften, ob nicht vielleicht dieser GareviS der-
selbe Mönch wäre, welcher mit ihnen gekommen war. Misail und Bar-
laam erweisen sich aber schwach genug, um diesem Garevii zu huldigen,
welcher sie seinerseits gut bewirthen lässt. Der König Sigismund sendet
nun zwei russische Edelleute, den Osip und Eyrill Ghripunov, aus Gross-
novgorod, welche den GareviS in UgliS gekannt hatten, später aber dem
Boris untreu geworden und nach Polen gegangen waren. Diese sollen
nun den Demetrius prüfen, wurden von ihm erkauft und haben ihn für
den echten Carevi5 erklärt. Nun beruft der König den Griäka nach
Krakau u. s. w.
Die iSage vom Griska Otrepjevc bildet eine räthselhafte Ver-
mischung von wichtigen Nachrichten, welche sonder Zweifel aus siche-
ren russischen Quellen geschöpft sind (z. B. die ausführliche Schilde-
rung der Verfolgungen, welche Boris gegen die Bojaren angestellt hat)
mit einer romanhaften Darstellung aller Abenteuer des Griska in Polen,
welche eine gute Eentniss von der Geographie der Gegend um Loev
verräth (vgl. Arch. für Slav. Phil., B. XX. S. 286). Diese letzte Episode
sticht auch in Be^ug auf die Sprache von den übrigen Theilen der Sage
ab, nämlich dadurch, dass alle die erwähnten Fremdwörter gerade in
574 Engen äoopkin,
ihr vorkonunen ; eben dieser Abschnitt fehlt in der kürzeren Redaktion
der Sage (s. Rnss. Hist. BibL, B. Xin). Wir nehmen also den Sohluss
des Prof. Platonov an, dass der Verfasser der Sage eine ans verloren
gegangene Quelle benutzt hat, welche unter starkem polnischen Ein-
flüsse gestanden hat. ^)
1) Der Abschnitt über die Abenteuer des Griska in Polen enthält eine
Reihe von polnischen Namen, an welche phantastische Thatsachen angeknüpft
werden. Als Griska mit seinen Kameraden die Grenze überschritten, da
kommt er zu den Herren Nikolaj und Jan Yolovioi. Diese V. sind uns unbe-
kannt. Sonst spielen aber andere Mitglieder der Familie eine bedeutende
Rolle unter Sigismund III. (Nach Boniecki hat Gregor Woiowicz im J. 1563
an der Gresandtschaft desChodkevio nach Moskau Theil genommen; er hat
drei Söhne — Roman, Peter und Hieronim zurückgelassen ; Roman wird im
J. 1594 als Starosta Rohaczewski erwähnt, Hieronim-Jarosz W. im J. 1589
als Pisarz litewski, im J. 1618 sogar als Podkanderz lit; nach Wolff war
dieser Hieronim-Jarosz W. bis zum J. 1605 Sekretarz krölewski). YouLojova
Grora bis Lojov legen die Mönche einen Weg von 15 Meilen zurück und treffen
InLojovdenVojevodenStanislavProkulickij ; abermals eine sonst unbekannte
Persönlichkeit. Herbarz Polski kennt nur die Prokulbicki in dem Vojevod-
stvo von Viljno, von denen Jan P. im J. 1632 die Wahlurkunde Vladislavs IV.
unterschrieben. Ueberhaupt würde man erwarten, dass die Gegend von Lojov
noch immer, wie Ende des XVI. Jahrb., von der Familie der Wiszniewiecki
abhinge. In der ausftlhrlichen Sage vom Griska 0. spielen indessen die Wisz.
keine RoUe. Von den Zaporogen kommt hier Griska geradenwegs nach Sam-
bor auf die Güter des Michail Ratomski, Alezander und Jurij Svirski; das
sind auch sonst bekannte Mithelfer des PD ; in den officiellen Akten werden
sie indessen an der russischen Grenze bei Oster erwähnt, in Sambor kennen
die Akten den PD nur bei Mniszech. Die Svirski schicken nun den Griska
(nach der Schilderung der Sage) nach dem Stodoljskikloster. Wir haben die-
ses Kloster sonst nirgends erwähnt gefunden. (Wir sind sogar geneigt hier
ein Missverständniss vorauszusetzen, nämlich, dass durch das Üebersehen
eines Verkürzungszeichens Stodoljskij aus Starodoljskij entstanden sei.
Bali^sky und Lipi^sky erwähnen im Powiat Wl:odzimi6rski des Wojewödztwo
Wolynskle Dolsk Stary, wo eine Druckerei für Bücher in cyrillischer Schrift
bestanden; im J. 1647 ist hier die slavische Uebersetzung des Thomas a
Eempis gedruckt erschienen.) Im Stodoljskikloster kommt Griska bald mit
den Bernhardinern, bald mit den Jesuiten, bald mit der russischen Geistlich-
keit zusammen. Das Stodoljskijkloster soll in der Stadt Sambor gelegen sein,
doch befand sich in der Nähe des Klosters ein russisches Dorf mit der Kirche
der hl. Katharina! Die Brüder Fürst Alexander und Jurij Svirskij benach-
richtigen den KGnig von dem bei ihnen erschienenen Garevio. Nun sendet der
KOnig die zwei Brüder Ghripunovy nach Sambor; das sind abermals zwei
Russen, die auch sonst als Mithelfer des PD erwähnt werden. Erst vom
Wer war PseudodemetrioB I. ? 575
Zn gleicher Zeit mit Ivan Timotheev hat auch der Mönch Ayraamij
Palicyn an seiner Geschichte der Belagemng des Dreieinigkeitsklosters
gearbeitet (GKasanie o Oca^ TpoHipcaro Gepriena MonacTupH). Der
Zweck dieses Werkes scheint gewesen zn sein — sein Kloster zn ver-
herrlichen, seine eigene Thätigkeit theils zu vertheidigen, theQs über-
haupt aus dem Dunkel ans Licht zu ziehen und um die Gunst der neuen
Dynastie, besonders des Patriarchen Philaret zu werben. Nach dem
Berichte des Palicyn hätte die Umgebung des Carevic Demetrius in
UgliS den Knaben gegen die Männer, welche dem Caren Theodor am
nächsten standen, besonders aber gegen den Boris gehetzt und zn höh-
nischen Aensserungen verleitet. Das kindische Betragen des Carevii
wird von seinen Feinden übertrieben, mit Lügen um woben und den
Grossen in Moskau, besonders dem Boris angezeigt; auf solche Weise
verführen diese Leute den Boris zur Sünde und schaffen den Knaben
aus der Welt. Das benutzt ein Mönch Gregor Otrepjev, welcher von
Kindheit an in die schwarzen Künste eingeweiht war; er begiebt sich
nach Polen, schreibt dort lügenhafte Briefe und verbreitet sie überall,
indem er darin verkündet, dass Careviii noch am Leben wäre, sich selbst
Könige kommt Griska zum Mniszech nach Sandomir. Hier kommt wiederum
eine phantastische Nachricht, als ob der Vojevoda Mniszech früher selbst in
Rom ein katholischer Mönch gewesen, darauf aber, ganz ebenso wie Griska,
aus dem Kloster entlaufen und Vojevoda geworden ; deshalb hiesse er auch
Mniszech (MniSek würde russisch »ein Mönchlein« bedeuten). Der ganze Ab-
schnitt über die Abenteuer des Griska in Polen scheint von einem Bussen
nach den Schilderungen der Polen geschrieben zu sein. In der Erzählung vom
Mönche Mniszech setzt sich der Verfasser den Litanern entgegen (none xe 60
cjumazoM'L orrh hhxi JIitobcrhzx jodach). Auch in der Erzählung vom Zuge
des D. gegen Moskau und seiner Regierung daselbst scheint der Verfasser der
Sage präcise Angaben gehört, sie aber dann beim Nacherzählen entstellt zu
haben. Den Sieg des PD bei Novgorod Severskij setzt z. B. die Sage auf
Freitag den 10. December an; der lO.Dec. 1604 war aber ein Montag und der
Sieg hat am 21. Dec. stattgefunden, welcher wirklich ein Freitag war. Oder:
der Einzug des Vojevoden Mniszech und seiner Tochter Marina in Moskau
wird zuerst als eine und dieselbe Begebenheit erzählt, dann werden aber zwei
verschiedene Data für dieses Ereigniss angeftihrt — der 24. April st v. (das
Datum des Einzuges des Mniszech) und der 2. Mai (das Datum des Einzuges
der Marina), In Bezug auf die kürzere Redaktion der Sage (PyccK. Hcxop.
EH<ij., T. XIII) pflichten wir der Meinung des Prof. Platonov bei, dass sie aus
der ausführlichen Redaktion dadurch verkürzt ist, dass der Abschnitt über
die Abenteuer des Griska in Polen beinahe vollständig ausgelassen. Statt
der Svirski sind in der kürzeren Redaktion die Wiszniewiecki aufgeführt.
576 Engen Sloepkin,
ftlr den D. ansgiebt, dabei aber sich immer verborgen h< and seinen
Anfenthaltsort immer wechselt. Dieser FD besteigt den Thron, obgieieh
er vielen als der Mönch Gregor bekannt war nnd von seinen eigenen
Verwandten der Matter Varvara, einem Brader and einem Oheim, dem
Smimoj Otrepjev überführt warde ; den Oheim hätte der Betrüger dafte
nach Sibirien verbannt. Das sind alles Behanptangen, welche wohl anf
eine theatralische, für die Massen aufgeführte Untersachang des Vaailij
äajskij zarückzaführen sind ; man könnte sich wandern, weshalb weder
in den Briefen des Boris, noch bei der Untersachang des Hieb das Zeng^
niss der Familie des Otrepjev nnerwfthnt geblieben. (Smimoj Otrepjev
bildet hierin eine Aasnahme.) Aach gegenüber dem Sajskij verhftlt sich
Palicyn zarückhaltend; er behauptet, dass er nur von einigen geringen
Leuten aus den Hofkreisen zum Caren erwfthlt wäre und beschuldigt
alle Drei — den Boris, den Otrepjev und den Sujskij — Geld aus dem
Schatze des Dreieinigkeitsklosters genommen zu haben.
Seinen Lebensschicksalen zufolge musste Palicyn, wie kein Anderer,
alle die treibenden Kräfte der Wirrenzeit kennen ^j. Selbst ein Mönch
1) Aus einer adeligen Familie stammend, wurde Averkij Palicyn unter
der Regierung des Caren Theodor geächtet» seiner Güter beraubt und in
Verbannung geschickt. Man glaubt diese Verbannung des P. mit der Ver-
folgung gegen die §i\jskie aus dem J. 1587 in Verbindung bringen zu dürfen.
Da bat sich P. in dem Soloveck^kloster (auf den Inseln der Weissen See)
unter dem Namen Avraamij einkleiden lassen. Im J. 1594 wurde er dann
nebst anderen Mönchen nach dem Dreieinigkeitskloster (Troiokaja Sergieva
Lavra) bei Moskau berufen. Im Dienste dieses Klosters hat er sich im J. 1601
in einem Filialstifte der Sergieva Lavra, nämlich in dem Svijaiskij Maria-
kloster (Gouv. Kazanj) aufgebalten; erst im J. 1608 finden wir ihn abermals
in dem Dreieinigkeitskloster selbst und zwar als Gellarius (Kelarj) angestellt.
Das Amt des Gellarias war damals seiner Wichtigkeit nach das erste nach
demjenigen des Archimandriten. Der GeHarius verwaltete n&mlich die zahl-
reichen, über ganz Bussland vertheilten Güter der Sergieva Lavra und führte
Rechenscnaft über alle ihre Ein- und Auskünfte. Während ein bedeutender
Theil Russlands dem Schelme von Tusino (PD II.) gehuldigt, hielten im
J. 1608 der Archimandrit des Dreieinigkeitsklosters Joasaph und sein Keller-
meister Avraamij Palicyn fest an dem Garen Vasilij Sujskij. Als am 23. Sep-
tember s. V. des J. 1608 die Belagerung der Lavra durch Jan Peter Sapieha
begann, lebte Avraamij auf Befehl des änjskij in Moskau, um die Verwaltung
der Klostergüter weiter führen zu dürfen. Hier in Moskau befürwortete er die
Interessen seines Klosters vor dem V. Sujskij und erwirkte vom Garen im Febr.
d. J. 1609 die Zusendung einer Kriegerschaar zur Hilfe der Belagerten. Im
J. 1610 wurde der zur Regierung wenig taugliche V. Sujskij abgesetzt, an
Wer war PseudodemetriuB I. ? 577
der Sergieva Lavra stand er zn yerschiedenen Zeiten dem Hofe des
y. dnjskij, dem König Sigismnnd III., den Heerscharen der Städte, den
dessen Stelle der poln. E^ronprinx Vladislav erwählt und eine Gesandtschaft
nach Smolensk Kam Könige Sigismnnd HJ. geschickt, am von ihm die Erlaub-
niss für seinen Sohn Vladislav zn erwirken, die angebotene Krone anzuneh-
men. Als Vertreter der Geistlichkeit wurden in diese Gesandtschaft der Me-
tropolit Philaret Bomanov und Avraamij Palicyn eingereiht Im Oktober des
J. 1610 reichten die Gesandten ihre Geschenke dem Könige Sigismnnd dar,
wobei die Ghiben des FalioTn besonders reich gewesen sein sollen. Da Sigis-
mnnd IH. selbst nach dem Throne von Moskau strebte, so hat Lew Sapieha
den Versuch gemacht, die Gesandten einzuschüchtern oder für den König
selbst zu gewinnen. Die widerstrebenden Mitglieder der Gesandtschaft (Goli-
cyn, Philaret) wurden nach Polen geschickt, Avraamij Palicyn hat dagegen
vom Könige Sigismnnd HI. für das Dreieinigkeitskloster eine Bestätigungs-
nrknnde anf den Besitz sämmtlicher Güter empfangen nnd ist dann glücklich
ans dem Polenlager entkommen. Vielleicht war dieser ganze Verrath des
Palicyn nur eine List, um die Freiheit zu erlangen und dann nach Umständen
handeln zu können, denn seit dem Monat März 1611 geht er Hand in Hand mit
dem Archimandriten der Sergieva Lavra Dionysius dem Beispiele des Pa-
triarchen Hermogenes nach in den Bemühungen, Moskau von den Polen zn
befreien und die einzelnen russischen Städte zur Hilfeleistung heranzuziehen.
Als das Aufgebot der Stadt Niünij-Novgorod im Frühjahr 1612 auf dem Wege
nach Moskau mit ihrem Führer, dem Fürsten Poi^arskij, in Jaroslavlj für
längere Zeit seinen Zug unterbrochen hatte, da begab sich Palicyn am 28. Juni
im Auftrage des Archimandriten dahin und erwirkte sofort von den Befehls-
habern die Aussendung der Vorhut gegen Moskau. Am 14. August war Po-
iarsky selbst bereits bei der Sergieva Lavra. Nun begleitet Palicyn den
Fürsten PoSarskij nach Moskau, wohin sein Heer bereits am 20. Aug. den
Einzug hält ; hier standen bereits seit früher her die unzuverlässigen Trappen
der Kosaken. Am 22. Aug. rückte auch das grosse Heer der Polen unter
Chodkevic an; zn gleicher Zeit machte die polnische Besatzung in der Kreml
einen Ausfall. Am Tage der entscheidenden Schlacht gegen Chodkevic, den
24. Aug., befand sich Palicyn mitten unter den Kosaken und spornte sie mit
seinen Beden zum Kampfe gegen die Polen an. Die Bussen trugen an diesem
Tage den Sieg über den Chodkevic davon. Auch bei der Wahl des Michail
Bomanov hat Palicyn eine hervorragende Rolle gespielt Im J. 1620, bald
nach der Befreiung des Philaret Bomanov aus der polnischen Gefangenschaft,
hat sich Palicyn, vielleicht gegen seinen Willen, abermlls in das Soloveckij-
kloster zurückgezogen; hier ist er im J. 1627 gestorben (vgl. Ctenija 1880,
Avraamy Palicyn von Sergej Kedrov). Dem Herrn Kedrov zufolge hat Pali-
cyn sein Buch (»Geschichte den kommenden Geschlechtern zum Andenken«
n. B. w., wie es in den Handschriften heisst) im J. 1620 beendet und die sechs
ersten Kapitel umgearbeitet. Das erste Concept von diesen sechs Kapiteln
hat sich erhalten nnd ist von Prof. Platonov in der »Buss. Histor. Bibliothek«
▲rohiT fftr ilaTiscta« Philologie. XXI. 37
578 Eugen §6epkin,
Kosaken^ dem Reichsrathe der Bojai'en und dem Beichstage aller Län-
der RuBslands ganz nahe. Am wenigsten muBSten ihm die Begeben-
heiten aus der Regierungszeit des Boris und des PD I. bekannt gewesen
sein; hier hat er auch Vieles verschweigen oder nur durch Anspielungen
berühren müssen, z. B. die Rolle des Archimandriten Paphnutij. Er ist
aber bis jetzt der einzige russische Geschichtschreiber, welcher zu einer
klaren Vorstellung von dem Ursprünge und der allmählichen Entwick-
lung der Wirren durchgedrungen ist. Da wir den Antheil der Polen und
Jesuiten an der Organisation der Bewegung zu Gunsten PD I. erst mit
dem J. 1604 anfangen, so müssen wir die Wirrenzeit nicht auf eine Eiin-
wirkung von aussen her, sondern auf einen inneren Process des russi-
schen Volkslebens selbst zurückführen. In dieser Hinsicht werden wir
uns am meisten auf die allgemeinen Anschauungen des Arraamij P.
stützen müssen, welche unserer Meinung nach durch die Regiemnga-
akten der Zeit genügend erläutert und bestätigt werden können. Djak
Ivan Timotheev führt z. B. den Anfang der Wirrenzeit von den politi-
schen Experimenten Johannas des Schrecklichen her. Als dieser Gar
ganz Russland in zwei einander entgegengesetzte Reiche getheilt, näm-
lich in die Länder Russlands (ZemsSina) und die abgesonderten Eron-
länder (OpriSnina) und in der Person des Tatarenprinzen Simeon sich
einen Nebencaren für die Länder Russlands geschaffen, hätte er den
Samen der Zwietracht unter seinem Volke gesät ; dadurch, dass er die
russischen Grossen ausrottete oder in fremde Länder trieb, sie aber
durch eingewanderte Fremdlinge ersetzte, hätte er die Centralregiernng
den Feinden in die Hände gespielt und dadurch den Zwiespalt zwischen
B. XIII gedruckt. In dem Goncepte hatte sich Palicyn vorgenommen, etwaa
genauer die Sünden der russischen Gesellschaft zu schildern, welche ihr in
den Wirren die Strafe zugezogen (kIhzi pa^H rpixoFE nonycTH rocnoxB npa-
BCAHoe CBoe HaRasasie orB Konen'B ao rohci^'b bcoa PoccIh). In der Reinschrift,
welche wir nach der Ausgabe der »Sage« des Palicyn aus dem J.1822 citiren,
hat er sich damit begnügt, nur diese Strafe, d. w. s. die Wirrenzeit selbst sa
schildern (RaRO rpixB paAH HamHXB . . bca MicTa no PoccIe orneMi h Meven
noflAeHH ÖLima). In dem Goncepte bezeichnet Palicyn die Hungersnoth aeit
dem J.1601 als die Strafe dafür, dass während der Verfolgung gegen die Ro-
manovy die ganze Welt geschwiegen und es nicht gewagt hat, die Unschuld
vor dem Boris zu vertheidigen. In der Reinschrift hat sich der Verfasser be-
reits etwas trockener geäussert: es wäre Gottes Rache für die Romanovy
und die Schulden der Welt gewesen (PyccRiä ApzuB-L, 1886, 6. ABpaascü üa-
jumBiH'B, KfkK'h Hiicsaexh),
Wer war Pseudodemetrius I. ? 579
der Carendomäne nnd den Ländern aufgerissen^]. Es lässt sich nicht
bestreiten, dass die eigenwillige Regiemng Johannas des Schrecklichen
die alten Zustände im Reiche, die sich historisch entwickelt hatten, zer-
setzt und fttr neue spontane oder ktlnstlich eingeleitete Bildungen das
Feld geebnet hat« Einerseits suchte der Car die historische Organisation
der früheren Theilfflrstenthflmer durch das einförmigere Verwaltungs-
system seiner Domäne zu ersetzen ; andererseits die traditionellen Rechte
und historische Ansprüche des Moskauer Adels, der sich in mehreren
Schichtungen ans den Nachkommen der Theilfttrsten, der Bojaren des
Gross- und der Theilfttrstenthümer um den Moskauergrundherrn krista-
lisirt hatte, dadurch auszumerzen, dass er einen neuen, nach dem Eigen-
willen des Garen an den Hof berufenen und geschichteten Adel (Opri6-
niki) anwarb. Das Emporkommen eines > falschen c Adels in der Person
der OpriSniki konnte den Adel auf den Gedanken fuhren, seinerseits
statt des historischen Garen einen > falschen a in der Person des Pseudo-
demetrius unterzuschieben. Die Stellung eines PD I. im Lager bei
Putivl oder Tula gegenüber den Godunovy in Moskau, eines PD II. in
TuSino gegenüber dem Y. Sujskij, des Königs Sigismund lU. bei Smo-
lensk gegenüber dem Bojarenrathe mit dem Titulärcaren Vladislav konn-
ten den Djak Timotheev an den Gegensatz zwischen Johann dem Schreck-
lichen mit seiner OpriSnina und dem Garen Simeon an der Spitze der
ZemsSina* erinnern ; auch der Einfluss der Polen in der Gentralregierung
wäre dann nur eine Entwicklung der Fremdenherrschaft im Regimente
des Garen Johann, die Befreiung Moskaus von ihrem Joche wäre als
eine Erhebung der Länder gegen die abgesonderte, dem Volke fremd
gewordene Krone und die Wiederherstellung des einheitlichen Reiches
aufzufassen.
Eine weit tiefere Auffassung der Wirren, als solche rein äussere
Zusammenstellungen des Timotheev, finden wir bei Palicyn. Auch P.
leitet die Wirren von den politischen Massregeln Johann's des Schreck-
lichen ab, er hebt aber dabei nicht die Absonderung der OpriSnina her-
vor, die nur eine vorübergehende Bedeutung hatte, sondern das System
der Kolonisation der südlichen Grenze des Reiches Moskau; dieses
System dauerte auch unter Theodor und Boris fort und hat am Ende
Rnssland in zwei verschieden organisirte sociale Körper getheilt. Um
<) GucB pasA^eHleM'B, mhbo, HLiHimHeH Bcen seiuii posr^acie uro npoo6pa-
syA OTTyffy ao 8a% : cucl Tor^a Ha hh> pyKy juläotsm, xaxe oho h aohlih^ neyisep-
xßuhiwb OTL rpirL RoxedseMo. PyccK. Hct. £h5j[.| t. XIII.
37*
580 Engen §oepkin,
die Länder an der südlichen and südwestlichen Grenze des Reiches
Moskau mit kriegerischen Elementen zu bevölkern und die Grenzfestongen
dadurch gegenüber den Feinden widerstandsfähig zn machen ^ haben
Johann d. S. nnd Boris folgenden Brauch gelten lassen : wenn ein Ver-
brecher, zum Tode yerurtheilt, sich durch die Flucht nach den Städten
der »Severae (Nordland) oder der Steppe (Pole) rettet, da wird ihm dort
die Strafe vergeben^). Auf solche Weise hat sich von Johann d. S. an
bis auf den Caren Demetrius in jenen Gegenden eine Völkerschaft von
flüchtigen Bösewichten! gebildet . Gewisse sociale Entwicklnngsprocesse
und Massregeln unter der Regierung des Caren Theodor haben diese
Kolonisation befördert, besonders der massenhafte Eintritt Freier in das
Machtgebot der Grundherren, nämlich bald unter die Reihen der ün-
1) Unter den Grenzstädten im engeren Sinne des Wortes (yRpaHHBuji
ropoAa) verstand man die Linie der Städte von NO nach SW, von Serpuchov,
Kasira bis Karacev und Kromy (seit 1595). Sie schützen seitens der Steppe
das Gebiet des Flusses Oka. Tala war unter diesen Städten die wichtigste.
Ueber Tula, Bolchov, Earacev fUhrte der Weg von Moskau nach Kiev. Die
Grenzstädte wie Bolchov, Krapivna, Orel sind erst unter Johann dem Schreck-
lichen befestigt worden. Die Beschreibungen der Steppenwege (Muiavskaja
Doroga, Svinaja von Ryljsk bis Bolchov, Bakajeva und Pachnutceva vom
Flusse Semj nordwärts) geben zugleich auch die Richtungen der Kolonisation
an. Im J. 1586 beschloss man, die Städte Livny und Vorone!^ in der Steppe
aufzubauen, dann folgten die Städte Oskol, Valujkii Belgorod, Carev-BorisoT.
Man verstand also unter der Steppe (üaie) das Gebiet zwischen Don, dem
oberen Lauf der Oka und den östlichen Nebenflüssen des Dniepr und der
Desna. Das Aufbauen der Stadt Garev-Borisov an der Mündung des Oskol in
Donec wurde im J. 1600 den Yojevoden Bogdan Bjeljskij und Alpherov an-
vertraut. Unter den Gehülfen des Bjeljskij wird hier auch Istoma Michnev
erwähnt, welcher im J. 1601 nach Vilno die Gesandtschaft des Saltykov be-
gleitete, wo ihm der Diener Petrnska entlaufen ist, um beim Lew Sapieha
Unterhalt zu suchen. Ausser der Grenzlandschaft (Ukrajna), der Steppe (Pole)
wird von Palicyn auch das Nordland (Severa) erwähnt. Diese Städte des Nord-
landes lagen längs der Flüsse Desna (Brjansk, Novgorod Severskij, Cemi-
gov, Morovesk; Starodub weiter abwärts zu der litauischen Grenze) und Semj
(Pntivlj, Rylsk). Gegen die Tataren war auch die Burg Sjevsk mit der Land-
schaft Eomarickaja gerichtet. Ueber Brjansk ging der Weg aus dem Nord-
lande einerseits nach Smolenak, andererseits nach Oka zu Earacev etc. Vgl.
A. Earaüiu, O^epicH KasoHH3ai]iiH und seine »MaTepiajuj« dazu. Dann »Kaara
EomnoH '^epiesR'L«; lipo«. SaHbiciOBCRiu , 06'bhch6h1s ki ATJiacy PyccKOH
HoiopiH; lipo*. njaTOHOBX, JSKMHIIp. 1898; vor Allem aber Prof. Bjeljajev's
Aufsätze und Materialien über den Grenzdienst (^TeHl;i 1846, Nr. 4) und «j
MocROBCKaro rocyAapciBa»^T. I.
Wer war PseadodemetrinB I. ? 5g]
freien, die an die Person des Herrn gebunden (xojonu); bald in die
Schichten der Omndholden, deren freier Uebergang ans einer Gmnd-
herrschaft in die andere zuerst durch das persönliche Verschulden ge-
hemmt, seit Theodor Ivanova auch durch die officielle Sanction der
thatsäohlichen Verhältnisse unterdrflckt wurde. Die Flucht blieb nun
als die einzige, wenngleich ungesetzliche Art des freien Herumziehens
der Bauern. Was P. von den begnadigten Verbrechern berichtet, galt
wohl auch fbr die Bauern und unfreien, welchen es gelungen war nach
der Steppe oder dem Nordlande zu entkommen^). Im inneren Russland
hat die Regierung des Theodor eine fflnQfthrige Veijähmngsfrist fllr die
der Flucht Schuldigen eingeführt. Die grosse Hungersnoth und die Ver-
folgung der alten Bojarenfamilien unter Boris haben die Auswanderung
nach der Grenze genährt. Dem Palicyn zufolge haben, unter der Regie-
rung des Theodor, Boris Oodnnov und andere russische Grossen massen-
haft freie, sogar begüterte Leute, besonders die schönsten und besten
Eriegsleute in ihre Häuser in den unfreien Dienst gezogen; dabei wur-
den die schriftlichen Einwilligungen in den Verlust der Freiheit den
Betreffenden bisweilen durch Gewalt oder List entlockt. Während der
grossen Hungersnoth haben Alle eingesehen, dass sie ein so grosses
Hausgesinde zu ernähren nicht würden im Stande sein und fingen an
ihren Unfreien die Freiheit zu geben. Andererseits liess Boris das Haus-
gesinde aller der Bojaren auflösen, welche er aus Argwohn verfolgte,
und verbot den anderen Bojaren, diese entlassenen Unfreien in ihren
Dienst aufzunehmen. Manche von diesen Dienern lebten von Rachsucht
gegen den Caren erfüllt und lauerten auf bessere Zeiten, bis sie der Tod
ereilte. Die Einen von ihnen ernährten sich durch irgend ein Hand-
werk, die Anderen lebten auf Kosten der Anverwandten. Viele aber,
die zum Eriegerleben Lust hatten, zogen in die Grenzfestungen. Mehr
als 20 Tausend solcher Abenteuerer nahmen später an den Wirren in
Kaluga und Tula Theil, ohne die seit früherher dort angesiedelten
Schelme mitzurechnen. Gerade diese Flüchtlinge in den Städten der
Severa und der Steppe Hessen sich am frühesten durch die Briefe des
PD. I. verfahren. Zu diesem Berichte des Palicyn können wir wohl die
Vermuthung hinzufügen, dass manche von den Dienern der verbannten
Bojaren, wie der ruinirte Kleinadel überhaupt, auch in den Klöstern
^) Vgl. den Beschlnss der Bojaren aus dem J. 1606: A Roiopue (Sinun
CB SHBOTBi vh AaJHUO utcia nrh sa Mockobckhx'b ropoAOVB na YspaiHU, a oh
yKpauHu B'L MocKOBCKie ropoxa etc. (Artbi Apx. 3Rcn. U, Nr. 40).
582 Engen äoepkin,
Unterhalt gefanden haben werden ^). Solche Mönche, wie z. B. Gregor
Otrepjey nnd Misail Povadin dienten wohl als Vermittler zwischen den
ELlöBtem nnd den Grenzbnrgen. Derselbe Palicyn hat auch die Sohnld
des Boris gegenüber der Oeistlichkeit und den Klöstern angegeben.
Boris soll während der Hnngersnoth befohlen haben, Boggen statt Wei-
zen für das Brod des hl. Abendmahls an die Kirchen ans den Krön-
speichern aasznthellen ; indessen liess er zu derselben Zeit Fremde,
welche aas den feindlichen Ländern erschienen, im üeberflasse schwel-
gen. Es hat also der Car die Aasländer mehr als die Oeistlichkeit ge-
ehrt 2). Speciell dem Kloster des hl. Sergij (Troickiga Layra) hat Boris
1) Es scheint, dass ausser Gregor Otrepjey and Misail Poyadin aaoh Bar-
laam Jackij zu den Bojarensöhnen gehörte, welche unter Mönchen Zuflucht
gefanden. Herr StoroSey hat aus den Dokumenten des Moskauer Archiys
des Justizministeriums die »Dekaden a (Desjatni), d« w. s. die Listen der neu
angeworbenen Bojarensöhne aus dem XVI. Jabrh. publicirt, wo neben der
Familie Otrepjey auch die der Jackie erscheinen. Es ist die Liste fUr die
Stadt Kolomna aus dem J. 1577 (GuHcaHie AoKyMeHioB'B h EyicarB Mock. Apz.
Mhh. lOcTiuiH, KH. VIIIJ. Hier kommen folgende Bojarensöhne sammt ihren
Bürgen yor : a) Gregor Romanoylo Jackij, fttr ihn bürgen Baten Jackij und
Dayid Gomzjakoy ; b) Andrej Ignatjeyio Otrepjey, in den Dienst getreten aus
Uglio, fttr seinen Dienst bürgen Smirnoj und Bogdan Otrepjeyy (ohne Zweifel
der Vater und der Ohm des Griska); c) Smirnoj Otrepjey, Sohn desZamjatnja,
dient als Centurio bei den Strelitzen, fttr ihn bürgen Michail Koltoyskoj, lyan
Koltoyskoj ; d) Bogdan Otrepjey, Sohn des Zamjatnja, für seinen Dienst bürgen
Ivan Koltoyskoj I Smirnoj Zamjatnin Otrepjey; e) Tichon Otrepjey, Sohn des
Zamjatnja, für seinen Dienst bürgen Smirnoj und Bogdan Otrepjeyy, Bogdan
Gk>mzjakoy. A^f^ftHoi^d ist dieser gemeinsame Dienst der Otrepjeyy, Jackie
und Koltoyskie. Dem Geschlechte der Koltoyskie gehörte ja die yierte Frau
Johanns des Schrecklichen, welche Ji>i8 zum Jahre 1626 in einem Kloster zu
Tichyin gelebt hat. Unter den neuangeworbenen Bojarensöhnen aus dem
J. 1577 kommen wiederum an der Seite der Koltoyskie und Gomzjakoyy auch
drei Dubenskie yor — Peter, Matthäus, Alexander. Nun müssen wir uns daran
erinnern, dass die fünf Brüder Ghripunoyy, welche die Echtheit des D. be-
zeugt, in der Urkunde des Königs Sigismund III. als Ohripunoyy-Dubenskie
bezeichnet werden. Ghripunoyy kann als Patronymikon eines Zweiges der
Dubenskie aufgefasst werden, da Chripun als ein yon der Kirche keinesw^s
anerkannter Name — ähnlich wie Bogdan, Zamjatnja, Smirnoj — yorkommt
(Artu Hot. I, Nr. 245, XpHnyHi). Indessen kommt auch der Familienname
Ghripunoyy allein vor (der StrelitzenhäuptUng Ghrip. in »üacn. Kh., kbx. Kku.
Teorp. Otfm.«). In diesen Dekaden (Desjatni) aus der Regierungszeit Johanns
des Schrecklichen glauben wir die ältere Generation aller der Männer zu fin-
den, welche die ersten Schritte des PD I. befördert haben.
^) ÄV>6jL HHOaBBIVHKROB'B Ua^C CSfl]It6HH0Ha^adECIByiDIIlKr&.
Wer war PseudodemetriuB I. ? 583
Leid gethan : er war der erste, welcher ans dem Schatze des Klosters
15400 Rnhel für seine Eriegslente gehorgt; später hat PD aas dem-
selben Schatze 30000 Rnbel, der Gar §ajskij 18355 Rubel entlehnt.
Die systematische Kolonisation der Grenzbnrgen durch Lente, die sich
in die neuen Verhältnisse im Centrnm nicht haben fügen wollen, hat
allmählich die Massen angehäuft, welche in der Wirrenzeit gegen die
Hauptstadt gezogen ; die Verfolgung, so Boris aus dynastischen Zielen
gegen andere Bojarenfamilien eingeleitet, hat diesen Massen das Ziel
und die Ftthrer gegeben. So lautet die Philosophie der Wirrenzeit
beim Palicyn. Die neueren Forschungen über die Kolonisation des mitt-
leren Russlands bestätigen seine allgemeine Auffassung.
Der Bericht des Avraamij Palicyn über die neue Sitte, welche
unter der Regierung des Caren Theodor nach dem Beispiele des Boris
OodunoY bei den Bojaren Wurzel gefasst hat, einen ganzen Hof von
Dienern zu halten, wird durch eine Reihe Ton Akten für die Zeit be-
stätigt. Als Boris im J. 1590 den Gesandten aus Persien eine Audienz
geben sollte, da wurden sie von seinem Hofmeister (Dvoreckij) und
Schatzmeister (KaznaSej) empfangen. Bei der Audienz der persischen
Gesandten im J. 1593 werden am Hofe des Boris seine Trabanten (Pri-
stava), Dolmetscher und eine Reihe von Dienern (unter ihnen auch Edel-
leute) erwähnt. (H. BecejoBciciH, IlaMHTHHKH GHomeniH crh üepcien,
T. I.) Nun lässt sich unter den freien Leuten der Zeit die Tendenz be-
merken in den unfreien Dienst zu treten, um sich Lebensunterhalt zu
▼erschaffen. Die Regierung des Caren Theodor, d. w. s. des KonjuSij
(Marschall) Boris Godunoy, verfolgte ihrerseits die Tendenz, den vor-
übergehenden Dienst eines solchen freien Mannes in eine lebenslange
Knechtschaft zu verwandeln. So hat die Verordnung vom 5. Februar
1597 bestimmt, dass einerseits alle die Knechte, welche schriftlich in
die vorübergehende Knechtschaft eingewilligt haben (KadajELHiie xojomi),
von nun an auf Lebenszeit an ihre Herren gebunden sein sollen; anderer-
seits, dass alle freie Leute, welche auch ohne schriftliche Einwilligung
über 6 Monate l^ei einem Herren gedient haben, weiterhin auch gegen
ihren Willen durch eine Urkunde an den Herrn gebunden sein sollen,
dafür, dass er ihnen Nahrung ' und Bekleidung gegeben hat. Weniger
sicher war die Politik der Regierung gegenüber den Bauern. Nach der
Verordnung des Caren Theodor und dem ürtheile der Bojaren aus dem
J. 1597 s.n. wurde eine gewisse Frist für alleProceese der Herren gegen
die ihnen entlaufenen Bauern bestimmt; man durfte nur diejenigen
584 Engen iioepkin,
Banern znrückverlaDgen, welche seit dem J. 1592 s.n. die Flneht ergriffen
haben ^). Nnn entsteht aber die Frage, ob nicht ein Grundherr die Bauern
einem anderen Grundherrn wegnehmen durfte, indem er dabei ihre
Schulden bezahlte. Eine Verordnung Yom 1 1. November des J. 1601 B.n.
beweist, dass seit dem Ende des XVI. Jahrh. auch derartiges üeber-
führen der verschuldeten Bauern im Spätherbste von der Regierung im
allgemeinen als etwas Ungesetzliches aufgefasst wurde und dass nur
für gewisse priveligirte Gruppen von Grundherren Ausnahmen gemacht
wurden. Die Verordnung vom 11/21. November bestimmt eben, welche
Gruppen von Edelleuten (vor Allem die in dem Hof dienste oder beim
Hohen Klerus angestellten Edelleute) im Spfttherbste des J. 1601 ein-
ander die Bauern (nicht über 2 Bauern aus einer Grundherrschaft einem
und demselben Grundherrn) wegführen dürfen. Die neueren Forscher
über die Kolonisation haben auch den Unterschied in der socialen Orga-
nisation zwischen den Burgen der Steppe und des inneren Russianda
hervorgehoben. Die privaten Ansiedelungen einzelner unternehmender
Familien gingen hier Hand in Hand mit der Regierungskolonisation,
welche hauptsächlich den Zweck verfolgte, durch genügend bevölkerte
Burgen die Grenze gegen die Tataren zu schützen. Die Besatzung der
Burg entstand also theils durch die Uebersiedelung der Kiiegsleute aus
dem Inneren, theils durch die Anwerbung der freien Ansiedler und
Flüchtlinge. Während die wirthschaftliche Organisation der älteren
Burgen im Gebiete der Oka auf dem System der Grundherrschaften,
welche als Beneficien unter der Besatzung ausgetheilt wurden, und der
Arbeit der grundholden Bauern beruht, trifft man in den neueren Städten
der Steppe eine specielle Schichtung der Kriegsleute, die s. g. »ange-
worbenen Leute« — Strelitzen, Kosaken, Wegführer, Wächter, be-
rittene Boten u. d. g. Es sind Krieger und Bauern zu gleicher Zeit ; sie
bebauen aber keineswegs die Aecker eines Grundherrn, sondern bald
ihre eigenen commendirten Ansiedelungen (H)pTu) oder ihnen cessirte
Landstflcke, bald das Kronland. Da die Moskauerregierung seit Theodor
bemüht war, den kleineren Grundherrschaften die Arbeitskraft dadurch
sicher zu stellen, dass sie das freie Herumziehen uud Herumführen der
Bauern als etwas Ungesetzliches aufzufassen begann, so konnten die
freien Hintersassen ihre Selbständigkeit nur durch die Flucht an die
1) Für das J. 7101 (Sept. 1592 — Sept. 93) wird die Ausführung eines
Reiohsgrundbuches angenommen.
Wer war PseiidodemetriaB L? 585
Grenze und das Einreihen nnter die i> Angeworbenen« erretten. Diese
Orenzer haben wohl den PD bis naeh Eromy geleitet. Die Ansemander-
Setzungen des Palieyn finden auch in einem Beschlüsse des Bojaren-
rathes ans der Regiernng PD I. (1. Febmar 1606) genUgende Bestftti-
gnng. Es handelt sich hier nämlich nm die flflchtigen Banem, ftr
deren Schuld auch dieser Beschluss im allgemeinen eine fftnQfthrige Ver-
jährungsfrist annimmt; specielle Verordnungen werden nur in Bezug
auf diejenigen Bauern getroffen, welche ihren Grundherren während der
Hungersjahre Sept. 1601 — Sept. 1603 s.u. entlaufen waren. Die wohl-
habenden Bauern, welche in diesen Jahren mit gewisser Habe entlaufen
und neue Grundherren gefunden, obgleich sie die Hungersnoth auch bei
den alten hätten aushalten können, mussten ihren früheren Herren wieder
zugestellt werden ; die armen Bauern dagegen, so aus Mangel an Nahrung
ihren alten Grundherren entlaufen waren, durften auch weiterhin bei
ihren neuen Herren verbleiben, welche sie während der Hunger^ahre
ernährt haben. Bei der Burg Pntivl näherten sich die Grenzen der
Reiche Moskau und Polen. Zwischen diesen Grenzen, mit der Spitze
gegen Putivl gerichtet, hat sich ein Dreieck der Steppe gebildet, dessen
Besitz noch unentschieden blieb. Hier an den üfem des Flusses Sula
begegneten sich die beiden kolonisatorischen Bewegungen — polni*
scherseits die aristokratische Kolonisation der Wiszniewiecki, von Seiten
Moskaus — die kriegerischen, emporstrebenden Elemente, welche sich
in die neue sociale Organisation des Oentrums nicht haben fttgen lassen.
Es gelang einem von den Wiszniewiecki, diese russischen Elemente um
den Namen des Pseudodemetrius zusammenzurotten und gegen die Haupt-
stadt Moskau zurflckzutreiben. Von Wichtigkeit ist es, dass, während
PD I. den Weg nach Moskau Aber das Nordland und die Grenze (Öer-
nigov, Novgorod Severskij, Sjevsk, Eromy, Orel, Tula, Serpuchov) ge-
wählt hat, die Städte der Steppe, welche seitwärts lagen, sich ihm von
selbst ergaben (Bjelgorod, Oskol, Valujki, Borisov, Voronei u. s. w.)*).
1) In der Severa war, nach Miklaievskij, der vorherrschende Typus der
Wirthschaft nicht die grosse Grondherrschaft eines Bojaren, sondern die
kleinen Beneficien der Bojarensöhne und der angeworbenen Leute — eines
Grenzers (Stanionik, berittene, zu bestimmter Zeit an bestimmten Strecken
der Grenze scharenweise herumreisende Wache), eines Wegweisers (Vol),
eines Kosaken. Auch die BojarensOhne erscheinen hier nicht speciell als der
Geburtsadel, sondern werden vielmehr auch aus den Öerkasen, Kosaken, so-
gar Bauern angeworben und belehnt Sogar die grosseren Grundherrschaften
586 Engen Soepkin,
Ausser Djak Timotheev und Palicyn gibt auch die zweite Redak-
tion des Chronographen eine originelle Auffassung der Begebenheiten
pflegten hier die freien Kosaken vom Dniepr (uerkasy) heranzuziehen. Da die
Moskauer Begierang dieser freizügigen Bevölkerung zur Bewachung der
Grenzen bedurfte, so war sie noch zu Ende des XVTI. Jahrhunderts f;egen
die erzwungene Verwandlung der Cerkasy in grundholde Bauern gestimmt.
(Siehe HuK^ameBCKiH, Kx HcropiH xosKUCTBeHHaro öuxa MocKOBCRaro Tocy-
AapCTBft, ^. I.)
Die Verordnung an Bogdan Bjeljskij über die Gründung der Stadt Bo-
risov ist unseres Wissens die einzige gedruckte Urkunde aus dem XVI. Jahrh^
welche uns das reciproque Verhältniss zwischen der Regierung und den freien
Ansiedlern in der Steppe klar schildern. Bjeljskij und Alpherov sollten die
Atamanen und Kosaken aus dem Gebiete der Flüsse Donec und Oskol ein-
laden, sie im Namen des Garen mit ihren freien Siedeleien (h>ptbi) belehnen
und ein Kataster über diese nothgedrungen commendirten Güter nach Mos-
kau sendeut Für diese Belehnung sollten die Atamanen und Kosaken zwar
keine Steuern entrichten, waren indessen verpflichtet, einen Grenzdienst gegen
die Tataren und die Cerkasy zu leisten (wohl gegen diejenigen Öerkasy,
welche sich den Vertretern der russischen Regierung nicht unterwarfen und
in der Steppe ein freies Räuberleben führten). Prof. Bagalej (OvepKH varb
HcTopiH KojoHHsaulH, T. I, S. 132) schreibt nur eine ganz geringe Bedeutung
den Flüchtlingen (Czoaubi) bei der Kolonisation der Steppe zu und berück-
sichtigt weder die Verordnungen über die Bauern aus den JJ. 1597 und 1606,
noch das Zeugniss des Palicyn. Er glaubt sogar, dass die Moskauer Regie-
rung gegen die in die Steppe fliehenden Bauern und Kriegsleute immer
strenge Repressalien angewandt hätte, er kann aber dafür nur für die Zeit
der Romanovy Belege anführen. Unserer Meinung nach hat Prof. Bagalej
eben deshalb den Palicyn unterschätzt, dass er keinen Unterschied zwischen
der Regierungspolitik vor und nach den Wirren gemacht. Wir glauben
keineswegs daran, dass es irgend ein positives Gesetz unter der Regierung
Johanns des Sehr, oder des Theodor gegeben, wonach die flüchtigen Ver-
brecher (für einen Bauern oder Knecht war eben die Flucht selbst ein Ver-
brechen) an der Grenze begnadigt werden sollen. Die Praxis der Regierung,
diesen Flüchtlingen ihre Ansiedelungen zu gönnen und sie sogar zum Staate-
dienste heranzuziehen, ging indesen im Stillen auf dasselbe hinaus. Die Ver-
ordnung aus dem J. 1597 hat alle die Bauern, so vor dem J. 1592 s. n. ihren Her-
ren entflohen, für frei anerkannt und wurde später immer als ein Gesetz über
fUuQährige Verjährungsfrist aufgefasst. So ein Verjährungsgesetz bedeutete
beinahe dasselbe, was Palicyn unter dem Brauche der Garen vom Johann bis zum
Boris gemeint hat (uocjiiAOBa sce uapL EopacB b'b HiiuixB spaBizi uapio HBany).
In allen Anschauungen des Palicyn von der kühnen Kolonisations- und Grens-
Politik hören wir die Stimme eines Vertreters des klösterlichen Grossgrund-
besitzes, welcher durch die Flucht der Arbeitskräfte Schaden gelitten. Auch
die Regierung selbst wurde nach den Wirren unter den Romanovy etwas
Wer war PseadodemetriuB I.? 587
der Wirrenzeit von einem Zeitgenossen. Die erste rassische Redaktion
des Chronographen, welche mit dem Falle Konstantinopels endet, wurde
im J. 1 6 1 7 vervollstflndigt nnd bis auf die Thronbesteigung des Caren
Michail Romanov fortgesetzt; diese Bearbeitung ist als die zweite Re-
daktion des Chronographen bekannt. Vom J. 1534 an und bis zu Ende
bildet der Chronograph ein originelles Ganzes, das einem unbekannten
Verfasser, wahrscheinlich dem Redakteur der zweiten Redaktion, an*
gehört^}. An faktischen Nachrichten ist diese Quelle ziemlich arm, be^
geht im Einzelnen Fehler ; um so wichtiger ist hier die allgemeine Auf-
fassung der Wirrenzeit. Im März 1584 stirbt Johann der Schreckliche,
nachdem er den Bojaren Nikita RomanoviS Jurjev und den Fürsten
Ivan PetroviS äujskij seinem Sohne Theodor zu Rathgebern bestimmt
hatte; nach dem Tode des Nikita R. ersetzt dann Boris Oodunov seinen
Platz beim Caren. Im J. 1585 s. v. (wahrscheinlich September — De-
cember 1584) theilt Car Theodor die Stadt UgliS seinem Bruder Demo-
trius als Apanage zu ; man behauptete, dass er es auf Anstiften des
Boris verordnet hätte. Im J. 1586 treffen der Metropolit von Moskau
Dionysius, der Fttrst Ivan PetroviS äujsk^ und andere Bojaren und so-
gar ELaufleute der Stadt die üebereinkunft, den Caren zu bitten, seine
kinderlose Frau Irina Godunova in ein Kloster zu schicken und eine
andere Ehe einzugehen. Boris kommt ihnen zuvor und erwirkt, dass
Dionysius selbst ins Kloster eingesperrt, statt seiner aber Hieb zum
Metropoliten erhoben wird. In derselben Zeit lässt er den Fflrsten Iv.
Petr. äujskij sammt den Brüdern in eine entlegene Gegend verbannen
und dort ermorden. Im J. 1591 wurde CareviS D. zu Ugli( von KaSa-
lov und Daniil Bitjagovskij ermordert; viele sprachen^) davon, dass
CareviS auf Befehl des Boris umgebracht worden war. Im Januar 1598
entschläft Car Theodor. Vor seinem Tode vermacht er das Reich dem
furchtsamer in ihrer Praxis an der Grenze. Im Allgemeinen hat Prof.Bagalej
darin Recht, dass auch die Kolonisation vor den Wirren hauptsächlich vom
Staate geleitet wurde, aber es war eben eine Staatskolonisation durch Staats-
gefährliche Elemente, welche von gewisser Biegsamkeit und Kühnheit der
Regierung zeugt. Dagegen lässt Prof. Bagalej die Flüchtlinge aus dem pol-
nischen Kleinrussland (die Dnieprkosaken oder Cerkasy) einen grossen An-
theil an der Kolonisation der Steppe nehmen.
<) Vgl. Andrej Popov, OOeop'L XpoHorpaftosx PyccKOK Pe^aRniH, 1 — 2,
dazu sein >H86ophhr'b«.
') Mhosk xe rjiaroüiaxy hko exe y6ieB'B KapeBXVB noBOjieHiein Mogxob-
CKaro öoxiipHHa Eopaca ToAyHOBa.
588 Engen äoepkin»
Sohne seines Oheims, dem Theodor NikitiS Romanov-Jorjev nnd gibt
ihm den Segen znm Hemohen. Durch die List des Eoiynsij Boris Qo*
dunov ist dieser indessen um die Krone gekommen nnd ins ünglflck
gestürzt worden. Boris besteigt nun selbst den Thron. Im J. 1600 —
1601 (7109) ersinnen gewisse böse Männer eine Verlenmdnng gegen
den nnsohnldigen Bojaren Theodor NikitiS; man behauptete^), dass es
auf Befehl des Caren Boris geschehen ist. Denn Boris trachtete seiner
Dynastie den Thron von Moskau sicherzustellen und entschloss sich
deshalb den Zweig des früheren Carengesohlechts, die Bomanovy, aus-
zurotten. Er Iftsst also den Theodor NikitiS im Kloster des Antonii an
der Sija zum Mönche scheeren ; seine Brflder und seinen Sohn Michail
schickt er auch in die Verbannung 2). Aus Neid gegen Andere hat
Boris überhaupt sein Ohr allzu gerne den Verleumdern der Unschuld
gereicht und dadurch sich den Zorn aller leitenden Männer Busslands
zugezogen'). Dieser Zorn der leitenden Würdenträger hat die Stürme
der Empörung und der Wirren gegen den Caren angefacht Nach den
Wirren wird nun Michail Romanov zum Caren gewählt, als Neffe der
Garin Anastasja und Sohn desjenigen Theodor Nikitii, welcher Tom
Garen Theodor lyanoviS zum Herrschen den Segen erhalten hatte. So
lautet die Philosophie der Wirrenzeit beim Fortsetzer des Chrono-
graphen : Boris hat einem Romanov die Krone gestohlen, hat aus dyna-
stischen Bücksichten die alten Bojarenfamilien argwöhnisch beaufsich-
tigt und yerfolgt und dadurch die Wirren und die Fälschung eines
Demetrius heryorgerufen. Wir dürfen indessen nicht vergessen , dass
diese Auffassung bereits unter der Regierung der Romanovy nieder-
geschrieben ist.
Die russischen Annalen und Sagen behaupten ziemlich einstimmig,
dass PD I. erst infolge der Verfolgungen des Boris und zwar nach den
1) iKOdiaHieirB xe H noB&iiHlein i^ap^ EopHca rjiarasB>r& öuth ceiiy co-
CTSBBjreHix) . . .
^) Ei 6o oicy Mucjn on c^mohh CBoero BOKapcTBSTH na npecxoJTB uapcxBa
PycRaro h cero pa^H i^apBCRis nopox&i b%tbb coRpyniBTH homucju.
3) Ame 6u He lepHie saBHCTsuA zzo6hi nviTh Ro6yoKkTejm loro noMpa^n • .
cero paxv h orB KjeBemymHX'i» niEia. HSBitii He^ecTHBaro ooBiTa Ha HenoBXH-
HLiH FB xpocTB cyeTHo upiKMame ■ cero paAH Ha cü orB Bcizi PycBCsiü seiux
VHHOHa^ajiHHKOB'B HeroxoBaHle naBexo. H MHornfB HanacTHBixB BOüiffB uoöypBiM
B%TpB BOCTama Ha hb h xoÖpoKvfeTyHiyH) ero i^apcTsa Rpacory BHesauy HHUoxama.
Auf diesem Texte des Chronographen beruht die Auf&ssung beim Prof. Ser-
gej Solovjev.
Wer war PBoadodemetriiiB I. ? 589
Hungersjahreii ersohienen ist. Nur Margeret allein setzt klar eine ent-
gegengesetzte Auf&ssnng auseinander, nämlioh dass diese Verfolgungs-
sucht sich des Boris erst nach den ersten Oerflchten vom PD aus den
JJ. 1599— 1600 bemächtigt hatte i) ; die Nachrichten beim Massa stehen
1) Die officiellen Ansichten über die Wirrenzeit finden wir unter der
Regierung des Garen Michail Bomanoy in der Urkunde Tom Juni 1619 von
der Ernennung des Philaret zum Patriarchen (jton. ri Artami HcTopH^., U,
Nr. 76). Es wird hier einerseits anerkannt, dass Boris unter der Begierung
des Theodor viel Mtthe und Sorge den Geschäften des Beiches gewidmet hat,
andererseits aber ihm vorgeworfen, dass er gegen den Adel, sowohl gegen
die ihm gleichen, als auch gegen diejenigen, welche in der Synklete über ihm
gestanden, Hass gefasst hat und nach und nach Viele yon ihnen der Macht
beraubt und verbannt; auf solche Weise hat er sich zu der Machtstellung
eines Caren emporgeschwungen, so dass ihm eigentlich nur noch der Titel des
Garen fehlte (ro ÖJiaropoAHUMx se h cpaÖHbiM'i TOMy h b-b caHrjiiiTi upeBoczo-
AAiQHM'B coBepmoHEy H6HaBHCTB üiiTame . . . BC^MH o6pa8Bi noRasyncfl, ako aapB
H caHOAep»:eii'B, toüe) HMeseM'B AapB ne sBamecn) ; er hat auch den Garevic De-
metrius in Uglic zu ermorden befohlen. Der Gar Theodor ist gestorben, ohne
einen Nachkommen zurttckzulassen. Seine Frau, die Garin Irina, hat es ver-
schmäht, sich an den Gütern dieser Welt zu freuen und hat den Schleier ge-
nommen (se BOGXOTt MipCRHMH BCCeJlHTHCJI, HO BCH OCTtkBÄb BO HHOVCCRafl 0(Ue-
^ec)i). Da hat Boris das Zepter ergriffen, theils weil er infolge der Gewalt,
die er schon früher ausgeübt, von Vielen gefürchtet, theils weil er von Eini-
gen darum auch gebeten wurde (y6o no BJiacrx, loxe npexe HM^me b nciurb
CTpames'B XBÄSimecsif obo xe h uoMOuni-B orB HiaarB). Anfangs ist er als ein
milder Herr aufgetreten, allmählich aber kam der Hass, so er im Herzen ver-
hehlte, zum Vorschein. Er gab nun seinem Zorne freien Lauf und wollte
Niemanden zum Bathgeber oder Mithelfer bei der Begierung haben. Den
Anverwandten des Garen Theodor, nämlich dem Theodor Nikiti^ Bomanov
und seinen Brüdern, hat er sich anfangs freundlich genähert und hat ihnen
den Eid geschworen, sie als Brüder und Mithelfer bei der Begierung zu be-
handeln, kurz darauf ist er so heftig aufgebraust, dass er sie unschuldig vei^
bannte, den Leiden und dem Tode preisgab (a cbmi» y($o acnepaa jh>6obho npie-
SKHacA H RJiaTBy cxpamHy xiicB coTBopa, uro 6paTiK> h uapcTsiiD noMoraxejia
HM^TH noMftjii-xe aao CROBpaAa Bocaani, HanpacHueM'B BaTo^eaiöM'B crx'b ocyxa
H cMopTH öoiriteHeai npexacTB). Es ist nicht zu entscheiden, ob er dadurch das
Garengeschlecht auszurotten strebte, um sich und seine Kinder als die einzigen
Erben hervorzuheben ; oder hat ihm vielleicht Jemand kund gethan, dass seine
Begierung von kurzer Dauer sein würde, und da hat er sich Vielen schrecklich
gezeigt, hat sich vor Vielen auch selbst gefürchtet, den Adel gekränkt und
deshalb nicht nur den Bojaren, sondern auch dem ganzen Volke verhasst ge-
worden. (Ge xe coTBopa, ae viwh Roero paAH oöpasa, tum y6o Bocxoii ao Roaaa
HCTpeÖETB uapcRia cpoAHHRH, u ce6e eAHaaro a vaA^ cborx'b aacaiAaiRa noaa-
590 Engen äcepUn,
sehr nahe zn der Anffassnng des Franzosen. Wir sind deshalb Ter-
pflichtet, die Beziehnngen zwischen den Godnnovy nnd den Bomanovy
in den JJ. 1598 — 1605 Schritt fttr Schritt einer genauen Prflfiing sn
unterwerfen. Wir machen mit den officiellen Akten den Anfang. Das
Rundschreiben des Patriarchen Hieb (vom 15. März s. y. 1598) be-
richtet Folgendes ^) : Nach dem Tode des Caren Theodor hatte die Garin
Irina keine Lust über ihr Reich zu herrschen, legte das Gelttbde ab den
Schleier zu nehmen und ward am 9. Tage nach dem Tode des Gemahlfl,
nämlich am 15. Januar 1598, Nonne in dem Neuen Fräuleinkloster (No-
Y^j Djevicij Monastyrj) in Moskau. Da begann der Patriarch Hieb, die
Synkletos des Garen und die ganze Masse des russischen Volkes die
Garin zu bitten, dass sie ihrem Bruder Boris den Segen zam Herrschen
gebe. Die Nonne Alexandra (Irina) hat aber diese Bitte ausgeschlagen,
ebenso wie auch Boris selbst. Ausftthrlicher werden dieselben Ereignisse
in der Wahlurkunde des Garen Boris vom 1. August 1598 erzählt 2).
Hier wird geradezu hervorgehoben, dass Gar Theodor seine Frau Irina
auf dem Throne zurückgelassen hätte. Da Irina den Schleier genom-
men und sowohl sie selbst, als auch ihr Bruder Boris ausgeschlagen
haben, das Zepter zu führen, so beschloss Hieb den 40sten Tag nach dem
Tode des Garen Theodor abzuwarten. Er Hess also auf den 17. Februar
die ganze H. Synode, die Bojaren, den Dienstadel, die Beamten und
überhaupt die Ghristen aller Städte des Reiches Russland zu einem
Reichstage berufen. Er kündigt diesem Reichstage den Beschluss der
H. Synode, der Bojaren, des Hofadels und aller Einwohner der Stadt
saTH, UH cero paAH, ako otl h^rhz'l ysiA^BX, aro Majro speifeHHO xomen 6uth
Toro iiapcTBie, h otl EenpenoAOÖna MHinifl MHorsMi CTpameHx noicasacii, or& iiho-
TExrh m.e h caH'B 6oxmQCSi h 6<KaropoAHUA «tio ocRopÖJKflme; h cero paiQi ae tovIb»
OTX ÖoxKp'L, HO H OTO BCOFO HapoAy HeHaBBAHMi» 6uBame«.) Die erste Vermuthang
dieser wichtigen Belegstelle über den Grund der Verfolgungen des Boris
entspricht der Aaffassung der zweiten Redaktion des Chronographen, die
zweite, viel umständlicher ausgeführte Vermuthung steht, unserer Meinung
nach, der Schilderung des Margeret ziemlich nahe. Denn die Kunde, die
Boris erhalten, dass seine Regierung nur kurz dauern würde, beziehen wir
nicht auf eine Prophezeiung, sondern auf eine Anzeige, dass Demetrius noch
am Leben wäre. In welchem hohen Grade die Urkunde eine unangenehme
Erinnerung zn verschweigen verstand, sieht man aus dem Umstände, dass sie
den Philaret Romanov erst unter V. äujskij Metropolit von Rostov werden
lässt.
t) A.A.3. 8) A.A.3.
Wer war Pseadodemetrins I. ? 591
Moskau an. Niemanden ausser Boris zu wählen. Der ganze Beichstag
willigte seinerseits in diesen Beschluss ein. Man besohloss, dem Boris
noch einmal die Krone anzubieten. Man berief sich dabei auf den Willen
des verstorbenen Caren Johann, welcher seine Kinder Theodor und Irina
der Obhut des Boris anvertraut h&tte. Montag den 20. Februar und
Dienstag den 21. sind die Vertreter der Stände Russlands mit dem Pa-
triarchen an der Spitze in einer feierlichen Procession unter Vortragung
der hl. wunderthätigen Bilder nach dem Neuen Fräuleinkloster zu Boris
und Irina gezogen. Hiob war bereit, im äussersten Falle den Boris mit
dem Banne anzudrohen, sogar seine Würde niederzulegen. Da haben
endlich Boris und Irina sich in den Willen Oottes gefügt. Am 26. Febr.
ist Boris nach Moskau zurückgekehrt. Erst den 3. Sept. ward Boris
zum Caren gekrönt; nach der damaligen Zeitrechnung war es bereits
das J. 1599. Die officielle Tradition des Hiob-Boris lautete also: Car
Theodor überlässt den Thron seiner Frau Irina. Sie herrscht das J. 1598 ;
seit 1599 (Sept. 1598) beginnt die Regierung des Boris. Diese Tradi-
tion treffen wir in den Rangregistern. In einem Rangregister werden
sogar Adelige aufgezählt, welche unter der Regierung der Carin Irina
in die Synkletos aufgenommen sind^]. Einem anderen Rangregister
zufolge hat der Fürst Trubeckoj an die Garin Alexandra aus Smolensk
geschrieben und über den Fürsten Oolicyn geklagt, dass er sich mit
ihm in keine Geschäfte einlassen wolle. Auf Befehl der Carin hätten
die Bojaren Mstislavskij mit Kollegen die Sache dem Patriarchen Hiob
angezeigt Aus Pskov langte eine ähnliche Klage gegen den Fürsten
Bujnosov an. Da hat Hiob den ungehorsamen Vojevoden geschrieben,
sie sollten den Befehlen der Carin gehorchen ; die Vojevoden fuhren in-
dessen fort sich dagegen zu sträuben. Diese Befehle der Carin waren
wohl eine reine Fiktion gewesen ^] . Aus den Rangregistem ersieht man,
dass weder die Romanovy, noch Bogdan Bjelskij bei der Thronbestei-
gung des Boris ihre Stellung am Hofe eingebüsst haben. Theodor Ro-
manov und Boris Cerkaskij behielten ihren Platz unter den Bojaren der
Synkletos. Alexander Romanov-Jurjev und Fürst Vasilij Öerkaskij
wurden im J. 1599 st. v. unter die Bojaren, Michail Romanov-Jurjev
und Bogdan Bjelskij unter die Okolni&ie aufgenommen. Erst gegen den
Herbst des J. 1600 beginnt die Ungnade des Bjelskij, darauf des Vasilij
1) HoBHROB'L, Pocc. Bhbj., XX, IIoaKy^KROH cnHCOR'B Eoxpi.
MI
2} CxHÖHpCKill GöOpHEKl, P^A*
592 Engen äSepkin,
dSelkaloY, der Bomanoyy^). Seit dem Sommer 1602^ also knrx Tor
dem Erseheinen des PD, begann Boris das Elend der BomanoYj sn mil-
1} Da der Auftrag des Boris an Bogdan Beljskij, die Stadt Garev-Bori-
soy anfsabanen, in den Monat Jnli 1599 füllt, so darf man die Ungnade des
Vojeyoden kaum vor dem Sommer des J. 1600 ansetzen. Die officiellen Akten
über die Verbannung der Romanovy beginnen erst mit dem Sommer 1601, wo
anch Vasilij Soelkalov aus der Kanzlei fdr Auswärtige Angelegenheiten Ter-
schwindet. Die Urkunde vom 30. Juni 1601 kündigt die Verbannung des Ivan
Romanov nach der Stadt Pelymj in Sibirien an auf Qmnd eines Urtheils-
spruches der Bojaren und Befehles des Garen Boris. Die Urkunden vom
1. Juli 1601 handeln von der Verbannung der Vasilij Romanov nach Jaransk
und des Fürsten Ivan, Borisovio Cerkaskij nach Malmyi. Die Bojaren haben
auch dasUrtheil gefällt, die Schwiegermutter des Theodor Romanov, die Marja
^stova, in ein Kloster einzusperren. Die Urkunde vom 3. Juli 1601 befiehlt
dem Veljaminov und dem Zinovjev, die Maija äestova zu Geboksaiy in dem
Nikoljskij-Frauenkloster als Nonne einkleiden zu lassen. Am 2. August fand
diese aufgezwungene Nonnenweihe statt Am 9. August 1601 erging der Be-
fehl, den Vasilij Romanov aus Jaransk nach Pelymj zu führen. Der Befehl
vom 21. Nov. 1601 lautete, dass beide Brüder Romanovy, Ivan und Vasilij, in
der Stadt Pelyng in einem Hause zusammen lel)en sollten. Den 15. Febr. 1602
ist Vasilg Romanov in Pelymj infolge der anstrengenden Reise in Ketten und
einer Erkältung gestorben. Am 28. März 1602 erging der Befehl, den Ivan R.
aus Pelymj nach Ufa zu bringen. Im Mai 1602 begnadigte der Gar Boris den
Fürsten Ivan Gerkasky und seinen Oheim Ivan R. ; beide sollten in NiSnij-
Novgorod in den Garendienst treten und dort immer noch unter Aufsieht
leben (28. Mai 1602). Im Sept des J. 1602 gestattete Boris dem Ivan R. und
I. Gerkaskij, nach Moskau zurückzukehren (17. Sept) ; zu gleicher Zeit erging
der Befehl, die nach dem Weissen See (Beloozero) Verbannten, nämlich die
Frau des Fürsten Boris Öerkaskij mit Tochter, die Frau des Alexander Ro-
manov sammt den Kindern, die unverheirathete Schwester der Romanovy,
Nastasja, die Kinder des Theodor R. (Sohn und Tochter), nach dem Bezirke
Jurjev-Polskij auf die Güter des Theodor R. zu entlassen. Am 17. Nov. 7111
(1602) waren die beiden Begnadigten, Ivan R. und I. Öerkaskij, 75 Werst von
Moskau auf dem Wege nach der Hauptstadt. Im December 1602 erging nach
dem Antoniikloster an der Sija der Befehl, dem MOnche Philaret R zu erlau-
ben, in der Kirche auf dem Ghore zu stehen ; man sollte nur aufpassen, dass
er sich weder mit den dortigen Einwohnern, noch mit den ankommenden
Fremden in ein Gespräch einlasse. Im Februra 1605, als PD I. bereits auf
russischem Boden stand, wird Philaret auf einmal arrogant; da werden im
März seinem Wächter die Befehle eingeschärft, keinen Fremden an den Ge-
fangenen zuzulassen und aufeupassen, dass er selbst ja nicht die Flucht er-
greife.
In der Ghronologie der Processe des Bogdan BjeUskij und der Brüder
Romanovy folgen die russischen Geschiohtschreiber gewöhnlich dem Bus-
Wer war PBendodemetrins I.? 593
dem. Entweder hat er eingeseheD, dass es ein Fehler war, eine popu-
läre Bojarenfamilie zn yerfolgen oder hat er an der Schuld der Borna-
Bow, d. w. 8. sie erzählen die VemrtheilnDg des Bjeljskij vor der Verfolgung
gegen die Bomanovy (vgl. Earamzin, Solovjev, Ilovajskij). Nun finden wir,
dass der Neue Annalist, welcher im Allgemeinen eine chronologische Folge
der Darstellung beobachtet, zuerst (im Kap. 79) yon der Verbannung der Bo-
manoyy berichtet, darauf überhaupt über das System die Denuncianten unter
den Knechten der Bojaren zu begünstigen (81), dann weiter über die Ankunft
des Gesandten Sapieha nach Moskau und die Absendnng der Gesandten Sal-
tykov und Plescev in Litauen (ft2}, nun erst folgt die Erzählung von der Grün-
dung der Stadt Borisov und der Ungnade des Beljskij (83); endlich kommen
die Kapitel über die Hnngersnoth (84) und die Verhandlung mit Dänemark
über die Ehe (86). Prof. Bagalej hat in seiner Sammlung von Materialien zur
Geschichte der Grenzkolonisation des Moskauer Beiches (MaTepiajtu juh
HCTopiK R0J0HH9aiiix GrenHOH ORpaHHu MocROBCKaro FocyAapcTBa ff,, 'Bz.rtjrkfi,
1886) die Verordnung vom 5. Juli 7108 (sie! 1600) gedruckt, wonach Beljskij
und Alpherov eine Woche vor dem Tage des Helias (20. Juli) 7107 (sie! 1599)
ihre Heerschar bei Livny sammeln sollten, um dann gegen Donec zu ziehen
und die Stadt Borisov aufzubauen. Prof. Bagalej hat diesen chronologischen
Widerspruch nicht aufgeklärt, nimmt aber In seinen Forschungen (O^epKH h3'&
KciopiH KOJioHBsaqiH OrenHoä ORpauHU, /[. Earaji^ji, 1887) das Jahr 1599 für
diese Verordnung an. Für das Jahr 1600 setzt er noch zn Borisov die Voje-
voden Bjeljskij und Alpherov voraus, nennt aber bereits für dasselbe J. 1600
und das J. 1601 (wahrscheinlich auf Grund seiner Archivalien) die Vojevoden
Chvorostinin und Gagarin. Das Rangregister (GHM(SHpcRiu Ck$opHHR'L) setzt die
Aussendung des Bjeljskij auf Juni 1599 an. In diesem Jahre waren in Bjel-
gorod wirklich die Vojevoden Grigorij Petr. Bomodanovskij und Grigorij
Konst. VolkoDskij, wie sie die Verordnung an Bjeljskij erwähnt. Im J. 1600
(1. Sept. 1599 — 1. Sept. 1600) wurde, dem Simbirskij Sbomik zufolge, Fürst
Semen Vetcina-Gagarin nach Borisov-Gorod versetzt ; doch werden in diesem
Jahre zu Borisov auch Bjeljskij und Alpherov erwähnt. Auch in einem pri-
vaten Register (Razrjadnaja kniga 1493—1611 im Moskauer Archiv des Min.
des Aeusseren) ist Bjeljskij noch unter dem J. 7108 als Vojevode von Borisov
am Flusse Donec angegeben. Sonach muss man annehmen, dass die Ab-
setzung des Bjeljskij in das Jahr 1600 fällt. Der Anfang des Processes gegen
die Romanovy lässt sich nur annähernd bestimmen. Dem Simbirskij Sbomik
zufolge werden die Brüder Theodor und Ivan Nikitioi Romanovy am Hofe
des Boris zum letzten Male im August 1599 beim Empfange des schwedischen
Prinzen Gustav erwähnt, also gerade in den Tagen, wo Bjeljskij in die Steppe
ziehen musste. Bei den Verhandlungen mit Leo Sapieha seit Ende 1600 wird
ihrer nicht mehr gedacht An und für sich ist es also mOglich, die Verurthei-
lung des Bjeljskij ein Jahr vor derjenigen der Romanovy anzusetzen. Es
bleiben aber dabei doch drei Schwierigkeiten noch aufzuheben: 1) Wie Bus-
sow alle diese Begebenheiten in das J. 1602 ansetzen konnte, wenn er sogar
ArcliiT fttr sUTiselio Philologie. XXI. 38
594 Eugen §oepkin,
novy zu zweifeln angefangen. Worin konnte überhaupt die Gefahr
bestanden haben ^ welche seitens dieses Gesohlechtes gedroht hatte?
Haben die Romanovy geradenwegs nach der Krone getrachtet, oder
haben sie an der Vorbereitung eines falschen Demetrii gearbeitet?
Nach den ofiftciellen Akten zu urtheilen, war man auf eine Verschwö-
rung seitens der Brüder R. gefasst. Den Wächtern des Vasilij R. oder
der Marja äestova wurde z. B. eingeschärft, sie sollten aufpassen, dass
ihre Gefangenen ja nicht entlaufen, ja nicht die Hände an sich legen,
dass auf der Reise oder beim Haltmachen sich Niemand ihnen nähere,
richtigere Vorstellungen von ihrer Reihenfolge, als der Neue Annalist, be-
sessen? 2} Wie der Neue Annalist darauf gekommen, von der Gesandt-
schaft des Sapieha und der Gründung der Stadt Carev-Borisoy nach der Ver-
bannung der Romanoyy zu erzählen? 3) Wie Theodor Romanov in dem
Antoniikloster an der Sija eine solche Unbesonnenheit begehen konnte, unter
allen Bojaren eben den als Verräther verschrieenen Bogdan Bjeijskij als
einen tüchtigen Kopf zu loben? (Der Bericht des Wächters Bogdan Vojejkov
vom 25. Nov. 1602: «Aa oex »e npo xboex'b FocyAapeBBix'L Eo^pi npo Bcin
roBopEXi : HO cTaHex'B Ae vx'b cl a^o hh ci KOTopoe ; n'kTh-j^e y hhtb pasy-
MHoro; OAHH'L-Ae y hjccb pasyMeHii EorAas'L EiJCKoii: vh nocoiciunfB h ko bca-
RHM-B AijL&wh Ao6p^ AocyacL«. Alles im Präsens ! vgl. Aktu Hct. II, XXXIII.)
Die Worte des Mönches Philaret: es gibt unter den Bojaren keine verstän-
digen Leute, es gibt unter ihnen nur einen klugen Mann — das ist Bogdan
Bjeijskij — machen den Eindruck, als ob er vom Schicksale des Bogdan B.
keine Ahnung gehabt hätte. Die Frage ist definitiv gegenwärtig nicht zu
entscheiden, wir sind indessen geneigt anzunehmen, dass Bjeijskij und Ro-
manovy ungefähr zu gleicher Zeit im J. 1600 (einer an der Grenze vor dem
1 . Sept, die anderen in der Stadt Moskau, vielleicht gegen Ende des Jahres)
verhaftet wurden und dass dann im J. 1601 ihre Verbannung und die Un-
gnade des Vasilij Scelkalov folgten. Es ist dem Boris damals nicht gelungen,
auf die Spuren der Verschwörung im Wunderkloster zu kommen, denn Griska
blieb noch bis zum J. 1602 in Moskau. Seinen Verdacht gegen die Romanovy
hat er, wie gesagt, im J. 1602 fallen lassen; des Bje\J8kij gedachte er indessen
noch im Februar 1604 wohl bei den ersten Gerüchten von dem Auftreten des
PD in Polen und dem Zuge der Donkosaken nach seinem Lager. Auf seinen
Befehl wurden im Februar 1604 die Bojarensöhne aus Rjazaig darüber ver-
hört, wer Pulver, Blei, Muschkoten und andere Waffen den Atamanen nnd
Kosaken am Flusse Don in diesem Jahre und während der Erbauung des Bo-
risov-Gorod zugeschickt hat. Die Bojarensöhne legten folgendes Zeugniss
ab: sie hätten im J. 1603 gehört, dass Zachar^ Ljapunov Wein, einen Panzer
und eine eiserne Haube den Donkosaken verkaufte; im J. 1600 waren sie
selbst mit Bogdan Bjeijskij bei der Gründung der Stadt Borisov, haben da-
rüber Nichts zu berichten. Der Gar befahl, den Zacharij Ljapunov und seine
Kameraden mit Knute zu bestrafen (GaiiÖHpcRiK GöopHaKi).
Wer war Psendodemetrius I. ? 595
ja nicht mit ihnen spreche, keine Briefe mit ihnen wechsele. Anderer-
seits wollte die Regierang die Romanovy keineswegs aus der Welt
schaffen. Wenn Yasilij B. infolge der anstrengenden Reise in Ketten
krank geworden und in Pelymj gestorben war, so war es ein Missgriff
seines Wächters, der ftir das unerlaubte in Ketten Schmieden Antwort
geben musste. Die Romanovy selbst hielten sich für Opfer einer Ver-
leumdung seitens der Bojaren. So hat Ende 1601 Vasilij R. in einem
Gespräche mit seinem Wächter die Gesammtheit der Bojaren beschul-
digt, ihn und seine Brüder verleumdet zu haben ; er prophezeite ihnen
selbst den baldigen Untergang. In derselben Art hat sich auch Philaret
R. im November 1602 zu seinem Wächter Vojejkov geäussert : die Boja-
ren sind mir die ärgsten Feinde, sie haben uns nach dem Leben ge-
trachtet, unsere Diener zu Verleumdungen gegen uns aufgefordert ; er
erklärte dabei die Moskauer Bojaren für unfähig die Geschäfte zu hand-
haben ; Bogdan Bjeljskij allein sollte seiner Meinung nach Begabung
für diplomatische und andere Geschäfte haben. Es scheint, dass Boris
sogar im März 1605 nicht sowohl eine Intrigue seitens des Philaret
selbst, als eine Verschwörung zu seinen Gunsten witterte : sonst würde
er ihn bei der ersten Nachricht vom PD ersäufen, erdrosseln oder wenig-
stens weiter nach Sibirien verbannen lassen . In dem Briefe an Rudolph U.
erwähnt zwar Boris, dass Gregor Otrepjev beim Michail R. gedient hat, er
führt indessen keine Beschwerden gegen diesen Bojaren und fügt hinzu,
dass Michail R. am Ende selbst den Taugenichts aus dem Hofe fortge-
jagt hat. Von den Zeitgenossen hat überhaupt nur Horsey die ganze
Vorbereitung des Feldzuges des PD einem Romanov (dem Alexander]
nebst Bjeljskij zugeschrieben; für diese Jahre ist aber Horsey sehr
mangelhaft unterrichtet und seine bezüglichen Nachrichten sind reich
an Fehlem. Die Sage vom Gregor 0. hebt zwar hervor, dass Griska
eben durch sein nahes Verhältniss zu den Romanovy und uerkaskie sich
den Zorn des Boris zugezogen hätte. Indessen muss Gregor 0. in den
JJ. 1600 — 2 bereits im Wanderkloster geweilt haben; seine Flacht vor
der Rache des Boris in ein entlegenes Kloster kann also nur in die
JJ. 1598 — 99 versetzt werden. Da muss sein Verbrechen gegenüber
dem Boris nicht mit dem Processe der Romanovy, sondern vielleicht
mit der Wahlagitation zu Gunsten des Theodor Nikitii im Januar 1598
in Verbindung gebracht werden* Die Sage hat eben die chronologische
Reihenfolge der Begebenheiten etwas verwirrt. Das Schweigen der
Ausländer und der historischen Quellen, die vor der Thronbesteigung
38*
596 Eagen §oepkin,
der Bomanovy entstanden sind (wie z. B. die Sage ans dem J. 1606) ist hier
nm so mehr auffallend, da der Verdacht des Forschers vor allen anderen
Bojaren gerade den Theodor NikitiS treffen muss. Es mflssen gewisse
Umstände vorhanden gewesen sein, welche für jeden Zeitgenossen oder
Augenzeugen der Begebenheiten die Yermuthung unmöglich machten^
als ob die Bomanovy den Demetrius gefillscht hätten.
Neben der officiellen Tradition des Boris-Hiob, wonach die Ejrone
des Theodor ziemlich ruhig durch Vermittlung der Irina an ihren Bru-
der zum allgemeinen Vergnfigen des Beiches Bussland gelangt war,
gibt es auch eine entgegengesetzte, unter anderem durch den Chrono-
graphen vertretene Auffassung : danach soll Theodor Bonmnov, Dank
der Unterstützung seitens der Bojaren, bereits im Januar 1598 als Mit^
bewerber um die Krone aufgetreten sein. Die ältesten und klarsten
Spuren dieser Tradition treffen wir in den Briefen des Andreas Sapieha
an Christof Badzi will ^). Den Berichten der Kundschafter des Andreas S.
1) Vgl. Archivam Domu Sapiehöw, 1 1, Nr. 213, 214, 215, 227. Andrzej
(einmal fälschlich Lew genannt) Sapieha do Krzystofa Badziwiil:a. A. Sapieha
schreibt aus Orsa vom 4. Februar Folgendes : Der Grossfürst von Moskau ist
am 20. Januar gestorben. Die Wahl eines neuen Caren wird erst Sonntag den
16. März st n. erwartet. Die Kundschafter, welche Sapieha Über die Grenze
ausgesandt hatte, haben berichtet: es sind vier Mitbewerber um den Thron
von Moskau in Aussiebt : Godunov, welcher sehr krank sein soll ; Mstislav-
skij, welcher im Beichsrathe den ersten Platz nach dem Caren selbst einge-
nommen haben soll; Theodor Nikitio Bomanov, der Onkel (? Onkelssohn} des
verstorbenen Fürsten, und Bjeljskij ; dieser hat sich den Groll des Caren
Theodor zugezogen und durfte ihm nie unter die Augen kommen, dafür dass
er (im J. 1584) den rechten Erben zu beseitigen und selbst zu herrschen ge-
trachtet hatte. Man war darauf gefasst, dass es zum Blutvergiessen kommen
künnte, wenn es nicht gelingt, eine allgemeine Uebereinstimmung zu Stande
zu bringen. Die besten Aussichten bei der Wahl soll Theodor Bomanov
haben. Den 15. Febr. 1598 schreibt A. Sapieha aus Orsa Folgendes: Er, Sa-
pieha, war bereits im Begriff, an den König und an Badziwill die von ihm
erhaltene Nachricht zu senden, dass man den (jodunov niedergehauen und
den Theodor Bomanov zum Caren gewählt hätte. Da erschien aber der
Kundschafter, welchen Sapieha über die Grenze ausgesandt hatte, und be-
richtete : der sterbende Car Theodor hätte den Boris wegen seiner niedrigen
Herkunft für unfähig erklärt, den Thron zu besteigen. Als einen für den
Thron passenden Mann soll er den Theodor Bomanov bezeichnet haben.
Diesen Bomanov hätte er dabei ermahnt, falls er zum Caren gewählt werden
würde, den Godunov ja nicht zu entfernen, sondern als den weisesten Bath-
geber bei sich zu behalten. Nach dem Tode des Theodor hätte Boris bei sich
Wer war PBeadodemetriuB I. ? 597
muss man im einzelnen nur mit grosser Vorsicht Glauben schenken.
Man fthlt, dass so ein Mann Manches in Rassland gehört hat, es fehlte
ihm aber die genügende Kenntniss der Verhältnisse und der Geschichte
Moskaus y um die Gerüchte und das heimliche Flflstem richtig auftu-
einen Freund gehabt, welcher dem verstorbenen Carevio D. sehr ähnlich ge-
wesen sein sollte. Im Namen dieses Yermeintlichen Garen D. hätte Boris sogar
einen Brief nach Smolensk gesandt. Die Russen fassten die Sache am Ende
in dem Sinne auf, als ob D. gerettet worden wäre. Die Bojaren des Rathes
begannen die Sache zu verhandeln. Der Bojarin Nagoj versicherte, dass der
Fürst D. nicht mehr am Leben wäre und berief sich auf das Zeugniss des
Michail Bi^agovskij. Dieser wäre nun herbeigerufen und hätte gestandeut
dass er selbst den Garen auf Befehl des Boris G. ermordet, welcher nun einen
Freund fttr den Fürsten D. ausgebe. Da hätte man den M. Bitjagovskij viertheilen
lassen und den Boris mit Vorwürfen wegen des Mordes Überschüttet. Theodor
Romanov hätte sogar den Godunov mit dem Messer niederstechen wollen, wäre
aber daran von Anderen verhindert (Po 6mlerci kniazia W. jakoby mialGodu-
now mied przy sobie przyjaciela swego bardzo podobnego we wszystkiem nie-
boszczykowi kniaziu Dmitru, bratu kniazia W. Moskiewskiego, ktöry si^ byl
z Pecihorki narodziJ:, ktörego dawno na swiecie nie masz. Napisawszy list
imieniem tego kniazia Dmitra do Smole^ska, i» jui zostal: kniaziem wielkim,
Moskwa si^ pocz^ dziwowad ski^d sIq wzi%l, jednak^e rozumieli, ie go do
tego czasu byl:o utajono. Zaczem si^ to wojewod i bojar dumnyoh doniosio,
zaraz pocz^li si^ mi^dzy sob^ pytaö.) Darauf hätte sich Godunov in sein Haus
zurückgezogen, sein Schwager Sujskij (Demetrius?) versuchte ihn mit den
übrigen Bojaren zu versöhnen und ermahnte sie, Nichts zu unternehmen, aus
Rücksicht auf den Boris. Man meint, dass dennoch Theodor Romanov ge-
wählt werden wird» Für ihn halten alle Vojevoden und Bojaren des Rathes ;
Godnnov kann dagegen auf die niederen Schichten des Adels, die Strelitzen
und das gemeine Volk rechnen. Man erzählte auch, der Gar Theodor hätte
gerathen, die Entscheidung zwischen zwei oder drei Kandidaten dem Deut-
schen Kaiser zu überlassen. Sapieha hat noch seinen Diener zum Vojevoden
von Smolensk geschickt, um aus der Antwortschrift den Namen des regieren-
den Garen zu erfahren. Die Antwort ist ausgeblieben. Indessen betete man
in den Kirchen nur für die Garin. Andrej Sapieha schreibt abermals aus
Orsa vom 23. Febr.: man berichtete jetzt, dass Theodor vor seinem Tode vier
Kandidaten für die zukünftige Wahl bestimmt hätte — die beiden Romanovy,
Theodor und Alexander, den Mstislavskij und den Godunov. Andrej Sapieha
berichtet endlich aus Orsa vom 16. Juni: Gewisse Bojaren, besonders Bjeljskij
und Theodor Nikitio mit seinem Bruder, wollten statt des Godunov den Si-
meon, den Sohn eines Tatarencarevio, zum Garen wählen. Boris erfuhr von
ihrer Absicht gerade zu der Zeit, wo die Nachricht kam, dass die Tataren
heranzögen. Da sprach er zu ihnen : Garevio Simeon ist weit ab in Sibirien,
die Ungläubigen aber bereits im Lande. Da bat man ihn selbst für die Ver-
theidigung zu sorgen.
598 Eugen Soepkin,
fassen. Die Briefe des Sapieha widersprechen einander, z. B. in Bezng
anf die Hauptfrage, wem Theodor die Krone vermacht hat. Alles, was
der Kundschafter Aber die Ermordung des Caren Demetrii, Aber die
Beschuldigungen seitens des Nagoj und das vermeintliche Oestftndniss
und die Yerurtheilung des Mich. Bitjagovskij berichtete, ist noch im J.
1591 zu Ugli6 geschehen; im J. 1598 konnte es höchstens als Erinne-
rungen aus frllherer Zeit unter den Bojaren besprochen werden. Wir
können dem Kundschafter darin Glauben schenken, dass im J. 1598
Theodor B. nach der Krone trachtete und wirklich auf sie gewisse Aus-
sichten hatte. Aus den of&ciellen Akten geht aber klar hervor, dass
Boris Godunov während der ganzen Zeit vom 6. Januar bis 17. Februar
es mit jedem Mitbewerber hat getrost aufnehmen können. Die Gewährs-
leute des Kundschafters haben die Dinge allzu günstig flr die Roma-
novy geschildert und gehörten wohl zu den Agenten dieser Familie:
das Gerflcht, als ob Theodor die Krone den Romanovy vermacht hätte,
wurde ohne Zweifel im Interesse des Theodor R. unter dem Volke ver-
breitet. Da muss der Kundschafter des A. Sapieha auch seine Ge-
schichte von dem Versuche, bereits im J. 1598 einen PD zu f&lschen,
auch aus den Kreisen der Anhänger des Theodor R. vernommen haben.
Es ist jedenfalls unmöglich, die Thatsache aus den Briefen auszumerzen,
dass der Gedanke an einen FD im Januar 1598 in der Luft schwebte;
da Smolensk ziemlich nahe an der litauischen Grenze liegt, so konnte
A. Sapieha wohl sichere Kunde haben von einem Briefe des vermeint-
lichen CareviS D. Es ist andererseits unmöglich anzunehmen, dass Boris,
welcher durch seine Schwester Irina selbst einen sicheren Anschluss an
die ausgestorbene Dynastie hatte, seine glänzenden Aussichten durch
das Gespenst des D. zu nichte machen sollte. Wir sehen hier nur zwei
Möglicheiten : entweder hat diesen Brief im Namen des Demetrii die
Partei der Romanovy ausgesandt, um das Land an den Mord zu UgliS
zu erinnern, oder, was uns wahrscheinlicher scheint, der Brief rflhrte
von den Männern, die bereits damals einen FD vorbereiteten und durch
ihren Brief nur zu prfifen wünschten, ob die Verhältnisse für ihr Puppen-
spiel reif genug wären. Da die Form des Diploms im Namen des Caren D.
so gut gefälscht war, dass sie die leitenden Männer in Smolensk täuschen
und in Grübeleien über die Rettung des Carevii hat versetzen können,
so fällt der Verdacht der Fälschung von selbst auf die Kanzleibeamten
(die Djaki). Wie sich in den regierenden Kreisen selbst eine gegen
die Regierung gerichtete Organisation hat bilden können, darüber gibt
Wer war Pseudodemetrius I. ? 599
uns Djak Timotheev Anflärnng. Seinem »Chronographen« znfolge hätte
Boris Neuerungen in das Yerhältniss zwischen den einzelnen Schichten
des Dienstadels und des Beamtenthoms eingeführt. Er hat Männer von
geringer Abstammung, die ihm aber Dienste als Dennncianten geleistet,
Aber die Herren vom alten Adel gestellt. Hierdurch hat er den Keim
des Hasses in die Herzen der Grossen gesäet. Er selbst und darauf
auch die Männer, denen er aus persönlicher Gunst die ersten Plätze nach
sich vergeben, begannen auch auf den unteren Stufen des Staatsdienstes
die erprobten Beamten zu verdrängen und sie durch ungeübte, ver-
dienstlose zu ersetzen (caMOimcii^aH cyn^an ho cyn^HMH cn^ne msau
esBXfh npaBpan^emeifB Esviknsaj T3rELe). Solche neuangestellte Beamte
hatten von der GeschäftsfOhrung keinen Begriff und verstanden mit
Mühe ihre Namen unter die Akten zu schreiben. So kam eine Genera-
tion von Beamten in die Welt, welche nur zu heimlichen oder offenen
Missethaten fähig war (HOAOBjiiHH HHKaKOse, pasni na sjOTBopemü
ToqiH) asi H oTaH . . Ha nse cTy^nafl bchko Honc^eTBi ^amji (Junia
OHH 3^0 HCKycHH). Solchc Beamte warfen jegliche Furcht vor Gott
und dem Caren von sich ab; sie verschwendeten ohne Rückhalt das
öffentliche Gut und suchten schamlos ihre unersättliche Habsucht
zu befriedigen. (Eomn h i](apcKiH K711H0 Beci» ot'l ce6e OTpHsyma
cTpaxi, B'B (iecTpamie xe caMOB jacTHt odo^Kmecü.) In solchen Strichen
schildert Djak Timotheev das Beamtenthum aus der Zeit des Boris. Es
fehlte nur an einem Anführer, um die Missvergnügten aus den Kreisen
der zurückgesetzten Grössen mit den rücksichtslos emporstrebenden
kleinen Leuten zu einem Eomplot zu verbinden. In seinem stäten Stei-
gen von den niederen Ehrenstufen zu den höchsten, hat Boris viele
höher stehende und ihrer Geburt nach edlere Männer listig umgangen
und überholt. Als er aber sein höchstes Ziel erreicht, da hat er die
aUgemeinen Hoffnungen getäuscht. Die beiden Djaki SSelkalovy führt
Timotheev als Beispiele der Undankbarkeit des Boris gegenüber den
Männern, die ihn gross gezogen (er^a xejfamA enoero Kpan nojy^H,
HipoBH nd^exBio cojiraH'L Öuctb] . Sicher bleibt nur das eine, dass im
Januar 1598 alle Bojaren den CareviS D. für todt gehalten haben. Wir
finden es also für unmöglich, auf Grund der gegenwärtig vorhandenen
Quellen die Romanovy mit Theodor NikitiS an der Spitze für die Ur-
heber der ganzen Kabale zu erklären. Die Verbannung der R. hat ja
die glückliche Entwickelung der Verschwörung keineswegs gehemmt.
Im J. 1601, wo ihre Schuld vor den Bojaren verhandelt wurde, befand
600 Eugen äoepkin,
sich Gregor 0. bereits im ÖudovkloBter; und doch ist es weder den
Häschern des Boris, noch den Denancianten unter den eigenen Dieaem
der Romanovy gelangen, irgend welche Verbindungen zwischen den
Angeklagten und den Verschwörern im Wunderkloster zu erweisen.
Wenn diese Verschwörer auch wirklich zu Gunsten des Theodor R. arbei-
teten, so folgt daraus noch keineswegs, dass sie auf dessen Anstiften
das ganze Unternehmen eingeleitet hätten. Dem Theodor NikitiS fehlte
ja die weitverzweigte Organisation, die unentbehrlich, um eine derartige
Kabale ins Werk zu setzen ; so eine Organisation stand nur den Klöstern
oder der Regierung selbst zur Verfügung ; die Erzählung der Annalen
des Patriarchen Nikon (vgl. auch Novyj Ljetopisec), wie die Djaki den
Gregor 0. vor dem Zorne des Caren gerettet haben, kann als Beleg
dienen daffir, dass die kleinen Beamten ihre eigene Organisation aneh
gegen die Regierung selbst richten konnten^). Den eigenen Aussagen
1) Die Urkunde des Caren Snjskij vom 19. Oktober 1607 (A.A.9., Nr. 81)
enthält eine ausführliche Schilderung der Art und Weise, wie die Kosaken
daran gehen, einen Garevio zu fälschen. Es ist das Geständniss des Pseudo-
peter, welcher am 10. Okt. 1607 in Tula gefangen genommen wurde. Er hat
selbst vor dem Garen und den Bojaren folgendes Zeogniss abgelegt : Er ist zu
Murom (Gony. Vladimir) als uneheliches Kind der Witwe eines Kaufmanns
geboren und hat den Namen Ilja erhalten. Als seine Mutter den Schleier ge-
nommen, führte ihn ein Kaufmann nach Niinij-Novgorod in den Dienst weg.
Hier hat er gegen drei Jahre in seiner Bude mit Aepfeln und Töpfen Handel
getrieben. Darauf begab er sich die Volga abwärts, indem er auf den Schiffen
Dienst nahm. So kam er zu den Kosaken am Terek, lebte hier als Geselle
beim Gregor Jelagin und anderen Kosaken, nahm an einem Raubzuge nach
Tarki Theil u. dgl. m. Nun haben die Kosaken zwei von den jüngeren Ge-
sellen gewählt, den Ilejka und den Mitjka, um einen von ihnen als Garevio
auszurufen. Mitjka wollte darauf nicht eingehen ; er gab vor, dass er, in Astra-
hanj geboren, nie in Moskau gewesen sei und Niemanden dort kenne. So
haben denn die Kosaken beschlossen, dass Ilejka sich für den Sohn des Garen
Theodor — einen Peter — ausgeben sollte ; er sollte auch dabei folgende
Auskunft über seine Beziehungen zu Moskau geben : aus Niinij hätte er Mos-
kau besucht und yon Weihnachten bis Petri-Pauli bei dem Po^jaeij (Kanzlei-
beamten) Demetrij Timotheey gelebt, aus der Kanzlei des Djaks Vasilij Pe-
troy; dieser Djak yerwalte in seiner Kanzlei die Städte UsQ'ug und Vjatka
(wohl Usijui^skajaGetj), der Gehilfe Timotheey besitze aber einen Hof in den
Gärten u. s. w. In diesen für den Petruska ersonnenen Beziehungen zu Mos-
kau ist die allgemeine Auffassung der Zeit yon grosser Wichtigkeit — die
Kosaken kennen eben nur eine Triebfeder in Moskau — die Djaki und ihre
Kanzlisten. Was die Persönlichkeit des Petruska betrifft, so muss natürlich
Wer war PeeadodemetritiB I.? 601
der Romanovy zufolge mnss man die Ursache ihrer Verbannang nicht
in ihrem Verhältnisse znm Caren Boris, sondern in ihrer hervorragenden
Stellung unter den Bojaren suchen. Im Januar — Februar 1598 ist der
Versuch der Bojarensynkletos, einen eigenen Caren auf den Thron zu
setzen misslungen. Boris hat die Krone aus den Hflnden des Reichstages
angenommen. Bis auf die Jahre der Hungersnoth war seine Allein-
macht stäts im Wachsen begriffen. Die Masse des Adels musste sich vor
der Thatsache beugen, dass Godunov eine neue Dynastie glücklich zu be-
gründen im Begriff war. Von den Wahlintriguen kehrten die Eidelleute
zu ihrem gewöhnlichen Kampfe um die ersten Plätze am Hofe zurück.
Da jede weitere Beförderung eines russischen Adelsmannes durch die
Präcedenzrechte anderer Edelleute gehemmt war, so gab es für Bojaren-
zwischen einem Eosakeucarevic und einem PD I., der mit den polnischen
Senatoren und russischen Bojaren zu verkehren versteht, ein grosser Unter-
schied gemacht werden. Das Pronnnciamento des Petruska fiel noch in die
Regierung des PD I. Die Kosaken zogen mit ihrem Garevio die Volga auf-
wärts nach Astrachanj und Samara. Bei Samara haben sie einen Brief von
PD I. erhalten und wurden aufgefordert, eilends nach Moskau zu ziehen. Als
sie aber die Stadt Svia^sk passirt hatten, da kam die Nachricht, dass PD in
Moskau ermordet sei. Nun fuhren die Kosaken die Volga abwärts, bogen in
den FluBS Kamysenka aus, zogen dann die Boote in den Don, ruderten weiter
den Donec aufwärts, von hier aus hat sie Fürst Gregor §achovskoj nach Pu-
tivlj berufen, aus Putivlj sind sie dann nach Tula gezogen. (Der zweiten Re-
daktion des Chronographen zufolge wäre unter äujskij in Putivlj ein gewisser
Petruska erschienen, ein Töpfer aus Zvenigorod und Gefährte von Kosaken.
Dieser hat sich für einen Sohn des Carevic Ivan Ivanovic erklärt; er behaup-
tete auch, dass sein Oheim Demetrius I. noch am Leben wäre. Die Provinz
Severa hat ihn anerkannt; die Rebellen haben sich der Provinz Rjazanj be-
mächtigt und sind bis gegen Moskau vorgedrungen. Stoljarov Chronograph
steht dem Zeugnisse des Petruska selbst viel näher und beginnt seine G^e-
schichte viel früher. Damach wären im Frübjahre2[1606, also noch bei Leb-
zeiten des D. I., die Atamanen und Kosaken vom Flusse Terek nach Astra-
hanj mit dem Betrüger Petruska gekommen, welchen sie fttr den Sohn des
Caren Theodor und den Neffen des D. I. ausgaben. Sie fuhren mit ihm die
Volga aufwärts gegen Moskau, erfuhren unterwegs vom Tode des Caren D. L,
kehrten um, erreichten Voronel^ und begannen hier abermals den Petruska fttr
den Sohn des Caren Theodor auszugeben. So entbrannten im J. 1606 in den
Städten der Ukraina, der Steppe und derlSevera, wo man an die Rettung des
D. L aus Moskau glaubte, neue Wirren [zu Gunsten der beiden Betrüger —
des D.n.und seines Neffen Petruska. Nach Nikons Annalen wäre der Schelm
Petruska, der von den Terekkosaken für den Sohn des Caren Theodor aus-
gegeben wurde, ein gewisser Iljuska, ein Diener des Jelagin gewesen.)
602 Eugen Öoepkin,
familien mit geringer Tradition kein anderes Mittel weiter vorwärts auf
der Leiter der Aemter und Ehren zu rtteken, als eine der bevomigten
Familien völlig ans dem Felde zu schlagen. Bogdan Bjeljskij und Theo-
dor Romanov waren fflr die emporstrebenden Godunovy, Saltykov n. a. m.
nicht nur durch glflckliche Präoedenzf&lle seit den Zeiten Johanna dea
Schrecklichen; sondern auch durch ihre Talente gefilhrlich. Es hat also
die Masse der Bojaren gegen das J. 1600 sich mit den Godunovy ver-
tragen und zwar auf Kosten des Bjeljskij , der Romanovy, der Öer-
kaskie etc. Die Bojarensynklete musste aus der Zeit der Wahlagitation
des J. 1598 Beweise genug zur Verfügung gehabt haben, dass Theodor
R. damals nach der Krone getrachtet hat. Alle die Kunstgriffe, welehe
die Partei der Romano vy im Januar 1598 gegen den Boris gebraucht
hat, — z. B. die Verbreitung der Oerflchte , als ob Car Theodor ihnen
die Krone vermacht hJttte, als ob Boris bereits ermordet wäre, das Mah-
nen an den Mord zu Ugli5 u. s. w. — wurden wohl im J. 1601 zu einer
himmelschreienden Anklage gegen diese Familie zusammengefasst. Waa
den falschen D. anbetrifft, so ist die Möglichkeit, dass Bjeljskij in Garev-
Borisov und Romanovy in Moskau die Kabale bereits witterten, das
Höchste, was wir vorläufig annehmen dürfen. Nach den Aussagen der
Denuncianten hat sie wohl auch Boris gewittert Statt aber den Ver-
schwörern in der Kremljburg selbst nachziyagen, hat er sie ringsum in
der Stadt oder an der Grenze in den Steppen gesucht* Nur in der Per-
son des Vasilij äielkalov hat er vielleicht richtig eine Triebfeder ent-
fernt. Den Gregor 0. hat Boris unterschätzt, die Brflder Chripunovy
nach Litauen entschlüpfen lassen ^}. Erst das Gerücht von einem PD
in Polen hat ihm die Augen auf den Archimandriten Paphnutij und die
Djaki geöffnet. Wir müssen aber die Auffassung des Ohronographen
vom Gausalnexus zwischen den Begebenheiten begrenzen. Die reelle
Schuld der Romanovy war nicht erwiesen. Durch die Begnadigung des
Ivan R. und Ivan Öerkaskij, der Familie des Alexander und Theodor R.
hat Boris selbst seinen Fehler eingestanden. Indessen hat er die Ver-
folgungen gegen Bjeljskij und Romanovy nicht blindlings aus über-
1) Die fünf Brüder Chripunovy haben die Flucht nach Polen im J. 1603
ergriffen. Lew Sapieha schreibt nämlich vom 12. Febr. 1604 an den Bischof
von Krakau : Moskwy pi^ö bratöw, ktörzy przeszlego roku, przed tyra^stwem
terafniejszego pana Moskiewskiego, opuftciwszy tarn ojczyzn^ i dobre mienie
swoje, na 2askQ kröla I. Moi wyjachali, tu niebo&^ta tul:aj% si^ (Arch/Domu
Sapiehöw, 1. 1). Es kann hier die Rede eben nur von den Chripunovy sein.
Wer war Pseudodemetriiu I.? 603
triebener dyBastischer Vorsicht eingeleitet : die Kinder des Theodor R.
und sein Brnder Ivan waren ja im J. 1602 ftlr dynastische Hoflfnongen
der Godunovy nicht minder gefährlich, wie im J. 1600. Ans den An-
zeigen der zahlreichen Dennncianten hat wohl Boris seit 1599 — 1600
die Ueberzengnng gefasst, dass eine gefährliche Kabale gegen ihn im
Gange ist ^); es ist ihm indessen nicht gelungen ihre Fäden aufzufangen.
Nicht die Verfolgungen des Boris gegen die Bojaren, sondern das Miss-
vergnügen der Männer, die den Boris gross gemacht haben, mit der ver-
meintlichen Undankbarkeit des Caren (wie es Djak Timotheev berichtet)
haben wohl die Verschwörung keimen lassen. Die ersten repressiven
Verfolgungen mussten natürlich auch das Losbrechen der Kabale herauf-
beschwören, umsomehr da die Entrüstung über den Mord zu UgliS und
die Hungersnoth den Glauben an die Regierung des Boris Dei gratia
erschütterten. Der wirkliche Gang von Ereignissen war ohne Zweifel
viel verwickelter, als es sich der Fortsetzer des Chronographen ge-
dacht hat 2).
1) Im Allgemeinen billigen wir also die Auffassung des Margeret: »enfin
ayant ouy le vent depuis Tan mil six cens de Demetrius Joannes, que quel-
quesuns le tenoient estre en vie, il ne se faisoit de la en avant tous les iours
que tonrmenter et gehenner pour cette occasion ; des-lors si un serviteur ve-
noit accuser son maistre . . 11 estoit par luy r^compens^ . . Finalement Tan
1604 se d^couvrit ce qu'il avoit tant cralnt, k s^avoir Demetrius Joannes«.
Diese Auffassung wird bestätigt — durch den Brief des Andrej Sapieha aus
dem J. 1598, durch die Aussagen der polnischen Gesandten aus dem J. 1608,
durch die Urkunde von der Ernennung des Philaret Romanov zum Patriar-
chen. Der Chronograph kann andererseits insoweit Recht haben, dass die
Verfolgungen des Boris nicht immer die Schuldigen getroffen und dadurch
die herrschenden Klassen dem Caren entfremdet haben.
^ Da die Wahlarkunde vom 1. Aug. 1598 Nichts davon weiss, dass Car
Theodor seine Krone dem Boris vermacht hätte, und sich sogar auf den Aus-
spruch des Caren Johann des Sehr, beruft, um ein Rechtsmoment für den
Godunov zu begründen, so nehmen wir das Zeugniss des »Neuen Annalisten«
an, dass Theodor gestorben ist, ohne einen Nachfolger ernannt zu haben. Die
bezüglichen Worte der Urkunde lauten: »A hocjA ce6fl IIap& Gexop'B HBano-
Bm'L .,. Ha Bcixi CBOHZ'B B&SHRHXX rocyAapLCTBaz'B CKH^erpoxopsKaBlfl Pocdx-
CKaro i^apBCTBiji ocTtaxh cboio FocysapiaHH) Hamy I(apHiiy HpHHy OeAopoBHy Bcea
PyciH, a Aymy cboh) npaBOAHyio npHRasajTB lesy üaTpiapzy h mypHHy CBoeicy
EopHcy«; oder z. B.: »A üapHita HpKHa na cbocm'l rocyAap&CTBi ölith ho boo-
zoT%.sa . . . ($paTa CBoero EopHca Ha i^apLcxBo ne (LiarocjioBH.ia«. Von Wichtig-
keit sind die Veränderungen, welche diese klaren Worte unter der Hand der
Chronisten erlebt haben. Nach der »Sage aus dem J. 1606« hat Boris den
604 Engen Soepkin,
Garen Theodor nms Leben gebracht und durch seine Agenten das Volk in
dem Sinne bearbeitet, daas man ihn auf den Thron berufe. Er selbst entfernte
sich hinterlistig nach dem FrSuleinkloster, da er sich vor seiner Schwester
fürchtete. Die Garin Irina (Alexandra) wusste nämlich, dass ihr Bruder ana
Herrschsucht viel unschuldiges Blut vergossen hatte, und wollte ihn nicht cur
Krone kommen lassen (f). Die grossen Bojaren, welche durch ihre Verwandt-
schaft mehr Anrechte dazu hatten, haben es vermieden, allein unter sich einen
Garen zu w&hlen, und die Entscheidung dem Volke überlassen. Das von Go-
dunov's Agenten zusammengetriebene Volk bat nun die Garin Alexandra,
ihren Bruder Boris ihnen zum Garen zu geben. Dem Djak Timotheev zn-
folge hat Boris den Demetrius ermordet, den Garen Theodor vergiftet nnd
sich aus drei Gründen nach dem Frauleinkloster zurückgezogen: erstens
fürchtete er, dass das Volk die Wahrheit erfahren und, betrübt über den Tod
des Garen, auf einmal gegen Boris aufbrausen könnte ; falls aber Alles rohig
bleiben sollte, da würde er, zweiteos, weiterhin mit Sicherheit auftreten kön-
nen; drittens glaubte er sich die Leute zu merken, welche für ihn eifern
werden, um sie zu belohnen, die Widersacher dagegen künftighin zu ver-
folgen. Avraamij Palicyn berichtet Folgendes: Nach dem Tode des Theodor
treffen viele von den herrschenden Männern Busslands die Entscheidung,
dass Godunov Gar sein solle. Boris entfernt sich nach dem Kloster, wird aber
vom Volke auf den Thron berufen. Unter der Einwirkung seiner NSchsten
fasste er Hass und Argwohn gegen das Geschlecht des Garen Theodor, d. w.s.
gegen die Romanovy. Er hat den Eid nicht gehalten, welchen er dem Nikita
Romanovio Jurjev geleistet hatte — dessen Kinder zu pflegen. Nach der Ver-
bannung der Romanovy hat er auch viele andere Männer um ihretwillen um-
gebracht. Er hat die unfreien ihre Herren verleumden lassen. Dadurch
hoffte er auch nach seinem Tode dem Geschlechte Godunov den Thron sicher-
zustellen. (Ce IRQ MLimjiAine xa yrBepAHrB sa npecT0.si no codi c£mji CBoe.) Als
Strafe für die Verfolgung der Romanovy und für den Kleinmuth der Welt,
welche schweigend dem Verderben der Unschuldigen zugesehen hat und dem
Garen die Wahrheit zu sagen nicht gewagt, brach im J. 71 11 die Hungersnoth
los. Ejityrev-Rostovskij berichtet folgendermassen : Nach dem Tode des
Theodor fahrt das Zepter die Garin Irina. Das Volk und die Geistlichkeit
dringen die Krone dem Boris auf. Da wird Boris von Hochmuth und Hass
gegen andere grosse Männer erfasst; er lässt die Romanovy verleumden. Das
Elend dieser Brüder hat die Stadt Moskau empOrt und allgemeine Trauer
hervorgerufen. Da erscholl im siebenten Jahre der Regierung des Boris das
Gerücht vom PD. »Die Sage über die Regierung des Garen Theodor Ivanovio«
berichtet: Nach dem Tode des Theodor führt seine Frau 1 Vs Jahre das Zepter;
die Geschäfte leitet dabei ihr Bruder Boris. Dieser sendet Briefe im Namen
seiner Schwester an die einzelnen Stände des russischen Volkes, sie sollten
den Boris auf den Thron berufen. Auch die Massen in Moskau werden in
diesem Sinne bearbeitet. Er selbst begibt sich zu seiner Schwester nach dem
Kloster und bittet um Segen für die Herrschaft. Die Schwester hat ihm aber
ihren Segen, als einem herrschsüchtigen Mörder, versagt Ein ganzes Jahr
konnte er den Thron nicht besteigen. Da hat er es gewagt, ohne iliren|Segen
War war PBeadodemetrinB L? 605
sich die Krone aufzusetzen. »Der Neue Annalist (Nikons Annalen, Die Annalen
der Wirren) « erzählt : Car Theodor befiehlt der Frau, naeh seinem Tode den
Schleier zu nehmen ; er weist dabei von sich, den zukünftigen Garen zu er-
nennen, und tiberlässt Alles dem allmftchtigen Willen Gottes. (Er spricht zum
Patriarchen: »A exe r.iaroj[emE o itapcTBiH, h^ctl Moero BejrtHlji, ho xko xe
rocnoA6BH TOKk, laRo u 6yAH, h eicy xe xomerB £or'£, TOüy AaciB e«.} Es werden
nun die Wähler von allen Städten nach Moskau berufen. Alle, die sich auf
dem Reichstag versammelt hatten, gehen nun zum Hiob und bitten ihn nach
Gottes Willen, ihnen einen Garen zu ernennen. Da fassten der Patriarch,
viele Bojaren und andere herrschende Männer den Entschluss, dem Boris die
Krone zu reichen. Besonders war aber das gemeine Volk dem Boris gewogen
(na^e xa xejiaxy ero 6lite I^apeM'L npocTÜi jnoAie). Auch viele Bojaren wünsch-
ten ihn zum Garen zu haben, weil sie nicht gewusst hatten, dass gerade er den
Garevio D. hat umbringen lassen. Nur den §njskie war sein bOser Gharakter
bekannt; sie haben aber gegenüber der ganzen Menge der Anhänger des
Boris Nichts ausrichten kOnnen. Sobald Boris sich auf dem Throne sicher
fühlte, begann er seinen Hass auf diejenigen Bojaren zu werfen, welche
seine Hoffnung zu nichte machen konnten, ein neues Garengeschlecht auf dem
Throne Moskaus zu begründen (bo yMBimdieHiH cboom'b, exe iiapcRiu RopesB oti»
Hero apecTa). Deshalb beschloss Boris, die Anverwandten des Garen Theodor
ins Verderben zu stürzen : er Hess die Romanovy verleumden, als ob sie da-
mit umgingen, ihren Garen Boris zu vergiften. Ein unfreier Diener des Für-
sten Sestunov hat seinen Herrn verleumdet. Boris hat den Denuncianten mit
einem Gute belohnt Da begannen die Unfreien der Bojaren untereinander
Uebereinkunft zu treffen, die einen reichten Anzeigen gegen ihre Herren ein,
die anderen traten dann als Zeugen auf. Ein solches Denunciantensystem
brachte eine allgemeine Verwirrung in das gesellschaftliche Leben.. Bnssow
erzählt : Der sterbende Gar Theodor reicht das Zepter dem Theodor Roma-
nov; dieser greift nicht zu, sondern schiebt seinen Bruder Alexander vor,
der zweite Bruder den dritten, Ivan den vierten — Michail, Michail R. —
einen anderen grossen Bojaren. Da spricht Theodor : so nehme den Stab,
wer da will. Nun greift Boris Grodunov nach dem Zepter. Nach dem Tode
des Garen gereute es die Bojaren, dass sie das Zepter von sich gewiesen, und
sie warfen dem Boris seine niedrige Herkunft vor. Mit Unterstützung der
Schwester gelang es dennoch dem Godunov, den Thron zu besteigen. Weil
aber Boris mit Mord und List zur Krone gelangt war, so traf ihn selbst das
Jus Talionis : man begann ihm nach dem Leben und der Krone zu trachten.
Der erste Aufrührer war Bogdan Bjeljskij, darauf machten die Romanovy
einen Versuch, den Boris zu vergiften. Massa berichtet: Der Gar Theodor
überreicht vor seinem Tode die Krone und das Zepter seinem Anverwandten
Theodor Nikitic. Da aber das Volk dem Boris gewogen war und Godunov
Massregeln zur Erreichung der Krone getroffen, so hat 0s Theodor für un-
möglich gehalten, es mit ihm aufzunehmen. Um einen Bürgerkrieg zu ver-
meiden, hat er die Krone und das Zepter dem Boris überreicht. Seine Frau
hat ihn später dafür ausgescholten. Der Osterreichische Hofdiener Schiele,
welcher im Sept. 1598 in Moskau war, gibt die officielle russische Auffassung
606 Engen Soepkin, Wer war Psendodemetrins I.?
wieder, dass Theodor die Krone seiner Fran Irina vermacht hat I^ ^e-
Bchlechterbuch (Latnohinskaja Stepennaja Eniga) gibt dieselbe Tradition, wie
der Chronograph: Gar Theodor habe den Theodor Romanov zn seinem Nach-
folger bestimmt. Die officielle Auffassung der Romanovy ist noch in der
Wahinrkunde des Garen Michail aus dem J. 1613 dargelegt (Godp. Fp. h Aor. I) .
Hier wird die Tradition aus den Tagen des Boris und Hieb etwas abgeändert.
Der Gar Theodor soll auf dem Throne seine Garin Irina zurückgelassen haben,
die Sorge um seine Seele aber dem Patriarchen Hieb, seinem Bruder Theodor
BomanoY-Jurjev und seinem Schwager Boris anvertraut Der »Bruder Theo-
dor« kommt eben in den Akten des Schwagers Boris gar nicht vor! (6paTy
CBoeMy ItapcROHy $exopy Herhth^io PouaHOBy-XOpLOBy). Irina hat, der Ur-
kunde zufolge, ihrem Bruder Boris zum Herrschen den Segen gegeben. Im
Gegensatze zu den Aussagen der polnischen Gesandten aus dem Jahre 1608
herrscht hier die Auffassung, dass die Wirren ihren Ursprung aus der Tiefe
einer Volksbewegung genommen, welche die Bojaren und Vojevoden ver-
gebens zu bewältigen versucht. Wie ein Meer brauste das ganze russische
Reich auf einmal auf und die Weisheit der Steuerleute ward vor dem Wttthen
der Wogen zu nichte. (H BejiHRoe Poci&CKoe ItapcxBO aro Mope BocROJie6acii, k
HeHCTOBKIA TJOlTOÄU, ARO CBHpiUUA BOJiHU BOSmyiltnia, H HeyRpOTHMO H HHHa-
npaBJifleMO, ame h RopiralH MyxpH 6ima, ho jipocTB Mopji chz'b noBpesH k cyerHy
MyxpocTL mch coTBopH H BO CBOH cxpoiiseHLA Bce o6paTH ; Ha^aiLHuesR^b £ojE>rpe
E CTpaTHTH cyoTHOM'B BOJEHeHKK) npoTHBHnxacH, HO HH^TOX'B youima cypoBOMy
HapoAaROMy ri[aro2aHHH).) Dann wird hier, allen übrigen Zeugnissen entgegen,
behauptet, dass die Garin Martha noch vor dem Sturze des PD ihn vor der
Synkletos und dem ganzen Moskauer Volke für einen Betrüger erklärt; nun
erst hätte man den Grisica ermordet Die Wahl des Michail Romanov wird
hier dadurch motivirt, dass er ein Neffe des Garen Theodor gewesen.
(Fortsetzung folgt.)
Kritischer Anzeiger.
ÜHCifaTa Ha BHsaHTiracKHfl mraepaTop^ PoMaea JlaKaneHa ao 6'BJirap-
CKHfl i^api» GHKeoHa. Oti B. H. SjraTapcKH. Co«hh 1896, 8^, 41 S.
(S.A. aus dem »Sbomikc XIII).
Ctjahh no 6'BJirapcKaTa hctopha. IIpHeMHHi^HTi na ÜHopTara. Ot'b
B. H. SjiaTapoKH. 8®, 23 S. (S.A. ans dem »Periodiüesko Spisanie«,
Heft LIV, 1896, S. 755—778).
Gtyahh no ÖxfrapcKaTa HCTopHH. KoS e 6iiun> Ty^op'B ^epHopEsei^i
AoKcoFB. Otl B. H. S^aTapcKH. Go«Hfl 1897, 8^, 20 S. (S.A. aus
dem »E'KirapcKH IIper.ieAi&a IV, Heft 3).
/(sa E3BicTHH 6'LzrapcKH Ha^nHca ot^ IX.B^Ka. Otl B.H.SjaTapcKH
(S.A. aus dem »Sboniika XV, 1898, S. 131—144).
Es gereicht mir sn einem besonderen Vergnügen, den Lesern des »Ar-
chivs« einen neuen, tüchtig vorgebildeten und arbeitslostigen balgarischen
Historiker vorstellen zu können. Nach Spiridion Palanzov, der so Vieles
über balgarische, russische und rumänische Geschichte veröffentlicht hat,
und nach Marin S. Drinov, der 1899 ein literarisches Jubilftum feierte, folgt
Vasil Nik. Zlatarski, ein Bruder des ersten bulgarischen Geologen, heran-
gebildet an den Universitilten von Petersburg und Berlin und ausgerüstet
mit Kenntniss der griechischen und lateinischen Sprache, die beide in Bul-
garien und Serbien weniger cultivirt werden und daher Viele von der Be-
schäftigung mit dem Mittelalter abschrecken. Die bisher erschienenen Studien
des Herrn Zlatarski bewegen sich meist auf dem Gebiet der älteren bulgari-
schen Geschichte, vor dem XI. Jahrb., und lassen einen besonnenen und kri-
tischen Historiker erkennen, von welchem seine Nation und die historische
Wissenschaft noch viel eu erwarten berechtigt ist.
Die älteste Periode der bulgarischen Geschichte, vor der Festsetzung
südlich von der Donau, betrifft ein Aufsats: »Hobk raniciHA sa Haä-ApeBHHJi
nepHOff^ na 6'BJirapcxaTa hctopkji« (Sbomik XI). Aus der Chronik des Patriar-
chen Nikephoros (ed. De Boor p. 24, 33) ist es bekannt, dass mit Kaiser Hera-
klios der Fürst der Hnnnogundoren Kovß^aro^, Neffe des sonst nicht bekannten
Organis, verbündet war, der sich der avarischen Oberherrschaft entledigt.
608 Kritischer Anzeiger.
die Avaren ans seinem Land vertrieben und vom Kaiser den Titel eines Patri-
kios erhalten hat Es ist Chubraatj der Vater des Aspar-chruk, des bekannten
Asparuch der Byzantiner, bei dem armenischen Geographen am 679 (Patkanov
im »:MHIIp. 1883, März 24—26), Kur'i mit 60 Begiernngsjahren, der Vor-
gänger des sonst unbekannten Bezm^r und dessen Nachfolgers, des Isperich,
in dem bekannten einheimischen Verzeichniss der heidnischen Bulgaren-
fürsten. Zlatarski verweist auf den Bericht eines Zeitgenossen, des ägypti-
schen Bischofs Joannes von Nikiu, dessen im Original verschollene Chronik
aus dem Griechischen oder Koptischen ins Arabische, 1602 ins Aethiopische
und zuletzt von Zotenberg ins Französische übersetzt wurde. Joannes er-
zählt, dass in den Sttlrmen nach des Kaisers Heraklios Tod (641) dessen zweite
Gattin Martina mit ihren Kindern unterstUzt wurde von dem Hunnenftirsten
KubratoB (bei Zotenberg Quetrades), einem Neffen des Organa (bei Zotenberg
Kuemaka), der noch als Kind in Konstantinopel getauft und dann bei Hofe
erzogen worden war. »Mit Hilfe der heiligen und belebenden Taufe hatte er
alle Barbaren und Heiden besiegt«. Dem Kaiser Heraklios, der ihn mit Wohl-
thaten überhäuft hat, blieb er dankbar lauch nach dessen Tod. Dieses Ghristen-
thum der Bnlgarenfürsten vor dem Uebergang über die Donau war aber zu
oberflächlich gewesen; Kubrafs Nachkommen erscheinen als Heiden, und
schon sein Sohn Asparuch setzte sich mit Benützung der ersten Ein-
schliessungen von Konstantinopel durch die Araber mit Grcwalt auf byzan-
tinischem Boden fest, in den Donauprovinzen nOrdlich vom Haemus.
Eine zweite Studie des Verfassers betrifft die Genealogie der Bulgaren-
fürsten des IX. Jahrb., über welche wir aus den in unseren Jahren gesam-
melten griechischen Inschriften der heidnischen Bulgarenzeit manches Neue
erfahren. Zlatarski hält den Fürsten Krum (c. 803 — + 814) für den Gründer
einer neuen Dynastie. Sein Sohn und unmittelbarer Nachfolger war Omortag,
auch Mortagon geschrieben (814—831/2). Dessen Sohn und Nachfolger war
Malamir, MaXa/^v^ auf der Inschrift GIGr. IV Nro. 8691B, MaXXiafiijQof
bei Erzbischof Theophylaktos von Ochrid, BaX&lfiSQ bei Theoph. Gont,
ein Zeitgenosse des byzantinischen Kaisers Theophilos (829—842). Ich be-
merke dazu, dass der Name dieses den Leuten des IX. Jahrh. wohlbe-
kannten Fürsten den Photios oder dessen Copisten bewog, den Vater des
GothenkOnigs Theodorich als Malamir zu schreiben : SsvdeQixov xov MaXa-
fisiQov (Dindorf, Historici graeci minores I, p. 383), statt BaXafiaiqov (Vala-
mer des Marcellinus, filius Walameris in den Consularia italica). Zlatarski
bespricht dabei die einander widersprechenden Berichte über die Jugend des
nachmaligen Kaisers Basilios L, der, wie wir nunmehr auch aus der neu-
entdeckten Vita des Patriarchen Euthymios (ed. De Boor p. 2, vgl. 130) wissen,
ein Armenier war, aus den armenischen Militärcolonien bei Adrianopel, und
von den Bulgaren Krum's sammt seinen Eltern als Kind weggeschleppt und
jenseits der Donau (nkqav xov notafAov ^ayovßiov], wohl gegenüber der Do-
brudia in der Nähe der Mündungen, angesiedelt wurde. Ansprechend sind
die Hypothesen Zlatarski's über die Beweggründe der Verfolgungen kriegs-
gefangener byzantinischer Christen unter Fürst Malamir (S. 11 — 12). Durch
diese Gefangenen habe sich das Christenthum schon unter Krum verlH*eitet,
C. Jireoek über die Arbeiten von V. Zlatarski. 609
der mit den Yerfolgnngen begonnen haben soll, weil er fUrchtete, die Lehre
Christi konnte im Balgarenheer den fanatischen GrieohenhasB schwächen,
den man wegen der damaligen Offensivkriege nothwendig brauchte. ÜDter
Omortag habe das Christenthnm besonders unter den Slaven im Lande An-
hänger gefunden. Die bulgarischen Adeligen, eine fest organisirte Glasse,
die unter der Autokratie des gewaltigen Krum ihre Bedeutung verloren hatte,
sahen in einer Christenverfolgung das beste Mittel zur Wiedergewinnung der
alten Macht gegenüber den slavischen Stammfttrsten und Grossen, die unter
Krum emporgekommen waren. Vgl. die Erzählungen des Theophanes p. 491
ed. De Boor über Erum*s Festgelage mit den SxXavivüv a^x^^s^; auch
Krum's Gesandter Dragomir, ^«^afAti^os bei Theophanes p.497, war offen-
bar einer dieser Slavenfttrsten. Die schwache Regierung Malamir's bot eine
günstige Gelegenheit dazu. Doch gehOrte zu den Beschützern der Christen
sogar bereits einer der Söhne des Fürsten Omortag, der nach Theophylaktos
^EyQaßtnaf oder Botvos hiess. Ganz richtig sind die Bemerkungen Zlatarski's
über den historischen Werth der Daten bei Theophylaktos; der gelehrte Erz-
bisohof von Ochrid, Zeitgenosse des Kaisers Alexios L Komnenos, hat Man-
ches aus seitdem verloren gegangenen griechischen und slavischen legendären
Aufzeichnungen des IX.— X. Jahrh. benutzt
Auf Malamir (f 83d— 7) folgte Presiam, Sohn des Zvinica, eines Bruders
des Malamir, wie dies der Verf. näher ausführt gegenüber der Ansicht, des Zvi-
nica Sohn sei Boris gewesen. Zum Namen vgl. Uqovinayog^ einen der SOhne des
Garen Joannes Vladislav (Anf. des XI. Jahrh.); zur Endung beider Namen (vgl.
türk. san, slav. caHlk Würde) vgl. den Bulgarennamen jiXovaiayogy der im XI.
Jahrh. und noch bei Kantakuzenes im XIV. Jahrh. vorkommt (ed. Bonn. II. 377
ein Bogenschütze Alusianos bei Berrhoea). Die von Konstantinos Porphyrogen-
netes geschilderten Kriege des Fürsten Presiam gegen die Serben (die eigent-
lichen Serben zwischen Bas und der Wasserscheide der Zuflüsse des Adriati-
Bchen Meeres) sucht Zlatarski durch die Tendenz der Bulgaren zu erklären, der
Ausbreitung des Einflusses der Franken, die seit Karl d. Grossen im Drave-
gebiete und im nördlichen Dalmatien die Oberhoheit ausübten, bei den Slaven
der Halbinsel zuvorzukommen (S. 18 Anm.). Doch die Franken waren hier in
dieser Zeit nicht mehr offensiv. Eher handelte es sich bei den Bulgaren um
Abrundung der Grenzen. Einerseits war durch Anschluss der Slavenstämme
an die Bulgaren, an die »Bulgarorum societas«, seit ungefähr 818 die Grenze
des Bulgarenstaates weit gegen Nordwesten ausgedehnt worden, wo Omortag
827 und 829 es zweimal versuchte, die Franken durch Entsendung einiger
Fiotillen vonFlnssbooten selbst aus demDravegebiet zu verdrängen. Anderer-
seits hatten damals die Bulgaren im Südwesten die Slavenstämme des inneren
Makedoniens unter ihre Botmässigkeit gebracht, bis über Ocbrid hinaus, wie
wir aus der Vita des hl. Kliment, den Daten bei Ibn-Bosteh (Ibn Dasta, bei
Rosen Über Jabja 145—146) über den Weg aus Thessalonich gegen Rom durch
die Länder der in hölzernen Häusern wohnenden, von Boris zum Christen-
thnm bekehrten Slaven (Sakälib) und aus einigen byzantinischen Notizen
wissen. Die Serben störten den Bulgaren die Verbindungen zwischen Sii^
mium und den Landschaften westlich von dem byzantinischen Gebiet bei
ArohiT Ar sUriMhe Philologie. XXI. 39
610 Kritischer Anzeiger.
TheBaalonich and Berrhoea; daher die Kämpfe bei Bas. Die Bttckkehr der
byzantinischen Gefangenen, die seit Krom's Zeit in den transdannbischen
Landschaften Bulgariens angesiedelt waren, mit Hilfe einer byzantinischen
Flotte, verlegt Zlatarski zam J. 838.
Presiam's Sohn Boris soll 843—845 bis 884^-885 regiert haben ; die bul-
garische Gesandtschaft bei Ludwig dem Dentschen in Paderborn 845 soll die
Thronbesteigung eines neuen Bulgarenfürsten notificirt haben. Doch stimmt
dies nicht überein mit den 36 Jahren, die Boris nach den Daten bei Erz-
bischof Theophyiaktos regiert haben soll und mit der nicht unberechtigten
Anschauung, dass Boris bei der Annahme des Christenthums (863 — 864) nooh
ein Mann in jungen Jahren gewesen war, nach Theophyiaktos gar noch ein
Jüngling {»altoi naXs mv). Vielleicht wird sich aus dem Inschriftenmatarial
einmal ersehen lassen, ob zwischen Malamir und Presiam nicht noch ein Bul-
garenfürst regiert hat
Zwei längst bekannte Stücke dieser griechischen Inschriften der heid-
nischen Bulgaren bespricht Zlatarski in einer eigenen Abhandlung. Es ist
die 1859 von Chr. S. Daskalov aus Trj&yna in den Moskauer HTeaiji ▼erGffent-
lichte Inschrift des Omortag aus der Kirche der 40 Märtyrer in TmoTO und
die CIGr. lY, 8691 B veröffentiichte, dort in ganz unbesonnener Weise mit
einem Denkmal von den Buinen von Philipp! zu einer Nummer yerbundene
Inschrift des Malamir über die Errichtung einer Fontaine oder Wasserleitung
(avaß^xoy)^ copirt in §umen 1^31 von Blankenburg und seitdem versehwun-
den (über Bl. selbst ist mir nichts bekannt; war es einer der preussischen
Offiziere in der Türkei zu Moltke's Zeit?). Die Lesung und Erklärung beider
Stücke ist jetzt erleichtert durch die neuerdings von äkorpil in Ost-Bulgarien
gesammelten Inschriften, die in den » Archäologisch -epigraph. Mitth. ans
Oesterreich-Ungarn«, XVII (1894), XIX (1896) mit Anmerkungen von Toma-
schek, Bormann und von mir yerOffentiicht wurden. Aus diesem Material
wurde der alteinheimische Begententitel klar: %avas {-yy-, -y^s) ^ßiyv, ^ßvT^^
also Chan mit einem Epitheton üvigiy von Tomaschek (Aep. M. XIX, 238} lu-
sammengestellt mit kumanisch-tttrkisch öweghfi, Owghtt, erhaben, gepriesen.
Es ist der abgekürzte Ghaganstitel der Avaren nnd Ghazaren; wird ja in der
Yisio des Propheten Daniel auch Boris als Kdr4Hk bezeichnet (Spomenik
y,12— 13): AVH)fAHAk KaraHk Ha BAkrapt^X^* ^^^i^so lernen wir die
beiden Adelsdassen besser kennen, die höheren ßoikadeg oder ßoXia&e^, Sing.
ßoiXaff, flotfXdffy bei denen zu bemerken ist» dass -or, -adsp eine griech. Endung
ist (wie i/iTjQodeff von &iiriqas Emir, ngr. nacadeff Paschen u.8. w.) und dass der
Stamm ßoXX-, ßoki- dem altslav. BUa'k (vgl. Miklosioh, Die türk. Elemente
1, 30, Nachtrag 1, 16) entspricht, und die niederen ßayaiyol, die ich Aep.M.
XIX, 239 mit dem Geschlecht (pOA'K) der Ugain (Olf raHN'k) im Katalog
der heidnischen Bulgarenfürsten zusammengestellt habe. Männer beider
Classen führen auf den Inschriften den Ehrentitel ßayatovQ, ßoyinoQ, nach
Tomaschek (Aep. M. XVII, 208) von einer Wurzel *bagh, yielleicht Kämpfer,
wie das mong« baghatur Held, das in vielen Sprachen recipirt worden iat:
neupers. behader, niss. bogatyr, contrahirt türk. batyr, magy. bitor.
Die Inschrift des Omortag in Tmovo spielt in meinen persönlichen Er-
G. Jireoek fiber die Arbeiten yon V. Zlatarski. 611
innerungen eine Rolle. Als ich sie fast vor einem Yierteljahrhundert in mei-
ner Bu Neujahr 1876 erschienenen Geschichte der Bulgaren heransog, wurde
Hilferding und mir yon Makusey vorgeworfen, ein Falsificat benutzt zu haben :
»9T0 He 6aiie, ne iieHie, txtch pia fraus öairapcKiixx naTpioTOBi« (?KMTnTp.
1878, ^.CXCVI, 278). Indessen erschien im CIGr.die ähnliche Inschrift Mala-
mirs und beiEanitz, Donau-Bulgarien 111^1879), S.354 zwei solche Inschrif-
ten aus Provadija. Bei meinem ersten Besuch in Trnovo 1880 eilte ich sofort
zu den 40 Märtyrern und fand zu meiner Freude die fragliche Sttule wirklich
vor (vgl. meinen von Kiepert der Berliner Akademie vorgelegten epigraph.
Bericht, Monatsberichte der kgl. Akad. 1881, S. 461). Ich habe die Inscrip-
tion 1884 genau coUationirt, wobei mich der Mangel einer Leiter, die auch um
einen fetten Bakschisch nicht aufzutreiben war, sehr beeinträchtigte. Der
Gymnasialprofessor Kitancev (aus Ochrid, seitdem gestorben) hat dann mit
einigen anderen Herren einige Stellen für mich noch neuerdings nachgesehen.
Doch zu einer Publication bin ich nicht gelangt, da ich vom Vorhandensein
anderer Inschriften derselben Art wusste und deren Veröffentlichung ab-
wartete, wobei mich dann allmählich andere Studien von Bulgarien weit ab-
seits führten. Es freut mich, dass Herr Zlatarski von den 32 Zeilen der rothen
Syenitsäule einen Abklatsch gewonnen und den Text g^nau publicirt hat.
Dabei konnte er auch eine Abhandlung von Loparev benutzen (^Bt saiitTSH
no xpeBHOH ÖojrapcROX HCTopiz, in den dannciui xm n. pyc. apzeoior. o6meCTBa
ni; Jahrgang?), deren Combinationen und Commentare auf dem Text des
Daskalov beruhen.
Richtig ist die Lesung der Schlussworte in beiden Inschriften, des Omor-
tag und des Malamir, nach dem Vorgang von Loparev: der Bulgarenchan soll
hundert Jahre leben. Sonst ist an der sprachlichen Gestalt der Texte bei
Zlatarski Manches auszusetzen. Bei Denkmälern solcher Art kommt man mit
dem Griechisch eines Thukydides, Plutarch, Prokopios oder der Kirchenväter
nicht aus. Da muss man mit dem Entwicklungsgang der griechischen Sprache
seit dem Alterthum bis in unsere Zeiten, mit dem Mittel- und Neugriechischen
auch in den »barbarischesten« Texten desselben näher vertraut sein. Daher ist
auch die von Loparev übernommene Ansicht Z.'s (Abh. Aber Omortag's Nach-
folger S. 9), diese Inschriften seien von Bulgaren verfasst worden, die mit der
griechischen Literatursprache wenig vertraut waren und sich in derselben
nur schlecht ausdrücken konnten, als verfehlt zu bezeichnen. Das Griechisch
dieser Säulen ist ja in Phonetik und Formenlehre ganz regelrecht. Die Ver-
fasser der Inschriften (einige beginnen mit dem Kreuzeszeichen) waren grie-
chische Christen, entweder Kriegsgefangene oder Ueberläufer, wie solche ja
in Krum's Zeit ausdrücklich (Theophanes p.485 und Anon. de Leone Arm.
imp.) erwähnt werden. Abweichungen von der hergebrachten altgriechischen
Orthographie und Grammatik beginnen ja schon auf antiken Inschriften und
in den ägyptischen Papyri ; darüber kann man in dem trefflichen Buch von
Karl Dieterich, Untersuchungen zur Geschichte der griech. Sprache von der
hellenischen Zeit bis zum 10. Jahrb. n. Chr. (Byz. Arch. I, 1898), genaue Be-
lehrung finden. Itacismen, Verwechslungen der langen und kurzen Laute,
neue Deolinationsformen u. s. w. sind auf byzantinischen Inschriften und in
39»
612 Kri tiBcher Anzeiger.
byz. Codices etwas ganz Gewöhnliches ; siehe z. B. aas dem IX. Jahrh. die
Kircheninsohriften von Skripü in Boiotien bei Strzygowski, B. Z. HE, S. 7 — 8.
Herrn Zlatarski ist z. B. der Acc. toy a^x^rtay neben dem regelrechten Nom.
aqx^^ und Gen. ^qx^^^s fremd. Altgr. aqx^y, yiQ0}y, yeir»y lanten ngr. im
Nom. o aqxoyras, o yi^oyta^, b yehoyas; der neugr. Acc. ist toy aqxoyja.
Das -y des Aoo. roy aqxoyray ist eben spätgriechisch und mittelalterlich;
Ygl. bei Dieterich 159 die Formen dqaxoyray (Papyri), itydqiuyray (Inschr.) a.a.
Der Nom. Plur. von hqyvid in der Inschrift des Omortag lantet hqyUs \ neu-
griechisch endigt der Nom. Plnr. der Feminina auf -bs' maqSUSf iqnidec (agr.
iXnidss), f*iqBff (agr. rjfUgai), vgl. Thumb, Handbach der neagr. Volkssprache
33 f., und schon im Mittelalter sind Formen, wie oi fiaqyaqitBe, niq<tBs, S*v-
^Bg nicht selten (Dieterioh 157). In der Inschrift des Malamir verbessert Zla-
tarski %ovs BovXyaqfis der Inschrift in xovs BovXyaqov£\ %ovs BovXyaqBis ist
aber nichts Anormales, wenn wir die Formen jißdqBts, XaCd^Bis des Theo-
phanes und die lateinischen Balgares, Vulgares (Ennodius, Cassiodoros) neben
Bulgari vor Augen behalten.
Omortag's Inschrift bietet einige topographische Daten: ein naXaibg
olxos oder aiX^ fiov ri a^jj^aea, in welcher der xayag wohnt, 20.000 Ellen {bq-
yvai)y also 42.680 Meter, davon entfernt ein glänzendes Grabmal, eine tovfAßOy
und wieder 20.000 Ellen weiter ein neuer, von Omortag erbauter hniq^ti/iog
ohtog Bis rby Jdyovßtiy, Zlatarski sucht die alte Besidenz in Preslav bei Sa-
men, die neue in Preslavec, »Perejaslavec an der Donau« des Nestor, Beris^
kläfisa des Idrisi vier Tage abwärts von Drster (Silistria) und vier Tage
aufwärts von Bisina (Maoin) in der Nähe der DonausUmpfe , nach Toma-
Bchek zwischen Rasova und Hrsovo, ungefähr bei Bogazdiik gelegen. Ich
halte diese Identificationen der avlai oder olxoi dieser Inschrift für ansicher.
Preslav wird vor Symeon's Zeit nicht genannt, ja in der mittelalterlichen
Visio des Isaias und bei Lucoari erscheint Symeon als der Gründer der Stadt
Bei seiner Lage zwischen den waldigen Ausläufern des Hämus inmitten einer
Httgellandschaft passte Preslav nicht als Centrum eines Beitervolkes; es lag
uoh vor Symeon's Eroberungen zu nahe an der Südgrenze. Die Visio (vgl.
mein Christi. Element 87) gibt als ältere Residenz Pliskov an, das identisch
zu sein scheint mit den Ruinen von Abeba. Der von mir beschriebene quadra-
tische Riesenwall von Abeba ist nach den Untersuchungen von Bormann (An-
zeiger der kais. Academie der Wiss. 1898, Nr. VI, S.27) und äkorpil nicht
römischen Ursprungs. Hier befand sich ohne Zweifel das Hauptlager der
heidnischen Bulgaren, der »bring« dieses kriegerischen Reiter Volkes, dessen
Pferde nach der Schilderung des Arabers Masudi stets auf den Weideplätzen
sich tummelten und sofort zu Eiiegszügen bereit standen. Die merkwürdigen,
von i^korpil im Sbornik VII, 44 f. (leider ohne Plan) genau beschriebenen me-
galithischen Denkmäler ausserhalb des Lagers von Aboba, gewaltige Steine,
schachbrettartig aufgestellt und zwar in den Reihen immer in angerader
Anzahl (5, 7, 9), gehörten wohl zu dem uns so wenig bekannten GOtter- oder
Ahnencultus der altbulgarischen (nicht slavischen) Heiden. Die Linie von
dieser Residenz zur neuen Wohnstätte an der Donau, 40.000 Ellen oder 85
Kilometer, kann einen stumpfen oder rechten Winkel gebildet haben. ELlein-
C. Jirecek über die Arbeiten von V. Zlatarski. 613
Preslav {MixQa nQaiaS'Xaßa der Bjz.) wird nach Nestor und Idrisi wohl sicher
an der Donau vor der Httndung des Flusses zu suchen sein. Zum Schlnss
des Mittelalters wurde die Stadt von dem Donauufer an die Seeseite der
Dobrudia übertragen ; die italienischen Karten (1408 f.) des Schwarzen Meeres
notiren abseits Ton den Donaumttndungen, südlich vom jetzigen Babadag,
ein Proalauizay nach Tomaschek (Idrisi 26) identisch mit dem Dorf Stara-Slava
bei Babadag. Leider hat man bei archäologischen Untersuchungen in der
Dobrudia bisher stets nur das Alterthum, mit VernachlSssigung des »barba-
rischen« Mittelalters, vor Augen gehabt.
Es gab übrigens in der heidnischen Bnlgarenzeit noch andere bedeu-
tende Plätze an der unteren Donau. Kaiser Konstantinos Kopronymos zog
elf BovXyaQiay Iv; rov TCl*€ts (Theophanes p.436), »ad Tzicas^ in der Ueber-
setzung des Theophanes von Anastasius Bibliothecarius, und verbrannte die
ahXai der Bulgaren. Wenn der Patriarch Nikephoros, ed. De Boor p. 71, den-
selben Feldzug schildert, reichte derselbe bis in die Donauauen: Iv ratg vXats
Tov notafAov tov ^lar^ov. Der sonst unbekannte Ort erinnert an Tiyag bei
Prokopios (ed. Bonn. 292) an der Donau zwischen latrus und Transmarisca
(j. Tutrakan). Zur Donau gehOrt auch das in den Kriegen Symeon's gegen
die Ungarn er^^nt^ Mundraga(Movyi^&ya Konst. Porph. III, 172; Moviayqa
Cont Georgii ed Bonn. 855). Es ist ganz überflüssig^ diese Burg mit Dristra
zu identificiren, wie es nach Vorgang anderer zuletzt auch Loparev meinte
(Viz. Vrem. n, 308 — 310). Der Anlaut erinnert an eine Reihe ähnlicher nichts
slavischer Namen des Pontusgebietes : Mangalia (das antike Kallatis) in der
Dobrudlia, Moncastro (Akkerman), Mankerman (der tatarische Name fttr Kiev,
Bruun, ^epHOMopie 11, 295 f.), Mangup in der Krim u.s.w. Der zweite Theil
-draga erinnert an Diraca der türkischen Chroniken bei Leunolavius, Dura-
cani auf der Karte des Fra Mauro, Traohani des Negri, das jetzige Tutrakan
zwischen Rnsouk und Silistria.
Noch eine Bemerkung zum Namen Preslav . Er lautete slavisch flplEM-
CAask, gebildet aus einem von np'KMiTH abgeleiteten Personennamen:
üpAC/lABlk Urk. Asdn's 11. an die Ragusaner und in der Uebersetzung des
Manasses, UHTponoAHTd üplSiKCAaBCKaro im Apostel 1277, ^ n^Ba-
^Xdßov Konst. Porphyrogennetes, H^ata&Xaßa Leo Diaconus, Attaleiates,
n^iüd-Xdßa Anna Komnena, Niketas Akominatos, Prosthlava päpstl. Urk.
1203, Migali Beriskläfa bei Idrisi, noch bei Karsten Niebuhr( 1767) Eski Stam-
bül, »in der bulgarischen Sprache Praslav« (sie). Jetzt hört man nurPresl&v,
Einw. PresUvec, Adj. preslavski (Cesty 642). Vgl. Perejaslavl' in Russland,
Pfejaslavice, Pi^slavice in Böhmen und Mähren, die polnischen Ortsnamen
Przeslaw, Prz4}slawice bei Miklosich, Die Bildung der Ortsnamen aus Personen-
namen im Slavischen S. 58, Nr. 278.
Im Commentar des Herrn Zlatarski sind von Wichtigkeit die Bemer-
kungen über den im IX. — ^XI. Jahrh. oft genannten Kavxaroc, den der Verf.
als einen Titel deutet, der ein hohes Amt, einen Rathgeber des Fürsten be-
zeichnete. Zu vergleichen ist Capeanus bei den Avaren: Capeanus, princeps
Hunorum, 805 angesiedelt zwischen Sabaria und Camuntnm (Ann. Einh.).
Eine andere Wtürde, die bei den Avaren, Ghazaren, Bulgaren, Magyaren,
61 4 Kritischer Anzeiger.
innerasiatischen Türken (vgl. Henandros), Mongolen u. 8. w. vorkommt, die
des Tarchan, bespricht Zlatarski in einer Rec. einer Abh. von G. Balasoev im
»Sbomik« XV (1698), Erit Theil S. 20—40; als Titel seien zu betrachten auch
Bulias-Tarkan (KonstPorph. I, p.681), Kalu-Tarkan [KaXovtsQxdyo^, Theoph.
Cont. p. 413), Bori-Tarkan der Vita S. Glementis, Olgn-Tarkan der neuent-
deckten Grenzinschrift Symeon's von 903—4. Die Titel eines Kavaqxixsiyos
(in der ed. Bonn, des Konst Porph. I, 681 als zwei Worte gedruckt) nnd BovXU^
rai^xavog führten zwei Söhne des Balgarenchans; dass der erstere Name mit
den aus alttUrkischen Personennamen wohlbekannten -iekin (tekxn brave,
courageux) zusammenhängt, darauf hat schon Tomaschek in der Oest Gym-
nasialschr. 1877, 686 aufmerksam gemacht. Ein Verzeichniss alttOrkischer
und mongolischer Personennamen des Mittelalters, wozu die rassischen An-
nalen allein eine Menge Namen von Peoendgen, Polovci (Kumanen) und Mon-
golen bieten können, wäre für den Historiker Osteuropas eine sehr will-
kommene Stütze: die Namensgebung der jetzigen türkischen Völker ist meist
ganz verwischt durch den Einfluss des Islam.
Eine andere Studie betrifft die Männer der ersten christlichen Zeit Bul-
gariens. SafaKk (Sehr, spisy III, 183) hat den »HkCTkHnUH MfAOB-kK*k
^oyKCk HcpHOpHSfli^kc, der Joannes den Exarchen zu dessen Ueber-
setzungarbeiten aus dem Griechischen aneiferte, und den »To^^opik
HcptfOpHBCU^k ^OKCOB'ka, der 907 eine Uebersetzung des Bischofs Kon-
stantin copirte, als öine Person aufgefasst Sreznevskij hielt ^OlfKCk für
den lat dux (die mittelgriech. Form ist dovxaff, ebenso wie (ijyac für rex u. s. w.)
und erklärte diesen neugetauften Bücherfreund als den Fürsten Boris selbst
im Mönchsstande. Zlatarski zeigt, dass es zwei Personen waren. Der Mönch
Duks war des Boris Bruder, genannt in den Marginalnoten des Evangeliums
von Aquileja, jetzt in Cividale befindlich (ich habe den Codex 1892 in Civi-
dale eingesehen ; ein photographisches Facsimile dieser Noten wäre sehr zu
wünschen): »hie sunt nomina de Bolgaria: in primis rex illomm Michahel, et
frater eins Doz et alius frater eins Gabriel« etc. Duks hat sich wahrscheinlich
nach dem Beispiel seines regierenden Bruders ins Kloster zurückgezogen. Der
Mönch Todor Duksov sei ein Sohn dieses Duks gewesen, folglich, ein Neffe
des Fürsten Boris und ein Vetter des Symeon. Das Klosterleben scheint den
neubekehrten bulgarischen Fürsten gefallen zu haben, denn nach Liudprand
(Antapodosis 1. III, cap. 29) hat auch Symeon vor der Thronbesteigung im
Kloster gelebt: »ex placida monasterii quiete in seculi procellam transivit«.
Zlatarski bespricht femer die Lage des von Symeon am »ustie« des
Flusses Tioa gegründeten Klosters, in welchem dieses Mitglied der Herrscher^
familie 907 lebte und Codices copirte: »Na oycTYN TuMA HA<3Kf
CBATda BAATAA iJ^pkKBkl HOBdA CkTBOpfHA ICTk TtlU^KAC KNA-
3lMkc. Auffällig ist mir dabei die Behauptung (S. 11), der Name Tioa (»il
fiume Ticia« bei »Prislava maggiore« bei Luccari 1605) werde für denBüjük-
oder Akylly-Kamoik bei Preslav von der dortigen Bevölkerung erst seit der
Befreiung Bulgariens (1877—^) wieder angewendet. Ich habe (1879—1884)
einen so recenten Ursprung des Namens in der Gegend selbst nicht bemerkt.
Die Combination, der Fluss habe im Mittelalter Bioina geheissen nnd diesen
G. Jireoek über die Arbeiteo von Y. Zlatarski. 615
Namen (bio » kamoik Peitsche) hätten die Türken in Eamoik übersetzt, finde
ich geistreich, aber nicht stichhaltig. Bniiva bei Anna Komnena (VII, cap. 3)
am Balkan kann eine blosse Verweehslong mit der Stadt Bn^iya (auch bei
Anna VI, cap. 14 neben Dristra genannt), Bisina des Idrisi, Vecina des Pego-
lotti and der italienischen Seekarten an der nnteren Donau sein, die nach
Tomaschek (zu Idrisi) im jetzigen Maoin gegenüber Braila zu suchen ist Auch
kann der Flnss BnCiya der Anna Komnena zu BvtCa des Manuel Philes,
Laui^a, Yi^ der Seekarten gehören, einer Burg am Ostende des HSmus nOrd-
Hob vom Cap Emona (ygl. meine Bemerkungen zu Philes, Christi. Eiern. 80).
Tic» kommt übrigens auch bei Philes vor als (Burg) jiHx^a. Das Kloster
Symeon's glaubt Zlatarski in den Trümmern eines prächtigen christlichen
Baues zwischen den Dörfern Catali und Trojica, neben dem Weg von Preslav
nach l^men, gefunden zu haben; dort stiess man auf Steine mit Elreuzen,
Ziegel mit Beliefomamenten, Steinchen von Mosaikboden, Fragmente von
Capitälen u. s. w. In den benachbarten Schluchten des isolirten Plateaus von
§umen, deren Namen an und für sich charakteristisch sind, im »Monastirski
dol«, »Kalnger boaz« (boaz, richtig boghaz türk. Kehle, Enge) u. A. fand Zla-
tarski zahlreiche Höhlen, noch immer als »monastiri« bezeichnet, mit Besten
von Fresken und Gräbern. Sveta Trojica wird 1767 bei Karsten Niebuhr er-
wähnt; hier war wohl auch das Kloster, in welchem nach dem Bericht des
Peter Bogdan 1640 der Bischof von Preslav residirte. Nach einer Beschreibung
der orientalischen Bisthümer um 1725, die Omont in der B6vue de TOrient
latin i (1893), 315 herausgegeben hat, residirte o UqetiXaßag in KaCaynovydqiy
das in den Yerzeichnissen der jetzt bewohnten Dörfer dieser Landschaft fehlt.
Zlatarski ist der Ansicht, das Kloster Sveta Trojica sei mit den von ihm be-
schriebenen Ruinen identisch und dies sei die »heilige goldene neue Kirche«
Symeon's gewesen; hier bestand, meint er, vielleicht die erste bulgarische
Schule, hier arbeiteten die slavischen Uebersetzer der Zeit Symeon's und hier
mag auoh der erste christliche Herrscher Bulgariens Michael Boris seine Tage
als Mönch beschlossen haben.
Ich erlaube mir dazu zu bemerken, dass 0YCTHI6 in Bulgarien nicht
nur eine Mündung, sondern auch einen Engpass bezeichnete. Mit Ustie
wird to Sreyoy, der Bosporus (Goy^^lky Sund des Nestor) übersetzt; ebenso
hiess Ustie im XIY. Jahrh. die Enge des römischen latrus und slavischen Jetr
(j. Jantra) oberhalb Tmovo, heute noch im Dialekt ekA»t&-to genannt (Cesty
po Bulharsku 162, bulg. Uebersetzung von Argirov S. 224). Uebrigens nennt
Philes zu Anfang des XIY. Jahrh. eine Burg Ovmoy bei Preslav (Christi.
Element S.83), vielleicht in der malerischen Enge der Tica oberhalb Plreslav.
Umfangreiche, griechisch geschriebene Correspondenzen haben sich aus
der Zeit Symeon's erhalten. Die zahlreichen (26) Briefe des Konstantinopler
Patriarchen Nikolaus Mystikos an Symeon hat Zlatarski im »Sbomik« X, XI,
XII übersetzt und commentirt. Im »Sbomik« XIII erschien als Fortsetzung
dazu die Uebersetzung und Besprechung der drei Briefe, die, von dem Kanz-
ler Theodoros Daphnopates verfasst und vom Kaiser Romanos L Lakapenos
925—926 an Symeon gesendet wurden, nach der Ausgabe von Sakkelion im
Jelxioy II (1885; der hist-ethnologischen Gesellschaft von Athen. Diese
616 EritiBCfaer Anzeiger.
SchriftBÜcke sind von grossem Interesse. Man sieht, mit welcher unbeng-
saoien Energie Symeon seine grossen Pläne verfolgte nnd mit welcher Zähig-
keit die Byzantiner es abwiesen, Symeon's nene Titel anzuerkennen und auch
nur einen Schritt vom Boden des Reiches abzutreten. Man bemerkt auch hier
öfters den bitteren Hohn in den Aeusserungen Symeon's, der aus der Corre-
spondenz des Patriarchen bekannt ist. Er schrieb dem Kaiser, die Bulgaren
seien gewohnt das Fremde zu begehren und nicht es herauszugeben; die
Griechen seien das Abtreten von Ländern schon gewohnt, indem auch Doro^
stolon (Silistria) und andere Städte einmal Besitz der einstigen griechischen
Kaiser waren. Viel ist die Bede von Symeon's Titel eines Kaisers der Bul-
garen und Griechen; Symeon's Griechen, sagt Roman, seien nur seine Ge-
fangenen, und wenn er nach fremden Titeln begierig sei, warum schreibe er
sich nicht auch Emir-al-mumenin der Saracenen? Im Commentar (Ann. S. 17
— 19) verlegt Zlatarski die Entrevue zwischen Symeon und Roman ror den
Mauern von Konstantinopel in den September 923. Den Titel eines ELaisers
der Bulgaren hat Symeon nach seiner Ansicht bald nach der Schiacht bei
Anchialos 917 angenommen, den eines Kaisers der Griechen zu Ende des J. 924.
Im Commentar stützt sich Zlatarski gar zu viel auf die Hypothesen von
Raoki nnd Drlnov über die damaligen kroatisch-dalmatinischen Verhältnisse,
gegen welche sich manche Einwendungen erheben lassen Drinov meinte,
während der Kriege der Byzantiner mit Symeon seien durch eine Ueberein-
knnft mit dem Papst die Adriatischen Küstengebiete politisch den Byzanti-
nern, kirchlich dem römischen Stuhl untergeordnet worden; dafür erhielt
Tomislav von Kroatien die KOnigskrone, Michael von Ghlm die Würde eines
Proconsul und Patrikios. Damals, 924 und 926—7, wurden zwei Synoden zu
Spalato abgehalten, deren Acten Raoki als umgearbeitet betrachtete. Darin
wird der päpstliche Legat Bischof Madalbertus genannt (hnicnonog MaiiX*
ßsqzos war auch 933 in Konstantinopel, JbMov 11,395), der »peraoto nego-
tio pacis inter Bulgaros et Chroatos« nach Spalato kam. Dagegen ist zu be-
merken, dass die kirchliche Abhängigkeit der dalmatinischen Städte von By-
zanz unter Papst Johannes VIIl. (879) bald zu Ende war; schon unter
Stephan VI. (885—891) hatte das Patriarchat von Aquileja in der Kirche von
Spalato Einfluss gewonnen (Raoki, Docum. 10, 187) und die Erzbischöfe von
Spalato und Nona standen in Verbindung mit Rom (Starine XII, 219). Die
Fürsten von Kroatien werden bei Konstantinos Porphyrogennetes (ed. Bonn.
I, 691, III, 149 f.) nur als aqxoyxBg, nicht als Könige bezeichnet; derKOniga-
titel war also in Konstantinopel nicht anerkannt. In die Combination pasat
auch der Ueberfall von Sipontum in Uuteritalien durch »Michael, rex Slavo-
mm« nicht hinein, den die unteritalischen Annalen zum Juli 926 verzeichnen.
Wann Michael von Zachulmien den byz. Titel eines avd'vnaxos %a\ tuxtqIxioc
erhalten hat, mit welchem ihn Kaiser Konstantin nennt, ist unbekannt Es
kann auch nach Symeon's Tod gewesen sein, tdenn Michael lebte wahrschein-
lich noch um 948 — 952, als Kaiser Konstantin das Buch »de administrando
imperio« schrieb; wenigstens wird er darin nicht ausdrücklich als gestorben
erwähnt und ebenso werden keine Nachfolger dieses Archonten der Zaohlumier
genannt.
Glagolitisches Urkundenbuch, angez. von C. Jirecek. 617
Es ist ZQ erwarten, dass Herr Zlatarski auch den ältesten Theil dieser
Correspondenz seinen Landsleuten übersetzen nnd historisch erl&ütem wird,
die Briefe des Magistros Leo Choirosphaktes oder Ohoirospbageus, des
»SchweinetOdters«, herausgegeben 1884 von I. Sakkelion im ^eXtloy der bist.
Gtosellsohaft I, S. 380 f. (vgl. Ernmbaoher's Byz. Literaturgeschichte < S. 722).
Dieselben betreffen den ersten Krieg Symeon's gegen die Byzantiner unter
Kaiser Leo dem Weisen, ungefähr 893^896, denselben, wo auch die Ungarn
als Bundesgenossen der Byzantiner den BulgarenfUrsten bekriegten und wo
sie nach einer Niederlage gegen die verbündeten Bulgaren und Pecendgen aus
Bessarabien in das alte Avarenland in Süd-Ungarn übersiedelten. Es befin-
den sich darunter auch drei kurze Briefe Symeon's selbst, die einzigen, die
sich erhalten haben, an den byzantinischen Gesandten Leo, mit offenbarem
Spott über Kaiser Leo den Weisen, der eben eine Sonnenfinstemiss voraus-
gesagt hatte, aber sonst die Zukunft nicht kenne: o aos ßaifiXsvg xal /umoi-
QoXoyoc (Brief Nr. 3). Auch die »Besponsa Nicolai papae ad consulta Bnlga-
roruma von 866 verdienen mit ihrem äusserst werthvollen und reichhaltigen
culturgeschichtlichen und ethnographischen Detail eine gründliche neue Be-
arbeitung. Die grOsste Aufmerksamkeit ist aber den merkwürdigen griechi-
schen Inschriften der heidnischen Balgarenzeit zuzuwenden. Vielleicht wird
sich auch aus der verwitterten grossen Felseninschrift von Madara (vgl. Skor-
pil, Aep. M. XIX, 248), in der man jetzt die Namen des Krum und Omortag
zu erkennen glaubt, durch gute Photographien und Abklatsche etwas ge-
winnen lassen.
Wien, 1. Juli 1899. C. Jireeek.
Monumenta historico-jaridica Slavomm meridionaliam. Volomen VI.
Acta croatioa (1100 — 1499). — Hrvatski spomeDioi. Sveska I.
Zbirku I. Enka|evica i B. LopaSica popunio i za tisak priredio
Dr. Büro Surmin. U Zagrebu (jngoslav. akademija) 1898, 8^, X
und 500 S. (Preis 3 fl. 50 kr.).
Vor einem Vierteljahrhundert veröffentlichte der unermüdliche Sammler
südslavischerGesohichtsquellen Ivan Kukuljeviö Sakcinski mit Unterstützung
eines trefflichen Kenners der kroatischen Geschichte, des Professors Matija
Mesiö, als ersten Band seiner »Monumenta historica Slavorum meridionalium«
die »Acta croatica. Lisdne hrvatske« (Agram, Druckerei des Dr. Giy 1863).
Die Sammlung enthielt 337 Stücke aus den J. 1100—1599. Da dieDocumente
meist mit dem glagolitischen Alphabet geschrieben und in der Schrift der
Originale reproducirt waren, fand dieses sonst mustergiltige und inhaltlich
^erthvolle Urkundenbuch nicht die Anerkennung und das VerstllndnisB, das
es verdiente.
Die südslavische Akademie in Agram hat beschlossen diese Urkunden-
Sammlung neu herauszugeben und zwar alle glagolitischen Stücke in cyrilli-
scher Transscription, vermehrt mit unedirten Stücken aus dem Nachlass von
618 Kritischer Anseiger.
Kukuljeviö and Lopasiö, auB dem Archiv der Akademie, dem kroatischen
Landesarchiy n. s. w. Die Ausgabe besorgte Dr. Gjnro Murmln. Der erste
Band bringt 281 Stücke bis 1499. Naoh der Vorrede S. VI wird die Samm-
lung noch weitere drei BSnde füllen. Die cyrillische Schrift der Aasgabe ist
die moderne »graüdanka«. Die Gmnds&tze der Umschreibung glagolitisoher
Texte sind in der Vorrede dargelegt. Auffällig mag manchem Neuling das
l|j für (f sein; doch wird 6 auch in CTrillischen Urkunden durch K und l|l aus-
gedrückt, wie man ja selbst in altserbischen Documenten KCyKtti und KO^yiA
neben einander liest, ebenso Dorfnamen auf -HKH and -Hl|lH, in einem Do-
cument von 1327 (Miklosich, Mon. 86) knapp nacheinander noilOl|Jk und
nouotkH.
Die Edition hat etwas Mechanisches und in der Auswahl der ZusStae
Planloses an sich. Die älteste Urkunde der Sammlung von Kukuljevid, an-
geblich von 1100, dort erst im Nachtrag (S. 315—316) mitgetheilt, ist im vor-
liegenden Band abermals in den Nachtrag (S. 428 — 429) gerathen, was übri-
gens dem Herausgeber selbst unangenehm war (Vorrede S. VIII: najvise ialim,
sto je spomenik od god. 1100 dospio medu »dodatke«). S.83 — 84 ist eine
bosnische (cyrillische) Urkunde von 1366 inmitten der mit modernen Typen
veröffentlichten Stücke auffälliger Weise mit kirchenslavischer Schrift ge-
druckt, wahrscheinlich nur desswegen, weil sie Badki in den Starine Bd. 21
in dieser Schrift edirt hat Dasselbe gilt von einer zweiten, von Kukuljevid
mit kirchenslavischen Lettern gedruckten l>osnischen Urkunde von 1446 auf
S. 165—167. Auf S. 115—116 ist eine Urkunde von Almissa von 1415 in einer
Copia von 1639 in lateinischer Schrift mitgetheilt. Dagegen hat der Heraua-
geber andere Copien in lateinischer Schrift, besonders des Viteaovitf aus dem
Ende des XVII. Jahrb., cyrillisch transscribirt (S.85— 86, 91—93, 123—125).
Nach meiner Ansicht ist dieses Verfahren nicht immer zu billigen, da dabei
manches in einer Gestalt vorkommt, die dem verlorenen Original fremd war;
so z. B. in der Urkunde des Ban Tvrtko S. 86 stand kaum fi^AKilti nnd
BAAKai|J, eher EAkKHli, BAkKai^k. Ebenso ist in der Urkunde des-
selben Tvrtko als König S. 91 transscribirt fi8AK1^4 neben S.92 piMfHOra
BOCBOA< BAkKHa. Das Original dieses letztgenannten Stückes ist übri-
gens erhalten und hat nur die Form BakKl^a. Man kann es in einem photo-
graphischen Facsimile, herausgegeben von Dr. L. von Thall6czy, im »Glas-
nik« des bosnischen Landesmuseums 1897 einsehen, was Herrn l^urmin entn
gangen ist.
Die Literaturangaben des Herausgebers sind überhaupt ungenügend.
So z. B. ist die Urkunde eines Frankapan an die Wlachen bei Elissa 1436,
hier S.432 — 435 aus den Papieren des Lopasiö edirt, bereits gedruckt von
Lopasiö, Mon. bist. jur. V, 8—11 und nach einer alten Gopie von Jagi^ im
Archiv XIV, 156—157. Ebenso ist die Notiz aus dem Utesten Godex des
Poljicer Statuts (1450, S. 190) auch von Jagiö in denselben Monumenta liiat.
jur. IV, S. XXII (mit dem Jahr 1408) mitgetheilt. Die Grabinschrift des
Dabiiiiv, f HO)fHttpk [oivoxoos) des Garen Uroe, vom J.1362, aus dem Kloster
Treskavec bei Prilep in Makedonien, hier S.8i nach der Gopie von Jastrebov
im »Slovinac« 1884, S. 3 abgedruckt, ist schon herausgegeben von Grigorovie.
Glagolitisches Urkundenbuch, «ngez. von G. Jireoek. 619
O^epR'L nyremecTBlH no Espon. TypiiiH, 2. A., 117 — 118, und von Ra^ki im
»Knjilieviiik« 1, 490 (nach einer Copie von Konstantin Miladinov). Wie kommt
aber diese makedonische Inschrift in eine Sammlang kroatischer Urkunden?
Warum hat der Heraasgeber nicht auch andere altslavische Inscriptionen aas
Makedonien von der Grabinschrift des hl. Kliment in Ochrid angefangen, aas
Balgarien, Serbien a. s. w. in die Sammlang aufgenommen und gerade nur
dieses eine Stück?
Die Unkenntniss der Literatur führte za manchen Missgriffen, die keines-
wegs eine Zierde der Sammlung bilden. S. 82—83 wird aus dem »Yiestnik«
der kroatischen archäolog. Gesellschaft 1886 die bekannte cyrillische Grab-
inschrift der gospogja Radaoa, Frau des Äupan Nenac Cihoriö, aus Velioani
in Popovo in einer sehr schlechten Copie mitgetheilt: HCiHa IlaHdHf Hkl^d
(in einer Note erklSrt als Ba^anenca, covjek iz Ba^ana, also aus dem Stamm
derBanjani in Montenegro) HH\^fiHKA KHBHHI^a (sie!) u.s.w. Das Fac-
simile des Dr. Truhelka im Glasnik 1892, 215 ist Hern Murmln unbekannt ge-
blieben, ebenso meine Abhandlung mit ausführlichem Gommentar zu dieser
Inschrift (Vlastela humska na natpisu u Velicanima, Glasnik 1892, 279—285
8B Die Edelleute von Hum auf der Inschrift in Veli^ni, Wissenschaftliche
Mittheilungen aus Bosnien III, 474 — 480). Auf dem Stein steht doch:
HCoynaHa HfHkua MH)fopHlia kSslnhi^a u. s. w.
Auf S. 430 —431 publicirte Herr Surmin eine Best&tigung der ragosani-
sehen Privilegien durch den bosnischen E0nig Stephan Dabisa, nach einer
alten Copie in lateinischer Schrift in der Sammlung der sttdslavischen Aka-
demie. Während der Text mit »ja Stefan Dabisa« beginnt, lautet die Unter-
schrift »ja Tvartko« u. s. w. Das Datum der Copie 1382 hat der Herausgeber
in 1392 verbessert. Nun ist diese sogenannte Copie ein ganz elendes Mach-
werk, von einem Ignoranten zusammengestoppelt aus zwei wohlbekannten
Urkunden der Könige Tvrtko und Dabisa« wobei die um zehn Jahre jüngere
zweite Urkunde unglücklicher Weise vorangestellt wurde I Das Datum 1382
ist echt und gehört zu dem älteren der beiden Stücke, äurmin S. 430—431,
Z. 7 CS aas der Urkunde des Königs Stephan Dabisa, gegeben in Lusci in den
Dolnji Kraji am 17. Jali 1392, Miklosich, Mon. S. 221; äurmin S. 431, Z. 8 bis
zum Schluss =» aus der Urkunde des Königs Stephan Tvrtko, gegeben »na
Bisöi u Podgrady« (sie), in Bisöe unter der Burg von Blagaj in der Umgebung
von Mostar, am 2. December 1382, Miklosich, Mon. S. 201—202.
Nun einige Bemerkungen zu einzelnen Stücken. Die Inschrift auf dem
Siegel des Klosters von Zava\}a S. 10 ist nicht von 1271, eher von 7271 s 1763
(•;ir3CCa«). — Die Urkunde des Berislav Skooiö 1323 S. 79—80 ist in der vor-
liegenden Copie ganz unverständlich. — Von grossem Interesse ist die Ur-
kunde des Königs Stephan Dabisa vom 25. (nicht 15.) April 1392 S. 95—98
mit Erwähnung der historisch für Ende 1391 1) beglaubigten türkischen In-
1) Die Ragusaner schrieben im März 1392 dem König Sigismund: »die
namque XXVIIII decembris preteriti Turchorum aliqua quantitas inoasit
prope confinia Bosne« (Conoept im L. Bef. 1388 — 1390, inliegend bei den Be-
schlüssen des Consilium minus vom Februar 1390; vgl. Cons. Eog. 18.
620 Kritischer Anzeiger.
vasion nach Bosnien. Merkwürdig ist das Lob der Getreuen, die vor des
KOnigs Angen ihre glänsenden Waffen unter den Sehwertstreiohen ihrer
starken Rechten mit türkischem Blut netzten und ihre Muskeln am Heiden-
blttt erfreuten, wobei sich der Vojvode Hrvoje ritterlich und treu auszeich-
nete: »reoenu vojsku turaokn pobismo i pod mao obratismo i gledahomo
naiima ocima, gdi nasi vimi poliyahu svoje svitlo oruJije krvju tura6kom
od udarac macnih kripke jih desnice, nestedede se nam posluiiti a svoje
misce nasladiti v poganskoj krvi; i v tom reoenom boju i rvani posluSi
mi yiteiki, vimo i srdoano kraljevstva ml vsesrdoani i vazmoini vites i
yimi nas vojevoda Hrvoje, sin vojevode Vlkca« (S. 96). Da ist in höfischer
Elanzleiprosa manches gesagt, was im Tolksthümliohen Epos wiederklingt. —
Nur als Falsificat hat ein Interesse eine angebliche Urkunde des Despoten
Georg, »kralj od sarpske zemlje(!)« von 1412 (wurde Despot erst 1427] auf
S. 110— 111.
Werthvoll sind die Epiloge glagolitischer Handschriften, wie desBartol
aus Krbava 1414 (S 113 — 114), über den Krieg, den »neästivi Hrvoj z Bos-
nami (Bosiiani ?) i z Beneci i s Turki uzdviie na kralja ugarskoga iigmnnda,
ki yerno stase za ^est kersdansku«, in einer Zeit, wo Spalato mit den Inseln
von Hrvoj e zum König Sigismund abgefallen war, wo Hrvoje in Bosnien Si^s-
mund's Schützling, den König Ostoja, bekämpfte, wo die Türken bis über den
Vrbas streiften und König Sigismund in Italien mit Venedig 1411—1413 Krieg
führte (vgl. Eadoniö, Archiv XIX, 427 f.). Eine andere Notiz von 1432 (S. 131
—132) verzeichnet den Tod des Bau Mikula Frankapan (f 26. Juni 1432), er-
wähnt dessen Sohn »Knez Ani«, der beim König von Dänemark (u kralja de-
morskoga) war, nämlich bei König Erich XIII. von Schweden, Norwegen und
Dänemark, der 1424 — 1425 bei König Sigismund verweilte (vgl. Ctoleioh and
Thallöczy 296—307) und zwischen den Frankapan und den Herren von Gilli
in einer Familienfehde vermittelte (vgl. Smiciklas 1, 494), femer den zweiten
Sohn »Knez Stefan« (zur Genealogie vgl. Lopaiiö, Starine 25, 202), den Zug
Sigismund's nach Rom »na cesarstvo« und dessen Krieg gegen Venedig im
Bund mit dem »viisduka z Milana«, nämlich dem Herzog Philipp Maria,
Sohn des Gian Galeazzo Visconti von Mailand. — S. 163—164 ist die Abbre-
viatur »cottUB Zagrabiensis« aufzulösen als comitaku, — In der Urkunde des
bosnischen Königs Stephan Thomas, gegeben zu Vranduk 1449, in welcher
derselbe eine Handelsgesellschaft (opdeno trgovanje) mit Theilung des Rein-
gewinns mit dem Knez Nikola aus Traä abschloss, ist S. 179 AHKdpH Cf HkH-
CKH corrupt (vicarius?). Ein interessantes Stück, schon belcannt aua Ku-
knijeviö, Archiv VUI, ist die S. 231—232 gedruckte Urkunde vom J. 1463,
aus der Zeit des Unterganges des bosnischen Königreiches. Im Mai Ter-
sprachen die Ragusaner der Despotissa Helena Palaiologina , Wittwe des
serbischen Despoten Lazar Brankoviö und Schwiegermutter des damaligen
letzten bosnischen Königs Stephan Tomasevid, ihr im folgenden October am
St. Demetriustage 1363 Perper und 8 Dinari (Cons. Rog. 9. Mai : 400 Ducaten)
1392). Solche Invasionen gab es übrigens schon früher, ebenso Ende 1392.
Vgl. Arohiv XIV, 266.
Glagolitisches Urkundenbuch, angez. von G. Jirecek. 621
auf Beohnnng des Königs zu zahlen. Bald darauf folgte die tflrkisohe Er-
oberung Bosniens und der Untergang des letzten KOnigs. Dem Gesandten
der Helena wurde die Summe nach Beschluss des Senats vom 14. October
(Starine VI, 10 — 11) ausgezahlt, und zwar erhielt derselbe, der Dijak Kozma,
das Geld am 11. November. Der Zeuge XiHKO HiAHHKOBHKk ist zu lesen
2K0HKO, Junius, Sohn des Pasqualis de Sorgo, der einst »celnik« des Despoten
Georg gewesen war. Im Regest S. 231 ist König Stephan unrichtig bereits
zum 11. Mai 1463 als verstorben (pokojni) erwähnt.
Das Schreiben des »Anz-pasa« an die Ragusaner angeblich um 1471 —
1478 auf S. 285—286 (gehört zum J. 1481, und der Aussteller ist kein Ani
(Angelo) oder Hanns oder etwas dergleicheui sondern ein Türke Ajaz. Im
Original steht wohl kaum Aiaa-pasa, da er in gleichzeitigen Documenten nur
als »Beg« titulirt wird. Aiasbeg war »krajisnik« (Grenzwächter) und Statt-
halter der Herzegovina seit 1478. Während des Kampfes der Türken um die
letzten Beste des Gebietes der Hercegoviöi ging am 13. August 1481 Jaoobus
de Bona als Gesandter der Bagusaner zu Aiasbeg ab, am 9. September mit
VermehruDg der Geschenke Franeiscus de Poza, KHl3k HpaifkMfCKO
ÜSi^Hlik der vorliegenden Urkunde, am 16. November wieder Poza mit
Joannes de Palmota. Im Januar 1482 nahm Aiasbeg Novi (Castelnuovo). Die
Urkunde gehört zu den Stücken, die in der ersten Hälfte des XIX. Jahrh.,
besonders während der französischen Occupation und nach derselben, aus den
Archiven von Bagusa entwendet und in ferne Sammlungen verschleppt wur-
den (vgl. auch die ragusanischen Stücke aus dem ungarischen National-
museum 1468 f., Cod. dipl. patrius III, 419-— 433). Zu dieser Kategorie (aus
der Sammlung Kukuljeviö, jetzt bei der Akademie in Agram) gehört auch
die Expeditoria des Herceg Vlatko von 1478, S. 286—287. Die Verleihung
des Bürgerrechts von Ragusa an den Vojvoden Peter Stjepanoviö Chrabrdn
mit dessen Brüdern Knez Yukao, Knez Pavko, Knez Stjepan, Knez Dobri,
S. 293 unbestimmt in das XV. Jahrh. verlegt, stammt aus den Zeiten der letz-
ten Hercegoviöi. »Voyuoda Pethar Stepanouich« wird 1469—1486 erwähnt;
am 22. Mai 1473 beschloss das Consilium Rogatorum »de faciendo literas
voyuode Petharo Stepanouich cum sua fratemitate«, nebst einem Geschenk
von 40 ypp. »in pannis« — wohl die in der vorliegenden Sammlung mitge-
theilten »literae«. Noch 1 483-— 1488 wird ein Geschenk an Dobrie Vozioh
Crabrieno, Vojvoden de Dogni Vlassi erwähnt (L. Rog. 1481—1485). — Bei
dem Schreiben des Sultan Bajezid IL, S. 358, wird eine Art Siegel zu Anfang
erwähnt: »Na pooetku je naiinen zoak kao pe^at«. Das ist wohl nichts
anderes, als die bekannte Tughra, Schriftzug des Sultans, gewöhnlich be-
streut mit goldgelbem Streusand.
Unter den Nachträgen ist von Interesse abermals eine Notiz von 1431—
1433 aus einem glagolit Breviar, S. 431— 432: Papst Martin (V.) starb am
12. Februar (richtig am 20. Februar 1431) ; im zweiten, folgenden Jahre gab
es eine Sonnenfinsterniss (am 2. Februar 1432) und zugleich plünderte der
Türke Isaak Vojvoda bei den »Vlachen und Kroaten»; im dritten Jahre starb
»ban Mlkula« (Nikola Frankapan f 26. Juni 1432, s. oben), und König Sigis-
mund zog nach Rom und wurde Kaiser (31. Hai 1433). Die Stelle »H BH
622 Kritischer Anzeiger.
KpoYHfH nandf C HOfU (?), KH SlUlf )fH}KI BNITaHKIcbeziehtsichaaf
Papst Eugen IV. (Gabriel Condolmieri), der wirklieh ans einem ayenetiani-
schen Hanse« stammte. Der Schluss ttber einen Krieg des bosnischen Königs
mit Sandalj nnd den Bosniern, die einen anderen KOnig haben wollten, ist
im Original verblasst oder schlecht gelesen: »A TAfi^A HUf Ulf paT Bf AHK
KpaA KocaNCKH GaHAaA(ou) h cEiouiHaNH solsiiif (tJAPO^ra xpaAa,
a TspTKa KpaAa t im J. 1433 kämpften eben der GegenktfnigRadivoj
der Grossvojyode Sandalj und Despot Georg von Serbien gegen KGnig
Tvrtko U., der nach Ungarn vertrieben wurde (vgl. Badoniö, ArchiT XIX,
462 f.).
Zum Schluss ein Nachtrag. Ich finde unter meinen Papieren eine Notiz
ttber eine glagolitische Urkunde vom 22. Mai 1484, gegeben in Voksiöi, deren
Abschrift mir vor Jahren einmal der verstorbene Bibliothekar des böhmi-
schen Museums A.J. Vrt'&tko gezeigt hat. Anfang: »Mi Span rodeni stola
In^koga Stipan Pumosiö z Bilan, i suci roöeni Miklous Ugrinoviö z Bogm,
plemena §ubiö, Ivan Pavloviö s Karina, plemena Kari^an, Ivan Batoriö s Ka-
ii6 i Ivan Stipsiö z Miran, i pristavi roöeni Grgur Pavi6i<5 z Otres i Tomas
&idobriö s Po]a6e i s inimi plemenitimi Ijudi ovoga msaga« Urkunden über
einen Verkauf von LSndereien »na Polaoi« vom »plemeniti Paval Korlatoviö«
an »Tomas §adobriö s Polare« fttr 41 Ducaten. Das Original (mit zwei hängen-
den Siegeln) mag sich in Prag oder Raudnitz befinden. Zum Inhalt vgl. die
Urkunden bei äurmin S. 361, 411, gleichfalls in Vuksidi 1492, 1498 datirt
Wir wünschen den »Acta croatica« eine baldige Fortsetzung, nur mit
etwas mehr Kritik bei der Auswahl und Bedaction des Materials und
unter der Leitung eines sachkundigen Historikers.
Wien, 13. Juli 1899. C. Jireiek.
Theodor! Dncae Lascaris epistalae CCXVII. Nnnc primnm edidit
Nicolans Festa. Accedunt appendices IV : I. Theodori litterae de
pace a Bnlgaris per Russos petita, 11. Einsdem sermo adversas
maledicos, III. Nicephori Blemmidae epistulae XXXIII, IV. Sabae
ad Nicephomm Blemmidam epistnla. Firenze 1898, XII nnd 414 S.
in 4<^ (Pabblicazioni del R. Istitnto di studi saperiori pratici e di
perfezionamento in Firenze. Sezione di filosofia e lettere).
Eine interessante Gestalt der ostenropäisehen Geschichte des Xm. Jh.
ist der russische Fürst Bostislav Michailovio, Sohn des 1246 von den Tataren
hingerichteten Fürsten von Oemigov, des hl. Michail Vsevolodovio. In seiner
Jugend war er in Novgorod eine Zeit lang Fürst der Stadt, nahm an den
K&mpfen um Hallo Theil und lebte dann in Ungarn als Schwiegersohn des
Königs Bela IV., Gemahl seiner Tochter Anna. Als »banus Selauonie« ver-
waltete er die kroatischen Länder, war später Bau der 1254 zuerst genannten
Landschaft Maova in Serbien (bei äabac} und besass zuletzt als »duz« ein
Territorium, bestehend aus den Landschaften Usora und Sol im nördlichen
\
Briefe des Kaisers Laskaris II., angez. von G. Jirecek. 623
BasnioD, Maoya and wohl auch Branioevo, ein Oebiet, das nach seinem Tode
(um 1262) noch seine SObne Michael nnd Bela (ermordet 1272) als »dnces«
verwalteten. Bostislav's Tochter Eunigande wurde 1261 Königin von Böh-
mes, als Gattin des Königs Pfemysl IL Otakar.
Rostislay, den der Fortsetzer des Gosmas (Fontes rer. bob. II, 297) als
»dnx Bulgaromm« bezeichnet, spielt auch in der bulgarischen Geschichte
eine Bolle. Nach dem Tode des griechischen Kaisers Joannes Dukas Vatatzes
(Okt. 1254) unternahmen die Bulgaren unter dem jungen Garen Michail As6n
sofort einen Angriff auf die griechischen Provinzen, um die 1246 verlorenen
Landschaften wieder zu erobern, und besetzten mtthelos die Bhodope nnd
das nordöstliche Macedonien. Aber der junge Kaiser Theodoros Laskaris II.
zog noch im Winter 1264/5 ins Feld und verdrängte die Bulgaren aus den
occupirten Gebieten. Widerstand leistete nur die BurgGdpdna, deren Ruinen
noch im Waldgebirge der westlichen Bhodope hoch ttber der Ebene von
Tatar-Pazardüik erhalten sind (siehe deren Beschreibung von Syrku, Yiz.
Yremennik V, 603 f.). Ein fremder Fürst, Schwiegervater des Garen von Bul-
garien, vermittelte den Frieden. Die Grenzen wurden wiederhergestellt, wie
sie vor dem Kriege waren; auch Gdpdna wurde dem griechischen Kaiser
übergeben. Die missglückten Feldzttge führten (1257 oder schon 1256) zur
Ermordung des Garen Michail As6n und zu einer Reihe von inneren Umwäl-
zungen im bulgarischen Reiche.
Georgios Akropolites, der an diesen Kriegen persönlich theilgenommen
und im Lager am Flusse Rigina (jetzt Erken6) im östlichen Thrakien den
Vertrag ausgefertigt hat, nennt in seinem Geschichtswerke (ed. Bonn. p. 134,
136, 137, 162) diesen Friedensvermittler o *PAaoff Övqog, später nur Övqos,
gen. Ovqov^ und bezeichnet ihn als Schwiegervater (nBvd^Bqos) des Garen Mi-
chail Asßn, zugleich aber auch als Schwiegersohn des Königs von Ungarn
(too ^riyos Ovyyqtac knl &vyaTQl rsXovrra yafjißqoy). Die Russen nennt Akro-
polites (p. 35) ^P&isoi^ ihr Land t« xS^v'^Ptonmv, Damach wäre yp&aos oiqog
als»derRusBeUr« (magy. ur Herr, Fürst, schon dem Kinnamos als ungari-
scher Prinzentitel bekannt) zu deuten. Sd verstanden diese Stelle Gebhardi,
Engel, Fessler, Palauzov in seiner Monographie über Rostislav (im ^MTHTTp.
Bd. LXXI), Finlay (»the Russian prince Ouros«, History of Greece m, 1877,
p. 327), Makusev, Pauler, die sie meist ausdrücklich auf Rostislav bezogen.
Franz Pejaoeviö (Historia Serviae p. 189, 200), PaUcky (0 rusköm kniieti Ro-
Btislayoyi, Radhost II, 272) und Golubinskij in seiner Kirchengeschichte er-
klärten den Övqos als den König Stephan Urosl. von Serbien, ebenso
auch üarion Ruvarac (Manma 1868, III, Nr. 16). Ich habe mich in meiner Ge-
schichte der Bulgaren dieser zweiten Ansicht angeschlossen, sie aber im
Laufe der Zeit aufgegeben: der Name Uros wird nie griech. Öv^og^ lat Ums
geschrieben, sondern stets noch mit einem Suffix, (X^Qs^ns^ oder Urossius ;
wie käme übrigens der serbische König Stephan Uros I. zu einem Epithet
^P&cog der Russe oder ^&aaoc roth ? Ich habe demnach auch unlängst (Ghristl.
Element, Excurs ttber die Burgnamen bei Philes S. 78) den bulgarischen
Despoten und später (1271) nominell auch Garen Jakob Svetislav, der sich
bei der Uebersendung eines Nomokanons an den Erzbischof von Kiev aus-
624 Kritischer Anseiger.
drücklich als Nachkommen russischer Fürsten bezeichnet (VostokoT, OuicaHie
pKn. PyiiKHu. 6b6z,, Gn6. 1842, 290), als einen Verwaadten des Rostislav er-
klärt, der durch Rostislav's Verbindungen mit der bulgarischen Carenfamilie
zum Besitz eines Territoriums im Hae.mus (wohl im Westen) gelangt war.
Eine vollständige Aufklärung über die Frage erhalten wir ans der von
Nie. Festa, einem durch Beschreibungen griechischer Ck>dices in Italien und
einige Editionen wohlbekannten Florentiner Hellenisten, herausgegebenen
Sammlung der Briefe des Kaisers Theodoros Laskaris II. (1254 — 1258). £0
ist darin ein Sendschreiben des Kaisers an die Griechen des Kaiserthums von
Kikaia über die Friedensverhandlungen mit den Bulgaren (p.279 — 282), worin
der Friedensvermittler ganz klar Fürst der Bussen genannt wird, hx&r
"Ptocay oQx^^i sowohl im Titel (p. 279), als im Text (p.280). Das Schriftstttck
selbst ist, wie alle Briefe des Kaisers, in einer gekünstelten, blumenreichen
Sprache abgefasst (über des Laskaris Schriftstellerei vgl. Krumbacher *, 95,
478). Der Fürst der Bussen hat beim Eid den jungen Kaiser als Vater und
Herrn bezeichnet: o twy^^Paatoy a^x^'^ ofiofioxag vrjv ßaaiXsiay fiov xatmro^
fAads naziqa xal t&v aitrov ndyrmy xv^ioy aXtj&iaraTa. Mit ihm waren auch
Grosse der Bulgaren gekommen (t&v nQü^x^*^^^ Xaov tov BovXya^txov).
Sehr werthvoll war dem Kaiser die Zurückgabe der Burg TCinaiya, die im
Schreiben als to Xafjmqoxajoy a<nv, als aatv l^vfiyoy le xal nsQißof^Toy xal
n8QixvxX<p ^/t;^a>Tarocf xonoig ne^ixXetofieyoy bezeichnet wird, nahe an der
bulgarischen Grenze gelegen, sehr fest und fast uneinnehmbar. Ueber die
Lage wird bemerkt : ngo^ rag vneQßoXag rij^ ^Podonijc vni^xeitai, nB^l to rtjc
Kyiaaßtts oqos nsQitpayh. Der Name des Berges Knisava war bisher nur
aus den Legenden über den hl. Joannes von Byla bekannt, in der Erzählung
über den Besuch des bulgarischen Garen Peter beim Heiligen : HA AP^"
royio Bkc^OA^Tk ropo^ bucokov, io;ki KuHuiaBov obukouis
OKpkCTHhJH TOY SBaTH, Euthym^j, Glasnik 22, 278; vgLSyrku im Sbor-
nik zu Ehren Lamanskij's S. 375. Ausführlich bespricht der IJLaiser die
Wichtigkeit des Platzes, zwischen Sardika (SrjÄdec, j. Sofia) und Philippopel,
in der Nähe vonVelbuid [BaXeßovadioy)^ auf dem Wege nach Skopje, Yran ja,
Albanon (Über A. vgl. Archiv XXI, 79) und zur serbischen Grenze : Siafp^atxei
yoQ zr^y Saqitxrjy fjkly iy&ey xal xrjy €>i,Xinnov noXiy n^og tovg MaxB^oyag
f]fiäf xal 0QiC6$ TO BeXeßovcdioy, xal n^hg xijy itQly BtisayBi xatacraisiy xal to
Ttäy 2xonifay S'ifjia ne^ifpayls xal to rris B^ayiag i^axovaroy, m^ixXsU^ t6
jiXßayoy xal /ui/^i Teuv 2!sQßtxiöy oqtay xaTaytq Ta o^ia/juixa (p. 281).
Andere Nachrichten dieser Brief Sammlung ergänzen Manches in der von
Akropolis erzählten Kriegsgeschichte, mit Erwähnungen der Burgen der
Bhodope, to Tr,s Kqvßovs (p. 247), Stenimaobos, Melnik u. s. w. Von Interesse
ist eine Stelle über die Serben, deren König damals Stephan Uros I. war.
Der Kaiser Theodoros Laskaris IL schreibt an den gelehrten Nikephoroa
Blemmides, das griechische Beich von Nikaia sei von allen Seiten von Fein-
den umgeben und fast nur auf sich allein angewiesen: »Und wer wird uns
helfen? Wie soll der Perser (d. h. der Türke) den Hellenen unterstützen?
Der Italer (*lTaXoi heissen bei den damaligen Griechen die Franken des latei*
nischen Kaiserthums) tobt am meisten, der Bulgare am sichtbarsten, der Serbe
Briefe des Kaisers Laskaris IL, angez. von C. Jireoek. 625
ist durch Gewalt bedrängt und zurückhaltend; er ist vielleicht unser, viel-
leicht aber nicht von den unserigen in Wahrheit; das Griechenthum allein
hilft sich selbst und nimmt die Mittel dazu aus eigenem Hanse« {£i^ßof rj ßiif
ßtaiofÄsyoff xai avmiXXsrai' b d* tifAhsQo^ taxa, taxa dr^ oi Tay ^fjWiiQmv
xara aXrjd'eiay p. 58). Die Stelle lässt uns in das Getriebe der mittelalter-
lichen Diplomatie des Ostens um 1254 einen kleinen Einblick nehmen. Der
SerbenkOnig, bedrängt von den Bulgaren« suchte Anschluss an die Griechen
von Nikaia. Die Bulgaren drangen damals bis zum Lim vor und verheerten
das Kloster des hl. Peter bei Belopolje am Lim (Urk. im Spomenik HI, 8).
Gar Michael As8n fand Bundesgenossen im Adriatischen Küstengebiete, die
Bagusaner (Urk. 15. Juni 1253, Mon. serb. 35) und den Äupan Badoslav von
Ghlm, Sohn des »knez veli chlmski« Andreas und damals Vasallen des unga-
rischen Königs (Urk. 22. Mai 1254, ib. 44). Schon im August 1254 sohloss Ba-
gusa Frieden mit Uros L, wahrscheinlich da auch die Bulgaren sich mit dem
Frieden beeilten. Der Serbenkönig erfüllte aber die Hoffiiungen des griechi-
schen Kaisers nicht und schloss sich dessen Gegner im Westen, dem Despoten
Michael U. von Epiros, an. Akropolites (p. 155), damals kaiserlicher Statt-
halter im Westen, wirft desshalb dem tay Siqßtay aqxfoy Treulosigkeit und
Undank vor; wegen eines kleinen Gewinnes habe er den Becher der Freund-
schaft weggeworfen und Truppen gegen die 'PiafAaixal x^o^^» die griechischen
Provinzen, gesendet Als die Epiroten bis zum Vardar vordrangen, rückten
die Serben bis Skopje, Prilep und Kioava vor und schlugen bei Prilep einen
Feldherrn des Kaisers, den Skuterios Xyleas (1257). Aber schon 1259 führte
der entscheidende Sieg der Heerführer des neuen Kaisers Michael Palaiologos
über die Epiroten zu einer Restauration der kaiserlichen Herrschaft im Norden
und Westen Macedoniens.
Aus der Zeit dieser kurzen serbischen Occupation von Skopje unter
UroB L besitzen wir einige kirchliche Daten. . Ein Edelmann Pribo, unter
Kaiser Theodoros von Epiros Sevast, unter Gar Joannes As^nH.Protosevast,
auch in der Gorrespondenz des Erzbischofs Demetrios Ghomatianos von
Ochrid genannt (ein Brief jov nayevaeßeatajov aeßaiftov xvqov Jlqtfinov
wegen eines Geistlichen Dragomir erwähnt in einem Schreiben an den Bischof
von Skopje, ed. Pitra col. 325 — 326) hatte im Dorf Tmorjane bei Skopje,
vielleicht dem jetzigen Sveta Petka, eine »kelija der hl. Petka« (Paraskeue)
gegründet, mit Grundstücken in Tmorjane, OraBani (b Opaiuajfk^ j. Ore-
sani) und auf dem Wege nach Tavor (j. Taor). Diese Schenkung des
»H'bKTO npOTOCKBaCTk aaropkCKkiH IIpNBO Bk Ai^HH flctCNa
l^apdc hat König Uros I. dem Kloster Ghilandar zugewiesen, doch verfiel
cÜeselbe, »als Skopje von unserem Königreich abfiel«. Uros I. Sohn, König
Stephan Uros IL Milutin eroberte Skopje von neuem 1282 kurz vor dem Tode
des Kaisers Michael Palaiologos (Daniel p. 108 und Kantakuzenos 1. IV cap. 19)
und erneuerte die Stiftung des Pribo sammt der Zuweisung an Ghilandar (Urk.
bei Stojanovic, Spomenik III, 12-— 13). Bestätigt wurde dieser Besitz von
Ghilandar vom Kaiser Andronikos II. 1324 (xal bU r^y Tfi[o^]iayiy %o j^c
uylas UaQaaxeviip, Florinskij, AeonoKie Axai S. 38) und vom Garen Stephan
ArchiT fftr sUTisehe Pliilologie. XXI. 40
626 ' Kritischer Anzeiger.
Dnian 1348 (t^pkKOBk CRfTA IIlTKA TuopiaHlü Ck CCAOUk, SafaHk,
Pam&tky, 2 A. 102).
Den von Rostislav vermittelten Frieden mit Asdn {/Lina %ov jiifatnj) er-
wähnt auch ein Privatbrief des Geistlichen Niketas Karantinos, Notars [rofit-
x6s) von Palatia (Milet) an den Hegumenos des Klosters von Patmos, nebst
Neuigkeiten über die Hochzeit des Nikephoros, Sohnes Michaels 11. von Epi-
ros, mit des Kaisers Tochter und die damit verbundene Abtretung von Dyr-
rhachion, über die Flacht des Michael Palaiologos, des späteren Kaisers, zum
Sultan der Türken, über die TaQxaqioi und den »Gross-Tataren« u.s. w. (Acta
et dipl. graeca VI, 197 — 198). Dieser Bulgarenkrieg zwang auch den litauischen
Prinzen Vojselg, Sohn des Fürsten Mindovg, der als MOnch aus Halle über
Ungarn und Bulgarien auf den Athos reiste, in Bulgarien umzukehren (Jüto-
hhcb no HnaTCROMy cnECRy zu 1255, Ausg. der Archaeograph. Gommission,
Petersburg 1871, S. 551). Die legendären Erzählungen des Pediasimos (An-
fing des XIV. Jahrh.) über die damaligen Kämpfe des Kaisers Laskaris 11.
mit den Bulgaren bei Melnik, die ich in der Abb. über das christl. Element in
der topograph. Nomenclatur 61 bei der Erwähnung der Kirchen von Serrai
aus einer Wiener Hdschr. herangezogen habe, sind jetzt gedruckt : Theodori
Pediasimi eiusque amicorum quae extant, edidit Maximilianns Treu, Potsdam
1899 (Progr. des Victoria-Gymn.) S. 21 f.
Wien, 5. November 1899. C. Jire&k,
Jnnacke pjesme (muhamedovske). Knjiga tre6a. Uredio Dr. Lnka
Marjanovic. Zagreb 1898, 8«, LVI. 672.
Im Archiv XIX. 627 ff. wurde der erste Band einer gross angelegten
Publication des Agramer literarischen Vereins »Matica hrvatska« zur An-
zeige gebracht Es handelt sich um die Herausgabe von Volksliedern der
Serben und Kroaten, d. h. der Bewohner der südslavischen Länder, die sich
jetzt zu einem von diesen zwei Namen bekennen, in der Wirklichkeit nach
den sprachlichen Merkmalen ein zwar sehr uneiniges, und doch einheitliches
Volk bilden. Der Verein gibt das seit Decennien aufgestapelte Material her-
aus, das oben citirte Werk bildet den dritten Band der projeotirten Gesammt-
ausgäbe. Es mag kurz erwähnt sein, dass auf den ersten a.a.O. besprochenen
Band im J. 1897 ein zweiter folgte, dessen Inhalt 71 ep. Lieder (nicht 72, wie
es in der Ausgabe steht, da Nr. 9 durch Versehen beim Zählen übergangen
wurde) über Marko Kraljeviö enthält (nebst den im Anhang dazu angegebenen
Parallelen). In der Vuk'schen Sammlung (Band II) handeln ungefiihr 25 Lie-
der von diesem Helden ; fügt man noch aus dem neulich in Belgrad erschie-
nenen VI. Bande (nach der Bedaction Lj. Stojanoviö's) etwa 12 demselben
Helden gewidmete Lieder hinzu, so umfasst der ep. Sagenkreis Marko Kralje-
viifs nych den einstigen Aufzeichnungen Vuk's nicht mehr als etwa 40 Num-
mern, bleibt also hinter dem im II. Bande der Agramer Publication heraus-
gegebenen Material quantitativ beträchtlich zurück. Man darf allerdings
MarjanoYiö, Mohammedanische VolkBüeder, angez. von V. Jagiö. 627
nicht die übrigen Sammlungen Übersehen, wo Marko Kra^jeviö gleichfalls mit
mehr oder weniger Liedern bedacht ist. Immerhin könnte jetzt die Frage
aufgeworfen werden, inwieweit durch die neue Agramer Ausgabe, deren Ma-
terial hauptsächlich aus Dalmatien, Kroatien, Slavonien, theilweise auch Bos-
nien, also aus den zum Theil yon dem einstigen Schauplatz und dem wahr-
scheinlichen Entstehungsherde dieses Sagei^eises weit entlegenen nord-
westlichen Gegenden stammt, dem bisherigen epischen Stoff neue Bereicherung
und Erweiterung, oder wenigstens Ergänzung zugeftlhrt wurde. Das wäre
ein sehr dankbares Thema fUr eine besondere Abhandlung, die man an der
Hand der diesem Sagenkreis gewidmeten Forschung Ohalanskij's schreiben
könnte. Diese Anzeige beschäftigt sich jedoch nur mit dem oben citirten
dritten Bande, der unter der Bedaction des Uniyersitäts-Professors Dr. Luka
Marjanoviö erschienen ist. Prof. L. Marjanovid gab selbst schon im J. 1864
eine Sammlung yon Volksliedern heraus, die er in der Gregend seiner Heimath
(Zayalje und Bihaö, also das kroatisch-bosnische Grenzgebiet) aufzeichnete.
Nach mehr als dreissig Jahren kehrt er zur Thätigkeit seiner Jugend zurück.
Man darf füglich yoraussetzen, dass er inzwischen seine Einsicht in die Auf-
gaben einer kritischen Volksliederausgabe wesentlich yertieft hat. In der
That macht seine Leistung einen sehr guten Eindruck, sie zeigt in mehr als
einer Hinsicht, dass der Herausgeber keine Mühe scheute, um eine vortreff-
liche Ausgabe herzustellen. Der stattliche Band yon mehr als 700 Druck-
seiten besteht zuerst aus einer klar und hübsch geschriebenen Einleitung, in
welcher mit grosser Gewissenhaftigkeit über die eigentlichen Gewährsmänner
dieser Sammlung Rechenschaft abgelegt wird. Prof. Marjanoviö gebührt, wie
man daraus ersieht, das Hauptverdienst für das Zustandekommen jener
grösstentheils in Agram gemachten Aufzeichnungen nach dem mündlichen
Vortrage der dorthin in den achtziger Jahren bestellten bosnisch-mohamme-
danischen Rhapsoden (S. I — LVI). Sodann folgt der Text der Lieder, die so
umfangreich sind, dass in diesem Bande nur 25 Nummern Aufnahme fanden
(S. 1—576). Die im Anhang gegebenen Anmerkungen (S. 579 — 615) ergehen
sich über die anderweitigen Parallelen aus ungedrucktem und gedrucktem
Material, wobei nicht nur auf die Sammlung E. Hörmann' s, sondern einmal so-
gar auf Vuk und Petranoyiö verwiesen wurde. Also immerhin ein anerkennens-
werther Fortschritt gegenüber den ersten zwei Bänden, wo man die älteren
serbischen Publicationen gänzlich ignorirte. An letzter Stelle findet man ein
sehr genau abgefasstes Glossar türkischer Wörter mit beigegebenen Erklä-
rungen. Da es in diesen Liedern geradezu wimmelt von türkischen Wörtern,
die einen jeden Leser, der nicht Turcolog vom Fach ist, unangenehm stören
und fortwährend zum Nachschlagen zwingen, so muss man die Vollständig-
keit des Glossars in der That loben (S. 617—672). Freilich zu einem wissen-
schaftlich werthvoUen Hilfsmittel hätte es bei diesem Glossar der Hinzu-
fUgung der echt türkischen Formen der betreffenden Wörter benöthigt.
So sieht der Inhalt dieses Bandes ans. Ich füge gleich hinzu, dass uns
der Herausgeber versichert, in der Sprache der Lieder, an den häufigen Un-
regelmässigkeiten des Verses nichts geändert zu haben, wofür wir ihn nur
loben können. In der That bekommen wir erst jetzt ein echtes Bild der west-
40*
628 Kritischer Anzeiger.
bosniBchen Mohammedaner. Sie bedienen sich des tkavischen Dialectes mit
einigen conserrativen Zügen in Lautcomplezen nnd Formen. So wird h aus-
gesprochen (hladan, pnhnu, harambasa, hajde), doch hv ergibt/ (prifatiti, £a-
daju, fala), man wendet s6 an in Fällen wie isöe, otisde, pnsöa, doch nicht ans-
schliesslich ; neben gif Q») findet man noch jc^ in solchen Beispielen wie dojde,
najde, izajde. Geradezu auffallend ist die fast regelmässige Wahrung der
alten Casusformen im Dativ, Instrumentalis und Localis plur. : bane stdtf^/em
piöe postavio 39, momak ndr^'em veli 45, na kofijih se za prsa zgrabise 50, po
topovih 71, po tudjih od&acih 255, u huretih 72, po krqfevih 184, u ramenih 310,
poperänih 221, po gavetUh 226« na dngili poffanak 111, u besidah 566, prid ma-
tovt 223, s Turei 211, medju Udb%f\jani 308, pod skrljaki i pod teköaci 567, za
dmavi 318. Vergl. noch die vorwiegende Anwendung der Participia pass.
praet. auf <: knjige upisate 57, dorat avezat 326, arpe ugrtihaU 561, prekovaÜ
sui^nji 338, krivo uiinito 317, djeca zarobita 321 , u. s. w.
Wie der Herausgeber in der Einleitung erzählt (S. XXXIV), besitzt der
Matica-Yerein ungefähr 150 Lieder derartigen Charakters und Inhaltes, wie
die hier ausgewählten 25. Er benennt sie nach dem äusseren Schauplatz der
erzählten Begebenheiten — likanisoh (aus Lika). Eine zweite Abtheilung der
Matica-Sammlung, die etwa 40 Nummern umfasst, muss nach diesem Krite-
rium — ungarisch genannt werden, weil in den betreffenden Liedern haupt-
sächlich Ungarn nebst Slavonien (im älteren Sinne des Wortes) den Schauplatz
der Handlung bildet. Der Herausgeber sah sich genOthigt, aus dem reichen
Yorrath von fast 200 Liedern eine Auswahl zu treffen, er spricht von zwei
Bänden, in einem jeden 25 Nummern, so dass das zur Ausgabe gelangende
Material auf ein Yiertel reducirt werden muss. Wir sind nicht in der Lage
zu controlliren, ob gerade die merkwürdigsten, bezeichnendsten Lieder zur
Ausgabe gelangen. Prof. Marjanoviö hat offenbar das Material so gut durch-
studirt, er ist mit dem Charakter und Inhalt desselben so wohl vertraut, dass
wir glauben, auf sein Urtheil und seine Auswahl uns verlassen zu dürfen.
Die von ihm in der Einleitung entworfene Charakteristik dieser Lieder (auf
S. XXXIY— LIY) enthält viel Lesenswerthes, die inhaltliche Seite ist darin
geradazu erschöpfend behandelt, dagegen die technische, d. h. die Kunst der
Composition der einzelnen Lieder, die angewendeten Mittel, wodurch so
lange, über 1000 Yerse zählende, Lieder zu Wege gebracht wurden — bleibt
schwach oder so gut wie gar nicht erörtert Prof Marjanoviö hätte an dem
einen oder anderen Beispiel zeigen sollen, durch welche Kunstgriffe ein Lied
so stark anwachsen kann, dass es, wie z. B. in diesem Bande Nr. 23, —
geradezu über 1800 Yerse zählt. Ihm scheint die unverkennbar merkwürdige
Länge etwas zu viel imponirt zu haben % Sie ist allerdings charakteristisch
für die mohammedanischen Lieder, allein ich erblicke in dieser Eigenschaft
derselben keinen besonderen Yorzug. Diesen Liedern geht die concentrische
1) Die Concurrenz in der Länge brachte einCuriosum zu Wege, ein Lied
über die Heirath Senjanin Tadija's (^oHHAöa GeibaHVH-TaAHJe}, bestehend aus
3412 Yersen (herausgegeben von MjuraH 06paA0BHh in Belgrad 1891). Das ist
ein wahres Monstrum, das besser ungedruckt geblieben wäre.
II
>
9
it
2
0
Marjanovid, Mohammedanische Volkfllieder, angez. von V. Jagiö. 629
Einheitlichkeit ab, die Erzählung der Handlang schleppt sich langsam fort,
durch eine grosse Menge von episodenhaften Einzelheiten in die Länge gezogen.
Wo der Faden entzweizugehen droht, muss er durch ein Paar eingeschaltete
Verse zusammengehalten werden. Die künstlerische Gomposition dieser Lie-
der lässt in der That viel zu wünschen übrig. Um diese Behauptung an einem
Beispiele zu illustriren, nehmen wir das längste Lied dieser Sammlung Nr. 23,
das 1812 Verse zählt und zu den besseren gehört. Das Hauptthema bildet die
Befreiung der 7 türkischen Brüder aus dem Gefangniss des Bans von Zara.
Dieses Thema wird mit einer Fahrt, die das neuvermählte Paar aus Knin
nach Zara unternehmen will, in Zusammenhang gebracht, bei welcher Ge-
legenheiti jene Befreiung zu Stande kommt Eine weitere Verkettung kommt
dadurch zu Wege, dass als Befreierin der gefangenen 7 Brüder ihre einzige
Schwester fungirt. Lange Zeit zieht überhaupt sie allein die Hauptaufmerk-
samkeit auf sich. Selbstverständlich spielt aus diesem Anlass auch die Ver-
kleidungsscene eine Hauptrolle, denn sie verrichtet ihre Heldenthaten als
ein verkleideter Jüngling, der weder von den mitziehenden Helden, noch
selbst von dem Bruder erkannt wird. Die Befreiung kommt endlich zu
Stande, der befreite älteste Bruder bekommt die beim üeberfall erbeutete
junge Christin zur Frau, aber auch die Heldin des Liedes wird an einen
Türken, der ihr wesentlich beigestanden, als seine — achte Frau verheirathet.
Von dem Bau von Zara ist zuletzt nicht weiter die Bede, er muss im CrefKng-
niss zu Grunde gegangen sein 1 Wie wird nun dieses Thema im Liede er-
zählt? Wie kommen die 1812 Verse zu Stande? Die Erzählung beginnt mit
der Scene der jammernden Gefangenen, sieben Brüder schmachten schon
7 Jahre im Gefangniss (V. 1 — 15), woran erkennen sie die Jahreszeiten, wird
in einer Episode erzählt (V. 16—39). Ban's Frau klagt über die StOmng ihrer
Ruhe durch das Jammergeschrei der Eingekerkerten (V. 40 — 64). Dir Mann,
der Ban, besucht die Gefangenen im Kerker und führt mit dem ältesten der
7 Brüder, Namens Bajagiö, das Gespräch. Ans Mitleid gegenüber den mit-
gefangenen 6 jüngeren Brüdern verspricht der Ban die Bedingungen des Los-
kaufs anzugeben (V. 65 — 111). Bajagiö macht sich anheischig, alle Bedingun-
gen zu erfüllen, allein bei der letzten verweigert er es, da er die einzige
Schwester dem Ban nicht ausliefern wollte (V. 112 — 145). Seine Wnth über
die schmähliche letzte Bedingung ist so gross, dass er eine ganze Wand des
Kerkers zum Einsturz bringt, wodurch der Ban beinahe ums Leben gekommen
wäre (V. 146 — 153). Nun sinnt dieser auf Rache, er vernrtheilt die Gefangenen
zum ewigen Kerker, droht aber ihnen ausserdem noch mit der Schmach, sie
vor seine Kutsche einzuspannen, wenn er von Knin nach Zara die erste Fahrt
mit seiner jungen Frau machen wird (V. 154 — 180). Bajagiö, als er diese
Drohung hürte, suchte sie abzuwenden, er beschwor einen jungen Ghristen-
knaben, der sich zufällig vor dem Kerker aufhielt, einen Brief, den er an
seine Schwester schreiben wird, dieser zu übermitteln (V. 181— -222). Der
Ghristenknabe verpricht das zu thun, holt Feder und Papier und Bajagiö
schreibt mit eigenem Blute den Brief, dessen Inhalt angegeben wird (V. 223—
284). Der Christenknabe ist in Verlegenheit, da er den Weg nach Udbina
nicht kennt, Bajagiö muss ihm denselben genau erklären mit ansführllohen
630 Kritischer Anzeiger.
VerhaltungsmaAsregeln (V. 285 — 390). Der Knabe geht den ihm vorgezeich-
neten Weg (V. 391—410). Zuerst kommt er zu Maljkoyiö Stipan in Zdilari,
es wird erzählt, was ihm dort begegnete (V. 411—482), dann zu Samardzi^
Osman in (Idbina, der ihn zu Mustafabeg führt, wieder wird erzählt, was ihm
da begegnete und in welcher Weise er zuletzt zu Ajkuna, der einzigen
Schwester des Gefangenen Bajagid, gelangte (V. 483 — 594). Nun wird die
Begegnung mit der Ajkuna zu Hause geschildert, wie sie den Christenknaben
aufnahm, den Brief von ihm erhielt, auch die Mutter kam dazwischen und
erkundigte sieh nach ihren Söhnen. Reich beschenkt wird zuletzt der Ejiabe
entlassen (V. 595 — 685). Ajkuna fasst nach einigem Nachdenken den Ent-
schluss, selbst die Brüder zu befreien, sie schreibt Briefe an verschiedene
Personen, die um ihre Hand warben, und fordert sie auf, jetzt zu ihr zu kom-
men, indem sie ihnen neue Hoffnungen vorspiegelte (V. 686 — 738), von der
Rajah wird Tribut in Natura (Ochsen, Schafe) eingetrieben (V. 739—766). So
erwartet das Mädchen am Fenster im reichen Aufputz die Ankunft der ein-
geladenen Türken, die alle nacheinander kamen (V. 767 — 858), der Letzte war
Tade derThOrichte (Y. 859— 921), es werden einige seiner Streiche erzählt
(V. 922 — ^968). Inzwischen hatte das Mädchen den Vornehmsten unter allen
Angekommenen, den Mustafbeg, zu sich berufen und ihm den Inhalt des
Schreibens ihres gefangenen Bruders mitgetheilt, der davon weiter erzählt
(Y. 967 — 1019). Hier stockte die Erzählung; um sie vorwärts zu bringen,
mussten zwei Yerse eingeschaltet werden: »Lassen wir den Beg, lassen wir
die Helden Udbinas, sehen wir zu, was Bajagi<rs Ajkuna nun machen wird«
(Y. 1021—1022). Das Mädchen verkleidete sich als Mann (Y. 1024—1100),
holte das Lieblingsross ihres Bruders, dieses wird beschrieben (Y. 1101 —
1180), niemand erkannte den schmucken Jüngling (siel), man raunte sich nur
ins Ohr, dass dieser junge Held Sieger sein werde (Y. 1181— 1205). Der ganze
Zug setzte sich auf Befehl Mustafbeg's in Bewegung, der keck-übermttthige
Jüngling thut sich in jeder Weise hervor, er schlägt Wettspiele vor und wird
Sieger, verräth sich aber dem Mustafbeg durch die aufgelösten Haare als
Mädchen (Y. 1206 — 1301). Er musste nun ruhig an seiner Seite reiten, bis sie
in die Nähe von Knin kamen (Y. 1302—1362). Als unter Kanonendonner der
Hochzeitszug aus Knin herausfuhr, verkündete der verkleidete Jüngling
wer er sei, das Mädchen versprach demjenigen von den zahlreichen türki-
schen Kampfgenossen die Hand zu reichen, der die vor die Kutsche einge-
spannten 7 Brüder befreien wird (Y. 1363 — 1388). Sie selbst zeigt auch jetzt
noch den grössten Muth und hat den grössten Erfolg, da sie selbst sich dem
Wagen nähert und daraus die christliche Frau raubt, und während ein Türke
Mujaga ihre Brüder befreit, jagt sie dem Ban bis nach Zara nach, verfolgt ihn
bis in die Festung hinein (Y. 1389 — 1477). Sie fordert ihn zum Kampfe heraus,
besiegt ihn mit Hilfe desselben Türken, der ihre Brüder befreit hatte. Der
Ban wird gebunden, und während sie mit der erbeuteten Frau desselben da-
voneilt, wird er mit anderen gefangenen Türken vor den Wagen gespannt
(Y. 14T8 — 1554). Nach Hause zurückgekehrt, vertheilen die Sieger die Beute
untereinander, bei dem nun folgenden Festmahl erzählt der befreite Bruder von
denHeldenthaten eines unbekannten Jünglings (Y.1555 — 1650), die Schwester
Marjanovld, Mohammedftnische Volkslieder, angez. von V. Jagiö. 631
entdeckt ihm, dass sie es war, die erbeutete christliche Frau wurde zur Türkin
gemacht und von Bajagid zur Frau genommen (V. 1651—1684), aber auch
Ajkuna erzählt nochmals ihrem Bruder alles, was sie geleistet und wie sie
sich dem Befreier ihrer Brüder zur Frau versprochen, was jetzt auch ausge-
führt wird (V. 1685—1812). —
Aehnlich würde die Analyse eines jeden anderen längeren Liedes aus-
sehen, d. h. überall wird der Gang der Haupthandlung durch eine Menge von
eingeschalteten Einzelheiten retardirt, das Nebensächliche macht sich auf
Kosten der Hauptsache ungebührlich breit Psychologisch setzen diese Lie-
der eine ganz andere Stimmung, als die serbischen Heldenlieder der christ-
lichen Bevölkerung voraus. Bei letzteren concentrirt sich die Aufmerksam-
keit der Zuhörer in der Regel auf eine Hauptthat eines einzelnen Helden, bei
*^ ersteren besteht die Erzählung zumeist aus einer Mehrzahl von aufeinander-
folgenden Unternehmungen, die in ihrer Mannigfaltigkeit mehr auf Befriedi-
gung der Neugierde als auf Erbauung berechnet sind. Damit hängt zusammen,
dass in den mohammedanischen Liedern meistens viele Namen genannt wer
den, die an der Ausführung des Vorhabens in irgend einer Weise betheiligt
sind^ jedenfalls mehr, als bei den christlichen. Unter den Helden, die hier
genannt werden, mohammedanischen und christlichen, hebe ich einen heraus,
den öfters erwähnten Stipan Maljkoviö (vergl. Nr. 7 S. 125—133, Nr. 8 S. 162,
Nr. 9 S. 171 ff., Nr. 10 S. 195 ff. 200. 204 ff., Nr. 17 S. 361. 376 ff., Nr. 20, S.448,
Nr. 22 S. 477 ff., Nr. 23 S. 494 ff., Nr. 24 S. 542 ff.), um zugleich die Frage auf-
zuwerfen, ob das nicht jener Held ist, von dem esbelKuripesiöimXVL Jahrh.
(cf. meine Gradja S. 82) heisst : »Von Malkoschiz thut man viel in Groatien
und Bossen von seinen redlichen Thaten singen«? Zwischen den Namen
Maljkoviö und Malkoschitz ist der Unterschied nicht gross, wenigstens kein
anderer Name unter den vielen christlichen oder mohammedanischen Helden,
die wir jetzt schon aus Jukid, Erasiö, Hörmann, Marjanoviö kennen, kommt
dem Kuripesiö^schen »Malkosiö« näher. Der Vnterschied zwischen Maljkoviö
und Malkosiö ist nicht grösser, als der zwischen Osman Tankoviö (bei Jukiö
S. 202 u. sonst) und Osman Tankosiö (bei St. Ma&uraniö S. 35) — offenbar die-
selbe Person.
Neben vielen Personennamen spielt auch die genaue geographische
Orientirung in diesen Liedern eine hervorragende Rolle. Das Studium des
geographischen Hintergrundes in der epischen Volksdichtung der Serben und
Kroaten hat man noch gar nicht begonnen. Man kennt zwar die Theorie des
Herrn Dr.Sörensen, nach welcher die serbische Volksdichtung eigentlich vom
Norden aus ihre Verbreitung fand. Mag das richtig sein oder nicht (das letz-
tere glaube ich), jedenfalls kann man es in den allermeisten Fällen dem Volks-
lied gleich anmerken, ob es nahe dem Schauplätze seiner ursprünglichen
Begebenheit, durch mündliche Ueberlieferung daselbst fortgepflanzt, zuletzt
auch aufgezeichnet wurde, oder ob es, durch Wanderungen weiter verbreitet,
allmählich an der geographischen Klarheit einbüsste. Beim Studium des geo-
graphischen Hintergrundes müsste man eigentlich immer von reinen Typen
ausgehen. Kommt uns ein solches Lied in die Hand, so müssen wir häufig
über die reichen und immer genauen Ortsangaben geradezu staunen.
632 Kritischer Anzeiger.
Selbst mit Hilfe der Karten des Osterreichischen Gkneralstabes (ich be-
nutzte die Gtoneralkarte 1:200000) kann man nicht allen Benennungen von
Orten, Bergen, Engpässen nnd Thälem nachkommen, man mnss h&nfig selbst
die Specialkarten (1 : 75000) zur Hand haben, dafür aber ist man in der Lage,
durch das dort verzeichnete Material sehr schön die Bewegung der besungenen
Helden von Schritt zu Schritt zu verfolgen. Da merkt man auch bald, wie die
geograph. Verwirrung durch die Entfernung des Liedes von dem eigentlichen
Schauplatze desselben entstehen kann. Z. B. bei HOrmann Band I, S. 303
liest man den Vers: »Sa Pogrgja iznad Knina b'jelog« — der Erzähler dieses
Liedes hat offenbar die geogr. Situation nicht mehr verstanden, vergleicht
man damit die Stelle auf S.361 dieser Ausgabe, wo eiaVers lautet: »Sa Pod-
krklja od Kninja bijela« — so wird gleich klar, dass es sich hier um eine
Benennung des Flussgebietes Krka handelt, also um Pokrcje oder Pokrme,
Potkrklje (wie Posavlje, Podunavlje u. s. w.) . Oder wenn neben häufiger
Nennung Vuojak im Gebirge Velebit einmal Kunara bei uns dafür eintritt
(S. 491) — so ist das eine Reminiscenz aus anderen Liedern, wo Kunara sehr
häufig genannt wird, allerdings wird auch dort Kunara meistens irgendwo im
Grenzgebiet zwischen Lika und Kotari (oder Küstenland) gedacht, vergl. bei
Jukiö S. 45. 46. 105. 106. 158. 161. 168. 193. 202. 206. 212. 216. 217. 242. 243.
244. 251. 266. 269. 281. 289. 371. 373. 401. 512. 551. Offenbar spielt hier Kunar
oder Kunara dieselbe EoUe, wie in den jetzt von Marjanoviö herausge-
gebenen Liedern Vucjak. Hörmann's Sammlung kennt Vuojak L 297, IL 481.
484. 486. 491, 492, auch Vucaj IL 523. 526. 529, doch viel häufiger begegnet
Kunara L 405. 406. 407. 510. 512. 513. 560, IL 5. 6. 8. 9. 101. 102. 138. 139. 160.
172. 184. 192. 194. 244. 516.
Ich fand in keiner bisherigen Sammlung so anschauliche Schilderungen
des Schauplatzes, wie in diesem Bande der mohammedanischen Volkslieder,
deren Terrain sich über Lika, Krbava, Westbosnien und Norddalmatien er-
streckt. Den Ausgangspunkt einzelner Lieder bilden die Orte Bihaö (Nr. 3. 4),
üdbina (Nr. 6. 7. 8. 13. 15. 17. 25), Gospi6 (Nr. 10. 20), Brinje (Nr. 9). Buni45
(Nr. 12), Cetina (Nr. 16), Kotari (Nr. 11. 14. 21. 24), Islam (Nr. 18), Zadar (Nr. 23),
Hlivno (Nr. 19). Selbstverständlich wird auch die Umgebung von Bihad nnd
Land Lika am häufigsten genannt Neben Bihao (genit. Bisda), von welchem
es heisst: s jedne ga strane Una zaklonila, s druge strane gora Plisivica
(S. 387), erstreckt sich die Ebene von Bihaö-Prisika (S. 39. 48, fehlt auf der
Karte), zu Biha<S kommt man »niz Grabeisje« (S. 68, auf der älteren Gst-Karte
war Grabet pl. östlich von Bihad eingetragen), niz polje biha^Sko sieht man
vor sich »doVinice i do Cakrlije« (54, cf. 70, auf der Landkarte: Vinca,
Öekerlije). Auf beiden Seiten der Una sind Golubiö (S. 48. 55. 69) und Bipao
(40. 70, genit. Bipca, daher Ripacki klanac [40], nicht Ripac), ganz nahe zu
Golubiö gegen Westen liegt Sokolac (i Sokolac vise Bisda 69, Sokolac ka-
raula mala 57), »Zaloije kleto« scheint ein Gebirge zu sein, vielleicht dort, wo
auf der Karte Zalol^e als Ort angegeben ist (55). Der heutige Ort Zavalje wird
in diesen Liedern öfters » Zavo\je« genannt (S. 55. 56. 73). Südöstlich von Bihad
zieht sich das Gebirge Grmeo [pod Grmecom S. 61, nicht Grmid wie jetzt auf
der Kartö) und noch weiter gegen Süden Grvljevica planina (S. 48. 387,
Marjanovid, Mohammedanische Volkslieder, angez. von V. Jagid. 633
fehlt auf der neuen Karte 1). Grabei^ verbindet mit Grmec das Gebirge Jadovik
(S. 69, auf der Karte Jedoyik), eine Spitze davon heisst Bisovac, wozu auch
Glavica kleta zählt (S. 59). Oestlich von Bihaö liegt Krupa (S. 56. 283}, da-
neben Harapnsa vise Jasenice (S. 57) and Hasani (gen. plur. Husana), nicht
weit davon Potkalinje (57) und JoSavka (nicht auf der Karte), bis Glavica
Predojeviöa (ib., auf der Karte Pr.glava), und Lusci, gen. Lulsaca (59). Südlich
von Bihad an der Una liegt Kulin-Vakuf, östlich davon Bilaj (40.387, bilajsko
poljeib., auf der Karte: Bjelaj, bjelajsko polje), zu unterscheiden von Bilaj
na Lici (S. 133); vom ersteren Bilaj heisst es »unaoka ga liupa zaklonila,
s jedne strane Una opasala, Ostrovica kamena glavica« (auf der Karte nicht
zu finden), »Crljevica gora nadjahala« (S. 387). Unweit von Bilaj ist Petrovac
(S. 41. 68), von da kam man über Palezje (unbekannt) nach Vakuf, weiter an
die kleinen Orte Klisa und Orasac (alle an der Una) ib. Westlich davon liegt
das Gebirge Basaca (S. 113), mit einem unbekannten Ort Ibrinovac.
£in anderer wichtiger Punkt war Udbina, östlich von Gospiö gelegen —
der eigentliche Mittelpunkt der damaligen Türken in Lika und E^rhava.
Udbina galt als Ort und Bezirk: »po Udbini i sirokoj Lici« (S. 101), neben
Udbina grad (S. 104). Nördlich von Udbina liegt der Ort Buniö (S. 101), vor
Udbina ist der Fluss Grvad (S. 102. 204. 221. 368. 369, auf der Landkarte nicht
bezeichnet), südlich von Udbina ist Baduc (S. 169. 455. 457. 468. 483. 527).
Zusammengestellt mit Udbina und Ribnik kommen die drei Namen so vor:
äajete li Turci po Udbini, Po Udvini i turskom Raducu, po svoj Lici lipo do
Ribnika). Ribnik ist an der Lika südlich von Bilaj. Man pflegte zu sagen
»niz Liku Ribniku« (S. 175) oder »Po svoj Lici do Ribnika« (S.455. 560), von
da führte der Weg weiter auf Korin planina (S. 175. 558) bei Velebit (ukraj
Velebita, S. 257, auf der Landkarte nicht eingetragen). Von Udbina führte
der Weg »na Kotare« über das Gebirge Yuojak, das häufig erwähnt wird
(102. 129. 162. 204. 300), überhaupt ging hier die Grenze zwischen Lika und
Kotari: navrh Vucijaka, kud je medja lioka i kotarska (S. 162. 310) — ich
finde Vuojak auf der Generalstabskarte nicht, wohl aber auf der Specialkarte,
unweit von Mala Popina, westlich davon, vergl. Zone 29, Gol. XIV. — Natür-
lich kennen die Lieder auch Velebit (213. 252. 255. 574), unter diesem liegt
Novi (Novigrad) S. 213. 255, wie man deutlich sieht auf S. 552: »Tegli Ale do
Novoga grada, Pod Velebit dojaha djogata, kroz Velebit ata projahao, S onu
stranu Velebita sidje. Oder in umgekehrter Richtung : »uz Kotar Vucjaku,
udarise priko Vucijaka« 447. An einer Stelle heisst es: »Od Novoga ispod
Velebita NaUdvinu deset punih sahta« 254. Der Weg wird beschrieben S.165.
Andere Orte Lika's sind: Gospid (S. 420. 436. 442), Briiye (S. 165. 169. 170),
Otocac (176. 182. 253. 258. 259. 269), in der Nähe da^on sind »voda Gastica«
(ib. 234. 236. 239. 267), Sinjac (S. 180) und Vrhovi (S. 233, vermuthlich das
heutige Vrhovine bei Otocac), dort wo auch Jablan und Starac bunar (S. 234).
Tiefer unten in der Lika liegen »Tmovac na Lici« (S. 113), Popina (S. 199.
200). Endlich wird auch dem Meere zu das Gebirge Vratnik erwähnt (S. 234}
und natürlich auch Senj (S. 229) und Dral^ica (ib. 235, auch »voda DraUca«).
Unter Kotari versteht man bekanntlich das dalmatinische Gebiet süd-
lich von Velebit, bis ans Meer, die fruchtbaren Thäler und Ebenen von Zara
634 Eritisoher Anzeiger.
gegen Knin zu (doch lag Enin schon in der Krajina S. 296). Eotari bildeten
fortwährend einen verlockenden Gegenstand der Angriffe und Plünderungen
seitens der Likaner Türken (poesto Turci treu na Eotare« S. 275). Gab es
einige Zeit Ruhe, so erholte sich das Ländohen, erblühte in Beichthum, wie
es schön auf S. 355—356 geschildert wird. Die Lieder unterscheiden »dva
Eotara« (S. 129. 276. 356. 532), d. h. die oberen und unteren Eotari (»na Eo-
taru ni gornjem ni donjem« S. 454, »doiyi Eotari« S. 211. 213). Die oberen
Eotari hatten eine Reibe (nach S.277 dreissig) Castellen (»gledaj redom kule
niz Eotare« S. 103). Als die ersten Punkte jenseits des Vuojak werden ge-
nannt: der Berg Otres (S. 153), die Orte Mazinao (vielleicht Mazin in der
Lika?), Suljanac oder Suljanski klanac, Staparje (S. 126), auch Duboko
(S. 356), Breznlje [S. HO), und Bistrica (S. 211) — alles unbekannt, nur Islam
(S. 322. 382. 393) und Biljane (S. 418) kennt man. Auch Zara gehörte in das
Gebiet der Eotari : »Iz Zadra 6u se jeka na oba Eotara« S. 160, daher sagte
man: »hajde sa mnom Zadru niz Eotare« (S. 143. 209), oder »yavik Zadru
gleda niz Eotare« (S. 533). Bei Zara selbst werden Grobnioe erwähnt (S. 291.
536. 568, auf der Specialkarte heisst das Gebirge ober Zara — Grobnica, es
gibt Grobnica gomja und dolnja, daher plur. Grobnice), dann Vedrice (»da on
Zadru niz Vedrice trce« S. 414. 415. 491), derselbe Name wird auch Vedrine
genannt (»na Vedrine ravne« S. 322. 324). Das südlich von Sinj gelegene
Dorf Vedrine dürfte hier kaum gemeint sein. An einer Stelle reitet der Held
durch Lipovac, Erii^ice, Bukovica und Lasakovica, um nach Eotare zu ge-
langen (S. 328). Da wird auch das Gebirge Durbaba genannt (man erinnere
sich aus der Volkserzählung des Spruches : dur, babin» kobila!) S. 254. 538;
ebenso Studene stine (S. 277).
Sonst werden aus Norddalmatien erwähnt: Enin (S. 116. 283) nebst Erka
(S.284) und Potkrklje (S. 351), Skradin (S. 324), Vrljika (S. 221. 468), mit dem
unrichtigen Zusatz »isrid Like klete«, Cetina (in der Erajina, S. 320), am
oberenLaufe des Flusses [S. 222. 477) »ispod Snjegotine« (S.419), auch Cetina
grad (S. 319). Weiter Vrana (S. 476), gibenik (S. 303. 415) nebst Erasulj (oder
Erasulje). Der Fluss Zrmanja ist den Liedern bekannt (S. 213) ; wo aber das
Gebirge Eelecevo (S. 354) liegt, das kann ich nicht sagen (nach dem Liede
nicht weit von Eotari). £benso unbestimmt ist Prozor am Meere (S. 212).
Die Heimkehr aus Hlivno wird über Grahovo und Bukovica gemacht (S. 393.
416), da wird auch Zecevo und Gepiöevo genannt (S. 417).
In Bosnien kommen noch zur Sprache Eladusa (S. 224. 283), Pridor und
Eozarac (S. 68), Eljno (S. 41. 283), Varcar (S. 4 1), Jajce (S. 41 . 284), Travnik (S. 42.
284), Glamoo (S. 42. 283. 387. 422) nebst Glamocko polje, dort wo auch Dragnid
(S. 45), von da führte der Weg überEoriöna staza(Eoriona stehtauf der Special-
karte Zone 30, Col. XVI) und Bukva vrletna nach Hlivno und weiter nach Duvno
(S.42. 68. 116. 135. 194. 283. 284. 388. 395. 405. 409), die Lieder erwähnen dabei
den Bistrica-Fluss (S. 250. 384) und Prolog planina (S. 384. 390. 41 6). Hinter Hlivno
wird noch Grljene stine (S. 391 ) genannt (auf der alten (xeneralBtabB-Earte Grve-
nica Stiena, jetzt fehlt es), und Smroani (S. 388. 393, auf der G.-Earte Smrioani).
Auch äujice carske werden (S. 68) erwähnt (auf der G.-Earte §uica), femer
obadva Skoplja ib. (wohl Vakuf gonoji und doiyi am Vrbas). V» Jag%6.
Leger, facsim. Ausgabe des Beimser Codex, angez. von Y. Jagid. 635
L'Eyangäliaire slavon de Reims, dit : Text du sacre. Edition fao-
simile en b6Iiograynre, pübli6e soas les anspiees de rAcad^mie
Nationale de Reims, pröcödöe d'ane Introduction historiqae par
Lonis Leger. 1899. Paris-Pragne. fol.
Es gibt nicht nur privilegirte Menschen, sondern auch Bücher. Zu sol-
chen vom Glück begünstigten Büchern, oder eigentlich Handschriften, gehört
das oben citirte Denkmal, das innerhalb desselben XIX. Jahrhunderts, binnen
55 Jahren zweimal in prachtvoller Ausstattung, in genauer Beproduction, das
Licht der Welt erblickte und ausserdem auf gewöhnlichem Wege der Typo-
graphie eine Ausgabe, ^veranstaltet von W. Hanka, erlebte. Die Geschichte
des Denkmals ist in der Tbat so seltsam, dass es bis in die neueste Zeit die
ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen musste. Es waren fast weniger die
Philologen, als die Grossen dieser Welt, Kaiser und Könige, deren wirkliche
oder angebliche Berührung mit dem Denkmal weit und breit seinen Ruf, seine
Berühmtheit begründete. Geschichte und Sage bemächtigte sich des Denk-
mals, vereint erzählten sie von ihm allerlei Dinge, die es erlebt, aber auch die
es nie erlebt hat.
Auch diese neueste als Heliogravüre unter der Redaction des officiellen
Slavisten Frankreichs, Prof. Louis Leger, veranstaltete Ausgabe kann als
Beweis gelten, dass über diesem Denkmal noch immer ein Glücksstern leuch-
tet. Denn, um es aufrichtig herauszusagen, der Inhalt des Codex selbst würde
zu dieser ausserordentlichen Bevorzugung keine Berechtigung geben. Prof.
Louis Leger ist nur aus pietätvoller Achtung für das einst in hohen Ehren
seiner schönen Heimath gestandene slavische Denkmal auf den Gedanken ge-
kommen, dieser Publication durch seine Betheiligung Vorschub zu leisten.
Seine Theilnahme ist durch die schöne, lichtvoll geschriebene und mit reich-
lichen bibliographischen Belegen versehene Introduction gekennzeichnet, in
welcher mit nüchterner Earitik die sagenhaften Bestandtheile der Vorge-
schichte dieses Denkmals beseitigt werden. Mit Recht sagt Prof. Leger: Oe
manuscrit cyrillique n'aurait qu'une valeur secondaire sans les grands Souvenirs
auxquels il se rattache (p. 16). Ich hätte mit noch grösserer Entschiedenheit,
als es in seiner Introduction geschieht, den cyrillischen Theil erst der zweiten
Hälfte des XII. Jahrh. zugewiesen. Dieser Text ist offenbar eine südwest-
russische, auf einer bulgarischen (mit Serbismen) Vorlage beruhende Ab-
schrift, die kein "l, v, kein h und selbst kein h> (ich fand lo nur einmal auf
fol. H>: noycTETH n, sonst dafür a) anwendet, a in russischer Weise für or, aber
auch zuweilen in serbischer für e gebraucht (z. B. 10^ abha für abhhk, 22^ (9
Ha3apA«a für Ha8ap6«a, 23& rpicthtjlsa für rpicthtcja), ebenso serbisch dann
und wann e für a schreibt (z. B. 5^, 19* csoe für cboa, 1^ ^ nee, 27» ci oHoe crpa-
HLi, 32» le für a). Die auch von Prof. Leger betonte grosse Nachlässigkeit des
Schreibers, die sich im zahlreichen Auslass einzelner Buchstaben und ganzer
Silben äussert, fällt bei den sonst sehr schönen Schriftzügen besonders auf«
Viel einfacher gestaltet sich für uns heute der glagolitische Theil, von dem
bekanntlich die beiden vorausgehenden Jahrhunderte so gut wie keine Ahnung
636 Kritischer Anzeiger.
hatten, wenn auch die Legende über die Aeasseningen Peters des Grossen
betreffs der beiden Theile des Denkmals sich als eine unbegründete Erzählung
herausstellt.
Bei der heute so weit fortgeschrittenen Technik der Reproduction alter
Denkmäler der Kunst — also auch der Schriftkunst — mnss man wirklich
bedauern, dass so selten im Interesse der slayischen Philologie und Alter-
thumswissenschaft davon Gebrauch gemacht wird. Wie wenige Schätze der
reichen russ. Bibliotheken liegen in photographischer etc. Reproduction vor?
Und doch ist noch das meiste in dieser Beziehung in Bussland geschehen,
wenn auch nicht immer in befriedigender Weise. So z. B. die Beproduction
des Ostromirschen Evangeliums ist geradezu abscheulich! Besser ist die
Publication des Izbornik 1073. Nicht besonders befriedigend möchte ich die
Ausgaben der PovdstB yremennych'B \^th nennen. Die vorliegende Arbeit
zeichnet sich durch französische Eleganz aus. Ich kenne zwar nur 6ine Aus-
gabe derselben, die von der Anbringung der Farben absieht, und auch diese
lässt die von Silvestre auf Kosten des Kaisers Nicolans I. veranstaltete Be-
production ganz zurücktreten. Erst jetzt sieht man den wahren Charakter
der Schriftzüge des Denkmals, die bei Silvestre durch zu scharfen Schnitt,
namentlich in den feinen Linien, viel steifer aussehen, als in der Wirklich-
keit, zuweilen auch eine ganz andere Form haben, z. B. x. Jetzt erscheint
jener magere Typus, der bei der Ausgabe Silvestre's jedem Kenner der slav.
Paläographie auffallen musste, wesentlich gemildert Die schöne, kleine
Schrift des Denkmals tritt in ihrer realen Wirklichkeit ruhiger, fast möchte
ich sagen gemüthlicher auf und lässt diesen Codex allen schöneren Schrift-
zügen des XII. Jahrh. näher treten, als es nach Silvestre der Fall war. Durch
die Vergleichung beider Ausgaben überzeugt man sich bald, dass Herr Lo6
im [Archiv IX. 478 ff. viele so zu sagen selbstverständliche Ungenauigkeiten
der Silvestre'schen Beproduction (wie z. B. Verwechselung von x und a, ■
und H, oder h und n, c und «, b und b) unerwähnt, einige Male sogar nicht un-
wichtige Fehler unberücksichtigt gelassen hat, z. B. 2% Z. 13 steht bei Sil-
vestre BL tT- äü statt des richtigen bb «ri* Äii, oder 2^, Z. 18 bei Silvestre
CTOAme statt des richtigen croAine, u. m. a. Den allein zuverlässigen Text
bietet also erst diese neue, von Prof. Leger besorgte Ausgabe.
Möge der rege Absatz dieser Publication — sie ist in dreifacher Aus-
stattung zu 100, 150 und 300 francs verkäuflich und fUr Oesterreich am be-
quemsten durch Äivnic in Prag zu beziehen — den Herausgeber ermuthigen,
mit der Zeit noch etwas aus den in Frankreich befindlichen Slavicis in ähn-
licher Weise zu reproduciren. Dem Prof. Leger gebührt für die der Publi-
cation gewidmete grosse Sorgfalt unsere aufrichtige Anerkennung.
V.J.
Kleine Mittheilungen.
Zu Mencetiö.
Unter den Qedichten des MencetiiS befindet sich eines, handsohriftlioh
als dialogus bezeichnet, das in der Ausgabe (Stari pisci II, S. 55) folgender-
massen erscheint:
Lndos te mogu reo dobiva nebore,
ako mnifl da ateö Ljnbayi tko more.
Uteöi, ateöi. Eamo? svnd; ti li? ja.
Ne reci! ne redi? stoj mnoe; podji tja.
Ja? da tko? maoi; za c? negovor'; govorim.
Istes? sto? Ijnven plac, u kom se vas morim.
A za sto? jer mila dvorit mi ne bjese;
da sto bi? nje sila stvori mi sto htjese.
Der Herausgeber Jagiö macht dazu die Bemerkung: »der Text ist un>
verändert beibehalten, obwohl er kaum verständlich ist«. Ich möchte den
Versuch machen, mit Hilfe kleiner Aenderungen die Ordnung des G^präches
herzustellen und zum Yerst&ndniss des Textes beizutragen.
Indem ich die redenden Personen mit (A) und (B) bezeichne, schlage ich
vor, so zu lesen :
(A) Ludos te mogu reo dobiva nebore,
ako mnis da uteö Ljubavi tko more.
(B) Uteci, utecil (A) Kamo? (B) Svud, tidimja.
(A) Ne reci, ne reci t stoj muoe, podji Ija I
(B) Ja? (A) Da tko? muoil ne govor*, govorim.
(B) Istes sto? (A) Ljuven plao, u kom se vas morim.
(B) A za sto? (A) Jer mila dvorit mi ne bjese.
(B) Da sto bi? (A) Nje sila stvori mi sto htjese.
Ausser der Ersetzung des li (V. 3) durch dim sind die übrigen Aende-
rungen nur orthographisch. Zur Verdeutlichung des Sinnes sei die deutsche
Uebersetzung beigefügt:
(A) Ich darf sagen, du bist von Thorheit befangen, wenn du meinst, es
könne jemand der Liebe entrinnen. (B) Flieh nur, flieh I (A) Wohin?
(B) Ueberallhln, sage ich dir. (A) Sage nichts, sage nichts; schweig still;
geh fort! (B) Ich? (A) Wer sonst? schweigt rede nicht, sage ich. (B) Be-
gehrst du (noch) etwas? (A) [Nur] den Liebesgram, in dem ich mich ganz
verzehre. (B) Und warum? (A) Weil es mir nicht vergönnt war, der Lieb-
638 Kleine Hittheilangen.
sten zu dienen (d. h. meine Liebe zu erweisen). (B) Was ist denn geschehen?
(A) Ihre Grewalt that mir an, was sie wollte (d. h. sie behandelte mich will-
kürlich, rücksichtslos). A, Leskien.
Zur Bibliographie apokrypher Gebete.
Im zweiten Bande der »nsB^cTlA orx^eHlH pyccRaro HsuRa h cioBecHocrH
HMnepaiopcKo& aKaAeMix HayKX« S. 608—610 ist von H. Y. Kacanoyskij ein
Gebet gegen den schlechten Regen gedruckt. Die Handschrift, worin H. Ea-
oanoYsk^ dasselbe gefunden, ist aus dem XVI. Jahrh. und befindet sich in
Agram. H. EaoanoYskij meint, es sei ein solchesGebet bis jetzt noch nirgends
gedruckt; dasselbe hat aber Ljub. Stojanoviö, obzwar nach einer sohlechte-
ren Handschrift, im dritten Bande des aCnoMeHSK« der serb. Akademie S. 195
veröffentlicht.
In der kais.Offentl. Bibliothek zu Petersburg befindet sich ein auf Perga-
ment geschriebener QsyatadHHK serb. Redaction (Omeix sa 1892, S. 305). Die
Handschrift ist aus dem XIIL oder Anfang des XIY. Jahrh. (Blatt 10a: 0
apzHRnni HameiiL mce h w ^THiMi npoBUHTepBCTBi h r^ro w zri xhhrohctbo
H w BciMi npH^T% E w JKiOAezL nro roy uoMJouh ce. — 0 6jirÖB£pHiMi h
(rozpaHisc^MB KpiüJiH HamcMi hmo h w BctzL 6oHapt h w bohx' h w JLB)n,e
Rro roy (noiuxMi ce — fehlt). In derselben befindet sich (Blatt 78) dasselbe
Gebet. Da das eine Sltere Handschrift, und dasselbe daselbst von beiden
abweicht, so ist es nicht ohne Interesse, es nochmals nach dieser Handschrift
zu drucken.
Bl ECTHHOy SOCTOEHO H npaBCAHO ■ UpaBOlillHO U CTJUBO R XML rXCMl
HamxMB nocTaB.iBmiMB MiixaHJia js» CTpixerB pixB boahbixb h shubojib xa ae
EMaTB WÖJiaCTH HaA BOAaMH. npHSe TB OB WÖJiaCTHID B&UIKOK), W^EMfi OB WUCMB
H OB CTBIMB ffZOMB MRO ß,9, AUHBOja OyCTaBHTB {& p^RB BOABHBIZB CTOIO TpomCH)
URO Aa HO HMaiB wÖJiacTE 6oypeBaTE na jiio rptebebcrbir. — SaRJuiHas) Te
AEaBOje 6mb xebbimb e ectehebiub ; saRJiEHaK) Te AEaBoae j^u XBiiiE ; aaRXH-
EAE> Te AEaBOAe BCtllE CTBIME aSEJIBI »JSit CTBOpS FB ; SaEJEEHaE) TO AEaBOüie
•A* ME oyrjgn>i e6cebime ; saRJEEEaE) to aebiboj6 -a* me RyjECTBi : MaRiCB, M&p-
ROlfB, JIoyROH), HwaEOMB, nOABApBECeiKEME E(k> E SeMJnO ; SaRJEEaE) TO AEICBOJKe
BeZERBIMB rpaAOUB HRpjIMOMB, BB ERMBXO nOVSBaE)TB BCE npaBOAEEEE; saRju-
EaB) Te AEBBOJie BceApBECETOARMB 6mb xebuemb e MaxepEK) Rro MapERK)
w6poy«eEOE) Hwcembe ; aaR^^saH) xe AEasoae ABiuaEaAeceie aiLiOMa ; 8a&isBax>
TO AEaBOje mecTBiEaAere nppRBi; saRZEEaE) tb AEtsBOje BeioncBiMB nppROMB
HwaEouB npiTOE) e rptjirub ; 8aR.iEEaH) Te AEUBOJEe ctbime apBXERnsBi u wkbi :
BacEAHRUB, HwasoMB, FpEropERMB, Kepeaomb e AeaEacERMB E WKOMB Herq-
AOH) ; SaRJEEEaB) Te AEUBOAO ctbime Be.KERBIME MHERBI *. GTe«aBOMB JipBBOMBROB£B,
Fewp'rERBCB, Ametpermb, IIpoRonsRMB, SewpoMB ; saRJUsas) le AEUBOiie ipBMx
CTBi E wcMBiEaAecoTO CTBIME wEBi uxQ BB Heroe, Aa Bc sManiE wÖJKacTE sa
Kleine Hittheilimgen. 639
TpoyAi KpCTHUBCRLI ; SaiLEHHAH) TO ffHBIBOjie 'A* MH piKAMH: <&HCOHOUl, FewUOM',
TnrpoHL, I6«paT0ifi, wÖBXOAenuncH Bcoy sice^RHoyio; saiuHHaH) xe AHUBOje
aHrjBi H apzaHrjLi ra Hamero icza nptffBCTORmsMB h cjoyxemHMB RMoy;
Ä ^ , . ,
SaKilHHaK) TO SHMBOJie pOXBCTBOHL ZBOML (SlC); WRJLKBSJD T6 AHUBOJie BBBOAe-
HHRMB RrO BB QpKBB ; SaiUHHaiO TO AHHBOJ^O Rpü^OHERMB THEMB ; SaKXXHaiO TO
AHUBOje BBCRpimeHHRMB JEasapRB^MB ; saRJiHHaH) T6 AHaBOJie QB^TOHOCORMB ra
Hamero Icxa; BaiuTHnaio Te AHaBOse pacneTHRMB zbomb (sie); samiHHaio le ah*
tSBOJe CTBIMB BBCKpCeHHRMB Zb£m'; SaEJHHaiO TO AHUBOie CTBIMB RFO Ha HÖCa
BBSHeceHHRUB ; BaKJHHaH) Te AHUBOSe CTBIMB H aUIBTBOpeniHlfB RrO AZOMB
CBiQBniHMB Ha aiLiBi ; saKJniHaio Te AHUBOJice öroj^nHBiHB Rro npiwÖpaxenineMB ;
saEJinnaio Te AHissose chjok> ^TBHaaro h ^niBOTBopemaaro EpTa, Aa ne HManuc
W^aCTH HSdHXH XBTb KpTHHHBCRBIZB HEBB; 8aR.SHHaH) TO AHUBOJie OeApaZOMB,
HncazoMB n ÄBCAeHBiMB (sie); aaiuiHHaH) xe AHUBOse m. hhrbi; saiuHHaH) xe
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AKUBOie AB^Ma CBiTlUOMa HXe CXBOpH TB : GXHI^e AHeBH, HUB Hoom, Aa He HManu
wÖJiacxH noTonHTH TRBTh EpxHtiHBCKBixB HEBB; saKJiHHaH) xo AHUBOJe zepoy-
fV t^ t%t t%t Q m
BHMH H Cepa«EMH nOH)UtHMB H^HER HenpiCXaH'HOR I CTB, CTB, CXB TB CaBaW, 6jIHB
rpeABiH BB EMe thr, wcaHEa bb bbihihe. G heiie xe e Hame rJiacBi npEzesRHBiR
npEME 6e Bcera e hhu e npECHO e bb bkbi
St. Stanqfwiö.
Ein serbokroatisches Wörterverzeichniss aus dem Ende des
XV. Jahrhunderts.
Manche werthvoUe Nachricht über Dalmatien verdanken wir den Reise-
beschreibungen derPalästinapilger früherer Jahrhunderte, welche gewöhnlich
über Venedig der Küste Istriens, Dalmatiens und Albaniens entlang fuhren.
— Ein solcher Bericht ist vom philologischen Standpunkte interessant, näm-
lich »Die Pilgerfahrt des Bitters Arnold von Harff von Göln durch Italien,
in den Jahren 1496 bis 1499 vollendet, beschrieben und durch Zeich-
nungen erläutert hat Herausgegeben von Dr. E. von Groote. Cöln 1860«.
Die Aufmerksamkeit dieses cölnischen Ritters zogen besonders fremde Spra-
chen an sich; so enthält sein Bericht unter anderem Wörterverzeichnisse der
albanesischen (abgedruckt bei Hopf, Ghroniques Gr6co-Romanes p. 340 und
G. Meyer« Albanesische Studien II. in den Sitzungsber. der k. k. Akad. phiL-
hist. Gl. Bd. 107, S. 260— 261), sowie der serbokroatischen Sprache. Letzteres
wurde seit dem Erscheinen des genannten Werkes [nirgends abgedruckt und
philologisch noch nicht verwerthet — Nach einigen kurzen Bemerkungen
über Ragusa setzt Harff (S. 64} folgendermassen fort: «... dese stat (nämlich
Ragusa) lijcht in dem koenynckrijch van Groatijen ind men spricht alhie
slaueneske spraiche die gar wijdt geyt, as gantze wyndesche lande durch
Slavenijen durch dat koenynckrijch van Poellant (ss Polenland) durch die
koeninckrijch Dalmacijen ind Groacijen, der spraiche ich etzliche woerde be-
halden haine as sij hie vnden geschreuen staynt.
640
Kleine MittheilimgeiL
Item slauennyske spraiche.
crochga
broyt
vyno
wijn
▼oda
waBser
messo
vleyBch
zere
kese
goska
eyn gansB
rijba
eyn vysch
kokoBB
eyn henne
Bcho
salB
bytte
drineken
iehe
essen
iachge
eyney
ia
ich
..r
traba
Btroe
benese
gelt
eslade (« zlat)
eyn gülden
operate
wesschen
koBola
eyn hempt
spate
slaeffen
Bchepate frauweren (s stuprare)
sena potzgo spate frauwe sai ich
bij ach slaeffen
messe spate odij («= odi, ovdi?)
moygen wir hie slaeffen
dobro jutro guden morgen
dobro wetzgijr guden naicht
potzgo (= hoöa) wyllen koliko vo (» valja) wat gylt dat
gotzo (= hoöa) ja ja potzko kopita («= kapiti) ich
netzgo (b neöa) neyn wyl it gelden
dobro goyt kaka tesimi (» kako ti jest ime)
eslae («= zlo) boese wie heyscht dit.
chackaawe (?) waerafftich
bomegist («- bome jest) geloegen
(Eine Yerwechselang, denn »bogme
jest« gehört za »wahrhaftig«).
dreao eyn schyff
schoffieck eyn man
gotzpoga eyn edelman
gena (es iena) eyn wijff
gostpotymbo (= gospodin Bog)
vns here got
wratze(=yra!ie) der duael
swyckga eyn kertz
konege eyn peert
besenitza (» psenica) haaer
cerrest (?) heuwe
Drei von diesen Wörtern bereiten der ErklSning Schwierigkeiten: cha-
ckaawe (kako vi?) ■■gelogen, cerrest » Hea and gleden (hiljada?) » Tausend.
Zam Schlüsse sei bemerkt, dass Groote's Aasgabe (nach S. VH der Ein-
leitung) 3 Manuscripte aus den Archiven der Familie Harff zu Grande liegen,
von welchen sich die älteste — in schOner fester Schrift — schwer als Auto-
graph des Verfassers nachweisen Iftsst. Milan Pcffk.
Tzellen.
jeden
eyn
duwa
tzwey
trij
drij
tzettyr
vier
pete
yunff
seest
sees
sedam
seuen
oescham
acht
debet
TX
deschet
X
staet
hundert
gleden (?)
dusent
Sachregister.
Accent, neue AuffasBung des serbo-
kroatischen A., 233 ff. ; serbische
und slovenische Accentverhältnisse
321 ff.; Betonung des Yerbums im
Bulgarischen, fünferlei Typen 1 ff.
Acta croatica 1100—1499, Neuheraus-
ffabe, 617 ff.
Albanien, Nordalbanien 78—99; alba-
nesische Schrift und Sprache, Ortho-
graphisches 203 ff.
Alterthumskunde. zur slavischen und
litauischen, lOflL; vgl. Bulgarien.
Apokirphe Gebete, Kegenzauber alt-
serbischer 638 ff.
Balkanhalbinsel, zur Geschichte ders.
im Xni. Jahrh. 622 ff. ; vgl. Alba-
nien; Bulgarien.
Böhmisch, altbOhmische Handschrr.
und Texte 232; vgl. Composita;
Gesta Romanorum; Glagolismus;
KOniginhofer Hds.; Lucidarius.
Bulgarien, Geschichte d. westbulgar.
Beiches 543 ff., zur ältesten Ge-
schichte 607 ff. ; vgl. Accent.
Composita, nominale, im Altrussischen
27 ff., Böhmischen 35 ff., Polnischen
40 ff.; Betonung der Nominalcom-
posita im Serbischen u. Slovenischen
335 ff.
Cyrillische Schrift in Bulgarien, epi-
graphische Denkmüler 543 ff.
Dometius, martyrium s. D., 44 ff.
Galinden 22 ff:
Geschlechtsweohsel im Plural 206 ff.
Gesta Bomanorum, altbOhmisoh, 251 ff.
Glagolismus in Böhmen, seine Ge-
schicke und Denkmäler 169 ff.
Kaszubische Frage 62 ff.
Kleinrussisch, ungarischer Dialekt,
LautlioheB 49 ff., vgl Volkskunde.
▲rclÜT fftx ■lATUoke Philologie. XXL
KOniginhofer Hds., ihre Composita
39 ff.; ihr Wortschatz 229 f.
Kroja 80.
Lech und Öechsage 172 ff.
Lucidarius, altböhmischer und deut-
scher 255 f.
Miroslavevangelium, seine Miniaturen
303 ff., Ausgabe 308 f.
Neuslovenisch, dialectiscbes (lant-
liches) 198 ff., Adjectivdodinatlon
208 ff. ; vgl. Accent.
Personennamen, deutsche u* slavisohe,
19 f.
Pilot 80.
Polnisch ; vel. Kaszubisch ; Alterthums-
kunde (Misaca Licicavioomm rex)
11 ff.; Litteraturgeschichte, Werke
über Kochanowski 236 iL, Mickie-
wicz 243 f.; vgl. Composita.
Pseudodemetrius, Bericnte über Er-
mordung des echten 99 ff. ; Auftau-
chen des falschen in Polen 118 ff.;
spätere Auffassung seiner Person,
in Polen 138 ff. ; in Kussland 157 ff.,
558 ff. ; die Ursachen der Wirren
578 ff.; Boris, die Bomanov und
Bjeljskij 588 ff.; Thronbesteigung
des Boris 603 ff.
Bagusa, innere Geschichte (Tflrken-
gefahr; culturelles, Bibliotheken,
Drucker etc.) von 1500^1550, 400 ff. ;
latein. Litteraten Bagnsas 437 ff.;
slavische Dichter 451 ff.; slavische
Texte aus Bagusa und Stagno 499 ff. ^
Beilagen (Testamente etc.) 508 ff.
Beimser Evangelium, Neuausgabe
635 ü
41
642
Sachregister.
Serbokroatisch, B.Ragosa, Litteratar-
geschichte 245 ff. ; epische Lieder
(der Mohammedaner) 626 ff. ;
Wortverzeichniss aus dem Ende
deßX7. Jahrh. 639f.
Yerktirznng von Längen vor Saf-
fizen 323 ff.; Betonung u. Quantität
der Nominalcomposita 335 ff. ; Be-
tonung d. Verbindung v. Präposition
und Casus 392 ff.
Skanderbeg 85 f.
Slovaken, östliche 55 ff. ; Sprichwörter-
sammlung 257 ff.
Sotaken 228 ff.
Szkump 81.
Topia Kari 85.
Vocalharmonie im Slovenischen 198 ff.
Volkskunde, Publicationen und Pa-
rallelen dazu, weiss- und kleinrussi-
sche, 259—302; vgL Slovaken.
Abicht 44--49.
Aligretoviö 518 f.
Altstedt 254 f.
Archangelskij 255.
Arsenij von Elasson
165 ff.
Bagalej 586.
Balasoev 549.
Balbinus 172.
Bameus 427, 509 f.
Basilios U. 545 f.
Baudouin de Gourtenay
16.
Benchi, de Benedictis
429.
Benesovskij 185.
Bjeljajey 157.
Bjelskij Bogdan 591 ff.
BnCiya 615.
Blanchus 216.
Bobadilla 410.
Bobaljeviö, de Babalio
437, 495 f.
Boeisiö 442.
BohuBZ 21.
Bona, de Bona Marinus
451.
Boninus de Boninis 430,
Dobriö.
Boris L 610.
Boris II. 545 f.
Boris Godunov 603 ff.
Bormann 612.
Broch49— 61,226ff.
Brückner 10—27, 62—
78,236—243.
Brunelli 437.
Buslajev 272, 303, 306,
310.
Namenregister.
Bussow 112, 593.
By6kov 317.
Cankof 1, 7.
Gerva Aloisius, Tubero,
448.
Cerra, Aelius Lampridius
442 ff.
Cerva 427, Serafino.
Chvorostinin 168.
äubranoviö 473.
Dance 413.
Daskalov 610.
David car bulg. 550.
Dick 253.
Dieterich 611.
Dimitrovid 477.
Dlugosz 11.
Dobrovsky 177.
Drinov 80, 548 f., 607.
Driiö Gjore452ff., 515 f.
Drleid Marin 481.
DrSiö, Vlaho 457.
Dudjk 177.
Dusburg 22, 26.
Dykariv 288.
Fariati 80.
Federowski 259 ff.
Festa 622 ff.
FilimonoY 312.
Flajshans 229 ff.
Florinskij 543 ff.
Förstemann 19,21.
Franko 285 f.
Fraseri 216.
Gelcich 400, 432, 497.
GeorgioB Acropolites 623.
German, hl. 544.
Gheyn, van den 44.
Giorgi 416.
Goze Aloisius 417.
Goze Johannes 452, 5 16 f.
Gozze StephanuB, Gu6eti(S
495.
Gregor von Prag 256.
Grigorovi6 94.
Groote 639 f.
Gunduliö 397.
Hahn 78.
Hajekl72f.
Harff, Arnold von 639 f.
Hein 10.
Hieb, Patriarch 568 ff.
Hnatjuk49ff.,270f., 287,
290 ff.
Hrin6enko 263 ff., 273 ff.
Jagid28— 43, 197 f., 200,
245—251, 306, 308 f.,
310 — 320, 551 — 557,
626—636.
Jaklian^413.
Jambresiö 174.
Ibrahim 547.
Jeliö 507.
Jirecek C. 78—99, 399—
542, 543—561, 607—
626.
Jirecek J. 251.
Ikonnikov 138.
Ilesic 198—212.
Joannes Tzimiskes 545 f.
Jordan 174.
Jungmann 256.
Namenregister.
643
Ka^anoYBkij 638.
Eallenbach 243 f.
Kariowicz 62, 65.
Eatyre V - RoBtovskij
558 ff.
Kazna^iö 327.
Koller 253.
Kinch 549.
Eitancev 611.
EoehanowBki J. 236 ff.
Eomensky 254 f.
Kondakov 303—308.
KoBtomarov 113.
Kotari 633 f.
Eramarenko 286.
ElrasnoBelcev 313.
Eristi6eviö 462 f.
EriBtoforidi 216.
EHiek 169.
Emm 608 f.
EruBiö 426.
Eubrat 608.
Eukuljeviö 617.
Kunikl2, 21, 314ff.,547.
Lacroma 465.
LaBcaris 622 ff.
Leger 635 f.
Leiuge 44.
Leiewel 17.
LoBkien I — IO, 224 f.,
321—398, 637.
Licignana 513.
Liepopili 507.
Ljubid 245.
Liudprand 547.
LipoYBkij 548.
Loparev 611.
Lopaiiö 617.
Lubienski 156.
Luccari 173.
Lukareviö Frane 496.
Malamlr 608.
MalinowBki 311.
MalkoBchiz 631.
Maretiö 173.
Marteret 589 ff.
Marjanovio 626 ff.
Marojevid 521 f.
MasBa 113.
Meleda 466 ff.
Mencetiö 457 ff., 637 f.
Men6iö 438.
Mentius 440.
Menze Vladisav 498.
Meyer G. 214 f.
Michael Asdn 625.
Michael von Zachluminn
616.
Mickiewicz 243 f.
Mierzy£ski 26.
Mikkola 69.
Miklosich 12, 215.
Milas 233 ff.
Miletid 543 ff.
Miliö 400.
Miljukov 543.
Miller VBev. 272 f.
MniBzech 134 ff.
Mttllenboff 21.
Müller Gerh. 113.
Naljeskoviö 478 ff.
Noväk 251 ff.
Novakoviö 245.
Oblak 320.
Obolenskij 561.
Omortag 608 f.
Orbini 173 f.
Otrepjev 160 ff., 558 ff.
Pajek 200 ff.
Pajk 639 f.
Palicyn 575 ff.
Palmotiö 498.
Patera 254.
Pavlov 312 f.
Pavloviö 438.
PederBen213ff.
Pekmezi 213—224.
Peter, bulg. car 546 ff.
Piasecki 158.
Pierling 120 ff.
Platonov 561 f.
Plenkiewicz 236 ff.
Pletersnik 200 ff.
Polivka 259—302.
PotkanBki 17, 70.
Poza, Puteus 440.
PreBiam 609.
Primojevid 432, de Primo
508 f.
PtaBzycki 253.
PyT)in 272.
Radovanoviö 432, 508.
Rangoni 120 ff.
Ranina 494.
Rattkav 174.
Reinhold 219.
Resetar 233—236.
Rogendorf 463 ff.
RomanoYB, die 590 ff.
RoBtlBlay Michajlovi6
622 ff.
SaboY (Sz&bö) 55.
§afaHk 614.
§agareli<5 524 f.
Sakkelion 617.
Samuel car balg. 543 ff.
SasBi 402.
§oepkin 99—169, 558—
606.
Schlumberger 548.
Schmidt Herm. 44—49.
Schorbach 255.
SilYOBtre 636.
^korpil 610, 612.
§krabec 203 ff.
Slavnsa 522 f.
Sorgo 416.
SperanBkij 272, 551.
Sreznevskij 31, 551, 614.
StanojeYiö 638 f.
StejanoYiö 308 f.
SamcoY 261 f.
§armin 245 ff., 617 ff.
SYJatoBlaY 545, 548.
Svoboda 174 f.
Symeon car bulg. 545 f.,
615 f.
Syrku 169—197.
Thallöczy 78—99.
Theodoros LaskariB II.
623 f.
TichonraYOY 272.
Timofejev 165 ff., 578 f.
TomaBohek 610.
UroB I. 624 f.
UspenBkij 543 f.
ValjaYec311,321
VasiljeYBkij 319.
VerantiuB 173.
41*
644
Wortreguiter.
Yetranid 464 f.
Vitezovid 173.
Vojselk 626.
Vondrik 224—233, 251—
259.
Vrt'itko 622.
YakaSinoYiö 431.
Zamagna 438, 485.
^atkovyo 287.
Zatarecky 257 ff.
Zeissberg 12, 14.
ZlatarBki 607 ff.
Arbanasi n. Verwandtes
79.
Arne (Jemej) 206.
ßayaivol 610.
ßayoTov^ 610.
Dlahoslaviti 35, 41.
ßoXiadeg 610 (byk, bo-
Ijare).
bnjti 201.
ohari%cec 77.
condenarius 414.
darzki und dzianki 67.
dobroYolnv 35.
dzinra und dura 67.
gle£ 69.
jestojBka 37 f.
karw 65.
xav^oyog 613.
Wortregister.
kneiak 414.
kolajna 422.
Kotdr^b 63.
Erak 21.
kratochvil6 37.
Criwe 26.
kurpie 69.
Lech 17.
letorast 37.
leventa 406.
LicicaYid 17.
matere 225.
mehodiek 38.
meska 14.
mjasopuBt 29.
mieszkaö 15.
miloarBd'B 36 f., 40.
motovnz 38.
Optuj 203.
proBlek 200.
prta 200.
Barna sioren 67.
Bogoren 200.
Btaria 66.
syropuBt 29.
Tarchan 614.
tivigi 610.
v^hbuiny 37.
vrtovfez 38.
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Yniiak 202.
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Mütter Bittgang. IV. Euripides Herakles. 80. (355 S.) In eleg. Leinenband 6 Mark.
Zweiter Band: Orestie. S^. (313 S.) In eleg. Leinenband 5 Mark.
Vorwort zum ersten Stücke.
Die Übersetzungen griechischer Tragödien, die ich bisher Yeröffentlicht habe,
sind von dem eriechischen Texte und zum Teil Ton Erläuterungen begleitet gewesen.
Es war das genoten, da meine Arbeit in erster Linie dahin gegangen war, den Text
zu y erstehen und Terständlich zu machen; ich halte die Form auch noch für die
sachlich richtige und hoffe Sie noch einmal für Agamemnon und Eumeniden anzu-
wenden. Allein sie hat den Nachteil, dass die Übersetzungen kaum über die Kreise
hinauskommen, die auch den gelehrten Teil des Buches lesen. So bin ich oft auf-
gefordert worden, besondere Ausgaben der Übersetzungen zu veranstalten. Insbeson-
ere ist .mir gesagt worden, dass auf Schulen, die die griechische Sprache nicht
lehren, Übersetzungen griechischer Dramen eelesen werden, so dass ich geradezu
die Pflicht hätte, diesen die meinen zugänglich zu machen.
Verlag der Weidmannschen Bnchhandinng in Berlin,
VETERIS TESTAMENTI
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INTERPRETATIO ISTRO-CROATICA SAECÜLI lYI.
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Diese um^ das Jahr 1 563 gemachte Uebersetzung der Lutherischen Uebersetzung
der Propheten im istrokroatischen Dialect, deren erste Ausgabe yemichtet zu sein
schien, wurde neulich in einem einzigen erhaltenen Exemplar in einem Stift Ober-
oesterreichs entdeckt und wegen der Vortrefflichkeit der Sprache derselben von dem
Akademiker V. Jagiö mit Unterstützung der kais. Akaoemie der Wissenschaften
herausgegeben.
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Hierzu eine Beilage von der Buchdruckerei von
Max Schmersow vorm. Zahn & Baendel in Kirehhain, N.-L.
Fftr die Redaction verantwortlich: Prof. Dr. ▲. Brflckaer in Berlin.
Druck % on Breitkopf £ H&rtel in Leipsi|f.
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