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Full text of "Archiv für slavische philologie ... 1.-42 bd.; 1875-1929"

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nound 
AUG  30  1900 


^actiacb  ColUse  librars 


JOHN    AMORY    LOWELL, 

Thia  raDdi«t>o.ooo,uidi)riti  iucomethneqiunen* 
be  BddEd  lo  the  priocipnl. 


%aAj^{V>9 —  IV»«6,i'»oo 


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ARCHIV 


FÜR 


SLAYISCHE  PHILOLOGIE 


UNTEB  MITWIRKUNG 


VON 


A.  BRÜCKNER,    J.  GEBAÜER,    C.  JIRECEK,    A.  LESKIEN, 

BBBLIN,  FRAG,  WIEN.  LGIPZIO, 

W.NEHMG,    ST.  NOVMOVid,    A.  WESSELOFSKY, 

BRESLAU,  BELGRAD,  ST.  PETERSBURG, 

HERAUSGEGEBEN 


TON 


V.  JAGIC 


EINUNDZWANZIGSTER  BAND. 


•  •m» 


BERLIN, 

WEIDHANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 

1899. 


■Icv  6. IC 


'B^yu/Ui  A^ 


Inhalt. 


Abhandlungtii.  Seit« 

Die  Betonnngstypen  des  Verbams  im  Bulgarischen,  von  A-Leskien  1 
Beitrage  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer,  von  A. 

Brückner 10 

Die  slaYischen  Composita  in  ihrem  sprachgeschichtlichen  Auftreten, 

von  V.  Jagiö 28 

Martyrium  des  StDometius,  von  B.  Abicht  und  H.  Schmidt ..   .  44 

Aus  der  ungarischen  Slavenwelt,  von  Olaf  B roch 49 

Bandglossen  zur  kaszubischen  Frage,  von  A.  Brückner 62 

Zwei  Urkunden  aus  Nordalbanien,  von  L.y.Thallöczy  und  0 on st. 

Jireoek 78 

Wer  war  PseudodemetriusL?  von  Eugen  äoepkin 99,558 

Zur  Geschichte  des  Glagolismus  in  Böhmen,  von  P.  Syrku    ....  169 

Sloveaica,  von  Franz  II e sie 199 

Untersuchungen  über  Betonungs-  und  Quantitätsverhältnisse  in  den 

slavischen  Sprachen,  von  A.  Leskien 321 

Beiträge  zur  ragusanischen Literaturgeschichte,  von Gonst.  Jireoek  399 
Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993,  von  Gonst  Jireoek  und 

V.Jagid 543 


Kritischer  Anzeiger. 

Pedersen,  Albanesische  Texte,  angezeigt  von  ]^erd.  Pekmezi   .   .  213 

Leskien,  Handbuch  der  altbulgar.  Sprache,  angez.  von W.VondrÄk  224 

Brocb,  Slovakisch-kleinrussische  Studien,  angez.  von  W.  Vondrik  229 
FlajShans,  Glossar  zurKöniginhoferHandschrift,  angez. von  W.Yon- 

drik 229 

Flajshans,  Bibliographische  Forschungen  in  Schweden  und  Russland, 

angez.  von  W.  Vondr&k 231 

Ullas,  Accenttheorie  im  Serbischen,  angez.  von  M.  Resetar  ....  233 

Plenkiewicz,  Eochanowski's  Biographie,  angez.  von  A.  Brückner.  236 

ELallenbach,  A.  Mickiewicz,  angez.  von  A.  Jensen 243 

äurmin,  Kroatische  und  serbische  Literaturgeschichte,  angez.  von  V. 

Jagiö 245 


IV  Inhalt^ 

Seite 

AltbOhmische  GoBta  Bomanonim,  heransg.  von  Novik,  angez.  von 

W.VondrÄk 251 

KomenBky,  Theatram  universitatis  rerum,  angez.  von  W.  Yondr&k  254 
Arohangerskij,  Zar  G^Bohichte  des  deutschen  und  böhmischen  Luci- 

darius,  angez.  von  W.  Von drik 255 

NoY&k,  Bectorrede  des  M. Gregor  von  Prag,  angez.  von  W.Vondr&k  256 

Z&torecky,  Slovakische  Sprichwörter,  angez.  von  W.  Vondr&k  .   .  257 

Federowski,  Weissrussland,  angez.  von  G.  P oliv ka 259 

Sumcov,  Ethnograph.-litoratorgeschichtliche  Forschungen,  angez.  von 

G.  Polivka 261 

Sumcov,  Forschungen  in  der  Anecdotenliteratur,  angez.  von  G.  Po- 
livka     262 

Hrinoenko,  Ethnographisches  Material  I,  angez.  von  G.  Polivka.   .  263 
^atjuk,  Ausgabe  eines  klruss.  ethnogr.  literaturgesohichtl.  Werkes, 

angez.  von  G.  Polivka 270 

Pooin'B.  Ein  literaturgesch.  Sammelband,  angez.  von  G.  Polivka   .  272 

Hrinoenko,  Ethnographisches  Material  II,  angez.  von  G.  Polivka  .  273 
Ethnograph.  Publicationen  der  äevcenko-Gesellschaft  I— V,  angez. 

von  G.  Polivka 285 

Die  Omamentation  des  Miroslav.  Evang.,  angez.  von  Prof.  Konda- 

koff  und  V.  Jagiö 302 

V.  N.  Zlatarskij's  Abhandlungen  zur  bulgarischen  Geschichte,  angez. 

von  C.  Jirecek 607 

Glagolitisches  Urkundenbuch,  angez.  von  C.  J Ire oek 617 

Briefe  des  Kaisers  Laskaris  II.,  angez.  von  C.  Jirecek 622 

Marjanoviö,  Mohammedanische  Volkslieder,  angez.  von  y.  Ja  gl  <5    .  626 
Louis  Leger,  facsimilirte  Ausgabe  des  Beimser  Codex,  angez.  von 

V.  Jagiö 635 


Kleine  Mitibellungen. 

Nekrologe,  von  V.  Jagiö 310 

ZuMenoeti6,  von  A.  Leskien 637 

Zur  Bibliographie  apokrypher  Gkbete,  von  St.  Stanojeviö  .  .  .  .  638 
Ein  serbokroat  Wörterverzeichniss  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrb., 

von  Milan  Pajk 639 


Sach-,  Namen-  und  Wortregister 641 


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ARCHTV 


FÜR 


SLAVISCHE  PHILOLOGIE 


UNTER  MITWIRKUNG 


VON 


A.  BRÜCKNER,     J.  6EBAÜER,    C.  JIRECEK, 

BERLIN,  PKAÜ,  WIEN. 


A.  LESKIEN,   W.NEHRIK6,    ST.  NOVAEOVIC,    A.  WESSELOFSKY, 

LEIPZIG,  BRESLAU,  BELGRAD,  ST.  PETERSBURa, 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

V.   JAGIC 


EINÜNDZWANZIGSTER  BAND. 

ERSTES  UND  ZWEITES  HEFT. 


BERLIN  1899 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 
S  W.  ZBIMERSTRASSE  94. 

ST.  PETERSBURG,  A.  DEVRIENT. 


J 


INHALT. 


Abhandlungen.  Seite 

Die  Betonungstypen  des  Verbums  im  Bulgarischen  von  A.  Leskien 1 

Beitr&ge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer  von  A.  Brückner    .  10 

Die  slavischen  Oomposita  in  ihrem  sprachgeschichtlichen  Auftreten  von  V.  Jagi<5  28 

Martyriiun  des  St  Dometius  von  R.  Abicht  und  H.  Schmidt 44 

Aus  der  ungarischen  Slavenwelt  von  Olaf  Broch 49 

Bandglossen  zur  kaszubisohen  Frage  von  A.  Brückner 62 

Zwei  Urkunden  aus  Nordalbanien  von  L.  r.  Thall6czy  und  Gonst.  Jireoek  78 

Wer  war  Fseudodemetrius  L?  von  E.  §oepkin  (Fortsetzung) 99 

Zur  Geschichte  des  Glagolismus  in  Böhmen  von  F.  Syrku.    . 169 

Slovenica  von  Franz  Ilesic 199 

'  Kritischer  Anzeiger. 

Federsen,  Albanesische  Texte,  angez.  von  Derd.  Fekmezi 213 

Leskien,  Handbuch  der  altbulgarischen  Sprache,  angeZ.  von  W.  Yondr&k  .    .  224 

Broch,  Slovakisch-kleinrussische  Studien,  angez.  von  W.  Vondr&k.    .....  226 

Flajshans,  Glossar  zur  Königinhof  er  Handschrift,  angez.  von  W.  Vondrdk  .    .  229 
Flajshans,  Bibliographische  Forschungen  in  Schweden  und  Russland,  angez.  von 

W.  Vondrak 231 

Milas,  Accenttheorie  im  Serbischen,  angez.  von  M.  v.  Resetar 233 

Flenkiewicz,  Kochanowski's  Biographie,  angez.  von  A.  Brückner 236 

Kallenbach,  A.  Mickiewicz,  angez.  von  A.Jensen 243 

Sunnin,  Kroatische  und  serbische  Literaturgeschichte,  angez.  von  V.  Jagid  .   .  245 

Altböhmische  Gesta  Romanorum,  herausg.  von  Nov4k,  angez.  von  W.  Von dr&k  251 

Komensky,  Theatrum  universitatis  rerum,  angez.  von  W.  Vondrak 254 

Archangerskij,  Zur  Geschichte  d.  dtsch.  u.  böhm.  Lucidarius,  angez.  v.W. Von dr&k  255 

Nov&k,  Rectorrede  des  M.  Gregor  von  Frag,  angez.  von  W.  Vondrdk    .    .   .    .  256 

Z&turecky,  Slovakische  Sprichwörter,  angez.  von  W.  Vondrdk 257 

Federowski,  Weissrussland,  angez.  von  G.  Folfvka 259 

Sumcov,  Ethnogr.-literaturgesch.  Forschungen,  angez.  von  G.  Folfvka   ....  261 

Sumcov,  Forschungen  in  der  Anecdotenliteratur^  angez.  von  G.  Folfvka   .    .    .  262 

Hrincenko,  Ethnographisches  Material  I,  angez.  von  G.  Folfvka 263 

Hlatjuk,  Ausg.  eines  klruss.  ethnogr.  Uteraturgesch. Werkes,  angez.  v.G.Folfvka  270 

Focini».  Ein  Uteraturgesch.  Sammelband,  angez.  von  G.  Folfvka 272 

Hrincenko.  Ethnographisches  Material  II,  angez.  von  G.  Folfvka 273 

Ethnogr.  Fublic.  der  Sevcenko-Gesellschaft  I — V,  angez.  von  G.  Folivka    .    .  285 

Die  Omamentation  des  Miroslav.  Evang.,  angez.  von  Frof.  Kondakoff.    .    .   .  302 

Kleine  Mittheilungen 410 

Alle  Einsendungen  für  das  »Archiv  für  slavische  Philologie«  sind 
an  mich  nach  Wien  VIII.  Kochgasse  1 5,  zu  richten. 

V.  Jagic. 


Das  Archiv  für  slavische  Philologie  erscheint  in  Heften  zu  10  Bogen 
oder  Doppelheften  zu  20  Bogen,  je  vier  Hefte  bilden  einen  Jahrgang. 
Preis  für  den  Band  20  jH^  für  einzelne  Hefte  6  Jt. 

Die  ersten  12  Bände  sind  zum  ermäßigten  Preise  von  180  uf^  (bis- 
her 241  •#)  durch  jede  Buchhandlung  zu  beziehen. 

Weidmannsche  Buchhandlung. 


1899 


'ilppiDZE,  t;^ 


^'1 


Die  Betonnngstypen  des  Yerbnms  im  Bulgarischen. 


Bei  Arbeiten  über  die  Betonimg  des  Yerbums  im  Slaviscben 
ergab  sieb  mir  die  Notbwendigkeitf  eine  ausgedebnte  Untersucbung 
über  den  Yerbalaccent  in  den  bulgarischen  Mundarten,  die  mace- 
doniscben  eingescblossen,  anzustellen,  weil  hier,  anders  als  beim 
Serbischen,  Sloyenischen  und  Russischen,  gar  keine  zusammen- 
fassenden Vorarbeiten  Yorliegen.  Ich  habe  dazu  benutzt  die  accen- 
tuirten  Texte,  mit  Bevorzugung  der  Prosatexte,  in  den  ersten  1 3 
Bänden  des  C6opHBirB  sa  Hapo^HH  yMOTBopeuHfl,  Hayica  h  KHBXHHa, 
BSAasa  MüHHCTepcTBOTo  na  HapoAHOTo  npocB^n^eHHe  (Sofia  1889 — 
1896);  in  den  Sammlungen  Sapkarev's,  C6opHHirB  ot'b  6ijirapcKH  na- 
poAHH  yMOTBopeHHfl  (9  Hefte,  Sofia  1891  fg.) ;  in  der  Zeitschrift  Ile- 
pHOAViecKo  cnHcaHHe  (54  Hefte,  Jahrg.  1882 — 1896,  Sofia);  in  den 
KHWTKünH,  einer  kleinen  Zeitschrift,  von  der,  so  weit  mir  bekannt,  1 0 
Hefte  (Saloniki  1889 — 1891)  erschienen  sind;  femer Cankof,  Gram- 
matik der  bulgarischen  Sprache  (Wien  1852)  und  einige  Kleinig- 
keiten. Ausgeschlossen  habe  ich  Duvernois,  GjtoBapii  Öojn'apcKaro 
H3UKa  (2  Thle.,  Moskau  1885  fg.). 

Wollte  ich  die  Masse  des  Materials  und  die  Einzelresultate  ftlr 
jede  Looalmundart,  alle  kleinen  Abweichungen  solcher  Mundarten 
ans  den  untersuchten  Texten,  deren  Aufzeichnung  auch  nicht  immer 
gleicb  zuverlässig  ist,  mittheilen,  so  würde  das  ein  Buch  von  ziem- 
lichem Umfange  geben. 

Ich  ziehe  es  vor,  hier  gewissermassen  einen  Auszug  zu  geben, 
in  der  Form,  dass  ich  die  Mundarten,  in  denen  die  Betonung  des 
Yerbums  im  Wesentlichen  gleichartig  ist,  zu  Gruppen  zusammen- 
fasse und  den  durchgehenden  Betonungstypus  fUr  jede  Glasse  des 
Verbums  feststelle.  Die  Eintheilung  des  Yerbums  ist  die  meines 
Handbuchs,  die  ich  wohl  als  bekannt  voraussetzen  darf.  Fttr  Unter- 
suchungen über  Betonung  ist  die  übliche  Eintheilung  nach  der 

ArebiT  f  Ar  •Uriacli«  Philologie.  XXI.  1 


2  A.  Leskien, 

Infinitivbildung ,  da  sie  gleich  gebildete  und  gleich  flectirte  Yerba 
auseinanderreisst,  nicht  zn  branpben. 

Die  unten  aufgestellten  Typen  bedürfen  sicher  mancher  Be- 
richtigung und  genaueren  Bestimmung.  Sie  werden  aber,  hoffe  ich, 
den  Zweck  erfüllen ,  in  der  erdrückenden  Fülle  von  Einzelheiten 
als  Ausgangspunkte  oder  Richtnngspunkte  für  weitere  Forschungen 
dienen  zu  können.  Man  wird  leicht  aus  den  Texten  z.  B.  des  Sbor- 
nik  einzelne  Beispiele  finden ,  die  zu  den  von  mir  aufgestellten 
Typen  nicht  stimmen.  Ich  kenne  diese  auch,  ignorire  sie  aber 
hier,  weil  es  mir  nur  darauf  ankommt,  ein  ungefähr  zutreffendes 
Gesammtbild  zu  geben. 

Bei  der  Untersuchung  der  Betonung  des  Yerbums  im  Bulgari- 
schen kommen  in  Betracht:  das  Präsens  ohne  die  Participien,  da 
sie  im  Bulgarischen  entweder  ganz  ungebräuchlich,  oder  wenn  hie 
und  da  mundartlich  gebraucht,  zu  Adverbien  erstarrt  und  z.  Th. 
formal  stark  umgebildet  sind;  das  Imperfectum,  das  aber  keiner 
besonderen  Behandlung  bedarf,  da  es  stets  wie  das  Präsens  betont 
wird;  der  Aorist;  das  sogenannte  1-Particip,  mit  dem  das  um- 
schriebene Perfekt  gebildet  wird,  der  Kürze  wegen  im  Folgenden 
mit  Perf. bezeichnet ;  das  Particip  präteriti  passivi,  aus  dem- 
selben Grunde  mit  Pass.  bezeichnet;  der  im  Bulgarischen  dürftig 
erhaltene  Infinitiv;  der  Imperativ  (gleich  altem  Optativ  präs.), 
den  ich  hier  aber  ausser  Betracht  lasse,  weil  Form  und  Betonung 
in  den  Dialekten  zu  stark  wechseln.  Zur  Vermeidung  weitläufiger 
Ausdrucksweise  werde  ich  die  Bezeichnung  Endbetonung  an- 
wenden, wo  die  1.  sg.  praes.  oder  1.  sg.  aor.  den  Hochton  auf  der 
letzten  Silbe  haben,  wo  Perf.  und  Pass.  ihn  auf  der  letzten  Silbe 
des  Nom.  sg.  masc.  tragen.  Alle  andern  Formen  in  der  weiteren 
Abwandlung  oder  Motion  haben  dann  den  Hochton  auf  der  ent- 
sprechenden Silbe. 

Die  Typen  sind  der  Kürze  wegen  z.Th.  bezeichnet  nach  einem 
Hauptort  der  betreffenden  Mundartengruppe. 

I.  Typus  Ochrld.  Dahin  gehören  die  Mundarten  vonOchrid, 
Struga,  DebrB  (Dibra),  DebrBca  (die  Landschaft  östlich  vom  Aus- 
fluss  des  Drin  aus  dem  Ochrid-See  bis  Ki£evo),  Kicevo,  Kruiovo, 
die  Landschaft  Tetovo  (zwischen  Tetovo  [Kalkandele]  und  Gosti- 
var),  Gostivar,  Resen,  Bitolja  (Monastir),  Prilep,  Veles,  Skopje. 
Hier  ist  überall  der  Hochton  der  Worte  so  regulirt ,  dass  er  stets 


Die  BetonaDgBtypen  des  Yerbums  im  BalgarischoD.  3 

aaf  der  drittletzten  Silbe  liegt,  also  auch  beim  Verbnm.  Dieser 
Typus  kommt  daher  bei  der  Betrachtung  der  ursprünglichen  Be- 
tonung des  Verbums  überhaupt  nicht  mehr  in  Betracht. 

II.  Typus  Lerin^  umfasst  die  Mundarten  um  Lerin  (Florina) 
und  Rostur  (Kastoria) .  Auch  hier  ist  der  Hochton  insgesammt  re- 
gulirt ;  er  trifft  die  vorletzte  Silbe  des  Wortes  (mit  gewissen  Ein- 
schränkungen) ;  es  entfällt  daher  auch  dieser  Typus  für  die  ur- 
sprünglichen Verhältnisse  des  Verbums. 

III.  Typus  Yoden,  umfasst  die  Mundarten  um  Voden,  Stip, 
EamanoYO,  Eratovo,  Dorjan,  Gevgeli,  Meglen,  Kukuä,  Ajvatovo 
(Ajyalü),  Solun  (Saloniki).  Das  Präsens  aller  Classen  vermeidet 
durchaus  die  Endbetonung,  dagegen  sind  alle  Nichtpräsensformen 
[Aorist,  Perf.,  Pass.)  endbetont.  Doch  muss  ich  das  Perf.  der  con- 
sonantisch  auslautenden  Stämme  (=  Wurzel)  von  Gl.  I  (neshl,  f. 
nesla  u.  8.  w.)  ausschliessen,  weil  die  Texte  darin  so  schwanken, 
dass  man  zu  keinem  sicheren  Resultat  kommen  kann.  Die  Bei- 
spiele sind  gegeben  ohne  Rücksicht  auf  die  in  den  Mundarten 
nicht  gleichmässige  Reduktion  oder  sonstige  Veränderung  der  Vo- 
kale unbetonter  Silben ,  überhaupt  ohne  Rücksicht  auf  solche  for- 
male Unterschiede,  die  für  die  Lage  des  Hochtons  gleichgiltig  sind. 


CLL 


CLn. 


CLini 


Präsens 

Aorist 

Pass. 

H^CIBM 

Hecox 

Hec6H 

H6cem 

Hec6 

f.   Hec^na 

HÖce 

Hec6 

n.  Hec^HO 

necoM 

HeCÖXMO 

pL  Hec6HH 

H6ceTe 

Hee6xTe 

h6c^t 

HeGÖXTb 

Präsens 

Aorist 

Perf. 

BHKH^M 

BHKH^X 

BBKR&JL 

BUKuem 

BHKHd 

BEKH^ia 

BHKHe 

BHKHä 

bhkh4jo 

BHKHeM 

BHKuäxMe 

BEKH^JH 

BUKHCTe 

BBKH&XTe 

BUKH'BT 

BHKH&X'L 

Pass. 

nimrLM 

nHC&X 

nHc4j 

IIHC&H 

immem 

UHC& 

imcdjia 

IIHC&Ha 

4 

A.  Leskien, 

C1.I1I.1. 

Präsens 

Aorist 

Peri^. 

Pass. 

TTHTire 

ITHC& 

IIHC&JEO 

IIHC&HO 

immeM 

nHC&XMB 

imc4jnT 

tihc4hh 

üHineTe 

üHC&XTe 

nHTTTBT 

IIUC&X% 

Cl.  HL  2.  a. 

TÄ^fifiLM. 

FJe^i^äx 

FJieA^ 

TÄBfi^ia 

rj^Aain 

TÄQßjk 

rjeA^a 

rjieAä.Ha 

rji^Aa 

TÄeA& 

TÄQA&JiO 

rjeA&HO 

rji6AaMe 

rjBceAäxMe 

rjECA^H 

rjBceA&HH 

rjiÖÄaTe 

rjCÄ^XTe 

rjEÖÄax 

TÄBJS.&X'h 

Cl.nL2.b. 

Präsens 

Aorist 

Pers. 

3En66j'L 

o-ähb6x 

o-a:H66j[ 

XHB^jein 

flCHK6 

XHBäja 

3EHb6J6 

w.hk6 

KHB&IO 

^KHR^jeM 

»LHB^XMe 

TRKB^JIH 

7KHB6jeTe 

SKHB^XTe 

2KHb6J'BT 

KHB^X'B 

Cl.  UL  2.  c.  Die  Form  des  Infinivstammes  ist  hier  in  das  Präsens 
übergegangen,  das  Präsens  flektirt  -nvam,  -uvai;  n.  s.  w.  nach 
in.  2.  a,  so  dass  auch  dieselben  Betonnngsverhältnisse  ob- 
walten, z.  B.  1.  pr.  BepyBaM,  Aor.  BepysÄx,  Perf.  BepyBäjr. 


Cl.IV.  1 


Cl.  IV.  2. 


Präsens 

Aorist 

Perf. 

Pass. 

C^AHM  (-'LM) 

caAUx 

caAHJ 

caA^H 

c&AHm 

ca^j^H 

caAHja 

caA^na 

cdAH 

ca^n;ir 

caAHJO 

CBA^HO 

cdAHHe 

caAHXMe 

caAH.iu 

caA^HH 

cäAMTe 

cavff.in:Te 

c^%T  (-ax) 

caAux'B 

BHAXM 

BHA^Z 

BIfAÄj 

BHA^H 

BHAHm 

BHA^ 

BHA^jia 

BHA^Ha 

BHAH 

BHA^ 

BHA^JO 

BHA^HO 

BHAHM 

BHA^XMe 

BHA^jiH 

BHA^HH 

BHAHTe 

BHA^XTe 

BHA^bT 

BHA^X'B 

Die  BetonimgstTpen  des  YerbumB  im  BulgariBchen. 


Dass  hier  eine  Keguliruiig  des  Yerbalaccentes  vorliegt,  ist 
ohne  Weiteres  ersichtlich ;  zu  bemerken  ist  dabei,  dass  diese  Mund- 
arten eine  etwa  ähnlich  geartete  Regulimng  des  Hochtons  beim 
Nomen  nicht  haben. 

rV.  Typus  Sofia;  dazu  gehören  die  Mundarten  von  Sofia, 
Radomir,  Ettstendil,  Dupnica,  Samokov.  Der  Bereich  dieses  Typus 
geht  noch  weiter,  doch  muss  ich  die  sonstigen  Lokalmundarten 
hier  zunächst  unberücksichtigt  lassen. 

Die  Verhältnisse  sind  hier  weniger  einfach  als  bei  den  vorher 
besprochenen  Typen.  Allgemein  ist,  dass  das  Pass.  aller  Classen 
die  Endbetonung  ausschliesst,  z.  B.  u^toh,  nncan,  Konau,  A&peu,  bh- 
AOH.  Sonst  herrschen  folgende  Betonungen : 

Gl.  I.  1)  Hat  das  Präsens,  wie  in  den  meisten  Fällen,  Endbe- 
tonung, so  hat  der  Aorist  bei  konsonantisch  auslautendem  Infinitiv- 
stamm (=  Wurzel)  Wurzelbetonung ;  bei  vokalisch ,  auf  -a-  oder 
auf  -e-  (=  altem  4  Mpi-,  aus  mer-y  oder  =  ^  ha-)  auslautendem 
Infinitivstamm  dagegen  Endbetonung,  z.  B. : 


Präsens 

Aorist 

Präsens 

Aorist 

seA^M 

b6aox 

kob6m 

kob4x 

(ebenso  yiip6x, 

Be^^m 

B^Ae 

KOB^m 

kob4 

no«iH6x  u.  s.  w.) 

BOÄ^ 

BÖAe 

kob6 

KOB& 

BeA^MC 

B^AOXMe 

K0B6Me 

KOB^XMe 

BOA^TC 

B^JSfiXTe 

KOB^Te 

KOB^XTe 

BCA&T 

B^Aoxa 

KOB^T 

KOB^Xa 

lieber  des  Perf.  von  konsonantisch  auslautenden  Stämmen 
läset  sich  bei  dem  Schwanken  der  Texte  nichts  Bestimmtes  aus- 
sagen, bei  vokalisch  auslautenden  hat  es  Endbetonung :  kob&jt. 

2)  Hat  das  Präsens,  in  wenigen  Fällen,  nicht  Endbetonung, 
so  hat  der  Aorist  Endbetonung,  z.  B. : 


Präsens 

Aorist 

MÖxeM  (haom) 

Moröx  (ha6x) 

M6aKem 

M0X6 

Moace 

Moa:6 

MÖseMe 

MoröxMe 

ndxeTe 

MoröxTe 

MoraT 

Moröxa 

6  A.  Leskien, 

CI.  II  vermeidet  im  Präsens  die  Endbetonung  vollständig,  hat 
aber  im  Aorist  und  Perf.  regelmässig  Endbetonung,  z.  B. : 

Fräsens  Aorist                 Perf. 

cTäneM  cTandx  CTan^ 

cTänein  cTaH&  CTanäja 

u.  8.  w.  n.  s.  w.              u.  s.  w. 

CL  III.  1  hat,  mit  Ausnahme  einiger  weniger  Präsentia  von 
vokaliseh  auslautenden  Wurzeln,  im  Präsens  keine  Endbetonung, 
dagegen  stets  im  Aorist  und  Perf.,  z.  B.: 


PräseoB 

Aorist 

Perf. 

Kda:eM 

Kasäx 

Ka34j[ 

K&3Biem 

Ka3ä 

Haa^jra 

u.  s.  w. 

u.  s.  w. 

U.  8.  w. 

Gl.  III.  2.  a;  das  Präsens  (auf  -am,  -aä  u.  s.  w.)  vermeidet 
Endbetonung  durchaus,  Aorist  und  Perf.  haben  sie  stets,  z.  B. : 

Präsens  Aorist  Perf. 

KonaM  Kondx  üou&jl 

Konam  Kon&  Konäjia 

U.  8.  W.  U.  8.  W.  U.  8.  W. 

f 
I 

Die  Abtheilung  UI.  2.  c  kann  hier  gleich  angeschlossen  werden, 
da  sie,  wenn  das  Präsens  auf  -ysaH  ausgeht,  genau  dieselben  Ver- 
hältnisse zeigt,  z.  B.  AapyBan,  Aapysdx,  AapyBäji. 

Gl.  ni.  2.  b.  Das  e  (=  e)  des  Yerbalstammes  hat  immer  den 
Hochton  in  allen  Formen,  z.  B. : 

Präsens  Aorist  Perf. 

0-cTap6jeM  ocTap6x  ocrap^j 

o-eTap6jem  ocTap6  ocTap^ja 
u.  s.  w.              u.  8.  w.  u.  8.  w. 

Gl.  IV.  1 .  Das  Präsens  hat  keine  Endbetonung,  dagegen  immer 
der  Aorist  und  das  Perf.,  z.  B. : 

Präsens  Aorist  Perf. 

A^JHM  ACJIHX  flfiÄKÄ 

j^^zKui  ^em  AejFHJia 

U.  8.  W.  U.  8.  W.  U.  8.  W. 


Die  BetonungBtypen  des  Verbums  im  Balgarischen.  7 

Gl.  IV.  2.  Mit  einer  Ausnahme,  bhahm  bhahiu  u.  b.  f.,  haben 
alle  Präsentia  Endbetonung,  alle  Aoriste  und  Perf.  ohne  Aus- 
nahme, z.  B.: 

ce^HM  ccA^x  (bha6x]         coa^ji  (bha^j) 

ceAHm  ceA^  ce^^ja 

u.  8.  w.  u.  8.  w.  u.  8.  w. 

Vergleicht  man  den  Typus  Sofia  mit  dem  Typus  Voden,  so 
stellt  sich  heraus,  dass  die  beiden  in  den  Classen  II,  in  1 ,  III  2, 
IV  1,  abgesehen  vom  Pass.  vollkommen  übereinstimmen,  in  diesen 
Classen  ist  der  Hoch  ton  regulirt,  hier  wie  dort.  Dagegen  ist  in  Gl.  I 
und  IV  2  beim  Typus  Sofia  alte  Endbetonung  im  Präsens  erhalten, 
beim  Typus  Voden  aufgegeben,  er  stellt  also  einen  weiter  fortge- 
schrittenen Stand  der  Regulirung  dar.  Bei  den  Aoristen  von  GL  I 
steht  es  ganz  eigenthümlich :  Voden  hat  dem  allgemeinen  Princip 
gemäss  immer  Endbetonung,  in  Sofia  steht  die  Betonung  der  Aoriste 
in  umgekehrtem  Verhältniss  zu  der  des  Präsens:  bca^m  —  b6aox, 
MOxeH  —  Morox. 

V.  Ostbulgarischer  Typus.  Er  nmfasst,  im  Groben  ange- 
geben, das  Fürstenthum,  so  weit  es  östlich  vom  Vid  liegt,  ganz 
Ostmmelien ,  femer  südlich  von  der  Rhodope  und  im  Gebirge  die 
Landschaft  Ach'B-Celebi,  die  Umgebung  von  Nevrokop,  Drama  und 
Demirhissar.  Der  Beschreibung  des  Typus  lege  ich  die  Gankof- 
Bche  Grammatik  (der  Mundart  von  Svistov  entsprechend)  zu  Grunde, 
die  Abweichungen  von  ihr  in  andern  Mundarten  sind  im  Ganzen 
unbedeutend ;  ich  betone  aber  ausdrücklich,  dass  das  im  Folgenden 
Ausgeführte  nicht  in  jeder  Einzelheit  von  allen  Mundarten  gilt. 

Gl.  I.  1)  Das  Präsens  hat  Endbetonung,  in  den  allermeisten 
Fällen;  2)  das  Präsens  hat  Wurzelbetonung,  nur  bei  idT>  ideä, 
Idvh  Uzehf  m6ffh  mözel,  zefm  zemes;  3)  der  Aorist  von  konso- 
nantisch auslautendem  zweiten  Stamm  vermeidet  durchaus  die 
Endbetonung,  diese  findet  aber  statt,  wenn  ein  vokalisch,  auf-a- 
oder  einen  anderen  Vokal  auslautender  Stamm  zu  Grunde  liegt,  z.  B. : 

ved'B  v6doh  fd-B  idoh  kovi  kovdh 

ved6s  v6de  ides  fde  koves         kovä 

U.S.W.  U.S.W.  U.S.W.        U.S.W.         U.S.W.  U.S.W. 

Vgl.  auch  pri-j6h  (npnax'B),  oprech  (onpix^).   Ueber  das  Perf.  ist 


8  A.  Leskien, 

nichts  Bestimintes  aassagbar,  nur  dass  es  bei  vokalisch  auslauten- 
dem Stamme  Endbetonung  hat :  kob&i. 

Gl.  n.  Das  Präsens  hat  in  zwei  Fällen  Endbetonung:  mini 
und  po-min'i,  sonst  nie;  Aorist  und  Fass.  vermeiden  die  Endbeto- 
nung durohaus ;  die  allgemeine  Norm  ist  also,  an  einem  Beispiel 
gezeigt : 

Präsens  Aorist  Perf. 

stdu'B  stäu'Bh  stdu'Ll 

stdneS  Bt&srh  st&n'Bla 

st&ne  stiu'B 

Gl.  in.  1.  Kein  Präsens  hat  Endbetonung  ausser  ari  (pflüge; 
man  könnte  es  auch  zu  Gl.  I  rechnen,  falls  die  Flexion  nicht  einem 
altb.  opi&  opKura,  sondern  einem  *orq  *ores%  entspräche) .  Der  Aorist 
und  das  Perf.  können  Endbetonung  nur  dann  haben,  wenn  sie  von 
vokalisch  auslautenden  Wurzeln  ohne  besonderen  zweiten  Stamm 
herkommen,  z,B. pri-do-bih,  pri-^io'bilj  ü-pih  u.a.d.  A.;  ebenso  der 
Betonung  des  Präsens  folgend  ordk,  oral,  orän.  In  allen  andern 
Fällen,  die  stets  so  beschaffen  sind,  dass  ein  zweiter  Stamm  auf 
"On  vorliegt,  kann  keine  Endbetonung  stattfinden,  z.  B. : 


Präsens 

Aorist 

Perf. 

Pass. 

UU 

k&zah 

käzal 

k&zan 

Uieh 

k&za 

kAzala 

kÄzana 

Man  kann  hier  die  Verhältnisse  allgemein  so  ausdrücken: 
Präsens-  und  Nichtpräsensformen  stimmen  in  der  Lage  des  Hoch- 
tons vollständig  ttberein,  anders  ausgedrückt:  dieselbe  Wortsilbe, 
die  im  Präsens  den  Hochton  trägt,  hat  ihn  auch  in  den  übrigen 
Formen  des  Verbums. 

Gl.in.2.a.  Zu  unterscheiden  sind  hier  zwei  Unterabtheilungen: 
1)  wenn  das  Präsens  flektirt  wird  nach  der  sogenannten  kontrahir- 
ten  Form:  --amy  -a£  u.  s.  w.,  so  kann  keine  Form  des  Verbums  auf 
dem  -a-  den  Hochton  tragen,  z.  B.: 

Präsens              Aorist                Perf.  Pass. 

gl6dam  glödah  gl6dal  gledan 

gl6daä  gI6da  glädala  gl^dana 

gl6da  gl^da  gl^dalo  gl6dano 

u.  s.  w.            u.  s.  w.  gl^dali  gl6dani. 


Die  BetoDiiiigstypen  des  VerbnmB  im  Bulgarieohen. 


Dagegen  2)  wenn  das  Präsens  flektirt:  -ap»^  -ajei  u.  s.  w.,  so  hat 
in  allen  Fonnen  des  Yerbnms  das  a  den  Hochton,  z.  B. : 

PräBens  Aorist  Perf.  Pass. 

igrdj'B  igrdh  igr41  igrän 

igräjeä  igrÄ  igrdla  igrina 

igrdje  igri 

Also  anch  hier  vollständige  Uebereinstimmnng  von  Präsens - 
und  Nichtpräsensformen  in  der  Lage  des  Hochtons.  Angeschlossen 
sei  hier  gleich  die  Abtheilnng  c,  die  im  Präsens  -uvam  hat,  und 
genau  so  behandelt  wird,  wie  die  eben  erwähnten  Fälle  unter  1) ; 
der  Hochton  liegt  bald  auf  dem  t/,  bald  auf  einer  Silbe  vorher,  aber 
nie  auf  dem  a,  vgl.  pbtüvam  pttüval,  veruvam  vSruval. 

Cl.ni.  2. b.  Das  e  des  Stammes  hat  in  allen  Formen  den  Hoch- 
ton, z.  B.: 

Präsens  Aorist  Perf. 

äiv^j-L  äiveh  zivel 

ziv6jeä  zive  2ivela 

Gl.  IV.  1.  Es  sind  zwei  Abtheilungen  zu  scheiden:  1)  Das 
Präsens  hat  Endbetonung,  dann  haben  Aorist,  Perf.  und  Pass.  sie 
ebenfalls,  z.B.: 


Präsens 

Aorist 

Perf. 

Pass. 

dele 

delih 

delil 

del6n 

delfä 

deli 

delila 

del^na 

deli 

deli 

delilo 

del^no 

delim 

delihmi 

delili 

deleni 

deute 

delihte 

del6t 

delihnb. 

)  Das  Präsens  hat  nicht  Endbetonung,  dann  folgen 

ideren  Formeu,  z.  B. : 

Präsens 

Aorist 

Perf. 

Pass. 

küpö 

kdpih 

küpil 

kdpen 

kiipi§ 

kdpi 

küpila 

kdpena 

U.S.W. 

U.S.W. 

u.  s.w. 

U.S.  w. 

Gl.  IV.  2.  Ausser  vid^  vidii  und  vise  visis  (hangen)  haben  alle 
Präsentia  Endbetonung,  alle  Aoriste  und  Participien  ausnahms- 
los, z.  B. : 


Aorist 

Perf. 

sed^h 

sedel 

sede 

sedela, 

10      A.  Leskien,  Die  Betonnngstypen  des  Verbums  im  Balgarischen. 

Präsens 

sede 
sediä 

so  auch  videh,  videl. 

Im  Allgemeinen  wird  man  schon  aus  dieser  kurzen  Darstel- 
lung ersehen,  dass  im  Bulgarischen  die  Betonung  des  Verbums  nach 
bestimmten  Normen  regulirt  ist.  Im  Präsens  hat  der  ostbulgarische 
Typus  die  grösste  Mannigfaltigkeit  bewahrt. 

Möglicher  Weise  lässt  sich  noch  ein  Typus  VI  als  Mischtypus 

aufstellen,  der  Dialekte  umfasst,  die  auf  der  Grenzlinie  zwischen 

West-  und  Ostbulgarisch  liegen  (Orchanie,  Razlog).    Diese  Hessen 

sich  indess  nur  durch  eine  ausführliche  Darstellung  der  Einzelheiten 

anschaulich  machen. 

A.  Leskien. 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven 

und  Litaner. 


Vorarbeiten  zu  einem  Golleg  über  slavische  und  litauische 
Alterthumskunde ;  Heranziehen  der  Etymologie,  bei  Orts-  und 
Personennamen ,  bei  Völker-  und  Göttemamen ;  Heranziehen  eth- 
nographischer Parallelen  bei  der  Deutung  von  Mythen  und  Sagen, 
Sitten  und  Institutionen ;  alles  dies  ergab  Funde  und  Berichtigungen, 
an  welche  sich  öfters  manch  neue  Ausführung  knüpfen  Hess.  Da 
an  eine  zusammenhängende  Behandlung  des  Gegenstandes  nicht 
zu  denken  war,  beschloss  ich,  einzelne  Deutungen,  Vermuthungen, 
Beobachtungen,  zumal  wichtigere,  dem  Urtheil  der  Mitforscher  zu 
unterbreiten;  die  Reihenfolge,  in  welcher  sie  vorgebracht  werden, 
ist  eine  ganz  willkürliche  ^). 


1)  Aus  denselben  Studien  entstammt  in  Band  XX,  S.  481—515  die  Ab- 
handlang Prenssisch  und  Polnisch,  in  welcher  ich  bespreche,  was  Otto  Hein, 
AltpreuBsische  Wirthschaftsgeschichte  bis  zur  Ordenszeit,  Zeitschrift  fUr  Eth- 
nologie XXII,  1890,  S.  146^167,  173--216,  aer  doch  sprachliches  Material 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer.  1 1 

L  Misaca,  rex  Liclcayieomin. 

Urkundliche  polnische  Geschichte  beginnt  bekanntlich  mit  dem 
Satze  des  über  gleichzeitige  westslavische  Vorgänge  nicht  übel  in- 
fonnirten  Corveysohen  Annalisten :  (Wichmannns)  .  .  .  regem  Mi- 
sacatrij  cuius  potestatis  erant  Slavi,  qui  dicnntur  Licicavtki  .  .  . 
superavit  (Widukind  III,  cap.  66,  zum  Jahre  963).  Es  lohnt 
durchaus,  auf  diesen  Satz  näher  einzugehen ;  der  Name  des  hier 
genannten  Volkes  wiederholt  sich  nämlich  nie  wieder  in  der  ge- 
flammten alten  Ueberlieferung ;  der  Name  desi  Fürsten  selbst  ist 
nur  einer  bestimmten  Dynastie  geläufig. 

Wer  gemeint  sein  kann,  darüber  allerdings  herrscht  kein 
Zweifel;  es  ist  der  » König v  der  »Polen«  gemeint,  den  spätere 
deutsche  Quellen,  z.  B.  Thietmar,  Miseco,  polnische  Quellen 
Mesco  (später  Myesco,  heute  Mieszko)  zu  nennen  gewohnt  sind. 

Aber  was  bedeuten  beide  Namen,  der  des  Königs,  sowie  der 
des  Volkes?  Wir  besprechen  zuerst  den  Königsnamen. 

Derselbe  schien  anstandslos  als  ein  gewöhnlicher  Eigenname, 
in  der  sog.  Koseform,  gelten  zu  sollen.  Wie  Bolko  z.B.  Koseform 
zu  Boleslaw  ist,  so  sollte  Mieszko  Koseform  sein  zu  —  doch  hier 
gehen  die  Meinungen  heute  sofort  auseinander. 

Dlugosz  zuerst  hatte  daftlr  eine  volle  Form,  die  später  Mye- 
czysiaw  lautete,  aufgebracht  und  Jahrhunderte  hielten  daran  fest  ^). 


heranzieht,  yollkommen  unbeachtet  gelassen  hat.  Ausserdem  die  Abhand- 
lung: 0  Pia^cie  (Krakauer Akad. Abhandlungen,  hist-pbilos.Classe  XXXVII, 
S.  305  ff.)  und  das  Studium:  Litwa  Staroiytna,  ludy  i  bogl  (Biblioteka  War- 
szawska,  1897,  II  235—265,  III  416—450  und  1898,  I  37—68).  In  beiden 
letztgenannten  Arbeiten  berührte  ich  mehrfach  oder  deutete  an  Fragen  und 
Erklärungen,  die  in  den  folgenden  Beiträgen  ausfOhrlicher  und  allseitiger  er- 
örtert werden. 

1)  Diugosz  kombinirte,  für  seine  Zeit  gar  nicht  Übel,  folgendermassen 
(Opera  X,  S.  110  f.):  nachdem  er,  nach  dem  Vorgänge  seiner  beiden  Quellen, 
den  Namen  Myeszka  als  turbacio  gedeutet  hatte,  fahrt  er  fort,  placet  non- 
nulKs,  ducalem  pnemm  Myeczslayum,  quod  significat  habiiurum  gloriam  (also 
mü6  9iawfj  nicht  zu  mieei Schwert!)  appellatum  fuisse,  sed  ad  nomen  Myeszko 
per  diminuei&nem  vocitaUonis  (also  Koseform),  dum  puericiam  ageret,  defluxisse. 
Quam  opinionem  nos  quoqne  ex  multiplici  respectu  probamus,  attento  quod 
Poloni  reg^m  et  principum  suorum  nomina  non  in  ko  sed  in  slav  terminari  so- 
liti  sunt,  lingna  sua,  formando  principum  et  regum  nomina  Wlodzislaw,  Bo- 
leelaw  Myeczsiaw  Przemyslaw  Stanislaw  etc. 


12  A.  Brückner, 

Erst  Miklosich  beanstandete  diesen  Namen  als  einen  »verdächti- 
gen«  oder  »zweifelhaften«  (Slav.  Personennamen,  Denkschriften  X, 
1860,  S.  293  f.),  und  seitdem  ist  derselbe  verpönt.  Kaum  mit  vollem 
Recht.  Dass  ein  Name  wie  Miecsiaw  schon  vor  Dtagosz  wirklich 
vorhanden  war,  beweisen  Urkunden ;  wer  mit  den  Belegen  bei 
Zeissberg  oder  bei  Baudouin,  0  ApeBHenojrLCKOM^  asuK^  1870, 
S.  67  (unter  Meczslaus)  unzufrieden  wäre,  vergleiche  z.B.  aus  Ka- 
liszer  Eidformeln  bei  Ulanowski  die  Nummern  396,  479,  483: 
MeczcovD  oczecz  y  Meczslato,  Meczkoj  na  Meczslaue;  der  Name 
Miecsiaw  Miectaw  kann  aber,  wenn  man  ihn  nicht  von  medislav 
(med'£,  in  Personennamen  vorkommend)  herleiten  will,  kaum  etwas 
anderes  als  das  geforderte  Mieczyslaw  (von  mi>ci>  Schwert,  das  in 
Personennamen  wirklich  vorkommt,  vgl.  auch  Personennamen  mit 
stit'B  Schild,  Miklosich,  Ortsnamen  aus  Personennamen  i.  h.  v.) 
sein,  mit  der  bekannten  poln.  Kürzung,  wie  in  Wrociato  aus  Wrocis" 
iaWj  Wiodaw  aus  JViodzüiaw,  Przeciaw, RaciatOj  Godaw  u.  S.w.) . 
Allenfalls  könnte  man  sich  gegen  Namen  des  XIV.  und  XV.  Jahrh. 
ablehnend  verhalten;  es  kommen  nämlich  unter  ihnen  mitunter 
gar  sonderbare,  offenbar  gesuchte  vor,  wie  Lech  u.  a.  Wer  nun  an 
Mieciaw  oder  Mieczystaw  festhält,  vgl.  Bogusa  Mecslavic  vom  J. 
1229,  würde  als  Koseform  %\ierMieczko  oder  Miecko,  mx^it  Mieszko 
erwarten;  einzelne  Historiker,  seit  JaUonowski  im  vorigen  Jahr- 
hundert, gebrauchten  auch  wirklich  jene,  gegen  das  einstimmige 
Zeugniss  der  Quellen,  aufgenommene  Form. 

Aber  Miklosich  schlug  eine  andere  Deutung  vor,  indem  er 
a.a.  0.  den  Namen  Mieszko  auch  unter  den  von  mi>stb  abgeleiteten 
Namen  einreihte,  und  zwar  unter  mBStbko;  noch  weiter  ging  dann 
Kunik  (und  nach  ihm  Schiemann) ;  sie  setzten  statt  Jfiß«2;A;<7  den 
Vollnamen  Micisiaw  ein  —  nattlrlich  falsch,  denn  mit  demselben 
Rechte  könnten  wir  jeden  ähnlichen  Vollnamen,  wie  Mäcitooj)  Ißci- 
druff  u.  ä.  einsetzen.  Nun  ist  fUr  polnische  Namengebung  die 
Häufigkeit  von  Ableitungen  und  Zusammensetzungen  mit  mbstb 
wirklich  geradezu  charakteristisch,  man  vgl.  polnische  Namen  wie 
Msta,  Niemsta,  Mäcisiaw^  Micibor,  Midgniew^  Mici^ta^  Mszczujy 
MhcxBz^  Miesitoirij  MSciiooj,  Dobiemiest  u.  a.  —  aber  gerade  dieser 
Umstand  spricht  gegen  die  Herleitung  des  Misica  aus  mLstb. 

Denn  waren  die  mbstB- Namen  wirklich  bei  den  Polen  ver- 
breitet, beliebt  und  geläufig,  so  erwarten  wir  unter  ihnen  fUr  das 


Beitrüge  zur  ftlteBten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer.  13 

X.  Jahrhundert  und  für  den  Namen  des  mächtigsten  slavischen 
Herrschers  dieser  Zeit  keine  familiäre  oder  obskure  Verstümmelung, 
sondern  jedenfalls  einen  YoUnamen.  Es  fiele  Niemandem  ein,  die 
gleichzeitigen  böhmischen  Bolesiaun  mit  Boszek  oder  Boszko  zu 
benennen,  und  ebensowenig  hätte  ein  Pole  aus  Micisiato  oder  ä. 
einen  Mieszek  oder  Mieszko  gemacht  —  die  blosse  Furcht  vor  dem 
absoluten  Herrscher  hätte  solche  Bespektwidrigkeit  auf  die  Dauer 
gar  nicht  aufkommen  lassen.  Dasselbe  gilt  für  Mieciaw  oder  Mye- 
czysiato;  der  Name,  wenn  überhaupt  echt,  scheint  verhältnissmässig 
jung  und  ebensowenig  zu  solcher  Kürzung  für  einen  Herrscher- 
namen geeignet ;  das  obotritische  Droiko  und  das  spätere  polnische 
Bolko  sind  keine  entsprechenden  Stützen. 

Man  könnte  noch  auf  den  Gedanken  kommen,  Mieszko  oder 
eher  Mieszek  wäre  Deminutiv  von  Miech  (Sack?  Blasebalg?],  das 
im  alten  Ortsnamen  Miechöu)  und  im  Bauernnamen  Mieszek  (ge- 
schrieben Mesec)  der  Gnesener  Urkunde  von  1136  faktisch  vorliegt. 
Aber  gegen  alle  Deminutivbildungen  von  mBStB,  die  übrigens 
Miestko,  vgl.  Lestko,  unfehlbar  gelautet  hätte  (nur  kommt  diese 
Form  nie  vor  1),  von  mi>cL  oder  mfih'B,  spricht  der  bisher  unbeachtet 
gelassene  Umstand,  dass  der  Name  gar  nicht  Mieszko,  Miseco, 
sondern  Mieszka,  Misica  gelautet  haben  muss,  wenigstens  nach 
dem  übereinstimmenden  Zeugnisse  der  slavischen  und  der  ältesten 
lateinischen  Quellen. 

Dafttr  sprechen  erstens  russische  Quellen.  Die  Hypatios- 
chronik  weiss  bekanntlich  viel  von  polnischen  Fürsten  des  XH.  und 
Xin.  Jahrh.  zu  erzählen.  Während  nun  heute  deren  Namen^  z.  B. 
Lesiko  und  Mieszko,  in  der  Flexion  zusammengeworfen  werden, 
scheidet  die  Chronik  sie  konsequent:  sie  braucht  immer  nur  die 
masc.  neutr.  Formen  nom.  Lhsthko,  gen.  Lhstbka  u.  s.  w.,  aber  im- 
mer nur  die  femin.  Formen  nom.  MeoiCKa,  gen.  MeoicKiA,  dat.  Meoicu/th 
n.  8.  w.  Wohl  werden  in  russischen  Texten  Personennamen  auf 
-Ko  weiblich  flektirt  seit  den  ältesten  Zeiten  (vgl.  die  Belege  bei 
Co6ojie6CKiH,  ÄGKn?R  ^  S.  168),  aber  woher  stammte  dieser  kon- 
stante Unterschied  in  der  Hypatioschronik,  wenn  er  nicht  im  Na- 
men selbst  begründet  gewesen  wäre  ? 

Dagegen  kennen  die  böhmischen  Quellen  alter  Zeit  keine 
Feminin-Deklination  der  ko- Stämme  (vgl.  z.  B.  die  Deklination 
Yon  jnUecko  bei  Gebauer,  Grammatik  HI,  S.  151)  und  doch  wird 


14  A.  Brückner, 

Mezka  bei  dem  sog.  Dalimil  nur  weiblich  flektirt,  Mezcye  n.  s.  w. 
Nebenbei  bemerkt,  transscribirt  Jirecek  den  Namen  falsch;  er 
schreibt  ihn  nämlich  Mezka,  statt  Mezka,  wie  die  russische  Schrei- 
bung erfordert;  in  der  Cambridger  Handschrift  kommen  die  For- 
men vor:  mezka  (einmal  myezia),  mezky,  mezczye  {mezczie)  und 
mezku  (acc.) . 

Zu  diesen  unzweideutigen  böhmisch -russischen  Zeugnissen 
scheinen  aber  auch  lateinisch -polnische  hinzutreten  zu  sollen, 
welche  sämmtlich  verzeichnet  hat  Zeissberg,  Miseco,  Archiv  f. 
österr.  Gesch.  XXXVIII,  1867,  S.  59—61.  Widukind  nennt  den 
Namen  an  allen  Stellen  Misaca  (darnach  ist  die  Lesung  Müaco 
(dativ)  statt  Misacae  in  den  Monumenta  Germ.  V  zu  berichtigen); 
eine  andere  Quelle  des  X.  Jahrb.,  die  sog.  Gnesener  Schenkung, 
bietet  Misica;  noch  der  ungenannte  Etymologist  der  sog.  gross- 
polnischen Chronik,  sowie  sein  Vorbild,  mag.  Vincentius  (um  1195) 
deuten  den  Namen  in  der  weiblichen  Form  als  mesca,  myeszka  tur- 
bacio  confusio  »quia  coeco  nato  parentes  tnrbati  sunt«  etc.,  obwohl 
sie  ihn  bereits  stets  nach  der  dritten  Deklination  (Mesconem  u.s.w.) 
flektiren,  als  derjenigen,  welche  männlichen  Personennamen  seit 
jeher  angemessener  schien,  und  die  daher  bei  Thietmar  (XI.  Jahrb.) 
die  Regel  bildet. 

Diese  alten  Zeugnisse  lassen  uns  ohne  Weiteres  die  Urform 
des  Namens  als  mieszka  aufstellen;  nur  hat  er  natürlich  nicht 
mieszka  confusio  bedeutet,  wohl  aber  mieszka  Bär. 

Die  indoenropäische  Bezeichnung  des  Bären  (ursus  u.  s.  w.) 
haben  Slaven  und  Litauer  aufgegeben;  die  Slaven  ersetzen  sie 
durch  das  alte  Compositum  medvSdh-,  daneben  haben^ie  eine  Form 
meika^  mecka,  vgl.  Miklosich,  Etym.  Wörterb.  unter  mechkh. 
Diese  Benennung  ist  heute  nur  bei  den  Sudslaven  allgemein  ver- 
breitet ;  dass  sie  früher  allslavisch  und  bei  Ost-  und  Westslaven 
gleich  beliebt  war,  beweisen  zwei  Umstände.  Die  Litauer  haben 
ihr  einheimisches  lokys  Bär  (preussisch  klokis,  lettisch  läds  dass.) 
meist  aufgegeben  und  durch  slavisches  meszkä  Bär  [meazkynas 
männlicher  Bär,  meszkS  Bärin  u.  s.  w.,  lettisch  meika  und  miika 
Beinamen  des  Bären)  ersetzt.  Von  dem  bei  den  Westslaven  früh 
verlorenen  me&ka  Bär  stammt  das  westslavische  und  russische  mei- 
kati  saumselig  sein,  säumen,  zögern,  zaudern  —  nach  der  Schwer- 
fälligkeit des  Thieres,  vgl.  lit.  meikiuti  wie  ein  Bär  langsam  gehen ; 


Beiträge  zur  ältesten  Geschiehte  der  Slaven  und  Litauer.  15 

die  russische  Schreibung  HinncaTb  (vgl.  kleinrnss.  MeimcaTH)  ist  so- 
mit falsch ;  das  Böhmische  hat  an  der  alten  Bedeutung  (säumen) 
am  Zähesten  festgehalten ;  das  Polnische  hat  seit  dem  XV.  Jahrh. 
die  Bedeutung :  säumen,  zu :  weilen,  wohnen  entwickelt,  unhisto- 
risch sind  die  recht  frühen  Formen  mit  q,  mi^szkaö  ^);  Miklosich, 
Et.  Wörterb.  lässt  meikati  unerklärt.  Mieszka  Bär  dürfte  im  Pol- 
nischen spätestens  im  XII.  Jahrh.  ganz  ausser  Gebrauch  gekom- 
men sein. 

Aber  wie  konnte  der  König  »Bär a  genannt  werden?  wäre  dies 
nicht  eher  ein  blosser  späterer  Zuname,  der  einen  früheren  Eigen- 
namen verdrängte  (etwa  nach  Art  Albrecht  des  Bären  oder  wie  der 
Anführer  der  preussischen  Barten  im  Kampfe  gegen  den  Orden 
Diwan  Klekin  —  der  Bär  heisst)  ?  in  der  That  spricht  der  älteste 
polnische  Chronist,  der  sog.  Gallus,  von  Ivlesko,  qui  primus  (d.  i. 
nach  seinem  Brauche  soviel  als  pritis)  nomine  vocatus  alio  etc. 
Meiner  Ansicht  nach  nein :  schon  das  Kind  bekam  den  ehrenden 
Namen  des  gefürchteten  Thieres. 

Thiemamen  als  Personennamen  sind  bei  den  Slaven  ausser 
wük  recht  selten,  figuriren  meist  als  blosse  Zunamen,  z.  B.  Marti- 
nus  Lis  u.  ä.;  dagegen  sind  auf  altnordischem  Gebiete  Biöm 
(Bär)  und  Ulfr  (Wolf)  die  beiden  verbreitetsten  Personennamen  ge- 
wesen: die  Zahl  der  im  IX.  und  den  folgenden  Jahrhunderten 
figurirenden  dänischen,  schwedischen  und  norwegischen  Könige, 
Jarle  und  Bonden  (Bauern)  dieses  Namens  ist  Legion.  Der  poln. 
Mieszka  verheirathet  z.  B.  seine  Tochter  an  Erik,  den  Sohn  des 
schwedischen  Mieszka  =  Biöm ;  der  eine  Enkel  des  Biöm,  der  in 
Wollin  lebt,  heisst  natürlich  wieder  Biöm  (Styrbiöm)  u.  g.  w. ;  Biörn 


1)  Der  Flor.  Psalter  hat  nur  müszkad  tardare;  die  GneBener  Predigten 
bieten  nur  mifszkaöj  ne  moskay  (!j  ne  tardes  84,  Bom^skane  obmissio  87,  acz 
ge9mi  ktorego  8t^thego  samoskali  ^%^  andere  Belege  bei  Nehring,  Bozprawy 
XXY,  S.  104,  der  die  ^-Form  als  grosspolnisch  bezeichnen  möchte;  sie  ist 
aber  auch  masurisch,  vgl.  in  der  Uebersetzung  der  masovischen  Statute  von 
1450  samyqnska,  myqnskange  noage  (Wohnung  1)  24,  zamyansckka  27,  dagegen 
haben  Swi^tosiaw  {my9szkaez  22),  die  Sophienbibel  [omyeskal  85,  nye  myeakay 
1 14),  Harcholt  {aobye  zmiesskdö),  Rey  u.  s.  w.  nur  e,  der  £y wot  i.  Eufraksyi 
von  1524  nur  ^  (denn  so  ist  wohl  sein  ständiges  myaskacz  myaszkacz  zu  lesen, 
der  Herausgeber  liest  allerdings  myaszkadj  Prace  filologiczne  III,  254).  —  Eine 
andere  Bezeichnung  fUr  den  Bären  ist Miä,  Mika,  z.B.  Rey  zwierzyniec  1562, 
pogtagpdnie  Mikd  in  einer  Bärengeschichte. 


16  A.  Brückner, 

ist  BO  häufig,  dass  es  schliesslich  zu  einem  beliebigen,  man  möchte 
fast  sagen,  ganz  bedentungslosen  Glied  in  der  Zusammensetzung 
von  Personennamen  geworden  ist ;  unter  den  wenigen  Warägern, 
die  bei  Nestor  genannt  werden,  tragen  gar  drei  diesen  Namen 
(S.  25  ed.  Miklosich  lesen  wir:  IIlHX'BÖepH^,  üpacTiH'B  EepHOB'L  und 
Toyp6epHi) .  Bei  den  alten  Beziehungen  zwischen  Polen  und  den 
Nordleuten,  über  die  wir  später  einmal  handeln  werden,  wäre  die 
Wahl  eines  Eönigsnamens  Mieszka  =  Biöm  nicht  auffällig ;  ich 
mache  besonders  darauf  aufmerksam,  dass  auf  Bügen,  dessen  Be- 
ziehungen zu  Dänemark  noch  viel  inniger  waren,  wo  sogar  dänische 
Orts- und  Personennamen  nicht  selten  waren,  1162  einer  der  ange- 
sehensten —  trotz  seiner  Blindheit  —  Slavenedlen  »Masco«  (bei 
Saxo),  d.  i.  wohl  Meszka  =  Biöm,  geheissen  hat;  derselbe  wird 
kaum  identisch  sein  mit  dem  1153  urkundlich  genannten  Mysykone 
pomerano. 

Soviel  über  den  Namen  des  Königs,  den  wir  richtig  gedeutet 
zu  haben  glauben.  Der  Name  wiederholt  sich  in  dem  Piasten- 
geschlecht  ständig,  Mieszka  L,  Bolesiaw  I.  u.  s.  w.  nennen  so  ihre 
Söhne;  vielleicht  ist  der  erste  uns  bekannte  Mieszka  gar  nicht  der 
allererste  dieses  Namens  in  seinem  Geschlechte  gewesen.  Aller- 
dings werden  wir  nicht  gleich  aus  diesem  Namen  auf  den  Bären 
als  Totem  der  Plasten  oder  gar  der  Polen  schliessen  wollen. 

lieber  Mieszka  habe  ich  dann  in  jenem  erwähnten  Aufsatz 
0  PiaScie  gehandelt,  um  nachzuweisen,  dass  die  Sage  von  seiner 
Blindheit  allein  auf  der  wörtlichen  Auffassung  der  Phrasen  seiner 
Hofkapellane  (von  dem  blinden  Heiden,  der  sehend  geworden  ist) 
beruht ;  dass  die  ganze  Sage  spät  ist  und  keinerlei  historische  Züge 
besitzt ;  dass  man  ganz  irrig  seit  Dlugosz  das  Namensfest,  bei  dem 
der  Königssohn  sehend  geworden  wäre,  auf  das  slavisch-heidnische 
Haarschurfest  bezogen  hat. 

Wir  gehen  nun  über  zum  Namen  des  Volkes ,  über  welches 
Mieszka  geherrscht  hat,  die  Licicaviki  (in  der  Schreibweise  des 
Widukind  ist  -ki  als  -ci  zu  lesen,  wie  das  gleich  darauf  folgende 
LmUci  erweist).  Bisher  sind,  ausser  anderen  phantastischen,  die 
ich  tibergehe,  vgl.  Zeissberg  a.  a.  0.,  drei  verschiedene  Deu- 
tungen dieses  Namens  versucht  worden,  eine  immer  unmöglicher 
als  die  andere. 

So  hat  Bielowski  u.  a.,  ja  noch  Baudouin  a.  a.  0.  unter 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer.  1 7 

Lech  S.  65,  daDn  Kunik  (Al-Bekri  S.  98)  diesen  Namen  mit  dem 
der  Lechen  zusammengestellt;  freilich  hat  man  dabei  nachzu- 
weisen vergessen,  ob  Westslaven  je  diesen  Namen  sich  beigelegt 
haben;  wie  sich  Deutsche  nie  Germanen,  Slaven  nie  Wenden 
nannten,  nur  von  Nachbarn  so  benannt  wurden,  so  sind  auch  nur 
die  Weichselslaven  von  ihren  mssischen  Nachbarn  Lachen,  Ljachen 
benannt  worden;  der  Name  umfasste  gar  nicht  Böhmen  oder  Mäh- 
ren, sondern  ging  nur  auf  die  Weichsel-Polen  (zur  Unterscheidung 
fbrmlich  von  den  Dniepr-Polen)  und  wurde  auf  ihre  Stammver- 
wandten an  der  Oder  (wohl  ganz  willkürlich)  ausgedehnt ;  Lachen 
ist  somit  ein  Name  wie  Finnen,  Griechen,  Germanen,  Wenden  u.s.  w. 
und  Polen  wie  Deutschen,  also  auch  Widukind,  nie  bekannt  ge- 
wesen. Aber  auch  wenn  sie  ihn  noch  so  gut  gekannt  hätten,  gäbe 
es  keine  sprachliche  Brücke  von  L?si  (acc.  L^chy)  zu  Licicavici ! ; 
auch  mit  der  Ansetzung  eines  ^L^chovici  ist  dem  nicht  abzuhelfen, 
denn  L^ch  ist  kein  Personenname  gewesen. 

Allgemeinerer  Zustimmung  hat  sich  eine  andere,  schon  von 
Lelewel  vorgeschlagene  Deutung :  Licicavici  =  L^czycanie,  er- 
freut; noch  zuletzt  schloss  sich  ihr  an  Malecki,  Lechici  1897, 
S.  18;  Potkaüski,  Lachowie  i  Lechici,  Abhandll.  Rrak.  Akad., 
philolog.Cl.XXVII,  S.  185f.,  bekämpfte  sie  aus  historischen  Grün- 
den, aber  die  sprachlichen  sind  viel  entscheidender.  Die  Gauburg 
L^czyca,  gelegen  wie  andere  slavische  Gauburgen,  in  sumpfigen 
Niederungen  (L^ki),  hat  sammt  ihren  Sassen  nie  eine  hervorragen- 
dere Rolle  in  der  poln.  Geschichte  gespielt;  man  nahm  zwar  an,  sie 
wäre  alsTheilfttrstenthum  im  Besitze  des  von  Wichmann  erschlage- 
nen Bruders  des  Mieszka  gewesen,  aber  dann  hätte  ja  Widukind 
sie  fälschlich  dem  ihm  wohlbekannten  Mieszka  zugewiesen  und  hätte 
das  eigene  grosse  Reich  des  Mieszka  gar  nicht  zu  bezeichnen  gewusst, 
was  ganz  unwahrscheinlich  wäre.  Zudeip  kommt,  dass  die  Einwohner 
dieses  Ländchens,  dieser  Niederungen  an  der  Bzura,  in  alter  Zeit 
gewiss  nicht  Zt^czycante,  sondern  nur  L^czanie  geheissen  haben 
können,  wie  die  Böhmen  von  Lu6sko  Lucane  heissen  (alte  slavische 
Namengebung  der  Bewohner  eines  Ortes  knüpft  ja  unmittelbar  an 
das  Urnomen  an,  also  heissen  Smölniane  die  Bewohner  von  Burg 
und  Land  Smolensk,  Widbljane  die  von  Witebsk,  Kyjane  die  von 
Kyjev  etc.).  Bei  Widukind  würden  wir  daher  die  Schreibung  Len- 
zane  zu  erwarten  haben,  nicht  Licicavici. 

ArchiT  far  slftTUehe  Philologie.  XXI.  2 


18  A.  Brückner, 

Der  Herausgeber  des  Codex  diplomatieus  Maioris  Poloniae  IV, 
p.355,  hat  endlich  auf  Lecnici  (die  Löcknitz)  gerathen,  Fotkanski 
a.  a.  0.  findet  dies  noch  als  das  Wahrscheinlichste.  Aber  wir  kön- 
nen wiederum  nicht  begreifen ,  wie  man  irgend  einen  beliebigen 
obsknren  FlUsschennamen ,  wenn  nur  ein  ganz  entfernter  Lant- 
anklang  vorhanden  ist^  gleich  zum  Namen  eines  ganzen,  mächtigen 
Stammes  erheben  kann !  wissen  wir  doch  nicht  einmal,  ob  dieser 
Nebenfluss  der  Spree  (! !)  durch  polnisches  Gebiet  floss. 

Man  beachte  doch  den  Ausgang  -avici  bei  Widukind ;  wenn 
man  dem  Namen  Bedeutung  beilegen  will,  darf  man  diesen  auf- 
fälligen Ausgang  nicht  durch  topographische  Bezeichnungen  wie 
L^czycanie  oder  Löcknitz  u.  dgl.  eskamotiren,  -avici  ist  slavisches 
-omci  und  deutet  auf  einen  Geschlechtsnamen,  ist  ein  patronymi- 
cum.  Nun  ist  allerdings  ein  Licicavici  für  Polen  sonst  unerhört,  ein 
fiTtag  elQrj^irop  in  einer  allerdings  gleichzeitigen  und  wohl  infor- 
mirten  Quelle.  Es  muss  offenbar  der  Name  fUr  das  grosse  Beich 
des  Mieszka,  das  ja  bereits  von  der  Oder  bis  zum  San  und  Bug 
reichte,  noch  ein  flüssiger  gewesen  sein.  Später  heisst  dieses 
Reich,  seit  Thietmar,  stets  Polen,  aber  Polen  war  ursprünglich 
(und  blieb  es  theilweise  bis  zum  XVI.  Jahrh.)  nur  der  Name  für 
die  Slaven  an  der  Warthe ,  für  den  Stamm  mit  den  Gau  bürgen 
Gn^sen  und  Posen,  das  spätere  Gross-  (d.h.  Alt-)  Polen;  die  (spä- 
teren) Eleinpolen  hiessen  ja  noch  im  IX.  Jahrh.  Wülanie, 

Der  Name  Polen  kommt  weder  beim  sog.  Bairischen  Geogra- 
phen ,  noch  bei  Widukind ,  noch  bei  Al-Bekri  vor ;  ich  halte  nun 
Licicavici  für  den  Namen  von  Gesammtpolen,  wie  er  eben  um  950 
herum  noch  bekannt  war  und  bald  darauf  gegen  den  topographi- 
schen Namen  Polen  für  immer  verschwand.  Das  Reich  der  Lici- 
cavici umfasste  Grosspolen,  Kujavien,  Masovien,  Kleinpolen  (ausser 
Krakau] ;  es  ist  das  Geschlecht  des  Lestbko,  welches  dieses  Reich 
vereint  und  beherrscht  hat,  Licicavici  sind  Lestkovici  (Lstkovici) . 
Ist  diese  Deutung  richtig,  und  man  wird  ihr  lautlich  und  begriff- 
lich nicht  viel  entgegenstellen  können,  so  gewinnen  wir  zugleich 
einen  urkundlichen  Beleg  für  die  Existenz  des  Lestko,  des  Gross- 
vaters unseres  Mieszka.  Der  Name  taucht  wieder  bei  den  späteren 
Plasten  auf,  zuerst  1115  Lestek,  Liztek  im  Zweifaltener  Nekrolo- 
gium,  Sohn  des  Boleslaw  III.  (0.  Balzer,  Genealogia  Piastöw, 
1895,  S.  143,  der  aber  diese  echte  Namensform  zu  Gunsten  des 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer.  19 

latinisirten  und  verballhornten  Leszko  mit  Unrecht  preisgibt)  und 
wird  in  den  folgenden  Generationen  noch  viel  häufiger.  Ist  aber 
Lstek  oder  Liciek  (Gen.  Lestka  oder  Le^öka,  daraus  Leszka,  dazu 
neuer  Nora.  Leszko  oder  Leszek)  eine  historische  Persönlichkeit, 
so  ist  kein  Grund  daran  zu  zweifeln,  dass  auch  sein  Vater  Samowit 
der  Geschichte,  nicht  bloss  der  Sage  beizuzählen  ist,  was  ich  aus- 
führlicher in  der  Abhandlung  0  Piascie  zu  erweisen  suchte.  Dort 
hob  ich  auch  hervor,  warum  zu  Lestko  das  Patronymikum  Lestko- 
vici  gebildet  wurde,  mit  dem  ov  der  u-Stämme;  Lestczyc  (Leszczyc) 
wäre  nämlich  ebensogut  Patronymikum  zu  Laska  gewesen  und 
kommt  wirklich  als  adeliger  Sippename  vor ;  Lestkovici  dagegen 
hob  deutlich  den  berühmten  Namen  eines  Ahnen  hervor  —  es  ist 
dies  ja  kein  gewöhnlicher  Name,  er  wiederholt  sich  auch  nicht  in 
der  sla vischen  Namengebung,  sondern  ist  ein  Beiname,  der  »Lis- 
tige«, der  »Schlaukopfe,  auf  den  der  Fürst  in  reiferen  Jahren,  viel- 
leicht bei  der  Prozedur  des  » Sammeins  a  polnischer  Einzelstämme 
zu  einem  grösseren  Ganzen,  sich  gerechten  Anspruch  erworben 
haben  mag.  Die  spätere,  unhistorische  Tradition  (bei  Mag.  Vincen- 
tius)  bemächtigte  sich  daher  des  Namens  und  dichtete  seinen  Trä- 
gem allerlei  schlaue  Auskunftsmittel  im  Kampfe  gegen  fremde 
Eindringlinge  oder  im  Wettkampfe  um  den  Primat  an.  Dass  end- 
lich ein  ganzes  Volk  nach  seinem  Herrscher  oder  Führer  bens^nnt 
werden  kann,  ist  gerade  bei  den  Slaven  etwas  Häufiges,  man  denke 
an  die  Radimiezen,  Wjaticzen,  Eriwiczen  im  Osten,  an  die  Luticen 
und  andere  kleinere  Stämme  im  Westen. 

Jenen  zu  Anfang  citirten  Satz  des  Widukind  möchten  wir  da- 
her übersetzen:  Wichmann  besiegte  den  »Bären»,  den  Herrscher 
über  jene  Slaven,  die  sich  » Listinger «  nannten.  Ist  diese  Ueber- 
setzung  richtig,  so  ergibt  sich  Folgendes. 

Erstens  eine  willkommene  Bereicherung  slavischer  Namen- 
gebung.  Oben  sprachen  wir  von  nordischen  Verhältnissen,  aber 
ähnlich  verhält  es  sich  im  Deutschen.  Nach  Förstemann,  Alt- 
deutsches Namenbuch  1856,  I,  223—235  und  1339—1357,  sind 
hier  »Bär«  und  »Wolf«  mit  die  häufigsten  Namen  und  Namenglie- 
der; auslautend  z.  B.  kommt  bera  (zu  bero  ursus)  in  71,  meist 
männlichen  Namen  vor;  einige  » Bärennamen «  sind  »namentlich 
bei  den  Sachsen  sehr  im  Schwange«.  Noch  viel  verbreiteter,  über 
alle  deutschen  Stämme,  seit  dem  IV.  Jahrb.,  im  ersten  wie  im  zweiten 

2' 


20  ^-  Brückner, 

Gliede,  ist  Vulf ;  Förstemann  nennt  381  verschiedene  Bildungen  mit 
-vulf,  darunter  nur  4  Feminina;  es  übei'trifft  alle  anderen  an 
Häufigkeit,  so  dass  man  annehmen  muss,  es  habe  schon  in  früher 
Zeit  begonnen,  nur  noch  die  Geltung  eines  bedeutungslosen  Suffixes 
zu  haben.  Nicht  ganz  so  liegen  die  Verhältnisse  im  Slavischen ; 
medvedh  als  Personenname  ist  durch  die  böhm.  Ortsnamen  medve- 
dice  sichergestellt;  mieszka  haben  wir  eben  eruirt;  ungleich  häu- 
figer ist  vhkb.  Wir  sehen  davon  ab,  was  Miklosich  nicht  ausschei- 
det)  von  vkki  als  blossem  Zunamen,  aber  vlbkx  als  Personennamen 
erweisen  die  Ortsnamen  wilköw,  wilkowo,  wilczkowo,  wilczyn 
u.  8.  w. ,  die  Miklosich  irrig  dem  Appellativum  vlbkx  beizählt;  er- 
weisen dann  die  Urkunden,  z.  B.  wilk  zweimal  im  Lubiner  liber 
fraternitatis  saec.  XII — XIII,  vnlkoj  dreimaliges  toilkost  (vgl.  ra- 
dostj  und  wilczech  im  Todtenbuch  des  Breslauer  Vincenzklosters 
XIII  saec.  u.  s.w.  Die  von  Miklosich  a.  a.  0.  genannten  Momente, 
welche  die  Wahl  von  Wolfsnamen  für  Personen  bedingen  sollen, 
reichen  für  diese  alten  Zeiten  nicht  aus ;  freilich  lassen  sich  auch 
die  deutschen  Verhältnisse  nicht  ohne  Weiteres  heranziehen,  da 
bei  den  Slaven  das  Gebiet  der  Wolf-  und  Bärennamen  jedenfalls 
ungleich  beschränkter  ist,  aber  für  Reste  oder  Spuren  eines  Bären- 
und  Wolfskultes  Hessen  sich  vielleicht  auch  diese  Namen  verwen- 
den. —  Bei  unseren  Ausführungen  blieb  nur  ein  ungelöster  Rest, 
die  auffällige  Uebereinatimmung  des  Russen  und  Böhmen  in  der 
Schreibung  des  Mezka  mit  dem  z;  wir  möchten  darin  nicht  Spur 
alter  treflFender  Etymologie,  sondern  eher  blossen  Zufall  erkennen. 
Zweitens.  Wie  die  böhmischen  Ftlrstennamen  zwischen  Prze- 
mysl  und  Spytihnev  wahrscheinlich  sammt  und  sonders  unhistorisch 
sind,  so  hat  man  auch  den  drei  Namen  vor  Mieszka,  Samowit, 
Lestko  und  Zemomysl,  historische  Gewähr  absprechen  wollen. 
Kaum  mit  Recht.  Der  Tradition  zuzumuthen.  dass  sie  vor  Mieszka 
noch  dreier  Herrscheniamen  gedenke,  ist  nicht  viel  verlangt,  wenn 
wir  das  grosse  Reich  des  Mieszko  mit  dem  kleinen  Stammgebiet 
des  Spytihnfev  vergleichen ;  haben  wir  nun  Licicavici  richtig  als 
Lestkovici  gedeutet,  so  ist  mit  dem  mittleren  Namen  dieser  Reihe 
auch  ihr  Anfangs-  und  Endglied  gesichert.  Wechsel  slavischer 
Völkemamen  in  historischer  Zeit  ist  nicht  gerade  auffällig:  die 
nächsten  Nachbarn  der  Polen  in  West  und  Ost  haben  fast  zu  glei- 
cher Zeit  ihren  Namen  gewechselt,  dieLutici,  welche  im  IX.  Jahrh* 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  nnd  Litauer.  21 

VIetove  (früher,  bei  Ptolomäus,  Velti^))  Hessen,  und  die  Woiy- 
njane,  die  früher  Banane  hiessen ;  zu  derselben  Zeit  verschwindet 
auch  der  im  ganzen  IX.  Jahrb.  wohlbekannte  Name  Wislane  für 
immer;  der  alte  topograpbische  Name,  Poljane  (obwohl  ursprüng- 
lich nicht  das  gesammte  Reich  umfassend,  nur  den  Theil,  von  dem 
aus  die  Reichsgründung  erfolgte),  verdrängte  den  dynastischen, 
Lstkovici,  der  kaum  zwei  Generationen  alt  war. 

Zusatz.  Neben  wilk  und  mieszka  =  miedwied^  nennen  wir 
hier  noch  einen,  uralten  und  häufigen  (aber  nur  bei  den  Westsla- 
ven!) Thiernamen  als  Personennamen;  es  ist  dies  Erak  ==  Rabe. 
Die  modernen  Fabeleien  über  den  »wandelnden«  (von  krok!)  Son- 
nengott Krak  (korocun !)  eines  Erben  und  Petruszewycz  oder  Par- 
tyckij  (starynna  istorja  Halyczyny  1894,  I,  193  f.)  übergehen  wir; 
zu  alleinigen  Ehren  kommt  die  alte  Etymologie  (vgl.  preuss.  krako 
Schwarzspecht,  lit.  kraus  dass.,  geschrieben  cracto)  der  sog.  gross- 
polnischen Chronik  oCrak  qui  legitime  corvus  dicitur«  (vgl.  mag. 
Vincentius :  quam  —  urbem  —  quidam  a  crocitatione  corvorum  qui 
eo  ad  cadaver  monstri  confluxerant  Cracoviam  dixerunt) ;  die  Form 
mit  0  bei  Kosmas  ist  falsch,  wie  der  Ortsname  beweist,  aus  dem 
sie  ja  erst  gewonnen  wurde :  Orte  Krakov,  Deminutiv  Krakovec, 
sind  von  der  Weichsel  bis  über  die  Elbe  hin  verbreitet.  Ueber  den 
deutschen  «Rabenu  als  Personennamen  sagt  Förstemann  unter 
»hraban«:  er  scheint  den  Goten  zu  mangeln  und  bei  den  Sachsen 
nicht  häufig  vorzukommen,  auslautend  ist  er  in  120  Namen,  darun- 
ter 16  feminina.  Krak  als  Name  eines  Edlen  und  die  villa  Craco- 
uis  kommt  in  Rügen  noch  zu  Anfang  des  XIII.  Jahrh.  vor  (1203 
und  1231).  Auch  bei  den  Nordleuten  war  der  Name  bekannt,  aber 
galt  nicht  für  fein,  vgl.  K.  Weinhold,  Altnordisches  Leben  1851, 
S.  204.   Die  Personennamen  wilk,  mieszka,  krak  mögen  einst  my- 


1;  Nach  Müllenhoff,  Alterthumskunde  II,  24  »lässt  sich  die  Vürmu- 
thoDg  nicht  wohl  abweisen,  dass  OviXxai  nur  fUr  ABxovai  verschrieben  ist« ; 
ebenso  Zeuss;  ebenso  lange  vor  ihnen  Bohusz  X.,  Rozprawa  o  pocz^tkach 
narodu  i  jqzyka  litewskiego,  Warschau  1808,  S.  40.  Mit  Recht  erklärte  sich 
Eunik  gegen  diese  Verböserung;  die  schärfste  Kritik  übte  an  ihr  Müllenhoff 
selbst,  S.  21  Anm.,  wo  er  von  einem  anderen  benachbarten  Namen  bei  Ptole- 
maus  sagte:  »man  könnte  endlich  xal  aiavavoi  aus  xai  Xeravavol  in  scriptura 
continua  entstanden  denken«.  Aber  der  Name  ist  ebenso  »unantastbar«  wie 
OHXtui. 


22  A.  Brückner, 

thisich-religiöse  Bedeutung  gehabt  haben;  das  XII.  Jabrh.  wusste 
davon  nichts  mehr,  und  wenn  der  Gewährsmann  des  Gallus  mieszka 
als  Bären  noch  verstand,  könnte  er  auf  die  Vermuthung  gekommen 
sein,  der  Fürst  mUsse  so  erst  später  zubenannt  sein,  daher  das  pri- 
mus  nomine  vocatus  alio?  (das  jedoch  auch  anders  gedeutet  wer- 
den kann^. 

II.  Die  Galindensage. 

Der  südöstlichste  Stamm  der  Preussen,  die  Galinden,  an  die 
Sudauer  oder  Jatwingen  angrenzend,  tritt,  obwohl  sein  Name  wie 
der  seiner  Nachbarn  schon  bei  Ptolemäus  genannt  wird,  nur  wenig 
in  der  Geschichte  hervor.  Auch  Nestor  kennt  ihn,  so  z.  B.  besiegt 
bei  ihm  1058  Izjastav  die  Goljadb.  In  Polen  kommt  der  Name  ur- 
kundlich vor,  für  Kriegsgefangene  oder  Angesiedelte,  z.B.  (servus) 
Golandin  im  J.  1065,  Ortsname  Golanczino  1235?  und  Gonis^dz  in 
Podlachien  (aus  Gol^dz?).  Der  Gau  war  zur  Ordenszeit  ausser- 
ordentlich spärlich  besiedelt ;  man  ersieht  dies  schon  daraus,  dass 
z.  B.  in  Pierson's  altpreussischem  Namencodex,  der  Hunderte  von 
Samländern  oder  Ermländem  zu  nennen  weiss,  nur  vier  Galinder 
verzeichnet  sind.  Ja,  eine  besondere  Sage  wusste  den  Grund  dieser 
Spärlichkeit  auch  anzugeben ;  die  Sage  theilt  der  älteste  Ordens- 
chronist, Petrus  von  Dusburg  (1326),  zu  Anfang  des  dritten  Buches 
seiner  Cronica  terre  Prussie  mit.   Sie  lautet : 

Galinditae  creverunt  et  quasi  germinantes  multiplicati  sunt  et 
roborati  nimis  et  impleverunt  terram  suam,  sie  quod  eos  non  com- 
mode  potüit  sustinere.  Unde  (Erwähnung  von  Pharao's  Vorgang 
gegen  die  Israeliten  und  ihren  Nachwuchs)  ...  ita  et  istis  videbatur 
consultum,  quod  quidquid  nasceretur  sexus  feminiui,  occideretur 
et  masculi  ad  bellum  servaretur.  Et  quum  hoc  edicto  non  profice- 
rent,  quia  mulieres  videntes  eleganciam  nascencium  conservabant 
occulte  eas,  idcirco  de  communi  consilio  et  consensu,  ut  omnis  ma- 
teria  nutriendi  pueros  tolleretur,  omni  um  uxorum  suarum  ubera 
preciderunt.  Super  quo  contemptu  et  detestabili  facto  mulieres  in- 
dignate  accesserunt  ad  quandam  dominam,  que  secundum  ritum 
ipsorum  sacra  et  prophetissa  reputabatur,  ad  cuius  Imperium  huius 
facta  singuia  terre  regebantur,  petentes  sibi  super  hoc  negocio  sa- 
lubriter  provideri.    Que  compaciens  sexui  suo,   convocatis  ad  se 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  und  Litauer.  23 

pocioribas  tocias  terre,  ait  ad  eos:  dii  vestri  volunt,  ut  omnes  sine 
armiß  et  ferro  yel  aliquo  defensionis  adminiculo  contra.  Christianos 
bellum  moveatis.  Quo  audito  statim  obediunt  et  omnes  qui  ad  bel- 
lum habiles  fuerunt,  ad  viciniorem  Christianorum  terram  laeto 
animo  sunt  profecti. 

Den  Schluss  können  wir  kurz  erzählen:  der  Zug  gelingt; 
beutebeladen  kehren  sie  schon  zurück,  als  einer  der  entflohenen 
Gefangenen  ihre  Waffenlosigkeit  daheim  meldet,  worauf  sie  von 
den  nachrückenden  Christen  eingeholt  und  vernichtet  werden ;  das 
wehrlose  Land  wird  nun,  zumal  von  den  Nachbarn,  den  Sudauem 
(Jatwingen),  gebeert. 

Von  den  litauischen  Stämmen  fehlen  uns  Sagen  fast  vollstän- 
dig; desto  grössere  Beachtung  verdient  diese  echte,  und  alte  Ueber- 
liefemng ;  jeder  einzelne  Zug  derselben  ist  historisch,  thatsächlich 
— nur  die  Verknüpfung  ist  eine  willkürliche.  Blutige  Grenzfehden, 
also  zwischen  Sudauem  und  Galinden,  sind  bei  dem  Herrschen  der 
Blutrache  (eine  composicio  gab  es  ja  im  alten  Preussen  nach  aus- 
drücklichem Zeugniss  gar  nicht)  selbstverständlich;  ebenso  waren 
Ueberfälle  der  Christen,  hier  der  Kujavier  oder  Masovier,  auf  der 
Tagesordnung ;  Kinderaussetzung  oder  Tödtung  (beides  bleibt  sich 
ja  im  Grunde  gleich)  war  bei  allen  Preussen  noch  im  XIIL  Jahrb. 
gang  und  gäbe;  das  Motiv  von  der  Verstümmelung  der  Frauen 
durch  Abschneiden  der  Brüste  ist  so  grässlich,  dass  es  nicht  will- 
kürlich, aus  der  Luft,  ersonnen  sein  kann ;  auch  die  Autorität  einer 
Seherin  kann  ohne  Weiteres  angenommen  werden;  ebenso  die 
Waffenlosigkeit,  göttlicher  Segen  und  sein  sichtbares  Zeichen,  das 
Amulet,  sichern  hinlänglich  gegen  den  Feind. 

Aber  Anderes  ist  ganz  unlogisch :  wie  hätte,  die  männliche 
Nachkommenschaft  für  den  Krieg  aufgezogen  werd^  können,  wenn 
die  Mütter  verstümmelt  wurden,  und  wurde  sie  etwa,. wie  bei  den 
Geten  im  Süden  oder  bei  den  Skrithifinnen  im  Norden  (nach  Prokop) 
ohne  Brust  aufgezogen,  nun  so  konnte  auch  die  weibliche  ebenso 
durchgefüttert  werden.  Ebenso  unwahrscheinlich  klingt  das  Motiv 
von  der  Uebervölkerung,  damals,  in  diesen  weiten  Ländern  I 

Dieses  Motiv  musste  allerdings  1326  herhalten,  als  die  Ge- 
pflogenheit der  Kinderaussetzung  in  Preussen  längst  durch  das 
Obristenthum  war  beseitigt  worden.  Im  XUI.  Jahrb.  kannte  man 
dasselbe  nicht:  in  der  päpstlichen  Bulle  von  1218  wird  nur  ge- 


24  A.  Brückner, 

sagt,  dass  der  Vater  in  Preassen  alle  seine  Töchter  bis  auf  eine 
tödte;  1249  verpflichten  sich  die  christlichen  Preussen^  dass  hin- 
fort keiner  filium  sunm  yel  filiam  quacunque  de  causa  per  se  vel 
per  aliuni  abiciet  vel  occidat  publice  vel  occulte  vel  ab  alio  talia 
quoquo  modo  fieri  consentiet  vel  permittet.  Einderaussetzung  war 
offenbar  altes  arisches  Vaterrecht ;  ich  verzichte  hier  auf  Belege 
aus  griechischem  oder  italischem  Boden  und  erwähne  nur  das  feste 
Wurzeln  desselben  auf  nordischem  Boden ;  noch  auf  dem  isländi- 
schen Allding,  das  die  Annahme  der  Taufe  beschloss,  bedang  sich 
ja  die  ttberstimmte  Minderheit  den  Genuss  des  Pferdefleisches  und 
das  Recht  der  Einderaussetzung  aus.  Nirgends  hören  wir  von 
einem  Proteste  der  Mutter ;  nirgends  brauchte  man  an  denselben 
das  heimliche  Nähren  der  Ausgesetzten  zu  ahnden. 

Dagegen  kann  mit  Misswachs  und  Hungersnoth  bei  Galinden 
das  Brüsteabschneiden  der  Frauen  ohne  Weiteres  zusammenhängen. 
Die  Erde  hat  ihnen  einmal  die  Nahrung  beharrlich  verweigert;  die 
Nahrung  hat  sich  versteckt  und  verkrochen;  wo  soll  man  sie 
suchen?  In  den  Brllsten  der  Frauen,  dem  Urquell  jeglicher  Nah- 
rung des  Menschen.  Wie  man  bei  anhaltender  Dürre  Regen  auf 
Erden  künstlich  hervorruft  (durch  Rühren  im  Wasser,  Zutragen 
desselben,  Begiessen  der  perperuna  u.  s.  w.),  um  so  den  Regen 
vom  Himmel  herzuzaubern,  so  öffnet  man  Brust  oder  Leib  der 
Mütter,  der  Ernährerinnen,  um  die  Erde  zum  Oeffnen  ihres  frucht- 
baren Schosses  zu  zwingen ;  man  hält  sich  auch  bei  Misswachs  an 
die  Frauen,  wie  man  sonst  die  Wetterhexen  u.  dgl.  verfolgt.  Zeit- 
lich und  örtlich  nicht  allzu  entfernte  Beispiele  lehren  uns  dies 
deutlich. 

Nestor  (ed.  Miklosich  S.  109)  erzählt  zum  Jahre  1071:  Öubuih 

6o  eAHHOK)  CKyAOCTH  BX  FOCTOBCT^M  OÖJiaCTH  BCTaCTa  Ana  BOJXBa  OT^ 

flpocJiaBjiH,  rjiarojioma,  hko  b4  CBtßt,  kto  oÖHJiie  äcpäht-b.  H  hoh- 
ÄOCTa  no  Boji3%.  KnbAe  npHAOcxa  b-l  norocT'B,  xyae  napm^acTa  jtjpi- 
man  xeHLi,  rzarojion^a;  ako  ch  xhto  ;i;ep3KHT'L  a  ch  moa'b  a  ch  pBitfu 
a  ch  CKopy.  H  npHBOSAaxy  vh  HHMa  cecTpu  cboh,  MaTepe  h  senu 
CBOA.  Onaxe  b'l  m'b^t^  npoptsaBuia  sa  njen^eM'L  BUHMacTa  jik)6o 
TKiLTOy  j[io6o  pu6y  H  yÖHBaineTa  mhofu  senu  h  HM^nie  hx'b  oTHMa- 
meTa  ce6t.  Diesem  Unfug  an  der  Wolga  und  Szeksna  macht  der 
fürstliche  Steuererheber  ein  Ende;  man  bringt  die  Zauberer  vor 
ihn  H  pe?e  HMa:  qeco  paAu  noryÖHCTa  tojthko  ^jicb^icb?  OH^Ma  xe 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slayen  und  Litauer.  25 

peKmena:  hko  th  AepÄaT'B  oÖHjie  —  ^a  ame  HCTpiÖHBi  chx'b,  öyAOT'B 
roÖHHo;  aii^ej![H  xon^emn,  to  np^A^  TodoH)  BUHbMeB^  trelto  jih  pi>i6y 

ja  HHO  ^TO. 

Es  war  dies  kein  vereinzeltes  Aufflackern  irgend  welches 
Aberglaubens,  der  mit  böswilligen,  gewinnsüchtigen  Motiven  ver- 
knüpft wäre;  es  war  allgemeiner  Glaube,  der,  wenn  Mainov  recht 
unterrichtet  ist,  noch  heute  im  täglichen  Treiben  der  Mordvinen, 
allerdings  abgeblasst  und  gemildert,  fortlebt.  Beim  täglichen 
Morgengebet  wirft  die  mordwinische  Hausfrau  einen  Sack  mit  Ess- 
waaren  über  die  Sehalter;  der  Hausvater  öffnet  ihn  mit  einem 
Schnitt,  worauf  Brot,  Eier  u.  s.  w.  herausfallen;  so  ist  die  Nahrung 
in  der  Frau  geborgen,  so  wird  sie  durch  einen  Schnitt  aus  ihr,  der 
jetzt  symbolisch  geworden,  nicht  mehr  das  Leben  der  Frau ,  nur 
das  Säckchen  trifft,  gewonnen  (Journal  de  la  Soci^t6  Finno-Ougricnne 
V,  Helsingfors  1S89,  W.  Mainov,  les  restes  de  la  mythologie  mord- 
vine,  S.  9). 

An  der  Wolga  und  bei  den  Galinden  hielt  man  sich  bei  Hungers- 
noth  an  die  Frauen,  aber  auch  sonst  lässt  man  sie,  die  Zauberkun- 
digen, jegliches  Ungemach,  schlimme  Witterung,  mächtige  Winde, 
ja  sogar  persönlichen  Misserfolg  (alte  Weiber  sind  schlechtester 
Angang)  entgelten.  Preussen  und  Dänen  (im  prenssischen  Sam- 
land!)  standen  sich  einmal  recht  nahe  und  aus  einer  Zeit,  die  viel- 
leicht mit  derjenigen  der  Galindensage  zusammenfiel,  ist  uns  über 
die  Dänen  folgender  Bericht  erhalten. 

Papst  Gregor  VII.  richtet  1080  (Mansi,  Conciliorum  etc.  XX, 
S.  304  f.]  an  König  Harald  von  Dänemark  ein  aufmunterndes  und 
mahnendes  Schreiben,  wo  er  zum  Schlüsse  bitter  darüber  klagt, 
dass  die  Dänen,  statt  auf  ihre  eigenen  Sünden,  auf  Priester  und 
Weiber  die  Schuld  der  Unwetter  u.  dgl.  abwälzen.  De  gente  vestra 
nobis  innotuit,  scilieet  vos  intemperiem  temporum,  corruptiones 
aeris,  quascunque  molestias  corporum  ad  sacerdotum  culpas  trans- 
ferre  —  praeterea  in  mulieres  ob  eandem  causam  simili  immanitate 
barbari  ritus  damnatas  quidquam  impietatis  faciendi  vobis  fas  esse 
nolite  putare  ...  in  illas  insontes  frustra/era/tVcr  saeviendo  .... 
Dahlmann,  Geschichte  Dänemarks  1, 120  erinnert  dabei  an  König 
Knud  den  Heiligen,  welcher  1085  die  schlechten  Winde  auf  seiner 
Englandreise  den  Wetterhexen,  anicularum  maleficiis,  zuschrieb. 
Auf  dieselbe  Weise  erklären  wir  uns  den  Zusammenhang  zwischen 


26  A.  Brückner, 

dem  Verstümmeln  der  Frauen  und  dem  »non  commode  sustinere 
podseff  des  Galindenlandes. 

Interessant  ist  die  entscheidende  Rolle,  welche  dabei  der 
Seherin  zufällt.  Während  nämlich  im  Osten,  bei  Finnen,  Russen. 
Litauern  nie  eine  Frau  auftritt,  ad  cuius  Imperium  huius  facta  sin- 
gula  terre  regebantur,  kommt  hier  der  Seherin  ein  Einfluss  zu,  wie 
wir  ihn  sonst  bei  Germanen  und  Westslaven  finden  —  man  denke 
an  die  Rolle  der  »weisen«  Frauen  sogar  im  Norden.  Man  machte 
auch  auf  diese  Stelle  aufmerksam  wegen  eines  anderen  Berichtes 
bei  Dusburg.  Im  folgenden  Kapitel  erzählt  nämlich  derselbe  von 
Romow  in  Nadrowia,  wo  der  von  Preussen,  Litauern,  Letten  ver- 
ehrte Criwe  geweilt  hätte,  ad  istius  nutum  seu  mandatum  (die  ge- 
nannten Völker)  regebantur  etc.,  der  Criwe  wird  daher  mit  dem 
römischen  Papst  verglichen.  Dieser  Criwe  hat  nun  die  charakte- 
ristische Eigenthümlichkeit,  nirgends,  wo  man  ihn  erwarten  würde, 
aufzutreten;  wir  vermissen  ihn  stets  und  ständig,  so  auch  hier  in 
der  Galindensage,  wo  statt  seiner,  in  seiner  Rolle,  eine  Seherin 
auftritt.  Zur  Erschütterung  des  Glaubens  an  diese  Allmacht  des 
Criwe  trägt  somit  auch  diese  Sage  bei.  Ueber  den  Criwe  hat  zu- 
letzt und  am  ausführlichsten  Mierzynski,  Zrödta  do  mytologii 
litewskiej  II,  1896,  S.  21 — 46,  gehandelt,  er  weist  alle  Uebertrei- 
bungen  des  Dusburg  zurück,  bestreitet  mit  Recht  irgend  welchen 
Einfluss  des  Criwe  über  Nadrowia  hinaus,  hält  aber  an  Person  und 
Eigennamen  dieses  Criwe  fest.  Ich  möchte  weiter  gehen :  meiner 
Ansicht  nach  ist  Criwe  nur  der  Name  des  baculus  gewesen  (später 
kriwele  Schulzenstock  u.dgl.),  mit  welchem  der  nuncius  des  Feuer- 
priesters das  Volk  zu  den  grossen  Festen  u.  dgl.  entbot,  denn  im 
Bericht  des  Dusburg  nimmt  dieser  baculus  eine  bezeichnende  Stel- 
lung ein  (tante  fuit  autoritatis  — r  criwe  —  quod  non  solum  ipse  vel 
aliquis  de  sanguine  suo  verum  eciam  nuncius  cum  baculo  suo  vel 

alio  signo  noto  transiens  terminos in  magna  reverencia  habe- 

retur) :  der  Name  des  die  Reverenz  verbürgenden  Zeichens  wurde 
in  der  ungenauen  Ueberlieferung  auf  die  Person  übertragen ;  die 
Etymologie  spricht  ganz  entschieden  für  diese  Auffassung  (krive 
zu  kreiwas,  krivule  spätere  Deminuirung  dazu). 

Den  Zug  von  der  Waflfenlosigkeit  unter  Feinden  mögen  die 
Worte  des  Tacitus  beleuchten,  von  den  Aestiem,  wen  er  auch 
darunter  verstanden  haben  mag:   insigne  superstitionis  formas 


n 


Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  der  Slaven  nnd  Litauer.  27 

aprorum  gestant;  id  pro  armis  omniumque  tutela  securam  deae 
cultorem  etiam  inter  hostes  praestat. 

Somit  hätten  wir  jeden  einzelnen  Zug  der  Sage  wirklich  er- 
wiesen oder  erklärt;  es  lohnte  dies,  bei  der  ausserordentlichen 
Seltenheit,  in  der  uns  slayische  und  litauische  Sagen  überliefert 
sind ;  die  Sage  hatte  den  Grund  anzugeben;  warum  die  Galinden, 
die  doch  nach  der  Macht,  Kraft,  Stärke  benannt  waren,  so  macht- 
und  kraftlos  geworden  sind,  und  sie  suchte  auf  ihre  Weise,  auf  ein 
einziges,  bestimmtes  Ereigniss  hundertjährige  Kämpfe  und  Rei- 
bungen zusammendrückend,  diese  Aufgabe  zu  lösen. 

Noch  eine  Bemerkung.  Für  Kinderaussetzung,  die  uns  in 
Preussen  so  nachdrücklich  und  so  vielfach  überliefert  ist,  haben 
wir  aus  dem  benachbarten  Litauen  keinerlei  Zeugnisse.  Und  doch 
ist  yielleicht  eins  vorhanden,  wenn  man  auf  genealogische  Fabeln 
etwas  geben  darf.  Die  seit  dem  XVI.  Jahrh.  mächtigste  litauische 
Familie  der  Eadziwil:y  (angeblich  so  benannt,  weil  ihr  Vorfahre 
dem  König  »radzit  Wilno»,  d.  i.  zu  gründen,  während  der  Name 
eine  ganz  gewöhnliche  litauische  Bildung  ist),  stamme  angeblich 
von  einem  Lizdejko,  welchen  König  Witen  im  Neste  (lizdas) 
eines  Adlers  gefunden  hätte ;  ist  der  Name  echt  —  und  das  könnte 
er  jedenfalls  sein,  Bildungen  auf -eiko  sind  in  altlitauischen  Namen 
sehr  häufig,  Romejko  Repejko  u.  s.  w.  —  und  ist  er  nicht  erst 
später  umgedeutet,  ist  nicht  erst  später  die  Geschichte  auf  Grund 
des  klaren  Namens  hinzugedichtet  worden,  so  könnte  Lizdejko 
selbst  ein  so  ausgesetztes  Kind  sein  oder  auf  die  Sitte  der  Kinder- 
aussetznng  auch  in  Litauen  hinweisen. 

A,  Brüchner. 


28 


Die  BlaYischen  Composita  in  ihrem  sprachgeschicht- 
lichen Auftreten. 

(SchluBs.)  *) 


Tl. 

Die  Uebersetzungsliteratar,  die  durch  Jahrhundeii;e  denHanpt- 
gegenstand  der  kirchenslayischen  Sprache  bildete,  übte  auch  auf 
die  altruBsische  Literatursprache  den  ausschlaggebenden  Einfluss 
aus.  Ein  grosser  Theil  der  Composita  des  AltkircheDslavischen 
lebt  in  der  russ.  Literatur-  und  auch  Volkssprache  bis  auf  den  heu- 
tigen Tag.  Das  umfangreichste  und  bedeutendste  Denkmal  des 
altrussischen  Schriftthums,  die  russischen  Chroniken,  schöpften  die 
Grundsätze  der  Stilistik,  also  auch  dieses  Schmuckes,  aus  dem  ge- 
meinsamen Born.  In  der  üoB^CTb  BpeMeHHux'B  ji^t'b,  yulgo  Nestor, 
begegnet  man  solchen  wohlbekannten  Ausdrücken,  wie:  deaaKOHHK, 
ÖeaaKOHbHHiTB,  ÖeciMbpTHie,  ÖeaoyMHK,  ÖemtcTHK,  6emHHHiß,  ßeaÖOÄb- 
H'MH,  ÖearpimtHMH,  ÖesMipLHMH,  öeana^ajibH'B,  ÖecKonb^bHiäH,  6ec- 
KoyÄbHiaH,  ÖecjoBecBHiaH,  oder  mit  6-iaro-:  6jraroBOntH'MH,  öjiaro- 
BipBHMH,  ÖjaropoÄbH'MH,  ÖJiaropasoyaiLH'HH,  ÖjarocJOBectH'MH,  Öjaro- 
^iBCTHBüiH,  ÖJiaroyxaHHie,  ÖJiaroBicTHTH ;  oder  mit  6oro- :  öoro^'BXHO- 
BcnbHMH,  ÖoroJioßHBTaH,  ßoroMoyÄp'HH,  6oroo6pa30BaHBH'HH,  Öoro- 
cToyAbH'HH ;  6oropo;i;Hi;a,  ÖorocjOBmb.  In  demselben  Rahmen  der 
kirchenslayischen  Vorbilder  bewegen  sich  solche  Wörter:  Öpaxo- 
äjo6kbt»,  ÖpaT0jiK)6bCTB0,  öpaTOHeHaBHÄ^HHK,  ÖtcocJoya^eHHie,  saKo- 
HonpicToynbii'HH,  KpxBonpojiHTHK,  KoyMHpocJ[oyabÖbHHir&,  cpaMocjo- 
BHie,  BejEbMoaca,  e^HuorjiacbH'b,  sxjio^^^h,  np^jno6oA%H,  npocTocJOBecb- 
HMH,  npocTopeKHH,  TpbKJiAT'MH.  WcDu  ich  uoch  solchc  Epitheta 
erwähne,  wie :  Äenojioßbi^b  fttr  den  Fürsten  Vladimir,  sjaTOBbpxasi 
für  das  Kirchengebäude  —  daher  in  der  Bylinendichtung  sjiaTOBep- 
xoBaTMH  —  oder  jitTonHCbD[b  für  xQovoyQaq)og^  daher  jiTonHcauHK, 
und  HKOHoÖbpbi^b  für  ehovoTikaarrig ,  so  ist  der  Vorrath  der  Compo- 


*)  Vergl.  Archiv  XX,  S.  519—556. 


Die  Blay.  Composita  in  ihrem  Bpracbgeschichtlichen  Aattreten.        29 

Sita  in  den  ältesten  Bestandtheilen  der  altruss.  Chronik  so  ziemlich 
erschöpft.  Man  kann  noch  ptitfojioB'By  wohl  ein  urslavisches  Com- 
positam,  das  kirchenslav.  cbpao^oa  und  das  aas  Genes.  37.  19  be- 
kannte e^HOBHAi  noch  hinzufügen;  dass  neBirjacB  kein  specifisch 
rassischer  Ausdruck  ist,  das  sahen  wir  schon  oben  (vergl.  Archiv 
XX,  S.  531),  urslayisch  sind  nacsiH'BirL,  nasoitoKa  (naBjiaKa).  Be- 
sondere Erwähnung  verdienen  die  Ausdrücke  MAconoycT'B  und  e«- 
poHoycTB,  gleiche  Bildungen,  aber  mit  entgegengesetzter  Bedeu- 
tung. Denn  c^onoycTBHau  neA^M  entspricht  dem  griechischen 
^  TVQoq>äyog  kßdofx&g^  dagegen  ist  MAconoycx'B  dem  lat.  carnispri- 
viam  (carniprivium)  gleich.  Wenigstens  wird  in  dieser  Bedeutung 
das  Wort  in  den  ältesten  Quellen  gebraucht :  in  der  alten  Ueber- 
setzung  ausCyrill  von  Jerusalem  entspricht  MAconoycT'B  dem  griech. 
ri  TsaaaQaxoarifi  (Omie.  pyK.  chho^.  6h6j[.  II.  2.  58]  und  im  Izborn. 
1073  lautet  ^  &yla  xeaaaQayLOOTi]  im  Plural  gebraucht  cbat'H£el  ma- 
conoymTA  (sc.  uejilkxa)^  daher  auch  in  ipat.  Chronik  ao  MAconoyn^B. 
Bei  Cyrill  von  Turov  liest  man  b-l  np^Boyio  HCAi^io  MAconoycT'B  h 
ua&xonoycTx  eAHHOio  tbopat'l  (ed.  Ealajd.  159). 

Die  südrussische,  vielfach  sehr  poetisch  gehaltene,  Chronik 
des  Hypatius-Elosters,  bewegt  sich  in  denselben  Bahnen,  was  den 
Gebrauch  der  Composita  anbelangt.  Auch  diese  Chronik  kennt 
Bildungen  mit  6e3-:  ÖeaMbaABiimcB,  6e3oyMi>H'£,  ÖecBMbpTbH'L ;  mit 
6jaro- :  6jiaroBOJiBTH,  ÖJEaro^apuTn,  ({jiaroBipbH'B,  6j[aroBOHi>H'B,  ÖJia- 
FOJDOÖHBT,  ÖJDcaroHpaBbH'L,  ÖjarocLpA'B,  ÖjarocyMbiix,  (JjaroxBajbH'B, 
6jaroiu>CTHB'B,  ÖjaroB^piiiB,  6jaroBin^eHHB,  6j[aroAaTi>,  öjarooyxaHHiB; 
mit  6oro- :  6orotf OHHrB,  tioro6oM3HHB'B,  öorojiioÖHB'L,  6oroMHpi>u'B,  6oro- 
MoyAP'B,  —  daher  6oroMoyÄpi»cTBO  — ,  6oroHa6%AHBrB  und  öorocB- 
Haä^jKHarB,  6oroH3BOJ[ißU'B,  6oronpHiiTbH'B,  6oroHe^ibCTHB'B,  6orocToy- 
AbiTB,  ÖorooTBi^b,  6oropo;(Hi^a,  Öofocjiobbi^b,  6oroisBJBHHB ;  mit  Bbce- : 
BbceioyKaBtiH,  BbceMou^BH'B;  mit  b'mcoko-:  BmcoKOM^cjEHie,  btiICOko- 
oyvHB;  mit^oöpo-:  Ao6poBoniiH'£iH,  AOÖponpaBBH'B,  ;^otfpoci>pAHB,  ao- 
(SpoA^TaiB,  AodpoA^tiHHK ;  mit  mhofo-  :  MHorOwioyKaB'EiH,  MHorojiiTi»- 
HUH,  KHoronjiOABH'B,  MHorocTpacTbHrB ,  MHoroi^iHLurb;  mit  mhjio-: 
muocbpAEB,  HHJEOCLpAOBaTH ;    mit  Majio-:    HazoB^pbH'B,   MajOMonp»; 

mit  BHO-  und  I^AHHO-  :    HHOILieMeHbUHITB,    HHOUS'BiqbHHICL,    BAHHOAOy- 

mbunt,  BAHHOMucjbH'b^  BAHHO^AA'b ;   mit  npaBO-  und  paBbHo :  npaso- 

BipbEX-npaeOB^pHK,  paBbHOOyHbU'b,  paBbHO^bCTHTejb,  paBbHOXpHCTO- 

Aio6bip»;  mit  pasbuo-:  paabHOJiHqbH'b ;  mit  np'bBo-  und  caMo-:  ubpso- 


30  V.  Jagiö, 

Moy^eiini^a,  caiviOBjacTLi^i»)  caMocTp^jL'L;  mit  npHCBHO- :  npHCbHonaHA- 
TLHt,  ^pHCHOÄiBH^a ;  mit  i^-fcjo- :  i^^joMoyApHK.  Vergl.  noch  jreoöo- 
A^Ki^b,  Ä%7S.eTiMeBhu,hj  qioseseMLi^b,  imii^ejH)6i>i;b,  BejiLMOKa  und  se- 
jrerwiacLHO.  Mit  Substantiven  in  der  ersten  Hälfte  ist  die  Zahl  der 
Gomposita  sehr  beschränkt:  ßpaTooyÖHHCXBo,  rjacoxBajtH'B,  kp'bbo- 
nuTHK,  KptBonpojraTHK,  MacJonoycTLH'B,  MAconoycTtH'L,  MAConoynp», 
MbSAOHMbi^L,  MbSA'M^iiaBbi^b  [sjutactische  ZusammenrUckung),  nim^e- 
TooyMHK,  npaBbÄOjnoÖHie,  poyKonncaHHie,  cbp^bi^eBHAbi^b  [besser  cbp- 
OTCB^Äti^),  cTpacTOTbpnbi^b,  TpoyAOJiK)6HK,  qro^oTBopbi^b.  Hierher 
dürfte  auch  das  Adjectiv  KOJOBopoTbmaH  zu  zählen  sein. 

Aus  den  nordrussischen  —  Novgoroder  —  Chroniken  führe  ich 
noch  einige  bisher  nicht  erwähnte  Beispiele  an :  ein  ehrendes  Epi- 
theton für  Städte  ist  ÖorocbnacaeM'b,  eine  Glocke  heisst  6jaroBicTb- 
HHKb^  der  Tatare  cidpoMAbi^b,  der  Mond  ist  djE^AOBH^bH'b,  ein  ähnlich 
gebildetes  Adjectiv  ist  poyÄOÄbj[TT>iH;  eine  Wolke  wird  mitunter 
Toy^enocbH-b  genannt;  ein  ähnliches  Adjectiv  ist  cMbpxoHocbH'B, 
daher  auch  cMbpTOHocHB;  der  schneelose  Frost  heisst  rojiojreÄ'B,  das 
Gesuch  reliefartig  benannt  ^ejioÖHTHie,  eine  neue  Art  Frauenklei- 
dung führte  den  Namen  T^jorpia  und  Kopfbedeckung  Tpeoyx^ ; 
ein  zweirädriger  Wagen  hiess  ABoeKOjnca,  der  auf  den  1.  Sept.  fal- 
lende Heilige  Symeon  wurde  ji^TonpoBOAbi^b  genannt  (er  heisst  auch 
jt^Tona^aTbUb] .  Mangel  an  Kleidung  drückt  man  aus  durch  6ecirbp- 
THK.  Vergl.  noch  ÖpaTOHeHaBHA^HHK,  KpbCTonpicToynbHHieB,  KpT&BO- 
npojTHBbi^b,  MeqeHoma,  x;[^6oKopMj[eHnie,  ^ejOB^KOJioÖHie,  qapoA^Hi^a. 
Der  Bischof  ertheilt  den  Segen  KpbcToo6pa3bHo,  ein  Sonntag  in  der 
Fastenzeit  heisst  cp^AOKpbCTbHaia  He^'i^jn,  daher  das  Substantiv 
cepe^oxpecTie,  vergl.  ähnlich  cpi^oroB^HHie;  eopoKOoycTTB  und  copo- 
KooycTHK  sind  die  vierzigtägigen  Gebete  nach  dem  Verstorbenen, 
Poetisch  klingen  die  Epitheta  ornantia  xpaßpocbpA^  und  Kpin'BKo- 
poyKb,  ebenso  die  Bezeichnung  einer  Glockenuhrt  ^acosBOHH  (auch 
TiacosBOH-b);  üblich  ist  s-bjroM'MCJibH'B.  Mit  na-  finde  ich  na^opora  (ein 
schlechter  Weg),  naroyßa-BbcenaroyÖbH'b,  naoaepbe,  napoßoicB ;  neben 
6e3-  begegnet  auch  ne- :  neöcPL,  neÖ'biBaibi^»  (schon  im  A.T.  Zachar. 
XI.  15  ajteiQog),  HeB^pbHincB,  Hejnoöbe-nejnoÖ'bKa,  ueMaj'HH,  hcmo- 
ÄCEHK,  nenocjoBHi^a  (Disharmonie),  necoBiTbCTBO  (id.).  Ein  Theil 
der  alten  Stadt  Novgorod  hiess  oh^b  nojE'B  (jenseitig,  wie  in  Moskau 
noch  jetzt  SaMocKBop^^e,  d.  h.  was  hinter  Moskva  rieka  liegt),  der 
Bewohner  oH'Bno jOBH^ib ,  merkwürdigerweise  im  Plural  oHHnojio- 


Die  slaT.  Composita  in  ihrem  sprachgeschichtlichen  Auftreten.        3] 

BH^H  (oder  novgorodisch  OHHnojOBHipi)  Novg.  Chr.  I.  208,  gen.  plur. 
onux'B  nozoBHip»  (ohux^  nojOBHqi»). 

Das  älteste  Denkmal  der  südrussisofaen  halbwegs  volksthttm- 
liehen  Dichtung,  das  bekannte  »CüOBoa,  ist  in  der  Anwendung  der 
Composita  beschränkt  auf  sehr  wenige  Beispiele,  zum  grösseren 
Theil  schon  aus  der  kirchenslavischen  Sprache  wohl  bekannt,  wie 
6oropo;i;Hi^a,  mecTOKp'MJLLi^b,  TpLCBiTi>jn&  (TpecBiTBj'B),  ni&cHOTBopLip», 
neu  ist  hhoxoabi^l  vom  Pferd,  das  HHOxo;5b  im  Gang  zeigt,  Srezn. 
citirt  im  Wörterbuch  auch  die  kürzere  Form  hhoxoa'b  (im  Wörter- 
buch falsch  HHoxoAB  gedruckt)  aus  einem  Denkmal  des  XII.  Jahrh. 

In  dem  altrussischen  Wörterbuch  Sreznevskij,  wovon  aller- 
dings erst  die  Buchstaben  A — N  erschienen  sind,  kann  man  an  dem 
dort  benutzten  und  verwertheten  Material  dieselbe  Beobachtung 
machen,  nämlich  dass  die  grösste  Anzahl  von  den  Compositis  der 
Nachahmung  griechischer  Vorbilder  ihren  Ursprung  verdankt. 
Daraus  erklären  sich  Composita,  die  ich  nicht  einzeln  anführen 
will,  mit  folgenden  ersten  Theilen:  Öea-,  Öjaro-,  s'Ljro-  (seltener 
3Mi-),  ÄOÖpo-  (seltener  Äo6p^-).  Maio-,  M-BHoro-,  sejie-  und  Bejn>-, 

BBCe-,     BCJIHKO-,     BMCOKO-,     B'MmC-,     AOCTO-    odcr    ^^OCTOHHO-,     ÄHBO-, 

K^HHO-,  HHO-,  3ijo-,  jHxo-,  J1060-,  jTbKe-,  HOBO-,  Hoy^po-  uud  mit 
solchen  Substantiven :  6oro-,  ;^oyme-,  a^to-,  rpixo-,  3B§po-,  sb^sac-, 

aeUJIK-,   3JiaT0-,  HÄOJO-,   HCTHHO-,   KptBO-,  KpbCTO-,    KpaK-,  KoyMHpo-, 

KB3H0-,  »iHpo-,  MB3Ä0-,  Ha^ajio-.  lu  jcdcm  so  beginnenden  Compo- 
situm kann  man  mehrere  Beispiele  nachweisen,  die  an  sich  nichts 
Auffallendes  bieten.  Ausserdem  möchte  ich  noch  einzeln  anführen 
folgende  nicht  ganz  triviale  Belege:  a)  für  Abhängigkeitscomposita 
aPHOHOCBH'L,  6acH0CJi0BHiß,  ÖacHOTBopBi^L  uud  -TBopeHHiB,  ÖpaTOHena- 
BBXbjjb  und  6paT0HeHaBHCTbH%,  (JpaTOTBopeHHie,  tfi^coÖOHHHie,  6^como- 
jorrexb,  Be^epo^A^  oder  Be^epoHAeHuie,  BEHOi^bpirB^mH,  Bj[acTOj[io($Bi^L, 
BOAoqBpn^,  BOAOKpen^H,  BicTOHoma,  BptTHn^eHOCBUb,  rn^BOAbpaLbi^b, 
rpa^ojiDÖHB,  rpoÖOKonaTejTb,  rpoÖoprifH,  AaHOILl[aTb^b,  AapoHOCbH'B, 
ApoyroJioÖbi^b,  ÄpoyrojiioÖHiß,  ÄBopoMCTapb,  -MexaHHK,  ^apoHOCbux, 
xliojioÖ'B  und  A%BOjno6bCTBbH%,  A0M0Abpa:bi^>,  3anoBiAoxpaHHTej[b, 

3Bi3A06epbiPi,  -^bTbl^b,   3eM0BJ[aCTbI^>,    3MbieC^^ia,   3Srni6HTbHHieB,   KJKH)- 

^eAbpxbUb,  KaMeHOc^^Ub,  Kj[ATBo;[H)6bi;b,  KoyHOjK)6bi{b,  KcynoRMbip», 

ROy^enOTbiieHHK,    K0J[0B03b^b,     MOACBapi,    MCAOTOqbH'b,    MbpTBO^ABI^b, 

MixoHoma,  M AcoTBopeHHK ;  b)  fttr  die  Determinativcomposita:  6pa- 
Toc^MimeHHie,  6epe3030J'b,  BOAOBaxa,  BOAOAP'bsa,  BO^oTe^a,  r^taconn- 


32  V.  Jagiö, 

u^ajiL,  rpoMorjacbHi;  rpoMoiLiaMeHbnx^  ;i;oyxo6opiii^b,  AoyxopaTkiiHKTB, 

AiaMOKOypbH^,  KOypOKJIHK^,  BOpOHOrpaS,  KOSbJOrJaCOBaHHK^  Kp'BTOpüUI) 

3oy6oKrAb  und  soyÖoiKa,  sapespa^ibH'B,  K03opoÄIl^l.,  KOJLOBOpoxt,  Ma- 
cjoApl^BHB,  ja^OABHEK,  jioyKOHopHT6,  HoroÖojHB'UH ;  vcrgl.  noch  6tr- 

CTB03KHBbI^b,  ^I^HepOAbH'L  Und   fl,hne(iBiTAE^  fl,0yiBM2k^hll,hj    BJLTiKOIdAhWh, 

SHSHOHaqajibHHicL,  KanHU^ecjEoyxeHEB,  Hon^eraTbCTBo;  c)  für  Attribu- 
tiv- und  daraus  hervorgegangene  Possessivcomposita:  rposooK^, 
roJooycbiH,  roycToÖpaA'MH,  roycTOBjracBrH,  KpayucAcpcMH,  KpacbHO- 
jiHi^b,  KpaTOBJacx,  KopoTomiiH,  Kayicoiiocun,  öi^JiopHSbi^b,  acecTouinHi^b, 

iq)HBOBtpbH'B,     KpinbKOÄOyUIbH'B,    Kpin'BKOOyMbH'b,    KpOT'BKOAOyillbH'L, 

Mbps'BKGCJioBecbH'B,  MjaÄOTijibH'MH,  MjiaAOoyMbH'HH,  rJoyÖcKopascy- 
MbUb,  rjioyöoKooycTbH'L,  Aps^roKaMeiibH'b,  Bpi^ooyMbn'L,  jnoTOBjracTHK. 
Vergleiche  noch  ÖxpaopiqHB'B,  HiMopiqHB'b,  Ötjiorojoyö'HH,  Kpoy- 
r^ioodji'biH  uud  ÖoypaniLibHHKx  [der  Kanonier),  der  öoypio  a  n-sutb 
hervorbringt  (?) .  Als  dvandva-Composition :  ßparx-cecTpa,  kosoko- 
mcyra. 

In  den  volksthllmlich  gehaltenen  Texten  fehlt  der  grössere 
Theil  dieser  durch  den  Zwang  der  wortgetreuen  Uebersetzung  her- 
vorgerufenen Composita  gänzlich.  Ueberhaupt  ist  die  Anwendung 
der  Composition  massig.  Z.  B.  in  der  volksthUmlich  geschriebenen 
Erzählung  CKasaiiie  o  HOJiOAUt  h  a^bhi;^  (IlaM.  Ap*  nucbMeii.  Nr.  99) 
fand  ich  ein  einziges  Compositum  cbipoMATHua  canorn. 

Dieselbe  Enthaltsamkeit  beobachtet  die  epische  Volksdich- 
tung. Sie  hat  ihre  stehenden  Schmuckepitheta,  doch  bestehen  diese 
meistens  in  den  einfachen  Adjectiven  oder  ist  der  Zusatz  durch  eine 
Art  dvandva-Composition  zu  wege  gebracht,  wie  crap-B-MaTep-b  (als 
Accus,  auch  cTapoMaxepy),  ropA^JiHB'b-cnicHB'b,  oder  auch  ganz  lose 
an  das  entsprechende  Substantiv  angefügt  ein  aus  Substantiv  und 
Adjectiv  bestehender  Nominativ:  TypTb-aoJioTbie  pora  (allerdings  be- 
gegnet auch  als  Compositum  ^exbipe  Typa  sjaxoporie).  Wirkliche 
Composita  sind  im  ganzen  nicht  zahlreich.  Ich  wähle  zur  Veran- 
schaulichung den  in  Kirsa-Danilov's  Texten  enthaltenen  Stoff  her- 
aus. In  diesem  findet  man  Substantiva  wie  rjryxoMopbe,  MejoÖHTie, 
Mixoiioma,  KpoBOJiHTie,  cnoBHA^ubHi^e,  und  mit  Öea:  (JesBpeMeHbe, 
äesA^^iHi^a.  Sonst  sind  nur  Adjectiva  in  der  Composition  nachweis- 
bar und  auch  da  ist  der  Reichthum  nicht  gross,  wie  man  am  besten 
daraus  ersieht,  dass  dasselbe  Epitheton  für  mehrere  Substanzen 
herhalten  muss.  So  ist  6t.ioAyÖoBbiH  nicht  nur  cToji'b,  sondern  auch 


Die  slav.  Composita  in  ihrem  BprachgeBohichtlichen  Aaftreten.        33 

Tuaxa,  KpKima,  ApoBa  und  CBiTjrai^a.  Eine  grössere  Erfindungsgabe 
ist  wohl  leicht  denkbar!  Ebenso  ist  nicht  nur  najiaTa  6^oKaMeHHafl, 
sondern  auch  cT^Ha  und  nen^epa.  Folgende  Epitheta  sind  stehend, 
d.h.  sie  wiederholen  sich  öfters:  B^oBa  MHoropasyHHaH,  Aopora  npn- 
MO^acafl,  KaMCHL  caMoi^BiTHUH,  Kifl^a  B0A0B03HaAy  opyxbe  oder  pysBe 
AojroM^pHoe,  KaHKa  ÖtüoxpyTqaTaH,  oiaTBe  pasHoi^BtTHoe,  cyna  cu* 
poKflTHaHi  my6a  AOJironojraa  (auch  der  Held  BacHjüS  ist  AOJironojiuH 
oder  substantivirt  AojTonojran^e,  ebenso  Copo^HHa  AOJiuronojiafl),  hpjchkh 
cKoponnc^aTue;  die  Finnen  heissen  ^jab  Ö^jorjasan,  die  Teufel 
^epTH  BocTporcjoBue.  Von  Umständen  hängt  es  ab,  dass  das  Russen- 
Tolk  npaBociaBHUH  HapoA'B  oder  npaBocjaBuiiiH  Hip'L  genannt  wird, 
ebenso  sein  Herrscher  ÖJiaroB^pHUH  i(api>  oder  i^apHi^a  ÖjtaroB^pHaH, 
oder  wenn  es  sich  gerade  trifft,  dass  von  KHiirHHfl  HOBo6paTiHaH  die 
Bede  ist.  Zu  BpeMeua  kann  das  Epitheton  nepBouaqajBHUH,  zu  crar- 
pHsa  das  Epitheton  cTapo^aBnan  hinzutreten.  Die  Jäger,  wenn  sie 
Fischer  sind,  heissen  oxothhkh  puäojKOBue,  und  der  Faustkampf  hat 
seine  stehende  Benennung  pyKonaiuHUH  6oh;  das  Pferd  als  kohl 
heisst  meistens  Aotipun,  aber  xepeÖei^'B  führt  das  Epitheton  kojko- 
rpRBTh  oder  KOjorpHBUH.  Eine  ewige  Sklaverei  wird  xojohctbo  si- 
KOBt^Hoe  genannt;  und  die  neu  ausgehobenen  Soldaten  sind  natürlich 
coJAaTU  HOBo6pauHue.  Vereinzelt  fand  ich  Acpeso  cyxoBepxoe  und 
KOHi»  cyxonapuu  (das  Pferd  das  nicht  leicht  in  Schweiss  kommt?). 
Mit  6e3-  und  ne-  begegnen :  cjOBa  Öosa^jibhuh,  epernm^a  Öesöoa:- 
HHi^a,  cojfAaTU  6e3yMH£ie,  MOjKOAei^'B  6e3BpeMeHHLiH,  mba'b  ÖeanpocBin- 
huh;  MysEHKH  HepasyMHue^  najta^'B  HeMHJiocTHBUH,  cKop6i>  HeAOÖpan, 
auch  JTEOAH  HeAOÖpue,  Aopora  ueÖÄBSimuL. 

Ebenso  macht  die  kleinrussische  Volksdichtung  nur  einen  sehr 
massigen  Gebrauch  von  der  Gomposition.  In  den  von  Maksimovic 
herausgegebenen  20  Dumen  fand  ich  folgende  Substantiya :  tiesBiA^e, 
6e3Xjri6i»e,  BepxoBirbe,  mmexoAei^b,  cyxoAli,  CKajio3y6  als  Nom.  prop., 
caMonaji,  satirisch  rpeqK9ciH,  und  folgende  Adjectiva:  rocnoAB  oder 
6or  XHJiOcepAHHH,  cepMiira  cennjoLaTHaA,  opjiH  CHSonipH,  sjcaTOCHHi  khh- 
AaiCH,  ceHHnHAUHe  nHu^asH;  oAEOCTauHecTaTH;  mit  6e3-  oder  He:  6e3- 
piAHHH,  ÖespiAHHHXBeAop,  ÖeaÖoaLHHHyniKaiH,  HeAOBipoK  xphcthahckh, 
HBAotipe,  ueöaraTHH. 

Wenn  man  die  einzelnen,  wenn  auch  nur  die  hervorragendsten 
Dichter  des  XVIU.  und  XIX.  Jahrh.  nach  dieser  Seite  einer  Prü- 
fung unterziehen  wollte,  was  auch  eine  sehr  lohnende  Aufgabe 

ArehiT  fbr  sUTische  Philologie.    XXI.  3 


34  V.  Jftgiö, 

wäre,  so  würde  man  finden,  dass  sie  im  Ganzen  von  der  Zusam- 
mensetznng  einen  sehr  massigen  Gebrauch  machen  und  während 
die  modernen  in  dieser  Beziehung  in  die  Fussstapfen  der  Volks- 
sprache treten,  klingen  bei  den  älteren  die  Reminiscenzen  der 
kirchenslavischen  Diction  nach.  Ich  nahm  z.  B.  den  ersten  Band 
der  neuesten  akad.  Ausgabe  Lomonosov's  durch  (Odendicbtungen, 
UebersetzungeU;  Epigramme)  und  fand  in  ihm  solche  Composita : 
a)  Substantiva:  Bejimccji^nie,  AOÖpoA^TejL,  Öjaro^aTb,  ÖjaroA^Hme, 
\iyÄejOÄHHKTb,  cTHxoTBopei^'B,  seMÄQflj^ÄBixh,  ZÄOfijk&cTBO,  — wic  mau 
sieht  lauter  altbekannte  Composita;  b)  Adjectiva:  6jarocjoBeHHiJH. 
<5j[aroiipiHTHUH,  BeJHKOJ^nHLiH,  6jaronoj[y^HiiiH,  Bejunco/CTiuHUH, 
ÖJaroBOHHUH,  Bej[ej[§nH£iH,  AOÖpocepAe^HUH,  ^paroi^^HHiiiH,  TpyAO- 
jH)6HBi>iii,  seMHopoAHUH  (fÜr  J[K)ah],  MHorocÖpasHUH,  eAHHorjiacHUH, 
jerKOB^pHUH,  BceBLimHiS,  bccji^thIiIh,  BcecHJiBHLiH,  Bceo^eApuH, 
noBceAHeBHUH,  Bce^acno,  noBce^acHO,  cTpeMrjäB'L ;  femer  yerhältniss- 
massig  zahlreiche  Composita  mit  des- :  ÖesÖ^AHuS,  6e3AyniHiiiH,  6e3- 
BpeMeHHO,  6e3MipHUH,  6e3o6j[a^[HiJH,  ($e3naTy6HUH.  ÖesMOJiBHBiH,  6e3- 
M^pHBTH,  ($e33HaTHon,  tfe3onacHUH,  6e3pa3eyAH0,  6e3CTUAHUH,  6e3- 
CMcpTnuä  (auch  Snbst.  6e3CMepTie),  6e3coBicTHMfi,  6e3qyBCTBeHHMS, 
^e3ii^acTHLiH,  6e3CJOBLHUH,  (iesTiHCJEeHHUH,  6e3npecTaHHO,  6e3^ÄO^^- 
HUH.  Auch  in  diesen  Bildungen  leben  alte  kirchenslavische 
Traditionen  fort.     Seltener  sind  Adjective  mit  ne-:  neB^AOMUH, 

He3a6BeHHLlH,     HejeCTHuS,     HejOSHUH,    nenOCTHSKHLIH,    HeCKJOHHUH, 

HeTii^eTHuS.  Es  müssen  ganz  besondere  Anlässe  sein,  dass  der 
Dichter  zu  solchen  Bildungen  greift,  wie :  ScBecx  rpoMOAepaeuiTejik 
oder  uiyM-B  cjiaAKOcTpyiiHBiH. 

VII. 

Die  böhmische  Sprache  ist  unter  allen  slavischen,  die  nicht 
vom  Altkirchenslavischen  ihre  stärksten  Impulse  und  ihre  Ab- 
hängigkeit verspürten,  die  am  frühesten  zur  literarischen  Entfaltung 
gekommene.  Es  ist  darum  für  unseren  Zweck  sehr  wichtig,  die 
Anwendung  der  zusammengesetzten  Wörternach  den  altböhmischen 
Sprachdenkmälern  einer  Prüfung  zu  unterwerfen,  so  weit  das  heute, 
beim  Mangel  eines  altböhm.  Wörterbuchs,  durchführbar  ist.  Da 
stellt  sich  nun,  selbst  bei  einem  sehr  unvollständigen  Ueberblick, 
die  Thatsache  heraus,  dass  das  Altböhmische  in  den  ältesten  und 


Die  Blav.  Gomposita  in  ihrem  Bprachgesohichtlichen  Auftreten.        35 

bedeutendsten  Denkmälern  des  Mittelalters  durchaus  nicht  in  der- 
selben Sphäre  sich  bewegt,  wie  die  bisher  genannten  südostslavi- 
sehen,  unter  dem  grössten  Einfluss  des  Altkirchenslavischen 
gestandenen  Sprachen.  So  gleich  die  eine  Thatsache  verdient  her- 
yorgeboben  zu  werden.  Statt  der  zahlreichen  Composita  mit  6e3- 
dort  findet  man  hier  kaum  das  eine  und  das  andere  Beispiel  ver- 
treten. Im  Alexanderroman  begegnet  bezpokojö  507.  1191;  im 
Wittenb.  Psalter  bezcSstie  (invium),  bezvodie  (inaquosum),  bezden 
(abyssus),  im  Klem.  ps.  bezdicek  (sterilis),  bezpHemny  (intolera- 
bilis),  wofür  wittenb.  netirpedlny  setzt.  Ich  halte  diese  in  den 
Psalmentexten  begegnende  Zusammensetzung  für  eine  Erinne- 
rung an  die  ältesten  Einflüsse  der  altkirchenslavischen  Psalmen- 
ttbersetzung  auf  die  altböhmische.  Allerdings  finde  ich  im  Alt- 
kirchenslavischen nur  6e3BOABB  und  ÖesAtHa  oder  tfesAkHHK  (so  auch 
im  Wittenb.  Psal.  bezden  und  bezednye),  aber  die  übrigen  Aus- 
drücke können  nach  diesem  Princip  gebildet  worden  seio.  Nie- 
mand wird  wenigstens  in  Abrede  stellen,  dass  blahoslaviti,  blaho- 
slavieundblahoslavenstvie  auf  dem  griech.  Vorbild  und  dem  Medium 
des  Altkirchenslavischen  beruhen.  Der  zweite  Theil  des  Compo- 
situm war  den  späteren  Böhmen  so  wenig  geläufig,  dass  sie  aus 
-cjOBeHHB  die  Anlehnung  an  släva,  daher  blahoslavie,  blahosla- 
venstvie  machten,  also  evl6yr]Tog  wurde  aus  tfjiarocjroBeH'B  zu 
blahoslaven  (ps.  17,  47,  71 ,  18),  wofUr  ps,  27,  6  schon  blaien^ 
hospodin  steht.  Wahrscheinlich  ist  auch  dobrovoln^  (voluntarius) 
im  Zusammenhang  mit  dobrovolenstvie  nur  eine  Umbildung  des 
altkirchenslavischen  6jiaroBOj[BHHiß  (auch  im  Altkirchenslavischen 
wechseln  6jiaro-  und  Ao6po-  ab),  die  Bevorzugung  des  dobro-  mag 
durch  das  lateinische  ft^^placitum  hervorgerufen  sein,  dagegen  mehr 
cechisch-lateinisch  klingt  dobrolubstvo  für  beneplacitum.  Auch  die 
Uebersetzung  dobrozv&stovnik  für  evangelizans  halte  ich  fUr  eine 
nachträgliche  Umbildung  des  kirchenslavischen  6jaroB^cTi»HHicB 
nnd  jednomyslö  fUr  consensus  ist  wohl  das  altkirchenslavische  kau- 
HOKHCJiHB  (Sfiövoia).  Wahrscheinlich  urslavisch  ist  carodejnik 
(vergl.  Vyb.  1. 268)  und  cuzozemec  für  alienigena  hat  im  altkirchen- 
slav.  Toy3E4enjeMeHbHHic£  seine  sehr  nahe  Parallele,  übrigens  im 
alten  Testament  kommt  auch  das  altkirchenslavische  Tioyx^oseMbi^b 
vor.  Wenn  für  adulter  cuzolozec  gesagt  wird,  so  muss  auch  dieses 
Wort  in  einem  Zusammenhang  stehen  mit  dem  als  kirchenslavisch 

3» 


36  V.  JagW, 

im  Russischen  geltenden  Ausdruck  tjtxbjioshhk'b,  den  ich  übrigens 
aus  Miklosich  oder  VostokoY  nicht  nachzuweisen  vermag.  Das  Woit 
MHjiocp'BA'B,  MiuocprBAHiB  ist  im  AltkuTchenslavischen  selbst  mög- 
licherweise westslavischen  Ursprungs,  yergl.  alex.  milosrdie  1909. 
1915,  milosrdny  muz.  46.  Doch  —  um  zur  Zusammensetzung  mit 
bez-  zurückzukehren,  es  sei  noch  das  sehr  geläufige  bezpecn^jsi 
alex.  bud.  muz.  246,  bezpecen  (Nova,  rada  804) ,  nebezpe6no  (ib.  802), 
davon  das  Verbum  ubezpeciti  (Dalim.  141,  52),  erwähnt,  oder  bei 
Dalem.  bezd£cny,  im  Passional  bezdietkyni.  Alles  das  sind  — 
rari  nantes  gegenüber  der  Fülle  von  solchen  Zusammensetzungen 
im  Altkirchenslavischen. 

Für  den  Abgang  der  Composita  mit  tiea-  wird  man  reichlich 
entschädigt  durch  die  sehr  beliebte  Zusammensetzung  mit  ne-.  Ich 
führe  einige  Bespiele  an.  Im  Alexanderroman  findet  man  Substan- 
tiva:  nehoda  179,  nepokoj  1500,  2232,  2309,  nepriezn  105,  nemoc 
1792,  nekrasa2244,  nezrodal78;  Adjectiva:  neblahyl889,  nemal;^ 
2360,  nehoden  266.  1323,  nejeden  803.  2043,  nejednak  614,  nedo- 
spil^  975,  nelekko  2172,  nepokojny  794,  nesyty  1369.  1854,  ne- 
klidn^808,  neradn^  1657,  nesmiern^  444,  neslychan^  2072,  ne- 
sborn6  bud.  muz.  15,  nesnadni^  215,  muz.  5,  netvrd  186,  nestatecni^ 
bud.  muz.  287,  nevinny  296,  nev6m;^445,  neznä,m^840,  nest^astny 
2240,  neskodny  bud^j.  335,  nezbeden  227  (trist.  4121  nezbeden), 
necstn]^  66,  ne^äden  muz.  4,  bud.  muz.  143,  nev6hlasn6  1366.  — 
Ebenso  in  der  Eatharinenlegende  Substantiva:  neboüicka  697, 
neklid-nekluda  3210.  2892,  nelesf  1328,  neuka  (von  einer  Person) 
1662,  neotvlac,  -i  fem.  600,  nezbozenstvie  3091;  Adjectiva:  ne- 
lehky  330,  nemocny  296,  neboiin:^  2980,  nel6n£  950,  nemalecky 
3144,  nematn^  1213,  nepodobnS  3124,  neozracn^^  1737,  neprirok]^ 
712,  nesmierny,  nesnadn^  542,  nebyl^  102,  neposkvrnny  419,  ne- 
skrovny  583,  nev^my  116,  neumalen^^  2904,  nevraädn^  831,  ne- 
zlisen  1060,  neäivn^  535.  —  In  der  Nov4  rada:  neräd  683,  necest 
anekäzeJi  1074,  nevd^cn^  139,  nemüdry  170,  nemüdre  1060,  ne- 
scastn]^  294,  neucasten  692,  nepodobnjr  1027,  nevefny  783,  nev^- 
mlnvny  133.  —  Im  Wittenb.  psalt.  nedostatek,  neFubost',  nemilosf, 
nenävist*,  nepravda,  nev£ra,  nevina,  nesboiie;  nesmyslny,  nesyty, 
neum^tedln]^.  Im  Elem.  ps.  nemozenie,  nepamit',  nepravost',  ne- 
umetelnost',  nesmysln^.  —  Im  Hrad.  rukop.  nevSra,  neduzny,  ne- 
kazany,  nematn^,  nestrpSlny^,  nepodobnJ,  nerozpa6n&.  —  Im  Svato- 


Die  alaY.  Composita  in  ihrem  sprachgeschiohtlichen  Auftreten.        37 

Vit.  rkp.  neboh,  neboitik,  nesm&ra,  nepodobn^,  nematny.  —  Auch 
Dalimil  hat  viele  solche  Beispiele:  neznkmf  34,  nemüdry  11.  26. 
30.  138,  nemadrosf  117,  nevehiy  6.  3,  nevSra  27,  neyinn^  63, 
nepriezn  89,  nepodobnV'  95,  nemocn^  135,  neprazdny  138,  nemi- 
loBtiy6  171,  nebozatka  171,  nepodobizna  147. 

Gegenüber  dieser  Häufigkeit  der  Anwendung  der  Negation  ne- 
als  Seitenstttck  znm  ost-  und  sttdslayisehen  ((es-  sind  die  sonstigen 
Composita  in  der  altböhmischen  Literatur  durchaus  nicht  häufig. 
Nicht  alles,  aber  das  Wesentlichste  davon  sei  hier  angeführt. 
Alexanderroman  kennt  neben  milosrden  und  milosrdie,  das  ich  be- 
reits erwähnte,  dobrodruztvo  1825  und  adj.  dobrodruinie  bud.  172, 
bei  Dalimil  das  Adjectiv  dazu  dobrodru2sky  21.  88,  47.  11 ;  samo- 
striel  1533. 2023,  ryboploda  oder  ryboroda  692,  piesnotvor  bud.  205. 
In  der  Eatharinenlegende :  milosrdenstvie  3284,  ocivist^  1813  und 
ducholovy  als  Epitheton  zu  rada:  ducholovä  rada  2969 — 70,  zu 
zlost':  ducholovä  zlosf  3073—4.  3243,  jednorozeny  483  und  vfehlas 
fem.  375,  adj.  vihlasny  294.  366  (alex.  nev^hlasne  1366),  auch 
Svatovit.  rkp.  kennt  v^hlas  und  v^hlasnosf .  Dieses  Compositum 
ist  sehr  merkwürdig,  schon  im  Altkirchenslavischen  ist  sirjacL 
eTciavi^f,tü}Vj  lieB^rjiaeLH'B  &7t€tQog,  greg.  nanz.  156',  aiiad'og  ib.  289'. 
Ich  fasse  den  zweiten  Theil  als  abhängig  vom  ersten  participialen 
auf;  antioch.  pand.  hat  auch  b^poa'hh  ETtiarri^wv.  Da  man  kaum 
wttrde  nachweisen  können,  dass  Hesirjiac'L  auf  mährisch-pannoni- 
schem  Boden  ins  Altkirchenslavische  Aufnahme  fand,  so  wird  das 
Compositum  eher  urslavisch  sein,  vielleicht  aus  den  Zeiten  her- 
rührend, wo  die  Klugheit  der  Menschen  bemessen  wurde  nach  der 
Kenntniss  der  rjacn  und  foah.  Ein  nach  dem  deutschen  Muster  sehr 
früh  gebildetes  Compositum  ist  kratochvil6  alex.  bud.  178,  novä 
rada  982,  Dalim.  168. 32  kratochvÜ  —  deutsch  kurzwile,  davon  das 
Verbum  kratochvlliti  tristam.  —  Im  Kat.  leg.  wird  Enthusiasmus 
durch  velesenstvie  2176  ausgedrückt:  ist  das  vele  und  sen?  —  Im 
Wittenb.  ps.  begegnet  eine  sehr  schlechte  Zusammensetzung  lud- 
skosbor  —  nur  eine  Randbemerkung  zu  vlast',  dann  letorast  (pal- 
mes)  zum  altslov.  ji^TopaoiB  (xAij/uara :  posra),  offenbar  der  Zu- 
wachs während  eines  Sommers  an  einem  Zweig  (wahrscheinlich 
igt  das  Compositum  urslavisch)  und  das  bereits  erwähnte  (Archiv  XX 
S-  535)  kuroptva.  Das  Wort  jestoiska  Wittenb.  ps.  77.  30  und 
viden.  ev.  Mencik  35  (Matth.  6.  25)  kehrt  bekanntlich  im  Serbo- 


38  V.  Jagiö, 

kroatischen  wieder  und  da  es  sehr  schwer  mit  dem  Suffix  -lck%  in 
Zusammenhang  zu  bringen  ist  (etwa  so,  wie  bohcko),  so  könnte  man 
versucht  sein  in  dem  zweiten  Tfaeil  das  Participial  des  Yerbums 
HCKatH  zu  finden:  icTOHCKa  wäre,  wie  c^noKoma,  nicht  bloss  der  die 
Nahrung  suchende,  sondern  geradezu  die  Nahrung,  Speise  selbst. 
Velerubstro  für  magnificentia  ist  wohl  im  Wittenb.  ps.  nur  ein 
Schreibversehen  für  yelebstvo  (Klem.  ps.  velebnost').  Noch  sei 
vlnoskok  fluctuatio,  velryb  cetos  erwähnt  Im  Element,  ps.  findet 
man:  ducholovstvie  (dolus),  ducholovstvo  (nequitia),  hlasonosie 
(vociferatio),  milosrdie,  svStlonoäe  (luciferj,  zlorecenstirie  (male- 
dictio),  adj.  dluhov^n^  {^angöd^fiog^  altsl.  tpbo^jihb'b)  und  offen- 
bar unter  dem  nachträglichen  Einfluss  des  lateinischen  Adverbiums 
bene-  dobfecinSnie,  dobrelubi^  (beneplacitus).  Erwähnenswerth  ist 
das  Compositum  motovuz  (zona),  eine  uralte  Bildung,  vergl.  poln. 
motow^z,  klr.  motobhs-motoys,  MOTys,  es  ist  selbst  ins  Rumänische 
gedrungen.  Miklosich  nennt  das  Compositum  singulär,  ich  möchte 
es  so  wie  die  Composita  mit  21060-,  b^-  erklären  (d.  h.  ein  umge- 
legtes Band).  Das  Compositum  iivubytie  beruht  auf  der  Phrase 
zivu  byti.  —  Im  Svatovit.  rkp.  lesen  wir  dSvosnub,  ptdkohädäni, 
pt^opaveni,  holohumno  (granarium),  mehodiek  (mShodiek)  hervor- 
gegangen aus  dem  ganzen  Satz  m&j  ho  dhk  (habdank,  es  bedeutet 
aber:  wohlan),  sv&toplozie  (altslov.  wäre  es  cB%Tonj[oa:Aa),  sv^to- 
sviec.  —  In  Hrad.  ruk.  muzebojce,  zlodfej,  spoluvfek  (Altersgenosse). 
—  In  Dalimil:  postoloprtsk^  von  Postoloprty= Apostolorum  porta, 
bohobojny,  dobrovolenstvie,  häufig  cuzozemec,  malomocny  (altslov. 
msliomou^b),  häufig  zlodSj.  —  In  Tristam:  piedimd^tko,  vrtov^z 
(dobrü  vrtovSzi  4599,  vrto-  ist  zu  erklären  wie  moto-  d.  h.  eine 
gewundene  Weide,  v6z,  -i  fem.  vergl.  serb.  Be3-B63a,  russ.  sHst).  — 
In  Passion.  (Listy  filol.  IX.  134):  ducholov^  filovfece,  pvospSch, 
licom^rnik,  carod^jnik,  tvrdohlav,  zloreSen^. 

Zieht  man  im  Vergleich  zu  dieser  durchaus  nicht  imponirend 
grossen  Zahl  von  Composita  den  Umfang  der  berücksichtigten 
Denkmäler  in  Betracht,  so  wird  uns  die  Geringfügigkeit  der  An- 
wendung von  zusammengesetzten  Ausdrücken  ziemlich  stark  zu 
Bewusstsein  gebracht.  Man  kann  bei  keinem  einzigen  Denkmal 
die  Beobachtung  machen,  mag  es  in  Versen  oder  in  Prosa  abgefasst 
sein,  dass  es  sich  der  Zusammensetzung  absichtlich  als  eines  sprach- 
lichen Schmuckes  zur  Hebung  des  Eindrucks  bedient  hat.    Ganz 


Die  Blav.  Composita  in  ihrem  sprachgescbichtlichen  Auftreten.        39 

anders  und  gerade  darum  um  so  auffallender  stehen  die  Königin* 
hofer  Handschrift  und  Libuäa's  Gericht  da  mit  ihren  verhält- 
nissmässig  gehäuften  Zusammensetzungen,  deren  beabsichtigter 
Zweck  es  war,  den  Totaleindruck  der  Erzählung  oder  Schilderung 
zu  heben. 

In  der  Königinhofer  Handschrift  findet  man  einige  Epitheta, 
die  auch  sonst  bekannt  sind,  so:  v^hlas  und  v^hlasny,  allein  die 
Aasdrucksweise  pod  helmiciu  velebyster  y^hlas  (Jarosl.  269)  ist 
eine  moderne  Combination,  die  der  echten  Bedeutung  und  Anwen- 
dung des  Ausdrucks  durchwegs  zuwiderläuft,  ebenso  auffallend  ist 
boh  ti  da  y^hlasy  v  bujnü  hlavu,  man  würde  y^hlas'  oder  yöhlas- 
noBt  erwarten;  fttr  6arod^j  (Jarosl.  75)  fanden  wir  im  Altböhm, 
carod&jnik,  wegen  des  üblichen  zlod^j  wäre  allerdings  auch  6arod6j 
nicht  unmöglich.  Die  Adjectiva  velebystr^,  veleFuiy,  veleslavn^ 
sind  moderne  Combinationeu,  fürs  Altböhmische  nicht  wahrschein- 
lich. Die  seltene  Verwendung  des  bez  für  solche  Composita,  wie 
Jarosl.  283  spade  bezduch,  besprachen  wir  schon  oben.  Die  Ad- 
jectiva hlasonosnä  (ob£t')  und  hrozonosn^  (skrek)  sind  sprachlich 
richtig,  allein  was  soll  hlasonosnä  ob£t'  bedeuten  ?  Noch  weniger 
wird  man  blahodejnö  jutro  und  dcerd  lepotvomü  mit  dem  altböh- 
mischen Sprachgefühl  vereinigen  können.  Was  soll  man  mit  les 
dldhopusty  anfangen?  oder  mit  drevce  sehodlühä?  Nicht  genug 
an  allen  diesen  stark  auffallenden  Epitheta  omantia,  der  Verfasser 
der  Königinhofer  Handschrift  gefiel  sich  noch  ausserdem  in  jaro- 
bujny  or  und  jarobujnä  sila,  in  jarohlav^  tnr,  in  sedoäero  jutro 
(dat  sedosern  jutru),  in  vlasy  zlatostvüci,  in  vSestraSiv6,  vset|chtlnko, 
in  drva  vysokorostlä  und  an  Substantiven  leistete  er  bujarost', 
knipobitie  und  kuropinie.  Wo  nicht  im  einzelnen  die  Anwendung 
und  auch  Bildung  dieser  Composita  Bedenken  erregt,  da  verstäikt 
den  Eindruck  des  Befremdenden  die  tendenziöse,  ganz  den  Charak- 
ter der  altböhmischen  Diction  widerstrebende  Häufung. 

Mit  noch  grösserer  Dreistigkeit  treten  die  Epitheta  omantia, 
aus  zusammengesetzten  Adjectiven  bestehend,  in  Libusa's  Gericht 
auf.  Da  hat  man  b^lostvüci  riza,  desky  pravdodatnä,  plamen  pra- 
vdosvSsten,  voda  strebrop^oä,  m2a  strebronosnä,  svatocüdn&  voda, 
ot  brd  vltor&6nych,  v£ko2iznych  bogov,  v^glasnä  di\6,  zlatonosnä 
Otava,  zlatopieska  glina.  Wahrlich,  wenn  keine  anderen  Gründe 
die  Echtheit  dieser  »Denkmälera  bekämpfen  würden,  so  könnte 


40  V.  Jagid, 

man  auf  Grund  dieser  Häufung  der  Composita  gegen  die  Echtheit 
Verdacht  erhehen. 


VIII. 

Die  polnische  Sprache  entwickelte  sich  in  den  ältesten  Phasen 
ganz  parallel  mit  der  böhmischen ,  unter  deren  Einfluss  sie  auch 
stand.  Die  altpolnischen  Sprachdenkmäler  zeigen  denselben  Ent- 
wickelungsgang  wie  jene  der  altböhmischen  Literatur,  nur  bleibt 
jene  an  Keichthum  und  Mannichfaltigkeit  stark  hinter  dieser  zurück. 
Zu  den  ältesten  altpolnischen  Sprachdenkmälern  zählt  man  jetzt 
die  von  Prof.  Brückner  entdeckten  Fragmente  der  Predigten  von 
St.  Kreuz :  doch  ist  hier  für  die  Gomposition  die  Ernte  sehr  gering. 
Man  liest  bog  vsemogjJcy  (wszemogjjcy),  boga  wszemog^cego,  wo- 
bei zu  beachten  ist,  dass  das  Gebetbuch  Navojka's  dafür  wszech- 
mog^cy  schreibt.  Die  letztere  Form  ist  die  noch  heute  übliche, 
aber  nicht  die  ursprüngliche.  Alle  Wortgebilde,  wo  im  ersten  Theil 
ein  Casus  obliquus  oder  beim  Adjectiv  die  adverbiale  Form  zum 
Vorschein  kommt,  sind  secundär.  Beachtenswerth  ist  noch  in  den 
St.  Kreuzpredigten  die  Form  des  Adjectivs  milosird  statt  des  später 
üblichen  milosierdny  oder  milosierny  (ohne  d] :  skutkiem  mitosir- 
dym.  Noch  findet  man  das  Adjectiv  bogobojny,  noch  heute  üblich. 
—  In  den  Gnesener  Predigten  begegnen  die  üblichen  Composita 
milosierdzie,  ztodziej,  kaznodzieja  und  auch  licemiemik  (vielleicht 
durch  das  böhmische  Medium  auf  das  Altkirchenslavische  zurück- 
gehend), ebenso  wie  im  böhm.  jednorozec.  Für  die  alte  Bezeich- 
nung BxcKpLCHATH  wird  im  Poln.  gebraucht  zmartwysta6,  also  eine 
zusammengerückte  syntactische  Fügung,  aber  auch  zmartwykrze- 
siö,  wo  die  verblasste  alte  Bedeutung  des  Verbums  den  Zusatz 
zmartwy-  veranlasste.  Heutzutage  macht  man  der  Sjoitax  noch 
grössere  Concession  und  spricht  geradezu  zmartwychwstac.  Vergl. 
noch  dem  ^'LHopHdbi^B  entsprechend  czarnoksi^inik,  davon  abge- 
leitet czamoksi^stwo,  wielkokroö  (frequenter).  Mit  nie-:  niewinny, 
niedowiarek.  —  Im  Florianer  Psalter  ist  die  Zahl  der  Zusammen- 
setzungen mit  nie-  die  grösste :  niedostatek,  niedostateczny,  nie- 
moc,  niemocny,  nieczystota,  niemitosc-niemilosciwy,  niem^dry,  nie- 
prawda-nieprawdziwy,  nieprawy,  nieprawedlnosc,  niepewny,  nie- 
pokalany,  nierozumny,  niesyty,  niestworzony,  nieuzyteczny,  nie- 


Die  slav.  Gomposita  in  ihrem  spracfageBchichtlichen  Auftreten.        41 

winowaty,  nieplodnosö,  nieumieüstwo ,  niezbozstwo,  niewiara, 
niewrz^dosö  (abusio:  neB-LpA^ocTb  ?),  adv.  nieporusznie  (inviolabi- 
liter).  Andere  Zasammensetznngen  sind  gar  nicht  zahlreich:  bez- 
winny  nnd  bezwiästwo  (mit  bez-),  wofür  üblicher  przez-:  przez- 
droie  (Weglosigkeit),  przezdziatkini  (kinderlos),  przezpicie  (sitis), 
przezwodzie  and  przezwodny  (Wasserlosigkeit,  wasserlos),  przez- 
winny  and  przezwii^stwo  (gleich  den  Ausdrücken  mit  bez).  Aus 
der  kirchenslavischen  Quelle  durch  das  böhmische  Medium  rührt 
her  Uogoslawiö,  Uogostawiony,  btogoslawienstwo,  und  da  man  den 
ersten  Theil  nicht  recht  verstand,  so  entstanden  Synonyma :  bogo- 
s^awic,  bogoslawienie.  Uralt,  oder  wenigstens  aus  dem  böhmischen 
Medium  herttbergenommen  ist  das  bereits  erwähnte  mil:osierdzie 
und  milosierdny.  Ebenso  wurde  bereits  jeduorozec  erwähnt  und 
cudzoto^ca  (adulter)  hat  im  Altböhmischen  sein  Vorbild,  ebenso 
cttdzoziemiec.  Durch  wöilliche  Uebersetzung  des  lat.  magnificare 
entstand  das  ungeschickte  Compositum  wielikoczynic  und  für  legis- 
lator  lautet  die  wörtliche  Uebersetzung  zakonanosca. 

Das  Gebetbüchlein  Nayojka's  beschränkt  sich  auf  Gompositio- 
nen  mit  nie- :  nieluby,  nieczysty,  niedostojny,  niemilosciwy,  nie- 
mocny  (auch  Subst.  niemoc) ,  nierozdzielony,  niewymowny,  nieprze- 
brany,  niebeirzany.  Mit  bez-:  bezmierny,  femer  wielmoiny,  end- 
lich die  bereits  erwähnten  Ausdrücke :  b^ogosiawic,  btogostawiony, 
milosierdzie,  mitosiemy. 

Das  Gebetbuch  Waclaw's  enthält  mehrere  Gomposita  mit  nie-: 
nieduch,  niechutnosc,  niezgodnosc  (discordia),  nieprzezpiecznosc 
(böhm.  nebezpecny),  niem^drosc,  niesmiara  (impatientia),  nie- 
poczestnosc  (irreverentia],  niesmialosc  (pusillanimitas). 

In  dem  bekannten  Lied  an  die  Mutter  Gottes  hat  die  Benen- 
nung derselben  bald  die  Form  bogarodzica,  bald  bogt^rodzica,  das 
richtigste  wäre  bogorodzica,  wenn  nicht  das  lat.  Vorbild  deipsLra  den 
Genitiv  gefordert  hätte.  In  der  Ausgabe  Bobowski's  (Polskie  piesni 
katolickie  od  najdawniejszych  czasöw  do  koüca  XVI  wieka)  liegt 
eine  reiche  altpolnische  Hymnensammlung  vor.  Da  die  Vorbilder 
dieser  Hymnedtexte  lateinisch  waren,  so  kommen  fast  gar  keine 
Gomposita  vor.  Man  findet  zwar  biogostawic,  btogosl'awiony  und 
bogoslawiony,  dobrodziejstwo,  licemiernik,  milosierdzie,  mitosierny, 
kaznodzieja,  zlodziej,  bogomy^lnosc,  wielmoinosö  und  einige  Ad- 
jectiva:  bogobojny,  cudzolo/ski,  dobrowolny,  swowolny.  marno- 


42  V.  Jagiö, 

tratny,  piworodny,  wielnioi^Dy,  —  allein  alle  diese  Beispiele  sind 
verschwindend  gering  gegenüber  dem  Umfang  der  Texte,  nnd  man 
kann  sieh  recht  lebhaft  vorstellcD,  welche  Fülle  von  Zusammen- 
setzungen dieselben  Hymnen  aufweisen  würden,  wenn  ihnen  nicht 
lateinische,  sondern  griechische  Vorbilder  vorg3schwebt  hätten. 
Vielleicht  nirgends  zeigt  sich  so  mächtig  derUnte^*schied  der  Beein- 
flussung seitens  der  griechischen  Diction  auf  der  einen  und  der  la- 
teinischen auf  der  anderen  Seite  wie  in  der  Hymnendichtung  der 
Südostslaven,  die  sich  in  den  griechischen  Fussstapfen  bewegte,  und 
der  westsla vischen  Hymnendichtung,  die  sich  nach  den  lateinischen 
Vorbildern  gestaltete. 

Ich  will  noch  aus  Nehring's  Altpoln.  Sprachdenkmälern,  ans 
Brückner's  Poln.  Glossen  in  lateinischen  Texten  und  einigen  an- 
deren  älteren  Werken  einiges  Material  zusammenstellen ,  das  un- 
seren Zwecken  dient  und  die  Gomposita  betrifft.  Auch  die  poln. 
Texte  kennen  das  im  Altböhm,  nachgewiesene  Wort  dobrodruistwo 
in  dobrodruistwo  m^zkie  (impetus) ,  ein  Vogel  heisst  graboluszka 
oder  grabotusk  (ascalaphus  avis),  die  Bürgschaft  in  der  Urkunde 
1389:  rankojmia,  jetzt  der  Bürge  r^kojemca.  EinGefäss,  utensile, 
lautet  szczebi*zuch  (Brückner  IV.  48).  Für  so-tilegium  steht  als 
Glosse  czamoksi^stwo,  für  biga  jednokole  oder  jenokole,  probmm 
ist  z^orzeczenie,  zum  Substantiv  cudzotostwo  findet  sich  auch  das 
Verbum  cudzoloiyc,  das  aus  dem  Böhm,  bekannte  dobrowolenstwo 
steht  als  Glosse  zu  arbitrium,  wielkomyslnosc  ist  magnanimitas, 
meloryb  das  böhmische  velryb  (cetus),  dtngoswiatnosö  Jonganimi- 
tas);  inochoda,  wie  im  russ.  hhoxoai>ip>,  vom  Pferd  gesagt,  es 
kommt  auch  inochodnik,  inochodniczek,  jednochodnik  vor.  Aehn- 
lieh  sind  gebildet  pierworodne  dzieci^,  marnotrawca,  nowoienia 
(sponsus),  przodochodzca  (praecursor),  darmochod  (vagus);  darmo- 
leg  (Faulenzer),  darmopych  (aufgeblasen),  pustopas  (frei).  Bei  Rej 
Joz.  cz.  findet  man  chudocnothiwa  niewiasta,  cLudorodny  ist  un- 
adelig. Vergl.  noch  die  Adjectiva  jasnopi^kny,  jasno^wietuy,  jas- 
Dowschodny,  obfitodajny,  ostrowidne  oczy,  roinoglosy,  roinoplotny, 
starodawny .  Mit  den  Substantiven  im  ersten  Theile :  ztotorod  (au- 
rigenum],  ptakoprawnik  (augur),  cialoi^erca,  piororuch  (ein  Vogel), 
welnobicie  (procella) ,  sniegorodna  zima  (Rej,  Joz.),  chleborodne  lato 
,ib.),  swarorodna  niezgoda,  kwiatopiodny  (florigerus),  m0ob6jca 
(Bielski),  pieczotowliwe  prace  (soUicitae  oecupationes)  Brückner 


Die  bIat.  CompoBita  in  ihrem  Bprachgeschichtlichen  Auftreten.        43 

111.95,  drogomilna  scieika  (Rej,  Joz.),  daszostratnj  (ib.),  kozowoii- 
ski  narod  (ib.),  Indolowna  Biatka  (ib.),  ludotratny  (ib.);  ironisch 
heissen  die  Aerzte  skörotnpcy.  Hierher  gehört  wohl  auch  OBoryja 
(valtur),  Bwi^tokrajca ;  zimostradka  (eine  Pflanze)  ist  so  gebildet 
wie  latorosl  (virgnltum) ;  gwiazdomocny  ist  Olosse  zu  astripotens, 
bojomocny  zn  palaestripotens,  r^kotariny  (c.  rukotri^ny)  zu  prodi- 
gas, wiatrolotny  szum,  wiatronogi,  wichrokr^tny.  Für  aruspex  und 
ariolus  findt  man  Glossen  czasoguSlnik,  swi^toguslnik.  Als  posses- 
siva  Composita  führe  ich  an:  ziotogtow  (Gold würz),  krasomowy 
'  (po^ta) ,  czamobrwa  (fusca),  dHgonogi,  ostrowidz  (lux),  ostrowzrok, 
blaskooki  (blesus),  krwawopienna  Iwica  (Rej,  Joz.),  pr^dkopiory, 
parskonosy,  siwoletnia  starosc.  Die  bekannte  Benennung  biato- 
glowa  für  Frauenzimmer  war  ursprünglich  ein  possessives  Compo- 
sitam  oder  aber  eine  syntactische  Wendung  biata  gtowa.  Rej  in 
Wizenmk  declinirte  noch  beide Theile:  zdradziö  biah^  gtow^,  ebenso 
Bielski:  wiodly  je  biale  gtowy.  Composita  mit  dem  verbalen  Theil 
in  der  ersten  Hälfte :  dr^cznoludna  zima  (Rej,  Joz.),  und  als  Impe- 
rativ: pasirzyt  (parasitusj.  Rej  nennt  einen  bigotten  Menschen: 
liiobrazek,  vergl.  noch  lapikufel  Saufbruder,  moczymorda  und 
moczywQS  id.,  luszczybochenek  Tellerlecker,  Schmarotzer. 

Auch  im  Polnischen  nimmt  der  erste  adjectivische  Theil  des 
Compositums  die  adverbiale  Form  an:  zlepoiywac  (abuti))  dobrze- 
s^awic  für  Uogosiawic,  daher  auch  dobrzestawienie  albo  btogosta- 
wienstwo,  aber  auch  dobroslawienstwo  (Sprawozd.  filol.  XH, 
10—11). 

Aas  dem  Substantiv  wielbl^d  machte  man  wielbr^d  (russ.  Bep- 
6.iK)A^),  aus  s^siad  wurde  volksetymologisch  samsiad. 

Meine  Auseinandersetzung  bricht  hier  ab,  sowie  im  Winter  des 
Jahres  1898  die  Vorlesungen,  aus  denen  sie  hervorging,  unerwartet 
abgebrochen  wurden.  V,  J. 


44 


Martyrinm  des  St  Dometins. 

(Cf.  Supr.  157—161.) 


Wir  bieten  im  Nachstehenden  den  griechischen  Text  der  Dometins- 
legende  Supr.  157 — 161.  Zunächst  wnrde  ans  der  von  nns^)  nachge- 
wiesene Text  ans  cod.  184  der  Moskauer  Synodalbibiiothek  f.  235' — 
237'  durch  eine  Abschrift  des  Herrn  Dr.  W.  von  Le  Jnge  zugänglich 
gemacht.  Er  stellt  sich  als  eine  rhetorische  üeberarbeitung  unseres  Ab- 
schnittes dar  und  weicht ,  obwohl  inhaltlich  übereinstimmend ,  im  Aus- 
druck ziemlich  stark  vom  slavischen  Text  ab.  Wir  verzichten  daher  auf 
seine  Wiedergabe  an  dieser  Stelle,  nachdem  Herr  J.  van  den  Oheyn, 
BoUandist  in  Brüssel,  uns  die  Legende  des  St.  Dometins,  dessen  Gedächt- 
nis Jim  5.  Juli  gefeiert  wird,  aus  cod.  Paris.  548  (Arch.  1.  c.)  zur  Ver- 
fügung zu  stellen  die  Güte  hatte.  Der  letzte  Theil  derselben  ist  unsre 
Legende,  die  durch  eine  Verwechselung  auf  den  23.  März  datirt  ist. 

Der  Inhalt  der  Legende,  deren  Schluss  wir  hier  zum  Abdruck  brin- 
gen, ist  folgender : 

Nach  einem  längeren  Proömium  wird  berichtet,  dass  Dometius  von 
Abbarus  (oder  Abarus)  in  Persien  zur  Zeit  Konstantins  des  Grossen  als 
noch  ganz  junger  Mensch  mit  Verlangen  nach  dem  Christenthum  erfüllt 
worden  sei.  Deshalb  mit  seinen  Eltern  zerfallen,  sei  er  nach  Nisibis  ge- 
kommen und  in  ein  Kloster  gegangen ,  wo  er  sich  durch  seine  strenge 
Askese  bald  so  hervorthat,  dass  eine  Spaltung  der  Mönche  in  eine  stren- 
gere und  laxere  Richtung  auszubrechen  drohte.  Deshalb  entwich  er  heim- 
lich und  zog  mit  einer  Karawane  nach  Theodosinpolis,  unterwegs  durch 
sein  Gebet  wilde  Thiere  und  einen  tenfliscben  Dämon  vertreibend.  Dort 
trat  er  ins  Sergiuskloster  ein,  das  unter  der  Leitung  des  alten  Archiman- 
driten  Nuben  (oderNubel)  stand.  Nach  18  Jahren  wird  er  seiner  strengen 
Askese  wegen  vom  Bischof  Jakob  von  Theodosinpolis  wider  seinen  Willen 
zum  Diakonos  und  bald  darauf,  als  ihm  wiederholt  bei  der  Eucharistie  der 
Heilige  Geist  als  weisse  Taube  erschienen  ist ,  im  Auftrag  desselben 
vom  Chorepiskopos  Gabriel  zum  Presbyter  geweiht.  In  feierlicher  Pro- 
zession soll  er  durch  die  Stadt  geführt  werden,  doch  weiss  er  sich  wieder 

1)  Arcb.  XVIII,  S.  143,  Nr.  14. 


Martyrium  des  St.  Dometias.  45 

durch  Flucht  dieser  Ehrung  zu  entziehen  und  gelang^  mit  einer  Kara- 
wane nach  6  Tagen  ins  Gebiet  der  Stadt  Eyros,  wo  er  in  der  Kapelle 
des  Kosmas  und  Damian  beim  Dorf  Kaproimandus  durch  ein  Wunder 
bekannt  wird.  Er  sucht  wieder  die  Einsamkeit  auf  und  geht  8  Millien 
nordwärts  zum  Dorfe  Parthen,  wo  er  in  rauher  Gebirgsumgebung  lebt, 
nach  und  nach  von  vielen  aufgesucht  wird  und  viele  Wunder  verrichtet. 
unter  Julian  erfolgt  sein  Martyrium,  das  im  Folgenden  erzählt  wird. 

Zu  Zeit  und  Ort  des  von  uns  mitgetheilten  Abschnittes  bemerken  wir 
nur,  dass  der  Bericht  an  Julians  Aufenthalt  im  syiischen  Antiochia  362/3 
anknüpft,  genauer  an  seinen  Aufbruch  zum  Perserkriege  und  Marsch  bis 
zum  Euphrat  5.  März  —  13.  März  363.  Die  Auffindung  der  Reliquien 
ist  dann  365  anzusetzen.  Die  Stadt  Kyros  (gewöhnlich  Kyrrhos  ge- 
nannt), bei  der  die  Geschichte  spielt,  liegt  etwa  100  km  nordöstlich  von 
Antiochia. 

Legende  des  SL  Dometius 

nach  einer  Abschrift  der  Boüandisten  zu  Brüssel, 
Aus  Cod.  Paris.  548  (cf.  Supr.  p.  157—161). 

74^.  ^lovkuxvbg  yhq  röve  b  ßaaiXehg  xara  ttjv  Jiyrtöxov  TtöXiv 
TtaQeyevsTOj  sl  ye  ßaaiXia  XQ^  inBivov  iTtovofjidaai  äQuoiarig 
ccir^  xal  rij^  TtQogtJfnffilag  rb  TtaQaßdTYjv  xal  Svofiov  ^)  xai,ela6ai 
adr&Vj  Sri  vicg  ivrolicg  xov  6eov  Ttagaßag  xal  ttjv  &lt]diri]v  xai 
(xcmaQlav  tcIotlv  tüv  XjQiaTiavCJv  idsTifiaag  eidwlotg  Wvasv. 
odrfog  yiß  TtQÖveQOv  &vayv(Ag  xai  fiaOcjv  tie  xov  xvqIov  Xöyta 
xal  xBiQotovriOelg  xal  lyxBiQiaag  %olg  ixQ^^^^^S  fivOTrjQlocg  xal 
T^  Oeltp  OvocacTrjQltp  Tta^aaricg  Ttaqaß&vriv  kavrbv  srcolrjaB  ys" 
viaßai.  dv  b  debg  &g  ivd^iov  Tfjg  dö^rjg  advov  e^ecjaag  i^ovdi- 
vfjfia  eTtolrjasv^y  oixog  xbv^Ioiöav  (Äifirjodfievog  b  deilaiog^)  elg- 
eXOiav  Big  zrjv  Jimöxov  nbXvu  xfig  TtQCJVi^g  twv  2{fQ(ov  BTtaqxf-^S 
Tovg  fiBv  T^g  eiasßBlag  ädXriTag  böUoxbv,  SkXovg  dk  rb  dsiov 
ripayxat^v  äQVBiadai,  dmag  nkrjQcodfj  rb  BlQrjfiivov'  TtovrjQol  dk 
ävdgianoi  xal  yörjTBg  TtQoxöipovacv  inl  rb  j^eJ^o^  nkapiovTBg  xal 
TfkapüßfiBVOi,  fjv  yctQ  6  ävrjQ  Ttavovqyog  xal  döXcog  xal  iXa^ojv, 
älka  xal  xofiipbg  rrjv  'EXkrjvtxriv  TtacöslaVy  Hfia  dl  xal  xoXaxBV- 


<)  avofAoy]  fioyoy  Ms.  ^}  Inoirjixev]  inoirjXBv  Ms. 

')  ^Maiog]  ^BiXeog  Ma. 


46 


R.  Abicht.    H.  Schmidt, 


TiTcbg  xal  dt  mcoaxioeug  xal  döaeiog^)  xQW^'^^'^  äTtar&v  xal 
viroaxekl^ayi/  ticg  tpvxhg  ribv  äazriQUTiJv.  dg  elgekdwv,  üg  ngo- 
elQrjvai,  elg  Tijv  tcöIiv  Jimöxov  zijv  ixxXtjalav  Ttjv  fieydlrjv  rijv 
V7th  %ov  ßaacXiwg  Kfovatavrivov  olxodofirjOeiaav  k^iß^iasv'  Tiäaav 
yaQ  I  75^  (paxvaig  ^TtJtcjv  ETtXiiqiaaBV  j  %ov  de  tötcov  tov  aylov 
ßvaiaOTTjQlov  riß  idl(p  i7t7t(p  elg  qxivjnjp  ijtiveifjiev.  rotavta  xal 
Tooavza  ietvh  kv  rolg  Oeloig  aeßda^aow  iTteöel^axo  b  fiiaQÖg. 

Kai  6fj  rovTOv  nöXeixog  ixdXei  jiaovqLiav  eniaxQa%svG&v- 
Tcjp  avT0  xal  xanfjTteiyev  airbv  fj  äpAyiirj,  e^'qQx^'^^  (^^^  ^^^ 
ö  xoiovTog  irtl  xov  TtöXe^iov.  %axh  dh  xijv  bd6v  xiveg  \  Supr.  158 
xaxh  xov  JopLerlov  xoixtp  nqogeXOdvxeg  xhv  dUaiov  dtißaXXov 
yvövxeg  xhv  axoTtbv  xov  ßaaiXitjg  ivxlTtaXov  Svxa  xolg  x^g 
evaeßelag  diddyfiaaiv ,  &  xal  fiefidOi^xe  nqöxeqov  äpayvoOg, 
negl  &v  xal  %(p^]  b  ivaiöiig'  äviyvwv,  eyvwv  xal  xaxiyvtuv. 
xal  xoixtfi  xig  xCjv  eiaeßcjv  Avxexelvexo  Xiycjv  ei  &vayvovg 
eyvtogj  oix  üv  xaxiyvcjg.  xöxe  oiv  b  xiqavvog  äcfiivcjg  &7to- 
de^&fievog  xovg  diaß&XXovxag  xhv  dlxaiov  iTtex^lvaxo  Xiycjv 
hyi)  iXdijv  ipielxpoixaL  xhv  xaxa  xhv  Oehv  xi^Qvxa  ßovXöfievov 
xaXeladai,  Kai  ixoiaavxeg  ol  delXaioi  ^ydXXovxo  knevx^f^evoi 
x^  xvQ(iw(p  köqaiav  xal  &(xexav6rixov  yeviadai  naq  aixov  xrjv 
elg  xoifg  Xqtaxiavovg  (xavLav,  xal  dqafjiövxeg  elg  xh  aTc/jXaiov 
xov  hylov  JoiiexLov  eldov  adxhv  wgel  ayyiXov  ^OQg)ijv  ^x^^^^t 
eoxüxa  xal  xexafiivag^)  ?;coyTa*)  xitg  x^^<xg  elg  xhv  oi^avhv  xal 
xrjv  eix^Q^'^^Q''^^'^  ^id^iv  ävani^Ttovxa  x^  6e^  Sfta  xolg  adxov 
Ttaialv  xal  fxaOrjxaigj  olg  lyivvrjoev  iv  xolg  xfjg  eiaeßelag  diddy- 
(.laoLV.  xal  TtQwxov  ^ev  ixdafxßoi  yevöpievoi  %Xeyov  Ttqhg  iXXri- 
Xovg*  xL  üv  dwriaöfieOa  irtidelvat*)  xaxa  xov  xotoifxov  ävd^bg 
TtXrjfifxiXfjfia  ^  noLav  alxlav  evQrjaofiev  elg  7tQ6q)aaiv  xov  äve- 
Xelv  aixöv'y  xal  ol  ^kv  \  75"  eXeyov  f^tj  xxelvfa^ev  aixhv  xal  fjirj 
xxrjodjfjieda  aixaqxiav.  &XXa  öub^io^ev  aixhv  &7th  xwv  bqiwv 
xoivwv,  SXXoL  %Xeyov'  l'de,  UXov  xhv  Xahv  imavX^  xal  n&vxeg 
Tttaxeiovaiv  *)  elg  xhv  Ix  Maglag,  dv  eaxaiqwaAv  Ttoxe  wg  S^iov 
Oavdxov  ol  ^lovdaloi.  fj^elg  oiv  ojg  xaxic  XQiaxiav&v  dqyito- 
fiivrjg^)   avyxXrjxov  xal  fjyefiövayv  avveqyoivxuv  xovxov  (povei- 


')  doüBfos]  StacBiiis  Ms. 
3]  l/orra]  in  margine  Hb. 
5)  niCTBvovüiy]  -oxr««'  Mb. 


*^  tejafjiivas]  XBxafifjLivas  Ms. 
*)  IniBBivat]  inißrjyai  Ms. 
ö)  ^QyiCofÄiyijg]  -o/aero^  Ms. 


Martyrinm  des  St  Dometins. 


47 


Gtjfiev.  rig  yctQ  &  Tcwlifoiv  tovtov  avaigeladai;  devre  oiv  Xwfier^) 
xaz  avr&v.  xcri  Inavaßivreg  In&viü  tov  &vrqov  eldov  airchv 
larifievov  xal  TtQogevxdfiBVOv  ^era  tCjv  dvo  vrjTtltav  xaJ  rr^v 
yßaXfjitpdlay  Ttoioiffisvov  rf^g  ^xrrjg  ßqag,  xal  Xiyovoiv  aix(^'  ?§- 
bXOBj  TcAfie  elg  rj/^  atQforrjv  diit  töv  ßaatkia-  ^iXXsi  yccQ  TtaQct" 
yivBaOai.  b  dk  odx  äTtBXQidrj  aixoig  Xdyov^  äXX^  ^v  TtQogxaQteqwv 
Tfj  nQogevxfl'  xai  n&Xtv  elnov  airt^'  i^eXde,  vA^e  Iv  rfj  bdo- 
azQwoiq  dih  rhv  ßaaiXia'  fÄiXXsi  yag  q>diveiv.  b  3k  fitj  ßovXö- 
fisyog  TTjv  TtQogevxrjv  duxxöxffai,  oix  äTtBx^lOrj  avxolg  X6yov, 
tvBiiag  Sk  wg  Xiovveg  ol  alfxoßÖQQOi  &Qfxriaav^)  int  rhv  dlxaioVj 
ßoixovxeg  Toifg  dd&mag^  xal  Xaßövreg  Xidovg  \  Snpr.  p.  159  iXiOo- 
ßöXaw  avrbv  xal  rovg  öio  Ttaidag  airov  xal  fiadrjTÜg,  inl  ro- 
aovTOP  dh  kXidoßöXrjaav  airoißg  ol  alfxoßÖQQOij  «wg  Stov  &v€- 
yifiiaav  ri  OTtriXaiov  XWojVj  ägre  fiij  q>alv€odai  rb  Svtqov.  xal 
oijTwg  XißoßoXoiiiBVog  b  dlxaiog  ohv  rolg  vrjTcloig  TtaQsdoßxev  rb 
ftvBVfia  x(p  6B(p  TtQogBV^ifiBvog  xal  bItviüv  rb  Afxiiv,  xal  yiyovBV 
t4>  dixalfp  xal  roig  avv  avztp  natolv  Tdq)og  rb  anriXaiov.  xal 
dqaiiövTBg  ol  rbv  dlxaiov  &noxTBLvavTBg  iffiiyyBiXav  z^  äoBßBi 
ßaOiXBl  Ttivra  rh  yBvöfXBva  xal  Sri  adrol  xbv  dlxaiov  ScTtixTei- 
rav,  I  76'  tötb  b  ßaaiXBvg  ixiXBVOBv  aixohg  ävaKrjTBiv  xal  xtbi- 
vBiv  rohg  Tfjg  BioBßBlag  xi^Qvxag. 

'O  fiBv  oiv  TÖJtog  TOV  aylov  ^o^btIov  äfpavrjg  xal  &3i^Xog 
yiyo^Bv  roig  xax^  airtov  ixTtBfxtpOBiaiv  Xidoig  xaXvq)dBig^).  b  ök 
TÖJtog  Tfj  (fyÖGBi  Tfj*)  aiTov  InBLyö^Bvog  ivicpv  TtXfjOog  äyQiwv 
ßoTavwv  ixavdwdcjv.  oVtcj  yiiQ  xal  fiBXQi  Tfjg  üi^^bqov  VTt&qx^^ 
6  ßXaOTbg  tov  SQOvg  ixBlvov.  öiadqa^övTog  ob  öiBTOvg  xQ^^'^ 
avfißalvBi  BfiTto^dr  Teva  Tag  kavrov  xa/^TfjXovg  iyayövTa  ix  T^g 
bdov  XaßBlv  xal  iv  t^  Ilagdiv  xTifj^aTi  ßoaxfjaai  aiTag^  diix  to 
Tilg  AxivOag  &vaq)iBadai  iv  t^  TÖTtq)  ixBlvq).  ßoaxofxiva)v  ök 
Tibv  xa/Äi^Xtov  ixBlOB  xaTcc  owTvxlav  Tivä  fila  i§  adTCJv  AtvbX- 
ßovaa  nXfialov  v^g  xw^irjg^)  Blgi/JBi  bv  tivi  tötvi^  artoQL^ifi  ßoaxr^- 
Ofjvai'  Tairrrjv  dk  Idiov^)  b  tov  XTij^aTog  (piXa^  xaTidgafiBv  ano- 
aoßfjaai'^)    ix  Tfjg   &Qoi)Qag'   avvißrj    dk  xaTa6iiüxof.iivriv   avTrjv 


1)  liafiey]  eidoifÄSy  Ms.     Fort,  idtofiey  to  r.at    avxov,     Snpr.  BHAHM'K 


^  toQfifl^av]  oQ/nijaay  Ms. 

*)  Vi]  ^VS^  Ms. 

•)  idfoy]  ei^ioy  Ms. 


3)  xaXvtpOeig]  xrtfiffdBig  Ms. 

5)  xijifjirjg]  xofATjg  Ms. 

")  fcnoaoßrjaat]  anofftoßijaai  Ms. 


48  H-  Abicht    H.  Schmidt, 

Tteaeip  Iv  rfj  Tdq)i^  ymI  Tclaad^vai  avr^g  rhv  Ttöda  tuv  de^ihv 
Twv  %ii7tqoaOev.  xai  dtakexrov  yevogxiprig  ^)  fiexa^v  tov  (pvkaxog 
aal  TOV  xaivrig  deaTtdvov  eQQiipEv  airijv  Iv  T(p  S^ei  iv  t^  rÖTvqfj 
oi  fy^  %CLTBx6fiBvov  T^al  ayvooifiBvov  vh  kelipavov  tov  aylov  -s/o- 
(xbtLov.  aTVBkOövTog  odv  tov  TaifTrjg  ÖBanÖTOv  Big  Trjv  Kvqbüt&v 
TtöXiv  BVTvxslv  I  Supr.  p.  160  xari  tov  q)vXaxog  tov  Ilaqdhv  xttj' 
fiaTog  xal  Tfjg  Tcafii^kov  kadBlarjg  bxbZob  kjtl  i^iiQag  TBoaaQag, 
xBipLivrig  avTfjg  ^)  bv  t^  tötci^  ixBlvip  xal  ßia^Ofiivrjg  ^)  iyBQdfjvai 
xai  Thv  xBxlaOfÄivov  Ttöda  aTtjQl^ai  avvißr]  TtaTrjOavTa  xaTaßfjvai 
avTilg  Thv  Ttöda  Big  Trjv  ÖTtrjv  tov  OTtrikaloVj  BvBa  -ri  Siytov  XbI- 
xpavov  TOV  d^-|76^xa/ot;  VTtfiq^BV  (iBTa  tQv  aiTOV  i^aOrjTwv  xat 
BvOiwg  BOTrjQixOrj  b  Ttovg  Tfjg  xafirjkov  %al  vyiijg  yiyovBv,  irtL- 
cpOdaag  oiv  b  TaifTtjg  dBOTtÖTrjg  BÖQafiBv  krt^  a^T'fyi^.  fj  dh  ycdfitj- 
kog  idovaa  aixöv^  avaaTäaa^  vyifj  sxovaa  tov  iaVT^g  Ttöda  idqa- 
(XBV  xat  awiiVTriaBv  Tip  BavTfjg  dBOTtÖTTj,  b  äi  Bxdafißog  yBVÖ- 
fiBvog  %aTaTO  aivwv  xal  öo^d^wv  tov  Oböv,  oi  ob  avvBkOövTBg 
aiTtj^  BlTtov  TtQog  avTÖy  tI  tö  Ttaqddo^ov  tovto]  b  dk  BlTtBV 
BV  T0  TÖ7t(p  B%Biv(fi  Biaoa^)  aifTrjv.  ol  dh  BlTtov  dBVTB^  XdcnfXBv^) 
Thv  TÖTtov.  xal  &TtBk0övTBg  Biqov  BV  T<p  TÖTt(p  ÖTtijv  ßadBiav  xal 
BvOiiog  TLvig  b^  aiTUJv  BlTtov  •  ikrjdcjg  b  tov  aylov  ^ofiBTlov  tö^ 
Ttog  IgtI  xal  TtdvTwg  wdB  Bd^ijaof^Bv  Th  Syiov  aiTov  kBltpavov. 
xal  dgafiövTBg  V^vByxav  TtQBoß'ÖTBQOv ,  %va  Ttoi'fjar]  bvx^v  iv  t^ 
TÖitip,  ol  di  kaßövTBg  dqifyux  xal  axakidia  ÜQv^av.  xal  bvqöv" 
TBg  Th  kBlipavov  ävifjyayov  ^btcc  xfjakfiqßdlag  xal  Tc^fjg  Tfjg  dq>Bi'- 
kofjiivrjg  xal  Bigrjyayov  Big  Ttjv  ixxkrjoiav  tov  üaQÖhv  XTififiaTog. 
xal  Ttokkov  Sxkov  GwdQafiövrog  xal  (xikkovTog  tcc  kBlipava  duxQ^ 
TtdJ^Bcv  BTtBTifjiifjOrjaav  ol  OTaoLwdBcg,  ol  dk  tüv  aylcjv  igaoTal 
kaßövTBg  TCC  kBli/java  xaTiOrjxav  bv  t^  oyltp  oix(fi  bv  firjvl  IIa- 
vifKp^)  Tti^TtTj]  TtdvTCJV  övvBkOövToiv  iBQicJV  TB  xal  xkrjQi.XWVj 
fxovaxiäv  TB  xal  iQxcf^avdQiTwv  xal  ka'ix(bv,  AvdQUiv  tb  xal  yv- 
vaix&Vj  ägTB  BTtiTBkiaaL  boqttjv  fXBydkrjv  Biog  TtBVTBxaidBxdTrjg 
TOV  Ilavifiov  u}]vög. 

1)   diaXixTOv  yByofjtiyrjg]  diaXexToyovfAivris  Ms. 
^)  XBifiiprjg  avTi^g]  xetfiiinj  aixrj  Ms. 

3)  ßta^ofAipris]  ßia^ofiivrj  Ms.  *)  B^aca]  laca  Ms. 

i>)  i&iOfiBv]  etdüifuey  Ms. 

^  navifjKf]  in  marg.  Ms. :  xata  Maxe^ovas  'lovXit^  I.  UavBfJiog  entspricht 
in  der  Regel  dem  Boedromion  oder  Metageitnion. 


Htrtyriam  des  StDometioB.  49 

Snpr.  p.  161.  Oirog  6  rov  &ylov  JoiiBxlfyv  ßlog^  oiroi  ol 
%ov  dixalov  xÖTtoij  TtQiTtovreg  da^  xal  ivd^ünoig^  dih  voivfay 
VTtb  Obov  fiev  iTceQßakXivTCjg  TerlfÄtitai ,  rifiä\[lV)Tai>  dk  imb 
ßaaikiiov  xal  7tqog;KWBl%av  imb  Uqiiov  %al  dsoasßöv  kawr.  Sg 
xal  ftaQQYjalav  %xwv  TtQeaßeisi  ijthq  fjfiwp  nqbg  %bv  Ttav  Sktov 
dsby  oiv  T^  iiovoyBVEl  aivov  vl%  xvqlifi  8h  ijf^Civ  ^Irjaov  Xqujt^j 
i]}  Ttginei  Ttäaa  dö^Oy  rtfiij  %al  TtQogxirrjaigf  vw  xal  iel  xal  eig 
Tovg  alGivag  %(bv  aUbvcjv  ifii^v. 

Dr.  phil.  Rudolf  Ahichi,        Dr.  phil.  Hermann  Schmidt 


Ans  der  angarischen  Sla?eiiwelt 


Die  folgenden  Bemerkungen  sind  durch  zwei  Arbeiten  hervor- 
gerufen;  diese  Arbeiten  sind: 

1.  ETHorpa«i^Hi  MaTepHfljEH  3  yropcKol  FycH,  siöpan 
BojtOAHMHp  rnaTiOK,  im  £THorpa«i?HHH  36ipHHK  der  §ew8enko- 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Lemberg,  als  T.  III  und  IV,  1897 
und  1898,  erschienen,  und 

2.  PyciiKi  oceJl  b  Ea^i^I,  von  demselben,  in  den  SanncKH 
der  äewSenko-Oesellschaft,  B.  XXII,  1898. 

Es  ist  schon  mehrmals  mit  Bedauern  ausgesprochen  worden,  wie 
wenig  den  Slavisten  tou  der  interessanten  kleinrussischen  Welt  und  den 
daran  grenzenden  Völkerschaften  im  Ostlichen  Ungarn  bekannt  ist.  Um 
so  wflnschenswerther  wäre  es,  dass  tüchtige  Arbeiter  dieses  Feld  un- 
Ters&umt  und  in  mehreren  Richtungen  untersuchen  würden,  weil  die 
Magyarisirnng  der  Gegend  rasch  vorwärts  schreitet,  wie  auch  andere 
assimilirende  Einflüsse  sich  den  Rusnaken  gegenüber  geltend  machen; 
davon  zu  reden  habe  ich  schon  früher  in  meinen  Arbeiten  über  einige 
Dialekte  dieser  Gegend  Gelegenheit  gehabt. 

Jeder  Versuch,  uns  von  den  ziemlich  isolirten,  wenig  entwickelten 
Rusnaken  Ostungams  Nachrichten  zu  geben,  ist  deshalb  mit  Freude  zu 
begrüBsen.   So  auch  die  nicht  unerhebliche  Materialsammlung  aus  dem 

ArekiT  fftr  sUriicli«  Philologie.  XXI.  4 


50  Oktf  Brook» 

Lefesden-  und  MftrcbeDSchats  der  kleinen  rnftiakischen  Nation,  die 
Herr  Hnatjnk  wfthrend  mehrerer  Reisen  in  den  Komitaten  Maramaros» 
Bereg,  Ung,  Ugocsa  und  Ztemplin  mit  groesem  Fleiss  in  den  vielen  ser* 
strenten  Dörfern  gesammelt  nnd  als  »ETHorpa^iw  Ma'repHjuHt  ans- 
gegeben  liat.  Die  Ausgabe  ist  dabei  bftbseh  nnd  klar,  die  einzelnen  Er- 
zttUaagea  von  dem  Sammler  mit  reichen  Pwallelangaben  ans  Shnlicher 
Literatur  versehen,  ausserdem  auch  ein  kleines  Glossar  der  localen  Wör- 
ter beigegeben )  so  dass  die  Arbeit  in  mehreren  Hinsichten  ohne  Weite- 
res zu  rtthmen  und  empfehlen  ist.  Deshalb  bin  ich  denn  auch  überzeugt, 
Herr  Hnatjnk  werde  mir  es  nicht  Abel  nehmen  oder  missverstehen,  wenn 
ich  bei  seiner  Arbeit  eine  Seite  angreife,  die  ich  schwächer  finde,  näm- 
lich die  Wiedergabe  der  Laute,  besonders  der  Vokale  der  betreffenden 
Dialekte. 

An  gutem  Willen  hat  es  dem  Herausgeber  der  hier  besprochenen 
Sammlung  nicht  gefehlt.    In  der  kurzen  Einleitung,  wo  Herr  Hnatjuk 
eine  flflchtige  —  auch  aus  anderer  Hand  bekannte  —  Uebersicht  über 
die  ugrorussischen  Dialektgrnppen  gibt,  spricht  er  es  denn  auch  aus, 
er  meine  in  dem  von  ihm  ausgegebenen  Material  eine  Grundlage  zu 
einer  Dialektologie  zu  geben,  auch  in  phonologischer  Hinsicht.   Hierzu 
finde  ich  nun,  dass  die  Ausführung  bei  Hnatjuk  nicht  genügend  sein 
wird.   Ohne  unbescheiden  vorzukommen  darf  ich  bedauern,  dass  der 
verdienstvolle  Sammler  sich  mit  meiner  Dialektstudie  im  Arohiv  f.  sl. 
Ph.  XVII  nicht  voraus  bekannt  gemacht  hat.   Er  sagt  in  der  Vorrede: 
j»  y  Hac  AHHjeKTOJiborifl  ne  tIjilko  ii^o  ho  o($po6jieHa,  ajie  Maaxe  ne 
THKana« ;  aber  die  erwähnte  Studie  über  einen  ugprornssischen  Dialekt 
(zum  Eleinrussischen  in  Ungarn)  war  doch  früh  genug  erschienen  (1895) 
um  von  Hnatjuk  durchgesehen  zu  werden.    Sie  bietet,  wie  ich  meine, 
wenigstens  einen  Ausgangs-  oder  Anhaltspunkt  bei  der  Erforschung  der 
ugrorussischen  Dialekte,  besonders  in  lautlicher  Hinsieht.    Man  wird 
vielleicht  einwenden,  dass  die  Arbeit  zu  speciell  ist  um  ohne  besondere 
phonetische  Schulung  gelesen  zu  werden;  aber  die  wesentlichen  Punkte 
der  Darstellung  lassen  sich  doch,  wie  ich  z.  B.  in  Ostungam  persönlich 
gesehen  habe,  von  einem  gewöhnlichen  gebildeten,  interessirten  Beob- 
achter ohne  Schwierigkeit  fassen,  um  so  mehr,  falls  man  die  ugrorussi- 
schen Dialekte  um  sich  hat,  sodass  jede  bei  mir  erwähnte  Erscheinung 
sogleich  kontrollirt  und  bemerkt  werden  kann.  So  hätte  es  Herr  Hsatjuk 
wenigstens  auf  seiner  zweitenReisethun  können,  und  gewiss  mitVortheih 
Der  Zufall  wollte  es,  dass  die  Sammlung  Hnatjuk's  uns  Proben  aus 


Aus  der  nngaritehen  Slavenwelt.  51 

dMBB^ben  Der£e  bietet,  au  dem  ich  das  Material  en  mmner  Beschreibung 
«ÜMfl  i|gnMra8fliadie&  Dialekts  gehoh  habe,  nAmlich  Ublya  im  Eemitate 
Zen^lin.  JA  habe  selbst  den  alten  Volksschullehrer  B4pay  —  den 
Vater  meines  Temdunsten  Gewährsmannes  —  gesprochen,  aas  dessen 
Muide  Herr  Hnatjnk  einige  Sachen  gehört  hat.  Eben  ans  diesen  Proben 
ist  mir  deshalb  gleich  ersichtlioh,  wie  mangelhaft  die  lantiiche  Wieder- 
gabe bei  Herrn  Hnatjnk  in  einigen  Hinsichten  ist ;  daraus  die  folgenden 
belenehtenden  Punkte. 

Aus  der  Besohreibung  des  UblysrDialekts  hier  im  Archiv  B.  XVII 
und  XIX,  wird  einem  jeden  auffallend  sein,  wie  reich  nuanoirt  das  Vokal- 
syston  des  Dialekts  ist.  Nun  darf  man  ja  nicht  erwarten,  dass  der  nicht 
als  Lantforscher  etwas  geschulte  Beobachter  alle  die  Nuancen  gleich 
fassen  soll.  So  ist  es  nicht  sohwierig  Herrn  Hnatjuk  zu  vergeben,  wenn 
er  a.  B.  den  Unterschied  der  zwei  o-Laute  (bei  mir  o  —  6  bezeichnet), 
der  in  vielen  der  ngrorussischen  Dialekte  hörbar  ist,  nicht  bemerkt  oder 
wenigstens  nicht  bezeichnet  hat.  Zwar  ist  dieser  Unterschied  leicht 
genng  vernehmbar,  nämlich  ungefähr  derselbe  wie  zwischen  norddeut- 
aehem  »Stock«  und  x gross«;  auch  ist  er  fttr  die  Feststellung  eines  der 
merkwflrdigstenZflgedesUblya-Dialekts,  der  »Vokalharmonieer,  wie  ich 
es  genannt  habe  [tnoroz  —  mirözt  u.  v.  a.) ,  von  höchstem  Interesse ; 
und  bei  dem  Sprechenden  waren  die  zwei  Nuancen  ganz  bewusst  ge- 
trennt. Aber  die  gesetzmässigen  Grenzen  der, zwei  Nuancen  sind  nicht 
ftberall  so  leicht  zu  ziehen,  die  verschiedenen  Individuen  —  und  gewiss 
aneh  Dialekte  —  sprechen  darin  etwas  verschieden,  ja  dieselbe  Person 
kann  beiderlei  Nuancen  in  derselben  Form  neben  einander  kennen,  und 
so  bedarf  es  neben  einem  ziemlich  scharfen  Ohre  auch  wohl  einer  be- 
sonderen grammatischen  Durchnahme  des  Stoffes,  um  hierin  wirklich 
anziehende  Erscheinungen  zu  finden,  die  es  verdienen,  in  der  Bezeich- 
nnng  wiedergegeben  zu  werden. 

Ebenso  wird  man  Herrn  Hnatjuk  leicht  vergeben,  wenn  er  in  der 
Beseiohnnng  der  reich  nuancirten  i-Laute,  wie  ich  meine,  hie  und  da 
kaum  das  richtige  getroffen  hat.  In  dieser  Frage  ist  übrigens  sein  gali- 
ziaehea  Ohr  fUiiger  gewesen ;  die  Bezeichnung  des  Unterschieds  zwischen 
wide-i  und  narrow-i  gehört,  im  Ganzen  genommen,  zu  dem  in  phoneti- 
seher  Hinsieht  gelungensten  seiner  Ausgabe. 

Aneh  dass  die  zwei  e-VokalC;  die  ich  seinerzeit  durch  e — ^  wie- 
dergegeben habe  (ve^l. ungefähr  die  erste  Silbe  des  deutschen  )) Männer« 
mit  aSee«),  von  dem  Herausgeber  nicht  getrennt  sind,  darf  man  vielleicht 

4* 


52  OlafBrocfa, 

niclit  za  sehr  tadeln.  Nicht  jedes  Ohr  ist  zum  Unterscheiden  der  zwei 
Nuancen  völlig  fthig,  wenngleich  die  Slaven  bekanntlich  nicht  nach 
»fremden«  Ländern  zu  gehen  brauchen»  nm  sie  zu  konstatiren.  Dnrch 
diesen  Mangel  bei  der  Bezeichnung  Hnatjnk's  gehen  wiedemm  sehr  in- 
teressante Züge  der  ugrornssischen  Dialekte,  die  ich  in  meiner  Arbeit 
im  Archiv  XVII  genügend  beleuchtet  habe,  verloren.  Nur  Spuren  davon 
lassen  sich,  wie  sich  unten  zeigen  wird,  auch  aus  der  Bezeichnung 
Hnatjnk^s  nachweisen  —  NB.,  falls  man  die  betreffenden  Dialekte  selbst 
gehört  und  stndirt  hat.  Ich  will  aber,  wie  gesagt,  auch  diesen  Mangel 
bei  der  Arbeit  Herrn  Hnatjuk's  nicht  zu  strenge  beurtheilen. 

Leider  hat  aber  die  angewöhnte  Bezeichnung  der  normirten  litera- 
rischen kleinrussischen  Sprache  in  Galizien  Herrn  Hnatjuk  verleitet, 
Vokallaute  des  Ugrornssischen,  wenigstens  der  mir  bekannten  ugro- 
russischen  Dialekte,  zusammenzuweifen,  die  so  verschieden  sind, 
akustisch  wie  etymologisch,  dass  das  ganze  Dialektbild  falsch  wird, 
wenn  man  sie  nicht  trennt.  Man  nehme  z.  B.  das  Wort  KyiraytfH  bei 
Hnatjuk,  grossruss.  KyinurB  6ij.  Aus  der  Form  Iftsst  sich  nur  schliessen, 
dass  das  alte  i  (h)  und  das  alte  y  (u)  in  einem  gemeinsamen  Laut  zu- 
sammengefallen sind.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  Im  Gegentheil  ist 
das  y  (u)  des  Ublya-Dialekts,  und  besonders  nach  Labialen,  wie  ich 
seinerzeit  ausgeführt  habe,  ein  so  weit  nach  hinten  liegender  Vokal  — 
high-back  bis  nach  mid-back,  um  die  technischen  Wörter  anzuführen  — , 
wie  man  den  Repräsentanten  des  alten  rs  in  den  slavischen  Sprachen 
seltener  findet,  während  das  t  auch  betont  (t),  doch  unbedingt  den  vor- 
deren (front)  Vokalen  angehört.  Das  genannte  Wort  ist  nach  meiner 
Transskription  als  kujA^by  zu  bezeichnen.  Es  lässt  sich  nicht  sagen, 
dass  es  Herrn  Hnatjuk  schwierig  gewesen  wäre,  ein  passendes  cyrilli- 
sches Zeichen  für  das  y  zu  finden;  bi  liegt  mehr  als  nahe. 

Verfolgen  wir  aber  den  sehr  weit  gedehnten  Gebranch  des  Zeichens 
H  bei  Hnatjuk  weiter.  Wie  oben  gesagt,  trennt  der  verehrte  Sammler 
die  zwei  Nuancen  e  und  i  nicht  auseinander.  Er  hat  z.  B.  n6pyH  uud 
Ha  H66i;  pesi^cjo  und  HSMCJ^Tiy  (sa^JceT^j^),  wo  die  zwei  letzteren 
nach  den  bei  mir  auseinandergesetzten  Principien  des  Dialekts  das  ge- 
schlossene, enge  e  (^j  hat.  Weiter  finden  wir  aber  z.  B.  khab  —  bei 
mir  kSifjkit'j  als.  Hier  hat  der  Herausgeber  somit  das  enge  e  bemerkt ; 
es  hat  ihm  aber  an  Uebersicht  gefehlt,  so  dass  er  den  Laut  »so  unge- 
fähr« mit  dem  h  z.  B.  aus  einem  as^th  (geben}  bezeichnet  hat. 

Von  dem  offenen  e,  wie  von  den  offenen  Vokalen  des  Ublya-Dia- 


Ans  der  nngariachen  Slavenwelt.  53 

lekts  überhaupt ,  habe  ich  in  meiner  UnterBuchang  ausgesprochen,  dass 
es  in  unbetonter  Lage  eine  Neigung  zu  einer  etwas  geschlosseneren  Aus- 
spräche  hat.  Dies  hat  auch  Herr  Hnatjuk  öfters  bemerkt  Nach  meiner 
Meinung  kommt  es  dadurch  dem  i  nahe  —  ich  werde  es  nicht  bestreiten, 
wenngleich  ich  ftlr  viele  Fälle  anderer  Meinung  bin  —  und  wir  finden 
es  bei  ihm  wiederum  mit  h  bezeichnet;  z.  B.  sn  (grossruss.  ate)  ^j  u*  a. 
Eine  solche  Bezeichnung  gehört  an  und  für  sich  zu  den  kleineren  Miss- 
griffen, ja  sie  ist  kaum  so  zu  nennen;  aber  es  wirkt  ftlr  Denjenigen,  der 
den  betreffenden  Dialekt  gehört  hat,  gewiss  sonderbar,  eine  Schreib- 
weise wie  z.  B.  XHÖH  (bei  mir  zeb^)  zu  sehen ;  die  gleichmässig  bezeich- 
neten Laute  gehören  doch  im  betreffenden  Falle  zu  den  entschiedenen 
Vokal-Gegensätzen  des  Dialektes. 

Schon  aus  den  wenigen  angeführten  Proben  ist  ersichtlich,  dass 
Herr  Hnatjuk  das  Zeichen  n  für  vier,  nach  meinen  eigenen  Beobach- 
tungen grundverschiedene  Vokale  verwendet,  nämlich 

1}  t,  altes  i,  bei  mir  zwei  Nuancen,  vgl.  die  Zeichen  I  und  i  (»),  aber 
immerhin  zu  den  front- Vokalen  gehörend; 

2)  Sj  das  enge,  geschlossene  e,   gewöhnlich  durch  Palatalisirung 
hervorgerufen ; 

3)  e  in  unbetonter  Lage ;  und  endlich 

4)  y  (u),  theilweise  der  mixed-Reihe,  theilweise  entschieden  den 
back-Vokalen  angehörend. 

Aber  weiter  lässt  sich  ohne  Schwierigkeit  darstellen,  wie  auch  dies 
ganz  unkonsequent  durchgeführt  ist.  Man  nehme  z.  B.  das  grossrnssi- 
sche  Wort  Tenepi>.  Nach  meinen  Untersuchungen  wird  dieses  Wort  in 
dem  Ublya-Dialekt  -hUpirn  gesprochen,  d.  h.  mit  zwei  geschlossenen 
e's ;  das  letzte  ist  direkt  durch  das  palatalisirte  r',  das  erste  durch  Vo- 
kalharmonie in  Anlehnung  an  das  6  der  letzten  Silbe  hervorgerufen. 
Der  enge  e-Laut,  ^,  ist  den  ügrorussen  selbst  klar  bewusst.  Da  bei 
ihnen  das  %  (altes  i,  h  geschrieben)  unter  Betonung,  wie  ich  in  meiner 
Arbeit  im  Archiv  nachgewiesen  habe,  eine  gesenkte,  straffe  Znngenlage 
einnimmt,  gegen  das  enge  e  hin  oder  gar  mit  vollem  Uebergang  in  das 
S  (z.  B.  ocii^  der  Augen,  eigentlich  als  olni  zu  fassen),  so  ist  es  leicht 
erklärlieh,  dass  die  Ügrorussen  mit  ihren  cyrillischen  Zeichen  umge- 
kehrt das  S  bisweilen  als  »na  schreiben;  eben  das  Wort  tepir  wurde 


1)  Eben  in  diesem  Worte  fasse  ich  die  VeräDderung  des  e  ganz  anders ; 
das  berührt  aber  die  principielle  Frage  wenig. 


54  OiafBnck, 

mir  mdbirfoch  als  »THxrapb«  bezeiehnet.  —  Nach  seiner  AoBfiRhning  in 
anderen  Wörtern  liitte  nun  aneh  Herr  Haaljuk  etwa  TvnApb  sebreiben 
mOsseo;  wir  finden  aber  THn6pi>. 

Weitwea  braucht  hier  nicht  angeführt  zn  werden.  Bei  der  rollen 
Anerkennong  der  fleisaigen  Arbeit  des  Herrn  Hnatjnk  in  anderen  Be- 
ziehnngen  kann  ich  nur  bedaaem,  dass  ich  die  eine  Seite  so  scharf  kri- 
tisiren  mnss.  Das  hoffe  ich,  wie  schon  gesagt,  wird  mir  der  verehrte 
Sammler  nicht  Abel  nehmen ;  ich  bin  selbst  der  erste,  ihn  zu  entschul- 
digen ;  denn  es  ist  nicht  Jedermann  gegeben,  die  äussere,  laotliche  Seite 
eines  Dialektes  sogieich  oder  scharf  zu  fassen,  nnd  ausserdem  haben  die 
meisten  der  slayischen  Forscher  bisher,  nach  meiner  Meinung,  nicht  das 
genügende  Qewicht  darauf  gelegt,  auch  die  praktische  Lautphysiologie, 
wenigstens  ihre  sichergestellten  und  gröberen  Züge,  zu  dem  Studium 
der  kleineren  slavischen  Dialekte  mitzubringen. 

Und  doch  ist  sie  die  schärfste  und  beste  Sense  auf  einem  reichen 
Felde  der  Slavistik.  Ohne  sie  ist  und  bleibt  das  bedeutende  Material, 
das  nach  und  nach  gesammelt  wird,  für  die  eigentliche  Sprachforschung 
oft  nur  von  beschränktem  Werthe.  Es  braucht  gar  nicht  so  viel,  wie 
gewiss  Mancher  glaubt,  um  diesen  Werth  wenigstens  beträchtlich  zu 
heben.  Wenn  ich  die  berührte  schwächere  Seite  der  Arbeit  des  Herrn 
Hnatjuk  etwas  eingehender  besprochen  habe,  als  es  eine  kurze  Anzeige 
erfordert,  so  ist  es  in  der  Hoffnung  geschehen,  dass  eine  Warnung  hier 
auch  sonst  der  slavischen  Dialektologie  nicht  nutzlos  werden  könnte. 


Die  zweite  Arbeit  des  Herrn  Hnatjuk  gibt  uns  einen  werthvoUen 
Beitrag  zur  Ethnographie  der  —  nennen  wir  sie,  wie  der  verehrte  Ver- 
fasser —  rusnakischen  Ansiedelungen  im  Eomitate  Bacs-Bo- 
drog  (Bacska)  und  den  angrenzenden  Gegenden  in  dem  südlichen  Un- 
garn. Die  Arbeit  ist  theilweise,  wie  die  oben  erwähnte,  eine  Material- 
sammlnng,  enthält  aber  ausserdem  interessante  Beobachtungen  aus  dem 
jetzigen  Leben  und  Treiben  dieser  nicht  zahlreichen,  ursprünglich  aus 
Nordost-Ungarn  gekommenen  Kolonisten.  Land  und  Volk,  ökonomi- 
sches Leben,  Oewohnheiten  nnd  Sitten  werden  berührt.  Besonders 
fesselnd  wird  Mancher  ohne  Zweifel  den  Eindruck  finden,  den  man  von 
der  Dichtung,  von  dem  eigenthümlichen  t) lokal-literarischen«  Leben  des 
Völkleins  erhält;  das  Lied  ist  ihm  lebendig,  es  macht  sich  »von  selbstc, 
es  singt  von  den  alltäglichen  Begebenheiten  und  umgebenden  Personen, 


AuB  der  nogMiteheB  Slavenwelt.  55 

—  aneh  foh  dem  eben  ersohieiieDen  Forscher  selbst,  dessen  Fntfpen  und 
UBtenuehnngen  Anftnerksamkeit  nnd  Neugierde,  ja  gar  Argwohn  er* 
regt;  nnd  doeh  ist  der  kleine  Stamm  durch  die  enge  Berflhrung  mit  den 
nrngebenden  Völkern  nnd  deren  Kuhur  auch  geistig  yerhftltnissmSssig 
nicht  wenig  entwickelt. 

Der  Verfasser  zeigt  uns,  wie  die  Nachrichten,  die  man  früher  von 
der  kleinen  VAlkerschaft  erhalten  hat,  nur  spftrlich,  nicht  korrekt  nnd 
geradein  fehlerhaft  gewesen  sind.  Auch  rein  geschichtliche  Fehler 
lassen  sich  leicht  nachweisen.  Der  Verfasser  erwfthnt,  dass  im  Archiv 
in  Zombor  Akta  (yp^Aoni  aKTn)  existiren  sollen,  die  mit  Bestimmtheit 
sagen,  wann  und  wovon  die  Kolonisten  gekommen  sind  (Sonderabdr. 
p.  3).  Es  ist  au  bedauern,  dass  er  diese  Akta  nicht  sogleich  durchge- 
sehen, da  er  nun  einmal  die  sfldungarischen  Rusnaken  als  Aufgabe  in 
Angriff  genommen  hatte;  ich  werde  unten  zeigen,  wie  dies  ftlr  die  Aus- 
forschung der  slavisehen  Volkerschaften  Nordost-Ungarns  in  sprach- 
geschichtlicher  Hinsicht  wahrscheinlich  von  nicht  geringem  Interesse 
sein  könnte.  Der  Verfasser  begnUgt  sich  denn  vorlAufig  mit  der  unge- 
flhren  Angabe  der  Zeit  der  Einwanderung  dieser  rusnakischen  Eolo- 
nisten,  die  gewiss,  wie  er  meint,  in  den  30  er  Jahren  des  vorigen  Jahr- 
hunderts stattgefunden  hat. 

Von  der  jetzigen  Geschichte  der  Bacs-Rusnaken  weiss  Herr  Hnatjuk 
zu  erzählen,  wie  sie  augenscheinlich  magyarisirt  werden,  ein  Schicksal, 
das  sie  also  mit  den  zurflckgebliebenen  Brüdern  in  der  alten  Heimath 
gemeinsam  haben.  Er  legt  die  Schuld,  wie  es  scheint,  vielfach  auf  den 
Bischof  und  kommt  dadurch  auf  einige  politische  ErwAgungen,  die  bei 
ihm  recht  verständlich,  in  dieser  2Mtsclirift  aber  ohne  Bedeutung  sind. 

Mich  interessirt  natflrlich  vor  allem  die  sprachliche  Seite  der  Arbelt 
und  in  Zusammenhang  damit  die  Meinungen  Hnatjuk's  von  den  slavi- 
sehen Dialekten  Nordost-Ungarns.  Der  verehrte  Verfasser  hat  die  freund- 
liche Aufmerksamkeit  gehabt,  sich  brieflich  an  mich  zu  wenden.  Ich 
werde  bei  Oel^enheit  dieser  Anzeige  dasjenige  ausfOhrlicher  wieder- 
holen, was  ich  ihm  Aber  ein  paar  sprachliche  Fragen  geantwortet  habe. 

Schon  in  der  Einleitung  zu  der  zuerst  angezeigten  Arbeit,  wo  Herr 
Hnatjuk  eine  kurze  Uebersicht  Aber  die  ugrorussisohen  Dialektgruppen 
Nordost-Ungarns  gibt,  bespricht  er  den  Dialekt,  aus  dem  der  verdienst- 
vdle  Dialektforscher  dieser  Oegenden,  Herr  Eumen  Szäbö  (Ga6on%)  in 
Ungvir,  in  «einer  »XpncToxaTiA«  p.  231  eine  Probe  gegeben  hat,  die 
er  daselbst  »slovakisch«  nennt,  vHapi^e  SeMiuoracKBX'B  cjiobhkobxc. 


S6  Olaf  Broch) 

»Mit  diesem  Dialekt«,  schreibt  Hnatjnky  »habe  ich  heuer,  1897,  Gelegen-* 
heit  gehabt,  mich  eingehend  bekannt  zu  machen,  zwar  nicht  in  Zemplin, 
sondern  in  den  rassischen  Kolonien  im  sttdlichen  Ungarn ;  aber  diese 
Kolonien  sind  eben  ans  Zemplin  und  Saros  ausgegangen ;  ich  mnss  ganz 
entschieden  erklftren,  dass  der  Dialekt  kein  slovakischer,  sondern  ein 
russischer,  wenngleich  slovakisirter  ist.«  In  einer  Note  fügt  er  hinzu : 
>£r  ist  so  entstanden,  dass  die  Russinen,  bei  Berührung  mit  den  Slo- 
vaken,  von  diesen  Wörter,  Wendungen  u.  s.  w.  entlehnt,  nicht  aber  so, 
dass  die  Slovaken  dasselbe  bei  den  Russinen  entlehnt  haben.« 

Inzwischen  sind  meine  »Studien  Ton  der  slovakisch-kleinrussischen 
Sprachgrenze  im  östlichen  Ungarn«,  Kristiania  1897,  erschienen,  worin 
n.  a.  eine  vollständigere  Beschreibung  eines  ähnlichen  Dialekts  gegeben 
ist,  und,  wie  bekannt,  habe  auch  ich  ihn  »slovakischa  genannt  (»Eine 
Dialektskizze  aus  dem  Ostslovakischen«).  In  einem  Briefe  war  Herr 
Hnatjuk  dann  so  freundlich,  mich  auf  seine  Arbeiten  und  Meinungen 
aufmerksam  zu  machen,  wofür  ich  ihm  hier  in  meiner  nordischen  Isolirt- 
heit  zu  vielem  Dank  verpflichtet  bin. 

Aus  seiner  Arbeit  von  den  Kolonisten  in  Bacs-Bodrog  erkannte  ich 
gleich  nachher  leicht,  dass  man  daselbst  wirklich  einen  Dialekt  vor  sich 
hat,  der  mit  dem  bei  Szäbö  berührten  und  bei  mir  analysirten  »Ostslo- 
vakischen« so  gut  wie  identisch  ist;  das  »Russinische«  dieser  Bacska- 
Kolonien  würde  somit  nach  meiner  Benennung  ein  »ostslovakischer 
Cotaken-Dialekt«  sein.  Die  wesentlichen  gemeinsamen  Züge  sind  leicht 
zu  konstatiren ;  ich  brauche  nur  einige  davon  zu  berühren.  So  spricht 
man  in  den  von  Hnatjuk  besuchten  Kolonien  i^o  (was).  Altes  ^,  £  sind 
in  c,  dz  übergegangen:  ci](6Kai^,  Jiby^se.  Altes  i  zeigt  sich  als  »m«, 
d.  h.  gewiss  eine  gröbere  Transskription  anstatt  des  vorderen  I,  das 
man  aus  meiner  Beschreibung  kennt;  vgl.  Schreibweisen  wie  me,  sich. 
Palatalisirung  (besonders  /*,  n)  tritt  auch  vor  e,  i  auf.  Die  Laute  y 
und  i  sind  zusammengefallen,  und  zwar  schreibt  HeiT  Hnatjuk  den  ge- 
meinsamen (high-front-wide)  Laut  mit  dem  Zeichen  i,  nicht  h,  was  von 
dem  Gesichtspunkte  seiner  galizischen  Auffassung  und  Orthographie 
leicht  verständlich  ist.  Auch  der  Accent  scheint  meistens  mit  der  Be- 
tonung bei  den  Dubravka-  undFalkus-Slovaken  zusammenzufallen,  aber 
auf  der  vorletzten  Silbe  zu  stehen.  Hierin  sind  aber  auch  bei  den  nord- 
ost-ungarischen  »Ostslovaken«  verschiedene  Stufen  zu  hören  (vgl. 
»Studien  u.  s.  w.«,  p.  26),  so  dass  man  nicht  staunen  kann,  wenn  die 
Paroxytonirung  bei  den  Bacska-Kolonisten  nicht  durchgeführt  ist.    Von 


Ans  der  ungarischen  Slavenwelt  57 

gemeinsamen  Merkmalen,  die  zu  gewOhnliehen  trennenden  Kriterien  der 
slaviachen  Sprachen  gehören,  hat  man  Formen  wie  cJi&My  (Acc.,  Stroh), 
noMOA  (Hlllfe)  zn  notiren. 

Aber  mit  der  Benennung  Jislovakischc  kann  sich  nun  Herr  Hnatjnk 
nicht  versöhnen.  Er  schreibt  mir  in  seinem  Briefe^  es  komme  ihm  vor, 
»dass  es  in  der  Sprache  Ihrer  Gewährsmänner  Pajkossy  nnd  Noväk  mehr 
rassische  (d.  h.  ngrorussische]  als  slorakische  Elemente  gibt«;  er  meint 
also,  anch  ich  hätte  das  Ton  mir  a.  a.  0.  beschriebene  Idiom  russisch 
oder  rusnakisch  nennen  sollen. 

Ueber  Benennungen  zu  streiten  hat  ja  eigentlich  nur  wenig  Sinn. 
Aber  in  dem  vorliegenden  Falle  hat  die  Frage  ein  gewisses  Interesse. 
Man  muss  sich  in  den  Gegenden,  von  denen  wir  reden,  immer  klar  vor 
Augen  halten,  dass  die  Sprache  mit  der  eigentlichen  Nationalität 
nicht  zu  verwechseln  ist. 

Falls  man  nicht  wünscht,  die  einmal  angenommene  Benennung  der 
slavischen  Sprachen  nur  in  Verwirrung  zu  bringen,  ist  es  das  einzig 
richtige,  die  von  Alters  her  verwendeten  Kriterien  zur  Bestimmung  der 
Namen  der  Sprachen  festzuhalten.  Wo  wir  einem  krava,  slama  gegen- 
flberstehen,  daneben  j9ßc,  moc  u.  ä.,  ebenso  d  vor  l  bewahrt,  z.  B.  Fem. 
Prät  üee^/a,  finden,  da  müssen  wir  von  der  Sprache,  dem  Dialekt 
sagen,  dass  er  nicht  russisch,  russinisch,  rusnakisch  ist.  Durch  weitere 
und  vorurtheilsfreie  Untersuchung  der  vorliegenden  Dialekte  wird  Herr 
Hnatjnk  übrigens  ohne  Schwierigkeit  erkennen,  dass  die  erwähnten 
Kriterien  nur  ganz  äusserliche  Merkmale  eines  durchgreifenden  Unter- 
schiedes des  bei  mir  ostslovakisch  genannten  Sprachidiomes  von  dem 
Ugrorussischen  sind.  Um  den  ganz  und  gar  verschiedenen  Bau  des  Vo- 
kalismus der  zwei  Idiome,  den  Herr  Hnatjuk  nicht  gefasst  hat,  nur 
flüchtig  zu  erwähnen,  so  ist  aus  meinen  Beschreibungen  einem  Jeden 
ersichtlich,  wie  das  Ostslovakische  —  um  älterer  Verschmelzungen  ur- 
sprünglich verschiedener  Vokale  wie  des  alten  y  und  des  alten  i  nicht 
zu  erwähnen  —  von  jeder  jetzigen  Vokalkategorie  praktisch  gesprochen 
nur  eine  Nuance,  den  wide-Vokal,  besitzt,  während  das  Bnsnakische 
(s.  Archiv  XVII)  überall  zwei  Nuancen  hat,  eine  weite  (ofifene)  und  eine 
enge  (geschlossene),  ja  in  gewissen  Fällen  bis  auf  drei  Nuancen  kennt, 
die  lautgesetzlich  und  bewusst  getrennt  sind.  Aber  auch  aus  dem  Kon- 
sonantismus, den  Herr  Hnatjnk  besser  gefasst  hat,  müssen  ihm  princi- 
pielle  Unterschiede  leicht  klar  werden.  Während  das  benachbarte  Ugro- 
mssiaclie  in  der  lebendigen  Aussprache  praktisch  gesprochen  jeden 


58  OlafBrooh, 

KozMonanten  aachpalaUlisirt  besitzt  (f,  d*,  tn^  v^  s\  z\  t,  n  n.s.w.),  so 
siAd  im  Ofttslorakiaehen  fj  d*  als  harte  c,  dz  erstarrt,  s^j  z*,  ebenso  als 
h  I,  die  zwar  »weich«,  aber  nicht  mehr  anders  als  Rudimente  zn  fassen 
sind;  sonst  sind  nur  t,  n  und  Trümmer  der  ehemals  palatalisirten  Ans- 
spraehe  des  r  erhalten.  Wft)irend  nnn  aber  das  Rasnakisehe  vor  e,  i 
(e,  h)  die  Palatalisirung  nicht  hat,  so  findet  man  umgekehrt  die  Pida- 
talisirugsphänomene  im  Konsonantismus  des  Ostslovakischen  auch  yor 
e,  i  wirksam.  Auch  das  entschieden  mehr  oder  weniger  verftnderte, 
nach  durchgeführter  Parozytonirang  strebende  Accentuirungssystem 
des  Ostslovakischen  ist  eine  Erscheinung,  die  überaus  scharf  trennt. 
Das  sind  alles  gri^bere  Merkmale,  woraus  sich  zum  Theil  »feinere«, 
weniger  leicht  erkennbare  verstehen  lassen. 

Darf  dies  wohl  übersehen  werden ?  Gewiss  nicht,  um  so  mehr, 
wenn  die  rein  lautlichen  Aehnlicbkeiten  zwischen  dem  ügrorussischen 
und  dem  Ostslovakischen,  Ootakischen,  nicht  grösser  sind,  als  sich  auch 
anderswo  zwischen  anerkannt  verschiedenen  slav.  Sprachen  finden  Iftsst. 

Ich  finde  somit,  man  thue  am  besten  und  das  einzig  richtige,  von 
den  erwähnten  Sprachen  oder  Dialekten  die  Namen  zu  verwenden^ 
die  z.  B.  Szabö  und  ich  gebraucht  haben.  Anders  mit  den  Sprechen- 
den. Schon  l&ngere  Zeit  ist  man  darauf  aufmerksam  gewesen,  wie  die 
Ugrorussen  Nordost-Ungarns  eine  Neigung  haben,  sich  slovakisiren  zu 
lassen,  d.  h.  die  Sprache  der  jetzigen  (Ost)slovaken  anzunehmen.  Wie 
aus  meinen  »Studien«  ersichtlich,  habe  ich  mir  eben  die  Aufgabe  ge- 
stellt, diese  Frage  von  rein  linguistischem  Standpunkte  zu  beleuch- 
ten; ich  hoffe  in  nicht  ferner  Zeit  diese  Aufgabe  abzuschliessen  und 
darin  durch  genaue  Analyse  festzustellen,  in  welcher  Weise  sich  diese 
ostslovakische  Sprachwelle  nach  Osten  bewegt,  wie  man  auf  der  Grenze 
der  zwei  Idiome  üebergänge  findet,  deren  Struktur  hOchst  eigenthüm- 
lich  gestaltet  ist,  und  die  auch  lautlich  eine  vorläufige  Stufe  zur  end- 
lichen Slovakisirung  darstellen. 

Aus  den  »Studien«  wie  auch  aus  meiner  Abhandlung  über  die 
Ugrorussen  im  Archiv  XVII  und  weiter  Archiv  XIX,  und  endlich  aus 
dem  oben  Auseinandergesetzten  —  wie  gesagt,  eine  erweiterte  Wieder- 
gabe eines  Briefes  an  ihn  —  wird  Herr  Hnatjuk  gewiss  längst  gesehen 
haben,  wie  wir  in  diesem  Punkte  der  Frage  gar  nicht  im  Streite  sind ; 
im  Gegentheil  arbeite  ich  selbst  in  streng  sprachlicher  Weise  auf  die 
Beleuchtung  derThatsachen  hin,  die  er,  wie  schon  frühere  Untersueher, 
mehr  gesehen,  gehört  und  gar  gefühlt,  als  eigentlich  analysirt  hat.  — 


AuB  der  aDgarisckeii  Slayenwelt.  59 

Hiermit  sei  der  Streit  von  den  Namen  der  Sprachen  erledigt,  um 
von  dem  Verhältnis  des  jetzigen  »nunakiaohenc,  oder  wie  ich  meine 
besser  »ostsloyakisehenc  Dialektes  in  der  Bsisska  zn  der  eigen tlichev 
Nationnlitftt  der  Bewohner  einige  Worte  zn  sagen. 

Die  Kriterien,  die  Herr  Hnatjnk  dafür  bat,  dass  die  erwähnten 
Kolonien  im  Komitate  Baes-Bodrog  als  rnanakisoh  anzusehen  sind,  gibt 
er  mir  in  seinem  Briefe  freundlich  an:  Ij  Die  Kolonisten  nennen  sich 
selbst  Bossinea  oder  Busnaken.  2)  Die  ttbrigen,  umwohnenden  Völker, 
Serben,  Magyaren,  Deutsche,  nennen  sie  ebenfalls  Ruaainen  (Orosz,  Ru- 
thenen,  Russen).  3)  In  der  Nähe  sind  slovakische  Ansiedelungen;  aber 
diese  und  die  frflher  erwähnten  identificiren  sich  nicht  und  werden  auch 
Yon  den  anderen  Völkerschaften  nicht  identificirt.  4)  Die  Kolonisten 
sind  nach  der  Baeska  aus  den  Komitaten  Zemplin  und  Saros  im  vorigen 
Jahrhundert  gekommen  und  d&mals  stand  ihre  Sprache  dem 
Russischen  noch  näher. 

Von  den  Benennungen  «Rusina,  »Rnsnakea  und  »Slovakea,  .wie  sie 
im  nordöstlichen  Ungarn  gebraucht  werden,  ist  schon  früher  genügend 
geschrieben  worden.  Diese  Namen  gelten  mehr  dem  Glaubensbekennt- 
niss  als  der  Nationalität.  In  meinen  demnächst  erscheinenden  »Weiteren 
Studien «  wird  man  finden,  wie  ein  Völklein,  das  den  Ugrorussen  dem 
Dialekte  nach  noch  nahe  steht  und  von  dem  Ostslovakischen  weniger 
flbemommen  hat,  sich  jedoch  i^Slovjaken«  nennt.  Besser  ist  dann  schon 
der  dritte  Punkt  aus  dem  Briefe  Hnatjuk's ;  er  weist  wie  auf  ein  altes 
Bewusstsein  von  dem  Unterschiede  von  den  eigentlichen  Slovaken  hin. 
Erst  Punkt  4  gibt  uns  aber  nach  meiner  Meinung  einen  schlagenden 
Beweis,  dass  diese  jetzt  »ostslovakisch«  sprechenden  Kolonisten  ur- 
sprfinglieh  nicht  nur  vielleicht  aus  »rusnakischen«  Oegenden  gekommen 
sind,  sondern  auch  noch  in  der  neuen  Heimath  rnsnakisch  gesprochen 
haben,  wo  nicht  rein  ugrorussisch,  so  doch  ein  im  Grunde  völlig  ugro- 
russisches  Idiom. 

Ob  im  Ganzen  von  dieser  älteren  Sprache  viel  bewahrt  ist,  geht 
aus  der  Abhandlung  Hnatjuk's  nicht  hervor.  Wahrscheinlich  hat  er 
nicht  mehr  gehört  als  eine  kleine  Phrase,  die  wir  p.  6  in  einer  wörtlich 
wiedergegebenen  Erzählung  von  der  Grflndung  der  Stadt  Keresztur 
finden.  Aber  diese  neun  Wörter  geben  uns  das  nöthige  Material,  was 
auch  Herr  Hnatjnk  daselbst  andeutet ;  aus  ihnen  sind  die  Grundzfige 
der  sprachlichen  Entwiokelung  bei  diesen  Baeska- Russinen  gleich  er- 
sichtlich.   Die  Kolonisten  sind  mit  einer  noch  ugromssischen  Sprache  in 


60  Olaf  Brooh, 

die  neue  Heimath  gekommen.  Hier  haben  sie  aber  einen  »ostslovaki- 
schen«  Dialekt  angenommen;  wenngleich  nnter  neuen  Umgebungen, 
haben  sie  eine  Sprache  bekommen,  die  ganz  dieselbe  ist  wie  diejenige, 
die  sich  unter  den  zurfickgebliebenen  Stammesgenossen  in  Nordost* 
Ungarn  immer  mehr  yerbreitet. 

Eine  solche  Thatsache  ist  interessant.  Man  fragt  sich  nnwillkllr- 
lich,  wie  die  Entwickelung  vor  sich  gegangen  ist;  Herr  Hnatjuk  hat 
sich  diese  Frage  kaum  gestellt,  sonst  hätten  wir  gewiss  mehrere  beleuch- 
tende Momente  erhalten  können.  Auch  im  Komitate  Bacs-Bodrog  woh- 
nen bekanntlich  SloTaken,  d.  h.  wirkliche  Slovaken,  aus  Nordungam 
übersiedelt.  Oanz  ausgeschlossen  ist  somit  nicht,  dass  die  ugrornssischen 
Kolonisten  nach  der  Uebersiedelung  mit  diesen  Slovaken  in  Bertthrung 
gewesen  sind  und  dadurch  einen  anderen  Dialekt  erhalten  haben  ^). 
Mehrere  Umstände  machen  aber  diesen  Vorgang  unwahrscheinlich,  fflr 
mein  Auge  sogar  unmöglich.  Die  übersiedelten  Ugrorussen  sind  ja  in 
ganz  neue  Umgebungen  gekommen ;  die  Nachbarn  wurden  andere,  der 
Eindruck  von  der  überlegenen  Kultur  —  die  Bedingung  der  Annahme 
einer  fremden  Sprache  —  müsste  sich  anders  gestalten ;  so  sieht  man 
denn  auch,  wie  die  »ostsloyakischc  sprechenden  Ugrorussen  in  der 
Bacska  sich  jetzt  nach  und  nach  in  einer  anderen  Richtung  ändern. 
Dass  man  unter  diesen  neuen  Umgebungen  durch  Berührung  mit  Slo- 
vaken sozusagen  genau  dieselbe  Sprache  hätte  erhalten  können,  wie  die 
Stammesgenossen  in  der  Nachbarschaft  der  Ostsloyaken  in  der  alten 
Heimath,  das  wäre  schon  an  und  für  sich  auffallend.  Aber  ausserdem 
scheint  es,  dass  die  ursprünglich  ugrornssischen  Kolonisten  in  der  neuen 
Heimath  mit  Slovaken  nicht  in  Berührung  stehen,  wenigstens  nicht  in 
solcher  unmittelbaren,  alltäglichen  Berührung,  die  eine  gegenseitige  Ein- 
wirkung der  Sprachen  möglich  macht;  man  vergl.  bei  Hnatjuk  p.  S. 
Ist  dies  richtig,  so  muss  man  den  ganzen  sprachlichen  Vorgang,  den 
Weg  der  Entwickelung  anders  verstehen.  Die  Sprache  der  Kolonisten 
wird  schon  in  der  alten  Heimath  unter  dem  slovakiairenden  Einfluss  ge- 
wesen sein,  den  wir  aus  diesen  Gegenden  noch  heutigen  Tages  kennen ; 
die  »Infektion  a  hat  sie  von  dorten  mit  sich  gebracht;  das  Volk  ist  schon 
von  dorten  mit  der  Ueberzeugung  von  der  Ueberlegenheit  der  Slovaken 
ausgegangen,  einer  Ueberzeugung,  die  den  sprachlichen  Uebertritt  zu 


<)  Es  fehlt  mir  an  Proben  aus  dem  Bacs-Slovakischen,  wie  leider  über- 
haupt an  Material  zur  Stütze  oder  Kontrolle  meiner  Erwägungen. 


Aas  der  ungarischen  Slavenwelt.  61 

dem  Ostslovakischen   psychologisch   bedingt,  wie   ich  seinerzeit  er- 
wähnt habe. 

Von  welcher  Seite  nnd  in  welcher  Weise  die  v Infektions  zuerst  die 
nrsprflDgliche  ngromssische  Sprache  der  Kolonisten  angegriffen  hat  — 
nnd  dies  geschah  also,  wie  ich  meine,  schon  in  der  alten  Heimath  — , 
iSsst  sich  nicht  bestimmt  sagen,  aber  wohl  vermuthen.  Entweder  wird 
ein  gewisser  Theil  der  jtlngeren  Generation  der  Auswanderer  oder  auch 
einige  der  in  der  alten  Heimath  den  Slovaken  am  nächsten  wohnenden 
Answandererfamilien,  alt  nnd  jnng ,  vor  der  üebersiedelnng  sprachlich 
slovakisirt  gewesen  sein ;  erst  so  kann  man  es  verstehen,  dass  die  Aas- 
wanderer den  lautlichen  üebertritt  zur  ostsloyakischen  Sprache  vollendet 
haben,  nicht  nur  einige  einzelne  Züge  angenommen  —  als  einen  An- 
fang, der  dann  später  hätte  unterbrochen  werden  können.  Genug  an  dem, 
der  Sauerteig  ist  mitgekommen  und  hat  nach  und  nach  die  Durchsäuerung 
der  ganzen  kleinen  Völkerschaft  vollendet,  wenngleich  unter  neuen 
Umgebungen.   Dies  ist  eine  wirklich  interessante  Erscheinung. 

Wenn  nun  dies  richtig  ist,  und  ich  sehe  eigentlich  keine  Möglich- 
keit, es  zu  bestreiten,  so  entnehmen  wir  daraus  jedenfalls,  dass  die 
ugroTUssischen  Kolonisten,  die  aus  Zemplin  und  Saros  nach 
Bacs-Bodrog  im  vorigen  Jahrhundert  übersiedelt  sind,  aus 
einem  sprachlichen  Grenzgebiet  gekommen  sein  müssen; 
aus  einer  Gegend,  wo  das  ügrorussische  und  das  Ostslovakische  in 
nächster  Nähe  gelebt  haben,  vielleicht  eben  auf  der  damaligen  Grenz- 
linie der  zwei  Sprachen. 

Ich  habe  in  meinen  »Studien er  eine  genaue  Sprachkarte  der  Gegend 
um  üngvär  gegeben,  einen  Anfang,  der  hoffentlich  so  bald  wie  möglich 
for^esetzt  werden  wird.  Falls  nun  die  historischen  Akte,  die  Herr 
Hnatjuk  erwähnt,  wirklich  in  Zombor  existiren,  so  wird  jeder  verstehen, 
warum  ich,  wie  anfangs  gesagt,  bedauere,  dass  der  verehrte  Forscher 
diese  Aktenstücke  nicht  durchforscht  hat.  Eine  Zusammenstellung  der 
möglicherweise  daselbst  zu  findenden  Angaben  mit  dem  jetzigen  Stande 
der  Dinge  könnte  uns  vielleicht  einen  beleuchtenden  Beitrag  zur  sprach- 
liehen Geschichte  der  nordostungarischen  Slavenwelt  geben.  Vielleicht 
ist  dadurch  ein  Moment  zar  Beurtheilung  der  Schnelligkeit  der  ganzen 
slovakisirenden  Bewegung  zu  erhalten;  und  jedes  solche  Moment  ist  ja 
viel  mehr  werth,  als  allerlei  Behauptangen. 

Christiania,  September  1898.  Olaf  Broch. 


62 


BandglosBen  znr  kasznbisehen  Frage. 


Zu  den  vielen  »Fragen«  unseres  J&hrhnnderts  hatte  sich  Aber  Nacht 
auch  eine  »kaszubische«  beigesellt,  an  welcher  das  merkwQrdigste  war, 
dass  sie  Oberhaupt  auftauchen  konnte. 

Bekanntlich  handelt  es  sich  bei  dieser  »Frage«  darum,  ob  das 
Kaszubische  eine  selbständige  slavische  Sprache  oder  ein  polnischer 
Dialect  ist  —  im  Grunde  genommen  ein  mtlssiger  Streit,  der  jedoch  auf 
einige  sprachliche  Thatsachen  aufmerksam  gemacht  hat,  die  man  sonst 
vielleicht  noch  länger  unbeachtet  gelassen  hätte  ^). 

Natürlich  darf  Niemandem  das  Vei^nügen  geraubt  werden,  kaszu- 
bisch  als  eine  »besondere  slavische  Sprache«  bezeichnen  zu  wollen  — 
eine  wissenschaftliche  Censur,  die  dies  hindern  könnte,  haben  wir  und 
wollen  wir  nicht ;  man  kann  von  dem  Betreffenden  höchstens  erwarten, 
dass  er  sich  selbst  consequent  bleiben  und  auch  das  Novgorodisehe,  das 
Masovische,  das  Weissrussüsche,  das  (schlesische)  Wasserpolnisch,  das 
Ugrorussische,  das  Cakavische,  das  Resianische  u.  s  w.  als  »besondere 
slavische  Sprachen«  bezeichnen  und  behandeln  wird;  dann  geben  wir 
ihm  auch  die  »Besonderheit«  des  Easzubischen  ohne  weiteres  zu  —  an- 
ders nicht.  Wer  nur  acht  bis  zehn  slavische  Sprachen  anninupt,  nicht 
zwanzig  bis  dreissig,  wird  keinen  Augenblick  lang  darüber  zweifeln 
können,  ob  er  Easznbisch  als  »besondere Sprache«  oder  als  »polnischen 
Dialect«  zu  bezeichnen  hat. 

Diejenigen,  welche  mit  doppeltem  Maasse  messen,  welche  z.  B. 
Novgorodisch  und  Moskauisch  oder  Ober-  und  Niederserbisch  als  eine 
Sprache  zusammenfassen,  aber  Polnisch  und  Kaszubisch  auseinander- 
reissen,  erinnern  uns  an  den  Neugierigen  in  der  bekannten  Krybv'sohen 
Fabel,  welcher  in   der  » Kunstkammer «  den  Riesenelephanten  zwar 


*)  Mein  hochverehrter  Freund,  Dr.  J.  von  Earlowicz,  besprach  bei 
seiner  Anwesenheit  in  Berlin  die  Frage  mit  mir;  er  hatte  dieselbe  für  die 
Warschauer  »Wisla«  mit  besonderer  Betonung  der  modernen  Dialectverhält- 
nisse  dargestellt;  ich  erörtere  sie  hier  mit  ausschliesslicher  Hervorhebung 
der  altsprachlichen  Zeugnisse. 


RaDdglossen  bot  ktttabischen  Frage.  63 

gADB  fibeniehi^  dafllr  aber  die  kleinsten  bnkaski  und  tarakaski  wohl 
bemerkt.  Bbense  überaeken  diese  Herren  die  riesen^rosse,  gane  aQ88or^ 
ordestliehe  üebereinstimmang  von  Poloiseh  und  Kasznbiaeh,  dafür  kalten 
sie  aick  bei  den  trennenden  Eleisigkeiten  anf :  ny,  6paTei]('B,  BiiB08aT':B : 
cJonirTO  A  H  He  BpeM^THjrB,  können  sie  getrost  wiederholen. 

Wir  beachten  hier  gar  nieht,  dass  das  gesaamte  Lexiecn,  die  Syn- 
tax, der  Formenbestand  des  Easznbischen,  soweit  sie  (die  beiden  ersten) 
nickt  dentsch  sind,  polnisch  sind  oder  die  polnischen  yoranssetzen :  man 
nenne  nns  z,  B.  die  vielen  kasznbischen  Wörter,  die  nicht  anch  im  Pol- 
nischen vorkftmen  —  ans  manchem  pohlischen  Dialekt  werden  wir  wohl 
nickt  viel  weniger  nennen  können.  Wir  beschränken  nns  anf  lautliche 
Eraeheinnngen,  wo  allein  nnsere  Gegner  irgend  etwas  von  Belang  auf- 
treiben könnten. 

Alles,  was  das  Polnische  eben  znm  Polnischen  gemacht  hat,  wieder- 
holt sich  genau  ebeaeo  im  Easzubischen,  sogar  so  sp&te  Erscheinungen, 
wie  die  sog.  Erweichung  der  Dentale,  der  Wandel  von  ie  und  io  oder 
der  von  ia  und  ie,  z.  B.  miese  miotq^  hiahf  bielic  u.  s.  w.,  Erschei- 
nnngen,  die  nicht  hinter  das  XII.  Jahrb.  zurtlckgehen  können.  Oder  der 
Wandel  von  tnrt  zu  tart^  der  in  keiner  slavischen  Sprache,  ausser  im 
Polnischen,  vorkommt,  kork  u.  s.  w.  Oder  diejenige  Entwicklung  der 
NasalvriEjde,  die  keiner  slavischen  Sprache  ausser  dem  Polnischen  ge- 
ItaCg  isty  Bftmlich  die  Entwickelung  des  \  (an)  aus  9  (on),  also^^  [g^tna) 
ans  g^ih^  wie  im  Polnischen  noch  des  XY.  Jahrh.  und  dialectisch  noch 
heute;  die  frappirende  Entwickelung  9-^  (^)  und  i^-i^  (ii^),  also 
in^-m«^,  vmrz^iourzqde  wie  polnisch  mqi'-m^ia,  urzqd-tarz^du  oder 
ßdq-jiiq  wie  polnisch  xdq^idq.  Nebenbei  sei  hier  angemerkt,  dass  dieser 
Wandel,  ganz  im  Gegensatze  zum  böhmischen  [avat^-svetty  pät^^peti) 
nichts  mit  der  Qualität  der  folgenden  Silbe  oder  Laute  zu  schaffen  hat; 
daher  polnisch  (kaszubisch)  nur  hciqty  swi^y  aber  nur  piqty  piqci 
(eas.  oUl.j;  man  behauptet  nämlich  noch  immer  das  Gegentheil  und 
glnubt,  pi^6  piqty  wedbseiten  auch  wie  Piotr  Pietrze  oder  bialy  bielic^ 
was  absolut  falsch  ist.  Tort  und  toit^  um  auch  das  noch  zu  erwähnen, 
hat  der  Kasznbe  wie  der  Pole  zu  trot  und  tlot  gemacht :  es  verdient 
hervorgehoben  zu  werden,  dass  der  Pole  in  einem  einzigen,  völlig  siche- 
ren Falle,  toH  unverstellt  lässt:  der  uralte  grosspolnische  Ortsname 
Kaidrqb  ist  nämlich  mss.  Koiodruby^  böhm.  Kladrubt/j  steht  also  ft)r 
Eiodrqb;  ebenso  heisst  es  im  »Pommerschen« Gircipani,  d.  i.  ÖerzpSnjane, 
nicht  Örezp^njane  (tert,  nicht  tret],  vgl.  auch  Kolberg, 


64  A.  Brückner, 

Und  auch  die  -toalk  in  »pommerBchenc  (aach  in  rflgenschen)  Orts- 
namen gehen  nicht  auf  tcilk  Wolf  (wie  in  Wnlkow  n.dgl.)  znrflck,  son- 
dern sind  =  ylak%  ▼olok'L,  worflber  ein  ander  Mal  mehr.  Das  Kaszn- 
bische  nimmt  jedoch  an  noch  späteren  Erscheinungen  des  Polnischen 
Theil,  z.  B.  an  der  Brechung  des  i  (y)  vor  r  zn  ie  (e),  die  im  Polnischen 
im  XIY.  Jahrh.  begonnen  hat  (in  einigen  wenigen  FftUen)  nnd  erst  im 
XVI.  abschloss,  der  Easznbe  hat  somit  genau  wie  der  Pole  serp  {sierp) 
fflr  älteres  sirzp^  serzchl  und  serzchla  (poln.  sierchl)  fflr  älteres  mV^A/, 
serota  [sierota)  fttr  sirota,  serce  für  sirce^  rozbierac  fflr  rozbirac,  roz- 
dzerac  fttr  rozdzirad^  wemierad  für  toymiraö,  toierzch  für  toirzch,  cer- 
piec  und  cerzpiec  für  cirzpieö,  pierzckj  cern  und  cerznie  für  cirznie, 
czertocotoyj  czerzwiony  u.  s.  w.  (die  altpolnischen  Belege  sirzpj  sirzchl 
u.  s.  w.  s.  Archiv  VII,  S.  541 — 544);^  daneben  sind  einzelne  i-Formen, 
wie  man  sie  ja  auch  im  Polnischen  hört,  erhalten,  toirzba,  wirtel  und 
wiertelj  wircec  u.  s.  w.  So  identisch  sind  polnische  und  kaszubische 
Laute ! 

Aber  die  Gegner  haben  ja  nicht  weniger  als  78  lautliche  Abwei- 
chungen, » Besonderheiten  «  des  Kaszubischen,  erwiesen !  52  vocalische, 
24  consonantische,  und  noch  zwei  vocallsche  dazu  macht  78.  Die  Zahl 
stimmt  schon,  nur  nicht  das,  was  mit  ihr  bewiesen  werden  soll.  Fast 
sämmtliche  dieser  »78  Besonderheiten«  des  Easzubischen,  von  denen 
übrigens  yiele  nicht  lautlicher  Natur  sind  oder  einheitlich,  nicht  getrennt, 
aufzuführen  waren,  kommen  nämlich  auch  im  Polnischen  mehr  oder 
minder  häufig  vor,  und  beweisen  somit  gar  nichts  für  die  »Sonderstellung  v 
des  Easzubischen.  Es  wäre  Zeitvergeudang,  eine  Nummer  nach  der 
anderen  hier  durchnehmen  zu  wollen  —  wer  nur  eine  Ahnung  vom  Alt- 
polnischen oder  von  polnischen  Dialecten  hat,  stösst  ja  sofort  und  von 
selbst  auf  die  betreffenden  Parallelen.  Aber  ein  paar  Nummern,  das 
schwerste  Geschütz  unserer  Gegner,  wollen  wir  uns  hier  näher  ansehen; 
es  wird  sich  nämlich  herausstellen,  dass  auch  diese  Schusswaffen  bloss 
angemalte  Spielereien  sind  und  unseren  Behauptungen  keinerlei  Schaden 
beizufügen  vermögen. 

Wir  beginnen  mit  dem  allerschwersten  Caliber:  wir  haben  eben 
behauptet,  dass  der  Easzube  wie  der  Pole  ursprüngliches  tort  zu  trot 
umstellt.  Unsere  Gegner  werden  uns  triumphirend  kaszubisches  bctrda, 
gardy  charna,  sarka^  vamcy  vorbei  gegenüber  poln.  broda,  ffröd,  chrono, 
sroka  u.  B.  w,  entgegensetzen  und  werden  behaupten,  dass  »in  einer  äl- 
teren Sprachphase  tart  zweifellos  die  allgemeine  phonetische  Form  in 


Bsndglossen  xar  kaaznbiechen  Frage.  65 

giBZ  »PoBunerBt  anagemmcht  hatt,  dasa  -btart  eines  der  charakte- 
ristischen Zeichen  der  p<nnmerBoheB  (d.  i.,  nach  jener  neuen  Termino- 
logie, der  kaaznbischen)  Sprache  ist,  welches  sie  ans  den  übrigen  slavi- 
sehen  Sprachen  heraassondertc  Alles  recht  schOn  —  nur  hat  das 
Polnische  neben  seinem  trat  anch  tart,  ganz  wie  das  kasaabische;  dieses 
»Zeichne  ist  somit  genan  eben  so  charakteristisch  für  das  Polnische  wie 
für  das  Kasznbische  ^). 

Das  auffallende  hierbei  ist  das  Eintreten  eines  tart  statt  des  von 
der  Theorie  zn  fordernden  iortj  eines  barda  für  borda:  von  anderer 
Seite  hat  man  fttnf  oder  sechs  ErklflrnngsYersnche  fflr  dieses  anff&llige 
ar  sich  geleistet,  sogar  an  Einflnss  des  Deutschen  gedacht,  was  schon 
duronologiseh  nnmöglich  ist,  ohne  die  Erscheinung  selbst  aafklftren  zu 
können. 

Die  Annahme,  dass  einst  in  »Pommern«  überall  tart  fdr  tart  ge- 
sprochen wurde,  ist  unrichtig;  wir  haben  ja  »pommersche«  Namen  schon 
aus  dem  YIIL  und IX.  Jahrb.  mit  trat  aus  tortj  z.B.  Droffowit,  ThraacOj 
CealadragtM  (CModragrB),  AnatmgtM,  Es  ist  nun  interessant  zu  sehen, 
daas  die  Polen  in  denselben  Namen  noch  im  Xu.  Jahrh.  auch  darg 
haben  können,  z.B.  Dargarad  Onesener  Originalurkunde  von  1136  und 
Lederg  (=Gilodrag*i  oder  eher  (Je)ledrag)  ebds.  Die  Pommern  haben 
einen  Fflraten  WartisUno  —  ich  brauche  kein  Gewicht  auf  die  Thiet- 
mar^sche  Form  Wortizlaua  fflr  Wrodaw  (Breslau)  zu  legen,  aber  ein 
Krakauer  Hundschenk  1269  heisst  ebenfalls  Warcislaus  —  man  be- 
wmae,  daas  es  ein  »Pommer«  war. 

Ochs  hiess  (und  heisst)  poln.  karuo ;  dieses  karw  ist  natflrlich  masc. 
zu  karwa  Kuh,  sonst  krowa,  vgl.  Ortsnamen  Karwin.  Die  Gegner 
durften  sagen,  harv)  w&re  ein  urslav.  *k'£ryi,  nicht  *korv^;  haben  sie 
doch  auch  den  davon  abgebildeten  alten  Ortsnamen  Kartoowo  ganz 
meehanisch  mit  einem  kirchenslavischen  *krBvoyo  umschrieben ;  aber, 
frage  ich  hinwieder:  warum  kommt  in  keiner  Sprache  dieses  *kiry^ 
▼or,  nur  im  Polnischen,  dessen  ar  auch  gleich  or  sein  kann?  Preussisch 
kurwU,  welches  Leskien  unerklärt  liess,  ist,  wie  die  Masse  polnischer 
Lehnworte  im  Prenssischen  beweist,   aus  karw  entlehnt;  ich  möchte 


1)  Daraufhat  mich  erst  Herr  y.  Kariowicz  aufmerksam  gemacht;  be- 
engen in  der  älteren  Auffassung  schenkte  ich  seinen  Beispielen,  von  denen 
mir  keines  ausschlaggebend  erschien,  nicht  die  richtige  Beachtung)  bis  mich 
Ueberprtifung  des  Materials  eines  andern  belehrt  hat. 

ArehiT  fftr  slaTiielie  Pliilologie.   XXI.  5 


66  A.  Brückner, 

hinzufügen,  dasB  mir  jetzt  auch  litanisch  karwe,  welches  prenssisch  und 
lettisch  ganz  unbekannt  ist,  aus  korova  entlehnt  gilt. 

Der  Ruf,  mit  welchem  die  Bauern  auf  den  Gütern  der  Adelssippe 
Topor  alarmirt  wurden,  war  starza;  nach  einer  sehr  anspreohenden 
Yermuthung  des  Herrn  v.  Karirowicz  ist  dies  =  poln.  stroia  Wache: 
in  dieser  yon  der  gemeinen  abweichenden  Form  konnte  der  Ruf  eben 
dem  besonderen  Zwecke  erhalten  bleiben  ^). 

Nachdem  durch  Fälle  wie  Dargorad  und  karw  das  »Kaszubische« 
tart  aus  tort  auch  fürs  ältere  Polnisch  erwiesen  ist,  bieten  sich  von  selbst 
alte  Orts-  und  Personennamen  zu  ähnlicher  Deutung  dar;  was  kann 
z.  B.  Liasobarga  (1224,  kleinpoln.  Originalurkunde)  anderes  sein,  als 
hfsobarga  (=  hrog  Schober)  ?  man  vgl.  Ortsnamen  Krobia  und  Kar- 
biela  Karbtelin,  auch  Charbielin,  die  gewiss  mit  *Eorbij  zusammen- 
hängen; man  vgl.  höhm. Kralupy  (993!)  und  poln.  CharlupiavL.  dgl.m. 

Für  unsere  Zwecke  genügt  Folgendes:  das  Easzubische  wandelt  in 
den  überwiegendsten  Fällen  tort  zu  trot,  genau  wie  das  Polnische  und 
Nordserbische  —  man  nahm  ganz  willkürlich  an,  dass  alle  diese  acht 
kaszubischen  Worte,  Namen  aus  Feld  und  Wald  u.  s.  w.,  erst  durch  den 
literarischen,  d.  i.  nur  durch  den  kirchlichen  Einflnss  des  Polnischen 
entstanden  wären  I!  In  einigen  Fällen  wandelt  das  Kaszubische,  mehr 
oder  minder  vereinzelt  oder  ständiger,  tart  auch  zu  tart]  das  Altpolni- 
sehe  kannte  vereinzelt  ebenfalls  diesen  Lautwandel.  Ein  modemer 
Lautgesetzler  allerdings  dürfte  ob  solcher  Annahme  die  Hände  über  dem 
Kopfe  zusammenschlagen,  aber  wir  haben  eben  in  Koidrqb  und  Circi- 
pani  Beweise  des  Nichteintretens  eines  «Lautgesetzes«  gegeben  und 
dienen  gleich  mit  anderen. 

Urslavisches  tbrt  wurde  polnisch  (kaszubisch)  zu  tart\  urslavisches 
thrt  müsste  es  ebenso,  nur  »weich«  werden,  also  ctart  (heute  daraus 
kaszubisch  cart)^  aber  im  Polnischen  kommt  statt  des  zu  erwartenden 
ciart  ein  tart  vor,  so  dass  thrt  und  thrt  hier  heute  zusammenfallen,  also 
ebenso  t^rg^  zu  targ  wird,  wie  tbrm  zu  tarn.  Es  ist  dies  nun  wieder 
ein  Hauptargument  für  die  »Selbständigkeit«  des  Kaszubischen  gewor- 
den, dieser  Gegensatz  von  kasz.  ctoiardi= -poln.  twardy^  carti=tartyy 
dzarti  =  darty  j   dzama  =  darny  miarznqc  =  marznqöj  cztoiarti 


^)  Piekosinski  erklärt  diese  prociamatio  anders,  aus  stary  (wegen 
Starykon,  Wappenname  eines  Zweiges  desselben  Geschlechtes),  durchaus 
nicht  überzeugend. 


RandglosBen  lur  kassnbiflchen  Frage.  67 

czwarly  u.  s.  w.  Dieses  Argument  ist  leider  noch  viel  rissiger  als  das 
erste  (trot:(art)\  denn  sowohl  gibt  es  im  ELaszabischen  Beispiele  fCUr 
iart  (statt  des  za  erwartenden  ciart)  als  anch  im  Polnischen  dort  (statt 
des  zu  erwartendnn  tart).  Unsere  Gegner  escamotiren  die  Beweiskraft 
dieser  Fälle  wieder  dadurch,  dass  sie  für  die  kaszubischen  nach  der 
zwar  Überaus  bequemen,  aber  willkürlich  erfundenen  Entlehnung  oder 
Beeinflussung  durch  die  Kirche  greifen,  für  die  polnischen  soll  falsche 
Analogie  das  t  in  ciart  hereingetragen  haben:  auf  die  Dauer  hält  jedoch 
diese  Taktik  nicht  vor. 

Wenn  es  z.  B.  im  Polnischen,  ganz  nach  kaszubischer  Weise  und 
gogen  das  polnische  Lautgesetz,  heisst  piardnqö  (statt  *pardnqö)y 
hniardnqd  (in  Compp.,  przesmiardnqö^  przehniardly^  zasmiardnqö, 
statt  *8fnardnqc)^  ziamo  (statt  *zamo)j  so  wäre  das  ia  dieser  Worte 
beeinflusst  durch  das  ie  von  pierdzieö,  smierdzieöj  oder  das  ia  von 
ziamisty.  Ich  sehe  ganz  davon  ab,  dass  Formen,  die  diese  Beeinflussung 
gewirkt  haben  sollen,  im  alten  Polnisch,  wo  sie  eben  hätten  wirken 
müssen,  gar  nicht  existirt  haben  (!!)  —  ich  verfüge  über  tiiftigere  Gründe. 
Busaisch  Aepaidn  sollte  poln.  darzki  und  kaszub.  (alt)  dziarzki  heissen; 
darzki  kommt  im  Poln.  seit  dem  XIY.  Jahrh.  wirklich  vor,  daneben  das 
Zeitwort  darznqd  =  AepsnyTL,  aber  häufiger  und  heute  allein  bekannt 
ist  dziarski  —  nach  welcher  Analogie?  Oder:  russ.  sepno  ist  kaszub. 
(alt)  ziatTiOy  poln.  zamo:  diese  Form  war  so  fest,  dass  sogar  das  Collec- 
tiv,  aepHie,  zartde^)  hiess,  und  doch  kennt  heute,  und  so  seit  jeher,  der 
Pole  nur  die  valtkaszubische«  Form  ziamo  —  nach  welcher  Analogie? 
Russ.  cepna  heisst  poln.  sama,  kaszub.  *8iama,  dazu  das  masc.  heute 
^areh,  aber  ebenso  heisst  im  polnischen  Wörterbuch  des  M^czy^ski  (1564) 
der  Behbock  siaren  —  nach  welcher  Analogie?   Siorbaö  schlürfen  ist 


1)  Zamo,  zamem;  zamie,  tego  zamia  kommen  mehrfach  vor  in  dem  sehr 
sorgfältig  gedruckten  und  im  besten  Polnisch  geschriebenen  »Crescentyn« 
von  1549  (Krakauer  Druck),  wo  auch  statt  poln.  dziura  (kaszub.  dura,  durka 
Loch,  das  deshalb  auch  unter  Nr.  60  unter  den  »Besonderheiten«  figurirt), 
dura  nnd  durka  häufig  vorkommt,  das  Übrigens  in  polnischen  Dialecten  wohl- 
bekannt ist  (z.  B.  io  einem  masowischen  Weihnachtsliede  aus  dem  Ende  des 
XYI.  Jahrh.:  iz  to  nie  toiatrek  durkami  to8fdy  wi^e;  bei  Grescentyn:  w  du- 
roch,  nawierciawizy  durek,  dury  und  dziurki,  iedn^  dsiurkf  u.  s.  w.)  und  daher 
als  gemeinpolnisch,  nicht  als  speciell  kaszubisch  zu  bezeichnen  war;  es  heisst 
ja  z.  B.  in  der  Sophienbibel:  a  szypy  sdurawy^  et  perforabunt  sigittis  117« 
Anch  in  der  Bibel  des  Leopolita  (1561)  finden  wir  zdmisiyeh  iabiek. 

5* 


^  A.  Brttckner, 

auch  ansoflQbren ;  aiieh  czwiarty  kommt  im  XV.  und  XVL  Jahrh.  vor, 
fflr  ezwariy. 

Es  war  dies  eine  grnndfanle  Analogie,  um  die  Wahrheit  zu  sagen : 
sie  hat  z.  B.  aa  tarn  nicht  za  rfltteln  gewagt,  hat  lieber  das  ganze  Wort 
preisgegeben  nnd  dafür  cieni  nen  gebildet;  sie  hat  sieh,  trotz  smierc 
und  umier<i6^  nicht  einmal  an  martwy  herangetrant^  welches  auch  im 
Easznbischen  nnr  in  dieser  »polnischen«  Form  bekannt  ist  (die  zn  er- 
wartende »kasznbische«  Form,  miartwyy  kommt  aber  in  einem  maso- 
wischen  Sprachdenkmal  von  1449  wirklich  vor;  in  einem  anderen  gleich- 
zeitigen finden  wir  mierttoieje  oder  miarttfneje),  nnd  in  einer  Unzahl  von 
Worten  und  Formen  war  diese  Analogie  zn  schüchtern  nnd  verkroch 
sich  —  mnthig  war  sie  nnr  in  drei  Wintern,  in  piardfiqöy  imiartbiqc^ 
ziamo  I  Diesen  Beispielen  scheint  noch  eines  zngez&hlt  werden  zn  sollen: 
dziarstwo  Eies  (so  im  XVI.  Jahrb.;  im  XV.,  zweimal,  dzwiarsttco  dass  , 
einmal  drzasttüo),  nnd  anch  ctar^i  Omseln  scheint  mit  tamqö  (gruseln) 
zusammenzuhängen,  wie  dziarzki  mit  darznqö. 

Es  genügt  uns  wieder,  festgestellt  zu  haben,  dass  das  Polnische, 
wie  bei  der  Behandlung  von  tort,  so  auch  bei  der  von  tbrty  Doppelwege 
einschlagen  konnte :  wie  es  dort  neben  trat  manchmal  auch  tcfrt  hat, 
so  hat  es  auch  hier  neben  tart  manchmal  ein  ciart  In  beiden  Fällen 
stimmt  das  Kasznbische  zum  Polnischen,  nur  dass  es  ein  paar  Beispiele 
mehr  für  tart  aus  tort,  namentlich  aber  für  ciart  aus  tbrt  hat;  somit  be- 
rechtigen uns  sogar  diese  beiden  Fälle,  d.  i.  die  beiden  schwersten  Ar- 
gumente unserer  Gegner,  nicht  dazu,  das  Easzubische  vom  Polnischen 
loszureissen,  wohin  es  organisch  gehört.  Der  im  Polnischen,  das  sonst 
viel  feinfühliger  für  Weichheitserscheinnngen  ist  als  jede  andere  slavi- 
sche  Sprache,  so  auffallende,  der  ganzen  Sprachentwickelung  zuwider- 
laufende Verlust  der  »Weichheit«  in  tLrt  muss  schon  bis  ins  IX.  und  X. 
Jahrh.  zurückgehen;  denn  wäre  er  erst  später,  z.  B.  im  XI.  oder  XIL 
erschienen,  d.  h.  zu  einer  Zeit,  wo  die  t',  d'  zu  6,  äi  wurden,  so  hätte 
er  diese  kaum  noch  zu  t,  d  zurückbringen  können.  Andere  Verluste 
der  )» Weichheit«  kennt  das  Polnische  sporadisch  erst  seit  dem  XVI. 
Jabrh.,  z.  B.  toesoiy  aus  vnesiolyj  serce  aus  sierce,  czenoony  aus  czer- 
wionyj  ohecny  aus  ohiecny  u.  a. 

Somit  ist  festgestellt,  dass  Polnisch  (Easzubisch)  dieselben  Laut- 
grnppen,  tort,  tLrt,  t'Brt  und  t'Blt,  mehrfach  in  einem  und  demselben 
Worte,  verschieden  behandelt.  Beispiele  für  tort  und  ti>rt  (miartmeöj 
neben  martwieöj  obstupere,  ist  Rozprawy  XXIII,  280  zu  finden)  sind 


Bandglossen  zor  kaaiobiachen  Frage.  69 

oben  gegeben;  noeb  einmal  sei  hittgewiesen  aaf  den  kasznb.  Weebsel 
▼on  teirzba  »nirc  nnd  serp^  cerpiec.  Tirt  wird  poln.  (kaszab.)  zn  tari^ 
aber  Tielfaeh  zu  turt^  z.  B.  in  kurpie  (freiüdi  behauptet  Dr.  J.  Mik- 
kola,  Bezzenbergers  Beiträge  XXI,  dass  kurpie  ans  dem  Littanischen 
entlehnt  ist,  wegen  des  onpolnischen  nr,  aber  das  ist  gmndfalseh,  es 
giebt  keinerlei  littaoische  Lehnworte  im  Polnischen,  trotz  J.  Mikkola 
und  £•.  Malinowski);  in  kurcz  kurczyd  (schon  im  XV.  Jahrhundert 
ganz  geUnfig  den  verschiedensten  Quellen,  gerade  wie  das  vorige  Wort) 
KopuHTB;  mrugaö  (MopraTi»);  mrai,  mruczeö  neben  tnarkotaö;  zmuT" 
szahf  neben  marcha]  purchawka  neben  parch\  Uirkot  neben  tarkad 
(vf^.  szuTffot  neben  szarffoö);  neben  zgarbiany  hört  man  zgurbiany\ 
vielleicht  auch  burczeö  (anders  bei  Miklosich  i.  h.  v.)  neben  barczeö 
(vom  Sausen  des  Windes,  Bozprawy  XXIV,  381  aus  dem  XV.  Jahrh.) 
u.  a.  Die  Lautftrbnng  er  (in  sterczeö  neben  stark,  termosid,  derdad, 
schon  bei  Rey  derdaikowie  u.  a.)  übergehen  wir. 

Noch  auffälliger  ist  dieselbe  Vielförmigkeit  bei  der  Vertretung  von 
tBlt :  pxlk'B  bleibt  Pelk  in  Eigennamen,  Swi^topelk,  Przedpelk,  Pelka, 
Pelczyn,  Petczyska  u.8.w.,  wird  aber  im  Appellativ  zupuik\  Pelt  und 
PoHowsk  (heute  Pnltusk);  shmce  später  8ionce\  moitoiö  (heute  rndtoiS; 
vgl.  Ortsnamen  SmoJ:dzyn  Schmolsin  mit  böhmisch  smldi  Schwarzwurz); 
nach  den  Dentalen,  mit  der  Umstellung,  wie  in  siuince^  ding,  dlugi, 
dhibiiö,  titic,  tiumacz,  ship ;  nach  den  Gutturalen  bleibt  et,  ffieik,  chehn, 
cheUt,  kieib,  kieibcua,  kielp,  ktetzaö,  ebenso  nach  den  Labialen, 
foebm,  belch,  beliad,  aber  pulk,  *koita6  (vgl.  kottka,  später  koistka, 
Hals-  und  Ohrringe)  wenn  es  nicht  aus  dem  Russ.  entlehnt  ist;  zieto 
(allgemein  im  XV.  Jahrh.)  und  zeito,  zohüica  (glos);  cheibtö  siq  (effari, 
neben  cheipa  iactantia,  beides  im  XV.  Jahrhundert,  Bozprawy  XXIV, 
282)  und  chltdnö  nq  (oder  sollte  dies  böhmisch  sein  ?j ,  chiupad  und 
chbistaö  u.  a. 

Neben  solchen  Beispielen  dürfte  jetzt  auch  zalza  gegenüber  zleza 
weniger  auffallen;  neben  gl^  {glon,  glanek  glonek,  glej)  Stück  Brot, 
kommt  auch  gieln  vor,  Wörterbuch  desBartholomaeus  vom  Jahre  1532, 
S.  397,  giebiik  chleba  Neothebel,  Raphaelahi  vom  J.  1582,  heute 
grosspolnisch  gielnik,  gielniczek  dass. 

Auch  sonst  hat  das  Polnische  Doppelformen;  so  kommt  z.  B.  neben 
jtUro  and  Ableitungen,  wie  im  Altslovenischen  (za  ustra?),  *jtLstro  vor, 
z.  B.  in  dem  Text  der  Horae  Salvatoris  aus  der  Mitte  des  XV.  Jahrb., 
wo  auch  kry  Blut,  czvyarkavey  (==  czwiartkotoej] !)  u.  a.  vorkommt, 


70  '^'  Brückner, 

cgasszv  yvstrzeyszeko  (Rozprawy XXV, 208);  Stella  mataünti jvstrzenka 
WOrterbnch  des  Bartholomaeas  von  1532,  S.  406.  Interessanter  als 
dieser  vereinzelte  Fall  ist  jedoch  ein  anderer.  Bekanntlich  hat  das  Pol- 
nische neben  toszegoy  toszytek^  wszako  etc.  anch,  namentlich  nm  1400 
hemm,  die  Formen  szwego,  szwytek,  aztoako  etc.,  z.  B.  im  Flor.  Psalter 
przeze  stoytky  dny^  stoszytczyj  stoszech,  swszem,  in  den  Gnesner  Pre- 
digten stoyciek  Stviat  nnd  na  szwem  hoiecie;  die  zahlreichsten  Beispiele 
bietet  ein  Krakauer  Plenarinm  ans  dem  Anfange  des  XV. Jahrb.,  atvitek 
lud  omnis  plebs,  stüitky  recy  omnia,  iemu  stoemu  nihil  homm  (in- 
tellezernnt),  stoelky  omnis,  switko  omnia,  aswako  qnia,  nadeswemi  sq- 
sadi  ffich  postoemv  pogoru  super  omnes  vicinos  eonun  et  super  omnia 
montana  —  doch  kommen  eben  so  h&ufig  die  Formen  ohne  Metathese 
vor.  In  den  horae  Salvatoris  (ältester Text):  tq  stoq ^locztotam,  swühky 
oczczej  preswq  per  totam;  in  einem  kurzen  Mariengruss  aus  derselben 
Zeit :  szmthkim  szwaihem  und  sztoieczczi  szwanczi,  daneben  wsza  und 
wazeniy  doch  hat  der  Schreiber  in  diesen  beiden  Fällen  ein  s  vor  dem 
ir  erst  gestrichen,  als  wenn  ein  szwa  szwem  nicht  hätte  geschrieben 
werden  sollen.  Diese  Erscheinung  war  bisher  wohl  bekannt ;  aber  man 
beachtete  nicht,  dass  solche  Doppelformen  bereits  seit  den  ältesten  Zeiten 
des  Poln.  nachweisbar  sind  und  zwar  in  den  mit  wsze  zusammengesetzten 
Personennamen.  So  kommt  neben  Wszeborius  Sweborius  vor,  neben 
Wszegniew  wird  Swegniew  geschrieben  u.  s.  w.  Also  z.  B.  im  ältesten 
Theil  des  Liber  fraternitatis  Lubinensis  (Monumenta  Pol.  Histor.  IV, 
562 — 584),  der  aus  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrb.  stammt,  finden 
wir  neben  Wsebor  iSti^ftor  (Zeile  76),  darnach  Ortsname  de  Sneborowycz 
1 354 ;  in  den  Posener  Grodacten  neben  Wszegneff  vom  J.  1 397 ,  Stoegnef 
1391  und  Swefgewonis  (im  polnischen  Text  dazu  Sz^gnevx>wi\)\  in  der 
Gnesner  Originalurkunde  von  1136  Ortsname  Zvepravici  d.  i.  Swie- 
prawicy  aus  Wszeprawicy ;  im  Nekrolog  der  Breslauer  Prämonstratenser 
zu  S.  Vincenz,  Zverad  (d.  i.  Wszerad),  ähnlich  im  Lubiner  Buch  Sue- 
nardtM  (circa  1170,  wohl  verlesen  oder  verschrieben)? 

Diese  Zverad  und  Suenardus  führen  uns  zurück  auf  einen  sehr  in- 
teressanten Fall,  den  PotkaAski,  Krakow  przed  Piastami,  Abhandl. 
d.  Krak.  Akademie,  histor.  Cl.  XXXV,  1897,  S.  198  f.  erörtert  hat:  der 
h.  Guerardus  (gestorben  um  1020)  nämlich  ist  der  Pole  Swerad  = 
Wszerad  gewesen,  aus  dem  Sverad  hat  man  Zoerard  und  Guerard  ge- 
macht ;  der  Heilige  lebte  später  als  Einsiedler  Andreas  (mit  Benedikt) 
^uf  dem  berühmten  Berge  Sabor  bei  Neutra,  das  seine  B.  Emmeraner 


Bandglossen  znr  kaszabischen  Frage.  71 

Domkirche  zu  einer  Kirche  des  h.  Aii4reas-ZoerardnB  und  Benediotns 
umgetauft  hat;  vorher  hat  der  Heilige  im  kleinpolnischen  Tropie  ge- 
weUt,  das  nach  ihm  jwi^ty  Swirad  benannt  wurde  (eine  spätere  Legende 
machte  den  h.  Sverardns  zu  einem  Schleaier;  die  Polen  wieder  machten 
ans  Zoerardns  einen  h.  Zörawekl).  Man  könnte  sogar  versucht  sein, 
Namen  wie  Sieciech  durch  Swieciech  aus  WszetSch  entstehen  zu  lassen, 
wie  eben  Siegniew  aus  Wszegniew,  doch  wollen  wir  nicht  Unsicheres 
aufhäufen;  aber  Siepraw  und  Sieradzice  bleiben  sicher. 

Auf  Grund  des  gesammelten  Materials  können  wir  somit  wieder 
feststellen,  dass  wie  bei  der  Behandlung  der  Gruppen  tort,  tn&rt,  tbrt, 
tLlt,  so  auch  bei  der  von  vBse-  im  Polnischen  seit  dem  X.  Jahrhunderte 
Doppelformen  vorhanden  waren,  die  schliesslich  einer  einheitlichen  bis 
auf  wenige  Reste  den  Platz  geräumt  haben.  Doch  kehren  wir  zur  »kaszu- 
bisehen  Frage«  zurück. 

Sogar  aus  der  Stammbildungslehre  wurde  ein  Argument  zu  Gunsten 
der  kaazubischen  »Selbständigkeit«  herbeigeschafft,  das  Polnische  kenne 
nämlich  nur  Bildungen  mit  -^ko^  das  Euiszubische  nur  Bildungen  mit 
'iszeze.  Auch  dieses  Argument  hält  nicht  Stich;  im  Easzubischen  sind 
-isio-Bildungen  häufig  und  acht  und  je  weiter  man  in  polnische  Orts- 
namen zurflckgreift,  desto  häufiger  sind*wieder  polnische  Bildungen  auf 
iszczCj  z.  B.  Urkunde  von  1136  Turcoviste,  1254  Grodzyscze  (heute 
Grodzisko),  1297  Panthkowisch(e],  heute  Pi^tkowisko,  1306  Pelcziscze 
(heute  Pelczyska,  1266  de  Pelchist),  1270  Grodyszcze,  1346  Pakoslai 
de  Stroziscz;  schlesische  Urkunde  von  1193  Sobotiste  u.  dgl.  m.  Somit 
wären  auch  die  Bildungen  auf  -iszcze  gemeinpolnisch,  wie  tart  neben 
trot,  eiart  neben  tart,  nicht  ausschliesslich  kaszubisch. 

Bei  unseren  Gegnern  finden  wir  z.  B.  die  Bemerkung:  »die  Bruch- 
stflcke  des  mittelalterlichen  Polnisch  zeigen  durchaus  keine  nähere  Ver- 
wandtschaft mit  dem  heutigen »Pommer sehen«  (Easzubischen)  auf«.  Die 
vorgelegten  Beispiele  beweisen  hinlänglich  die  völlige  Grundlosigkeit 
dieser  Behauptung;  es  sei  noch  ein  Beispiel  mehr  angefahrt. 

Die  älteste  und  wichtigste  Urkunde  der  polnischen  Sprache  stammt 
vom  Jahre  1 136 ;  es  ist  dies  die  päpstliche  Bestätigung  der  Gnesner  erz- 
bischöflichen  Besitzungen  an  Grund,  Menschen  und  Leistungen;  sehr 
sorgfUtig,  fast  ganz  fehlerlos  geschrieben,  enthält  sie  hunderte  polni* 
scher  Eigennamen.  Nach  der  Classifil^cirung  unserer  Gegner  mttsste 
diese  Urkunde  jedenfalls  »pommerisch«  sein :  denn  was  alles  »pommer- 
sche«  kommt  da  vor!   Wir  haben  aus  ihr  bereits  angeführt  den  Dargo- 


72  A.  Brückner, 

rad  und  den  Lederg,  das  Tarcoviste,  aber  damit  hören  ibre  »Pomor»- 
nismenc  noeh  lange  nicht  anf;  sie  bietet  stets  »ponmersehes«  z  für 
panisches  dz,  also  z.  B.  Ziraz  und  Zeraz  (Siradz,  spftter  ^eradz  — 
wegen  des  i  kaum  von  Swerad  =  Wszerad  ableitbar),  mag  dies  aueh 
nnr  mangelhafter  Schreibnng  Schuld  sein;  sie  hat  »pommersohesa  e  ftlr 
a  nach  anlautendem  r,  also  Redanta  (poln.  Radzi^ta),  Redec  (poln. 
Radek),  Reck  (poln.  raczek ;  auch  Bezk  und  Razk  in  der  Urkunde  ge- 
schrieben), Bedonc  (poln.  Badonek)  und  Redoa  (poln.  Radosz),  wie 
kaszubisch  redosc,  Redunia  (Radaune),  rek  und  reczk ;  sie  hat  den 
»pommerschena  Vocalverlust  (in  den  Endungen  -ek,  -ec  u.  dgl.,  kaszu- 
bisch domk  =  poln.  domek,  dwork  =  dtoorek,  matk  =  matek^  iokc 
iokieö  u.  s.  w.,  die  Nummern  7 — 14  der  npommerschen«  Sprachanto- 
nomie),  also  Reczk  =:  raczek,  Zmarsk,  Domk,  Plastk,  Siodlk^  Kruszk, 
Redonk,  Erzepk,  Erostawc,  Darzk,  Blizk,  Datk,  Marnszk.  Bezfiglich 
dieses  letzteren  Punktes  ist  überhaupt  hervorzuheben,  dass  das  Altere 
Polnisch  in  erheblicherem  Masse  gegen  das  e  sich  strftubte,  also  z.  B. 
nur  torobl  kannte  (nur  so  im  Flor.  Psalter,  an  vier  Stellen,  und  sonst), 
rydl,  ruhlj  vyiatr  (Flor.  Psalter),  aapl^  toqffl  (noch  bei  Rey)  n.  s.  w., 
ratunk  und  alle  ähnlichen  Fremdwörter,  gen.  plur.  iatok,  szczaibatk, 
podtMzk  (heute  nur  iatoek,  poduszek)  u.  dgl.  m.;  chrzept  (?),  kozieik 
(lucilia,  Prace  filologiczne  V,  42)  kommen  ebenfalls  vor. 

Das  Beispiel  dieser  einzigen  Urkunde  wird  hoffentlich  genflgen,  um 
die  Behauptung,  dass  das  Altpolnische  dem  Kaszubischen  sich  gar  nicht 
nähere,  in  ihr  gerades  Gegentheil  zu  verkehren. 

Verschiedenheiten  und  Besonderheiten  des  Kaszubischen  leugnen 
wir  sicherlich  nicht;  nur  sind  die  erheblichsten  unter  ihnen  evident  spät, 
z.  B.  der  Wandel  des  ki  gi  zu  dl  und  dii  oder  verwandtem;  das  h  oder 
w  in  dobreho;  das  Fehlen  des  l  (stellenweise),  der  > erweichtem)  6&i- 
Laute  u.  dgl.  m.;  sie  sind  dann  nicht  höher  anzuschlagen,  als  in  anderen 
polnischen  Dialecten  z.  B.  das  Fehlen  der  2czsz-Laute;  der  Wandel 
eines  pja  bja  zu  psa  bia,  eines  wje  zu  ie  u.  s.  w.,  welche  auch  sind 
»plus  polonais  que  le  Polonaisa,  bziaiy,  zieczor  (ftlr  wieczor)  u.  s.w. 

Unserer  Ansicht  nach,  die  sich  auf  die  Beschaffenheit  des  Altpol- 
nischen stutzt,  war  das  Easzubische  bis  zum  XV.  Jahrh.  sprachlich  im 
engsten  Zusammenhange  mit  dem  Polnischen,  d.  h.  jede  im  Polnischen 
irgendwo  auftauchende  Lautveränderung  konnte  ihre  Wellen  bis  ins 
Easzubische  hineinschlagen  lassen. 

Unterschiede  gab  es  natürlich  bereits  damals;  die  Sprache  von 


BandgloBsen  zur  kaasabischen  Frage.  73 

KrmkMi  und  die  um  den  Lebasee  herum  unterschieden  sich  noch  etwas 
mehr  wie  die  gleichzeitigen  Sprechweisen  von  Warschau  und  Breslan, 
▼on  Giiesen  und  Lnblin ;  die  nene  polnische  Laatwelle  mnsste  schwächer 
in  dem  weiten  Westen  auftreten  als  irgendwo  näher  dem  Ausgangspunkte ; 
der  kassubisohe  Dialect  wurde  von  ihr  schwächer  getroffen,  er  hielt 
fester  an  dem  zu  verändernden.  Seit  dem  XY.  Jahrh.  erfolgt  nun  eine 
Art  von  Isolirung  des  Easzubischen,  kein  Zufluss  des  neupolnischen 
Elementes  erneuert  und  erfrischt  erheblicher  diese  altpolnische  Varietät, 
auf  welehe  dafOr  in  lexicaler,  syntactischer  und  endlich  auch  lautlicher 
Hinsicht  das  umfluthende  deutsche  Element  seit  Aber  einem  halben  Jahr- 
tausend immer  stärker  einwirkt. 

Die  Aufstellungen  von  Nestor  und  Schleicher  bleiben  somit  in 
Ehren  bestehen.  Es  war  wirklich,  ethnographisch  und  linguistisch,  ^in 
einheitlicher  Yolksstamm,  die  Lachen,  dessen  Sitze  von  San  und  Bug 
auf  einer  Strecke  von  grosser  Länge  und  geringerer  Breite  um  die  Ostsee 
herum  bis  jenseits  der  Elbe,  nach  (dem  späteren)  Hannover  hinein,  sich 
erstreekten;  einzelne  dieser  Lachen  nannten  sichPolanen  (wir  können 
hinzufügen,  Wislanen:  Gross-  oder  Alt-  und  Klein-  oder  Neupolen 
später),  andere  Luticer,  andere  Mazowier,  andere  Pomorjaner.  Von 
ihren  südwestlichen  Nachbarn  schied  sie  vor  allem  eine  der  Erhaltung 
der  Nasalvocale  geneigte  Disposition  der  Articulationsorgane.  Man  hat 
dieses  Schleichersche  Criterium  belächelt;  man  meinte:  auch  das  Mace- 
donische  müsste  dann  ja,  der  Nasalvocale  wegen,  dem  Polnischen  be- 
sonders nahe  verwandt  sein;  ein  fauler  Witz,  denn  Macedonisch  und 
Polnisch  werden  durch  alles  andere  getrennt,  also  reicht  dieses  eine 
Moment  nicht  aus,  um  besondere  Verwandtschaft  zwischen  ihnen  zu  con- 
stmiren,  dagegen  sind  die  westslavischen  Sprachen  fast  durch  alle  Mo- 
mente vereint  und  nur  durch  die  Behandlung  der  Nasalvocale  am 
schärfsten  von  einander  getrennt. 

Aus  der  Gontinuität  des  lachischen  Sprachgebietes  schied  am 
vollständigsten  und  zugleich  am  frühesten,  bereits  seit  dem  Ausgange 
des  X.  Jahrh.,  das  später  sogenannte Polabische  aus;  seit  dem  XI.  Jahrh. 
wurde  diese  Isolierung  durch  keinen  slavischen  Zuzug  unterbrochen,  bald 
hörte  auch  die  leiseste  Spur  irgend  eines  Zusammenhanges,  Rückhaltes 
auf;  es  treten  hier  auch  gewisse  Eigenheiten  stärker  hervor.  Aber  es 
trennte  sich  nicht  nur  dieses  eine  Stück  von  der  lachischen  Basis  ab; 
seit  dem  XII.  Jahrh.  zerbröckelte  dieselbe  an  allen  Stellen  zwischen 
Elbe  und  Oder,  Ostsee  und  Havel-Spree  mächtig ;  immer  grössere  Lücken 


74  A.  Brückner, 

wurden  hineingeschlagen  und  schon  im  XIV.  Jahrh.  war  sie  auf  den 
Inseln  wie  auf  dem  Festlande  nahezu  vollstftndig  dahingeschwunden; 
die  Lachen  waren  enlnationalisirt,  behaupten  die  einen,  ausgestorben, 
sagen,  der  Wahrheit  nflher,  die  anderen.  Am  weitesten  gegen  Westen 
erhielt  sich  von  diesen  Lachen  das  Hftufchen  der  Easzuben,  ebenfalls 
fast  isolirt  seit  dem  XIV.  Jahrb.,  ebenfalls  schärfer  gewisse  Eigenheiten 
accentuirend,  als  es  anderen  polnischen  Dialecten  zukam. 

Eine  sprachliche  Grenze  zwischen  Polnisch  und  Böhmisch,  zwischen 
Polnisch  und  Serbisch,  war  schon  im  XII.  und  XTTT.  Jahrh.  scharf  zu 
ziehen,  konnte  Niemand  darüber  zweifeln,  wo  das  eine  aufhörte,  das 
andere  begann  (wir  sehen  es  ja  an  den  Ortsnamen  deutlich!).  Aber  im 
Xn.  und  XIU.  Jahrh.  war  es  gewiss  nicht  leicht,  oder  eher  ganz  un- 
möglich, eine  solche  sprachliche  Grenze  zwischen  Polnisch  und  »Pom- 
merisch«  zu  ziehen,  die  Sprachen  hflben  und  drflben  standen  sich  viel  zu 
nahe  dazu.  Wohl  gab  es  schon  gewisse  Unterschiede  und  sie  mehrten 
sich  namentlich  seit  dem  XV.  Jahrh.  —  doch  haben  dieselben  nie  das 
Maass  erreicht,  dass  man  das  Kaszubische  aus  dem  polnischen  sprach- 
lichen Organismus  herausreissen  dflrfte,  wie  man  dies  z.  B.  mit  dem 
Niederserbischen  gegenüber  dem  Oberserbischen,  mit  dem  Kleinrussi- 
schen gegenüber  dem  Grossrussischen,  mit  dem  Slovakischen  gegenüber 
dem  Böhmischen  thut  oder  thun  könnte. 

Wir  haben  nicht  alle,  nur  die  anerkanntermassen  gewichtigsten 
Argumente  unserer  Gegner  besprochen;  manches  ist  bereits  oben,  Archiv 
XX,  S.  41 — 46,  zurückgewiesen  worden.  Ebenso  übergehen  wir  die 
Grosssprechereien,  dass  man  noch  zwei-  oder  dreimal  soviel  j» Argu- 
mente« für  diese  Selbständigkeit  herausfinden  könnte:  mag  man  noch 
so  viele  Nullen  vor  die  Einer  setzen,  es  kommt  doch  nichts  heraus.  Wir 
verschmähten  auch  die  Waffen  der  Gegner,  die  »falsche  Analogie«  und 
den  »kirchensprachlichen  Einfluss«:  mit  diesen  Waffen  z.  B.  hätten  wir 
die  wenigen  Fälle  von  kaszubisch  tart  (für  tort)  oder  die  zahlreicheren 
ciart  (cart)  aus  tbrt  mit  Leichtigkeit  wegescamotiren  können,  und  noch 
manches  andere  dazu;  der  »kirchensprachliche  Einfluss«  hat  die  Kaszu- 
ben  übrigens  nicht  gehindert,  toitro  für  j'utro  oder  bqcietotoac  (banket- 
tiren)  zu  sprechen,  dafftr  soll  er  ihnen  martiüt/  oder  proch  oder  inqt- 
iesko  aufgedrängt  haben !  1  Nebenbei  erwähnt,  hindert  die  Kirchen- 
sprache dialectische  Verschiedenheiten  bei  anderen  Polen,  die  z.  B. 
zieczar  für  toieczoTy  zino  fdr  wino  sprechen,  nicht  im  mindesten. 

Wie  ist  man  denn  überhaupt  zur  Aufttellung  einer  besonderen 


BftndglossoB  ^ur  kasznbiflchen  Frage.  75 

»pommerischen  oder  kasznbischen  Sprächet  gelangt?  Es  klingt  kaum 
glaublich  und  doch  ist  es  so:  weil  man,  nach  eigenem  Geständniss,  nur 
die  moderne  kasznbische  Volkssprache  mit  der  modernen  polnischen 
Schriftsprache  Tcrglichen  hat  1 1  —  anstatt  z.  B.  das  Easzubische  mit 
westprenssischen  n.  dgl.  Dialecten  zu  vergleichen.  Dann  hörte  man 
allerlei  (ob  wirklich  existirende?)  Lante  heraas,  erfand  ganz  überflüasige 
iSeichen,  dichtete  einige  Formen  hinzn,  die  nicht  recht  vorzakommen 
scheinen  (z.  B.  szcz^ciego)  nnd  die  »Sprache«  war  fertig.  Man  ver- 
gasB  nnr,  dass  wer  z.  B.  thttringisches  Volksdeutsch  mit  modernem 
Schriftdeutsch  vergleicht,  auch  im  Thflringischen  (wie  imELaszubischen) 
«resianische,  polabischec,  turanische  füge  ich  hinzu  u.  a.  Laute  eher, 
als  »deutsche«  herausfinden  wird,  auch  das  Thüringische  mit  demselben 
Becbte  zu  einer  besonderen  »Sprache«  mit  besonderer  Phonetik,  Ortho- 
graphie u.  s.w.  herausstaffiren  wird. 

Es  sei  nochmals  betont,  dass  Niemandem  verwehrt  werden  darf, 
sein  eigenes  Buch  z.  B.  mit  dem  komischen  Titel  »Slownik  j^zyka  po- 
morskiego«  (statt  »Slownik  narzecza  kaszubskiegoa)  zu  versehen;  man 
protestirt  nur  gegen  das  doppelte  Mass,  nur  gegen  die  lächerlichen 
Uebertreibungen,  wonach  z.B.  »eine  erheblich  geringere  Reihe  von 
Spracheigenheiten  (als  die  der  kaszubischen  im  Verhältniss  zum  Polni- 
schen ist]  für  ausreichend  gehalten  werde  zur  Absonderung  der  slova- 
kischen  Sprache  von  der  böhmischen  oder  der  klein-,  weissrussischen 
von  der  grossrussischen «  (S.  XL)  —  wer  dergleichen  behauptet,  hat 
entweder  keine  Ahnung  von  dem  Verhältniss  zwischen  Slovakisch  und 
Böhmisch,  zwischen  Eleinrussisch  und  Russisch,  oder  er  will  der  Wahr- 
heit nicht  die  Ehre  geben.  Gegen  das  doppelte  Mass,  das  z.  B.  ein 
Florinskij  (man  merkt  die  Absicht  und  wird  verstimmt!)  angewendet 
hat,  ist  schon  von  Prof.  Jagiö  (Archiv  XX,  S.  361)  Einspruch  erhoben 
worden. 

Das  Easzubische  ist  uns  als  altpolnische  Varietät  interessant  und 
ehrwürdig;  es  hat  auch  zu  keiner  Zeit  als  etwas  anderes  gegolten;  im 
XVI.  Jahrb.  z.  B.  galt  es  als  gleichwerthig  mit  ^»preussischc  (polnisch) 
und  seine  besonderen  Ausdrücke  verlachten  zwar  die  Einen,  wollten 
aber  die  Anderen,  wenn  sie  nur  treffend  wären,  auch  für  die  Schrift- 
sprache billigen  (so  Gömicki  im  Dworzanin  1566);  der  »kaszubische« 
Katechismus  des  Pontan  ist  denn  auch  demgemäss  gutes  Polnisch  mit 

» 

einigen  kaszubischen  (und  westprenssischen)  Formen  und  Ausdrücken. 
Das  Altpolnische  bietet  denn  auch  auf  Schritt  und  Tritt  die  schla- 


76  ^*  Brttekner, 

gendsten  Paralleleii  für  kasznbische  Erscheinungen.  Z.  B.  der  d-Bin- 
schab  zwischen  z-r,  heute  im  Poln.  nur  in  einigen  Worten  erhalten  ine 
zdradOj  zazdrosöj  zdroju.s.yr.,  in  anderen  bereits  aufgegeben,  z.B.  in 
wzrost  ans  älterem  tozdrost,  zrzucid  aus  älterem  zdrzuciö  u.  s.  w., 
reichlich  im  Kaszubischen  vorkommend,  z.  B.  in  zdrzecec^  zdrzodlo^ 
dozdrzelec  reif  werden  (ebenso  bei  Rey,  doidrzelazego  totekuy  reiferen 
Alters,  zdrzejemy  und  doidrzetoamy  neben  uidreje,  doidretoä),  zdrzec 
u.  8.  w.,  war  im  Altpolnischen  so  constant,  dass  er  sogar  zwischen  dem 
z  der  Präposition  und  dem  r  des  Nomons  eintrat,  also  zdr^ki=izöi^fsjj 
rozdraztö,  wzdrtiszyö  u.  s.  w.  Oder  »schonen«  heisst  heute  polnisch 
szanotoaöj  kaszubisch  szimotoac,  aber  altpolnisch  ebenso,  szanowaö^ 
z.  B.  in  den  Gnesner  Predigten  (XIV.  Jahrh.]  u.  s.  w.  Oder  dass  z  fflr 
heutiges  dz  in  bardzo,  dztoon,  ditoiqk  u.  s.  w.,  kaszub.  barzoj  ztoon 
galt  ebenso  im  Polnischen  bis  tief  ins  XVIL  Jahrh.  hinein  u.  s.  w. 

Der  innige  Zusammenhang  zwischen  Polnisch  und  Kaszubisch  wird 
durch  die  phonetische  Schreibung  für  den,  der  nur  die  poln.  Schrift- 
sprache beachtet,  ganz  verdunkelt  und  entstellt  —  man  erwäge  nur, 
dass  phonetisch  geschriebenes  Schwäbisch  oder  Fränkisch  dem  ans 
Schriftdeutsche  allein  Oewöhnten  ebenso  fremdartig  erscheint,  als  eine 
besondere,  unbekannte  Sprache.  Hierzu  kommt  fttrs  Easzubische  noch 
eines:  die  Unmasse  von  Germanismen.  Der  seit  bald  600  Jahren  wir- 
kende Einfluss  des  Deutschen  hat  das  Easzubische  womöglich  noch  mehr 
durchsetzt,  als  irgend  einen  slovenischen  oder  nordserbischen  Dialect ; 
nicht  nur  das  Lexikon,  sondern  auch  die  ganze  Syntax,  die  Wortstellung 
u.  s.  w.  wimmeln  von  solchen  Spuren,  ganz  wie  im  Polabischen  oder  Preusu- 
sehen,  nur  fehlt  hier  die  Berufung  auf  den  dummen  Tolken.  Das  Zu- 
sammentreflfen  in  vielen  Germanismen  mit  dem  Altpolnischen  ist  wieder 
sehr  lehrreich;  z.  B.  in  gbur^  gweiny  gewiss  (XIV. — XVI.  Jahrb.,  noch 
die  Bibel  von  1561  hat  es,  doch  ist  es  ausgemerzt  schon  in  der  Auflage 
von  1575),  kusztaö  oder  kusznqd  kflssen,  h'utka  Braut  (XV.  Jahrh.,  in 
Glossaren  vorkommend)  u.  s.  w.  Leider  ist  der  Herausgeber  des  kaszn- 
bischen  a Wörterbuches«  zu  wenig  im  Deutschen  bewandert  und  hat  da- 
her viele  Germanismen  nicht  richtig  oder  gar  nicht  angegeben. 

Schliesslich  zeichnet  sich  der  kasznbische  Wortvorrath  auch  durch 
Bewahrung  vielen  altpolnischen  Gutes  aus.  Man  braucht  nicht  allzuweit 
zurückzugreifen,  um  auf  derlei  Parallelen  zu  stossen.  Erwähnt  sei  hier 
z.  B.,  aufs  Gerathewohl,  das  Buch  Korab  zewn^trznego  potopu  n.  s.  w. 
des  Hieron.  Powodowski  von  1578:  dort  kann  der  Herausgeber  des 


BtndgloMen  zur  kunbiselieii  Frag«.  77 

WörterbmekeB  wieder  finden  sein  kostiae  Uatsehen  {iostiale  z  redasci) 
m  ^koiiaiqe  r^koma  nogamu^  ebenda  ztoierz^tm  ncndziwsze  zdoma- 
czeiq  hat  zwei  »Easznbismen»,  dziwy  wild  und  domacy  htnslioh  (zahm) 
n.s.w.  Oder  er  nehme  beliebige  Schriften  des  Seklncjan,  des  Neothebel, 
des  Bey,  des  Twardowski  n.  s.  w.,  flberall  wird  er  «Kasznbismen«  fin- 
den,  z.  B.  odtoimy  statt  des  polnischen  oditvierny  bei  Rey  (kasznb. 
dwierznik)  oder  stegna  fflr  Pfad  bei  Twardowski  n.  s.  w. ;  ja  es  gibt 
kein  ftlteres  Buch  ohne  solche  —  wie  viele  enthält  die  Bibel  des  Leo- 
polita (z.  "B.Jednylko  gebildet  wie  kaszabisch  barzylkoj  domak  =  do- 
mawy  wie  kasz.  domak  n.  s.  w.)  oder  das  Wörterbach  des  M^czy^ski  1 
Sogar  ganz  späte  Sachen  bieten  Parallelen,  z.  B.  im  Bmntek  codzienny 
des  Oniewisz  vom  J.  1731  kann  man  kiej  ==  kasznb.  cej\  wann,  wenn, 
oft  finden  n.  s.  w.  Und  nnn  gar  die  mittelalterlichen  Texte,  Glossare 
n.  8.  w.  Das8  in  einzelnen  Worten  das  Easznbische  dieselben  Fehler 
macht,  wie  das  Pelnisehe  (diaiectische),  braucht  hier  kaum  erwähnt  isn 
werden:  wie  Polen  z.  B.  falsch  jugo  %Mijigo  (Joch)  sprechen,  haben 
die  Kaszuben  falsch /ttf^y  fftcjisty  (ist^),  wenn  dies  nicht  äeutoch  Just 
henrorgemfen  hat. 

Endlich  hat  das  Easznbische  einzelne  Appellativa,  die  das  Polnische, 
desaen  alter  Wortbestand  uns  so  Iflckenhaft  überliefert  ist,  nur  noch  in 
Eigeuamen  kennt.  Z.  B.  chariqcec  im  Walde,  Felde  oder  Garten 
stehlen  {chariqznikj  charie^ztwo  n.  s.  w.  dazu),  poln.  nnr  in  Eigen- 
namen :  ist  das  r  oder  das  1  eingeschoben?  gehört  das  Wort  zu  aslov. 
chdlqffh  cAalqga  Zann,  in  einigen  Dialecten  für  Höhle,  Bchlopfwinkel 
n.  dg].,  in  anderen  fflr  Seegras,  Tang  (böhm.  chaluha)  —  oder  vgl. 
böhmisch  char<niz  Reisig,  c^arou2;7»a  FeldhOtte?  der  Bedentongsttber- 
gang  wäre  wie  z.  B.  im  böhmischen  chalupovati  brandschatzen  zu  cha- 
lupa  Hlltte.  Oder  kelp  Schwan  n.  dgl.  m.  Anderes  hat  auch  das 
Kasxnbische  nnr  noch  in  Ortsnamen  erhalten. 

Das  Gesagte  mag  znr  Beleuchtung  des  Easzubischen  vom  Stand- 
pnnkte  des  Altpolnischen  aus  genügen;  zu  einem  ähnlichen  Resultat 
gelai^  man  von  der  Betrachtung  modemer  polnischer  Dialectverhält- 
nisse  aus,  die  wir  hier  jedoch  absichtlich  ausgeschlossen  haben.  Das 
kasznbische  Missverständniss  musste  entstehen,  sobald  man  den  Volks- 
dialeet  bloss  mit  der  neuen  Schriftsprache  verglich ;  es  schwindet  so- 
fort, wenn  man  vernünftiger  Weise  das  altsprachliche  und  das  diaiec- 
tische Material  berücksichtigt.  Wir  erwarten ,  dass  noch  vor  Ablauf 
dieses  Jahrhunderts  die  kaszubische  Streitfrage  gelöst  und  die  Fort- 


78  A.  Brückner,  Randglossen  zur  kaszubischen  Frage. 

setzang  des  kasznbisohen  Idiotikons  nicht  mehr  der  verfehlte  Titel : 
j> Wörterbach  der  pommerscben  Sprache«  vernnzieren  wird,  der  diesen 
ganzen  Rnmmel  veranlasst  hat.  A.  Brückner. 


Zwei  Urkunden  ans  Nordalbanien. 

Mitgetheilt  von  Dr,  Ludwig  v.  Thall6czy  und  Dr.  Cons tantin  Jirecek. 


Im  Folgenden  werden  zwei  bisher  anbekannte  Urkunden  aus  Nord- 
albanien  veröffentlicht,  ein  slavisch  verfasster  Geleitsbrief  des  Fürsten 
Ivan  Eastriota,  des  Georg  Eastriota  oder  Skanderbeg  Vater,  an  die  Ra- 
gusaner  vom  J.  1420,  mitgetheilt  von  Professor  JireSek  aus  deni  Archiv 
von  Ragusa,  und  ein  Privilegium  des  Königs  Alfons  V,  (I.)  von  Arago- 
nien  und  Neapel  (1416 — 1458)  an  die  Stadt  Eroja  aus  Skanderbeg^s 
Zeit  vom  J.  1457 ,  mit  der  höchst  wichtigen  Bestätigung  alter  byzanti- 
nischer und  serbischer  Privilegien  dieses  Hauptortes  der  Berge  des  nörd- 
lichen Albaniens,  gefanden  im  Archiv  von  Barcelona  von  Archivdireetor 
Dr.  Ludwig  von  Thallöczy. 

Diese  Urkunden  betreffen  eben  die  Landschaften,  in  denen  der 
Name  Albaniens  seit  der  altUlyrischen  Zeit  heimisch  ist,  und  aus  denen 
sich  dieser  Name  seit  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  weit  aber  die 
ganze  Umgebung  verbreitet  hat.  Der  illyrische  Stamm  Jikßav&v  mit 
der  Stadt  JUXßavörtoXig  wird  in  der  römischen  Eaiserzeit  genannt  bei 
Ptolemaios,  in  den  Bergen  des  westlichen,  bis  zum  Adriatischen  Meere 
reichenden  Theiles  der  Provinz  Macedoni'a,  nahe  an  der  Südgrenze  der 
benachbarten  Provinz  Dalmatia,  die  südwärts  auch  Scodra  und  Lissna 
nmfasste,  also  gerade  in  dem  Gebirgsland  bei  Eroja.  Hahn  suchte  dieses 
Albanopolis  in  den  Skurt^se. genannten  Ruinen  bei  dem  Dorf  Funt  Grä^e 
(wohl  fundus  und  slav.  gradt»cf>  castellum)  am  Westfass  des  Berges  von 
Eroja,  mit  oblongen  Stadtmauern  aus  Quadern,  Resten  eines  grossen 
runden  Thurmes  u.s.w.  (Hahn,  Alb.  Studien  I,  120 — 121;  desselben 
Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin  und  Wardar,  Denkschr.  der  kais.  Aka- 
demie der  Wiss.  Bd.  16.  S.-A.,  S.  13 — 14).    Im  byzantinischen  Mittel- 


Zwei  Urkttnden  aus  Nordalbanien.  79 

alter,  als  diese  Gegend  zar  Provinz  {&ifia)  von  Dyrrhacbion  gehörte, 
gibt  es  eine  lange  Zeit  ohne  genauere  Daten  Aber  das  Detail  der 
Provinzialgeographie  der  Adriatisehen  Küste.  Seit  dem  XI.  Jahrh.  er- 
seheint aber  der  antike  Stammname  der  Albaner  als  Bezeichnung  der 
Nachkommen  der  alten  Dlyrer,  die  sich  in  diesem  Oebirgsland  behauptet 
haben  und  als  Name  des  Berglandes  in  dem  Viereck  zwischen  Scutari, 
Dyrrhachion,  Ochrid  nnd  Prizren.  Zuerst  erwähnt  Michael  Attaleiates 
bei  der  Geschichte  der  von  Dyrrhacbion  ausgehenden  Pronunciamentos 
desManiakes  (1042)  undVasilakes  (1078)  die  J^A/9af/o/  oäet  JiQßavlrai 
(ed.  Bonn,  p.  9,  18,  297).  Anna  Eomnena  kennt  in  der  Geschichte 
ihres  Vaters,  des  Kaisers  Alexios  Komnenos  (1081 — 1118),  die  Land- 
schaft ^ÜQßavov  auf  dem  Wege  von  Dyrrhacbion  nachDebra,  mit  Pässen, 
Steilpfaden  und  Burgen  und  die  Völkerschaft  der  JiQßdvcjv  oder  JiQ- 
ßavixwv.  Georgios  AkropoUtes  im  XDI.  Jahrb.,  der  als  byzantinischer 
Statthalter  diese  Gegenden  aus  eigener  Anschauung  kannte ,  nennt  die 
Landschaft  Üikßavov  mit  der  Burg  von  Kroja  (ed.  Bonn.  p.  98)  und  das 
Volk  der  JikßapiTai,  die  später  bei  Kantakuzenos  u.  A.  als  Jilßavoi 
geechrieben  werden.  In  lateinisch  verfassten,  besonders  kirchlichen 
Quellen,  liest  man  den  Namen  als  Arbanum ,  den  Volksnamen  als  Ar- 
banenses  (z.  B.  in  der  ürk.  1210  bei  Tafel  und  Thomas  2,  122),  Alba- 
nenses,  daraus  italienisch  (in  den  Büchern  von  Ragnsa  1320  f.)  Alba- 
nese,  Arbanese,  Slavisch  nannte  man  das  Volk  flpkSAHaCH  (s  3CMa 
apcaHACK^^  in  der  ürk.  Asen's  II.  an  die  Ragusaner,  3fMA  ...  apBa- 
hacr;i^  in  Asen^sII.  Inschrift  in  der  Kirche  der  40  Märtyrer  in  Tmovo] . 
Der  Name  Arbanasi  ist  in  den  älteren  dalmatinischen  Dichtungen ,  so- 
-wie  in  den  Volksliedern  bei  Bogisiö  und  Vnk  zu  lesen ,  heute  aber  hört 
man  ihn  nur  im  Sflden,  besonders  in  Ragusa  und  Montenegro,  wo  Ar- 
banas einen  katholischen  Albanesen  bedeutet.  In  Bulgarien  und  Serbien 
ist  er  durch  eine  neuere  Form  verdrängt,  durch  Amaut ,  -t»,  aus  dem 
tHrk.  Namen,  der  wieder  aus  dem  ngr.  JiQßavlvrjg  abgeleitet  ist.  Die 
Landschaft  von  ^qßavov  (^Xß-) ,  Arbanum  hiess  slavisch  im  Mittel- 
alter Habmh  (Adj.  rabfottskij.  Dieser  Name  ist  ganz  regelrecht  aus 
Arbanum,  üiQßavov  gebildet,  mit  Vermeidung  des  fremden  vocalischen 
Anlautes,  in  derselben  Art  wie  Arsia  sl.  Rasa  und  Albona  sl.  Labin  in 
Istrien ,  Arba  sl.  Rab  unter  den  Inseln  Dalmatiens ,  Almus  sl.  Lom  in 
Bulgarien  u.  A.  Ueber  die  Bedeutung  und  die  Schicksale  des  Namens, 
der  ans  dem  XII. — XV.  Jahrh.  gut  belegt  ist,  hat  Archimandrit  Ilarion 
Ruvarac  in  dieser  Zeitschrift  Bd.  17  S.  567  bereits  ausführlich  gesprochen. 


80  Thall6czy  und  Const.  Jireoek, 

Dass  Kroja  das  Centrum  dieses  mittelalterlichen  Arbannm  war, 
unterliegt  keinem  Zweifel,  nach  der  Angabe  der  Sitoation  bei  Anna 
Komnena,  nach  dem  Zengnlss  des  Akropolites  nnd  nach  dem  Titel  des 
Türken  Balabanbeg,  der  1415  als  »Snbasa  Ton  Eroja  nnd  Rabbub«  titn- 
lirt  wird  (cSfi4UlA  Kpt$H<KH  H  fiäEäHtKH ,  beherrscht  KpBH  H  Af^d- 
hauikS  3IMAI0,  Pncid  I,  p.  132).  Die  Identität  des  Gebietes  und  des 
Bisthams  von  Arbannm  mit  dem  von  Kroja  ist  nnlftngst  nachgewiesen 
worden  in  den  trefflichen  Bemerkungen  zn  den  Briefen  des  Erzbischofs 
Demetrios  ChomatiaBos,  dieMarinS.  Drinovin  »VizantijskijVremennik« 
(Bd.  I,  S.  332—340)  verOffenÜicht  hat^).  Im  XU.— XIH.  Jahrh.  ge- 
hörten zn  Arbannm  auch  die  Landschaften  von  Polatnm ,  sl.  Pilot  (ein 
Bischof  Ilohk&ißiv  schon  877 ,  in  den  älteren  Notit.  episc.  genannt 
unter  dem  griech.  Metropoliten  von  Dyrrhachion,  befand  sich  aber  seit 
dem  XI.  Jahrh.  nnter  dem  lat.  Erzbischof  von  Antivari) ,  das  (vergl.  No- 
vakoviö,  Godiinjica  I,  208 — 212)  viel  grösser  war,  als  das  heutige  Pn- 
lati,  indem  es  das  gesammte  Bergland  längs  der  Strasse  vonSeutari  nach 
Prizren  timfasste :  iVTk  fIpksaHACk  ÜHAOTk  Urk.  des  Nemanja  an 


^)  Die  Notitia  episcopatuum  bei  Parthey  (Hieroclis  Synecdemus  et  No- 
tltiae  graecae  episcopatuum,  Berlin  1866),  p.  124 — 125,  220,  jedenfalls  vor  dem 
XI.  Jahrh.  verfasst,  zählt  unter  dem  Metropoliten  von  Djrrrhachion  15  BischOfe 
auf:  o  2TBfpayta%&¥  (bei  Valona),  o  Xovvaßiag  (zwischen  Durazzo  und  den 
Bergen  auf  der  Westseite  des  oberen  Thaies  des  Mat),  o  Kqo&v,  o  ^EXufcov 
(Lissus,  j.  Alessio),  o  JicuXeiaffilm  rtfm.Doclea  oder  dessen  Gebiet),  o  Ixo^güy 
(Scodra),  o  Jqißatnov,  o  JloXa&toy,  b  rXaßivixCas  (FAABkHHl^a  in  der  Visio 
Danielis,  vgl.  Jireoek,  Das  christl.  Element  in  der  top.  Nom.  92;  bei  Yalonaj, 
o  AijXiavBlas  (Valona),  o  yivxiyiday  (nicht  LychnidoB,  sondern  Olcinium,  Dul- 
cigno,  altserb.  Akl^HHk),  o  j4 yrißa^aatg  {Antiyaxi,  wo  seit  dem  XI.  Jahrh.  ein 
kathol.  Erzbisthum  bestand),  o  TCsQyixov  (vielleicht  in  der  jetzigen  Landschaft 
Cerminika  bei  Elbassan,  ^HpkMkHHKk  ?),  o  UovXx^Q^^^oXemc  (wahrschein- 
lich Bdigrad,  jetzt  Berat),  o  r^adttCiov  (FpAA^U^y  das  antike  Byllis  östlich 
von  Valona,  Ruinen  bei  Dorf  Gradioa).  Arbsnnm  fehlt  hier;  es  gehörte  unter 
den  Bischof  von  KgoaL  Nach  Farlati-Coleti,  Illyricum  sacrum  VII  (Venetiis 
1817),  191  f.,  411  f.  erscheinen  die  Bischöfe  von  Arbanum  unter  der  latein. 
Kirche  von  Antivari  erst  seit  dem  Xn.  Jahrb.,  ja  im  XIII.  Jahrb.  (p.  192  A) 
soll  es  im  Sprengel  des  episcopus  Albanensis  sogar  zwei  Bischöfe  neben 
einander  gegeben  haben,  einen  lateinischen  und  einen  griechischen,  was 
jedenfalls  ein  Missverständniss  ist  (vgl.  Drinov  im  Viz.  Vrem.  I,  333 — 335). 
Eigene  Bischöfe  von  Kroja  neben  denen  von  Arbanum  kennt  Farlati  erst  seit 
1286  und  bemerkt,  dass  nach  der  Eroberung  von  Kroja  durch  die  Türken  die 
Titel  des  episcopus  Grojensia  und  Albanensis  wieder  zu  ^inem  vereinigt  wur- 
den (p.  193  B). 


Zwei  Urkunden  nns  Nordnlbanien.  8 1 

das  Kloster  Ohilnndar  =  UiTk  Pakha  ÜHAOTd  ivea  in  der  Biographie 
Nemanja's  von  seinem  Sohn,  dem  hl.  Sava  (ed.  äafaffk  p.  1).  Der  mäch- 
tige albanesische  Fürst  Karl  Topia,  der  in  der  dreisprachigen  Inschrift 
des  St.  Johannesklostera  bei  Elbassan  vom  J.  1381  ai&irrqg  Ttiarjg 
%&qag  uiXß6v€v,  princeps  in  Albania  nnd  rocnoAHHk  paskHkCKH' 
(▼ergl.  Bnyarae  1.  c.)  genannt  wird,  beherrschte  anch  die  Landschaft 
des  jetzigen  Elbassan,  wie  denn  die  Familie  der  Topia  nach  neapolita- 
nischen Urkunden  schon  1338  das  ganze  Gebiet  vom  Flnsse  Mat  bis  zum 
FInss  Skump  besessen  hat  (so  genannt  nach  der  antiken  Stadt  Scampa ; 
der  Flnss  hiess  Oennsns  im  Alterthnm,  Yrego  im  Mittelalter,  Scombino 
des  Musachi,  finme  Scnmbine  im  XYI.  Jahrh.) :  »comitatas  a  Maet  nsqne 
Seampinnm«,  citirt  bei  Maknsev,  HcTopE^ecKifl  paaucKasifl  o  GjfaBimax'B 
FB  AxtfamE  S.  44  (gedruckt  Amaet) ;  der  Vocal  in  Maet  ist  hier  als  lang 
wiedergegeben,  wie  in  »flumen  nomine  Mahatc  in  dem  Vertrag  des  8er- 
benkönigs  Uros  II.  Milntin  mit  Karl  von  Valois  1308,  Olasnik  Bd.  27 
(1870),  S.  324,  sonst  aber  als  kurz,  wie  ^  MAvq  bei  Akropolites  ed. 
Bonn.  149,  Ha  MdTH  in  serb.  ürk.  (vergl.  DaniM^,  RjeSnik).  Es  ge- 
hörten also  zu  Arbanum  alle  Gebiete  von  den  « Albanesischen  Alpen « 
zwischen  den  Flflssen  Lim  und  Drim  angefangen  bis  zu  den  Bergen  süd- 
lich Ton  Elbassan. 

Allmählich  wuchs  der  Name  Albaniens  aus  diesem  engeren  Gebiete 
hinaus.  Die  Ostkllste  des  Adriatischen  Meeres  wurde  lange  in  Sclauonia 
(Kroatien,  Dalmatien,  serbisches  Reich)  und  Romania  eingetheilt.  Zu 
Bomania,  was  die  alte  den  Arabern,  Italienern,  Slaven  u.  A.  geläufige 
Benennung  des  ganzen  oströmischen  Eaiserthums  war,  werden  in  ragus. 
ürk.  noch  1280  Durazzo^  1301  Valona  (damals  wirklich  noch  im  by- 
zantinischen Besitz)  gezählt.  Später  zieht  sich  der  Name  Romaniens 
nach  Griechenland  zurück  und  der  Name  Albaniens  breitet  sich  auch  an 
der  Kfiste  aus.  Das  Territorium  der  Anjou's  von  Neapel  in  der  Um- 
gebung von  Durazzo  (1272  f.)  hiess  amtlich  stets  »regnum  Albaniae«. 
Seit  dem  Ende  des  XIV.  Jahrh.  rückt  der  Name  Albaniens  nordwärts; 
in  ragns.  Acten  erscheint  1386  :»S.  Sergius  de  Albania«  an  der  Bojana- 
mflndnng,  ebenso  1429  Antivari,  1430  sogar  Lustica  bei  Cattaro,  14^3 
Podgorica  u.  s.  w.  als  in  Albanien  liegend.  Eine  Beschreibung  von  un- 
gefUir  1570  (Starine  Bd.  12,  S.  193]  nennt  Albanien  das  Land  von 
Duleigno  bis  Valona  und  zu  den  Bergen  von  Chimara.  Es  ist  bekannt, 
dass  auch  die  Landschaft  von  Cattaro  als  venetianisches,  unter  Napo- 
leon I.  als  französisches,  vor  1848  als  österreichisches  Albanien  be- 

ArehiT  fb  stovifeli«  Philologie.  XXI.  6 


82  Thallöcsy  und  Const  •HreSek, 

zeichnet  wurde.  Heute  ist  der  Name  Albaniens  ein  mehr  ethnographi^ 
scher  Begriff  von  sehr  bedeutendem,  aber  unsicherem,  besonders  im 
Binnenland  und  im  Süden  gans  unbestimmtem  Umfang. 

Kroja  (tllrk«  Akhissar,  die  »weisse  Bürgt)  liegt  in  den  Beiden 
iwischen  den  Flflssen  Hat  und  Ismi  (Isamo,  Tssamo,  Dyssamum  der 
Ragusaner  des  XIV — XV.  Jahrb.),  nach  der  Osterreichischen  militftri- 
schen  Karte  604  Meter  hoch,  im  Osten  und  Südosten  jedoch  von  höheren 
Gipfeln  dominirt.  Die  Position  auf  einem  steilen,  meist  senkrecht  ab- 
stflrzenden  Felsen,  der  nur  gegen  Westen  sanfter  abf&llt,  mit  mächtigen 
Quellen  innerhalb  der  Befestigungen  galt  noch  im  XVI.  und  XVII.  Jahrb. 
als  fast  uneinnehmbar,  als  »piazza  fortissima  et  inespugnabilec  nach  den 
Worten  des  Edelmanns  Bolizza  von  Cattaro  (Starine  12, 189) .  Der  Ve- 
netianer  Oinstiniani  schildert  1553  die  hohe  Lage,  »nel  mezzo  una  fon- 
tana  freschissima»  ch'  h  cosa  maravigliosa«,  und  die  gewaltige  Aussicht; 
man  sehe  die  Berge  von  Cattaro  und  Antivari ,  das  Gebiet  von  Scutari, 
Dulcigno,  Alessio,  Durazzo,  Tirana,  Petrella,  den  Berg  Tomor  bei  Berat 
und  im  Westen  ein  weites  Sttlck  des  Adriatiscben  Meeres  (Ljubiö,  Oom- 
missiones  et  relationes  venetae  Bd.  2,  230).  Eine  alte  Beschreibung  aus 
dem  XVI.  Jahrb.  (Starine  12,  197)  sagt,  Kroja  liege  »sotto  un  alto 
monte,  ma  sopra  un  diruppo  di  sasso  vivo«,  befestigt  mit  alten  Mauern, 
versorgt  mit  »fontane  vivea ;  inmitten  der  cittä  sei  eine  »cavemaa,  darin 
eine  Cisteme  mit  Quellwasser,  das  dann  unter  der  Stadt  herausfliesst  und 
Mflhlen  treiben  konnte ;  die  Lage  sei  schön  mit  guter  Luft  und  Reichthum 
an  Holz,  Oel,  Getreide,  Fleisch  aus  der  Umgebung.  Aus  dem  XIX.  Jahrb. 
gibt  es  Beschreibungen  bei  dem  Prager  Arzt  Jos.  Mflller  (Albanien,  Rn- 
melien  u.  s.w.  S.  72)  und  bei  Oonsul  Hahn  (Alb.  Studien  1,  87).  Die 
starken,  schwftrzlichen  Ringmauern  mit  Rundthflrmen  wurden  1832  nach 
der  Niederwerfung  des  Aufstandes  des  Mahmud  Busatli  von  Scutari  ge- 
schleift. Frflher  soll  den  Christen  der  Zutritt  nur  bei  Tag  mit  moham- 
medanischen Fahrern  gestattet  gewesen  sein;  bei  Nacht  durften  sie  Kroja 
unter  Todesstrafe  nicht  betreten.  Eine  enge  lange  Bazarstrasse ,  an  der 
starke  Quellen  entspringen,  ftihrt  auf  die  Burg,  auf  welcher  sich  nach 
Hahn  80  arme  mohammedanische  Hftuser  mit  einigen  Moscheen  und 
einem  ührthurm  befinden ;  um  die  Burg  herum  liegen  unten  in  Baum- 
gruppen an  700  Hftuser. 

Der  Name  stammt  von  den  Quellen :  alb.  krda  Quelle.  Die  Byzan- 
tiner schrieben  KqoaL  im  Plural  (Not.  episc. ,  Demetrius  Chom.,  Akro- 
polites,  Philes) ;  der  Einwohner  hiess  Kgotvfjg  (Groite  in  der  ürk.  des 


Zwei  Urkunden  am  Nordalbanien.  8$ 

Kg.  Alfons).    Die  slavische  Form  lautet  Kpo^H  (Pndd  1,  132 ;  MiletiS, 
KroBStädter  ürk.  Nr.  84,  99  im  Sbornik  des  bulg.  MinisteriumB  Bd.  13, 
S.  82  und  90),  lat.  Oroya,  Crnja,  auch  oppidum  Oroarum«    Die  erste 
Erwähnung  findet  man  in  kirchlichen  Acten.     Der  Bischof  &  Kqo&p 
unter  dem  Metropoliten  von  Dyrrhachion  fehlt  in  keiner  der  älteren  No* 
titiae  der  griechischen  Bisthflmer  und  erscheint  noch  zu  Anfang  des 
Xin.  Jahrh.  in  der  Correspondenz  des  Erzbischofs  Demetrios  Qhoma-^ 
tianos  von  Ochrid.  Die  Privilegien  der  byzantinischen  Kaiser,  von  denen 
in  der  Bestätigung  des  Königs  Alfons  die  Bede  ist,  beginnen  mit  Manuel 
Komnenos  (1147 — 1180),  der  während  seiner  vielen  Feldzflge  auch  in 
Albanien  verweilte.   Wie  dies  von  Drinov  in  der  erwähnten  Abhandlung 
ausgeführt  wird,  war  in  Kroja  der  Sitz  der  albanesischen  Dynasten  von 
Arbanum  schon  im  XII. — XlII.  Jahrh.    In  der  Geschichte  der  Kriege 
des  Kaisers  Joannes  Dukas  Vatafzes  mit  dem  Despoten  Michael  II.  von 
Epirus  erwähnt  Akropolites  »tö  iv  T(p  JilßAv(fi  q>QoiQLOP  zitg  Kgöagtc 
(ed.  Bonn.  p.  98).    Unter  den  Stadtprivilegien  gab  es  Urkunden  dieses 
Kaisers ,  der  vom  lateinischen  Uebersetzer  als  Joannes  Duz  bezeichnet 
wird ,  ausgestellt  wohl  nach  der  Erwerbung  dieser  Gebiete  durch  den 
Frieden  von  Larissa  1252,  ebenso  seines  Sohnes,  des  ELaisers  Theodoros 
Laskaris  U.  (1254 — 1258),   unter  dessen  Regierung  der  Despot  Mi* 
chael  II«  die  JUßavivat  gegen  die  Griechen  von  Nikäa  aufwiegelte 
und  den  Gegner  ans  diesen  Gebieten   färeinige  Zeit  verdrängte.    Diese 
Kämpfe  zwischen  den  Griechen  von  Arta  und  Nikäa  brachten  die  Fran-^ 
ken  als  Bandesgenossen  des  Despoten  ins  Land.   Kroja  war  (nach  Hopf) 
1272 — 1278  oecupirt  von  den  Truppen  des  Königs  Karl  I.  von  Anjou; 
dies  war  der  Höhepunkt  der  neapolitanischen  Herrschaft  in  Albanien. 
Nach  der  grossen  Niederlage  der  Neapolitaner  bei  Berat  wurde  Kroja 
um  das  J.  1 280  wieder  von  den  Byzantinern  oecupirt,  wie  es  auch  Ma- 
nuel Philes  in  seinem  ungefähr  1305  verfassten  Lobgedicht  an  den  Feld- 
herrn Michael  Glavis  Tarchaniotes  ausdrücklich  nennt  (Vers  289 :  Kqoig 
TS  xal  KAvviva  xal  ztc  xvuldd-ev).    Aus  dieser  Zeit  stammte  wohl  das 
Stadtprivilegium  von  Kaiser  Michael  Paläologos  (f  1282).  Neu  bestätigt 
wurde  es  durch  die  in  lateinischer  Uebersetzung  ganz  erhaltene  Urkunde 
seines  Sohnes,  des  Kaisers  Andronikos  II.  (1282 — 1328),  datirt  vom 
October  der  II.  Indiction,  also  falls  sie  bald  nach  dem  Regierungsantritt 
aosgestellt  wurde,  vom  J.  1288—9  (6797  =  l.Sept.  1288  bis  31.  Aug. 
1289) ;  das  zweite  Jahr  des  Indlctionscyclus  kehrt  dann  unter  der  langen 
Begierung  dieses  Kaisers  allerdings  noch  zwei  Mal,  1303 — 1304  und 

6» 


S4  Tb»116czy  und  Const.  Jireoek, 

1318—1319  wieder.  Andronikos  ELL  (1 328 — 1341)  war  dann  der  letzte 
griechisohe  Kaiser,  welcher  die  albanesisohen  Landschaften  beherrscht 
nndy  wie  dies  bei  Kantaknzenoe  und  Nikephoros  Gregoras  ansfflhrlieh 
geschildert  wird,  anf  seinen  Feldzllgen  anch  persönlich  besucht  hat. 

Die  Nachfolger  der  Byzantiner  worden  die  Serben.  Stephan  Dnsan 
bestätigte  noch  als  König  die  Privilegien  von  Kroja  im  Jani  des  Jahres 
6851  (die  Uebersetznng  hat  das  irrige  Datapi  7851),  Indiction  XI,  also 
im  Jnni  1343.    Das  Datum  ist  für  die  Chronologie  der  Zeit  ron  Bedeu- 
tung.   Stephan  von  Serbien  war  nach  Andronikos'  III.  Tod  verbündet 
mit  dem  Gegenkaiser  Joannes  Kantakuzenos ,  der  sich  1342  nach  Ser- 
bien geflflchtet  hatte;  die  Bundesgenossen  entzweiten  sich  aber  1343 
schon  im  Sommer,  da  alle  Yortheile  den  Serben  zufielen,  die  eine  Stadt 
Makadoniens  nach  der  anderen  für  sich  besetzten.    Wir  sehen  aus  un- 
serer Urkunde,  dass  Stephan  zur  selben  Zeit  auch  in  Nordalbanien  die 
griechischen  Burgen  occupirte.    Bald  folgte  die  serbische  Occupation 
Mittelalbaniens.    Nach  dem  Epilog  des  Psalters  des  Branko  Mladenovi^ 
(beschr.  von  Miklosich,  Starine  4,  29)  nahm  im  J.  6854  =  1.  Sept.  1345 
•»^  31.  Aug.  1346  Dgospodin  kralj  Stefan  a  Kastoria  (slav.  Kostur),  Bel- 
grad (Berat)  und  die  Burg  Kanina,  diese  jedenfalls  sammt  dem  benach- 
barten Valona,  in  welchem  August  1347  ragusanische  Zollpftchter  seit 
zwei  Jahren,  also  seit  ungefähr  Juli  1345  sassen  (ürk.  im  Spomenik 
Bd.  11,  S.  29).    Der  Serbenkönig  unterstfitzte  dabei  ttberall  die  Alba- 
nesen  gegen  die  Griechen.    Seit  dem  Ende  des  XIII.  Jahrh.  ist  nämlich 
tinter  den  Einwohnern  der  Gebirge  Albaniens  eine  Expansivbewegung 
zum  Ausbruch  gekommen.   Die  Niederungen  waren  in  Folge  der  vielen 
Kämpfe  zwischen  den  vier  Landesherren,  den  byzantinischen  Kaisem, 
den  Despoten  von  Epirus,  den  Anjou's  von  Neapel  und  den  Serben,  ver- 
ödet und  entvölkert.   Die  Hirtenbevölkerung  der  Gebirge  hatte  dagegen 
einen  Ueberschuss  an  Mannschaft  und  drängte  sich  zuerst  gegen  die 
Stadtgebiete,  später  aber  nach  Nordgriechenland,  vor  allem  nach  Thes- 
salien.   Der  Edelmann  Michael  Gabrielopulos  versprach  1295  den  Ar- 
chonten  von  Phanarion  bei  Trikala  in  Thessalien,  dass  weder  er  noch 
seine  Erben  Albanesen  im  Stadtgebiete  ansiedeln  werden  (jU^  Ttqoaot" 
Ttiaü)  J^Xßvlrag,  Acta  graeca  5,  260).   Anschaulich  schildert  das  Her- 
absteigen der  Albanenses  aus  den  Bergen  in  die  durch  Anarchie  und 
durch  die  Feldzflge  der  Catalonier  verwüstete  Ebene  von  Thessalien  ein 
Brief  des  Marino  Sanudo  von  1325   (bei  Tafel  und  Thomas,  Urkunden 
1,  500).   Ebenso  bedrängten  1330  f.  albanesische  Hirten  und  Nomaden 


Zwei  Urkunden  aus  Nordftlbanien.  85 

4ie  Stadtgebiete  von  Belgrad  (Berat),  Eaninä,  Valona  u.  d.  w.^  was  den 
Kaiser  Andronikos  IIL  bewog,  persönlich  eine  Expedition  gegen  diese 
Bergstämme  zu  nnternehmen  und  sie  empfindlich  zn  züchtigen.  In  Folge 
dessen  standen  Griechen  und  Albaneser  einander  feindlich  gegenflber, 
ein  umstand,  der  den  Serben  ihre  Operationen  sehr  erleichterte.  Als 
Car  Stephan  1348  Epims  und  Thessalien  occupirte,  setzten  sich  die 
Hänptiinge  der  albanesischen  Truppen  selbst  im  Süden  des  bis  dahin 
griechisohen  Epirotenlandes  fest,  auf  den  Ländereien  der  griechischen 
Archonten  und  Proniaren.  Die  Truppen  des  serbischen  Feldherm  Pre- 
Ijnb,  welcher  bis  zn  der  damals  venetianischen  Burg  Pteleon  auf  der 
Westseite  des  Ausganges  des  Golfes  von  Yolo,  gegenüber  Nogroponte, 
vordrang,  werden  von  den  Venetianern  1350  als  »Albaneses«  bezeich- 
net (Ljubiö,  Listine  3,  169).  Das  in  der  Urkunde  des  Königs  Alfons 
erhaltene  Privilegium  des  Stephan  DuSan  an  Kroja  zeigt,  wie  der  ser- 
bische Hen'scher  die  albanesischen  Edelleute  sofort  durch  Schenkungs- 
urkunden zu  gewinnen  verstand. 

Bei  dem  Zerfall  des  serbischen  Reiches  erscheint  Kroja  im  Besitz 
des  Karl  Topia,  des  mächtigsten  der  albanesischen  Dynasten  nach  1360. 
Im  J.  1392  residirte  in  der  Burg  seine  Tochter  Helena  und  ihr  Gatte, 
der  venetianische  Patricier  Marco  Barbarigo,  ein  »rebellisa  seiner 
Heimathsgemeinde,  die  damals  Durazzo  occupirt  hatte.  Barbarigo 
wurde  1394  sogar  türkischer  Vasall,  gelangte  aber  schliesslich  als  Ge- 
fangener nach  Venedig.  Sein  Nachfolger  war  ein  zweiter  Gemahl  dieser 
Helena  Topia,  Konstantin,  Sohn  des  Georg  Baliiö  und  der  Theodora 
(als  Nonne  Xenia) ,  über  welchen  wir  in  der  Vorrede  zu  Spomenik 
Bd.  11,  S.  16  f.  ausführlich  gesprochen  haben.  Dieser  Konstantin,  dem 
auch  die  Landschaft  Scuria  zwischen  Durazzo  und  Tiranna  gehörte, 
wurde  1402  von  den  Venetianern  in  Durazzo,  wir  wissen  nicht  warum, 
hingerichtet.  Im  J.  1403  erscheint  Kroja  im  Besitz  des  Grafen  Niketa 
Topia,  der  verpflichtet  wurde,  die  Fahne  des  hl.  Marcus  zu  hissen  und 
alijährlich  am  St.  Michaelistage  zwei  Falken  (austures)  dem  venetiani- 
aehen  Bailo  von  Durazzo  zu  liefern  (Ljubi<5,  Listine  Bd.  5,  S.  10  u.  43). 
Nach  Niketa's  Tod  regierte  1415  in  Kroja  ein  türkischer  Statthalter, 
Balabanbeg,  SubaSa  von  Kroja  und  »Rabanc,  während  die  nächste 
Nachbarschaft  von  Ivan  Kastriota  beherrscht  wurde. 

Bekannt  und  berühmt  in  ganz  Europa  wurde  der  Name  von  Kroja 
in  der  Zeit  des  Georg  Kastriota  oder  Skanderbeg  (1444 — 1468).  Drei- 
mal zogen  die  türkischen  Sultane,  zuvor  Murad  II.,  später  sein  Sohn 


86  Thallöczy  nnd  Const.  Jireoek, 

Mohammed  II.,  vergeblich  aas  znr  Erobernng  dieser  albanesisehen 
Felsenbnrg.  Nach  SkaDderbeg's  Tod  erhielt  Kroja  eine  venetianische 
Besatzung,  diese  mnsste  aber  1478  nach  tapferer  Vertheidignng  capitn- 
liren.  wobei  Mohammed  U.  persönlich  dieSchlflssel  derBnrg  Übernahm. 
Seitdem  blieb  Eroja  als  »Akhissar«  ein  wichtiger  Waffenplatz  der  Tür- 
ken im  Westen  nnd  zwar  war  es  nach  dem  Zengniss  des  HadSi-Ealfa 
(Rnmili  und  Bosna)  nnd  der  yenetianischen  Beschreibung  in  den  Starine 
12,  199  untergeordnet  dem  SandSakbeg  von  Ochrid  im  Binnenlande. 

Skanderbeg  hätte  1453  dem  König  Alfons  gehuldigt.  Ans  dieser 
Zeit  stammt  die  Bestätigung  der  Privilegien  der  »universitas  (=  com- 
munitas]  oppidiCroarum«  von  König  Alfons,  gegeben  am  19.  April  1457 
in  Neapel.  Von  Skanderbeg  ist  darin  kein  Wort  zu  lesen;  genannt  wer- 
den nur  der  Bischof,  der  Clerus,  die  icommnnitas«  und  die  »homines« 
der  Stadt.  Im  Texte  wierden  zwei  Privilegien  mitgetheilt,  verliehen  »ab 
antiquis  imperatoribusir  und  angeblich  beide  aus  dem  Griechischen  über- 
setzt, von  Kaiser  Andronikos  ;II.)  und  von  König  Stephan  von  Serbien, 
der  merkwürdiger  Weise  als  icrales  {xQAXrig)  Bugarorum «  bezeichnet 
wird.  An  der  Spitze  der  Gemeinde  erscheinen  Kleriker  und  Adelige. 
Die  Burgbewohner  besitzen  Weingärten,  Getreidefelder,  Olivenpflan- 
zungen, Fischereirechte,  haben  unterthane  Bauern  (colonos  sive  agri- 
colas),  aber  ihr  Hauptbesitz  sind  zahlreiche  «hibemac,  Winterweideplätze 
(sl.  zimü^te^  zimovi&te,  vergl.  Dani8i6,  RjeJ^nik) ,  deren  19  mit  Namen 
aufgezählt  werden.  Die  Karten  der  Landschaft  haben  noch  sc  wenig 
Detail,  dass  eine  Bestimmung  der  Lage  dieser  Ortschaften  derzeit  nicht 
möglich  ist;  als  Parallele  zu  Pkerza  ist  zu  erwähnen  Fjerza,  Firza,  ein 
Pfarrdorf  im  Dnrchbruch  des  Drin  (Hahn,  Reise  211),  zu  Cercoleso  ein 
Dorf  IJ^pbKOA'kBk  in  einer  Urkunde  aus  der  Zeit  des  Despoten  Stephan 
Lazarevid  (Glasnik  Bd.  24,  S.  274).  An  den  Thoren  von  Kroja  waren 
die  »Kroitenc  frei  von  jeder  Abgabe  von  Holz  und  jeder  anderen  »an- 
garia«,  sowohl  beim  Eingang  als  beim  Ausgang.  Ebenso  war  ihr  Ver- 
kehr mit  der  Stadt  Dyrrhachion  vollständig  zollfrei,  wohl  noch  ein  lieber- 
rest  aus  den  Zeiten,  bevor  dieser  mittelalterliche  Haupthafen  Albaniens 
in  den  Besitz  der  Neapolitaner,  später  der  Yenetianer  gelangt  ist.  Den 
Provinzialstatthaltem,  Stenerbeamten,  sowie  den  Capitänen,  Castellanen 
und  Wächtern  der  Burg  selbst  wird  in  den  Urkunden  strenge  aufge- 
tragen, die  Rechte  der  Kroiten  zu.  schützen. 

Was  die  mächtigen  Geschlechter  des  Landes  anbelangt,  findet  man 
die  ersten  Nachrichten  über  dieselben  in  der  Gorrespondenz  des  Erz- 


Zwei  Urkunden  aiia  Nordalbanien.  87 

biflohofii  Demetrioft  Chomatianos.  Als  erster  Dynast  Nordalbaniens  er- 
fleheint  im  XII.  Jahrh.  ein  Albanese  Progan,  mit  einem  wohlbekannten 
nationalen  Namen  (Ilporoilk  in  der  ürk.  von  DeSani,  Progano  oft  in 
venet.  Aeten] ,  der  vom  Heransgeber  der  Correspondenz  wegen  der 
Aehnlichkeit  mit  griech.  nfjöyovog  Vorfahr  missverstanden  nnd  mit 
kleinem  Anfangsbnehstaben  gedmekt  wnrde  [&Qxov%og  rov  uiXß&pov 
rivfj  Tov  IlQoyövov  ed«  Pitra  ooL  1).  Des  Progon  Söhne  waren  die 
Archonten  Gin  und  Defnetrios.  Demetrios  ist  ans  den  päpstliehen  Ur- 
kunden 1208 — 1209  bekannt  als  Arbanensis  princeps,  judex  Albano- 
rom,  ein  Gegner  der  damals  in  Dnrazzo  herrschenden  Venetianer  (Ljnbid 
1,  27].  Seine  Fran  Komnina  war  eine  Tochter  des  Orossiupans  (später 
erstgekrOnten  KOnigs)  Stephan  von  Serbien  nnd  der  Endokia ,  Tochter 
des  Kaisers  Alexios  III.  Später  erscheint  in  dieser  Landschaft,  wie  dies 
Drinov  dargelegt  hat,  eine  Art  Nachfolge  nur  in  weiblicher  Linie.  Nach 
dem  Tod  des  Demetrios  herrschte  in  Arbannm  unter  dem  epirotischen 
Despoten  (später  Kaiser)  Theodor  der  Sevastos  Gregorios  Kamonäs,  der 
die  Wittwe  des  Demetrios  geheirathet  hatte,  was  ganz  unkanonisch  war, 
da  des  Kamonis  erste  Frau  eine  Tochter  des  Gin,  des  Bruders  desselben 
Demetrios  gewesen  war.  Im  J.  1253  wird  als  Landesherr  von  Albanon 
genannt  ein  GolSm  (rovldfiog) ,  dessen  Frau  nach  Akropolites  (ed. 
Bonn.  p.  98)  eine  Verwandte  der  Kaiserin  Irene  war,  nach  Drinov's  Er- 
läuterung eine  Tochter  der  serbischen  Komnina. 

Im  XIV.  Jahrh.  waren  das  herrschende  Adelsgeschlecht  dieses  Berg- 
landes die  Topia  (Thobia,  Theopia).  Erst  später  werden  hier  die  Ka- 
striata  erwähnt.  Bei  Spandugino  und  Musachi  sind  Sagen  von  einem 
serbischen  Ursprung  derselben  zu  lesen,  doch  der  Name  ist  ohne  Zweifel 
griechisch,  KaOTQuaTqg  von  einem  Ortsnamen  KaarqLov.  Griechische 
Elemente  in  den  Namen  des  Adels  von  Albanien  sind  bei  der  viel- 
hundertjährigen  Herrschaft  der  Byzantiner  nichts  aussergewöhnliches. 
Auch  der  Name  der  Arianiten  hat  byz.  Vorbilder  (darflber  ausführlich 
Hahn,  Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin  und  Wardar  S.  298) ;  ebenso 
erinnern  die  Span  von  Drivasto  an  griech.  anavög ,  die  Scura  bei  Dn- 
razzo an  den  Personennamen  2yovfog. 

Die  erste  Spur  der  Familie  der  Kastriota  erscheint  am  Hofe  der 
slavisehen  Dynasten  von  Valona,  die  1350 — 1417  erwähnt  werden 
(vergl.  JireSek  im  Spomenik  der  kgl.  serb.  Akademie  Bd.  11,  S.  11  f.). 
In  Valona  residirte  zuerst  (1350 — 1363)  der  Schwager  des  Garen  Ste- 
phan Dnsan,   der  Despot  Jobannes  Komnenos  Äsen,  ein  Bruder  des 


S8  ThallöcBjT  und  Const  Jireoek, 

bulgarischen  Caren  Johannes  Alexander  und  der  serbischen  Oarin  Helena, 
Stephan  Dusan's  Gattin,  dann  sein  Verwandter  oder  gar  Sohn  Alexander 
(1366—1368).  In  dem  Eid,  den  Alexander,  «gospodin  Kanine  i 
Avlonu«,  den  Ragnsanem  als  ihr  Ehrenbflrger  (brat  od  komuna  dnbrovbi- 
koga)  leistete,  erscheinen  unter  den  Zeugen  voran:  ȟpOA^Nk  KOie- 
BOAA  H  AlHKACt^iUk  (wohl  ein  Kroate,  nach  der  Namensform;  ein 
Sfld-Dalmatiner,  Serbe,  Albanese  hiesse  Nikola  oder  Niksa]  kc^aahm 

B4BA0HCKH,   BpAHHAO  H  Kl^aANU   KaHHHCKH   KaCTpHIVTka.     Der 

älteste  Eastriota  war  also  nur  Beamter,  Burghauptmann  auf  Kanina  bei 
Yalona;  die  Ruinen  dieser  Burg  in  drei  Etagen  (die  höchste  379  m  Aber 
dem  Meer)  stehen  heute  noch  südöstlich  von  Yalona  (Hahn,  Alb.  Studien 
1,  72).  Nach  dem  Texte  gehört  Branilo  kaum  zum  Namen  Eastriot,  wie 
es  Hopf  verstanden  hat.  Später  erscheinen  die  Eoistriota  in  Nordalba- 
nien. Am  klarsten  schildert  die  Anfänge  der  Linie  der  Despot  Musaohi 
(1510):  »Sappiate,  com'  1'  avo  del  Signor  Scanderbeg  se  chiamö  Signor 
Paulo  Gastrioto,  e  non  hebbe  piü  de  due  casali,  nominati  Signa  (nach 
Hahn  Dorf  Ober-  und  Unter-Sinja  in  der  Matja)  e  Oardi-ipoatesi  t 
(Hopf,  Chroniques  gr^co-romanes  in^dites  p.301).  Pauls  Sohn  Giovanni 
Oastrioto  «se  fece  Signor  della  Matiaa  (ib.  p.  298,  301).  Dessen  Sohn 
Skanderbeg  »depo  che  recuperö  la  Matia,  stato  patemo,  s'  insignori 
della  cittä  de  Groia,  ch'  il  padre  non  V  hebbe  c  (p.  299);  »fü  Signore 
non  solum  della  Matia,  ma  si  fh  Signore  de  Groia,  de  Dibra,  de  Birina 
(Brinje  in  der  Matja)  cio^  de  Randisia,  Tomorista  e  Misia  e  lo  paese  de 
Guonimi  (wohl  der  Familie  Jonima,  vergLRuvarac  im  Archiv  17  S.564) 
insino  alla  Marina«  (p.  29S — 9).  Bei  Hopf,  Hahn  und  Makusev  ist  die 
Genealogie  verwirrt  dadurch,  dass  Eonstantin  von  Eroja ,  wie  oben  be- 
merkt (vergl.  Spomenik  11,  S.  15)  ein  Balsid,  in  die  Familie  der  Ea- 
striota einbezogen  wurde,  als  ein  Bruder  des  Ivan  Eastriota,  bei  Hahn 
(Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin  und  Wardar  S.  304)  sogar  identificirt 
mit  Paul  und  als  Skanderbeg's  Grossvater  aufgefasst. 

Ivan  Eastriota,  Itcanus  Castrioti  der  Zeitgenossen,  ist  aus  dem  ür- 
kundenmaterial  dieser  Zeit  gut  bekannt.  Schon  1407  wird  er  als  > do- 
minus satis  potens  in  partibus  Albaniea  genannt.  Er  hatte  sich  den 
Venetianern,  die  damals  Durazzo,  Alessio  und  Scutari  besassen,  unter- 
worfen (se  subiecit  fidelitati  nostri  dominii).  Am  S.April  1407  beschloss 
der  Senat  von  Venedig  Fürsprache  zu  fähren  beim  Papst  in  Folge  eines 
Schreibens  dieses  albanesischen  Fürsten.  Der  Bischof  von  Alessio  wollte 
»occupare  duodecimde  ecclesiis  episcopatus  Albanie  et  illas  nititur  semo- 


Zwei  Urbindea  aiiB  Nnrdalbanien.  89 

▼ere  ab  ipso  episcopata  Albanie  et  nnire  atque  reducere  eab  episcopatn 
8110 c;  Ivan  Eastriota  protestirte  dagegen,  da  diese  Kirchen  angeblich 
schon  seit  800  Jahren  (iam  sunt  octingenli  anni)  dem  Bischof  von 
Albania  gehörten  nnd  da  diese  Trennung  zur  Folge  haben  würde  einen 
«mazimns  tomnltns  et  dissensio  inter  eoclesias  interqne  nobiles  et  omnes 
aiios  de  contracta  illaa  (ganz  bei  LJnbiö  5,  94 — 95).  Das  Schreiben  ist 
für  die  Oeschiohte  des  Bisthnms  von  Arbannm  von  grosser  Wichtigkeit ; 
der  »episoopatns  Albanie  c,  welcherzn  Anfang  des  XV.  Jahrb.  seine  Besitz- 
rechte bis  ins  VII.  Jahrb.,  in  die  Zeiten  des  Ejiisers  Manricins  oder 
Fbokas  zniUckdatirte,  ist  nichts  anderes  als  das  frflhere  Bisthnm  KqoQv 
der  griechischen  Qnellen,  allerdings  nnnmehr  im  Besitz  der  Katholiken 
befindlich.  Seit  21.  Mftrz  1413  war  Ivan  Bflrger  von  Ragasa,  nach  Be- 
sehlnsa  des  Consilinm  Rogatomm  »de  aeceptando  dominum  Inannm 
Gastriot  in  einem  et  vicinum  nostrum,  cum  omnibas  prinilegüs  et  immn- 
nitatibns»  qnibns  accipinntur  alii  eines  facti  per  gratiam  «  (Libri  Refor- 
mationnm  1412 — 1414  im  Archiv  von  Ragnsa). 

Bald  darauf  musste  sich  Ivan  der  tfirkischen  Oberhoheit  fflgen; 
1416  wird  er  genannt  als  tflrkischer  Vasall,  neben  Balsa  Stracimirovid, 
Koja,  Bitri  Jonima  und  dem  türkischen  »capitaneus  castri  Croyea 
(Ljubiö  7,  218).  Schon  1410  klagte  sein  Gesandter  in  Venedig,  »ipsum 
esse  aatrictum  a  Turchis  et  habere  proprium  natum  in  obsidem  apud  eos 
et  quotidie  infestari,  ut  ipsos  Turchos  permittat  per  passus  et  loca  sua 
descendere  ad  territoria  et  loca  nostre  dominationi  subiectae  (Ljubid 
6,  51).  Während  der  vielen  Kftmpfe  gegen  Balsa  bemühten  sich  die 
Venetianer  eifrig  den  Ivan  als  Bundesgenossen  zu  gewinnen;  das  erste 
Angebot  des  Ivan  1411  lautete,  er  wolle  »equos  trecentos  Tnrchorum 
et  equos  duo  mille  de  suis  et  plnres,  si  plures  erunt  necessariia  stellen 
gegen  BalSa  und  gegen  jeden  anderen  Gegner  der  Venetianer  in  Alba- 
nien, für  eine  jährliche  Provision  von  Tausend  Ducaten  (Ljubiö  6, 175). 
Die  grossen  Reiterschaaren,  die  Ivan  auf  seinem  Gebiete  aufstellen 
konnte,  sprechen  für  eine  bedeutende  Ausdehnung  seines  Territoriums. 
Die  Verhandlungen  wurden  öfters  von  Neuem  angeknüpft.  Als  aber 
nach  dem  Tode  des  Balsa  1421  Despot  Stephan  Lazareviö  von  Serbien 
im  Gebiet  von  Scutari  einrückte,  um  als  Erbe  der  Bal&i6i  die  Venetianer 
zn  bekämpfen,  setzte  sich  Ivan  mit  den  Serben  ins  Einvernehmen  und 
sendete  seinen  Sohn  zum  Despoten,  ohne  jedoch  mit  Venedig  abzubrechen. 
Ein  venetianischer  Gesandter,  Andreas  Marcello,  reiste  insgeheim  über 
Alessio  als  Kaufmann  verkleidet  mit  Geschenken,  um  Ivan  wieder  für 


90  ThaUöcsy  und  Const  «Hreoek, 

Venedig  zu  gewinnen;  ans  seiner  Instruetion  Yom  28.  Jannar  1423  ist 
%VL  sehen,  dass  Ivan  damals  von  den  Venetianern  »illnm  honor^n,  qnem 
habait  eomes  Nicheta«  (Niketa  Topia)  beansprnehte.  Der  venetianische 
Gesandte  sollte  ihn  anf  die  Gefahren  aufmerksam  machen,  die  ihm  nnd 
anderen  »dominia  der  Landschaft  drohen,  »si  dictus  dominus  despotas 
dominaretnr  in  partibns  illist;  wenn  Ivan's  Truppen  wirklich  im  Lager 
des  Despoten  vor  Scutari  sein  sollten,  möge  er  sie  zurflckbemfen  (Ljn- 
bid  8, 211 — 214).  Doch  kam  es  noch  in  demselben  Jahre  zum  Frieden 
zwischen  Serbien  nnd  Venedig  (vgl.  Stanojevid,  Archiv  18,  466). 

Im  Mai  1426  bat  Ivan  die  Bagusaner  um  einen  Arzt  und  der  Senat 
liess  den  Stadtarzt  Magister  Thomas  fragen,  »si  contentns  est  ire  ad 
Gastriotumo  (Oons.  Bog.  25.  Mai  1426).  In  dieser  Zeit,  1424—1425, 
Hessen  die  Venetianer  den  Ivanus  Gastrioti  ersuchen,  dass  er  »destmi 
faciat  omnes  salinas,  quas  fieri  facit«,  Salzsiedereien  am  Meere  irgendwo 
bei  Alessio.  Die  »capitula«  seiner  Gesandtschaften  nach  Venedig 
1428 — 1433  sind  leider  nur  aus  den  kurzen  Angaben  der  Register  be- 
kannt, da  die  Senatsbttcher  selbst  für  1422 — 1440  sich  nicht  erhalten 
haben.  Vgl.  Ljubi6  8,  134,  wo  aber  eine  bei  Hopf  (Ersch-Gruber's  En- 
cyklopädie  Bd.  86,  S.  101)  citirte  wichtige  Stelle  fehlt:  im  Juli  1428 
bat  Ivan  durch  seinen  Gesandten,  den  Priester  Demetrius,  man  möge  ihn 
nicht  verantwortlich  machen,  wenn  sein  Sohn  Georg  (Skanderbeg),  der 
zum  Islam  übergetreten,  venetianisches  Gebiet  verheeren  sollte.  Am 
18.  Januar  1430  beschloss  der  grosse  Bath  von  Bagusa,  dem  Ivan  ein 
Geschenk  in  Tflchem  im  Werthe  von  1 50  Perper  zu  machen,  ebenso 
seinem  Gesandten  Nicola  Summa  eines  »in  pannist  für  50  Perper. 

In  demselben  Jahr  1430  erlebte  Ivan  böse  Tage.  Am  29.  Mflrzd.  J. 
hatten  die  Türken  den  Venetianern  Thessalonich  entrissen.  Nach  dem 
Fall  dieser  wichtigen  Stadt  zog  ein  türkisches  Heer  nach  Epirus  und 
nahm  die  Stadt  Janina  (vgl.  die  Urk.  in  Acta  graeca  3,  282);  der  Despot 
Carlo  II  Tocco  wurde  auf  den  Süden  des  Despotats  mit  Arta  beschränkt. 
Ein  zweites  türkisches  Heer  unter  dem  Feldherm  Isak,  dem  Statthalter 
von  Skopje,  brach  in  Albanien  ein.  Das  Gebiet  des  Ivan  Kastriota 
wurde  erobert,  vier  seiner  Burgen  geschleift,  in  zwei  Burgen  türkische 
Besatzungen  gelegt.  Doch  verständigte  sich  Ivan  mit  den  Türken  und 
erhielt  sein  Land  zurück,  bis  auf  ein  kleines  Gebiet,  welches  der  Statt- 
halterei  des  Isak  untergeordnet  blieb.  Ueber  diese  Ereignisse  bieten  die 
von  Ljubiö  veröffentlichten  venetianischen  Urkunden  keine  Nachricht ; 
dafür  hat  sieh  manches  Detail  in  der  bisher  ungedruckten  Correspondenz 


Zwei  Urkunden  ans  Nordalbanien.  91 

der  Bagasaner  erhalten.  Am  18.  Mai  1430  schrieb  der  Senat  von  Ra- 
giisa  seinem  Gesandten  bei  dem  bosnischen  Orossvojvoden  Sandalj, 
Benedetto  Mar.  de  Oondola:  »De  nonelle  abiamo  qnesto.  Come  ananti 
fo  seiitto,  lo  Toroho  obtegnj  Salonicho  et  obtegnndo  che  Y  aae,  parte 
delie  sne  gente  mando  nella  Morea  e  parte  contra  le  tenute  e  paexe  de 
Inan  Gastrioto,  leqnal  ad  esso  laan  lenamo  quatro  forteze,  zoe  castelle, 
che  gitomo  per  terra,  et  segondo  se  dicena,  esso  Inan  cerchana  sego 
achordo.  Qne  de  piü  sia  segnito,  perche  nostre  barche  non  son  venate 
qnesti  di  de  lä,  non  sapiamo  dir«.  Am  28.  Mai  meldeten  sie  dem  Oon- 
dola: ^De  nonelle  altro  non  abiamo,  ne  ma  che  li  Tnrchi,  de  li  quali 
per  altre  vi  scrinessimo,  anno  aunto  tutta  la  contrada  de  Inan  Oastrioto 
e  anno  gitado  per  terra  tntte  le  forteze,  excepte  dno,  le  qnal  per  se  anno 
fomito  e  .  .  .  .  Et  parte  della  contrada  h  datta  a  Tnrchi  e  parte  n'  h 
lassada  al  dicto  Inan.  Lo  imperador  se  ritrona  sotto  la  Janina  e  gnereza 
qnelle  contrade,  che  fomo  del  dispoth  Exau  e  del  dispoth  del  Artaa. 
Am  3.  Jani  schrieben  die  Ragnsaner  ihrem  Gesandten  am  Hofe  des  Kö- 
nigs Yon  Bosnien,  an  Nicolo  Mich,  de  Resti,  ebenfalls  Neuigkeiten  aus 
Albanien:  »Di  noue  di  qua  se  dice,  el  Turcho  auer  tolto  tute  le  forteze 
a  Inan  Castrioti  e  quelle  auer  ruinate,  excetto  dne,  le  qnal  a  posto  in 
man  e  guardia  di  Tnrchi,  e  la  contrata  auer  renduta  a  Inan,  saluo  al- 
gnna  particella,  data  a  Isach,  e  la  hoste  mazor  parte  a  licentiado,  excetto 
nna  particula,  chi  e  rimasta  a  guerizar  el  despoto  de  ia  Janina,  e  lo  im- 
perador e  andato  in  Andrinopoli  con  la  sua  corte«.  Der  türkische  Feld- 
herr brach  in  Begleitung  eines  Sohnes  des  serbischen  Despoten  selbst  in 
das  venetianische  Gebiet  von  Scutari  ein  und  in  die  Landschaft  des 
Gojiin  Cmojevid.  Darüber  wurde  am  30.  Juni  dem  Gondola  geschrie- 
ben: »De  nonelle  abiamo,  che  Tsach  col  fiel  del  signor  despoth  son 
▼enntj  in  Zenta  et  anno  arobado  e  predado  la  contrada  de  Goizin  e  de  la 
Signoria  de  Venexia  fin  sotto  Scutarj  c  (Alles  in  den  Lottere  e  com- 
missioni  di  Levante,  Band  1427 — 1430,  im  Archiv  von  Ragusa.)  Als 
am  13.  Sept.  1430  Piero  de  Luchari  und  Zorzi  de  Goze  zu  Sultan 
Mnrad  IL  gesendet  wurden,  wurde  ihnen  aufgetragen,  in  Pristina  alle 
dortigen  Ragnsaner  zu  versammeln  und  mit  einem  Vertreter  derselben 
znm  Yojvoden  Isak  zu  reisen,  um  den  ragnsanischen  Eaufleuten  freien 
Durchzug  »per  la  contrada  fo  de  Juan  Castrioti  ad  Alexio  e  per  ogni 
altra  via  a  nui  dextra«  zu  erwirken  (ib.).  Am  9.  Oet.  schrieben  die  Ge- 
sandten ans  Skopje,  Isak  dürfe  ohne  Erlaubnis  des  »Imperador  turcho« 
nichts  thnn,  worauf  die  Gesandtschaft  alle  gewünschten  Handelsrechte 


92  Thallöczy  und  Gonst  Jireoek, 

am  Hofe  des  Grossherrn  selbst  erwirkte.  Die  Tarken  hatten  damals  auck 
das  Gebiet  des  Tanns  Dnkagin  occupirt.  Im  J.  1431  sass  ein  tflrkischer 
Eefalija  anf  der  Barg  DaA  bei  Scatari.  Mit  diesem  »  chiephaü  al  Dagnoc 
hatten  über  den  Schatz  der  Ejinfleate  zu  sprechen  nach  ihrer  Instraction 
vom  2.  Dec.  d.  J.  Matteo  de  Crosi  nnd  Marino  Jan.  de  Zorzi  aaf  einer 
neuen  Gesandtschaftsreise  znr  Pfort«  (Lett.  e  Comm.  1430 — 1435).  Jel- 
doch  hatte  Ivan  Eastriota  inzwischen  wieder  einen  Einflass  aaf  diese 
Angelegenheiten  gewonnen,  denn  am  19.  Janaar  1431  bevollmächtigte 
das  Consiliam  Bogatoram  von  Ragasa  den  Rector  mit  dem  kleinen  Rath 
»respondere  litteris  comitls  Scatari,  dohanerioram  dohane  Dagni  et  laan 
Oastriot,  prout  eis  melins  aidebitar,  scriptis  pro  dohana  Dagni  et  via 
mercaioram  nostroram«  (Liber  Rogatorum  1427 — 1432). 

Am  28.  Mai  1438  wurde  dem  Ivan  Eastriota  ein  Privilegiam  von 
Venedig  aasgestellt  (citirt  1445,  Ljabid  9, 214).  Am  10.  Jali  1439  fasste 
der  Senat  von  Ragasa  den  Beschlass,  auch  den  Söhnen  Ivans  das  Bürger- 
recht za  verleihen :  »Prima  pars  est  de  confirmando  filiis  luaniCastrioth 
(f.  I.  C.  über  der  Zeile]  cartam  cinilitatis  (darchstrichen:  Georgio  Oa- 
strioth) ,  proat  et  qaemadmodam  facta  fait  laano  Castrioth,  patri  sno. 
Per  omnesa.  Den  Tod  Ivans  verlegt  Hopf  (Ersch-Graber's  Encykl.  86^ 
123;  genealog.  Tafeln  bei  den  Chroniqnes  533)  ungefähr  in  das 
J.  1443.  Seine  Freundschaft  für  Venedig  wurde  von  den  Venetianern 
seinem  Sohn  Georg  (Skanderbeg),  mit  dem  die  Republik  des  hl.  Marcus 
manche  Missverstftndnisse  hatte,  energisch  zu  Gedächtniss  geführt: 
»antiqua  et  maxima  amicitia,  habita  cum  domino  luanne,  patre  suo,  et 
quantas  comoditates  sibi  fecimus«  (1448,  Ljubid,  9,  270). 

Dass  die  unten  abgedruckte  Urkunde  des  Ivan  Eastriota  slavisch, 
oder  genauer  gesagt  serbisch,  geschrieben  ist,  bildet  in  Albanien  keine 
Ausnahme.  Bekannt  sind  slavische  Urkunden  der  Herren  von  Valona, 
der  Dukagin,  des  Georg  Eastriota,  geschrieben  von  seinem  «djak«  oder 
»kanziijer«  Ninac  Vukosaliö,  ja  ein  Schreiben  der  Ragusaner  an  Eaiser 
Sigismund  von  1434  (vgl.  Archiv  17,  568  und  19,  606)  sagt  ausdrück- 
lich, dass  die  albanesischen  Fürsten  nur  »sclavonos  cancellariosa  haben. 
In  der  Urkunde  erscheint  Ivan  als  »gospodinc  (dominus)  und  seine  Söhne 
(sinovi,  djeca)  als  seine  Mitregenten.  Von  den  Hofbeamten  wird  ein 
»2elnik«  Peter  genannt,  ebenso  wie  bei  Georg  Eastriota  ein  »Selnik» 
Rajan  erscheint.  Der  Durchzug  der  Eaufleute  durch  das  Land  des  Ivan 
war  von  Bedeutung  als  sicherer  Weg  nach  Serbien  in  der  Zeit,  wo  die 
Häfen  von  Cattaro,  Antivari,  Dulcigno  und  die  Mündung  der  Bojana  für 


Zwei  Urknaden  aus  Nordalbanien.  93 

doB  Handel  gesperrt  waren  durch  die  Kriege  der  Venetianer  gegen  Balsa 
und  spftter  gegen  die  Serben.  Damals  (1422),  noch  vor  dem  Frieden  mit 
Serbien,  schrieben  die  Venetianer  »domino  Johanni  Oastrioti  circa  Ragn- 
seoB,  transenntes  per  viam  Scatari  et  territorinm  Groye«  (Ljnbi<58,133). 
Als  Eingangspforte  seines  Landes  wird  in  der  Urkunde  der  Landnngs- 
plats  Ton  Sufadaj  oder  Sufadaja  bei  Alessio  genannt,  Sufat,  Sujfada, 
Zufada  in  lateinischen,  venetianischen  oder  ragusanischen  Urkunden 
dieser  Zeit.  Die  Lage  erhellt  aus  einem  venetianischen  Act  vom  26.  Sept. 
1393.  Bald  nach  der  üebemahme  von  Alessio  durch  die  Venetianer 
meldete  der  Castellan,  dass  »aliqui  circauicini  conantur  reducere  mer- 
cata  salis,  que  erant  solita  fieri  in  Alexo  (sie),  ad  quendam  locum,  vo- 
c&tum  Suffada^  longinquum  per  octo  milliaria,  quod  est  causa  destruendi 
£ctnm  nostmm  locum  Alexi«,  worauf  der  Senat  den  venetianischen 
Unterthanen  verbot  »hoc  mercatumc  zu  besuchen  (Misti  vol.  42,  f.  130; 
bei  Ljubiö  4,  319  nur  im  Auszug,  vollständiger  bei  Makusev,  HcTopH- 
neeidü  pasucKaHifl  o  CjiaBHHax'B  bi  AjitfamH  S.  138).  Am  3.  Mai  1403 
bat  ein  Gesandter  des  albanesischen  Edelmanns  Dimitrius  Oionima,  dass 
ein  98UU8  mercator  possit  vendere  salem  ad  mercatum  Semphandaya 
unten :  in  loco  Semphade),  mit  einem  Ertrag  von  200  Ducaten  jährlich, 
waa  ihm  jedoch  verweigert  wurde  (Misti  vol.  46  f.  80).  Der  Weg  durch 
Ivan'a  Gebiet  führte  weiter  landeinwärts  längs  der  jetzigen  Strasse  (Scu-* 
tari-Dagno-Puka-Prizren)  nach  Prizreo,  in  das  Land  des  Georg  Vukovi6 
(Brankovid)  und  des  Despoten  Stephan  Lazarevld.  Unbekannt  ist  die 
Lage  von  JRadun,  wo  ein  tflrkischer  Zöllner  residirte.  Mrcarija  (mer- 
eria),  pratei  (Waare)  sind  bekannte  Ausdrücke ;  dunkel  bleibt  inbul 
Gen.  Plur.,  von  IfjLßoXov  oder  imballare?).  Jeder  Schaden  auf  dem 
Boden  Ivan*8  wird  von  ihm  ersetzt.  Der  Einfuhrzoll  ist  festgesetzt  auf 
eine  Pferdelast  (tovar,  lat.  salma)  Tuch  (evita)  2  Ducaten,  in  RaduA 
Y2  Dnc,  auf  sonstige  i^mrtarijea  1  Perper,  in  RaduA  6Dinari,  der  Aus- 
fuhrzoll aus  Serbien  zum  Meer  auf  1  Perper,  in  RaduA  6  Dinar.  Was 
die  Münzwerthe  anbelangt,  so  war  im  XIV.  Jahrb.  1  ducatus  auri  = 
2  yperpyri  (der  yperpyrus  war  ja  in  dieser  Zeit  nur  eine  Rechenmünze) 
=x=  24  grossi,  im  XV.  Jahrh.  1  ducatus  auri  =  3  yperpyri  =  30  gross! 
de  Ragusio.  Aus  1  libra  argenti  wurden  in  der  Münze  von  Ragnsa  1383 
20,  1422  aber  22  yperpyri  Scheidemünze  geprägt.  Der  slavische  dtnar 
(denarius)  entspricht  dem  grossus  (denarius  grossus) .  Die  localen  Curse 
waren  aber  sehr  verschieden ;  auf  dem  Zollamt  von  Dagno  rechnete  man 
1433  1  ducatus  sogar  mit  4  yperpyri  (Schreiben  der  Ragusaner  an  den 


94  Tballöczy  und  Oonst.  Jireoek, 

yenet.  Oomes  von  Sontari  30.  Jänner  1430,  Lettere  e  Comm.  di  Levante 
1430—1435). 

Zwei  andere  slavische  Urkunden  des  Ivan  Eastriota  sind  bisher  nur 
ans  einer  Bemerkung  bei  GrigoroviS  bekannt.  QrigoroviS  (O^epiTB  nyre« 
mecTBLS  no  EeponeHCKOH  Typi^in,  2.  A«,  Moskau  1877  S.  47}  notirte 
1844  im  Archiv  des  Klosters  Chilandar  anf  dem  Athos:  No.  39  ohne 
Jahr,  über  den  Verkauf  des  TtifQyog  des  hl.  Qeorg  dem  Joan  KaUriot 
und  seinen  Sehnen  Repos^  Konstantin  und  Georg ^  auf  Perg.  mit  Cur- 
sivsohrift  und  Wachssiegel;  No.  40,  6930  =  1422  (eigentlich  1.  Sept. 
1421  —  31.  Aug.  1422),  Ivan  Kastriot  mit  seinen  Söhnen  StanHoy 
SepoSj  Konstantin  und  Georg  schenkt  dem  Kloster  Chilandar  dieDOrfer 
Radostina  und  Trebiste,  Perg.,  Cursiva. 

Dass  Ivan  Kastriota  ein  Kloster  der  orientalischen  Kirche  mit 
Schenkungen  ausstattete,  ist  bei  dem  Schwanken  der  albanesisohen 
Dynasten  zwischen  beiden  Kirchen  nichts  Aussergewöhnliches.  Karl 
Topia  wird  in  einem  Codex  der  serbischen  Uebersetzung  des  Georgios 
Hamartolos  mit  den  fflr  Fflrsten  des  orientalischen  Bekenntnisses  üblichen 
Formeln  genannt  (Ruvarac,  Archiv  17,  566).  In  einem  von  Ljubomir 
Stojanovid  beschriebenen  Pomenik  (Spomenik  3,  177]  werden  albanesi- 
sehe  Edelleute,  ein  Aranit  und  die  Familien  der  zwei  »Selnika  Riyan 
(bei  Oeorg  Kastriota)  und  Dmitr  genannt  Uebrigens  hatten  die  serbi-* 
sehen  Klöster  im  XIV.  Jahrb.  auch  Orundbesitz  in  Nordalbanien.  Das 
Kloster  Chilandar  besass  in  Pilot  (Polatum)  die  Dörfer  Kalogeni  und 
Muriki  oder  Muliki  (1348  SafaHk,  Pamätky  2.  A.,  &  101,  Mon.  serb« 
p.lll  als  Gmoyahkh  fttr  c(k)  Moyahkh,  1354  Mo^ahkc  Florinskij, 
IlaMHTHHKn  S.  49).  Das  Ersengelkloster  von  Prizren,  eine  Stiftung 
Stephan  DuSan's,  besass  eine  von  katholischen  Albanesen  bewohnte 
Dorfgruppe  westlich  vom  Zusammenfluss  der  beiden  Drim,  mit  Siklja, 
Ejujmada  (alb.  die  «grosse  Quelle«),  Krsti  und  Sakato  in  »Gor&i  Pilot« 
(vgl.  Novakoviö,  Oodisnjica  1,  209),  ferner  die  Mnttergotteskirche  von 
Da&  (capella  S.  Mariae  subtns  Dagnum  1456,  Ljubiö  10, 91 ;  über  deren 
Buinen  Habn,  Beise  41,  328)  mit  den  Dörfern  Prapratnica  und  LonSari, 
endlich  eine  zweite  Muttergotteskirche  am  Flusse  Fa^aP^  (fiume  del 
Jadro  1459,  Ljubi6  10, 139,  jetzt  Fl.  Gjadri)  und  das  Dorf  ^eravina 
(2^ravina  1444,  Starine  14,  55 — 56)  mit  Grundstücken  in  der  Um- 
gebung von  Alessio  (Urk.  im  Glasnik  Bd.  15,  S.  286,  304,  310). 

Ein  ürkundenbuch  für  die  Geschichte  Albaniens  mit  einer  voll- 
ständigen^ gut  edirten  Sammlung  aller  auf  dieses  Land  bezüglichen  ür^ 


Zwei  ürkanden  aus  Nordalbanien.  95 

knnden  aas  Venedig,  Rom,  Neapel,  Bagasa  n.  b.  w.  würde  die  innere 
nnd  ftassere  Oesehichte  dieses  Landes  in  den  lotsten  Jahrhunderten  des 
Mittelalters  trefiflich  beleuchten.  Von  entscheidender  Wichtigkeit  wäre 
ein  solcher  Codex  diplomaticus  Albaniae  für  die  Geschichte  des  Georg 
Kastriota  oder  Skanderbeg,  die  erstdoroh  eine  ürknndensammlnng  einen 
festen  historischen  Boden  gewinnen  nnd  sich  des  romanhaften  Beiwerks 
entledigen  wird.  C  J. 


I.  1420,  25.  Februar.  Geleitsbrief  des  Herrn  Ivan  (Kastriota)  und  seiner 
Söhne  fOr  die  Kauf leute  von  Bagusa  auf  dem  Wege  durch  sein  Land  von 
äufadaja  (bei  Alessio)  nach  Prizren,  nebst  Bestimmungen  über  die  Zolle. 

t  Btipa   MO»   r(OCno}A(H)NA  HbAHA  H   MO(H))fk  CHNORk  Bca- 

KOM9  TpkroBiJtt^  RAAAVitiAro  rpAA(A)  A^rpobhhka,  koh  Scj^oKie 

AOKH  8  MOlO  3CMAI0  |  S  UIS^AA^H  HAH  TKO  t$C)^0KI6  8  MOlO 
3fUAI0   TpkrOBATH   HAH   TKO  Sc^^Kie  MHHStH  MOWMk  3fUA0Mk 

8  3fMAio  I  FioprieB^  hah  r(ocno)A(H)HA  a^chota.  h  tako  HUk 
(Uk  B'kpS  A^^^  ^A  K^M  fifir}%  8  MOlo  3cmaio  S  IU^^aaaio, 

AKO  US  I  b8aC  KOa  MTf(T)A  HAH  3AOK0  MOIVMk  3fMA0Mk 
AO  npH3pfHA,  A^  ^  r(OCno}A(H)Hk  ÜBAHk  H  UOtl  fi,%l\A  HAA- 
KUUk.  A  HA  WBH  |  3AK0Hk  U(a}PH[HCKH?]  8rOBOpHAk  CUk  C 
npHUTIAieUk  MOHUk  A  BAlUHMk  BpATOUk  ÜCTpOMk  MHMO  BC8 
UOIO  3IMAI0,  I  A^  <  ISANA  I4[AP]HHA  ha  TOBApk  CBHTI  A^A  A^* 
KAT(a)  A  ha  MkpMApHIO  W-T-OBApA  nfpni(p}k  A  t^  Tt^pCKOH  3IMAH 
S  PaA^HIO  I  W-T-^BApA  CBHTf  HOAk  A^KATA  A  WA  MpkHApHI 
lUICTk  AHHApk,  A  HA  BpAKI6HHf  IVfllTk  UHUO  BC8  UOIO  |  3IMAI0 
AO   lUS^AAA»   IVA    BOCKA   H   WA   HHB^Ak    (sio)    H   WA    HHf    npA-> 

tc;kh  nipnfpS,  a  8  Paa8hi6  TSphhhS  uifc;Tk  AXHapk.  |  a  bciuS 

TOUS   U(H)A(0)CTHHKk  IlfTpk   HfAHHKk. 

IIhCAHA   ha  •;rA-    H  -H-  H    -K-   A'KTO,    U('k]c(f)l^A  ^fpBApA   -Ki- 

A(k)Hk. 

Das  aufgedrOokte  Siegel  bedeckt  mit  einem  viereckigen  Papierblfttt- 
eben;  darauf  kenntlich  in  einem  Kreis  ein  links  gewendeter  Kopf  (Abdruck 
einer  antiken  Gemme?)  %  Auf  der  BUckseite  eine  Notiz:  leter(a)  de  dno  Juan 
ehastroi ....  |  sauo  chonduto  ali  merch(adanti). 

1)  Auch  Georg  Elastriota  benutzte  als  Siegel  eine  antike  Gemme,  auf 
weicher  eine  nackte  Leda  mit  dem  Schwan  dargestellt  war.  Zwei  Urk.  von 
1459,  Hiklosich,  Mon.  serb.  481—483  (Beschr.  der  Siegel  in  handschr.  Notizen 
des  Dr.  Johann  ^faHk,  im  Nacblass  von  P.  J.  äafaHk  im  Prager  Museum). 


96  Thallöcsy  nnd  GonBt  JIreoek, 

Das  Original  auf  Papier,  29  Centimeter  breit,  16.3  hoch.  Die 
Cursivschrift,  mit  schwarzer  Tinte  geschrieben,  anfreoht  stehend.  Die 
Striche  von  A,  p,  $,  A  (Vorderstrich),  M  (Mittelstrich)  weit  abwftrts  ge- 
zogen, der  Obertheil  von  S  dagegen  weit  aufwärts.  Die  Aber  die  Zeile 
gesetssten  Buchstaben  sind  in  unserem  Abdruck  in  die  Zeile  gezogen : 

IV,  MOWk,  MOK,  3CUA0k,  BaiUHk,  A^^P^^}  ounck.    Abgekürzt  ist 

THk,  PHa,  ebenso  die  Formen  rpa,  A^a  A^Ka,  zum  Schluss  fi,Hh.. 
In  nipnipk  sind  beide  p  (im  ersten  Falle  nur  das  erste  sichtbar)  Aber 

die  Zeile  gesetzt.  Die  Stelle  saKOHk  i^pH,  worauf  ein  Loch  folgt,  lesen 
wir  als  i^apHHCKH,  ebenso  i6AHa  ii(Loch)HNa  als  i^apHHa.  Das  Wort 
upkMapHti  (merzaria)  ist  an  erster  Stelle  Mkp-,  an  zweiter  llpk-  ge- 

schrieben,  beides  ohne  Abbreviatur.  Das  abgekürzte  HTca  lesen  wir  als 
HTCTa.  Zeichen  Aber  der  Zeile  sind  bemerkbar  nur  bei  Sc^OKie.  Die 
Zifferbuchstaben  im  Datum  sind  mit  einer  Titla  {'-»)  Aberdacht.  Das 
ganze  Aeussere  erinnert  an  die  Originalurkunden  der  Balsiöi. 

IL  Neapel,  1457, 19.  April.  König  Alfons  y(I).  von  Aragonien  und  Nea- 
pel bestätigt  die  von  Kaiser  Andronikos  IL  und  König  Stephan  Dusan  er- 
theilten  Privilegien  der  Stadt  Kroja,  mit  Erwähnung  älterer  Urkunden  der 
Kaiser  Manuel  KomnenoSi  Joannes  Dukas  Vatatzes,  Tbeodoros  Laskaris  IL 
und  Michael  Palaiologos. 

Pro  nniversitate  oppidi  Croarum. 

NoB  Alfonsus  etc.  consuevimus  pro  nostro  more  nedum  iis,  qui  sua 
sponte  libentique  animo  nostro  sub  imperio  se  posuere,  sed  et  iis  etiam,  qnos 
ardüis  horrendisque  bellis  domitos  nostra  virtute  subiugavimns  et  antiqnas 
grätias  ac  privilegia  confirmare  et  nostris  etiam  nobis  (novis?)  cos  donare.  Et 
quoniam  ad  nostram  maiestatem  a  clero,  comunitate  et  hominibus  oppidi  Croa- 
rum oratores  advenere  nos  piis  vocibus  miserandoque  humilitatis  deprecan- 
tes,  ut  eis,  quum  nostri  subditi  sint  et  nostro  imperio,  ut  ante  dictum  est,  non 
inviti,  sed  libentes  ferventique  animo  dediti,  privilegia  quedam  libertates  ab 
antiquis  imperatoribns  eisdem  sucesive  refirmatis  eisdem  confirmare  et  de 
novo  concedere  dignaremor.  Quorum  quidem  teueres  privilegiorum  e  greco 
in  latinum  conversi  tales  habentur. 

Quoniam  reverendus  episcopus  Croensis  et  venerabllis  clerus  eiusdem 
sancte  ecclesie  et  nobiles  oppidi  eiusdem  Croarum  retulerunt  ad  nos  de  Om- 
nibus juribuB  et  privilegiis  predicti  oppidi  tam  intra  quam  extra  habitis,  vi- 
delicet  de  vineis,  terris,  poBsesionibus,  olivetis,  piscinis,  hibemis,  ceteris 
Omnibus  jnribus,  que  ad  hoc  usque  tempus  habent  ac  possident,  atque  in  pri- 
mis  de  hibemo  vocato  Selmazo  cum  eins  vinario,  de  hiberno  Contelo,  de  hi- 
bemo  Bezo,  de  hiberno  Castrato,  de  hibemo  Pallaso,  de  hiberno  Santa  Eu- 
phomia  cum  eins  terris,  de  hiberno  Zale  cum  eins  terris  et  fönte,  de  hibemo 
Phentopleto  cum  eins  terris,  de  hibemo  Bellice  cum  eins  terris,  de  hibemo 
Santo  Blasio  cum  eins  terris,  de  hibemo  Hereno  cum  eins  terris,  de  hiberno 
Metro  cum  eins  terris,  de  hiberno  Hostrati  cum  eins  terris,  de  hibemo  Colli 
cum  eins  terris,  de  hiberno  Pherza  cum  eins  terris,  de  hibemo  Beroa  cum 


Zwei  Urkunden  aus  Nordalbanien. .  97 

eins  terris,  de  hiberno  Montemagno  Cromi  cum  eins  terris  usqae  ad  propin- 
qnnm  Nobalnm  et  Gadinnm,  de  hiberno  CalamaBcuti  cam  eiuB  terris  et  vineis 
et  oliveds,  de  hiberno  Cercoleso  cum  eins  terris  acqne  arboribus  fmctiferis 
et  non  fmetiferis,  qne  omnia  jura  possident  ab  antiquo  et  maiornm  snomm 
patrimonio  habent  et  privilegiis  mandatisqne  felicis  memorie  imperatoris 
Hanneiis  Magni  Comini  et  superiorum  atque  etiam  felicis  memorie  Lascarii, 
ayi  nostri  et  patris  nostri  et  nostris ;  hac  de  causa  robore  «t  facultate  presen- 
tis  huius  privilegii  nostri  concedimus  et  largimur  omnibus  predicti  oppidi 
Croanun  tarn  superioribus,  quam  inferioribus,  ut  hec  omnia  possideant  libere 
et  dne  ulla  molestia  et  perturbatione  fruantur  iis  per  omnia  tempora,  quem- 
admodum  in  suis  privilegiis  ac  reliquis  juribus  condnetur.  Et  non  prefecto, 
non  eapitano,  non  castellano  penitus  liceat  exigere  ab  iis  aliquid  vel  pene  yel 
angarie  Tel  colecluri  vel  yectigalis,  hoc  est  gabeile,  yel  alicuius  solutionis, 
sed  omnino  llberos  et  inmunes  apud  omnes  seryentur  et  habeantur.  Preterea 
yolumus,  ut  nullam  ipsam  gabeüam  exsolyere  debeant,  ubicumqne  reperlantnr» 
siye  Dnrachii  siye  alibi,  sed  sint  omnino  liberi  et  inmunes,  quemadmodum 
in  suis  privilegiis  continetur  et  presens  hoc  nostrum  Privilegium  precipit. 
Similiter  yolumus  etiam,  ut  in  portis  eiusdem  predicti  oppidi  nihil  ab  bis 
ipsis  hominibus  exigatur,  vel  lignorum  yel  alicnins  angarie,  sed  ea  quoque  in 
parte  sint  et  habeantur  liberi  et  inmunes  ab  omni  vectigali  et  quavis  alia 
Bolutione,  siye  ingredi  sive  egredi  velint.  Nee  ab  officialibus  de  facto  debeant 
retineri,  sed  quecumque  culpa  eorum  et  causa  sit,  facto  judicio  et  examine 
poniantur.  Presentia  igitnr  huius  privilegii  nostri  nemo  audeat  injuriam  aut 
molestiam  aut  impedimentum  hiis  inferre  in  hiis  omnibus,  que  presens  hoc 
nostrum  Privilegium  declarat  et  continet.  Nam  securitatis,  inmunitatis  tutele- 
que  gratia  nostrum  hoc  Privilegium  concessum  iis  datumque  est  mense  junio, 
indictionis  XI,  anto  ab  initio  mundi  septies  (sie)  millesimo  octlngentesimo 
quincnagesimo  primo. 

Stephanus  fidelis  in  Christo  crales  Bngarorum.| 

Quoniam  constat  habitatores  oppidi  Croarum  habere  jnra  antiqua  et 
super  hiis  juribus  privilegia  felicis  memorie  imperatoris  Joanis  Ducis  et  Teo- 
dori  Lascari  eins  filii  acque  etiam  Privilegium  et  mandatum  Serenissimi  impe- 
ratoris nostri  patris,  ut  suis  bouis  tam  intra  quam  extra  predictum  oppidum 
habitis  yel  habendis  fruantur  libere  et  sine  ullo  impedimento,  sine  ulla  mo- 
lestia sna  possideant  omuia  et  tractent,  supplicant  vero,  ut  super  his  ipsis 
etiam  a  nobis  Privilegium  consequantnr,  nos  supplicationem  et  petitiouem 
eorum  probantes  presens  hoc  Privilegium  iis  concedimus  et  largimur,  quo  pri- 
vilegio  jubemus,  mandamus  acque  precipimus,  ut  quemadmodum  in  antiquis 
eorum  juribus  et  in  privilegiis  super  his  juribus  habitis  predictorum  impera- 
tomm  Joanis  Ducis  et  eins  filii  Theodori  Lascari  et  nostti  patris  continetur, 
sie  sua  possideant  omnia,  sive  intra  sive  extra  predictum  oppidum  habean- 
tur, verbi  gratia  domos,  vineas,  segetes,  plana,  hibema  et  eorum  colonos  sive 
agricolas,  item  oliveta,  pisccina  et  omne,  quicquid  ex  antiquo  in  hoc  usque 
tempuB  possideant,  hec  omnia  habeant  rata  et  firma  eine  ulla  molestia,  sine 
ullo  detrimento  aut  impedimento,  et  fruantur  iis  omnibus  libere  et  tranquille, 

IrekiT  fftr  sl»Ti8Clie  Philologie.    XXI.  7 


98  ThaÜöczy  und  ConBt.  Jireoek, 

nee  in  hiis  ipBis  possidendis  potiendisque  alfqnid  vi  aut  iniaria  a  vicinis  vel 
baronibuB  vel  quibtuvis  aliis  infestentur.  Yolumos  enimi  ut  non  prefeeto 
eiuB  provincie,  non  publico  procnratori,  non  oapitano  predicti  oppidi,  non 
euBtodibuB,  non  eastellano  loei  eiuBdem,  non  alicni  penitns  lieeat  eapere 
quioquid  ex  rebus  aut  poBsesioniboB  eornm  predieds  vel  aliquid  iis  inferre 
ininrie  aut  molestie  et  impedimenti,  sed  omnes  servare  debeant  eos  liberos  et 
omni  perturbatione,  omni  infestatione  inmunes  circa  suas  predictas  possesio- 
nes  et  poBBesionum  colonos  aut  agricolas.  Robore  enim  et  facultate  proBen- 
tis  huiuB  nostri  privilegii  Bervari  omnino  debent  etiam  imposterum  omne 
tempuB  habitatoribuB  predicti  oppidi  Croarum  inmunitas  acque  Becuritas  at- 
que  omnis  publice  infestationlB  exactionisque  libertas  circa  predictas  eorum 
poBBesioneB«  quam  ex  antiquo  in  hoc  usque  tempuB  assequebantur,  iuxta  argu- 
menta pHvilegiorum  et  mandatorum,  que  üb  cbbc  concesBa  ab  imperatoribus 
diximuB.  Et  quoniam  idem  Croite  retulerunt  ad  nos  preterea  seBe  preter  in- 
munitatem  et  libertatem,  qua  firuuntur  ex  privilegiie  et  mandatiB,  liberos 
acque  inmunoB  aervatoB  Bemper  fuiBBe  etiam  a  vectigalibuB,  hoc  est  gabellis- 
•Durachii  oppidi  pro  mercibuB,  quas  ipsi  vel  portarent  ad  id  oppidum  vel  inde 
exportarent  et  pro  ea  ipsa  inmunitate  et  Übertäte  vectigaüum  privil^om 
quoque  noBtrum  obtinuerunt,  itemque  supücarunt,  ut  etiam  ab  ea  predicta 
Bolutione  vectigalium  Bint  imposterum  quoque  Überi,  inmuneB  et  omni  mo- 
leatia,  omni  impedimento  abBoluti,  noB  hanc  etiam  eornm  Buplicationem 
petitionemque  probantes  jubemus  et  precipimuB  homines  eoedem  Croitas  ser- 
vari  haberique  etiam  impoBterum  omne  tempuB  liberos  et  inmunes  a  solutione 
vectigalis,  id  est  gabelle  Durachii  oppidi  pro  mercibus,  quas  ipsi  vel  portent 
in  illud  oppidum  vel  inde  exportent,  quemadmodum  in  eo,  quod  üb  ooncesBi- 
muB,  privilegio  continetur,  ita  ut  ad  nullam  eolutionem  vocari  trahique  de- 
beant, nihil  ab  üb  exigi  aut  peti  pro  eorum  quibusvis  mercibus  lieeat.  Kam 
libertatum  munitarum  securitatis,  tutele  tranquillitatisque  gratia  presens  hoc 
nostrum  Privilegium  sigiilo  pendenti  aureo  iis  predictis  habitatoribos  oppidi 
Croarum  concessimus  largitique  sumuB  mense  octobris,  indictionis  II. 

AndronicuB  fideÜB  in  Christo  Imperator  Paleologus- 

His  itaque  attentis  et  nostro  animo  repetitis  epiBcopo,  clero  et  oommuni- 
tati  et  hominibus  Croarum  oppidi  antedicti  tenore  presentis  nostri  privilegii 
concedimus  et  quam  liberaüter  asBentimus  volumusque  et  jubemus,  qnod  ex 
nunc  in  antea  teneant,  habeant  et  assequantur  übere  et  sine  contradictione 
aliqua  omnia  et  singula  privilegia,  gratias,  libertates  et  inmunitate«  et 
exemptiones,  que  in  preinsertis  privilegiis  continentur,  quas  et  unam  quam- 
que  ipsarum  eisdem  episcopo,  clero,  comunitati  et  hominibus  dicti  oppidi 
Croarum  confirmamus  et  de  novo  utique  concedimus,  mandantes  propterea 
quibuscumque  in  partibus  Albanie  nostre  viceregibus,  gubematoribus,  comi- 
sariis  et  aliis  officialibus  nostris,  presentibus  et  futuris,  et  presertim  pre- 
feeto, capitano,  castellano  et  eustodibus  dicti  oppidi  Croarum  ipsas  (?)  huius- 
modi  nostram  confirmationem,  novam  concessioaem  et  gratiam  ac  omnia  et 
singula  in  preinsertis  privilegiis  contenta  episcopo,  clero,  comunitati  et  ho- 
minibus oppidi  Croarum  antedicti  jfc§neant  firmiter  et  observent  tenerique  et 
observari  faciant  cumniatim,  et  in  diminutis  non  contrafaciant  ratione  aliqua 


Zwei  Urkunden  aus  Nordalbanien.  99 

Bive  causa.  In  qaorom  testimoninm  presena  Privilegium  exemptionis  fieri 
JQaaimua  nostre  buUa  anrea  pendente  munitum.  Datum  in  Castelio  Novo 
eivitatiB  noetre  NeapoüB  die  XYIIII  aprilis,  anno  a  nativitate  Domini 
MCGCCLVII,  regni  hnius  Sicilie  citra  Farnm  anno  vigesimo  tertio,  alionim 
verum  regnomm  nostrorum  XXXXIL 

Bez  Alfonaua.  To  he  leido  la  preaente  e  plaze  me,  que  asi  se  £aga. 

Dominus  Bez  mandavit  mihi  Amaldo  FonoUeda. 

(Archivio  general  de  la  Corona  de  Aragon,  Barcelona,  B.  2623,  f.  118 — 119  v). 


Wer  war  Pseudodemetrius  L? 

(BeitrSge  sur  Quellenkunde  und  Quellenkritik  der  Jahre  1591—1606.) 


Zweiter  Theil.  *) 

Um  von  dem  Falschen  Demetrius  sprechen  zu  dürfen,  muss  man 
dessen  ganz  sicher  sein,  dass  der  echte  CareviS  wirklich  nicht  mehr  am 
Leben  war.  Diese  Thatsache  wird  nun  durch  die  Acten  der  officieUen 
Untersnchung  bestätigt,  welche  der  Bojarin  Vasilij  Sujskij,  der  Okol- 
Biiij  Kleinin,  der  Djak  Vyluzgin,  der  Metropolit  Oelasij  bereits  4  Tage 
nach  dem  Tode  des  D.  in  XJgiiS  eingeleitet  haben.  Danach  ist  D.  am 
15.  Mai  1591  unter  folgenden  Umständen  aus  dem  Leben  geschieden: 
Mittwoch  den  12.  Mai  st.  v.  hatte  der  GareviS  wieder  einmal  einen  Anfall 
der  Epilepsie,  an  welcher  er  schon  früher  gelitten.  Freitag  den  14. 
fühlte  er  sich  etwas  besser,  seine  Mutter,  die  Carin- Witwe  Maria  Theo- 
dorovna  Nagaja,  hat  ihn  an  diesem  Tage  in  die  Kirche  mit  sich  genom- 
men und  ihm  nach  der  Messe  im  Hofe  zu  spazieren  erlaubt.  Am  anderen 
Tage,  den  15.  Mai,  hat  sie  ihm  ebenfalls  nach  der  Messe  auf  dem  Hinter- 
hofe zu  spielen  gestattet.  Es  sollten  mit  ihm  noch  vier  Edelknaben 
(Peter  Kolobov,  Ba£en  TuSkov,  Ivan  Krasenskij,  Grigorij  Kozlovskij) 
mitspielen,  drei  Frauen  aber  über  ihn  die  Aufsicht  übernehmen  —  seine 
Wirterin  YasilisaVolochova,  die  Amme  Irina  TnSkova  und  die  Kammer- 
frau Marja  Kolobova.  Die  Kinder  spielten  ein  volksthümliches  Spiel 
und  warfen  wohl  mit  Messern  nach  einem  bestimmten  Punkte  auf  dem 


«)  Vergl.  Archiv  Bd.  XX,  S.  224—325. 

7* 


1 00  Eugen  äcepkin, 

Boden.  Da  erhielt  der  CareviS  pldtzUeh  einen  neuen  Anfall  von  EpUq>8ie ; 
er  fiel  auf  den  Boden  mit  der  Gurgel  gerade  auf  das  Messer,  welches  er 
in  der  Hand  hatte.  Die  AmmeTuSkova  nahm  den  in  Krämpfen  sterben- 
den OareviJ  auf  die  Arme.    Als  die  verwitwete  Carin  das  Geschrei  auf 
dem  Hofe  vernommen  hatte,  da  lief  sie  herbei  und  fing  an,  die  Wftrterin 
Yolochova  mit  einem  Holzscheite  su  schlagen,   indem  sie  ihren  Sohn 
Osip  VolochoY  beschuldigte,  den  CareviS  ermordet  zu  haben,    unter- 
dessen ist  vom  Thurme  der  Heilandskathedrale  das  Alarmlänten  er- 
schollen.   Das  Volk  strömte  herbei,  es  erschienen  auf  dem  Hofe  die 
Brüder  der  Carin  —  Michail  und  Grigorij  Nagie,  sie  trafen  den  CareviS 
noch  athmend  und  sahen  ihn  den  Geist  aufgeben.    Michail  Nagoj  hatte 
vordem  Unannehmlichkeiten  mit  dem  Djak  Michail  Bitjagovskij  gehabt, 
welcher  im  Namen  des  Caren  Theodor  die  Aufsicht  Aber  die  ganze 
Wirthschaft  des  kleinen  Hofes  in  UgliS  führte.  Michail  Nagoj  hat  nämlich 
vom  M.  Bitjagovskij  Geld  Aber  die  vom  Caren  bestimmte  Summe  begehrt 
und  eine  abschlägige  Antwort  vom  Djak  erhalten.   Als  nun  dieser  Ejak 
herbeilief  und  den  Versuch  machte ,  das  Volk  zu  beschwichtigen,  da 
haben  die  Carin  und  ihr  Bruder  Michail  den  Djak  Bitjagovskij  laut  be- 
schuldigt, mit  Hilfe  seines  Sohnes  Daniil,  des  Osip  Volochov  und  des 
Nikita  EaSalov  den  CareviS  D.  ums  Leben  gebracht  zu  haben.    Michail 
Nagoj  forderte  dabei  das  Volk  auf,  diese  Verbrecher  zu  tOdten.    Das 
Volk  lief  dem  Djak  Bitjagovskij  nach,  stiess  die  Thflre  des  Hauses,  wo 
er  sich  mit  Daniil  Tretjakov  verborgen,  ein  und  tddtete  beide.   Darauf 
stürzte  sich  das  Volk  in  seine  Kanzlei  und  ermordete  hier  den  Daniil 
Bitjagovskij,  den  Nikita  KaSalov  und  andere,  welche  die  Opfer  unter 
ihren  Schutz  zu  nehmen  versucht  hatten.    Osip  Volochov  ward  in  der 
Kirche  in  Gegenwart  der  Carin  selbst  getödtet.    Drei  Tage  später,  als 
man  die  Untersuchungskommission  unter  Sujskij  aus  Moskau  erwartete^ 
da  Hess  Michail  Nagoj  (18.  Mai)  Waffen  von  verschiedener  Gattung 
(Kolben,  Armbrüste,  Musketen  und  dgl.  m.)  mit  Hühnerblut  bestreichen 
und  auf  die  Leichen  der  vom  Volke  getOdteten  Männer  legen,  als  ein 
Beweis,  dass  gerade  sie  den  CareviS  ermordet  hätten. 

Vor  den  Untersuchungsrichtern,  dem  V.  äujskij  und  seinen  Ge- 
führten, welche  am  19.  Mai  st.  v.  in  UgliS  angelangt  waren,  haben  die 
Zeugen  folgende,  einander  widersprechende  Zeugnisse  gegeben.  Der 
Bruder  der  Carin,  Michail  Theodore viS  Nagoj,  behauptete,  ohne  es  mit 
eigenen  Augen  gesehen  zu  haben,  dass  Osip  Volochov,  Nikita  KaSalov 
und  Daniil  Bitjagovskij  dem  CareviS  die  Gurgel  abgeschnitten  hätten. 


Wer  war  Pseadodemetrius  L?  101 

Die  Wirterin  des  D.,  Yolochova,  die  Amme  TaSkova,  die  Kammerfrau 
Kolobova,  die  vier  Spielkameraden,  also  alle  die  Zeugen,  welohe  beim  Tode 
des  CareviS  wirklich  zugegen  sein  konnten,  wiederholten  einer  nach  dem 
andern,  dass  der  Carevii  in  einem  Anfalle  von  Epilepsie  sich  zufällig  die 
Ourgel  durchstochen  hätte.    Indessen  erregt  schon  die  ganze  Art,  wie 
die  Untersuchung  geleitet  wurde,  gewisse  Zweifel  gegen  ihre  Ergeb- 
nisse.   So  wurde  z.  B.  die  Carin-Witwe  gar  nicht  yerhört   Die  Fragen, 
welche  den  Zeugen  gestellt  wurden,  legten  ihnen  im  Voraus  eine  be- 
stimmte Antwort  in  den  Mund ;  so  wurde  z.  B.  Michail  Nagoj  von  An- 
fang an  gefragt :  aufweiche  Art  ist  der  Carevii  gestorben  und  was  war 
das  ftlr  eine  Krankheit,  an  der  er  gelitten  hat?  Die  meisten  Zeugen  er- 
zählten nach  Hörensagen ;  so  waren  z.  B.  Gregor,  Michail  und  Andreas 
Nagoj  alle  zu  Hause  und  erschienen  erst  auf  das  Alarmläuten.    Dort, 
wo  die  Zeugen  zufUligerweise  mit  ein  paar  Worten  einen  Lichtstrahl  in 
die  Finstemiss  des  Qeschehenen  zu  werfen  scheinen,  da  lassen  es  die 
Untersuchungsrichter  unberflcksichtigt  und  machen  keinen  weiteren 
Yersueh^  durch  neue  Fragen  in  derselben  Richtung  die  ganze  Wahrheit 
aufzuklären.    So  zeugt  Gregor  Nagoj,  dass  er  mit  dem  Bruder  Michail 
auf  das  Läuten  herbeigelaufen  wäre  und  gefunden  hätte,  dass  der  Careyi6 
Im  Anfalle  der  Epilepsie  sich  selbst  mit  dem  Messer  erstochen  hätte ; 
sie  hätten  den  CareviS  noch  am  Leben  getroffen  und  vor  ihren  Augen 
wäre  er  dann  gestorben.   Der  andere  Bruder  dagegen  berichtet  von  der 
Ermordung  des  D.    Indessen  haben  die  Richter  weder  die  Brüder  con  - 
frontirt,  noch  die  Wunde  genau  untersucht,  ob  die  Ourgel  durchstochen 
oder  durchschnitten  ward.   Der  Archimandrit  des  Auferstehungsklosters 
Theodorit  hat  folgendes  Zeugniss  abgelegt :  er  hätte  an  diesem  Tage  die 
Messe  in  dem  Alexiikloster  verrichtet;    als  nun  nach  der  Messe  das 
Alarmläuten  in  der  Heilandskathedrale  erscholl,  da  hätte  er  und  der  Abt 
des  Alexüklosters  Savatij  die  Klosterdiener  geschickt,  um  zu  erfahren, 
was  das  Läuten  bedeute.   Die  Diener  kehrten  zurück  und  erzählten,  sie 
hätten  von  den  Bürgern  und  Bauern  gehört,  dass  man  den  CareviS  er- 
mordet hätte.    Diese  Diener  wurden  leider  zur  Untersuchung  nicht  her- 
beigecogen.    Der  Abt  des  Alexüklosters  Savatij  hat  das  Zeugniss  des 
Theodorit  bestätigt  und   hinzugefügt,  dass  er  durch  den  geistlichen 
Bogdas  von  der  Carin  selbst  herbeigerufen  worden  wäre  und  in  der 
Stadt  angelangt  den  CareviS  mit  durchschnittener  Ourgel  liegen  ge- 
sehen ;  von  der  Carin-Witwe  selbst  hätte  er  dort  vernommen,  dass  ihr 
Sohn  von  KaSalov,  Daniil  Bitjagovskij  und  Volochov  ermordet  worden. 


102  Eugen  äoepkin, 

Die  üntennchnngsrichter  haben  noch  eine  wichtige  Frage  zwar  be- 
Tflhrt,  aber  doch  nnanfgekl&rt  gelassen,  nämlich,  wer  znerst  das  Alann- 
Iftnten  begonnen?  Der  Hoffonrier  bei  der  Yorrathskammer  (St^apMj 
KonnoYogo  Dvora)  Protopopov  behauptete,  dass  er  vom  Michail  Nagoj 
den  Auftrag  erhalten  hätte,  durch  Glockenläuten  das  Volk  zusammen* 
zurufen;  deshalb  hätte  er  dem  Küster  Ogurec  (»Gurke«,  als  Beiname) 
befohlen  zu  läuten.  Der  Kttster  Ogurec  behauptete,  eigentlich  hätte  der 
Wächter MaksimEuznecoY  an  der  Heilandskirche  zu  läuten  angefangen; 
nun  wäre  auch  Protopopov  ihm,  dem  Ogurec,  entgegengelaufen  und 
hätte  im  Namen  der  Carin  ihm  anbefohlen,  1  au  t  zu  läuten  ^).  Die  Richter 
nnterliessen  es  aber,  an  den  Wächter  Kuznecov  die  Frage  zu  stellen,  von 
wem  er  den  ersten  Befehl  erhalten  zu  läuten.  Eigentlich  blieb  auch  un- 
aufgeklärt, ob  alle  drei  Frauen  —  die  Wärterin,  die  Amme,  die  Kam- 
merfrau —  auf  dem  Hofe  zugegen  waren,  als  der  CareviS  seine  Wunde 
erhielt.  Die  vier  Edelknaben  bezeugten  es  ausdrücklich,  dass  nur  die 
Amme  TuSkova  und  die  Kammerfrau  Kolobova  zugegen  waren.  Dass 
gerade  die  Amme  den  sterbenden  CareviS  auf  die  Arme  genommen, 
scheint  diese  Nachricht  von  der  Abwesenheit  der  Wärterin  zu  bestäti- 
gen. Die  Moskauer  Regierung  hat  von  allen  Zeugen,  die  bei  der  Unter- 
suchung zur  Rede  gestellt  wurden,  gerade  die  Amme  Tuikova  und  ihren 
Gemahl  nach  Moskau  kommen  lassen.  Und  doch  hat  vor  dem  V.  §igskij 
eben  die  Wärterin  Volochova  das  umständlichste  Zeugniss  abgelegt. 
Wenn  nun  aber  die  Wärterin  Volochova  ganz  abwesend  oder  wenigstens 
weit  von  den  spielenden  Knaben  entfernt  war,  so  tauchen  die  Ver- 
muthungen  enpor,  ob  nicht  die  Carin  diese  Wärterin  Volochova  über- 
haupt nur  für  ihre  fatale  Nachlässigkeit  mit  dem  Holzscheite  geprügelt 
hat?  ob  nicht  auch  ihre  Anklage  gegen  den  jungen  Volochov  theils 
unter  der  Einwirkung  des  Argwohns  gegen  die  Familie  Volochov,  theils 
als  logischer  Schluss  von  der  Nachlässigkeit  der  Wärterin  entstanden  ist? 
Durch  den  Metropolitan  Gelasij  hat  die  Carin  selbst  ihre  Beschuldigungen 
gegen  die  Bitjagovskie  (Vater  und  Sohn)  zurückgezogen.  Nach  dem  Zeug- 
nisse der  Volochova  wurde  sie  auch  von  dem  herbeigelaufenen  Gregor  Nagoj 
auf  Befehl  der  Carin- Witwe  geprügelt.  Indessen  hat  Gregor  seinerseits 
das  Zeugniss  abgelegt,  dass  Demetrius  an  Fallsucht  gelitten  und  im 
Anfalle  dieser  E^rankheit  sich  mit  dem  Messer  eine  tödüiche  Wunde 
beigebracht  habe ;  erst  als  die  Bürger  und  die  Bauern  herbeiliefen,  da 
hätten  die  Leute,  man  weiss  nicht  recht  wer,  angefangen  darüber  zn 

1)  »Ghjtho  8B0HHTH«,  als  ob  Euzuccov  nicht  laut  genug  geläutet  hätte. 


Wer  w&r  PBeadodemetrina  I.  ?  103 

sprecheD,  als  ob  der  CareviS  Ton  Daniil  B.,  von  Osip  V.  und  Nikita  E. 
ermordet  wäre.  Aus  diesen  Worten  des  Gregor  kann  man  folgern,  dass 
auch  er  die  Wärterin  nur  für  ihre  Nachlässigkeit,  keineswegs  aber  für 
die  Mitschuld  an  dem  Morde  geschlagen  hat.  Die  Nachlässigkeit  be- 
stand aber  in  ihrer  Abwesenheit;  denn  die  Hauptschuld  hat  die  Amme 
Tuikova  selbst  auf  sich  genommen  und  vor  den  Untersuchungsrichtern 
eingestanden,  dass  sie  bei  dem  gefthrlichen  Spiele  des  CareviS  zugegen 
gewesen  und  nicht  genug  auf  den  Knaben  aufgepasst  hätte ;  als  er  sich 
in  Folge  dessen  mit  dem  Messer  erstochen,  da  hätte  sie  ihn  auf  die  Arme 
genommen  (h  ona  Toro  He  ytieperjia  u.  s.  w.) ;  bei  ihr  auf  den  Armen 
hätte  auch  der  CareviS  seinen  Geist  ausgehaucht.  Wenn  also  die  Unter- 
suchung in  ihrem  Ganzen  tendenziös  erscheint ,  so  ist  es  andererseits 
von  Wichtigkeit,  dass  die  Beschuldigungen,  welche  die  Carin- Witwe 
und  Michail  Nagoj  gegen  die  vermeintlichen  Mörder,  besonders  gegen 
den  Volochov  erhoben,  in  den  Acten  der  Untersuchungscommission  gar 
nicht  verschwiegen  sind.  Die  meisten  Zeugnisse  (leider  die  Augen- 
sengen, d.  w.  s.  die  Spielkameraden,  die  Kammerfrau  und  die  Amme 
ausgenommen  ^),  sind  so  individuell,  dass  sie  keinesfalls  für  ein  Elaborat 
der  Untersuchungsrichter  gelten  dürfen.  Wir  brauchen  also  nicht  das 
Ergebniss  der  Untersuchung  anzunehmen,  wir  dürfen  aber  auf  Grund 
der  Aussagen  einzelner  Zeugen  einen  selbständigen  Schlnss  über  die 
Ereignisse  zu  UgliS  vorbereiten. 

Vieles  wird  in  den  Acten  der  Untersuchungscommission  verständ- 
licher ,  wenn  man  die  ganze  gerichtliche  Verhandlung  nicht  als  eine 
Untersuchung  über  den  Tod  des  CareviS,  sondern  als  einen  Procoss 
gegen  die  Carin- Witwe  und  Michail  Nagoj  wegen  der  Nachlässigkeit 
gegenUber  dem  CareviS  und  wegen  der  Ermordung  des  Bitjagovskij  und 
Consorten  auffasst.  Der  Umstand,  dass  der  Carevi6  an  einer  gewissen 
Krankheit  litt,  wird  von  den  Untersuchungsrichtern  als  allgemein  be- 
kannt präsumirt.  Um  die  Unschuld  der  Bitjagovskie  sicher  zu  stellen, 
müssen  Gregor  Nagoj,  die  Wärterin  Volochova  und  Andrej  Alexandrovi5 

1)  Zwischen  den  Zeugnissen  der  Wärterin  und  der  Amme  besteht  ein 
Widerspruch,  welchen  wir  eben  dadurch  erklären,  dass  die  Volochova  nicht 
zugegen  gewesen  war.  idanova-Tuokova  behauptete,  dass  Carevio  bei  ihr 
auf  den  Armen  starb,  Volochova  erzählte,  wie  Carevio  sich  lange  in  Krämpfen 
auf  dem  Boden  wälzte  und  hier  den  Geist  aushauchte.  Der  Aussage  der 
Volochova  steht  nahe  das  Zeugniss  des  Hoffouriers  Semen  Jüdin;  dieser 
wollte  mit  eigenen  Augen  aus  der  Ferne  gesehen  haben,  wie  sich  Carevic 
beim  Spielen  erstochen  und  wie  er  sich  im  Anfalle  der  Krankheit  gewälzt  habe. 


104  Eugen  Scepkin, 

Nagoj  genau  erzählen,  wie  der  Carevi2  schon  früher  an  ähnlichen  Krank- 
heitsanftUen  gelitten  und  in  einem  solchen  Anfalle  der  Tochter  des  An- 
drej Nagoj  in  die  Hände  gebissen  und  gekaut  hat.  Für  uns  wird  die  Fall- 
sucht des  Carevii  durch  eine  andere  Erzählung  der  Volochova  sicher 
gestellt:  Michail  Bitjagovskij  hätte  bei  sich  eine  wahnwitzige  Frau  ge- 
halten ,  welche  auch  den  Andrej  Nagoj  besucht  habe ;  zwei  Tage  nach 
dem  Tode  des  CareviS  hätte  die  Garin-Witwe  befohlen,  diese  Frau  auf- 
zusuchen und  zu  tödten,  dafür,  dass  sie  auf  den  Demetrius  diese  Krankheit 
heraufbeschworen.  Als  ausgemacht  betrachten  wir  auch  den  Umstand, 
dass  im  Augenblicke  des  Todes  des  CareviS  Michail  Bitjagovskij  bei  sich 
zu  Hause  mit  seinem  Beichtvater  Bogdan  speiste ,  und  dass  es  gerade 
die  Carin-Witwe  war,  welche  sowohl  zu  dem  Alarmläuten,  als  auch  zu 
den  Anklagen  gegen  den  0.  Volochov,  N.  KaSalov,  D.  Bitjagovskij  den 
ersten  Wink  gab.  Weiter  steht  es  fest ,  dass  TnSkoTa  (nach  dem  Vor- 
namen des  Gemahls  auch  als'  ^danova  bezeichnet) ,  Kolobova  und  die 
vier  Edelknaben:  TuSkov,  Kolobov  (wohl  die  Söhne,  oder  überhaupt 
Verwandte  der  beiden  Frauen),  ^)  Krasensk^  und  Kozlovskij  sich  auf 
dem  Spielplatze  in  der  nächsten  Nähe  des  Demetrius  befanden.  Es  flült 
geradezu  auf,  dass  man  den  fallsüchtigen  Demetrius  mit  einem  Messer 
in  der  Hand  unter  vier  Messern  seiner  Kameraden  ein  gefährliches  Spiel 
spielen  lässt.  Die  Spielkameraden  waren  wohl  viel  älter  als  der  8 — 9- 
jährige  CareviS;  mit  dem  Kolobov  an  der  Spitze  haben  sie  dann  vor  den 
Untersuchungsrichtern  Antwort  gegeben  (H  ssjnpj  üerpyrnKa  Eojo- 
tfoB'B  c  TOBapuu^  cKaaajH) .  Und  doch  hat  die  Wärterin  Volochova  für 
dies  Spiel  eine  Tracht  Prügel  seitens  Maria  und  Gregor  Nagie  wohl  ver- 
dient, um  so  mehr,  da  sie  sich  zu  erinnern  vorgab,  wie  der  GareviS  schon 
einmal  früher  im  Anfalle  der  Krankheit  seine  eigene  Mutter  mit  einer 
Spielkeule  (svaja)  gestochen  hätte.  Wenn  nun  auf  einmal  die  Fallsucht 
sich  seiner  wieder  bemächtigt  und  er  mit  entstelltem  Antlitze  in  Kräm- 
pfen mit  den  Gliedern  zuckend,  über  die  Edelknaben  ftllt,  um  ihnen  an 
den  Händen  zu  kauen,  wer  kann  da  dem  jungen  Volke  übel  nehmen, 
dass  sie  dann  dem  toll  gewordenen  Kleinen  ihre  Messer  entgegen  halten? 
Dies  wäre  ein  Zufall,  welchen  die  Erwachsenen  hätten  im  Voraus  sehen 
und  verhüten  können;  unter  Umständen  könnten  aber  die  Erwachsenen 
einen  solchen  Zufall  auch  künstlich  heraufbeschwören.  Sogar  ein  Zu- 
schauer, welcher  mit  eigenen  Augen  den  GareviS  von  dem  Messer  eines 

^)  Der  Vater  des  Petruska  Kolobov  —  Samojlo,  ein  Bojarensohu  bei  der 
Gario,  trat  auch  als  Zeuge  auf. 


Wer  wftr  PsendodemetriuB  I.?  105 

Spielkameraden  sterben  gesehen  hätte ,  würde  uns  unter  solchen  Um- 
ständen nimmer  sagen  kOnnen ,  wo  der  Zufall  zu  Ende  ging  und  wo  die 
bitee  Absicht  begann.  Das  sind  die  Gedanken,  welche  beim  Durchlesen  der 
üntersuchungsacten  auftauchen.  Nun  wird  aber  diese  Vorstellung  von 
dem  Hergange  des  Spieles  als  sichere  Tradition  von  einem  Ausländer 
und  Zeitgenossen  gegeben.  In  dem  Berichte  über  Thomas  Smith's  Auf- 
enthalt in  Russland  wird  eine  Erzählung  gegeben,  welche  ohne  Zweifel 
in  Moskau  in  der  Zeit  zwischen  dem  Tode  des  Boris  und  dem  Einzüge 
des  PD  verbreitet  wurde,  und  wie  es  uns  scheint,  von  Bogdan  Belskij 
ausging.  Danach  hätten  der  vom  Hofe  verbannte  Bogdan  Belskij  und 
die  Mutter  des  Demetrius  den  CareviS  vor  den  Nachstellungen  des  Boris 
gerettet  und  an  seine  Stelle  einen  Pfaflfensohn  in  üglii  unterschoben. 
Dieser  Pfaffensohn  erhielt  nun  zu  UgliS  eine  Ausstattung  und  Umgebung 
ganz  wie  sie  einem  Carensohne  gebührt  hätten.  Eines  Tages  unterhielt 
er  sich  mit  einem  anderen  Knaben ,  welcher  ihm  als  sein  Spielkamerad 
zugesellt  war.  Dieser  Geselle  hatte,  wie  es  scheint  absichtlich,  ein 
Messer  bei  sich ;  unter  dem  Vorwande,  dem  CareviS  das  schiefstehende 
Halsband  zurechtzumachen ,  hat  er  ihm  die  Gurgel  durchschnitten  ^j . 
Die  Geschichte  mit  dem  Halsbande  war  auch  den  russischen  Annalisten 
bekannt.  Nach  Nikon's  Annalen  hätten  es  aber  die  Mörder  Volochov 
und  Consorten  (nicht  aber  der  Spielkamerad  des  CareviS]  unter  dem  Ver- 
wände, sich  das  Halsband  anzusehen,  dem  Demetrius  einen  Stich  in  die 
Gurgel  gegeben.  Wir  besitzen  noch  eine  Nachricht  eines  Engländers 
und  Zeitgenossen  der  Ereignisse  zu  XJglii ;  das  ist  der  Agent  der  Russia 
Company  und  des  englischen  Hofes  Jerome  Horsey.  In  Moskau  wurde 
er  von  dem  einflussreichen  Djak  Andrej  äcelkalov  verfolgt  und  hat  sich 
aus  Furcht  vor  seinen  Nachstellungen  in  den  Wunsch  des  Caren  und 
des  Bojarenrathes  gefügt  und  sich  in  die  Stadt  Jaroslavlj  zurückgezogen. 
Hier  befand  er  sich  im  Frühjahr  1591  in  den  Tagen,  als  in  dem  unweit 
von  Jaroslavlj  gelegenen  UgliS^)  die  folgenreichen  Ereignisse  geschahen. 
Um  Mittemacht  nach  dem  Tage,  an  welchem  Demetrius  ums  Leben  kam, 

^)  »This  counterfet  chnrchmans  sonne  belog  then  taken  for  the  lawful 
PriDce,  was  attended  on  and  associated  according  to  bis  State:  with  whom 
ooe  daj  another  child  (that  was  appointed  to  bee  his  play-fellow)  disporting 
themselnea,  finding  faulte  that  the  coUor  which  the  supposed  Demetre  wore 
about  his  necke  (as  the  fashion  of  the  Countrey  is)  stoode  awry,  preparing  to 
mende  it,  with  a  sharpe  knif  (prouided  as  seems  of  purpose)  cut  his  throat.« 
Sir  Thomas  Smithes  Voyage  and  Enter tainement  in  Rushia.  London  1605. 

^  SemenoVs  Geogr.  Lex.  gibt  einen  kürzeren  Weg  zu  100  Werst  an. 


106  Engen  ^cepkin, 

wurde  bei  Horsey  am  Thor  angeklopft.  Der  Engländer  war  gut  mit 
Pistolen  und  anderen  Waffen  versehen;  er  nahm  gegen  15  Mann  be- 
waffnete Diener  und  ging  zum  Thore;  hier  erblickte  er  beim  Mond- 
scheine den  Athanasij  Nagoj,  den  Bruder  der  Carin- Witwe :  »der  CareviS^ 
Demetrius  ist  todt,  um  die  sechste  Stunde  des  Tages  haben  ihm  die 
Djaki  die  Gurgel  abgeschnitten ;  einer  von  seinen  Pagen  hat  auf  der 
Folter  gestanden,  dass  er  dazu  von  Boris  verftthrt  worden ;  die  Carin  ist 
vergiftet  und  nahe  dem  Tode,  es  fallen  ihr  die  Haare,  die  Nftgel  und 
die  Haut  ab;  helfen  sie  und  geben  sie  um  Gottes  Gnaden  etwas  Gutes«, 
so  sprach  Athanasij  Nagoj  zu  seinem  guten  Freunde  Jerom  ^).  Danach 
wäre  also  einer  von  den  Spielkameraden  des  CareviS  im  Namen  des 
Boris  von  den  Bitjagovskie  (djaki)  aufgefordert  gewesen,  dem  Demetrius 
die  Gurgel  abzuschneiden.  Diese  Nachricht  ist  zwar  aus  dem  Kreise 
der  Nagie  entsprungen ,  die  Namen  der  Djaki  und  des  Boris  konnten 
dem  Edelknaben  durch  die  Folter  aufgezwungen  gewesen  sein,  die 
Krankheit  der  Carin  Witwe  (sie  wird  auch  in  Nikon's  Annalen  ange- 
deutet) liesse  sich  vielleicht  durch  ihre  tiefe  Gernttthserschütterung  oder 
auch  durch  die  Uebertreibung  des  aufgeregten  Bruders  erklären.  Jeden- 
falls bleibt  aber  sicher,  dass  einer  von  den  Edelknaben  als  des  Mordes 
verdächtig  gefoltert  wurde.  Die  Wärterin  Volochova  spricht  zwar  von 
den  Edelknaben ,  als  von  kleinen  Kindern  (MajeHKHe  poÖATKa  auun^bi) ; 
es  lag  aber  in  ihrem  Interesse ,  die  ganze  Geschichte  mit  dem  Messer- 
spiele als  etwas  unschuldiges  zu  schildern.  Es  waren  wohl  Pagen  in  dem 
Uebergangsalter  von  Knaben  zu  Jünglingen ,  wenn  sie  gefoltert  werden 
mussten.  Welchen  von  den  Edelknaben  hat  aber  Athanasij  Nagoj  ge- 
meint? Es  konnte  entweder  Kolobov  oder  TuSkov  gewesen  sein.  Beide 
tragen  die  selben  Familiennamen,  wie  die  zwei  Frauen,  welche  beim 

i)  Vgl.  The  Travels  of  Sir  Jerome  Horsey  edited  by  Bond  (Hakluyt  So- 
ciety 20) :  »One  rapt  at  my  gate  at  midnight.  I  was  well  fnmished  with  pi- 
stolls  and  weapons.  I  and  my  servants,  some  15,  went  with  these  weapons  to 
the  gate.  *0  my  good  frend,  Jerom,  innobled,  lett  me  speake  with  you.«  I 
saw  by  moen  shine  the  Emperis  brother,  Alphonassy  Nagoie,  the  late  widow 
Emporis,  mother  to  the  yonge  prince  Demetrins,  who  wear  plaeed  but  25 
miells  thence  at  Ogletts.  »The  Charowich  Demetries  is  dead;  his  throate 
was  cutt  aboute  the  sixth  hower  by  the  deackes ;  some  one  of  his  pagis  con- 
fessed  upon  the  racke  by  Boris  his  settinge  one;  and  the  Emporis  poysoned 
and  upon  pointe  of  death:  her  hear  and  naiils  and  skin  falls  of ;  haelp  and 
geave  some  good  thinge  for  the  passion  of  Christ  his  sake.«  Die  Erzählung  des 
Horsey  über  die  späteren  Jahre  ist  nach  Hörensagen  geschrieben  und  strotzt 
von  Irrthümem.  Die  Belation  des  Thomas  Smith  war  ihm  bereits  bekannt. 


Wer  war  PBeudodemetrius  I.  ?  107 

Tode  des  Carevii  zugegen  waren.  Eolobov  wird,  wohl  aU  der  älteste, 
AB  der  Spitze  der  Pagen  in  den  üntersnchnngsacten  genannt  Anderer-^ 
seife  aber  wurde  gerade  die  Familie  Tnikovy,  Fran  nnd  Mann,  vom 
Caren  und  den  Bojaren  nach  Moskau  berufen,  zu  gleicher  Zeit  mit  dem 
Zauberer  MoSaloY,  welchen  Michail  Nagoj  bei  sich  gehalten  haben  soU^). 
Wir  glauben  also  weder  an  den  zufälligen  Selbstmord  des  8jährigen 
Spileptikers,  noch  an  dessen  Ermordung  durch  die  Bitjagovskie,  wie  sich 
die  Sache  die  Carin-Witwe  vorgestellt  hatte.  Man  könnte  höchstens 
noch  gegen  Volochov ,  den  Sohn  der  Wärterin,  einen  Verdacht  fassen: 
weshalb  war  seine  Mutter  abwesend ,  oder  weshalb  hat  die  Carin-Witwe 
gerade  ihn  vor  ihren  Augen  tödten  lassen?  Smith  und  Horsey  können 
aoeh  ihn  unter  dem  Spielkameraden  oder  Pagen  (iilecj  gemeint  haben, 
denn  Nikon's  Annalen  zufolge  spricht  eben  Volochov  mit  dem  Careviji 
von  seinem  Halsschmucke.  Gegen  ihn  hat  sich  auch  besonders  der  Zorn 
der  Carin-Mutter  kund  gethan :  er  wurde  vor  sie  gefflhrt  und  vor  ihren 
Augen  niedergemacht.  Aus  dem  Kreuzfeuer  der  Nachrichten  der  ünter- 
suehungsacten  und  der  Engländer  Horsey  und  Smith  glauben  wir 
schliessen  zu  dflrfen,  dass  einer  von  den  Edelknaben  (den  Volochov  mit 
inbegriffen?),  wohl  auf  Anstiften  erwachsener  Leute,  unter  irgend 
welchem  Verwände  den  CareviS  erstochen  und  dass  der  ganze  Mord- 
anschlag früher  oder  später  durch  den  Schein  eines  Spieles  verdeckt 
wurde,  ganz  in  derselben  Weise,  wie  Michail  Nagoj  seinerseits  den 
Verdacht  des  Mordes  auf  die  Bitjagovskie  zu  werfen  versachte,  dadurch 
dass  er  Waffen  auf  ihre  Körper  legen  Hess.    Es  ist  noch  eine  Frage,  ob 


1)  Car  Theodor,  d.  w.  s.  Boris  Godunoy,  hat  den  Bojaren  und  den  Djaki 
befohlen,  sich  mit  den  Üntersnchnngsacten  zum  Patriarchen  Hieb  und  der 
ganzen  H.  Synode  zu  begeben,  um  sie  dort  vorzulesen;  vorgelesen  hat  sie  der 
Djak  Vasilij  §ceIkalov.  Die  Männer,  welche  den  Acten  nach  die  Aufmerk- 
samkeit auf  sich  gezogen ,  sollten  nach  Moskau  berufen  werden  (a  no  'Ax'h 
xmffiE,  KOTopue  b  x^e  o6ijraH.iHCH,  Bez^i»  Fa^pb  nocujaTH).  So  sollte  auf  Be- 
fehl des  Caren  und  nach  dem  Urtheiie  der  Bojaren  Michail  Vasiljevio  Moloa- 
nov  die  Amme  des  Carevio  Irina  und  ihren  Gemahl  lidan  nach  der  Hauptstadt 
bringen.  £r  sollte  unterwegs  aufpassen,  dass  sie  ihm  ja  nicht  entlaufe  und 
ja  nicht  Hand  an  sich  lege,  doch  dürfte  man  ihnen  dabei  kein  Leid  thun. 
Zum  Unterschied  davon  sollte  J^erebcov  den  Zauberer  des  Nagoj,  Andrej  Mo- 
calov,  in  Ketten  und  zwar  eilends  nach  Moskau  fuhren.  Dieser  Unterschied 
in  der  Behandlung  der  idanovy  und  des  Molcanov  weist  darauf  hin,  dass  sie 
wohl  zu  verschiedenen  Parteien  in  Uglio  gehört  haben.  Wir  möchten  die 
Nachricht  des  Bussow  zur  Erläuterung  herbeiziehen,  dass  Boris  Godunov 
nach  der  Ermordung  des  Carevio  die  Mörder  nach  Moskau  berufen  hätte  und 
sie  unterwegs  ermorden  lassen. 


I 


1 08  Eugen  §oepkin, 

nicht  diese  Art  des  Mordes  gegenüber  einem  Epileptiker  viel  leichter 
ins  Werk  gesetzt  werden  konnte,  als  das  von  den  Historikern,  wie 
BjeloY,  anempfohlene  Vergiften  unter  den  wachsamen  Augen  einer  arg- 
wöhnischen Mutter.  Wir  legen  kein  Gewicht  auf  die  Schilderungen  der 
russischen  Annalen  und  Sagen ;  sie  sind  alle  mindestens  15  Jahre  nach 
den  Ereignissen  zu  UgliS  entstanden  und  zwar  unter  Einwirkung  der 
officiellen  Legende  aus  den  Tagen  des  Pseudodemetrius  I.  und  des 
Garen  Vasil^*  änjskij,  welcher  im  Namen  der  Carin- Witwe  Maria  (als 
Nonne  Martha)  auf  Kosten  seiner  Vorgänger  seinen  eigenen  Thron  zu 
befestigen  suchte.  Indessen  tauchen  die  officiellen  Acten  des  V.  Sigskij 
und  der  Martha  in  der  Historiographie  des  XVII.  Jahrh.  erst  in  ver- 
stümmelter Form  auf  1) .   Die  Namen  der  Frauen  und  der  vermeintlichen 


1)  Den  ausführlichsten  Bericht  über  den  Mord  zu  Uglic  gibt  »Der  neue 
Annalist«.  (Dieselbe  Erzählung  s.  in  Nikon's  Annalen.)  Boris  versucht  ver- 
gebens, den  Garevio  D.  durch  seine  Gehilfen  zu  vergiften.  Endlich  beruft  er 
zu  sich  seine  Anverwandten,  die  Godunovy,  und  seine  Rathgeber,  den  An- 
drej Klesoin  mit  Kollegen,  und  kündigt  ihnen  seine  Sache  an.  Nur  Gregor 
Vasiljevio  Godunov  sprach  sich  gegen  den  Mord  aus.  Die  Anderen  beschlos- 
sen, Mörder  nach  Uglic  auszusenden.  Sie  wählten  dazu  den  Vladimir  Zag- 
rjal^skij  und  Nicephor  Gep6ttgov ;  diese  versagten  aber  den  Gehorsam.  Da 
nahm  Klesnin  das  ganze  Unternehmen  auf  sich  und  fand  in  dem  Michail  Bitja- 
govskij  einen  Mann,  welcher  bereit  war,  den  Willen  des  Boris  auszuführen. 
Godunov  nimmt  seine  Dienste  mit  Freuden  auf,  sendet  ihn  sammt  dem  Sohne 
Daniil  und  dem  Nikita  Kaoalov  nach  Uglic  und  befiehlt  ihnen,  dort  das  Re- 
giment zu  führen.  Die  Garin  Marja  errieth  die  Absicht,  in  der  dieBitjagovskie 
ausgesandt  waren,  und  begann  ihren  Sohn  D.  besonders  aufmerksam  zu  hüten. 
Da  haben  die  Verschwörer  die  Wärterin  Volochova  und  ihren  Sohn  Daniil 
(Osip?)  für  ihre  Pläne  gewonnen.  Am  15.  Mai  lockte  die  Wärterin  den  Gare- 
vio aus  den  Zimmern  seiner  Mutter  hinaus  und  führte  ihn  auf  die  Aussen- 
treppe ;  die  Amme  versuchte  vergebens,  die  Volochova  daran  zu  verhindern. 
Die  Mörder  Volochov,  Michail  Bitjagovskij  und  Kacalov  erblickten  den  Ga> 
revic  und  näherten  sich  der  Treppe.  Volochov  nahm  ihn  bei  der  Hand  und 
sprach :  Herr,  ich  sehe  ein  neues  Halsband  bei  dir.  Der  Knabe  wies  mit  dem 
Finger  auf  den  Halsschmuck  und  antwortete  leise :  das  ist  ein  altes  Halsband. 
Da  stach  ihn  Daniil  (Vol.?)  mit  dem  Messer  in  den  Hals,  verfehlte  aber  die 
Kehle.  Die  Amme  fiel  mit  dem  Körper  über  das  Kind  und  begann  zu  schreien. 
Daniil  ergriff  die  Flucht.  Michail  Bitjagovskij  und  Kacalov  begannen  die 
Amme  zu  schlagen,  entrissen  ihr  den  Garevic  mit  Gewalt,  ermordeten  ihn  und 
liefen  davon.  Die  Mutter  kam  auf  das  Geschrei  der  Amme  herbei  und  fand 
ihren  Sohn  bereits  todt ;  voll  Schrecken  und  Qual  fiel  die  Garin  in  Ohnmacht. 
Ein  Küster  der  Kathedrale  hat  die  Ermordung  des  Garevic  gesehen,  bestieg 
den  Glockenthurm,  schloss  die  Thür  hinter  sich  und  begann  zu  läuten.    Die 


Wer  war  PsendodemetriuB  L?  109 

Mörder,  die  ans  den  Untersuchnngsacten  wohl  bekannt  sind,  werden 
z.  B.  in  den  Annalen  des  Patriarchen  Nikon  verwechselt.    Da  kommt 


Mörder  forderten  ihn  auf,  mit  dem  Läuten  aufzuhören,  drohten  ihn  zu  ermor- 
den, konnten  aber  Nichts  ausrichten.  Die  Anverwandten  des  D.  erschienen 
anf  dem  Platze  und  fanden  den  Carevic  ermordet,  die  Amme  und  die  Carin- 
mntter  wie  todt  liegen.  Den  Michail  Bitjagovskij  mit  Frau  und  Freunden 
hat  man  gesteinigt  Kaoalov  und  Volochov  wären  zuerst  aus  der  Stadt  ge- 
flohen,  kehrten  aber  dann  abermals  zurUck  und  wurden  von  den  Bürgern  ge- 
steinigt. Im  Ganzen  wurden  12  Verschworene  getödtet.  Boris  hat  dem  Garen 
Theodor  berichtet,  als  ob  der  Carevic  an  Fallsucht  gelitten  und  sich  selbst  er- 
Btoehen  hätte,  infolge  der  Nachlässigkeit  der  Nagle.  Vor  den  Untersuchungs- 
richtern hat  die  ganze  Stadt  den  Mich.  Bitj.  mit  Konsorten  des  Mordes  an- 
geklagt. Sujskij  und  Klesnln  haben  in  Moskau  auf  Wunsch  des  Boris  G.  einen 
falschen  Bericht  abgestattet.  Boris  liess  die  Nagle  nach  Moskau  bringen, 
peinigte  den  Michail  und  Andrej  Nagoj  und  forderte,  dass  sie  den  Selbstmord 
des  Carevic  mit  ihrem  Zeugnisse  bestätigen.  Die  Nagie  hielten  aber  die  Folter 
standhaft  ans  und  wurden  nach  verschiedenen  Städten  ins  Gefängniss  ver- 
bannt. An  den  Bürgern  der  Stadt  Uglic  hat  Boris  für  die  Ermordung  der  Bitja- 
govskie  eine  schreckliche  Rache  genommen :  die  Einen  wurden  geköpft,  die 
Andern  verloren  die  Zungen,  Viele  —  nach  Sibirien  versandt.  Ugli£  verödete 
seit  dieser  Zeit  Marja  Volochova  und  die  Frauen  der  Mörder  wurden  von 
Boris  mit  Gütern  belohnt 

Einen  gedrängten  Bericht,  der  aber  in  Einzelheiten  über  das  häusliche 
Leben  des  Carevic  manches  Eigenartige  bietet,  hat  Akademiker  Byckov  nach 
einer  Handschrift  der  Kais.  Oeff.  Bibl.  gedruckt  (Ctenija,  1864,  IV.).  Dieser 
Bericht  lautet:  Den  15.  Mai  fühlte  sich  Carevi6  seit  Morgen  unwohl,  er  liess 
den  Kopf  von  den  Schultern  hinabhängen.  In  der  vierten  Stunde  des  Tages 
ging  er  zur  Kirche  und  empfing  nach  dem  Evangelium  den  Segen  mit  den  H. 
Bildern  von  den  Mönchen  des  Cyrilliklosters.  Nach  der  Messe  kehrte  er  in 
den  Palast  zurück,  wechselte  die  Kleider,  während  der  Zeit  brachte  man  die 
Mahlzeit,  der  Priester  hatte  das  Manabiötchen  geweiht  Es  war  die  Sitte  des 
Carevic,  jeden  Tag  vom  Mariabrot  zu  kosten.  Darauf  begehrte  D.  zu  trinken 
nnd  begab  sich  mit  der  Amme  zum  Spaziergang.  In  siebenter  Stunde  des 
Tages,  als  er  sich  bei  der  Kirche  des  Caren  Konstantin  befand,  erschienen 
auf  Befehl  des  Boris  die  Mörder  Nikita  Kacalov  und  Daniil  Bitjagovskij,  be- 
täubten mit  einer  Keule  die  Amme,  warfen  sich  dann  über  den  Carevic  und 
schnitten  ihm  die  Kehle  ab.  Darauf  begannen  die  Mörder  laut  zu  schreien. 
Die  Mutter  vernahm  das  Geschrei,  lief  herbei,  sah  ihren  Sohn  todt  liegen  und 
nahm  seinen  Leichnam  auf  die  Arme.  Die  Mörder  standen  indessen  wie  be- 
täubt über  dem  Leichname.  Die  Onkel  speisten  unterdessen  bei  sich  zu  Hause 
und  wussten  Nichts  vom  Morde.  Die  Carin  nahm  den  Leichnam  des  Sohnes, 
brachte  ihn  in  die  Verklärungskirche  und  befahl  zu  läuten.  Das  Volk  strömte 
herbei.  Die  Carinmutter  wandte  sich  an  die  Bürger  und  forderte  sie  auf,  die 
Mörder  zn  tödten.  Da  hat  das  Volk  die  Mörder  gesteinigt.  Die  Mutter  wach  to 


110  Eugen  SoepkiD, 

eine  Marja  Volochova  mit  ihrem  Sohne  Danilka  vor,  die  ans  Vasilisa 
Volochova,  ans  Marja  Eolobova,  ans  Osip  Volochov  und  Danül  Bitja- 


8  Tage  beim  Leichname  des  Sohnes  in  der  Kirche.  Mittwoch  den  19.  (im  Texte 
9.)  Mai  erschienen  die  Untersnchungsrichter.  Der  Metropolit  von  Eruticy  hat 
den  Carevic  Sonnabend  den  22.  Mai  begraben.  Am  Todestage  war  der  Care- 
vi6  8  Jahre  6  Monate  und  28  Tage  alt,  er  ist  den  9.  Oktober  1582  geboren. 
Akad.  Byckov  stellt  die  Glaubwürdigkeit  des  Berichtes  sehr  hoch,  doch  finden 
wir  auch  hier  Ungereimtheiten,  z.  B.  dass  die  Mörder  selbst  zu  schreien  be- 
ginnen, wie  betäubt  über  dem  Leichname  stehen,  bis  sie  das  Volk  steinigt. 
Die  »Sage«  aus  dem  J.  1606  berichtet:  Boris  hat  mehrmals  versueht» 
durch  seine  Gehilfen  den  Carevic  zu  vergiften.  Endlich  sendet  er  nach  Ugli^ 
den  Djak  Michail  Bitjagovskij  (nach  der  kürzeren  Redaktion  der  »Geschichte, 
wie  Boris  den  Carenthron  gestohlen a  auch  den  Sohn  Danül  Bitj.}  und  seinen 
Neffen  Nikita  Eaoalov,  um  den  D.  zu  ermorden,  der  acht  Jahre  alt  war.  Als 
der  Carevic  einmal  das  EUius  verlassen  und  sich  nach  Eindesart  zum  Spielen 
begeben,  haben  ihn  die  bösen  Buben  (lOHoiim,  d.w.s.  Danül  und  Nikita)  über- 
fallen. Einer  von  ihnen  entblösste  das  Messer  und  schnitt  ihm  die  Kehle  ab. 
Die  Einwohner  der  Stadt  haben  die  Mörder  niedergemacht.  Nach  dem  »Chro- 
nographen« des  Djak  Timotheev  befiehlt  Boris  dem  Elesnin  den  Carevic  aoa 
dem  Leben  zu  schaffen.  D.  wurde  vor  den  Augen  seiner  Mutter  ermordet  (uo 
saiuaH'B  6bicTi  upeAo  o^HMa  cboa  eMy  uarepe).  Die  Mörder  wurden  auf  derselben 
Stelle  niedergemacht.  Boris  hat  vor  dem  Caren,  dem  Patriarchen  und  der 
ganzen  Synklete  erklärt,  dass  Carevic  an  Fallsucht  gelitten  und  während  eines 
Spieles  sich  selbst  erstochen.  Gegenüber  den  Zeitgenossen,  welche  den  Boris 
für  unschuldig  am  Tode  des  Carevi6  hielten,  weist  Timotheev  daranf  hin, 
dass  Boris  die  Einwohner  der  Stadt  Uglic,  welche  an  den  Mördern  Rache  ge- 
nommen, streng  bestraft  hat.  (Fxt  cyn  Hxe  HiRorxa  rjiarojiiomeH,  hro  aeno- 
BHHBa  cyma  EopHca  saKaaEiio  iiapcRoro  A^THma,  ase  o  napCTsia  R'b  coBry  Toro 
saBECTH?)  Bei  der  Enthüllung  der  Reliquien  des  Märtyrers  D.  hätte  man  Nüsse 
gefunden.  Dieses  Naschwerk  zeugt  nach  Timotheev,  dass  Carevi6  beim  Leben 
am  allerwenigsten  von  der  Herrschsucht  erfüllt  war,  welche  Boris  bei  ihm 
voraussetzte.  Dem  Avramij  Palicyn  zufolge  hätten  gewisse  Streber  die 
Grossen  zu  Moskau,  besonders  aber  den  Boris  gegen  den  Carevic  gereizt  und 
den  D.  umgebracht.  Eatjrrev-Rostovskij  berichtet  folgendermassen:  Boris 
sendet  den  Nikita  Ea6alov  und  Michail  Bitjagovskij  nach  Uglic,  um  den  Care- 
vi6  umzubringen.  Die  Mörder  bethören  mit  Schmeicheleien  die  Mutter  und 
den  Sohn,  führen  das  Eand  unter  dem  Verwände  eines  Spieles  weg  und  er- 
morden ihn  (Ohh  ;Ke,  oRaHHHiH,  oÖoxciHB'b  oTpoqa  n  MaxepB  ero,  h  oTBexoma  ero, 
>iRo6u  Ha  yrimeHie  atRoe,  h  aaRjama).  Auch  nach  den  beiden  Redaktionen  der 
Sage  vom  Gregor  0.  (»Sage  und  Geschichte  vom  Wunder,  das  in  der  Caren- 
Stadt  Moskau  geschehen«  etc.)  haben  Nikita  Ea6alov  und  Danül  Bitjagovsky 
den  Carevic  zu  ügüc  auf  Befehl  des  Boris  umgebracht  Nach  der  legendären 
»Sage  über  die  Regierung  des  Caren  Theodor  Ivannovi6«  hat  Boris  fUr  den 
Mord  des  Carevic  in  der  Person  des  Djak  Michail  Bitjagovskij,  seines  Sohnes 


Wer  war  Pflendodemetrius  I.?  111 

govskij  entstanden  sind.   Die  Wärterin  Volochova  lockt  hier  den  Care- 
Ti£  hinterlistig  anf  die  Treppe  in  den  Hinterhalt  heraus,  wo  ihn  die 


Daniil,  seines  Neffen  Nikita  Kaöalov  und  der  Vasiüsa  Volochova  Gehülfen 
gefanden.  Volochoya  wäre  in  besonderer  Ganst  bei  der  Carin  Marja  Theodo- 
Tovna  gestanden  und  von  ihr  znr  Bojarina  befördert.  Diese  Verschwörer 
hätten  zuerst  vergebens  versucht,  den  Carevic  durch  Mord  aus  dem  Leben  zu 
schaffen.  Endlich  hätte  Boris  jegliche  Furcht  bei  Seite  gelegt  und  seinen  Ge- 
hfilfen  befohlen,  den  Demetrius  niederzustechen.  Längere  Zeit  hätten  Michail 
Bitj.,  sein  Sohn  Daniil,  sein  Neffe  Nikita  Kaoalov  auf  die  Gelegenheit  ge- 
wartet, den  Befehl  auszuftthren.  Da  haben  sie  für  Ihr  Unternehmen  die  Amme 
des  Carevi6  Darja  Mitjakova  gewonnen,  sie  sollte  den  Demetrius  in  den  Hof 
spazieren  führen.  Eines  Tages  führte  sie  ihn  wirklich  in  den  Hof  spazieren 
und  gab  ihm  Nüsse  zum  Naschen.  Die  Garinmutter  war  unterdessen  in  den 
hinteren  Zimmern  und  wusste  davon  gar  nichts.  Die  Mörder  versteckten  sich 
unter  der  Treppe,  welche  Carevio  in  den  Hof  hinab  gehen  sollte.  Als  D.  die 
Mitte  der  Treppe  erreicht  hatte,  da  sprang  Michail  Bitj.  auf,  packte  ihn  durch 
die  Treppe  bei  den  Füssen,  sein  Sohn  Daniil  fasste  den  Kopf  des  Demetrii, 
der  Neffe  Nikita  Kaoalov  zog  das  Messer  und  erstach  den  Knaben.  Darauf 
haben  Alle  die  Flucht  ergriffen.  Eine  »gotterwählte«  Frau  kündigte  die  Misse- 
that  der  Mutter  an.  Die  Carin  Marja  lief  in  den  Hof  und  erblickte  ihren  Sohn 
todt  im  Blute  liegen.  Da  Hess  man  die  Glocken  läuten,  das  Volk  strömte 
herbei,  einige  liefen  den  Mördern  nach  und  führten  sie  in  den  Hof.  Hier 
hätten  diese  eingestanden,  das  Verbrechen  auf  Befehl  des  Boris  begangen  zu 
haben.  Die  Bürger  haben  nun  die  Mörder  gesteinigt.  Boris  hat  dem  Caren 
Theodor  angezeigt,  dass  Carevic  sich  selbst  beim  Spielen  erstochen  infolge 
der  Nachlässigkeit  der  Nagie.  Bei  der  Untersuchung  zu  Uglic  hätte  Andrej 
Klesnin  Furcht  den  Bürgern  eingejagt,  sodass  sie  Nichts  zu  wissen  angaben. 
Klesnin  hätte  dann  nach  seiner  Willkür  Zeugnisse  in  ihrem  Namen  geschrieben 
und  dnrch  Drohungen  die  Zeugen  gezwungen,  diese  falschen  Akten  zu  unter- 
schreiben. Wer  nicht  einwilligte,  sollte  verbanot  und  eingekerkert  oder  ge- 
köpft werden.   Da  eilten  alle  Bürger,  diese  Zeugnisse  zu  unterschreiben. 

Nach  der  Vita  Demetrii  in  dem  Tulupovschen  Menäum  hätte  Boris  ver- 
gebens versucht,  den  D.  zu  vergiften.  Da  bringt  er  den  Daniil  Bitjag.  und 
Nikita  Kacalov  dazu,  dass  sie  den  D.  umbringen.  AU  Carevic  einmal  nach 
Kindersitte  zu  spielen  hinausging,  da  überfielen  ihn  die  Buben.  Einer  von 
ihnen  zog  das  Messer  und  schnitt  dem  Knaben  die  Kehle  ab.  Die  Bürger  der  Stadt 
machten  die  Mörder  nieder.  Bei  der  Enthüllung  der  Reliquien  erwähnt  auch 
die  Yita  die  Nüsse.  Die  Vita  Demetrii  in  Miljutins  Menäum  gibt  dieselbe 
Tradition,  wie  die  Sage  von  der  Regierung  des  Theodor.  Der  2.  Redaktion 
des  Chronographen  zufolge  ist  Carevic  D.  von  Kaoalov  und  Daniil  Bitjagovs- 
kij  ermordet;  viele  sprachen  aber  davon,  dass  er  auf  Befehl  des  Moskauer 
Bojaren  Gk>dunov  ermordet  worden.  Massa  berichtet  folgendermassen . 
Caievio  hat  den  Djak  Bitjagovskij  für  seinen  besten  Freund  gehalten.  Ihn 
hätte  man  dazu  ertcauft,  den  Demetrius  umzubringen.  Michail  B.  hätte  die 


112  Eugen  Soepkin, 

Mörder  fiberfallen;  die  Amme  im  Gegentheii  (sie  wird  hier  gar  nicht 
beim  Kamen  genannt)  snoht  den  verwundeten  Knaben  zu  vertheidigen 


AasnihrDDg  des  Planes  seinem  Sohne  Daniil  und  dessen  Kameraden  Nikita 
Ka6a]ov  aufgetragen.  Beide  Mörder  hätten  sich  zuerst  nach  Moskau  begeben, 
um  vom  Boris  dazu  den  Segen  zn  erhalten.  Nun  befahl  Michail  Bitj.  am  Tage 
des  Mordes  dem  Daniil  und  Nikita  sich  in  dem  Hofe  zu  verstecken.  Er  selbst 
schlug  nach  dem  Mittage  zwei  oder  drei  Edelleuten  vor,  ein  Spiel  mit  Nüssen 
anzustellen  und  begab  sich  dann  anf  die  Kanzlei.  Als  nun  das  Spiel  in 
vollem  Gange  war,  haben  die  zwei  Mörder  dem  Carevi6  die  Gurgel  abge- 
schnitten ;  in  ihrer  Aufregung  haben  sie  es  aber  vergessen,  die  übrigen  Kinder 
zn  ermorden.  Den  Mördern  ist  es  gelungen,  auf  Pferden,  so  im  voraus  für  sie 
bereit  gehalten,  davonzusprengen,  die  jungen  Edelleute  haben  unterdessen 
ein  lautes  Geschrei  auf  dem  Hofe  erhoben.  Dem  Busso  w  zufolge  Hess  Boris 
die  zwei  Mörder,  welche  er  vorhin  für  grosses  Geld  hierzu  erkauft  hatte,  auf 
dem  Rückwege  nach  Moskau  umbringen,  damit  seine  ruchlose  That  nicht  an 
den  Tag  komme.  Die  officiellen  Anschauungen  der  Regierung  des  Garen 
y.  änjskij  sind  in  seinem  Briefe  an  das  Cyrillikloster  vom  29.  Mai  1606  dar- 
gelegt. Um  die  Reliquien  des  Carevio  zu  enthüllen,  wurden  nach  Uglio  der 
Metropolit  von  Rostoy,  Philaret,  der  Bischof  von  Astrachanj,  Theodosius, 
Gregor  und  Andrej  Nagie  u.  a.  m.  abgesandt  Vom  28.  Mai  haben  sie  Fol- 
gendes aus  Uglio  berichtet:  die  Reliquien  sind  in  unversehrtem  Zustande  auf- 
gefunden, auf  dem  Haupte  sind  noch  Haare,  auf  dem  Gebeine  Fleisch  vor- 
handen, ein  Theil  zu  Erde  geworden;  Carevio  hatte  noch  im  Grabe  einen 
Halsschmuck  aus  Perlen,  in  der  linken  Hand  hielt  er  ein  gold-  und  silber- 
gesticktes seidenes  Tuch,  über  den  Reliquien  fand  sich  ein  Häufchen  Nüsse ; 
man  behauptete,  dass  er  beim  Spielen  Nüsse  gegessen  und  dass  die  Nüsse  bei 
seiner  Ermordung  vom  Blute  roth  gefärbt  wären.  Am  4.  Juni,  als  die  Re- 
liquien bereits  zu  Moskau  in  der  Erzengelkathedrale  bestattet  wurden,  da  hat 
die  Garin-Witwe  vor  der  ganzen  H.  Synode  und  vor  den  Bojaren  ihre  Schuld 
eingestanden,  dass  sie  den  PD I.  aus  Eleinmuth  nicht  hat  des  Betruges  über- 
führen wollen:  seit  der  Zeit  nämlich ,  als  Carevio  auf  Befehl  des  Boris  er- 
mordet wurde,  hatte  sie  und  ihre  Anverwandten  grosse  Noth  leiden  müssen ; 
deshalb  wäre  sie  so  schwach  gewesen,  sich  über  die  Thronbesteigung  des  FD 
zu  freuen ;  bei  der  Zusammenkunft  hätte  er  ihr  unter  Drohungen  verboten, 
darüber  zu  sprechen.  Da  der  Halsschmuck  des  Carevio  bereits  in  der  Rela- 
tion des  Thomas  Smith  erwähnt  wird,  so  muss  diese  Tradition  noch  vor  der 
'  Enthüllung  der  Reliquien  entstandan  sein.  Die  Nüsse  kommen  dagegen  in 
dieser  Urkunde  zum  ersten  Male  vor.  Nun  werden  diese  Nüsse  seit  der  Zeit 
der  Enthüllung  in  die  Schilderung  der  Ermordung  des  Carevio  eingetragen. 
ProfGolubovskij  wollte  in  dieser  Nachricht  einen  Schlüssel  zur  Erschliessung 
des  ganzen  Geheimnisses  gefunden  haben ;  er  stellt  sich  vor,  dass  Carevio  im 
letzten  Augenblicke  in  einer  Hand  das  Tuch,  in  der  anderen  die  Nüsse  ge- 
halten hätte  (vgl.  »HcTopHqecRiH  BicTHHR'b  1896,  December,  Die  Frage  über 
den  Tod  des  Carevio  Demetrius).   Erstens  berichten  die  Quellen,  dass  die 


Wer  war  PBeudodemetrius  I.  ?  113 

und  wird  dafür  durchgeprügelt.   Diese  ganze  Scene  soll  nun  ein  Küster 
der  Stadtkathedraie  gesehen  haben  und  vom  Glockenthurme  zu  läuten 


Nüsse  auf  die  Brust  des  Carevic  gelegt  waren.  Die  Vita  Demetrii  in  dem 
MenSum  des  Tulupov  berichtet:  »u  optzu  Ha  ^leciHBizx  ero  nepd&x'B,  icKe 
odüHJHCJi  ^ecTHOH)  OFO  KpoBiio  B'L  BpcMA  8&Ro.ieHiA  ff.  Dlc  Urkundc  aus  dem 
J.  1606  sagt;  »Aa  Ha  IXapesH^eBuz'B  trq  MOo^ex'B  nojEOxeno  opixoBi  ci  npH- 
ropmH«.  Djak  Timotheev  geht  noch  weiter:  »oöpixoma  60  ck  bx  paiii  BHyrpB 
cyTB  CBATBiMH  ero  H^ApBi  Aepa^HMii  opixH  Torsa  6uBniaH,  oÖarpHBmaACA  so 
cTpa^aHia  c  Massa  berichtet,  dass  Carevic  und  seine  Kameraden  mit  Nüssen 
gespielt  hätten.  Man  kann  sich  also  vorstelleuj  dass  der  kleine  Vorrath  von 
Nüssen  in  das  Tuch  gelegt  und  zugebunden,  dann  beim  Spiele  in  den  Busen 
gesteckt  wurde.  Die  Hauptschwierigkeit  besteht  aber  darin,  dass  man  es 
gar  nicht  wissen  kann,  wie  und  wann  die  Nüsse  in  den  Sarg  gekommen  sind. 
Djak  Timotheev  hat  den  Sinn  dieses  Attributs  angedeutet.  Beim  Einkleiden 
der  Reliquien  hat  man  ohne  Zweifel  dem  Gebeine  den  Habitus  eines  unschul- 
digen Kindes  geben  wollen.  Wenn  andererseits  Bussow,  Massa,  Margeret  be- 
haupten, dass  die  Reliquien  im  Voraus  gefälscht  waren,  wozu  ein  anderes 
Kind  (ein  Pfaffensohn)  vorsätzlich  geschlachtet  wurde,  so  ist  diese  ganze  Er- 
zählung wohl  als  eine  rationalistische  Grille  aufzufassen.  Die  Regeln  der 
Kanonisirung  in  der  orthodoxen  Kirche  fordern  keineswegs  einen  ganz  un- 
versehrten Leib  für  die  Enthüllung  der  Reliquien  und  lassen  einen  freien 
Spielraum  für  die  Untersuchnngskommission.  Wenn  wir  die  Beschreibung 
der  Enthüllung  der  Reliquien  des  vor  15  Jahren  Ermordeten  in  der  Ur- 
kunde aus  dem  J.  1606  mit  den  Relationen  über  archäologische  Ausgrabungen 
vergleichen,  so  müssen  wir  den  Bericht  des  Metr.  Philaret  (was  speciell  den 
Zustand  des  Gebeines  betrifft)  für  wahrscheinlich  halten.  Wer  die  Echtheit 
des  FD  verficht,  der  wird  dieses  Gebein  natürlich  nicht  dem  Carevic,  sondern 
dem  statt  seiner  ermordeten  Knaben  zuschreiben  müssen,  braucht  indessen 
keine  Abschlachtung  eines  Knaben  ad  hoc  vorauszusetzen.  Nach  der  Hand- 
schrift der  Kais.  Oeff.  Bibl.  zu  Petersburg  »Historya  Dmitra  f^szywego«  hat 
Prof.  Kostomar  ov  einen  Brief  des  Garen  D.  an  den  Boris  gedruckt  (»Gmyt- 
Hoe  BpeMflor).  Wir  billigen  die  Auffassung  des  Prof.  Kostomarov,  welcher  an 
der  Echtheit  des  Briefes  zweifelt.  Jedenfalls  ist  es  indessen  ein  Aktenstück 
der  Zeit,  wohl  ein  Plakat  der  Partei  des  FD.  Hier  wird  gegen  den  Boris  die 
Beschuldigung  erhoben,  dass  er  den  Garen  Simeon  blenden,  seinen  Sohn  Jo- 
hann hat  vergiften  lassen.  »Du  hast  gefühlt«,  fährt  der  Brief  fort,  »dass  du 
einmal  in  unserer  Gewalt  sein  würdest.  Erinnerst  du  dich,  wie  du  daran 
durch  unsere  Briefe  gemahnt  wurdest?  wie  wir  einen  Priester  mit  Mahnung 
an  dich  gesandt  haben?  wie  wir  deinen  Cognaten  (so  nennt  ihn  auch  Djak 
Timotheev)  Andrej  Klesnin  abgefertigt,  welcher  von  unserem  Bruder,  dem 
Garen  Theodor,  an  uns  geschickt  war  und  uns  mit  Geringachtung  behandelt 
hat,  weil  er  auf  dich  vertraute?«  Der  Historiograph  Gerh.Mueller  berichtet 
nach  Akten,  die  er  in  Sibirien  gefunden,  dass  im  J.  7112  (1603—4)  der  Strelitze 
Stepan  Kaoalov  nach  Toboljsk  verbannt  worden,  weil  er  den  Zorn  des  Garen 

ArchlT  fftr  slaTiflche  Philologie.   XXI.  S 


114  Eugen  äoepkin, 

angefangen.  Wenn  nun  Nikon's  Annalen  weiterhin  mit  Entrüstung  be- 
richten, wie  die  yerruchte  Wärterin  für  ihre  Missethat  sammt  dem  Ge- 
mahle  zum  Boris  nach  Moskau  berufen  und  mit  Landgütera  belohnt 
wurde,  so  erinnert  man  sich  gleich  daran,  dass  den  Untersuchungsacten 
zufolge  die  Familie  !^danov-Tu2koy,  keineswegs  aber  die  Wärterin 
nach  Moskau  berufen  wurde.  Es  entsteht  unwillkürlich  ein  Zweifel,  ob 
wir  es  nicht  abermals  hier  mit  einem  Missverständnisse  oder  einer  Ver- 
wechselung der  Namen  zu  thun  haben,  ganz  ebenso,  wie  bei  der  Marja 
Volochova  oder  dem  Küster  der  Kathedrale ;  denn  auch  der  letztere  ist 
aus  dem  Küster  der  Konstantinkirche  Ogurec  und  dem  Wächter  Kuzne- 
cov  zusammengeschmolzen,  zu  geschweigen,  dass  beide  wohl  auf  frem- 
den Befehl  zu  läuten  angefangen  haben. 

Wir  finden  also  in  Bezug  auf  den  Tod  des  CarcTic  drei  verschie- 
dene Traditionen  in  unseren  Quellen :  erstens  —  der  fallsüchtige  Care- 
vi6  hat  sich  selbst  beim  Spiele  erstochen  (Untersuchungsacten) ;  zwei- 
tens —  Carevic  wurde  beim  Spiele  von  einem  Spielkameraden  erstochen 
(Horsey-Smith) ;  drittens  —  CareviJ  wurde  von  Danül  Bitj.,  Nikita 
KaS.  und  Osip  Vol.  bereits  beim  Spielen  (Massa)  oder  noch  an  der 
Treppe  ermordet  (Sage  aus  dem  J.  1606  und  Nikon's  Annalen).  Alle 
drei  Gattungen  der  Tradition  kennen  nur  in  Bezug  auf  die  Thatsache 
mit  einander  versöhnt  werden,  dass  CareviS  beim  Spielen  um's  Leben 
gekommen.  Die  zwei  letzten  Gattungen  der  Tradition  können  unter 
einander  auch  in  Bezug  auf  die  Deutung  dieser  Thatsache  versöhnt 
werden,  dass  nämlich  das  Spiel  nur  dazu  gedient,  um  den  Mord  zu  er- 
leichtem oder  zu  bemänteln.    Die  erste  Tradition,  d.  w.  s.  von  einem 


sich  zugezogen.  Die  Kacalovy  nahmen  später  höhere  Aemter  in  Toboijsk  ein 
und  galten  immer  für  Nachkommen  des  Nikita  K.,  des  Mörders  des  Carevic 
zu  Uglio.  Unter  den  Bauern  zu  Pelyn^j  fand  Mueller  30  Mann  aus  Uglic  er- 
wähnt, die  seiner  Meinung  nach  vom  Boris  in  die  Verbannung  geschickt  sind, 
um  den  Mord  zu  verhehlen  (ExeMica^HUfl  Go^HHeHls,  Jänner  1764).  Unter 
seinen  Belegen  dafOr,  dass  der  Car  D.  I.  keineswegs  der  echte  Carevic  D.  ge- 
wesen, führt  Bussow  folgende  Erzählung  an:  nach  der  Ermordung  des 
Caren  wäre  er  mit  einem  deutschen  Kaufmann  nach  Uglic  gereist  und  hätte 
unweit  der  Stadt  einen  Russen  getroffen,  welcher  105  Jahre  alt  und  seiner 
Zeit  im  Schlosse  Uglic  beim  jungen  Demetrius  Aufseher  (Starosta)  gewesen. 
Dieser  Greis  hat  nun  auf  die  Fragen  des  Bussow  geantwortet:  Der  erschla- 
gene Car  war  ein  verständiger  Herr,  aber  Demetrius  des  Tyrannen  Sohn  ist 
er  nicht  gewesen;  denn  dieser  ist  vor  17  Jahren  zu  Uglic  ermordet  und  längst 
verfault;  ich  habe  ihn  auf  seinem  Spielplatze  todt  liegen  gesehen. 


Wer  war  Pseadodemetrias  I.  ?  115 

zQfiÜiigen  Selbstmorde  beim  Spiele,  kann  gegen  die  Synthese  der  zwei 
letzten  Gattungen  der  Tradition  nicht  Stich  halten,  weil  die  ünter- 
Buehnngsacten  in  Bezug  auf  die  Thatsache  des  Spieles  mit  ihnen  über- 
einstimmen, sonst  aber  parteiisch  gefärbt  nnd  reich  an  Widersprüchen 
sind.  Die  Quellen  weichen  von  einander  nur  in  Bezug  auf  die  Thatsftch- 
lichkeit  des  Spieles  ab,  ob  es  stattgefunden,  oder  ob  es  eine  reine  Fiction 
gewesen^).  Diese  Widerspräche  der  Ueberlieferung  machen  jede  dra- 
matische Schilderung  der  Begebenheit  geradezu  gewagt,  sie  lassen  aber 
den  Kein  der  Sache,  nämlich  einen  Mord  unter  dem  Deckmantel  eines 
Spieles,  über  jeden  Zweifel  erhaben  sein. 

Es  gibt  auch  in  der  historischen  Litteratnr  verschiedene  Ansichten 
darüber,  ob  wir  mit  einem  Morde  oder  einem  Selbstmorde  des  OareviS 
zu  thun  haben.  Für  unsere  specielle  Frage  ist  es  eigentlich  ziemlich 
gleichgültig.  Noch  weniger  sind  wir  darüber  zu  forschen  verpflichtet,  ob 
und  in  wie  weit  Boris  an  diesem  Verbrechen  schuld  war.  Als  er  später 
den  Thron  bestiegen  hatte,  da  hat  der  Glauben  an  seine  Schuld  aus  Bück* 
sichten  des  cui  prodest  Wurzel  gefasst.  Seit  dem  J.  1605,  wo  die  ihm 
feindlichen  Mächte  Oberhand  gewonnen  haben,  wird  Boris  in  allen  An- 
nalen  und  of&ciellen  Acten  als  Mörder  des  Demetrius  verschrien.  In- 
dessen mnss  nu&n  bei  der  Anwendung  des  Princips  cui  prodest  eine  ge* 
wisse  historische  Perspective  beobachten.  Im  J.  1 59 1  haben  an  dem  Tode 
des  Garevi&  ausschliesslich  die  Nagie  verloren,  welche  nach  dem  Abgange 
des  Garen  Theodor  im  Namen  des  unmündigen  Demetrius  hätten  die 


^)  In  dieser  Hinsicht  können  wir  vier  Grade  der  Thatsächlichkeit  unter- 
scheiden: a)  Das  Spiel  bat  in  Wirklichkeit  gar  nicht  stattgefunden  (Nikon*B 
Annalen,  Byokov's  Fragment).  Dann  muss  die  Thatsache  hinterher  ersonnen 
worden  sein,  um  den  Mord  zu  verdecken,  ähnlich  wie  Nagoj  auf  die  Leichen 
der  Bitjagovskie  Wa£fen  legen  Hess,  b)  Das  Spiel  hat  stattgefunden,  der  Ca- 
revio  wurde  aber  doch  von  Daniil  Bitj,  Osip  Volochov  und  Nikita  Eaoalov 
ermordet;  vielleicht  nahm  einer  von  den  Mördern  Theil  an  dem  Spiele,  jeden- 
falls war  das  Spiel  des  Mordes  halber  angestellt  (Massa,  Eatyrev-Bostovskij, 
Die  Sage  ans  dem  J.  1606).  c)  Das  Spiel  hat  stattgefunden,  der  Gare vio  wurde 
dabei  von  einem  der  Spielkameraden  erstochen  (Smith,  Horsey).  d)  Das  Spiel 
hat  stattgefunden^  der  Garevic  hat  sieh  aber  dabei  selbst  erstochen  (Process- 
acten). In  den  beiden  letzten  Fällen  würde  es  auffallen,  dass  die  Unter- 
suchung so  widerrechtlich  durchgeführt,  wenn  die  Thatsachen  so  harmlos 
gewesen,  und  dass  weder  die  Nagie  während  der  drei  ersten  Tage,  noch  die 
Moskauer  Bcgierung  nach  der  Untersuchung  es  fttr  nöthig  befunden,  gegen 
die  Spielkameraden,  die  Wärterin  und  die  Amme  wegen  ihrer  strafbaren  Un- 
besonnenheit hart  zu  verfahren. 

8* 


116  Eugen  §cepkin, 

ganze  Regierung  an  sich  reissen  können.  Wer  konnte  aber  an  dem  Tode 
des  CareviS  gewinnen  ?  Vor  allem  die  ganze  nächste  Umgebung  des 
Demetrius:  Djak  Bitjagovskij,  als  Vertreter  der  Centralregiemng,  die 
Gehfllfen  des  Djaks,  yielleicht  sogar  die  Edelknaben,  als  Spielkameraden 
des  kränklichen  GareviS,  hatten  genug  Grund,  von  dem  zukünftigen 
Alleinherrscher  dieselben  Ausbrüche  der  Rachsucht  und  des  Eigenwillens 
zu  erwarten,  durch  welche  seinerzeit  Johann  der  Schreckliche  seine  Mün- 
digkeit kund  gethan  hat.  Sowohl  die  Ausländer  Fletcher  und  Bussow, 
als  auch  Avraamij  Palicyn  legen  dafür  Zeugnisse  ab,  dass  die  Erzieher 
des  CareviS  seinen  schlimmen  Instincten  garnicht  entgegensteuerten  und 
ihn  von  Kindheit  an  gegen  die  Moskauer  Bojaren  aufzuhetzen  suchten. 
Car  Theodor  oder  wenigstens  seine  Staatsmänner,  wie  Boris  Oodunov, 
hatten  Grund  genug,  in  der  Zukunft  einen  Staatsstreich  seitens  des 
D.  von  UgliS  oder  seiner  Anverwandten  zu  erwarten.  Andererseits 
musste  für  die  Gesammtheit  der  Bojaren  das  Aussterben  des  Geschlechtes 
des  Caren  Johanns  des  Schrecklichen  sehr  erwünscht  sein.  Nicht  nur 
die  einzelnen  Bojaren,  sondern  der  Bojarenrath,  als  ein  Organ  der  Re- 
gierung und  Verkörperung  des  aristokratischen  Princips,  konnte  an  dem 
Tode  des  Demetrius  nur  gewinnen.  Ein  einzelnes  Bojarengeschlecht 
würde  Aussichten  auf  den  Thron,  der  Bojarenrath  die  Gelegenheit,  den 
%VL  wählenden  Alleinherrscher  zu  beschränken,  erhalten  haben.  Was 
ipeciell  Boris  Godunov  betrifft,  durfte  er  im  J.  1591  garnicht  dessen 
sicher  sein,  dass  die  Alleinherrschaft  gerade  ihm  zufallen  würde.  Die 
Carin  Irina  hat  bereits  nach  der  Ermordung  des  D.  von  Ugliii  ein  Töch- 
terchen Theodosija  geboren.  Dann  stritten  ja  seit  dem  Tode  Johanns 
des  Schrecklichen  drei  Familien  um  den  höchsten  Rang  —  die  Sujskie, 
die  Romanovy,  die  Godunovy.  Mit  den  äujskie  war  Boris  eigentlich  noch 
vor  dem  J.  1591  fertig,  aber  es  wäre  für  ihn  zu  früh  gewesen,  die  Hand 
an  den  Demetrius  anzulegen,  bevor  er  die  Romanovy  noch  nicht  ver- 
drängt hatte.  Man  kann  gegen  die  Untersuchungsrichter  zu  UgliS  den 
Argwohn  schöpfen,  als  ob  sie  alle  Bojaren  insgesammt  und  den  Boris 
insbesondere  vor  jeglichem  Verdachte  des  politischen  Mordes  zu  schützen 
suchten,  oder  im  Gegentheile,  dass  sie  schon  jetzt  eine  heimliche  Ver- 
abredung mit  der  Carin- Witwe  gegen  Boris  zu  Stande  gebracht  haben  ^) ; 


^)  Der  Gedanke,  dass  V.  äujskij  sowohl  an  der  Ermordung  des  echten 
CareviS,  als  auch  an  der  Vorbereitung  des  Falschen  D.  die  Hauptschuld  trägt, 
ist  in  dem  Aufsatze  entwickelt:  »Wer  hat  den  Carevio  D.  ermordet?«  (Hcto- 


Wer  war  Pseudodemetrius I. ?  ]] 7 

jedenfallB  bleibt  neben  allen  Verrnnthnngen  die  sichere,  von  allen  Zeugen 
beatätigte  Thatsache,  dass  deijenige  Demetrins,  welcher  zu  U^liS  nnter 
den  Angen  der  ganzen  Stadt  anferzogen  wurde,  am  15.  Maj  1591  ge- 
storben ist.  Statt  des  echten  CareviS  einen  anderen  Knaben  zn  Ugli! 
unterzuschieben,  scheint  uns  unter  den  Verhältnissen,  in  welchen  die 
Oarin-Witwe  mit  ihrem  Sohne  dort  lebte,  kaum  möglich  gewesen  zn  sein: 
zwischen  den  Nagie  und  den  BitjagOTskie  herrschten  gegenseitiges  Miss- 
trauen und  Feindschaft;  der  CareviS  pflegte  im  Kreise  von  Edelknaben  zu 
spielen,  mit  seiner  Mutter  die  Kirche  zu  besuchen.  Der  Umtausch  des 
Sandes  konnte  nur  vor  der  Ankunft  nach  ügliS  bewerkstelligt  werden. 
Nun  musste  aber  der  Streich  zu  Gunsten  der  »Opriifnina«,  welchen  Bog- 
dan Belskij  in  Moskau  bei  der  Thronbesteigung  des  Caren  Theodor  ins 
Werk  setzte,  schon  damals  die  ganze  Aufmerksamkeit  der  Regierung  auf 
den  CareviS  gelenkt  haben.  Ohne  Zweifel  war  er  schon  seit  dem  Todes- 
tage Johanns  des  Schrecklichen  von  den  Agenten  des  Boris  umringt 
und  überwacht.  Als  die  Carin-Witwe  Maria  und  ihr  Bruder  Michail  das 
Volk  zu  üglic  gegen  dieBitjagovskie  und  Volochovy  aufhetzten,  da  haben 
sie  ganz  klar  angedeutet,  wo  sie  diese  Agenten  des  Boris  zu  finden 
glaubten.  Nach  dem  Berichte  des  Ayraamij  Palicyn  waren  mit  dem  Mord- 
anschlage  gegen  Demetrius  auch  andere  Bojaren  ausser  dem  Boris  Go- 
dnnov  einverstanden.  Wir  haben  kaum  Recht,  diese  Beschuldigung 
weiter  zu  differenzieren.  In  der  Beseitigung  des  epileptischen  Söhnchens 
Johanns  des  Schreckliche'n,  welches  im  Hasse  gegen  die  Moskauer  Re- 
gierung auferzogen  werden  sollte,  finden  wir  jedenfalls  nichts,  was  mit 
der  vielgelobten  staatsmftnnischen  Klugheit  des  Boris  im  Widerspruche 
stunde.  Derselbe  Adel,  welcher  in  neueren  Zeiten  neben  den  Orlovy 
und  den  beiden  Nikity  Paniny  auch  einen  Theodor  Barjatinskij  und 
Fürst  Jaswil  hervorgebracht  hat,  konnte  am  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts 
erat  recht  neben  dem  Boris  Oodunov  und  VasiUj  Sujskij  auch  einen  Vo- 
lochov  oder  TuSkov  geliefert  haben. 

Mit  der  Untersuchung  zu  UgliS  verhallt  der  Name  des  Carevi6  De- 
metrius; erst  Aber  zehn  Jahre  später  erschallt  er  abermals  in  Polen. 


pn.  BicTH.  1891).  Diese  Vermnthung  lässt  sich  kaum  aus  den  Quellen  er- 
weisen. Vasilij  äigskij  ist  bis  zum  letzten  Augenblicke  der  Familie  Godunov 
treu  geblieben  und  wurde  unter  der  Regierung  des  FD.  I.  zu  einem  systema- 
tischen Verschwörer.  Auch  ist  es  undenkbar,  dass  Boris  ihn  nicht  hätte 
durchschauen  können.  Möglich  ist  indessen,  dass  sowohl  V.  §aJBkij,  als  auch 
andere  Bojaren  von  dem  Falschen  D.  bereits  seit  dem  J.  1598  Kunde  hatten. 


118  Engen  ^oepkiD, 

Die  Jesniten  nnd  die  polnischen  Oesandten  haben  diese  Aufentehnng 
des  Demetrins  ziemlich  genan  geschildert. 


IL 

Im  Jahre  1603  erschien  in  Polen  ein  junger  Grossrusse  in  der 
Tracht  eines  Basilianers.  Er  kam  als  Wallfahrer,  nm  die  heiligen  Stätten 
des  Landes  Kiev  zu.  besuchen,  flier  fasste  er  den  Entschluss,  nie  mehr 
zurückzukehren,  und  fing  an,  um  die  Gunst  der  Edelleute  und  Magnaten 
zu  werben.  Da  ihm  von  Natur  eine  gewisse  Zartheit  im  Verkehr  ange- 
boren war,  so  gelang  es  ihm,  viele  Freunde  zu  erwerben,  sogar  die 
Aufmerksamkeit  einiger  dem  höheren  Adel  angehörigen  Persönlich- 
keiten auf  sich  zu  lenken.  Nun  begann  er  etwas  freier  aufzutreten, 
etwas  vertraulicher  zu  werden  und  sich  endlich  allmählich  für  einen 
Sprössling  aus  dem  Stamme  der  Grossfdrsten  von  Moskau,  nämlich  fflr 
den  Demetrins,  den  Sohn  des  Caren  Johann  des  Schrecklichen  auszu- 
geben. Durch  manche  und  zwar  glaub wUrdige  Argumente  verstand  er 
Einige  zu  überzeugen;  das  Gerücht  von  ihm  verbreitete  sich  bald 
unter  dem  Volke.  Jetzt  fand  er  auch  einen  Beschützer,  welcher  ihn 
unter  seine  Obhut  nahm  und  seine  Sache  bei  Anderen  befürwortete,  das 
war  Fürst  Adam  Wiszniewiecki.  Einige  Monate  verbrachte  D.  bei  ihm 
im  Hause.  Hier  schmiegen  sich  die  Haeretiker,  besonders  die  Arianer 
an  ihn,  in  der  Hoffhung,  ihn  für  ihre  Sekte  zu  gewinnen  und  dann  durch 
ihn  ihre  Lehren  in  ganz  Russland  zu  verbreiten ;  es  gelingt  ihnen  auch 
wirklich  gewisse  Zweifel  bei  dem  erfahrenen  Jünglinge  zu  erwecken^). 


1)  Unter  denHaeretikem,  welche  im  polnischen  Russland  auf  Demetrins 
einen  Einflnss  ausgeübt  und  auch  später  um  seine  Gunst  geworben  haben 
sollen,  wird  man  die  Socinianer  verstehen  müssen  (s.  JEeBHimiH,  GoiuraiaHCTBo 
B'L  nOdiBint  H  H)ro-3anaAHoä  PycH.  KieBCKan  OiapHHa  1882,  April — Mai).  Die 
im  Reiche  Moskau  verfolgten  Haeretiker,  welche  auf  den  Monotheismus  im 
Sinne  des  Alten  Testamentes  zurückgekommen  waren  (die  sog.  jüdisch  ge- 
sinnten, xsAOBCTByH)mie),  näherten  sich  in  Polen  den  Anhängern  des  Faustus 
Socinus.  Ein  gewisser  Hang  zum  Antitrinitarianismus  verbreitete  sich  im 
Lande  Volynj  unter  dem  griechisch-orthodoxen  Adel  in  der  Art  einer  beson- 
deren Freidenkerei.  Der  Fürst  Konstantin  Ostrogsk^,  der  Verfechter  der 
Orthodoxie  in  Volynien  und  Eiovien,  duldete  solche  russische  Antitrinitarier 
an  seinem  Hofe  und  liess  sie  geg^n  die  Jesuiten  polemisch  auftreten.  Der 
russische  Flüchtling  aus  den  Zeiten  Johanns  des  Schrecklichen,  Fürst  Kurb- 
Akij,  war  darüber  empört,  dass  Ostrogskij  die  Orthodoxie  dadurch  zu  verthei- 


Wer  war  PBeudodemetriuB  I.  ?  119 

Von  Adam  W.  kommt  er  zu  Konstantin  W.  und  endlich  zmn  MniszecL 
nach  Sambor.  Hier  lernt  er  den  Pfarrer  Francisk  Pomaski  kennen  nnd 
wird  mit  ihm  befreundet.  Dieser  Pomaski  lenkt  zuerst  die  Aufmerk- 
samkeit der  Jesuiten  auf  den  D.  und  schlägt  ihnen  vor,  ihre  Annäherung 
an  den  Prätendenten  zu  yermitteln.  Die  Jesuiten  haben  natürlich  diese 
Gelegenheit  nicht  aus  den  Händen  gelassen.  Kaspar  Sawicki  war  der 
erste  Jesuit,  welcher  den  D.  im  Namen  seiner  Gesellschaft  begrüsst  und 
ihm  die  Vorzflge  der  katholischen  Religion  auseinandergesetzt  hat.  In 
zwei  Gesprächen  hat  Sawicki  die  Sache  der  S.J.  so  weit  gefördert,  dass 
D.  von  selbst  einen  dritten  Glaubensstreit  bei  ihm  ausgewirkt  hat,  wel- 
cher Allen,  besonders  aber  den  Russen,  geheim  gehalten  werden  sollte. 
Diese  neue  Auseinandersetzung  fand  am  T.April  s.n.  unter  Betheiligung 
der  Jesuiten  Sawicki  und  Grodzicki  statt.  Das  nächste  Colloquium  kam 
am  15.  April  bei  den  Franciskanern  zu  Stande.  Endlich  äusserte  D. 
den  Wunsch  —  dem  Sawicki  zu  beichten  und  in  die  rOmisch-katholisohe 
Kirche  aufgenommen  zu  werden.  Gr.  und  Saw.  pflogen  darüber  mit 
SkargaRath.  Der  Yojevode  von  Krakau  Zebrzydowski,  als  Mitglied  der 
Brüderschaft  der  Barmherzigkeit,  sollte  dem  Brauche  nach  in  den  letzten 
zwei  Tagen  der  Charwoche  in  der  Stadt  herum  Almosen  sammeln ;  am 
17.  April  ladet  er  auch  den  D.  dazu  ein  und  unter  diesem  Verwände 
schleichen  sie,  ohne  erkannt  zu  werden,  durch  die  Stadt  Krakau  bis  zum 
Ordenshause  der  H.  Barbara.  Hier  bleibt  D.  mit  dem  Sawicki  unter  vier 
Augen.   Das  Gerücht,  als  ob  D.  kein  wahrer  Sohn  des  Caren  Johanns  des 


digen  suchte,  dass  er  einen  Haeretiker,  wie  der  bei  ihm  im  Dienste  und  in 
Gunst  stehende  Motovilo  ein  Buch  gegen  den  Jesuiten  Peter  Skarga  hat 
schreiben  lassen  (CRasaHÜi  kh.  Kyp6cKaro,  hsa.  3.  YcipiuoBa,  1868).  Im  J.1599 
war  gegen  einen  gewissen  Stanislav  Kandyba,  der  auch  im  Dienste  beim 
Fürsten  Ostrogskij  gestanden  hatte,  die  Anklage  vor  dem  Gerichte  erhoben, 
dass  er  sich  mit  Gewalt  eines  kirchlichen  Gutes,  des  Dorfes  Vodyrady  in 
Volynien  bemächtigt,  die  dortige  Kirche  als  ein  Arianer,  d.  w.  s.  ein  Socinia- 
ner,  von  Heil.  Bildern,  Glocken,  dem  Heil.  Gtoräthe  entbtösst  und  in  ein  Gebet- 
haus der  AntitriDitarier  verwandelt  hätte.  Kein  Wunder,  dass  eine  apologe- 
tische Schrift  der  Socinianer,  welche  die  bedeutendsten  Mitglieder  der  Sekte 
au&ählte,  auch  den  Fürsten  Koust.  Ostrogskij,  wie  auch  den  Roman  Hojskij 
in  Hosca  zu  den  heimlichen  Anhängern  der  Antitrinitarier  mitrechnete  (s.  bei 
Levickij,  1.  c.  Quin  et  Constantinus  dux  in  Ostrog,  palatinus  Kyoyiensis  et 
Romanns  Hoyski,  dominus  in  Hoszcza,  castellanus  Kyoyiensis,  capitaneus 
Volodimiriensis,  quamvis  religionem  unitariam  [quam  in  corde  amplecteban- 
tnr]  aperte  non  sint  professi,  unitarioram  tarnen  fautores  et  patroni  faerunt). 
Bei  diesem  Hojskij  hat  Demetrius  eine  Zeit  lang  in  Hoszcza  geweilt. 


l20  Eugen  ^cepkin, 

Schrecklichen  wäre,  war  dem  Beichtvater  nicht  unbekannt.  Sawicki 
mahnt  also  den  D.,  darauf  gefasst  zu  sein,  dass  er  gleich  ein  Geständniss 
nach  bestem  Wissen  und  Gewissen  zu  machen  haben  werde.  D.  verfällt 
für  eine  kurze  Weile  in  Gedanken ;  darauf  fasst  er  sich  und  versichert, 
dass  er  sich  treuherzig  vor  Gott  und  den  Menschen  fühle  und  nur  auf 
die  Gerechtigkeit  baue.  Jetzt  erst  lässt  ihn  Sawicki  zur  Beichte,  worauf 
D.  sich  vom  Schisma  lossagt  und  sich  an  die  katholische  Kirche  an- 
schliesst.  Auf  den  Wunsch  des  D.  befiehlt  der  Provincial  der  S.  J.  zwei 
Mitgliedern  des  GoUegiums  zu  Jaroslavij*  —  dem  Nikolaus  Czyrzowski 
und  dem  Andreas  Lawioki  — ,  den  Prätendenten  auf  seinem  Zuge  nach 
Moskau  zu  begleiten.  Dieses  Unternehmen  des  D.  wäre  auch  vom  König 
und  dem  Senate  gebilligt.  So  lautet  die  Darstellung  des  J.  Wielewicki, 
welche  er  auf  Grund  eines  Tagebuches  und  einer  Denkschrift  des  Kas- 
par Sawicki  selbst  ausgearbeitet  hat  ^) . 

Die  Relationen  des  päpstlichen  Nuntius  Rangoni  scheinen  diese 
.Berichte  zu  bestätigen.  Den  1.  November  1603  erwähnt  Rangoni  zum 
ersten  Male  den  D.  Der  König  selbst  hat  ihm  die  Nachricht  mitgetheilt, 
dass  der  Sohn  Johanns  des  Schrecklichen  aus  Moskau  zum  Wiszniewiecki 
geflohen  wäre  und  dass  viele  hervorragende  Moskowiten  ihn  anerkannt 
hätten.  Der  Vicekanzler  hat  dem  Nuntius  auch  die  ausführlichere  Ge- 
schichte von  der  Errettung  des  D.  durch  einen  Arzt  (un  medico)  u.s.w.  ^) 
erzählt.  Im  Januar  des  J.  1604  erzählt  abermals  der  König  selbst  dem 
Rangoni,  dass  ein  Livländer,  welcher  dem  Knaben  D.  einmal  gedient 
haben  wollte,  und  der  in  Polen  erschienene  Carevi6  einander  erkannt 
hätten.  Anfang  März  1604  erschien  endlich  D.  in  Krakau;  hier  sah  ihn 
Rangoni  zum  ersten  Male  gegen  den  13.  März  st.  n.  während  eines  Gast- 
mahls beim  Yojevoden  von  Sandomir,  wo  CareviS  incognito  an  einer  an- 
deren Tafel  in  Gesellschaft  sass.  Der  päpstliche  Nuntius  glaubte  an 
ihm  die  Spuren  einer  adeligen  Herkunft,  eine  gewisse  Kühnheit  im  Ge- 
spräche und  geradezu  etwas  Majestätisches  in  seinem  Auftreten  zu 
merken  3).    Rangoni  horchte  mit  Neugier  auf  die  verschiedenen  Mei- 


1)  Scriptores  Rerum  Polonicarum,  t.  YII  (Ks.  Jana  Wielewickiego  S.  J. 
Dziennik  spraw  domu  zakonnego  0.  0.  Jezuitöw  u  l§.  Barbary  w  Krakowie). 
Vgl.  auch  P.  Pierling,  Rome  et  D^m^trius. 

2)  Vgl.  die  Nova  Relatio. 

3)  Vgl.  bei  Pierling,  Pieces  Justificatives :  » Con  mano  longa  et  bianca  et 
fatta  dl  modo,  che  da  indizio  di  nobilitä,  ö  ardito  nel  parlare  et  neir  andare 
et  trattare  ha  veram^^  ^el  grande.« 


Wer  war  PsendodemetriaB  I.  ?  121 

nungen  Aber  den  D.  Der  Grossmarschall  nnterwarf  den  D.  einer  Prtt- 
fong  nnd  blieb  nnbefriedigt.  Auch  der  Vicekanzler  nnd  der  Kastellan 
▼on  Krakau  schenkten  dem  Prätendenten  keinen  rechten  Glauben.  An- 
dererseits fand  Vojna,  der  Generalnotar  von  Litauen,  den  D.  dem  ver- 
storbenen Grossfürsten  von  Moskau  ähnlich.  Auch  der  Grosskanzler 
Ton  Litauen  schien  ihn  für  den  wahren  CareviS  zu  halten;  der  Bischof 
und  der  Yojvode  von  Krakau  waren  dessen  vollkommen  überzeugt. 
Montag  den  15.  März  st.  n.  wurde  D.  vom  Könige  in  einer  privaten 
Audienz  empfangen.  Erst  jetzt  schwinden  die  letzten  Zweifel  beim 
Nuntius.  Den  19.  März  empfangt  er  einen  Besuch  des  D.  selbst,  wel- 
cher in  Begleitung  des  Vojevoden  Mniszech  erscheint.  Der  CareviS  hob 
in  einer  feinen  Rede  die  Gerechtigkeit  seiner  Sache  hervor,  nämlich 
dass  er  von  einem  Diener  seines  Vaters  um  sein  Reich  betrogen  worden 
sei ;  der  Nuntius  sollte  ihn  dem  Papste  empfehlen  und  sein  Unternehmen 
beim  Könige  Sigismund  befürworten,  denn  es  könnte  vielleicht  zu  einer 
Vereinigung  aller  Christen  gegen  die  Türken  fahren.  In  seiner  Relation 
vom  20.  März  berichtet  Rangoni  von  diesem  Besuche  des  D.  und  fügt 
hinzu,  dass  seine  Ansprüche  immer  mehr  Zutrauen  finden  und  dass  so- 
gar der  Vicekanzler  nach  einer  neuen  genaueren  Prüfung  des  Livländers 
endlich  sehr  befriedigt  geblieben  wäre.  Bald  darauf  —  nach  Wielie- 
wicki  am  letzten  Tage  des  Monats  März  —  besucht  der  erste  Jesuit 
Sawicki  den  Prätendenten.  Wir  können  also  mit  Hilfe  der  katholischen 
Quellen  das  ganze  Bild  des  Aufenthalts  desD.  in  Polen  vervollständigen. 
Er  erscheint  zuerst  beim  Hofe  des  griechisch-orthodoxen  Fürsten  Ostrog- 
skij,  wird  in  Ostrog  aus  Barmherzigkeit  freundlich  aufgenommen,  findet 
aber  keine  Aussicht  auf  Hilfe  zur  Erlangung  des  Thrones  seitens  dieser 
Partei  des  polnischen  Adels.  Nun  wirft  er  sich  den  Wiszniewiecki  in 
die  Arme,  vielleicht  wirklich  vom  Abte  des  Höhlenklosters  anempfohlen. 
Diese  Familie  musste  damals  .durch  ihren  Unternehmungsgeist  in  der 
Politik  und  durch  ihre  Energie  in  der  aggressiven  kolonisatorischen 
Thätigkeit,  besonders  aber  wegen  des  offenen  Krieges  mit  dem  Caren 
Boris  um  die  Burg  Priluki  ganz  geeignet  dazu  erscheinen,  die  Sache  des 
D.  zu  befördern.  Die  Wiszniewiecki  ziehen  einige  andere  adelige  Fa- 
milien (Mniszech)  und  sogar  den  König  selbst  in  ihr  Hazardspiel  hinein. 
Der  König  geht  darauf  wohl  nur  unter  der  Bedingung  ein,  dass  das 
ganze  Unternehmen  stark|katholisch  gefärbt  werde.  Der  ersten  Audienz 
beim  Könige  muss  auch  der  Besuch  beim  päpstlichen  Nuntius,  der  Ver- 
brüderung mit  dem  polnischen  Adel  auch  eine  Annäherung  an  die  Je- 


122  Engen  äoepkin, 

sniten  folgen.  Was  D.  bei  der  zaghaften  orthodoxen  Partei  des  Ostrog- 
skij  nicht  hatte  durchsetzen  können,  was  der  legale  Zamojsky  zu  hinter- 
treiben versucht  hatte,  das  erlangte  der  Prätendent  von  einer  Combination 
der  thatenlustigen  W.,  des  gewissenlosen  Mniszech,  des  jesuitisch  ge- 
sinnten Sigismund  in. 

Ein  Prätendent,  der  seiner  Krone  noch  unsicher  war,  durfte  weder 
in  seinen  Mitteln  allzu  wählerisch  sein,  noch  allzufrüh  die  Frage  anf- 
werfen,  wie  er  sich  in  Moskau  von  den  Mächten  befreien  würde,  die  ihm 
zum  Throne  verhalfen.  Es  war  für  ihn  nur  die  Frage,  ob  er  sich  von 
den  Franciskanem  (Bernhardinern),  oder  von  den  Jesuiten  bekehren 
lassen  sollte.  In  seinem  Briefe  an  den  Papst  vom  5.  November  1605 
behauptet  nämUch  Mniszech,  dass  gerade  die  Bernhardiner  den  üeber- 
tritt  des  D.  zum  katholischen  Glauben  vermittelt  haben  ^) .  Rangoni  und 
Wielewicki  berichten  ebenfalls,  dass  D.  beim  Gottesdienste  der  Francis- 
kaner  (Bernhardiner)  erschienen  sei  und  gerade  bei  den  Franciskanem 
eine  Unterredung  mit  dem  Sawicki  gehabt  habe.  Den  letzten  Schritt 
seiner  Apostasie  hat  er  aber  doch  bei  den  Jesuiten  in  dem  Hause  der 
H.  Barbara  gethan.  Am  ersten  Ostertage,  den  18.  April  1604  st.  n., 
hat  nun  D.  seinen  ersten  Brief  an  den  Papst  Clemens  VIU.  in  polnischer 
Sprache  entworfen,  den  24.  April  hat  er  beim  Nuntius  Rangoni  heimlich 
das  Abendmahl  nach  dem  katholischen  Ritus  genossen  und  seinen  Brief 
an  den  Papst  dem  Sawicki  eingehändigt,  welcher  ihn  ins  Lateinische 
übersetzen  musste.  Hier  hat  er  dem  Rangoni  auch  das  Versprechen  ge- 
geben, seine  zukünftigen  Unterthanen  zum  Anschlüsse  an  die  Union  zu 
bewegen,  wenn  es  ihm  gelingen  sollte,  den  Thron  zu  erlangen^).    Noch 


1)  Pierling,  1.  c.  Pikees  Jnstificatives :  Non  debeo  relinquere  tacitam 
eam  consolationem  omnium  Cathollcorum  quam  ]!)ux  Moschus  Demetrius  no- 
bis  Omnibus  attnlit  sui  animi  erga  religionem  Gatholicam  ao  unionem  decla- 
ratione.  Quae  magna  ex  parte  tribuenda  est  tum  exemplis  Patrum  Berardi- 
norum  tum  salutaribus  colloquiis  cum  eodem  saepius  habitiB.  Hominem  enim 
flchismaticum  in  schismate  ac  inter  sectae  primarios  (czemcos  vocant)  ad  ns- 
que  aetatem  virilem  enutritum  sufficienterqne  in  errore  confirmatum,  cum 
peroptarem  quantum  in  me  erat,  imbui  doctrina  veritatis  .  .  proposui  vitam 
et  exempla  Patnim  horum  etc.  Daraus  sieht  man,  dass  die  Vorstellung  des 
Papstes,  als  ob  Demetrius  von  Kindheit  an  im  katholischen  Glauben  unter- 
richtet wurde,  auf  einem  Missverst&ndniss  beruht.  Vgl.  Turgeniev  U,  42 — 43 : 
»qui  admirabili  Dei  consilio  profugus  a  patria  apud  vos  Catholica  Religione 
a  pueritia  sua  eruditus  est«. 

3)  Ha  promesso  di  far  partire  dal  scisma  et  unire  li  snoi  popoli  del  rito 


Wer  war  Pseadodemetrius  I.  ?  ]  23 

Tags  vorher,  am  23.  April,  hat  er  Abschied  vom  Könige  genommen  und 
ausser  den  Gesehenken  eine  Anweisung  auf  vier  Tausend  Florin  er- 
halten, welche  der  Vojevode  von  Sandomir  aus  den  königlichen  Ein- 
kfinften  auszahlen  sollte.  Man  hatte  keine  Lust,  auf  den  Reichstag  zu 
warten.  Das  ganze  Unternehmen  sollte  vorläufig  einen  privaten  Cha- 
rakter tragen,  da  Polen  mit  Boris  einen  Friedensvertrag  geschlossen 
hatte ;  man  wollte  auch  augenscheinlich  den  Grosskanzler  überspringen, 
welchem  allein  der  Oberbefehl  gebühren  würde,  falls  der  Zug  nach 
Moskau  auf  einem  Reichstage  beschlossen  wäre.  D.  sollte  also  mit 
Mniszech,  Wiszniewiecki  und  anderen  an  die  Grenze  ziehen,  um  dort 
nach  Umständen  den  letzten Entschluss  zu  fassen;  derEönig  war  bereit, 
es  zu  gestatten^).  In  dem  Briefe  an  den  Papst  bekennt  sich  D.  zum 
katholischen  Glauben,  gesteht  aber,  dass  er  vorläufig  seinen  Uebertritt 
noch  verheimlichen  muss  ^).    Nur  kryptokatholisch  ist  D.  bis  auf  den 


greeo,  se  mai  poträ  come  nou  despera,  recuperare  la  sede  saa  patema.  Vgl. 
Pierüng,  Piöces  Jnstificatives. 

1)  Die  Relation  des  Rangoni  vom  24.  April  1604  bei  Pierling:  con  tole- 
ranza  del  Re. 

^  Absque  Ulla  mora  ad  eandem  unionem  et  fidem  cathoücam  Romanam, 
sfaigulari  gratia  divina  robur  animi  mihi  snppeditante,  accessi  et  sacramentis 
Ecclesiae  confortatus,  factus  sum  Ovicula  S^  Yrae  . .  Rationibus  autem  meis 
ita  postulantibus,  occultare  me  adbuc  debeo  et  expectare  quid  de  me  Dens 
üniversonxm  oonstituerit  .  .  Vgl.  Pierling,  Pikees  Just,  D6m6trins  ä  Cle- 
ment Vni.,  24.  Apr.  1604. 

Nachdem  der  erste  Theil  unserer  Untersuchung  bereits  gedruckt  war 
(Archiv  für  slavische  Philologie  B.  XX),  haben  wir  von  Hochw.  P.  Pierling 
die  phototypische  Reproduktion  dieses  Briefes  in  polnischer  Sprache  erhal- 
ten, wie  er  vom  PD  eigenhändig  entworfen  und  vom  Herausgeber  aufgefun- 
den worden  ist.  Dieser  wichtige  Fund  des  Hochw.  P.  Pierling  wirft  etwas 
Licht  auf  die  Muttersprache  des  PD.  Dem  Inhalte  nach  ist  der  polnische 
Entwarf  nur  insoweit  von  Bedeutung,  als  P.  Sawicki  bei  der  Uebersetzung 
ins  Lateinische  gewisse  Aendemngen  darin  vorgenommen.  Dem  Satze  der 
lateinischen  Uebersetzung  »mortem  evasi,  a  qua  me  Providentia  sua  liberavit 
Dens  praepotens  atque  in  has  oras  S^Poloniae  Regis  subjectas  impulit,  igno- 
tnmque  et  latentem  conservavit«  entsprechen  in  dem  polnischen  Concepte 
folgende  Worte :  »przemieszkalem  napred  w  samem  Panstwie  moskwieskiem 
miedzy  cziemcamy  do  czasu  Piewniego,  potym  w  granicach  Polskych  nepo- 
znaoy  y  zataiony.  Prziszedl  czas  yiem  sia  osnaymyc  musel  y  priswany  do 
oaiaanieyszego  krolia  Polskiego  etc.«  Dieses  Geständniss  des  PD,  dass  er  in 
Rosslaad  unter  den  MOnehen  gelebt,  entspricht  den  Berichten  des  Königs 
Sigismund  UI.  in  seinem  Briefe  an  Zenovicz  und  der  polnischen  Gesandten  in 


124  £iigen  ^pkin, 

Tod  geblieben.  Den  25.  April  b^ab  sieh  D.  naeh  SAmbor,  wo  er  noch 
einige  Monate  yerweilte,  nm  seine  militftrisehen  YoTbereltangen  zn  be- 
enden. Der  Kastellan  von  Erakan,  Kfirst  Jannsz  Ostrogskij,  hatte  eine 
Zeit  lang  den  Vorsatz  gehabt,  den  Zug  des  D.  an  die  mssische  Grenze 
auf  jegliche  Weise  za  verhindern  und  zu  hintertreiben.  Es  scheint, 
dass  auch  sein  Vater  Konstantin  Ostrogskij  und  der  Grosskanzler  Za- 
mojski  gegen  das  private  Unternehmen  desMniazech  gestimmt  waren  i). 


Hoskau  ans  dem  J.  1608.  Die  polnische  Sprache  und  Orthographie  des  Briefes 
sind  in  dem  Masse  unkorrekt,  dass  die  Kenner  der  slsvischen  Sprachen  die 
russische  Nationalität  des  Verfassers  daran  sicher  zu  erkennen  glauben.  Wir 
wurden  von  Fachmännern  auf  folgende  Fehler  aufmerksam  gemacht :  diwn% 
statt  dziwnii;  Aprel  statt  kwiecieö;  ktorzy  stett  ktöry;  prigod,  napred. 
Also  bald  r  statt  rz,  bald  z  nach  r  hinterher  als  eine  Korrektur  hinzugefügt. 
Viele  Fehler  in  Bezug  auf  4  und  ^,  z.B.wzioiem,  przygamel,  bendziCi  swient 
Einen  Bussen  verräth  auch  priswany  statt  powohmy;  krzescianstiey  mit 
einem  t,  sia  statt  si^  n.  s.  w.  Da  der  Verfasser  des  Briefes  ohne  Zweifel  unter 
der  Einwirkung  der  kirchenslavischen  Schriftsprache  gestanden  hat,  so  kann 
der  Umstand,  dass  darin  keine  weiss-  und  kleinrussischen  Formen  vorkom- 
men, noch  keineswegs  die  Frage  über  die  Herkunft  des  Verfassers  definitiv 
entscheiden.  Das  Wahrscheinlichere  bleibt  aber,  dass  der  Brief  von  einem 
Grossrussep  geschrieben  ist  Was  die  Frage  anbetrifft,  weshalb  PD  das  Con- 
cept  polnisch  entworfen  und  wozu  die  katholische  Kirche  es  aufgehoben  hat, 
so  haben  wir  von  diesem  Briefe  folgenden  Eindruck  erhalten:  bevor  der 
Nuntius  und  die  Jesuiten  sich  entschlossen,  ihren  Einfluss  in  den  Dienst  des 
PD  zu  stellen,  wollten  sie  einen  schriftlichen  Beweis  haben,  dass  er  wirklich 
der  katholischen  Kirche  für  immer  angehöre.  Hit  diesem  Concepte  in  der 
Hand  waren  sie  nach  Umständen  immer  im  Stande,  den  Garen  D.  vor  seinen 
eigenen  Unterthanen  blosszustellen. 

1)  Vgl.  bei  Pierling,  D^plches  du  Nonce  Claude  Bangoni  12.  juin  1604 
und  3.  juillet  1604:  che  11  Palatini  di  Ohio  via  et  Volinia  et  Caatollano  di  Crac» 
cerchino  impedirlo. 

Ein  Briefwechsel  zwischen  dem  Vojevoden  Mniszech  und  dem  Kanzler 
ZamoJBki  ist  in  den  Listy  St.  ^Ikiewskiego  1584—1620  zu  Krakau  im  J.  1868 
gedruckt.  In  einem  Briefe  vom  10.  Mai  1604  erklärt  es  Mniszech  für  möglich, 
auch  ohne  den  Reichstag  abzuwarten,  dem  D.  Über  die  Grenze  zu  verhelfen. 
Da  aber  der  König  auf  den  Rath  der  Herren  Senatoren  die  Sache  der  Ent- 
scheidung des  Reichstages  zu  überlassen  geruht,  so  will  D.  keineswegs 
gegen  den  Willen  S.  M.  handeln,  fürchtet  indessen  sich  durch  seine  Geduld 
Schwierigkeiten  zu  schaffen.  In  dem  undatirten  Concepte  eines  Briefes  vom 
GK.  Zamojski  an  den  V.  Mniszech  wird  hervorgehoben,  dass  nach  der  Mei- 
nung Aller  Mniszech  seine  Vorbereitungen  ohne  den  Willen  des  Königs  treffe, 
und  dass  auch  er,  als  Kanzler,  keine  Verordnungen  in  diesem  Sinne  vom 
König  erhalten  hätte.    In  seinem  Briefe  vom  28.  August  1604  benachrichtigt 


Wer  war  Pseudodemetrius  I.  ?  125 

D.  mnsste  sich  (12.  Juni  st.  n.)  an  den  Nuntius  mit  der  Bitte  wenden, 
diese  Schwierigkeiten  ihm  aus  dem  Wege  zu  räumen  und  sein  Unter- 
nehmen beim  Kastellan  von  Krakau,  beim  Vicekanzler,  beim  Könige 
und  Papste  aufs  neue  zu  befürworten ;  der  CareviS  versicherte  dabei, 
dass  er  der  Sympathie  der  Bevölkerung  in  Russland  sicher  sei  und 
vorläufig  nur  bis  an  die  Grenze  ziehen  wolle,  um  dort  die  Aussichten 
auf  Erfolg  nach  Umständen  beurtheilen  zu  können.  Endlich  hat  Mni- 
szech  beim  Kastellan  von  Krakau  das  Versprechen  erwirkt^  dem  D. 
keine  Hindemisse  weiter  in  den  Weg  zu  legen.  Indessen  haben  die 
Scharen  des  Jänusz  Ostrogskij  den  Zug  des  D.  bis  an  den  Dnjepr  ver- 
folgt und  den  Uebergang  über  diesen  Fluss  dadurch  zu  verhindern  ver- 
sucht, dass  sie  alle  die  Fähren  wegschaffen  Hessen  ^ j .  Wir  sehen  hier 
den  Gonflict  der  verfassuiigstreuen,  legalen  Partei  desZamojski  und  der 
Ostrogski  mit  den  rücksichtslosen  Abenteurern,  wie  Mniszech  und 
Wiazn.,  hinter  welchen  sich  der  König  und  die  römisch-katholische 
Eärche,  den  Erfolg  abwartend,  versteckt  haben :  im  Juli  hatte  D.  bereits 
eine  Antwort  des  Papstes  auf  seinen  ersten  Brief  in  der  Hand  2). 

Durch  die  Jesuiten  Czyrzowski  und  Lawicki,  welche  mit  dem  D. 
nach  Moskau  gezogen  waren , '  konnte  die  katholische  Kirche  jeden 

indessen  Mniszech  den  Zamojski,  dass  trotz  aller  Bedenken  der  Carevio  sich 
am  Ende  doch  entschlossen  habe,  an  die  Moskauer  Grenze  zu  ziehen  und  sei 
bereits  auf  dem  Marsche  dahin.  Der  Brief  des  Mniszech  an  den  Zamojski, 
wie  ihn  der  Danziger  Becess  aus  dem  J.  1605  erwähnt,  worin  sich  der  Yoje- 
vode  auf  die  Erlaubniss  des  Königs  Sigismnnd  HI.  berufen  haben  soll,  die 
Sache  des  Demetrius  zu  fördern,  kommt  also  in  den  Listy  Zölk.  nicht  vor. 
Die  Thatsache  selbst  wird  aber  auch  sonst  sowohl  durch  die  Narratio  Succ. 
als  auch  die  Aussage  der  polnischen  Gesandten  im  J.  1606  (bei  Nowakowski) 
bestätigt. 

In  der  Instruktion,  welche  der  König  Sigismund  IIL  vom  16.  April  1612 
seinem  Sekretär  Samuil  GruSeckij  bei  seiner  Absendnng  an  den  spanischen 
König  Philipp  HI.  gegeben,  erklärt  er  den  Garen  für  einen  falschen  Demetrius 

(H   TOThf   KOTOpUU   HOA^  JBLOXHLIM'B  ElfeHeM'B  ^HMHXpifl   C1   nOMOIIÜH)   IlaSBCKUZ'B 

BOHCiTL  BToprHyj[CJi  BT»  FocyAapcTBO,  6hijrh  yÖHTx  ^epes'i  h%cko2bko  MicfsneB'h  ca- 
MHMH  MocRBHTHHaMu.  Die  msslsche  Uebersetzung  der  Instruktion  s.  Ctenija 
1847,  Nr.  4). 

1)  HcTopH^.  £h6j[.,  t.  L  Wyprawa  czara  Moskiewskiego  Dymitra  do  Mos- 
kwj:  «Id%c  ku  Kiiowu,  obawialismi  si^  woyska  x.  Ostrowkiego,  kastelana 
Krakowskiego,  ktore  si^  wieszalo  nad  nami  asz  do  samego  Dniepru  .  .  Przy- 
flzlismy  potym  nad  Dniepr,  gdzie  pan  Krakowski  wszytkie  prumy  kazal:  po- 
zaei^gac  precz»  etc. 

^  Der  zweite  Brief  des  D.  an  den  Papst  ist  vom  30.  Juli  1604  datirt. 


126  Eugen  Scepkin, 

Sehritt  des  Prätendenten  beobachten.  Ihre  Briefe  schildern  uns  den 
Demetrins  als  eine  reichbegabte,  lebenslnstige,  vom  Wissensdrange  nicht 
minder  als  von  Thatenlnst  angeregte  Natnr.  Man  merkt  an  ihm  keine 
Spnr  von  der  scholastisch-systematischen  Gelehrsamkeit,  von  der  seelen- 
losen Disciplin  des  äusseren  Betrs^ens  und  der  engen  Richtung  des 
Geistes,  welche  in  ihm  einen  Schüler  der  Jesuiten  verrathen  könnten. 
Den  20.  April  st.  n.  in  Putivl  fordert  er  die  beiden  Jesuiten  auf,  ihn  in 
die  Gelehrsamkeit  der  Jesnitenschulen  einzuführen.  Vergebens  setzen 
ihm  Czyrzowski  und  Lawicki  die  Schwierigkeit  entgegen,  die  freien 
Wissenschaften  einem  Schüler  vorzutragen,  welcher  weder  der  griechi- 
schen, noch  der  lateinischen  Sprache  mächtig  wäre.  Er  bestand  fest  auf 
seinem  Wunsche,  in  der  Rhetorik  und  Philosophie  unterrichtet  zu  wer- 
den, indem  er  die  Theologie  den  Geistlichen  überliess.  Drei  Tage  muss- 
ten  also  L.  und  C.  die  Anfänge  der  Rhetorik  und  der  Dialektik  dem  zu- 
künftigen Garen  in  Anwesenheit  von  russischen  und  polnischen  Grossen 
auseinandersetzen.  Eryptokatholisch,  officiell  orthodox  und  im  höchsten 
Grade  tolerant  gegen  die  Protestanten  ist  D.  auch  auf  dem  Throne  ge- 
blieben ;  vom  Glücke  und  Erfolgen  verwöhnt,  ist  er  dabei  noch  durch 
und  durch  frivol  in  seinen  Sitten  und  im  Grunde  genommen  wohl  gleich- 
gültig gegen  alle  diese  Glaubensnnterschiede  geworden.  Unter  dem 
Drucke  der  Vergangenheit  und  der  Gegenwart  lernte  er  ein  Gleich- 
gewicht zu  beobachten  unter  allen  den  Kräften,  welche  entweder  ihm 
zur  Krone  verhelfen  hatten^  oder  ihn  vom  Throne  wegspülen  konnten. 
Der  Jesuit  Czyrzowski  hält  an  seinem  Erönungstage  im  Namen  des  pol- 
nischen Heeres  eine  polnische  Ansprache  an  den  Garen,  welcher  selbst 
den  Sinn  jedes  einzelnen  Satzes  den  russischen  Grossen  wiedergibt.  Der 
deutsche  Pastor  Beer  hält  in  dem  Palaste  des  FD  die  erste  lutherische 
Predigt  und  der  vertraute  Sekretär  des  Garen,  Stanislav  Buczynski  er- 
weist sich  auch  als  ein  Protestant.  Andererseits  sucht  Demetrins  I.  für 
seine  zukünftige  Frau  beim  Nuntius  Rangoni  das  Recht  auszuwirken, 
orthodoxe  Gebräuche  äusserlich  beobachten  zu  dürfen  ^),  Im  Februar  des 
J.  1606  hat  Gzyrzowski  den  Garen  um  eine  Audienz  gebeten  infolge  der 
Gerüchte  aus  Polen,  als  ob  D.  der  Sache  der  Anabaptisten  seine  Gunst 
zugewendet  hätte,  und  während  Graf  Alexander  Rangoni  bei  der  Audienz 

1)  Pierling,  Ibidem  167.  Instruction  de  D6m^trias  ä  Jean  Buczynski: 
»Agere  de  licentia  ut  Seren"*^  Virgo  Marina  in  actu  sponsalitiorum  a  Sanct°^ 
PatrePatriarchaSacramentomEucharistiae  percipere  possit . .  ut  fana  graeca 
frequentare  lioeat  . . .  ita  tarnen  ut  sibi  liberum  sit  sacra  sua  quotidie  obire.« 


Wer  war  Psendodemetrias  I.  ?  127 

am  19.  Februar  1606  st.  n.  demselben  D.  die  Hand  kttsste,  welcher  am 
24.  April  1604  bereit  war,  seinem  Oheim,  dem  Nuntius  Klaudius  R., 
alfl  dem  Vertreter  des  Papstes,  die  Fttsse  zu  küssen,  hatte  er  schon 
Grund  sn  befürchten,  dass  der  Protestant  Buczynski  offen  ,aus  England 
die  Ingenieure  und  Handwerker  zu  holen  bereit  gewesen,  welche  der 
Gar  durch  den  Nuntius  vom  Papste  heimlich  zu  erhalten  suchte  *).  Durch 
seinen  Hang  zur  polnischen  Bildung  hat  sich  D.  die  herrschenden  Klas- 
sen Moskaus  entfremdet;  durch  seine  Heirath  mit  der  katholischen 
Marina  hat  er  am  18.  Mai  st.  n.  die  Treue  seiner  russischen  Unterthanen 
auf  die  Probe  gestellt.  Die  grossartigen  Pl&nC;  die  europäischen  Staaten 
XU  einem  Ejreuzzuge  gegen  die  Türken  zu  vereinigen,  forderten  seiner- 
seits einen  festeren  Anschluss  an  Polen.  Indessen  hat  sein  eitles  Trach- 
ten nach  dem  Eaisertitel  zu  einem  Conflicte  zwischen  ihm  und  Sigis- 
mnnd  m.  geführt.  Gereizt  durch  die  ablehnende  Antwort  des  Königs 
hat  er  die  Umtriebe  des  polnischen  Adels  gegen  Sigismund  III.  geschürt 
und  unter  den  Gedapken  an  einen  Krieg  gegen  Polen  ist  er  von  der 
Partei  des  V.  äujskij  gestürzt  und  ermordet.  Das  sind  die  Widersprüche, 
in  welche  sich  der  geistreiche  Abenteurer  durch  den  Nothbehelf  ver- 
wickelte, die  russisch-orthodoxe  Krone  mit  Unterstützung  von  Polen 
und  Jesuiten  zu  erwerben ;  die  phantastischen  Pläne,  sich  den  Kaiser- 
titel anzueignen,  vielleicht  Bussland  und  Polen  unter  seinem  Scepter  zu 
vereinigen  und  an  der  Spitze  von  ganz  Europa  gegen  die  Türken  zu 
liehen,  haben  seine  politische  Lage  zu  einer  geradezu  verzweifelten  ge- 
macht. Hochw.  Pierling  hat  in  unseren  Tagen  über  die  Begierung  des 
D.  das  absprechende  Urtheil  wiederholt,  welches  bereits  Wielewicki 
geflUthat^}. 

Von  dem  Urtheile  der  berüchtigten  Menschenkenner  wollen  wir 
uns  jetzt  zu  den  Zeugnissen  über  die  Persdnlichkeit  des  FD  wenden, 
welche  nach  seinem  Tode  von  einer  anderen  ihm  befreundeten  politischen 


1}  Ibid.  169:  »Che  quel  Principe  quando  di  qui  non  havri  almeno  spe- 
lanza  di  conseguire  Tinteuto  si  volgerä  altrove,  et  forse  a  procurarsi  Ingeg- 
neri  et  artefici  almeno  d^Inghilterra  tanto  piü  che  quotidianam^«  stimulato 
dall'  Heretico  Bucinski  .  .  a  mandar  Amb^«  al  Be  Inglese  per  condnder  una 
eonfederatione  et  commertio  con  esso,  stimulato  da  certi  Inglesi  habitanti  in 
Moscna  favoriti  dal  sodo  Bucinski.« 

^  »Erat  enim  Demetrias  longe  mntatus  ab  illo,  qui  erat  in  Polonia  ma- 
nens.  De  fide  et  religione  catholica  parum  cogitabat .  .  Erat  vitiis  camalibus 
deditns  . . .  haereticis  omnem  aditum  ad  se  patefaciebat.«  Script.  Ber.  Pol., 
tVII. 


128  Eugen  Scepkin, 

Macht,  nämlich  vom  polnischen  Adel  gegeben  wnrden.  Der  Vojevode 
Mniszeoh  hat  im  Monat  Mai  des  J.  1606  folgende  Anskonft  Aber  die 
ersten  Schritte  des  ermordeten  FD  gegeben :  D.  hat  anfangs,  bevor  er 
sich  kund  that,  in  Mönchstracht  im  Kloster  zu  Eiev,  dann  beim  Hofe 
des  Fürsten  Konstantin  Ostrogskij,  endlich  beim  Fürsten  Adam  Wisznie- 
wieoki  geweilt;  hier  hat  er  sich  zum  ersten  Male  für  den  wahren  Nach- 
kommen (wlasnem  potomki^m]  des  Caren  Johann  des  Schrecklichen  aus- 
gegeben und  von  seiner  Errettung  zu  Ugli6  durch  seinen  Arzt  (za  po- 
moc^  doktora  iego)  erzählt;  dieser  Doktor  hätte  den  CareviS  einem 
Bojarensohne  anvertraut,  welcher  ihm  den  Rath  gegeben  habe,  sich 
unter  die  Mönche  zu  verbergen.  Fürst  Adam  W.  hat  den  Prätendenten 
seinem  Bruder  (?),  dem  Fürsten  Konstantin  W.,  überlassen.  Hierher 
zum  Fürsten  K.W.  nach  Zatosce  ist  Piotrowski,  ein  Diener  des  Gross- 
kanzlers von  Litauen,  gekommen  und  an  gewissen  Merkmalen  am  Körper 
des  Prätendenten  ihn  für  den  wahren  Carevic  D.  anerkannt,  welchem 
•er  zu  ügliS  gedient  haben  wollte.  Der  Fürst  K.W.«fuhr  darauf  mit  dem 
D.  über  Sambor  zum  Könige.  Hier,  in  Sambor,  hat  ihn  Mniszech  kennen 
gelernt.  Ein  Diener  des  Vojevoden  von  Sandomir,  welcher  bei  Pskov 
von  den  Russen  gefangen  genommen  einige  Jahre  in  Moskau  (na  Mos- 
kwie)  gelebt  und  den  D.  als  Kind  gekannt  hatte,  hat  in  Sambor  seiner- 
seits die  Echtheit  des  erschienenen  CareviS  bestätigt  i). 

Zu  gleicher  Zeit  mit  Mniszech,  nämlich  nach  der  Ermordung  des 
FD,  haben  die  polnischen  Gesandten  zu  Moskau  folgendes  Zeugniss  über 
den  Demetrius  gegeben :  Als  dieser  Mensch  in  Polen  erschienen  war, 
hat  er  durch  sehr  wahrscheinliche  Argumente  und  Merkmale  am  Körper 
zu  beweisen  gesucht,  dass  er  der  echte  CareviS  sei.  Indessen  haben  ihm 
der  König  und  dessen  Leute  keinen  Glauben  geschenkt  und  lange  blieb 
er  gering  geachtet.  Dann  kamen  aber  zum  D.  einige  Dutzend  Mosko- 
witen  aus  den  Grenzburgen  und  haben  alle  bestätigt,  dass  er  der  wahre 
CareviS  D.  sei.  Als  nun  D.  mit  diesen  Leuten  beim  Könige  erschien,  hat 
ihn  Sigismund  noch  immer  für  den  echten  nicht  anerkennen  wollen.  Da 
aber  Boris  an  zwei  Stellen  die  litauische  Grenze  wider  die  beschworenen 
Verträge  verletzte,  einerseits  die  kleine  Burg  des  Fürsten  W.  Priluki 
verheeren,  andererseits  in  die  Herrschaft  Velii  8  Meilen  tief  hinein 
gegen  die  Burg  selbst  sein  Heer  vordringen  liess,  so  hat  Sigismund  HL. 
sich  keineswegs  für  verpflichtet  gehalten,  den  D.  ins  Gefängniss  zu 


*)  Co6p.  Toc.  Tp.  H  Äor.,  q.  H,  das  Verhör  des  Vojevoden  Mniszech. 


Wer  war  PseadodemetriuB  I.?  129 

werfen  oder  dem  Garen  ansznliefem.  Weil  aber  die  beschworenen  Ver- 
träge es  nnpassend  erscheinen  Hessen,  einen  Krieg  für  die  Rechte  des 
D.  gegen  Moskan  anzufangen ,  so  hat  der  König  die  Entscheidung  dem 
göttlichen  Willen  überlassen.  Ueberhaupt  lebte  D.  in  Polen,  nicht  so- 
wohl für  den  CareviS,  als  für  einen  Bettler  gehalten,  welchen  einige 
Herren  aus  reiner  Barmherzigkeit  mit  Almosen  versorgten.  Andere  aber 
waren  geneigt  zu  glauben,  dass  er  der  echte  CareviS  sei.  So  liess  sich 
der  Vojevode  von  Sandomir,  ein  tugendhafter  und  aufrichtiger  Mensch, 
vom  D.  und  seinen  Moskowiten  dazu  bereden,  mit  einer  kleinen  Schaar 
ihn  bis  zur  russischen  Grenze  zu  begleiten.  D.  und  die  Moskowiten 
versicherten,  dass  die  russische  Bevölkerung  jenseits  der  Grenze  ihn 
voller  Freuden  mitBrod  und  Salz  empfangen,  sich  selbst  und  ihre  Burgen 
in  seine  Gewalt  übergeben  werde;  falls  aber  diese  Erwartungen  sich 
nicht  erfüllen  würden,  da  könnte  der  Vojevode  von  der  Grenze  nach 
Hause  zurückkehren.  Als  sie  nun  ins  Feld  zogen,  da  empfingen  zahl- 
reiche Moskowiten  den  D.  bereits  vor  der  russischen  Grenze  auf  dem 
polnischen  Gebiete;  die  Moskowiten  übergaben  ihm  darauf  auch  wirklich 
die  Burgen  Morawsk  und  Öemigov.  Infolge  eines  derartigen  Ganges 
der  Ereignisse  schoben  die  polnischen  Gesandten  die  ganze  Verant- 
wortung für  das  Unternehmen  des  FD  auf  die  Russen  selbst:  der  Mann, 
welcher  sich  für  den  echten  Carevi5  ausgegeben  hatte,  war  seiner  Ab- 
stanminng  nach  ein  Moskowite;  die  Moskowiten  haben  ihn  an  der 
Grenze  mit  Brod  und  Salz  empfangen  und  bis  nach  Moskau  geftlhrt ;  die 
Moskowiten  haben  ihm  die  Krone  auferlegt  und  Treue  geschworen;  die 
Moskowiten  haben  ihn  endlich  auch  ermordet  ^]. 

Dieselbe  Auffassung  der  ganzen  Geschichte  des  FD  setzten  die  pol- 
nischen Gesandten  etwas  ausführlicher  auch  im  J.  1608  den  russischen 


1)  JSrödla  do  Dziejöw  Polski  przez  Nowakowskiego.  Berlin  1841,  t.  U. 
Respons  ich  mo^ö  panow  posiow  naszych  na  mowy  panöw  Dumnych  do  po- 
siow  po  zamordowaniu  carskim.  Jednak  powiesczi  tego  cziowieka  kröl  I.M. 
pan  nasz  i  liudzie  E.I.M.  wiary  do  konca  nie  dodawali  i  niemaly  czas  w  pod- 
lem  vwaieniu  byl  . . .  i  tesz  ten  cz];owiek  nie  za  carewicza  alle  raczey  za  ie- 
braka  pod  on  czas  w  narodzie  naszym  byi  policzony  i  niektörzy  w  wzgliedem 
Boga  opatrowali  go  iahnoin^  iako  ladzie  cbrze^ciansczy  . . .  i  ten  czlowiek  > 
ktöry  sif  mianowai  bycz  prawdziwym  Dmitrem  waszego  narodu  byl:  mos- 
kwicin,  a  ktosz  go  potekal  s  chliebiem  i  s  soli^?  Moskwa.  Kto  podawa^ 
zamki  i  armaty?  Moskwa.  Kto  prowadzil  do  stolicze?  Moskwa.  Kto  coro- 
nowai  iako  hospodaraV  Moskwa.  Kto  mu  przysi^gal  na  wiar^  y  poddanstwo? 
Moskwa.  Potym  kto  go  zamordowi^?  Moskwa. 

ArehiT  fftr  Blarisob«  Philologie.    XXI.  9 


1 30  Engen  §cepkin, 

Bojaren  in  Moskau  auseinander  >) .    Sie  leugneten  sowohl,  dass  der  FD 
in  Polen  katholisoh  geworden  wäre,  als  auch  dass  Sigismnnd  III.  ihn  auf 

1)  Für  eine  der  wichtigsten  historischen  Quellen  im  Bereiche  unserer 
Frage  halten  wir  die  Rechtfertigung  des  Benehmens  und  der  Politik  des  Kö- 
nigs Sigismund  III.  und  des  polnischen  Adels  durch  die  Botschafter  und  Ge- 
sandten Nikolaj  Olesnickij  (Kastellan  Malogoski),  Alexander  Korwin-G%- 
siewski  (Starosta  Wieliiski),  Stanislaw  Witowski  und  FUrst  Jan  Drucki-So- 
kolinski  im  Jahre  1608  an  Moskau  vor  dem  Bojarin  Fürst  Ivan  Vorotynskij, 
Okoljnicij  Ivan  Kolyoey,  Dumnyj  Dvorjanin  (Adelsmann  der  Carensynklete) 
Vasilij  Sukin  und  den  Dumnye  Djaki  (Staatssekretäre  der  Carensynklete)  Va- 
silij  Telepney  und  Andrej  Ivanov.  Dieses  Aktenstück  ist  sowohl  in  polni- 
scher, als  auch  in  russischer  Sprache  bekannt.  (In  polnischer  Sprache  ist  es 
nach  einer  Handschrift  aus  der  Bibliothek  des  Grafen  Delagardi  in  »Supple- 
mentnm  adHistoricaBussiaeMonnmenta«  gedruckt,  in  russischer  Sprache  ist 
68  zum  Theil  im  »Sbornik«  des  Fürsten  Obolenskij,  vollständig  aber  in  den 
»Artli  kx  BCTopia  3anaAH0H  PoccIh,  t.  IV«  nach  einer  Handschrift  der  Archäo- 
graph.  Kommission  veröffentlicht.)  Die  officielle  russische  Tradition,  als  ob 
PD  und  Griska  0.  eine  und  dieselbe  Persönlichkeit  wären,  wird  vor  Allem 
durch  das  Zeqfniss  der  polnischen  Bevollmächtigten  vom  Standpunkte  der 
Chronologie  afll  widerlegt,  welches  durch  den  Brief  des  Jannsz  Ostrogskij 
an  den  König  (s.  Niemcewicz,  Dzieje  Panowania  Zygmunta  IIL,  t.  II,  s.  395) 
und  die  deutsche  Schrift  aus  JindHch&^^Eri^ec  [ÄiTonucb  SaHHTiu  Apzeorp. 
Komm.  X)  bestätigt  wird.  Zur  Zeit  des  vstoriographen  Karamzin  war  diese 
Urkunde  (ebenso  wie  auch  die  Chronik  des  Isaak  Massa)  unbekannt.  Prof. 
Solovjev  hat  sie  unterschätzt;  er  hat  z.  B.  das  Zeugniss  der  Flüchtlinge  aus 
Moskauer  Bussland  und  der  Geistlichkeit  und  der  Edelleute  im  polnischen 
Rnssland,  als  ob  Demetrius  im  J.  7109  (1.  Sept.  1600  bis  1.  Sept.  1601)  aus 
Moskau  fliehend  die  Grenze  überschritten,  zwar  angeführt,  in  seiner  Auffas- 
sung indessen  unberücksichtigt  gelassen.  Prof.  Ilovigskij  hat  den  Bericht 
dieses  Aktenstückes  über  die  Gesandtschaft  des  Athanasij  Vlasjev  missver- 
standen und  ist  über  alle  übrigen  Nachrichten  der  Quelle  schweigend  hinweg- 
gegangen. Da  wir  im  Laufe  unserer  Untersuchung  immer  wieder  und  wieder 
auf  diese  unerschöpfliche  Quelle  zurückkommen  müssen,  so  wollen  wir  hier 
auf  einmal  alle  die  wichtigsten  Citate  aus  ihr  geben,  die  wir  als  Belege  für 
unsere  Ansichten  so  oft  benutzen,  und  eine  freie  deutsche  Uebersetzung  hin- 
zufügen. Von  Wichtigkeit  sind  darin  nicht  nur  die  präcisen  chronologischen 
Daten  und  durch  Urkunden  verbürgte  Thatsachen,  sondern  auch  die  allge- 
meinen Anschauungen  der  polnischen  Gesandten  und  ganz  besonders  die 
scharfe  kritische  Analyse,  welcher  sie  das  ganze  Benehmen  und  alle  die  Aus- 
sagen des  Moskauer  Adels  unterwerfen.  Sie  behaupten  z.  B.,  dass  in  den 
Briefen,  welche  Smirnoj  Otrepjev  im  J.  1604  als  Gesandter  des  Boris  mitge- 
bracht hatte,  es  sich  ausschliesslich  um  Grenzstreitigkeiten  gehandelt  hätte, 
über  den  Demetrius  aber  kein  Wort  gestanden  und  Smirnoj  selbst,  als  Ge- 
sandter, sogar  ungenannt  geblieben  wäre :  ob  dieser  Irrthum  durch  die  Schuld 


Wer  war  PBendodemetriuB  I.  ?  13t 

den  Moskauer  Thron  gesetzt  hätte.  D.  hätte  znerst  beim  Fflrsten  Adam 
W.  sieh  als  CarewiS  kund  gethan.  Nun  erschienen  nicht  nnr  die  Mönche 

des  Boris  zn  erklären,  oder  ob  die  Djaki  VerSndemngen  darin  nntemommen, 
das  mfissen  die  russischen  Bojaren  selbst  am  besten  wissen  (rpix'L  jkh  to  Eo- 

PKCOFB  TaRX  TLSJTtkÄ'by  EiUI  ALÜRB  OrO  HSMiHAXH,  MOXCHO  VBOth  CaMLIMIb  JiyTmeil 

BiAaTH  H  sHaxH).  Diese  Anschaunng  (wohl  ans  der  Praxis  der  Verhandlnngen 
mit  Moskau  geschöpft),  dass  die  Djaki  die  of&ciellen  Akten  einer  Gesandt- 
schaft eigenmächtig  bearbeiten  können,  haben  wir  im  ersten  Theile  unserer 
Untersuchung  als  eineVermuthnng  angewandt,  um  den  Unterschied  zwischen 
der  Bede  des  Postnik  Ogarev  vor  dem  Könige  Sigismund  III.  im  Januar  1605 
und  dem  von  ihm  mitgebrachten  Briefe  des  Boris  zu  erklären.  Dass  die  offi- 
ciellen  Vertreter  der  Moskauer  Regierung  in  Polen  bisweilen  von  ihr  unab- 
hängig oder  sogar  ihr  feindlich  auftraten,  darttber  führt  Zölkiewski  ein  Bei- 
spiel an,  nämlich  wie  die  Sujskie  nnd  Golicyny  durch  den  Gesandten  Bezo- 
brazov  im  J.  1606  gegen  den  PD  L  selbst  in  Polen  iutriguirt  haben  (Historya 
Woyny  Moskiewskiey).  Wir  kehren  nun  zu  dem  Aktenstücke  aus  dem  J.  1608 
zurfiek,  dessen  Wichtigkeit  wir  nicht  genug  hervorheben  können.  Der  ent- 
scheidende Text  über  die  Wanderung  des  PD  nach  Polen  im  J.  7109  lautet : 
>A  JDoniL  MocROBCKie,  ROTopue  npH  hhitb  6&LIB,  noRaauBaxE, , . .  a  fb  IlancKyx) 
rpanany  npHinoinb  oh-b  ao  Kiesa  k  ao  Ile^epcRoro  MaHaciupH  bi  roxy  ceia  tbica- 
^eft  CIO  seBATOiTB ;  a  to,'  bjko  roäe  oh'B  npraneix,  ne  tojeiro  Mocrb£,  ajie  h  na- 

niH»  JODUtM-h,  AyXOBE&IMl  PyCREm  H   CBiTCRHM'B  H^ROTOpBIMi  TaMOmHHlTB,  y 

Roiopuxi  sapasi  BBrnieAmn  vb  Mocrbu  XMjrb,  abeo  h  b^omo  6i>lio.«  DieMosko- 
witen,  welche  auf  Befehl  des  Boris  längs  der  Grenze  an  den  Strassensperren 
Wache  gehalten  haben,  wie  auch  die  Eilboten,  welche  ans  den  russischen 
Grenzburgen  mit  Briefen  gegen  den  Demetrius  ankamen,  berichteten :  seit 
der  Stunde,  wo  Boris  den  Thron  bestiegen,  foltere  nnd  pfeile  er  oder  ver- 
banne Jeden,  der  des  Demetrius  zu  gedenken  sich  erdreistet.  (A  isom  Moc- 
soBCKie,  KOTOpud  Ha  BaczaBaxi  no  py6exax%  otb  Eopnca  cTanBajtH,  TaKxe  e  Tue 
roEQU,  KOTopuxx  0%  xuKH  zHciaus  nociuuBaHO,  CRasuBajcE  jmAQVh  ero  xopo- 
4eBCB0X  iouocth:  . .  60  EopHCi  OTK  Toro  BpoMCHE  xaR'B  &kÄT>  Ea  rocnoAapcTBft, 
^epen  bcce  ^laci,  xox&  MaxexoBiKO  xio  ak'b  jdiöo  b'l  Mogrobcromi  rocnoxapciBi 
Toro  KBE3E  ^METpa  BcnoHAEerB,  E  owh  BejiijrB  xBixi  BCEXi  aiyvxxB,  sa  xoxx  ca- 
Mtoh,  a  EBjnxxx  Ea  Aaxexie  ropoffu  bx  Geöepb  aa  BEscEBe  sacujEajn.)  Alle  diese 
Moskowiten,  welche  bei  dem  D.  erschienen  und  seine  Echtheit  anerkannten, 
zeigten  dem  Könige  Briefe  an  den  Prätendenten  von  hervorragenden  Männern 
in  Moakan  (a  or&  xebiexi  HMeEBmxi  jnoMßTk  vb  Mockbu  e  juctli  ao  tofo  Ahe- 
Tpa  nncasue  joDAeui  ero  xopoJieBcxox  mhjkooix  noRaBUBadU).  Als  Demetrius 
Krakau  verlassen  und  sieh  mit  seinen  Moskowiten  eine  Zeit  lang  an  der  russi- 
schen Grenze  angehalten  und  das  Gerücht  von  ihm  sich  immer  weiter  in 
Polen  nnd  Knssland  verbreitete,  da  freuten  sich  die  herrschenden  Männer 
Bnsslands  darüber,  weil  sie  sich  der  Tyrannei  des  Boris  erinnerten,  wie  er 
den  Fürsten  Ivan  Mstislavskij,  die  Fürsten  Ivan  Petrovic  und  Andrej  Ivano- 
vic  Sigskie,  die  Bomanovy  verbannt  oder  sogar  ums  Leben  gebracht,  um  sei- 

9* 


132  Engen  Seepkiii, 

von  denen  aneh  die  insnBche  Regierung  Nachricht  hatte  ,  sondern  auch 
yiele  andere  Moskowiten,  welche  ihn  als  den  wahren  D.  von  UgliS 


nem  Stamme  den  Thron  sicherziutellen.  Die  pohiisehen  Gesandten  glaubten 
sogar,  dass  Boris  auch  an  dem  Tode  des  Caren  Theodor  die  Schuld  trfige 
(Krxhi  TOTb  AxHTp^  vh  xpajo  PycKOir&,  dxaxeic  pyfSexs  Mockobckofo  ■  rh  toio 
MocKBOH),  KOTop&fl  npH  Hein  6huuk,  vaci  xairiH  xmrh,  ■  cxasa  o  HeM*&  npoxears 
ÄU>ß.en  y  sacb  h  TjTh  y  Baci  mapa^ucfl ;  h  bu  bcb,  npHnomraasqa  co(HI  TSpae- 
CTBO  EopHCOBo,  pajiLi  ecTC  To  vb  Ty  nopy  cjunxezH ;  60  Bcesiy  rocnoAapcTBy  Moc- 

KOBCKOMy  TSpaHCTBO  EopHCOBO  eCTB  BtAOMO  .  .  .  BCH  S&UHUe  6<^]IlMe  pOXU  3BeCTH 

■  Bury6aTH  yuhimjuun»,  mTo6it  a  KopesB  ktb  ne  ocraxca,  zort^s  tumx  (Sesneq- 
Btamee  lUEOBaHBe  cbiHy  CBoeny  no  CMepTS  CBoex  yrsep^iBTH).  Viele  Fttrsten, 
Bojaren  und  grosse  Herren  des  Reiches  Moskau  sind  schon  damals  dem  Boris 
untreu  geworden  und  haben  sich  zu  ihm  über  die  Grenze  begeben;  sie  brach- 
ten heimliche  Briefe  von  anderen  Moskowiten  mit,  worin  der  Prätendent  für 
den  echten  CarevicD.  erklärt  wurde;  die  Russen  benachrichtigten  den  D.  von 
allen  Plänen  des  Boris  und  forderten  ihn  auf,  die  Moskauer  Grenze  zu  fiber- 
schreiten, indem  sie  versicherten,  dass  man  ihm  überall  mit  Brod  und  Salz 
entgegen  kommen  würde  (KHaaH,  Co^pe  h  60dK&mie  jnoxa  Mockobckofo  rocno- 
AapcTBa  HBorie  Eopacy  H3MtHKJ[H . .  h  icHorie  r&  neMy  enio  sa  py6e3K'B  npa6trajH, 
a  OTB  BHmHZ'B  sAimHbix'L  JiwAeu  xauHue  rpaiioTbi  npHHOciuH  h  bo  bchz'b  rpaMo- 
xazi  nacbiB&jLH  cro  npAMUHX,  HCTflHHLiM'&  KH^eH'B  AmirpoBfL  YrjeuRHü'B  .  .  h 
AaB&SH  OMy  uacTO  b^aomoctb  0  bchz^  paAazi  a  saMiiciaz^  EopacoBLiz-B,  h  caaiH 
ero  jahiBaJLU  u.  jcuäobsläb.  nposÖaiiH  cboidih,  uitoÖ'B  obi»  B6op3%  maxi»  ao  rpauEni» 
MocKOBCKKZ's,  yiieBHJiH)iKH,  mTO  ero  sesA^  s'&  züiiöOMi  h  sx  cojibio  crpi^axB  uijLU 
H  6ea'B  BCfSKoi  xpyAHOCTu  oötuajH  AocxymiTb  CMy  rocnoAapcTBa  MocKOBCRoro). 
Der  KOnig  Sigismund  III.  soll  dem  Mniszech  nach  dem  Lager  des  Demetrius 
geschrieben  haben,  dass  weder  er,  noch  andere  Polen  dem  Prätendenten 
gegen  den  Boris  Beistand  leisten  sollten,  und  Mniszech,  sein  Sohn  und  Mi- 
chail Ratomskij  hätten  dann  auch  wirklich  das  Lager  verlassen.  Nun  war  D. 
so  schwach,  dass  die  Moskauer  Vojevoden  ihm  ganz  leicht  eine  Niederlage 
hätten  anrichten  können,  statt  dessen  haben  ihn  aber  die  Stadt  Putivl  und 
andere  Städte  freiwillig  als  ihren  Caren  anerkannt  (ROToporo  jiarBi  vh  ry  nopy 

Ue  TORMO  6UTB,  ajIC  B  KBBO  B3ATL  H  EopBCOBU  OTAaTB  xaROe  BejHROe  BOUCRO  HOPJO. 

Ajie,  3HaTi,  lUTO  bt»  tom'b  m^jh  «oiLry  ott»  BOUCRa  xaR-B  sejaRoro  EopucoBoro, 
HXCB  Toro  BaAi»  HHBfB  Bc  dX^aJLU,  mTO  BAiJiaTB  MorjH :  iuie  bm^cto  roro,  ropoAi» 
u  MiCTO  Be.sBRoe  IIyTUiU[&  h  BHiuie  MHorie  ropoAu  h  M^cxa  caifa  Ao6poBOJi>Bi 
ero  aa  rocnoAapa  npiuMOBajiH ;  küjisu  bocboau  u  abopabo  Muorie  ao  aero  npiis- 
A3KaAH  H  Bipst  CMy  GiyauLiu).  Nach  der  Aussage  der  Moskauer  Bojaren  hätte 
der  Patriarch  von  Moskau  und  die  ganze  H.  Synode  ihren  besonderen  Abge- 
sandten Andrej  Bunakov  an  die  geistlichen  Senatoren  Polens  geschickt  und 
sie  gebeten,  dem  D.  keinen  Glauben  zu  schenken  und  den  Frieden  ja  nicht 
zu  brechen ;  der  Bischof  von  Viljno  hätte  aber  diesen  Gesandten  aufgehalten 
und  dem  Patriarchen  keine  Antwort  gegeben.  Die  polnischen  Gesandten 
haben  im  J.  160H  darüber  folgende  Aufklärung  gegeben:  einige  Wochen, 


Wer  war  PBendodemetriaB  I.  ?  133 

anerkannten  und  das  Gerücht  von  ihm  in  dem  Grenzgebiete  verbreiteten. 
Von  Adam  W.  begab  sich  D.  zum  Fürsten  Konstantin  W. ;  hierher  kamen 


nachdem  der  Gesandte  Orsa  erreicht  hatte,  ist  Boris  gestorben;  bald  darauf 
haben  alle  Rassen  den  D.  als  ihren  Garen  anerkannt.  Nichtsdestoweniger  bat 
der  Bischof  von  Yiljno  den  Brief  allen  geistlichen  Senatoren,  die  über  ganz 
Polen  und  Litauen  zerstreut,  mitgetheilt,  den  Abgesandten  unterdessen  auf 
die  Antwort  zu  warten  aufgefordert.  Als  nun  der  Abgesandte  erfahren  hatte, 
dass  FD  I.  den  Thron  bestiegen,  da  hat  er  ihn  selbst  als  seinen  Garen  aner- 
kannt und  hat  es  selbst  ausgeschlagen,  eine  Antwort  an  den  Patriarchen  mit- 
zunehmen; man  hat  ihn  dann  anständig  über  die  Grenze  expedirt  (no  npii- 
xftHBiD  Toro  roHua  EynaRosa  ao  OpmH,  JiesBO  koj^bko  ne^iÄh  cnycTEBmH,  EopHca 
PoAyHOBa  H6  CTajio « .  n  roHem  tot'l  ycsumaBT»  to,  mTo  toti»  ^Murpi  Ha  rocno- 
AapcTBo  sc^i,  caMi  ero  rocnoAapoM'L  cboum'l  npusHasajn  h  otb^ty  ao  naxpispza 
caMT.  6paTa  ne  xot^'l;  a  oinynteH'L  x  OTnpoBaaces'B  toxi  roHeu'B  Ha  py6e;K'L 
^ecTBo,  6631»  saAepxaHiH).  Nach  Tula  wären  zum  Caren  Demetrius  die  drei 
Brüder  Yasilij,  Dmitrij  und  Ivan  Ivanovioi  äiyskie,  der  Fürst  Theodor  Mstt- 
siavskij,  Fürst  Vorotynskij  und  alle  anderen  Bojaren  und  hervorragenden 
Männer  freiwillig  erschienen,  keineswegs  aber  gebunden  zugeführt.  Im 
Ganzen  stand  bei  Tula  ein  Heer  von  über  Hundert  Tausend  Mann  Bussen, 
ohne  den  Adel  der  Garensynklete  mitzurechnen,  die  Polen  wurden  dagegen 
nur  nach  Hunderten  gerechnet.  Weshalb  hat  also  damals  der  Adel  der  Garen- 
synklete den  Demetrius  nicht  des  Betruges  überführt  und  ihn  nicht  hinge- 
richtet? (A  6BLI0  TaM'L  Bcero  Boucxa  Bamoro  ÖojiBm'L  cxa  xbiCAqeu,  onpHqe  6oap'L 
xyMHUXX,  KHHseH  H  KBO^sivh ;  a  Jiioffeu  HapoAy  Hamoro,  jtx^a^H  b'l  xo  h  xjio- 
nuThy  HC  611LSO  6oihmi»  xoxLRy  coxi» :  ^OHy  aci  bu  b'l  xy  nopy,  xo.slko  6t»  ero 
yaaasH  6bixL  ho  a^sMUWb  j!(MHxpOM'L,  sapas'L  h6  oÖjh^hjh,  hb  3LiMajiu  h  hc  cna- 
paxH?).  Das  Volk  folgte  eben  dem  Beispiele  der  Bojaren  nach;  als  diese  den 
Demetrius  I.  aus  Tula  nach  Moskau  geführt,  da  wären  die  Massen  mit  Pfaffen 
und  der  H.  Synode  unter  Vortragung  der  H.  Kreuze,  mit  Brod  und  Salz  ihm 
entgegengezogen  (mxo  iiipi»  na  saci  6oHpi  6oj[i>niHX'L  cMoxpA,  xoejicL  A^Jcaj'B, 
mio  a  BLi  xks&ÄSL,  x  ero  sa  npaicoro  rocnoAapx  npxsHaBmx,  bt»  totl  nacL  tau  ecxe 
ero  AO  HocKBBi  npxnpoBaAxxx,  bcx  cl  nonaMx  h  co  bchm'l  ^hhomt»  ayxobhlim'B  co 
xpecxaMX,  crh  iuii6owh  x  crh  coxbh)  cxp^Hajni,  Micxo  x  6paMLi  oxoMRHyjnx  x  bch  cl 
paAocnx)  .axo  npBposKoxoro  rocnoAapx  CBoero  npxHXJrx).  Die  Moskauer  Bojaren 
behaupteten,  der  Patriarch  Hieb  wäre  nur  deshalb  abgesetzt,  damit  er  den 
Betrüger  weder  erkennen,  noch  überführen  könnte.  Wenn  es  wirklich  aus 
dem  Grunde  geschehen,  weshalb  haben  denn  die  Bojaren  nicht  umgekehrt 
den  Patriarchen  gegen  den  Betrüger  unterstützen  wollen ;  statt  dessen  haben 
sie  den  D.  zur  Krönung  ermuntert  (A  ecjix  xo  xax'B  6bixK  m^jio,  mxoö'B  ero  totl 
narpiapxs  x  xxmie  6oxpe  öoxLmie  o6xx^xxi  Mijx :  xe  uosbojaxl  ö&uo  eny  b^h- 
mvrhca  rocyAapcxxM'B  BiHXOMi,  mxo  JiauHo  61»  Morjix  y^xHXxi».  Ase  Hx^oro  xoro 
ae  (xaBixaxs  öbulo,  mxo6x  Koxopbiu  3%  sacB  öojhuihx'B  öoxpi  ex  xlimi  naxpiap- 
zoMi»  npoxKBi»  xoro  xbho  oaBaxLcx  m^jh,  x  OBmcM'L  rx  xoMy  ecxe  ero  boxx,  nixcöi 
XXX  aa6op9%x  Bia^axca).    Niemand  hat  den  D.  daran  verhindert,  nach  seiner 


134  Eugen  äoepkin, 

zu  ihm  neue  Fiflohtlinge  aus  den  rassischen  Orenzstädten  and  -bargen. 
Sowohl  D.  selbst,  als  aach  diese  Ankömmlinge  bezeagten,  dass  Boris 


Matter  zu  schicken.  Wenn  sie  ihn  damals  vor  der  KrOnung  hingerichtet 
hätten,  Niemand  würde  es  ihnen  zum  Vorwarf  gemacht  haben  (axe  ö'b  sapasi 
TO  HaA'B  WBWh  BA&iaJUi,  mro  ecTe  noTOMi  y^hhhjkb  ;  a  b'l  xy  nopy  Morju  6%  ecie 

TO  BXizaTL,  H  HHZTO  6l  BSlfB  8a  UO  H6  nO^KTaJ'B,  KOJKH  eilld  HO  6&UI  BtE^aHl  FO- 

cyAapcRHM'L*  BtauoMi).  Die  Absetzung  des  Patriarchen  EUob  fassten  die  Ge- 
sandten aus  dem  J.  1608  als  Rache  des  D.  dafür  aaf,  dass  er  den  Boris  anter- 
stützt  hatte;  ebenso  wie  auch  Vasilij  Sujskij  den  Griechen  Ignatij  gestürzt. 
Nach  der  Ermordung  des  D.  I.  hätte  Michail  Tatisoev  vor  den  Gesandten  and 
den  Bojaren  den  Theodor  Romanov  als  den  designirten  Patriarchen  bezeich- 
net, welcher  damals  nach  Uglio  geschickt  wurde,  um  die  Reliquien  des  H.  De- 
metrii  zu  enthüllen.  Einige  Wochen  später  hat  man  statt  dessen  den  Hermo- 
genes  zum  Patriarchen  ernannt  (üotomi  aa  HuaimHero  rocnoffap«,  Tpeaa  Toro 
CKHHyro,  a  nocaaceHO  Ha  naxpijipzoBCTBi  BeoAopa  MHRiiTH^a,  hko  o  towb  (Soicpe 
ffyMHiie  no  oho&  CHyri  b'l  otb£thoh  noJiaTt  naM'B  uocjiom'l  caMH  CKasbisaXH,  Me- 
Hym^H,  mTO  no  MomH  /(mhtpobu  xo  Yrjceqa  nocjiaHO  naxpiapza  BeoAopa  Mikh- 
TH^a;  aroBopaz'L  iMd  cjoBa  MazaKJio  TaxamoBi  npu  bchx'l  6oapazx.  noTO» 
BT»  ROjaKO  HOAtjKB  H  TOFO  CKXHyjiH,  y^HHEjoi  ecTO  TepHoreHa  naxplEpzoM'L.  n  TaiTB 
TenepB  xhbux'b  naTpiiipzoB'B  na  MocRBi  ^orupen  Maere).  Die  Moskauer  Re- 
gierung hat  den  Polen  zum  Vorwurf  gemacht,  dass  König  Sigismand  DI.  mit 
seiner  Familie  und  die  Herren  Senatoren  durch  ihre  Anwesenheit  die  Ver- 
lobung der  Marina  Mniszech  zu  Krakau  anerkannt  hätten.  Die  polnischen 
Gesandten  aus  dem  J.  1608  erwiderten  darauf,  dass  der  Abgesandte  Athanasij 
Vlasjev  im  Namen  des  Garen  D.  und  seiner  Mutter,  der  Carin  Marija,  den 
König  um  Erlaubniss  angegangen  hätte,  die  Marina  an  den  Garen  zu  verloben ; 
Vlasjev  hätte  dabei  hinzugefügt,  dass  der  Patriarch,  die  ganze  H.  Synode, 
die  ganze  Garensynklete  und  ganz  Russland  es  wüssten  und  sich  darüber 
freuten,  dass  er  sich  die  Frau  aus  Polen  nähme ;  sie  beteten  zu  Gott,  dass  er 
ewigen  Frieden  sende,  um  zusammen  gegen  die  Heiden  aufzutreten  (a  npa- 

TOM'B  CRa8bIBaJ!['L  HaHOlfB  CeHaTOpOMl,  HJRX  naTplapZl,   MHTponOJMTBZ,   BJiaAUKa   H 

B6CB  AyzoBHuu  ^UEX,  TaKXo  öoüpe,  RHABH,  OROJiBHmie,  ABopAHe  K  Bca  seifxa  Bi- 
AaK)rB,  H  paAu  TOMy,  u  Bora  npocarB,  mTo6i»i  rocnoAap'B  wrb  osReiULica  B'b 
HOdiBint,  u  niTOÖi  AajfB  Eon  b^vhbiu  mhp'l  h  ctoütb  6i>i  sa-OAHo  npoTiBi  no* 
raHi).  Die  polnischen  Gesandten  behaupteten,  dass  die  Bojaren  keinen  ein- 
zigen Brief  des  Königs  Sigismund  III.  an  Demetrius  aufzuweisen  hätten, 
welchen  S.  Majestät  vor  der  Thronbesteigung  des  Garen  D.  geschrieben  (To 

nOAJUTHHO    B^AaeM-B   H  TBepAUM-B,    HSRI    HHJiROrO    JHCTy   OTh   ROpOAA  CFO  MKAOCTH 

rocnoAapH  samoro  ao  tofo  j!(MHTpa,  noRaM^CTa  oh'b  orL  BaCB  aa  rocnoAapcxBO 
npluMOBaHi  He  öbuitb,  ne  noaaxceTo).  Im  Allgemeinen  waren  die  Gesandten  der 
Meinung,  dass  derVerrath,  den  der  russische  Adel  an  den  Godunovy  aus-* 
geübt,  ganz  freiwillig  gewesen  wäre.  Niemanden  von  ihnen  hätte  das  russische 
Heer  nach  Putivl  zum  PD.  I.  gegen  seinen  Willen  gebunden  zugeführt.  Zu- 
erst hätte  ihn  aus  freien  Stücken  Fürst  Ivan  Golicyn  zugleicn  mit  anderen 


Wer  war  Paeudodemetriiu  I.?  135 

dem  OareviS  nach  dem  Leben  getrachtet,  sein  Lehrer  aber  ihn  vor  diesen 
Naehstellongen  bewahrt  habe,  so  dass  die  Mörder  einen  Anderen  statt 
seiner  umgebracht.  Auf  den  Rath  seiner  Better  h&tte  CareviS  in  der 
Tracht  eines  Mönches  nnter  einem  fremden  Namen  ein  Wanderleben  ge- 
ftthrt  und  Hber  die  polnische  Grenze  flflchten  müssen.  Die  Russen  hfttten 
diese  Erzählung  später  selbst  dadurch  bestätigt,  dass  sie  den  FD  nach 
Moskau  geführt.  Die  Polen  hätten  ihn  aber  weder  zu  sich  berufen,  noch 
seine  Echtheit  erweisen  können,  weil  sie  ihn  als  einen  Fremdling,  als 
einen  Moskowiten  überhaupt  nirgends  früher  gekannt  hätten.  In  Polen 
hätte  der  FD  in  griechischen  Klöstern  und  beim  orthodoxen  Adam  W. 
geweilt ;  als  Car  hätte  er,  wie  es  ganz  Moskau  bekannt  wäre,  seinen 
ursprünglichen  orthodoxen  Glauben  immer  bekannt.  Den  griechischen 
Geistlichen  und  einigen  weltlichen  Herren  in  Polen  selbst  müsse  es  gut 
bekannt  sein,  dass  er  nach  Eiev,  nämlich  nach  dem  Höhlenklosser  im 
J.  7109  aus  dem  Reiche  Moskau  gekommen  wäre,  wie  es  auch  die 
rassischen  Flüchtlinge  behauptet  hätten.  Als  Wiszn.  und  Mnisz.  mit 
dem  D.  nach  Erakau  gekommen  wären,  da  hätte  der  GareviS  selbst  und 
seine  Moskowiten  abermals  ihn  für  den  echten  Sohn  des  Caren  Johann 
des  Schrecklichen  ausgerufen.    Es  wären  zu  derselben  Zeit  in  Erakau 


Edelleuten  anerkannt;  es  wären  mit  ihm  gegen  Tausend  Mann  in  Putivl  er- 
schienen und  hätten  ihn  im  Namen  des  ganzen  Heeres  aufgefordert,  nach 
Moskau  zur  Erönungsfeier  zu  eilen  (prosz^c  iebj  na  koronowanie  tyar^  hos- 
podarsk^  do  Moskwy  pospieszyl).  Später  auf  dem  Marsche  hätten  sich  an 
den  PD.  I.  Michail  Saltykov,  Piotr  Basmanov,  Fürst  Yasilij  Golicyn,  endlich 
auch  das  ganze  russische  Heer  ganz  freiwillig  angeschlossen.  Nur  den  Ivan 
GodunoY,  welcher  dabei  ein  Mörder,  nicht  besser  als  Boris  selbst  ausgeschol- 
ten wurde,  hätte  man  als  einen  Gefangenen  ausgeliefert.  Das  gemeine  Volk 
in  den  Burgen  (^opHue  MyauiRH)  würde  auch  Niemanden  von  den  Bojaren  bin- 
den und  an  den  D.  senden  können.  Denn  das  gemeine  Volk  hätte  es  unter 
Boris  besser,  als  unter  den  früheren  Caren  gehabt,  und  wäre  ihm  gewogen 
gewesen  (hpamilkh)  ;  in  den  Grenzburgen  und  -landschaften  bedauerten  Viele 
den  Boris  noch  gegenwärtig.  Schwer  war  es  unter  Boris  zu  leben  nur  für  die 
Bojaren  und  den  Eleinadel;  deshalb  hätten  sie  weder  ihm,  noch  seiner  Fa- 
milie treu  bleiben  wollen.  Es  that  also  Niemandem  noth,  sie  zu  binden ;  mit 
Freuden  also  hätten  sie  sich  selbst  sammt  den  Burgen  dem  D.  ergeben  (»  y 
pospolstwo  na  zamkach  nikogo  z  bojaröw  wi%za<5  y  do  Dymitra  odsylad  nie 
mogli :  bo  pospolstwu  za  Borysa,  nÜ  za  pierwszych  hospodaröw  lepiey  byto, 
y  oni  iemu  przychylni  byli ;  a  inszych  wiele  w  pogranioznych  wielu  zamkach 
y  wtosciach  y  teraz  Borysa  ialui^.  A  ci^f ko  hjlo  za  Borysa  bojarom,  szla- 
cheie  . .  y  nie  potrzeba  ich  byio  nikomu  wi%zac,  y  sami  radzi  Dymitru  z  zam- 
kami  si^  pokionilia  Suppl.  ad  Hist.  Russ.  Monum.,  S.  425). 


136  Eugen  äcepkin, 

noch  einige  Bojarensöhne,  nämlich  Ivan  Porosin  mit  Gefährten,  darauf 
die  Abgesandten  der  Donkosaken  Andrej  Eorelo  und  Michajio  Mie^akov 
mit  Kameraden  vor  dem  D.  erschienen;  unter  den  letzten  sollte  sich 
einer  befunden  haben,  welcher  den  D.  noch  als  Kind  gekannt  hatte. 
Als  Alle  diese  Mosko^iten  sich  die  Merkmale  am  Körper  des  D.  ange- 
schaut hätten,  da  wären  sie  vor  ihm  auf  die  Knie  gefallen  und  hätten 
ihn  als  ihren  angeborenen  Caren  begrüsst.  Infolge  aller  dieser  Zeug- 
nisse insgesammt,  nicht  aber  (wie  man  es  in  Moskau  behauptete)  nur 
auf  Grund  der  Aussagen  des  Piotrowski,  der  zwei  Mönche  und  des  Die- 
ners des  Mniszech,  hätten  die  Polen  sich  entschlossen,  dem  FD  Glauben 
zu  schenken.  Man  hätte  auch  gehört,  als  ob  die  Mönche  und  andere 
Moskowiten  nach  Kiev  gekommen  wären  und  dort  bestätigt  hätten,  dass 
der  Mann  wirklich  der  Fürst  D.,  nicht  aber  der  Otrepjev  wäre.  In 
Putivl  hätten  später  die  Moskowiten,  keineswegs  aber  die  Polen,  einen 
gewissen  Hriska  Otrepjev  gefunden  und  ihn  Allen  vorgezeigt ;  diesen 
Otrepjev  hätte  man  nicht  aus  Polen,  sondern  auch  aus  Moskau  herbei- 
geschafft. Nach  Moskau  gekommen,  hätte  sich  D.  mit  der  Krönung  gar 
nicht  gesputet,  sondern  zuerst  den  Fürsten  Michail  Skopin-onjskij  nach 
seiner  vermeintlichen  Mutter  Maria  (Martha)  geschickt,  um  sie  nach 
Moskau  einzuladen.  Zu  der  Zeit  hätte  Niemand  aus  den  Bojaren  den 
Betrüger  in  dem  Caren  erkannt,  Niemand  ihn  daran  gehindert,  seine 
Mutter  kommen  zu  lassen.  Wenn  die  Mutter  ihn  hätte  verleugnen 
können,  so  würde  er  nach  ihr  nicht  gesandt  haben,  umsomehr,  da  sie 
sich  damals  in  einem  entlegenen  Kloster  befunden  hätte  i).  In  diesen 
Zeugnissen  der  polnischen  Abgesandten  können  wir  die  ganze  Recht- 
fertigung des  Benehmens  des  Königs  Sigismund,  des  Vojevoden  Mni- 
szech, des  Starosta  Ratomski  nur  als  einen  im  Interesse  der  Zeugen 
gelegenen  rein  subjectiven  Versuch  aussondern,  ihre  Parteigenossen  von 
jedem  Verdachte  des  vorsätzlichen  Betruges  zu  reinigen. 

Daneben  bleiben  aber  ihre  rein  objectiven  Aussagen  als  eine  wich- 
tige historische  Quelle  unerschüttert,  nämlich  die  Nachrichten  über  die 
Nationalität  und  die  Religion  des  FD,  über  das  Jahr  und  den  Ort  seiner 
Ankunft  ia  Polen,  über  seine  damalige  Tracht  und  gesellschaftliche 
Stellung.  Nach  ihrer  Auffassung  war  er  ein  orthodoxer  Moskowit,  der 
nur  der  Tracht  nach  für  einen  Basilianer  gelten  konnte,  und  wäre  im 


1)  Es  ist  wohl  das  Kloster  des  H.  Nikolaj  in  Vyksino  gemeint  (Gouv. 
Novgorod,  Bezirk  Cerepovec). 


Wer  war  PBendodemetrius  I.  ?  137 

J.  September  1600  bis  Sept.  1601  nach  dem  Höhlenkloster  in  Kiev  aus 
dem  Reiche  Moskau  gekommen. 

Für  einen  Grosarnssen  mnssten  ihn  wohl  anch  die  Bojaren  gehalten 
haben,  wenn  sie  seine  Identit&t  mit  dem  Griska  Otrepjev  aufrecht  zu 
halten  wagten.  Auf  demselben  Standpunkte  steht  auch  Margeret,  wel- 
cher den  Garen  D.  selbst  hat  sprechen  gehört  und  wohl  die  Gelegenheit 
gehabt,  die  Wirkung  seiner  Aussprache  auf  die  zuhörenden  Grossrussen 
zu  beobachten,  vielleicht  sogar  mit  ihnen  zu  besprechen.  Nach  Margeret 
hfttte  D.  ein  gutes  Russisch  gesprochen,  correcte  russische  Briefe  dictirt; 
nur  hätte  er  die  Sitte  gehabt,  seine  Rede  bisweilen  mit  polnischen  Sätzen 
anszuschmficken.  Wenn  man  auch  wirklich  bei  ihm  gewisse  Mängel  in 
der  Aussprache  einzelner  Worte  hätte  treffen  können,  so  würde  man 
es,  nach  Margeret,  durch  seine  langjährige  Abwesenheit  erklären  dürfen. 
Margeret  widerlegt  damit  die  Anschauung,  als  ob  D.  ein  Pole  oder  ein 
Transsylvanier  oder  sonst  ein  Fremdling  gewesen  wäre,  von  Kindheit 
an  vorsätzlich  zu  einem  Prätendenten  auferzogen.  Es  scheint,  als  ob 
die  Vertreter  dieser  Anschauungen  gewisse  Sonderbarkeiten  in  der  Aus- 
sprache des  FD  aufzuzählen  verstanden  hätten  (quelque  deffant  k  la 
prononciation  de  quelque  parole) .  In  diesem  Falle  könnte  man  sie  nicht 
nur  durch,  den  langjährigen  Aufenthalt  in  Polen,  sondern  auch  durch 
rein  subjective  Fehler  —  z.  B.  ein  Lispeln,  ein  Schnarren  u.  dgl.,  oder 
sogar  durch  Eigenthümlichkeiten  irgend  einer  Mundart,  z.  B.  die  mund- 
artliche Aussprache  des  Gouvernements  Eostroma,  erklären.  Leider 
darf  man  dabei  nicht  vergessen,  dass  weder  Margeret,  noch  seine  Gegner 
(wie  es  scheint  Ausländer,  wie  Margeret  selbst)  für  fähig  gelten  können, 
ohne  fremde  Hilfe  die  grossrussische  Rede  von  der  weissrussischen  zu 
unterscheiden.    Aus  Weissrussland  führte  den  FD  auch  Bussow  her. 

ni. 

Wir  kennen  die  Meinungen  der  Senatoren  über  Polens  Verhältniss 
zu  Bnssiand  und  die  Persönlichkeit  des  Demetrius,  wie  sie  beim  Beginne 
seines  Unternehmens  auf  dem  Reichstage  des  J.  1605  lauteten.  Im 
höchsten  Grade  lehrreich  und  sehr  erspriesslich  für  unsere  Untersuchung 
sind  die  Veränderungen,  welche  in  den  Anschauungen  der  polnischen 
Gesellschaft  nach  und  nach  eingetreten  sind,  als  nämlich  Demetrius  den 
Thron  bestiegen  hatte,  als  er  gefallen  und  äujskij  ihm  in  der  Regierung 
gefolgt  war,  als  endlich  auch  änjskij  abgesetzt  und  nach  Polen  in  die 
Gefangenschaft  weggeführt  wurde.    Diese  Veränderungen  können  wir 


138  Eugen  äcepkiD, 

in  den  Reichstagsrecessen  des  Stadtarchivs  zu  Danzig  fOr  die  Jahre 
1606,  1609,  1611  verfolgen»). 

Fflr  das  Jahr  1606  wählen  wir  das  Votum  des  Bischofs  von  Wenden 
Otto  Schengingk  vom  10.  März: 

»Was  anlanget  denMuscowietter,  musz  ich  mein  votum,  so  ich  form  iahr 
gehalten,  enderen,  den  ich  sehe  ds  Gott  wunderlich  den  Herren  auf  seinen 
Btuel  gesetzet,  derhalben  vermeine  ich  das  vns  der  Herr,  der  all  ds  seinige 


1)  Im  J.  1606  brach  die  Empörung  des  missvergnUgten  Adels  gegen  den 
Kdnig  Sigismund  III.  los,  welche  unter  dem  Namen  des  Rokosz  Zehrzydow- 
skiego  bekannt  ist.  Mikolaj  Z.,  der  Vojevoda  von  Krakau,  und  Fürst  Janusz 
Radziwill,  der  Mundschenk  (Podczaszy)  von  Litauen,  waren  die  Hauptanstifter 
der  Empörung,  welche  bei  den  Zusammenkünften  (Zjazdy)  der  Missvergnügten 
zu  St^l^yca  (im  April  1606),  bei  Lublin  (im  Juni)  und  bei  Sandomir  (im  August) 
eine  feste  Organisation  erhielt ;  es  schloss  sich  ihr  auch  Stanislaw  Stadnickl, 
Herr  zu  LaÄcuta,  an.  In  den  Universalen,  welche  der  König  vor  dem  Reichs- 
tage des  J.  1607,  an  die  Versammlungen  der  Provinzialstände  aussandte,  ver> 
theidigte  er  sich  gegen  die  Beschuldigungen  der  Rokoszanie  und  rechtfertigte 
unter  anderem  seine  Politik  in  der  Demetriifrage  (Niemcewicz,  Dz.  Pan. 
Zygm.  in,  t.  II :  »Prywatni  ludzie  rozpocz^li  zatargi  z  Moskw^,  nikt  iednak 
Dmltra  nieaznai:,  pöki  go  oni  sami  Synem  Hospodaröw  swoich  nie  oglosili,  i 
sami  po  niego  do  nas  nie  wyslali  poselstwa«).  Das  Heer  der  Rebellen  unter- 
lag in  der  Schlacht  bei  Wola  Guzowska  der  vereinigten  Kriegskunst  der  bei- 
den Hetmany  ^ölkiewski  und  Ghodkiewicz  (6.  Juli  1607).  Unter  den  Abge- 
sandten der  Rebellen  wird  auch  Hawreio  Hojski  genannt  Die  Verschwörer 
haben  sogar  'gewisse  Beziehungen  zu  Gabriel  Batori  angeknüpft.  Nun  hat 
Prof.  Ikonnikov  in  seinem  Aufsatze  »Pseudodemetrius  und  Sigismund  UI.« 
sehr  ausführlich  die  Anschauung  begründet,  dass  Gar  D.  I.  mit  dem  Gedanken 
umging,  den  König  Sigismund  III.  des  Thrones  zu  berauben  und  beide  Kronen 
auf  seinem  Haupte  zu  vereinigen ;  in  dieser  Absicht  unterhielt  er  geheime 
Beziehungen  mit  vielen  polnischen  Edelleuten.  Mniszech  wurde  später  be- 
schuldigt, an  diesem  Spiele  theilgenommen  zu  haben.  Auch  die  Freundschaft 
mit  seinem  Anverwandten  StaniBl:aw  Stadnicki  wurde  dem  Vojevoden  von 
Sandomir  zum  Vorwurfe  gemacht  Bereits  Kostomarov  hat  die  Vertheidi- 
gungsrede  des  Mniszech  unter  den  Handschriften  der  Bibliothek  Krasi^ski 
gesehen.  Aus  einem  Briefe  des  Secretärs  Jan  Buczinski  aus  Polen  an  den 
Garen  D.I.  ersieht  man  in  der  That,  dass  er  gewisse  geheime  Angelegenheiten 
dort  zu  besorgen  hatte  (Co6p.  Fp.  h  Aor.,  x.II,  Januar  1606 :  »bo  o  nym  lyscie, 
CO  przes  Romyke  pysalem  do  W.G.M.,  na  ktorem  byl  napys  taiemny  lyst,  sam 
wiedzielio).  Andererseits  erhellt  es  aus  demselben  Briefe,  dass  damals  auch 
gegen  den  Garen  D.  selbst  eine  Verschwörung  in  Moskau  bereits  im  Gange 
war  (Kiedy  Borsza  przyechal,  powiedal  mi,  co  Hrypunow  mowyl  z  niem  jadac 
do  Smolenska,  ze  to  iusz  tego  doszly  pewnie  w  Moskwie,  nie  lest  wlasny  Gar 
y  uyzrysz,  co  sie  bedzie  dzialo  w  Moskwie  niedlugo  z  niem). 


Wer  war  Pseadodemetrias  I.  ?  139 

▼on  I.  E.  M.  vnd  diese  Gron  empfangen,  ynser  expectation  nicht  gnug  thut, 
weil  er  za  dieser  Zeitt,  da  er  I.  E.  M.  retten  solte,  mit  Gelt  and  andern  sich 
bemühet  vmb  den  Titnl  des  Eaisers  vnd  wil  itzo  im  bedrengnusz  der  Cronen 
erzwingen.  Mein  raht  wehre  ihn  den  Mnscouiter  za  mittlren  an  den  Eaiser 
od.  Babst  ymb  sich  daselbst  vmb  den  Titnl  zu  bewerben,  welche  dan  pflegn 
solche  Titnl  zu  vergeben,  wie  dan  auch  der  Eaiser  dem  Eonig  in  Polen  Selb- 
sten denselben  gegeben  hatt;  als  dan  mag  er  sich  zu  uns  wenden  vnd  mit  vns 
weitter  davon  rathschlagen.  Itzo  solte  er  vns  billich  mit  gelt  helffen,  dan  er 
einen  grossen  schätz  bekommen,  so  der  Gdonf  (Godunov)  vor  ihm  zuesamen 
gelesen  vnd  sollen  L  E.  M.  bey  ihm  anhalten,  ds  er  I.  E.  H.  volck  durch  sein 
landt  zifaen  laszen  in  finlandt,  den  also  muszen  des  feindes  vires  getrennet 
werden,  Daran  ist  (Lottes  ehre  vnd  I.  E.  M.  existimation  gelegen.« 

Entscheidend  für  das  Verhältniss  zwischen  Rassland  und  Polen 

waren  die  Verhandlungen  auf  dem  Reichstage  im  J.  1609.    In  der  kgl. 

Instruction  fflr  den  Reichstag  hiess  es  unter  dem  Titel  »  Moskau  a : 

»Das  nach  der  ordnungk  auch  der  Zerrüttung  mitt  den  andern  benach- 
barten mention  geschehen  möge.  Den  nachdem  der  vorige  Gzar  Dimetrius 
erschlagn  vndt  nebenst  ihme  vnserer  leute,  die  sich  dahin  hatten  begeben 
eines  teils  grausamlich  vndt  heidnischer  weise  ermordet,  andere  mitt  schwere 
gefengknusz  geplag^tt,  nachdem  die  Gesanten  I.  E.  M.  so  lang  aufgehaltn  ge- 
wesen, ist  es  endtlich  durch  tractaten  dahin  gebracht,  ds  dieselben  Ihrer  E.M. 
gesandten  mitt  iezigem  Gzar  Iwan  Wassilowicz  (?)  Suisky  einen  stillestandt 
auf  vier  Jahr  gemacbtt,  Vnter  andern  Gonditionen  ist  diese  die  vomembste 
gewesen,  das  der  Moszcowiterscher  Gzar  alle  vnsre  daselbst  angehalte  leute 
auf  die  Littawsche  grentz  kegenst  den  8.  Octobris  stellen  soll  vnd  all  ds 
Volck,  so  bey  dem  newen  Gzar  sich  auffheltt,  I.E.M.  von  dannen  abfordern 
soll.  Dieser  Gondition  hatte  Szuisky  zuuoUenziehn  angefangn,  Den  so  baldt 
dieser  stillstandt  geschloszen,  hat  er  all  die  ienign  die  vnsern,  die  in  der 
Moszkaw  gewesen,  nebenst  denn  Gresanten  vndt  hn  Sendomirschn  Woywoden 
guttwilligk  von  sich  gelaszn  vnd  die  andern,  die  auf  vnterschiedlichn  schlo- 
flzem  vnd  orttrn  sizen,  abzuholen  vndt  auf  der  krohnen  grentzen,  wie  obge- 
meldet,  zu  liefern  vorsprechn.  Aber  in  diesem  vnserer  gesanten  vndt  H.  Sen- 
domirschn Woywoden  zurückezuge  sein  newe  schwerigkeitten  eingefallen, 
den  vnser  volck,  welches  vnterm  nahmen  des  Dimetry  vnter  der  Moszkaw  zu 
felde  ezlich  tausent  mann  starck  lieget,  hat  dem  H.  Malogosky  den  wegk  vor- 
rennett,  den  vornembsten  gesanten  vndt  H.  Sendomirschen  Woywoden  ange- 
halten vndt  sie  sambtlich  von  newen  zu  ihrem  lager  gefUhrett,  wordurch 
diese  vorgleichungk,  so  I.E.M.  gesantter  mitt  dem  Szuisky  gemachtt,  ist  auf- 
gehoben, vnd  vnser  leute  vnter  welchem  viel  vornehmer  vom  Adell  die 
Szuisky  zu  folge  der  abredungk  noch  nicht  hatte  auf  die  grenze  geliefertt, 
von  newen  in  gefengknusz  gehalten,  vndt  noch  wol  in  ihres  leibes  gefahr  ge- 
raten werden.  Daselb  nun  E.L.  selbst  richten  können,  welcher  sicherheitt 
vnd  welcher  freundschafft  wir  vns  daraus  zuuermutten  haben.  Gott  woU  vns 
nur  bewahren  ds  ds  angezündete  feur  nicht  möge  an  die  wende  vnserer  be- 
nachbarten, alsz  vn  (von)  vnser  eigen  geschlechtte,  gelangn.    Weszen  wir 


140  Eugen  äoopkin, 

YDs  ie  lenger  ielie  mehr  durch  d  vnsrign  (?)  ihren  einzugk,  der  tod  tage 
zu  tage  zunimbt,  zubefürchten  haben.  AUz  ist  vonnöten  ohne  vorschlepp 
dauon  zu  rathschlagen,  wie  demselben  vnheill,  welches  vns  von  der  Seiten 
begegnen  moechte,  vorzukommen  yndt  wie  Respub.  zur  ruhe  zubringn.« 

Am  17.  Januar  gibt  sein  Votum  Aber  diese  kgl.  Propositio  der  Erz- 
bischof von  Gnesen : 

»Die  Hoszkau  hatt  vns  groszen  wiederwilln  vnd  vnglUck  veruhrsachett, 
daher  wier  schand  vnd  schmach  erlitten.  Die  vnserigen  sein  daselbest  so  iem- 
merlich  crmordett,  gefenglich  gehalten  vnd  noch  nichtt  aller  frey  gelaszn. 
Gelegenheitt  giebett  sich  zwar  herfuhr,  die  nichtt  geringe  ist,  wieder  solchen 
'  meineidigen  feindt  gewaltt  zu  brauchn  vnd  solch  schmach  zu  rechnen  (rächen?). 
Dae  noch  Stephanus  Sehl.  gedechttnus  gar  sehr  getrachtett,  das  er  Yhrsach 
solches  landt  zu  uerhOhnen  vnd  verterben  gehabett  hotte.  Aber  es  seindtt 
andere  beschwehr  wiederumb  hergegen  zubedencken.  Es  mangeltt  vns  an 
Nemo  belli,  welchen  man  nach  langheitt  der  Zeitt,  da  es  sich  wolle  auszhal- 
ten  laszen,  zuwege  bringen  mttsze.« 

dD.  20.  January  hatt  der  Ciofische  Woywode  Solkiwskj  (i^kiewski)  in 
seinem  Voto  . .  auff  die  Proposition  ihrer  May^^  gestimmett  also,  das  man  ins 
gemeine  pflegett  zu  sagen,  das  von  den  Pohlen  die  Moszcouiter  geschlagen 
werden,  die  Moszcouiter  schlagen  hiergegen  die  Tatteren  vnd  die  Tattern 
schlagen  wiederumb  die  Pohlen,  welches  er  den  ef  plis  illustriret  hatt,  für- 
gebende,  das  der  Tater  die  Statt  Moszcau  zwar  einmall  eingenommen,  doch 
wiederumb  abziehen  muszen.  Der  Tater  aber  habe  wieder  die  Pohlen  allezeitt 
den  Siegk  behaltten.  Die  Pohlen  sein  allezeitt  der  Moszkowiter  mechtigk 
worden,  Die  Vhrsache  deszen,  warumb  die  Pohlen  wieder  die  Moszkowiter 
den  Sieg  behalten,  ist  diese,  weill  sich  dazumall  die  Pohlen  auffs  allerbeste 
gefast  machen  vnd  mitt  einem  groszen  herzuge  die  Moszkowiter  angriffen. 
Dasz  aber  dakegen  wieder  den  Tatter  nichts  zuerhaltn  geweszn,  ist  niegoto- 
yvok6  na^sa,  weil  wier  vns  nie  wiedr  den  Tatter  recbtt  gefast  gemacbtt  haben. 
Zu  dehme  veruhrsachett  auch  solches  die  Constitution  al  9f ,  welche  dem 
obersten  bindett  vnd  obligiret,  dasz  ds  Eriegesvolck  nirgentts,  alsz  in  ihren 
gewOnlichen  lagern  sol  gehalten  werdn,  welches  er  trefflichen  improbiret 
hatt,  vnd  darzue  gerahtten,  dasz  man  dasz  Eriegesvolck  daselbest  haltten 
soltte,  ubi  e  ingruens  pfculum,  nemblichen  kegen  den  dreien  Paszen,  da  die 
Tatteren  pflegn  durchzuzihen.« 

»Der  Herr  Malogosky^)  hatt  anfenglichen  viell  discuriret,  was  von  d 
Eon.  May^t  bei  Zeitten  des  Rockosch  in  der  Moszkau  auszgesprengett  wor- 
den, welcher  maszen  sich  der  Czar  darmitt  gekizeltt  vnd  was  sie  vor  Carceres 
haben  erleiden  muszen  vnd  wie  sie  endlichen  auff  ignominiose  pacta  mitt  ge- 
waltt sindt  gezwungn  worden  vnd  sich  des  gefengnus  befreiett.  Den  Zueg  in 
die  Moskau  betreffendt  vernehme  er  dasz  ezliche  demselben  zuwieder  sein. 
1.  Das  sie  nichtt  gerne  Uhrsach  gebn  weiten  Christen  *bluett  zuuerguiszen. 


1)  Nikolaj  Oleinicki.  Eastellan  Malogoski,  einer  von  den  Gesandten  aus 
den  JJ.  1606^8. 


Wer  war  PseadodemetrinB  I.?  141 

2.  Das  exitos  belli  non  Bit  in  nf  a  potestate.  Er  aber  ratett  mitt  guettem  ge- 
wiszen,  das  man  den  kriegk  in  die  Moszkan  nichtt  ynterlaszen  soll,  weil  die 
Moskawiter  nnr  titalo  tenus  ohristen  waren,  von  Qott  ynd  traditionibns  sacris 
nichtts  wüsten,  Die  bilder  verachteten,  den  Heil.  Ehestand tt  ex  leuissima 
causa  trennetten,  die  eyde  nichtt  hielte,  inmaszen  diese  Crohn  zum  offteren 
dieses.  I.  May^^  habe  kaum  mit  dem  Boris  Fiedrowitz  inducias  auff  20.  Jahren 
gemachtt,  denselben  habe  Boris  stracks  hernach  zuewieder  gelebett,  indeme 
er  den  Alexander  Caminsky  sambtt  dem  ganzen  Houe  verbrantt.  Femer  hatt 
I.  kon.  May^t  dem  H.  Sedomirischen  Woywoden  nachgegeben  aby  pewn^ 
przyiazn  wzi^l  z  Dimetrem.  Der  Demetrius  hatt  auch  des  H.  Sedomirischen 
woywodens  Tochter  mitt  verwilligung  der  Moszkowiter  selfoest  zur  ehe  ge- 
nommen, alsz  sie  aber  die  Pohlen  hinneingelockett,  haben  sie  dieselben 
nebenst  dem  Demetrio  iämmerlichen  ermordett,  Haab  vnd  gaett  geraubett 
vnd  da  Saisky  von  vns  gefragett,  warumb  er  also  wieder  vns  verfaren,  vnd 
den  Demetrinm,  hatt  er  geandwortt:  auff  dasz  wier  ihn  ihr  euren  äugen 
mOchtten  erschlagen,  vnd  das  ihr  vnsz  denselben  ins  Landt  gebrachtt  vnd  da- 
kegen  alle  vnszere  scheze  in  Pohlen  verfuerett.  Es  laszen  sich  etliche  ver- 
lautten,  alsz  wen  solches  vor  eine  priuatam  iniuriam  zuehaltten,  welche  die 
Crohn  nichtt  schuldigk  zue  vindicieren.  Er  aber  hieltte  es  darfur,  das  es  ein 
ininria  publica  sei,  weill  er  ihn  alsz  einen  Legatum  principis,  der  seines  Kö- 
niges vnd  Herren  Persohn  repsentierett,  hatt  incar(c)eriret,  vornehme  leutte, 
so  pace  publica  assecuriret  geweszen,  erschlagenn  vnd  auff  den  gaszen,  wie 
die  Hunde,  schleppen  laszen.  Da  nu  solche  gewaltt  die  Crohn  Pohlen  vber 
.sich  solte  ergehen  laszen,  wurden  andere  nationes  ihrer  spotten.  Die  andere 
Motiva  belangntt,  Sei  er  dero  zuuersichtt  zue  Gott,  dasz  Gott  zue  dieser  ex- 
pedition  werde  gluck  geben,  Dan  weill  privat  Persohnen  soviell  verrichtett, 
das  sie  fast  die  ganze  Moszkoue  einbekommen  haben,  wasz  wurde  geschehen, 
wan  authoritate  publica  Comitiorum  I.  May^^  selbest  mitt  groszer  macht  hin- 
nein  ziehen  solte.  Der  feindt  ist  auch  intemis  Dissitijs  auszgezehrett,  viel 
volcks  verlohren,  das  landt  verhoerett,  vnd  desto  leichtter  einzuebekommen, 
Vnd  seindt  ihrer  viel  im  Lande  so  es  I.  Kon.  May^^  gönnen,  wiedz^y  poboi- 
noi6  y  m^stwo  W.  K.  M.  Sehe  auch  nichtt  ab,  wie  das  Landtt  anders  alsz 
durch  I.  Könl.  May^^  könne  zum  friedstandtt  gebrachtt  werden,  jedoch,  es  ist 
hoch  nöttigk,  das  ie  ehr  ie  beszer  der  Auffzug  geschehe.  Hiedurch  vnirde 
nichtt  alleine  eine  grosze  accession  zur  Cron  Pohlen  zuegetheilett.  Sonderen 
auch  ihr  nähme  vnd  existimation  bei  iederman  —  inglich  grosz  sein  vnd  end- 
liehen wurde  man  durch  dasz  mitteil  Schweden  vnd  Liefflandtt  leichtt  erobe- 
renn  vnd  behalten,  Mitt  einem  Pobur  aber  ist  der  Sachen  nichtt  geholffen, 
laszet  es  vns  aber  einmall  rechtt  angreiffenn  vnd  hernach  des  lieben  friedens 
geoiszen,  womitt  auch  derTurcke  vudTatter  deromaszen  wurde  geschreckett 
werdn,  das  sie  sich  nichtt  leichtt  an  die  Crohn  Pohlen  reiben  wurden. 

Den  21.  Januar  spricht  der  Grosskanzler  von  Litauen: 

»Von  der  Moszkau  kuntte  er  so  nichtt  reden,  wie  andere  gethan»  Dan  er 
sehe  das  Grott  sonderliche  Mittell  iezo  verliehen,  so  ein  stattliches  landt  die- 
ser Crohnen  zuezuebringen,  Man  furchte  sich  das  viell  dazue  gehoere,  Lieber 


1 42  Eugen  ScepkiD, 

Oott  I  Bolte  man  so  einen  groszen  nutz  lue  schaffen  ein  oder  2.  Pobnr  nichtt 
geben  wollen,  welche  viel  dappell  wieder  ergänzett  könten  werden.  Man  hatt 
sich  nichtt  zaebesorgen,  das  viel  dazue  gehöre,  Sie  ist  schon  vnser  vnd 
darffen  sie  nur  einnehmen.  Der  Susky,  der  hatt  iezo  nichtt  mehr  den  die 
Stelle  Moszkan,  Smolentzko  vnd  gros  Nouigrodt,  wie  ihme  neulich  daher  ge- 
schrieben wirtt.  Also  würde  es  leichtlich  eröbertt  sein,  auch  geschrei  allein, 
wen  sie  hören  wurden,  das  wier  im  anzuge.  Den  dieser  Susky  weis  woll,  das 
er  nichtt  darzu  gehörett,  vielweniger  der  iezige  Demetrius  vnd  ds  wir  Bechtt 
dazue  haben  ynd  vnsz  billich  dahin  aufmachen  sollen,  ist  daraus  genueg  ab- 
zunehmen. Hatt  der  Boris  nichtt  furerst  den  frieden  mitt  vnsz  gebrochen,  da- 
durch dasz  er  dem  Carolo  hulff  gethan  vnd  ihn  mitt  allerhandt  munition  ge- 
schenckett,  dadurch  er  den  frieden  vnd  pacta  gebrochen,  Der  vorige  Deme- 
trius, hatt  der  auch  nichtt  albereitt  darnach  getrachtett,  wie  er  diese  krön  sich 
vnderthan  machte,  Hatt  er  Euer  May^^  allerhandt  despect  zugefugett,  indeme 
er  ihn  nichtt  einen  Königk,  sondern  den  Polnischen  Sigmundt  genennett? 
Susky  hatt  auch  mitt  vnsz  keine  pacta  nichtt,  den  obgleich  das  Pacta  zu 
nennen,  welche  er  mitt  den  H.  königlichen  gesandten  H.  Malagusky  troffen, 
welche  doch  ihnen  auffgezwungenn  vnd  gedrungen,  So  hatt  er  sich  doch 
selber  nichtt  gehalten.  Den  er  zugesagett,  den  7.  September  den  rest  der  ge- 
fangenen loszzugeben,  Nu  sein  schon  so  viel!  Monatt  vorüber  vnndt  stellett 
sich  keiner  nicht  ein,  derer  noch  woll  bis  700  darinnen  gehaltn  werden.  Ynd 
wasz  ist  gröszre  Uhrsach  sich  an  solche  perfide  hoste  zu  rechen,  den  ds  er 
£.  Kön.  May^^  gesandten  in  gefengnus  gehalten,  so  viell  vornehmer  Adell  bei 
den  Nationen  so  jemmerlich  vnd  verrachtelich  ermorde tt  vnd  gethötett,  das 
auch  in  Historien  nichtt  zu  finden,  dasz  iemalsz  für  irkeinem  (irgend  einem) 
feinde  so  viell  adeliches  bluttes  auff  einmall  vergoszen  worden  vnd  König 
Augnstus  hatt  mitt  den  Preuszen  vnd  Liefflendem  einen  Krieg  angefangen 
derhalben  allein,  ds  sie  einen  von  Adell  seinen  gesandten  gethöttett  Hier 
sein  so  uiell  vnd  heuffigk  vmbs  leben  brachtt  worden,  mitt  groszem  Schimpff 
vnd  spott  vnser  weittberumbter  nation.  Es  hatt  der  Susky  zuegesagett  allen 
schaden  zuerstatten,  d  den  vnserigen  wiederfaren,  welcher  sich  auff  viell 
Million  beleufftt,  aber  hett  nichtt  den  geringsten  heller  bezalett  vnd  ist  noch 
einem  Jubilierer  Nathan  von  Augsburg  genandtt  bei  Hundert  vnd  vierzigh 
tausendtt  gülden  schnldigh  blieben.  Weil  wier  das  jus  vnd  possibilitatem 
solches  landtt  mitt  kriege  anzugreiffh  vnd  zueröbem  für  vnsz  haben,  sollen 
wier  vns  billich  dazufinden  vnndt  I.  Mät.  mitt  gutt,  leib  vnd  biuett  dazu  be- 
hulfflich  sein,  wie  er  dan  solches  für  seine  Persohn  rahtett,  wunschett  vnd 
bittett  sich  angelegen  sein  zulaszen  i).« 


1)  Eine  vorsichtigere  Ansicht  hat  König  Sigismund  während  der  Audienz 
am  25. Februar  aus  gut  unterrichteten  Kreisen  gehört:  »Eodem  die  sindt  auch 
etzliche  boten  des  polnischn  kriegsuolcks,  so  in  der  Moszkaw  ist,  priuatim  in 
königes  Pokoy  verhörett  worden,  welche  Ihr  M^^  erzehlett,  wie  es  sich  mitt 
dem  MoszkauBchn  wesen  vorhalte,  was  die  Polen  darinn  für  gelttck  haben, 
vndt  wie  weit  sie  den  letzign  Dimetrium  bereitt  gebrachtt.  Zum  andm 
haben  sie  Ihr  M^^  gebeten,  sie  sich  nicht  vnderstehn  wolle  mit  einer  krieges- 


Wer  war  PBeudodemetriofi  I.  ?  143 

Das  Untemehmeii  gegen  Moskan  blieb  anch  auf  dem  Reichstage 
des  J.  1611  die  wichtigste  Frage: 

»Den  1.  Octobris  haben  die  h.  h.  Senatores  auff  angedeutete  proposition 
zu  votiren  angefangn  ynd  am  5.  Octobris  geendett.  In  gemein  wardt  dahin 
gestimmet,  dasz  die  Moskavitische  expedition  solte  continuiret  werden. 
Durch  wasz(er)ley  mittel  aber  solche  fortzusetzen  sey,  wurden  vnterschied- 
liche  bedencken  beigebracht.  Theils  habn  gerahtn  ad  tractatus,  theüs  ad 
Arma,  theils  ad  utrumque,  also  das  man  die  sebel  in  der  handt  haltn  vnd  zue- 
gleich  tractiren  solte.  Jedes  theil  hatt  wichtige  rationes  angezogen,  aber  die 

tractatus  allein  zuuersuchen,  hatt  ettwas  mehrs  bedencken  gemacht  pp  lubri- 
cam  fidem  et  perversitatem  gentis  Moscouiticae,  wie  auch  darumb,  das  man 
nicht  absehen  kau,  mit  weme  die  tractatus  anzustellen,  ob  mit  den  Bojaren, 
die  in  der  Haubtstadt  Moskow  den  Ynserign  beypflichten?  Dieselben  wer- 
den ohn  zweiffei  Kon.  M^  Willen  vnd  meinung  gerne  annehmen,  sintemahll 
sie  selbst  ihre  Eon.  M^  vociret  vnd  zur  besitzung  des  fürstlichen  Stuels  be- 

mffh.  Ob  mit  dem  Zarutzkj  ?  Furwar  esz  wurde  cum  indignitate  R.  litis  die 
handelung  geschehen,  sintemahl  dieser  Verrähter  nicht  werdt  ist,  das  man 
von  wegen  Kon.  M^  mit  ihme  ad  tractatus  sich  einlasze.  Ob  mit  denen,  so 
dem  Zarnczki  anhangn?  Dieselbn  sint  schon  zerstrewet  vnd  schuldig  con- 
ditiones  anzunehmen,  nicht  vorzuschlagen.  Ausz  gemelten  Vrsachen  hengett 
dieser  punct  wegn  der  Tractaten  noch  in  deliberation  bisz  zur  ankunft  des 
H.  Felthaubtmans  Zölkiewskj,  welcher  deszfals  beszere  Nachrichtung  werde 
zn  gebn  wiszen.  Alsz  die  Ordnung  in  Votando  an  den  H.  Sendomirischen 
Woywoden  kommen,  hatt  derselbe  ante  omnia  wieder  die  jenign,  so  hin  vnd 
wieder  ihn  vbel  angegeben,  sich  zu  rechtfertign  angefangen;  insonderheitt 
aber  beygebraoht,  das  er  weder  mit  dem  Bathori,  weder  mit  dem  andern 
felsehlich  also  sich  nennende  Demetrio,  noch  dem  Stadnitzken  ^)  jrkeine 
practiken  gehabt,  bittende,  wo  jemands  ettwas  in  contrarium  auff  Ihn  wiszend, 
derselbe,  wo  er  anders  einer  Ehrlichen  adelichen  gemuhtes,  esz  in  facie  Rei- 
pub.  vorbringen  vnd  beweisen  wolte,  würde  er  aber  solches  nicht  beweisen, 
die  geburliche  strafe  tragn  solte.  Herr  Calischer  Castellan  ^  ...  zu  seines 
Yeti  ende  angehengkt  hatt,  dasz  er  zwar  auff  den  Sendomirschen  Woywoden' 
ettwasz  wisze,  aber  er  wolle  solches  priuatim  Kon.  M^*  vnd  den  H.  H.  Sena- 
toribns  offenbaren.    Worauff  der  Sendomirische  Woywoda  den  Callisoher 


machtt  in  die  Moszkaw  zuziehn,  angemerckett  sie  dadurch  mehr  schaden 
alaz  frommen  würde,  den  solte  Dir  M*^  mit  groszem  Volcke  kommen,  würden 
die  Moscowiter,  so  in  den  Polen  anhangn,  in  die  gedancken  gerathen,  alsz 
wen  sie  ganz  beweltigen  vndt  sie  vmb  ihre  kirchn  vndt  religion  gedacht  zu- 
bringn,  dannenhero  sie  orsach  nehmen  konten,  von  den  Polen  abzutreten 
vndt  dem  Suisky  anzuhangn,  dadurch  die  Moscowitersche  Expedition  fiel  ge- 
fehriicher  werden  könte,  den  sie  iemahls  gewesen.« 

1)  Stanislaw  Stadnicki  z  Lancuta. 

*)  Adam  Stadnicki,  Kasztelan  Kaliski. 


144  Eugen  Soepkin, 

Castellan  bey  hogsten  ehren  vermahnet  hatt,  dasz  er  alles,  so  ihm  bewost 
publice  ynd  nicht  privatim  vortragen  vnd  beweisen  solte,  bittende  solches 
ihm  kon.  M^^  auferlegen  wolte;  hinwiedemmb  herr  Calischer  Gastella  geant- 
wortet mit  folgenden  Worten:  Co  kolwiek  P.  Woiewoda  S^domirskij  moui}, 
wszistko  N.  M,  nie  prawda.    Diese  Wordt  habn  ein  grosz  getummel  vnd  ge- 
murmel  erregt,  alsz  dasz  die  H.  H.  Marschalcke  mit  dem  stabe  wie  gewOnlich 
Silentium  öfters  gebothen  vnd  nicht  balde  die  a(d?)  stauten  stillen  haben 
können.   Alsz  aber  der  Sendomirlsche  Woywoda  femer  angehalten  vnd  ge- 
beten, dem  h.  Galischer  Gastellan  zu  aufferlegen,  publice  dasz  jenige,  so  er 
publice  gered,  auszfuhrlich  zu  machen,  seint  die  h.  h.  Senatoren  zu  ihrer  M^ 
getreten  vnd  nach  gehaltener  Vnterredung  hatt  der  h.  Gronen  Marschalck 
neben  Eon.  M^  stehend  offendtlich  auszgespröchen,  wie  Kofi.  M^^  vnd  die 
h.  h.  Senatoren  sehr  versehret  seyen  vnd  können  weder  mit  einem  theil,  dasz 
extra  propositionem  comitialem  geschrittn  vnd  solche  dinge  beygebracht, 
die  an  einen  andern  ort  vnd  stelle  gehöreten,  zufriedn  sein,  noch  dem  theil  es 
zu  gutte  halten,  so  mit  harten  Worten  ds  gegenpart  angegriffen  vnd  ihrer 
M^^  hoheit  nicht  geschonet.    Es  wolle  aber  Kon.  M^t  den  rigorem  itzo  nicht 
gebrauchen,  sondern  sie  beyderseits  vermahnet  haben,  dasz  sie  bedenken 
vnd  erwogen  weiten,  welcher  maszen  dieser  ort  vnd  tag  privilegiret  sey  pu- 
blicis  constitutionibus,  vermöge  welchen  die  H.  H.  Senatoren,  denen  diese 
Sache  zu  vrtheilen  Eon.  M^^  thutt  anbefehlen,  ein  Decretum  werden,  zu  finden 
wiszenn.    Solchem  zu  begegnen  hatt  der  h.  Plotzker  Bischoff  samet  dem  h. 
Posnischen  Woywoden  mit  allem  Vleisz  sich  angelegen  sein  laszen,  damit 
obbenante  adversanten  vnter  einander  möchten  vertragn  werden.    Sintemahl 
nun  von  dieser  Zeitt  an  der  Reichstag  seinen  vortgang  gewonnen,  haben  die 
hh.  Rähte  vnnd  ettliche  von  den  hh.  Landtbohten  sich  angelegen  sein  laszn^ 
damit  der  entwachsene  Span  zwischen  dem  H.  Sendomirischen  Woywoden 
vnd  G/i8tellano  Callissien.  privatim  stihnlich  möchte  beygelegett  werden,  wel- 
cher Tractat  mehr  alsz  in  die  8.  tage  gewehret,  aber  dennoch  nichts  frucht- 
barliches  geschaffct  worden,  angemerckt,  das  beyderseits  vuträgliche  Gon- 
ditiones  vorgeschlagn  worden.    Nichts  daveniger  weil  Ihr  Eon.  M^t  so  woU 
dem  h.  Sendomirischen  Woywoden,  alsz  dem  Gastellano  Galissiefi.  interdici- 
rct,  dasz  sie  vngeschlichteter  sachn  die  Reichs  Rahts  Session  nicht  halten 
solten,  habenn  sie  ihre  senatoriam  existimationem  dennoch  in  acht  genommen 
vnd  derowegen  auff  persuasion  ihrer  gutteu  freunde  ihre  begangene  vngebühr 
nichtt  allein  ihr  Kon.  M^t,  sondern  auch  dem  gantzen  senatui  abgebehten, 
welches  auch  ihre  Eonigliche  M^^  ihrer  angobornen  mildikeit  nach  gnädigst 
augenommn.    Nichts  weniger  die  h.  h.  Senatoren  auch  die  vorige  senatoriam 
amicitiam  et  humanitatem  ihnen  polliciret.    In  des  aber  gleichwoU  zuuerneh- 
men,  das  zwischen  denn  beyden  h.  h.  Senatoren  ein  rancor  animi  verbleibet.« 
»Den  11.  Octobris  batt  ihre  Mj^  abermahls  Griminalsachen  gerichtet. 
Die  h.  h.  landbobteu  aber  angemerckt,  das  die  viclheitt  der  Votorum  die  Zeitt 
offtmahls  vergeblich  hinweg  bringet,  dahin  geschloszen,  das  zu  den  obliegen- 
den Sachen  gewisze  herren  deputaten  solten  auszgesetzet  vnd  angeordnet 
werden,  wie  sie  dan  quoad  modum  et  continuatioem  Belli  Moscouitici  vol- 
lende deputation  getroffn,  nemblich  ex  ordine  senatorio  den  H.  Gnisenschn 


Wer  war  PseadodemetrinsL?  145 

ErtzbiBchoffi  h.  Ploczker  Bischoff,  Posinschen  ynd  Kiovischen  Woywoden, 
h.  Beichs  Marschalk  vnd  h.  Gronunter  Cantzler.  £z  ordine  DD.  Nunciornm 
terreetrium  14.  personen  ex  palatinatibus  nimirum  Majoris  et  minoris  Polo- 
niae ;  ex  Dncatn  y.  Lithuaniae  4.  personen.  Vnter  andern  bey  dieser  depnta- 
tion  erwehnet,  dasz  die  qnarta  de  bonis  Regalibus  von  den  hfa.  Senatoren  in 
magno  Ducata  Lithnaniae  ad  continnatioem  belli  Moscovitioi  auch  gefallen 
Bolte.  Diese  sacbe  ist  volgendts  in  etlichen  tagen  agitiret,  entlich  auffs  paplr 
gebracht  vnd  sowoU  in  senatu  alsz  in  der  hh.  Lantbohtenn  Stuben  ad  rati  ha- 
bitiom  vorgetragen  worden;  wie  hindn  nach  diesem  recesz  in  capitibus  deli- 
berationum  zusehen  ist.« 

Der  Anhang  zu  dem  Recesse  enthält  auch  wirklich  die  Verband- 
langen  über  den  Krieg  gegen  Moskau,  welche  in  dieser  specialen  Com- 
mission  vorgegangen  sind  ^).    Der  Bischof  von  Enjavien  Laurentius 


^)  Capita  Delifoerationum:  1)  Quae  subsidia  belli  ducenda;  2)  Quis  mo- 
dus eiusdem  gerendi. 

Auf  diese  Fragen  erfolgen  die  Vota  der  Mitglieder :  »Votum  Je  Msci  X. 
Kanclerza  Biskupa  Eniawskiego  (Laurentius  G^bycky) :  . .  Miales  W.  K.  M. 
occasi^,  miales  y  snmmam  aequitatem.  Przodkowie  W.E.M.  mieli  nie  male  In- 
teresse do  tey  ziemie  (co  szerzy  Ich  M.  recensuerunt]  tak  ii  tez  Carowie  Mos- 
kiewBcy  byli  nieiako  Vasalli  przodkow  W.  E.'M.  Mislü  o  tym  Dimitr  zabity, 
zeby  aggregaret  Moskwa  Christianitati,  aby  byio  terrori  mocy  Moskiewski. 
A  to  nie  dokazawszy  tego  zszedl:  W.E.M.  lauream  t^  zostawi}:.  0  tym  nie 
discurrui^  iesü  byi  legitimus,  a  togo  Bog  znios}.  Drugi  nast^pil  impostor, 
zwiodl  ich  byt  wiele  ale  y  ten  ust^ic  musial;.  Post^piles  W.  E.  M.  tak,  iako 
ten,  ktory  instum  bellum  zaczyna.« 

»Votum  Je®  mci  X.  biskupa  krakowskiego  (Tylioki) :  Woyna  ta  nie  lest 
przecsiwna  prawu,  ale  owszem  powinna,  potrzebna  y  pozyteczna.  Byla  roz- 
gloszona,  na  seimiki  podana,  na  Seimie  agitowana  &c.  Bylo  to  z  pozytkiem 
Rptey,  pokoy  by  wzruszony,  zaznie8zieniemyDo'odonowego(Urodzonego?) 
Dymitra,  Szuiskiego  niepewnosc,  impostorow  fortuna,  ziemia  byla  otworzona, 
mieli  na  to  oczy  S^siedzi,  podawal  Carolus  Stryi  W.  E.  M.  syna  swego.  Jesli 
teraz  W.E.M.  lest  iniurius,  nusz  kiedy  by  mial  Moskw^.« 

»Episcopus  KiouieS  (Eazimirski) :  . . .  Hierauff  zu  der  Proposition  ge- 
schritten, vnndt  erstlich  auf  dieses,  ob  man  diese  Expedition  weiter  armis 
prosequiren,  oder  ob  man  sich  in  tractaten  mit  den  Moscouitem  einlaszen 
soll,  dahingeschloszen,  das  weill  Qott  der  Herr  so  einen  felicem  successum 
hoius  belli  gegeben  hette,  alsz  solte  man  solchem  femer  aufs  beste  nachsetzen, 
den  belangende  der  tractaten,  konte  man  keines  weges  darauf  bawen,  in  be- 
trachtung  das  die  Nation  der  Moscouiter  also  beschaffen  sey,  dasz  sie  zwar 
zu  tractiien  nicht  ehe  sich  begeben,  esz  sey  den  das  sie  befinden,  das  man 
albereit  ihnen  den  fusz  auf  den  halsz  gesetzet,  so  wehre  doch  auch  zu  der 
Zeit  ihnen  nicht  zu  trawen.  Dieses  bewiesz  S.  Hochw.  Gn.  mit  vielen  Exem- 
pelo,  derowegen  weil  man  ihnen  nicht  zu  trawen,  Alsz  solte  man  armis  die 
Sachen  continuiren,  sonderlich  weil  man  auch  augenscheinlich  sehe,  dasz 

Arehir  fftr  slaTiscbe  Philologie.    XXI.  10 


1 46  Eugen  ScepkiD, 

G^bicki  meinte,  dass  der  König  sowohl  Gelegenheit,  als  auch  Recht  ge- 
habt hat,  den  Krieg  gegen  Rassland  zu  beginnen.    Er  wollte  nicht  die 


Gott  die  Waffen,  so  sie  wieder  Ihr  May"  vndt  dero  Volck  hotten  gebrauchen 
wollen,  auf  sie  gewcdet  vnndt  sie  damit  geschlagen  . .  Den  jungen  Printzen 
daselbst  einzusetzen  wehre  kein  raht,  weil  es  gens  perfida  wehre,  welche 
auch  ihren  angebornen  Herren  nicht  wehren  getrewe  gewesen.  Illustrirte 
dleszes  auch  mit  Ezempeln,  yermeinete  das  dasz  Landt  in  provinciam  redu- 
ciret  wUrde,  also  das  die  Einwohnner  auf  die  weise  ihre  gütter  hielten  wie  sie 
ynter  der  Moscouitischer  obrigkeit  dieselbe  gehaltten  vndt  dasz  auch  auf  die- 
selbe weise  alles  ad  Thesaurum  Regni  gebracht  werde ;  Da  mann  auch  Colo- 
nias  transferiren  woltte,  liesze  er  ihme  solches  auch  wolgefallen.  Belangende 
die  gefahr,  derer  man  sich  wegen  Schweden,  Dennemarcken,  Item  dem  Tar- 
taren Vnnd  sonst  zubefürchten,  würde  allem  leichtlich  können  gewehret  wer- 
den, wofeme  man  diese  Moscoultische  Sachen  recht  fortsetzen  wUrde. .« 

Votum  Jeo  Msci  P.  Woiewodi  S^domirskie^ :  ». . .  (w)  krotce  te  rzeczy 
7  capita,  o  ktore  mnie  odnioszono  do  W.K.M.  pokornie  przeloz^  y  na  nie  od- 
powiem.  A  naprzod  niech  nie  b^dzie  przykro,  ze  pierwsze»  Dimitra  Dimi- 
trem,  a  wtorego  nazwanym  Dimitrem  zwac  b^d^,  bo  mu  y  wtey  Coronie  choc 
nomen  dawano,  y  W.K.M.  w  listach  swoich  do  nie»  dawal  mu  titul  kniaza 
wielkieo  Moskiewskieo ;  ozdobilesz  moie  widanie  iey  (cörki?)  swoi^  bytno- 
sci^.  Mniemam,  ze  W.  K.  M.  widzial  Act  Poslow  swycb,  co  z  nym  tractowali, 
a  oszobliwie  o  articul  o  imieniu  otropinskiem,  nie  dla  tego  mowi^,  ze  bym 
tych  rzeczy  bronit,  ale  zem  ia  nie  za  Otropina  ale  kniaza  Moskiewskieo  dal 
Cork^  moi^.  Miedzy  P.  P.  Posly  tam  wspomnial:  ktosz,  abym  siq  sprawowal ; 
dostoi^  kazdemu  placu,  kto  my  co  zadac  chce.  Niech  sobie  ten  czlowiek 
spomniey,  ieslym  ia  to  rzeczy  skrycze  prowadzil,  iesli  si§  z  tym  kry},  ieslym 
do  uieboszczyka  P.  Iletmana  Coronneo  opowiedai^c  si^  nie  iezdzii;  prawda, 
ze  mu  üq  do  konca  nie  spodobalo,  ale  nie  bronil  mie  przeci^  y  owszem,  gdyni 
wyiezdziai,  llogosiawit.  Nikt  my  niech  nie  zadaie,  abym  to  skodzie  Rptey 
czynil:,  p(r?)owadzilem  go  iako  Gzara,  prowadzilem  iako  tego,  ktorc»  Mos- 
kwa pod  Putuolem  dobrowolnie  przyi^la,  koronowala,  a  potym  y  zabiia. 
Drugy  punct:  Izem  dla  pracktikiey  y  ku  niebespieczienstwu  Rptey  dal  Cork^ 
BW^  Dimitrowi.  Nie  uczynilem  tego  z  wlasney  swey  rady,  wlozytem  to  byl 
na  W.  K.  M.  y  na  Ich  M.  P.  P.  Senatory.  Nawet  balem  si^  tego  scz^scia,  ktore 
ludzie  sczQsciem  zwali.  Trzy  seimy  min^ly,  nikt  mnie  y  tego  postempku 
nie  ganil.  Teraz  mnie  dopiero  chlostac  chca;  niewiem  o  co  siq  na  mnie  fra- 
sowac?  Otom  byi  z  laskiey  Bozey  pierwszym  instruenczykem  scz^scia 
J.K.  M.  y  dobrego  Rptey,  niemasz  mie  o  co  traducowac,  nie  w^tpi^,  ze  to  tu 
mieisca  miec  nie  b^dzie.  Trzeczy  punct:  za  prowadzenie  corky  moiey,  ze- 
bych  mial  directe  przeciwko  oiczyznie  y  W.  K.  M.  praktikowac.  Jesli  cnot> 
liwy,  niech  my  to  zada  y  wywiedzie;  wyswiadczy  mnie  cnota  moia,  w}*- 
Bwiadc^  y  przywileie,  w  ktorych  wi^c^m  dobreo  Rptey  niz  swe^  ostrzegaL 
Spytac  by  si^  raczey,  iesli  tu  kto  nie  praktikowal,  ze  Dimitra  tak  pr^tko 
zprz^tnlono,  y  to  ze  na  nas  niebespieczenstwo  przyszlo.    Jeden  poselt  bez 


Wer  war  Psendodemetrias  I.  ?  147 

Frage  auseinandersetzen,  ob  D.  I.  der  rechte  Carevic  war  oder  nicht ; 
jedenfalls  hatte  D.  den  Gedanken  gehegt,  Russland  der  katholischen 


drngiego  ma  11  praktikowac?  ma  11  osobno  inscio  alio  co  traktowac,  prawem 
Liihewskiem  tak  ipso  facto  infamis?  A  Woiewoda!^  by  to  Sendomlrsky  o 
krolestwo  praktikowac  mMf  Nigdy  we  mnie  tak  zleo  animuszu  nie  bylo. 
Izalem  ia  sohle  po  nich  tarn  wi^cylej?)  obiecowac  mial,  niz  po  W.E.M.,  kto- 
re<)  dobrodzieistwa  dozna}  y  syt  ich.  Mowi^  to  smiele,  iz  my  si^  Dimitr  teo 
nigdy  nie  zwierzal,  y  czasn  nawet  nie  bylo,  pr^tko  nas  pozabirano,  powle* 
zono,  pobito;  sczere  to  plotki,  wrzod  to  Bptey  naszey  szkodliwy;  nie  za- 
biez  ly  W.K.H.  temn?  Umieimy  (nimiemy?)  sie  za  pasy,  opowiedziawszy  siQ 
W.  K.  M.;  by  y  wszltko  straczyc,  nie  drosze^  nad  slaw^,  przy  tey  nmrzec 
gotowem  y  powinniem.  Powrocilem  biq  do  obozu :  to  dla  praktik!  A  Dobro- 
wolniezem  to  nczynil?  Trzy  tysi^ce  ludu  do  mnie  poslano,  zast^piono,  pol- 
mano,  obrazono,  okrötnie  si^  z  nami  obeszio,  byl  F.  Radumski  (Ratomski) 
wiemy  slnga  y  Senator  W.  K.  M.;  pytalismy  ich  dla  czego  nas  powracacie? 
wiemy,  iz  to  Dimitr  nie  lest;  bylo  to  Iz  przysi^ano,  ze  ten  wlasny,  a  nie 
inszy;  my  gdyszmy  snmnieniem  takze  oswiadczali,  ze  nie  ten,  mowili: 
WBzy tkie  nasze  zaslugi  na  tym,  gdy  ten  przyznany  b^dzce ;  y  tak,  tozmy  mu- 
sziel],  uczinilysmy.  Szlubowali  nam,  ze  nas  daley  prowadzic  nie  mieli;  za- 
stalismy  P.  Sapi^,  kazano  nam  daliey ;  proszilismy  ratunku  u  nieo,  aby  nas 
wiodl  do  Polskley ;  chcia),  ale  podolac  temn  nie  mog}.  Wi^  y  zaci^gn^l  sie 
losz  by}  insz%  obietnic^ ;  y  tak  od  Samka  do  Samkn  nas  pomykano.  Potym 
gdysz  Biq  i^Ia  trwozyc  Moskwa,  patrz^c  na  nas,  do  obozu  nas  poci^gniono, 
po  kiika  nocy  smiercyi  mey  czekali,  przymnszali  nas,  abyzmy  go  przyznali ; 
inaczey  stracili  byzmy  zaszhizone.  Pisaia  Gorka  moia,  ale  rozumei^c,  ze  ten : 
bo  gdy  y  trupa  ogladano«  powiadano,  ze  nie  ten;  niechai  tedy  nieprzyiaciel 
nie  mowj,  zeby  dobrowolne  to  powracanie nasze  bylo;  potwierdzait^  tQ  mowQ 
8w%  zaniechao  tego  nie  möge,  ze  zaras  przy  Przy  wroceniu  nadalo  si^  P.  Ra- 
domskiemo,  isz  przystawowie  naszy,  co  zostalj,  powiedali  tak :  zal  nam  was, 
mniemamy,  ze  wiecie,  isz  to  nie  ten  czlowiek.  Alle  uczyncie  tak,  pofolguicie 
n^  troch^  y  naci^gao  b^dziemy  nato,  abysmy  my  to  Panstwo  na  krola  Je« 
Hscj,  abo  na  krolewica  przywodzily.  I.  M.  P.  Radomskj,  chc^c  te  rzeczy  do 
effectu  przywie^ö,  zwierzyl  bIq  niektorym;  ale  ze  sIq  rzeczy  nie  nadaly, 
widz^  niestateczno6<5,  odiecfaal ;  ktorego  gdyby  byi:o  dogoniono,  gardio  by 
dac  musial.  Weszla  potym  w  traktaty  Moskwa:  chciahi  mi^  miec  potym, 
wskazali  przez  Moskwicina,  ze  potrzeba  sIq  n^m  z  woiewod^  widziec :  Wyie- 
chalem  do  niofa,  niedali  ml  nie  mowic,  Tylko  odpowiedziec,  wtasny  li  to  t^n 
czy  11  nie.  Odpowiedzii^lem,  nie  ten  lese,  ale  wy  powiedzieliscie;  pod  obron^ 
krolowj  Polskiemu  wszyscy  poginiecie.  Byl:a  ta  Rozmowa  z  Galizynem  An- 
drzeiem,  ktory  iusz  powiedai^  umari;  Jest  Iwan  Brat  iego,  ktory  wie  o  tym, 
tesz  go  pytai  W.  K.  M.  A  sti|d  wiara  y  zyczliwoso  moia  pokaze  s!^.  Pi^ty 
Punkt:  Woiewoda  odiechal  Gorkiey,  aby  na  seimie  practicowal;  zgadleszl 
azalim  ia  te^  W.  K.  M.  nie  radzil,  cos  wsl^  przed  biq;  de  modo  w  prawdzie 
nie  spodziewalem  bIq,  abys  to  mial  sine  consensu  Ordinum  uczynicz.   Ktosz 

10* 


148  Eugen  §cepkin, 

Kirche  einzuverleiben,  nun  hat  er  diesen  Rahm  dem  Könige  Sigis- 
mund  ni.  znrflckgelassen.    Auch  der  Bischof  von  Krakau,  Tylioki, 


colwiek  to  byl,  Kainzaniuli,  kowalski  li  syn,  —  nie  wiem,  kto  oica  iego  w 
Ealudze  znai  —  radzilbym  Byi  przeci^,  abys  go  byl  W.  K.  H.  inaczey  trak- 
towal,  nie  abysz  przyznawal,  czego  w  nim  nie  byio,  ale  zebys  byi  znim  po- 
8t%mpü  inaczey  dla  Raznieiszego  tamtych  rzeczy  dopinania.  Odiachalem 
Corkj  bo  nie  moglem  iey  wzi^  z  sob^,  uprosiciem  iey  nie  mogl  u  niego;  wie« 
dzial  CO  mu  na  niey  nalezai:o,  woltl  sobie  dogadzac,  nisz  mnie;  w  pocciwym 
wiQzieniu  bylizmy,  malzenstwo  to  nie  dobrowolne  byio.  Mowieiem  ia,  aby 
si^  miala  na  pieczy,  bo  ten  czlowiek  zostac  si^  na  placu  nie  moze.  Mowielem 
y  drugim:  iusz  wy  czyncie  co  cbcecie,  chybicie  brodu,  iezli  rzeczj  K.  J.  M. 
pOBtrzegac  nie  b^dziecie.  SzostyPunct.  A  pisales  do  Moskwy?  iakoszOcieo 
do  Corkiey  pisac  niema !  musialem  simulationibus  navabiac,  abym  Cork^  z 
moskwey  wybawii;  ampak  moie  tam  listy  dochodzily  y  wiem,  ze  ie  chowai^, 
niech  publice  przeczytane  b^d^,  ni  w  czym  si^  tam  wiara  moia  nie  posliznela 
przeciwko  W.  E.  M.  Mowi^,  zes  rady  dodawai:  czy  zato,  ze  mnie  zlupi%no? 
Dia  tego  podobno,  seby  Corka  moia  Gzarowa  byla?  Barzo  dobrze  1  owszem 
takem  iey  mowih  iepiey  w  polszcze  u  krola  Jeo  Msci  uprosic  k^noik  iakiey, 
nisz  Gzarow^  byc;  y  by  mi  byl:o  nie  zabraniono  pisania,  Iepiey  by  byiy  rze- 
czey  poBzly  na  stron^  W.K.M.  Bjl  ten  Rumor,  zes  y  W.E.M.  obiecal  iey  do- 
brodzieistwo  pokazac,  ale  ona  nieboz^ntko,  ysz  moia  Rada  nie  przyst^piia,  zle 
Bobie  poczQla,  y  teras  nie  wiem,  co  si^  zni^  dzieie,  k^dy  lese,  czy  zywa;  z  k^d 
wielkj  zal  ndec  iak  Ociec  muszQ.  Bog  bIq  pomsciey  krzywdy  moiey.  Stra- 
ciiem  dzieci:  Pokiey  b^d^  mogl,  b^d^  prosii  W.  E.  M.,  zeby  do  konca  etra- 
cona  nie  byla;  gdysz  y  rzeczi^  W.E.M.  expedit  to.  Siodmy  Punkt.  Jako  bym 
z  Batorym  praktikowi^.  Ato  zk^d  P.Bracie?  Takasz  by  to  moia  cnota,  iako 
twoia?  CO  calumniam  idziesz?  m^m  y  zaiyw^m  dobrodzieistw  W.  E.  M.,  a 
wielki  to  pien  iest  do  post^mku  tak  niecnotliwego.  H^mli  si^  przy  kim  opo- 
wiedaö?  iestem  cnotliwy  y  Boga  si^  boi^cy  Catolik.  Gorke  mu  chciaiem  dac? 
a  on  ma  wiasn^  zon^  y  do  dzieBi^ci  nie  wiasnych  przy  niey:  tak  cnotliwy  iako 
y  ty  I  Bodai  si^  tacy  nie  rodzili.  Daliey.  Woiewoda  Sabaty  (Eabaly?)  w  ko- 
ronq  wprowadziL  Dowiedziesz  ze  tego?  anie,  daleg^osz  mie  to?  Gzemus 
nie  przestrzegi  o  nych:  a  wiedzialem?  a  mniesz  to  zlecono?  pis^no  do  in- 
Bzych.  Mnie  min^e6zW.E.M.;  dziwowalem  bIq,  zcb  mi  sluzycBobie  nie  kazal, 
y  opuBcilem  rQce.  Ale  lest  zes  to  Woiewody  Sendomierskiego:  Atyczemus 
takze  nie  bronil  ?  Jasna  y  nie  siuszna  traductia  —  Pana  Stadnickiego  prze- 
chowywa]^em:  albo  nie  wiesz,  cos  iest  Jus  jHospitalitatiB,  co  krew?  ale  do- 
wiedz,  com  mn  ziego  radzU;  y  owszem  iuBzzem  go  by}  przywiodl  do  tego,  aby 
Bi^  Ghrzesciansko  spowiedai.  Gniewalem  si^  o  smierc  iego:  y  czosz  wi^ksza, 
o  zginienie  si^  przyiaciela  frasowacz,  czyli  na  krew  bw^  nast^powacz?  Pobo- 
row  S^deckich  odradziiem  dawac:  Nie  odradzalem;  Ale  Burgrabia,  üng& 
moj,  nato  si^  podpiBal.  A  ia  com  winien?  czyli  ia  to  mu  rozkazowai,  albo 
Instructi^  dawi^?«  Nun  kommt  Mniszech  auf  die  Propositionen  zu  Bprechen: 
»Przy  traktaciech  wybawic  GorkQ  moi^,  —  strony  ktory  przykrzyc  bIq  nie 


Wer  war  Pseadodemetrius  L?  149 

vertheidigte  den  Krieg  und  machte  dabei  einen  Unterschied  zwischen 
D.I.  nnd  den  späteren  »Betrügern^.  Sehr  gehässig  sprach  gegen  Rnss- 
land  der  Bischof  von  Eiev.  Er  glaubte,  dass  man  sich  auf  Verträge  mit 
den  treulosen  Moskowiten  nicht  verlassen  dflrfe.  Es  wäre  auch  aus 
demselben  Grunde  gefährlich,  den  jungen  Prinzen  (Wladislaw)  dort  auf 
den  Thron  zu  setzen.  Da  also  Oott  die  polnischen  Waffen  mit  Sieg  und 
Erfolgen  gesegnet  hat,  so  solle  man  Russland  in  eine  Provinz  der  Krone 
verwandeln  und  Kolonien  im  Lande  ansiedeln.  Sehr  wichtig  ffir  die 
Geschichte  der  Wirrenzeit  ist  das  Votum  des  Vojevoden  von  Sandomir, 
Jeszech  Mniszech,  weil  er  darin  sein  Verhältniss  au  den  beiden  D.  I. 
und  n.  aufklärt  und  rechtfertigt.  Der  Vojevode  besteht  darauf,  den 
Caren  Demetrius  auch  jetzt  noch  bloss  als  D.  erwähnen  zu  müssen,  den 
zweiten  D.  aber  als  den  9  Falschen  «r  D.,  da  ja  der  König  Sigismund 
selbst  dem  Ersten  D.  den  Titel  des  Caren  gegeben  und  die  Hochzeit  der 
Tochter  des  Mniszech  durch  seine  Gegenwart  geehrt  hat.  Der  König 
mag  wohl  den  Namen  eines  Otrepjev  in  den  Acten  seiner  Gesandten 
gesehen  haben.  Mniszech  muss  aber  dagegen  antworten,  dass  er  seine 
Tochter  nicht  dem  Otrepjev,  sondern  dem  Grossfflrsten  von  Moskau  zur 
Frau  gegeben  hat.  Der  Vojevode  hat  seine  Verbindung  mit  dem  D.  I. 
Niemandem  verheimlicht,  hat  sie  sogar  selbst  dem  Hetman  Koronny  an- 
gekündigt. Dieser  hat  zwar  an  seinem  Unternehmen  kein  Gefallen  ge- 
fundeU;  hat  es  aber  auch  nicht  verboten,  soll  sogar  dem  Mniszech  per- 
sönlich seinen  Segen  dazu  ertheilt  haben.  Niemand  könne  dem  Voje- 
voden vorwerfen,  dass  er  seinem  Vaterlande  dadurch  geschadet  hätte  : 
er  hat  den  D.  nach  Moskau  als  den  Caren  geleitet,  welchen  die  Russen 
selbst  bei  Putivl  aus  freien  Stücken  anerkannt  haben.  Der  zweite  Punkt 
der  Anklage  gegen  den  Vojevoden  M.  lautete,  dass  er  aus  Ränkesucht 
nnd  auf  die  Gefahr  der  Republik  seine  Tochter  dem  D.  zur  Frau  ge- 
geben hätte.  Indessen  hat  es  Mniszech  nicht  eigenwillig,  sondern  mit 
Wissen  des  Königs  und  der  Senatoren  begangen.  Drei  Reichstage  sind 
verflossen,  ohne  dass«  ihn  Jemand  dafür  getadelt  hätte.  Der  dritte 
Punkt  lautet:  Mniszech  hat  seine  Tochter  nach  Moskau  geführt,  um 
gegen  sein  Vaterland  und  den  König  Ränke  zu  schmieden.    Aber  der 


bfd^;  iesli  to  ku  lepszema  Rptey,  ze  tam  zginie,  niechay  zginie,  ieslisz  tez 
nie,  tedy  Oicowski  moy  affect  nie  moze  iedno  iey  zyczyc  iasky  W.  E.  M.  Z 
Batorym  co  czynicz?  By  byla  gotowosc,  byl  by  sposob;  nie  potykac  iednak 
tego,  CO  uczyniel;  obezlacz  go  z  tym:  nie  usprawiedliwiszli  si^,  b^dziem  tego 
na  tobie  patrzyc ;  a  nie  czynmy  silentio  audacem  «  etc. 


150  Eugen  ^cepkin, 

ehrbare  Name  des  Vojevoden  spricht  für  ihn,  es  rechtfertigen  ihn  auch 
die  von  ihm  erlangten  Privilegien,  in  denen  mehr  das  Wohl  der  Re- 
publik, als  sein  privater  Nutzen  beobachtet  worden  sind.  Man  sollte 
eher  nachforschen,  ob  nicht  Jemandes  Ränke  in  Polen  die  Schuld  daran 
tragen,  dass  Car  D.  so  jäh  gestürzt  ist  und  dass  die  Polen  in  Moskau  in 
Gefahr  gerathen  sind.  Der  Vojevode  durfte  sich  auch  niemals  soviel 
Gutes  vom  Garen  versprechen,  wie  er  es  bereits  seitens  des  Königs  ge- 
nossen hatte.  Demetrius  hat  dem  Mniszech  nie  irgend  welche  Anschläge 
gegen  Polen  anvertraut.  Das  ist  alles  Klatscherei,  das  ist  ein  gefähr- 
liches Geschwür  am  Körper  der  Republik.  Sollte  man  nicht  mit  dem 
Schwerte  in  der  Hand  dagegen  auftreten  ?  Es  wird  dann  dem  Vojevoden 
von  Sandomir  vorgeworfen,  dass  er  den  Weg  nach  dem  Lager  des  an- 
deren Demetrius  genommen  hätte.  Wohl  auch  der  Ränke  halber  I  Man 
sollte  erst  fragen,  ob  es  aus  freien  Stücken  geschehen  ist?  Drei  Tausend 
Kriegsleute  wurden  dem  Mniszech  nachgesandt,  sind  ihm  in  den  Weg 
getreten.  Mniszech  und  M.  Ratomski,  der  bei  ihm  war,  haben  vergebens 
dagegen  eingewendet,  man  solle  sie  nicht  zwingen  umzukehren,  denn 
sie  wüssten  ja,  dass  es  nicht  der  rechte  D.  wäre.  Trotz  aller  Schwüre, 
als  ob  es  der  echte  wäre,  und  trotz  der  Verlockungen,  durch  ihre  Aner- 
kennung sich  Verdienste  beim  Betrüger  zu  erwerben,  haben  Mniszech 
und  seine  Gefährten  nach  ihrem  Gewissen  gezeugt,  dass  es  nicht  der 
Oar  D.  wäre.  Da  trafen  sie  weiter  den  Jan  Peter  Sapieha  und  baten 
ihn  um  Beistand,  dass  er  sie  nach  Polen  führe.  J.  Sapieha  war  zwar 
damit  einverstanden,  hat  es  aber  nicht  durchsetzen  können.  So  wurde 
Mniszech  von  einer  Burg  zur  anderen  geschleppt.  Die  Russen  hatten 
indessen  keine  Ruhe:  der  Vojevode  musste  abermals  nach  dem  Lager 
geführt  und  gezwungen  werden,  den  Betrüger  anzuerkennen.  Man 
glaubte  schon,  dass  das  Leben  des  Vojevoden  in  Gefahr  stehe.  Die 
Tochter  hat  ihm  geschrieben,  wobei  sie  ihren  Glauben  an  die  Echtheit 
des  D.  dadurch  rechtfertigte,  dass  man  bereits  in  Moskau  nach  dem 
Sturze  und  der  Ermordung  des  Caren  D.  an  der  Identität  des  Leichnams 
gezweifelt  hat.  Mniszech  konnte  auch  die  Unterhandlungen  des  M.  Ra- 
tomski  mit  seinen  Hütern  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen.  Die 
Hüter  riethen  ihm  nämlich,  den  D.  H.  äusserlich  anzuerkennen  und  ver- 
sprachen, ihrerseits  die  Krone  von  Moskau  in  die  Hände  des  Königs 
Sigismund  HI.  oder  des  KoroleviS  Wladislaw  zu  spielen.  M.  Ratomski 
hatte  sich  zwar  zuerst  in  diese  Unterhandlungen  eingelassen,  als  er  aber 
später  die  Unbeständigkeit  der  Leute  merkte,  ist  er  da  vongeritten.    Es 


Wer  war  Pseudodemetri  üb  I.  ?  151 

würde  ihm  das  Leben  gekostet  haben,  wenn  man  ihn  damals  eingeholt 
h&tte.  Nun  knüpften  die  Russen  abermals  die  Verhandlungen  mit  Mni- 
szech  an  und  zwar  durch  den  Fürsten  Andrej  Golicyn.  Sie  Hessen  den 
Yojevoden  von  Sandomir  gar  nicht  zur  Kede  kommen,  sondern  wünschten 
nur  die  Antwort  zu  erhalten,  ob  er  den  D.  II.  anerkenne,  oder  nicht. 
Mniszech  hat  auch  diesmal  die  Echtheit  geleugnet.  £r  berief  sich  dafür 
vor  dem  Könige  auf  das  Zeugniss  des  anderen  Bruders  Iwan  Golicyn. 
Der  fünfte  Punkt  der  Anklage  lautete:  Vojevoda  hat  seine  Tochter 
verlassen  und  ist  weggereist,  um  auf  dem  Reichstage  Ränke  zu  schmie- 
den. Darauf  antwortet  Mniszech,  dass  er  für  seine  Person  dem  Könige 
gerathen  haben  würde,  den  D.  II.  (wer  es  auch  gewesen  sein  mag,  ob 
aus  der  8tadt  Kaluga  gebürtig,  ob  der  Sohn  eines  Schmieds)  so  zu  be- 
handeln, dass  man,  ohne  ihn  anzuerkennen,  durch  ihn  seine  Ziele  hätte 
schneller  erreichen  können.  Seine  Tochter  hat  Vojevoda  nur  deshalb 
dem  D.  II.  zurückgelassen,  weil  er  sie  beim  Betrüger  nicht  hat  erbeten 
können.  Ueberhanpt  waren  Vater  und  Tochter  in  einer  ehrenvollen 
Gefangenschaft,  ihre  Ehe  war  diesmal  gar  nicht  freiwillig.  Mniszech 
hat  seine  Tochter  gewarnt  auf  ihrer  Hut  zu  bleiben,  weil  dieser  Mann 
seinen  Platz  keineswegs  würde  behaupten  können.  Er  hat  auch  andere 
Anhänger  des  D.  U.  dazu  ermahnt,  das  Interesse  des  Königs  zu  beobach- 
ten, wenn  anders  sie  keinen  Fehltritt  zu  begehen  wünschen.  Der  sechste 
Punkt  der  Anklage:  Mniszech  habe  nach  Russland  Briefe  geschrieben. 
Es  darf  also  der  Vater  an  seine  Tochter  gar  nicht  schreiben !  Vojevoda 
suchte  ja  sie  nach  Hause  zu  locken.  Jedenfalls  sind  seine  Briefe  im 
Lager  erhalten  und  aufgehoben  worden.  Man  solle  sie  öffentlich  vor- 
lesen, sie  werden  keineswegs  gegen  die  Treue  des  Vojevoden  seinem 
Könige  gegenüber  zeugen  können.  Man  beschuldigt  den  Mniszech, 
Rathschläge  dort  ertheilt  zu  haben.  Natürlich  dafür,  dass  die  Leute 
ihn  geschunden  haben?  Oder  damit  seine  Tochter  Carin  bleibe?  Mni- 
szech hat  im  Gegentheil  ihr  seine  Meinung  klar  geäussert:  besser  ist 
irgend  einen  Zufluchtsort  in  Polen  beim  Könige  zu  erbeten,  als  Carin  zu 
sein.  Wenn  dem  Vojevoden  nicht  verboten  worden  wäre,  an  seine 
Tochter  zu  schreiben,  hätte  die  Sache  des  Königs  davon  nur  gewonnen. 
Da  die  Unglückliche  den  Rath  des  Vaters  nicht  hat  befolgen  können, 
hat  sie  schlimm  an  sich  selbst  gehandelt.  Nun  weiss  der  Vater  selbst 
nicht,  ob  sie  noch  am  Leben,  wo  sie  ist  und  wie  es  ihr  geht.  So  hat  der 
Vojevode  seine  Kinder  verloren  (den  D.  und  die  Marina?).  So  lange  er 
kann,  wird  er  den  König  darum  bitten,  dass  man  sie  nicht  gänzlich  dort 


152  Engen  ^cepkin, 

zu  Gründe  gehen  Ifisst.  Das  fordert  ja  auch  d^A  eigene  Interesse  des 
Königs.  Der  siebente  Pnnkt  der  Anklage :  Mniszech  habe  für  den  Bbt 
thori  Praktiken  gemacht,  habe  ihm  seine  Tochter  zur  Fran  geben  wollen. 
Statt  jeder  Rechtfertigung  weist  Vojevoda  auf  die  Wohlthaten  hin, 
welche  er  seitens  seines  Königs  genossen:  das  ist  ein  Stein  des  An- 
stosses  für  jede  unehrliche  Handlung.  Weiter  lautete  die  Beschuldigung: 
der  Vojevode  von  Sandomir  habe  Kabalen  im  Reiche  gesät  oder  we- 
nigstens sie  nicht  anzeigen  wollen.  Ifniszech  gibt  zur  Antwort,  dass  er 
weder  in  die  Kabalen  eingeweiht,  noch  gegen' sie  aufzutreten  befugt 
war.  Dem  Stadnickij  habe  er  nur,  als  seinem  Gaste  und  Anverwandten, 
Zuflucht  gegeben.  Als  endlich  Mniszech  von  der  Rechtfertigung  zu  den 
Propositionen  überging,  da  schlug  er  vor,  bei  den  Verhandlungen  mit 
Russland  die  Befreiung  seiner  Tochter  zu  fordern,  wenn  es  sonst  nicht 
gegen  das  Wohl  der  Republik  laufen  würde. 

Als  König  Sigismund  III.  dem  Mniszech  seine  Zustimmung  dazu 
gegeben  hat,  den  PD  I.  nach  Moskau  zu  führen,  handelte  es  sich  nur 
darum,  einen  von  Polen  abhängigen  Fürsten  auf  den  Carenthron  zu 
setzen.  Nach  dem  Falle  des  Glückskindes  steckten  die  polnischen 
Staatsleute  ihr  Ziel  viel  höher  auf;  sie  hofften  durch  die  Banden  des 
PD  U.  ganz  Russland  allmählich  in  den  Zustand  der  Anarchie  zu  ver- 
setzen und  sich  dadurch  die  Eroberung  des  Landes  leichtzumaohen.  Die 
stolzen  Hoffnungen  des  Königs  schienen  der  Erfüllung  nahe  zu  stehen; 
als  am  29.  Oktober  1611  s.  n.  der  russische  Car  dem  polnischen  Könige 
in  Gegenwart  des  Reichstages  die  Hand  küsste  ^),  da  glaubte  man,  dass 
die  Stunde  für  die  Suprematie  Polens  bereits  geschlagen : 

»Alsz  derMarschalck  die  Woyivodschafftn,  welche  in  der  Brandeburgi- 
sehen  Sachen  qnoad  coUatiom  feudi  sich  vereinbaret  vnd  dagegn  welche  Pala- 
tinatas  dieser  Intention  znwieder  ordentlich  erzehlen  wollen,  ist  Ihrer  M^^ 
abgeordneter  dazwischen  kommen,  anmeldende,  dasz  die  gefangenen  ISuisken 
itzo  Reipnb.  wurden  prsesentirett  werden:  dero  wegen  sich  die  hh.  landt- 
boten  zue  diesem  solemni  Actui  zu  ihrer  M^^  vnd  den  hh.  senatoribus  finden 
vnd  denselben  bey wohnen  weiten,  welchem  zu  folge  sie  alszbalt  auffgebrochen 


1)  Ein  lateinischer  Bericht  über  die  Huldigung  der  äujskie  ist  in  polni- 
scher Uebersetzung  bei  Niemoewicz  gedruckt  (DzieiePanowaniaZygmuntaHI, 
tom  III).  Er  scheint  einem  Pamphlete  der  Zeit  entlehnt  zu  sein  und  hebt  die 
Auffassung  des  ganzen  Ereignisses  hervor,  welche  damals  in  Warschau 
herrschte  (Przypadla  kaMemu  niezbyt  dawnemi  laty  pami^d  ona  rokowania 
mi^dzy  Krölami  Polskiemi  a  Carami  Moskiewskiemi ,  ktoby  komu  ustQpo- 
waö  mial:). 


Wer  war  PseudodemetriaB  I.  ?  15$ 

▼nd  Boindt  bey  ihrer  M^t  vnd  den  hh.  senatoribas  bisz  an  den  abendt  verblie- 
ben. SonBten  haben  die  ReuBzen,  wegen  ihrer  religion  freyheitt  zabestäügen, 
auch  embBich  bey  den  hh.  landtboten,  damit  solch  negociam  promouiret 
wurde,  angehalten :  Sint  aber  im  gleichen  durch  der  Suisken  ankunfft  in  ihrer 
propoBition  vnd  petitiB  behindert  wordenn. 

Nachdem  nun  die  hh.  landtboten  eametUch  in  den  Reichs  Bäht  sich  ein- 
gestellet,  sint  die  drey  gefangene  bmder  aus  der  Moskau,  Suisken  genat  aus 
ihr  M^  befehlich  in  dero  Gareten  inwendig  mit  schwartzem  Sammet  gefuttert, 
mit  6  roBzen  zu  Schlosz  gebracht,  der  elteste,  welcher  zimlich  graue,  der 
Groszfurst,  so  in  der  Moskaw  nach  des  Demetrij  thodt  regieret  hatt,  BaBÜius 
genandt  gewesen:  Die  andern  beyden,  vnter  welchen  einer  Dux  exercitus 
gewesen,  Demetrius  nomine  mediocris  aetatis,  der  ander  aber  noch  jung  ist 
Juan  genennet.  Der  Elteste  alsz  gewesener  Groszfurst  in  der  Garet  oben  an 
gar  allein  geseszen,  mit  einem  Roten  sammeten  vnd  darauff  einem  von 
goldenstuck  gemachtem  rok.  Vnd  dan  auch  mit  einem  besonderen  gleich 
güldenem  Zindell  Yberrock  vnd  einer  Mützen  mit  einem  hohen  auflfschlage 
von  Schwartzem  fuchs  etc.  bekleidett.  Der  ander  gewesener  Dux  exercitus 
hatt  auch  ein  goldtstuck  zum  vnterrock  vnd  ein  violbraun  Samten  Yberrock 
vnd  der  dritte  alsz  der  jüngste  ein  goltstuck  zum  vnterrock  vnd  ein  Pome- 
rantzfarben  Samten  Yberrock  gehabt,  vnd  beyder  seits  gleiche  mutzen  von 
Rohtem  Sammet  mit  Zoblen  klein  auflfgeschlagen,  Ynd  voran  mit  einem  gül- 
denen borten  besetzett,  alles  auff  ihre  Moskowi tische  art  gemachett.  Der 
gewesene  groszfurst  vnd  jüngste  bruder  mittelmesziger,  der  mittelst  bruder 
aber  zimlicher  hoher  statur.  Alsz  sie  an  der  treppen,  da  man  ins  gemein  zu- 
schlosz  hinauflf  in  die  Stuben  der  hh.  Senatoren  gehett,  von  der  Gareten  ge- 
treten, hatt  sich  Ihr  Gm.  G.  der  Kyouische  woywode  h.  Zolkiewskj,  [der  Gro- 
nen  felthaubtman  straohs  zu  ihnen  funden,  welchem  sie  mit  neigung  des 
Haubts  ihre  reuerentz  gethann ,  Darauff  halt  wolgemelter  h.  Felthaubtman 
ihne  vorgangen,  wie  woll  vor  dem  h.  felthaubtmann  auch  ettliche  Yornehme 
hh.  von  der  Ritterschafft  gangen  sint.  Sindt  derogestalt  die  3.  gefangene 
Suisken  in  der  hh.  Senatoren  Stube,  mit  welchen,  wie  auch  den  hh.  Land- 
boten Ihr  Eon.  M't  albereit  in  session  gewesen,  gebracht  vnd  ihrer  M*^  wie 
auch  toti  Reipub.  zum  Vorschein  gestellett  worden,  da  dan  der  h.  felthaubt- 
man nebenst  den  gefangenen  Suisken,  welche  vorgengig  zu  bezeigüg  ihrer 
Ynterthenikeitt  ihre  heubter  auff  die  erdn  gesenkett,  stehend  eine  oration 
gehalten,  dero  summa  gewesen :  das  er  erstlich  Ihrer  M^^  besonderes  glück 
vnd  Yictorias,  so  der  allerhOgste  derselben  nicht  allein  bey  Smolensk,  son- 
dern auch  wieder  ander  ihre  feinde  gnädigst  verliehen,  hoch  praediciret,  also 
das  man  auch  von  dergleichen  bey  regierung  der  vorigen  hochloblichstn 
Eonigen  vnd  herrn  dieser  Eronen  nie  erfahren.  Demnach  er  dan  die  Res 
gestas  ihrer  M^^  mit  des  Alexandri  Magni,  Julij  Gaesaris  vnd  anderer  Monar- 
chen vnd  hohenn  Potentaten  rebus  optime  gestis  nicht  allein  compariret,  son- 
dern auch  vielen  vorgezogen.  Zu  mehrem  beweisz  deszen  er  Amplitudinem 
MoBcouiae  feliciter  occupatae  angezogen,  welche  fast  vnuberwindtlich  ge- 
Bchienen,  vnd  dennoch  durch  gottliche  hülf  in  ihrer  M^t  band  vnd  gewalt  ge- 
dien :  Ja  der  grausame  groszfurst  selbst  nebenst  seinen  brudem,  so  er  hiemitt 


154  Eugea  ^cepkin, 

Ihrer  Kon.  M^^  et  uniusreae  ßeip.  praesentiren  thete,  gefangen  hinweg  ge- 
fuhret  worden.  Ob  nun  woll  dieselben,  alsz  menschen,  ihr  Vnglück  getroffen, 
weren  es  dennoch  hohe  vnd  fürstliches  Standes  Personen :  Wolte  demnach 
Ihre  Kon.  M^t  in  gebührender  reuerentz  gebehten  haben,  dieselbte  ihrer  ange- 
bornen  sanfftmnht  vnd  clementz  nach ,  welcher  halben  sie  beij  menniglich 
allezeitt  einen  besonderen  Preisz  gehabt,  auch  auff  diese  3.  gefangene  fürst- 
liche Personen  ein  gnadiges  äuge  trag»,  Vnd  ihreClemenz  in  der  gebührlichen 
Vnterhaltung  im  gleichen  auch  an  ihnen  verspieren  laszenn. 

Ihre  M^t  durch  ihre  Gm.  G.  den  h.  YnterCantzler  solches  beantworten 
laszon,  da  sie  dan  erlangtes  gluck  vnd  sieg  dem  lieben  Gott  vornemlich  mit 
Danck  zugeschriebn,  nichts  do  (desto?)  weniger  aber  desz  h.  felthaubtmans 
tapfrikeidt  gepriesen  vnd  toti  Reipub.  commendiret,  sintemahl  negst  gött- 
licher hilffe  er  bey  dem  Kriegswesen  sich  ritterlich  verhalten,  durch  welches 
Raht  vnd  thatt  auch  diese  gefangene  vnter  Ihrer  Mtt  haut  vnd  gewaltt  weren 
kommen:  Seiner  bitte  wolte  ihre  M^t  eingedenkt  sein  vnd  die  gepraesentirete 
gefangene  in  gnaden  auffnehmen,  derer  sie  hinfuro  solten  zugenieszen  haben. 
Sint  also  die  drey  gefangene  Suiskon  zu  ihrer  M^t  handt  verstattet,  welche 
nachdem  sie  ihrer  M^^  handt  gekuszet,  abermals  vor  ihrer  M^^  ihre  heubtcr  auff 
die  erden  gesenkt,  Vnd  also  ihren  abscheidt  genommen,  da  sie  dann  mit  vo- 
rigem wagen  vnd  roszen  wiederumb  vom  Schlosz  sint  abgefnhret  vnd  an  ver- 
ordnetem ort  in  custodiam  genommen  worden :  doch  sint  sie  auff  freyem  fusz 
vnd  in  keinen  banden,  vnnd  werden  auch  sonsten  in  eszen  vnd  trinken  woll 
gehalten.  Bey  diesem  Actu  ein  solch  grosz  gedreng  in  Area  desz  Schloszes, 
wie  auch  droben  gewesen,  alsz  nicht  viel  auff  Reichstagn  erfahren  sein  mag, 
sonderlich  aber  drobn  zu  Schlosz,  da  nicht  allein  die  Stube  der  hh. Senatoren, 
sondern  auch  vor  derselbn  alle  örter  voll  Volcks  gewesen,  also  das  sie  auch 
in  die  schranckn  gedrungen  vnd  den  hh.  Senatoren  vorstandenn.  Darüber 
dan  der  h.  Ertzbischoff  vnd  h.  Grosz  Cantzler  von  ihren  Stuben  auffstehen 
muszen  vnd  eine  gutte  weile  gestanden ;  ja  etliche  auff  die  Schrancken  ge- 
standen ;  vnd  ist  eine  solche  confusion  gewesen,  dasz  alle  4.  Marchalci  der 
elngeriszenen  menge,  ob  sie  schon  in  den  hauffen  geschlagen,  nicht  wehren, 
viel  weniger  mitt  bitten  eine  entweichung  erhalten  kunnen,  wie  dan  auch  die 
entweichung  fast  vnmuglich  gewesen,  in  dem  eine  Person  vor  der  andern  nicht 
vortkommen  kunnten,  bisz  entlich  der  hauffe,  so  ferne  an  der  treppen  ge- 
standen, zum  ersten  abzugehen  begunte,  welches  mit  solchem  gedreng  Zu- 
gängen, das  mancher  die  Stiegen  hinunter  gefalle,  mancher  so  gedruckt,  das 
er  esz  eine  weile  wirdt  haben  fielen  muszen,  darüber  auch  einem  Jungn  der 
Arm  zerbrochen. 

Ehe  die  Suisken  auff  das  Schlosz  kommen,  ist  der  gewesene  Woywoda 
zu  Smolensk,  welcher  so  lange  die  Vestung  daselbst  gehalten,  Michael  Bo- 
rissovides  Szeia  genandt,  nebenst  dem  Eltern  gewesenen  Woywoden  zu 
Smolensk,  alsz  gefangene  auff  einem  schieichten  wagen  mit  einem  rosz  auch 
in  das  schlosz  bracht,  sint  daselbst  von  des  Koniges  Heyducken  in  ihre  Kam- 
mer genommen,  darinnen  auch  ihr  oberster  h.  Mareck  gewesenn,  haben  nur 
schieichte  rohte  delien  (pln.)  mit  Schwärtzem  Petlitzen  angehabt:  Der  Elteste 
gewesene  Woywoda  zimlicher  hoher  Statur  vnd  graue,  der  Jüngste  gewesene 


Wer  war  PseudodemetriuB  I.  ?  155 

Woywoda  BoriBaouides  Szein  mittelmeBziger  statar  vnd  schwartzen  haares 
VDgefehr  von  vier  oder  Vanflf  ynd  dreyszig  Jahren  alt :  diese  sint  nicht  vor- 
gestellet,  sondern  alda  in  cnstodia  verblieben,  doch  haben  sie  in  keinen  fesz- 
len  geseszen,  sondern  an  henden  vnd  fuszen  frey. 

Alsz  die  Suisken,  wie  erwehnet,  abgefUhret  worden,  sindt  die  abge- 
sante  ausz  Moskaw  von  des  h.  Sapieha  Volck  vnd  anderen  von  der  Ritter- 
schaft . .  in  selbter  session  von  Ihrer  M^t  den  h.  Senatoren  vnd  hh  Landboten 
gehöret  worden,  derer  ganzes  gewerbe  nichts  anders  alsz  begerte  Zahllung 
vor  ihre  trewe  Dienst  gewesen  . .  .« 

Es  war  also  dem  Könige  Sigismund  III.  gelangen,  den  Garen  Va- 
siüj  Sujskij  zu  demüthigen  und  die  Bojarenoligarchie  in  Moskau  für  die 
Wahl  eines  polnischen  EoroleviS  auf  den  Carenthron  zu  gewinnen.  Es 
galt  hier  noch  über  zwei  wichtige  Fragen  eine  Uebereinkunft  zu  er- 
reichen: ob  Korolevic  Vladislav  zum  griechisch-orthodoxen  Glauben 
fibertreten  sollte  und  in  wie  weit  er  unabhängig  von  seinem  Vater  herr- 
schen würde.  Die  leitenden  Männer  des  polnisch-litauischen  Staates 
sind  indessen  von  den  ersten  Kriegserfolgen  und  dem  stäten  politischen 
Glücke  berauscht  worden  und  haben  nun  weder  Mass,  noch  Ziel  in  ihrem 
nationalen  Ehrgeize  gehalten.  An  der  persönlichen  Herrschsucht  Sigis- 
munds  ÜI.  und  an  seiner  starren  jesuitischen  Gesinnung  ist  vor  Allem 
der  Versuch  gescheitert,  die  drei  Nachbarvölker  unter  einem  königlichen 
Hause  zu  vereinigen.  Während  der  König  in  Warschau  seinen  Triumph 
feierte,  war  die  Machtstellung  seines  Hauses  in  Moskau  durch  den 
Widerstand  des  Patriarchen  Hermogenes  bereits  erschüttert.  Die  polen- 
freundliche  Oligarchie  der  Bojaren  büsst  seit  diesem  Jahre  allen  ihren 
Einfluss  ein  und  es  nehmen  die  demokratischen  Kräfte  überhand  —  die 
Geistlichkeit,  der  Kleinadel,  die  Städte,  die  Kosaken,  welche  für  den 
Glanz  der  polnischen  Magnatenkultur  keinen  Sinn  hatten.  Polens  Staats- 
leute wollten  ihr  Luftschloss  eben  nur  auf  der  Alp  des  russischen  Volks- 
lebens aufbauen ,  sie  sind  aber  allzu  hastig  und  etwas  planlos  an  das 
Bohren  und  Sprengen  gegangen.  Sie  haben  zu  tief  gewühlt  und  die 
unterirdischen  Gewässer  einer  Volksbewegung  gegen  sich  heraufbe- 
schworen. Von  den  Wogen  einer  allgemeinen  Volkserhebung  wurden 
die  Polen  in  Moskau  selbst  überwältigt  und  an  die  Grenze  zurückge- 
worfen. Noch  ein  Halbhundert  Jahre  nach  dem  Tode  des  PD  I.  haben 
sie  Mühe  gehabt,  diese  Fluth  im  Herzen  ihres  eigenen  Reiches  mit  allen 
Zauberkünsten  der  europäischen  Diplomatie  zu  besänftigen  ^). 


1)  Unter  den  polnischen  Geschichtsschreibern  der  ersten  Hälfte  des 
XVH.  Jahrhunderts  gibt  nur  der  Bischof  Piasecki  einen  kritischen  Bericht : 


j  56  Eugen  ^opkin. 

Die  ausserordentliche  Fülle  und  Beweglichkeit  des  russischen 
Staats-  und  Volkslebens  während  der  Wirrenzeit  hat  sich  in  einer  rei- 
chen historischen  Litteratur  abgespiegelt,  deren  bedeutendster  Theil  be- 
reits  in  die  verhältnissmässig  ruhigeren  Regierungen  der  ersten  Roma- 
no vy  fällt.  Im  schroffen  Gegensatz  zu  den  polnischen  und  überhaupt 
westeuropäischen  Quellen  behaupten  alle  diese  russischen  Annalen, 
Sagen,  Geschichten  ganz  zuversichtlich,  dass  unter  dem  Namen  des 
Caren  D.  I.  eben  der  flüchtige  Mönch  GriSka  Otrepjev  (Razstriga)  ge- 
herrscht hätte.  Den  Geschichtsforschern  blieb  gewöhnlich  die  Wahl, 
einen  von  den  zwei  Schattenrissen  des  Caren  D.  I.  zu  zeichnen,  denn  die 


»Demetrins  enimquidam  ex  Moschouia  veniens  &  ploribus  annis  in  Prouincijs 
Russiae  oberrans,  in  Aulis  diuersorum  ibi  Principum  habitu  famulari,  cum 
originis  suae  ex  Ducibus  Moschoniae  &  seruatae  ab  insidijs  vitae  seriem  diu- 
tiuB  praedicasset,  tandem  narrationi  suae  fidem  &  patrocinium  cansae  inuenit. 
£am  autem  (veramne  an  commentitiam  hucusque  param  constat)  tali  relatione 
instruebat  etc.  (Chronica  a  Paulo  Piasecio  conscripta,  Cracoviae,  1645.  — 
Plaseckiego,  Biskupa  Przemy^Iskiego).  Die  übrigen  geben  entweder  die 
russische  Tradition  in  entstellter  Form  wieder,  oder  bringen  geradezu  Fa- 
beln, z.B.  Stanislai  Lubienij  (Lubienski)  Episcopi  Plocensis  Opera  Posthuma, 
Antverpiae,  1643:  »Pseudo-Demetrius  procul  dubio  ignotae  stirpis  homo  & 
ut  postea  compertum  est,  monasticae  vitae  quam  primo  professus  erat  deser- 
tor,  non  tarn  Polonorum  ope  (quamuis  hac  quoque  priuatorum  studijs  com- 
paratä  cum  subnixum  fuisse  negari  non  potest)  quam  Moschorum  fauore  Prin- 
cipatum  adeptus.«  Oder,  Gestorum  Vladislai  IV.  pars  prima  authore  Ever- 
hardo  Wassenbergio,  Gedani,  1641:  »Quippe  Borissii  in  Demetrium  technas 
soUicita  Principum  Mater  advertit  &  consilio  omnino  salubri  filiolum  suum 
periculo  mature  subduxit . .  Adeoque  &  in  Livonia  liberalibus  imbutus  stu- 
diis  &  loqui  eleganter  latine  &  scribere  didicit.  Et  poterat  hoc  Septem  anno- 
rum  spatio  quo  Borissius  imperavit . . .  Cum  esset  ergo  a  catholica  fide  non 
alienuB,  potentibus  in  Polonia  Societatis  Jesu  Patribus  primo  personam  suam 
aperit  &  fidem  invenit . .'.  Primum  ad  Palatinü  Georgium  Mniscum  supplex 
introducitur«  etc.  Oder  Historia  Vladislai  Anctore  Stanislao  a  Eobierzycko 
Castellano  Gedanensi  (Eobierzickj),  Dantisci  1655:  »Impostor  tamen  hie  erat 
&  alter  ab  eo  quem  Joannes  Basilii  genuerat;  audacius  mentiri  genus  suasit 
forma  &  oris  lineamenta  quibus  haud  dissimilis  in  Demetrium  erat.  Caeterum 
e  monastico  profugus  claustro  in  Russiam  se  contulerat  perque  coenobia  am- 
plissimarum  Regni  ditionum  Volhiniae  Eioviaeque  vagus,  ignotus  primum 
latuit ;  donec  imponeret  larvam,  sub  qua  Ducis  fabulam  confidentius  ageret. 
Et  haue  quidem  apud  Adamum  Ducem  Visnieviecium  exorsus«  etc.  Es  hat 
sich  also  in  Polen  keine  eigenartige  Tradition  gebildet;  auch  nach  dem  Tode 
der  leitenden  Persönlichkeiten  der  Wirrenzeit  sind  dort  keine  neuen  Ent- 
hüllungen zum  Vorschein  gekommen. 


Wer  war  PBeudodemetrius  L?  157 

• 

beiden  Profile  dieser  Sphinx  von  Westen  nnd  von  Osten  fallen  keines- 
wegs ineinander.  Doch  wollen  wir  den  Versuch  anstellen,  die  beiden 
ineongmenten  Abrisse  aufeinanderzulegen  und  di^'enigen  Striche  abzu- 
sondern, welche  sich  decken  und  dadurch  etwas  stärker  hervortreten ; 
auf  solchem  Wege  glauben  wir  zu  einer  Synthese  aller  Nachrichten  von 
Osten  und  Westen  her  durchdringen  zu  können  ^). 

IT. 

In  der  Zeitschrift  (»Vremennik«)  der  Kais.  Moskauer  Gesellschaft 
fdr  Russ.  Geschichte  und  Alterthflmer,  B.  16  (1853),  hat  Prof .  Bjeljaev 
»Eine  Neue  Sage  über  die  Falschen  Demetriic  (ÜHoe  GKasame  o  Ca- 
MOSBani^ax^)  nach  einer  Handschrift  aus  dem  XYII.  Jahrb.  veröffentlicht, 
welche  aus  einer  Reihe  von  Sagen  über  die  Zeit  der  Wirren  vom  Tode 
Johanns  des  Schrecklichen  bis  auf  die  ersten  Romano vy  entstanden  ist^). 

1)  Für  die  äussere  Charakteristik  der  russischen  historischen  Quellen 
haben  wir  oft  die  ForschuDgen  des  Prof.  Platonov  zu  Rathe  gezogen  (vgl. 
ILsaTOHOB'B,  ApeBHopyccKiü  GKasaHiii  h  üob^cth  o  GMyrHOM'B  BpeMCHH  XYII  BiRa, 
dazu  den  Text  der  Sagen  und  Geschichten  in  der  »PyccRa/i  HcTopu^ecRaA 
EsdrioreKa«,  t.  XIII).  Diese  Forschungen  tragen  aber  ein  ausschliess- 
lich literarhistorisches  Gepräge.  Prof.  Platonov  hat  vorläufig  weder  seine 
Anschauungen  über  den  PD  I.  auseinandergesetzt,  noch  die  polnischen,  je- 
suitischen, überhaupt  westeuropäischen  Quellen  zur  Kritik  der  russischen 
Nachrichten  herbeigezogen;  sogar  manche  wichtige  russische  Akten  hat  der 
Verfasser  bis  jetzt  noch  unbesprochen  gelassen  (z.  B.  das  Original  des  Ge- 
sandtschaftsregisters des  Fürsten  Volkonskij  aus  den  JJ.  1606—7  und  den 
Brief  des  Boris  an  den  König  Sigismund  III.  bei  der  Analyse  der  Sage  aus 
dem  J.  1606  oder  die  Schenkungsurkunde  für  die  Brüder  Ghripunovy  und  das 
Rangregister  zum  J.  1604  bei  der  Analyse  des  Zeugnisses  des  Barlaam).  In- 
folge dessen  mussten  wir  selbst  an  die  kritische  Durchforschung  der  russi- 
schen Nachrichten  und  ihre  Zusammenstellung  mit  der  ganzen  Hasse  der 
westeuropäischen  Quellen  gehen.  Also  trotz  vieler  einzelnen  bei  Prof.  Pla- 
tonov entlehnten  Bemerkungen  fällt  die  Verantwortung  für  unsere  allgemeine 
Auffassung  der  russischen  Quellen  ausschliesslich  auf  uns.  Wir  pflichten  der 
Meinung  des  Prof.  Platonov  bei,  dass  fast  Alles  historisch  zuverlässige  in  den 
Sagen  und  Annalen  auf  die  officiellen  Akten  der  russischen  Regierung  zu- 
rfiokaaflihren  ist.  Im  Gegensatz  zu  seinen  Forschungen  machen  wir  indessen 
einen  Unterschied  zwischen  den  Akten  des  Boris  und  des  Vasilij  Sujskij  und 
verfolgen  beide  Strömungen  durch  die  ganze  russische  historische  Literatur 
des  XVIL  und  des  XIX.  Jahrhunderts. 

2)  Den  Titel  »Eine  Neue  oder  eine  Andere  Sage«  hat  diesem  Denkmale 
Prof.  Bjeljaev  gegeben;  in  den  vollständigen  Manuskripten  folgt  sie  nämlich 
der  Sage  des  Palicyn  nach. 


1 58  Eugen  ^cepkin, 

« 

Sehr  wichtig  für  nosere  Frage  sind  die  zwei  ersten  Bestandtheile  dieser 
Geschichte,  nämlich  die  Sage  vom  Boris  Godnnov  and  Psendodemetrius  I. 
und  eine  Sammlung  officieller  Acten  über  den  Tod  des  FD  und  die 
Thronbesteigung  des  Garen  äujskij.  Der  erste  Bestandtheil,  welchen 
wir  nach  Prof.  Platonov  als  »Die  Sage  aus  dem  J.  1606«  bezeichnen 
werden,  enthält  die  Berichte  über  die  Ermordung  des  Garevi^s  Deme- 
trius,  über  die  Thronbesteigung  des  Boris,  über  das  Erscheinen  des  FD, 
über  seinen  Kampf  gegen  Boris  und  seine  Thronbesteigung,  über  die 
Angriffe  des  FD  auf  die  russische  Nationalität  und  die  russische  Ortho- 
doxie, über  die  Absetzung  des  FD  und  die  Thronbesteigung  des  §uj- 
skij,  über  die  Uebertragung  der  Reliquien  des  GareviS  Demetrins  aus 
UgliS  nach  Moskau.  Die  ganze  Sage  ist  von  den  Gefühlen  des  Hasses 
gegen  Boris  und  den  FD  und  der  Ergebenheit  gegen  den  Garen  äujskij 
erfüllt ;  sie  will  beweisen,  dass  Boris  und  der  FD  eigentlich  nur  ihre 
Schandthaten  gebüsst  haben,  und  freut  sich  darüber,  dass  die  Wirren 
vorbei  wären.  Sie  muss  nach  dem  3.  Juni  1606  s.  v.  (an  diesem  Tage 
wurden  die  Reliquien  des  GareviS  nach  Moskau  übertragen)  und  vor 
dem  Herbste  des  J.  1606  [wo  eine  Empörung  gegen  den  Sujskij  im  S. 
losgebrochen  ist)  entstanden  sein.  (Der  Anzug  des  Bolotnikov  bis  gegen 
Moskau  wird  erst  in  dem  dritten  Theile  der  »Neuen  Sage«  erzählt.) 
Der  Verfasser  der  Sage  scheint  zu  den  Mönchen  des  Troickij  Sergier- 
Klosters  gehört  zu  haben.  Er  behauptet  nur  das  Leben  des  FD  in 
Polen  nach  Gerüchten,  alle  Begebenheiten  in  Russland  aber  als  Augen- 
zeuge beschrieben  zu  haben ;  diese  übertriebene  Behauptung  eines  Mön- 
ches des  Dreieinigkeitsklosters  kann  jedenfalls  weder  auf  den  Zug  des 
FD  bis  nach  Moskau,  noch  auf  die  Ermordung  des  GareviS  zu  UgliS, 
noch  auch  auf  die  Beschreibung  der  vermeintlichen  Verbrechen  des 
Boris  und  des  FD  Anwendung  haben.  In  seine  Sage  hat  der  Verfasser 
»Die  Anklage  des  Barlaama  und  drei  Briefe  des  FD  an  seine  russischen 
Unterthanen,  vor  seiner  Ankunft  nach  Moskau  geschrieben,  einge- 
schaltet. Es  wird  also  die  Anklage  des  Barlaam  wohl  schon  im  Sommer 
des  J.  1606  entstanden  sein.  Auch  sonst  findet  man  Uebereinstimmungen 
zwischen  der  Erzählung  der  Sage  und  den  officiellen  Acten  aus  der 
Regierungszeit  des  V.  Sujskij  ^).   Im  Widerspruche  mit  Avramij  Palicyn 


1)  Im  Februar  des  J.  1607  hat  V.  Sujskij  beschlossen,  den  früheren  Pa- 
triarchen Hiob  nach  Moskau  kommen  zu  lassen,  um  das  russische  Volk  von 
der  Schuld  des  Verrathes  dem  Boris  gegenüber  zu  erlösen.  Am  5.  Februar  s.v. 


Wer  war  Pseudodemetrias  I.  ?  1 59 

und  sogar  mit  den  officieilen  (Jrknnden  der  Zeit  hält  die  Sage  den  Va- 
dilij  Snjskij  für  den  rechtmässigen  ^  von  ganz  Rnssland  (bcbio  PoccIh- 
cKOio  oÖJiacTiK))  gewählten  Caren.  Nach  den  Urkunden  des  Caren  änj- 
akij  selbst  wurde  seine  Wahl  nur  von  allen  Leuten  »der  Moskauer  Herr- 
aefaafta  (Mockobckob  rocy^apcTBo]  getroffen;  Boris  Godnnov  und  Mi- 
chail Romanov  wurden  dagegen  den  Acten  der  JJ.  1598  und  1613  zu 
Folge  von  allen  Christen  »aller  Herrschaften  des  russischen  Carenreichesa 
(set  rocyAapi>CTBa  PoeeiMCKaro  i^apcTnin)  gewählt  ^).  Der  Unterschied 
zwischen  der  Moskauer  Herrschaft  und  dem  russischen  Carenreiche  ist 
ans  der  Thatsache  zu  entnehmen,  dass  Godunov  und  Romanov  von  den 
Reichsständen  (Zemskij  Sobor),  Sujskij  aber  nur  von  einer  Clique  der 
Moskauer  Bojaren  gewählt  wurden.  Der  Verfasser  der  Sage  verfolgt 
ziemlich  genau  die  einzelnen  Ernennungen  der  Befehlshaber  in  den 
Heeren  des  Boris  und  macht  Fehler  gegen  das  »Register«  nur  bei  der 
Beschreibung  der  Schlacht  bei  DobryniM  (bei  Sjevsk).  In  Bezug  auf 
den  Tod  des  CareviS  Demetrius  geben  die  officieilen  Acten  der  Moskauer 
Regierungen  zwei  verschiedene  Aufklärungen:  im  Jahre  1591  wurde 


sind  aUo  Papbnutij,  der  Metropolit  von  Kruticy  (der  frühere  Abt  des  Wuo- 
derklosters)  und  andere  Würdenträger  nach  Starica  zum  Hieb  abgesandt. 
Am  14.  Febr.  ist  Hieb  in  Moskau  angelangt,  am  16.  Febr.  haben  die  beiden 
Patriarchen  —  Hieb  und  Hermogenes  —  ein  gemeinsames  Gebet  um  Vergebung 
der  Schuld  angestimmt ;  am  20.  Febr.  wurde  eine  Yergebungs-  und  ErlOsungs- 
nrkunde  dem  Volke  vorgelesen.  Nun  Tvird  in  dieser  Urkunde  behauptet,  dass 
der  Carevic  D.  zu  Uglio  von  Verräthern  ermordet  sei  (npinx'B  saRjaHie  neno- 
BBHHo  OTT»  pyK'B  HSMlHHnKOB-B  ccoux'b),  was  eigentlich  im  krassen  Widerspruche 
zu  den  früheren  Aussagen  des  Hieb  stand.  Es  wird  angenommen,  dass  das 
russische  Volk  nur  aus  Missverständniss  dem  Griska  gehuldigt,  weil  es  nicht 
wusste,  dass  es  kein  Carevio,  Eondern  ein  aus  dem  Kloster  entlaufener  Mönch 
sei  (Toro  ropa,  ne  B^Aafl  o  ucm'b  hoa^kihuo,  qro  oh'b  pocTpura,  a  ne  IXapeBHHS 
AviiTpeu,  BOCXOTima  ua  PocImckoc  rocy^apLCTEO  uapcTBOsaTn  npiflTa).  Nun 
wären  abermals  Wirren  in  der  von  frUher  her  besessenen  Provinz  Severa  aus- 
gebrochon  (npejtcrnB'B  Toc-aci  npe^ccoMpaqcuuyio  ÖesyMicMi»  GtBepcKyH)  ynpau- 
ny).   S.  A.  A  D.,  II,  Nr.  67. 

1)  In  zwei  Urkunden  aus  dem  J.  161 1  widerlegt  der  Patriarch  Hermogen 
die  historisch  ganz  richtige  Auffassung  der  Feinde  des  Caren  V.  Snjskij,  dass 
er  nur  von  der  Stadt  Moskau  zum  Caren  gewählt  wäre.  Nun  antwortete  da- 
gegen Hermogen,  dass  Moskau  stets  den  Städten  Novgoroü,  Eazanj,  Pskov, 
Astrahanj  befohlen  hätte  und  dass  bei  der  Wahl  des  Caren  §ujskij  die  Ver- 
treter aller  Städte  zugegen  gewesen  wären  (ja  ii  iiao  bc^xt.  ropoÄOB'B  aa  ero 
aap&CKOM'B  Bo^panin  u  nocraBJCHiii  Öbijiu  .iio,tii  Muorie).  Diese  letzte  Behaup- 
tung wird  von  allen  übrigen  Quellen  widerlegt  (A.  A.  3.,  IT,  Nr.  169). 


160  Eugen  äcepkin, 

officiell  der  Selbstmord  des  CareviJ^  im  Anfalle  der  Epilepsie  festgestellt^ 
1606  wurde  die  Anklage  des  Mordes  gegen  den  Boris  officiell  ver- 
kündigt. 

Die  »Sage  aus  dem  J.  1606«  hat  diese  Beschuldigung  des  Boris 
zum  ersten  Male  in  die  russische  historische  Literatur  eingeführt  und 
dem  Berichte  von  dem  Selbstmorde ,  welchen  die  officiellen  Unter- 
auchungsacten  enthalten,  die  Beschreibung  der  Ermordung  des  CareviS 
entgegengestellt.  Und  doch  waren  noch  die  Mutter  und  die  Oheime 
(Nagije)  des  CareviS  am  Leben ,  als  diese  Sage  aufgeschrieben  wurde. 
Nach  der  »Sage«  hätte  Boris  mehrmals  den  Versuch  gemacht,  den  Care- 
vi6  zu  vergiften  und  am  Ende  die  Mörder  M.  Bitjagovskij  und  dessen 
Neffen  Nikita  EaSalov  nach  Uglii  geschickt;  einer  von  diesen  hätte 
dem  Demetrius  beim  Spielen  die  Gurgel  durchschnitten  (npep^sa 
ropTanb  ero).  Ohne  den  Osip  Volochov  und  den  Danila  Bitjagovskij 
(den  Sohn)  zu  nennen,  berichtet  die  Sage  so  unklar,  als  ob  Michail  B. 
(der  Vater]  selbst  den  CareviS  angegriffen  hätte ;  indessen  haben  die 
Oheime  Nagije  bei  der  Untersuchung  das  Zeugniss  iibgelegt,  dass  M.  B. 
erst  nach  der  Ermordung  des  Demetrius  auf  dem  Spielplatz  des  Kindes 
angekommen  wäre.  Noch  einen  anderen  groben  Fehler  begeht  die 
Sage;  sie  behauptet,  dass  zugleich  mit  dem  Bojaren  Vasilij  äujskij  auch 
der  Patriarch  Hieb  nach  UgiiS  vom  Boris  ausgesandt  wäre,  um  die 
Sache  zu  untersuchen ;  die  officiellen  Acten  nennen  hier  keineswegs  den. 
Patriarchen  Hieb,  sondern  nur  den  Metropoliten  Gelasij .  Die  Sage  be- 
schuldigt den  Boris,  auch  den  Caren  Theodor  aus  dem  Wege  geräumt 
zu  haben.  Sie  verschweigt  die  Thatsache,  dass  Boris  von  den  Reichs- 
ständen seine  Krone  erhalten  hat,  und  schildert  die  Begebenheiten  auf 
die  Art,  als  ob  die  Bevölkerung  der  einen  Stadt  Moskau  unter  dem 
Drucke  der  Agenten  des  Oodunov  ihn  zum  Caren  ernannt  hätte;  der 
Patriarch  Hieb  und  die  Bojaren  mussten  es  tlber  sich  ergehen  lassen, 
weil  sie  die  Gefühle  des  Volkes  für  aufrichtig  gehalten  hätten.  Der 
Nachricht  der  Sage,  als  ob  Boris  durch  einen  Selbstmord  meinem  Leben 
ein  Ende  gesetzt  hätte,  widersprechen  die  Zeugnisse  der  Fürsten  äachov- 
akoj,  Katyrev-Rostovskij,  Chvorostinin,  welche  den  Hof  kreisen  nahe- 
standen, des  Avraamij  Palicyn  und  a.  m.  Dagegen  findet  die  Nachricht 
der  Sage,  dass  der  FD  ein  Liebesverhältniss  mit  der  Tochter  des  Boris, 
Ksenija,  angeknüpft  hatte,  in  einem  Briefe  des  Mniszech  ihre  Bestäti-» 
gung.  Wichtig  ist  noch  die  Erzählung,  dass  der  FD  bis  nach  der  Stadt 
Putivlj  einen  gewissen  Mönch  Leonid  mit  sich  geführt  und  diesen  unter 


Wer  war  Pseadodemetrius  I.  ?  161 

dem  Namen  des  Gregor  Otrepjev  Allen  gezeigt  hätte;  in  Fativlj  wurde 
Leonid  wegen  irgend  eines  Versehnldens  ins  Oefftngniss  geworfen. 

Dieselbe  »Sage  ans  dem  J.  1606«  kommt  noch  in  einer  spflteren, 
kürzeren  Bearbeitung  unter  dem  Titel  vor:  sDie  Geschichte,  wie  mit 
Unrecht  Boris  Godunov  den  Carenthron  zu  Moskau  erschlichen  hat« 

(ÜOBiCTB  KaKO  BOCZHTH  HOnpaBAOH)  Ha  MocKB^  i^apcioH  npecTOj^  Eo* 

picx  roxyHOB^}.  Zufolge  dieser  kürzeren  Version  ist  Gregor  Otrepjev 
in  Gesellschaft  von  drei  Mönchen  —  Misail  Povadin,  Benedikt  und  Leo- 
nid aus  dem  Erypecki-Eloster  —  nach  Litauen  entflohen.  Hier  lebte 
er  in  der  Stadt  Eiev  im  Höhlenkloster;  darauf  (dem  Contexte  nach  in 
Kiev)  befahl  er  dem  Leonid,  sich  Gregor  Otr.  zu  nennen,  er  selbst  fing 
an,  sich  fttr  den  CareviS  Demetrins  [auszugeben.  Ein  Mönch  Benedikt 
aus  dem  Dreieinigkeitskloster  wird  als  Zeuge  gegen  den  Otrepjev  und 
zugleich  als  sein  früherer  Mithelfer  in  dem  Briefe  des  Patriarchen  Hiob 
erwähnt. 

Die  »Sage  aus  dem  J.  1606  a  gibt  über  die  Jugend  des  Otrepjev  eine 
Erzählung,  welche  zu  den  Briefen  des  Boris  und  Hiob  im  Widerspruche 
steht,  dafür  aber  Manches  aus  den  Acten  des  Sujskij  (vgl.  die  Gesandt- 
schaft des  Volkonskij  und  Ivanov  aus  dem  J.  1606)  entlehnt.  Juska, 
Sohn  des  Jakob  Otrepjev  aus  GaliS  (der  andere  Name  des  Vaters  hiess 
Bogdan)  verliert  früh  seinen  Vater  und  wird  von  seiner  Mutter  in  der 
Heiligen  Schrift  unterrichtet.  Als  er  die  Horae  und  die  Psalmen  durch- 
stndlrt  hatte,  verliess  er  die  Mutter  und  lebte  in  Moskau.  Hier  macht 
er  die  Bekanntschaft  des  Heiligen  Triphon  aus  Vjatka,  welcher  damals 
Abt  des  Mariahimmelfahrtsklosters  in  der  Stadt  Chlynov  (jetzt  Vjatka) 
war;  dieser  Abt  überredete  den  14-jährigen  Knaben  Mönch  zu  werden. 
Ju&ka  folgt  diesem  Rathe  und  wird  unter  dem  Namen  Gregor  zum  Mönche 
gezehoren.  Darauf  begibt  er  sich  nach  Suzdal,  weilt  hierin  dem  Heiland- 
kloster desEuthymius,  in  dem  Heilandkloster  an  der  Euksa,  besucht  auch 
viele  andere  Klöster,  kehrt  endlich  nach  Moskau  zurück  und  siedelt 
sich  in  dem  Wunderkloster  an.  Auf  den  Wunsch  des  Abtes  Paphnutij 
wird  er  vom  Patriarchen  Hiob  zum  Diakon  geweiht,  beginnt  ketzerische 
Bücher  zu  lesen  und  wird  selbst  zum  Ketzer.  Er  entfernt  sich  abermals 
aus  Moskau  und  zwar  in  das  ügreSskij  Nikolajkloster,  dann  nach  Ko- 
stroma in  das  ^eleznoborovskijkloster  Johanns  des  Täufers  und  taucht 
nun  zum  dritten  Male  in  Moskau  auf.  Erst  jetzt  verleugnet  er  den  ortho- 
doxen Glauben  und  entflieht  nach  Polen,  indem  er  noch  zwei  Mönche 
den  Misail  und  Barlaam  zur  Flucht  verführt.  Nach  dieser  Erzählung 

ArekiT  fftr  ilaTiMh«  Philologie.  XXI.  1 1 


1 62  Eugen  §oepkin, 

folgt  in  der  »Sage  ans  dem  J.  1606«  die  Anklage  des  Barlaam.  Weder 
der  Dienst  des  Gregor  bei  den  Romanov,  noch  seine  Trunksucht ,  noch 
seine  Verbrechen,  noch  sein  Dienst  beim  Patriarchen  Hieb  etc.  werden 
in  der  )>Sage<  erwähnt.  Nach  Boris  hätte  JnSka  eine  wilde  Jugend  hinter 
sich,  wäre  auch  mehrmals  seinem  Vater  entflohen;  die  Sage  erwähnt  nur 
seine  schwärmerischen  Wanderjahre  von  der  gottesfürchtigen  Matter 
zum  H.  Triphon,  aus  den  orthodoxen  Klöstern  des  Reiches  Moskau  nach 
dem  ketzerischen  Polen.  Wenn  wir  uns  daran  halten,  dass  Jn&ka  bei 
den  Romanovy  und  dem  Fürsten  Öerkaskij  (sowohl  den  Briefen  des 
Boris,  als  auch  den  Reden  der  Gesandten  Volkonskij  und  Ivanov  zn 
Folge)  gedient  hat,  so  können  wir  seinen  Eintritt  ins  Kloster,  wie  ihn 
die  Sage  aus  dem  J.  1606  erzählt,  nicht  mit  der  Verfolgung  gegen  die 
Romanovy  und  den  Cerkaskij  (vgl.  die  Sage  vom  GriSka  Otrepjev)  in 
Zusammenhang  bringen  (sonst  wflrde  man  ihn  um  das  J.  1600  Mönch 
und  kaum  20  Jahre  alt  Car  werden  lassen  mttssen).  Die  »Sage  aus  dem 
J.  1606ff  schildert  nns  überhaupt  den  JuSka  als  eine  von  Kindheit  an 
durch  und  durch  religiöse  Natur,  welche  durch  die  Kraft  des  Denkens, 
nicht  aber  auf  den  Umwegen  der  Libertinage  in  eine  Ketzerei  verfällt. 
Während  der  14  Jahre  bis  zum  Eintritt  ins  Erlöster  hätte  Griika  der 
»Sage  aus  dem  J.  1606«  überhaupt  keine  Zeit  gehabt  Alles  dasjenige 
durchzumachen,  was  seinem  Griska  Boris  zugeschrieben  hat.  Wir 
müssen  also  die  ganze  »Sagea  entweder  als  eine  freie  Dichtung  eines  zu 
den  Canzleien  des  V.  Snjskij  nahe  gestandenen  Verfassers  auffassen, 
oder  den  Otrepjev  der  »Sage«  für  einen  Doppelgänger  des  Trunken- 
boldes GriSka  halten,  wie  er  von  Boris  und  Hieb  geschildert  wird,  fär 
seinen  Alterego ,  welcher  unter  demselben  Namen  sich  in  den  Klöstern 
verborgen  hielt  bis  die  Zeit  für  ihn  kam,  sich  zum  Demetrius  zn  ent- 
puppen. Dem  Geschichtschreiber  bleibt  nun  die  Wahl  den  Lebenslanf 
des  Gregor  Otr.  entweder  nach  Boris  und  Hiob ,  oder  nach  den  Acten 
aus  der  Regierungszeit  des  äujskij  (Gesandtschaftsacten  und  die  Sage 
aus  dem  J.  1606  und  die  Anklage  des  Barlaam)  zu  erzählen.  Sobald 
er  sich  in  die  rein  historischen  Bearbeitungen  des  XVII.  Jahrhunderts 
vertieft,  steht  er  überhaupt  gleich  auf  einem  unsicheren  Boden.  Für 
nns  hat  diese  ganze  Literatur  nur  die  Bedeutung  eines  eingebogenen 
Spiegels  für  die  officiellen  Acten  der  zeitgenössischen  Regierungen. 
Nach  den  Zerrbildern  dieses  Spiegels  können  wir  noch  einmal  alle  die 
Persönlichkeiten  revidiren,  welche  dem  FD  nahe  gestanden  und  den 
Verdacht  der  Mitschuld  seitens  der  officiellen  Acten  auf  sich  gezogen 


Wer  war  PBeadodemetrins  I.  ?  1 63 

haben;  wir  erkennen  darin  anch  das  Wechselspiel  der  officiellen  Nach- 
richten wieder,  wie  bald  die  gröberen  Züge  des  Gregor,  bald  das  feinere 
Antlitz  des  Demetrins  anftanchen.  Wir  glauben  sogar  die  officiellen 
Acten  der  Untersnchnng  des  V.  äujskij  (oder  der  zweiten  des  Boris 
selbst,  welche  statt  GrlSka  den  Dem.  Rheor.  ergeben  hat)  mit  Hilfe  der 
historischen  Werke  der  Zeit  in  einer  nrsprflnglicheren  Form  wieder  her- 
stellen zn  können,  als  wir  sie  in  dem  Oesandtschaftsregister  des  Volchon- 
skij  finden,  denn  die  »Sage  aus  dem  J.  1606a  hat  zweifelsohne  die  Er- 
gebnisse dieser  Untersuchung  reiner  aufbewahrt.  Aber  auch  diese  reinere 
Traditioir  der  «Sage«  kann  vervollständigt  werden.  Die  »Sage  aus  dem 
J.  1606«  (in  der  ausführlichen  Redaktion,  der  s.  g.  »Neuen  Sage«  des 
Prof.  Bjeljaev)  berichtet  z.  B.,  dass  Boris  seine  schlimmen  Mithelfer,  den 
Michail  Bitjagovskij  und  Nikita  EaSalov  nach  Ugli6  ausgesandt  hätte. 
Die  übrigen  Mörder  werden  gar  nicht  erwähnt  und  so  gewinnt  man  den 
Eindruck,  als  ob  Mich.  Bitj.  selbst  den  CareviS  überfallen  hätte.  Nun 
bezeichnet  aber  die  »Saget  ^später  die  Mörder  als  böswillige  Jünglinge 

(sXO^eCTHBUH  TLH   lOHOmH  .  .  OAHH'B  SB  OT'L  EBSrh   KSBJLeKh  HOX'L  CtC.) 

Wenn  wir  die  entsprechende  Stelle  in  der  kürzeren  Redaktion  (»Ge- 
schichte wie  Boris  den  Thron  erschlichem]  betrachten ,  so  finden  wir 
dort  zwischen  dem  Mich.  Bitj.  und  Nikita  Ea(.  auch  den  Danilka  Bitj., 
den  Sohn,  eingeschoben.  So  lautete  wohl  der  ursprüngliche  Text  der 
ausftlhrlicheren  Sage  und  die  Bezeichnung  »Jünglinge«  muss  eben  auf 
den  Daniil  B.  und  Nikita  Ea5.  bezogen  werden.  Die  Angabe,  dass 
Griska  14  Jahre  alt  gewesen,  als  er  sich  hat  einkleiden  lassen,  finden 
wir  ausser  der  ausführlichen  »Sage  aus  dem  J.  1606«  noch  in  der  kür- 
zeren Redaktion,  in  dem  Neuen  Annalisten,  in  der  »Sage  von  der  Re- 
gierung des  Garen  Theodor  IvanoviS.c  Nun  bringt  aber  diese  letzte 
Sage,  welche  der  kürzeren  Redaktion  folgt  («Geschichte  wie  Boris  den 
Thron  erschlichen«,  vgl.  die  Aufzählung  der  flüchtigen  Mönche  —  Misail, 
Benedikt  und  Leonid)  die  Nachricht,  dass  GriSka  zur  Zeit  des  Mordes 
zu  Ugli£  auch  10  Jahre  alt  gewesen.  Es  entspricht  den  Berichten,  dass 
FD  um  ein  Paar  Jahre  älter  ausgesehen,  als  der  echte  CareviS  sein  sollte. 
Dann  würde  seine  Mönchsweihe  in  das  J.  1595  fallen;  in  diesem  Jahre 
war  der  H.  Triphon  wirklich  in  Moskau.  Dieselbe  »Sage  von  der  Re- 
gierung des  Garen  Theodor«  fügt  noch  die  Aussage  hinzu,  welche  D. 
über  seine  Rettung  in  Polen  gethan  haben  soll:  eine  gewisse  Frau  hätte 
ihn  vor  dem  Mordanschlage  des  Boris  gerettet  und  in  ein  Kloster  unter 
Obhut  gegeben;  so  hätte  er  die  Mönchskleider  aus  Furcht  vor  Boris 


164  Eugen  §cepkin, 

auferlegt.  Diese  Nachricht  jfäUt  wirklich  mit  derjenigen  Anssage  des 
FD  ttberein,  welche  er  in  seinem  polnischen  Briefe  an  den  Papst  und 
auch  sonst  in  Polen  gethan  hatte  [vgl.  Narratio  Succ.  und  die  Erklärung 
der  polnischen  Gesandten  aus  dem  J.  1608).  Die  sSage  von  der  Re- 
gierung des  Caren  Theodor«  hatte  also  entweder  eine  eigene  besondere 
Quelle  für  sich  benutzt ,  oder,  was  wir  als  das  wahrscheinlichere  an- 
nehmen, sie  hat  die  ihr  mit  der  nSage  aus  dem  J.  1606«  gemeinsame 
Urquelle  reicher  benutzt.  Der  N.  Annalist  und  Nikons  Annalen  haben 
z.  B.  aus  dieser  Urquelle  die  Zusammenkunft  des  GriSka  mit  dem  H. 
Triphon  weggelassen,  sie  geben  indessen  ganz  sicher  an,  dass  Griska 
in  Moskau  geschoren,  was  die  Sage  aus  dem  J.  1606  und  die  Sage  von 
der  Regiemng  des  Caren  Theodor  nur  andeuten.  Andererseits  hat 
die  kürzere  Bedaktion  der  »Sage  aus  dem  J.  1606a,  d.  w.  s.  die  Ge- 
schichte, wie  Boris  den  Thron  erschlichen,  die  Flucht  des  Gri&ka  mit 
Benedikt  nnd  Leonid  ohne  Zweifel  aus  der  gemeinsamen  Urquelle  ent- 
nommen; die  ausführlichere  Redaktion,  d.  w.  s.  »Eine  Neue  Saget,  hat 
statt  dessen  das  Zeugniss  des  Barlaam  eingeschoben.  Es  muss  also  eine 
officielle  Aufschrift  vorausgesetzt  werden,  wo  die  Schicksale  des  GriSka 
gerade  so  eingetragen  waren,  wie  sie  die  sGeschichte  wie  Boris  den 
Thron  erschlichena  und  die  >Sage  von  der  Regierung  des  Caren  Theodor« 
wiedergeben  ^).  Wenn  wir  nun  diese  officielle  Legende  aus  den  Zeiten 
des  V.  äujskij  mit  dem  Register  der  Gesandten  Volchonskij  und  Jvanov 
vergleichen  (Statejnyj  Spisok),  so  ftUt  es  von  selbst  auf,  dass  in  dem  Re- 
gister der  Gesandten  die  Aussagen  des  Boris  über  den  Griska  (Dienst 
bei  den  Romanovy,  unordentliches  Leben)  mit  der  Auskunft  der  officiellen 
Urquelle  combinirt  sind,  welche  der  Sage  aus  dem  J.  1606,  der  Sage 
von  der  Regierung  des  Caren  Theodor  und  dem  Neuen  Annalisten  zu 
Grunde  gelegen.  Wir  ziehen  daraus  den  Schluss,  dass  die  Regierung 
des  äujskij  es  keineswegs  wünschte  mit  denjenigen  Aussagen,  welche 
bereits  Boris  in  Warschau  und  Wien  gegeben,  in  Widerspruch  zu  kommen 
nnd  also  die  Ergebnisse  einer  neueren  Untersuchung  künstlich  damit  in 
Einklang  brachte;  das  Lebensalter  des  Griska  beim  Eintritte  ins  Kloster 
wurde  dabei  ausgelassen.  Der  GriSka  des  Boris  ist  mit  dem  GriSka  des 
äujskij  in  dem  Register  der  Gesandtschaft  zu  einem  Körper  verwachsen^). 

^)  Vgl.  noch  den  Satz  »xaKOH  se  cBaroyÖinta,  ^to  h  EopHCi  ro;r7HOB'B « 
nach  allen  drei  Redactionen  t 

3)  Sehr  charakteristisch  für  die  Wirrenzeit  ist  der  Lebenslauf  des  Erz- 
bischofs  von  Elasson,  Arsenij,  dessen  Tagebücher  und  Vita  Prof.  Dmitriev- 


Wer  war  PseadodemetriaB  I.  ?  165 

Erst  nnter  der  Regierung  des  Michail  Bomanov  ist  der  Chronograph 
des  Djak  Ivan  Timotheev  entstanden  (BpeMeHHniCL  no  ce^MOH  Tucnnp 


Bkij  unlängst  in  Trapeznnt  in  griechischer  Sprache  aufgefunden  hat.  Um  das 
Jahr  1548—1549  in  Thessalien  geboren  und  noch  in  der  Jugend  zum  Mönche 
geschoren,  hat  er  im  J.  1586  als  Erzbischof  von  Elasson  und  Gesandter  des 
Patriarchen  von  Konstantinopel  zum  ersten  Male  Moskau  besucht.    Auf  der 
Bttckreise  ist  er  in  Ljvoy  (Lemberg)  eingekehrt  und  hier  für  zwei  Jahre  ge- 
blieben, um  den  Kampf  gegen  die  Römlinge  aufzunehmen  und  sowohl  das 
Griechische ,  als  auch  das  Kirchenslavische  vorzutragen.  Als  der  Patriarch  von 
Konstantinopel  Jeremias  seine  Reise  nach  Moskau  unternommen  hatte,  da  hat 
sieh  Arsenij  in  Polen  an  ihn  angeschlossen  und  unter  der  Wahlurkunde  des 
ersten  Patriarchen  von  Moskau,  Hieb,  seinen  Namen  unterschrieben.   Jetzt 
im  J.  1589  hat  er  vom  Garen  Theodor  die  Erlaubniss  in  Russland  zu  bleiben 
und  Güter  zu  seinem  Unterhalte  zum  Geschenk  erhalten.  Dank  dieser  Unter- 
stützung konnte  er  in  der  Kremlburg  in  der  Nähe  des  Carenpalastes  sich  eine 
Wohnung  und  sogar  eine  Kirche  zu  Ehren  des  H.  Demetrius  von  Thessalo- 
nich begründen.    Um  das  J.  1596 — 97  hat  er  auf  Befehl  des  Garen  Theodor 
eine  Anstellung  bei  den  Carengräbem  in  dem  Archangelskij  Sobor  (Erz- 
engelskathedrale)  erhalten,    Im  J.  1598  hat  Arsenij  von  Elasson  die  Wahl- 
Urkunde  des  Garen  Boris  unterschrieben,  am  20.  Juni  1605  hat  er  aus  der 
Mariahimmelfahrt-  nach  der  Erzengelskathedrale  den  Pseudodemetrius  I.  zu 
den  Gräbern  seiner  vermeintlichen  Vorfahren  geleitet ;  hier  hat  er  die  Er- 
klärung des  Garen  über  seine  Abstammung  von  Johann  dem  Schrecklichen 
und  dessen  Anerkennung  seitens  des  Volkes  angehört  Den  24.  Juni  1605  hat 
er  an  der  Absetzung  des  Patriarchen  Hiob  und  der  Wahl  des  Griechen  Ignat^, 
des  Erzbischofs  von  Rjazanj,  zu  seinem  Nachfolger  Theil  genommen.    Am 
21.  Juli  hat  er  in  der  Erzengelskathedrale  bei  den  Gräbern  der  Garen  Johann 
und  Theodor  den  PD  mit  der  Krone  des  Monomachos  gekrönt.    Am  8.  Mai 
des  J.  1606  hat  Arsenij  zugleich  mit  dem  Erzbischof  Theodosius  von  Astra- 
chanj  auch  der  Marina  Mniszech  die  Krone  dargeboten.  In  demselben  Monate 
Mai  ist  er  bei  der  Wahl  des  Garen  §ujskij  betheiligt  gewesen.   Den  3.  Febr. 
1607  hat  Arsenij  zugleich  mit  dem  Metropoliten  Paphnutij  (dem  früheren 
Abte  des  Wunderklosters)  den  Entschluss  unterstützt,  den  abgesetzten  Pa- 
triarchen Hiob  aus  Starica  kommen  zu  lassen,  um  das  Volk  von  der  Sünde 
des  Verrathes  an  dem  Garen  Boris  zu  erlösen.  Auch  nach  der  Absetzung  des 
Garen  §ujskij  verblieb  Arsenij  in  Moskau.   Als  die  polnische  Besatzung  sich 
in  der  Kremlburg  eingeschlossen  hatte  und  das  Anrücken  der  Armee  des 
Königs  Sigismund  III.  erwartete,  hat  Arsenij  während  der  ganzen  Belagerung 
auf  seinem  Posten  ausgeharrt.  Am  5.  Oktober  1611  hat  er  die  Schreiben  an  den 
König  von  Polen  und  seinen  Sohn  unterschrieben,  welche  den  Korolevie  Via- 
dislav  nach  Moskau  einluden.    Als  im  November  des  J.  1612  die  polnisefae 
Besatzung  sich  den  Fürsten  Trubeckoj  und  Pozarskij  ergeben  hatte,  da  wurde 
Arsenij  für  seine  Ausdauer  reich  belohnt.  Am  2.  Mai  1613  ist  er  dem  neuen 
Garen  Michail  Romanov  entgegengezogen  und  hat  ihn  zu  den  GarengrSbern 


166  Eugen  §oepkio, 

OT'B  coTBopeniü  cB^Ta  bo  ocmoS  b%  nepBLie  Ji^Ta}.  Als  Djak  einer  von 
den  Moskauer  Kanzleien  (Prikaznyj  Djak)  hat  Ivan  Timotheev  seinen 


in  die  ihm  anvertraute  Erzengelskathedrale  geleitet.  Dnrch  die  Stürme  der 
6  Regierungen  hat  also  der  Byzantiner  glücklich  sein  Schiff  gesteuert.  Im 
J.  1615  wurde  er  zum  Erzbischof  von  Suzdal  befördert  und  ist  um  das  J.  1626 
aus  dem  Leben  geschieden.  Im  XVII.  Jahrh.  ging  man  eine  Zeitlang  damit 
um,  den  Arsenij  von  Elasson  heilig  zu  sprechen. 

Ueber  die  Tagesereignisse  berichtet  Arsenij  in  seinen  Lebenserinnerun- 
gen gemäss  der  russischen  Tradition.  Er  glaubt,  dass  der  Carevic  D.  auf  Be- 
fehl des  Boris  ermordet  wurde,  hält  den  PD  fUr  den  Mönch  Gregor  n.  dgl.  m. 
Wichtig  ist  indessen  seine  Nachricht  über  das  Wunderkloster.  Nach  der  Er- 
zählung des  Arsenij  hätte  PD  beim  Anmärsche  gegen  Moskau  Leute  voraus- 
geschickt, um  den  Patriarchen  Hiob  nnd  den  Archimandriten  des  Wunder- 
klosters Barlaam  in  die  Verbannung  zu  schicken.  Dadurch  wird  unsere  An- 
nahme bestätigt,  dass  Paphnutij  noch  von  Hiob  entfernt  nnd  durch  einen 
anderen,  dem  Unternehmen  des  PD  feindlichen  Abt  ersetzt  worden  ist  (vgl. 
TpyABi  KieBCKOH  ^yx.  AnaA.  1898,  Ahbepl,  MapTi»).  Diese  Annahme  wird  auch 
durch  die  Tabellen  des  Stroev  bestätigt,  obgleich  sie  der  Nachricht  des  Ar- 
senij widersprechen.  Nach  Stroev  ist  Paphnutij  die  Jahre  1595 — 1604  Abt 
des  Wunderklosters,  seit  1605  Metropolit  von  Kruticy  gewesen.  Für  das 
J.  1605  und  Anfang  des  J.  1606  gibt  Stroev  einen  gewissen  Elias  als  Abt  des 
Wunderklosters  an,  den  Barlaam  erwähnt  er  erst  für  Juni  1606.  Noch  eine 
ganze  Reihe  von  neuen  zum  Theil  einzelnstehenden,  zum  Theil  den  russischen 
Quellen  widersprechenden  Nachrichten  sind  in  den  Memoiren  des  Arsenij  v.  E. 
enthalten.  Sie  bestätigen  die  russischen  Berichte  darüber,  dass  die  Geistlich- 
keit von  Moskau  sowohl  dem  PD  selbst  entgegengezogen  war,  als  seine  Wer- 
bung um  Marina  Mniszech  unterstützt  hat  {Kai  avBX&ovjog  avxov  ßaoiXitag 
j^rjfArft^lov  eis  fXByaXrjv  Moa^oßiav  anas  o  Xabg  idix^  avxoy  fXBxa  na^^rjäiag 
fXByaXtjs  xal  nqovnavxrjxricav  avxov  nayxss  ol  äQ^iB^els  xai  leQSis  fiBxa  nay- 
xog  xov  Xaov  fisxa  xifjtiiov  xal  aylfov  axavQtay  xal  slxoyoty  .  .  .  iy  xoni^  Aovfji- 
nXiytfi,  d.  w.  s.  auf  dem  öffentlichen  Platze,  Lobnoe  Mjesto).  Nun  berichtet 
aber  Arsenij  sehr  Sonderbares  über  die  Wahl  des  Patriarchen  Ignatij  und  die 
Krönung  und  Trauung  des  Demetrius  und  der  Marina.  Danach  hätte  D.  den 
Hiob  für  allzublind  erklärt,  um  weiterhin  auf  der  Katheder  zu  verbleiben, 
nnd  die  Geistlichkeit  aufgefordert,  sich  einen  neuen  Patriarchen  zu  wählen. 
So  hätte  nun  eine  gesetzliche  Wahl  *des  Ignatij  zum  Patriarchen  stattgefun- 
den; am  30.  Juni  hat  er  die  Katheder  bestiegen.  Den  russischen  Quellen  zu- 
folge war  indessen  die  Absetzung  des  Hiob  und  die  Ernennung  des  Ignatij 
eine  eigenmächtige  Gewaltthat  des  Garen  Demetrius  I.  Was  speciell  die 
Krönung  der  Marina  und  ihre  Trauung  mit  D.  I.  betrifft,  so  erzählt  Arsenij, 
als  ob  die  Abneigung  der  Carin  gegen  die  Orthodoxie  so  weit  gegangen,  dass 
sie  nnd  ihr  Gemahl  am  8.  Mai  es,  versagt  hätten,  zur  Communion  zu  gehen. 
Diese  Vernachlässigung  des  orthodoxen  Brauches  und  die  Vorliebe  der  Ma- 
rina zur  polnischen  Kleidung  haben,  dem  Arsenij  zufolge,  den  Untergang  des 


Wer  war  Pseudodemetrins  I.  ?  1 67 

Namen  unter  der  Wahlorknnde  des  Caren  Boris  im  J.  1598  unterschrie- 
ben nnd  nnter  der  Einwirkung  des  Metropoliten  Isidor  von  Novgorod, 
wo  er  nm  die  J.  1608 — 10  als  des  »Fflrstentf  Djak  erwähnt  wird,  seinen 
Chronographen  begonnen.  Dieser  Chronograph ,  welcher  schon  durch 
seine  bizarre  Sprache  dem  Forscher  viele  Schwierigkeiten  bereitet,  war 
wenig  verbreitet  und  ist  in  einer  verstümmelten  Handschrift  bis  auf  uns 
gekommen,  welche  vom  Prof.  Platonov  veröffentlicht  ist.^)  Timotheev 
glaubt  daran,  dass  Boris  den  Caren  Tlfeodor  vergiftet,  den  CareviS 
Demetrius  durch  Meuchelmörder  aus  dem  Wege  geräumt  hatte;  als  das 
Werkzeug  des  Boris  wird  bei  der  Ermordung  des  D.  ein  Cognatus  des 
Caren  Andreas  EleSnin  (Lupp)  g^annt.  (Oöp^T'B  .  .  Jlyiina  n^Koero, 
öpaxa  CH  CBOHCTBOH'B  H  A^jatOM'B) .  Soust  spendet  Timotheev  der  staats- 
männischen Kunst  des  Boris  während  der  ersten  Jahre  seiner  Regierung 
reiches  Lob.  Als  Verfasser  des  Chronographen  hält  er  den  FD  für  den 
Mönch  Otrepjev,  gesteht  aber,  dass  die  Russen,  welche  mit  der  Regierung 
des  Boris  missvergnügt  waren  und  an  die  Echtheit  des  Demetrius  glaub- 
ten, sich  in  den  Willen  des  Prätendenten  ergeben  hätten ,  als  er  noch  in 

Carenpaares  verursacht  {Kai  fASja  xov  aTeq)aytooai  avxovSt  o^*  i^i^v^'**^  ^f*" 
tpoTEQot  fjietaXaßely  tiov  &si(ay  fjivaxrjqifov.  Tovro  fAByakois  ikvntjaBy  anayrag 
.  .  .  TovTo  ovv  iyivBTO  ngarttj  xal  fjieyaXrj  Xvnrj  xai  aQxv  "^^^  axay&aXov  xai 
airia  noXX&y  xaxöiy  eh  nayxa  xoy  Xaoy  Moa^oßlag  xal  naarjs  Ptaaaiag).  Nun 
hat  aber  der  Patriarch  Philaret  (PyccK.  ApxuB'B,  1892. 1.  BopoÖBes-L)  sich  dahin 
geäussert,  dass  sowohl  D.,  als  auch  Marina  das  Abendmahl  nach  dem  ortho«- 
doxen  Ritns  genossen  hätten.  Unbekannt  war  bis  jetzt  auch  der  Plan  der 
Familie  Mniszech,  eine  Ehe  zwischen  der  verwittweten  Carin  Marina  und  dem 
Caren  Yasilij  äujskij  zu  Stande  zu  bringen  {'Eity  ovy  ijS'sXe  Xaßu  rr^y  ßaci- 
Xicaay  Maqiay  eig  yvyaXxa  .  .  .  &eXov<fijs  xal  tfjg  ßaaiXicfft^g  xal  jov  naxqos 
avx^g  FemQyiov  £ayxofx^ri  xal  xtoy  uvy  avx^  nayxtoy).  Bei  der  Erzählung 
von  der  Belagerung  der  Eremlburg  durch  die  Heerschaaren  der  russischen 
Städte  im  J.  1611  erwähnen  die  Memoiren  des  Arsenij  den  Tod  des  Metro- 
politen von  Eruticy,  Paphnutij,  des  früheren  Abtes  in  dem  Wunderklpster, 
wo  er  nun  bestattet  worden  ist;  er  wird  hier  als  ein  gottesfürchtiger  Asket 
geschildert  Die  Memoiren  sind  indessen  allzu  freigebig  in  ihren  Lobsprttchen ; 
sogar  so  einen  wüsten  Barbaren,  wie  PD  II.,  preisen  sie  als  yioy  tpQoyi/noy, 
xaXoy  xal  iXe^fioya  xal  noXXie  y^afAfiaxiCfiiyoy  xal  doxifjLoy  xov  noXifiov. 
Gegenwärtig  ist  es  noch  zu  früh,  sich  eine  feste  Anschauung  von  den  Me- 
moiren des  Arsenij  zu  bilden.  Prof.  DmitrievskiJ  hat  vorläufig  nur  Excerpte 
veröffentlicht  und  macht  Hoffnung  auf  eine  eingehende  Prüfung  des  Denk- 
mals (TpyAi>i  KieBCKou  AyzoBHOH  ARaAeMÜr,  1898,  Januar — ^Mai).  Die  Commu- 
nion  der  Marina  wird  durch  die  polnischen  Nachrichten  bestätigt.  Vgl.  Hirsch- 
berg, Dymitr  Samozwaniec,  S.  237. 
J)  PyccK.  HcT.  Bh6ä.,  t.  XIII. 


168  Engen  ^pkin, 

Polen  war  (en^e  eir^  bh^  cyn^y  npeA^'B  PyccKiH  sbihjh  caMoxoTH^ 
noBHHymacfl  bch).  Sajskij  hat,  nach  der  Meinung  des  Timotheev,  den 
Thron  auch  als  Usurpator  ohne  Einwilligung  des  Volkes  und  des  Patriar- 
chen bestiegen  und  als  unsittlicher,  gransamer,  verschwenderischer  und 
abergläubischer  Oar  darauf  regiert.  Von  Wichtigkeit  könnte  fflr  die  Oe- 
Bchichte  des  FD  das  Zeugniss  des  Fflrsten  Chvorostinin  ausgefallen  sein, 
wenn  er  aufrichtiger  in  seinem  Werke  gewesen  wäre,  worin  er  die 
Tagesgeschichte,  die  Caren  und  die  Hierarchen  Moskaus  besprochen 
hatte.  (GjOBeca  ahoh  h  i^apeS  h  cBATHTejKen  Mockobckhxte,  eace  ecTi» 
BX  PoccIh).  Ein  übermttthiger  Jflngling,  stand  er  als  Mundschenk  dem 
freisinnigen,  ausgelassenen  FD  nahe  genug,  um  nach  dessen  Tode  unter 
äujskij  der  Ketzerei  angeklagt  und  in  ein  Kloster  eingesperrt  zu  werden. 
Man  sprach  sogar  davon,  dass  er  sich  die  Gunst  des  Caren  frivol  durch 
eigene  Schande  erkauft  hätte  (s.  Massa).  Unter  Michail  Bomanov  ist  er 
wieder  als  Yojevode  angestellt.  Seine  Hinneigung  zur  westeuropäischen 
Bildung,  sein  Hang  zum  Weine  und  seine  Arroganz  haben  ihm  neue 
Verfolgungen  zugezogen.  Man  fand  bei  ihm  lateinische  Bücher,  katho- 
lische Heiligenbilder,  höhnische  Verse  auf  die  Moskauer  Sitten  und  ver- 
bannte ihn  zur  Ausbesserung  abermals  in  ein  Kloster  (im  J.  7131).  Erst 
im  Jänner  des  J.  1624,  kurz  vor  seinem  Tode  wurde  er  begnadigt,  nach- 
dem er  geschworen  hatte,  sich  streng  an  die  Orthodoxie  zu  halten.^) 
In  seinen  »Wortena  über  die  Tagesgeschichte  sucht  er  sich  von  den  über 
ihn  schwebenden  Beschuldigungen  zu  reinigen.  Er  schont  seinen  früheren 
Herrn  keineswegs,  bezeichnet  den  Garen  Demetrius,  als  den  Mönch 
Gregor,  als  den  stinkenden  Hund  auf  dem  Throne,  aber  schweigt  sonst 
von  seiner  Lebensgeschichte.  Er  bemerkt  nur  über  die  Art  des  PD  zu 
regieren,  dass  er  die  Alleinherrschaft  über  den  menschlichen  Brauch 
gehoben  und  viel  Blut  vergossen  hätte  (Mucjmo  TSie  n  Tii^aHieH'B  MHoro 
B03BUCHBCA,  H  caMo;^epa:aBie  Buine  ^ejOB^^ecKHX'B  otfu^aes'B  ycTpo- 
AA  H  KpoBH  npojGBBaH) .  Vielleicht  um  seinen  eigenen  Dienst  beim  FD 
zu  rechtfertigen,  hebt  Chvorostinin  hervor,  dass  der  Clerus,  die  Stadt 
Moskau  und  ganz  Bussland  an  die  Echtheit  des  Caren  geglaubt  und  ihn 
mit  Ehren  empfangen  hätten  (cBHTHTejLCKiH  ^izh'b  h  epcHCKiH  co6opx 
CB  eyn^HMH  XHTejm  ÖJiaroii^nHO  no^Toma  6e33aKOHHaro  co  cbatlimh 
HKOHaifH,  ncajmiii  h  nicHbHH  ayzobhumh  ytfjiaxmna  ero  Bei  poAU 
rpa;i;a  Toro  h  bca  crpana  npcKJOHHCH  is%  noxBajeHiio  Toro).  Chvo- 
rostinin war  nicht  der  einzige,  welcher  jedes  Andenken  daran  auszu- 

1)  S.  Go6p.  Tp.  H  AoT.y  ni,  Nr.  90.  Aktli  Apx.  3Rcn.,.Nr.  147  und  149. 


Wer  war  PBeudodemetrius  I.  ?  169 

merzen  sachte ,  dass  er  seine  hohe  Stellung  dem  FD  verdankte.  Es 
wurde  z.  B.  im  XVII.  Jahrh.  officiell  angenommen,  dass  Philaret  (Ro- 
manov)  erst  vom  Patriarchen  Hermogen  zum  Metropoliten  von  Rostov 
ernannt  wftre;  indessen  hat  Philaret  noch  vor  der  Ernennung  des  Her- 
mogen zum  Patriarchen  bereits  als  Metropolit  von  Rostov  die  Reliquien 
des  Heiligen  CareviS  Demetrins  in  UgliS  enthüllt.  Der  Chronograph 
ans  d^m  J.  1617  berichtet  in  klaren  Worten,  dass  Philaret  diese  seine 
Ernennung  dem  FD  verdankt. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Zur  GescMchte  des  Glagolismns  in  Böhmen. 


Der  böhmische  König  Karl  lY.  gründete  bekanntlich  in  Böhmen  und 
in  Prag  eine  ganze  Reihe  von  neuen  Klöstern,  in  welchen  er  dieslavische 
Liturgie  einführen  wollte*).  Ausserdem  geschah  damals  auch  noch 
manches,  um  das  slavische  Element  in  der  böhmischen  Oeistlichkeit  zu 
stärken.  So  beschloss  im  Jahre  1342,  wahrscheinlich  nicht  ohne  An- 
theilnahme  Karl  IV.,  der  Probst  und  das  Convent  des  Klosters  von 
Roudnice,  in  das  genannte  Kloster  nur  gebürtige  Böhmen  (Öechen)  auf- 
zunehmen, und  Papst  Clemens  VI.  bestätigte,  den  Bitten  des  Abtes^ 
Oonventes  und  Karl  IV.  nachgebend,  am  11.  Januar  1349  diesen  Be- 
schlüsse) .   Für  den  Besuch  dieses  Klosters  erhielten  sogar  weltliche  an 


1}  Aufgezählt  sind  diese  Klöster  bei  Kfiisek,  N4stin  dejü  kUstera  Be- 
nediktinsk^ho  na  Slovanech,  vübec  Emaus  nazvan^ho,  v  Nov6m  mhBth  Pral^^ 
»k^m,  za  doby  mnichü  slovansk^^ch  in  Pam4tky  archeol.  a  mistopisn^.  1855. 
Dil  I.  SOS.  V.  S.  193. 

*)  Emier,  Diplomataf  kUstera  blahoslaven^  Panny  Marie  feholnich 
kanovnikü  f&du  s.  Augustina  v  Rouduici  in  SitzuDgsber.  der  k.  böhm.  Gesell- 
Bchaft  der  Wiss.  in  Prag  1893,  Nr.  9,  S.  13:  ...  et  quod  de  dictis  statutis  in 
ea  parte,  ubi  prefatus  episcopus  (loannes  IV.)  ipsius  monasterii  quedam  di- 
vina  officia  certo  modo  et  ordlne  celebrari  sub  anathematis  pena  mandavit  et 
alias,  ubi  statuit  personas,  que  non  essent  de  lingua  seu  uacioneBohemica,  in 
eanonicos  dicti  monasterii  recipi  non  deberet,  dictam  anathematis  penam  et 


170  P-  Syrku, 

den  Festen  des  Herrn  Ablässe  vom  Prager  Erzbischof  Ernst,  aber  anch 
jene,  die  vor  der  Predigt  für  den  König  und  den  Erzbischof  Hospodine 
pomilnj  ny  gesnngen  hätten  ^] .  Ob  etwas  ähnliches  anch  fflr  andere  Klöster 
bestimmt  wurde,  ist  mir  gegenwärtig  unbekannt.  Mag  dem  so  oder 
anders  sein,  Papst  Clemens  VI.  gab  die  Einwilligung  auch  zur  Eröffnung 
eines  rein  slavischen  Klosters,  des  benediktinischen  Emmaus-Klosters, 
welches  von  Karl  lY.  in  der  Neustadt  (na  Now^m  mSst^j  in  Prag  im 
Jahre  1348^)  mit  slavischer  Lituigie  (nach  Karl  IV.  »in  nobili  lingna 
8lauonica«3),  »lingua  bohemica,  I.  natali,  natural!«)^)  gegründet  worden 
ist.  Das  Kloster  war  geweiht  dem  Andenken  gloriosissimi  confessoris 
beati  Jeronimi  Strydoniensis  Doctoris  egregii,  et  translatoris,  interpre- 
tisque  eximii  sacre  scipture  de  Ebraica  in  latinam  et  slauonicam  lingnas; 
die  Kirche  hatte  den  Namen  Cosme  et  Damiani,  Cyrilli  et  Methndii, 
Adalberti  et  Procopii,  patronorum  regni  Bohemiae  Martyrum  et  Con- 
fessorum.  Das  Kloster  wurde  von  Karl  ausgeschmflckt^)  und  mit  vielen 


personarum  excepcionem  tollere  dignaremur super  hoc  humiliter 

supplicantis de  statutis  eiusdem  sublatis  et  penitus  irritatis.  1348,  Jan.  11 

in  Avignon.  Noch  in  demselben  Jahre  wurde  diese  Verordnung  durch  den 
Prager  Erzbischof  Ernst  abgeschafft.  Ib.  Nr.  10,  S.  15. 

1)  Ib.  Nr.  13,  S.  20:  ...  postremo  eciam,  quocienscumque  quis  sermoni 
ibidem  interfuerit  pro  regOi  archiepiscopo,  Hospodine  pomilug  ny  ante  ser- 
monein  cum  aliis  cantaverit.  Die  Urkunde  ist  vom  26.  Febr.  1358 ;  auch  die 
Feste  sind  in  ihr  aufgezählt. 

2j  Ausführliches  darüber  s.  Pelzel,  Kaiser  Karl  IV.,  König  in  Böhmen, 
I.  Prag  1789.  S.  186—187  und  bei  Friedjung,  Kaiser  Karl  IV.  Wien  1876. 
S.  120 — 1 24.  Nach  einigen  ist  von  Karl  ein  slav.  Kloster  noch  in  Deutschland  zu 
Ingelheim  gegründet  worden.  Hanns,  Quellenkunde  der  Bibl. u. Liter.  S.24; 
Friedjung,  S.  122,  Bern.  4. 

3]  Pelzel  op.  c.  S.  385,  Nr.  CCCXLIII.  Bei  einigen  Gelehrten  wird  so- 
gar aus  diesem  Anlass  über  die  Nationalität  Karl's  IV.  disputirt.  Werun- 
sky,  Gesch.  Kaiser  Karl's  IV.  und  seiner  Zeit.  I.  Innsbruck  1880,  S.  442— 445; 
L  oserth ,  Ueber  die  Nationalität  Karl's  IV.  in  Mittheil,  des  Vereins  f.  Gesch. 
der  Deutschen  in  Böhmen  XVII.  S.  291  und  Kalouse^,  Ueber  die  Natio- 
nalität Karl's  IV.  Entgegnung  auf  einen  von  Prof  Dr.  J.  Loserth  unter  dem- 
selben Titel  geschriebenen  Aufsatz.  Abgedrucktausder  »Politik«  1897.  Prag 
1897,  S.  3  sqq. 

*)  Pelzel  I,  95 u. 98;  II,  Prag  1781,  S. 972;  Werunsky,  S. 443;  Stulc, 
Pohled  na  literaturu  ceskou  veku  Karla  IV.  im  Progr.  des  k.  k.  AltstSdter- 
Staatsgymn.  zu  Prag  1856.  S.  V;  Kfizek,  N&stin,  S.  195. 

^}  Die  Acten  über  den  Aufbau  und  das  Einrichten  des  slav.  Klosters  in 
Prag  sind  in  einem  besonderen  Pergamentbuche  Registrum  Literarum  Mo- 


Zur  Geschichte  des  Glagolismus  in  Bühmen.  171 

• 

Landgütern  und  Gutsappertinentien  beschenkt^};  überhaupt  Hessen  sich 
Karl  IV.  und  seine  Gemahlin  Bianca  dasselbe'  angelegen  sein^).  Die 
eisten  Mdnche  wurden  hierher,  vom  Prager  Erzbischof  Ernst s)  berufen; 
sie  waren  nicht  durchwegs  Böhmen,  aber  vorzüglich  Slaven,  wie  Efiiek, 
doch  ohne  den  Grund  anzugeben,  sagt,  aus  Croatien,  Bosnien,  Serbien 
und  Dalmatien,  darunter  auch  russische  Bulgaren,  Croaten,  Serben  und 
Dalmatiner^).  Man  kann  gegründete  Zweifel  hegen,  dass  die  Mönche 
aus  allen  diesen  Ländern  her  waren.  So  viel  mir  bekannt  ist,  waren 
wenigsten  in  Bosnien  schwerlich  jemals  Benediktiner,  wo  es  bekanntlich 
immer  nur  Franciskaner  gegeben  hat  ^).  Viel  wahrscheinlicher  Jst 
meiner  Meinung  nach  jene  Voraussetzung  oder  Ansicht,  dass  die  von 
Karl  berufenen  Mönche  aus  dem  kroatisch-dalmatinischen  Küstenland 
herstammten.  Der  utraquistische  Priester  Bohuslaw  Bilejowsky  sagt, 
dass  Karl  aus  Zengg  (Segna)  die  Glagoliten  berufen  hat  ^).  Er  fügt 
hinzu,  Karl  IV.  habe  aus  Liebe  zur  böhmischen  (cechischen)  Sprache  das 
Klässter  Slowany  des  h.  Hieronymus  gegründet  und  dort  sei  der  Gottes- 
dienst in  slavischer  Sprache  verrichtet  worden.  Er  hatte  auch  mit  slavi- 
schen  Buchstaben  geschriebene  Bücher:  Bibeln,  Psalter,  Missale  und 
andere  liturgische  Bücher  gesammelt,  welche  auch  jetzt  dort  seien''). 
Das  Emmaus-Kloster  wurde  noch  slowansky  oder  na  Slowanech  nach 


nasteril  Sla verum  enthalten.    Alle  diese  Urkunden  sind  abgedruckt  bei  Pe  1- 
zel  I,  S.  84  sqq.;  II,  S.  382  sqq.;   die  angezeigte  Stelle  s.  I,  S.  91—93.  Nr. 

Lxxxm. 

i)  Ib.  I.  S.  91  sqq. 

2)  Ib.I.  Nm.LXXXIII,LXXXVI,LXXXVIII— C,CXC;  II.  Nr.CCCXL 
und  CCCXLIII. 

3)  Ueber  seine  Person  und  seine  Bolle  in  der  Stadt  siehe  einen  übrigens 
wenig  inhaltsreichen  Artikel  des  Benediktiners  Methodej  Voj&cek:  Arci- 
biskup  Amost  z  Pardubic  in  Al^theia,  I.  Jahrg.  1897,  S.  3 — 11,  wo  auch  die 
Literatur  angegeben  ist. 

«)  N&stin,  S.  194. 

^)  Cf.  Bati nid,  Djelovanje  Franjevaca u  Bosni  i  Hereegovini,  I.  S. 29 ff. 
[Agram  1881). 

•)  Boh.  Bilegowsk^ho,  Kronyka  Cyrkewnj  —  Wyd.  od  Joz.  Skalic- 
k6ho.  W  Praze  1816,  S.  22:  Tak6  y  mnichüv  toho  um^nj  (d.  1.  slowansk^ho) 
z  Sene i^e dobyl,  aby  oecby  tomu  uoili.  Friedjung.  S.  122  f.;  Kolar,  Sitz.- 
Ber.  der  k.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1879,  S.  403. 

T)  Kronyka  Cyrkewnj,  S.  22. 


172  P-  Syrku, 

den  dort  befindlichen  slavischen  Mönchen  benannt  i).    Ob  nnn  in  diesem 


1)  Ans  Anlass  der  Berufung  der  kroatischen  Mönche  nach  Emmaus  sagt 
Hajek,  Chronyka  czeski,  Prag  1541,  Bl.  CCCXVIIIb  und  nach  ihm  Bart. 
Paprocky^Diadochns,  Prag  1602,  S.  324,  dass  sn  cl^eohowe  od  slowaknow 
Bwuog  pocatek  wzali  a  z  yazyku  Slowanskeho  possli  (Hajek).  Unzweifelhaft 
ist  das  eine  Beflezion  der  im  Mittelalter  herrschenden  Ansicht,  dass  die 
Böhmen  von  den  Kroaten  herstammen.  Der  erste  spricht  davon  Dalimil  in  der 
Reimchronik : 

W  syrbskem  yazyku  yest  zemye, 

giesto  Charwaty  yest  gmye. 

W  tey  zemy  byesse  loch, 

gemuzto  gmye  byesse  czech. 

Dieser  Czech  mnsste  wegen  muzoboystva  sein  Land  verlassen.  Der 
habe  sechs  Brüder : 

prouyez  myegiesse  mocz  y  czest 
A  otnych  mnoho  czeledy 

Weiter  erzählt  die  Chronik,  dass  er  sein  Vaterland  auf  immer  ver- 
lassend ,  mit  seinem  ganzen  Geschlechte  durch  Wälder  wanderte  und  nach 
langem  und  unangenehmen  Umherirren  zu  einem  Berge  gelangte,  bei  welchem 
er  mit  seinen  Kindern,  die  er  auf  seinen  Schultern  trug,  mit  seiner  Diener- 
schaft und  Habe  stehen  blieb.  Am  folgenden  Tage  bestieg  er  den  Berg  und 
die  Gegend  besichtigend  sah  er  das  Land  an  Producten  verschiedener  Art,  an 
Thieren  und  Vögeln,  reich,  und  er  beschloss  deshalb,  auf  immer  hier  mit  allen 
Seinen  zu  bleiben.  Den  Berg  benannte  man  Rzyp.  Zum  Oberhaupt  wurde 
Cech  gewählt,  wovon  auch  das  Land  den  Namen  Czechy  bekam.  Kronika 
Dalimilova.  Nach  der  Handschrift  in  Cambridge  herausgegeben  von  i)r.  V.E. 
Mourek,  Prag  1892,  S.  4—7 ;  Dalimilova  chronika  ceskÄ,  herausg.  vonV.Hanka 
mit  Bemerkungen  von  Jan  Orth.  Prag.  1874,3.7 — H.  Siehe  auch  deutsch : 
Dalimil  Über  Ursprung  des  böhmischen  Landes  in  Voigt's  Acta  Utteraria  Bohe- 
miae  et  Moraviae,  S.  188.  Hajek  gibt  in  der  Kronyka  czeskA  eine  ziemlich 
genaue  Erzählung  von  der  Ankunft  der  Knijiata  Chrowatski  Czech  a  Lech 
in  Böhmen  und  von  ihrer  Ansiedlung.  Der  Inhalt  der  Erzählung  ist  derselbe 
wie  bei  Dalimil :  der  Hauptnnterschied  liegt  darin,  dass  hier  nicht  der  einzige 
Czech ,  sondern  auch  Lech ,  zwei  Brüder  erscheinen.  Endlich  erzählt  davon 
auch  der  Jesuit  Bohuslav  Balbinus  (i  1688),  Epitome  histor.  rerum  Bohemi- 
carum,  Prag  1677,  aber  mit  einigen  Zuthaten,  namentlich,  dass  die  beiden 
Brüder  Cech  und  Lech  lange  Zeit  in  Croatien  in  ihren  Burgen  Krapina  und 
Psara  gelebt  haben,  woher  sie  im  J.  278  zur  Zeit  des  Markomannenkrieges  mit 
dem  markom.  Könige  Zalmanin  nach  Böhmen  gekommen  sind,  welches  sie 
sich  nach  diesem  Könige  und  dessen  Sohne  Tursko  unterwarfen.  Özech 
wurde  König.  Von  den  äechen  trennte  sich  Lech,  der  Bruder  des  Cech,  der 
Polen  besetzte,  wo  sich  zuletzt  das  polnische  Reich  herausgebildet  habe 
(S.  70  f.).  W.  Nehring,  Ueber  die  Namen  fiir  Polen  und  Lochen  im  Arch.  f. 


Zar  Gesohiohte  des  GlagoÜBmiiB  in  Böhmen.  173 

Kloster  der  Gottesdienst  nur  slavisch  oder  bisweilen  anch  Uteiniseh  ver- 


slay.  Phil.  III S.  470.  Diese  Tradition  existirt  auch  bei  den  Polen,  bei  welchen 
sich  die  Benennung  Lechitae  znerst  bei  Vinc.  Eadlubek  (f  1223)  vorfindet; 
die  Ueberlieferungssage  selbst  findet  sich  in  einer  späteren  Chronik  des  Bo- 
gii£al  (i  1253)  —  Pasko  —  und  ziemlich  genau  bei  D^agosz  (f  1460)  und  bei 
anderen  vor,  worüber  Nehring's  oben  angeführte  Abhandlung  einzusehen  ist 
Im  Uebrigen  hat  er  nicht  die  entsprechende  Aufmerksamkeit  auf  die  Worte 
Hajek's  gelenkt,  der  sich  ebenfalls  auf  polnische  Schriftsteller  beruft,  nament- 
lich auf  Philipp  Kalimach  und  Hatth.  Mechovita.  Op.  c,  vergl.  V.  Klaiö,  Prica 
o  Cehu,  Lehn  i  Mehu  im  Yienac,  1889,  XXI.  Jahrgang,  S.  92.  —  Diese  Sage 
existirt  auch  bei  den  Kroaten  noch  heutzutage  und  ist  mit  dem  Namen  des 
Ortes  Krapina  yerknUpft.  L.  Gaj,  Die  Schlösser  bei  Krapina.  Karlstadt  1826, 
eit  bei  Knlakowskij,  Illirizm':^.  Warschau  1891,  S.  83  f.,  er  führt  die  Sage  aus 
dem  nicht  herausgegebenen  Werke  Gajs  (ausführliche  Geschichte  Illyriens) 
an;  vergl.  s.  Bemerkungen  zum  III.  Tb.,  s.  019 — 020.  Maretiö,  Slaveni  u 
davnini,  Agram  1889,  cf.  S.  26.  Bei  ihnen  war  diese  Sage  auch  im  vergangenen 
Jarhundert  bekannt  Inwieweit  sie  bekannt  ist  (cf.  Maretiö,  S.  26),  begegnet 
uns  die  Slteste  Erwähnung  bei  Faustus  Vranciö  oder  Verantius  im  Dictiona- 
rium  qninque  nobilissimarum  Europae  linguarum.  Yenetiis  1595,  im  Vor- 
wort: Ex  his  (Croatiae)  finibus  puritatem  linguae  suae,  quam  habent,  una  cum 
primis  dncibus  suis  Lecho  et  Cecho,  Poloni  et  Bohemi  receperunt.  Maretlö 
(1.  c.)  weist  auf  ein  anderes  Werk  des  Verantius  hin,  in  welchem  über  diese 
Tradition  gesprochen  wird  und  zwar  auf:  !^vot  nikoliko  izabranih  divic. 
U  Bimu  1606;  leider  ist  mir  aber  dasselbe  unbekannt  geblieben;  zu  Ende 
dieses  Buches,  sagt  Maretic,  erwähnt  Verantius  den  Cech,  Leh  uud  Bus,  doch 
fügt  er  hinzu,  dass  das  unwahr  ist,  was  von  ihnen  gesprochen  wird.  Dann 
spricht  von  dieser  Sage  90  Jahre  später  Pavle  Vitezoviö  in  seiner  Chronik 
(heransg.  1696)  unter  dem  Jahre  650 :  okolu  ovoga  vremena  nikoteri  böte,  da 
SU  tri  brata  Geh,  Leh  i  Bus,  hrvatska  gospoda  zaradi  Ijudomorstva  s  vnogimi 
prijateljmi ,  slugami  i  podloiniki  prik  Drave  i  Dunaja  otisli,  i  äeh  CcBko,  Leh 
Leiko  aliti  Poljsko,  a  Bus  rusko  kraljevstvo  zasadili  (bei  llÜaretiö  S.  27) .  Vitezo- 
viö stellte  seine  Chronik  von  der  Erschaffung  der  Welt  bis  zum  Jahre  1578  nach 
der  »Kronika  vezda  znoviS  zpravljena«  (Laibach  157S)  von  Antun  Vramec 
zusammen;  doch  finden  wir  bei  dem  letzteren  kein  Wort  von  dieser  Sage 
(Haretiö  S.  27).  Mauro  Orbini,  II  Begno  degl  Slavi.  In  Pesaio  1601,  S.  47—50, 
spricht  ziemlich  ausführlich  über  die  Ankunft  der  Brüder  Czecho  e  Lecho 
aus  Groazia  in  das  heutige  Böhmen,  d.  h.  in  das  germanische  Land  Bohemia, 
und  über  die  Ursachen,  weswegen  sie  von  dort  ausgewandert  sind ;  sie  machten 
halt  a  monte,  che  s'erge  fri  duo  fiumi  Albio  e  Vltavia,  gli  habitanti  lo  chia- 
mano  Bzip;  nach  Darbringung  von  Opfern  siedelten  sie  sich  hier  an ... . 
Mauro  Orbini  weist  auf  Giovanni  Dubravio  al  I  libro,  und  zu  Ende  der  Er- 
zählung auf  Venceslao  Boemo,  Matthia  Mecovita,  Giovanni  Dubravio  und 
ICartino  Cromero  hin.  —  Fast  gleichzeitig  mit  Mauro  Orbini  schrieb  darüber 
Luceari ,  Gapioso  ristretto  degli  annali  di  Bagusa  (Venedig  1605  und  später 


174  P.  Syrku, 

richtet  würde,  ist  natürlich  jetzt  schwer  zn  sagen.    Doch  nach  dem 


Bagnsa  1790;  [ich  citire  nach  der  ragasanischen  Ausgabe],  S.  5),  welcher 
sagt,  dasB  Lech  e  Cech  frateili  uterini  dl  Selimir;  sie  lebten  la  rocca  di  Psani, 
posta  yicino  a}  fiume  Empa,  confine  di  Groacia;  von  hier  machten  sie  sich 
auf  den  Weg  im  J.  550  und  fanden  paesi  quasi  disabitati  die  Servia,  Boemia, 

Moravia,  Sveyia  e  Polonia,  wo  sie  sich  niederliessen Später  schrieb 

Rattkay  (Memoria  regum  et  bauorum  regnorum  Dalmatiae,  Groatiae  et  Slavo- 
niae.  Viennae  Anstriae,  1652,  S.  23)  darüber,  dass  Zagoriae  sedes  Arx  cum 
oppido  Grapina  fuit,  Ghehy  et  Leby,  fratrum  virorum  in  Regno  potentium  na- 
tale  domicilium,  qui  ob  civiles,  nt  rara  est  concordia  fratmm,  inde  recedentes 
discordias  alias  sibi  quaesivere  sedes ;  quorum  ille  eam  terrae  portionem,  quae 
nuncBohemia  dicitur,  hie  yeroPoloniam  ocupavit:  Regionesdeindeacpopulos 
ase  ipsis  illeGhehios  idestBohemos,  hicLengelos  hoc  estPolonosdenominatos 
volnere,  ut  fus^  tradit  Ablavius  in  anualibus  Bohemorum.  S.  auch  bei  Elaid 
im  Vienac  1889,  S.  94.  Um  die  Hälfte  des  XVIII.  Jahrb.  giebt  Jambresid  (Jam- 
bressich),  Lexicon  Latinum,  Agram  1742,  S.  468,  unter  dem  Worte  Erapina 
an,  dass  dies  »vaross  y  grad  szloyeuszki  vu  szadassni  Horvatzki  zemlji 
lesechi,  koj  yu  sztarih  negda  vremenah  kruto  zmosen  i  glaszovit  je  biU,  war. 
Weiter  spricht  er  yon  der  Sage,  nach  welcher  Erapina  yor  Ghristi  Ge- 
burt existirt  habe  und  die  Residenz  des  il lyrischen  Eönigs  und  Gentrnm  des 
alten  Illyricums  gewesen  sei.  Aus  ihm  sind  auch  die  berühmten  Prinzen  Gzech 
und  Lech  ausgegangen,  welche  das  böhmische  und  polnische  Reich  gegründet 
haben.  Einige,  fügt  er  hinzu,  erzählen  auch  yon  einem  dritten  Prinzen  Mos- 
cus,  dem  ersten  Führer  des  moskauischen  Volkes.  Abgesehen  yon  der 
ganzen  Reihe  der  Jahrhunderte,  sind  die  Ruinen  yon  Erapina  yon  einem  ge- 
wissen Grade  der  Ehrwücdigkeit  und  Grösse  umgeben,  so  dass  sie  fremde 
Besucher  an  sich  ziehen ,  und  deshalb  ehren  sie  alle  unwillkürlich.  (Elaiö, 
Vienac,  1889,  S.  94).  Ausführlicher  als  alle  seine  Vorgänger  schreibt  über 
Erapina  Jordan,  De  originibus  slayicis.  Vindob.  1745,  L  Gap.  XIV,  §.  37, 
S.  74—91,  Gap.  XV,  §.  17,  S.  — ;  er  besuchte  im  J.  1740  absichtlich  Erapina 
und  beschrieb  ziemlich  genau  die  Umgebung  und  führt  schliesslich  das  an, 
was  darüber  bei  slayischen  und  nichtslayischen  Schriftstellern  und  Ghroniken 
erwähnt  wird.  II.  Sect.  LH,  Apparat.  Historicus,  S.  129 — 150,  cf  Elaiö,  op.  c. 
S.  94.  Er  spricht  schon  nicht  yon  einer  Erapina,  sondern  yon  drei;  ausser 
Erapina  führt  er  noch  Psari  und  Sabac  an,  wo  in  alten  Zeiten  drei  Brüder. 
Gzech,  Lech  und  Rus  geherrscht  hatten,  welche  wegen  ihrer  Schwester  in 
Streit  gerathen  und  deswegen  nach  y erschied enen  Seiten  auseinandergegangen 
waren.  Ib  . .  Aus  allem  dem  gesagten  ist  ersichtlich,  1)  dass  sich  im  Laufe 
der  Zeit  diese  Sage  yerwickelt  hat  und  sich  2)  immer  mehr  ausdehnte  und  zu- 
letzt zum  Gemeingute  des  Volkes  ward.  Die  Verbreitung  im  Volke  förderte 
zum  Theil  auch  die  Geistlichkeit,  so  hielt  z.  B.  der  Franciskaner  Prokop 
Svoboda,  ein  kroatischer  Öeche,  der  allem  Anscheine  nach  einige  Zeit  im 
Eloster  zu  Erapina  yerlebt  hatte,  im  J.  1765  am  4.  Tage  des  Monates  Juli, 
seinem  Namenstage,  in  der  Erapiner  Eirche  eine  Predigt ,  welche,  wie  richtig 


Zur  Geschichte  des  Glagolismus  in  Böhmen.  175 

Widerstände,  welcher  dort,  d.  i.  in  Prag,  aus  Anlass  der  Einftlhrung  des 


Klalö  bemerkt  (Vienac  18S9,  S.  95),  wegen  der  Popularität  des  Inhaltes  nach 
2  Jahren  (1767)  in  Agram  unter  folgendem  Titel  gedruckt  wurde:  »Preporodjeni 
Ceh,  aliti  svetosti  svetost  sy.  Prokopa  yu  domovini  Ceha,  Erapine  i  po  milosöi 
i  daresÜTosti  g.  Sigismunda  §öitarocia,  Kanonika  Zagrebeokoga,  vu  cirkvi 
menseh  bratov  naprvostaylena«.  Wie  es  scheint,  glaubte  P.  Svoboda  selbst 
an  die  Wahrheit  dieser  Sage,  Über  welche  er  in  dieser  Chronik  ziemlich  de- 
taillirt  spricht,  indem  er  auf  den  berühmten  böhmischen  Mathematiker  und 
Ghronologisten  Petrus  Codicillus  (1533 — 1589}  hinweist;  er  erzählt  hier  sogar 
einige  Einzelheiten ,  die  sich  bei  den  Chronisten  und  überhaupt  bei  den  Vor- 
gängern Svoboda's  nicht  vorfinden.  —  Einige  neuere  Gelehrte  glaubten,  dass 
diese  Sage  eine  Erfindung  des  Illyrismus  ist  Mit  dieser  Ansicht  kann  man 
natürlich  nicht  übereinstimmen.  Aus  dem  oben  Gesagten  ist  klar,  dass  diese 
Sage  schon  im  XIY.  Jahrb.  bekannt  war,  natürlich  nicht  in  solcher  Gestalt, 
in  welcher  sie  später  erscheint  (cf.  Klaid,  S.  95).  Einige  von  den  zeit- 
genössischen G^elehrten  sind  yorauszusetzen  geneigt,  dass  diese  Sage  zu  ihrem 
Grunde  Weisskroatien  in  den  Earpathen  haben  könnte,  und  folglich  aus  An- 
lass der  Einführung  der  kirchenslavischen  Sprache  in  Emmaus  auch  die  Ueber- 
liefemng  selbst  als  eine  alte  oder  wenigstens  nicht  sehr  neue  anzusehen  ist 

In  wie  weit  das  richtig  ist,  ist  natürlich  sehr  schwer  zu  sagen.  Mag  dem 
so  oder  anders  sein,  es  wäre  allerdings  sehr  interessant,  die  literarische  und 
folkloristische  Geschichte  dieser  Sage  zu  yerfolgen.  Dsnn  wird  uns  doch  zu 
einem  gewissen  Grade  klar  sein ,  weswegen  sie  in  Kroatien  bei  Erapina  oder 
Kmpa  localisirt  worden  ist  —  Nicht  minder  interessant  stellt  sieb  uns  die 
yon  Hajek  apokryphe  Urkunde  Alexander  des  Grossen  an  die  Slayen  dar 
(Kronyka  czesk&,  CCCXIX).  So  yiel  mir  bekannt  ist,  wird  diese  Urkunde 
yon  anderen  böhmischen  Chronisten  nicht  angeführt,  aber  sie  findet  sich  ge- 
trennt in  einzelnen  böhmischen  Handschriften  des  XVI — XVII.  Jahrh.  yor, 
wie  mir  Herr  Mencik  (in  der  k.  Hofbilbl.  zu  Wien)  mitgetheilt  hat.  Cf.  Hanus 
Quellenkunde  und  Bibliographie  der  böhmischen  Literaturgeschichte.  Prag 
1868,  S.  174.  In  lateinischer  Sprache  führt  dieselbe  Battkay  in  seiner  Memo- 
ria, S.  10  f.  an ,  wo  er  eine  lange  Erzählung  yon  den  Alexander  dem  Grossen 
yon  den  Slayen  in  den  Erlegen  im  Osten  erwiesenen  Diensten  beibringt 
Alexander  giebt  deswegen  diploma  nobili  genti  Sdayorum  et  eorum  linguae 
yon  sich  und  yon  seinen  posteris,  qui  in  mundo  succedent  Imperium.  Quoniam 
semper,  wird  dort  gesagt,  nobis  constantes  in  fide  animosi  et  armis,  et  strenui 
adiutores  nostris  fuistis ;  ideo  yobts  damus  et  donamus  plena  libertate  in  per- 
petunm  omnem  terrae  plagam  ab  Aquiione,  usque  ad  Ultimos  fines  meridiem 
yersos;  ea  conditione,  ut  nulla  allia  gens  et  natio  ibidem  ressidere,  inhabitare, 
aut  possidere  quidquam  audeat,  nisi  yestra.  Et  si  homines  ibi  habitantes  re- 
perientur,  sint  subditi  ac  captiyi  yestri,  et  filii  eorum  captiyi  filiorum  yestrorum. 

Ich  glaube,  dass  dieses  Sendschreiben  aus  einer  solchen  Redaction  der 
Alexandreis  entlehnt  ist,  wo  die  Slayen  als  Eampfgenossen  Alexanders  des 
Grossen  figuriren. 


176  P.  Syrku, 

rein  slavischen  Oottesdienstes  in  Eoimans^),  aber  möglicherweise  anoh 
an  anderen  Orten,  entstand,  zn  nrtheilen,  bin  ich  geneigt  zu  glauben, 
dass  der  slavisohe  Gottesdienst  in  Emmans  vorzllglich  nnd  ohne  Zweifel 
znm  grössten  Theile  von  jenen  Mönchen  verrichtet  wurde,  welche  aus 
dem  slavischen  Süden  berufen  worden  waren ;  es  ist  jedoch  schwer  zu 
glauben,  dass  dort  nicht  der  lateinische  Gottesdienst,  wenigstens  dann 
und  wann,  gestattet  war.  Die  Böhmen,  welche  von  allem  Anfang  an 
noch  nicht  den  slavischen  Gottesdienst  kannten,  verrichteten  ihn,  glaube 
ich,  in  der  ersten  Zeit  noch  in  lateinischer  Sprache,  obwohl  dies  ziemlich 
selten  stattgefunden  haben  dürfte.  Gegenwärtig  kann  man  mit  Bestimmt- 
heit sagen,  dass  auch  die  Schfller  der  sttdslavischen  Mönche,  d.  h.  ge- 
borene Böhmen,  schon  ziemlich  früh  in  Emmaus  den  Gottesdienst  slavisch 
zu  verrichten  anfingen  ^).  Die  in  Emmaus  eingeführten  slavischen 
Bücher  waren  glagolitisch  geschrieben,  und  dies,  scheint  mir,  war  eine 
Schwierigkeit  für  die  Böhmen ,  wenigstens  für  die  erste  Zeit,  auf  einmal 
oder  in  der  allernächsten  Zeit  Eirchenslavisch  zu  erlernen. 

Schwerlich  gab  es  in  Emmaus  viele  Mönche  aus  Kroatien  oder  Dal- 
matien.  Nach  den  vorhandenen  Daten  kann  man  glauben,  dass  diese 
Mönche  von  den  literarischen  Producten ,  die  sie  in  Emmaus  zu  Stande 
brachten,  nicht  sehr  viel  hinterlassen  haben;  wenigstens  gegenwärtig 
kann  man  nicht  auf  ein  einziges  solches  Buch  mit  voller  Sicherheit  hin- 
weisen^). Die  glagolitischen  Denkmäler  dieser  Zeit,  von  denen  sieh 
Angaben  über  ihre  Schreiben  erhalten  haben,  weisen  auf  Schüler  dieser 
Mönche  hin.  So  ist  sogar  die  Notiz  zu  Ende  des  im  Jahre  1395  geschrie- 
benen Rheimser  Evangeliums,  schon  in  böhmischer  Sprache  abgefasst, 

T 

obwohl  der  Text  selbst  nicht  »o  ÖpaTpsn  K.iamTepcKHxa,  d.  i.  von  böh- 
mischen Mönchen,  geschrieben  sein  konnte.  Dafür  finden  wir  im  Post- 
scriptum  zu  der  erhaltenen  böhmisch-glagolitischen  Bibel,  dass  sie  im 

T  T 

Jahre  1416  >o  OpaTpsu  KjiamTepcKHx'  aje  h%  o  micapaoyB'  zapBaTCKHx'c 


1)  Gf.  Boh.  Bilegow8k6ho,  Rrooyka  Cyrk.,  S.  22. 

2)  Cf.  Paprocky's  Diadocbus.  Prag  1602.  S.  324,  362. 

>}  Unlängst  wurde  von  Prof.Miloetiö  (Archiv  XIX,  563)  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, dass  die  kroat  Glagoliten  einen  böhm.  Lucidarius  ins  Kroatische 
übersetzt  haben.  Das  ist  wohl  richtig,  ob  aber  und  inwiefern  gerade  das 
Emmaus-Eloster  dabei  betheiligt  war  —  das  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmt- 
heit sagen. 


Zur  Geschichte  des  Glagoliamas  in  Böhmen.  177 

gesehrieben  worden  ist^j.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  hatten  die 
dalmatinischen  Mönche  nicht  nnr  die  Verpflichtung  zn  schreiben ,  oder 
richtiger  Bflcher  abzuschreiben,  sondern  auch  die  böhmischen  Mönche 
in  der  Glagolica  und  in  der  kirchenslavischen  Sprache,  hauptsflchlich  je- 
doch im  ersteren  zu  unterrichten,  was  sie  auch  mit  ziemlichem  Erfolge 
thaten.  Wir  finden  Spuren  dieses  Unterrichtes  vor.  Im  Museum  regni 
Bohemiae  wird  ein  Pergamentstück  (in  4^  min.)  mit  kroatisch-glagoli- 
tischem Texte  des  1.  Ps.  sammt  dem  Anfange  des  2.  mit  freigelassenen 
Stellen  fflr  die  Initialen  der  Psalmen  und  Verse  aufbewahrt;  dabei  laufen 
der  Anfang  und  das  Ende  der  Zeilen  ganz  unregelmässig,  sowohl  zu  An- 
fang des  1 .  Ps.  ak  auch  zu  Ende  des  Textes  überhaupt.  Die  Buchstaben 
sind  unbeholfen  und  unregelmässig  in  der  Zeile  geschrieben,  was  am 
besten  einen  Schreiber,  dessen  Hand  noch  nicht  an  die  Schrift,  und  dazu 
eine  complicirte,  wie  die  glagolitische,  gewöhnt  war,  bekundet.  Aber 
auch  das  Pergament  selbst,  wie  es  abgeschnitten  ist,  zeigt  deutlich,  dass 
dieses  Blatt  nicht  ans  einem  Buche  herrührt,  sondern  absichtlich  zur 
Uebung  bereitet  wurde. 

Der  Unterricht  begann  unzweifelhaft  mit  dem  glagolitischen  Alpha- 
bete, dessen  Spuren  sich  ebenfalls  erhalten  haben.  Der  verstorbene 
P.  Beda  Dudik  fand  in  Stockholm  ein  Azbukivediarium  (Azbukownak) 
oder  Alphabetum  Slanorum  auf  einem  Pergament  in  dem  grossen  Buche, 
das  ans  Böhmen  dahin  gekommen  ist.  Dies  Alphabet  liess  Abt  Diwiss 
(B(ewniow)  aufsetzen.  Die  Züge  der  glagolitischen  Buchstaben  sind 
nicht  so  schön,  wie  in  der  Bibel.  Die  Namen  der  Buchstaben,  denen 
anch  ihr  Zahlwerth  beigesetzt  ist,  sind  nach  damaliger  böhmischer 
Orthographie  geschrieben :  Az,  buky,  widi,  glagole,  dobro,  gest,  zzywyte, 
zelo,  zemla,  yzze,  i,  ge,  kako,  ludy,  myslyte  (und  noch  einmal  myslyte 
über  der  2.  Figur],  nass,  on,  pokog,  rezy,  slowo,  trdo  (anstatt  twrdo), 
uct  (für  uk),  frt,  chyr,  ot,  sstya,  ci,  czvw,  ssa,  ger,  yat,  yus.  Bei  ger 
steht  neben  der  Figur  zur  Erklärung  titla,  neben  yat  ya,  bei  yus  yu^), 


i}  Eine  Biandschrift  der  Universitätsbibl.  in  Prag.  XVII.  A.  I,  fol.  258. 
Ueber  diese  Handschrift  s.  bei  Kola ^,  Sitzungsber.  etc.  1866,  S.  84—89. 

^  Siehe  beiDobrowsky,  Geschichte  der  böhm.  Sprache  und  älteren 
Literatur.  Prag  1818,  S.  57 — 58,  wo  er  auf  den  Abt  Diwis  II.  hinweist.  Da  er 
(Diwiss j  im  J.  1409  starb,  sagt  Dobr.,  so  mag  es  um  das  J.  1400  geschrieben 
sein.  Ausfiihrlioher  über  dieses  Alphabet  vgl.  bei  Dudik,  Forschungen  in 
Schweden  für  Mährens  Gesch.  Brunn  1852,  S.216f.,  wo  er  beweist,  dass  man 
unter  Diwiss  namentlich  den  ersten  mit  diesem  Namen  (1360—66)  verstehen 

AtcMt  fftr  slATisclie  Philolos^e.  XXI.  12 


1 


178  P.Syrku, 

Ein  zweites  Exemplar  desselben  Alphabetes  wird  in  der  Prager  ünirer- 
sitats-  oder  öffentlichen  Bibliothek  aufbewahrt  (XI.  A.  14);  es  ist  auf 
Papier  und  im  Jahre  1434^)  neben  einem  hebr.  und  griech.  Alphabet 
niedergeschrieben. 

Die  Böhmen  lernten,  dem  Anscheine  nach,  mit  ziemlich  gutem  Er- 
folge, wenn  man  darnach  urtheilen  darf,  dass  einem  von  ihnen,  Joannes, 
von  Karl  IV.  für  seine  schöne  Schrift  eine  jährliche  Remuneration  von 
10  Marken  aus  den  Prager  Fleischläden  yerliehen  wurde,  wie  das  aus 
der  Urkunde  dieses  Königs  yom  26.  Sept.  1356  ersichtlich  ist;  darin, 
wird  gesagt,  dass  diese  Belohnung  für  das  fleissige  und  treue  Absohreiben 
von  Heiligenlegenden  und  Liedern  in  der  vornehmen  slavischen  Sprache 
ausgestellt  worden  ist,  und  sie  soll  so  lange  fortdauern,  als  die  Arbeit 
fortgesetzt  werden  würde  ^).  Ob  viele  Bücher  dieser  Joannes  geschrieben, 
ist  gegenwärtig  nicht  möglich  zu  sagen.  Unzweifelhaft  ist  meiner  Mei- 
nung nach,  dass  das  Passionale  oder  Martyrologium,  wovon  sich  sehr 
wenig  erhalten  hat,  von  ihm  geschrieben  wurde ^).    Ohne  Zweifel  gab 


muss  (S.  211 — 19).  Mit  noch  mehr  Ueberzeugung  erhärtet  er  dies  in  seiner 
Geschichte  des  Benedikt-Stiftes  Raygem,  I.  BrUnn  1849,  S.  340,  und  zwar 
auf  Grund  seiner  Forschungen  über  die  Handschriften  des  Klosters  Raygem. 
—  Hanusch,  Zur  Glagolita-Frage,  in  Slavisohe  Bibl.,  herausgeg.  von  Mikl. 
n,  S.  203;  Hanns,  Dodavky  a  doplnky  k  Jungmannov^  Historii  litetatury 
cesk^.  I.  V  Praze,  S.  5.  Nr.  1;  Pecirka  im  C.Ö.M.  1851,  I.  S.  100. 

1)  Hanns,  Zur  Glagolita-Frage  etc.  S.203;  id.  Dodavky  I.  S.6.  Ausser- 
dem ist  zu  Ende  der  glagol.  Bibel  in  der  Prager  Univ.-Bibl.  ebenfalls  ein 
glagol.  Alphabet  niedergeschrieben.  Hanslick,  Gesch.  und  Beschreibung  der 
Prager  Univ.-Bibl.  Prag  1851,  1,  S.  619;  Hanns,  Dodavky  I.  S.  6. 

^  In  dem  Schriftstücke  wird  unter  anderem  so  gesagt:  Johanni,  scrip- 
tori  librorum  monasterii  Slavorum  ordinis  sancti  Benedict!  in  Nova  civitate 
Prag,  noue  fundationis  nostre,  denoto  et  fideli  nostro  dilecto  graciam  nostram 
et  omne  bonum.  Consideratis  multiplicibus  obsequiis  tuis,  quibus  pro  decore 
monasterii  nostri  Slauorum  in  scribendis  libris  legendamm  et  cantus  nobili 
lingue  Slauonice  hucusque  prouide  mentis  studio  tam  sollicite  quam  fideliter 
laborasti;  et  laborabis,  sicnt  non  ambigimus,  prestancius  in  futurum,  de  Sin- 
gular! nostre  Maiestatis  gracia,  damus,  deputamus  et  assignamus  tibi  decem 
marcas  redditum  anni  census  in  et  super  maccellis  civitatis  Pragensis,  in  quo- 
rum  possessione  nunc  esse  dignosceris,  per  te  nee  non  legitimus  heredes  in 
laborando  et  scribendo  libros  legendamm  et  cantns  dicti  vulgaris  slauonici 
actu  et  operacione  continuaveris  ac  perseueraneris  fideliter  et  attente.  Pel- 
zel,  Kaiser  Kari  IV.,  I.  S.  385.  Nr.  CCCXLni;^Patera,  Novfe  nalezenö 
sbytky  starooeskych  passionalü  ze  XIV.  stoleti  in  C.6.M.1882.  S.522f.  Bern. 

S)  Von  diesem  Passional  haben  sich  nur  zwei  beschädigte  Blätter,  die 


Zur  Geschichte  des  Glagolismas  in  Böhmen.  179 

68  auch  andere  glagolitische  Schreiber  oder  Abschreiber;  von  ihnen 
rtthrt  die  Bibel  ans  dem  Jahre  1614  her,  deren  eine  Theil  in  der 
Prager  Üniversitäts-Bibliothek  (XVU.  A.  1)  aufbewahrt  wird.  Dieser 
Codex  enthält  genau  den  2.  Theil  der  BibeU),  wie  es  aus  der  mit  rother 
Tinte  geschriebenen  Notiz  auf  Blatt  Ib,  in  welcher  sein  Inhalt  angegeben 
ist,  ersichtlich  ist: 

E  tom'to  CBas^Koy  ApoyreM'  noncann  ec.  .^i-  khhtb.  a  Hannp'Bi 

KHHTH  napaJOLnoMeHOH  abob,  khhth  esApamoBH.  ABoe.  khiith  HOMHac. 

KHHTH  T06HaC.  KHHTH  V)ßflT  .  KHHTH  OCT^p'.  KHHTH  ho6'.  KHHTH  np3H' 
eCIOBHe.  KHHTH  HOy^pOCTH.  KHHTH  ÖKJeSHaCT^C.  KHHTH  KaHTHKa 
KaHTHKOpOyM.    KHHTH  ÖKKIBSHaCTHKOyC.   KHHTH  SLaiTapS.    Ha  TH  K9JBifiß 

KHHTH,  npsBAMjioyBH  CT^TO  EpoHHMa  facoy  HoncaHH  B  nOCJeAHHBM'  KBa^ 

TepHHB  THBXTO  KHHT.  aH^Ö  CBa3K0y. 

Auf  Blatt  258^  des  Codex  steht  geschrieben: 

ThTO    KHHTH   AOKOHaHH   hcoy   nO   J%T§X*    HapOSBHH    CHa    ÖOXHBTO 

»V  f>t  t\t 

no  .^.  oy.  ei.  sa  ^acoy  khhbsb  Kp3H»:B  onara  cJEOBan'cKBTO.  ncann 
TaTO  dnäje  o   (SparpsH  KJiainTBpcKHx\    aiB  h%  o  nncapsoyB'  xap- 

BaTCKHx'. 

Diese  Notiz  ist  sehr  wichtig;  neben  der  Angabe  der  Zeit  des  Auf- 
schreibens weist  sie  nach  meiner  Meinung  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
auch  auf  die  im  Kloster  na  Slowanech  bestandenen  Verhältnisse  hin, 
und  zwar  auf  die  Beziehungen  zwischen  den  angekommenen  und  ein- 
geborenen böhmischen  Mönchen.  Die  ersteren  werden  nncapsn  xap- 
BaTmTH  genannt  und  wurden,   wie  es  scheint,  nicht  als  eb^bürtige 


beim  Einbände  von  Apologie  stavü  krilovstvi  cesh^ho  z  r.  1618  n.  verwendet 
wurden,  erhalten;  beide  wnrden  von  A.  Pater a  entdeckt,  der  das  eine  von 

V      V 

ihnen  in  C.C.M.  1882,  S.  524 — 527  in  lat.  Transscription  herausgab.  Der  In- 
halt des  2.  Blattes  wird  unten  angegeben  werden.  Die  Blätter  werden  im 
böhm.  Museum  aufbewahrt ;  leider  haben  sie  die  Signatur  noch  nicht. 

1)  Darüber  siehe  bei  Hans lick,  Geschichte  u.  Beschreibung  der  Prager 
Univer8.-Bibl.  Prag  1851;  Dobrowsky  im  Literar.  Magazin  II.  S.  32  und 
seiner  Gesch. d.Spr.u. Liter.  S.212f.;  Jungmann,  Historie  literatnry  cesk^, 
2.  Aufl.  1849,  in.  Nr.506,  S.91 ;  Hanns,  Dodavky  a  doplnky  etc.  IL  VPraze 
1871,  S.  64,  Nr.  506,  wo  auch  die  Literatur  angegeben  ist;  Hanns,  Qaellen- 
knnde  S.  91,  103,  219;  Jirecek  im  ÖÖM,  1864,  L  S.  141 ;  Eol&f ,  Sitzungs- 
her.  d.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1866,  S.  84--89. 

12* 


180  P.Syrku, 

Mitglieder  des  Klosters  angesehen;  man  nennt  nur  die  letzteren 
6paTp3H  KjraniTepcKH  nnd  sie  waren  die  eigentlichen  Herren  na  Slo- 
wanech.  Durch  die  Benennung  imeapsH  zapnaTiuTH  wird  auch  die 
Function  dieser  na  Slowanech  bestimmt;  sie  hatten  die  Verpflichtung, 
Bflcher  zu  schreiben  und  die  Böhmen  in  der  slavischen,  d.i.  glagolitischen 
Schrift  zu  unterrichten. 

Wir  haben  Orund  zu  glauben,  dass  die  böhmische,  glagolitisch  ge- 
schriebene Bibel  im  vollen  Umfang  vorhanden  war.  Von  ihren  einzelnen 
Theilen  haben  sich  aber  nur  unbedeutende  Fragmente  erhalten,  die 
heutzutage  im  Museum  aufbewahrt  werden.    Diese  sind:  aus  dem 

^ten  xheile:  ein  Bruchstück  aus  dem  Buche  Levit  ^] ;  aus  dem 

III^«''Theile:  1)  drei  Abschnitte  aus  DobHchovic,  —  Zachar.  VU, 
23  —  IX,  11  und  XIV,  6 — 14  mit  einem  Vorworte  des  heil. 
Hieronymus  zu  Malachias,  ein  Theil  des  Vorwortes  zu  Ag- 
geas  2)  und  aus  I  Makkab.  XIV,  31—46  ») ;  2)  1/4  Blatt  aus 
Jezeh.,  XXXVII,  Anfang  und  Ende  von  XXXVIII,  Anfang 
von  XXXIX ;  endlich  aus  dem 

jyten  xhcilc:  zwei  Abschnitte  aus  den  Acta  apostolorum:  a)  IX, 
1 — 6,  13;  b]  eine  C!olumne  aus  I,  2;  c)  hannoverisches 
Bruchstttck  in  einem  Blatte,  und  d.  Erklärung  von  hebräisch. 
Wörteoi. 


1)  Ueber  diese  Bruchstücke  vgl.  Hanka,  Ostatky  slovansk^ho  boho- 
Blnzeni  v  Cech4ch.  Prag  1859.  S.  XI.  Dobner  sagt,  dass  sich  in  bibliotheca 
Altova^ßnsi  ordinis  cistercian.  eine  glagolit.  Handschrift  befindet  und  fügt 
hinzu:  Ne  autem  lectorem  celem,  quid  codex  iste  manuscriptus  complectatur, 
continet  is  primam  partem  Bibliorum  (Annalium  Hagecianorum  pars  VI. 
Pragae  1782,  S.  11).  In  der  Beschreibung  der  im  Stifte  Hohenfurt  befindlichen 
Handschriften,  von  p.  Baph.  Pavel  in  Xenia  Bernardina.  Wien  1891,  pars  U. 
2,  S.  167-- 461  kommt  aber  keine  solche  Handschrift  vor.  Soll  man  nicht  hier 
die  Hohenfurter  Fragmente  verstehen?  Jireoek,  Rukovet,  I.  S.246.  J.  Eo- 
Hf  im  ÖÖM.  1870.  S.  394;  da  und  in  den  Sitzungsber.  d.  böhm.  Ges.  d.  Wiss. 
1866,  S.  89  zählt  Kol&f  mit  Jirecek  (an  cit.  Stelle)  zu  dem  nicht  erhalte- 
nen Theile  der  Bibel  auch  die  Bruchstücke  aus  dem  Cistercienser-Stifte  zu 
Hohenfurt  (Vyssi  Brod);  doch  sind  diese  Fragmente  aus  der  allgemeinen  Ge- 
schichte, wie  unten  dargethan  ist. 

^  Ueber  diese  Bruchstücke  s.  bei  Eoläf  ÖCM.  1870.  S.  394;  das  Vorwort 
ist  ibid.  herausgegeben,  S.  398. 

'j  Ib.  herausgegeben,  S.  399. 


Znr  Geschichte  deB  Glsg^IismüB  in  Böhmen.  Igt 

• 

Man  maB8  jedoch  yermathen,  dass  es  nicht  nur  ein  Exemplar  der 
höhmiach-glagolitischen  Bibel  gegeben  hat,  sondern  wenigstens  zwei, 
nnd  dass  das  zweite  von  ihnen  auf  Papier  geschrieben,  übrigens  vielleicht 
nnyollstftndig  war. 

Ausser  den  biblischen  Bruchstücken  sind  auf  uns  Fragmente  aus 
der  allgemeinen  Geschichte  ^)  auf  den  2  bereits  genannten  Pergament- 
blftttern  aus  dem  Oistercienser-Stifte  zu  Hohenfurt  (VysSf  Brod)  in  fol., 
2  Columnen  gekommen;  das  2.  Blatt  ist  unvollständig,  —  an  der  äusse- 
ren Seite  ist  ^1^  des  Blattes  von  oben  bis  unten  abgeschnitten.  Die 
erste  Columne  des  ersten  Blattes  ist  schwierig  zu  lesen,  da  sie  sehr  be- 
schmutzt ist.    Das  Ende  dieses  Blattes  in  der  2.  Columne  lautet  so : 

ETepaK'  c^AHH  caMO  iniecTo  iuhh  jihah.  Atoho  nosHsaxoy  snEesaim 
H  simeBaKEHHe  hba'  norpsHeÖeii'  hocne  a  HHora  ^acon'  b  lo^^a  hsa'  i^o* 
cnaH  otiHOBaxoy.  A  k  TOMoy  KBHejeHH  hotom'  thx  epesraac'  npsBxa 
hirae  KBHejieHHe  hba*  sÖopseuH  HHccTa.   Darauf  fängt  unmittelbar  der 

Aufsatz  an:  OynaA  SHMHan.  3a  ahob  hocne  .r.  KpajL*  psnucKH  xaoy- 
Koyc'  (sie)  Mapi^Hoyc*.    BHoyK*  HoyMOß*  3e  wepn.   Ten*  nopoy  aAseH* 

THHoy  np3HqHHH  K  HnecToy.  Ha^  MopssM*  ei  (16)  mhjo.  o  iraecTa. 
MHecTO  rncTHan'  To^nm*  oÖhbt'  oycTaBH.  Ox^noBneÄH  haohbo.  Toro 
nasnpB*  p3hmc*kh  seHne  noxHBaJa  ecT\  IlaTH  psioiCKH  Kpaji'  TapK^BH- 
HHoyc^  npHCKoyc*  okojo  p3HMa  3An  a3 

y.   0  Tp3Hex*  cHHHex*  hocHamoBHx*.   Anfang:  OycTann. 

d.  0  hoaxHM'  a  o  oypna.  a  o  npi^cTBH  epMHe.   Auf. :  IlaR  hoaxHM' 

ÖHeme  ai  (15)  jigt^  kahx'  6hj  no^aji'  KpaJiOBaTH.   ai  (11)  jt^t^ 

KpaJiOBaji'  B^  epoysajeH'. 
€.   Der  Titel  abgeschnitten.  Anf. :  Hoa'  03Ha  Kpaien'  lo^a.  CKona .... 
t.  Der  Titel  beschnitten.    Anf.:  JleTa.  hi  (31).  03n Kpa- 

jiOBa ac^  CHH^  .... 

i;.  O  no^aTKoy  hnMaHHe  slhaob^  Kn  ei  (16).  Anf.:  3aAH0B  «ai^ee 
TsrAaT^  «a^aeap'  Kpa2['  acoyp\  hneAe  ao  nsparej'.  HL  ecT^  muH- 
HO.  Ten'  JEH  e  6hj['  «oyj'.  ^Exa  hnHH.  HL  noiueHH  nnmipcoy  somh. 
Hetf'  KpahÖHHoy  sa  hopAaHeM\  a  shHMas*  nojK*Tp3eTHe  noKOjeHBe 


1]  Darüber  bei  Dobro  wsky,  Glagolitica  in  der  Ausgabe  Hanka's,  S.  20. 
Das  Fcs.  aus  dieser  Geschichte  oder  den  Hohenfurter  Fragmenten  s.  bei  Pel- 
zel,  Kaiser  Karl  IV.  1781,  zwischen  S.  530—534. 


182  P.  Syrku, 

^flß  Ci  co6oy  a  TaKe  noiueHH  rajrajeaM'.  3  noKOJteHHe  3a6oy- 
Äen\   ä  HenTajEHM'  mhofh  npsHB^AO  (sie)  c  co6oy  ao  acHpne. 

^.  0  lioaTaM' KpajH.    Anf.:  JeTa  Apoyre  rn^ai^e.  KpaJ[eBa(ji) 

hoTan'  CHE*  03He  b  epoysaieMH  h^.  (25)  j^tb  Öhj'.   kahs'  no- 

^aj['  KpazesaTH.    a.  ei.  (16)  jeot^  Kpaji[eBaj[\  hMse  MaTepsn  ero 

Hepoyca.  wepa  caAOx\    E[  ^heh  Ao6p3He  npsneA'  6reiM[\   BinaK 

BHCOCTH  (?).  —  Mit  diesem  Worte  hört  das  Blatt  auf. 

Ob  nun  die  böhm.  Schreiber  oder  KjaniTepcKH  tfpaTpan  auch  kroat.- 
glagolit.  Bücher  geschrieben  oder  dieselben  nur  abgeschrieben  haben, 
ist  gegenwärtig  nicht  leicht  zu  sagen.  Herr  J.  Kolär  glaubt,  dass  die 
dalm.  Mönche  kroat.  Bücher  und  unter  anderem  den  Lobkovitzer  Psal- 
ter, welchen  »mica  Khphhb  aiaKaHBcc  (Quirinus  diaconus]  im  Jahre  1359 

AB  CTOMB  KoysMH  ^aMB^HH  B  ccHH«^),  uud  ausscrdcm  den  Psalter  oder 
das  Breviarium,  von  welchem  sich  einige  Bruchstücke  erhalten  haben : 
die  von  DobHchowitz  (DobHchovice) ,  Earlin,  Tursko  und  Borotitz  (Bo- 
rotice)^)  mit  sich  gebracht  haben.  Schwerlich  ist  es  möglich^  die  An- 
nahme des  H.Kollä]f'  für  richtig  zu  halten.  Man  muas  vor  allem  bemer- 
ken, dass  es  solcher  Bruchstücke,  die  auf  verschiedenen  Stellen  Böhmens 
gefunden  wurden,  weit  mehr  gibt ;  im  Ganzen  ergeben  sie  die  Zahl  von 
18  Blättern  und  7  Stückchen  oder  Abschnitzeln,  auch  muss  man  dazu 


1)  Dieser  Psalter  stellt  etwas  in  der  Art  der  russ.  cji^xoBaHHaA  ncazTupL 
vor,  weil  nach  ihm  das  Beviarium  Romanum  folgt.  Von  einem  Psalter  wurde 
die  Copie  in  lat.  Transscription  für  P.  J.  äafarik  auf  seinen  Wunsch  gemacht ; 
dieser  wird  unter  den  Papieren  ^i^aHk's  in  der  Bibliothek  des  böhm.  Museums 
(IX.  H.  15  =  IX,  D.  12)  aufbewahrt.  Lobkovicer  heisst  der  Psalter,  weil  er 
dem  Grafen  Lobkovic  angehört;  früher  war  er  Eigenthum  des  Grafen  Stern- 
berg. S.  darüber  bei  D obre  wsky,  Geschichte  der  böhm.  Sprache  u.  älteren 
Literatur.  Prag  1818,  S.  385;  Glagolitica.  Prag  1832,  S.  79  f.  und  Slawin. 
Prag  1833,  S.  389;  Kolär  in  Sitzungsber.  der  k.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1879, 
S.  403. 

2)  Sitzungsberichte  der  k.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1879,  S.  403;  Kolif 
zählt  c.  10  Bruchstücke  auf.  Ib.  S.  402—405;  cf.  COM.  1870,  S.  393,  wo  auf 
S.  397  die  Psalmen  CXXXVI,  CXLVII  und  CXLVIII  aas  den  Bruchstücken 
von  DobHchowitz  herausgegeben  sind;  von  den  Bruchstücken  von  Borotitz 
sind  herausgegeben  Ezod.  X,  8 — 19  nnd  Habbak.  III,  1—19  in  den  cit.  Sitz.- 
ber.  1879,  S.  405.  Aus  den  Bruchstücken  von  Tur  findet  man  Abdrücke  bei 
äafaHk,  PamÄtky  hlaholsköho  pisemnictvi  S.  74  f 


Zur  Geschichte  des  Glagolismus  in  Böhmen.  183 

noch  3  Blätter  aus  den  Papieren  Saf.'s  hinzufügen  i-j-  n.  — ö~  )   ^i^d 

dann  noch  11  Stückchen  (-7— )>  und  so  erhalten  wir  21  Blätter  und 

18  Stückchen,  welche  gegenwärtig  alle  im  Museum  aufbewahrt  werden. 
Ich  habe  sie  alle  durchgesehen  und  mir  bei  jedem  von  ihnen  den  Inhalt 
angemerkt,  da  in  der  Hoffnung  auf  neue  Funde  eine  Beschreibung  der- 
selben bis  heute  noch  nicht  existirt,  sie  sind  aber  auch  noch  nicht  in  die 
gehörige  Ordnung  gebracht.  Sie  enthalten  Lectionen  aus  den  biblischen 
Büchern  des  Alten  und  Neuen  Testamentes,  Officien  zu  den  grossen 
Fasten,  wie  den  Kanon  auf  denCharfreitag^),  Lieder  auf  Mutter  Gottes, 
Officien  oder  Missen  der  Heiligen,  wie  z.  B.  die  Missa  für  den  heil.  Erst- 
märtyrer Stephan  ^j .  Hanka  glaubt,  vielleicht  nicht  ganz  richtig,  dass 
die  eben  angeführten  Bruchstücke  aus  drei  Breviarien  oder  Missalen 
herstammen.    Aus  dem 

I.  zwei  Blätter,  aufbewahrt  in  der  Prager  Üniversitäts-Bibliothek, 
deren  Inhalt  lateinisch  vom  Priester  Pisely  transscribirt  ^),  und 
so  transscribirt  von  Dobrowsk^  abgedruckt  wurde  ^) ;  aus  dem 
n.  zwei  Blätter,  von  denen  das  eine  in  Turnau,  das  zweite  in  Buda- 
pest gefunden  wurde  ^) ;  aus  dem 
ni.  zwei  Blätter  in  der  Hessen-Kasseler  kurfürstlichen  Bibliothek 
zu  Kassel^)  und  zwei  Blätter  von  Erben  inPraskoles  gefunden^]. 

Alle  diese  Bruchstücke  sind  nach  Hankas^)  und  anderer^)  Meinung 
in  Emmaus-Kloster  geschrieben  worden.  Natürlich  sind  bei  dieser  Be- 
stimmung Hankas  nicht  alle  Bruchstücke  in  eine  Gruppe  zusammen- 


1]  Abgedruckt  bei  §af.  PamÄtky  S.  71  f.  und  bei  Hanka,  Ostatky  slo- 
vansk6ho  bohoslulseni  v  CechAch,  S.  50—60. 

'}  Abgedruckt  bei  Hanka  ib.,  S.  66  f. 

3)  Hanka  ib.  S.  XI;  ebendort  abgedruckt  S.  42--47. 

*)  Glagolitica.  Prag  1807,  wo  er  das  Fcs.  von  einem  kleinen  Stücke  die- 
ser Fragmente  beibringt  Zweite  Ausgabe  von  Hanka  44  f.  u.  65 — 67  und  das 
Fcs.  Taf.  I;  cf.  Gesch.  d.  böhm.  Spr.  u.  Liter.  Prag  1818.  S.  58. 

5)  S.  bei  Hanka,  ib.  S.  XH;  ib.  S.  35—38  das  Turnauer,  S.  47—50  das 
Budapester  Blatt  herausgegeben. 

^  S.  bei  Hanka  ib.  S.  XIII;  ib.  auch  herausgegeben  (S.  26—35). 

^)  Ib.  S.  Xni,  herausgegeben  S.  50—60,  wo. der  Gottesdienst  auf  den 
Charfreitag  enthalten  ist. 

8)  Op.  cit.  S.  Xn  u.  XVI. 

^  Of.  Jnngmann,  Historia  literatury  oesk^.  III.  Abtheilung,  S.  91, 
Nr.  506;  Hanui,  Dodavky  I,  S.  2,  Nr.  8;  Quellenkunde  S.  216. 


184  P.  Syrku, 

gestellt  ^).  Er  sagt  z.  B.  nicht,  wohin  man  das  Stück  eines  Blattes  aus 
einem  Menologinm  setzen  mnss,  welches  Stück  in  den  Papieren  Gerronis 
gefunden  wurde  ^j.  Ausserdem  kann  man  als  unzweifelhaft  annehmen, 
dass  auch  andere  Bücher  sowohl  in  der  höhmischen  (Sechischen],  als 
auch  kroatischen  Sprache  glagolitisch  geschrieben  wurden.  Von  einigen 
auf  uns  nicht  überkommenen  glagolitischen  Büchern  haben  wir  directe 
Nachrichten.  So  finden  wir  z.  B.  in  den  Gerichtsbüchem  des  Prager 
Consistoriums  vom  Jahre  1379  folgende  Notiz:  Przibislaus  archidiaeonua 
Horssov.  assignat  quosdam  quintemos  pergameni  scriptos  in  Slauonica 

lingua Paula  abbati  Slavomm  ^).  Ausserdem  theilt  uns  Fr.  Pe- 

tera  Rohoznick]^  mit,  dass  im  Jahre  1844 — 5  in  Josefov  eine  ganze 
glagolitische  Handschrift,  2  Daumen  dick  und  in  Folio  zum  Einwickeln 
der  Waare  in  einem  Oeschäfte  veniichtet  wurde  ^). 

Man  kann  überzeugt  sein,  dass  man  mit  der  Zeit  noch  mehr  Bruch- 
stücke solcher  Bücher  entdecken  wird,  üebrigens  kann  man  gegen- 
wärtig schon  auf  Bruchstücke  aus  glagolitischen  Büchern  kroatischen 
Ursprunges  hinweisen,  die  man  nicht  mit  yoUer  Sicherheit  auf  das 
Emmauser  Kloster  beziehen  oder  den  Emmauser  Schreibern  zuschreiben 
kann.  Ein  solches  ist  das  Innsbrucker  Fragment^)  und  drei  andere: 
zwei  aus  einem  Missale  und  eins  aus  einem  Breviarium  des  XIV. — XV. 
Jahrh.,  aufbewahrt  in  der  Wiener  k.  Hof bibliothek ;  gezeigt  hat  sie  mir 
Ferd.  Mencfk.  Das  Blatt  ans  dem  Missale  in  Folio  ist  der  Schrift  nach 
ebensolchen  Bruchstücken,  die  in  der  Bibliothek  des  Museum  regni  Bob. 
vorhanden  sind,  überaus  ähnlich.  Schliesslich  haben  wir  auch  noch 
literarische  Hinweise,  welche  uns  Anlass  geben  zu  vermuthen,  dass  noch 
andere  Denkmäler  der  glagolitischen  Literatur  bei  den  Böhmen  existiert 


1}  Fr.  Patera  Rohozniok^  theilt  in  Praisk^  Nowin^  1859,  7.  Jan.  vou  der 
Vernichtung  einer  ganzen  glagolitischen  Handschrift  mit.  Hanka,  Ostatky, 
S.  XVI. 

^  Hanka,  Ostatky,  S.  XI;  herausgegeben  S.  42;  das  Fcs.  bei  Do- 
bro  wsk/s  Glagolitica,  2^«  Ausgabe,  Taf.  III;  Gresch.  d.  böhm.  ßpr.u.  Lit.  — 
zu  Ende. 

8j  Acta  jud.  II,  151  bei  Tadra,  KancelÄfd  a  pisai^  v  zemich  ceakfch. 
V  Praze  1892,  S.  213,  Bemerk.  12,  wo  gesagt  wird,  dass  es  weitere  Nachrich- 
ten Über  diese  Bücher  nicht  gibt. 

*)  PraSskö  noviny,  1859,  7.  Jan.;  Hanka,  Ostatky,  8.  XVI. 

^)  lieber  diese  Bruchstücke  siehe  bei  ^afai^ik  in  Sitzber.  der  k.  böhm. 
Ges.  d.  Wiss.  1859,  IIL,  S.  23;  Vojt-SafaUk,  ib.  S.  60  und  äembera, 
Historie  liter.  cesk6,  3.  Aufl.  S.  56. 


Znr  GeBchichte  des  Glagolismas  in  Böhmen.  ]  85 

hatten,  nnd  zwar  führt  Matth.  Beneiovsky  (Ton  Benesov);  Philonomas 
genannt,  der  einige  Zeit  Abt  des  Emmaus- Klosters  gewesen  war^  in 
seiner  ziemlich  interessanten  »Knjiika  slow  öesk^ch  wylozen^^ch^ja 
7  Psalme  ans  dem  Psalter  in  lateiniseher  Transscription  an,  allein  woher 
er  diese  genommen  hat,  ist  nnbekannt.  Y.  Hanka  glaubte^  ohne  einen 
Grund  dafür  anzugeben,  dass  dem  Philonomus  kyrillische  und  nicht 
glagolitische^)  Bücher  zur  Quelle  gedient  haben.  Wenn  wir  von  der 
Voraussetzung  ausgehen,  dass  in  Emmaus  noch  glagolitische  Bücher 
kroatischen  Ursprunges  oder  Redaction  geschrieben  wurden,  so  konnten 
diese  nur  in  den  ersten  Decennien  des  Bestehens  des  Klosters,  d.  h.  nur 
in  der  2.  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  geschrieben  worden  sein;  zu  Ende  des 
zweiten  Decenniums  dieses  Jahrhunderts  begann  man  schon  böhmische 
(cechische)  Bücher  in  der  glagolica  zu  schreiben.  Anders  konnte  es  auch 
nicht  gewesen  sein.  Es  war  nothwendig,  böhmische  Schreiber-Glago- 
liten  (oder  wie  sie  sich  selbst  nennen  »KJtaiirrepcKH  ÖpaTpsn«)  vorzu- 
bereiten, die  böhmische  Orthographie  auf  Grund  der  glagolitischen  Buch- 
staben auszuarbeiten  und  erst  dann  sich  des  Bücherschreibens  anzuneh- 
men.  Es  ist  wahr,  dass  im  Jahre  1356  ein  solcher  Böhme-Olagolite, 
Namens  Jan  erscheint,  welchen,  wie  ich  oben  dargethan  habe,  Karl  IV. 
eine  jährliche  Belohnung  zu  Theil  werden  Hess;  natürlich  gab  es  solche 
nur  wenige,  wenn  er  gar  nicht  der  einzige  war,  und  ihm  Karl  IV.  diese 
Belohnung  zu  seiner  und  anderer  Anspomung  verliehen  hatte.  Noch 
selbst  zn  Ende  des  XIV.  Jahrh.  wurden  Bücher  kroatischen  Ursprunges 
geschrieben.  Derart  ist  der  glagolitische  Theil  des  Rheimser-Ev.  aus 
dem  Jahre  1395.  Wer  ihn  aber  geschrieben  hat,  ob  ein  kroatischer 
Schreiber  oder  ein  KjamTepcKH  6paTpi>,  ist  gegenwärtig  unmöglich  mit 
Sicherheit  zu  sagen.  Ich  bin  geneigt  zu  glauben,  dass  ihn  ein  Böhme 
geschrieben  hat,  der  schon  gut  die  glagolitische  Schrift  und  die  kirchen- 
slavische  Sprache  beherrschte.  Das  Buch  war  für  den  festlichen  Gottes- 
dienst bestimmt;  die  in  ihm  enthaltenen  Evangelien-  und  Apostol-Lec- 

tionen  sind  jicjob^h'ckhm  isKeM«  geschrieben,  ....  hMahn  cimeBaHH 
6hth  Hb  roAH,  ig(H3Kb  onaT  doa'  Kopoynoy  Mmn  cjoyxH«,  wie  es  in  dem 
Postscriptum  zu  Ende  des  Codex  mitgetheilt  ist.  Wann  der  kyrillische 
Theil  desselben  Codex  geschrieben  worden  ist,  im  XIV.  Jahrh.  oder 
früher,  wie  einige  Gelehrte  3)  glauben,  ist  nicht  leicht  zu  sagen,  da  bis 

<)  Dieses  Buch  wurde  in  Prag  1587  herausgegeben. 

«J  Ostatky,  S.  XVI— XVII. 

3)  Ueber  das  Rheimser  Evangelium  existirt  schon  eine  ganze  Literatur. 


186  P.  Syrku, 

zu  dioBer  Zeit  die  Handschrift  selbst  sehr  wenig  stadirt  wurde,  mehr  be- 
kannt ist  sie  durch  das  Facsimile  des  Silvestre,  das  aber  nicht  genau 
ist.  Ich  schliesse  nicht  die  Möglichkeit  aus,  dass  der  kyrillische  Theil  im 
XIV.  Jahrh.  geschrieben  wurde,  trotzdem  es  nicht  ganz  leicht  ist,  dies 
zu  beweisen.  Endlich  glaube  ich,  .dass  die  Tradition  über  das  Auf- 
schreiben dieses  Tfaeiles  des  Evangeliums  durch  den  h.  Prokop  nicht 
gänzlich  für  unwahracheinlich  anzusehen  ist.  Diese  Tradition  kann 
darauf  hinweisen,  dass  der  kyrillische  Theil  von  einer  älteren  Hand- 
schrift als  des  XIV.  Jahrh.  und  allenfalls  in  Böhmen  entweder  fflr  die 
Böhmen  oder  die  Sttdslaven,  die  nicht  sehr  mit  den  Kyrill-Redactionen 
vertraut  waren,  von  einer  russischen  Handschrift,  die  auf  einem  bulga- 
rischen Originale  fusste,  abgeschrieben  worden  ist. 

In  Verbindung  mit  der  Frage  Aber  den  kyrillischen  Theil  des 
Rheimser  Evangeliums. steht  auch  die  Frage:  War  denn  die  kyrillische 
Schrift  den  Böhmen-Glagoliten  bekannt  und  haben  sie  auch  kyrillisch 
geschrieben?  Dass  ihnen  auch  die  Eyrillica  bekannt  gewesen,  unter- 
liegt um  so  weniger  einem  Zweifel,  als  ja  die  Gechen  zur  Zeit  Karl  IV. 
durch   die  Polen   directe  und  indirecte  Beziehungen  zu  den  Russen 


Ich  werde  ntur  auf  das  HervoiTagende  davon  hinweiseu.  Fast  als  erste  Nach- 
richt erscheint  über  dieses  £v.  die  bei  F.C.Alter,  Philologische  Miscellaneen, 
Wien  1799,  S.  175;  Brief  an  Hanka  von  Jastrzfbskl  vom  J.  1839  im  COM. 
1S40,  S.  187 — 199  mit  einem  farbigen  Fcs.  des  Postscr.;  hier  finden  sich  viele 
bibliogr.  Angaben  vor.  Noch  früher  schrieb  Hanka  einen  ziemlich  umfang- 
reichen Aufsatz  im  COM.  1839,  S.  491—499.  Um  dieselbe  Zeit  setzt  B.  Eo- 
pitar  in  seinem  Hesychii  glossographi  discipulus.  Vindobonae  1839,  S.  65  f. 
dieses  Evang.  ins  XIV.  Jahrh.  Derselbe  Gegenstand  wird  im  Briefwechsel 
zwischen  Eopitar  und  Hanka  zu  wiederholten  Malen  berührt  (vergl.  Neue 
Briefe  von  Dobrowsky,  Kopitar,  StPtbg.  1897,  BBeAeHie  S.  LXVI— LXVU). 
Im  J.  1843  gab  Silvestre  das  vollständige  Fcs.  dieses  Ev.  photographisch  auf 
Kosten  des  Kaisers  Nicolaus  I.  in  Paris  heraus,  im  J.  1846  aber  Hanka  in  Prag 
mit  kyrill.  Buchstaben  und  lat.  Transscription,  einer  Vergleichung  mit  den 
Texten  des  Ostromirschen  Codex  und  theil  weise  dem  der  Ostroger  Bibel  sammt 
einer  Einleitung,  in  welcher  er  sich  bemühte  zu  beweisen ,  dass  der  kyrill. 
Theil  vom  heil.  Prokop  geschrieben  worden  ist.  Deshalb  betitelte  er  auch 
seine  Ausgabe  folgendermassen :  »CasaBo-euMayscRoe  cbatoc  6.iaroBicTBOBaHHe«t. 
Fast  zur  selben  Zeit  trat  Kopitar  gegen  Hanka  mit  seinen  Prolegomena  histo- 
rica  auf,  welche  in  der  Art  einer  Einleitung  zu  einigen  Exemplaren  der  Pa- 
riser Ausgabe  und  separat  in  Prag  1846  und  in  der  Slav.  Bibl.  Miklosich's  I., 
S.  80  sqq.  erschienen  sind,  wo  er  seine  früheren  Ansichten  wiederholt,  dass 
sich  das  ganze  Ev.  auf  das  XIV.  Jahrh.  bezieht.  Jastrz^ bski  wiederholte  seine 


Zar  Geschichte  des  GlagoliBmus  in  Böhmen.  Ig7 

hatten^),  und  wie  wir  nnten  sehen  werden,  anch  zu  den  Serben,  Ob  aber 
irgend  etwas  anch  kyrillisch  geschrieben  wurde,  ansser  dem  Rheimser 
Evangelium,  wofern  es  erst  im  XIV.  Jahrh.  in  Böhmen  entstand,  ist 
llberaus  schwer  und  gegenwärtig  sogar  unmöglich  zu  sagen.  Wir  haben 
gar  keine  Daten,  die  irgend  eina  positive  Antwort  auf  diese  Frage 
geben  wflrden. 

Man  kann  dafür  halten,  dass  ausser  den  oben  angegebenen  böhm. 
und  kroatischen  Büchern  noch  Dinge  anderen  Inhalts  geschrieben  wur- 
den; darauf  spielt  Karl  IV.  selbst  in  seinem  Erlasse  vom  26.  Aug.  1356 
an  Joannes,  den  Bttcherschreiber  zu  Emmaus,  an,  dass  ihm  nämlich  für 
das  Schreiben  von  Büchern  von  Heiligenviten  und  Liedern  in  der  slavi- 
schen  Sprache  jährlich  1 0  Mark  zur  Belohnung  ausgestellt  sind  —  (la- 
borando  et  scribendo  libros  legendarum  et  cantus  vulgaris  slauonici^j. 
Was  die  libri  legendarum  anbetrifft,  so  muss  man  unter  ihnen,  meiner 
Meinung  nach,  jenes  Passional  oder  besser  Martjrologium  verstehen, 
aus  welchem  schon  A.  Patera,  wie  ich  oben  bemerkt  habe,  Bruchstücke 
abgedruckt  hat. 

Welcher  Art  aber  die  cantus  vulgaris  slauonici  waren,  ob  weltlichen 
oder  geistlichen  Inhalts,  davon  haben  wir  heutzutage  keinen  Begriff. 
Ich  glaube  nur,  dass  auch  diese  cantus  glagolitisch  geschrieben  waren, 
wenn  wir  in  Betracht  ziehen,  dass  auch  das  Passionale  oder  Martyro- 


Ansicht  in  einem  separaten  Buche :  Notice  sur  le  manuscrit  de  la  biblioth6que 
du  Reims,  connu  sous  le  nom  du  Text  de  sacre.  Rome  1845. 

Eine  ganze  Dissertation  über  den  kyrill.  Thell  des  Rheimser  Ev.  hat 
B i  1  j  ar  s  k  i j  im  2.  Theile  seiner  »GyAB6a  i^epKosHO-cJiaBAHCKaro  nsuRa.  Gn6. 1 848« 
geschrieben.  In  späterer  Zeit  schrieben  über  diesen  Theil  (den  kyrill.)  Prof. 
Cerf,  L'^vang^liaire  slave,  manuscrit,  dit  Text  du  sacre  conservö  ä  la  biblio- 
thöque  de  la  ville  de  Reims.  Reims  1885,  Sobolevskijim  PyccRiii  «eägäoth- 
qecidu  BicTEHK'B  XVin  (1887),  S.  143,  wo  er  zu  beweisen  trachtet,  dass  dieser 
Theil  des  Ev.  in  das  Xn.  Jahrh.  (wenn  nicht  in  ein  noch  früheres)  gehört  und 
dass  derselbe  in  Rnssland  ans  einer  bulg.  Vorlage  abgeschrieben  worden  ist. 
Prof.Pastrnek  ist  fast  derselben  Ansicht  hinsichtlich  derZeit  des  Aufschrei- 
bens dieses  Theiles,  doch  meint  er,  dass  er  in  Böhmen  geschrieben  worden  ist 
(Casopis  Matice  Moravskö,  XV.  1891,  S.  336  sqq.).  An  dieselbe  Ansicht  halten 
sichKHoek,  N&stin  S.  147,  und  Krasl,  Svaty  Prokop,  jeho  klÄster  i  pam&tka 
V  üdu.  V  Praze  1896,  S.  166—169. 

i)  Siehe  bei  Hoff  mann,  Sammlung  ungedruckter  Docum.  u.  Urkunden. 
n.  Theil.  Halle  1737,  S.  226—247,  Nr.  CCLÜ;  cf.  Tadra,  Kulturn^  styky 
Öech  s  ciBinou.  V  Praze  1897,  S.  149—150. 

«)  Pelzel,  Kaiser  Karl  IV.,  IL  S.  385,  Nr.  CCCXLni. 


188  P.  Syrku, 

logium  mit  denselben  Bachataben  niedergeschrieben  wurde.  Wenn  diese 
cantus  veitlichen  Inhaltes  waren,  so  könnten  sie  anch  lateinisch  ge- 
schrieben gewesen  sein,  obwohl  das  schwer  zn  glauben  ist.  Unzweifel- 
haft hatte  man  die  Absicht,  vermittels  des  allgemein  zugänglichen  Lesens 
die  glagolitische  Schrift  zu  popularisiren  und  hinsichtlich  dieses  konnten 
die  cantus  eher  glagolitisch  als  lateinisch  geschrieben  sein.  Wenn  auch 
die  Nachbarschaft  der  cantus  mit  den  libri  legendarum  nicht  zunächst  an 
den  weltlichen  Inhalt  der  Lieder  denken  lässt,  so  schliesst  dieser  Um- 
stand doch  die  Möglichkeit  ihres  weltlichen  Charakters  nicht  aus.  Wahr- 
scheinlich wflrde,  wenn  die  cantus  durchaus  geistlichen  Charakters  waren, 
die  Urkunde  dieselben  mit  einem  ihrer  Eigenart  entsprechenden  Adjek- 
tivum  charakterisirt  haben,  was  wir  in  der  That  nicht  sehen  ^j .  Bo- 
huslawBilejowsky^),  der  schon  bekannte  utraquistische  Priester,  spricht 
auch  0  gin^  k  zpjwänlj  (d.  h.  Gesangbücher),  aber  diese  Worte  ergeben 
kein  klares  Bild. 

Wenn  wir  darnach  urtheilen,  was  bis  hieher  Aber  die  glagolitischen 
Handschriften  in  Böhmen  gesagt  worden  ist,  so  könnte  man  glauben, 
dass  die  böhmischen  Glagoliten  nicht  sehr  viel  geschrieben  haben.  That- 
sächlich  wurden  aber  in  Emmaus  bei  weitem  mehr  glagolitische  Bttcher 
geschrieben.  Hier  wurde  das  Abschreiben  kirchenslavisch-glagolitischer 
Bttcher  auch  im  XV.  Jahrb.,  wie  es  theilweise  die  Nachschrift  in  der 
erhaltenen  böhmisch-glagolitischen  Bibel  in  der  Universitäts-Bibliothek 
(v.  oben)  darthut,  und  wahrscheinlich  bis  ans  Ende  dieses  Jahrhunderts, 
wenn  nicht  noch  später  fortgesetzt.  Die  böhmisch-glagolitischen  und 
kroatischen  Bttcher  haben  sich  bei  den  Böhmen  bis  zum  Ende  des 
XYI.  Jahrh.  erhalten.    Gegen  das  Ende  des  XVI.  Jarh.  waren  viele  mit 


1)  Man  könnte  glauben,  dass  die  cantus  Joannis  in  der  Art  jener  gewesen 
sind,  wie  sie  die  Hofsänger  der  böhm.  Könige  gedichtet  habeu.  Man  muss  be- 
merken, dass  die  von  einigen  cech.  Gelehrten :  Hattala,  Zoubek,  Aforizmy  v 
rukopisi  nasich  zp^vü,  pisni  in  Lnmir  1886,  Nr.  29,  S.  445,  aogeftthrten  Do- 
breta  und  Kojata  nicht  Sänger  (Dichter),  sondern  joculatores  sind;  —  der 

erstere  wird  in  der  Urkunde  Vladislav's  1167,  20.  Jan.  ( terram,  quam 

pater  mens  joculatori  suo,  nomine  Dobr^ta  in  villa  Zalasaz  dederat,  ego  illi 
ecclesiae  [Litomyslensis  ordiuis  Praepronstatensis]  contuli,  —  bei  Erben, 
Begesta,  I,  Nr.  319,  S.  139;  der  zweite  aber  in  der  Urkunde  Sobezlaus  1176: 
ecclesiae  Olomucensi :  . . . .  cirouitum,  qui  vooatur  Dobretin,  a  Kojata  jocula- 
tori comparavit,  —  bei  Erben,  op.  c,  S.  157)  erwähnt. 

2)  Kronjka  G^kewnej.  Wyd.  od  Joz.  Skalick^ho.  W  Praze  1816,  S.22. 
Dobrowsky,  Gesch.  der  böhm.  Spr.  u.  älteren  Literatur.  Prag  1818,  S.  58  f. 


Zur  Greschichte  des  Glagolismus  in  BOhmen.  .  j  gg 

glagolitischen  Lettern  geschriebene  Bficher  in  dem  erwähnten  Kloster 
zn  sehen,  wie  es  Lnpacius  ad  29.  Mart.  und  Paproczky  bezeugen,  so 
sagt  Pelzel  nnd  fQgt  hinzu,  jetzt  sei  keines  mehr  vorhanden  ^)  Und  in 
der  That,  spricht  derselbe  Bohnslaw  Bilejowsk^  in  seiner  böhmischen 
(iechischen)  Chronik,  dass  Karl  IV.  zgednal  y  knihy  literami  slowansk^mi 
psan6,  biblij,  2altäfe,  missaly,  a  gin^  k  zpjwänij,  gako2  podnes  ge 
magij.  Ebenso  schrieb  Prokop-Lupacins  (f  1591  im  68.  Jahre  seines 
Lebens  2)  unter  dem  29.  März:  Eodem  81avi  sunt  a  Caesare  introducti, 
qui  Slavonica  lingua  sacnun  concelebrabant.  Extantqne  etiamnum  hodie 
ibidem  libri  hoc  ipso  idiomate  conscripti  ^) .  Und  der  Pole  Paprocki 
(*  1540,  t  1614),  der  höhmisch  geschrieben,  sagt,  dass  Karl  das 
Emmaus-EIloster  gegründet  nnd  slavische  Mönche  (mnichy  slowäky] 
dorthin  berufen  hat,  welchen  er  knih  slowanskj^ch  pHchistal  mno2stwij; 
hiemach  führt  er  9  Zeilen  an,  kroatisch-glagolitisch  mit  lateinischer 
Transsoription  gedruckt.  Aber  der  glagolitische  Text  und  die  Trans- 
Bcription  sind  nicht  auf  ihre  Stellen  gesetzt,  das,  was  am  Anfange 
steht,  mttsste  an  dritter  Stelle  stehen,  dass  an  der  2.,  müsste  an  erster 
nnd  jenes  an  der  3.,  an  2.  Stelle  sein.  Dabei  werden  in  der  Trans- 
Bcription  auch  solche  Wörter  angefahrt,  welche  im  glagolitischen  Origi- 
nale nicht  zu  finden  sind.  Nachdem  er  gesagt  hatte,  dass  Karl  in 
Emmans  eingesetzt  hat  opata  korunowandho  gehoito  gm^no  litaramf 
slowansk^mi  takto  gest  napsan^ : 

v+bTO8  vaa+b  b8?ffa>8 

A  ta  slowa  tak  se  na  ciesko  wykladgi :  EnSz  Pawel  Opat  IteSen^ 
Kedw^d  ginäk  Ursin:  a  tenum^elleta.  PänS  1352.  Unmittelbai*  darauf 
folgt:  Tolik^üi  w  knihäch  slowansk^ch:  klässtera  toho,  kter^chS  se  s& 
posawäd  mnoho  nachäzy,  cysai^  Earel  dal  se  pokernd  poznamenati  th- 
mito  literami. 


>j  Pelzel,  Kaiser  Karl  IV.,  II.  Prag  1781,  S.  350,  Bemerk.;  KtiXek, 
Nistin  d6j&  klästera  Benedikt,  »na  Slowanech«  in  Pamatky,  1855,  S.  195. 

2)  Sabina,  Döjepis  literat  cesko -  slovansk6  star6  a  sti^dov.  doby. 
VPrazel866,  S.  900. 

S)  Berum  bohemicarum  ephimeris  sive  kalendarium  historicum.  Autore 
Procop.  Lupacio  Hlawaczowaco  Pragensi.  Pragae  1583. 


190  P.  Syrku, 

U03-P009  ><ft+UI003b. 

filll3A  a  U09%9  fi<)?3VU+ 

Toi  86  takto  roznmij :  slowntn]^  Earel  iwrif  cfsai  Rzijmsk^,  kr&l 
czesk]^  zaloHL  a  nadal  klässter  tento. 

Potom  po  smrti  geho,  toto  doloiili  bratfij  Slowdcy. 

*.  o9.  *.  *.  >-P3eb  r+v 

3A  Sr+UO  B  b3#3rPS 
•P3AVB3A 

To  gest,  Sessel  z  tohoto  sw^ta  po  letn  syna  Bol^iijho  1378 1). 

Die  Transscription  mttsste  übereinstimmend  mit  dem  glagolitisch- 
böhmischen Texte  in  solcher  Ordnnng  folgen:  Slowntny  Karel  itwarty 
cesar  rimsky  a  kral  Sesky,  Qni  zalo^il  i  nadal  tento  kUsster,  ssel  (sessel) 
s  (z)  togo  (toho)  sweta  1378.  Enez  Pavel  opat  reSen^  (i^eSen^) 
Nedw8d2). 

Mir  scheint,  dass  eine  solche  Verwechselang  der  Transscription 
gegenüber  dem  glagolitisch-böhmischen  Original  darthut,  dass  Paprock^ 
selbst  nicht  viel  von  der 'glagolitischen  Schrift  verstanden  hat,  wenn  er 
überhaupt  etwas  davon  verstand.  Für  nns  ist  es  immerhin  wichtig,  dass 
zu  seiner  Zeit  die  Glagolica  in  Emmans  noch  bekannt  war  nnd  glagoli- 
tische Bücher  dort  noch  in  grosser  Menge  aufbewahrt  wurden.. 

Endlich  berichtet  der  Jesuit  Bohuslaw  Balbinus,  dass  er  als  ELnabe 
in  Emmaus  glagolitische  Bücher  gesehen  habe  und  sogar  aus  ihnen 
lernte ;  auch  theilt  er  mit,  dass  sich  solche  Bücher  in  einigen  anderen 
alten  Bibliotheken  vorfinden  ^). 

Aus  allen  angeführten  Zeugnissen  geht  hervor,  dass  es  glagolitische 
Bücher  in  ziemlich  grosser  Anzahl  in  Emmaus  gegeben  hat,  dass  sie  aber 
auch  auf  einigen  anderen  Orten  Böhmens  vorhanden  waren.  Ferdinand 
Tadra  glaubt,  dass  sich  die  Emmauser  Mönche  deshalb  um  die  Vermeh- 


1)  Diadochus.  Prag  1602.  S.  362. 

2}  Die  in  den  Klammem  angeführten  Wörter  bedeuten,  dass  sie  bei  Pa- 
procky  aufgeschrieben  sind. 

3]  Epitome  remm  Bohemicarnm.  Pragae  1677,  S.  77 :  ....  quales  litera- 

rnm  notos  in  coenobio  Slavorum  Pragae,  pueri  qnondam  legebamus, 

Buntqne  in  vetustis,  quibusdam  bibliothecis  libri  eiusmodi  genere  scrlptura 
constantes. 


Zar  Geschichte  des  Glagolismns  in  Böhmen.  191 

rang  der  glagolitischen  Bflcher  bemttht  haben,  weil  sie  dazu  von 
Karl  lY.  dnrch  Geld  angespornt  wurden  i),  was  er  aas  Anlass  der  Be- 
lohnnng  des  vorerw&hnten  slavischen  Schreibers  in  Emmaus  dnrch  Karl 
erwähnt  2). 

Schwerlich  kann  man  mit  dieser  Auffassung  übereinstimmen.  Eher 
konnte  das  daher  gekommen  sein,  weil  diese  Bücher  in  der  Mutter- 
sprache geschrieben  waren  und  nach  dem  Verschwinden  des  Lateinischen 
viele  böhmische  Mönche  von  ihnen  angezogen  wurden,  die  sich  mit  voller 
Begeisternng  der  heimatlichen  Arbeit  hingaben. 

Dank  diesem  Umstände  wurde  das  Prager  slavische  Kloster  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  populär,  so  dass  es  beim  westlichen  Slaventhum 
nicht  das  einzige  blieb.  Unter  seinem  Einfluss  und  indem  man  es  nach- 
ahmte^ wurde  im  Jahre  1380  ein  ebensolches  slavisches  Kloster  in 
Schlesien  zu  Oels  von  Konrad  II.,  dem  Herzog  von  Olesnica  gegründet 
und  in  dasselbe  Mönche  aus  dem  Emmauser  Kloster  berufen.  Wie  es 
scheint,  wurde  das  genannte  Kloster  (zu  Oelsj  zur  Zeit  der  hussitischen 
Kriege  zerstört  3) . 

Auch  einem  Nachahmen  des  Schaffens  Karl  IV.  und  vielleicht  auch 
dem  Einflüsse  der  Prager  slavischen  Mönche  muss  man  die  Gründung 
eines  slavischen  Klosters  durch  den  König  Vladislav  II.  auf  Wunsch  seiner 
Gemahlin  Hedwigs  im  Jahre  1390  zur  Zeit  des  Krakauer  Bischofs  Peter 
WIb  bei  Krakau,  in  der  Vorstadt  Kleparz,  unweit  von  dem  Flusse  Ru- 
dava  zuschreiben.  Geweiht  wurde  das  Kloster  dem  h.  Kreuze.  Der  pol- 
nische König  schmückte,  bereicherte  und  beschenkte  es  mit  Landgütern 
und  Gntsappertinentien.  In  der  ersten  Zeit  war  es  hölzern;  man  begann 
aber  herum  eine  steinerne  Kirche  und  Klosterzellen  zu  bauen.  Zur  Er- 
haltung des  Klosters  wurden  jährlich  2  0  Marken  aus  der  königlichen  Kasse 
bestimmt.  Mönche  mussten  an  30  gewesen  sein.  Die  ersten  Mönche  wur- 
den ans  Prag  (ans  Emmaus]  berufen.  Sie  waren  verpflichtet,  die  Messe. 
den  Morgengottesdienst,  die  Hören  und  andere  kirchliche  Officien  in 
kirchenslavischer  Sprache  zu  verrichten,  d.  i.  zu  Zeiten  dieser  gottes- 
dienstlichen Handlungen  alles  in  kirchenslav.  Sprache  zu  singen  und 
zu  lesen.  Nach  dem  Tode  des  Königs  entwickelte  sich  das  Kloster  schon 


<)  Kancelai^e  a  pisaH  V  zemich  ceskych.  V  Praze  1892.  S.  213. 

2)  Ib. 

3)  Tadra,  Kniturai  stykyÖech  s  cizinon,  S.59;  Zeitschr.  f.  Gesch.  Sohle s. 
ni,  S.  20  f. 


192  P.  Syrkn, 

nicht  mehr  ^).  Man  vermuthet,  dass  dieses  Kloster  dnrch  die  Fenersbrnnst 
im  Jahre  1584  zu  Grande  ging^).  Est  ist  schwer  gegenwärtig  zu  sagen, 

1)  Fast  alles,  was  über  dieses  Kloster  bekannt  ist,  ist  bei  Dlugos  mitge- 
theilt,  dessen  Worte  über  dasselbe  sehr  interessant  sind.  Er  spricht  darüber 
folgendermassen :  An.  1390.  Wladislans  Rex  cum  Hedwigi  Regina  monaste- 
rium  Slayomm  ordinis  sancti  Benedicti  Glepardiae  sub  titulo  Sanctae  Crucis 
fundat  et  fratres  Praga  accersit,  Slavonico  idiomate  divina  officia  celebratu- 
ros.  —  Sempitemum  memoriale,  quo  dementia  Redemptoris  genus  Slavoni- 
cum  extulit  et  mirifice  honoravit,  donando  Uli  gratiam  specialem,  ut  omnia 
Sacra  officia  et  res  divinae  tam  noctnrnae  qnam  diurnae,  ipsa  qnoque  sacra- 
rum  missamm  arcana  idiomate  illo  possent  celebrari  (qnod  nemini  alter i  lin- 
guagio,  praeterquam  Graeco,  Latino  et  Hebraeo  vidlmus  contigisse  qaomm 
excellentiae  etiam  bonitas  divina  Slavonicum  aequayit) ,  Wladislaus  secnndus 
Poloniae  Rex  cum  consorte  sua  Hedvigi,  femina  devota  et  nobilissima,  volen- 
tes  etiam  in  Regnum  Poloniae  diffundere,  et  de  multiplicibns  beneficiis  et 
victoriis,  divitus  eo  anno  eis  praestitis,  ostendere  erga  Deum  gratitudinem  et 
mnnificentiam  regalem,  incitati  exemplari  simili,  qnod  in  civitate  Pragensi 
habetur  monasterium  Slavorum  ordinis  sancti  Benedicti,  et  sub  eins  regulär! 
duraturum,  sab  honore  et  titnlo  Sanctae  Crucis,  extra  muros  Cracovienses)  in 
oppido  Kleparz,  non  longo  a  fluvio  Rndava,  sub  pontificatu  Petri  Wisch  epis- 
copi  Cracoviensis,  feria  qninta  postfestum  Sancti  Jacobi  Apostoli,  fundant, 
condnnt  et  dotant,  et  pulcherrimo  muro  lateritio  circuitum  ecclesiae  tam  chori 
quam  corporis,  opere  sumptuose  et  magnifico  designant,  chorumque  eiusdem 
ecclesiae  cum  Sacristia  perficiunt  et  consumant,  corporis  vero  fundamenta 
solum  iaciunt;  quemadmodnm  usque  in  praesentem  diem  id  coram  cernere 
licet.  Et  domum  pro  monasterio  ligneam  cum  horto  construunt,  fratresque  ex 
monasterio  Pragensi  sumptos  in  illam  introducunt,  dantes  eis  pro  dote  quam- 
vis  tenui,  viginti  marcas  singulis  annis  de  censibus  et  proventibus  thelonei 
Cracoviensis :  a  quibus  usque  ad  mea  tempora  et  sub  meis  oculis  ecclesia  illa 
Sanctae  Crisis,  et  in  re  divina  et  in  matutinis  horisque  canonlcis,  caeterisque 
caeremoniis  ecclesiasticis,  sonoro  cantu  et  lectione  in  idiomate  Slavonico  et 
per  monachos  fratresque  Sancti  Benedicti  et  officiabatnr  et  administrabatnr. 
Deliberaverat  autem  illustrissimus  Wladislaus  Poloniae  Rex  cum  sua  nobilis- 
sima consorte  Hedvigi,  monasterio  et  loco  Uli  dare  amplam  dotem,  quae  tri- 
ginta  monachos,  praeter  alios  familiäres  et  servitores  sustentare  potuisset; 
deliberaverat  etiam  et  monasterium  cum  omnibus  cellis  et  officiis  suis  late- 
ritio muro  fabricare ;  sed  Interim  Regina  clarissima  Hedvigis  Sorte  fatal!  ab- 
stracta  est,  qua  obennte,  omnis  ardor,  ad  quem  illum  stimulo  suo  Regina  Hed- 
vigis concitabat,  extinctns  est,  et  omne  opus  usque  ad  diem  hanc  omnisque 
fabrica  ecclesiae  et  monasteri!  intermissa.  Joan.  Dlugossii  Historiae  Polonicae, 
in  Opera  omnia,  herausgegeben  von  A.Przezdz!ecki.  T.  XII.  Cracoviae  1876, 
S.  487 — 488.  üeber  dieses  Kloster  siehe  bei  Grabe wsky  Krakow  i  jego  oko- 
lice.  Wyd.4te.  Krakow  1844,  S.  118.  (Klaszterj  S.  Krzyia,  zwany  sl:owia£8k!. 
Ibid.,  S.  290.  KHiek,  Mstin.,  S.  196. 

2]  Grabe wski  S.  1 18.    Zu  Ende  des  XVII.  Jahrh.  wurde  dieses  Kloster 


Zar  Gesohiolite  des  GlagolismuB  in  BOhmen.  193 

ob  aucb  in  diesen  beiden  Klöstern  die  Glagolica  angewendet  wurde  oder 
nicht;  wir  haben  dafür  keine  Data.  Karl  IV.  blieb  aber  bei  der  Grfln- 
dang  des  slavischen  ELlosters  in  Prag  nicht  stehen;  er  ging  noch  weiter. 
Er  glaubte,  dass  die  Slaven  auch  im  Glauben  yereinigt  sein  müssten,  und 
bei  der  ersten  passenden  Gelegenheit  drückte  er  das  ans,  indem  er  auch 
im  gegebenen  Falle  als  Grundlage  die  kirchenslayische  Sprache  erbliekte. 
Am  11.  März  1355  schreibt  er  ans  Pisa  dem  serbischen  Caren  Stephan 
DuSan,  dass  er  ihm  eine  Gesandtschaft  schicke  mit  dem  Bischof  Peter 
an  der  Spitze,  —  per  venerabilem  Petrum  Episcopum  Dottensen  Sacre 
theologie  Magistrnm  principem  et  derotum  nostrum  dileetum,  Tiyum 
utique  approbate  virtutis  et  scientie  circumspectum.  Diesen  Bischof 
schickt  er  auf  Wunsch  des  Papstes  Innocenz,  damit  er,  d.  i.  der  Bischof, 
plaeidam  deo  et  hominibus  commendabilem  intentionem  vestram  (d.  i. 
Stephans),  qua  yos  velud  zelo  devotionis  accensi  inspiratione  diuine 
gratie  ad  sancte  Matris  ecclesie  gremium  et  unitatem  orthodoxe  fidei 

flagrancius  aspirati, placidius  intimasset.  Deswegen  gleichgestellt, 

was  die  Kaiserwflrde  anbelangt,  welche  et  eiusdem  nobilis  slavici  ydio- 
matis  participio  facit  esse  communem,  cum  eiusdem  generöse  lingue 
sublimitas  nos  felicibus  auctore  domino  et  gratis  auspiciis  pertinuerit . .  . 
Cum  et  communis  nostre  celsitudini  debeat  esse  solemniorum  gaudiorum 
materia,  quod  sublimi  et  ingenua  lingua  communinm  missarum  solemnia 
et  divinorum  officiorum  laudes  eximie  licite  celebrentur.  Et  ideo  ponti*- 
fices,  prelati  et  clerici  regni  vestri  interpositione  soUicitudinis  nostre 
facilina  reduci  volebunt  in  fauorem  nostre  ecclesie,  qua  pro  aliis  nacioni- 
bus  singulari  quodam  privilegio  licet  eis  in  vulgari  lingua  predicta  Slauo- 
niea  in  diuinis  laudibus  exerceri.  Idcirco  fraternitatem  vestram  in  do- 
mino Totiuis  affectibus  requirimus  et  hortamur,  quatenus  diuine  pietatis, 
ineffabilem  clementiam,  qua  vos  dilecte  frater  consnete  misericordie  bo- 
nitate  ad  etemi  luminis  claritatem  vocare  dignatus  est;  dignis  humilitäte 
spiritns  sustineatis  affectibus  in  tam  felici  vestro  proposito  quo  non  solum 
persone  vestre,  sed  etiam  singulis  vestris  fidelibus  regnicolis  dinina  salus 
offunditur.  Hiemach  theilt  er  mit,  dass  er  die  Erfolge  Dusan's  dem  nngar. 
Könige  Ludwig  schildern  werde  und  verspricht,  sich  darum  zu  bemühen, 


wiederhergestellt.  Ivan  SrocilQski,  lawnik  prawa  Magdebursk.  w  Krakowie. 
In  den  JJ.  1797 — 1809  wurde  es  zusammen  mit  14  anderen  zerstört;  seine 
verödeten  Buinen  sind  noch  heute  wahrnehmbar.  Grabowski,  S.  290; 
EÜkek,  S.  196. 

ArchiT  far  slansche  Philologie.  XII.  13 


1 94  P.  Syrkn, 

den  Frieden  zwischen  diesem  und  Stephan  DnSan  zum  Abscblnss  zu 
bringen.  Endlich  benachrichtigt  er  den  serbischen  Caren,  dass  er  sich 
auf  dem  Wege  nach  Mailand  befinde,  wo  er  sich  krönen  lassen  werde,  nt 
videatis  liogwam  nativitatis  communis  (d.  1.  Slauonicam)  tantis  efferri 
laudibus  et  tot  nobilitatem  insigniis  decorari  ^) .  Aber  daraus  ist  nichts 
geworden. 

Mit  dem  Tode  Karl  IV.  verlor  das  slavische  Kloster  seinen  grossen 
Protector  und  Gründer.  Die  Nachfolger  dieses  Königes  verhielten  sich 
gar  nicht  mit  jener  Liebe  und  jenem  Eifer  demselben  gegenflber,  wie 
Karl.  Das  Kloster  gedieh  deshalb  nicht  nur  nicht,  sondern  ging  nafch 
und  nach  dem  Verfalle  entgegen.  Der  öftere  Wechsel  der  Aebte  und 
der  üebergang  der  Verwaltung  desselben  in  die  Hände  deutscher  Aebte, 
trugen  bedeutend  zu  seinem  Verfalle  bei.  Endlich  zerrütteten  die  hussi- 
tischen  Kriege  zur  Gänze  die  Lebenskräfte  dieser  für  die  Cechen  so 
nützlichen  und  schönen  Gründung  und  vollendeten  derart  dessen  Ver- 
falP).  Das  Kloster  erhielt  sich  doch  bis  zum  Anfange  des  XVU.  Jahrh. 
Zu  dieser  Zeit  wurde  es  von  den  dort  einquartirten  Magyaren  geplündert, 
welche  nach  Prag  vom  König  Matthäus  gegen  seinen  Bruder  Rudolph  U. 
berufen  worden  waren.  Einen  noch  viel  grösseren  Schaden  erlitt  das 
Kloster  im  J.  1611.  Die  Prager  Bevölkerung  griff  es  an  und  tödtete 
alle  hier  befindlichen  deutschen  Soldaten  aus  Passan,  die  hierher  vom 
Passauer  Bischof  Leopold  zur  Hilfe  Rudolfs  mit  geheimen,  bösen  An- 
schlägen geschickt  wurden;  der  Pöbel  schonte  das  Kloster  nicht:  es 
plünderte  es  vollständig  aus  und  tödtete  die  Mönche;  der  Abt  des  Klosters 
hatte  seine  Rettung  nur  dem  Umstände  zu  verdanken,  dass  er  sich  im 
Ofen  verborgen  hatte.  Alle  kirchlichen  Geräthe  und  Gefässe  wurden 
theils  zerbrochen,  theils  weggeschleppt.  Zu  dieser  Zeit  wurde  auch  die 
Bibliothek  total  zu  Grunde  gerichtet.  Eine  Menge  von  Büchern  wurde 
aus  ihr  herausgenommen  und  vernichtet.  Es  erhielten  sich  ans  derselben 
nur  einige  Bücher  3).  Das  Kloster  gerieth  nach  diesen  Ereignissen  ins 
äusserste  Elend,  sodass  man  es  nicht  mehr  bewohnen  konnte.    Einige 


1)  Hoffmann,  Sammlang,n,  S.185— 187,  Nr.CLXXV,  wo  dieser  Brief 
ziemlich  sonderbar  betitelt  ist :  Imperator  scribit  Regi  Russie  ut  fidem  Chri- 
stianam  accipiat.  Palacky,  D^jiny  nAroda  cesk^ho.  2^«  Aufl.  S.  107;  Efii^ek, 
S.  196;  Tadra,  Styky,  S.  126. 

-)  Die  weiteren  Schicksale  des  Prager  slav.  Klosters  siehe  bei  KH^ek, 
Kästln,  S.  196—199. 

3)  Kfi^ek,  S.  199. 


Zur  Geschichte  des  GlagoliBmus  in  Böhmen.  195 

Mönche,  die  ihr  Leben  gerettet  hatten,  waren  genöthigt,  in  den  in  der 
Nähe  liegenden  Häuschen  ^)  Wohnung  zu  nehmen.  Schon  in  späterer 
Zeit  übergab  das  Kloster  Ferdinand  II.  im  Jahre  1624  den  Beuroniten, 
spanischen  Mönchen  von  Monserat,  die  dasselbe  bis  heutzjutage  im  Be- 
sitze haben.  Von  der  reichen  slavisch-glagolitischen  Bibliothek  blieb 
nicht  eine  Spur.  In  der  Klosterkirche  wird  jetzt  ausser  den  Liedern  nur 
selten  das  Gotteswort  in  slavischer  Sprache  gehört^).  Das  Kloster  ist 
heute  lateinisch-deutsch.  Die  slavischen  Mönche,  die  dort  zur  Zeit  der 
Uebergabe  waren,  wurden  zur  Kirche  des  h.  Nikolaus  beordert  und  nur 
dem  Namen  nach  hiessen  sie  slavische.  Sie  blieben  bei  dieser  Kirche 
bis  zu  der  Beformzeit  Joseph  U.  ^) .  Heute  ist  die  Kirche  des  h.  Nico- 
laus den  Russen  abgetreten  [vermiethetj  und  in  ihr  findet  nun  der  ortho- 
doxe Gottesdienst  statt. 

Die  Bücher,  die  sich  nach  der  Plünderung  im  Jahre  1611  erhalten 
haben,  wurden  nach  allen  Seiten  verschleppt  und  endlich  zum  grössten 
Theil  zum  Einbinden  anderer  Bücher  benutzt  oder  einige  aus  Unverstand- 
niss  vernichtet.  Wenigstens  alle  bis  jetzt  aufgefundenen  Bruchstücke 
sind  von  Einbanddecken  von  Holz  oder  Pappe  herabgenommen.  Es  ist 
möglich,  aber  ich  weiss  nichts  davon,  dass  es  bis  jetzt  irgend  ein  Bruch- 
stück aus  Böhmen  geben  würde,  welches  nicht  von  einem  Einbände  ab- 
gelöst worden  wäre.  Die  von  mir  unten  angeführten  Bruchstücke  rühren 
ebenfalls  von  einem  Einband  her.  Sie  kommen  auf  einem  unvollstän- 
digen Pergamentblatte  vor. 

Dieses  Blatt  wurde  von  A.  Patera  in  der  Bibliothek  des  dominikani- 
schen Klosters  des  h.  Georg  in  Prag  gefunden,  an  die  Einbandplatte  des 
2.  Theiles  der  Sechischen  Apologie  stavou  Krälovstvl  Cesk^ho  z  r.  1618 
angeklebt,  wovon  er  es  mit  Erlaubniss  des  Pfarrers  F.  0.  PohPs  ablöste 
und  in  der  Bibliothek  des  Museums  aufhob.  Dies  Blatt  ist  ohne  Zweifel 
aus  demselben  Buche,  aus  welchem  auch  jenes  Blatt  stammt,  das  von 
A.  Patera  im  C.  C.  M.  1882,  S.  524 — 7  abgedruckt  ist.  Wie  das  Perga- 
ment, so  ist  auch  die  Schrift  gänzlich  gleich,  wie  ich  mich  durch  einen 
Vergleich  dieser  2  Blätter  überzeugt  habe^). 


1)  KHzek,  S.  199. 

2)  Pelzel,  Kaiser  Karl  IV.,  S.  530;  Dobrowsky,  Gesch.  der  böhm.  Spr. 
u.  B.  w.  S.  60;  KH^ek  S.  195. 

3)  Kmek,  S.  199. 

^)  Da  dieses  Blatt  inzwischen  von  Herrn  A.  Patera  in  dem  6.  Heft  des 
lS97er  Jahrganges  der  böhm.  Museal-Zeitschrift  erschienen  ist  —  Zbytek  sta- 

13» 


196  P-  Syrku, 

Zur  Erklärung  des  Inhalts  kann  ich  nur  eine  Episode  hervorheben, 
fflr  die  mir  eine,  wenn  auch  etwas  abweichende  Variante  vorliegt.  Diese 
ist  in  den  Dialogi  des  römischen  Papstes  Gregorius  I.  (f  6  04)  erhalten,  nach 
einer  slavischen  Handschrift  d.  kaiserl.  Hof  bibliothek  in  Wien  (81av.  22), 
in  der  bulgarischen  Redaction  aus  dem  Ende  des  XIII.  oder  Anfang  des 
XIV.  Jahrb.  (fol.  336^—338^).  Ungeachtet  einiger  Abweichungen  ist 
das  Gemeinsame  der  Erzählung  hier  und  dort  sichtbar.  Die  Episode 
von  der  Brücke  in  Gregorius'  Dialogus  stammt  entweder  aus  derselben 
Quelle  wie  in  der  Sage  vom  Nicolaus  oder  die  letztere  schöpfte  aus  der 
ersten  Darstellung.  In  der  slavischen  Uebersetzung  lautet  die  betreffende 
Episode  bei  Gregorius^)  so: 

BoHHB  7R.e  H^KUH  Bx  COMB  namoMB  rpiäA^  (Rom)  {&  Öi^Bi  Toroxe 
Mopa  oy^apeuB  Öbibb  oyiuptTB.  t^jio  äc  oyöo  «ro  öea^oyinHO  jieÄa- 
me,  B'B  CKopi  7K.e  naKBi  Auia  BX3BpaTHCA  b'b  t^äo,  v.  b'b  ce6e  npmneAB, 
uxe  BH^t,  noB^AStmO)  i^ko  mhos^mb  ce  ub^  6bith.  rjaauie  cHi^e  uko 
MocTB  6ime.  no  HflMace  upaKB  h  t^mho  sp^HH«.  cMpa^B  se  necBTp'B- 
HHMB  H  M'BFja  HCxo^^n^H  6  HBMB  BHA^mecA.  p^Ka  xo  Hd^  HHHB  Tevame. 

np^  MOCTOM  KB  Tp^BHHI^H  SejeHiiill^nCA  6%X^  HSpAAIIH.  ÖBUlfH  tfjPOBOH- 
HBIMH  H  I^B^TBI  padJH^HBIMH  OyKpainaeMH.  Ö^JOWAGKHBIX  «6  MiLaÜTH 
CXHMHn^a  B'B  HHXB  ÖBITH  BH^^X^CA  '  TOJHKO  iSe  AXaUl'e  ÖJirOBOHla  B'B 
TOMB  MtCTi   6%,    HKO    RKe   TaMO    np^XO^AII^HMB  H  aUiB^Up  ÜJ  odoH^Hla 

Toro  ÖJTOikxaHla  HacBUu^aTHCA  *  TaMo  wÖHrijn  paazH^HBi  BejiHKa 
CB^Ta  HonrBHeHBi'  ;(OMBa:e  ^lO^Ha  ÖjErojiinYa  TaMo  CBanAoyeMB  6%  rose 
ajaT^MH  oyTBapBMH  BHA^me  ca  shxagmb,  mm  se  6i  oysi^^TH  HeB'BSM 6- 
xe.  H  uaAB  ÖpiroMB  a:e  npipsHBiA  ptKBi  mhofu  wöht^jiih  6£x&*  h1 
ntKBiHMB  Hy  HHXB  B'Bcxo^A  sjoBOHle  H  M'BFja  npH^jEHsaamecA '  H^- 
KBiHM  aLe  HHKaKoxe*  Ha  nptpeHtM  xe  moct^  6l  HCKoycB*  nse  60  C& 
HenpaBeAHBi  no  HBMoy  np^HTH  xoTime,  b'b  T'bmhaa  v  sjobohhi&a  p%K& 
HHsp^BaBMB  B'Bna^aame.  npaBBAHm^H  se,  B'B  hhxxb  cBrpimBHYa  hb  6i, 
ÖBBüB^aiHOiL  H  CBo6o;(HO&  Horo&  no  HBMoy  MHMoxoay^aaxA '  Taaio 
neTpa  iukb  upKOBnaro  npHTBTa  6oj[maaro  hsb  npix^B  ^ernpe  Ä^th 

rooesköho  »Videni  Mikul&sova«  hiaholsky  psan^ho,  S.  537 — 540  —  so  verzich- 
ten wir  auf  die  Wiederholung  des  Textes. 

1)  Vgl.  Migne,  Patrolog.  lat.  LXXVII,  col.  382—386. 


Zur  Geschichte  des  Glsgolismiu  in  Böhmen.  197 

X  X  ,     X 

«nepmaro.  cxpitMorjaBL  BHCAn^a  kb  cTpamHBiH  m^ct^  oh%  bha^th 
rjme.  BejraeA  TAxecTU  KejiisHOA  cBAsana.  BinpocHBinoy  me  moj 
qbco  paw  ce  CTpasMeTb,  da  (uumaTH  ero  rjame,  iiace  h  mu  clb-j^mu 
Hse  «ro  Bx  ceMB  iq)kobh^ml  ;toMoy  nosHaxoMb  h  tofo  noMHHaeMB  A^a- 
ulTa.  pe^e  60  ca  moj  hko  cero  pa^H  cl'a  cTpaxAeTb,  noue»:e  aii^e  «Moy 
3a  crrpimeHla  a&th  KOMoy  msbbi  noBej^mecA*  MHOKae  na?e  CD  coypo- 
B^Huiaro  xejaHia  Hea:e  äh  3a  nocjoyiüanXe  ^aäuie.  da  a:e  TaKO  Öuth 
BThcn  no3HaBineu  ero  c'bb%;(a.  TaMO  xe  h  npH3BHTepa  h^kocfo  CTpamia 
bb;a^th  rjEuie.  Hxe  na  npi&peHBiH  moctb  iipHm6Ai>,  cb  tojhi^^m  xe 
;ip'B3H0BeB][eMi>  no  HeMoy  ni^^i^ej  &iHKOi&  h  3Ae  npinpocTUHeA  noxHTb. 
Ha  TOM  xe  MOCT%  H  CTe^aHa,  ero  xe  nptpeKo  nosHaTH  rjmie  *  TOMoy  xe 
nptHTH  B-bcxoTiBuioy,  Hora  ero  nonatsecA.  h  äo  hojt'b  Tejiece  BtH§ 
MocTa  BHcime.  cTpamHH  xe  h^i^h  maxes  {&  p^KU  Toro  HSHHVAii^a  3a 
6e;ipi»i  ßjp'hTSüLmß  AOJoy  Bj^^ax^.  ApoyslH  xe  ö^üowaoxahhh  h  KpacHH 
Mi&xle  sa  Mumi^A  ero  ropi  BJii^ax^'  B^LHer^a  xe  da  6op($a  fl!kimeQA, 
ÖJCTUHMB  AXOBw  Topt  «Fo  BaiKibH^HMb,  JAKaBUHM  SB  AOJ[oy;  Hace  da 

3pAH,  B^  CBOe  T^JIO  B'L3BpaTHCA. 

Ich  zweifle  nicht,  dass  mit  der  Zeit  aach  für  die  übrigen  Episoden 
Parallelen  oder  Qneilen  werden  nachgewiesen  werden  können. 

Prag,  30.  Juli  1897.  P.  Syrku, 


Anmerkung.  Die  vorliegende,  bibliographisch  fleissig  ausgearbeitete 
Darstellung,  die  ursprünglich  allerdings  nur  als  Einleitung  zu  dem  inzwischen 
anderwärts  erschienenen  Bruchstück  einer  böhmischen,  glagolitisch  geschrie- 
benen Nicolauslegende  beabsichtigt  war,  legt  eine  wichtige  Frage  nahe,  die 
im  Aufsatz  des  Verfassers  nicht  aufgeworfen  wurde,  die  ich  so  formuliren 
möchte :  wie  kamen  die  Prager  Glagoliten  auf  den  absonderlichen  Einfall,  im 
lAufe  der  Zeit  böhmische  Texte  mit  glagolitischen  Bachstaben  zu  schreiben? 
war  das  etwa  die  Absicht  oder  gar  der  Wunsch  des  Kaisers  Elarl  IV.?  sollte 
er  sich  mit  dem  wirklich  thörichten  Gedanken  herumgetragen  haben,  für  die 
böhmische  Sprache  und  Literatur  statt  der  lateinischen  die  glagolitische 
Schrift  einzuführen?  Gewiss  nicht.  Wer  oder  was  verschuldete  es  also,  dass 
die  ursprüngliche  Absicht,  die  nur  darin  bestehen  konnte,  den  kirchenslavi- 
schen  Gottesdienst  zu  pflegen,  zu  einem  Zerrbilde  ausartete  ?  Kaiser  Karl  IV. 
muss  wohl  in  irgend  einer  Weise  von  dem  kroatischen,  streng  römisch-katho- 
lischen, und  doch  seinem  Wesen  nach  slavischen  Glagolismus  in  Kenntniss 
gesetzt  worden  sein.  Mag  er  nun  selbst  an  einem  so  merkwürdigen  Privilegium 


198  P-  Syrkn,  Zur  Geschichte  des  GlagoÜBmus  in  BühmeD. 

Gefallen  gefanden  haben  und  es  auch  in  Prag  ins  Leben  setzen  wollen  oder 
wurde  ihm  der  Plan  von  irgend  welcher  Seite  (wahrscheinlich  in  Italien)  sug- 
gerirt,  wobei  vielleicht  der  Hintergedanke,  eine  kirchliche  Einigung  unter  den 
Slaven  zu  erzielen,  mit  im  Spiele  war,  jedenfalls  bezweckte  seine  Gründung 
des  slav.  Emmausklosters  nichts  weiter  als  die  Einführung  des  kirchenslavi- 
sehen  Gottesdienstes  secundum  ritnm  romanum.  Zu  diesem  Zwecke  wurden 
aus  dem  kroatischen  Küstenland  die  in  diesem  Ritus  erfahrenen  Glagoliten 
(jedenfalls  in  einiger  Anzahl)  nach  Prag  berufen,  die  als  Instructoren  fungi- 
ren  mussten.  Denn  sollte  der  slavische  Charakter  des  Klosters  in  seinem 
kirchlichen  Gottesdienste  von  Dauer  sein,  so  musste  dafür  Sorge  getragen 
werden,  dass  nicht  nur  die  ersten  Mönche  des  Klosters,  sondern  auch  ihre 
Nachfolger  die  unentbehrlichen  liturgischen  Bücher  (Missale,  Rituale,  Horolo- 
gium,  Psalterium,  Homiliarium  u.  a.  m.)  in  kirchenslavischer  Sprache  und  gla- 
golitischer Schrift  nicht  nur  besitzen,  sondern  auch  lesen  und  verstehen.  Das 
setzt  aber  einen  ordentlichen  Unterricht  in  der  kirchenslavischen  Sprache 
voraus.  Diesen  konnten  nur  die  berufenen  kroatischen  Glagoliten  ertheilen. 
Nun  war  es  aber  nach  dem  Zustand,  in  welchem  sich  der  Glagolismus  in  seiner 
Heimath  selbst  befand,  wo  für  die  Hebung  des  geistigen  Niveaus  der  armen 
kroatischen  Priester  nichts  geschah,  sondern  alles  aus  einfaltig-aufrichtiger 
Liebe  und  Anhänglichkeit  betrieben  wurde,  so  zu  sagen  mit  kleinen  Haus- 
mitteln, selbst  beim  besten  Willen  kaum  zu  erwarten  gewesen,  dass  den 
bOhm.  Mönchen,  wenn  sie  gleichfalls  Glagoliten  werden  wollten  oder  sollten, 
ein  höherer.  Über  das  Elementarste  hinausreichender  Unterricht  beigebracht 
werden  könnte.  Alles  was  die  kroatischen  Glagoliten  ihren  böhmischen  Brü- 
dern beizubringen  im  Stande  waren,  beschränkte  sich  auf  den  Unterricht  im 
Lesen  und  Schreiben  der  glagolitischen  Schrift.  Dieses  Ziel  wurde  auch 
augenscheinlich  erreicht,  aber  nicht  mehr.  Die  kroatischen  Glagoliten  ver- 
standen nicht,  vielleicht  fehlte  es  auch  an  dem  dazu  nöthigen  Ansehen,  die 
böhmischen  Mönche  in  der  kirchenslavischen  Sprache  in  systematischer  Weise 
zu  unterrichten.  Auch  die  böhmischen  Mönche  scheinen  keinen  besonderen 
Eifer  an  den  Tag  gelegt  zu  haben.  Die  Sache  war  ja  nicht  so  leicht.  So  er- 
klärt es  sich,  dass  die  Leute  ut  aliquid  fecisse  viderentur  auf  den  wirklich 
albernen  Gedanken  verfielen,  mit  den  glagolitischen  Buchstaben  —  so  weit 
hatten  sie  es  eben  gebracht!  —  böhmische  Texte  zu  schreiben!  An  dieser 
Travestie  sind  weder  Kaiser  Karl  IV.,  noch  auch  die  böhmischen  Mönche 
Schuld.  Die  Schuld  trifft  höchstens  die  Instructoren,  ihren  Mangel  an  aus- 
reichenden Kenntnissen,  und  vielleicht  auch  Diejenigen,  die  es  nicht  ver- 
standen hatten,  diese  Instructoren  gleich  von  Anfang  mit  Ansehen  und  Ein- 
fluss  auszurüsten.  V,  J. 


199 


Slovenica. 


L  Zwei  Fälle  TOn  Yocalharmonie  im  Slovenischen. 

Es  ist  bekannt^  dass  die  Yocalharmonie  keineswegs  etwa  eine  in 
der  finnisch-ugrischen  Groppe  von  Sprachen  isolirt  dastehende  Erschei- 
nung ist,  dass  sie  vielmehr  mit  einer  Reihe  von  combinatorischen  Laut- 
Veränderungen  unserer  indogermanischen  Sprachen  gleichen  Wesens  ist 
(Ablaut-Brechung,  Umlaut,  Vocalassimilation,  Epenthese]  und  sich  in 
der  Gestalt,  wie  wir  sie  in  den  finnischen  Sprachen  antreffen,  auch  sonst 
sporadisch  vorfindet. 

Im  Slovenischen  ist  das  Trnbar'sche  mumo  (mumu)  für  mimo  (mimu) 
richtig  durch  die  Yocalharmonie  erklärt  worden ;  das  Gleiche  gilt  vom 
häufigeren  koku.  In  den  Dialecten  begegnet  man  vocalharmonischen 
Erscheinungen  öfter  (vgl.  MikL,  Gr.  I,  332  bezüglich  Resia's).  Hier 
mögen  zwei  solche  Fälle  aus  dem  Dialecte  von  St.  Georgen  a.  d.  Stainz 
besprochen  werden. 

a)  Blüze  =  blizu;  e  entspricht  hier  einem  in  diesem  Dialecte  aus 
unbetontem  i  und  n  (ü)  secundär  entstandenen  und  einem  kurzen,  ge- 
schlossenen e  sehr  nahe  stehenden  Yocale;  bluze  aus  *blüzü  und  dieses 
aus  *bluzu ;  "'bluzu  ist  aber  zweifellos  aus  blizu  durch  regi*essive  Yocal- 
harmonie wie  mumu  aus  mimu ;  das  unbetonte  u  (ü)  sank  zu  e  herab. 
Yolkmer,  der  in  einem  benachbarten  Dialecte  schrieb,  hat  in  No.  3, 
p.  16 :  Turk  tak  bluzi  ne.  — 

Brütef  =  britof  tlber  *brutof ;  deutsch  Friedhof.  — 

Fünkesta,  n.  pl.  =  binkoSti,  fem.  plur.,  deutsch  Pfingsten.  — 

Lükef  =  likof,  Leihkauf,  mhd.  litkouf.  »Daj  ti  meni  tristo  ranj- 
&ki.  —  No  tri  zlate  lukifa«,  Pajek,  Grtice  iz  dusevnega  iitka  Stajerskih 
Slovencev,  36. 

Mujmo  aus  '^'mumo  =  mimo,  vgl.  oben  bei  Trubar. 

Sürotka  =  sirotka  (aus  sirovatka,  Mikl.  Et.  W.)  Eäsewasser,  über 
surotka.  . 

Sümen  =  Simon  über  *Sumon. 

y 

Süroke  =  siroki,  über  '^'suroki;  dagegen  voda  teSe  v  Siren  (wohl 
=  V  Sirem,  von  sir  =  äiren,  a,  o,  cf.  böhm.  &fry) ,  hier  blieb  mit  dem 
Wegfall  der  Ursache  auch  die  Wirkung  aus. 


v.v 


200  Franz  Ilesic, 

Strütef  =  Stritof,  Leinwandatreifen  oder  Hölzchen,  mit  dessen 
Hilfe  man  Garn  windet  (Pleteränik) ,  ans  Streiftnch,  Streichtnch,  Let. 
Mat.  Slov.  1895,  p.  44. 

Hierher  gehört  auch  proslek  (weiter  im  Westen  auch  prslek,  Ple- 
tersnik)  =  Weste,  wenn  anders  dies  Wort  aus  prsluk,  einer  slavisch- 
türkischen  hybrida  vox,  zu  erklären  ist ;  man  denkt  jedoch  beim  slav. 
Wort  an  das  deutsche  »Brustfleck«. 

Man  sieht,  dass  in  allen  diesen  Fällen  die  betonte  Stammsilbe  mit 
dem  hellen  Vocal  i  von  dem  dumpfen  und  stärkeren,  aber  unbetonten 
Vocal  der  darauf  folgenden  Silbe  (u,  o]  afficirt,  assimilirt  worden  ist, 
worauf  der  letztere  meist  eine  Schwächung  erlitt  (regressive  Assimi- 
lation) . 

Dieselbe  Erscheinung,  nur  an  anderen  Vocalen  beobachten  wir  in 

znave  =  znova  von  Neuem  über  *znava,  odvecara  =  od  v^Sera, 
Nachmittag,  valati  =  veljatiy  zarjav  für  zerjav,  weiter  wäre  in  dieser 
Weise  sogoren^  suguren,  kühn  unternehmend,  das  bei  PleterSnik  in  den 
Formen,  sogoren^  segaren,  skoren,  skuren  angeführt  ist;  das  erste  o  in 
sogoren  ist  secundär  aus  segoren,  das  eine  volksetymologische  Anleh- 
nung des  skoren  an  siguren  ist. 

Prta  =  proti  (Volkmer,  No.  33,  1:  itOJaz  nesrecni!  tak  se  tozi 
—  En  skopecperta  drugem  mozid)  dürfte  aber  aus  prottva  zu  erklären 
sein,  das  eine  altslov.  und  serbische  Nebenform  znprotivq,  protiiyb  ist; 
das  resianische />r2/da  (Mikl.  Et.  W.)  entspricht  wohl  unserem  j9r^a.  Im 
Compositum  sproletje  =  sprotilefje  ist  die  gewöhnliche  Form  proti 
vorhanden*). 

Durch  Yocalassimilation  deute  ich  mir  lohanja  für  /eia^y'a,  Schädel, 
lobotati  für  labotati  plappern;  eigenthümlich  ist  das  allgemeinslov.  ro- 
poiati  für  altslov.  r^p^tatiy  wofür  wir  *reptati  erwarten.  Das  Frage- 
adverb kama  =  wohin  ist  aus  kamo  entstanden  unter  gleichzeitiger 

*)  Was  diese  Erklärangsversuche  anbelangt,  so  wird  man  wohl  in  den 
allerwenigsten  von  den  hier  aufgezählten  Fällen  ein  wirkliches  Bestreben 
nach  der  Vocalharmonie,  besser  wäre  es  zu  sagen  Assimilation,  annehmen 
können.  Der  Verfasser  hätte  den  Charakter  der  Silbe,  in  welcher  die  angeb- 
liche Vocalharmonie  sich  einstellt,  in  Betracht  ziehen  sollen,  da  hätte  er  ge- 
funden, dass  meistens  vor  oder  nach  dem  Vocal  r  oder  l  steht.  Ferner  war 
die  Betonung  zu  berücksichtigen,  da  in  der  Regel  ein  betonter,  deutlich  aus- 
gesprochener Vocal  auf  den  benachbarten  tieftonigen  eine  assimilirende  Kraft 
ausübt:  fUr  die  wenigsten  hier  aufgezählten  Fälle  trifft  das  zu.  Bei  lohanja 
war  auf  serbokr.  luhanja  zu  verweisen,  auch  altslov.  kommt  j^ÖHHa  vor.    V.  J. 


Slovenica.  201 

AnlebnuDg  an  ta^  tija  dorthin;  da  hätten  wir  schon  ein  Beispiel  von 
progressiver  Assimilation,  das  zur  zweiten  hier  zn  besprechenden  Er- 
scheinung fflhrt,  bei  der  man  vielleicht  lieber  von  Epenthese  als  Vocal- 
harmonie  wird  reden  wollen;  der  Fall  betrifft 

b]  zunächst  mehrere  Verba,  von  denen  einige  bereits  bei  Miklo&i6 
erwähnt  sind;  man  spricht  nämlich  in  8t.  Georgen:  bujti  =  ubiti^  moj- 
knoti  se  ==  umeknoti  se^  mujrati  =  umiratij  mujti  =  umiti^  vojniti 
=  uveniti,  vojzniti  =  uveznitij  vujati  =  uvij'ati  (viti);  dazu  finde 
ich  noch  bei  Pajek,  Örtice,  ioujzdati  si  =  uivizdati  si 

Bujti  n.  s.  w.y  in  dem  man  seinerzeit  den  Rest  des  alten  jery  er- 
blickte, ohne  zu  bedenken,  dass  das  Wort  ebensowenig  wie  irgend  ein 
anderes  der  oben  aufgezählten  ausser  umiti  jemals  ein  jery  gehabt  hat, 
—  in  der  Orthographie  der  Freisingerdenkmäler  glaubte  man  eine  will- 
kommene Stütze  ftlr  diese  Ansicht  zu  finden  —  ist  zweifelsohne  aus 
ulnti  zu  erklären,  schon  die  Perfectivität  des  bujti  weist  auf  die  Zu- 
sammengesetztheit hin,  das  imperfective  biti  hat  nie  ein  u.  Daher  haben 
wir  in  bujti  aus  ubiii  qihq  Epenthese  des  u  anzunehmen,  aus  t^itW  wurde 
durch  progressive  »Assimilation«  ubujti  und  daraus  nach  Wegfall  des 
consonantisch  gewordenen  u  bujti. 

Die  mittlere  Form  ubujti^  utnujti  ist  im  Dialecte  von  Kanal  im 
Gdrzischen  erhalten,  woselbst  man  auch  ukuazati  =  ukazati  hört  — 
da  hat  man  gelegentlich  von  einem  » Utacismus «  gesprochen.  —  Die 
zweite  Vermittelungsstufe,  die  zu  bujti  führte,  nämlich  vbujti  (mit  con- 
sonantischem  Anlaut)  lese  ich  bei  Volkmer  Nr.  3,  p.  15 :  »Turk  gre,  on 
nas  fbuje«,  vgl.  Nr.  9,  p.  19:  «Eones,  paneübujesa;  Nr.  9,  p.  19: 
»Dlako  si  je  gosto  i^mia«. 

Wenn  man  aber  nun  bujti  u.  s.  w.  aus  ubiti  u.  s.  w.  mit  vbadati, 
fcakatiy  fciniti,  vdaritij  vgasnoti^  fkaniti^  fkoncati^  vleknoti,  vlejati, 
vnesti,  der  Reihe  nach  aus  ubadati  (?),  ucakati,  uciniti^  udariti  u.  s.w. 
vergleicht,  so  sieht  man,  dass  trotz  des  durchaus  gleichartigen  Anlautes 
{u  +  Cons.  -|-  Voc.)  die  Epenthese  des  u  nur  in  bujti  u.  s.  w.  einge- 
treten ist;  wo  liegt  die  Ursache  dieses  Auseinandergehens?  Im  u  kann 
sie  nicht  liegen,  man  kann  sie  nur  im  Anlaut  des  Verbum  simplex 
suchen. 

Der  durch  die  Epenthese  veränderte  Stammvocal  ist  in  u^miti, 
U'bitij  U'vijatij  u-miratij  uzvizdati  das  i,  in  vojzniti^  vojniti  das  e  (^), 
in  mojknoti  das  e  (%],  also  durchwegs  helle  Vocale,  die  um  so  leichter 
eine  Assimilation  an  das  u  erlitten,  je  weiter  sie  von  demselben  ab* 


v.v 


202  Franz  Ilesic 

stehen ;  dabei  wurde  aus  dem  u  +  i  =  uj\  aus  w  +  ö  =  o;'.  Weiter 
ist  wichtig :  in  umiti,  umirati^  umeknoti  sprang  das  u  ttber  m,  in  ubiti 
über  bj  in  uvijati^  uvegniti^  uveniti,  uzvizdati  über  r,  also  im  Ganzen 
Aber  i,  m,  t?,  durch  deren  stark  labialen  Charakter  das  2/~Element 
gefördert  worden  sein  mag. 

Zu  diesen  epenthesirten  Verben  gesellen  sich  noch  einige  präpo- 
sitionale  Redewendungen,  deren  Eigenthümlichkeit  ich  mir  ebenfalls  auf 
diese  Weise  erkläre :  hierher  gehört  zunächst  koga  mujsli  meti  =  koga 
V  misli  tmeti  Jemandes  gedenken,  ihn  erwähnen,  kein  Mensch  würde 
aber  sagen :  *mujsel  =  misel ;  ebenso :  v  mvjz^co  =  v  miznico,  nie- 
mals aber  auch  im  Nom.  *mujz^caj  weiter :  v  huj'so  =  v  hiso,  aber  nie- 
mals *hujsa  ^) ,  endlich  nemren  jemi  v  mojt^  ich  kann  ihm  nicht  ins 
Wort  kommen,  was  wohl  gleich  ist  einem :  ne  morem  mu  v  met  ich  kam 
ihm  nicht  in  den  Wurf  (vgl.  Pleteränik,  sub  voce  met,  meta)^).  Etwas 
weiter  gegen  Luttenberg  ist  sehr  verbreitet  der  Ausdruck :  vojs  pritij 
wofür  man  auch  gleichbedeutend  na  ves  priti  sagt,  daher  vojs  priti  = 
f)  ves  priti. 

Da  der  eigenthümliche  Wandel  des  Stammvocals  in  diesen  Sub- 
stantiven auf  die  Verbindung  mit  der  Präposition  v  beschränkt  bleibt 
und  sich  sonst  in  keinem  Casus  findet,  so  ist  die  Ursache  desselben  eben 
in  dieser  Präposition  v  zu  suchen  und  die  Erscheinung  als  Epenthese 
derselben  in  das  Substantivum  hinein  ganz  in  der  Weise  aufzufassen, 
wie  wir  es  bei  obigen  Verben  gesehen  haben ;  auch  hier  findet  sie  vor 
dem  Vocal  i  (v  mtsel,  v  mtznico,  v  htso)  und  vor  e  (v  met,  v  ves)  statt 
und  zwar  über  die  Consonanten  m  (v  misel,  v  miznico,  v  met),  über  v 
(v  ves)  und  über  h  (v  biso) .  Zur  Epenthese  über  v  rechne  ich  noch  den 
Ausdruck  vußka  nach  oben,  hinauf,  den  ich  mir  nach  Analogie  von 
kama?^  ta!  aus  vuj'iak  entstanden  denke;  vujsakj  das  sich  nach  Geit- 
ler,  Rad  jugosl.  akad.  knj.  44,  p.  128  auch  in  Kärnten  finden  soll,  lese 
ich  bei  Volkmer  Nr.  36,  p.  35 :  »On  hitro  vuisag  vzdigne  psa«,  Nr.  37, 
p.  36 :  j»Vse  stiri  bistro  vuisak  vriecc  ;  vujhak  ist  sicher  aus  *v  viäak 
zu  deuten,  nur  vermisse  ich  das  Substantivum  *visak  im  Slov.  und  finde 
nur  visek;  ja  Danjko,  Emet  Izidor,  p.  83  aiibi  schreibt  gerade  visek 
für  Volkmer's  vuisak. 


1]  Uebrigens  bin  ich  mir  dieses  Ausdruckes  nicht  ganz  sicher. 
2)  Junge  Slovenen,  die  hier  studiren,  meinen,  dass  t;  moß  in  dieser  Phrase 
auf  dem  aus  dem  deutschen  »Muth«  entlehnten  mot  beruhen  könnte.     V.  J. 


Slovenioa.  203 

Dass  eine  Präposition  anf  das  dazn  gehörige  Wort  wirkt,  das  wird 
Niemand  Wundernehmen,  der  die  Festigkeit  vieler  solcher  Verbindungen 
kennt.  Nnr  ist  dabei  in  unserem  Falle  vorauszusetzen,  dass  die  Prä- 
position V  zur  Zeit  der  Entstehung  dieser  Epenthesen  labialen  Cha- 
rakter hatte,  sonst  hätte  sie  kein  u  in  der  folgenden  Silbe  hervorrufen 
können,  während  gegenwärtig  im  besprochenen  Dialecte  das  silben- 
schliessende  v  sammt  der  Präposition  vor  weichen  Oonsonanten  einfach 
labial  ist  wie  das  deutsche  Wj  vor  harten  aber  dental  wie  f.  Dieser 
historische  Wandel  in  der  Aussprache  des  v  muss  zugegeben  werden, 
wenn  man  bedenkt,  dass  Volkmer  und  Danjko,  die  in  benachbarten 
Dialecten  schrieben,  sporadisch  die  Präposition  in  der  Form  vu  brauchen 
und  dass  vu  {vo)  in  einigen  Fällen  noch  gegenwärtig  erhalten  ist ;  ab- 
gesehen von  domo  aus  domov  durch  domo^  (niemals  *domof)  sind  hier 
anzuführen:  vovek  =  uvek^  uvjek^  auch  vujtro^  vujirano^  das  ich  aus 
*vüjutro^  vü  jutro  ratio  erkläre  (vgl.  böhm.  nazejfrij  doch  aus  ria 
zejutH  —  na  zejitri);  schliesslich  glaube  ich  vu  auch  zu  finden  im 
Namen  der  Stadt  Pettau :  Opttt  (in  der  Schriftsprache  Ptuj-Petovium)  ; 
man  sagt:  to  je  Opttt,  v  Optüji  sem,  rujpti  grem;  Eoseski  braucht  in 
seiner  Slovenija  cesarju  Ferdinandu  Qptuj\  im  Kroatischen  heisst  die 
Stadt  überhaupt  Optuj\  Vujptt,  eigenüich  vujpte  aus  vujptü  (unbe- 
tontes ü  wird  ein  «-artiger  Vocal) ,  ist  vü  ptüj\  wobei  die  Präposition 
den  Accent  bekam.  Der  Nominativ  Optü  ist  nun  nichts  anderes  als  der 
Local  vujpti  mit  auf  das  Substantivum  geworfenem  Accente,  wodurch 
vu  (unbetont)  vo  [6)  wurde;  vgl.  Stämbul  u.  ä. 

Dass  gerade  die  Präposition  v  häufig  vu{=V'\-  u)  lautet,  während 
sonst  alle  v  der  labialen  Aussprache  ausweichen  und  die  Dentale  bevor- 
zugen, das  dttrfte  seinen  Erklärungsgrand  darin  finden,  dass  der  ur- 
sprüngliche Halb  vocal  nicht  immer  ausfiel :  v^  gab  u^  daher  in  St.  Georgen 
vujigati  aus  uzgati  =  vb-zgati  {v^z-zgat{)^  dann  vüne  aus  *une  [v^ne)^ 
vün  aus  *un  [vrbnb)^  vüs  aus  u&  {v^h),  kroat.  vas  oder  us,  vüzem  ans 
*uzem  {v^zhm^),  kroat.  vazam.  Dass  sich  das  v  nach  Abfall  des 
Halbvocals  zu  u  zerdehnt  hätte,  was  Skrabec,  Cvetje  VIU,  1 1  behauptet, 
ist  kaum  anzunehmen ;  das  wäre  in  den  östlichen  Dialecten  eine  allen 
anderen  Erscheinungen  zuwiderlaufende  Bewegung. 

U«  Einiges  zum  Wortanlant. 

Der  Vergleich  eines  bujti  [vbujti,  ubujtiy  ubiti)  miifsehnoti  aus 
usehnotij  mit  fkrasti  aus  ukrastij  mit  vüj'spati  aus  uspati  regt  folgende 


204  Franz  lleiii, 

zwei  Fragen  an :  1 )  Warum  ist  in  vrljapati  das  u  nicht  zu  v  (f)  ge- 
worden, wie  in  bujti^  fsehnoti^  fkrasti'?  2)  Warum  ist  v  in  bujti  ab- 
gefallen, \nf8ehnoti^ßcr<istivL\Q\ii? 

Auf  die  erste  Frage  hat  für  die  westlichen  Dialecte  bereits  Skrabeo 
(Qyetje  VIII,  11)  die  treffende  Antwort  gegeben:  sie  stimmt  auch  ftlr 
den  slov.  Osten ;  in  vüj'spatt,  vüjzffatt]  vujgnoti^  vujbrati,  vujvretij 
vüjmlatiti,  vujmleiij  vuj'prati  =  uspati\  uzgattj  lu/noti^  t^ira^t  u.s.w. 
haben  wir  jetzt  im  Anlaut  des  Yerbum  simplez  doppelten  Consonan- 
tismus  und  zwar  waren  die  zwei  Consonanten  ursprtlngiich  durch  einen 
Halbvocal  getrennt;  da  bleibt  das  u  in  seinem  vollen  Werth;  wo  da- 
gegen das  Simplex  mit  einem  Consonanten  oder  mit  zwei,  aber  niemals 
durch  einen  Halbvocal  getrennt  gewesenen  Consonanten  anlautet,  da 
verwandelt  sich  das  Präfix  u  in  t?,  ä9heT  fcakafi,  fcesnott,  fcimtij  vda-- 
ritiy  vdelati^  vgasnotij  fkaniti^  fkoncati^  vleci^  vlejatij  vlomiti,  u. s.w. 
—  mit  zwei  Cons. :  fklanjati^  fkrasti^  Vrban^  ftrgati  u.  s.  w.  aus 
U'cakatij  u-cesnoti  ....,  u-klanjati^  u-krasti  u.  s.  w.  —  vüjmlatiti  ist 
eine  Analogiebildung. 

Die  zweite  Frage  betrifft  den  Abfall  des  zu  v  gewordenen  u  in  jener 
Gruppe  von  Worten,  bei  denen  wir  oben  die  Epenthese  constatirt 
haben ;  aus  vbujti  wird  bujti^  vnesü  bleibt  dagegen.  Darauf  ist  zu 
antworten :  das  anlautende  t?  föUt  gern  weg  wie  in  boxen  ans  ubozen 
(miser),'  vielleicht  auch  bogati  für  ubogati,  doch  vgl.  deutsch  » folgen «r, 
ladati  für  vladatt,  tat  für  vlat,  las  für  vlas,  notri  für  vnotri^  femer 
zdigniti  für  vz-digniti^  zdehnoti  für  vz-dehnoti,  zdrzati  für  vz-^rzatij 
zmoci  für  vz-^moci  u.s.  w.  lauter  Verba,  die  mit  dem  Präfix  v^z  zusam- 
mengesetzt sind.  Da  reihen  sich  nun  auch  bujtiy  mu/ti,  mujrati  aus 
vbvj'tij  vmujti,  vmujrati  an.  Der  Abfall  eines  solchen  v  erleichert  oft 
die  Aussprache  und  stört  hier  das  Yerständniss  nicht.  Wo  dagegen  das 
Fehlen  des  v  eine  syntaktische  Ungenauigkeit  nach  sich  zöge,  da  wird 
es  beibehalten:  fiele  in  fcakati,  fcinüij  vgasnoti  u.  s.  w.  das  v  if)  ab, 
so  hätten  wir  auf  einmal  Verba  imperfectiva ;  das  v  stützt  also  in  der 
Qrw^^Q  fcakati  u.  s.  w.  die  Perfectivität.  In  vz-^riati  kann  v  abfallen, 
denn  der  Rest  des  Präfixes  z  unterscheidet  das  Wort  vom  Imperfectivum 
drzati,  in  bujti  ist  der  Stammvocal  gegenüber  dem  Imperfect.  biti  cha- 
rakteristisch. Für  mreii  (perf.,  daher  gleich  umreti)  würden  wir 
vmreti  erwarten,  da  mreti  imperf.  ist;  aber  für  das  imperf.  ist  im 
Dialecte  nur  mujrati  in  Gebrauch,  nicht  mreti,  daher  war  die  Gefahr 
der  Undeutlichkeit  ausgeschlossen.    Für  tismiliti  braucht  man  smiliti. 


Slovenica.  205 

während  fttr  das  imperf.  smiliti  meiBt  militi  eintritt.  Verwischt  ist  je- 
doch der  Unterschied  in  staviti  (=  stavitiy  ustavtti),  strastti  (=  st7*a- 
iiti  nnd  tsstraüti). 

Bekanntlich  kennen  gerade  die  östlichen  Dialecte  Steiermarks  ein 
silbenbildendes  r;  dasselbe  wird  jedoch  im  Wortanlaut  zu  ar.  Bei- 
spiele, deren  ich  habhaft  werden  konnte,  sind : 

1)  adresefij  bei  Pletersnik  angeführt  als  rdeselj  Knöterich,  polypo- 
nns,  man  spreche  es  als  ardeselj;  ausserdem  locale  Formen:  an- 
dreselj]  ctdreselj)  dreselj]  dresen,  redeselj]  redesen,  rdreselj) 
rdresen,  rdric,  —  Ursprünglich  wohl  rdeselj  [rdesen\  daher  bei 
Mikl.,  Et.  W.  unter  rhdes  . . . ;  aus  ^desen  wurde  avdesen  und 
durch  Metathese  unser  adresen. 

2)  avdeci  füLTjfdeci,  a\ts\ov.  fi)deti,  ardecka  rothe  Kuh ;  cf.  Danjko, 
Kmet  Izidor,  47:  ardeca  roza\  Pajek,  Örtice,  p.  32  :  »s  fajdelna 
ardeSega, 

3)  arja  =  r/oj  altslov.  rbzda,  Danjko,  Kmet  Izidor,  113:  zaarja- 
veti. 

4)  arjam^  altslov»  r^zdav^. 

5)  arjüti,  arjüjen  (m),  altslov.  rjutty  revq. 

6)  arzeni  kruh  (Kornbrot),  altslov.  rhh. 

In  diesen  Beispielen  ist  aus  dem  (sonantischen)  ^  ein  secundärer 
Halbvocal  entwickelt  worden ;  die  Entwickelung  eines  solchen  ist  in  den 
westlichen  slov.  Dialecten  gewöhnlich,  ja  im  flussersten  Westen  nahet 
er  einem  a,  wie  in  unserem  Falle,  daher  venetianisch  arjuti  (Mikl. 
Et.  W.),  Pletersnik  führt  an :  arsati  für  rsati,  arman  für  rman.  Aber 
im  Dialecte  von  St.  Oeorgen  ist  dies  deshalb  auffallend,  weil  es  auf  den 
Anlaut  beschränkt  ist;  im  Inlaute  ist  rb  +  Conson.  (sonantisches)  ^ 
geblieben,  sm^ty  sm^din  (m),  k^ty  p^hek  ....  ^j.  Doch  selbst  im  Anlaut 
haben  wir  nicht  immer  an  hrtalec  (Rüssel)  aus  rtalec,  hrzati  aus  rzatiy 
altslov.  rbzati\  freilich  sieht  man,  dass  in  diesen  beiden  Beispielen  das 
r  nicht  mehr  im  Anlaute  steht,  dass  es  vielmehr  in  h  einen  Vorschlag 
erhalten  hat,  wie  wir  diese  Erscheinung  namentlich  aus  dem  Serbo- 
kroatischen kennen.  Ist  das  h  früher  vorgetreten,  als  die  Entwickelung 
des  anlautenden  f  begann  ? 


I]  iarjav  ist  aus  ierjav,  nicht  aus  Irjav  zu  erklären,  durch  Vocalharmonie. 


y*y 


206  Franz  Ilesic, 

Die  Schreibung  rudec^  ruj'av  ist  also  auch  vom  Standpunkte  der 
östlichen  Dialecte  verfehlt^  wie  dies  schon  von  den  westlichen  Dialecten 
aus  äkrabec  nachgewiesen  hat ;  richtig  dagegen  ist  ruman  —  im  Osten 
remenilo  aus  rümenüo^  rumenilo,  —  itj'uha  lautet  um  St.  Georgen 
ruha.  daher  kommt  es  hier  nicht  in  Betracht. 

Noch  möge  aber  der  Taufname  Arne^  Amicek  Bartholomäus  er- 
wähnt werden ;  Arne,  Arnecek  ist  aus  Rne,  JRnecek  zu  erklären,  wie 
ardec  aus  fdec,  Rne,  Rnecek  aber  aus  Jrnej)  Jrenej,  Irendeus ') ;  in- 
dem der  Accent  auf  die  Anfangssilbe  geworfen  wurde,  wurde  das 
schliessendey  unhörbar  wie  in  vsele  =  vselej]  oder  gen.  plur.  postt  für 
postij  u.  s.  w.,  das  unbetonte  e  der  Mittelsilbe  fiel  aus.  Im  Westen 
wurde  aus  jß/z^;' regelrecht  Emej  —  Jemej\  wiejermen  für  ernten  aus 
^men  (Riemen). 

m.  Ein  Geschlechtswechsel  im  Plural. 

Die  weiblichen  Substantiva  hajdkna^  korüza,  njtva^psentca.  r^pa, 
die  mit  Ausnahme  von  njtva  Acker  bekannte  Getreidearten,  bez.  Feld- 
Früchte  bezeichnen ;  bilden  im  Dialect  von  St.  Georgen  a/d.  Stainz  den 
Plural  nach  Art  der  Neutra  auf  a,  bei  gleichzeitiger  Längung  der  be- 
tonten vorletzten  Silbe,  daher :  hajdhna  (mit  anderer  Dehnung  als  im 
Sing.),  korüzüy  njivOj  pSenica,  repa  so  lepe  (die  Adjectiva  n.  plur. 
nehmen  meist  überhaupt  die  weibliche  Endung  e  an,  daher  hat  diese 
hier  nichts  zu  bedeuten).  Der  Quantitätswechsel  gleicht  dem  vieler 
Neutra  wie  itto-zita,  Uto-leta,  mästo-mesta,  okno-ökna  und  ist  bei 
diesen  Neutris  mit  den  ursprünglichen  Accentverhältnissen  im  Zusam- 
menhange, indem  dem  jetzigen  Singular  ztto^  leto,  m^sto^  ökno  ein 
älteres  ziid,  leid,  mestdj  oknd  entspricht,  während  der  Plural  seit  jeher 
die  vorletzte  Silbe  betonte,  daher  zita,  leta^  mesta^  okna  etc.  Einen 
solchen  Accent-  und  Quantitätswechsel  zwischen  dem  Singular  und 
Plural  finden  wir  aber  bei  weiblichen  Substantiven  nicht,  ja  auch  njiva^ 
das  einzige  von  den  oben  aufgezählten  Substantiven,  das  einen  gewöhn- 
lichen weiblichen  Plural  bilden  kann,  behält  in  dieser  regelmässigen 
Pluralform  die  alte  Quantität :  njtve ;  der  Qnantitätswechsel  ist  also  an 
die  neutrale  Form  auf  a  geknüpft  und  beides,  Quantität  wie  Form,  nach 
den  Neutris  zu  erklären. 


1)  Es  ist  schon  bekannt,  dass  der  heil.  Bartholomäus  bei  den  Slovenen 
vom  beil.  IrenSus  den  Namen  bekam. 


Slovenica.  207 

Es  entsteht  nnn  dieFrage,  was  denn  eigentlich  die  Analogiewirkung 
begrflndet  hat.  Die  Erscheinung  ist  anf  weibliche  Snbstantiva,  die 
Getreidearten  bezeichnen,  bez.  die  Stätte  ihrer  Cnltnr,  beschränkt;  man 
wäre  daher  versucht,  den  Ausgangspunkt  etwa  in  iito-zita  zu  suchen; 
▼on  der  gewöhnlichen  Pluralbildung  —  bei  Stoff-  oder  Collectivwörtern 
ist  die  Pluralendung  überhaupt  beschränkt  —  wurde  um  so  leichter  und 
lieber  abgegangen,  als  auch  die  Bedeutung  des  neuen  Plurals  eine  ganz 
besondere  sein  sollte :  diese  Plurale  haben  nämlich  sämmtlich  einen 
coUectiven  Sinn:  Buchweizen-,  Mais-,  Weizen-,  Roggen-Felder  oder 
-Saaten,  während  der  Singular  entweder  die  Frucht  oder  ein  Feld  be- 
zeichnet ;  auch  njiva  bedeutet  einen  Complex  von  Aeckeru,  an  deren 
Zahl  man  gar  nicht  denkt ;  will  man  dagegen  Aecker  zählen,  so  muss 
man  die  regelrechte  Form  brauchen :   tri^  stiri  njtve. 

Der  neutralen  Form  wie  coUectiven  Bedeutung  nach  erinnert  diese 
Bildungsweise  an  die  von  Oblak  in  Archiv  XII,  379  besprochene  Eigen- 
thflmlichkeit  des  Dialects  von  Lu^e  bei  Bischoflack  in  Oberkraiu,  nur 
erscheint  sie  daselbst  an  männlichen  Substantiven,  z.  B.  lonca  (kupc 
prodaja  lonca),  dagegen  lonce  einzelne  Gefässe  ....  vecera^  gen.  nur 
vecer^  dieses  Beispiel  macht  mich  an  unsere  Wendung  je>o  veceräh  an 
Abenden,  aufmerksam,  das  vielleicht  nach  pojütrah  gebildet  ist,  im 
Sing,  ist  vecer  nur  masc. ;  wenn  man  dobro  vecer  hört,  so  ist  dies  nach 
dobro^jutroj  dobro  opodne^  dobro  odvecara  entstanden.  Vgl.  noch 
Mikl.  Gr.  IH,  135. 

Besonders  ausgebreitet  ist  der  Geschlechtswandel  des  Plurals  im 
Russischen,  vgl.  die  Auseinandersetzung  dessen  bei  MiklosiS,  Gr. ni, 
290 — 292;  doch  beobachten  wir  ihn  da  ebenfalls  nur  an  männlichen 
Substantiven :  knjazhja ,  muzhja  u.  s.  w. ;  das  Slovakische  stellt  den 
üebergang  zum  Russischen  dar,  wenn  es  ein  chlapovia^  fudia  (Archiv 
f.  slav.  Phil.  XX,  40),  und  ein  oracja  hat  (Archiv  XX,  352). 

Dass  Substantiva  im  Plural  oft  Neutra  werden  [olTog-alxa^  iocus- 
ioca),  das  wird  uns  aus  dem  Wesen  des  Plurals  erklärlich,  in  dem  das 
geschlechtliche  Individuum  als  solches  gewissermassen  zu  Grunde  geht 
(vgl.  Miklosii  an  der  oben  citlrten  Stelle)  —  der  Allgemeinheit,  dem 
Collectivum  zu  Liebe  I 

Die  nahe  Berührung  des  Collectivums  und  Neutrums  ist  von  jenen 
Sprachforschem  schon  längst  anerkannt  und  betont  worden,  welche  die 
neutrale  Pluralendung  auf  -a  für  eine  Kürzung  der  Femininendung  des 
Singulars  -ä  collectiver  Substantiva  angesehen  haben  (Brugmann  U, 


V  .V 


208  Franz  IleBic, 

§  33 7y  Zeitschr.  fttr  Völkerps.  u.  Spraehw.  von  Lazarus-Steinthal  XIV, 
p.  410 — 434,  besonders  414,  415,  421). 

Der  Abstand  des  Collectivbegriffs  von  den  einzelnen  Bestandtheilen 
ist  für  das  Sprachgefühl  oft  so  bedeutend,  dass  es  entweder  neue  For- 
men zar  Bezeichnung  des  Collectivums  heranzieht,  wie  in  unserem 
Falle,  oder  wenigstens  vorhandene  Doppelformen  zu  dieser  Unterschei- 
dung verwendet,  so  sind  im  Dialect  von  St.  Georgen  die  alten  gen.  plur. 
auf  'i :  lasij  vozi,  zoli  nur  coUectiv  gebräuchlich ;  kommt  es  auf  die 
Zahl  an,  so  bedient  man  sich  der  neueren  Formen  auf  ^ov,  — 

IT.   Dobri-dobryj  im  sIoTenischen  Dialecte  Ton  St.  Georgen 

a.  d.  Stalnz. 

Der  altslovenische  Unterschied  dohrb-dobruf  ist  im  Neuslovenischen 
formell  nur  im  nom.  sing.  masc.  erhalten,  sonst  ist  er  entweder  durch  Con- 
tractionserscheinungen  verwischt,  wie  im  nom.  sing.  fem.  dohra  es  altslov. 
dobra  und  dobraja,  nom.  acc.  sing,  neutr.  dobro  =  altslov.  dobro  und  dobroje, 
oder  es  ist,  wie  in  den  meisten  übrigen  Casus,  die  componirte  Form  die  allein 
übliche  geworden.  Wie  nun  im  Serbokroatischen  »oblici  odredjenih  pridjeva 
dosta  se  cesto  govore  mjesto  oblika  neodredjenih  ^  alt  tada  zadrzavaju  akeenie 
kakvi  SU  u  neodredjenih^  n,  pr.  mjesto  ^ütüy  &üta  govori  se  %  ^ütoga,  £ütom  (be- 
stimmt: &utogaj  Eütoni)j  Daniciö,  Oblici  42,  so  wird  auch  in  einigen  Dialecten 
des  Slovenischen  der  syntaktische  Unterschied  formell  zwar  nicht  ausge- 
drückt, aber  durch  den  Accent  angezeigt,  indem  lepo  mit  lepö^  lepega  mit  le- 
pegä  wechselt. 

Im  Osten  des  slovenischen  Sprachgebietes  (Brezje  bei  St.  Georgen 
a.  d.  Stainz  in  Steiermark]  ist  nun  der  genannte  Unterschied  in  der  Form 
des  nom.  sing,  masc.  zwar  auch  erhalten,  ist  jedoch  nicht  an  die  Verschieden- 
heit der  syntaktischen  Verwendung  eines  und  desselben  Adjectivs  ge- 
knüpft, sondern  hat  sich  über  die  Gesammtheit  der  Adjectiva  so  vertheilt, 
dass  ein  Adjectiv  in  allen  syntaktischen  Funktionen  entweder  bloss  die  be- 
stimmte oder  bloss  die  unbestimmte  Form  zeigt ;  man  sagt  nur:  slah  troitje 
tOj  ein  schwacher  Trost,  tisti  slab  c/ooeA:  jener  schwache  Mensch,  dagegen  beli 
pes  leti  ein  weisser  Hund,  toti  pesje  belt  dieser  Hund  ist  weiss.  Die  Adjective 
des  erwähnten  Dialectes  kann  man  demnach  —  abgesehen  von  den  Possessiv- 
adjectivis  auf  -ov,  -in,  -ski,  -jV,  die  überall  gleich  behandelt  werden  —  in 
solche  mit  dem  i  im  nom.  sing.  masc.  und  in  solche  ohne  dasselbe  eintheilen. 

1.  Die  in  den  westlichen  slovenischen  Dialecten  im  nom.  sing.  masc.  der 
nominalen  Declination  einsilbigen  Adjectiva  verhalten  sich  in  dieser  Be- 
ziehung folgendermassen : 

a)  nom.  sing.  masc.  ohne  t:  grdy  hujd,  lepy  nor^  rad,  sit^  slab,  zdrav,  zrea 
(ss  zrel)  —  hos,  kriv,  sam,  dazu  kommen  die  part.  perf.  pass. :  bit,  o-hrit,  o-dei, 
se-gret,  s-krit,  mttft,  v-iit,  pre-slet,  s^trt,  ob-Mt,  z-Ut. 


Sloyeniea.  209 

b)  nom.  sing.  masc.  mit  i :  helij  bUdi,  e$Uy  ^ti,  Smi,  dragi,  dugij  glühi, 
gotU^jahi^jari^  kaki,  ffUbi,  malt  (im  Sloy.  wie  im  Serbokroat.  überall  nur  in 
der  bestimmten  Form],  mladi,  nagiy  f^f^ni,  novi,  pravij  rahi,  rant,  serij  sivi, 
skopi,  slanij  slepi^  slokt,  starte  sUhij  sveti,  iaki,  trdi,  vaaki^  zvestiy  igeei,  £wi, 
hui,  daran  schliessen  sich  noch  die  part.  perf.  pass. :  na-ieti,  o-drii,  pre-kUiiy 
pMij  no'^eti,  na-piti,  z-viU,  za-vrÜ,  vtei%\  —  ode-brani,  o-^rani,  p<hscani, 
te^aniy  o-tnaiu,  znant. 

Auf  die  Fragte  nnn,  worauf  sich  denn  dieser  Unterscliied  eigentlich  grün- 
det, wird  man  unter  Berücksichtigung  der  Aussprache  dieser  Adjectiva  zu- 
niiehst  die  Antwort  geben  kOnnen,  dass  die  Adjecdva  und  Participia  der 
Gruppe  b)  durchaus  langen  Stammvocal  zeigen,  während  die  Gruppe  a)  bis 
auf  65«,  kfiv,  wm  kurze  Quantität  hat^). 

2.  Sehen  wir  uns  die  Adjectiva  an,  die  in  der  unbestimmten  Form  des 
nom.  sing.  masc.  in  den  westlichen  Dialecten  zweisilbig  sind  und  es  im  nom. 
sing.  fem.  und  neutr.  bleiben,  das  heisst  Adjectiva  mit  einem  Halbvooal  (be- 
weglichen Yocal)  im  Suffix  des  nom.  sing,  masc,  der  sonst  ausfällt;  das  Suffix 
ist  -«A,  «/,  «n,  €T,  ev. 

Diese  Adjectiva  haben  nie  ein  t;  bezüglich  der  Quantität  der  Stamm- 
silbe kann  man  sie  neuerdings  in  zwei  Gruppen  eintheilen: 

a)  kurzen  Stammvocal  haben:  lesen,  bister,  blaten,  ba&en,  bridek,  ced^n, 
irstev  — ,  dober,  gibHen,  gladek,  gnüsen,  goden,  grozen,  kiter,  hladen,  kieja  (=  kisel), 
krhek,  kroiek,  laeen,  medel,  mehek,  miren,  mo^en,  tnoker,  mrtev,  oster,  praien, 
prhek,  resen,  roden,  skUzek,  skrben,  sladek,  stalen,  straien,  übek,  temen,  tesen, 
tUcenj  varen,  ve^en,  vuhek,  iarek,  ILeUSen ; 

b)  langen  Stammvocal  haben :  drohen^  duien,  ß&en,  kratek,  ndacen,  mo' 
der,  nagel,  plitev,  pozen,  raven,  redek,  resen  (s  wahr),  smesen^  sna&en,  stekel, 
trezen^  trüden,  vUden,  votel,  vozek,  vreden,  leden,  imeten. 

3.  Adjectiva  mit  zwei-  oder  mehrsilbigem  Stamm,  wie  bögat  oder  pepel- 
ns^t,  die  also  in  der  unbestimmten  Form  des  nom.  sing.  masc.  einen  fixen 
Yocal  habend). 

a)  Adjectiva  ohne  %  (Suffixe  -at,  -av,  -iv):  bbgat,  präsnat;  lUnjäv,  kllav, 
paklav,  gizdav  (oder  gizdäv) ;  (Trrit?,  kdyiv,  plesniv,  pozablßv,  straslßv ; 

b)  Adjectiva  mit  t  (Suffixe  ast,  at,  av,  ec,  el,  en,  ev) :  gbbeatii,  Rüasti,  mu- 
iagti,  nosdsU,  rogldsti,  tr^pasti*  kosmdti,  pephlnati,  posUmdU,  smölnati;  arjävi, 
krvdvi;  ardii%\  debili,  ves^li;  drevSni,  jeJfmM,  ovsini,  zelini,  aber  ognjknit 
suknjeni,  vodini,  ivepl^ni',  sirovi. 

Dabei  zeigt  sich:  die  Adjectiva  ohne  t  haben  die  letzte  Silbe  des  Stam* 
mes  kurz,  entsprechen  also  den  einsilbigen  Adjectiven  mit  kurzer  Quantität; 

1)  Doch  habe  ich  etwa  '/4  Standen  von  Brezje  weg  auch  en  sämi  Üovek 
gehört;  da  kriv  nur  in  der  Verbindung  iesa  kriv  biti  gebraucht  wird,  so  er- 
gibt sich  die  Ausnahmestellung  dieser  3  Adjectiva  aus  ihrer  seit  jeher  durch- 
aus prädicativen  Function. 

^  Die  Kürze  zeige  ich  durch  ^,  die  Länge  durch  '  an,  da  ich  nicht  im 
Stande  bin,  die  Accentqualitäten  genauer  zu  scheiden;  oft  tritt  jedoch  der 
Deutlichkeit  halber  das  Zeichen  der  Kürze  oder  Länge  hinzu. 

▲rekiT  fftr  sUTiscIi»  Philologie.  XXI.  14 


210  Fruizlleiic, 

die  Adjectiva  mit  t  haben  die  letzte  Silbe  des  Stammet  entweder  lang,  wo- 
durch sie  den  einsilbigen  langen  Stämmen  gleichkommen,  oder  sie  haben  den 
Ton  auf  der  vorletzten  Silbe  des  Stammes^). 

In  die  Gruppe  b)  gehOren  alle  part.  perf.  pass.  anf  -«n,  -»  ausser  einigen 
einsilbigen»  die  bereits  oben  unter  L  b.  aufgezählt  sind. 

In  1.  und  3.  ist  der  Zusammenhang  des  t  und  der  Quantität  nicht  zu 
leugnen;  es  fragt  sich  aber,  welches  von  beiden  bedingend  und  welches  be- 
dingt ist;  bei  dieser  Art  der  Fragestellung  haben  wir  nicht  nur  vorausge- 
setzt, dass  das  t  ursprünglich  nicht  in  der  Weise  beschränkt  und  vertheilt 
war,  was  ja  klar  ist,  sondern  auch,  dass  der  Quantitätsunterschied  eventuell 
ebenfalls  ein  erst  gewordener  sein  kann;  das  Serbische  mit  seinen  ursprüng- 
licheren Verhältnissen  belehrt  uns  bald,  dass  wir  uns  die  Vertheilung  der 
Quantität  ohne  das  »,  nicht  aber  die  Vertheilung  des  i  ohne  die  Quantität 
erklären  künnen,  dass  also  die  Quantität  das  Ursprüngliche,  •  das  Secnn- 
däre  ist. 

Dem  Typus  1.  a.  phn,  phna,  puno  entspricht  im  Serbischen  unbestimmt 
puny  puna^  puno^  bestimmt  punij  punaj  punoj  ebenso  ist  es  bei  radf  sit,  slab, 
zdrav,  zreo.  Der  Stammvocal  ist  bei  diesen  Adjectiven  sowohl  in  der  nomi- 
nalen als  auch  in  der  zusammengesetzten  Form  kurz;  davon  weichen  ab  lep 
und  hfifdf  denen  im  Serbischen  lange  Vocale  entsprechen;  dabei  ist  aber  zu 
bemerken,  dass  neben  grd  gerade  /ep  häufig  ein  t  bekommt. 

Dem  Typus  l.b.  biliy  hila^  hilo\  &äli,  zita,  ÜLto  entspricht  im  Serbischen 
unbestimmt:  £u^,  lüta^  lüto^  bestidimt:  iut^,  iuta^  iuto  u.  s.  w.;  da  wäre  also 
der  Vocal  der  bestimmten  wie  unbestimmten  Formen  ursprünglich  lang. 
Doch  ergibt  sich  da  eine  grössere  Zahl  von  Ausnahmen:  den  Adjectiven 
cUtiy  dugij  novi,  pravi,  sivi,  atari,  tihi,  znani  entspricht  nämlich  im  Serbischen 
der  Typus  pttn^  punay  puno  —  nov,  nova^  tiovOy  not$,  nova^  novo,  weshalb  wir  im 
Slo venischen  n^v,  $%v  u.  s.  w.  erwarten. 

Dem  serbischen  Typus  pun,  puna,  puno  —  pun%,  puno,  puno  entspricht 
unser  pun,  ptkia,  puno ;  dem  serbischen  iuty  &üta,  iüto  —  £t^t,  iuta^  iuto  unser 
Id^i,  iuta,  Is&to;  im  ersten  Typus  ist  die  Kürze,  im  zweiten  die  Länge  ur- 
sprunglich und  allgemein;  der  erste  attrahirte  hinsichtlich  d^i:  Quantität  grä^ 
Ify,  häjd,  die  ursprünglich  lang  waren,  der  zweite  dagegen  fistij  dugi,  novi, 
praviy  aivi,  stari,  tihi,  znani,  welche  AdjectiviT  ursprünglich  durchaus  kurzen 
Stammvocal  hatten ;  die  attrahirten  Adjectiva  wurden  ihrer  neuen  Quantität 
entsprechend  behandelt;  doch  sind  gerade  bei  diesen  Adjectiven  noch  Spuren 
ihrer  ursprünglichen  Quantität  erhalten  in  Adverbien  und  Redensarten:  ctsto 
nie,  t&go  ga  nega,  aamo  to  nur  das;  serb.  »iar  hat  aiär,  stara,  staro  im  Sinne 
der  Frage,  wie  alt  Jemand  ist,  prädicativ:  ja  senlb  Ut  star,  stara]  in  solchen 
Adverbien  ruht  sogar  oft  der  Accent  an  seiner  ursprünglichen  Stelle :  hujdo 
tnije,  na  mladö  poje  (serb.  hnkdo,  mlddo  aus  oak.  hüdo,  mlädö),  an  mlad6  ist  der 
parallele  Begriff  angepasst:  na  staro  poje;  gosto  hodik  nan  (m),  mar^ö  hodif 
aamd  nie  ne  pride,  rahö  gre;  das  Gleiche  gilt  von  vedrdje,  kurz  ist  auch  das 


>)  Unerklärt  bleiben  dabei  ogt^lfni,  auknfini,  vodifm,  Iveptitii. 


Slovenica.  211 

Adverb  p^zno  je;  eine  Besonderheit  stellt  das  substantivirte  Adjectiv  g<h 
davnö  dar. 

Der  Annahme,  die  Länge  des  Stammvocals  hätte  das  t,  beziehungsweise 
die  Beibehaltung  oder  Verallgemeinerung  desselben  zur  Folge  gehabt,  ist  nun 
die  Gruppe  2.  der  Adjectiva  nicht  günstig. 

Dass  der  Typus  2.  a.  krUdk,  krotka^  l-rotko  —  krotkt,  krotka,  krotko  kurz 
und  ohne  t  geblieben  ist,  kroiek  u.  s.  w.,  das  stimmt  ganz  gut  zu  pun;  der 
Typus  krätekj  krdtka,  krdtko  —  hraikl,  kratku^  kratkS,  der  durchwegs  langen 
Stammvocal  zeigt,  und  der  Typus  trudan,  trudna,  irudno  —  irwin%,  irudna, 
trädno  mit  ebenfalls  langem  Stammvocal  haben  nun  im  besprochenen  Dialecte 
auch  Vertreter  mit  langem  Vocal  (2.  b.)  —  aber  ohne  t;  die  Länge  ist  also 
da,  die  angebliche  Folgeerscheinung  fehlt;  nur  in  tinki  scheint  beides  vor- 
handen zu  sein,  dagegen  würden  wir  in  unserem  drihen^  vizek,  vliien,  jü^en 
überhaupt  eine  Kürze  erwarten. 

Gleichwohl  ist  die  Gruppe  2.  kein  stichhaltiger  Einwurf  gegen  die  obige 
Erklärung;  ein  Grund  für  die  abweichende  Behandlung  der  Gruppen  1.  und 
2.  ist  eben  in  ihrer  Ein-  bez.  Zweisilbigkeit  zu  suchen;  in  der  ersten  fand  die 
Länge  des  Stammvocals  in  dem  fluctuirenden  und  dem  Schwund  seiner  frühe- 
ren Bedeutung  anheimfallenden  %  eine  willkommene  Entlastung  seiner  eigenen 
Schwere,  sozusagen  ein  bequemes  Absatzgebiet;  sie  gab  einen  Theil  ihrer 
Quantität  an  das  zu  diesem  Zwecke  festgenommene  t  ab;  in  der  Gruppe  2. 
brauchte  die  Länge  einen  solchen  Nothnagel  nicht,  es  war  das  Wort  ohnedies 
zweisilbig.  In  der  Gruppe  3.  kamen  die  nämlichen  Verhältnisse  zur  Geltung 
wie  in  1.:  pM^onzi^t  entspricht  dem  Is^t,  in  gohcasii  sowie  in  allen  auf  dritt- 
letzter Silbe  betonten  Adjectiven  und  Participien  kam  das  •'  unter  einen 
Nebenton  und  erhielt  sich  unter  dessen  Schutz. 

Diese  Erklärung  von  der  Beeinflussung  einer  Silbe  durch  die  Quantität 
der  vorhergehenden  hat  eine  Parallele  im  Schweben  des  Accentes  über  meh- 
reren Silben,  wie  es  gerade  im  Slavischen  so  oft  angetroffen  wird:  neben 
vielem  Anderen  sei  nur  auf  das  Verhältniss  des  cakavischen  und  stokavischen 
Aeeentes  hingewiesen,  das  man  sich  nur  in  dieser  Weise  erklären  kann. 

In  der  Quantität  (beziehungsweise  Zwei-  oder  Mehrsilbigkeit  des  Stam- 
mes) suche  ich  die  Ursache  der  Fixirung  des  t.  Für  diese  Ansicht  scheint 
auch  eine  Keihe  von  Fällen  zu  sprechen,  wo  das  i  augenscheinlich  nur  die 
Folge  der  aus  einem  speciellen  Grunde  stark  gedehnten  Aussprache  des 
Stammvocals  ist;  im  Allgemeinen  ist  grd  nur  in  dieser  unbestimmten  Form 
üblich ;  will  man  jedoch  der  Bedeutung  des  Wortes  besonderen  Nachdruck 
verleihen  und  spricht  man  es  zu  dem  Zwecke  gedehnt  aus,  so  bekommen  wir 
auf  einmal  ein  t:  tisti  grd  pes  zendrtigin  laja,  ovi  leppajetiho;  dagegen 
tisti  grdi  pes  zendrügin  laja  a  jener  garstige  (nicht  im  Gegensatz  zum  schö- 
nen Hunde,  sondern  im  übertragenen  Sinne  als  Schimpfwort)  Hund  bellt 
immerfort  Ebenso  steht  es  bei  fop,  das  zum  Zwecke  besonderer  Belobung  in 
der  bestimmten  Form  lipi  gebraucht  wird:  toti  lep  grozd  de  (ss  bode)  m/j;,  ovi 
pa  tvqfy  dagegen  toti  lepi  grozd  n<y  je  moj  fss  diese  wunderschöne  Traube) ; 
auch  bei  hujd  dürfte  sich  der  Unterschied  finden,  also  gerade  bei  jenen  in  der 
unbestimmten  Form  einsilbigen  Adjectiven,  bei  denen  wir  (nach  Obigem) 

14* 


21 2  Franz  Desio,  Sioyenica. 

L&Dge  mit  s  erwarteten  und  die  unter  1.  a.  alB  Ausnahmen  erschienen;  zu 
ihnen  gesellt  sich  nor,  das  niri  lautet,  wenn  es  sich  um  eine  besonders  starke 
Beschimpfung  handelt  (cf.  im  fem.:  ti,  nira pamei!),  desgleichen  irviv,  wenn 
es  ein  Schimpfwort  ist:  toti  ^tv  oreh,  aber  toti  An^pebar  «  dieser  wttrmige 
(nichtsnutzige)  Knabe. 

Da  die  Dehnung  besonders  hSufig  beim  Vocativ  auftritt,  so  dfirfte  sie 
vielleicht  mit  der  schon  altslovenischen  Eigenart  dieses  »Casus«  zusammen- 
hängen, dass  die  Adjectiva  in  ihm  meist  die  zusammengesetzte  Form  haben; 
als  Ausdruck  der  Verwunderung,  die  sich  in  einer  besonderen  Belobung  oder 
Beschimpfung  äussert,  wurde  er  der  Ausgangspunkt  einer  weiteren  Ent- 
wickelung,  dass  nämlich  seine  bestimmte  Form  überhaupt  das  Grepräge  des 
Lobes  oder  Tadels  bekam. 

Anhangsweise  sei  des  Unterschiedes  von  kiri  und  her  (aus  ktert)  ge- 
dacht: kert  clovek  =  so  mancher  Mensch,  A;^  chvek?  es  welcher  Mensch?  (oder 
auch  relativ),  weiter  des  Unterschiedes  von  meuten  und  migtm:  toti  mosten 
falat  (dieses  fette  StUck),  aber  nur  migtrii  tork  (der  Faschingsdienstag). 

Quantitative  Unterschiede  bedingen  überhaupt  oft  einen  Bedeutungs- 
wandel, vgl.  Vondr&k,  Archiv  Xu,  77:  »Peiorative  Bedeutung  k()nnen  die 
WOrter  durch  bestimmte,  namentlich  kurze  Aussprache  der  Vocale  erhalten: 
haba  und  dSvka  im  Gegensatze  zu  hdba  und  divka^^  das  gilt  fUrs  Slovenische,  in 
St  Georgen  a.  d.  Stainz  ist  bäba  Schimpfwort,  buba  die  Puppe  als  Spielzeug. 

In  der  Verwendung  der  bestimmten  und  unbestimmten  Adjectivform 
entfernt  sich  dieser  östliche  Dialect  wesentlich  von  den  westlichen  —  slov. 
Dialecten,  namentlich  aber  vom  Serbokroatischen,  das  den  Unterschied 
ziemlich  gut  erhalten  hat,  und  nähert  sich  wie  in  vielen  anderen  Punkten 
dem  Böhmischen,  wo  der  grösste  Theil  der  Adjectiva  bloss  die  bestimmte 
Form  hat,  Gebauer,  Listy  filologick^  1895,  p.  303 :  »  —  mimo  v^azy  adver- 
bialni  a  adjektiva  zpodstatn&U  adjektivni  tvary  jmennö  se  zachovaly  skoro 
Jen  ve  funkci  doplükov^,  a  i  to  skoro  jen  v  jazyku  kni&n^m  . . .« 

Insofern  jedoch  im  Böhmischen  die  nominale  Form  neben  der  zusammen- 
gesetzten erscheint,  unterscheidet  sie  sich  wie  im  besprochenen  slov.  Dialect 
von  derselben  durch  die  Quantität,  nur  ist  entsprechend  dem  Gesetze,  wo- 
nach südslavische  (serbokroatische  und  theilweise  slovenische)  Kürzen  im 
Böhmischen  Längen,  südslavische  Längen  im  Böhmischen  Kürzen  werden, 
wie  BÜdslav.  kräva  böhm.  krdva,  südslav.  gräh  bÖhm.  hrdchy  sfldslav.  giäva 
böhm.  glava,  im  Böhm,  die  zusammengesetzte  Form  kurz,  die  nominale  lang; 
Gebauer,  ib.  p.  291,  sagt,  dass  sich  die  Dehnung  nicht  consequent  zeige,  dass 
sich  dafür  Überhaupt  keine  Regel  finden  lasse,  daher  begnüge  er  sich  mit  der 
Aufzählung  einer  längeren  Reihe  von  Fällen;  wir  finden  daselbst:  maly-mdl, 
mdlGf  mdlOj  mlady-nUdd^  nah^-ndg,  pravg^prdv,  rany-rdno,  slabi^-sldh,  starj- 
stdr,  zdravg-zdrdVf  cisty-cüt  u.  s.  w. 

Alle  bei  Grebauer  angeführten  Beispiele  gehören  unter  unsere  Gruppe 
1.  b.,  nur  ßlaby  und  zdravy  unter  1.  a.  Ob  sich  denn  wirklich  nicht  eine  wenn 
auch  von  Analogiewirkungen  gestörte  Regel  finden  Hesse? 

Laibaoh.  Franz  IlesiS^ 


Kritischer  Anzeiger. 


Albanesische  Texte  mit  Glossar  von  Holger  Pedersen.  Des  XV«  Bdes 

der  Abhandlungen  der  philolog.-histor.  Gl.  der  E.  Sächsischen 

Gesellschaft  der  Wiss.  Nr.  HI.  Leipzig  1895.  gr.-S».  208. 

Zur  albanesischen  Volkskunde  von  Dr.  H.  Pedersen,  Privatdoc.  d. 
vergl.  Sprachwissenschaft  an  d.  Univ.  Kopenhagen.  Uebersetznng 
der  in  den  Abhandl.  d.  E.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.,  philolog.-histor. 
Cl.  XV,  vom  Verfasser  veröffentlichten  albanes.  Texte.    Eopen- 

hagen  1898.  8».  125  S. 

Obwohl  das  erstgenannte  Buch  im  Jahre  1895  erschienen  ist,  glaube  ich 
doch  nicht  es  umgehen  zu  dürfen,  sondern  über  dasselbe  einige  Worte  zu 
sagen.  Erstens  wurde  es  bis  jetzt  nur  kurz  angezeigt  in  den  Idg.  Forsch. 
Bd.  V,  233  (von  Meyer  Lübke).  Zweitens  bietet^  wie  man  aus  dem  Titel  des 
zweiten  Buches  ersieht,  dieses  die  Uebersetznng  der  im  ersten  vertf£fentlich- 
ten  Texte.  Drittens  endlich  mOchte  ich  aus  der  grammatischen  Einleitung 
Yor  der  Ausgabe  der  Texte  einige  Punkte  hervorheben  und  besprechen. 

Die  von  Pedersen  herausgegebenen  Texte  sind  eine  Auswahl  aus  eiiner 
Sammlung,  die  er  1893  während  eines  6-monatlichen  Aufenthaltes  in  Corfu 
und  einer  kurzen  Reise  nach  Epirus  gemacht  hatte.  Sie  bestehen  aus  12 
Märchen,  18  Bäthseln,  einem  Abschnitte:  Volksglaube  (18  Stücke)  und  13 
Liedern.  Die  Märchen,  die  das  Hauptsächlichste  der  Sammlung  bilden  [sie 
umfassen  68  Seiten,  die  übrigen  Texte  nur  12],  rühren  von  einem  aus  Mursi 
bei  Konispoli  gebürtigen  Viehhändler  her,  der  ein  vorzüglicher  Erzähler  ge- 
wesen zu  sein  scheint.  Unerwähnt  ist  bei  Pedersen,  wie  es  sich  mit  der 
Frage  hinsichtlich  des  oamischen  Dialektes  dieses  Mannes  verhält.  Dieser 
selbst  erzählt,  wie  er  gerade  als  Viehhändler  gute  Gelegenheit  gehabt  hatte, 
Yiele  Märchen  zu  lernen,  »denn  ein  jeder  Hirt  könne  irgend  ein  Märchen; 
übrigens  habe  er  auch  im  Gefängniss,  wo  er  wegen  eines  Todtschlages  einige 
Zeit  hatte  verbringen  müssen,  Gelegenheit  gehabt,  Märchen  zu  hören«.  Man 
weiss  nun,  dass  in  einem  solchen  Falle  in  der  Türkei  der  Betreffende  immer 
in  eine  Stadt,  wo  ein  Valija  seinen  Sitz  hat,  geschickt  wird.  Das  alles  be« 
weist  also,  dass  der  genannte  Mann  viel  herumgereist  war,  und  man  demnach 


214  Kritischer  Anzeiger. 

seinen  oamisohen  Dialekt  (von  Mursi)  als  einen  etwas  unbestimmten  Begriff 
bezeichnen  muss.  Camisch  ist  z.  B.  auch  der  von  Hahn  behandelte  albanes. 
Dialekt,  wie  dies  auch  manche  sich  von  selbst  erklärende  Uebereinstim- 
mungen  in  Laut  und  Form  bei  Hahn  und  Ped.  zeigen.  Doch  gibt  es  Dinge, 
die  uns  zur  obigen  Bemerkung  führen  können. 

Die  Mittheilungen  über  den  Volksglauben  hat  Ped.  von  einem  Stefan 
Eonomi  aus  dem  »jetzt  zerstörten«  Dorf  Leküresi  bei  Santi  Quaranta.  Dieser 
wurde  von  Ped.  auch  sonst  hinsichtlich  der  Sprache  ausgefragt.  Die  Lieder 
sind  ihm  von  vielen  verschiedenen  Personen  (Männern  und  Frauen)  in  Corfu 
und  Epirus  dictirt  worden ;  sie  repräsentiren  keinen  bestimmten  Dialekt  und 
sind  nach  Ped.  (1895,  S.  4)  dialektisch  nicht  von  Bedeutung. 

In  dem  (1895)  hinten  angebrachten  Glossar  sind  auch  die  nichtheraus- 
gegebenen  Texte  der  Ped.'schen  Sammlung  herangezogen  worden.  Auf  dieses 
verlegte  er  überhaupt  einen  besonderen  Fleiss.  Selbst  die  grammatische 
Einleitung  berührt,  wie  er  sagt,  nur  das  Allernöthigste,  da  das  Glossar  schon 
das  Wesentlichste  der  Formenlehre  und  Syntax  in  sich  enthält  Zu  Ende 
eines  jeden  Textes  stehen  Anmerkungen,  wo  auf  Parallelen,  doch  nur  solche 
aus  der  albanes.  Yolksliteratur,  hingewiesen  wird.  Einige  Zusätze  dazu  sind 
auch  im  Vorworte  zu  der  Uebersetzung  der  Texte. 

Ped.'s  Beiträge  bewegen  sich  also  nach  zwei  Seiten  hin,  einer  folklo- 
ristischen  und  einer  sprachlich-dialectologischen.  Trotzdem  man  Ped.  schon 
für  das  Geleistete,  namentlich  vor  allem  für  das  gebotene  Material  zum  Dank 
verpflichtet  sein  muss,  ist  doch  nicht  abzuleugnen,  dass  sowohl  in  dialectolog. 
als  folklor.  Hinsicht,  in  dialectolog.  vielleicht  mehr,  eine  grossere  Ausführlich- 
keit und  Genauigkeit  der  gemachten  Angaben  und  Bemerkungen  zu  wünschen 
gewesen  wäre. 

Die  schriftliche  Darstellung  der  albanes. Laute  ist  die  von  G.Meyer.  Er 
beabsichtigte  ursprünglich  die  griech.  Zeichen  ^,  if,  Xi  Xi  7%  ®  durch  die  gleich 
bedeutenden  lat.  ^,  ^,  a;,  x\  ;,  9  zu  ersetzen,  hat  aber  diese  Absicht  nur  auf 
das  bestimmte  Verlangen  Brug^ann*s  aufgegeben,  der  volle  Uebereinstim- 
mung  mit  der  G.  Meyer'schen  Orthographie  wünschte  (S.  5). 

Bekanntermassen  ist  die  albanesische  Sprache  noch  in  jenem  Stadium, 
wo  es  kaum  die  allerersten  Anfänge  einer  bescheidenen  Literatur  gibt,  und  wo 
dieser  nicht  einmal  solche  nothwendige  Prämissen  fördernd  zur  Seite  stehen, 
wie  eine  einheitliche  Literatursprache  und  ein  gemeinsames  Alphabet.  Man  hat 
gebraucht  und  braucht  theil weise  noch  jetzt  (im  Volke)  neben  dem  meist  ver- 
breiteten lat.  Alphabete  das  türk.  (z.  B.  in  der  Beilage  der  albanes.  Zeitschr. 
Albania  in  Brüssel),  griech.  und  cyrill.  Heute  stehen  die  Dinge  derart,  dass 
man  mit  Ausnahme  einiger  von  fremder  (griech.)  Seite  beeinflussten  Volks- 
theile  (bei  den  Tosken)  die  Annahme  des  lat.  Alphabetes  von  Seiten  der  in 
Betracht  kommenden  Faktoren  als  ein  fait  accompli  ansehen  muss. 

Es  gibt  nun  sowohl  ans  früherer  als  gegenwärtiger  Zeit  so  manche  Ver- 
suche, das  lat.  Alphabet  in  Bezug  auf  die  Eigenthümlichkeiten  des  Albane- 
sischen  zu  bereichem.  Man  muss  jedoch  sagen,  dass  man  bis  jetzt  im  Ganzen 
und  Grossen  noch  immer  nicht  einen  Modus  gefunden  hat,  der  allgemein  an- 
genommen und  durchwegs  befriedigend  wäre.    Von  diesem  Gesichtspunkte 


S^erd  Pekmezi,  H.  Pedersen^s  Albanesische  Texte.  215 

geleitet,  regte  das  Bnkarester  albanes.  Blatt  Shqiperia  (1898,  Nr.  44)  [heraus- 
g^eben  wird  es  von  dem  dortigen  albanes.  Gomit^]  an,  es  mischten  die  vier 
albanes.  Blätter  (Sbqiperia,  Albania  and  die  in  Italien  erscheinenden  La  Na- 
zione  Albanese  und  La  Nnova  Albania)  die  nOthigen  Schritte  thnn,  um  zu 
einem  einheitlichen  Alphabete  zu  gelangen.  Die  Brüsseler  Albania  kam  die- 
sem Vorschlage  in  der  Weise  entgegen,  dass  sie  sich  an  einige  hervorragende 
Philologen  wandte  und  sie  um  Bathschläge,  die  Reform  des  lat.  Alphabetes 
fürs  Albanes.  betreffend,  ersuchte,  deren  Antworten  sie  veröffentlicht.  Da 
demnach  die  Frage  über  das  albanes.  Alphabet  eben  jetzt  actnell  geworden 
zu  sein  scheint,  so  sei  es  mir  erlaubt,  auch  meinerseits  dahier  einen  Beitrag 
zu  liefern.  Vor  allem  kommt  es  darauf  an,  in  welcher  Weise  man  das  lat. 
Alphabet  zu  Zwecken  des  Albanesischen  zu  bereichem  geneigt  ist.  Selbst- 
verstiindlich  kann  es  sich  beim  Albanes.,  da  ja  das  Alphabet  erst  festgestellt 
werden  soll,  nicht  um  eine  historische,  sondern  nur  um  eine  phonetische  Or- 
thographie handeln,  bei  welcher  die  Bezeichnung  eines  Lautes  von  seiner  ge- 
nauen lautphysiologischen  Bestimmung  abhängt.  Das  Ideal,  das  da  vorzu- 
schweben hat,  ist  für  einen  jeden  besonderen  Laut  auch  ein  besonderes  Zei- 
chen. Von  vornherein  ist  demnach  eine  jede  Cnmulation  von  Schriftzeichen 
für  die  Bezeichnung  eines  Lautes  auszuschliessen.  Eine  Bereicherung  kann 
also  nur  dadurch  geschehen,  dass  entweder  diakritische  Zeichen  angewandt 
oder  neue  Buchstaben  erfanden  oder  aber  solche  aus  anderen  Alphabeten 
aufgenommen  werden,  was  ja  alles  in  unserem  Falle  bereits  versucht  wurde. 
Das  Aufbringen  neuer  und  dazu  vielleicht  noch  ungelenker  Zeichen  ist  wohl 
in  der  heutigen  realen  Zeit  fast  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  Auch  bei  den 
diakritischen  Zeichen  liegt  es  nahe,  sich  womöglich  nur  an  entsprechende,  in 
anderen  lat.  phonetischen  Alphabeten  bereits  für  identische  Laute  gebrauchte 
zu  halten,  üebrigens  muss  man  sich  da  besonders  bei  den  Vocalen  vor  dem 
Zuviel  des  Guten  hüten,  damit  man  nicht  wie  Meyer  (Albanes.  Studien  I,  Wien 
1883)  in  die  Zwangslage  kommt,  dass  er  den  Accent  nicht  überall  »vorwiegend 
aus  ästhetischen  Rücksichten  bezeichnen  wollte,  weil  das  Zusammentreffen 
80  vieler  Accente  mit  den  übrigen  diakritischen  Zeichen  einen  höchst  uner- 
freulichen und  verwirrenden  Eindruck  hervorbringt«  (S.  16).  Die  Aufnahme 
eines  Buchstaben  aus  einem  fremden  Alphabete,  sagen  wir  dem  griech.  oder 
cyrilL,  würde  sich  nur  dann  empfehlen,  falls  er  wirklich  einen  ganz  mit  dem 
in  Betracht  kommenden  gleichen  Laut  bezeichnen  würde,  ein  eventuelles 
diakridflches  Zeichen  auf  einen  lat.  Buchstaben  aber  erst  auszudenken  und 
auch  schwer  auszuführen  wäre. 

Ich  glaube  nun,  dass  man  auf  Grund  der  eben  angeführten  Gesichts- 
punkte für  das  Albanesische  leicht  ein  meiner  Ansicht  nach  praktisches  und 
den  gestellten  Anforderungen  entsprechendes  Alphabet  herstellen  kann. 
Membra  disiecta  dieses  reformirten  albanes.  Alphabetes,  wie  ich  es  mir  denke, 
wurden  meistens  schon  hier  und  dort  angewandt.  Bevor  ich  sie  jedoch 
sammele  und  es  ganz  vorführe,  sei  es  mir  gestattet,  einen  kurzen  Rückblick 
auf  die  bisherigen  alb.-lat  Schreibweisen  zu  werfen,  üebersichtstabellen, 
wenn  auch  nicht  ganz  vollständige,  findet  man  z.  B.  bei  Miklosich  im  1.  Hefte 
seiner  Albanes.  Forschungen  S.  14  (1870  in  den  Denkschr.  der  Wiener  Akad. 


216  Kritischer  Anzeiger. 

herausgeg.)  und  in  den  als  Mannscript  gedruckten  Materialien  zur  Trans- 
Bcription  der  Laute  der  albanes.  Sprache.  Der  Gtebrauch  von  a,  t,  o,  u,  5,  d,f, 
m^  riyp,  r,  tj  v  veranlasst  zu  keiner  Bemerkung,  da  sie  überall  als  der  Bezeich- 
nung für  die  betreffenden  albanes.  Laute  vollkommen  entsprechend  ange- 
sehen wurden.  Es  erübrigt  nun  eine  Beihe  von  Lauten,  die  Meyer  in  seiner 
bekannten  albanes.  Gramm.  (1888)  folgendermassen  bezeichnet  hat:  e,  6,  ü, 
dZf  rf£,  <f,  ^y  g,  ^,  Ä,  Xi  XiJi  *i  ^j  h  ^i  ^»  *»>  ^j  *»  ^»  ^»)  '*)  «»  ^>  ^*  Dio  Bezeichnung 
Meyer's  stimmt  sehr,  in  seinen  früheren  Schriften  fast  ganz,  mit  jener  Kristo- 
foridi's  (Neues  Testament,  Constantinopel  1872)  überein.  Abweichungen  sind 
hier  bei  Eristoforidi  nur  folgende:  ;  für  Meyer's  e,  u — ß,  d9 — dz,  di--dl,  y— ;/, 
T'-r,  a— qf.  Eristoforidi,  der  sich  um  die  Fizirung  und  grammatische  Dar- 
steUung  seiner  Muttersprache  die  wesentlichsten  Verdienste  erworben  hat, 
wendet,  wie  man  sieht,  Lepsius'  Standard-Alphabet  an  (cf.  Meyer,  Albanes. 
Studien  I). 

In  Nordalbanien  stilisirte  ein  eigenartiges  albanes.  Alphabet  bereits  1635 
der  erste  albanes.  Schriftsteller  Blanchus  (im  Dictionarium  latino-epiroticum, 
Bom).  Seine  betreffenden  Zeichen  sind  z.  B.:  e  und«  (f.  Meyer's  eunde), 
«  (f.  ö),  z  (f.  dz  und  fe),  gi  (f.  di:),  « (f.  cf ),  SIE  (f.  ^),  gh  (f.  g\  g  (f.  g),  c— cÄ— * 
(f.  k\  ch'-chi  (f.  Ä),  //  (f.  i),  ni  und  gn  (f.  n),  rr  (f.  r),  sc  (f.  /),  c  (f.  ti),  e  (f. «), 
e^A  (f.  £).  Blanchus'  Alphabet  lebt,  einige  unbedeutende  Aenderungen  abge- 
sehen (z.  B.  A  f.  Blanchus'  ü,  sc  f.  egh),  noch  heute  bei  den  Gegen.  In  diesem 
Alphabet,  wenn  auch  etwas  modificirt,  sind  auch  die  Werke  Jungg's  und  die 
Bücher  der  Propaganda  geschrieben.  Der  albanesische  Schriftsteller  und 
Dichter  Fraseri  gebraucht  folgende  Bezeichnungsweise:  e  (bei  Meyer  «),  e  (e), 
y  (ö),  z  ((?£),  «  (d£)y  S  (<f),  a  (*),  B  [gh  q  i^h  ^  W,  v  W,  p  (?=),  <r  (/),  c  ««),  c  iü), 
z  (z),  z  (£).  Fraseri's  Alphabet  wendet  man  in  den  Ausgaben  des  albanesischen 
Vereines  Desire  zu  Sophia  und  theils  auch  in  zu  Bukarest  herausgegebenen 
Büchern  an.  Ausserdem  ist  dieses  Alphabet  in  grösserem  Masse  bei  den 
Tosken  verbreitet,  da  Fraseri's  Schulbücher  dort  (z.  B.  in  Korea)  als  Lehr- 
bücher dienen.  Die  von  der  Bukarester  Shqiperia  und  der  Brüsseler  Albania 
verwendeten  Alphabete  sind  sich  fast  ganz  gleich:  e  (Meyer's  e),  e  (e),  y  (ü), 
dz  (Meyer's  dz,  die  Albania  schreibt  x),  dj  (bei  Meyer  di},  dh  und  ^  (f.  d  und 
^),  gh  (f-  9h  »  (f-J,  Albania  haty),  q  (f.  Ä),  Ih  (f.  /),  n  (f.  >i,  Alb.  h),  rk  (f.  ?=), 
sh  (f.  I),  c  (f.  U),  c  (f.  <«,  Alb.  c),  z  (f.  z),  j  (f.  £,  Alb.  £). 

In  Süditalien  ist  (um  noch  das  zu  erwähnen)  folgende  Schreibweise  in 
üebung  gekommen:  ¥  (Meyer's  b),  ii  (w),  d  (cf),  d-  (^),  gki  ij),  kj  (Meyer's  k),  l  (?), 
^  [^\  g^  '\fi)i  ^  {^),  sh  is),  tz  {ts),  c  (ts),  C  (z),  sg  (£).  1896  erschien  auf  Kosten 
des  Vicepräsidenten  der  Society  Albanese  in  Corigliano  Calabro  ein  Abece- 
dario  della  lingua  albanese,  welches  auf  einem  Congresse  dortselbst  (im 
Oktober  1895)  auf  obige  Welse  festgestellt  worden  ist. 

Von  der  Mis6re  in  der  Bezeichnung  der  albanes.  Laute  dürfte  schon  das 
Angeführte  einen  genügenden  Beweis  liefern.  Man  möge  jedoch  nicht  glau- 
ben, dass  sich  damit  die  Schreibweisen  erschöpfen.  Nicht  nur  fast  in  jedem 
kleinsten  albanes.  Büchlein,  sondern  auch  in  jenen  über  Albanesisches  kann 
man  geringere  oder  grössere,  von  anderen  abweichende  Besonderheiten  in  der 
Orthographie  finden,  ein  Beweis  eben,  dass  es  wirklich  dringend  noth  thut,  in 


BerS  Pekmezi,  H.  Pedersen'B  Albanesiache  Texte.  217 

dieser  Sache  Wandel  in  schaffen.  Man  vergl.  die  Worte  Camarda^s  (eines 
ital.-albane8.  Schriftstellers  und  Grammatikers),  der  sag^,  dass  man  das  alte 
qnot  capita  tot  sententiae  mit  Bücksicht  auf  die  Schreibung  des  Albanes.  frei 
übersetzen  könne :  quante  persone  che  scrivono  come  che  sia,  altrettanti  me- 
todi  di  scrittura  (cf.  Meyer,  Alb.  Stud.  1, 14  f.). 

Ich  will  nun  an  diese  Uebersicht  meine  eigenen  Bemerkungen  anknüpfen. 
Von  den  Vocalen  muss  selbstverständlich  e  unangetastet  bleiben,  was  in  den 
angeführten  Bezeichnungsweisen  meistens  nicht  geschehen  ist  Den  sogen. 
Halblaut  brachte  man  mit  e  zusammen.  Mit  diakritischen  Zeichen  wird  es  f 
(Kristoforidi),  «  (Bogdanus,  Cuneus  prophetarum  1685)  und  ¥  (Rada,  gramma- 
tica  della  lingua  albanese,  Firenze  1871)  bezeichnet,  ausserdem  durch  9  (z.  B. 
Pedersen)  und  e  (bei  Meyer).  Der  Laut  hat  phonetisch  mit  e  nichts  zu  thun. 
Was  überhaupt  die  diakritischen  Zeichen  dahier  anbetrifft,  wenn  man  schon 
e  wählen  wollte,  so  verweise  ich  auf  das  oben  angeführte  Citat  aus  Meyer's 
Albanes.  Studien  I.  Diakritische  Zeichen  auf  Vocalen  sollen  der  Bezeichnung 
für  Quantität  und  Accent  dienen.  9  gehurt  in  die  ieur.  Grammatik  und  b  kann 
noch  weniger  befriedigen,  da  es  ja  einen  ganz  anderen  Laut  im  Griech.  be- 
zeichnet. Wenn  sich  schon  Meyer  für  ein  fremdes  Zeichen  entschied,  und  wir 
wirklich  auch  andere  solche  wie  cf,  ^,  die  mit  den  gleichen  albanes.  Lauten 
identisch  sind,  sogar  in  Italien  und  bei  Kristoforidi  (und  Meyer)  aufgenommen 
sehen,  so  würde  ich  für  den  Halbvocal  ohne  Weiteres  das  urspr.  altkslav.  % 
wählen,  womit  die  Bulgaren  noch  heute  einen  dem  albanes.  ganz  gleichen 
Laut  bezeichnen  und  welches  sich  auch  die  lat.  Transscription  für  diesen 
Laut  (cf.  Miklosic,  Jagid,  Leskien,  Brugmaun)  angeeignet  hat. 

Wenn  im  Rumänischen  zu  Beginn  der  60er  Jahre  %  aus  dem  rum.-lat. 
Alphabete  ausgeschieden  worden  ist,  so  ist  das  nicht  irgendwelchen  wissen- 
schaftlichen Principien  zu  Liebe  geschehen,  vielmehr  hat  man  darin  nur  eine 
Fortsetzung  jenes  schon  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  aufgekommenen 
extremen  Purismus  zu  sehen,  der  besonders  in  den  westlichen  Landschaften 
allmählich  »zum  Bange  einer  kaum  discutirbaren  Glaubenslehre«  erhoben 
worden  ist  (cf.  Gröber,  Grundr.  d.  roman.  Philolog.  I,  442).  Für  die  bei  den 
Rumänen  gebrauchte  Umschreibung  des  «  durch  ü  gilt  ebenso  wie  für  den 
event  Gebrauch  davon  im  Albanesischen,  was  Leskien  (Altbulg.  Gramm.  ^. 
Weimar  1898, 5)  hinsichtlich  des  Akslav.  sagt,  dass  eine  solche  leicht  zu  einer 
falschen  Vorstellung  über  den  Ursprung  dieses  Lautes  führen  kann.  Sie 
würde  doch  auch  sonst  ebenso  wenig  genügen,  wie  ein  e  mit  einem  diakriti- 
schen Zeichen  (siehe  einige  Zeilen  weiter  oben). 

Neben  Meyer's  ü  kommt  dafür  infolge  der  schon  angeführten  Gründe 
nur  die  Bezeichnung  y  (Fraseri,  Shqiperia,  Albania,  Jarnik)  in  Betracht.  Bei 
Meyer's  ü  denken  wir  an  das  deutsche  ü.  Der  betreffende  albanes.  Laut  steht 
nun  näher,  wenn  er  nicht  gleich  ist,  dem  russ.  li,  transscribirt  y,  und  dem 
poln.  y.  Nebenbei  kann  es  nur  erwünscht  sein,  dadurch  ein  einfaches  Zeichen 
iXi  gewinnen. 

Von  den  Consonanten  seien  zunächst  nur  <f  und  d-  erwähnt.  Kristoforidi 
und  die  Italiener  nahmen  bereits  die  griech.  Zeichen  an.  Auch  die  Zeichen 
bei  Fraseri  sind  nur  Versuche,  dieselben  etwas  lateinischer  zu  fassen.  DA,  ih 


218  Kritischer  Anzeiger. 

IQ  der  Shqiperia,  Albania  und  bei  Jarnik  (früher  schon  bei  Leake)  können 
nach  den  oben  dargethanen  allgemeinen  Principien  der  Aufnahme  von  (f  und  9- 
wohl  nicht  vorgezogen  werden. 

Meyer'fi  ^  und  Je  würde  man  besser  mit  ö  und  ä  bezeichnen.  Die  beiden 
Laute  stellen  etwas  von  den  ieur.  £  und  g  phonetisch  ganz  Verschiedenes  vor. 
Ihr  etymolog.  Werth  kann  nicht  in  Betracht  kommen,  da  die  Laute  heute 
etwas  ganz  anderes  als  bloss  palatalisirte  k,  g  sind.  Der  Annahme  von  Cj  i 
widerspricht  nichts,  da  die  Bezeichnungsweisen  aus  den  angegebenen  Gründen 
als  nicht  geltend  entfallen,  und  wir  ja  auch  ausser  diesen,  im  kroatischen 
Alphabete  für  diese  identischen  Laute  üblichen  Zeichen,  aus  den  slavischen 
(auch  kroat.  also]  Alphabeten  ein  /,  z,  £  etc.  (cf.  Kristoforidi,  thellweise  Shqi- 
peria, Albania  u.b.  w.)  bereits  angenommen  sehen.  Meyer  selbst  sagt  (cf.oben), 
dass  der  lautphysiologische  Werth  bei  einem  Laute  vor  allem  zu  berück- 
sichtigen ist. 

Meyer's  ts,  ts  entspricht  nicht  der  wirklichen  Aussprache.  Die  beiden 
Laute  sind  einheitlich,  was  nicht  in  dem  Masse  von  Jz,  dJL  zu  behaupten  ist. 
C  wendet  schon  Fraseri  an,  c  und  c  Albania  etc. 

Alle  übrigen  noch  nicht  ervähnten  Lantzeichen  bei  Meyer  könnte  man, 
so  wie  er  sie  schreibt,  und  das  wiederum  infolge  der  bisherigen  Darstellung, 
so  annehmen,  wie  Meyer  sie  vorschlägt.  Statt  /'  wäre  vielleicht  besser,  Dani- 
ciö's  l  zu  schreiben  (cf.  diese  Schreibweise  z.  B.  im  Lexicon  der  Agramer 
Akademie  etc.). 

Nach  allem  würde  sich  demnach  das  gesammte,  von  mir  vertheidlgte 
lat.-albanes.  Alphabet  folgendermassen  darstellen :  a,  qf,  6,  c,  6,  c^  </,  d,  dz^  dz, 
<f,  ^,  e,  f,  *,/,  g,  Ä,  x^  /»  »,  hj\  *,  h  i,  ^  »»,  «,  w,  0,  (),  p,  r,  r,  «,  «,  t,  m,  ^,  y,  y , 
v,  z,  £. 

Ich  erachte  diese  meine  vorgebrachten  Bemerkungen  hinsichtlich  des 
albanes.  Alphabets  als  eine  Antwort,  wenn  auch  nicht  angerufene,  auf  den 
Aufruf  der  Brüsseler  Albania.  Sie  fällt  gewiss  zum  grössten  Theil  im  Sinne 
jener  hervorragenden  Gelehrten  aus,  deren  angesuchte  Ansichten  dortselbst 
zur  Sprache  kommen.  Doch  nicht  nur  eine  Antwort,  sondern  auch  ein  Appell 
an  die  betreffenden  Kreise  mögen  diese  Worte  sein,  dass  wir  endlich  zu  einem 
Resultate  gelangen.  Als  Albanese  muss  ich  ja  erklärlicherweise  daran  ein 
sehr  grosses  Interesse  haben,  dem  es  schwer  ankommt  zu  hören,  wie  nicht 
nur  Leute  wegen  alphabetischer  Schwierigkeiten  vom  Lesen  (die  Albania 
sagt,  dass  ein  Albanese,  wenn  er  ein  beliebiges  einheimisches  Buch  lesen  will, 
zuerst  dessen  Alphabet  erlernen  muss),  sondern  auch  manche  sonst  gebildete 
Leute  bei  uns  sogar  vom  Schreiben  albanes.  volksanf  klärender  Bücher  ans 
dem  einzigen  Grunde  abgehalten  werden,  weil  sie  nicht  wissen,  wie  sie  schrei- 
ben sollten,  wofür  ich  concreto  Fälle  anführen  könnte. 

Aus  der  Lautlehre  möchte  ich  zunächst  die  /-Frage  herausheben.  Ihr 
widmet  auch  Pedersen  die  grösste  Aufmerksamkeit  (eine  volle  Seite,  gegen- 
über 2en  für's  üebrige). 

Die  Angaben  sämmtlicher  älterer  Albanologen  über  die  Aussprache  des 
/  im  Albanes.  stellte  Miklosich  in  den  Albanes.  Forsch.  I  zusammen,  da  ihm 
die  Sache  unklar  war. 


BerS  Pekmesi,  H.  Pedersen'B  Albaneslsche  Texte.  219 

In  den  Albanes.  Stadien  (III,  Lautlehre  1892)  nahm  Meyer  ein  dreifaches 
/  fär  das  Albanes.  (entsprechend  wie  in  den  slav.  Sprachen):  ein  palatales 
(monillirtes),  alveolares  (mittleres)  und  gutturales  (hartes)  an.  Das  Vorkommen 
des  gutturalen  und  palatalen  kann  nicht  bezweifelt  werden  und  steht  nach 
allem  fest.  Anders  steht  es  mit  dem  sogenannten  mittleren  /.  Meyer  (1.  c.  75) 
scheint  dieses  nur  in  Fremdwörtern  yorzukommen,  und  wäre  »also  von  dem 
dem  Albanes.  selbst  eigenthttmlichen  Lautbestande  auszuschliessen«. 

1895  erschien  in  Kuhn's  Zeitschr.  (Bd.  XXXIII,  S.  536  ff.)  von  Pedersen 
eine  eigene  Monographie :  Die  albanesischen  /-Laute.  Er  erwähnt  nicht  ein- 
mal das  Ton  Meyer  zugegebene  mittlere  /;  die  albanes.  Sprache  habe  seit  alter 
Zeit  nur  zwei  /-Laute,  ein  gutturales  i  und  ein  mouillirtes  T.  Es  werden  so- 
dann Meyer*s  Auseinandersetzungen  (in  den  cit  Studien  III)  über  die  Ver- 
theilung  dieser  beiden  Laute  im  idg.  Wortvorrath  des  Albanes.  einer  Unter- 
suchung unterzogen,  wobei  Ped.  zu  Schlüssen  kommt,  die  Meyer  vervollstän- 
digen oder  berichtigen.  In  dem  camischen  Dialekte,  den  Ped.  in  der 
besprochenen  grammat.  Einleitung  behandelt,  kommt  nach  Ped.  das  mittlere  / 
keineswegs  vor.  »Ebenso  scheint,  sagt  Ped.,  die  Sache  in  den  meisten  alban. 
Dialekten  zu  liegen.  Die  Mehrzahl  der  Quellen  kennen  nur  zwei  /-Laute.«  In 
den  »Beiträgen  zur  Kenntniss  der  in  Griechenland  gesprochenen  albanesischen 
Mundarten«  (Albanes.  Stud.  V.  Wien  1896),  wo  die  Keinhold'sche  Sammlung 
der  Wissenschaft  zugänglich  gemacht  wird,  erzählt  Meyer,  er  habe  in  Grie- 
chenland von  Albanesen  gehört,  Reinhold  (er  war  als  Arzt  über  30  Jahre  in 
Griechenland)  »hätte  viel  besser  albanesisch  sprechen  können,  als  sie  alle«. 
Reinhold  kennt  nun  drei  /:  /,  /  und  X  (Meyer's  /,  /',  i),  die  Meyer  beibehalten 
hat,  »denn  sie  existiren  im  griech.  Albanesisch  wirklich«,  wie  sich  Meyer 
selbst  überzeugt  hatte.  Auch  das  /  ist  mehr  erweicht  als  unser  gewöhnliches 
/,  aber  der  Unterschied  von  /'  ist  bei  einiger  Uebung  doch  nicht  schwer  zu 
erfassen«  (1.  c.  S.  3).  »Aus  dem  Ghibiete  des  Starover  Dialektes  abstammend, 
ist  mir  selbst  der  genannte  Dialekt  von  Haus  aus  geläufig.  Mit  der  grössten 
Oewiflsheit  kann  ich  nun  die  Behauptung  aufstellen,  dass  dieser  Dialekt  eben- 
faUfl  ein  dreifaches  /  hat,  welche  drei  /  physiologisch  stark  verschieden  sind. 
Das  mittlere  /  ist  ein  coronal-postalveolares,  das  palatale  ein  dorsal-post- 
iüveolares,  nur  wird  hieir  die  Zunge  gegen  den  Gaumen  gehoben,  während  sie 
dort  nach  oben  ausgehöhlt  ist. 

Das  mittlere  /  steht  nun  nicht  nur,  wie  man  nach  Meyer  glauben  könnte, 
in  Fremdwörtern,  sondern  überhaupt  in  einer  Menge  von  Beispielen,  die 
Meyer  und  Ped.  etc.  als  palatal  angeben,  z.  B.  im  Anlaute :  U^,  kden,  hms,  le, 
leir%,  leset,  liffh,  /m,  /iirum,  lind,  Iqj,  lava,  /»m«,  /ai^t,  lakra,  lelek,  leöe,  lei,  liioj, 
leodqfj  lUar,  lipsem,  lop^f  lode,  loH  etc.,  hingegen  richtig  ^epur,  Zop,  ^ed-,  (eh, 
fo§,  lut  etc.  etc. 

Von  den  Beispielen  einer  anlautenden  Consonantengruppe  mit  /  als 
zweitem  Bestandtheil  ist  in  der  Gruppe  Labialis  +  /  bei  uns  immer  das  mitt- 
lere /.  Dasselbe  finde  ich  bei  Reinhold:  hU  (Reinbold  S.  38,  40,  41,  58),  bluq; 
(R.  45),  bleH  (R.  61),  fle  (R.  20,  27,  41,  43,  47,  57,  63,  64),  ßak%,  f^%  (R.  61), 
flohh,ßuturoj,ßori  (R.  35,  55),  flas  (R  40,  56),  plak  (R.  13,  38,  49,  59),  plakoa, 
phSjpUp,  plest  (R.  31),  plot  (R.  33,  41),  phhur  (R.  11,  32,  66).    Das  mittlere  / 


220  KritiBcher  Anzeiger. 

steht  bei  uns  auch  vor  Labialen,  für  welche  Fälle  Ped.  sagt:  »Schwieriger  ist 
die  Frage,  welcher  ^Laut  vor  p,  h  und  m  steht;  jedoch  scheint  auch  hier  V 
allein  berechtigt  zu  sein.«  Wir  sprechen :  ttalp  (nicht  ttaljn),  dahm,  heim  (R. 
8,  64),  äilpin,  puip%,  delp'brh  (R.  6,  30).  Auch  in  Worten,  die  Ped.  mit  l  au» 
-U-  schreibt,  kommt  das  mittlere  l  vor:  dal,  dola  (B.  37),  daU  (B.  32),  äteJ», 
kal  (R.  26],  mal  (R.  38),  pid%,  fjal%  (R.  40),  niah. 

Mit  mittlerem  l  wird  auch  ausgesprochen:  h<Uth,  mjaUh,  p%lea8,  ielk,  tdk, 
mhuloj,  dely  kopil,  ngul,  skul,  cili,  peh,  dele  etc. 

Von  dem  Vorkommen  des  mittleren  /  neben  dem  palatalen,  und  das 
nicht  nur  in  Fremdwörtern,  sondern  in  ähnlicher  Weise,  wie  in  meinem  Hei- 
mathsdialekte,  hatte  ich  einigemal  Gelegenheit  mich  zu  überzeugen  in  letz- 
terer Zeit  in  Wien.  Ich  sprach  mit  einem  Mann  aus  B&lica  (im  Ctobiete  von 
Struga),  mit  dreien  aus  Deb'ir,  einem  aus  Bakovo,  mit  mehreren  aus  §kodra 
(Scutari)  und  einem  aus  Ealivia  bei  Athen. 

Von  einer  Ahnung  eines  dreifachen  /  könnte  man,  abgesehen  von  Dozon, 
auch  namentlich  in  Puljevski's  Pc^ehk  oa  xpH  jeaExa  (macedon.,  albanes«  und 
türkisch,  Belgrad  1875)  und  vielleicht  bei  Kavalliotis  (Meyer's  Albanes-  Stud. 
rV.  Wien  1895)  sprechen,  ohne  natürlich  dabei  an  eine  consequente  Unter- 
scheidung und  Bezeichnung  zu  denken.  Dass  die  ältere  Bezeichnung  meist 
nur  ein  zweifaches  /  kennt,  beweist  nichts,  da  wir  hierbei  nicht  ein  grosses 
Verständniss  für  solche  Feinheiten  des  albanes.  Consonantismus  vorauszu- 
setzen berechtigt  sind.  Es  spielte  da  immer  der  Einfluss  einer  fremden 
Sprache  mit. 

Auf  Grund  alles  Angeführten  gelange  ich  zu  dem  Schlüsse,  dass  im  AI- 
banesischen  drei  ^ Arten  existiren:  l,  1,1,  deren  gegenseitiges  Verhältniss  im 
Auftreten,  ihr  etymologischer  Werth  für  den  gesammten  Bereich  des  Alba- 
nesischen  einer  künftigen  Studie  vorbehalten  ist.  Ped.'s  Behauptung,  dass 
im  Albanesischen  die  Dialekte  mit  drei  /  in  der  Minorität  sind,  ist  auf  jeden 
Fall  unrichtig.  Es  verhält  sich  gerade  umgekehrt. 

Wenn  Ped.  (S.  6)  Meyer  (Albanes-  Stud.  III,  S.  85)  citirt,  dass  e  vor  dem 
Nasal,  neben  t  in  bestimmten  Fällen,  in  den  übrigen  noch  zu  %  (imToskischen) 
und  f  (im  Geg.;  vor  nddaq)  wird  [%  soll  nach  Meyer,  Die  lat  Elemente  im 
Albanes.  S.  5,  auch  aus  a  vor  dem  Nasal  geworden  sein],  so  ist  das  nicht  so 
vollkommen  richtig.  Im  Tosk.  (meinem  Heimathsdial.  und  sonst  bei  Kaval- 
liotis, Mitko,  Reinhold,  Hahn)  kommt  nicht  nur  «n  mit  oder  ohne  Oons.,  son- 
dern auch  en  vor,  z.  B.:  kuvent  (bei  Meyer  kuv^nt),  vende  (bei  Eavall.,  Rein- 
hold, bei  Mitko  auch  e,  bei  Meyer  und  Ped.  v%nde),  demp  (Kavall.,  Mitko  mit «, 
Meyer,  Ped.  und  auch  Reinhold  hier  ^),  den  (Mitko  auch  mit  e,  Meyer  beides, 
Ped.  ^),  nden  (Mitko  e,  Meyer  z),  tremp  (Kavall.,  Mitko  e,  Meyer  «),  cen  (Kavall., 
Reinhold  e,  Meyer  beides],  gitken%  (Kavall.  e,  Meyer  %),  end%l  (Kavall.  e,  Meyer 
%),  perendi,  demb^r%  (Kavall.  e),  ment  (Ejivall.,  Reinhold  0},  embir  (Mitko.  Ka- 
vall. e,  Ped.  «),  hrenda  (KavalL,  Mitko  e),  kremte  (Kavall.  und  Meyer  9),  penä% 
(Reinhold,  Kavall.,  Mitko  e) ;  peri  (bekanntlich  wird  intervoc.  n  im  Tosk.  zu  r), 
freri,  zem^rb  (Kavall.  e,  Reinhold,  Meyer,  Mitko  %)  etc.  Wir  sehen  demnach, 
dass  die  Fortsetzung  des  geg.  ^  weiter  nach  Süden  reicht,  als  man  glaubt  In 
meinem  Dialekte  ist  en  das  Vorherrschende.    Die  Behauptung,  dem  ^e^^.  f 


BerS  Pekmezi,  H.  Pedenen'B  Albanesische  Texte.  22  t 

«Dtspreche  bei  den  Tosken  bloss  «n,  kann  man  nicht  gelten  lassen.  Wenn  in 
dem  Debirdialekt  statt  unseres  twde  tande  gesagt  wird,  so  erklärt  sich  das 
4arans,  dass  dort  ^  (wie  in  dem  dortigen  Maced.,  cf.  Oblak,  Maced.  Studien) 
als  o  ausgesprochen  wird. 

Seite  9  führt  Ped.  aus  dem  camischen  Dialekte  Beispiele  mit  n  und  m 
für  nd  und  tnb  an,  das  bis  jetzt  als  gegisch  nur  galt.  Dieselben  Beispiele 
kommen  auch  bei  uns  vor,  auch  hörte  ich  sie  von  dem  Albanesen  aus  Ealivia. 
Die  Assimilation  von  nd  und  nib  in  nn  und  mm  wird  auch  als  gegisch,  das  Be- 
wahren von  nd  und  mb  als  toskisch  bezeichnet.  Ich  finde  nun,  dass  wir  auch 
4m  Geg.  nd  und  mb  sehr  verbreitet  vorfinden.  Nn  und  mm  ist  speciell  scuta- 
rinisch,  wie  das  z.  B.  in  den  Materialien  etc.  S.  2  u.  8  bezeugt  ist,  und  auch 
von  Meyer,  Albanes.  Stud.  II,  S.  67  und  Lat.  Elemente  S.  16  erwähnt  wird, 
während  er  vielfach  (und  Hahn)  in  dem  Wörterbuche  nd  und  mb  als  speciell 
toskisch  anführt  Nebenbei  möchte  ich  hier  bemerken,  dass  der  Vorwurf 
Meyer'B  gegen  Eristoforidi,  dass  dieser  mnH  nicht  richtig  statt  mnd%  infolge 
von  Uniformirung  der  Zahlwörter  geschrieben  hätte,  nicht  gilt;  denn  t  wird 
wirklich  bei  uns  und  sonst  gesprochen,  gewiss  infolge  der  Analogie  nach  den 
benachbarten  Zahlen  {tet%,  diet^;  cf.  AehnUches  im  Slav.). 

S.  7  sagt  Ped.:  ^ti,  di  +  cons.  wird  oft  zu  8,L  Darauf  beruht  Conj. 
%  Sg.  vis  neben  viü  von  vij  u.  s.  w.«  Ped.  macht  also  den  Ausgang  J  und  « 
ete.  von  dem  Anlaute  des  nächstfolgenden  Wortes  abhängig.  Die  vielen  Bei- 
spiele in  seinen  Texten,  die  dagegen  sprechen,  können  mich  davon  nicht  über- 
zeugen. In  meinem  Heimathsdialekte  liegt  der  Grund  für  das  i  oder  «  zu 
Ende  der  genannten  Form,  Im  Optativ  und  im  passiv.  Aor.  in  dem  vorher- 
gehenden Laute.  Ist  das  ein  Cons.,  so  haben  wir  «T,  ist  es  ein  Voc,  /,  z.  B. : 
thbles,  ihrti,  thfsts,  tbpiiy  Hßes^  u  k%rhuahy  u  skruah»  etc.,  aber  djekca^ 
ndzjeriaj  sjeUa,  u  ndzjerSh,  u  djekik  etc.  Den  gleichen  GniDd  scheint  bei 
Kristoforidi  das  Vorkommen  von  tc  keqkdj'ä  und  tb  keQkoyin,  re  äk^nafi  und 
«E  'du^aayjä  etc.  zu  haben  {rgafif^arixi}  t^c  j4Xß.  rXu>a(sr}g,  1882,  S.  136  f.). 
Wie  Kristoforidi  xe  qUnä,  tb  vdxBkä  haben  kann,  weiss  ich  nicht.  Bei  uns 
ist  nur  tb  riepc  oder  th  riepxs  (welche  vocalische  Bildung  bei  uns  fast  schon 
zur  alleinigen  Herrschaft  gekommen  ist,  vielmehr  z.  B.  als  bei  den  G^gen). 
Hinsichtlich  des  Optativs  gibt  auch  Ped.  die  gleiche  Erklärung  (S.  17). 

Eine  Beleuchtung  der  Angaben  über  die  Flexionslehre  ist  erst  möglich, 
wenn  wir  möglichst  viel  dialectologisches  Material  haben  werden,  unter  den 
angeführten  Dingen  finde  ich  manches,  was  sich  z.  B.  in  unserem  Dialekte 
anders  verhält.  So  kommt  bei  uns  der  unbestimmte  Genitiv  viel  seltener  vor. 

Die  Contraction  beim  attributiven  Gen. :  bir  %  mbretit  für  biri  t  mbreUt, 
vafte  mhre£U  für  vqjza  e  mbretit  kommt  bei  uns  nur  in  dem  Falle  vor,  wenn  es 
.sich  um  gleiche  Vocale  handelt  Die  aufgezählten  Neutra  kennen  auch  wir 
bis  auf  ^k%,  das  bei  uns  fem.  bestimmt  Mca  lautet  Wo  Ped.  vom  Genus- 
wechsel spricht,  erinnere  ich  mich,  dass  er  in  Kuhn's  Zeitschr.  Bd.  XXXIV, 
S.  290  (Das  albanes.  Neutrum)  an  Meyer  die  Frage  richtet,  ob  dieser  »sein 
atopusa  irgendwo  vorgefunden,  oder  nach  der  von  ihm  gegebenen  Begel 
•constmirt  hat«.  Bei  uns  ist  nun  a  topusa  in  Gebrauch. 


222  Kritischer  Anzeiger. 

Bei  der  ploralen  Stammerweitening  mit  ^r  würde  ans  interesairen,  ob 
das  auf  eine  Classe  von  Hauptwörtern  gebunden  ist  oder  aber  mit  einer  be- 
stimmten BedeutnngsSnderung  zusammenhängt,  was  bei  uns  stattfindet.  Es 
drückt  dieser  Plural  bei  uns  n&mlich  bei  gewissen  Hauptwörtern  (Stoffnamen) 
eine  ins  Verächtliche  gekehrte  Bedeutung  des  betreffenden  Wortes  aus,  z.  B. 
vom  sg.  mii  (Fleisch)  das  plur.  mihra  (sohlechte  Fleischstücke)  etc. 

Wenn  im  Camischen  nach  gewissen  Pronominen  das  Substantiv  im  Ge- 
nitiv bisweilen  unflectirt  bleibt  (S.  ll),  so  gilt  das  für  unseren  Dialekt  all- 
gemein. 

Die  Formen  der  Conjugation  bieten  im  Allgemeinen  wenig  Neues,  das 
nicht  schon  aus  Hahn's  Grammatik  bekannt  wäre.  Lesehswerth  sind  die  Be- 
merkungen, die  Ped.  hinzufügt,  z.  B.  S.  17,  die  Erklärung  des  Optativs  als 
eines  Conjuct.  Aor.  Die  Classification  der  Verba  ist  bei  Ped.  abweichend 
von  Meyer  die  Hahn's.  Mag  man  mit  beiden  noch  nicht  etwas  endgiltig  Zu- 
friedenstellendes erreicht  haben,  so  entspricht  doch  die  Meyer's  viel  mehr 
den  wissenschaftlichen  Anforderungen.  Es  würde  uns  interessiren,  Ped.'s 
Gründe  in  dieser  Hinsicht  zu  hören.  Zu  den  einzelnen  Formen  könnte  ich  aus 
meinem  heimathlichen  Dialekte  einzelne  Abweichungen  anführen  —  wie  ja 
einige  solche  Ped.  selbst  in  den  beiden  camischen,  dem  von  Mursi  und  L'Bku- 
rBB],  gefunden  und  angeführt  hat.  Ich  glaube  jedoch,  dass  das  blosse  An- 
führen keine  grosse  Bedeutung  hätte ;  für  ein  näheres  Eingehen  wäre  aber 
hier  nicht  der  Platz. 

Hinsichtlich  der  syntaktischen  Bemerkungen  und  des  Glossars  könnte 
ich  hier  nicht  mehr  sagen,  als  Meyer  Lübke  in  der  citirten  Anzeige  gethan 
hat,  wo  er  sich  hauptsächlich  darüber  auslässt.  Es  wird  da  die  Bedeutung 
des  Ped.'schen  Glossars  hervorgehoben,  der  einen  Beitrag  zu  einem  beschrei- 
benden albanes.  Wörterbuche  liefern  wollte.  Ped.  nimmt  Rücksicht  auf  die 
Phraseologie,  das  gegenseitige  Verhältniss  der  verschiedenen  Bedeutungen 
und  die  nöthigen  syntaktischen  Erscheinungen.  Namentlich  sind  die  Partikeln 
mit  grosser  Ausführlichkeit  behandelt  Das  Glossar  ist  überhaupt,  wie  schon 
oben  bemerkt  wurde,  der  Kern  der  Leistung  Ped.'s.  Neben  den  Vorzügen 
kommen  bei  Meyer  Lübke  auch  einige  Mängel  des  Glossars  zur  Sprache.  So 
hat  Ped.  für  seinen  Zweck:  »das  Verständniss  der  Texte  zu  ermöglichen« 
[Ped.  1895,  S.  5]  eher  zu  wenig  als  zu  viel  gethan.  Im  Uebrigen  verweise  ich 
auf  die  genannte  Anzeige. 

Interessant  ist  der  starke  Einfluss  des  neugriechischen  Lexicons  auf  die 
Sprache  der  von  Ped.  herausgegebenen  Texte.  Für  viele  Ausdrücke  in  den 
Texten  verwendet  man  in  meinem  Heimathsdialekte  und  auch  sonst  nicht 
griechische.  Ich  führe  einige  Beispiele  an :  Ped.  toidjo  (sonst  ah,  vet%\  akoma 
(«<f^,  siiosej  {mendohem),  eftis  (p^riMherh)^  &uroj  (/«/),  ka^e  {p^r),  rüvuina$i  [mar- 
toj)y  paiaks  [g^nej),  proto  (iparbf  auch  bei  Ped.  vorkommend),  pelslci  [B%path), 
evjenja  {nder)^  kolia  (n^t'Q,  vias  (ndz%toj\  ksafnis  (apatu^s)y  /wem  (derdem),  U- 
likset  (p^rviiet) ,  elefteras  (liroj) ,  penesure  {levduarb)^  djavas  [khndoj] ,  spanöti 
[öo^'a;  dies  Wort  liest  man  auch  bei  Ped.  mehrmals),  feks  (tidrifj,  djatqfi  (tir* 
durtm),  palo  {vieHr),  potia  [vadit],  proktaai  {artti)  u.  s.  w. 

Pedersen's  Uebersetzung  der  Texte  kann  man  im  Ganzen  und  Grossen 


BerS  Pekmezi,»H.  Pedersen's  AlbanesiBche  Texte.  22& 

als  gelnngen  ansehen.  An  manchen  Stellen  wnrde  etwas  freier  übersetzt,  als 
im  Vorworte  dargethan  wird.  Einige  Bemerkungen,  die  sich  mir  beim  Lesen 
der  Uebersetsnng  ergaben,  mOcbte  ich  anführen:  S.  7,  Zeile  1  und  2  (S.  28)  ^ 
wäre  genauer  »Matrose«  als  »Mann«  für  naßi;  S.  11,  Zeile  6  v.  u.  (S.  30)  soll 
nicht  »betrübt«  stehen,  sondern  die  hier  an  den  übrigen  Stellen  für  »siioüej« 
gebrauchte  Uebersetzung  (versunken).  S.  1,  Z.  1  (S.  33)  entspricht  »Hessen 
ihn  im  Frieden«  nicht  dem  albanes.  »vane  napun  te  iure*  (und  sie  gingen  auf 
ihre  Arbeit);  S.  19,  Z.  2  (S.  34)  ist  nicht  »der  eine  von  den  älteren  Brüdern«, 
sondern  »der  ältere  Bruder«  zu  setzen;  S.  21,  Z.  4  v.  u.  (S.  36)  soll  »wie  es 
natürlich  war«  und  »sein  Vater  etc.«  in  [  ]  2)  stehen,  ebenso  S.  22,  Z.  11  (S.  37) 
»ich  habe  eine  Bitte  an  dich !  sage  mir  was  du  wünschest!«;  S.  27,  Z.  13  (S.  40) 
Tormisst  man  die  Uebersetzung  von  »  Si  vane  tnbrenda*  (wie  sie  hinein  gingen) ; 
S.  46,  Z.  2  V.  u.  (S.  53)  Übersetzt  Pedersen  kokone  mit  »Hündchen«  (im  Grie- 
chischen bedeutet  xoxfoya  und  dann  im  Macedo-slay.  kökona  und  bei  uns  ko- 
k&m  ein  »schönes,  junges  Mädchen«);  S.  64,  Z.  16  (S.  65)  steht  im  Texte  nicht 
»unterwegs«,  sondern  »woher  du  kommen  wirst«;  S.  74,  Z.  5  y.  u.  (S.  72)  ist 
»wie  es  mit  dem  Esel  gegangen  war«  ungenaue  Uebersetzung  von  »«e  ts  kt» 
her  gomariv  (was  der  Esel  gemacht  hat),  ebenso  S.  75,  Z.  9  (S.  73)  »gestorben« 
für  ngordi  (verreckt);  S.  77,  Z.  15  v.  u.  (S.  74)  und  noch  an  einigen  anderen 
Stellen  stehe  »mit  dem  [festen]  Entschluss«;  S.  87,  Z.  12  (S.  80)  verstehe  ich 
die  Uebersetzung  »gib  mir  dies,  dass  du  auch  mir  sagest,  was  du  weiset «  für 
»Xs  ne  ma  to,  te  ms  dsfldts  e&e  mua  aiö,  Jcs  dt  tin  im  ersten  Theil  nicht,  es  sollte 
heissen:  »wenn  du  mich  liebst,  so  sage  auch  mir  jenes,  was  du  weisst«;  S.  94, 
Z.  14  (S.  84,  Z.  18)  ist  die  Uebersetzung  von:  »»  strembuan  &e  tßtrene  dor;  e 
pjen  e<fe  per  müi,  e^i  iojdjp  u  ^a«  ausgelassen  (sie  krümmten  auch  die  andere 
Hand,  fragten  um's  Mehl  und  dasselbe  (seil.  Mädchen)  sagte  ihnen);  S.  96, 
Z.  21  (S.  85)  wird  mhuiur  mit  »in  Thränen«  übersetzt,  im  Wörterbuche  ist  je- 
doch diese  Uebersetzung  nicht  angemerkt;  S.  108,  Räthsel  11  (S.  93)  würde 
man  statt  »Milch«  für  galpe  »Butter«  erwarten  (cf.  auch  Meyer's  Lexicon 
S.  137);  S.  110,  Volksglauben  4  (S.  94)  soll  »[oder  Norden]«  und  »[oder  Sü* 
den]«  stehen;  S.  118,  Lied  3,  Vers  9  (S.  99)  ist  »dass  dich  ein  Unglück  treffe« 
nicht  die  Uebersetzung  des  albanes.  pla^  (es  heisst:  verrecke);  S.  121,  L.  8, 
V.  4  (S.  100)  vermisst  man  die  Uebersetzung  von  »per  ate  ^n«  (für  jenen 
Hund)  etc. 

Die  angeführten  Dinge  sind  aus  einer  Reihe  von  ähnlichen  Fällen  heraus- 
genommen und  sollen  dartiiun,  nach  welchen  Richtungen  hin  die  Uebersetzung 
Schwächen  aufweist.  Ich  muss  aber  bemerken,  dass  wohl  das  Hauptsäch- 
lichste angeführt  wurde. 

Unsere  Bemerkungen  mögen  das  wahre  Verdienst  des  Herausgebers  der 
beiden  besprochenen  Bücher  nicht  irgenwie  verdunkeln,  und  unser  Wunsch 


1)  Die  Zahlen  in  den  Klammem  beziehen  sich  auf  den  Text,  die  anderen 
auf  die  Uebersetzung. 

^  Mit  dieser  Klammer  bezeichnet  Ped.  jene  Worte,  die  im  Original  feh- 
len, in  der  Uebersetzung  aber  nöthig  sind. 


^24  Kritischer  Anzeiger« 

ist,  der  Verfasser  möge  bald  noch  Weiteres  aas  seiner  reichen  Sammlung  und 
.seinen  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  des  Albanes.  mittheilen  wollen. 

i>0rii  PekmezL 


Leskien^A.:  Handbuch  der  altbulgarischen  (altkirchen-slayischen) 

Sprache.  Grammatik — Texte — Glossar.  Dritte  Auflage.  Weimar. 

Hermann  Böhlau's  Nachfolger.   1898.  8».  XIV  +  334  S. 

Es  w&re  ganz  überflüssig,  wenn  wir  über  die  Vortrefflichkeit  des 
Leskien'schen  Handbuches,  das  nun  in  dritter  Auf  läge  vorliegt,  und  das  schon 
in  der  zweiten  eine  solche  Anerkennung  fand,  hier  noch  ein  Wort  verlieren 
wollten.  Wenn  man  bedenkt,  dass  in  Deutschland  die  slavistischen  Studien 
noch  nicht  mit  jener  Intensität,  welche  die  Bedeutung  des  Gegenstandes  er- 
heischt, betrieben  werden,  so  wird  man  sich  nicht  wundem,  dass  von  einem 
so  wichtigen  Werke,  das  für  weite  Kreise  berechnet  ist,  jetzt  erst  die  dritte- 
Auflage  noth wendig  wurde  (die  zweite  erschien  im  J.  1886).  Das  Buch  wird 
allerdings  auch  ausserhalb  Deutschlands  stark  benutzt,  es  fand  Eingang 
selbst  zu  den  Slaven,  die  ihm  nicht  immer  ähnliche  Hilfsmittel  zur  Seite 
stellen  können. 

Wie  der  Verfasser  selbst  in  der  Vorrede  angabt,  hat  die  dritte  Auflage 
gegenüber  der  zweiten  zwar  viele  kleine  Aendernngen  und  Verbesserungen, 
aber  keine  wesentliche  Umgestaltung  erfahren.  Schön  auch  der  äussere  Um- 
fang des  Buches  ist  so  ziemlich  derselbe  geblieben :  die  neue  Auflage  hat  um 
zwei  Seiten  mehr.  Auf  dem  Gebiete  der  Grammatik  sind  infolge  der  neueren 
Forschungen  einzelne  Verbesserungen  nothwendig  geworden;  vielleicht  wäre 
es  angezeigt  gewesen,  noch  durchgreifendere  Aendernngen  vorzunehmen.  Im 
Folgenden  wollen  wir  nur  auf  Einzelnes  näher  eingehen.  Was  gleich  den 
sogenannten  Kanon  der  altslovenischen  Denkmäler  anbelangt,  so  blieb  Les- 
kien bei  den  Denkmälern,  die  er  schon  in  der  zweiten  Auflage  als  massgebend 
anerkannt  hatte,  trotzdem  er  selbst  zugibt,  dass  es  nützlich  gewesen  wärCi 
darüber  hinauszugehen.  Wenn  ich  auch  nicht  dafür  wäre,  etwa  das  Ostromir^ 
sehe  Evangelium  »hineinzuarbeiten«,  so  mOchte  ich  doch,  wenn  es  sich  um 
eine  Grammatik  des  Altkirchenslav.  handelt,  ein  Denkmal  nicht  unberück- 
sichtigt lassen,  nämlich  die  Kiever  Blätter.  Sie  enthalten  allerdings  auch 
Moravismen  (Slovacismen),  daneben  aber  zeigen  sie  eine  so  strenge  Anwen- 
dung der  Nasale,  Halbvocale  etc.,  dass  ihnen  kein  anderes  Denkmal,  nicht 
einmal  der  Zogr.,  zur  Seite  gestellt  werden  kann.  Uebrig^ns,  welches  Denk- 
mal zeigt  das  Altkircbenslavische  in  der  ursprünglichen,  reinen  Gestalt?  Der 
bei  Leskien  an  der  Spitze  des  Kanons  stehende  Glag.  Cloz.  enthält  ja  be- 
kanntlich auch  Croatismen.  Am  meisten  bietet  sich  noch  Gelegenheit  zu  Ein- 
wendungen in  der  Lautlehre  und  in  dem  Abschnitt  über  die  Aussprache.  Dass 
zunächst  KfiAH  als  »kraji«  und  »kraJL«  gelesen  werden  kann  (S.  6),  ist  natür- 
lich nur  eine  theoretische  Ansicht,  über  die  man  streiten  kann.  Die  vergl. 
Grammatik  kann  nicht  entscheiden,  wo  es  sich  um  die  Aussprache  im  Alt- 
kirchenslav. handelt.   Vielfacher  Anfechtung  werden  auch  die  auf  S.  13  und 


W.  Yondr&k,  A.  Leskien's  HAndbueh  der  altbulgar.  Sprache.       225 

sonst  angesetzten  Yoeale  ifh^g  ^u^d  /  unterliegen.  Aus  g,  f  soll  slav.  m*,  bI 
geworden  sein,  woraus  dann  vor  Consonanten  altbalg,  i*,  /,  geschrieben 
p*k,  Alk.  Dieser  Process  hat  wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Grosse 
Schwierigkeiten  bereiten  im  Slav.  einige  Fälle  der  AuslautsgesetzC)  ttber  die 
in  letzter  Zeit  vielfach  gehandelt  wurde.  Um  jedoch  die  Sache  nicht  zu  com* 
plicixen,  hat  Leskien  die  Fassung  dieser  Auslautgesetze  mit  unwesentlichen 
Aenderungen  aus  der  zweiten  Auflage  herübergenommen  (S.  21 — 22).  Bei 
dem  jetzigen  Stande  der  Dinge  war  es  wohl  das  vemlinftigste.  Es  genügt 
nicht  zu  sagen,  die  Yocalisation  der  Halbvooale  trete  dann  ein,  wenn  eine 
nnprünglich  ^  oder  h  enthaltende  Silbe  geschlossen  wird  (S.  23).  Das  würde 
uns  nicht  alles  erklären.  Die  sog.  ümlautserscheinungen  der  Halbvocale  fin- 
den wir  hier  auch  nicht  näher  erörtert  Gerade  bei  der  Behandlung  jener 
lautlichen  Erscheinungen,  welche  die  Halbvocale  betreffen,  fühlt  man  es,  wie 
misslich  es  ist,  von  den  Kiever  Blättern  abzusehen.  Mit  der  Annahme,  dass 
mit  der  Schreibweise  Hp'kBk,  MpkKk,  A^"*^!"*!^?  A^>^l''l^  einfach  ^b,  d^ 
gemeint  sei  (S.  30),  würde  man  wohl  auskommen,  wenn  man  nachweisen 
konnte,  dass  ursprünglich  wirklich  ohne  Unterschied  sowol  HpikBk  als 
spkBk,  sowohl  A^'^1^1*'  ^B  A^"^***^  geschrieben  worden  ist.  Allein  die 
Quellen  scheinen  nicht  dafür  zu  sprechen.  In  den  allerdings  nicht  sehr  um« 
fangreichen  EieverBlättem  wird  hier  zwischen  1%.  und  k  genau  so  unterschie- 
den, wie  wir  es  etymologisch  erwarten  und  in  den  anderen  Denkmälern  findet 
man  deutliche  Spuren  dieser  Schreibweise.  Einzelne  dieser  Spuren  habe  ich 
gesammelt  in  >0  mluve  Jana  ezarcha  bnlharsk^bo«.  Woher  dann  diese  ur- 
sprüngliche etymologische  Scheidung  der  Halbvocale?  Das  Beispiel  aus 
Assem.  TBOpUKl|J^MK  Joh.  15. 2  (S.  35)  ist  ^u  streichen,  da  das  Original  richtig 
TBOpAllJ-  hat  Die  Form  3CIIH  habe  ich  als  den  Ueberrest  eines  t-Themas 
erkll^  (vgl.  noch  den  Acc.  temh  in  gewissen  Wendungen) ;  dass  das  t  das 
Ausfallen  des  sog.  ^epentheticum  verursacht  hätte,  scheint  nicht  recht  glaub- 
würdig. Im  Snpr.  haben  wir  z.  B.  nur  3CIIH,  aber  auch  A^BifHH  etc.  Vgl. 
IF,  X.  114. 

In  der  Formenlehre  ist  nur  wenig  geändert  worden.  So  steht  z.B. in  der 
2.  Auflage  im  Acc.  Sg.  der  r-Stämme  an  erster  Stelle  uaTf pc,  an  zweiter 
UATipky  in  der  neuen  Auflage  umgekehrt  Uebrigens  wäre  es  richtiger,  die 
Form  lIATipc  im  Acc.  überhaupt  zu  streichen:  der  Acc.  ist  nur  uaTipk 
(ans  *mater^m).  Leskien  folgte  hier  Scholvin,  der  (Archiv  II,  S.  523)  die  Mög- 
lichkeit nicht  bestreitet,  dass  solche  Formen  wie  uaTCpc  wirkliche  Accu- 
sative  sind.  Im  Zogr.  Mar.  Assem.  Gloz.  Euch.  Psalt.  haben  wir  nur  liaTipk 
(Seholvin  citirt  1.  c.  S.  542«als  zweifelhaft:  nOMkTfTli  OTki^a  H  UATifii 
Matth.  15,  5,  allein  das  ist  ein  Gen.,  denn  es  heisst  eigentlich:  H^Kf  HC 
nOHkTiT'k  etc.).  Im  Snpr.  gibt  es  4  Beispiele  des  Acc.  auf  -pi  gegen  8  auf 
-spk  und  in  der  Sav.  kn.  bilden  sie  die  Regel.  Dass  bei  den  Worten  UATH, 
A'^lflH  der  Gen.  an  die  Stelle  des  Acc  trat  (nur  im  Aksl.  vgl.  serb.  Daniciö, 
Istor.  oblik.  S.  29,  slov.  maierj  kür  Arch.  Xin,  S.  64  u.  s.  w.)  erklärt  Meillet 
durch  die  begriff  Hohe  Verwandtschaft  mit  OTklilk,  CklHlt  (Becherches  etc. 
S.  71).  Analog  verhält  es  sich  mit  dem  Accus,  von  lilpkK'ki:  in  der  zweiten 
Anflage  hatte  Leskien  i^p'kK'kBC  lllpikKIkBk,  in  der  dritten  umgekehrt : 

IrekiT  Ar  tlsfiMh«  Pkilologi«.   XXL  ]  5 


226  KritiBcher  Anzeiger. 

I^pikKlkBk  iJlpikK'kBf .    £b  ist  wiederum  nur  uipkK'kKb  die  eigentliehe 
AocuBativform.  Für  Uf  Hf  Kommt  UHf  nicht  bloss  im  Psalt,  sondern  anoh 

im  Euch,  vor  (S.  97). 

Auch  bei  der  Darstellung  der  altbulg.  Conjugation  wurde  fast  gar  nichts 
geändert.  Leskien  hat  hier  noch  seine  Eintheilung  nach  dem  Präsensstamme, 
die  keinen  rechten  Anklang  finden  will,  beibehalten.  In  den  Textproben 
wurde  ebenfalls,  da  ja  kein  Grund  dazu  vorlag,  wenig  geändert.  Kur  aus  dem 
Supr.  wurde  ein  Stück  durch  ein  anderes  ersetzt.  Aus  dem  Psalt  u.  Euch, 
sind  einige  kleinere  Stücke  hinzugefügt  worden.  Druckfehler  sind  nur  we- 
nige, z.  B.  S.  12,  Z.  11  st  t  lies  ot,  sl.  £,  lit  ai,  S;  S.  13,  Z.  7  st  vor  Gonsonant 
iv  lies:  vor  Vocal;  S.  21.  D.  ß,  st  §  29  lies  §  26  u.  s.  w. 

Wenn  auch  dem  Anfänger  die  Anordnung  des  Stoffes  aus  der  Lautlehre 
Schwierigkeiten  bereiten  und  die  Eintheilung  des  Verbums  ungewöhnlich  er- 
scheinen dürfte,  so  kann  doch  die  nun  vorliegende  dritte  Auflage  des  Werkes 
Allen,  die  das  Altkirohenslavische  ernstlich  betreiben  wollen,  bestens  em- 
pfohlen werden.  7F.  Fondrdk. 


Broch,  Olaf:  Studien  von  der  slovakisch-kleinrusBischen  Sprach- 
grenze im  östlichen  Ungarn  [mit  einer  Eaii;e).  Kristiania  1897.  S^. 
76  S.    (In  den  » Videnskabsselskabets  Skrifters.  IL  hist.-philos. 

Classe.  1897.  Nr.  5.) 

Derselbe:  Weitere  Stadien  von  der  slovakisch-kleinrassischen 
Sprachgrenze  im  östlichen  Ungarn.    Kristiania  1S99.  8<>.   104  S. 

(Ib.  1899.  Nr.  1.) 

Den  Lesern  dieser  Zeitschrift  ist  der  Autor  der  beiden  vorliegenden 
Abhandlungen,  ein  norwegischer  Slsvist,  der  an  der  Universität  in  Christiania 
wirkt,  bekannt  Er  hat  nämlich  über  dasselbe  Thema  schon  im  Archiv  Einiges 
veröffentlicht  und  zwar:  »Zum  EJeinrussischen  in  Ungarn«  (Archiv  XYil, 
S.  321—416)  und  »Zum  Eleinrussischen  in  Ungarn  IIa  (Arch.  XIX,  S.  1—21). 
Beides  ist  auch  vereinigt  unterdessen  in  russischer  Sprache  in  den  Publica- 
tionen  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Petersburg  erschienen.  Im 
ersten  Aufsatz  schilderte  er  die  Eigenthümlichkeiten  des  kleinrussischen 
Dialektes  von  Ublya  in  Ungarn  nach  der  Sprache  eines  einzigen  Individuums 
aus  jenem  Orte.  Im  zweiten  brachte  er  einzelne  Ergänzungen  und  Berichti- 
gungen, nachdem  er  unterdessen  Gelegenheit  hatte,  den  Dialekt  an  Ort  und 
Stelle  zu  Studiren. 

Von  den  oben  angeführten  Studien  beschäftigt  sich  nun  die  erste  mit 
dem  ostslovakischen  Dialekte,  wie  erinDubravka  undFalkus  im  Zem- 
pliner  Comitate  (in  der  Nähe  von  Ungvar)  gesprochen  wird,  während  die 
zweite  unsere  Aufmerksamkeit  auf  den  Mischdialekt  der  sogen.  Sotaken 
(statt  CO  »was«  sagen  sie  so)  lenkt,  als  deren  Centrum  der  Ort  Eorumlya 
(ebenfalls  in  der  Nähe  von  Ungvar)  gilt  Dieses  Gebiet  nun,  auf  dem  sich  die 
Wogen  der  verschiedenen  Sprachindividualitäten  brechen  (Ostslovakisch,  das 


W.  Vondrik  über  0.  Brocb's  BloYak.-kleinras8.  Studien.  227 

mit  polnischen  Elementen  stark  versetzt  ist,  Batbenisch  und  Magyarisch), 
bietet  jedenfalls  f&r  den  Sprachforscher  ein  äusserst  interessantes  Beobach- 
tnngsobject,  da  man  hier  die  gegenseitige  Beeinflussung  dieser  Sprachen  genau 
verfolgen  kann.  Der  Sprachforscher  wird  hier  vielleicht  auch  die  Lösung  so 
manchen  Problems  finden,  das  ihn  in  der  Theorie  der  Sprachen  beschäftigt. 

In  allen  diesen  dialektischen  Studien  bildet  neben  der  Formenlehre  die 
Phonetik  die  Hauptsache.  Das  wäre  zwar  ganz  in  Ordnung,  wenn  man  die 
Dialekte  nur  an  und  ffir  sich  darzustellen  hätte.  Nun  handelt  sichs  aber  auch 
um  ihren  Zusammenhang  und  da  lässt  uns  die  Phonetik  häufig  im  Stich.  Dass 
uns  die  phonetische  Seite  nicht  genügt,  wenn  wir  einen  Dialekt  zu  beschrei- 
ben haben,  zeigt  uns  gleich  das  Folgende.  Bekanntlich  wird  in  der  mittleren 
Gruppe  der  slovakischen  Dialekte  das  «  vielfach  von  o  vertreten.  Weil  nun 
dieser  lautliche  Process  an  das  Russische  erinnert,  so  würden  wir  ihn  vor 
allem  auch  in  den  Östlichen  slovakischen  Dialekten  erwarten,  die  doch  mit 
dem  Bussischen  in  näherer  Verbindung  stehen.  Diese  Voraussetzung  trifft 
jedoch  nicht  zu.  Aus  Broch's  Arbeit  erfahren  wir  nun  ganz  zufällig,  dass  in 
dem  Ostlichsten  der  Ostlichen  Dialekte  diese  Erscheinung  wieder  vorkommt. 
In  der  Sprachprobe  lesen  wir  zamok  (S.  42,  43),  deBok  (S.  48),  von  (S.  27)  gegen 
eerkeff,  kre^  (S.  54).  Die  Sache  gestaltet  sich  nun  um  so  complicirter,  als  wir 
selbst  in  dem  Sotaken-Dialekt,  der  unter  den  ostslovakischen  Dialekten  dem 
Ugrorussischen  am  nächsten  steht,  nicht  ausschliesslich  o  f Ur  »  finden.  Neben 
van  »hinaus«,  9a^»Laus«,  pisoA;  »Sand«  finden  wir  auch  lokSt  »Elbogen«,  nochit 
»Nagel«,  dann  kri^  oder  kre^  »Blut«,  blicha  »Floh«  (vgl.  ü,  S.  93 — ^94).  Das 
ist  also  ein  Punkt,  über  den  wir  doch  nähere  Aufklärung  haben  machten. 
Man  muss  also  möglichst  viele  solcher  Beispiele  zusammenstellen,  indem  man 
sich  von  vom  herein  diese  Aufgabe  stellt  Es  genügt  also  nicht  die  Phonetik, 
sondern  man  muss  auch  den  sprachgeschichtlichen  Momenten  mehr  Rechnung 
tragen. 

Sonst  ist  die  phonetische  Seite  des  Dialektes  bis  in  die  äussersten  Con- 
sequenzen  berücksichtigt,  bis  zu  den  minutiösesten  Feinheiten,  so  dass  das 
graphische  Material  kaum  hinreicht,  um  alle  diese  Nuancen  zum  Ausdrucke 
zu  bringen.  Punkte,  Häkchen,  Striche,  ja  auch  griechische  Buchstaben  wer- 
den in  Anwendung  gebracht,  um  ja  den  Anforderungen  der  Sprachphysio- 
logen gerecht  zu  werden.  Ihnen  zu  Liebe  wird  hier  auch  die  mit  keineswegs 
anheimelnd  klingenden  Termini  technici  versehene  Sweet-Sievers'sche  Ta- 
belle zu  Grande  gelegt.  Man  kann  auch  nicht  sagen,  dass  dadurch,  dass  sich 
der  Autor  vielfach  auf  die  im  Archiv  gegebenen  Erklärungen  der  einzelnen 
Zeichen  und  Laute  beruft,  die  Sache  dem  Leser  erleichtert  wird.  Doch  sind 
es  Umstände,  die  neben  den  anderen  Vorzügen  dieser  Arbeiten  nicht  in  Be- 
tracht kommen. 

Aus  der  Darstellung  des  östlichen  slovakischen  Dialektes  vonDubravka 
und  Falkus  ersehen  wir,  dass  er  nicht  so  sehr  unter  dem  Einflüsse  des  Ugro- 
russischen steht,  wie  wir  es  etwa  erwarten  könnten.  Man  bemerkt  nur  z.  B. , 
dass  die  1.  Pers.  Sg.  Praes.  auf  -u  ausgebt,  z.  B.  h^ecuj  iednu,  kupt^fu  etc.,  nur 
die  Verba  auf  -o^t  haben  -am :  iitam.  Was  hier  dagegen  am  meisten  auffällt, 
ist,  dass  die  unaccentuirten  Silben  klar  ausgesprochen  werden. 

15* 


228  Kritischer  Ansefger. 

Diese  reine  Aussprache  der  unbetonten  Silben  oharakterisirt  unseren 
Dialekt  im  gegebenen  Falle  als  einen  slovakischen  und  der  Autor  kann  sie 
nur  mit  dem  Böhmischen  vergleichen,  wo  eben  diese  Silben  fUr  ein  germam- 
sches  Ohr  merkwUrdig  deutlich  ausgesprochen  werden  (S.  24).  Wie  bei  den 
ostsloyakischen  Dialekten  folgt  hier  der  Accent  Überall  derselben  Regel  wie 
im  Polnischen,  ruht  also  immer  auf  der  vorietzten  Silbe  (S.  23).  Sonst  auch 
gibt  es  in  der  Laut-  und  Formenlehre  zahlreiche  Uebereinstimmungen  mit  den 
anderen  ostsloyakischen  Dialekten:  Schwund  der  Längen,  ieri,  tart  für  trt, 
Assimilation  wie  kub  mi  (aus  kup  mijy  die  ans  dem  Ostsloyakischen  auch  in 
das  UgroruBsische  einzudringen  beginnt,  etc. 

Auf  der  beigegebenen  Karte,  welche  uns  die  Vertheilung  der  von  Broch 
beschriebenen  Dialekte  veranschaulicht,  bemerken  wir  ein  Dialektgebiet, 
welches  nur  einige  Dörfer,  darunter  auch  Korumlya ,  umfasst  Es  ist  dies 
das  Gebiet  der  Sotaken,  deren  Dialekt  nun  in  der  zweiten  Arbeit  beschrie- 
ben wird  und  durch  diese  Leistung  hat  sich  Herr  Broch  um  die  slavische 
Philologie  besonders  verdient  gemacht.  Hier  wird  er  auch  den  sprachge- 
schichtlichen Anforderungen  mehr  gerecht,  was  ja  die  Beschaffenheit  des 
Dialektes  selbst  erheischte.  Derselbe  nimmt  lautlich  und  zum  geringeren 
Theile  auch  formell  eine  Mittelstellung  zwischen  dem  Ugromssischen  und 
dem  Ostslovakischen  ein.  Die  Betonung  ist  die  des  Ugrornssischen  (S.  10]; 
jedoch  mit  einer  ausgesprochenen  Neigung  zur  Oxytonirung  (S.  98),  weicht 
also  ganz  ab  von  der  ostslovakischen  Dialektgruppe.  Die  unbetonten  Vocale 
sind  durchgehends  zu  einer  etwas  schlafferen  und  undeutlicheren  Aussprache 
geneigt,  also  wie  im  ügrorussischen  (S.  11).  Aelteres  f  und  d'  wird  zumTheil 
noch  bewahrt  und  auch  bei  den  «-Lauten  stellt  sich  der  sotakische  Dialekt 
dem  ugrorassischen  zur  Seite  (65,  6  und  66).  In  der  Behandlung  des  Yocales 
der  palatalisirten  Silbe  stellt  sich  wieder  dieser  Dialekt  nahe  zum  ostslova- 
kischen, wenn  er  auch  nicht  mit  diesem  ganz  zusammenfallt  (S.  67)  etc.  In 
der  Formenlehre  bemerkt  man,  dass  das  Sotakische  sich  mehr  an  das  Ost- 
slovakische  anschliesst  (S.  19 — 66).  Mitunter  kommen  aber  in  diesem  Dialekte 
Doubletteii  oder  Doppeltypen  vor :  wir  finden  hier  das  russische  mol6t  neben 
mlU,  daneben  aber  auch  dräha  u.  s.  w.  (S.  58).  Im  Allgemeinen  müssen  wir 
wohl  zugeben,  wenn  wir  die  Sprachproben  auf  S.  14 — 19  näher  prüfen,  dass 
der  Dialekt  sich  mehr  dem  Slovakischen  nähert 

Wie  ist  nun  dieser  Dialekt  zu  erklären?  Auf  Grund  eines  v-Lautes,  den 
Broch  mit  w  bezeichnet  und  der  sieh  aus  t/  und  ö  entwickelt  hat,  kommt  er  zu 
dem  Schlüsse,  dass  das  Sotakische  ursprünglich  ein  ugrorussischer  Dialekt 
war,  der  stark  slovakisirt  wurde  (S.80ff.,  S.  100).  In  dieser  Anschauung  wird 
er  auch  durch  die  allgemeine  Beobachtung  bestärkt,  dass  sich  das  Slovakische 
auf  Kosten  des  ügrorussischen  überhaupt  verbreitet,  so  dass  ein  fortwähren- 
des Vordringen  dieses  Dialektes  und  seiner  Eigenthümlichkeiten  auf  dem  be- 
nachbarten ügrorussischen  Gebiete  beobachtet  werden  kann.  So  wäre  sogar 
die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  auf  dem  Gebiete,  auf  welchem  jetzt  die  ost- 
slovakischen Dialekte  gesprochen  werden,  einst  theilweise  das  Ugrorussische 
heimisch  war  (S.  103).  Die  Grenze  Hesse  sich  freilich  nicht  so  leicht  bestim- 
men.  Und  beide  Sprachgebiete  werden  dabei  unbarmherzig  magyarisirt,  so 


W.  Yondi&k  über  0.  Brooli's  8lovak.-kleinrasB.  Studien.  229 

d«8S  man  an  die  Stafenleiter  in  der  Fabel  dabei  erinnert  wird.  Dw  magya- 
riache  Staatsgedanke  ist  in  dieser  Hinaiobt  unerbittlicli :  eine  Exittenabe- 
rechtignng  haben  nach  ihm  die  aouermagyarischen  Völkerschaften  niehtl 
Uebrigens  möchte  ich  die  Frage  nach  dem  Ursprünge  des  Sotakendialektes 
mit  Bücksicht  auf  das  vorhandene  Material  selbst  nach  den  soharfsinnigen 
Ausf&hrangen  des  Autors  nicht  für  abgeschlossen  halten. 

Auf  eine  syntaktische  Eigenthiimlichkeit  möchte  ich  noch  hinweisen, 
die  wir  in  der  Sprachprobe  des  sotakischen  Dialektes  finden.  Auf  S.  15  lesen 
wir :  a  haijßvk  pi^cy^  i  povedziu  panai  iebe,  Panai  »ehe  fHlit  auf,  da  hier  der 
Dat.  des  Beflexivpronomens  statt  des  Possessivums  steht.  Es  ist  dies  eine 
Eigenthflmlichkeit,  die  uns  auch  aus  dem  Altklrchenslav.  bekannt  ist,  vgl. 
meine  Ausgabe  des  Glag.Cloz.  S.  38.  Hier  ersieht  man  aus  der  Zusammenstellung 
der  entsprechenden  Texte  im  Glag.Cloz.  und  Supr.,  wie  diese  Eigenthümlich-^ 
keit  später  sehr  stark  um  sich  gri£f.  Weiter  vgl.  auch  meine  Schrift  »0  mluy& 
Jana  exarcha  bulh.  S.  36  und  9.  Schon  in  der  ältesten  Evangelienübersetzung 
kommen  diese  Dative  vor  (meist  die  unbetonte  Form  tni,  ti,  m,  jedoch  nicht 
ausschliesslich),  vielfach  wird  damit  das  eigentliche  Pron.  possess.  verstärkt 
[avqfa  si  etc.) .  Von  dem  Pronomen  erstreckte  sich  dann  diese  Eigenthümlich- 
keit  auch  auf  das  Substantivum.  Im  Serbokroatischen  ging  aber  diese  Ent- 
wickelung  nicht  so  weit,  wie  im  Bulgarischen.  Was  bei  Miklosich  und  Del- 
brück dahin  gerechnet  wird,  ist  vielfach  anders  zu  erklären.  Nun  ist  die 
Frage,  ist  die  oben  erwähnte  Eigenthümlichkeit  des  sotakischen  Dialektes 
alt,  oder  hat  sie  sich  hier  später  selbständig  entwickelt? 

Wenn  auch  das  Material,  wie  wir  gesehen  haben,  nicht  immer  erschöp- 
fend ist  (bei  einem  Aufenthalte  von  5  Wochen  ist  es  auch  nicht  erreichbar), 
so  gehören  Broch's  Arbeiten  jedenfalls  zu  dem  Besten,  was  auf  dialektologi- 
schem Gebiete  in  neuerer  Zeit  veröffentlicht  worden  ist       W.  Vondrdk. 


Flajähans,  Y.:  Podrobnf  seznam  slov  rokopisu  krälodyorskäho. 
Se  zvl&stnim  zretelem  ke  kritice  ctenf  a  v]^kladn  (Ausführliches 
Yerzeiehniss  der  Wörter  in  der  Eöniginhofer  Handschrift.  Mit  be- 
sonderer Bttcksioht  auf  die  Kritik  der  Lesarten  and  ihre  Erklä- 
rung). V  Praze.  N&kladem  ceskö  akademie  et(^.  1897.  8^.  VI  + 
114  S.  +  (2  Bl.)  (Erschienen  in  dem  von  der  S.Glasse  der  Akademie 
herausgegebenen  »Archiv  pro  lexikografii  a  dialektologii«  Nr.  2). 

Eigentlich  muss  man  sich  wundem,  dass  diese  Arbeit  —  eine  alphabe- 
tiecke  Zusammenstellung  aller  Wörter  in  der  Eöniginhofer  Hs. — nicht  frtther 
unternommen  worden  ist.  Man  wttrde  glauben,  dass  es  doch  nahe  lag  bei  den 
Controversen,  welche  die  KH.  hervorgerufen  hat,  einfach  das  Wortmaterial 
übersichtlich  zusammenzustellen,  um  damit  philologisch  operiren  lu  kÖBiien. 
Allein  das  ist  bis  jetzt  nicht  geschehen.  Nekrasov^s  diesbezügliche  Arbeit 
(EraledvorskajaBukopis.  StPetersburg  1872)  ist  nicht  vollstiindig.  Man  kann 
jedoch  auch  jetzt  nicht  sagen,  dass  die  vorliegende  Zusammenstellung  so  zu 


230  Kritischer  Anzeiger. 

sagen  post  festnm  gekommen  wSre,  denn,  wenn  anch  massgebende  philolog. 
Kreise  von  der  Uneehtheit  der  Hs.  Überzeugt  sind,  so  bleibt  doch  noch  eine 
wichtige  Frage  zn  lOsen  fibrig,  nSmlich  wer  der  Urheber  dieser  Hs.  ist  und 
mit  welchen  Hilfsmitteln  es  ihm  gelang,  diese  Gedichte  zu  Stande  zu  bringen. 
Bei  diesen  und  ilhnlichen  Fragen  kann  ein  ausführliches  Wörterverzeichniss , 
wie  das  vorliegende,  werth volle  Dienste  leisten. 

Herr  Flajshans  hat  in  letzterer  Zeit  den  Versuch  unternommen,  die  Echt- 
heit der  KH.  zu  beweisen,  obzwar  er  früher  von  derselben  nichts  wissen 
wollte.  Dieser  Wandel  in  der  Anschauung  hat  einigermassen  überrascht,  da 
die  philologischen  Motive,  die  ihn  hervorgerufen  haben  sollten,  nicht  von 
einer  solchen  hervorragenden  Bedeutung  zu  sein  schienen.  Das,  was  von 
H.  Flajshans  in  sprachlicher  Hinsicht  vorgebracht  wurde,  hat  nicht  überzeugt. 
Bei  seinen  Rettungsversuchen  mochte  er  nun  den  Mangel  einer  solchen  Zu- 
sammenstellung der  WOrter  empfunden  haben,  und  so  ging  er  selbst  an  die 
Arbeit,  die  in  diesem  Falle  gewiss  nicht  vergeblich  war.  Indem  er  auch  das  aller- 
dings sehr  karge  Wortmaterial  der  Streifen,  die  die  Hs.  noch  nebst  den  gan- 
zan  Blättern  enthält,  berücksichtigte,  brachte  er  es  bis  zu  1531  Schlagworten 
mit  6222  Belegen.  An  vielen  Stellen  sucht  er  eine  selbständige,  von  den  bis- 
herigen abweichende  Erklärung  zu  geben,  daher  finden  wir  bei  ihm  auch  viele 
neue  Lesarten. 

Man  kann  nun  leichter  das  zusammengestellte  und  alphabetisch  geord- 
nete Wortmaterial  beurtheilen  und  philologisch  verwerthen..  Der  erste  Ein- 
druck, den  es  auf  uns  macht,  ist  der,  dass  es  wegen  seiner  Gleichartigkeit 
zeitlich  und  räumlich  einem  sehr  eugen  Kreise  angehören  muss.  In  der  EH. 
kommen  bekanntlich  Gedichte  vor,  die  ans  der  heidnischen  Zeit  stammen 
sollen ;  daneben  auch  andere,  in  denen  schon  das  Christenthum  herrschend 
ist  Nun  würde  man  erwarten,  dass  auch  in  lexikalischer  Hinsicht  ein  ge- 
wisser Unterschied  obwalten  sollte,  denn  der  Abschreiber  kann  ja  in  der 
Umarbeitung,  wenn  er  überhaupt  welche  vornimmt,  doch  nicht  so  weit  gehen» 
dass  er  etwa  ganz  neue  Texte  liefere.  Bei  Gedichten  insbesondere  bestand 
nicht  dieser  Usus.  Esmüsste  also  unter  allen  Umständen  eine  gewisse  Hetero- 
genität  in  den  Gedichten  bemerkbar  sein.  Diesen  Eindruck  macht  aber  das 
Wortmaterial  der  KH.  auf  uns  nicht.  Es  kehren  hier  gewisse  lexikalische 
Eigenthümlichkeiten  mehr  oder  weniger  in  allen  Gedichten  wieder,  so  dass 
man  in  der  Ansicht  bestärkt  werden  muss,  alle  Gedichte  der  KH.  rühren  in 
sprachlicher  Hinsicht 'entweder  von  einer  Person  her,  oder  doch  von  einem 
sehr  engen  literarischen  Kreise.  Man  sehe  sich  z.  B.  gleich  die  Interjection 
aj  an.  Sie  kehrt  häufig  fast  in  allen  Gedichten  wieder  und  zwar  etwa  50  mal. 
Dazu  kommen  dann  noch  die  Verbindungen  wie  aj-a,  aj-lile,  qj-nastojte,  qf-ta 
und  aj-tu,  Verhältnissmässig  häufig  kommt  hier  auch  das  Wort  chrabrost  und 
chrahry  vor  (Jar.  99  v  jesut  by  chrabrost  ^Ivi^Y,  Jar.  268  pod  oceli  chrabrost 
1^20;  «^ar.  159  dodise  chrabrost  "/»-«;  ^l*  ^^  vzmuke  chrabrost  Vis;  ^et.  81 
i^vise  chrabrost  ^Vi3>  Lud.  116  zkusi  chrabrost  ^/s;  Ol.  24  chrabro  na  Polany 


1}  Die  Zahl  vor  dem  Belege  bedeutet  den  Vers  des  betreffenden  Gedich- 
tes, der  Bruch  nach  dem  Belege  die  Seite  und  Zeile  des  Originals. 


W.  Vondrik  über  FUjShans'  Glossar  znr  König.  Handschrift.       231 

Vts>  ^B^  2^  chrabm  ruku  1^/27),  femer  das  Adj.  fut^y  etwa  20  mal,  dazu  noch 
^eluiy  und  veUTuty  (je  einmal)  und  kotiUaS:  Jar.  258  sien  sie  kotie  s  o^ 
^/i4;  ^t.  234  Ylaslay  pozemi  sie  koti  ^7/32;  Lud.  93  Bolemir  sie  s  kon£  kotl 
^/m;  Z^h.  146  i  skoti  sie  dfevo  na  voj  ^/s.  Auffallend  sind  die  zahlreichen 
Zusammensetzungen  mit  pfe-  inzpfedluhy  Lud.  26  ^/^t-^i  predrahuüky  Zbyh. 
1625/13;  pf^etuty  Z&b.  160^/ii;  pfgmnohy  Ost  198iVii;  prsmnolUivie  Jar.  132 
10/»;  pfesiln^  Zib.  tiO^/u;  Z&b.  eS^Vss;  preudatny  Zbyh.  2525/i8;  Ol.  28Vsi ; 
pftodiky  Jar.  438/19-90;  pfezmiUtky  Zbyh.  4^5/^.  Mit  anderen  altbOhm.  Denk- 
mälern lassen  sich  Überhaupt  nicht  in  Einklang  bringen  die  zahlreichen  Com- 
posita,  denen  wir  hier  begegnen  und  die  auch  schon  aufgefallen  sind,  wie 
biahodifny  Ost  118  ^Vi;  dl6hapu8ty  ZAb.  8S0/19.-S0  (an  die  Deutung:  lesem 
dlüho  pnst^m  wird  man  nicht  denken  kennen);  hkuonoany  Jar.  229 12/,^..^ 
(hlasonosnü  ob&t  Tzdimy,  ein  sehr  gekünstelter  Ausdruck);  hrözonoui^  Jar. 
^Vn-wlMobnfny  Lud.  112«>/i;  Ju.:!i9|^^;Jarohlavy  £st.  206iViB  (liska 
oblädi  sur  jarohlavy);  weiter  noch:  lepotvorny  fist  119^721  masoiravy  Zbyh. 
23  »/is;  nehodkihy  Jar.  28619/33;  hdosery  Ol.  14Vio;  vhestrasivy  Jar.  156ii/6; 
vietiehunky  Ol.  35  ^/^n  u.  27 ;  vysokoroatly  Cst  89 1^/^— is;  zlato8tvüci  Lud.  1 3  i^/i^. 
Mit  Pd/€-  kommen  hier  drei  Gomposita  yor :  velebystry  Jar.  269  is/21 ;  veUTuty 
Jar.  277  »/jj  und  veleslapny  Ol.  16  Vii ;  Jar.  1 721 9  abgesehen  vom  Nom.  propr. 
Veleslav  (Fragm.).  SchUessfich  muss  noch  das  Compositum  Vkulavohojee  Cst. 
243 18/7  angeführt  werden.  Eine  auffallende  Vorliebe  zeigt  sich  hier  weiter 
für  Bildungen  wie  duiiee  Jel.  1827/,^;  222^/23;  helmiee  Jar.  81  Vis;  ^^^^Iti; 
ehyliee  Ben.  16^^/23;  kravice  Cst.  174^/30;  fubiee  ZAb.  2620/^-32;  no£ic«  Jah.  4 
"/23;  6^/23;  34"/6;  Jel.  2927/28;  t?^<»w«  Zbyh.  SO««/?;  »oiw«  Kyt.  726/^^;  152ß/ao: 
zemiee  Kyt.  920/ie,  abgesehen  von  Worten  wie  d^vice,  jehlice,  kytice.  Auch 
beiNeutris:  Miee  Zbyh.  53  26/}^;  ardiee  Zbyh.  1926/^5;  zh<&iee  Ben.  1 4^^/22  u.8.w. 
Das  lexikalische  Material  macht  demnach  nicht  den  Eindruck,  als  habe 
man  es  mit  Gedichten  verschiedenen  Alters  und  verschiedenen  Ursprungs  zu 
thun,  sondern  es  weist  einen  ziemlich  einheitlichen  Charakter  auf. 

W,  Vondrdk. 


FiajShans,  V. :  Enihy  ce8k6  y  knihovn&ch  svödsk^ch  a  rask^ch. 
y^zkem  z  cesty,  kteron  1896 — 1897  s  podporon  cesk6  akademie 
a  Svatobom  podnike  (Böhmische  Bücher  in  den  schwedischen  und 
russischen  Bibliotheken.  Ergebnisse  einer  im  J.  1896 — 97  mit 
Dntersttltznng  der  Böhmischen  Akademie  und  des  Svatobor  unter- 
nommenen Reise).  VPraze.  1897.  S«.  725S. +  (1B1.)  (Erschie- 
nen in  der  von  der  3.  Gl.  der  Böhm.  Akademie  herausgegebenen 
»Sbirka  pramenüy  kn  poznäni  literamiho  iivota  y  Öechäch,  na 
Moray£  y  Slezskn.  Gruppe  lü.  Bibliographische  Arbeiten.  Nr.  2). 

Mit  den  bei  der  vorhergehenden  Schrift  erwähnten  Rettungsversuchen, 
die  von  Herrn  Flajshans  zu  Gunsten  der  Königinhofer  Hs.  unternommen  wur- 
den, hing  auch  seine  Forschungsreise  nach  Schweden  und  Bussland  zusam- 


232  Kritischer  Anzeiger. 

men,  ttber  die  er  im  »Vftstnik  Cesk^  Akademie^  Jahrg.  VI,  S.  306 — 314  aw- 
ftthrlich  berichtet  hat.  Es  wäre  ja  doch  ein  ttberaus  glücklicher  Fund,  wenn 
man  in  irgend  einer  bis  jetzt  wenig  oder  gar  nicht  bekannten  alten  Hand- 
•ehrift  auf  irgend  welche  Anspielung  oder  gar  auf  die  verlorene  Partie  der 
EE.y  deren  schmale  Streifen  neben  den  erhaltenen  ganaen  Blättern  wie  aneh 
die  schon  yorgeschrittene  Gapitelzahl  eine  so  wette  Perspective  eröffnen, 
stossen  würde,  wodurch  zugleich  ein  glänzender  Beweis  ihrer  Echtheit  er- 
bracht würde. 

Eigentlich  enthält  die  vorliegende  Schrift  nur  eine  mehr  oder  weniger 
ausführliche  Beschreibung  zuerst  der  böhmischen  Handschriften  in  der  Peters- 
burger Öffentlichen  Bibliothek  (S.  2 — 52,  so  dass  von  dieser  Beschreibung  — 
im  Ganzen  sind  es  61  Nummern  —  der  grossere  Theil  der  Schrift  ausgefüllt 
wird),  dann  die  Beschreibung  einiger  in  Schweden  befindlichen  Handschriften, 
die  aus  BOhmen  herrühren  oder  für  Böhmen  ein  Interesse  haben  (S.  52 — 55}. 
Es  sind  nur  wenige,  meist  lateinisch  geschriebene  Hss.  Was  weniger  oder 
gar  nicht  bekannt  war,  wird  ausfOhrlicher  behandelt  Von  den  bOhm.  ge- 
schriebenen Hss.  findet  sich  nunmehr  nur  eine  einzige  in  Schweden  (Üpsada) 
vor,  dagegen  wurden  alle,  die  in  der  Stockholmer  Bibliothek  vorhanden 
waren,  im  J.  1878  nach  Mähren  zurückgebracht.  Schliesslich  folgt  ein  Ver- 
zeichniss  bOhm.  Drucke  (mit  einigen  Incunabeln),  die  sich  in  den  dortigen 
Bibliotheken  vorfinden  (S.  56—72). 

Diese  Schrift  bringt  nun  so  manche  Bereicherung  unserer  Kenntnisse 
des  altbOhm.  und  mittelbOhm.Schriftthums.  So  haben  wir  jetzt  eine  ausführ- 
liche Beschreibung  der  in  der  Petersburger  Bibliothek  enthaltenen  Bevela- 
tionen  der  heil.  Brigitta  (v.  J.  1419)  mit  einigen  sprachlichen  Eigenthümlich- 
keiten  (z.  B.  statt  zf  pflegt  f  zu  stehen).  Es  wurden  auch  einzelne  bis  jetzt  im 
bOhm.  Schriftthum  unbekannte  Verfassemamen  entdeckt,  so:  Zeranovskif 
(Predigten  aus  dem  XYII.  Jahrb.),  Sturzmfeld  (Satirische  Schriften  aus  dem 
XVI.  Jahrb.) ,  der  Text  der  altbOhm.  Pilatuslegende  wurde  hier  vollständig 
abgedruckt  (S.  32 — 37).  Aus  einer  Boihe  von  hier  ausführlicher  beschriebe- 
nen Hss.  ersehen  wir  den  mächtigen  Einfluss  der  böhmischen  Literatur  und 
Sprache  auf  das  Polnische  (Nr.  8, 15, 41  u.  45).  Der  wichtigste  Factor  für 
diese  bOhmisch-polnischen  3eziehungen  war  Krakau,  insbesondere  um  das 
J.  1430  und  auch  später  (vgl.  S.  47—48). 

Doch  sollten  auch  die  Anhänger  der  Echtheit  der  KH.  nicht  ganz  leer 
ausgehen.  In  einer  altbOhm.  Hs.  aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrb.  hat  H.  Flajs- 
hans  nicht  weniger  als  4  sprachliche  Analogien  gefunden  (S.  14),  nämlich  ein 
Participium  auf  -«m:  podoben  jsem  vezinyem  pelikinovi,  womit  noch  ver- 
glichen wird:  hnevem  neb  nepoßuf/emßtoym;  weiter  das  Yerbum  «M«et, 
'hihu :  kdez  tvi  svatä  krev  jest  v  döstojnöm  srdci,  tu  zli  duchov6  sabj^ehu  a 
dobH  anjelovö  na  pomoc  prichäzeji;  der  Instr.  -iem:  anjelskym  pyenyem; 
die  4.  allerdings  selbst  nach  Flajshans  einigermassen  unsichere  Analogie  sei 
die  Präposition  pfe:  veden  prz$/e  Pilata  (in  der  früher  besprochenen  Schrift 
»Podrobny  seznam  slov  rukopisu  kralodvorsköho«  S.  62  sieht  übrigens  Herr 
FUgShans  »p  pohany«  der  EOniginhofer  Hs.  als  einen  Fehler  an:  st.jpdpo- 
hany  »  pKd  p.,  diese  Schrift  ist  auch  später  erschienen).   Diese  Analogien 


W.Yondrik  über  FUjahans'  bibl.For8chiiiigen  in  Schweden  u.  Bassland.  233 

sind  aber  leider  nicht  derartig,  dass  sie  sehr  zu  Gunsten  der  EH.  sprechen 
konnten.  Das  Part  ueinkn  ist  offenbar  ein  Schreibfehier,  das  m  im  Anslant 
ist  wohl  hervorgernfen  durch  das  yorhergehende  jsem  (im  it\.  u.  2w.  lesen 
wir  richtig  u&nh%)\  in  ntpoaluiemsMm  hat  das  m  im  Anslant  das  vorher- 
gehende m  als  Sehreibfehler  herrorgemfen.  Anch  das  andere  kann,  wie  man 
sieht,  die  KOniginhofer  Hs.  nicht  retten.  W.  Vondrdk. 


Milas,  M.)  Prayi  akcenti  i  fiziologija  njihova  n  hrvatskom  ili  srp- 
skom  jeziku  (Skolski  Vjesnik,  Sarajevo  1898,  S.  511 — 534). 

Die  Frage  yon  der  richtigen  Auffassung  der  serbokroat.  Betonung  wird 
infolge  der  grossen  Aufinerksamkeit,  die  man  ihr  in  der  letzten  Zeit  schenkt, 

immer  mehr verworren !   Vielen,  besonders  fremden  Gelehrten  war  es 

schon  ziemlich  schwer,  die  beiden  von  Vuk  festgesetzten  Accentarten  aus- 
einanderzuhalten; jetzt  tritt  Herr  H.  Milas,  Gymnasialprofessor  in  Mostar, 
mit  der  recht  beunruhigenden  Entdeckung  eines  vierartigen  Accentes  im 
Serbokroat.  auf,  so  dass  wir  —  wenn  wir  den  Unterschied  in  der  Quantität 
hinznnehmen  —  von  nun  an  nicht  vier,  sondern  acht  verschiedene  Accent- 
zeichen  verwenden  und  richtig  unterscheiden  müssten  I  Doch,  wenn  im  Serbo* 
kroatischen  wirklich  vier  verschiedene  Arten  von  Accenten  vorhanden  sind, 
so  darf  man  natttrlich  dieselben  der  Bequemlichkeit  wegen  nicht  ignoriren. 
Das  ist  aber  eben  die  Frage :  gibt  es  nur  zwei  oder  vier  verschiedene  Accentn 
arten?  Ich  habe  den  Aufsatz  Mllas'  aufmerksam  gelesen,  alle  von  ihm  ange- 
rathenen  Proben  angestellt,  meine  Aussprache  und  die  Anderer  sorgf&ltig 
beobachtet,  und  schliesslich  konnte  ich  dennoch  die  von  ihm  behaupteten 
Unterschiede  nicht  hGren.  Selbstverständlich  will  ich  damit  nicht  gesagt 
haben,  dass  diese  Unterschiede  auch  nicht  ezistiren,  denn  ich  habe  zu  oft 
konstatiren  kOnnen,  dass  Andere  nicht  hören  konnten,  was  ich  genau  unter- 
scheide; es  wäre  daher  möglich,  dass  auch  ich  die  feinen  Accentunterschiede 
Hilas'  ganz  einfach  ebenfalls  nicht  hören  kann.  Ich  will  daher  lieber  gleich 
sagen,  worin  die  vier  verschiedenen  Accente  Milas'  bestehen  sollen.  Er 
unterscheidet  (S.  7)  mit  Rücksicht  anf  die  Stärke  starke  und  schwache 
Accente,  welche  zweifacher  Art  sein  können:  bei  den  einen,  den  »ersten«  — 
wie  er  sie  nennt  —  fällt  die  Stärke  des  Accentes,  bei  den  anderen,  den  »zwei- 
ten«, steigt  sie;  yuk's|>o^, meso,  dontco,  hvdla  haben  nach H.  erste  Accente, 
dagegen  sjifnej  jpKca,  ri^a,  bäbo  haben  zweite  Accente.  Für  die  Unter- 
scheidung von  ersten  und  zweiten  Accenten  ist  somit  die  Tonstärke 
massgebend.  Wodurch  sich  aber  starke  und  schwache  Accente  unter- 
scheiden, das  sagt  Herr  M.  nirgends;  überhaupt  er  berücksichtigt 
fast  nirgends  die  Tonhöhe,  denn  nur  in  §  10  gibt  er  bei  Erwähnung  der 
»bisherigen«  Ansieht  zu,  dass  z.  B.  sowohl ^0/0  (mit  erstem  starken  Accent) 
alsaneh  ^'eme  (mit  zweitem  starken  Accent)  mit  stärkerem  und  höhe- 
rem Ton  ausgesprochen  werden.  Erst  auf  eine  Anfrage  meinerseits  erklärte 
Herr  M.,  dass  auch  er  der  bisherigen  Ansicht  über  die  Tonhöhe  der  Accente 


234  Kritischer  Anzeiger. 

beipflichtet  Das  hätte  ausdrücklich  nnd  klar  im  Aufsätze  selbst  gesagt  wer* 
den  sollen,  denn  man  wäre  fast  geneigt  anzunehmen,  er  theile  die  allgemeine 
Ansicht  über  die  Natur  der  starken  und  schwachen  Accente  im  Serbe* 
kroat.  nicht.  Schon  seine  ziemlich  geringschätzige  Meinung  über  die  Noth- 
wendigkeit  musikalischer  Kenntnisse  für  die  richtige  Auffassung  der  Beto- 
nung (in  der  Einleitung)  ist  etwas  auffallend.  Ungewöhnlich  ist  femer,  dass 
Herr  H.  nicht  selten  die  Ausdrücke  »Höhe  (visina)«  und  »Tiefe  (nizina)«  in  der 
Bedeutung  von  »stärkerer,  bezw.  schwächerer  Theil«  gebraucht,  z.  B.  in  §  10,3 : 
». . . .  na  rjjeci  baniea  pada  akcenat  s  v isine  svoje  jakosti,  a  na  rijeoi  miica 
raste  s  nizine  svoje  jakosti«.  Völlig  befremdend  ist  es  aber,  wenn  Herr  M. 
in  §  12  sagt :  »Von  den  Silben  mit  starkem  Accent  geht  die  Tonstärke  auf  die 
beiden  folgenden  Silben  über,  und  zwar  ist  auf  der  ersten  derselben  die  Ton- 
stärke etwas  schwächer  als  auf  der  betonten  Silbe,  während  die  Tonstärke 
der  zweitfolgenden  Silbe  ungefähr  der  Stärke  schwacher  Accente 
gleich  ist.«  Diese  Auffassung  der  »schwachen«  (d.  i.  der  steigenden)  Ac- 
cente als  Accente,  die  sich  von  den  »starken«  (d.  i.  den  fallenden)  hauptsäch- 
lich durch  geringeren  Nachdruck  unterscheiden,  tritt  uns  im  Laufe  der  Er- 
örterung auch  sonst  entgegen,  so  dass  man  wirklich  vermuthen  darf,  Herr  M. 
habe  wenigstens  zur  Zeit  der  Abfassung  seines  Aufsatzes  die  »schwachen« 
und  »starken«  Accente  eben  als  schwache  und  starke,  nicht  aber  als 
steigende  und  fallende  aufgefasst.  Dann  begreifen  wir,  warum  er  in  §  7 
die  Accente  mit  Rücksicht  »bloss  auf  die  Tonstärke«  in  starke  und  schwache 
theilt  und  in  §  14  behauptet,  »die  Stärke  der  schwachen  Accente  sei  viel 
schwächer  als  diejenige  der  starken«,  ja  dies  erklärt  uns  überhaupt,  warum 
Herr  M.  in  seinem  Aufsatze  sehr  viel  von  Tonstärke  und  gar  nichts  von 
Tonhöhe  spricht!  Dass  Herr  M.  eine  ganz  eigenthümliche  Auffassung  yon 
dem  Verhältnisse  zwischen  »starken»  und  »schwachen«  Accenten  hat,  ersehe 
ich  auch  aus  seinem  obenerwähnten  Briefe,  in  welchem  er  wörtlich  sagt: 
» . . . .  in  den  Beispielen  sjeme  (nach  Vuk  sjetne)  und  rucica  (nach  Vuk  ruciea) 
besteht  der  Unterschied  darin,  dass  in  ^eme  der  Accent  stärker  und  höher 
ist,  während  rulica  einen  gewöhnlichen,  schwächeren  und  tieferen  Ton 
hat.«  Also  der  »schwache  (=  steigende)«  Accent  ist  gegenüber  dem  »starken 
(SB  fallenden)«  schwächer  und  tiefer!  Und  doch  sagt  Herr  M.  gleich  in  der 
Einleitung,  er  habe  Alles  darchstudirt,  was  bis  jetzt  über  die  Betonung  im 
Serbokroat.  geschrieben  worden  ist  I  Allerdings  ^gt  er  ziemlich  wegwerfend 

hinzu'  » ali  da  sam  se  time  bas  pomogao  u  ovom  poslu,  nijesam,  nego  . 

onoliko,  koliko  pomaze  uopde  svaka  nauka  o  jednoj  struci.«  Ich  möchte  da- 
her Herrn  M.  rathen,  die  Literatur  über  die  serbokroat.  Betonung  noch  ein- 
mal durchzunehmen  und  zunächst  —  vielleicht  mitHilfe  einiger  elementarsten 
musikalischen  Sätze  1  —  das  gegenseitige  Verhältniss  der  serbokroat.  Accente 
sich  anzueignen. 

Diese  verkehrte  Auffassung  der  »bisherigen«  Lehre  von  der  serbokroat. 
Betonung  (ich  bin  überzeugt,  sie  wird  auch  die  »neue«  Theorie  überleben  I) 
soll  uns  aber  nicht  hindern,  die  von  Herrn  M.  zur  Begründung,  bezw.  zur  Er- 
klärung seiner  Theorie  angeführten  »Beweise«  und  »Hilfsmittel«  zu  berück- 
sichtigen. Als  »Beweise«  dienen  Herrn  M.:  Ij  das  Verhältniss  der  ikavischen 


y.  Besetar  Über  M.  Milas*  Acoenttheorie  im  Serbischen.  235 

(ekayiachen)  Aassprache  snr  jekavischen ;  2)  die  durch  das  VerBtammen  eines 
h  ▼emrsachten  AccentSndenmgen ;  3)  der  Wandel  eines  (silbenBchliessenden) 
/  SQ  Cy  und  4)  der  Uebergang  der  Accente  auf  die  vor  starken  Aocenten 
stehenden  Silben.  Ich  habe  mich  redlich  bemüht,  die  ganze  Kraft  dieser  Be- 
weise auf  mich  einwirken  zu  lassen,  —  bezüglich  der  drei  ersten  Punkte  ganz 
umsonst:  ich  kann  den  Zusammenhang  derselben  mit  dem  zu  beweisenden 
Sats  nicht  entdecken.  Nur  bezüglich  des  vierten  Beweises  ist  es  klar,  dass  nach 
Milas*  Theorie  Enklitiken  vor  »ersten«  starken  Accenten  ebenfalls  einen  starken 
Accent  (auf  der  ersten  Silbe)  bekommen,  während  dieselben  vor  »zweiten« 
starken  Accenten  schwach  accentuirt  sind;  also  die  bekannte  Erscheinung, 
dass  wir  z.  B.  bez  pe6ty  tspred  pe6i,  dagegen  h^z  iahey  ispred  iahe  haben.  Das 
habe  ich  ganz  gut  verstanden:  ja  ich  vermuthe  sogar,  dass  die  verschiedene 
Betonung  der  Enklitiken  vor  fallend  accentuirten  Worten  der  Ausgangspunkt 
für  die  ganze  Theorie  Milas'  war.  Aber  auch  bezüglich  dieser  einzigen  That* 
Sache,  welche  die  Hypothese  von  zwei  verschiedenen  »starken«  Accenten  zu 
unterstützen  scheint,  steht  Herr  M.  mit  sich  selbst  in  einem  unlöslichen 
Widerspruche,  denn  im  §  33  behauptet  er,  Enklitiken  erhalten  nur  vor 
«ersten«  starken  Accenten  den  starken  Accent  (iez  pe6i  u.  s.  w.),  im  §  35  (und 
sonst)  stellt  er  aber  als  feste  Begel  auf,  den  »ersten«  starken  Accent  können 
nur  höchstens  zweisilbige  Worte  haben.  Wie  kann  er  uns  dann  er- 
klären, dass  nicht  selten  auch  vor  dreisilbigen  Worten  Enklitiken  den  starken 
Accent  tragen?  Man  vergleiche  nur  z.  B.  Zdpomo6\y  od  olova,  u  vt«mii,  na  do" 
govor,  d&  venera  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Dieser  auffallende  Widerspruch,  der  sich 
nicht  hinwegdisputiren  lässt,  beweist,  dass  Herr  Milas  selbst  über  seine  neue 
Theorie  noch  ganz  schwankende  Begriffe  hat. 

Aber  auch  die  »Hilfsmittel  für  die  Unterscheidung  der  Accente  (§  34) « 
befriedigen  sehr  wenig.  Die  Behauptung,  dass  bei  den  »ersten«  Accenten  der 
Nachdruck  abnimmt,  während  umgekehrt  bei  dem  zweiten  derselbe  zunimmt, 
femer,  dass  bei  den  »zweiten«  Accenten  ein  nachfolgender  Konsonant  wie 
geminirt  ausgesprochen  wird,  ist  wenigstens  für  mein  Gehör  ganz  falsch. 
Deswegen  will  und  kann  ich  mich  in  Einzelheiten  nicht  einlassen;  ich  will 
nur  erwähnen,  dass  in  Bezug  auf  die  Quantität  Herr  M.  eine  betonte  Kürze 
zweien  unbetonten  Kürzen,  eine  betonte  Länge  einer  kurzen  und  einer  langen 
unbetonten  Silbe  oder  dreien  unbetonten  Kürzen  gleichstellt  (§  9),  woraus 
folgt,  dass  eine  betonte  Kürze  und  eine  unbetonte  Länge  die  gleiche 
Dauer  haben  müssten!  I  Qlaubt  das  wirklich  Herr  M.??  Herr  M.  hat  auch 
die  Frage  Über  die  Aussprache  des  langen  i  im  Serbokroat.  besprochen 
(§§  25.  26)  und  stimmt  mit  meiner  diesbezüglichen,  im  Archiv  XIII  begrün- 
deten Ansicht  insofern  nicht  überein,  als  er  in  allen  Fällen  das  lange  t  nur 
als  einen  einsilbigen  Diphthong  gelten  lässt  Ich  werde  nächstens  die  Ge- 
legenheit haben,  darauf  zurückzukommen,  will  daher  nur  die  von  Herrn  M. 
gegebene  Erklärung  für  die  auch  von  ihm  zugestandene  Zweisilbigkeit  der 
i-£ndungen  in  der  zusammengesetzten  Deklination  der  Adjektive  erwähnen. 
Nach  der  Ansicht  Milas'  entspricht  z.  B.  der  instr.  sing,  dohrijem  nicht  einem 
dobremh  (nach  Analogie  von  -temh  u.s.w.),  sondern  es  soll  dadurch  entstanden 
sein,  dass  in  der  organischen  Form  dobryimh  das  t  durch  das  e  der  Pronomina 


236  Kritischer  Anzeiger. 

ersetzt  wurde,  wodnreh  eben  die  Form  dobriinn,  d.  i.  dobrijem  entsteht.  Herr 
M.  beruft  sich  für  diese  Erklärung  mit  Unrecht  auf  eine  von  ihm  missverstan- 
dene Stelle  in  Danioid^s  Istorya  ohUka  und  übersieht  jedenfalls,  dass  aus  sei- 
nem ddbrihnh  in  ikavischen  Dialekten  ein  *dobrißm  und  in  ekavischen  eben- 
falls ein  dohrijem  heryorgehen  Bollte ! 

Ich  glaubte  diese  neue  Theorie  über  die  »wahren«  Accente  im  Serbo- 
kroat  kurz  besprechen  zu  müssen,  um  vor  ihr  rechtzeitig  zu  warnen,  denn 
sonst  künnte  sie  für  Jemand  der  Anlass  zu  neuen  Kombinationen  über  die 
Entwickelung  der  Betonung  im  Serbokroat.  sein,  was  wenigstens  verfrüht 
wäre,  da  die  ganze  Lehre  Milas',  wie  man  sieht,  auf  sehr  schwachen  Füssen 
steht.  Dass  unsere  gegenwärtige  Auffassung  vom  Wesen  der  serbokroat.  Be- 
tonung einer  Erweiterung,  bezw.  einer  Korrektur  bedarf,  ist  vielleicht 
möglich,  doch  da  wird  man  viel  feinere  Beobachtungen  machen  und  viel 
triftigere  Argumente  ins  Feld  führen  müssen.  Jf.  Rdetar. 


Jana  Eocbanowskiego  dzieta  wszystkie.  Wydanie  pomnikowe. 
Band  IV  (Schlnssband) ,  I.Hälfte.  Warschan  (1897).  Jan  Eocha- 
nowski,  jego  röd,  ^ywot  i  dziela.  Przez  Bomana  Plenkiewicza.  YII 

und  674  SS.  gr.-8o. 

Für  1884,  zur  dreihundertjährigen  Todesfeier  des  grossen  Dichters, 
wurde  in  Warschau  eine  Monumentalausgabe  von  dessen  Werken  unternom- 
men; es  erschienen  auch  damals  der  I.  und  n.  Band,  in  der  splendidesten 
Ausstattung  die  polnischen  Werke  umfassend  —  ich  referirte  darüber  ein- 
gehend Archiv  VIII,  1885,  S.  477—513.  Nach  Jahren  kam  der  dritte  Band, 
mit  den  lateinischen  Werken ;  wieder  nach  Jahren,  Ende  1897,  der  erste  Theil 
des  vierten  Bandes,  die  Biographie  des  Dichters,  in  einem  Umfange,  der 
anderthalb  Jahrgängen  des  Archivs  entsprechen  würde,  lieber  den  Inhalt 
dieses  Biesenbandes  haben  wir  uns  nunmehr  zu  äussern,  gleichsam  in  Fort- 
setzung jenes  Referates  von  1885. 

Unwillkürlich  erhebt  sich  als  Vorfrage,  womit  konnte  der  Band  ausge- 
füllt werden?  Bekanntlich  verlief  das  ganze  Leben  unseres  grossen  Huma- 
nisten, den,  zum  Unterschiede  von  zahlreichen  Kunstgenossen,  weder  Ehr- 
geiz, noch  Habgier,  noch  Sinneslust  plagten,  der  äusserlichem,  lärmenden, 
wirren  Treiben  abhold,  von  Stadt  und  Hof,  Amt  und  Pfründen,  Karriere  und 
Politik,  zu  den  geliebten  Klassikern,  aufs  stille  Dorf,  in  den  Schooss  der  Fa- 
milie sich  rechtzeitig  zu  flüchten  wusste,  der  auf  seine  Zeitgenossen  nicht 
durch  die  Wucht  persönlichen  Eindruckes,  durch  den  Glanz  gewinnender 
Bede,  durch  die  Erfahrenheit  des  gewiegten  Politikers,  nicht  durch  seine  Ge- 
burt, seine  Beziehungen,  durch  Latifundien  oder  bewegliche  Habe,  sondern 
ganz  ausschliesslich  durch  seine  Lieder,  und  zwar  durch  die  polnischen,  ein- 
wirkte —  in  der  denkbar  einfachsten  Weise.  Ein  paar  Bildungsreisen,  einige 
Jahre  Versuche,  im  königlichen  Dienste  zu  Geld  und  Ehren  zu  kommen,  der 
Rest  eines  nicht  langen  Erdenwallens  auf  dem  Landgute  unter  den  Seinen 


A.  Brückner  über  J.  Eochanow8ki*8  Biopraphie  von  Plenkiewicz.     237 

▼erbracht  —  das  ist  der  g;anie  Inhalt  eines  Lebens,  dessen  Katastrophen,  in 
der  Jngend  auf  mangelndes  Taschengeld,  drohende  VermOgenseinbusse  und 
allerlei  Peripetien  flüchtiger  Liebschaften,  im  Ifannesalter  auf  das  Aufgeben 
einer  nicht  zusagenden  Karriere,  auf  Schwanken  der  Gresundheit  und  auf  den 
Verlust  yoB  ein  paar  geliebten  Häuptern  sich  beschränkten.  Offenbar  ist  bei 
Kochanowski  das  innere  Leben,  das  Heranreifen  seiner  Kunst,  die  Bildung 
seines  Geschmackes  und  seiner  ästhetischen  wie  ethischen  Prinzipien  das 
Wissenswerthe  und  Interessante;  das  äussere  Beiwerk  eines  beschaulichen, 
eines  Stilllebens  (Panül  nieeh  drudty  za  iby  ehodzq,  aja  sif  dzitotiff  wünschte 
sieh  ja  der  Dichter  selbst  als  göttliche  Gabe)  bietet  nichts  Fesselndes. 

Herr  Plenkiewicz  hat  seine  Aufgabe  anders  aufgefasst;  der  Dichter  und 
seine  Werke  traten  ihm  in  den  Hintergrund:  er  konzentrirte  seine  vieljährige, 
▼ielseitige  und  mühselige  Thätigkeit  auf  die  Erforschung  und  Darstellung 
des  Aeusserlichen  und  des  UeberflUssigen.  So  kamen  die  umfassendsten  und 
genauesten  Archivstudien,  um  Grewissheit  über  alle  Ahnen  des  Dichters,  alle 
ihre  VermOgensänderungen,  alle  ihre  Prozesse  und  Streitigkeiten  (cui  bono  P) 
za  erlangen,  und  füllten  viele,  viele  Seiten;  es  kamen  dann  eingehende  und 
gründliche  Beschreibungen  aller  der  Orte,  an  denen  der  Dichter  geweilt  hat, 
nicht  nur  etwa  des  geliebten  Gzamolas,  des  väterlichen  oder  des  eigenen 
Heims,  sondern  aller  der  Orte,  welche  jedes  gebildeten  Polen  Fuss  im  XVI. 
Jahrhundert  zu  betreten  verpflichtet  war,  als  da  Krakau,  Wien,  Venedig, 
Padna,  Rom,  Paris,  Wilno,  Bischofs-  und  Magnatenresidenzen;  jeder  spätere 
Biograph  eines  Zamoyski,  Qo^licki,  G6micki,  Nidecki,  eines  Duditbius  u.  s.  w, 
kann  die  betreffenden  Seiten  des  Buches  unverändert  für  seine  Zwecke  aus- 
schreiben ;  sie  enthalten  ja  fast  nichts,  das  nur  von  Kochanovski,  das  nicht 
von  allen  den  eben  Genannten,  mit  ebensoviel,  wenn  nicht  mit  mehr  Becht, 
ausgesagt  werden  könnte. 

und  als  das  alles  nicht  langte,  die  einmal  geweckte  Schreiblust  zu  be* 
friedigen,  kam  hinzu  die  ausführliche  Darstellung  der  inneren  Geschichte 
des  gleichzeitigen  Polen,  des  Königs  und  seiner  Ehen ^  der  Magnaten  und 
ihrer  Faktionen,  des  Reichstags  und  seines  Lärmens :  seitenlange  Auseinan- 
dersetzungen, die  mit  Kochanowski  in  keinem  Zusammenhange  stehen.  So 
wäre  man  versucht,  den  Titel  des  Buches  zu  ändern,  es  zu  benennen:  Polen 
im  Zeitalter  des  Kochanowski  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Dichters, 
seiner  Werke  und  seiner  Familie  (das  ist  die  einzige,  richtige  Inhaltsangabe 
desselben);  man  wäre  versucht,  zu  fragen,  warum  vieles  andere,  das  mit  dem- 
selben oder  gar  mit  besserem  Rechte  behandelt  werden  konnte,  nicht  aufge- 
nommen wurde:  so  ist  z.  B.  Wilno  geschildert  worden,  aber  nicht  Posen,  und 
doch  war  Kochanowski  in  Wilno  vielleicht  nie,  aber  in  Posen  war  er  Probst; 
so  ist  z.  B.  Sigismund  August  mit  minutiöser  Sorgfalt  charakterisirt  worden, 
aber  nicht  Karl  V.,  der  doch  in  dem  jugendlichen  Dichter  einen  ungleich  tie- 
feren Eindruck  erregte,  als  je  der  eigene  König  es  vermocht  hätte;  wir  ver- 
missen bezeichnende  Persönlichkeiten  aus  dem  Bekanntenkreise  des  Dich- 
ters, während  anderen,  oft  unbedeutenderen,  viel  Platz  gewidmet  ist  u.  dgl.m. 

Im  Interesse  einer  einheitlichen  Wirkung  beklagen  wir  dieses  über- 
flüssige Hineinzerren  überflüssigen  Stoffes  —  doch  geben  wir  gerne  zu,  dass 


238  Kritischer  Anzeiger. 

der  VerfaBser  gut  zu  erzälilen  und  za  schildern  weiss,  dass  der  Leser,  falls  er 
die  archivalischen  Kapitel,  die  Bechtsstreitigkeiten  der  Familie  überschlXgt 
und  wenn  er  es  nicht  vorzieht,  zu  den  Bearbeitungen  aus  erster  Hand,  z.  B. 
Sznjski  in  den  Essais  Über  den  König  und  seine  Frauen,  Noailles  and 
Zakrzewski  Über  die  Wahl  des  Anjou  und  des  Ungarn,  zu  greifen,  sich 
mit  Vergnügen  in  diese  Kapitel  eines  förmlichen  historischen  Romans  hinein- 
lesen  kann,  wobei  er  freilich,  gerade  wie  im  Boman,  die  Hauptgestalt  oft 
völlig  aus  dem  Gesichtskreise  verlieren  wird  —  er  empfindet  dann  doppelte 
Freude,  nach  einigen  Kapiteln  ihr  wieder  zu  begegnen.  Sollte  durch  diese 
Darstellung  Kenntniss  polnischer  Geschichte  der  Jahre  1540 — 1580  populari- 
sirt  werden,  sollten  Gestalten  bewegter,  farbenprächtiger  Vergangenheit  dem 
heutigen  Verständniss  weiterer  Kreise  näher  gerückt  werden,  so  hätten  wir 
gegen  diese  epische  Fülle,  gegen  dieses  überwuchernde  Beiwerk  ebensowenig 
einzuwenden,  wie  wenig  wir  uns  sträuben,  einen  drei-  oder  sechsbändigen 
Roman  zu  Ende  zu  lesen,  vorausgesetzt,  dass  er  halbwegs  interessant  er- 
zählt ist. 

An  einen  Roman  mahnen  denn  in  der  That  manche  Kapitel  des  Werkes. 
Die  zweifelhaften  Lorbeem  Derjenigen,  welche  dem  Dichter  in  Paris  oder  in 
Polen  Liebesabenteuer  mit  vornehmen  Damen  angedichtet  hatten,  Hessen 
auch  den  Verfasser  nicht  ruhen  und  so  hat  er,  S.418 — 465,  ein  neues  erotisch- 
matrimoniales  Intermezzo  erfunden  und  mit  Behagen  ausgesponnen,  an  dem 
allerdings,  wie  im  Roman,  kein  einziges  Wort  wahr  ist;  den  Stoff  entnahm 
er  meist  polnischen  Gedichten  auf  eine  Hanna,  obwohl  die  meisten  von  ihnen 
dem  Kundigen  verrathen,  dass  sie  nicht  in  Polen  1570 — 1571  und  nicht  einem 
»Frauenzimmer a  der  königlichen  Schwester,  sondern  in  Padua,  1552—1556, 
einem  losen  Mädchen  zu  Liebe  geschrieben  sein  können.  Aber  was  im  Ro- 
mane, der  auf  historische  Treue  keinerlei  Anspruch  erhebt,  wohl  angeht,  be- 
fremdet und  stört  in  einer  »monumentalen«  Biographie,  die  doch  nicht  mit 
baaren  Erfindungen  operiren  darf. 

und  so  ist  manches  andere,  nicht  nur  diese  Liebesepisode  allein,  er- 
funden und  wird  nun  unter  der  Flagge  einer  Monumentalausgabe,  die  gerade 
nur  solide  und  rechtmässige  Waare  decken  sollte,  eingeschmuggelt  Mitunter 
auch  in  bestimmter,  bewusster  Tendenz,  mit  willkürlicher  Ausdeutung  von 
Einzelnheiten,  mit  Verstössen  gegen  Text  und  Kritik,  gegen  Zeit  und  Geist, 
nur  um  einem  Vorurtheil  oder  einer  Voreingenommenheit  des  Verfassers 
Bahn  zu  schaffen  —  und  gerade  gegen  dieses  Einschmuggeln  so  vieler,  ofi 
unbeweisbarer,  oft  jedoch  falscher  und  willkürlicher  Auffassungen  des  Gan- 
zen und  des  Einzelnen  in  eine  »Denkmalsausgabe «,  in  ein,  vorläufig  ab- 
schliessendes Werk  unserer  ganzen  Kochanowskiforschung,  müssen  wir  ent- 
schieden protestiren. 

Mir  stehen  nicht,  um  das  Werk  zu  widerlegen  nnd  zu  ergänzen,  Hun- 
derte Quartseiten  engen  Druckes  zur  Verfügung.  An  ein  paar  Beispielen 
will  ich  jedoch  meinen  Vorwurf  erläutern  und  begründen;  ich  wähle  sie  im 
beliebigen  Durcheinander. 

Der  Verfasser  ist  eifriger  Katholik  und  als  solcher  bestrebt,  denKatholi- 
cismns  des  Kochanowski  reinzuwaschen.   Es  ist  zwar  Mohrenwäsche  —  bei 


A.  Brückner  über  J.  Eochanowski'B  Biog^raphie  von  Plenkiewicz.     239 

^faieni  Humanisten  des  XVI.  Jahrb.  mit  dessen  konfessioneller  Indifferenz, 
namentlich  aber  bei  Eochanowski,  der,  auch  nachdem  längst  protestantische 
Anwandinngen  seiner  Jugend  verflogen  waren,  sich  nicht  scheute,  in  seinen 
lateiniscben  und  polnischen  Gedichten  über  katholische  Geistlichkeit,  Heiligen- 
kalt, Legenden  u.  a.  zu  scherzen,  während  doch  sogar  sein  Freund  Gömicki 
sieh  scheute,  in  diesen  damals  allgemeinen  Chorus  einzustimmen.  Auf  Grund 
seiner  Scbrifton  haben  denn  auch  Protestanten,  seine  eifrigen  Verehrer  (unter 
den  Ersten,  die  TrauergesSnge  zu  Ehren  des  jäh  Verschiedenen  anstimmten, 
war  ja  ein  Protestant!),  ihn  für  einen  der  ihrigen  ausgeben  wollen  —  was 
allerdings  gleich  unrichtig  wäre.  Nun  legte  der  katholische  Bischof  Dudithius 
seine  Würden  nieder  und  heirathete;  der  »katholische«  Dichter  stellte  sich 
sofort  mit  einem,  wie  die  Schlussverse  beweisen,  wärmer  empfundenen  Ge- 
legenheitskarmen  gratulirend  ein;  wegen  dieses  »unpassenden«  Benehmens  ist 
der  Dichter  von  modernen  Katholiken  bereits  gehörig  abgekanzelt  worden. 
Herr  Plenkiewicz  geht  weiter:  er  findet  glücklich  heraus,  dass  die  Gratulation 
»ironisch»  gemeint  war  (S.  414f.),  dass  aus  ihr  eher  »Schadenfreude«  (ich 
brauche  seinen  eigenen  Ausdruck)  darüber  spricht,  dass  sein  einstiger,  so 
hochgestellter  Freund  »durch  eigenen  Leichtsinn  in  die  Reihe  allergewöhn- 
licbster  Menschen  heruntergestiegen  war«,  d.h.  Herr  Plenkiewicz  scheut  sich 
nicht,  seinem  Helden  einen  moralischen  Makel  (boshafte  Freude  über  einen 
Fehltritt  des  Freundes)  und  einen  künstlerischen  (denn  Niemand  durch  330 
Jahre  hat  die  »Ironie«  herausfühlen  können)  anzudichten,  um  nur  seinen 
Katholicismus  reinzuwaschen!  Mit  welchem  Triumphe  wird  nicht  S.  307  f. 
ein  Ausdruck  im  Einzugsgedichte  an  Bischof  Padniewski  (von  den  seine 
Heerde  bedrohenden  Wölfen)  gegen  Protestanten  ausgedeutet;  tiefsinnige 
Vermuthungen  über  den  Grund  dieser  Wandlung  beim  Dichter  werden  ange- 
stellt, in  Wahrheit  ist  es  jedoch  nur  eine  durch  die  Gelegenheit  gebotene 
Einflechtung,  eine  Floskel  christlicher  Rhetorik,  wie  so  oft  bei  einem  Huma- 
nisten u.  s.  w. 

S.  97 — 102  sucht  der  Verfasser  herauszufinden,  welche  polnischen  Ge- 
dichte der  Jugendzeit  oder  der  Krakauer  Studienzeit  (1544—1549)  angehören 
mögen.  Dass  nach  dem  eigensten,  unzweideutigsten  Zeugniss  des  Dichters, 
er  polnisch  zu  schreiben  erst  in  Padua  (und  es  ist  leicht  zu  begreifen,  warum 
gerade  dort  und  nicht  früher,  nicht  anderswo)  begonnen  hat  —  er  spricht  von 
seiner  dordgen  Latia  atque  reeens  (d.  i.  frische)  slaviea  Musa  Eleg.1,6  —  wird 
natürlich  unbeachtet  gelassen. 

Zu  diesen  Jugendgedichten  soll  nun  das  Lied,  Fragmenta  8,  gehören, 
Über  welches  ich  Archiv  VIII,  S.  509 — 511  gehandelt  habe;  ich  machte  darauf 
aufmerksam,  dass  ein  antiker  Stoff,  Ovid^s  achte  Heroide  (Hermione  an  Ores- 
tes) in  einer  Weise  verarbeitet  ist,  die  förmlich  an  das  Schicksal  der  Hallka 
von  Ostrog  erinnern  könnte,  und  erinnerte  an  das  Pendant  in  Pieini  1, 17, 
wo  eine  andere  Heroide  mit  etwas  ähnlicher  Freiheit  verarbeitet  ist  Herr 
Plenkiewicz  streicht  nun  meine  Vermuthung  über  die  Hallka  hervor,  ver- 
schweigt, dass  ich  selbst  auf  die  Heroide  und  auf  Pie^ni  1, 17  verwiesen  habe 
[im  Archiv  a.  a.  0.  sind  sogar  die  einzelnen  Verse  der  Heroide  und  des  Lie- 
des verglichen  worden),  widerlegt  nun  mit  Leichtigkeit  meinen  Hallkaeinfall 


240  KritiBoher  Anzeiger. 

und  ersetzt  ihn  durch  folgende  Ungehenerlichkeit:  die  im  Thnrme  gefangene 
Schöne,  die  ihren  Bruder  und  künftigen  Gemahl  um  Bettung  vor  dem  jetzigen, 
ungeliebten  Manne  anfleht,  ist  —  Elisabeth,  gest  1545,  die  erste  Gemahlin 
Sigismund  Augusts,  also  ist  das  Gedicht  bald  nach  1545  entworfen,  daher 
eines  der  gesuchten  Jugendgediohte.  Aber  woher  weiss  der  Verfasser,  dass 
das  Gredicht  auf  Elisabeth  geht?  Kein  einziger  Zug  desselben  passt  auch  nur 
im  entferntesten  auf  die  habsburgische  Prinzessin  (mit  demselben  Recht  hätte 
Katharina  von  Medici  oder  Maria  Stuart  genannt  werden  können!)  —  doch 
hält  der  Verfasser  ^inen  grossen  Trumpf  in  seiner  Hand:  im  Druck  von  1590 
ist  nämlich  das  Wort  Stryja  (der  Bruder  90II  nach  dem  Beispiel  seines  Oheinu 
Bache  Üben)  mit  grossen  Buchstaben  gedruckt,  folglich  geht  das  Wort  auf 
Kaiser  Karl  V.!!  Ich  will  dem  Verfasser  verrathen,  warum  das  Wort  8irt/ja 
gross  gedruckt  ist:  weil  damit  Kochanowski  eine  Korrektur  des  Ovid  be- 
zweckte. Hermione  hatte  ihren  Orestes  auf  das  Beispiel  des  Menelaus  zu 
▼erweisen,  der  ja  die  Helena  rächte,  und  bezeichnete  bei  Ovid  den  Menelaus 
als  socer  des  Orestes,  was  er  ja  noch  gar  nicht  war  und  auch  nie  (nach  dem 
Sinne  des  Menelaus)  werden  sollte ;  also  Menelaus  war  strt/j,  patruns  (nicht 
teäö,  socer)  des  Orestes,  daher  diese  Hervorhebung  des  sirfo'  durch  den  Druck! 
Wann  hat  denn  Karl  V.  die  Rolle  eines  Menelaus  gespielt?  wann  war  seine 
Maria  eine  Helena  gewesen?  und  konnte  Elisabeth  den  Bruder  auch  heira- 
then?  Alle  anderen  Argumente,  welche  die  Annahme  von  »  Jugendgedichten« 
aus  derselben  Zeit  stützen  sollen,  sind  gleichermassen  haltlos;  ebenso  yer- 
hält  es  sich  mit  dem  Ansetzen  »venetianischer«  Gedichte,  mit  der  ersten  Ar- 
beit an  den  Szachy  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

In  Petersburg  hatte  ich  eine  Handschrift,  GoUectanea  eines  (Protestan- 
ten) Osmölski,  gefunden,  welche  u.  a.  eine  Frühredaktion  zweier  Bücher  la- 
teinischer Elegien  des  Kochanowski  enthält;  ich  bewies,  dass  die  Redaktion 
spätestens  1563  entstanden  sein  kann,  ich  glaube  aber,  dass  auch  die  Ab- 
schrift von  1563  datirt.  Das  passt  nun  nicht  Herrn  Plenkiewicz,  denn  in 
dieser  Redaktion  von  1563  ist  eine  Elegie  enthalten,  die  nach  ihm  der  Dichter 
erst  1571,  während  und  in  Folge  jener  erfundenen  Romanliebschaft,  gedichtet 
haben  kann;  er  beweist  somit,  dass  Redaktion  und  Abschrift  bei  Osmölski 
nach  1571  fallen  müssen.  Aber  wie?  Er  verschweigt  meine  entscheidenden 
Gründe  und  schiebt  mir  dafür  Argumente  unter,  an  die  ich  nie  auch  nur  ge- 
dacht habe.  Nach  S.III  wäre  für  mich  »entscheidender  Hinweis«  (rozBtrxyga- 
jqcq  wskazowhq)  gewesen  eine  Notiz  auf  dem  ersten  Blatte  der  Hdschr.  » Joh. 
Cochanovii  Elegiae. . .  1552 — 1563«  —  aber  in  meinem  Studium  darüber  habe 
ich  jene  Notiz  gar  nicht  erwähnt,  weil  ich  wohl  weiss,  wie  wenig  derlei 
Notizen  (von  fremder  Hand)  etwas  beweisen  können.  Meine  rozsirzygajtica 
wskazdtokay  die  Plenkiewicz  nicht  mit  einem  Wörtchen  erwähnt,  war  (neben 
vielem  Anderen,  was  hier  übergangen  sei)  folgende:  in  den  Elegien  bei 
Osmölski  kommt  vor  eine  etwa  um  1559  geschriebene  Elegie  an  den  jungen 
T^zynski,  der  zu  den  höchsten  Hoffnungen  alle  berechtigte,  durch  Adel, 
Rang,  Reichthum  und  Anlagen  zugleich  —  aber  der  frühe  Tod  des  26  jährigen 
Verlobten  einer  schwedischen  Prinzessin  in  dänischer  Gefangenschaft  (vor 
dem  25.  Januar  1564)  zerstörte  alle  diese  Hoffnungen  und  so  hat  der  Dichter 


A.  Brückner  über  J.  Eochanowaki's  Biographie  von  Plenkiewicz.     241 

auf  diese  Toclesbotsohaft  hin  der  ISngst  abgeschlossenen  Elegie  Zusatzverse 
(Heu  miserande  puer  etc.)  zugedichtet.  Diese  Zusatzverse  fehlen  nun  in  der 
Bedaktion  bei  Osmölski,  folglich  faillt  diese  Redaktion  vor  1564  und  kann 
demnach  nicht  Verse  von  1571  enthalten  (und  enthält  auch  wirklich  nicht  das 
geringste  sonst,  was  nach  1563  gehOrte). 

Das  bedeutendste  Werk  des  Kochanowski,  dessen  Ruhm  bei  Mit-  und 
Nachwelt  sogar  die  Grenzen  Polens  überschritt  und  bis  Moskau  sich  verbrei- 
tete (vgl.  meine  Nachweise  Archiv  YIII,  490),  ist  der  Psalter.  Diese  centrale 
Stellung  nimmt  nun  der  Psalter  in  der  Darstellung  des  H.  Plenkiewicz  durchf 
ans  nicht  ein  —  bot  er  doch  allzuwenig  Stoff  zu  Kombinationen  und  Ge- 
schichtchen aller  Art,  doch  kommt  der  Verfasser  mehrfach  auf  ihn  zurück. 
Ich  hatte  zuerst  den  Nachweis  geführt  (a.  a.  0.  485—490),  dass  die  lateinische 
Psaltemachdichtung  des  (Protestanten)  Buchanan,  wenn  nicht  geradezu  den 
Antrieb,  so  jedenfalls  das  nachgeahmte  Muster  für  Kochanowski  abgegeben 
hat;  nachher  hat  A.  Sienicki  (Programm  von  Sambor  1893,  65  SS.)  dieses 
Verhaltniss  zwischen  dem  polnischen  Psalter  und  dieser  Paraphrasis  Psal- 
morum  eingehendst  geprüft  (in  33  Psalmen  fehlen  Beziehungen,  in  13  Psalmen 
sind  solche  sehr  zahlreich,  in  den  übrigen  kommen  sie  vereinzelt  vor).  Herr 
Plenkiewicz  kennt  die  Arbeit  von  Sienicki  nicht;  meine  Ausführungen  ver- 
ursachen ihm  Unbehagen,  doch  kann  er  sie  nicht  todtschweigen  und  sucht  sie 
nur  nach  Kräften  abzuschwächen.  Dazu  schiebt  er  in  den  Vordergrund  die 
polnischen  Uebersetzungen  des  Psalters  vor  Kochanowski,  lässt  ihn  mit  ihnen 
schon  seit  dem  Elternhause  vertraut  sein,  lässt  ihn  vom  Psalter  überall  be- 
gleitet sein  u.  dgl.  m.  —  alles  willkürliches  Gerede  ohne  jegliche  Stütze. 
Beim  Vergleich  zwischen  Kochanowski  und  Buchanan  hält  er  sich  ans 
Aeusserliche  —  an  das  beiderseitige  Metrum  und  findet  den  grössten  dichte- 
rischen Triumph  des  Polen  darin,  dass  derselbe  im  Psalm  136  den  26  mal 
wiederholten  »Refrain«  (»denn  ewiglich  ist  seine  Barmherzigkeit«)  jedesmal 
anders  variirt  hat,  als  ob  solche  Künstelei  Poesie  ausmachte :  Erasmus  hat 
die  Sätze  tnae  literae  me  magnopere  delectarunt  und  semper  dum  vivam  tui 
meminero  sogar  150  mal  variirt  —  wäre  etwa  auch  das  Poesie?  Falsch  ist 
die  Beziehung  des  Psalmes  35  (S.  469)  auf  persönliche,  trübe  Erfahrungen  des 
Dichters  im  Jahre  1571,  seine  dwomi  (darmojadowie)  sind  nämlich  kaum  b 
dwor^cy  aulici  Höflinge,  sondern  viel  eher  spöttelnde,  höhnende,  neugierige 
Menschen,  curiosu  Dagegen  fragt  er  nicht,  welche  Psalmen  bereits  vor  1571 
entstanden  waren  und  doch  könnte  man  dies  von  einigen  vermuthen,  z.  B. 
vom  XX.  und  XXI.,  die  an  Sigismund  August  förmlich  gerichtet  sein  könn- 
ten, und  übergeht  noch  manches  andere. 

Es  würde  uns  zu  weit  abführen,  wenn  wir  alle  falschen  Datirungen,  Be- 
ziehungen und  Auffassungen  des  Herrn  Plenkiewicz  berichtigen  wollten; 
nebenbei  sei  bemerkt,  dass  er  der  bekannten  Anekdote  von  Rej  und  Kocha- 
nowski, die  ich  a.  a.  0.  S.  495  ins  Reich  der  Erfindungen  verwiesen  habe, 
wieder  zum  Leben  verhelfen  will  (S.216 — 218):  »wenn  etwas. dieser  Tradition 
den  Anschein  der  Wahrheit  gewährt,  so  ist  es  dieser  Doppel vers  des  Rey,  der 
ans  seinem  leibhaftigen  Munde  entnommen  scheint«  —  mir  schien  gerade 
dieser  Doppelvers  mit  Rey  unverträglich  und  Hauptgrund  zur  Beanstandung 

ArehiT  für  BlaTiscbe  Pkiloloffie.   XXL  16 


242  Kritischer  Anzeiger. 

der  Anekdote:  ich  möchte  nun  Herrn  Plenkiewics  fragen,  ob  er  mir  im  ganzen 
Rey  zum  zweiten  Male  eine  bogini  ihwieMka  (BlayischeMnse)  wird  nachweisen 
können?  Begriff  und  Ausdruck  sind  Bey  vollstftndig  fremd,  ohne  Weiteres 
denkbar  im  Munde  eines  Koohanowski,  Miaskowski  oder  Herburt,  nur  nicht 
in  dem  des  sarmatischen  Satyr  von  Naglowiee,  dessen  Urtheil  über  Eocha- 
nowski  wir  übrigens  kennen. 

Sehr  ausführlich  handelt  der  Verfasser  über  die  schon  vielbesprochene 
Tragödie  Odprawa  (S.  551—572),  doch  bietet  er  wenig  Neues,  über  die  Ab- 
sichten des  Zamoyski  etwa  oder  über  den  Impuls,  den  Padua  und  das  dortige 
angebliche  Grabmal  des  Antenor  auf  die  Stoffwahl  abgegeben  haben.  Noch 
ausführlicher  handelt  er  über  die  Treny  (S.  606— 628):  er  beharrt  bei  der 
einst  landläufigen  Auffassung  der  verheerenden  Wirkungen  des  Schmerzes 
über  den  Verlust  des  Kindes  auf  den  Dichter  und  seine  Schaffenskraft  und 
sucht  sie  mit  neuen  Argumenten  zu  stützen;  er  gibt  einige  neue  Parallelen 
aus  Cicero  (undBoethius?)  und  das  ist  wohl  der  einzige  positive  Gewinn 
seiner  Ausführungen.  Denn  wenn  er  sich  vergebens  nach  einem  Muster  für 
das  Ganze  in  der  Antike  umsieht,  so  hätte  er  zu  seiner  Erklärung  nicht  nach 
Eschyläischen  Chören,  sondern  eher  zur  neulateischen  Poesie,  die  diese  Gat- 
tung stets  pflegte,  wenden  können.  Wenn  er  wiederum  als  eigentlich  zu- 
sammengehörend nur  die  Threni  II— IV,  VI— XI  und  XVII— XIX  hinstellt, 
die  übrigen  nur  als  »Varianten«  bezeichnet,  welche  der  Dichter  »in  seinem 
Schmerze  zwar  gleichzeitig  verfasst  habe,  weil  sie  ihm  Linderung  brachten, 
ohne  an  das  artistische  Ganze  und  dessen  Forderungen  zu  denken ,  die  er 
dann  nicht  mehr  missen  wollte  und  sie  daher  unter  die  übrigen  durcheinander* 
geworfen  hat  {m^cjeporoasrzucaipomifdtyjinne),  ohne  zu  denken,  ob  sie  nicht 
dem  Ganzen  schaden«  —  so  können  wir  ihm  hierin  wieder  nicht  folgen.  Der 
Wunsch  ist  hier  Vater  des  Gedankens  gewesen:  weil  die  Threni  I,  V,  XU — 
XVI  meist  »Erudition«  und  »Mythologie«  enthalten,  möchte  sie  der  moderne 
Leser  gerne  missen  —  aber  Eochanowski  war  anderer  Meinung!  In  dem  länd- 
lichen Gedichte  Sobötki  (das  scheint  der  ursprüngliche  Titel  gewesen  au 
sein)  wird  z.  B.  einem  Landmädchen  der  Philomelenmythus  in  den  Mund  ge- 
legt — ,  diese  und  ähnliche  klassische  Krücken  würden  wir  eben  so  gerne  bei 
Kochanowski  wie  bei  Szymonowic  oder  Miaskowski  missen,  leider  sind  sie 
von  Zeit  und  Geist  untrennbar,  gehören  zu  deren  festem  Inventar  und  müssen 
in  den  Kauf  genommen  werden;  ein  Sträuben  dagegen.  Wegerklären  u.  dgl. 
hilft  nicht. 

Doch  genug  der  Einzelnheiten;  wir  fassen  unser  Urtheil  zusammen.  Im 
Vergleich  zu  dem  Aufwand  von  Mühe,  Zeit  und  Kosten  ist  die  wissensehaft- 
liehe  Ausbeute  als  eine  geringe  zu  bezeichnen ;  es  ist  zwar  manches  berichtigt 
und  erklärt,  aber  dafür  sind  alte,  todtgeglaubte  Fehler  wieder  auferweckt 
und  viele  neue  hinzugefügt  worden;  das  grosse  Werk  ist  nicht  nur  kein  ab- 
schliessendes, letztes  Wort  über  Kochanowski  geworden,  es  ist  stellenweise 
hinter  dem  bisherigen  Forschungsertrag  zurückgeblieben.  So  ausführlich  das 
Werk  auch  ist,  bietet  es  doch  Lücken:  Urtheile  der  Zeitgenossen,  Wirkungen 
auf  dieselben  und  auf  die  Späteren,  allgemeinere  Ausführungen  über  den 
Lyriker  und  Epigrammatiker,  Reifen  seines  Ausdruckes,  Verhältniss  zur 


A.  Brückner  über  J.  Kochanowski's  Biographie  von  Plenkiewioz.     243 

Antike  im  Ganzen  n.  dgl.  m.  werden  entweder  gar  nicht  oder  nur  nebenbei 
berührt 

Es  erscheint  uns  somit  der  wissenschaftliche  Werth  des  grossen  Buches 
gering  —  aber  das  Boch  kann  in  anderer  Weise  vielleicht  recht  nützlich  wer- 
den: es  kann  beim  grossen  Pnbliknm,  bei  den  Laien,  historischen  Sinn  nnd 
YerstSndniss  wecken,  das  Interesse  an  heimischer  Geschichte  beleben  und 
vertiefen;  gelingt  ihm  dies  —  und  wir  wünschen  es  lebhaft,  so  scheint  uns 
alle  Mühe  nnd  Zeit  nicht  verschwendet,  so  kann  der  Verfasser  gerechten  An- 
spruch auf  dankende  Anerkennung  erheben. 

Die  Ausstattung  ist  dieselbe  gediegene  und  glänzende,  wie  in  den  vor- 
ausgegangenen BSnden;  beigegeben  sind  stattliche  Holzschnitte,  doch  war 
man  in  der  Auswahl  sehr  unglücklich:  statt  eines  Lehnstuhls  oder  Thürbe- 
sehläge  von  mehr  als  zweifelhafter  Authenticität  hätten  wir  z.  B.  Bildnisse  der 
wichtigsten  Personen,  der  Einige,  GOnner  (Bischof  Myszkowski  vor  allen, 
der  um  Eochanowski  und  dadurch  um  die  ganze  ältere  Litteratur  so  hoch 
verdiente  I)  u.  a.  viel  eher  beanspruchen  kOnnen.  A.  Brückner. 


Adam  Mickiewicz  przez  Dra.  Jözefa  Eallenbacha.  2  Tom. 
Eraköv^.   Spöika  wydawnicza  Polska.  1897.  T.  I.  300  S.,   T.  11. 

430  S. 

Unter  den  grossen  polnischen  Dichtem  dieses  Jahrhunderts  gibt  es  ge- 
wiss keinen,  der  die  literarische  Forschung  und  Kritik  in  so  hohem  Grade  l>e^ 
scfaäftigt  hat,  wie  Adam  Mickiewicz.  Und  mit  allem  Recht;  das  Leben  und 
die  Dichtung  des  Verfassers  der  »Dziady«  und  des  »Pan  Tadeusz«  bieten  ein 
so  vielseitiges  Interesse  dar,  dass  der  Gegenstand  für  die  polnischen  Litera- 
turkenner noch  immer  Anziehungskraft  besitzt,  sei  es  dass  man  denselben 
aus  rein  ästhetisch-literarischem  oder  politisch-geschichtlichem  oder  ethisch- 
psychologischem Gesichtspunkt  betrachtet. 

Was  über  Mickiewicz  in  der  polnischen  und  der  ausländischen  Literatur 
geschrieben  worden  ist,  seitdem  er  im  J.  1822  die  erste  Auflage  seiner  »Bal- 
lady  i  Romanse«  selbst  veröffentlichte,  bildet  schon  eine  umfangreiche  Lite- 
ratur an  sieh.  Leider  kann  man  doch  auch  in  diesem  Falle  den  Wunsch  nicht 
unterdrücken,  es  wäre  —  nicht  nur  für  den  Dichter,  sondern  auch  für  den 
betreffenden  Skribenten  —  besser  gewesen,  wenn  etwas  weniger  geschrieben 
worden  wäre.  Es  wird  mitunter  des  Guten  zu  viel  geleistet,  und  eine  Ueber- 
sehätBung  der  Werke  eines  anerkannten  Meisters,  aus  patriotischen  Gründen 
leicht  erklärlich  und  bei  einer  politischen  Nation,  wie  der  polnischen,  sogar 
verzeihlich,  dient  wenig  der  Sache  selbst. 

Immerhin  ist  von  den  polnischen  Literaturforschem  —  man  braucht  nur 
die  Namen  Biegeleisen,  Chmielowski,  Cybulski,  Nehring,  Pilat,  Tamowski, 
Tretiak,  Witwicki,  Zaleski  zu  erwähnen  —  und  von  der  in  Lemberg  seit  1886 
existirenden  Mickiewicz -Gesellschaft  (»Towarzystwo  literackie  im.  Adama 
Mickiewicza«),  sowie  auch  von  dem  Sohne  des  Dichters,  Wladyslaw  Mickie- 
wicz in  Paris,  so  viel  Material  gesammelt  und  kritisch  verwerthet,  dass  in 

16» 


244  Kritiseher  Anzeigen 

Betreff  neuer  Thatsachen  wenig  mehr  fUr  die  Hickiewicz-Literatnr  zn  er- 
obern sein  dürfte. 

Das  vorliegende  Buch  enthält  demnach  fast  nichts  Nenes  von  Belang ; 
es  ist  aber  eine  gewissenhafte  Zusammenstellung  und  Ausnutzung  des  bio- 
graphischen und  ästhetischen  Stoffes,  bisjetzt  das  Umfangreichste,  was  in 
einem  Buche  über  Mickiewicz  geschrieben  worden  ist.  Und  es  ist  —  Gott 
sei  Dank!  —  keine  patriotisch  übetriebenePanegyrik,  sondern  eine  schlich^, 
mit  klarem  Blick  und  warmem  Geftihl  geschriebene  Darstellung  der  Haupt- 
momente des  Lebens  und  der  Dichtung  von  Mickiewicz. 

Der  Biograph ,  Dr.  JozefKallenbach,  bekanntlich  Professor  der 
slayischen  Sprachen  und  Literaturen  an  der  Universität  zu  Freiburg  (in  der 
Schweiz),  selbst  Pole  von  Geburt,  hat  sich  schon  vorher  als  Mickiewicz-For- 
scher  dokumentirt  und  zwar  durch  einen  Essay  über  den  IV.  Theil  der 
»Dziady«  (»Czwarta  cz^i6  Dziadöw«,  Erakau  1888)  und  hat  die  besten  Vor- 
aussetzungen, um  eine  derartige  Aufgabe  zu  erfüllen :  er  beherrscht  die  be- 
treffende Literatur  vollständig  und  hat  in  selbständiger  Freiheit  arbeiten 
können,  ohne  die  ntfthige  Fühlung  mit  der  gelehrten  Welt  des  ehemaligen 
Königreiches  zu  verlieren. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  ein  solcher  Gegenstand  wie  der  ganze 
Mickiewicz  in  einem  Werke  von  nur  700  Seiten  nicht  völlig  erschöpft  werden 
kann.  Der  Verfasser  hat  sich  auch  sichtbar  bemüht,  das  Objekt  seiner  Unter- 
suchungen zu  begrenzen  und  keine  Seite  des  Dichters  auf  Kosten  einer  an- 
deren zu  stark  hervortreten  zu  lassen,  und  das  Resultat  ist  ein  in  chronolo- 
gischer Reihe  dargestelltes  Totalbild  in  klaren,  objektiven  Grundzügen.  Das 
Nebensächliche,  ebenso  wie  das  Apokryphische  und  Anekdotische  ist  sorg- 
fältig bei  Seite  gelassen,  und  durch  häufige  Hinweisungen  zu  den  Quellen  hat 
das  Buch  einen  grundlegenden  Werth  für  Diejenigen,  die  sich  mit  dem  pol- 
nischen Nationaldichter  eingehend  befassen  wollen. 

Durch  das  von  dem  Umfange  des  Buches  jbedingte  Verzichten  auf  De- 
tails und  Episoden  ist  der  Vortheil  gewonnen,  dass  thatsächliche  Irrthümer 
oder  unbeweisliche  Angaben  sich  nicht  haben  einschmiegen  können.  Wün- 
schenswerth  hätte  es  dem  Rec.  allerdings  geschienen,  dass  die  poetische  und 
literarische  Wirksamkeit  des  Mickiewicz  noch  etwas  mehr  gewürdigt  worden 
wäre,  z.  B.  eine  Bedeutung  für  den  polnisch-slavischen  Romantismus,  sein 
byronistischer  »Napoleonismus«  und  sein  Hauptwerk  »Pan  Tadeusz«.  Da- 
rüber ist  doch  schon  Viel  genug  geschrieben,  und  mehr  könnte  von  diesen 
Gegenständen  nicht  gesagt  werden,  ohne  die  spätere  Thätigkeit  des  Mickie- 
wicz (denTowianismus  und  den  politischen Messianismus)  zu  beeinträchtigen. 
Der  Hauptzweck,  der  mit  dem  Kallenbach'schen  Buche  erzielt  worden  war, » 
ist,  ein  grösseres  Publikum  mit  dem  Dichter  allseitig  bekannt  zu  machen,  was 
auch  als  gelungen  anzusehen  ist 

Aber  gerade  in  dieser  Hinsicht  scheint  es  dem  Recensenten,  es  wäre 
besser  gewesen,  wenn  das  Buch  in  französischer  oder  in  deutscher  Sprache 
erschienen  wäre.  Die  polnische  Lesewelt  kann  schon  genug  über  Mickiewicz 
in  den  polnischen  Bibliotheken  finden,  und  sein  Name  ist  schon  genügend 
anerkannt.   Mickiewicz  gehört  aber  der  Weltliteratur  an,  und  in  der  allge- 


A.  J(eii8en)  ttber  KallenbAch's  A.  Mickiewicz.  245 

meinen  Literatargeschichte  fehlt  es  uns  noch  an  einer  zuverlSssigen  Biogra- 
phie des  grossen  Dichters  (aasgenommen  die  Grandrisse  in  der  deutschen 
und  französischen  Ausgabe  der  slayischen  Literaturgeschichte  von  Pypin- 
Spasowicz).  Durch  Uebersetzungen  —  nicht  immer  befriedigend  —  ist 
Mickiewicz  in  der  Weltliteratur  schon  eingebürgert  -^  doch  lange  nicht  so, 
wie  er  es  verdient. 

Der  wissenschaftliche  Werth  des  Eallenbach'schen  Buches  wird  durch 
eine  Beilage  bisjetzt  ungedruckter  Briefe  von  und  über  Mickiewicz,  die  von 
verschiedenen  Seiten  dem  Herausgeber  zur  Verfügung  gestellt  worden  sind» 
nicht  wenig  erhöht.  A — d  /. 


Povjest  knjiievnosti  hrvatske  i  arpske.  Napisac  Dr. Büro 
äurmin.  1898.  8».  317  S.  Zagreb  (Kuglii  Deutsch). 

Endlich  haben  wir  eine  serbokroatische  Literaturgeschichte  I  So  könnte 
man  beim  Anblick  dieses  sehr  schön  ausgestatteten,  sogar  mit  zahlreichen 
Illustrationen  versehenen  Buches  ausrufen.  Man  würde  dabei  zwar  biblio> 
graphisch  nicht  ganz  genau  im  Ausdruck  sein,  da  man  sich  bekanntlich,  wenn 
man  von  meinem,  beim  Anfang  gebliebenen  Buch  ans  dem  J.  1867  absieht, 
eine  Literaturgeschichte  von  Stojan  Novakovid  und  eine  andere,  sogar  zwei- 
bändige von  S.Ljubid  ins  Gedächtniss  zurückrufen  muss.  Allein  das  Büchlein 
NovakoviiTs  ist  ein  ganz  kurz  und  trocken  gehaltenes  Hilfsmittel,  für  die  mitt- 
leren Schulen  bestimmt,  und  Ljubid  war  sein  ganzes  Leben  lang  und  auch  in 
seinem  »Ogledalo«  mehr  ein  Archäolog  und  Documentensammler,  für  die  liters" 
targeschichtlichen  Forschungen  wenig  geeignet.  Also  dem  Verfasser  des 
vorliegenden  Buches  wurde  in  der  That  wenig  vorgearbeitet.  Für  die  brei- 
teren Kreise  der  kroatischen  und  serbischen  Intelligenz  war  ein  solches 
Werk,  wie  das  oben  erwähnte  im  Sinne  und  nach  dem  Wunsch  der  rührigen 
Verleger  ausfallen  sollte,  in  der  That  noch  nicht  vorhanden.  Herrn  Dr. 
§armin  muss  das  Verdienst  unbenommen  bleiben,  zum  ersten  Male  in  kroati- 
scher Sprache  den  Versuch  gemacht  zu  haben,  für  das  grössere  Publicum 
ein  Gesammtbild  der  literarischen  Thätigkeit  der  Kroaten  und  Serben  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart  zu  entwerfen  und  zu  zeichnen. 
Selbstverständlich  konnte  bei  dem  ziemlich  knapp  bemessenen  Umfang  von 
etwas  ttber  300  Seiten  (den  Raum  für  Illustrationen  mitgerechnet)  das  Bild, 
wenn  es  wirklich  als  solches  auf  die  Leser  einwirken  soll,  nur  in  ganz  grossen 
Zügen  ausgeführt  werden,  mit  Ausserachtlassung  vieler,  den  Ueberblick  und 
Totaleindruck  nur  störenden  Einzelheiten.  Sonst  lag  die  Gefahr  nahe,  dass 
der  Erzähler  bei  der  anzustrebenden  Kürze  in  das  trockene  Aufzählen  von 
Namen  und  Titeln  verfallen  könnte,  wie  das  z.  B.  in  meiner  in  Jihoslovan6 
gelieferten  Skizze  wirklich  der  Fall  war,  wo  man  allerdings  diesen  Fehler 
wenigstens  einigermassen  durch  den  Umstand,  dass  jene  Skizze  für  ein  Con- 
versationslexicon  abgefasst  war,  entschuldigen  kann.  Soll  ich  die  Frage, 
ob  der  Verfosser  der  erwähnten  Gefahr  glücklich  entging,  aufrichtig  beant- 
worten ^  so  müsste  ich  sagen,  dass  ihm  das  nur  zum  Theil  gelang.    Er  hat 


246  Kritischer  Anzeiger. 

einen  Theil  des  Ballastes  allerdinge  mathig  ttber  Bord  geworfen,  doch  auch 
jetzt  noch  machen  sich  viele  Namen  breit,  hie  und  da  mit  wenigen  nichts- 
sagenden Worten  begleitet,  bei  denen  der  Leser  zu  gar  keiner  Vorstellung 
kommen  kann.  Man  lese  z.  B.  die  gedrängten  Namen  auf  8.96— 98, 102—104, 
106 — 107,  121  n.  s.  w.  ^nd  sage  sich  ehrlich,  ob  man  aus  dem  Gelesenen  viel 
Belehrung  schöpfen  kann,  ob  dadurch  das  Gesammtbild  besser  beleuchtet  und 
anschaulicher  wird.  Ich  mttohte  entschieden  nein  sagen.  Und  wenn  schon  in 
der  Darstellung  der  älteren  Perioden  hie  und  da  die  Darstellung  an  Ueber- 
ladung  durch  Nennung  der  Namen  und  der  Titel  leidet,  was  soll  man  erst  zur 
Schilderung  der  neueren  Literatur,  zumal  der  serbischen,  sagen,  wo  die  Zahl 
der  Namen  zunimmt  und  wo  nur  eine  Gruppirung  und  Gharakterisirung  nach 
bestimmten  Bichtunge;i  und  bei  jeder  die  Hervorhebung  des  Tonangebenden 
dem  ermüdeten  Gedächtniss  beispringen  und  erwünschte  Buhepunkte  schaf- 
fen könnte.  Nein,  bei  einer  neuen  Bearbeitung  des  Werkes  müsste  der  Ver- 
fasser in  dem  Bestreben,  seine  Literaturgeschichte  von  der  trockenen  Auf- 
zählung der  Namen  und  Titel  zu  befreien,  entschiedene  Fortschritte  mächen 
und  auf  grössere  Plastik  und  Anschaulichkeit  des  Ganzen  Gewicht  legen. 

Allerdings  kann  es  bei  der  Kürze,  der  man  gegenüber  dem  reichlich  vor- 
handenen Material  sich  befleissigen  muss,  sehr  leicht  geschehen,  dass  man 
etwas  Wichtiges  auslässt  und  etwas  Minderwichtiges  berücksichtigt.  Solche 
Ungleichheiten  sind  unvermeidlich,  namentlich  wo  die  Einzelforschung  noch 
nicht  den  Werth  jedes  Prodnctes  festgestellt  hat  Vieles  hängt  ausserdem 
von  dem  feinen  Geschmack  und  der  tüchtigen  Schulung  des  Literaturhisto- 
rikers ab.  Der  Verfasser  der  vorliegenden  Literaturgeschichte  zeigt  wenig 
Selbständigkeit  im  Urtheil,  er  lehnt  sich  meist  an  die  übliche,  zu  irgend  einer 
Zeit  in  den  Curs  gesetzte  und  vielfach  wiederholte  Ansicht  an,  ohne  an  der 
Richtigkeit  de]:8elben  zu  zweifeln,  ohne  sie  eigener  Prüfung  zu  unterziehen. 
Man  muss  aber  gerecht  sein  und  von  ihm  nicht  das  Unmögliche  verlangen. 
Wer  eine  beliebige  Literaturgeschichte  in  zusammenfassender  Darstellung 
liefert,  muss  mehr  oder  weniger  Compilator  sein,  er  kann  ja  nicht  alle 
Perioden  selbständig  studiren,  es  ist  schon  das  sehr  viel,  wenn  er  seine  Lei- 
stung aus  guten  Quellen  zu  schöpfen  und  nach  guten  Mustern  zusammenzu- 
stellen im  Stande  ist  Das  Buch  ^urmin's  verräth  den  Fleiss  des  Nachsuchens 
und  Sammeins,  aber  einen  gereiften  Geschmack  vermisse  ich  in  ihm.  Seine 
ganze  Auffassung  von  der  Aufgabe  der  Literaturgeschichte  —  man  kann  da- 
rüber in  seiner  Einleitung  nachlesen  —  wird  kaum  auf  Billigung  rechnen 
können.  Ihm  imponirt  entschieden  zu  stark  die  —  Versification :  er  stellt  die 
Belehrung  in  einen  zumeist  unbegründeten  Gegensatz  zur  Unterhaltung.  So 
soll  nach  ihm  bei  der  mündlichen  Volksüberlieferung  die  Belehrung  gänzlich 
—  ausgeschlossen  sein! !  Darum  bringt  er  es  viel  leichter  über's  Herz,  einen 
Namen  aus  dem  Bereich  der  »Belehrung«  auszumerzen,  als  einem  Versificator, 
der  ja  »unterhalten«  wollte,  wehe  zu  thun.  Selbst  in  der  älteren  Literatur,  wo 
embarras  du  choix  nicht  so  gross  ist,  trägt  er  kein  Bedenken,  einen  Kasiö 
oder  Mikalja  oder  Della  Bella  mit  Stillschweigen  zu  übergehen  (merkwürdig, 
Belostenec  und  Jambresiö  fanden  dennoch  Gnade),  während  viele  Minder- 
werthige  doch  wenigstens  dem  Namen  nach  genannt  wurden.   Aehnlichea 


y.  Jagiö  Aber  kroat-serb.  Literatargeschichte  Sarmin's.  247 

wiederholt  sich  in  der  neueren  Literatur.  Z.B.  ein  um  die  Hebung  der  Volks- 
bildung dureh  die  Schule  und  pKdagogische  Literatur  so  verdienter  Schrift- 
steller,  wie  es  It.  Filipoviö  war,  konnte  nach  der  Auffassung  des  Verfassers 
dieser  Literaturgeschichte  nie  und  nimmer  gegenüber  einem  beliebigen  Autor 
eines  massigen  Bändchens  von  nichtssagenden  Gedichten  aufkommen.  Wie 
wenig  ist  in  diesem  Buche  von  Bulek  die  Bede !  Freilich  hat  er  keine  Verse 
gemacht,  worfiber  sich  Dr.  äurmin  selbst  wundert  Wie  wenig  wird  der 
Leser  über  das  grosse  kritische  Talent  D.  Buvarac's ,  der  als  Geschichts- 
forscher dem  Backi  ebenbürtig  die  Hand  reicht,  belehrt.  Dass  Ljuba  Eova- 
ceviö,  Panta  Sredkoviö,  Eariö  u.v.A.gar  nicht  genannt  werden,  hat  wohl  den- 
aelben  Grund.  Wer  die  Triebfedern  des  culturellen  Lebens,  dessen  Gentrum 
Agram  bildet,  einigermassen  kennt,  wird  sich  wundem,  einige  Namen,  wie 
z.B.  Antun  Staroevid,  gar  nicht,  andere,  wie  z.  B.  Perkovac,  Miskatoviö,  kaum 
genannt  zu  finden. 

Man  wird  beim  Mangel  an  monographischen  Untersuchungen  leicht  be- 
greiflich finden,  dass  einzelne  Theile  des  Werkes,  je  nach  dem  Stande  der 
Vorarbeiten,  sehr  ungleich  ausgefallen  sind.  Entschieden  besser  sind  die 
ältesten  Abschnitte  und  auch  die  mittleren  Perioden  der  Literatur,  als  die 
neuere  Zeit  ausgearbeitet.  Der  erste  Theil  des  Buches  ist  überhaupt  im  Ver- 
hältniss  zur  neueren  Zeit,  die  doch  hauptsächlich  auf  die  weiteren  Leser- 
kreise Anziehungskraft  ausüben  kOnnte,  viel  zu  ausfUhrlicb.  Die  schwächste 
Seite  des  Werkes  bildet  die  neuere  serbische  Literatur.  Dieser  Abschnitt 
bedarf  einer  gründlichen  Umarbeitung.  Man  fühlt  es  aus  der  Darstellung 
heraus,  wie  unsicher  da  die  Kenntniss  des  Verfassers,  wie  unselbständig 
sein  Urtheil  ist.  Offenbar  besitzt  er  selbst  kein  abgerundetes  Bild  der 
neueren  serbischen  Literatur,  wie  soll  er  es  für  die  Leser  zu  Wege  bringen  I 
Ich  sehe  von  solchem  lapsus  calami,  wie  die  Vereinigung  des  Bozidar  und 
Bogoljub  Petranovid  in  einer  einzigen  Person,  ab  (S.  282).  Aber  die  Auf- 
einanderfolge der  einzelnen  Dichter,  mit  Ausserachtlassung  ihres  inneren 
Zusammenhangs,  ohne  Betonung  der  Verwandtschaftsverhältnisse,  lässt 
viel,  sehr  viel  zu  wünschen  übrig.  Wie  kann  man  z.  B.  den  Vladika  Petar 
in  die  Epoche  von  1847  bis  1868  setzen  und  auf  diese  Weise  weit  von  Sime 
Milutinovid  trennen,  während  sie  doch  als  Aelterer  und  Jüngerer  beide 
einer  und  derselben  Epoche  angehören,  mit  manchen  verwandtschaftlichen 
Zügen  und  Berührungspunkten?  Fühlte  denn  der  Verfasser  nicht  das  Un- 
passende, da  er  den  Branko  Badioeviö  vor  den  Vladika  Petar  stellte  und  den 
Dr.  Jov.  Subbotiö  als  einen  nach  Branko  auftretenden  Dichter  behandelte  ?f 
Wo  ist  da  der  literaturgeschichtliche ,  wo  ist  da  der  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechende Zusammenhang?  Nach  welcher  Logik  der  Ttiatsachen  wird  Laza 
Kosti^  mit  zwei  banalen  Ausdrücken  erst  auf  S.  299,  d.  h.  nach  den  beiden 
Ilijö  (Vojslav  und  Dragutin),  und  der  ganzen  Phalange  jüngerer  Dichter  ge- 
nannt? Wie  kann  Andra  Gavriloviö  vor  Lazar  Lazareviö  zur  Sprache  kom- 
men? Wodurch  will  der  Verfasser  rechtfertigen,  dass  er  früher  von  Miliöeviö 
als  Erzähler  spricht,  dessen  3HMH»e  Beqeps  ein  Jahr  nach  dem  Tode  Ljubisa's 
erschienen,  und  dann  erst  den  Ljubisa  zur  Sprache  bringt,  der  auf  diese  Weise 
unter  die  jüngeren  Erzähler  gerieth,  wo  nicht  sein  Platz  ist,  er  sollte  über- 


248  Elitischer  Anzeiger. 

haupt  näher  zu  Montenegro  gerückt  werdeoi  geradeso  wie  z.  B.  Matavulj  mit 
seinen  besten  Leistungen  ein  Dalmatiner  ist,  wie  Vuk  Vroeviö  ein  Sprachrohr 
von  Heroegovina  war,  u.s.w.  Ueberhanpt  weder  der  geographische  Gesichts- 
punkt  (ich  meine  den  inhaltlich  geographischcD,  doch  dieser  stimmt  in  der 
Regel  mit  dem  Ursprung  des  Dichters  selbst  ttberein,  der  ja  doch  wohl  mei- 
stens aus  der  Gegend  seiner  ältesten  und  besten  Bekanntschaft  Schilderungen 
von  Land  und  Menschen  ableiten  wird),  noch  die  Geschmacksrichtung  und 
Schulung  gibt  irgend  welche  Eintheilung  der  neueren  Literatur  ab,  alles  wird 
bunt  durcheinander,  selbst  ohne  genügende  Berücksichtigung  der  chronolo- 
gischen Beihenfolge,  erzählt.  Nirgends  werden  gemeinsame  leitende  Gedan- 
ken, nirgends  die  Ideale,  welche  die  Vertreter  der  Literatur  beseelten,  nirgends 
die  Eindrücke,  die  sie  auf  die  Zeitgenossen  hervorbrachten,  besprochen.  Hat 
der  Leser  das  Buch  zu  Ende  gelesen,  so  weiss  er  erst  nicht,  woran  er  mit  die- 
sem Haufen  von  Namen  der  Schriftsteller  und  ihrer  Werke  ist,  repräsentirt 
die  serbokroatische  Literatur  eine  Macht  und  wie  äussert  sich  diese  auf  die 
Gesellschaft?  Hat  sie  eine  erziehende,  aufklärende  Kraft  ausgeübt  und  in 
welcher  Richtung?  Vermag  sie,  um  den  naiven  Standpunkt  des  Verfassers 
einzunehmen,  die  Gesellschaft  zu  fesseln,  anzuziehen  und  zu  unterhalten? 
Ebensowenig  kommen  die  verschiedenen  Einflüsse,  unter  welchen  in  ein- 
zelnen Perioden  die  Literatur  stand,  anschaulich  zur  Geltung.  Mit  einem 
Wort,  von  der  Vertiefung  in  den  Gegenstand,  von  einer  verständniss vollen 
Würdigung  der  guten  und  schlechten  Seiten  der  serbokroatischen  Literatur 
verspürt  man  in  diesem  Buche  äusserst  wenig.  Da  ich  am  Ende  dennoch 
wünschen  muss,  dass  das  Werk  in  Ermangelung  eines  besseren,  viele  Leser 
finde,  so  möchte  ich  auch  dem  Verfasser  desselben,  der  ja  noch  jung 
und  bildungsfähig  ist,  den  Gedanken  nahe  legen,  sich  etwas  mehr  in  seine 
Aufgabe  zu  vertiefen;  er  darf  ja  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  er  damit  eine 
grosse  Verantwortung  übernimmt,  um  bei  seinen  Lesern  keine  falschen  Ur- 
theile  und  Ansichten  zu  erwecken,  dass  er  dem  Andenken  vieler  verdienst- 
lichen Männer  aus  älterer  und  neuerer  Zeit  Gerechtigkeit  und  Unparteilich- 
keit schuldet  und  dass  er  auch  gegenüber  der  Mitwelt  sich  sehr  hüten  muss, 
dem  unbegründeten  Eigendünkel  Vorschub  zu  leisten. 

Mehr  noch  als  die  Mängel  an  Einzelheiten,  auf  die  ich  nicht  weiter  ein- 
gehen will,  berührt  mich  unangenehm  der  unlösbare  Widerspruch,  über  den 
ich  mich  nicht  ruhig  hinwegsetzen  kann,  zwischen  der  einige  Male  in  der 
Einleitung  betonten  Behauptung,  die  Kroaten  und  Serben  seien  6in  Volk  mit 
6iner  Sprache  —  und  an  diesem  Palladium  sollten  doch  alle  Kroaten  und 
Serben  festhalten  —  und  der  damit  durchaus  nicht  übereinstimmenden  Be- 
handlung der  Literatur  dieses  6inen  Volkes  als  zwei  ganz  getrennte  Grössen. 
Wo  ist  da  die  Unwahrheit  oder  Unaufrichtigkeit  ?  Ich  sollte  mich  einer  Kritik 
dieses  auffallenden  Widerspruchs  zwischen  der  Behauptung  und  Bethätigung 
enthalten,  da  ja,  wie  es  scheint,  die  Beurtheiler  des  Werkes  damit  einver- 
standen sind,  wenigstens  erinnere  ich  mich  nicht,  gelesen  zu  haben,  dass  da- 
gegen Einwendungen  erhoben  wurden.  —  In  der  That,  wer  die  heute  immer 
lauter  werdenden  Ausbrüche  des  Hasses  auch  nur  halbwegs  zu  Ohren  be- 
kommt -—  und  ich  gestehe  nur  sehr  fragmentarisch  mit  diesen  Blüthen  der 


y.  Jagiö  über  kroat.-86rb.  Literaturgeschichte  äurmin's.  249 

Zwiflt  yertraut  zn  sein  — ,  wer  die  sich  auf  allen  Gebieten  des  öffentlichen  und 
gesellschaftlichen  Lebens  vollziehende  Trennung  und  Absonderung  beobachtet, 
dem  wird  es  für  den  ersten  Augenblick  schwer  fallen  zu  glauben,  dass  er  eine 
ethnische  und  geistige  Einheit  vor  sich  hat.  Allein  man  vergesse  doch  nicht, 
dass  die  Gleschichte  der  Literatur  etwas  mehr  als  eine  einzige  Epoche  zu  um- 
fassen bestimmt  ist.  Einer  Epoche,  die  vielleicht  wirklich  reichlichen  Grund 
zur  abgesonderten  Behandlung  gibt,  können  ja  vorausgehen  oder  nachfolgen 
andere  und  zwar  solche,  in  welchen  die  Trennung  in  einen  aus  den  ephe- 
meren Umstünden  abgeleiteten  Dualismus  vor  der  ruhigen  Erwägung  nicht 
Stand  hElt.  Und  das  ist  bei  der  Literaturgeschichte  der  Kroaten  und  Serben, 
wenigstens  was  die  Vergangenheit  betrifft  —  die  Zukunft  ist  ja  in  Gottes 
Hand  — ,  wirklich  der  Fall.  Im  Laufe  von  Jahrhunderten  ihres  geistigen 
Lebens  machten  sich  einigende  und  trennende  Factoren  in  sehr  verschiedener, 
sich  ablösender  und  bekämpfender  Weise  geltend,  aber  mit  der  theoretischen 
Aufstellung  des  Dualismus  im  Sinne  der  modernen  separatistischen  Be- 
strebungen kann  man  ihnen  nicht  beikommen.  Ich  will  nicht  in  Abrede 
stellen,  dass  es  in  der  Geschichte  des  politischen  und  culturellen,  geistigen 
Lebens  der  Kroaten  und  Serben  mehr  trennende  als  einigende  Momente  gab, 
aber  diese  Kräfte  wirkten  in  verschiedenen  Dimensionen  und  kreuzten  sich 
so  untereinander,  dass  man  dennoch  leichter  mit  der  Aufstellung  eines  monisti- 
schen als  eines  dualistischen  Princips  den  wahren,  reellen,  wirklichen  Verhält- 
nissen verschiedener  Epochen  auf.  den  Grund  kommt  Dr.  Murmln  sieht  sich 
selbst  gezwungen,  weuigBtens  die  Volksdichtung  und  überhaupt  die  VolksUber- 
liefemng  als  etwas  Einheitliches  zu  behandeln.  Ferner  kann  er  nicht  umhin, 
den  Ursprung  der  kirchenslav.  Literatur  für  das  ganze  Gebiet  in  einem  Pro- 
eess  zu  finden.  Wie  wenig  geschichtlichen  Sinn  verräth  er  aber,  wenn  er 
gleich  darauf,  von  einem  gewissen  Zeitpunkt  an,  auf  einmal  den  Glagolismus 
ausschliesslich  den  Kroaten,  den  Gyrillismus  ausschliesslich  den  Serben  im- 
putirt  —  doch  nein,  hier  macht  er  zu  Gunsten  der  Kroaten  eine  Ausnahme 
und  spricht  von  der  »bosnischen«  cyrillischen  Schrift  als  geistigem  Eigen- 
thnm  der  Kroaten.  Also  ein  Literaturhistoriker  aus  dem  Ende  des  XIX. 
Jahrh.  kann  sich  nicht  auf  den  Standpunkt  emporschwingen,  den  die  armen 
sich  selbst  tiberlassenen  Glagoliten  des  XIV. — ^XV.  Jahrh.  einzunehmen  Ein- 
sicht genug  hatten,  d.  h.  ihnen  war  der  Inhalt  der  cyrillischen  Literatur  be- 
kannt, sie  schöpften  aus  demselben  wie  aus  ihrer  eigenen  Quelle  und  variirten 
nur  die  Schrift.  Weiss  der  Verfasser  dieses  Buches  nichts  von  den  Resultaten 
der  slavistischen  Studien  auf  diesem  Gebiete  seit  §afaHk?  Hörte  er  nichts 
von  dem  gemeinsamen  Ursprung  aller  liturgischen  Texte,  mögen  sie  nun 
cyrillisch  oder  glagolitisch  niedergeschrieben  sein?  Ist  es  ihm  nicht  bekannt, 
dass  sogar  cyrillische  und  glagolitische  Texte  der  Troja-  und  Alexandersage, 
cyrillische  und  glagolitische  Apokryphenerzählungen  entweder  noch  wirklich 
existiren  oder  als  vorhanden  gewesen  anzunehmen  sind  ?  Freilich  weiss  er 
alles  das,  allein  er  verstand  es  nicht,  die  Thatsachen  richtig  zu  verwerthen 
und  geschichtlich  treu  darzustellen.  Zerstückelt  unter  »kroatisch«  und  »ser- 
bisch« kommt  in  seinem  Buche  die  wahre  Bedeutung  der  kirchenslavischen 
Literatur  gewiss  nicht  voll  zur  Geltung,  ja  die  merkwürdigsten  BlUthen  der- 


250  E^tischer  Anzeiger. 

selben  werden  kaum  unter  der  »serbiiMshen«  Literatur  gestreift  nnd  etwas  da- 
von wird  in  ungerechtfertigter  Weise  ausschliesslich  für  »Bosnien«  in  An- 
spruch genommen. 

Hat  der  Verfasser  durch  die  Entsweireissung  der  Literatur  in  zwei  ge- 
trennt behandelte  Theile  wenigstens  innerhalb  jeder  H&lfte  eine  grossere 
Einheitlichkeit  erzielt?  Keineswegs.  Man  braucht  nur  sein  Buch  in  die  Hand 
zu  nehmen,  um  das  zu  verneinen.  Er  musste  doch  bei  der  »kroatischena 
Literatur  die  territorialen  Ausstrahlungen  anerkennen,  er  konnte  doch  nicht 
die  slavonische  oder  bosnische  Epoche  in  der  dalmatinisch-ragusanischen, 
oder  die  ki^kavische  in  irgend  einer  von  diesen  aufgehen  lassen.  Mit  einem 
Worte,  eine  »kroatische«  einheitliche  Literatur  im  modernen  Sinne  gab  es 
damals  ebensowenig,  wie  eine  »serbische«,  ausser  der  kirchlichen.  Wozu  also 
einseitige  Annexionen  im  modernen  Sinne  der  Vergangenheit  aufdrängen  und 
die  Brandfackel  der  modernen  Zwist  in  vergangene  Jahrhunderte  hinein* 
tragen,  die  ja  genug  an  eigenen  Bedrängnissen  und  Nöthen  zu  leiden  hatten. 
Was  erreichte  man  damit,  dass  sich  der  Verfasser  nicht  begütigte,  auf  der 
natürlichen  Basis  der  sprachlichen  Einheit  stehen  bleibend,  den  ganzen  Gang 
des  geistigen  Lebens  dieser  mehr  vom  Elend  heimgesuchten  als  vom  Gltlck 
begünstigten  Länder  in  geschichtlicher  Entwickelung  zu  beleuchten?  Zu- 
nächst zerriss  man  durch  die  Zweitheilung  den  innigen  Verkehr,  den  Jahr- 
hunderte lang  Bagusa  mit  den  Hinterländern  der  Balkanhalbinsel  pflegte,  der 
nicht  bloss  mercantiler,  sondern  auch  culturell  geistiger  Natur  war  und  in 
der  Literaturgeschichte  schon  wegen  der  zahllosen  cyrillischen  Urkunden, 
die  uns  die  ragusanischen  Archive  gerettet  haben,  zur  Sprache  kommen  und 
cbarakterisirt  werden  muss.  Gewiss  sind  geschriebene  Urkunden  ebenso  ein 
Stück  des  geistigen  Lebens  wie  die  geschriebenen  Gesetze,  wie  die  geschicht- 
lichen Aufzeichnungen,  wie  die  Grcsangs-  und  Gebetbücher.  Man  muss  also 
den  EigenthUmlichkeiten  der  Freistadt  Ragusa  dadurch  gerecht  zu  werden 
trachten,  dass  man  ihren  weiten  Horizont  nicht  durch  moderne  Engherzigkeit 
in  zu  engen  Rahmen  treibt.  Wer  das  geistige  Leben  Ragusas  vom  XU.  bis 
XVIII.  Jahrh.  einseitig  als  »kroatisch«  oder  als  »serbisch«  hinzustellen  sich 
abmüht,  versündigt  sich  an  der  Geschichte  dieser  klugen,  weitsichtigen  Stadt, 
verkennt  ihren  Charakter  und  reisst  sie  von  ihrer  glänzenden  HOhe  herab. 
Dann  aber  wird  durch  die  Zweitheilung  der  Literatur  die  so  merkwürdige 
Mittelstellung  Bosniens  in  falsche  Lage  versetzt,  sie  hört  auf,  den  Tummel- 
platz zweier  cultureller  Strömungen,  der  byzantinischen  und  der  römischen, 
abzugeben,  die  sich  dort  durch  Jahrhunderte  geltend  machten  und  bekämpf- 
ten, wobei  bald  der  eine,  bald  der  andere  Einfluss  die  Oberhand  gewann.  Zur 
Charakteristik  Bosniens  genügt  es  nicht,  so,  wie  es  hier  geschah,  mit  den 
Bogomilen  anzufangen  und  dann  gleich  einen  Salto  mortale  zu  den  Francis- 
canem  zu  machen:  danoiit  ist  der  volle  Inhalt  der  literaturgeschichtlichen 
Themen  betreffs  dieses  Theiles  der  serbokroatischen  Gesammtheit  nicht  er- 
schöpft. Und  wie  bewährt  sich  diese  Zweitheilung  im  »aufgeklärten«  XIX. 
Jahrb.?  Fördert  sie  die  Erklärung  der  literaturgeschichtlichen  Thatsachen, 
mögen  diese  unter  was  immer  für  Namen  auftauchen?  Gewiss  nicht.  Selbst 
der  heute  in  allen  Tonarten  geführte  Streit  zwischen  »serbisch»  und  »kroa- 


y.  Jagiö  über  kroat.-86rb.  Literatargeschichte  §annin'8.  251 

tisch«  bleibt  nach  dem  Bach  Sarmin^s  onTerständlich.  Wären  das  zwei  so« 
getrennt  von  einander  und  neben  einander  gehende  Literataren,  wie  das  in 
seinem  Bache  zor  Darstellang  kommt,  wie  könnte  man  da  so  viel  schreien  i 
und  zanken?  Noch  viel  bezeichnender  scheint  mir  dieThatsache  zu  sein, 
dass  man  viele  literarische  ErschelDungen  der  modernen  Zeit  (seit  der  Mitte 
unseres  Jahrhunderts)  nur  unter  dem  Gesichtspunkt  der  ans  der  Einheit 
sich  ergebenden  gegenseitigen  Beeinflussung  überhaupt  verstehen  kann. 
Das  ist  freilich  ein  Gapitel,  über  welches  der  Verfasser  dieser  Literatur- 
geschichte wie  über  vieles  Andere  gründlich  schweigt.  Vielleicht  fehlt  auch 
der  gegenwärtigen  Zeit  die  dazu  nOthige  Buhe  und  Unbefangenheit,  um  die 
Frage  zu  behandeln,  welche  Befruchtung  Agram  von  Belgrad  und  Belgrad 
von  Agram  in  der  Sprache  und  Literatur  empfangen.  Aber  mag  man  sich 
heute  noch  in  gegenseitiger  Selbstüberhebung  dagegen  auflehnen,  einmal 
wird  die  Frage  doch  gestellt  und  beantwortet  werden  müssen. 

Selbstverständlich  lässt  sich  über  dieses  Thema  noch  viel  sagen,  ich 
begnüge  mich  mit  kurzen  Andeutungen,  um  meinem  Schmerz,  meiner  Ent- 
täuschung Ausdruck  zu  geben.  Mir  schwebte,  als  ich  als  ganz  junger  Mann 
die  Skizze  für  Jihoslovan^  schrieb,  und  als  ich  den  ersten  Theil  der  Literatur- 
geschichte herausgab,  ein  ganz  anderes  Bild  vor,  ich  hätte  mir  damals  aif  ch 
nicht  träumen  lassen,  dass  zu  Ende  des  Jahrhunderts  die  Ideen,  die  uns  dar- 
mals  heilig  waren,  von  der  nachkommenden  Generation  verworfen,  verleugnet 
werden.  In  diesem  Sinne  betrachte  ich  dieses  Buch  als  einen  beklagens- 
werthen  Bückschritt,  mag  ich  mit  dieser  Auffassung  auch  vereinzelt  da- 
stehen. Persönlich  will  ich  damit  Niemandem  nahe  treten,  am  allerwenigsten 
den  Verfasser  des  Buches  tadeln.  Er  ist  unter  solchen  Eindrücken  grossge- 
wachsen, er  handelte  nach  seiner  Ueberzeugung,  die  ich  nicht  theilen  kann. 

F.  Jag%6, 

StaroccBkä  Gesta  Bomanornm.  Die  staro6esk^ch  mkopisü 
podÄYä  Dr.  Jan  V.  Noyäk  (Altböhmische  Qesta  Bomanoram. 
Nach  altböhm.  Handschriften  veröffentlicht  von  Dr.  Jan  V.  Nov&k 
in  »Sbirka  pramentiy  kn  poznänl  literämiho  ^vota  t  Cechäch,  na 

Morayfi  a  y  Slezskuff.    Vyd&vä  III  trida  ceskö  akademie 

Gruppe  1.  Reihe  2.  Nr.  2).  V  Praze  1895.  8o.  XXIV  +  259  S. 

Kurz  nach  einander  erschien  die  polnische  Uebersetzung  der  Gesta  Ro- 
manorum als  »Hystorye  rzymskie«  (Gesta  Romanorum)  vydal  Dr.  JanBystroÄ. 
Krakow  1894.   80  (nach  alten  Drucken)  und  die  vorliegende  altbOhmische. 

Von  einer  altböhm.  Uebersetzung  der  Gesta  Romanorum  hatte  man 
früher  vor  dem  Erscheinen  dieser  Ausgabe  nur  Proben,  welche  J.  Jirecek  in 
der  böhm.  Zeitschrift  ^Casopis  oesk^ho  museum«  1862,  S.  369 — 380  nach  einer 
Hs.  der  Prager  Universitätsbibliothek  (XVII.  F.  28)  veröffentlicht  hat  Diese 
enthält  111  Erzählungen.  Im  nächsten  Jahrgange  derselben  Zeitschrift  (1863) 
S.  91 — 98  gab  er  Proben  aus  einer  anderen  Olmützer  Hs.  ähnlichen  Inhaltes,, 
doch  stellt  es  sich  heraus,  dass  unter  den  35  Erzählungen  dieser  Hs.  nur  etwa^ 


252  Kritischer  Anzeiger. 

zwei  inhaltlich  mit  den  Gesta  Romanoram  Übereinstimmen,  wShrend  die  an- 
deren bloss  in  ihrem  Geiste  geschrieben  sind.  Diese  Hs.  kann  demnach  bei 
der  Frage  nach  der  ursprünglichen  Gestalt  der  altbOhm.  Üebersetzung  unseres 
Textes  nur  von  minderer  Bedeutung  sein.  Von  dem  Herausgeber  der  altböhm. 
Üebersetzung  blieb  sie  auch  ganz  unberücksichtigt.  Eine  andere  Hs.,  die  sich 
in  der  Prager  Museumsbibliothek  befindet  (3.  F.  25),  gehOrt  dagegen  in  diesen 
Kreis.  Wie  die  erste  ist  sie  auch  unvollständig,  doch  ergänzen  sich  beide  Hss. 
so,  dass  man  sich  selbe  zu  einem  Ganzen  vervollständigen  konnte. 

Dazu  kam  nun  in  neuerer  Zeit  eine  dritte  Hs.,  die  Bi^eznitzer,  welche 
sich  nun  ebenfalls  in  der  Prager  Museumsbibliothek  befindet  (VIII.  E.  1.]. 
Da  dies  eine  vollständige  Hs.  ist  und  den  Text  besser  als  die  anderen  wieder- 
gibt, so  war  ihre  Herausgabe,  seit  dem  sie  bekannt  wurde,  dringend  erwünscht. 
Diese  Aufgabe  nahm  nun  Prof.  J.  V.  Nov&k  auf  sich  und  bot  uns  eine  Aus- 
gabe, für  die  wir  ihm  dankbar  sein  müssen.  Seiner  Ausgabe  hat  er  selbstver- 
ständlich dieBfeznitzerHs.  zu  Grunde  gelegt.  An  den  Text  dieser  Hs.  schliesst 
sich  enger  an  jener  der  Museumshandschrift ,  so  dass  die  Varianten  daraus 
einfach  nur  unter  dem  Striche  angebracht  werden  konnten.  Der  Text  der  in 
der  Universitätsbibliothek  befindlichen  Hs.  weicht  dagegen  schon  bedeutend 
ab,  der  Herausgeber  hat  ihn  daher  selbständig  im  Anhang  (S.  160—250}  ver- 
öffentlicht. Doch  gehen  alle  diese  Texte,  wie  er  überzeugend  nachweist,  auf 
eine  einzige  ursprüngliche  altböhmische  Üebersetzung  zurück. 

Was  nun  das  Original,  nach  welchem  übersetzt  wurde ,  anbelangt,  so 
findet  der  Herausgeber,  dass  es  gewiss  vor  allem  ein  lateinischer  Text  war. 
Dafür  sprechen  einzelne  Uebersetzungsfehler,  die  nicht  selten  in  allen  erhal- 
tenen altböhm.  Hss.  wiederkehren,  obzwar  sie  handgreifliche  Unmöglichkeiten 
enthalten.  So  lesen  wir  in  allen  drei  Handschriften :  k  tomu  (vzal)  pikny  konik 
svuoj  maly ;  i  jal  ah  jiti . . .  pravü  nohü  na  hiebet  pekn^ho  8v6ho  konika  vlotil 
. . .  was  dem  lat.  Text:  »suemque  pulcherrimam  (sumpsit)  pro  equo;  dextrum 
crus  suum  super  dorsum  pulcherrimi  suis  posuit  velut  equitans«  entsprechen 
soll.  Sei  es  dass  die  Hs.  so  ungenau  war,  sei  es  dass  der  Uebersetzer  sein  la- 
teinisches Original  nur  flüchtig  las,  jedenfalls  brachte  er  hier  eine  Leistung 
zu  Stande,  auf  die  er  nicht  sonderlich  stolz  sein  könnte,  da  er  das  Subst.  sus, 
suis  mit  dem  Pron.  suusy  suo  verwechselte,  was  ihn  zu  einer  Ungeheuerlichkeit 
in  der  Üebersetzung  führen  musste :  er  lässt  einen  Ritter  zu  seinem  König  so 
kommen,  dass  der  Bitter  den  einen  Fuss  auf  dem  Rücken  seines  Pferdes  hat 
und  mit  dem  andern  über  den  Boden  einherschreitet!  So  lange  man  keine 
lat.  Hs.  mit  solchen  Missverständnissen  findet,  muss  man  sie  auf  die  Rechnung 
des  Uebersetzers  setzen.  Neben  diesen  Uebersetzungsfehlern  und  Missver- 
ständnissen findet  man  selbst  noch  lateinische  Worte  in  dem  altböhm.  Text. 
So  liest  man  in  der  Bfezniizer  Hs.  und  in  der  Mumseumschr.  das  Wort  hur- 
genstSy  in  der  Hs.  der  Universitätsbibliothek  das  Wort  autemf  man  sieht  also 
ganz  deutlich,  dass  ein  lateinischer  Text  zu  Grunde  lag.  Dem  Herausgeber 
war  es  jedoch  nicht  möglich  unter  den  vielen  lat.  Hss.  einen  entsprechenden 
Text  zu  finden.  In  der  Prager  Universitätsbibliothek  gibt  es  zwar  zwei  lat 
Hss.,  welche  die  Gesta  Romanorum  enthalten  und  die  verwandt  sind  mit  dem 
böhm.  Text,  aber  sie  sind  unvollständig  und  ausserdem  fehlen  ihnen  in  der 


W.  Yondr&k  ttber  altböhm.  Gesta  Bomanorum,  herausg.  von  Noy&k.   253 

erhaltenen  Partie  einzelne  Stücke ,  die  im  böhm.  Text  vorkommen.  Da  sich 
die  altböhm.  Hss.  zn  einem  Ganzen  von  112  Erzählungen  ergänzen,  so  gehört 
der  altböhm.Text  nach  dieser  Anzahl  der  Erzählungen  und  sonst  auch  seinem 
Charakter  nach  zu  der  Gruppe,  welche  Ptaszycki  (»GpeffueBtROBLifl  sanaAHo- 
eBponeäcRlH  noBtcTH  b'b  pyccRox  h  oiaBXHCKHX'B  zHTepaxypax'Ba  in  »Hcxop.  06o3- 
piHie«,  1893,  Bd.  6,  S.  166  ff.)  an  zweiter  Stelle  als  anglo-lateinische  und  mit- 
teleuropäische anführt.  Die  Mehrzahl  dieser  Texte  beginnt  mit  der  Erzählung 
»De  milite  qui  ad  peregrinandum  profeotos  est«  und  endet  mit  »De  filia  regis 
et  quinque  militibns  et  cane«.  Sonst  findet  der  Herausgeber,  dass  der  altbOhm. 
Text  hinsichtlich  der  Reihenfolge  der  Erzählungen  und  ihres  Inhaltes  am 
meisten  verwandt  sei  mit  der  deutschen  Uebersetzung  der  Gesta,  welche  Ad. 
Keller  im  J.  1841  herausgegeben  hat  (Bibliothek  der  gesammten  deutschen 
National-Literatur,  23.  Bd.:  Gesta  Romanorum,  das  ist  der  Römer  Tat).  Nur 
die  Nummer  CXI  ist  in  der  deutschen  Bearbeitung  ausführlicher.  Auch  die 
Erzählung  von  den  7  Weisen  findet  sich  hier  vor,  während  sie  in  den  lateini- 
schen Sammlungen  des  Westens  fehlt.  Demnach  war  das  lateinische  Original, 
welches  in  Böhmen  tibersetzt  wurde,  sehr  ähnlich  jenem,  welches  der  deutsche 
üebersetzer  benutzt  hat.  Während  jedoch  Ptaszycki  meinte,  der  Urheber  der 
böhm.  Uebersetzung  hätte  neben  dem  lat.  Text  auch  noch  die  deutsche  Ueber- 
setzung gehabt  (1.  c.  S.  180),  ist  H.  Nov&k  der  Ansicht,  man  könne  dies  nicht 
bestimmt  behaupten ,  so  lange  der  entsprechende  lateinische  Text  nicht  be- 
kannt sei.  Ich  glaube,  man  kann  nnn  wohl  mit  Recht  behaupten,  dass  die 
deutsche  Uebersetzung  nicht  benutzt  wurde,  denn  sonst  wären  die  früher  er- 
wähnten MisBverständnisse  und  Uebersetzungsfehler  kaum  vorhanden.  Was 
nun  die  anderen  bis  jetzt  bekannten  Angaben  der  Gesta  Romanorum  anbe- 
langt, so  findet  H.  Noväk,  dass  der  von  Wilh.  Dick  veröffentlichte  Text  (Die 
Gesta  Romanorum.  Nach  der  Innsbrucker  Handschrift  vom  J.  1342  und  vier 
MUnchener  Handschriften  herausg.  in  »Erlanger  Beiträge  zur  engl.  Philologie«, 
YII.  Heft,  1890)  im  grossen  Ganzen  ziemlich  ähnlich  sei,  doch  fehlen  hier  die 
Moralisationen. 

Da  die  Forschungen  des  Herausgebers  nach  dieser  Richtung  hin  nicht 
ein  positives  Resultat  ergeben  haben,  so  hat  er  in  einer  Tabelle  wenigstens 
die  einzelnen  Erzählungen  zusammengestellt  (auf  S.  XXII — XXIV)  und  damit 
die  Aufeinanderfolge  in  den  Ausgaben  des  Keller,  Oesterley,  Dick  nnd  By- 
stro£  (letztere  Ausgabe  enthält  allerdings  nur  39  Nummern)  verglichen.  Aus 
dieser  Tabelle  ersieht  man,  dass  die  Aufeinanderfolge  der  einzelnen  Erzäh- 
lungen in  den  böhm.  Hss.  und  in  der  Ausgabe  des  Keller  dieselbe  ist,  bis  auf 
etwa  5  Fälle,  in  denen  je  zwei  unmittelbar  auf  einander  folgenden  Erzäh- 
lungen in  der  letzteren  Ausgabe  ihre  Plätze  vertauschen  Von  den  Texten  der 
Ausgaben  Oesterley  und  Dick  kann  der  erste  hinsichtlich  der  Aufeinander- 
folge gar  nicht  verglichen  werden.  Dagegen  schliesst  sich  die  zweite  mehr 
an.  Man  kann  sagen,  es  ist  im  Allgemeinen  dieselbe  Aufeinanderfolge,  nur 
erscheint  die  Reihe  der  altböhm.  Erzählungen,  jener  des  Dick  gegenüber, 
lückenhaft,  namentlich  gleich  im  Anfang.  Die  erste  Nummer  des  Altböhm.  n. 
Keller'schen  Textes  erscheint  bei  Dick  erst  als  Nr.  14.  Zumeist  ist  es  jedoch 
immer  nur  eine  Nummer,  die  im  Altböhm.  Texte  ausgefallen  ist.   Da  nun  der 


254  Kritischer  Anzeiger. 

Text  des  Dick  die  älteste  bekannte  Form  aufweist ,  so  beruht  die  altb5hm. 
üebersetsung  auf  einem  Original,  das  erst  aus  jenem  geflossen  war.  Aus 
dieser  Tabelle  ersieht  man  weiter,  dass  der  poln.  Text  Bystro£s  mit  keinem 
der  hier  erwähnten  hinsichtlich  der  Aufeinanderfolge  der  Erzählungen  über- 
einstimmt. 

Zum  Schlüsse  folgt  noch  in  der  Ausgabe  ein  Namens-  und  Sachregister 
(S.  251—265),  wie  auch  ein  Yerzeichniss  altbOhm.  Wörter  (S.  256—259).  So 
hat  uns  H.  Novi^k  eine  Ausgabe  geboten,  die  uns  recht  willkommen  ist.  Viel- 
leicht hätte  nur  die  sprachliche  Seite  des  Denkmals  mehr  Beachtung  finden 
kennen.  Der  Herausgeber  berücksichtigt  zwar  auch  diese  Seite  (Tgl.  S.  XIII, 
XVn — XYIII),  doch  scheinen  mir  die  betreffenden  Bemerkungen  etwas  mager 
ausgefallen  zu  sein.  Namentlich  die  Sprache  der  Hs.  in  der  Universitäts- 
bibliothek, in  welcher  der  Herausgeber  einen  mährischen  Dialekt  sieht,  bietet 
vieles  Interessantes ,  das  noch  hätte  erwähnt  werden  können.  Auch  auf  die 
Frage,  wann  etwa  die  altböhm.  Uebersetzung  entstanden  ist,  ist  der  Heraus- 
geber nicht  näher  eingegangen.  W,  Vondrdk.  - 


Komensk^  (Comenius),  Jan-Arnos:  Theatnim  nniversitatis  re- 
rnm.  Z  rakopisu  podäyaji  (nach  einer  Handschrifl;  herausgegeben 
von)  Jan  Y.  Nov&k  a  Adolf  Patera.  V  Praze.  Näkladem  ceskä 
akademie  etc.    1897.  8«.  XIV  +  805   (als  Nr.  2  der  »Spisy  Jana 

Amosa  Komenskäho«). 

Mit  einer  Jugendschrifl;  Eomensk^^s  werden  wir  hier  bekannt  gemacht, 
leider  ist  sie  nur  fragmentarisch  erhalten.  Unter  dem  Einflüsse  seines  Leh- 
rers Altstedt  in  Herbom,  der  sich  als  Encyklopädist  und  Pansoph  einen  Ruf 
erworben  hatte,  fasste  Komensk^  frühzeitig  den  Plan,  auch  seine  Landsleute 
wenigstens  theilweise  mit  der  Welt  und  ihrem  Lauf  bekannt  zu  machen, 
ihnen  eine  kurze  Uebersicht  der  damaligen  Kenntnisse,  insbesondere  aus  dem 
(Gebiete  der  Naturwissenschaften  zu  geben.  In  seinem  Briefe  an  Peter  van 
den  Berge  (Montanus)  vom  10.  Dez.  1661  spricht  er  von  diesem  Werke  und 
nennt  es  »Amphitheatrum  nniversitatis  rerum«.  Es  hätte  darnach  28  Bücher 
enthalten  und  das  zweite  wäre  zu  Grunde  gegangen.  Ebenso  wird  es  erwähnt 
in  einem  Briefe  an  seinen  Schwiegersohn  Figulus  vom  22.  Hai  1666.  Man 
wusste  sonst  nichts  welter  von  diesem  Werke,  bis  der  Nachlass  Drabik's  im 
J.  1893  in  Holleschau  (Holesov  in  Mähren]  bekannt  geworden  ist,  in  welcher 
man  das  Fragment  einer  Schrift  fand,  von  der  mit  Hecht  behauptet  werden 
kann,  sie  sei  das  früher  erwähnte  Amphitheatrum.  Der  Titel  stimmt  zwar 
nicht  ganz,  auch  die  Bücher-  und  Capitelzahl  klappt  nicht,  aber  die  ganze 
Anlage  und  der  Inhalt  des  Werkes  lassen  uns  nicht  im  Zweifel,  dass  es  das 
erwähnte  Jugendwerk  Komenskf's  sei.  Wie  die  Herausgeber  vermnthen, 
hatte  Komensky  die  Hs.,  welche  dann  im  Besitze  Drabik's  war,  nicht  mehr 
bei  der  Hand,  als  er  den  oben  erwähnten  Brief  schrieb.  Dass  es  ein  Jugend- 
^  werk  Komensky's  ist,  folgt  nicht  bloss  aus  der  Art  und  Weise,  wie  er  hier 


W.  Vondrik  über  KomenBky's  Theatram  nniy.  rerom.  255 

seinen  Namen  unterschrieben  hat,  sondern  auch  aus  dem  Standpunkte,  den 
er  den  Natnrwissensohaften  gegenüber  in  der  Hs.  einnimmt.  Nach  dem  Bei- 
spiele Altstedt*s  tritt  bei  ihm  die  persönliche  Erforschung  der  Natur  und  die 
eigene  Erfahrung  ganz  in  den  Hintergrund.  Die  aus  älteren  Werken  gesam- 
melten Nachrichten  bilden  hier  eigentlich  die  Hauptsache;  daher  finden  wir 
hier  die  mannichfachsten  Märchen  aus  alten  Büchern  herUbergenommen  neben 
positiven  Kenntnissen.  Es  ist  bekannt,  dass  Komensk^  später  seinen  Stand- 
punkt ganz  geändert  hat;  er  legt  das  Hauptgewicht  auf  die  reale  Erkenntniss 
der  Dinge  und  die  Anschauung  tritt  bei  ihm  in  den  Vordergrund.  Von  dem 
ganzen  Werke,  das  nach  der  Vorrede  16  Bücher  enthalten  sollte,  ist  in  dem 
vorliegenden  Bruchstück  nur  das  erste  erhalten  mit  einer  lateinisch  geschrie- 
benen Vorrede.  Möglich,  dass  es  gelingt,  noch  den  Rest  der  Hs.  irgendwo  aus- 
findig zu  machen. 

Den  Herausgebern,  die  sich  im  böhm.  Schriftthum  so  klangvoller  Namen 
erfreuen,  müssen  wir  wie  auch  der  Akademie  für  diese  so  hübsche  Ausgabe 
.Dank  wissen,  neben  einer  recht  instructiven  Vorrede  haben  sie  das  Werk  mit 
•einem  Namen-  und  Sachregister  versehen.  Auch  ein  Facsimile  der  letzten 
Seite  der  Hs.  wurde  beigegeben;  darauf  befindet  sich  eine  eigenhändige 
Zeichnung  Komenskf's,  die  Welt  darstellend.  In  der  Hs.  finden  sich  sonst 
such  noch  Eintragungen  von  seiner  Hand  herrührend.  W.  Vondrdk. 


ArchangeFskij,  A.  S.:  K%  HCTopin  H^Me^Ka^o  h  ^emcKano  j[yipiAa- 
piycoB%  (Zur  Geschichte  des  deutschen  nnd  böhmischen  Lncidarins). 

KaaaHB  1897.  8^  106  S. 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  zumTheil  eine  ausführliche  Kritik,  zumTheil 
eine  wesentliche  Ergänzung  der  Arbeit  Schorbach's:  Studien  über  das  deut- 
sche Volksbuch  Lucidarius  und  seine  Bearbeitungen  in  fremden  Sprachen. 
Strassbürg  1894  (Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und  Culturgeschichte 
der  germanischen  Völker.  LXXIV).  Der  Verfasser  polemisirt  gegen  einzelne 
Ausführungen  Schorbach's,  dessen  Schrift  auf  ihn  keinen  besonders  günstigen 
Eindruck  gemacht  hat.  Nur  ihr  bibliographischer  Theil  verdiene  alle  Aner- 
kennung, dagegen  sei  der  literar-historische  weniger  gelungen  [S.  14).  Aller- 
dings verweist  Herr  Schorbach  häufig  auf  ausführlichere  Studien,  die  er  sich 
für  eine  spätere  Zeit  vorbehalten  hat.  Insbesondere  verspricht  er  uns  eine 
kritische  Ausgabe  des  deutschen  Lucidarius,  die  für  das  vergleichende  Stu- 
dium dieses  Textes  von  grosser  Bedeutung  sein  wird. 

Zuerst  beschäftigt  sich  Herr  Archangel'skij  an  der  Hand  der  Studien 
Schorbach's  mit  dem  Lucidarius  in  der  deutschen  Literatur  (bis  S.  47),  dann 
folgt  der  böhmische,  und  auf  diese  Partie  wollen  wir  hier  näher  eingehen. 
Der  böhmische  Lucidarius  ist  erhalten  in  einer  Handschrift,  und  ausser  dieser 
haben  wir  7  Drucke,  die  zum  Theil  aus  einer  späteren  Zeit  stammen.  Was 
den  handschriftlichen  anbelangt,  so  konnte  Herr  Archangel'skij  über  die  all- 
gemeine Bemerkung  Schorbach's,  »dass  der  cechische  Lucidarius  zur  Sippe 


256  Kritischer  Anzeiger. 

des  dentschen  Volksbuchs  und  nicht  zum  lateinischen  Eluoidarium  des  Ho- 
norius  gehört«,  nicht  hinauskommen.  Die  Hb.  befindet  sich  in  der  Fürsten- 
berg'schen  Bibliothek  zu  Piirglitz  (KHvokUt  in  Böhmen),  und  trotzdem  Herr 
Archangerskij  mehrere  Versuche  unternahm,  ist  es  ihm  doch  nicht  gelungen, 
die  Hs.  zu  Gesicht  zu  bekommen.  Schorbach  hat  einzelne  dürftige  Notizen 
daraus  gemacht,  doch  war  es  für  ihn  schwer,  einen  besseren  Einblick  zu  be- 
kommen, da  er  der  böhm.  Sprache  nicht  mächtig  war.  Die  beiden  ältesten 
Drucke  des  böhm,  Lucidarius,  vom  J.  1498  und  vor  1567,  welche  von  Jung- 
mann angeführt  werden,  sind  jetzt  nicht  vorhanden.  Ein  Exemplar  der  ersten 
Ausgabe  befand  sich  in  der  Musealbibliothek  zu  Prag,  Jungmann  hatte  es  in 
der  Hand,  von  der  zweiten  erfuhr  er  aus  einer  Erlaubniss  des  Bischofs  v.  01- 
mütz,  das  Werk  zu  verkaufen,  Herr  Archangel'skij  konnte  daher  erst  den 
böhm.  Druck  aus  dem  XVII.  Jahrh.  (Musealbibliothek  27.  2.  7)  mit  den  deut- 
schen Texten  vergleichen,  dann  den  Olmützer  Druck  v.J.  1779  und  1783,  dann 
jenen  v.  J.  1811  und  schliesslich  v.  J.  1877.  Er  sieht  eine  Abhängigkeit,  so 
dass  eine  ursprüngliche  deutsche  Vorlage  für  alle  böhmischen  Bearbeitungen 
angenommen  werden  muss  (S.  50),  doch  constatirt  er  auch  zahlreiche  Abwei- 
chungen (am  meisten  stimmt  noch  der  Text  v.J.  1783;  vgl.  auch  Archiv  XIX, 
S.  556  ff.).  Die  böhmischen  Texte  haben  auch  einzelne  Zusätze,  die  den  deut- 
schen fehlen,  so  den  Zusatz  vom  Holze  des  Kreuzes,  vom  Adamsschädel;  ins- 
besondere ist  es  der  Text  v.  J.  1779,  der  stark  abweicht,  theilweise  auch  der 
aus  dem  XVII.  Jahrh.,  der  an  den  v.  J.  1779  hie  und  da  stark  erinnert  (S.  64). 
Während  es  sonst  in  der  früheren  Partie  dem  Autor  häufig  gelungen  war  an- 
zugeben, woher  einzelne  Zusätze  der  dentschen  Ausgaben  aufgenommen 
worden  sind,  forschte  er  hier  leider  nicht  weiter  darnach,  so  dass  diese  Frage 
noch  offen  bleibt.  In  der  Ausgabe  v.  J.  1811  findet  er  einen  Text,  der  ganz 
abweicht.  Zu  bestimmten  Resultaten  konnte  H.  Archangerskij  allerdings 
nicht  gelangen,  da  das  Material,  das  ihm  zur  Verfügung  stand,  unzulänglich 
war.  Immerhin  hat  er  einzelne  Beiträge  geliefert,  die  den  späteren  Forschern 
auf  dem  Gebiete  dieser  Frage  sehr  zu  statten  kommen  werden. 

TT.  Vondrdk. 


Bektorskä  lec  M.  :&ehore  Prazsk^ho  r.  1476.   Pod&y&  Dr.  Jan 

V.  Nov&k  (Die  Bectorsrede  des  M.  Gregor  von  Prag).   V  Praze. 

Tiskem  Ed.  Gr6gra.  1897.  8^  20  S.    (Aus  »VSstnlk  kril.  cesk^ 

spolecnosti  näuk».  THda  fil.-hist.-jaz.  1897.  Nr.  XXIII.) 

M.  Gregor  von  Prag  wird  nach  dem  Zeugniss  des  Jan  älechta  in  seinem 
Briefe  an  M.  Peter  v.  Pisek  (Boh.  Hasisteinii  Farrago  Poematum,  ed.  Th.  Mitis, 
Pragae  1570,  p.  372)  allgemein  als  der  erste  Humanist  an  der  Prager  Univer- 
sität angesehen.  Nun  stimmt  der  Inhalt  der  hier  veröffentlichten  lateinischen 
Bede  Gregor's  nicht  mit  der  neuen  Bichtnng.  Gregor  zieht  hier  heftig  los 
gegen  Jene,  welche  die  Magister  verspotteten  und  behaupteten,  dass  die  alt- 
berühmte Universität  Karl's  eigentlich  schon  eingegangen  wäre.  Das  waren 
natürlich  vor  allem  Leute,  die  einer  neuen  Bichtung  huldigten,  also  die  Hu- 


W.  Vondr&k  über  Z&tar6ck:^'8  Slovak.  Sprichwörter.  257 

manisten.  Sonst  ist  der  Inhalt  ganz  im  Einklang  mit  der  alten  Bcholastischen 
Bichtung:  es  wird  hier  der  zweifache  Weg  des  Lebens  geschildert,  der  Weg 
der  Tagend  and  des  Lasters,  wobei  Gregor  die  heil.  Schrift  näher  steht,  als 
die  dassischen  Völker.  Wenn  man  daher  die  Notiz  des  Jan  Slechta  richtig 
denten  will,  moss  man  annehmen,  dass  Gregor  von  Prag  erst  gegen  das  Ende 
seines  Lebens  (er  starb  im  J.  1485)  von  der  humanistischen  Richtung  auch 
beeinflusst  wurde,  so  dass  eigentlich  mit  M.  Vaclav  v.  Pisek  die  neue  Eich- 
tung  an  der  Prager  Universität  zum  Durchbruch  kam. 

Der  Text  der  Bede  ist  an  manchen  Stellen  unklar,  der  Herausgeber  that 
sein  Möglichstes,  um  ihn  unserem  Verständniss  näher  zu  bringen ;  er  versah 
ihn  daher  mit  zahlreichen  Anmerkungen.  W.  Vondrdk, 


Z&tnreck^,  Adolf-Petr:  Slovenskä  pHslovi,  porekadla  a  äsloyi 
(SlovakiBche  Sprichwörter,  Redensarten  und  Idiotismen) .  V  Fraze. 
8.  A.  (1897).  8».  VI  +  389  S.  +  (1  BL).    (Auf  Kosten  der  Böhm. 

Akademie  der  Wissenschaften  in  Prag.) 

Dass  die  böhm.  Akademie  von  ihrem  Wirkungskreis  das  Slovakische 
nicht  auBSchliesst  oder  vielleicht  besser,  dass  auch  die  Slovaken  mit  ihren 
literarischen  Produkten  bei  der  böhm.  Akademie  Zuflucht  suchen  und  sie  auch 
finden,  wie  die  vorliegende  PublicatioD  zeigt,  das  ist  jedenfalls  eine  sehr  er- 
freuliche Thatsache,  und  es  wäre  nur  zu  wünschen,  dass  wir  recht  häufig  G^ 
legenheit  hätten,  sie  zu  constatiren. 

Man  kann  sich  denken,  dass  die  Slovaken,  welche  so  schöne  Produkte 
in  der  Volkspoesie  aufweisen ,  auch  hinsichtlich  der  Sprichwörter  nicht  zu- 
rückbleiben. In  der  vorliegenden  Sammlung  werden  uns  weit  mehr  als 
13000  Sprichwörter  geboten.  Für  den  Herausgeber  war  es  keine  leichte  Auf- 
gabe, es  bis  dahin  zu  bringen  und  er  erzählt  uns  in  der  Vorrede,  mit  welchen 
Schwierigkeiten  er  zu  kämpfen  hatte.  Es  sei  hier  nur  erwähnt,  dass  er  es  bis 
zur  8.  Abschrift,  beziehungsweise  Bearbeitung  seiner  Sammlung  brachte, 
bevor  sie  gedruckt  wurde.  Um  eine  möglichst  grosse  Vollständigkeit  zu  er- 
reichen ,  benutzte  er  auch  frühere  Sammlungen ,  doch  konnte  er  die  des  G. 
Rybay  nicht  in  die  Hand  bekommen.  Selbe  befindet  sich  im  Pester  National- 
museum, er  wandte  sich  dahin,  bekam  aber  nicht  einmal  eine  Antwort  —  was 
in  Culturländern  sonst  nicht  vorzukommen  pflegt. 

Vor  die  schwierige  Wahl  gestellt ,  nach  welchem  System  er  die  Sprich- 
wörter ordnen  sollte,  entschied  sich  H.  Zätureckf  nicht  für  eine  rein  alpha- 
betische Ordnung,  sondern  glaubte  den  Anweisungen  Celakovskys  folgen  zu 
müssen,  die  sich  gegen  eine  solche  Anordnung  kehreu.  Indem  er  also  die 
Sprichwörter  nach  dem  Inhalte  ordnete,  erhielt  er  21  Gruppen  mit  Unterab- 
theilungen: die  erste  Gruppe  enthält  Sprichwörter,  die  sich  auf  Gott  be- 
ziehen, in  der  zweiten  betreffen  die  Sprichwörter  den  Glauben  und  die 
Sitten  überhaupt  u.  s.  w.  Die  Unterabtheilungen  sind  alphabetisch  geord- 
net Bei  vielen  Sprichwörtern  sind  Citate ,  die  sich  auf  Parallelen  aus  Oela- 
kovsk^'s  Sammlung  (mudroslovi),  aus  Adalberg's  Sammlung  polnischer  Sprich- 

ArehiT  für  ilaTisclie  Philologie.  ZXI.  17 


258  Kritischer  Anzeiger. 

Wörter  (über  2000)  beziehen ;  femer  sind  hier  Parallelen  ans  dem  Dentschen. 
Magyarischen  (gegen  400)  und  Lateinischen.  Trotz  mancher  Yortheile,  die 
eine  Anordnung  der  Sprichwörter,  nach  dem  Inhalte  gewährt,  möchte  ich  doch 
lieber  eine  Zusammenstellung  einfach  nach  dem  Alphabet  vorziehen.  Man 
wird  erst  dazu  kommen,  sie  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  zu  ordnen. 
Eine  Eintheilung  nach  dem  Inhalte,  die  streng  logisch  wäre,  ist  vor  der  Hand 
gar  nicht  möglich  und  so  wird  man  bei  vielen  Sprichwörtern  nicht  begreifen, 
warum  sie  gerade  in  diese  oder  jene  Gruppe  eingereiht  worden  sind.  Man  wird 
es  noch  angehen  lassen,  wenn  z.  B.  das  Sprichwort  »malych  zlodejov  vesajü, 
velkych  puslajü  (kleine  Diebe  hängt  man,  grosse  lässt  man  laufen)  nicht  in  der 
Gruppe  »Zlod^jstvi«  (Dieberei),  die  auch  hier  vorkommt  (X.  B.  23,  S.  182),  son- 
dern in  der  Gruppe  »Nespravedlnöst«  (Ungerechtigkeit)  sich  befindet,  pagegen 
wird  man  nicht  recht  damit  einverstanden  sein  können,  wenn  das  Sprichwort 
»Koho  PÄn  Boh  chce  potrestat,  potresce  ho  na  rozume  «  (Wen  Gott  bestrafen 
will,  den  bestraft  er  am  Verstände),  weder  in  die  Gruppe  »Büh«  ((xott),  noch 
in  die  Gruppe  »Bozum«  (Verstand),  wie  der  Herausgeber  anführt,  sondern  in 
die  Gruppe  »Fales«  (Falschheit)  eingereiht  wurde.  Man  ersieht  aus  den  Bei- 
spielen, dass  eine  solche  Eintheilung  der  Sprichwörter  nach  dem  Inhalte  sehr 
stark  von  der  persönlichen  Auffassung  abhängig  und  daher  nicht  einwandfrei 
ist.  Eine  rein  alphabetische  Sammlung  ist  dagegen  sowohl  für  den  Sammler 
als  auch  für  jenen,  der  etwas  nachschlagen  will,  bequemer.  In  der  vorliegenden 
Sammlung  werden  allerdings  die  Nachtheile,  die  aus  einer  solchen  Eintheilung 
entspringen,  dadurch  Null  gemacht,  dass  hinten  ein  Index  angebracht  ist 
(S.  296 — 383),  der  alle  in  den  Sprichwörtern  etwa  in  Betracht  kommenden 
Schlagworte  enthält ,  so  dass  man  an  der  Hand  desselben  jedes  Sprichwort 
im  Buche  finden  kann.  Eine  solche  Einrichtung  versöhnt  uns  allerdings  mit 
einer  sonst  nach  dem  Inhalte  durchgeführten  Eintheilung.  Aus  diesem  Index 
ersieht  man,  wie  z.B.  das  Wort  »Zigeuner«  häufig  in  den  slovakischen  Sprich- 
wörtern vorkommt  (S.  301),  was  offenbar  als  eine  locale  (ungarische)  Färbung 
anzusehen  ist.  Wie  auch  sonst ,  spielt  ebenfalls  hier  der  Teufel  eine  grosse 
Rolle :  er  nimmt  mehr  als  zwei  Columnen  ein  (S.  302 — 304).  Auch  ein  Ver- 
zcichniss  ausschliesslich  slovakisch er  Wörter  und  Formen,  die  in  den  Sprich- 
wörtern vorkommen,  wurde  beigegeben  (S.  287 — 295),  doch  ist  hier  leider 
nicht  alles  aufgenommen  worden ,  was  hier  stehen  sollte.  Es  ist  ferner  nur 
zu  bedauern,  dass  nicht  alle  Sprichwörter  in  dem  localen  dialektischen  Kleide 
erscheinen,  das  ihnen  eigentlich  zukommt,  ein  Fehler,  der  sich  freilich  nur 
in  einigen  Beiträgen  findet,  welche  dem  Herausgeber  zugeschickt  wurden. 
In  den  meisten  Fällen  sind  allerdings  die  dialektischen  Eigenthttmlichkeiten 
gewahrt.  Natürlich  handelt  es  sich  hier  nur  um  solche  Sprichwörter,  die  nicht 
allgemein  slovakische  sind,  sondern  sich  nur  auf  einzelne  Gebiete beschrtinken. 
Dass  die  Sprichwörter  in  sprachlicher  Hinsicht  mitunter  Archaismen  und 
andere  interessante  sprachliche  Eigenthümlichkeiten  aufweisen,  ist  bekannt. 
Ich  will  es  hier  nur  an  einem  Beispiel  zeigen.  Bekanntlich  hatte  das  Particip 
im  Altslav.  eine  grössere  verbale  Kraft  als  es  jetzt  der  Fall  ist.  Dasselbe 
bemerken  wir  noch  im  Altböhm.  So  sind  es  z.  B.  einige  Fragmente  der  alt- 
böhm.  Alexandreis,  die  durch  den  Überaus  häufigen  Gebrauch  der  Participien 


Prof.  Polivka  ttber  Federowskf  s  Weissrussland.  259 

statt  der  beatimmten  verbalen  Formen  auffallen.  Nun  haben  wir  jetzt  noch 
im  Böhm,  (anter  den  Blovakisehen  kann  ich  es  trotz  Index  nicht  finden)  das 
Sprichwort  (Redensart):  chval  hohajak  moha.  Das  Particip  molM  hat  hier  also 
noch  dieselbe  verbale  Kraft  wie  im  Altböhm.  Sonst  ist  dieser  Gebrauch  des 
Particips  jetzt  im  Böhm,  nicht  mehr  möglich. 

Es  wäre  natürlich  vergebliche  Mühe ,  wollten  wir  als  Proben  einzelne 
treffliche  Sprichwörter,  die  etwa  als  echt  slovakisch  aufgefasst  werden  könn- 
ten, aus  einer  so  grossen  Anzahl  anführen,  und  so  sei  das  Buch  selbst  einem 
Jeden  empfohlen,  der  sich  von  dieser  Seite  des  geistigen  Lebens  der  Slovaken 
überzeugen  will.  W»  Vondrdk. 

Lud  bialoruski  naRusi  litewskiej.  Materyaly  do  etnograf ii 
stowianskiej  zgromadzone  w  latach  1877 — 1891  przez  Michata 
Federowskiego.  Tom  I.  Wiara,  wierzenia  1  przes^dy  ladu  z 
okolic  Wolkowyska,  SJonima,  Lidy  i  Sokölki,  W  Erakowie.  Na- 
ktadem  Akademii  Umiej^tnosci.  1897.  XX  S.  +  509. 

Der  Verfasser  beginnt  mit  dem  uns  vorliegenden  Bande  ein  grosses,  auf 
mehrere  Bände  angelegtes  Werk  über  die  Ethnographie  des  westlichen  Zwei- 
ges des  Weissrussischen  Volkes.  Dieser  westliche  Zweig  nimmt  ein,  nach 
seinen  Angaben,  die  südliche  Spitze  des  Gouv.  Wilna,  im  Gouv.  Grodno  bis 
zu  den  Flüssen  Niemen  und  Biebrza  gegen  Westen,  und  bis  an  den  Fluss  Na- 
rew,  den  Wald  von  Bielowieü,  die  Sümpfe  und  Wälder  im  Kreise  Slonim 
gegen  Süden.  Der  Verfasser  brachte  eine  lange  Reihe  von  Jahren  in  den 
verschiedenen  Gegenden  dieses  Gebietes  zu  und  trat  als  Oekonom  in  die 
engsten  Beziehungen  zu  den  breitesten  Schichten  der  Bevölkerung,  eignete 
sich  dessen  Sprache  an,  beobachtete  und  studirte  eingehends  dessen  psychi- 
sches und  physisches  Leben,  notirte  alles,  auch  die  geringfügigste  Sache, 
wenn  sie  nur  irgendwie  zur  vollständigeren  Charakterisirung  des  Volkes  hei- 
mtragen konnte.-  In  dem  I.  Bande  publicirt  er  nun  die  Materialien,  die  er  im 
Bez.  Woikowysk,  der  ihm  die  grösste  Ausbeute  bot,  im  Bez.  Sionim  im  süd- 
östlichen Theil  des  Gouv.  Grodno,  dann  im  Süden  des  Bez.  Lida  im  Gouv. 
Wilna,  und  im  Bez.Sokolka  im  nordwestlichen  Theile  des  Gouv.  Grodno  auf- 
zeichnete. Alles  Material  ist  der  Herausgeber  bestrebt,  treu  phonetisch 
wiederzugeben,  freilich  mit  den  Mitteln  der  polnischen  Graphik,  bezeichnet 
auch  durchwegs  den  Accent,  ausgenommen  die  vorletzte  Silbe,  welche  jeder 
Pole  gewohnt  ist  zu  accentuiren.  In  der  kurzen  Einleitung  wird  flüchtig  der 
Dialect  dieser  Gegenden  charakterisirt,  hervorgehoben  insbesondere  der 
»weissrussisch-polnische  Uebergangs-Dialect«  in  den  nordwestlichen  Grenz- 
gebieten des  Gouv.  Grodno.  Aber  noch  weiter  nach  Osten,  bis  in  den  Bez. 
Wolkowysk,  ist  aus  dem  Poln.  der  Nasalismus  vorgedrungen,  es  wird  nicht 
nur  der  in  Vocal  und  Consonant  n  zerfallene  Nasal  gesprochen,  sondern  es 
wird  auch  der  dem  n  vorangehende  Vocal,  auch  wo  ursprünglich  kein  Nasal 
war,  nasalirt  gesprochen :  mi^szy,  kami^ezyk.  Wir  wollen  hoffen,  dass  wir 
von  Herrn  M.  Federowski  bald  gründlicher  werden  über  diese  Dialecte  be- 

17* 


260  Kritischer  Anzeiger. 

lehrt  werden.  Für  die  Frage  nach  den  »UebergangB-Dialecten«  scheinen  diese 
Dialecte  überaus  interessante  Beispiele  zu  bieten. 

Das  gesammelte  Material  hat  der  Herausgeber  systematisch  geordnet, 
und  zwar  zuerst  in  zwei  grosse  Theile :  I.  Glauben  und  Ansichten  über  die 
Natur;  II.  Cultur.  In  diesem  II.  Theil  wird  eingehends  dargestellt:  1]  die 
Religion  des  Volkes,  seine  religiösen  Vorstellungen,  seine  Ethik ;  2)  die  Ge- 
bräuche bei  Taufe,  Hochzeit,  Begräbniss,  Spiele  u.  s.  w.,  wie  auch  Bechts- 
gebräuche;  3)  die  Beschäftigung  des  Volkes,  hierbei  auch  Volksmedicin,  und 
daran  schliesst  sich  etnVerzeichniss  der  heilkräftigen  Pflanzen.  In  der  I.  Ab- 
theilung sind  die  verschiedenen  Materialien,  wie  Sagen,  Märchen,  Legenden, 
Sprichwörter,  Aberglauben  u.  a.  wieder  in  verschiedene  Abtheilungen  zu- 
sammengestellt: A)  Glauben:  1)  Gott  und  die  Heiligen;  2)  Dämone,  und  zwar 
Teufel,  Geister,  Gespenster,  mythischis  Wesen  u.  ä.;  B.  Natur:  1)  Ansichten 
und  Vorstellungen  von  der  überirdischen  Welt;  2)  von  der  irdischen,  sicht- 
baren Welt:  a)  Lufterscheinungen,  Donner,  Blitz,  Thau,  Regen  etc.;  b)  Erde; 
c)  Steine;  d)  Pflanzen;  e)  Thiere;  3)  der  Mensch.  In  diesen  verschiedenen 
Abtheilungen  finden  wir  eingereiht  mannigfaltige  Sagen  und  Märchen,  die 
uns  aus  anderen  osteuropäischen  wie  auch  westeuropäischen  Sammlungen 
wohlbekannt  sind,  vielfach  zum  internationalen  Gemeingut  gehören.  Z.  B. 
S.  70  f.,  Nr.  208  :  Ein  waghalsiges  Mädchen  nimmt  einem  Todten  sein  Todten- 
hemd,  der  Todte  will  es  zurück,  vgl.  dTHorpa«.  06o3p.  XXIX — XXX,  139  f. 
Slovensk6  Pohl'ady  1896,  S.  266.  Revue  des  trad.pop.XI,  145.  Söbillot,  Gont. 
pop.  de  la  H.  Bret.  I,  303.  Bartsch,  SMMeklenburg  I,  223  u.  a.  —  S.  91  f., 
Nr.  280  lesen  wir  eine  Version  des  weit  verbreiteten  Märchens  vom  Zauberer 
und  seinem  Lehrling,  welche  Ref.  in  seiner  Schrift  über  dieses  Märchen  im 
XV.  Bd.  des  G6.  mhh.  leider  nicht  mehr  benützen  konnte.  —  Allgemein  ver- 
breitet sind  die  Märchen,  die  unter  den  Titeln  »jBohaterowie  mityczni«  und 
»Potwory  mityczne«  S.  109  f.  zusammengestellt  sind.  Es  ist  mindestens 
zweifelhaft,  was  für  einen  mythischen  Gehalt  internationale  Märchengestalten 
wie  Kaciharosseky  Nieznqfkoy  Raawaliharä,  Saztoalmury,  Ziamiialiezo  u.  s.  W. 
haben,  und  fraglich,  wie  weit  diese  von  Volk  zu  Volk  durch  Generationen 
übertragenen  Märchen  mit  den  mythischen  Vorstellungen  des  Volkes  selbst, 
das  sie  erzählt,  verbunden  sind.  Es  ist  daher  fraglich,  ob  und  in  wie  weit 
derlei  Sagen  und  Märchen  zur  Darstellung  der  Mythologie  eines  Volksstam- 
mes zu  gebrauchen  sind. 

Der  Herausgeber  hebt  in  seiner  Vorrede  den  hohen  Conservatismus 
dieses  westlichen  Zweiges  des  weissrussischen  Stammes  hervor,  er  glaubt, 
dass  es  auf  dem  ganzen  weiten  Slavengebiet  heute  kaum  einen  Winkel  gibt, 
wo  sich  das  Volk  in  diesem  Masse  noch  seine  mythologischen,  den  Stempel 
der  Urzeiten  tragenden,  Vorstellungen  erhalten  hat  Ref.  hat  nicht  diesen 
Eindruck  empfangen,  glaubt  vielmehr,  dass  das  von  Romanov  z.  B.  publicirte 
Material  viel  ursprünglicher  ist,  viel  mehr  »mythologischen«  Charakter  hat. 
Uebrigens  bemerkt  der  Herausgeber  selbst  den  Zusammenhang  und  die  Ver- 
wandtschaft des  westweissrussischen  Folklores  mit  dem  Folklore  des  benach- 
barten polnischen  Stammes,  er  hat  bei  Wöjcicki,  Kolberg,  Gheichowski  u.  a. 
nicht  eine  einzige  Sage  gefunden,  die  nicht  in  einer  mehr  oder  weniger  ahn- 


Prof.  Polivka  über  SumcoT's  ethnogr.-literaturgesoh.  Forschungen.    261 

liehen  Bearbeitung  bekannt  wäre,  in  zahlreichen  Dörfern  am  Niemen,  an  der 
äwiBloez  und  Szczara,  in  den  yom  Herausgeber  durchforschten  Gebieten  des 
Crouv.  Grodno  und  im  südwestlichen  Winkel  des  Gouy.  Wilna.        O.  P. 


N.  T.  Samcov:  a)  GKasaHin  o  npoBajHBnmxcfl  ropoAaxi.  XapbKOB'B 
1896.  —  b)  K'B  6H6j[iorpa«in  cTapHHHUX'i  MajiopyccKHX'L  pejmrios- 
HKETB  cKasanlH.  XapBKOBi  1896.  —  c)  JIz^Hue  oäeperH  oti  crjiasa. 
XapBKOB'B  1896.  —  d)  JEnrepaTypHaÄ  po^HH  pascKasa  rp.  A.  H.  Toj- 

CTarO   V^ilTL  JODAH  SKEBBia.     XapBKOBI   1896.    —   e)   0  BJliHHiH   Majo- 

pyccKOH.  cxoiiacTH^ecKOH  jinrepaTypu  XYII  b.  Ha  BejTHKopyccKyio 

jnrrepaTypy  XVIII  b.  h  06%  oTpaxeHm  b'b  pacKOJBHHqecKOH  jniTepsi- 

Typi  MaccoHCTBa.  "Kievh  1896. 

Unter  a)  (Abdruck  aus  dem  G^ophhk-b  zcTop.-«EJiojior.  o6m.  in  Charkov 
1895)  sind  einige  kleinrussische,  und  auch  kaukasische  Sagen  von  unterge- 
gangenen Ortschaften  zusammengestellt,  und  werden  mit  anderen,  besonders 
französischen,  Sagen  auf  Grund  des  in  der  Revue  des  Trad.  pop.  1888  ff.  mit- 
getheilten  Materials  verglichen.  —  Unter  b]  (Abdruck  aus  derselben  Zs.)  wer- 
den aus  Galjatovsky's  Schrift  »He6o  hoboo«  und  aus  anderen  Quellen  ältere 
legendarische  Aufzeichnungen  wie  auch  jüngere  kleinrussische  Sagen  mitge- 
theilt,  so  über  Kirchen  und  Bilder,  die  selbst  sich  übertrugen  auf  einen  an- 
deren Ort,  über  übernatürlichen  Schutz  der  Russen  vor  Tataren  und  Türken, 
über  Schändung  von  Heiligenbildern  durch  die  Tartaren,  wie  Kerzen  in  der 
Kirche  von  selbst  entzündeten,  über  Bilder  vom  Evang.  Lucas,  Über  weinende 
Hadonnenbilder  u.  ä.  —  In  dem  Aufsatze  c)  über  Schutzmittel  gegen  Bezau- 
berungen lesen  wir  wenig  neues  Material ;  die  Schutzmittel  sind  in  bestimmte 
Gruppen  zusammengestellt.  Iv/  dem  Absatz  über  das  Hufeisen  als  häuslichen 
Talisman  finden  wir  das  Wort  Benffu !  (Wenden)  neben  Kelten  und  Germanen : 
(S.  12)  HCTO^HHRX  ero  RpocTCH  BX  pciiuriosHOüfB  no^nraHlH  kohoh  KexBTaMH,  rep- 

MaHUaMH,    BOHAaMH.     JlUfi  OXpaseHlA   CBOEX'B  CTaA'B  OI'B  MOpOBOH   HSBBI   BOHAU 

BTBiKajsn  rosoBU  jiomaseH  h  sopoB'B  na  satfopazi  BORpyri  JcoHionieH'L  u  tjAbowl, 
—  Die  unter  d)  untersuchte,  vom  Grafen  Leo  Tolstoj  wiedererzählte  Legende 
von  dem  ungehorsamen,  von  Gott  auf  die  Erde  auf  ein  Jahr  geschickten  Engel 
hat  bereits  M.  Dragomanov  im  YII.  Bd.  des  C6opHnR  sa  napoAHH  yMOTBopeHEA 
ausführlich  untersucht  Ausser  den  von  beiden  Gelehrten  beigebrachten  Va- 
rianten sind  noch  zu  erwähnen  eine  kleinrussische  in  der  von  Dr.  Ivan  Franko 
herausgegebenen  Zs.  S^t<  i  GLiobo  1894,  Heft  6,  S.  350  f.,  aus  Samogitien'  in 
den  von  M.  Dowojna  Sylwestrowicz  gesammelten  Podania  zmujdzkie  II, 
S.  231  f ;  theilweise  gehurt  hieher  die  slovakische  bei  Dobsinsk^,  Slov.  povesti 
Heft  5,  S.  88  f.,  theilweise  die  bulgarische  aus  §tip  in  Makedonien  im  CkiopH. 
sa  Hap.  yiiOTBOp.  X,  Abth.  3,  S.  145  f.,  wo  Gott  statt  des  Engels  den  Tod  aus- 
schickte, und  die  mit  dieser  bulg.  ganz  Übereinstimmende  griech.  Version  aus 
Lesbos  bei  Bernhardt  Schmidt,  Griechische  Märchen,  Sagen  u.  Lieder  S.  132, 
wo  die  Rolle  des  Engels  oder  Todes  Gbaros  vertritt.  —  Im  Aufsatze  e)  (Ab- 


262  KritiBcher  Anzeiger. 


« 


druck  aoB  der  Zb.  KieBCsaH  GiapHna)  macht  aoB  Prof.  Sumcov  mit  einer  Hb. 
derRaBkolniki  bekannt,  in  welcher  die  Vorreden  doB  südraBBlBchen  Predigers 
Lazar  Baranovic  sich  finden  und  die  kommentirte  ApocalypsiB ;  in  derBelben 
wird  ein  Behr  starker  EinflusB  der  BÜdruBBischen,  Kiewer  Bcholastischen  Lite- 
ratur des  XVII.  Jahrh.  nachgewiesen ;  diese  Schrift  zeigt  ausserdem  noch 
ziemlichen  Einfluss  der  Freimaurerliteratur,  sie  polemisirt  heftig  gegen  die 
Freimaurer ;  freimaurerische  Lieder  wurden  vielfach  in  den  Text  aufgenom- 
men, oftmals  auch  parodirt ;  überhaupt  interessirten  sich  die  Raskolniki  sehr 
stark  für  die  religiÖs-mystiBchen  Werke  der  Freimaurer.  O,  P. 


lipo«.  H.  6.  GyMi^OBi.  PaauoKamA  wh  oÖJiacTH  aHe^ffOTviecKOH  jni- 

TspaTypu.  AHeKAOTu  o  rjryiiii^arB.  Xapi>KOB%  1898.  200]S. 

Im  Anschluss  an  das  Buch  von  W.  A.  Clouston  »The  book  of  noodles« 
werden  zahlreiche,  besonders  russische  und  polnische,  theilweise  auch  sttd* 
slavische  Erzählungen,  Anekdoten  von  SpiesBbürgera,  einf&ltigen,  dummen 
Leuten  zusammengestellt.  Stellenweise  versucht  der  Verfasser,  die  Frage 
nach  dem  Ursprung,  der  Quelle  einzelner,  besonders  kleinrussischer  Versio- 
nen zu  lösen.  Die  slavische  Märchenliteratur  ist  bisher  überhaupt  in  sehr 
geringem  Masse  durchforscht,  es  fand  der  Verfasser  auch  auf  dem  engeren 
Gebiete,  dessen  Sichtung  und  Erforschung  er  diese  seine  »Untiarsuchungen« 
widmete,  nur  einige  wenige  Vorarbeiten.  GrOsstentheils  musste  er  das  Mate- 
rial selbst  zusammentragen,  und  hier  ist  auch  seine  Arbeit  nach  Verdienst 
anzuerkennen.  Die  zahlreichen  hierher  gehörigen  Erzählungen  sind  nach 
einzelnen  Motiven  gruppirt,  und  wir  könnten  nicht  sagen,  durchwegs  glück- 
lich ,  so  sind  z.  B.  im  §  39  zusammengestellt  einige  Erzählungen ,  wie  der 
Freier  nach  dem  Mädchen  mit  den  Augen  wirft,  und  im  §  43  überhaupt  Er- 
zählungen vom  einfältigen  Freier.  Die  in  einzelnen  §§  gruppirten  Erzählun- 
gen werden  nicht  gründlicher  analysirt  und  nicht  nach  ihrer  inneren  Ver- 
wandtschaft aneinandergereiht,  sondern  mehr  äusserlich;  es  werden  auch 
mitunter  Versionen  angeführt,  die  eigentlich  nicht  an  die  Stelle  gehören,  wo 
sie  wiedergegeben  werden,  z.B.  im  §  40  von  der  Märchengruppe,  die  R. Köhler 
»List  und  Leichtgläubigkeit«  benannt  hat  (Orient  und  Occident  U,  486  ff.. 
Kleinere  Schriften  zur  Märchenforschung  230  ff.)  wird  angeführt  das  Märchen 
aus  AeaHacBeBi»,  Pyc.  Hap.  ck.3  II,  363  f.,  Nr.  224,  welches  eigentlich  zu  jener 
Gruppe  gehört,  die  der  Verfasser  im  §  38  zusammengestellt  hat  unter  dem 
Titel  »MisBlungene  Erfüllung  der  Rathschläge«;  ebendaselbst  noch  das  Mär- 
chen aus  derselben  Sammlung  Nr.  225,  welches  wieder  in  die  Gruppe  gehört, 
die  der  Verfasser  im  §  41  zusammengestellt  hat  von  dem  Dummen,  der  den 
Ochsen  einem  Baume  oder  einer  Statue  verkauft.  Das  slaviBche  Material  ist 
durchaus  nicht  erschöpft,  und  andere  Gelehrte  werden  das  von  Prof.  Sumcov 
zusammengestellte  Material  stark  zu  vervollständigen  und  auch  die  einzelnen 
Märchenstoffe  und  Motive  eingehender  zu  analysiren  haben.  Vgl.^z.  B.  §  3 : 
»Von  Einfältigen,  die  den  vermeintlichen  Tod  des  in  der  Zukunft  zu  erwar- 
tenden Kindes  beweinen«,  welches  Motiv  der  Verfasser  schon  in  seiner  Be- 


G.  Polivka  über  Sumcov's  Forsohnngen  in  der  Auecdotenliteratur.   263 

cension  der  ethnographiBchen  Werke  Romanov's  (S.  68  f.)  berührt  hatte,  hier 
aber  wie  die  weiBsrasB.  Version  bei  Romanov  [EijEopyc.  Gtf.III,  483  f.),  so  auch 
andere  unerwShnt  lieBB :  IIIeBH'B,  Maxep.  ciBepo-san.  Kpan  Nr.  85, 86,  HBaHimKlu, 
fioioroA*  S.  284,  Nr.  39.  Mater,  antrop.-archeol.  i  etnogr.  I,  Abtb.  2,  S.  52 ; 
n,  Abth.2,  S.  87  f.  ETHorpa*.  B6ipHHK  III,  131  f.  Karlowicz,  Podania  na  Lit- 
wie  Nr.  6.  Kolberg,  Lud  Vin,  220  f.  CiBzewslsi  I,  Nr.  225,  226.  Chelchow- 
ski  II,  81  f.  Dobsinsky,  Slov.  pov.  YIII,  3  f.  u.  a.  m.  Vgl.  weiter  §  26:  »Der 
Leichnam«  bei  der  Thür  aufgestellt,  von  Andern  wieder  erschlagen,  theuer 
bezahlt  u.  s.  f.,  wo  nicht  einmal  alle  Motive  (der  Leichnam  auf  dem  Wagen 
mit  Aepfeln  etc.)  aufgezählt  sind,  und  auf  eine  Zahl  von  Versionen  bloss 
bibliographisch  verwiesen  ist;  §  27:  Das  Weib  gibt  dem  Mann,  der  von  Gott, 
aus  dem  FaradicB  kommt,  Kleider  und  Geld  für  ihren  Vater,  seligen  Mann 
u.  B.  w.  8.  Frey^s  Gartengesellsohaft,  hsgb.  von  Joh.  Bolte  S.  236  f.  Hieran 
war  anzuknüpfen  das  erst  in  §  45  besprochene  Motiv :  das  Weib  gibt  dem 
»FürpaBB«,  »le  temps  long«  u.  ä.  Geschenke,  den  Schatz  u.  a.,  vgl.  hierzu  Et- 
Horpa».  36ipHHK  III,  S.  131  f.  N&rodopisny  sbomik  oeskoslov.  III,  111.  —  Einige 
Motive  sind  recht  gründlich  durchgearbeitet,  andere  flüchtiger  behandelt, 
oftmals  hat  er  bloss  auf  ähnliche  speciale  Studien  hingewiesen,  und  sich  mit 
einer  kurzen  Aufzählung  ähnlicher  Versionen  begnügt.  Vollständigkeit  hat 
der  Verfasser  nicht  beansprucht  —  absolute  Vollständigkeit  ist  kaum  zu  er- 
reichen auch  in  den  Sitzen  unserer  reichen  westeuropäischen  Bibliotheken, 
geschweige  denn  in  einer  russischen  Provinzstadt  Und  doch  ist  es  ohne  ver- 
hältnissmässig  vollständige  Ausnützung  alles  zugänglichen  Materials  kaum 
mOglich,  auf  diesem  Gebiete  zu  irgendwie  sicheren  Resultaten  zu  gelangen. 

(?.  P. 

£.  A.rpHH?eHKo:  3THorpa«H^ecKi6  MaTepiajoj;  cotfpaHHue  b'b  ?epHH- 
roBCKOH  H  cociABH3?B  CB  HBH  rytfepmflX'B.  Bun.  I.  PascKasu,  cKasKH, 
npeAanla,  nocjOBiopi,  saraAKH  h  np.  —  ^epimroB^  1895.  S.IV+  308. 

Das  in  diesem  Buche  publicirte  zahlreiche  und  grOsstentheils  werthvolle 
ethnographische  Material  wurde  von  verschiedenen  Personen  im  Gouv.  Cer- 
nigov  und  den  benachbarten  Gouv.  Voly^,  Gharkov,  Poltava  und  Jekaterino- 
slav  gesammelt.  Leider  hat  der  Herausgeber  die  gewiss  zahlreichen  dialek- 
tischen Eigenthümlichkeiten  fast  durchgehends  verwischt,  der  Accent  ist  auch 
nicht  bezeichnet,  die  Beiträge  über  Zauberei,  Beschwörungen  von  Krank- 
heiten etc.  sind  sogar  in  der  (grosB)russischen  Schriftsprache  wiedergegeben. 
Kurz  für  den  Sprachforscher  bietet  das  Buch  kein  Interesse.  Für  den  For- 
Bcher  der  Volksliteratur,  der  Sagen  und  Märchen,  Sprichwörter  und  Räthsel, 
des  Aberglaubens  und  der  Volksmedizin  bringt  dagegen  diese  neue  klein- 
russische Publication  reichen  und  interessanten  Stoff.  Dieser  ist  in  einzelne 
Kapitel  vertheilt  auf  eine  Weise,  die  allerdings  hie  und  da  auf  Widerspruch 
stÖBSt.  Einige  Abtheilungen  sind  so  schwach  vertreten,  besonders  Sagen,  dasB 
sie  hätten  füglich  wegfallen  können,  umsomehr,  da  der  Herausgeber  ja,  nach 
dem  Titel  zu  urtheilen,  beabsichtigt,  noch  anderes  Material  in  einem  zweiten 
oder  vielleicht  noch  mehr  Heften  zu  publiciren. 


264  Kritischer  Anzeiger. 

Im  Folgenden  wollen  wir  einzelne  Märchen  insbesondere  hervorheben, 
und  auf  ähnliche  slavische,  hie  and  da  auch  nichtslavische  Varianten  hin- 
weisen. Der  Herausgeber  selbst  führte  in  den  Anmerkungen  ähnliche  Versio- 
nen an,  doch  nur  aus  kleinrussischen  Sammlungen,  und  das  nur,  soweit  sie 
ihm  zugänglich  waren. 

I.  Vorstellungen  und  Erzählungen  von  Naturerscheinungen  und  Erfin- 
dungen. S.  1 — 10. 

Nr.  1.  Von  den  Sternlein.  Unter  den  Sternen,  die  den  Wagen  bil- 
den, ist  ein  kleines  Sternlein,  das  Hündchen  genannt;  dieses  nähert  sich  im- 
mer mehr  dem  mittleren  Stern,  und  wenn  es  bei  ihm  ankommt,  wird  das 
jüngste  Gericht  eintreten. 

Nr.  2.  Von  den  Hundsköpfen.  Bei  diesen  einäugigen  Menschen- 
fressern diente  als  Lakai  ein  RussCi  bereitete  ihnen  Essen  aus  Schlangen- 
fleisch,  ass  selbst  davon,  und  wurde  dadurch  sehr  weise,  erfuhr  auch  den  Weg 
nach  Hause  und  entfloh  schliesslich.  Auf  der  Flucht  sah  er  sich  auf  die  un- 
aufhörlichen Zurufe  der  Hundsköpfe  um,  und  vergass  dadurch  die  Hälfte 
dessen,  was  er  wusste. 

Nr.  3.  Die  Gelsen  bitten  Gott  um  Abhilfe,  dass  der  Mensch  sie  nicht 

■ 

zerquetscht,  wenn  sie  ihn  stechen. 

Nr.  4.  Ein  Fragment  aus  dem  Doctor  Allwissend:  Ein  Bauer 
sucht  seine  Ochsen.  Eine  Zauberin  schlägt  die  Karten  auf  und  schickt  in  den 
Wald,  wo  eine  rothe  Säule  steht.  Wirklich  waren  dort  die  Ochsen  in  dem 
Gesträuche  festgebannt,  und  ein  Gtolsenschwarm  saugte  aus  ihnen  Blut,  bis 
er  blutroth  war ;  er  erhob  sich  und  bildete  eine  glühende  Säule. 

Nr.  6.  Die  Schlangen  kriechen  am  Tage  der  *  Kreuzes -Erhöhung 
(26.  Sept.)  in  ihre  Höhlen. 

Nr.  7,  8.  Von  Schlangen  mit  goldenen  Hörnern  und  wie  man 
diese  goldenen  Homer  erlangen  kann;  wer  sie  hat,  bei  dem  hält  sich  viel  Geld. 

Nr.  12.  Von  der  Fledermaus :  vgl.  Archiv  XIX,  260  zu  §ejn  Nr.  201. 

Nr.  13.  Warum  zanken  sich  Hund  und  Katze.  Vgl.  Archiv  XIX,  260  zu 
§ejn  Nr.  194,  195. 

Nr.  14.  Mit  der  Kuh  gehen  die  Leute  sehr  zart  und  fein  um,  am  Oster- 
feste küssen  sie  sie  u.  a. 

Nr.  15.  Der  Schmied  und  der  Teufel.  Der  Teufel  lernt  schmieden. 

Nr.  16.  Das  Glas,  etymologisches  Märchen,  creiuo :  Fuhrleute  machten 
auf  zwei  Ellumpen  Salpeter  im  Sande  Feuer  und' stellten  einen  Kessel  darüber ; 
über  die  Nacht  floss  es  in  eine  Masse  zusammen,  cieiLio,  daher  benannten 
sie  so  die  neue  Masse. 

Nr.  17.  Vom  teuflischen  Ursprung  des  Tabaks.  Vgl.Sumcov,  GoBpeMOH- 
Haa  Mimopyc.  3THorpa«iji  S.  128  f.  PoHaeoB's,  E&Kopyc.  C6.  IV,  S.  23,  Nr.  19. 
dxHorpa«.  Göospi^Ble  X,  S.  58  f.  Strohal,  Hrvat  nar.  pripov.  Nr.  53.  CJöophhk'b 
3a  Hap.  yMOTBop.  VII,  Abth.  3,  S.  138. 

II.  Vorzeichen  und  Aberglauben.  S.  11 — 23.  Unter  anderem  wie  bei 
grosser  Dürre  Regen  hervorzurufen,  Hagel  zu  vertreiben,  die  Hand  eines 
todten  Kindes  schützt  die  Diebe,  Gebräuche  bei  Todesfall  u.  a.  ä. 


Prof.  Polivka  über  HriBoenko's  Ethnogr.  Material  I.  265 

• 

in.  Zauberei  und  Besprechungen  (S.  24 — 37)  gegen  Krankheiten,  gegen 
Cholera,  beim  Gebären,  bei  der  Pflege  des  Kindes  n.  a.  ä. 

IV.  Erzählungen  von  ttbematttriichen  Wesen  (S.  38—47) :  Nr.  73.  Wer 
den  Teufeln  seine  Seele  nicht  verschreibt,  wird  nicht  reich.  Einem  Müller 
führen  die  Teufel  eine  ganze  Fuhre  Silber  zu,  Leute,  die  beim  Abladen  helfen, 
bekommen  als  Lohn  eine  Handyoll  Silberstttcke,  bei  näherer  Besichtigung 
bemerken  sie,  dass  es  Kohlen  sind. 

Nr.  75.  Der  Teufel  bethOrt :  soll  sich  die  Seele  holen,  wenn  alles  Laub 
abgefallen  sein  wird.   Vgl.  Revue  des  trad.  pop.  YU,  593. 

Nr.  76.  Ein  Mann  verschreibt  dem  Teufel  seine  Seele,  wenn  er  ihn  zum 
besten  Geiger  der  Welt  macht  Der  Teufel  bethört. 

Nr.  77.  Der  Teufel  geht  Honig  naschen,  vom  Bauer  geprügelt 

Nr.  78.  Ein  Mann,  der  nur  Böses  that,  trug  seinem  Sohne  vor  seinem 
Tode  auf,  durch  einen  Kummet  zu  schauen,  was  mit  seinem  Leichnam  ge- 
schehen wird.  Teufel  tragen  die  Leiche  weg,  und  ein  Teufel  legt  sich  auf  die 
Bank  statt  des  Leichnams.  Der  Teufel,  mit  siedendem  Wasser  begossen, 
entflieht. 

Nr.  79.  Ein  reicher  Mann  verschenkt  auf  Anrathen  des  Teufels  vor  dem 
Tode  sein  Geld.  Um  Mittemacht  kamen  Teufel,  und  schüttelten  das  Geld 
aus  der  Leiche  heraus  für  den  Kirchensänger,  der  die  ganze  Nacht  bei  der 
Leiche  betete.  Eine  gleiche  Erzählung  bei  Athanasjev,  übersetzt  in  der  Re- 
vue des  Trad.  popul  I,  S.  35. 

Nr.  80.  Dem  Waldgotte  hüteten  drei  Brüder  einen  Stier :  der  Hirt  soll 
bringen,  was  der  Stier  frisst  und  trinkt.  Der  jüngste,  dumme,  verfolgt  den 
Stier  über  einen  Fluss,  bis  zu  einer  Kirche,  wo  der  Stier,  in  einen  Priester 
verwandelt,  Messe  liest,  »Semmeln«  isst  und  Wein  trinkt.  Vgl.  Dowojna  Syl- 
westrowlcz,  Pod.  imujdzkie  I,262f  Dobsinsky,  Slov.pov.  H.7,  S.  3f.  Ungar. 
Revue  V  (1885),  S.  640  f. 

Nr.  82.  Ein  Mann  von  der  verlassenen  Geliebten  in  einen  Wärwolf  ver- 
wandelt. Vgl.  JliTomich  HCiop.-«Hj[OJior.  o6mecTBa  HOBopocc.  yhhb.  III,  S.  128  f. 

y.  Erzählungen  von  Todten  (S.  48—56. 

Nr.  85.  Von  Einem,  der  auszog,  das  Fürchten  zu  lernen.  Uebemachtet 
am  Friedhof,  erfährt  von  einem  Vampyr,  wie  er  von  ihm  getödtete  junge 
Eheleute  wieder  beleben  kann.  Vgl.  EiHorpa«iqHnH  86ipHHK  I,  2.  Abhandlung, 
S.  5  f.,  Nr.  2.  TpcHjraHA'B,  JTaTLimcidA  CKasiui  S.  139  f.,  Nr.  95,  96. 

Nr.  86.  Aehnlich  wie  Nr.  85.  Der  Sohn,  aus  der  Fremde  nach  Hause  ge- 
kommen, findet  seinen,  den  Nachrichten  nach  todten,  Vater;  er  fährt  mit  ihm 
auf  eine  Hochzeit.  Der  Vater  ist  ein  Vampyr.  Wie  die  jungen  Eheleute  zu 
beleben  sind,  erfährt  von  ihm  der  Sohn  auf  der  Rückfahrt,  ebenso,  wie  der 
Vampyr  unschädlich  gemacht  werden  kann. 

VI.  Aberglauben  und  Erzählungen  von  Hexen  und  Zauberern  [S.  57 — 61). 

Nr.  89.  Hexen  beschmieren  sich  mit  einer  Salbe  und  fliegen  durch  den 
Schornstein  hinaus;  ein  Mann  macht  es  ihnen  nach.  Vgl.  N.  Th.  Sumcov  im 
PyccKlH  ^KÄ.  BtcT.  XXXI,  S.  295  f.  zu  Puskin's  FycapB,  ausserdem  Dowojna- 
Sylwestrowicz  II,  S.94  f.,  257  f.  Strohal,  Hrvat.  nar.  prip.  Nr.  28.  Zibrt,  Jak  se 
V  ÖechÄch  tancovalo  S.  223  f. 


266  Kritischer  Anzeiger. 

VII.  SchatzBagen  S.  62. 

VUI.  (S.7d — 76).  Nr.  91.  Variante  der  OedipuBsage,  beBonders  nahe  der 
Version  bei  AparoMaHOB'B,  Maxopyc  npeA.  S.  130  f.  Vgl.  Dragomanov :  GsasflE- 
cKHTi  npinpaBKH  ha  D/oniOBaTa  HciopnH  im  C6op.  aa  nap.  yMomop.  V,  Abth.  1, 
S.  286  f. 

Nr.  92, 93, 209.  Die  Hexenmatter  rächt  sich  am  Jüngling,  der  ihre  Toch- 
ter verschmSht  Er  tödtet  sie  zufällig,  mnsB  daher  drei  Nächte  in  einer  leeren 
Hütte  zubringen,  in  einem  Zauberkreis  eingeschlosBen  rettet  er  sich  kaum  vor 
den  Hexen,  erst  nachdem  Gott  selbst  eingriflf  und  den  Hahnenschrei  früher 
ertönen  liess.  Vgl.  Dragomanov,  Maj[opyc.  npeA.  S.  71,  Nr.  14  u.  a. 

Nr.  94.  »Der  Engel«  wurde  bereits  von  Prof.  Sumcov  herangezogen  in 
der  Abhandlung  JbrrepaTypHaA  poxHii  pascRasa  rp.  JL  H.  Tocraro  »^^mx  jnofM 
XHBuc ;  vgl.  oben  S.  262. 

Nr.  95.  »Der  Heilige«.  Vgl.  Archiv  XIX,  261  zu  äejn  Nr.  218,  219. 

Nr.  96.  Der  Zigeuner  darf  lügen,  denn  mit  einer  Lüge  beschützte  er  den 
gekreuzigten  Herrn,  dass  ihm  nicht  noch  der  Kopf  angenagelt  wurde.  Vgl. 
SECeto  i  Gjobo  1894,  Bd.  ü,  S.  181,  Nr.  6.  Aehnlich  darf  nach  einer  baskischen 
Legende  der  Zigeuner  stehlen,  weil  einst  eine  Zigeunerin  das  Kindlein  Jesu 
vor  Herodes  verbarg.  Revue  des  trad.  popul.  III,  S.  650. 

Nr.  97.  Jesus  führte  aus  der  HOlle  alle  Menschen  heraus,  nur  Salomon 
liess  er  dort,  denn  der  wird  durch  seine  Klugheit  selbst  sich  befreien.  Als  dann 
Salomon  zum  Paradies  kam,  las  er  dort  geschrieben:  »die  Menschen  haben 
zu  leben  1000  Jahre«.  »Wenig«,  sagte  Salomon,  und  schrieb  noch  seine  700 
Jahre  hinzu.  So  haben  sie  Gottes  Jahre  bereits  verlebt,  und  leben  jetzt  nur 
mehr  Salomon^s  Jahre,  und  auch  diese  gehen  zur  Neige. 

IX.  Erzählungen  aus  dem  familiären  und  gesellschaftlichen  Leben 
(S. 77— 127) :  Nr.  105.  Ein  Mann  sucht  ein  Nachtlager:  in  der  1.  Hütte  fand  er 
den  Tisch  voll  Schlangen,  in  der  2.  schlief  der  Mann  mit  seinem  Weibe,  und 
zwischen  ihnen  eine  Schlange ,  in  der  3.  sprang  vom  schlafenden  Mann  ein 
Frosch  auf  das  schlafende  Weib  und  zurück  etc.  Morgens  kommt  er  sich  zu 
dem  Herrn  dieser  Hütten  beklagen,  wieso  er  die  ganze  Nacht  nicht  schlafen 
konnte.  Dieser  erklärt  es  ihm :  in  der  1.  Hütte  werden  die  Brosamen  nicht 
vom  TiBche  weggefegt,  in  der  2.  hassen  sich  Mann  und  Weib,  in  der  3.  lieben 
und  achten  sie  sich  u.  s.  f. 

Nr.  107.  Warum  gehen  nicht  gleich  die  Kinder  nach  der  Geburt :  Gott 
erschien  bei  Eva,  als  ihr  ein  Sohn  geboren  wurde,  und  wollte,  dass  sie  ihn 
über  das  Thor  werfe;  sie  fürchtete  sich  aber  und  gehorchte  nicht  Gott.  Aehn- 
lich, aber  ausführlicher  PoiiaHOBx,  B^op.  G6.  IV,  S.  178,  Nr.  37.  Bev.  trad. 
pop.  II,  485. 

Nr.  109.  Ein  Sohn  missachtet  seine  Mutter ;  als  sie  ihn  zu  Ostern  be- 
suchte, empfing  er  sie  schlecht,  ging  in  den  Garten  hinaus,  in  der  Hoffnung 
sie  früher  los  zu  werden;  doch  dort  umschlang  seinen  Hals  eine  grosse 
Schlange;  sie  verlässt  ihn  erst,  als  er  büssend  nach  langjährigen  Wallfahrten 
starb.  Vgl.  ETHorpa«.  36ipHHR  II,  Abh.  1,  S.  47  f.,  Nr.  23. 

.    Nr.  1 1 1 .  Die  bekannte  Episode  aus  der  apocryphen  Erzählung  von  Moses, 
aber  hier  fing  das  Kind  den  König  bei  seinem  Schnurrbart,  griff  nicht  nach 


Prof.  Poliyka  über  Hrinoenko's  Ethnogr.  Material  I.  267 

Pharao's  Krone.  Das  Kind  hat  dann  zn  wählen  zwischen  Gold  und  einer  an- 
gezündeten Kerze,  im  Apocryph  zwischen  Edelsteinen  nnd  glühender  Kohle. 

Nr.  112.  Variante  zn  Grimm,  KHM.  Nr.  14.  »Die  drei  Spinnerinnen«.  Vgl. 
RadostOY  I,  S.  60  f.  Schleicher,  Lit.  M.  S.  12  f.  TpeHJiaHX'L,  JEaxLiincKiji  ck.  I, 
Nr.  123,  S.  240  f.  Strohal  I,  Nr.  34.  B.  Schmidt,  Griech.  M.  S.  65  f. 

Nr.  120.  Ein  Herr  wettet,  dass  sein  Diener  trea  ist.  Vgl.  Gonzenbach 
Nr.  8.  Dobsinsky,  Slov.  pov.  H.  8,  S.  37  f.  GöopsitE'B  sa  nap.  yMOTsop.  IX, 
Abth.  3,  S.  171  f. 

Nr.  121.  Von  den  drei  Brüdern,  die  in  die  Welt  zogen  und  russisch  ler- 
nen wollten.  Vgl.  Archiv  XTX,  S.  268  zu  Nr.  4. 

Nr.  125.  Das  untreue  Weib  entwendet  dem  Manne  seine  Wunderdinge. 
Der  Mann  bekam  sie  als  Belohnung  für  die  treuen  Dienste  bei  einer  Schlange 
—  einem  Mädchen.  Von  diesem  bekam  er  ein  Kraut,  durch  welches  er  sich 
in  ein  beliebiges  Thier  verwandeln  konnte,  und  so  gelangte  er  wieder  zu  sei- 
nen Wunderdingen. 

Nr.  126.  »Die  unrechte  Thata.  Ein  Bauer  verkauft  sein  von  einem 
wüthenden  Hund  gebissenes  Schwein.  Die  Leute,  die  es  kauften,  konnten  es 
ohne  Schaden  zu  nehmen  verzehren,  doch  als  der  Bauer  davon  genass,  wurde 
er  ebenfalls  wüthend. 

Nr.  130.  Das  Glück  {aojlsl)  des  reichen  Bruders  ist  auf  dem  Lande,  das 
des  armen  Bruders  in  der  Stadt,  treibt  Handel.  Vgl.  Wisla  1894,  S.  521  f. 

X.  Traditionen  von  historischen  Persönlichkeiten  (S.  128—129). 

Nr.  146.  »AapiH  la  MaKUAOH'B«.  Eine  Episode  aus  der  Alexander-Sage. 
Darius  gibt  dem  verkleideten  König  von  Macedonien  einen  Sack  Mohn :  wie 
vielKOrner  darin,  so  gross  ist  sein  Heer.  Dieser  zerdrückt  den  Mohn  in  seiner 
Hand,  ebenso  wird  er  den  Saft  aus  dem  Heer  ausdrücken.  Vgl.  Veselovskij, 
HrB  HCTOplH  poiiaHa  h  noB^CTS  I,  172  f. 

XI.  Local-Sagen  (S.  130—143). 

XII.  »Phantastische  Märchen«,  Wortspiele  und  Witz  (S.  144—250). 

Nr.  154.  »Der  Bär,  der  Alte  und  der  Fuchs«.  Vgl.  Archiv  XIX,  258  zu 
&ejn  Nr.  128. 

Nr.  155.  »Der  Specht,  der  Gevatter  und  der  Fuchs«.  Vgl.  Archiv  XIX, 
249  zu  heju  Nr.  17.  Die  Geschichte  ist  besonders  nahe  der  bei  Karlowicz 
Nr.  49  erzählten. 

Nr.  156.  »Der  Grossvater  und  die  Grossmutter«.  Ein  Häufungsmärchen. 
Vgl.  Archiv  XIX,  249  zu  Sejn  Nr.  15,  16.  C6o^jatsi»  Max.  ujieMeH'L  KasRasa 
XV,  Abth.  2,  S.  144  f. 

Nr.  157, 158.  Die  untreue  Mutter  von  einem  Drachen  überredet,  stellt 
ihrem  Sohne  nach  dem  Leben.  In  Nr.  157  entflieht  der  Sohn  mit  Hilfe  seines 
Pferdes  und  befreit  drei  königliche  Prinzessinnen  vom  Drachen.  In  Nr.  158 
befreit  die  Mutter,  wie  bei  Manzura  37  f.,  Romanov  S.66f.,  den  Drachen  von 
seinen  Fesseln.  Sie  wurde  mit  dem  Kinde  aus  dem  Hause  vertrieben  und  die 
Hände  ihr  abgthackt ;  sie  wuchsen  ihr  wieder  an,  nachdem  sie  auf  das  Ge- 
heiss  ihres  Kindes  die  Handstumpfe  im  Brunnen  benetzt  hat 

Nr.  159.  Aus  der  Macht  des  Drachen  ein  Mädchen  befreit.  Der  Held 
hilft  dem  Drachen  im  Kampfe  mit  anderen  drei  Drachen,  daher  schont  ihn 


268  Kritischer  Anzeiger. 

dreimal  der  Drache,  als  er  das  Mädchen  entführte  nnd  von  ihm  eingeholt 
wurde.  Der  Bruder  des  Helden,  der  Wolf,  bringt  ihn  wieder  zum  Leben  mit 
dem  Lebenswasser,  und  lehrt  ihn,  dass  er  iiur  auf  einem  Wunderpferde  die 
Schöne  dem  Drachen  entführen  kann. 

Nr.  160.  Ein  reicher  Kaufmann  auf  Beisen,  von  starkem  Durst  geplagt, 
erbittet  sich  vom  Herrscher  dieses  Landes  Wasser;  der  gewährt  es  ihnen  nur 
unter  der  Bedingung,  wenn  er  giebt,  was  er  zu  Hause  hat  Der  Mann  neigte 
sich  also  hier  nicht  in  die  Quelle,  wie  bei  Athanasjey  Y,  S.  132  f.  Ghudjakov 
I,  Nr.  17,  18.  DobroYoIjski,  Smol.  Sb.  I,  S.  99  f.  Gli&ski  I,  S.  98  f.  Karlowicz 
Nr.  44.  Dowojna  Sylwestrowicz  II,  S.344f.  G6opH.  Max.  Kasicas.  XVI,  Abth.  1, 
S.  295  f.  Der  Sohn  des  Kaufmannes  herangewachsen,  geht  zu  diesem  Herrn, 
und  der,  ein  böser  Zauberer,  legt  ihm  schwere  Aufgaben  auf,  in  einer  Nacht 
hat  er  den  dortigen  Fluss  abzudämmen,  das  Flussbett  zu  ackern,  besäen,  und 
den  Weizen  reifen  zu  lassen,  Mehl  mahlen  und  des  Morgens  seine  Semmel  zu 
bringen  u.  ä.  Das  wird  mit  Hilfe  der  jüngsten  Tochter  des  Zauberers  voll- 
bracht, beide  entfliehenen  nach  verschiedenen  Verwandlungen. 

Nr.  161.  Dem  Vater  sollen  seine  drei  Söhne  abwechselnd  auf  da«  Grab 
jede  Weihnachten  das  Abendessen  bringen.  Gewöhnlich  haben  sie  nur  des 
Vaters  Grab  durch  drei  Nächte  zu  bewachen.  Vgl.  Archiv  f.  slav.  Phil.  XVII, 
578  zu  Ciszewski  Nr.  141,  142  Athanasjev  II,  Nr.  25;  III,  Nr.  5;  V,  Nr.  18. 
Dobrovoljskij  I,  S.  590  f.,  Nr.  30,  31.  Chudjakov  II,  Nr.  50.  Weryho  Podania 
lot.  S.  195  f.  Podania  bialorus.  Nr.  23.  TpeüjaHA'B,  JEaxumcRiH  es.  Nr.  119, 120. 
£THorpa*iiiHKH  36ipHHR  I,  S.  36  f.,  Nr.  10. 

Nr.  162.  Ein  König  verspricht  Demjenigen  seine  Tochter  und  die  Hälfte 
seines  Beiches,  der  zu  seiner  Tochter  durchdringt  und  den  Ring  ihr  weg- 
nimmt. Der  Held  Hess  eine  solche  Uhr  bauen,  die  auch  Musik  spielt,  und  in 
der  er  Platz  hat  zu  sitzen ;  doch  darf  der  Meister  sie  nur  dem  König  ver- 
kaufen. Und  so  gelangte  der  Held  zur  Prinzessin,  entwendete  ihr  den  Ring, 
verdarb  das  Spielwerk,  und  wurde  mit  der  Uhr  zu  dem  Meister  in  Reparatur 
gebracht.  Vgl.Gonzenbach  Nr.10,23,  II,  S.209.  Wolf,  DHM.S.73f.  U.Jahn 
I,  S.  169.  Erdelyi-Stier  S.  76.  B.  Schmidt,  Griech.  Märch.  S.  103.  Kolberg, 
Lud  VIII,  28  f.   C6opH.  Mai.  KaBKas.  XVIII,  Abth.  3,  S.  390  f. 

Nr.  163.  Der  reiche  Bruder  stach  dem  armen  die  Augen  aus  für  Brod, 
schnitt  ihm  weiter  die  Ohren  ab,  dann  auch  Hände  und  Füsse,  alles  für  Brod. 
Von  dem  wunderthätigen  l'hau  erfuhr  er,  nachdem  er  sich  in  ein  Fuchsloch 
verkrochen  hat.  Vgl.  Archiv  XIX,  S.  244  zu  Väclavek  Nr.  6.  Dobrovoljskij 
I,  S.  644  f.,  Nr.  7.  ExEorpa^i^BHU  36ipHER  I,  Artikel  2,  Nr.  19. 

Nr.  164.  Der  arme  an  dem  Namensfeste  seines  reichen  Bruders  ver- 
trieben, geht  zu  den  Teufeln,  erfährt  von  ihnen  unbemerkt,  wie  der  Damm 
zu  bauen  ist,  dass  er  nicht  mehr  zerrissen  wird.  Vom  Müller  dafür  reich  be- 
schenkt. Es  geht  dann  der  reiche  Bruder  hin  etc.  wie  in  Nr.  163  u.  ä. 

Nr.  165.  »Jean  de  l'Ours«  und  seine  Genossen  Dubrovyk  und  ein  Mann 
mit  einem  so  langen  Schnurrbarte,  dass  er  damit  Fische  fing.  Kampf  mit  dem 
Zwerge  mit  dem  ellenlangen  Bart  u.  s.  w.  Die  Version  sehr  kurz  und  ver- 
derbt.   Aehnlich  ragt  auch  in  der  weissrussischen  Version  bei  Dobrovoljskij 


Prof.  Polivka  über  Hrincenko's  Ethnogr.  Material  I.  269 

I,  S.  436  der  Held  mit  seinem  langen  Schnurrbarte  hervor,  der  drehte  ans  ihm 
eine  Brücke;  bei  Erlenvejn  S.  127  f.  dämmte  er  den  Teich  ein. 

Nr.  166.  Der  Held  bekommt  für  seine  treuen  Dienste  von  seinem  Herrn 
ein  weisses  Pferd,  welches  das  ganze  feindliche  Heer  zusammentritt  und  un- 
verwundbar ist  Befreit  eine  alte  Frau  von  Hexen,  und  zum  Lohne  hiefttr 
wird  er  mit  einem  Zauberschwert  beschenkt  und  ausserdem  mit  dem  guten 
Bathe,  dem  Weibe  bis  7  Jahre  und  7  Wochen  nicht  zu  glauben.  Der  Held 
befreit  einen  König,  heirathet  dessen  Tochter,  von  dieser  dem  Feinde  ver- 
rathen. 

Nr.  167  gehört  zu  dem  Märchen  vom  tapferen  Schneiderlein.  Vgl.  Atha- 
nasjev  H,  S.  135  f.  V,  S.  48  f.  Önbinskij  U,  S.  635  f.  Dobrovoljskij  S.  622  f. 
Dobsinsky,  Slov.  pov.  Heft  3,  S.  9  f.  Benes-Tfebizsky,  N&rod.  poh.  a  pov. 
S.  34  f.  Eres  IV,  S.30f.,  Nr.  2.  ^apkarev,  Exjurap.  nap.  npnK.  Nr.  28,  G6ophhkx 
Hap.  yMOTBop.  IX,  B.  368  f.,  Nr.  220,  221,  223.  G6opH.  Maiep.  KaBRaa.  XVI, 
Abth.  2,  S.  100  f.  TKniOkii  OrapHHa  V,  454  f. 

Nr.  168.  Für  seine  Dienste  bekommt  der  Diener  je  einen  Heller,  die  bei- 
den ersten  Jahre  sinken  die  Geldstücke  im  Flusse  unter;  er  kehrt  in  den 
Dienst  zurück,  da  er  nicht  redlich  gedient  hat.  Erst  das  dritte  Jahr  taucht  es 
ebenfalls  unter,  kommt  aber  mit  den  beiden  ersten  Geldstücken  wieder  her- 
vor. Er  befreit  dafür  eine  Katze,  einen  Hund  und  eine  Schlange  von  ihren 
Peinigern.  Die  Schlange  eine  verwünschte  Prinzessin.  Vgl.  G6opbhri  MaTep. 
jUfl  onscaHlH  MicTH.  H  iLseMeH'L  KasKasa  XV.  Abth.  2,  S.  179  f. 

Nr.  170.  Die  Kaufmannstochter  vom  KSuberhauptmann  gefreit.  Vgl. 
Archiv  XIX,  257  zu  §ejn  Nr.  105.  Göops.  iiaTep.  KaBRas.  XV,  Abth.  2,  S.  165  f. 
C6opHHR'B  3a  Hap.  yMOXBOp.  XI,  Abth.  3,  S.  102.  Sapkarev,  GöopsHR'B  IX,  S.  532  f. 

Nr.  171.  Der  Sohn  zieht  in  die  Welt,  um  noch  dümmere  Leute  zu  sehen. 
Vgl.  Archiv  XIX,  255  zu  §ejn  Nr.  86.  Cesk^  Lid  V,  S.  459.  ü.  a.  auch  die 
Kuh  auf  das  Dach  gezogen,  wie  bei  Athanasjev  II,  S.  16  u.  a. 

Nr.  172.  Der  Dumme  geht  Über  das  Eis,  wo  es  geborsten,  schmiert  er  es 
mit  Honig  aus,  wie  z.B.  bei  Kolberg,  Lud  HI,  158  das  Loch  in  der  Brücke  mit 
einem  Laib  Brod  ausgestopft  wurde  u.  s.  f.  Vgl.  Athanasjev  V,  S.  47  f.  Chu- 
djakov  II,  S.  114  f.  Dobrovoljskij  I,  S.  493  f. 

Nr.  173.  Von  zwei  Brüdern,  dem  gescheidten  und  dem  dummen.  —  Der 
Ochs  einem  Baume  verkauft:  Cubinskij  II,  S.  495  f.,  Nr.  4.  Athanasjev  V, 
S.  231.  Erlenvejn  S.  58  f.  Kulda  III,  S.  56  f.,  Nr.  7.  Haltrich,  Deutsche  V.-M. 
S.  291.  Vgl.  Archiv  XVII,  S.  579  zu  Ciszewski  Nr.  151.  Der  Dumme  geht  um 
ein  Mass  für  den  Schatz  zum  Popen,  der  will  zusehen,  wie  sie  den  Schatz 
messen,  vom  Dummen  erschlagen,  der  Leichnam  in  den  Brunnen  geworfen, 
ein  Bock  aus  dem  Brunnen  herausgezogen.  Vgl.  ^BaHH^RiH  S.  201,  Nr.  34. 
Dragomanov,  Ma.sopyc.  npeA.  S.  332,  GöopnHR'B  sa  nap.  yifOTBOp.  VIU,  Abth.  3, 
S.  184  f.  A.  Mouli6ras  &  Ren6  Basset,  Le  Fourberies  de  Si  Djeh'a  S.  18, 
Nr.  21,  55. 

Nr.  175.  Meisterdieb.  Vgl.  Archiv  XIX,  256  zu  §ejn  Nr.  95,  96.  OSopu. 
uaTop.  KasRas.  XV,  Abth.  2,  S.  103  f.,  193  f.  ^Kht«  i  Oiobo  1895,  H.  6,  S.  358  f. 
^apkarev,  GOophhrx  IX,  S.  411  f.,  Nr.  247. 

Nr.  176,  177,  178,  179.   Lügenmärchen.    Vgl.  Archiv  XIX,  257  zu  Sejn 


270  Kritischer  Anzeiger. 

Nr.  114—119.  G60PH.  MaTep.  KaBRaa.  XII,  Ablii.l,  S.93.  XV,  Abth.  2,  S.  47  f., 
49  f.  DobrovolJBkij  I,  S.  467  f.,  663  f.  DoWojna  Sylwestrowicz  I,  259  f.  Sap- 
karev,  Cöophek-b  IX,  S.  437  f.,  Nr.  255. 

Nr.  180.  Einer  will  reich  werden,  kauft  gläserne  Waaren  zusammen, 
Übernachtet  in  einer  leeren  Hütte,  berechnet,  wie  er  reich  werden  wird,  die 
Tochter  des  Garen  heimführt,  —  stosst  dann  mit  seinem  Fnss  in  das  Glas. 
Ebenso  ^Kirre  i  Gjobo  1895,  H.  5,  S.  179,  Nr.  15.  Vgl.  Archiv  XVI,  319  zu  Sl&ma 
Nr.  22. 

Nach  verschiedenen  kleineren  Anecdoten  folgt  eine  grössere  Anzahl  von 
Sprichwörtern  (S.  231—247)  und  Bäthseln  (S.  247—250). 

In  den  Ergänzungen  (S.  231 — 300),  in  welchen  verschiedenes  Material 
abgedruckt  wurde,  welches  während  des  Druckes  einging,  lesen  wir  neben 
Beschwörungen  des  Fiebers  (S.  256  f.),  besonders  ein  einer  bäuerlichen  Hs. 
entnommenes  Arzneibuch  (S.  257 — 279),  weiter  Liebeszauber  (S.  280  f.),  Be- 
schwörungen der  Bienen  (S.  281)  und  Fische  (S.  282). 

Nr.  206.  Wenn  der  Blitz  einen  Menschen  erschlägt,  so  sagt  man,  dass 
unter  diesem  Menschen  ein  Teufel  sich  verborgen  hat ;  glücklich  ist  so  ein 
Mensch,  denn  durch  ihn  hat  Gott  auch  einen  Teufel  erschlagen. 

Nr.  207,  208.  Wie  kann  man  eine  Hexe  erkennen. 

Nr.  210.  Vor  seiner  Hochzeit  besucht  der  Bräutigam  das  Grab  seines 
Bruders  und  ladet  ihn  zur  Hochzeit ;  der  Todte  ladet  ihn  zu  sich,  erzählt  von 
dem  Leben  im  Jenseits,  die  Zeit  verschwindet  rasch,  eine  Kerze  verlöscht, 
100  Jahre  verflossen.  Vgl.  Kres  IV,  S.  349  f.  Kolberg  VIII,  S.  101  f.,  Nr.  37, 38. 
Dobsinsky  H.  3,  S.  38  f.  Bartsch,  Sagen  und  Märchen  aus  Meklenburg  I, 
S.  282  f.  Q,  PoHvka, 


BojKOAHMHp  FjaTiDK  JüereH^H  3  XiTapLCKoro  sÖipHHKa  (I-oI  noj[. 
XVIII B.):  SanHCKH  HayKOBoro  Tosap.  Im.  lüeB^eHKa.  Bd.  XVI  (1897, 

Nr.  2),  S.  1—38. 

In  dem  X.  Bd.  der  Mittheilungen  der  äewcenko-Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften wurde  bereits  ein  kurzer  Bericht  von  einer  interessanten  Hs.  aus  der 
1.  Hälfte  des  XVIII.  Jahrh.  abgedruckt,  die  bei  einem  Bauern  des  Dorfes  Chi- 
tar  im  Bezirke  Stryj  gefunden  wurde,  und  seit  der  I.Hälfte  des  XVIII.  Jahrh. 
in  den  Händen  von  Bewohnern  dieser  Gegend,  grösstentheils  in  einerund 
derselben  Familie  sich  befand.  Die  Hs.  ist  ungemein  interessant  sowohl  der 
Sprache  als  auch  dem  Inhalte  nach :  sie  lässt  uns  einen  Einblick  in  die  Lee- 
türe des  ruthen.  Volkes,  von  der  1.  Hälfte  des  XVIII.  Jahrh.  an,  gewähren. 
Die  Hb.  enthält  nämlich  den  Alexanderroman,  und  zwar  eine  Bearbeitung  sei- 
ner serbischen  Redaction,  wie  Dr.  Ivan  Franko  sich  daselbst  (Miscell.  S.  9) 
aussprach,  und  eine  Reihe  von  verschiedenen  Legenden  und  Erzählungen. 
Diese  wurden  nun  von  H.  Volod.  Hnatjuk  herausgegeben.  Die  Publicirung 
des  Alexanderromanes  wurde  auf  eine  spätere  Zeit  vorbehalten. 

Nr.  1,  S.  4  f.  »Die  Geschichte  von  einem  König,  der  in  der  Nacht  mit 
einem  Diebe  stehlen  ging.  Wäre  er  nicht  stehlen  gegangen,  so  wäre  er  eines 
bösen  Todes  gestorben.«   Der  Hsg.  druckt  daneben  eine  neue  kleinrussische 


Pr f.  Polivka  üb.  Hlatj  uk's  Ausg.  eines  klr.  ethnogr.  literaturgesch.  Werkes.  271 

Version  dieses  Märchens  mit,  die  in  derselben  Gegend  jüngst  aufgezeichnet 
wurde,  woher  auch  die  Hs.  stammt.  Vgl.  Dowojna-Sylwestrowicz,  Podania 
Imujdzkie  I,  416;  II,  470.  AoÖpobojlbckIh  Gmoj.  06,  l,  S.  384  f.,  Nr.  26.  ^y6HH- 
ckIh  TpyÄM  n,  S.  592  f.,  Nr.  77.  Vgl.  CoTOHeHlÄ  A.  A.  KoTjUÄpeBCKaro  II,  S.  49  flf. 

Nr.  4,  S.  14  f.  enthält  eine  Legende  vom  Kampfe  eines  Ritters  mit  dem 
Tode,  die  jetzt  noch  für  das  Volk  gedruckt  wird;  der  Hsg.  theilte  hierzu 
noch  eine  Variante  mit,  die  bei  den  ungar.  Buthenen  aufgezeichnet  wurde. 
In  der  Hs.  brüstet  sich  der  Tod,  d/iss  alle,  auch  die  grüssten  Helden,  ihm 
folgen  mussten,  sogar  Bova  Eorolevic  und  auch  der  König  »Bronstvik«  ^ro- 
TopuH  6BidrB  ca-jiBOMB  3aHinoj['i>  noA  sezeHyio  cxopoHy«.  Es  ist  dies  also  ein  Be- 
weis dafür,  dass  der  Roman  von  BruncYik  auch  bei  den  galizischen  Ruthenen 
bekannt  war. 

Nr.  5,  S.  20  f.  Jovinian.  Vgl.  Archiv  XVU,  572  zu  Giszewski  Erako- 
wiacy  Nr.  48.  C6opH.  Maxep.  KaBKas.  XVIII,  Abth.3,  S.  194  f.,  N.  9  b.  Pyff^eHRO 
Hap.  lOKHopyc.  ck.  II,  Nr.  36. 

Nr.  6,  S.  27  f.  Vom  reuevollen  Räuber  David  im  Kloster. 

Nr.  7,  S.  29.  Vom  Räuber  Flavianus,  der  als  MOnch  verkleidet  in  ein 
Nonnenkloster  sich  einschlich,  um  in  der  Nacht  seinen  Genossen  den  Eingang 
zu  öffnen,  im  Kloster  sich  aber  zum  christlichen  Glauben  bekehrte  und  selbst 
Mönch  wurde. 

Nr.  8,  S.  31  f.  Die  bekannte  Legende  vom  Einsiedler  und  dem  Engel. 
Zu  der  S.  36  angeführten  Literatur  sei  noch  hinzugefügt.  Kulda  Morav.  när. 
poh.  a  povisti  III,  S.  20  f.  Kolberg  Lud  XIV,  S.  166  f.,  Nr.  36,  Ao6poBOjncRiu 
Gmoi.  GöopH.  I,  308  f.  G6opHHR'B  sa  nap.  ynoTBopoEHH  Bd.  VI.  Abth.  3,  S.  117  f. 
Zs.  Ver.  f.  VK.  1895,  S.  76  f.  0.  Rohde,  Die  Erzählung  vom  Einsiedler  und 
dem  EngeL  Rostocker  Dissertation  1894. 

Nr.  9  ist  eine  nicht  vollendete  Legende  vom  Patriarchen  Terentios  von 
Gonstantinopel,  der  auf  Antreiben  eines  fanatischen  Juden  auf  die  Wahrheit 
des  Evangeliums  und  der  Lehre  Ghristi  Gift  nahm. 

In  der  Sprache  der  Hs.  kommt  sehr  oft  der  Dialekt  zur  Geltung;  für  6 
ist  einigemal  %  geschrieben,  d.i.t :  b%rho  5,  uor^h  5,  oor%b'b  23,  cor^  25  neben 
coROJiB  26,  instr.  pl.  HtzroMa  23,  u^qjiir'L  33,  B^AOTny  15,  niAenix  22;  ebenso 
für  e:  npHHT^'B  6,  jAtl  5,  CTep^rx  5,  yi^R'L  7,  micTB  16  u.  a.  Statt  y  ist  e: 
(SecB  statt  6bicB  7,  10.  Neben  rpbu  22,  RpBBaBoro  24,  finden  wir  RHpBaBoro  22, 
23,  Ao  RTbpBe  {i  SS h).  Zwischen  zwei  Vocalen  ist  v  ausgefallen:  AHOBasHCA  28, 
OTpoHTH  6,  oTpoHTH  5  nebcu  OTpoBHTH.  Assimiürt  hat  sich  dn:  tohhuh  14,  20, 
6iHHBiu  24.  Vorgeschlagen  ist  t  in  hicbctiith  21.  Neben  BHxy  22  lesen  wir 
daselbst  auch  Biray,  vielleicht  statt  BUA^y?  Ausgefallen  ist  h  in  gen.sg.  ^ep^A 
30,  gen.pl.  qepmoB'B  15.  Die  Präpositionen  H3-  und  c^  sind  zusammengefallen: 
H3  co6o]0  14,  H8  CBOHMB  16,  E3  To6oK>  34,  HS  HJia^eMB  17,  H3  njta^OM  24,  H3  aecape- 
BOH)  22,  26,  H3  noRJiOHaMH  25,  hs  MOJiHTBaMH  25,  HSMeacE  HacB  und  bmckh  HinrB 
26,  HC  naHCTBOMB  6,  hg  xoBapHinoMB  6,  3  pocRoinaMH  14,  3  Aymeio  25,  3  BaMH  27 
neben  Kasaro  h3  BasfH  Ty  6bith  28,  3  paAocTHH)  30,  s  hhmb  32,  ns  xphcthahh  h  3 
naTpHHpzoB)  37,  c  rocthh  14,  c  Toro  CBtia  16,  3  bhcorocth  27,  c  Roxoporo  .  .  hh- 
BaJTB  32,  ynaBi»  H3  rohs  17,  3  Mocxy  33,  ne  sHHMaHMemB  co6%  H3  rojoBU  manRBi 
5,  daneben  auch  co*.  co  xenaMH  37,  38,  co  3hh6bkm  xaohx  5,  co  sjcsich  10,  co 


.^ 


272  Kritischer  Anzeiger. 

hhiuhmh  AHABOJftMH  11,  Und  30  MHOio  15, 17,  32,  auch  H30  mhoh)  33,  so  Bcero  18, 
30  pTa  11  u.  a.  Wie  in  den  heutigen  Dialekten  finden  wir  in  dieser  Hb.  auch 
schon  HA  KOMy  23 ;  nom.sg.  Harne  3AopoBH  24,  CBoe  opyAH  14,  oa^hh  cbo«  21  u.a. ; 
instr.  sg.  hs  AynieB'B  22,  30  mhobx  6,  c  ioÖob'b  12  u.  a. 

Durch  poln.  Einfluss  ist  jedenfalls  eingedrungen  h  scTeic  4,  14,  21  u.  a. 
neben  ne  ecx  h  Ayz'L  22,  1.  pl.  ecxecMo  31 ;  2.sg.  ne  acx  tu  ^ejioBiR'L  aae  tu  «ob 
22,  npHDiOJiB  eH  28,  ocKBepnYBL  «m  28,  kojiko  Aymi  eicB  j[H)ABCKHxi  nory^HJi'L  29, 
KOSH  6ML  6%Ay  ^hhIbx  29,  xenepB  rojeh  safL  na  noRyri  29.  Beine  Polonismen 
sind  öapso  14,  20  u.  a.,  cjKOHine  16,  17,  20,  RpojL  20,  xjoh'b,  21,  cpoAse  23,  24, 
oy  roMÖe  12^  no  ho  9,  ahÖoüi'l  11,  ao  AHÖjna  10,  voc.  AHÖJie  11,  21,  bo  ^Hcny  13, 
^HCHOBUxx  13,  pnxjEO  23;  vielleicht  ofchb  11,  34,  oreH'B  11,  poseöpaBniH  21, 
3Ae6Ry  33,  -chb  statt  -ctl:  a^chb  21,  22,  ropAocHB  25,  BJiacHB  37.  Nicht  russisch 
ist  RerB  13,  ygl.  pol.  kiedy,  slovak.  kej.  Q.  P. 


IIoqHHi.  G6opHHK%  06ii^ecTBa  .ootfETejceS  poccIhckoh  cjiOBecHocTn  na 

1896  roA%.  MocKsa  1896. 

Dieser  neue  Band  des  von  dem  Moskauer  Verein  der  Freunde  der  rus- 
sischen Literatur  herausgegebenen  Jahrbuches  bringt  einige  sehr  interes- 
sante Abhandlungen  zur  Geschichte  der  älteren  wie  auch  zur  gründlicheren 
ErkenntnisB  der  modernen  russischen  Literatur.  Aus  den  Universitäts-Vor- 
trägen  des  verewigten  Meisters  der  russ. Literaturgeschichte,  des  Akad.  N.  S. 
Tichonravov,  wird  ein  einleitender  Vortrag  in  die  Geschichte  der  Literatur 
des  XVL  Jahrh.  abgedruckt  (S.  35—49),  in  welchem  in  grossen  ZQgen  die 
Entwickelung  der  Literatur  und  des  geistigen  Lebens  Russlands  bis  zum 
XVL  Jahrh.  dargestellt  ist.  In  einer  Abhandlung  über  die  Denkmäler  der 
altchristlichen  Literatur  in  der  russ.  Literatur  (S.  230 — 241)  schildert  M.  N. 
Speranskij  insbesondere  die  Bedeutung  der  apokryphen  Evangelien  und 
der  an  diese  anknüpfenden  Legenden.  —  A.  N.  Pypin  gewährt  uns  in  einem 
Aufsatz  »Homunculus,  Eine  Episode  aus  der  Alchemie  und  aus  der  Geschichte 
der  russischen  Literatur«  (S.  51 — 63)  einen  tiefen  Einblick  in  die  literarische 
Thätigkeit  der  russischen  Freimaurer  des  XVIII.  Jahrh.  auf  Grundlage  einiger 
Handschriften  der  kais.  Petersburger  Bibliothek.  Ausserdem  finden  wir  Bei- 
träge zur  Biographie  Herzen's  über  seinen  Aufenthalt  in  Vjatka  (S.  87—131), 
zur  Biographie  von  B^linskij:  P.  !N.  Miljukov  druckt  seine  Briefe  an  die 
Braut  ab  (S.  143--228);  über  das  Verhältniss  J.  S.  Tur^enev's  zu  den  fran- 
zösischen Literaten  (S.  553 — 593),  Essays  über  die  Poesie  der  Dichterin  Jul. 
V.  Jiadovskaja  (S.  270— 283)  und  den  Poeten  Scerbina  (S.  516— 533),  — 
Nicht  geringes  Interesse  wecken  neue  Memoiren  von  Th.Buslajev  (S.  1—34). 
—  Prof.  Vs.  Th.  Miller  bringt  einen  neuen  Beitrag  aus  seinen  Studien  Über 
das  russ.  Volksepos.  Er  untersucht  in  dem  Aufsatz  »EBunHa  0  Earui« 
(S.  348^371)  die  von  Bybnikov,  Hilferding  u.  a.  verzeichneten  epischen  Lie- 
der von  Batyj  und  dem  Tataren-Einfall,  und  weist  nach,  dass  ihnen  ältere 
Lieder  zu  Grunde  liegen.  Spuren  alter  historischer  Lieder  über  die  Ereignisse 
der  Jahre  1237—1240  erblickt  der  Verfasser  besonders  in  der  altruss.  Er- 


Prof.  Polivka  über  einen  literatargesch.  Sammelband  »Focin'L«.      273 

zShlong  von  dem  Angriffe  des  tatarischen  Heeres  auf  Bjaza&.  Deren  Ver- 
fasser erzShlt  auf  Grundlage  von  epischen  Liedern,  wie  der  tatarische  Er- 
oberer den  fürstlichen  Abgesandten  tOdtete,  wie  sich  dessen  Fran  mit  ihrem 
Sohne  von  ihrem  Palast  hinnnterstünte,  und  weiter  von  dem  siegreichen  An- 
griffe eines  tapferen  Rjazaner  Heerführers  auf  die  Tataren.  Prof.  Miller  gibt 
übrigens  nur  die  Existenz  solcher  Lieder  zu,  die  einzelne  Heldenthaten  mss. 
Krieger  gegen  die  Tataren  besangen.  Das  Gedicht  über  Batyj  wurde  etwas 
später  yerfasst,  als  schon  die  Erinnerungen  an  die  Verheerungen  der  Tataren- 
horden stark  verblasst  waren,  und  die  Tataren  ihre  starke  Machtstellung 
schon  sehr  eingebüsst  hatten,  und  zwar  wurde  es  von  professionalen  Sängern 
etwa  im  XVL— XVIL  Jahrh.yerfa8st. —  Aus  den  andern  belletristischen  Auf- 
sätzen soll  besonders  das  Essay  von  Grigorij  Maotet  »HBaEX«  (S.  534 — 552) 
hervorgehoben  werden,  diese  (beschichte  des  Mul^ik  vom  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts, von  Puskin  bis  heute,  erweckt  starkes  literatur-  und  kulturhistori- 
sches Interesse. 

Unsere  Hoffnung,  die  der  Band  des  üovhh'b  für  das  Jahr  1895  erweckte 
(8.  Archiv  XIX,  297),  dass  dieses  Jahrbuch  eine  kritisch  -  bibliographische 
Uebersicht  der  wichtigsten  Erscheinungen  der  russischen  Literatur  bringen 
wird,  wurde  leider  nicht  erfüllt.  Statt  ihrer  finden  wir  nur  kurze  kritische 
Bemerkungen  von  V.  Golcev  über  die  Werke  V.  äelgunov's  und  die  kritbchen 
Skizzen  und  Essays  M.  Protopopov's  (S.  627—630).  O.  P. 


£.  /(.  rpHH^eHKo :  3THorpa«H^eoKie  MaTepiaJoi,  cotfpaHHue  vh  Tlep- 

HHTOBCKOH  H  coc^AHHX'B  c%  HÖH  lyöepmAxi.   BiJnycirL  2.   PascKasu, 

cKasKH,  npeAamn,  nocjiOBHiqii,  sara^KH  h  np.    ^epHHroB'B  1897.   II  -f- 

390  S. 

Der  zweite  Band  der  kleinmssiscben  Volksttberlieferungen  folgte  dem 
oben  angezeigten  I.  Band  bald  nach.  Er  überragt  ihn  vielfach.  Das  mit- 
getheilte  ethnographische  Material,  welches  in  dieselben  Rubriken  gruppirt 
ist,  wie  im  I.Bd.,  ist  ebenso  reichaltig.  In  dessen  Wiedergabe  ist  die  sprach- 
liche Seite  viel  treuer  bewahrt  und  bietet  daher  auch  dem  Sprachforscher 
nicht  wenig  Interessantes.  Insbesondere  für  das  Lexicon  gibt  es  reichen 
Stoff,  das  bekannte  Wörterbuch  von  ^elechowski  könnte  aus  diesem  Bande 
sehr  stark  vervollständigt  werden,  vgl.  z.  B.  offjH>ffiKOM'L  S.  153  fern  von  Men- 
schen, 8CBiHu6oxuBCL  [S.183)  Gottcs  Sohn  anrufen?  (SyÖHMJto  (S.200)  Trommel, 
AHioBairbiTL  (S.206)  eine  weitere  Bildung  von  mnosaTH?  8aBiffRyBaTu&  ^ojicbIki 
(S.  171),  nlAqHBX  (S.  171)  saufite,  no^axa  sarepoByBam  Hory  saroioBy  (S.  167), 
Bona  HiiiH  (so.  Hory)  cyBepAejuiTL  y  ropy  (S.  167),  vh  Horon  xeio  MOMcaJiacL  bohs 
(S.167),  voro  MSTU  T9Xh  lozTopuTL  (S.  166)  von  iDza  Schimpfwort,  Bösewicht, 
Schuft?  (vgl.  bei  Jagid  Geheimsprachen  S.  59  f.)  neÖeanpeMHHHo  (S.  292,  350) 
BB  grruss.  HonpeMiHHo,  u.  v.  a.  Nicht  wenig  interessante  Ausbeute  liefert  das 
Buch  für  die  Lautlehre,  secundäres  polnoglasie  BoaometfHUR'b  (S.  110);  tsitb 
MH8B  spu  H  nevepy  co6a  saxniOB'B  (S.  160)  statt  uix  (uexxy),  Ogonowski  Stu- 
dien (S.  75,  186)  erwähnt  es  bereits  ohne  nähere  Belege ;  häufig  n  zwischen 

AreliiT  fftr  slaTiiche  Philologi«.    XXI.  18 


274  Ejritischer  Anzeiger. 

m  und  ja  :  mhxco  (S.  181),  BpevHfl  (S.  328),  kmha  (S.  345)  a.  a.  EegelmäaBig  ist 
statt  •:  XB  oder  z :  zBauiiTOB'L  (S.  120)  Phaeton,  ZBOKycHUR'L  (S.  203),  KaHZBe- 
xaMU  (S.  214)  St.  ROH«eT-,  zbemuIh  (S.  254),  zBepmaji'B  (S.  222)  st  «epmarB 
Feldsoheer,  ZBopMa  (S.  352),  zBypMaHi  neben  zypMaa  (S.  195),  zpyHTL  296 
Fronte,  zpaarB  (S.  351),  grmss.  «pann,  uszpeuTyp'L  (S.  62)  Gefreiter.  Das 
Wort  npBiKapmbiK'B  st.  npHRaD^HK'B  hat  den  Laut  r  etwa  infolge  einer  Volks- 
etymologie aufgenommen,  es  wurde  verbunden  mit  icapaTH  strafen,  züchtigen. 
Der  Einflnss  des  Polnischen  ist  ziemlich  unbedeutend :  mhubo  (S.  198),  8Jor& 
(S.  330),  besonders  wo  das  Verhäitniss  zwischen  Herrn  und  Diener  geschil- 
dert wird :  npome  nasa  neben  npomy  nasa  (S.  195).  Mächtiger  zeigt  sich  der 
Einfluss  des  Grossrussischen,  besonders  in  den  Erzählungen,  die  aus  dem 
Munde  von  Soldaten  aufgezeichnet  wurden,  z.B.  A&HOT^a,  siuLOBoe  ctao 
(S.  209),  naMpiom'L-nauABom'B  (S.218),  aABOxa  (S.  345),  zapamo  (S.  346, 350),  Ma- 
JUxeAL  (S.  348,  351),  raB'BBAUBa  (S.  350)  u.  a.  m. 

Sehr  erwünscht  sind  die  reichhaltigen  bibliographischen  Verzeichnisse, 
die  einzelnen  Abtheilungen,  Vorzeichen  und  Aberglauben,  Zauberei  und  Be- 
sprechungen, Erzählungen  von  Todten,  Aberglauben  und  Erzählungen  von 
Hexen,  Zauberern,  WärwOlfen  u.  a.  angefügt  sind.  Es  sind  da  alle  einschlä- 
gigen, auch  fremdsprachigen,  polnisch,  deutsch  (von  Eaindl)  oder  böhmisch 
(von  ^hoi^)  .geschriebenen  Aufsätze  über  das  kleinrussische  Folklore  aufge- 
zählt. Ziemlich  reichhaltig  sind  auch  die  bibliographischen  Bemerkungen  zu 
einzelnen  Märehen;  es  wird  freilich  nur  auf  ähnliche  kleinrussiBche  Varianten 
hingewiesen.  Das  Werk  schliesst  ein  genaues  Register  zum  I.  und  II.  Bande 
(S.  356—390)  ab,  in  welchem  kurz  der  Inhalt  der  einzelnen  Märchen,  Sagen 
u.  a.  angegeben  ist. 

Im  Folgenden  sollen  die  wichtigeren  und  interessanteren  Traditionen 
näher  besprochen  und  auf  ähnliche,  meistens  slavische  Versionen  hingewiesen 
werden. 

I.  Vorstellungen  und  Erzählungen  von  Naturerscheinungen  und  Erfin- 
dungen (S.  1—16). 

Nr.  1.  In  alter  Zeit  war  es  so  heiss,  dass  man  Eier  im  Sande  braten 
konnte. 

Nr.  2.  Der  Meteor  wird  als  ein  feuriger  Drache  vorgestellt,  der  sich  auf 
die  Frauen  wirft  und  ihnen  Milch  aus  der  Brust  saugt.  Vgl.  Slovensk^  Po- 
hl'ady  1896,  S.  252. 

Nr.  4.  »Die  Oynocephalen«:  Sie  haben  auf  der  rechten  Seite  ein  Auge, 
auf  der  linken  ein  Hörn.  Ein  reicher  Bauer  ging  das  Unheil  suchen :  Polyphem. 
Vgl.  Archiv  XIX,  254,  264.   Archiv  f.  Religionswissenschaft  I,  330. 

Nr.  5.  Der  Specht,  der  Fuchs  und  der  Bauer.  Vgl.  Archiv  XXI,  267  zu 
rpHE^OBKO  I,  Nr.  155. 

Nr.  13.  Die  Ringelnatter  saugt  eine  Kuh,  die  gibt  dann  viele  und  gute 
Milch. 

Nr.  15.  Vom  Ursprung  der  Flöhe.  Von  Gott  gesandt  einem  alten  Weib, 
auf  dessen  Bitte  um  Vertreiben  der  Langeweile. 

Nr.  16.  Die  Fliege  und  der  Floh.  Vgl.  Archiv  XVII,  583  zu  Giszewski 
Nr.  276. 


Prof.  Polivka  über  Hrinoenko's  Ethnogr.  Material  II.  275 

Nr.  17.  Vom  ünprung  des  Tabaks.  Ans  dem  Blate  eines  Teufels,  den 
ein  MOnch  in  eine  Eiche  verwünschte  und  einzwängte.  Vgl.  Arohiv  XXI,  264 
zn  rpntqeHKo  I,  Nr.  17.  Vgl.  anch  eine  in  Snchomlinov's  HcropiA  pocc  aKaxe- 
Mix  n,  333  erwähnte,  vom  Akad.  Ozereckovskij  im  XVIII.  Jahrh.  bei  den 
Baskolniki  mitgetheilte  Sage  vom  Ursprung  des  Tabaks  aus  einem  unzüchti- 
gen Weib. 

Nr.  18.  Gott  schuf  für  die  Menschen  Hafer,  Haide,  Korn  und  Weizen. 
Der  Teufel  bittet  Gott,  ihm  doch  den  Hafer  zu  lassen,  dass  er  wovon  zu  leben 
hat  S.  Peter  schreckt  aber  absichtlich  den  Teufel,  so  dass  dieser  vergisst, 
dass  er  Hafer  (oves)  von  Gott  bekommen  hat,  und  Peter  sagt  ihm,  er  habe 
fortwährend  Distel  (osot)  gerufen.  Seit  der  Zeit  gehört  dem  Teufel  die  Distel 
und  er  säet  sie  in  das  Getreide  des  Bauern. 

IL  Vorzeichen  und  Aberglauben  (S.  17 — 30)    Auch  Prognostioa. 

ni.  Zauberei  und  Besprechungen  (S.  31 — 54). 

IV.  Erzählungen  von  übernatürlichen  Wesen  (S.  55 — ^91). 

Nr.  58.  Der  Teufel  bethört  in  der  Gestalt  eines  Lammes  einen  Mann. 

Nr.  59.  Reiche  Leute  bethört  sehr  gern  der  Teufel  im  Walde. 

Nr.  60.  Der  Teufel  ladet  einen  von  einer  Hochzeit  zurückkehrenden 
Musikanten  zu  sich.  Vgl.  Archiv  XIX,  253  zu  nioHH'B  Nr.  52,  SrHorpa*.  OSoep. 
XXVm,  S.  103  f. 

Nr.  61.  Aehnlich  wie  Nr.  60.  Der  Musikant  bemerkt,  wie  seine  Tänzer 
ihre  Augen  mit  etwas  aus  einem  Gefässe  beschmieren,  er  thut  dasselbe,  und 
erkennt,  dass  er  Teufeln  aufspielt,  verflucht  sie.  Die  Teufel  reissen  ihm  das 
linke  Auge  aus.  Vgl.  drHorpa*.  Oöosp.  XXVIII,  8. 101  f.  Dowojna  Sylwestro- 
wicz  n,  14  f. 

Nr.  62.  Der  Teufel  verkauft  seine  Gtoige.  Bei  den  Teufeln  lernen  die 
Leute  auf  der  Geige  spielen  und  tanzen. 

Nr.  63.  Ein  Mann  flieht  vor  einem  bösen  Weib,  würde  seine  Seele  dem 
Teufel  geben,  wenn  dieser  ihm  mit  einer  Fischreuse  aus  dem  Bache  Wasser 
geben  könnte.  Der  Teufel  flieht,  die  Fischreuse  sei  böser,  als  jenes  Weib. 

Nr.  65.  Ein  Fischer  fing  mit  der  Beuse  einen  Teufel.  Der  Teufel  ver- 
spricht ihm  viel  G(eld,  er  soll  nur  auf  einen  gewissen  Ort  mit  seinem  besten 
Freund  kommen.  Der  Fischer  geht  hin  mit  seinem  Weibe.  (Der  Teufel  zeigt 
ihm,  dass  das  Weib  der  grösste  Feind  des  Mannes  ist,  und  der  beste  Freund 
der  Hund.  Vgl.  drHorpa*.  0<k»p.  XXVIII,  S.  117  f.  AotfpOBOJiBCKiH  Gmob.  G6.  I. 
642  f. 

Nr.  66.  Der  Teufel  in  Gestalt  einer  Ziege  vom  Wolfe  angefallen,  von 
einem  Manne  gerettet,  der  Wolf  erschlagen.  Die  Ziege  verspricht  sich  ihm 
zu  entlohnen  in  der  Türkei.  Es  bricht  Krieg  aus ,  der  Mann  muss  in  die 
Türkei,  kommt  in  das  Sohloss  —  des  Teufels;  dort  erfährt  er,  dass  sein  Weib 
wieder  heirathen  will,  und  wird  vom  Teufel  zu  rechter  Zeit  zurückgebracht, 
um  die  Trauung  zu  verhindern. 

Nr.  68.  Der  Teufel  muss  einem  armen  Bauer  dienen  wegen  seiner  bösen 
Thaten,  wie  sonst  dem  Bauer,  den  er  bestohlen  hat.  Vgl.  Archiv  XIX,  243  zu 
Kulda  IV,  Nr.  1 3.  Mittheilg.  litau.  litter.  Ges.  n,  347  f. 

18* 


276  ELritischer  Anzeiger. 

Nr.  69.  Aehnlich,  nur  dass  statt  des  Teufels  ein  Wolf  das  Stück  Brod 
auffrass.  Vom  heil.  Qeorg,  dem  Hirten  des  Wildes,  wird  der  Wolf  verurtheilt, 
dem  armen  Bauer  drei  Jahre  zu  dienen.  S.Georg  ist  besonders  Hirt  der 
Wölfe.  Vgl  dTHorpa*.  06o8p.  XXVIII,  S.  96.  Der  Knecht  verdient  nun  sei- 
nem Herrn  viel  Geld,  indem  er  alte  Leute  in  junge  umschmiedet.  Nachdem 
der  Knecht  seine  drei  Jahre  abgedient  hat,  will  es  ihm  sein  Herr  nachmachen. 
Vgl.  Archiv  XIX,  254  zunXeuHx  Nr.  65.  Öesky  Lid  y.286.  Hht«  i  Gjiobo  1894, 
S.  182  f. 

Nr.  70.  Zu  einem  Bauern  fliegt  in  der  Nacht  in  den  Schornstein  ein  weisser 
Hahn  —  der  Teufel,  der  Bauer  will  ihn  fangen,  der  weisse  Hahn  aber  ent- 
flieht, reisst  auch  das  Dach  mit,  zugleich  verschwanden  seine  Hähne.  Er  geht 
sie  suchen  in  die  Welt,  kommt  zu  einer  Hexe,  bemerkt,  wie  die  Hexen  sich 
mit  einer  Salbe  beschmieren  und  durch  den  Bauchfang  wegfliegen.  Er  macht 
es  ihnen  nach.  Vgl.  Archiv  XXI,  265  zu  rpsH^eHRO  I,  Nr.  8.  Auf  dem  Rück- 
wege nach  Hause  trifft  er  drei  Teufel,  die  um  ihr  väterliches  Erbtheil  streiten, 
Siebenmeilenstiefel,  Tarrenkappe  und  Geldsäckchen. 

Nr.  71.  »Die  dummen  Teufel  und  der  gescheidte  Knecht«.  Der  Knecht 
flicht  Seile,  um  Teufel  zu  fangen,  der  Teufel  verspricht  ihm  alles  mögliche, 
wenn  er  hievon  absteht.  Vgl.  meHH'L  II,  Nr.  55,  56.  ETHorpa«.  36ipHER  I,  Ab- 
handl.  2,  str.  64  f.  Mittheilg.  litau.  litter.  Ges.  U,  345  f.  Hierauf  Wettkampf 
zwischen  Teufel  und  Knecht  (der  Knecht  trägt  zwischen  den  Füssen  das 
Pferd  um  den  See  herum ;  sein  alter  Vater,  der  Bär,  überwindet  den  Teufel 
im  Ringkampf  u.  a.  m.).  Vom  Teufel  bekommt  der  Knecht  nicht  nur  Schätze, 
sondern  auch  ein  Zauberpfeifchen,  mit  dem  spielt  er  auf  der  Weide  seinen 
Schafen  vor,  sein  Herr  kommt  nachsehen:  »der  Jud  im  Dom«.  Vgl.  Archiv 
XVII,  577  zu  Ciszewski  Nr.  120;  Polaczek  W\e^  Rudawa  S.88.  Sprawozdanie 
Komis.  JQzyk.  V,  S.  96.  Dowojna  Sylwestrowicz  1, 160,  XjjuiKovh  I,  S.  110  f. 
nieiiH'L  II,  S.  64,  Dobsinsk^  Slov.  pov.  III,  47.  AG.  Nar.  pripov.  v  Soskih 
planinah  11,  49;  Strohal  Hrvat.  nar.  pripov.  S.  93,  100,  105.  Kres  V,  S.  90, 
401 .  G6opHHKX  sa  Hap.  yMOTBop.  III,  Abth.  3,  S.  242 ;  VIII,  Abth.  3,  S.  187 ;  IX, 
Abth.  3.  S.  186.  nianRapeB'B  E'urap.  npHK.  S.  106. 

Nr.  72.  Der  Arme  trägt  seinem  reichen  Bruder  Suppe.  Der  schickt  ihn 
weg,  er  soll  sie  der  Teufelsmntter  tragen.  Der  Arme  geht  wirklich  hin,  ein 
Greis  weist  ihm  den  Weg,  und  wählt  sich  nach  dessen  Rath  statt  allen 
Schätzen,  die  ihm  zur  Belohnung  angeboten  werden,  einen  Widder.  Den 
bringt  er  nach  Hause,  in  der  Frühe  findet  er  grosse  Schätze  neben  seiner 
Ruhestätte.  Der  Reiche  geht  auch  dorthin,  nimmt  sich  einen  Sack  voll  Gold 
mit,  schleppt  ihn  kaum  nach  Hause,  an  der  Schwelle  seines  Hauses  stürzt  er 
todt  nieder. 

Nr.  73.  »Wie  das  Weib  den  Teufel  überlistete.«  Der  Teufel  hilft  ackern, 
bekommt  einmal  den  oberen,  ein  anderes  Mal  den  unteren  Theil.  Vgl.  Kaarle 
Krohn,  Bär  (Wolf)  und  Fuchs  S.  103  f.  PouaHOBi  III,  26  f.  HleuH'E  U,  S.  31  f., 
Nr.  18.  /(o6poBOincKix  I,  638  f.  SEsBafl  GrapHaa  V,  84  f.  Dowojna  Sylwestro- 
wicz I,  211.  Slovensk^  Pohl'ady  1895,  S.  329  f.  Göophhr'b  sa  Hap.  yiioTBop.  n, 
Abth.  3,  S.186 ;  III,  Abth.  3,  S.201  f.  —  Der  Teufel  kämpft  mit  dem  Weib  im 
Stall,  dann  im  Hofe,  immer  geprügelt,  einmal  mit  dem  Ifangelholz,  dann  mit 


Prof.  Polivka  über  Hrincenko's  Ethnogr.  Material  II.  277 

der  Heugabel.  Im  Walde  hilft  dann  der  Teufel  dem  Bauer,  wird  tod  ihm 
lum  Essen  geladen,  als  dann  der  Vater  den  hungrigen  Kindern  ärgerlich  zu- 
ruft: »den  Teufel  werdet  ihr  fressen«,  läuft  er  erschreckt  davon. 

Nr.  74.  Der  Hausgeist  (aohoblik'b)  jagt  die  Insassen  von  der  Stelle  weg, 
wo  es  ihnen  sohlecht  ergeht. 

Nr.  75.  Der  Tod  macht  zum  Arzt  den  Knaben,  der  mit  ihm  sein  Mittags- 
mahl theilte.  Sie  beide  machten  Freundschaft  und  leben  zusammen  in  einer 
Hütte.  Wenn  der  Tod  mit  der  rothen  Farbe  winkt,  wird  der  Kranke  am  Leben 
bleiben ;  wenn  aber  mit  der  schwarzen,  stirbt  er. 

V.  Erzählungen  von  Todten  (S.  92—107). 

Nr.  76.  Der  Todte  plagt  sich,  weil  die  Mutter  ihn  zu  sehr  beweint,  er 
musB  alle  ihre  Thränen  mit  sich  herumschleppen.  Vgl.  dTHorpa«.  Oöosp.  XXIX — 
XXX,  S.  136;  Slovenskö  PohPady  1895,  S.  490.  Strohal  Hrvat.  nar.  pripov. 
Nr.  40.  Bevue  trad.  popul.  VI,  47. 

Nr.  77.  Die  Verstorbenen  kommen  in  der  Nacht  in  der  Kirche  zusammen. 
Eine  Mutter  geht  nachsehen,  ob  es  wahr  ist,  dass  auch  ihre  verstorbenen  drei 
Töchter  dort  herumgehen.  Vgl.HyOHHCRiH  U,  S.416f.;  Eyjsm'L  3an.  o  ioskhoh 
Pycz  II,  43.  Bartsch  SMMeklenburg  I,  222,  363.  Bevue  trad.  pop.  I,  86  f.  Zs. 
Ver.  Volkskunde  VI,  441  f. 

Nr.  78.  Ein  Tischler,  der  seine  bestellte  Arbeit  bei  Lebzeiten  nicht  voll- 
endet hat,  kehrt  wieder. 

Nr.  79.  Der  verstorbene  Mann  besucht  seine  Frau,  wie  kann  sie  ihn  ver- 
treiben. Vgl.  Kyjnnn'L  San.  o  roxHou  PycH  11, 42  f.  PoManoB'B  IV,  S.  126,  Nr.  68. 

Nr.  80.  Der  verstorbene  Bauer  geht  als  Vampyr  um  Mittemacht  zu  sei- 
nem Haus  und  saugt  aus  der  Ecke  Blut:  alle  Inwohner  werden  fahl,  bis  es 
ein  Mensch  bemerkte  und  die  Leiche  mit  einem  Espenpfahl  durchstiess. 

Nr.  81.  Der  Vampyr  kann  nicht  in  das  Haus  eintreten,  wo  die  Leute 
beten,  oder  wo  die  Fenster  bekreuzigt  sind.  Ein  Töpfer  übernachtet  auf  einem 
Friedhof,  ladet  Gk>tt  zum  Nachtmahl,  es  kommt  zu  ihm  ein  Todter,  ein  Vam- 
pyr. Der  nimmt  ihn  mit  sich  in  das  Dorf,  saugt  Blut  aus  den  schlafenden  Be- 
wohnern, bietet  auch  seinem  Begleiter  Blut  an. 

Nr.  82.  Aehnlich  wie  TpHE^eHKO  I,  Nr.  85,  vgl.  Archiv  XX,  S.  265. 

Nr.  83.  Ein  todter  Soldat  kehrt  aus  dem  Krieg  heim  und  lebt  wieder  mit 
seinem  Weib,  geht  aber  nirgends  hin.  Als  der  Nachbar  starb,  schickte  ihn 
das  Weih  hin.  Kaum  trat  er  ein,  so  wieherte  er  wie  ein  Pferd  und  auch  der 
Todte  wieherte  so.  Auf  das  Drängen  seines  Weibes  bekennt  er,  dass  der 
Todte  ein  Vampyr  sei,  gibt  ihr  auch  ein  Mittel  an,  ihn  zu  vertreiben:  wer 
den  Halfter,  den  sieben  Jahre  die  graue  Stute  trägt,  nimmt,  erblickt  den  Vam- 
pyr ;  wenn  er  in  die  Hütte  eintritt,  soll  man  bloss  den  Halfter  auf  ihn  werfen 
und  ihm  »tpru ! «  zurufen,  dann  kommt  er  nimmermehr.  Das  Weib  gebraucht 
dies  Mittel  gegen  ihren  eigenen  Mann,  wie  sie  das  gethan,  zerfloss  er  in  Pech. 

Nr.  84.  Der  Vater  macht  mit  seinem  Sohne  vor  seinem  Tode  aus,  dass 
er  ihm  jede  Nacht  eine  Mahlzeit  vorbereitet.  Der  andere  Sohn  kehrt  vom 
Kriege  zurück ,  findet  das  Nachtmahl  und  verzehrt  es.  Indem  kommt  der 
Vater-Vampyr  und  will  eingelassen  werden,  er  wird  ihn  selbst  aufessen,  weil 
er  sein  Nachtmahl  verzehrt  hat.    Der  Soldat  macht  dem  Vampyr  nicht  auf, 


278  Kritischer  Anzeiger. 

der  nagt  die  Thttre  durch,  schon  steckt  er  den  Kopf  durch  —  da  hant  ihn  der 
Soldat  mit  seinem  SSbel  ab  und  der  Hahnenschrei  erlclingt.  Den  andern  Tag 
machte  der  Soldat  einen  Sarg,  legte  den  Vater  hinein,  und  verschloss  ihn 
noch  mit  drei  eisernen  Reifen.  Er  fährt  nun  den  Vater  begraben,  sie  waren 
nicht  weit,  so  springen  die  Reifen  ab,  und  der  Vampyr  stürzt  sich  auf  den 
Soldaten  los,  um  ihn  aufzufressen.  Der  Soldat  flieht  in  eine  Hütte:  aus  der 
stürzt  sich  ein  anderer  Mensch,  auch  einTodter,  auf  den  Vampyr,  sie  kämpfen 
bis  zum  Hahnenschrei.  In  der  Frühe  begrub  der  Soldat  den  Leichnam,  und 
durchbohrte  ihn  mit  einem  Espeopfahl. 

Nr.  85.  Ein  Bauer  warnt  seine  Söhne  davor,  dass  sie  ihn  selbst  begraben, 
sie  sollen  dafür  lieber  einen  anderen  Menschen  für  theueres  Qeld  aufnehmen. 
Sie  nehmen  hiezu  einen  Soldaten  auf.  Die  Scenen  zwischen  dem  Vampyr  und 
dem  Soldaten  sind  hier  noch  mehr  ausgeschmückt  als  in  Nr.  84. 

VI.  Aberglauben  und  Erzählungen  von  Hexen,  Zauberern,  WärwOlfen 
(S.  108—140). 

Nr.  87.  Die  Hexe  drückt  in  der  Nacht  einen  Jungen  wie  ein  Alp.  Es 
gibt  geborene  und  gelernte  Hexen,  die  ersteren  haben  einen  Schwanz  am 
Rücken. 

Nr.  88.  Ein  Soldat  von  einer  Hexe  geplagt.  Ihre  Schwester  rathet  ihm, 
wie  er  sie  los  wird,  nur  muss  er  dann  mit  ihr  leben.  Er  soll  nur  seinen  Zaum 
auf  sie  werfen,  auf  sie  sich  setzen  und  fahren,  und  so  marterte  er  sie  todt. 
Dann  kauft  er  Spähne,  läset  sie  vom  Pfarrer  weihen,  und  breitet  sie  um  das 
Grab  der  Hexe  ringsherum  aus.  In  der  Nacht  legt  er  sich  neben  das  Orab, 
mit  den  Spähnen  ganz  verdeckt.  Die  todte  Hexe  steht  auf  und  sucht  ihn 
überall,  so  durch  drei  Nächte,  in  der  letzten  Nacht  schreit  sie  wie  der  Hahn, 
macht  den  Glockenschlag  nach,  nur  um  ihn  aufzuwecken,  wirft  auf  ihn  Steine, 
will  die  Spähne  anzünden,  aber  diese  fangen  nicht,  denn  sie  sind  geweiht ; 
die  geweihten  Spähne  lassen  sie  auch  nicht  näher  treten.  Nachdem  er  sich  so 
von  ihr  befreit  hat,  geht  er  mit  der  zweiten  Schwester  zu  Ihrem  Vater.  Der 
stirbt  bald,  eigentlich  stellt  sich  nur  todt  Er  soll  ihn  begraben.  Es  wieder- 
holen sich  nun  dieselben  Scenen  im  Ganzen  wie  in  Nr.  84,  85. 

Nr.  89.  Ein  Weib,  das  der  böse  Geist  besuchte,  verwandelte  ihren  Mann 
in  einen  Hund.  Der  Hund  hütete  Heerden,  verkauft  dem  Kaiser.  Der  Kaiser 
gewinnt  ihn  ungemein  lieb,  wegen  seiner  Weisheit,  denn  er  kann  alles  lesen, 
macht  ihn  zu  seinem  Schwiegersohn.  Seine  Frau,  die  Tochter  des  Kaisers, 
vertheilt  Almosen,  ein  Greis  zerschnitt  den  Strick  am  Halse  des  Hundes,  der 
Zauber  war  verschwunden,  der  Hund  wurde  wieder  Mensch.  Von  demselben 
erfährt  er,  wie  er  sein  erstes,  untreues  Weib  in  ein  Pferd  verwandelt  und 
auch  ihren  Liebhaber,  spannt  sie  in  einen  Wagen  ein,  und  fährt  mit  ihnen 
herum  drei  Jahre,  ohne  ihnen  Speise  und  Trank  zu  geben.  Dadurch  werden 
auch  die  Beiden  gute,  christliche  Menschen.  Vgl  Archiv  XIX,  250  zu  HleHn 
Nr.  22.  AoÖpoBOJiBCRlH  Guoä.  C6.  I,  S.  139  f. 

Nr.  90.  Ein  Herr  Hess  sich  eine  Schlange  braten ;  von  ihr  genoss  auch 
der  Koch,  der  zugleich  auch  sein  Kutscher  war.  Er  verstand  nun  die  Sprache 
der  Thiere,  Pflanzen,  (Jeräthschaften  u.  s.  w.  Vom  Herrn  verfolgt  entkommt 
er.  Er  vergass  dann  alles,  als  er  sich  einmal  unter  dem  Beifuss  (Artemisia 


Pirof.  Polivka  über  Hrinoenko's  Ethnogr.  Material  IL  279 


valgaris)  Bohlafen  legte.  Vgl.  dxHorpa*.  Otop.  XXIX— XXX,  S.  114;  Xyjm- 
ROB-L  1, 136.  Erben  SIot.  cit.  14  Waldau  Böhm.  Märch.  13.  Eres  V,  8.  29, 
Nr.  36  u.  a. 

Nr.  91.  Ein  Soldat  dient  beim  Teafel  als  Heizer,  in  den  Kessel  darf  er 
nicht  nachsehen,  was  dort  kocht.  Dass  er  das  Verbot  Übertreten,  verräth  das 
erste  Jahr  der  Backofen  auf  die  Frage  des  Tenfels  hin.  Das  zweite  Jahr  fragt 
der  Tenfel  das  Loch  in  einer  gemauerten  Sänle,  ob  der  Soldat  Strafe  oder  ein 
gutes  Wort  verdient.  In  der  Stadt  entdeckt  der  Soldat  dann,  wo  die  ge- 
stohlene Waare  aufbewahrt  wird;  er  fragt  darnach  das  Loch  über  einem 
Laden. 

Nr.  92.  Wie  ein  junger  Zauberer  weiden  wollte  und  dann  ein  ganzes 
Jahr  als  Wolf  herumlief. 

Nr.  93.  Der  Sohn  solcher  Eltern,  die  am  Ostersonntag  sündigten,  ist  zeit- 
weise Wärwolf,  zerreisst  zum  Schluss  noch  sein  Weib. 

Vn.  Schatzsagen  (S.  141—144). 

Nr.  94.  Der  Schatz  leuchtet  wie  ein  Feuer;  in  einem  Sarg  liegt  der  Schatz 
und  steht  eine  Kerze. 

Nr.  95.  Der  Schatz  zeigt  sich  als  alter  Bettler  und  winkt,  in  Nr.  96  als 
Pferde. 

Nr.  97.  Eine  geizige  Frau  vergrub  ihr  Geld  mit  der  Verwünschung: 
»welche  Hand  das  G«ld  vergraben,  die  gräbt  es  auch  aus,  und  wer  diesen 
meinen . . .  auffrisst,  der  wird  auch  mein  Geld  gemessen«.  Die  Schwieger- 
tochter hörte  das,  und  als  die  Frau  bald  darauf  starb,  riss  sie  ihr  die  Hand 
ab,  die  das  Geld  vergraben  hat,  grub  das  Geld  mit  ihr  ans,  wickelte  das,  was 
oben  war,  in  ein  Tuch  und  legte  es  auf  den  Ofen  trocknen ;  die  Hand  steckt 
sie  wieder  dem  Leichnam  in  den  Aermel.  Nach  einiger  Zeit  nahm  sie  jenes 
Bündel  vom  Ofen,  zerstiess  es,  und  schüttete  es  jeden  Tag  statt  Pfeffer  in 
das  Essen  für  den  Mann,  bis  er  so  alles  aufgegessen.  Und  so  blieb  ihnen  das 
Geld.  Vgl.  Archiv  XIX,  245  zu  Violavek  Nr.  22,  23.  Tpe&ju^npi»  JEaTum.  ck. 
Nr.  70,  Var.  IL 

VIU  (S.  145—156).  Nr.  98.  Einem  faulen  Menschen  gab  Gott  ein  fleissi- 
ges  Mädchen  zur  Frau.  Vgl  /(o6poBOjiK£CRiH  I,  S.  319,  Nr.  13.  Fr.  S.  Krausa 
Sag.  Märch.  Südslav.  II,  Nr.  137.  Cesk^  Lid  V,  286.  Göops.  sa  nap.  yuoTBop. 
m,  Abth.  3,  S.  184  f. 

Nr.  99.  Ein  Bauer  gibt  von  seinem  Brod  dem  heil  Hija,  schlägt  es  aber 
dem  heil.  Petrus  ab,  beschimpfte  und  schlug  ihn  obendrein,  weil  zu  seiner 
Zeit,  um  S.  Peter  der  grösste  Huuger  herrscht.  Petrus  verfolgt  ihn,  Ilija 
schützt  ihn.  Vgl.  Archiv  XIX,  261  zu  ULdkn-b  Nr.  214,  215.  Ao6poBo.KicKiH  I, 
298  f.,  Nr.  4,  5. 

Nr.  100.  Von  Ostersonntag  bis  Himmelfahrt  geht  jedes  Jahr  Christus  auf 
der  Erde  um. 

Nr.  101.  Ein  getaufter  Jude  starb  bald  nach  seiner  Taufe,  wurde  von 
Petrus  in  den  Himmel  nicht  eingelassen,  weil  er  in  sein  Verzeichniss  noch 
nicht  eingetragen  war,  noch  von  Moses,  weil  er  aus  dessen  Verzeichniss  be- 
reits gestrichen  war,  kam  daher  zum  Teufel. 

Nr.  102.  Ein  Sohn  vertheilte  sein  ganzes  Erbtheil  nach  seinem  reichen 


280  Kritischer  Anzeiger. 

Vater,  denn  der  liat  nicht  seinen  Reichthnm  erarbeitet,  sondern  von  »ihm« 
bekommen.  Lebte  dann  als  Einsiedler  im  Walde,  einM&dchen  verführte  ihn 
zur  Sünde. 

Nr.  103.  Zwei  Brüder,  der  reiche  und  der  arme,  pflügten  nnd  säeten, 
Gott  frag  sie  nach  ihrer  Arbeit,  der  reiche  antwortete  trotzig,  der  arme  gottes- 
fürchtig:  der  reiche  hatte  eine  schlechte  Ernte,  der  arme  eine  reiche  Ernte. 
Vgl.  Karlowicz  Podania  na  Litwie  S.  88,  Nr.  64. 

Nr.  104.  Der  Gerechte  in  der  Kirche,  der  Teufel  schreibt  anf  einer 
Ochsenhaut  die  Sünder  auf.  Vgl.  Archiv  XXI,  266  zu  Ppn^eHRO  I,  Nr.  95. 
axHorpa».  0(k»p.  XVIII,  S.104  f.  Zs.  vergl.  Liter.-Gesch.  NF.  XI,  S.  249  f. 

Nr.  105.  Eine  grosse  Sünde  ist  es,  an  einem  Feiertag  zu  arbeiten.  Vgl. 
Kariowicz  Podania  Nr.  33.  ^SRht«  1  CUobo  1895,  Heft  5,  S.  187  f.,  Nr.  29,  30. 
dTHorpa».  06osp.  XXVIII,  97;  GöopHKRi  Maxep.  KaBKas.  XIX,  Abth.  2,  S.  151. 

IX.  Erzählungen  aus  dem  Familien-  und  gesellschaftlichen  Leben 
(S.  157—229). 

Nr.  108.  Das  »kranke«  Weib  schickt  ihren  Mann  um  das  »Wunderding«, 
w&hrenddem  unterhält  sie  sich  mit  einem  andern.  Der  Mann  bekam  das  Wun- 
derding vom  Teufel,  bei  dem  er  ein  Jahr  diente.  Es  war  wie  der  Truthahn 
bei  meHH'B  Nr.  79,  Archiv  XIX,  255.  An  dem  Wunderding  bleiben  Weib  und 
Liebhaber  hängen,  am  Wege  hängen  sich  noch  andere  an.  Vgl.  G6opH:  icaiep. 
KasKas.  XIII,  Abth.  2,  S.  328  f.  LPineau  Gontes  pop.  du  Poitou  S.  35  f. 

Nr.  109.  Das  tugendhafte  Weib  ladet  die  sich  ihr  aufdrängenden  Lieb- 
haber ein,  sperrt  sie  in  einen  Kasten  ein  u.  s.  w.  Vgl.  den  Aufsatz  von  S. 
Fränkel  »Die  tugendhafte  und  kluge  Wittwe«  in  den  Germanistischen  Ab- 
handlungen XII,  S.  39  f.  J.  Oestrup  Gontes  de  Damas  Nr.  8. 

Nr.  115.  In  alter  Zeit  wurden  die  altersschwachen  Greise  in  eine  Grube 
hinausgeführt.  So  zog  auch  ein  Sohn  seinen  Vater  auf  einem  Brettchen  hinaus. 
Es  geht  auch  das  Enkelchen  mit,  um  zu  sehen,  wohin  es  einst  seinen  Vater 
hinausziehen  wird,  widersetzt  sich  auch,  dass  das  Brettchen  sammt  dem 
GroBsvater  in  die  Grube  geworfen  wird,  denn  er  wird  es  selbst  brauchen  für 
seinen  Vater.  Aehnlich  bei  PoManoBi  IV,  S.  179,  Nr.  38.  ZsVVK  1898,  S.  25  f. 

Nr.  127.  Ein  geldgieriger  Blinder  nahm  für  das  angebotene  kleinere 
Almosen  zwei  Silberstücke,  der  Schenker  geht  ihm  nach  in  seine  Wohnung, 
nimmt  ihm  sein  ganzes  zusammengescharrtes  Geld :  daneben  lebte  noch  ein 
Bettler,  die  beiden  streiten  sich,  und  auch  diesem  nimmt  der  Mann  das  Geld. 
Aehnlich  bei  OcTpoyMOB'L  Gapxu  II,  S.  133  f.,  Nr.  22. 

Nr.  129.  Ein  Geizhals  Hess  sich  in  seinen  Sarg  unter  den  Kopf  legen 
einen  Polster,  in  dem  er  all  sein  Geld  aufbewahrte. 

Nr.  130.  Das  Schicksal  der  neugeborenen  Kinder  wird  von  Gott  der 
Beihe  nach  bestimmt,  Gott  hat  vor  sich  drei  Tische,  bei  zweien  wird  das 
Glück,  bei  dem  dritten  das  unglückliche  Schicksal  bestimmt.  Dem  anwesen- 
den Jüngling  wird  der  Rath  gegeben ,  von  dem  ihm  verlobten  reichen  Mäd- 
chen zu  lassen,  und  ein  armes  Mädchen  zu  heirathen,  das  wird  sein  Glück 
sein.  Bald  nach  der  Hochzeit  werden  ihm  in  der  Nacht  grosse  Schätze  ge- 
bracht Vgl.  Dowojna  Sylwestrowicz  Pod.  zmujdzkie  I,  S.  2  f.  V.Baldessari 
Nirodni  pohAdky  S.  13  f. 


Prof.  Polivka  über  Hrinoenko'e  Ethnogr.  Material  II.  281 

Nr.  131.  Ein  armer  Mensch  begegnete  dem  Glück  und  üngltlck;  das 
Unglück  schenkte  ihm  zweimal  50  je  Rub.,  beidemale  kam  er  darum  durch  die 
Unwissenheit  seines  Weibes;  zum  letzten  Male  schenkte  ihm  das  Glück 
3  Groschen,  dafür  kaufte  er  einen  Fisch,  darin  war  ein  kostbarer  Edelstein. 
Vgl.  Archiv  XIX,  255  zu  IHeiiH'L  Nr.  80.  SECnTa  i  Gjtobo  1894,  Heft  5,  S.  191  f. 

Nr.  153.  Drei  Bauern  fragen  einen  Zigeuner  auf  einmal :  »^u  AsuceKo  ao 
cejuk?«,  »^u  rJiuöORa  ps'iKa?«!  »hk'b  Teöe  soByn?«  Der  Zigeuner  antwortet 
ebenso  rasch :  »chitb  Bepcr&,  no  KOJizHa,  MaTBiHc.  Die  Bauern  y erstehen  ihn 
lange  nicht.  Aehnlich  in  einer  nordgrossruss.  Version  von  Salomon  XHBaji 
dapiraa  V,  S.  212. 

Nr.  165.  »Der  sehr  gescheidte  Josko  mit  den  Juden  im  Ejrieg«  hängt 
wohl  zusammen  mit  dem  Cyclus  vom  » Judenkrieg«  (Wojna  fydowska),  über 
welchen  Dr.  Iv.  Franko  in  der  Wii^  VI,  263  f.  schrieb.  Die  Juden  übernach- 
ten auf  einer  Eiche,  aus  Furcht  vor  Wölfen;  in  der  Frühe  lassen  sie  sich  so 
herab,  dass  einer  sich  an  den  andern  hält,  der  eine  ruft,  die  andern  sollen 
warten,  bis  er  sich  in  die  Hände  spuckt,  alle  fallen  hinunter,  ähnlich,  wie 
sonst  die  Tiefe  eines  Brunnens  gemessen  wird.  Mark  Lidzbarski  Geschichten 
aus  neuaram.  Hss.  S.  72.  Revue  d.  trad.  pop.  II,  278  f.;  XI,  649. 

X.  Erzählungen  von  historischen  Persönlichkeiten  und  Ereignissen 
(S.  230—234),  besonders  aus  der  Zeit  der  Leibeigenschaft  von  der  fast  un- 
glaublichen Grausamkeit  und  Bohheit  der  Herren  gegen  die  Bauern  und 
Juden. 

XI.  Locabagen  (S.  235— 236).  Nr.  175.  Den  Drachen  überlistete  ein 
Schmied,  der  Drache  steckt  durch  die  Wand  seine  Zunge,  der  Schmied  nagelt 
sie  an,  spannt  dann  den  Drachen  in  den  Pflug  ein  und  pflügt  mit  ihm.  Aehn- 
lich PoMaHOB-B  IV,  S.  17,  Nr.  12.    AeaHacBOBi  PHap.cR.>  (1897)  I,  Nr.  85,  S.  196  f. 

Xn.  Phantastische  Märchen,  Wortspiel  und  Witz  (S.  237—301). 

Nr.  178.  »Der  Wolf  und  der  Fuchs«.  Der  Fuchs  fastet,  denn  es  ist  gerade 
Freitag;  geht  aber  mit  dem  Wolf  auf  die  Jagd.  Der  Wolf  fängt  sich  in  einer 
Schlinge,  die  ihn  hinaufzieht.  Der  Fuchs  frisst  nun,  der  Wolf  hat  aber  Frei- 
tag (nxATHuufl),  weil  er  mit  den  Fersen  (n'&ATaubi)  die  Erde  nicht  berührt  — 
ein  ziemlich  grobes  Wortspiel.  Der  Fuchs  geht  ins  Kloster  auf  Gänse,  er- 
wischt und  mit  einem  Mönchsstabe  arg  durchgeprügelt.  Vor  dem  Wolf 
brüstet  er  sich,  dass  er  im  Kloster  war  und  dort  geweiht  wurde,  schickt  den 
Wolf  hin. 

Nr.  181.  »Die  Henne,  der  Hahn,  der  Stier,  das  Schwein  und  der  Trut- 
hahn«. Aehnlich  wie  »Hausthiere  und  Räuber«,  hier  Wölfe  verjagt,  wie  Aea- 
HacBeBi  IV  (1860),  Nr.  21,  22,  26.  GaAOBHHROB-B  Nr.  51,  S.  173  u.  a. 

Nr.  182.  Der  Adler  kämpft  mit  der  Schlange,  besiegt  sie,  wird  von  ihr 
ganz  wenig  beschädigt,  konnte  aber  nicht  fliegen,  tritt  als  Jüngling  verwan- 
delt in  die  Dienste  eines  Bauern,  macht  ihn  schlieslich  zum  Kaiser.  Als  die 
Federn  wieder  nachgewachsen  waren,  verwandelte  er  sich  wieder  in  einen 
Adler,  der  Kaiser  setzt  sich  auf  ihn,  und  bittet  sich  von  der  Jüngsten  zur  Be- 
lohnung ein  goldenes  Kästchen  aus :  wie  er  es  aufmacht,  treten  12  Mädchen, 
12  junge  Frauen  und  12  Jünglinge  heraus  und  tragen  ihm  mannigfache  Spei- 
sen und  Getränke  zu.    Vgl.  Ao^poboibckIk  Gmojik.  G6.  I,  569  f.    GöopH.  Maxep. 


282  Kritischer  Anzeiger. 

KftBEas.  XVm,  Abth.  3,  S.  87  f. ;  XIX,  Abth.  2,  S.  8  f.  Sbomik  za  nar.  kivot 
i  obio.  jaz.  Slavena  I,  125.  Diesen  goldenen  Kasten  wechselte  er  mit  einer 
Axt  aus :  wenn  man  mit  ihr  in  einen  Baum  schlügt,  baut  sich  ein  Haus  auf. 
Diese  Axt  wechselt  er  mit  einer  Peitsche  aus:  diese  geht  und  bringt  alles, 
was  man  wünscht.  Sie  brächte  ihm  das  Kästchen  und  die  Axt.  Endlich 
tauschte  er  das  Kästchen  noch  mit  einem  Stock  um,  der  jeden  lebendig  macht, 
mit  dem  er  schlägt.  Die  Peitsche  brachte  ihm  wieder  das  Kästchen.  Vgl. 
BJttlg,  Die  Märchen  des  Siddhi-Kür  S.  87  f.  Waldau  Böhm.  Mbuch  111,  Hrase 
Poyidky  IH,  217. 

Nr.  183.  »Von  der  Gans,  die  goldene  Eier  legte«.  Unter  ihrer  mochten 
FlUgel  ist  aufgeschrieben,  »wer  diesen  Flügel  isst,  der  wird  Kaiser«,  und 
unter  dem  linken  FlOgel  »wer  diesen  Flügel  aufisst,  wird  Oeld  spucken«. 
Vgl.  Archiv  XIX,  266  f.  /(oöpoBOJBCRiu  I,  S.  561  f.  lüanKapeB'B  G6opHHR%  on 
Hap.  yMOTBop.  IX,  S.  444  f.,  538  f. 

Nr.  184.  Drei  Brüder  kamen  zu  drei  Schwestern,  die  als  Tauben  yer- 
wandelt  tief  im  Walde  lebten.  Als  sie  wegzogen,  bekam  der  1.  einen  Stock : 
wenn  er  mit  dessen  dickem  Ende  schlägt,  erscheint,  was  er  sich  nur  wünscht, 
der  2.  ein  Säckchen,  wie  er  damit  schüttelt,  ist  es  voll  Qeld,  der  3.  eine  Tar- 
renkappe. Der  mittlere  Bruder  verspielte  alles  dies  bei  einer  Prinzessin.  Im 
Walde  findet  er  Aepfel,  nach  deren  Genuss  Homer  hervorwachsen,  und  Bir- 
nen, nach  deren  Genuss  die  HÖmer  abfallen.  Vgl.  dpJOHBeHH'B  Pyc.  nap.  ck. 
S.  27  f.  PoHaHOB'B  III,  S.  182  f. 

Nr.  185.  Beminiscenzen  aus  verschiedenen  Sagen  zusammengeschweisst. 
Ein  reicher  Kaufmann  verarmt  vollends,  weil  er  einen  Greis  (Gott)  von  seiner 
Schwelle  wegjagte.  Er  hat  eine  sehr  schOne  Tochter,  ein  Kaiser  heirathet 
sie.  Sie  sind  kinderlos.  Einmal  träumte  der  Kaiser:  er  soll  vor  seinem  Hans 
einen  aus  dem  Wald  ausgegrabenen  Apfelbaum  einsetzen,  ihn  so  lange  be- 
giessen,  bis  Aepfel  reifen,  und  so  viel  Aepfel  er  herabschttttelt,  soviel  Kinder 
wird  er  haben ;  die  Aepfel  soll  er  mit  seiner  Frau  aufessen.  Er  schüttelte  nur 
zwei  Aepfel  ab,  den  einen  ass  er  mit  seiner  Frau  auf,  den  anderen  trug  ein 
Hase  weg,  fand  später  der  Gärtner,  isst  ihn  mit  seinem  Weib  auf.  Die  Kai- 
serin gebiert  eine  Tochter,  die  Gärtnerin  einen  Sohn.  Die  Kaiserin  träumt, 
dass  sie  ihr  Kind  bis  in  das  15.  Jahr  so  halten  muss,  dass  es  niemanden  sieht; 
einen  ähnlichen  Traum  hatte  auch  die  Gärtnerin.  Zufällig  erblicken  sich 
beide,  der  Sohn  entflieht,  das  Mädchen  stirbt.  Nach  einiger  Zeit  kehrt  der 
Jüngling  zurück;  nach  einem  Traum  riss  er  im  Walde  ein  Kraut  aus,  zündete 
es  an,  und  dessen  Rauch  trägt  ihn,  so  dass  er  wie  eine  Biene  oder  Fliege 
fliegt.  Zum  Schlnss  wird  er  vom  Kaiser  als  Sohn  angenommen  und  zum  Nach- 
folger bestimmt 

Nr.  186.  Kaiserin  und  Schmiedin  zanken  mit  einander.  Das  Kind  im 
Leibe  der  Kaiserin  sagt:  »Die  Hündin  fing  mit  der  Hündin  zu  schimpfen  an«. 
Die  Kaiserin  reisst  erzürnt  das  Kind  aus  ihrem  Leibe  und  gibt  es  dem  Schmied, 
der  soll  es  tödten,  braten  und  ihr  zum  Essen  bringen.  Das  Kind  spricht  den 
Schmied  an  und  bittet  ihn,  statt  seiner  das  Junge  von  einem  Windhunde  zu 
braten,  und  von  ihm  nur  einen  Finger  der  Kaiserin  zu  bringen.  Bei  Ao6po- 
bojkbckIh  I,  S.  245  f.  lässt  sich  die  Kaiserin  nicht  so  weit  hinreissen  von  ihrem 


Prof.  Polivka  ttber  Hrincenko's  Ethnogr.  Material  ü.  283 

Zorn,  Bondem  befiehlt  ihrem  Mftdehen,  das  neugeborene  Kind  zu  ertr&nken; 
ähnlicher  Ao^poBoncKix  I,  259.  In  der  kleinroBB.  Version  ist  das  E[ind  ein 
sonst  ungenannter  weiser  Knabe,  sie  gehört  zn  den  weit  verbreiteten  Legen- 
den Ton  Salomon.  Dem  Schmiede  wird  aufgetragen:  1)  aus  einem  Stiere 
Käse  und  Butter  zu  bereiten,  2)  weder  zu  Fuss  kommen  noch  zu  Pferd,  3)  ein 
Geschenk  zu  bringen  und  ein  Geschenk  nicht  zu  bringen:  bringt  eine  Semmel 
und  eine  Schnepfe:  die  lässt  er  wegfliegen,  wie  der  Kaiser  nach  ihr  greift. 
Vgl.  Ao6poBOjncKiH  I,  253  f.,  260  f.  Kinder  sollen  einen  Kaiser  wählen,  es 
wird  der,  auf  dessen  Gebot  die  Frösche  still  werden,  ebenso  /(oi^poBoncKiii  I, 
S.  248  f.  ]KHBaA  GrapsHa  V,  212  f.  In  einem  fremden  Lande  heirathe^e  Salo- 
mon^  sein  Drache  entflihrte  sein  Weib,  er  sucht  und  findet  es,  vom  Drachen 
gefangen  genommen,  soll  gehängt  werden,  auf  drei  Trompetenstösse  kommt 
sein  Heer  angestürmt  u.  s.  w.  Vgl.  AoOpOBoncKlK  I,  256  f.  yKasaji  GrapHfla 
V,  213. 

Nr.  187.  Beminiscenzen  von  Ilja  Muromec,  wie  er  sieben  Jahre  nicht 
gehen  konnte,  und  auf  einmal  aufstand  und  ein  starker  Held  wurde,  als  ein 
Greis  ihn  besuchte.  Vgl.  PobehckIh  Pyc  nap.  Kapr.  IV,  S.  2,  5, 11  f.  Ao6po- 
BoncRiii  I,  S.  397  f.  PouaHoin  III,  259.  Tpe&JiaHX%  JlaTBnn.  ck.  S.  144  f.  Hieran 
knüpft  sich  das  Motiv  von  der  untreuen  Mutter,  die  ihren  Sohn  dem  Drachen 
ausliefert.  Vgl.  PouaHOB'B  III,  39,  66  f.,  69  f.  Weryho  Podania  biatorus  S.  19f. 
Zbiör  wiad.  antrop.  V,  Abth.  3,  S.  241.  Wisia  II,  S.  17  f.  Leskien  und  Brug- 
mann  S.  548  f.  Dobsinsky  SIov.  pov.  V,  53  f.  Göopa.  Haiep.  KaBicas.  ZXI, 
Abth.  2,  S.  8  f.  FpHH^eHKO  I,  Nr.  157,  158.  Kres  V,  S.  246  f.  Strohal  I,  S.  38  f. 
manicapeB'B  G(k>pH.  nap.  yuoTBop.  IX,  S.  406  f. 

Nr.  188.  Ein  Soldat  kehrt  nach  Hause  zurück,  wo  er  als  Knabe  von  der 
Stiefmutter  vertrieben  wurde.  Er  übernachtete  am  Wege  bei  einem  Bauern. 
Dessen  Söhne  wollen  ihm  das  Pferd  auswechseln  oder  abkaufen,  welches  er 
von  einem  Herrn  ausgeborgt  hatte.  Der  Soldat  entwich  vor  Tagesanbruch. 
Die  Bauemsöhne  fanden  ihn  nicht  mehr  im  Stall,  sondern  einen  nackten  Er- 
hängen, den  schnitten  sie  ab  und  der  Erhängte  lief  dem  Soldaten  nach,  er- 
eilte ihn  und  bot  sich  ihm  als  Kutscher  an.  Er  rettet  ihn  vor  den  Anschlägen 
der  Stiefmutter,  die  ihn  ttfdten  will.  Der  Erhängte  in  den  Kleidern  seines 
Herrn  tOdtet  selbst  die  Stiefmutter.  Nun  will  der  Kutscher  ihn  verheirathen 
mit  einer  von  den  drei  Schwestern.  Die  ältere  nimmt  den  Soldaten  als  Mann 
an,  wenn  er  etwas  schöneres  hat  als  sie.  Ihr  Vater  nämlich  hat  goldenen 
Schopf  und  Bart  Sie  werden  ihm  2 — 3  Haare  ausreissen,  etwas  schöneres 
bekommt  er  nicht.  Sein  Kutscher,  als  Käfer  verwandelt,  fliegt  der  in  eine 
Ente  verwandelten  Schwester  nach  und  reisst  dem  Vater  fast  alle  goldenen 
Haare  aus.  So  bekam  also  doch  der  Soldat  seine  Schwester. 

Nr.  189.  »Das  weise  Mädchen«  hilft  einem  Jüngling  die  ihm  von  seinem 
Vater  auferlegten  Räthselaufgaben  lösen.  Vgl.  Archiv  XIX,  243  f.  zu  Vicla- 
vek  Nr.  4,  nieHH'B  Nr.  92.  Mater.  antropoL-archeolog.  i  etnogr.  I,  Abth.  2, 
S.  52.  Nar.  pripov.  v  Soskih  plan.  III,  80  f.  G6opH.  Maxep.  KaBKaa.  XVUI, 
Abth.  3,  S.  103  f. 

Nr.  190.  Ein  dummes  Weib  vom  Juden  bethört,  zum  Schluss  betrunken, 
mit  Pech  beschmiert,  mit  Federn  beschüttet:  ist  sie  es,  oder  ein  Vogel.  Vgl. 


284  Kritischer  Anzeiger. 

Arohiv  XIX,  256  zu  meHHi  Nr.  89.  —  Der  Mann  geht  in  die  Welt  dümmere 
Leute  suchen:  das  erste  Weib  konnte  nicht  im  Hemd  Oeffoungen  für  den 
Kopf  zu  machen,  das  zweite  Weib  trügt  Sonnenlicht  in  die  fensterlose  Hütte, 
das  dritte  Weib  glaubt  ihm,  dass  er  von  jener  Welt  kommt  und  Grüsse  von 
ihrem  seligen  Manne  ausrichtet,  übergibt  ihm  Geschenke  für  diesen.  Vgl. 
Eolberg  Lud  VIII,  22t.  Öesky  Lid  y,459.  C60pH.MaT6p.KaBRa3.XIX,  Abth.2, 
S.  33  f.  ByR  Ct.  Kapa^Hh  Gpn.  sap.  npanoB.  S.  301.  B.  Schmidt  Griech.  MSrch. 
S.  125  f.  Revue  des  trad.  pop.  III,  381  f.;  XI,  299  f.  Melusine  I,  S.  133  f., 
135  f.,  352  f.  Wie  der  Mann  nach  Hause  zurückgekommen,  prahlt  sein  Weib, 
dass  sie  Salz  ausgesäet  hat.  Vgl.  Oesky  Lid  V,  S.  35.  PyA^eHRo  Hap.  »xnop. 
CR.  n,  S.  194. 

Nr.  191, 192.  »Der  Student  und  der  Bauer«  Katze  —  Reinheit,  Feuer — 
Schönheit,  Mauer:  Höhe,  Wasser  —  Wohlthat;  der  Student  bindet  der  Katze 
einen  Feuerbrand  an  und  jagt  sie  auf  das  Dach,  »die  Reinheit  trug  die  Schön- 
heit in  die  Höhe ;  nimm  schnell  die  Wohlthat  und  eile  giessen«.  Vgl.  HleHH'L 
II,  Nr.  143.  aiHorpa*.  36ipHHR  I,  Abth.  3,  S.  23  f.  Lud  II,  S.  43.  In  Nr.  192 
kommt  der  Junge  noch  in  eine  Räuberhöhle,  wird  von  den  Räubern  in  ein 
Fass  gesteckt;  es  kommt  ein  Wolf,  steckt  den  Schweif  in  das  Loch  des 
Fasses,  der  Junge  fasst  den  Schweif,  das  Fass  wurde  zerbrochen  und  der 
Junge  gerettet.  Aehnlich  ist  der  Schluss  von  Nr.  241,  S.  336,  von  Nr.  242, 
S.  339.  Vgl.  Archiv  XVII,  581  zu  Giszewski  I,  Nr.  211—214.  M.  Kremnitz 
Rumän.  M.  S.  152  f.  G6opH.  sa  nap.  yMOTBop.  VIII,  Abth.  3,  S.  187.  Melusine 
I,  S.  91.  Revue  des  trad.  pop.  II,  11  f.  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  210. 

Nr.  204.  Von  drei  lispelnden  Schwestern.  Vgl.  Archiv  XIX,  259  zu 
meikHi  Nr.  149.  Am  Urquell  1897,  S.  121  f. 

Nr.  208,  S.  302—310.  Sprichwörter. 

Nr.  209,  S.  310—312.  Räthsel. 

S.  313—352.  Nachträge,  neue  Materialien,  die  während  des  Druckes  zu- 
flössen, besonders  Über  Zauberei,  Besprechungen  von  Krankheiten  u.  ä. 

Nr.  232.  Ein  verwünschtes  Mädchen  erlöst  von  einem  Soldaten,  der  die 
ganze  Nacht  hindurch  trotz  der  grössten  Widerwärtigkeiten  den  Psalter  über 
ihr  liest.  Vgl.  Archiv  XIX,  251  zu  IIIeHH'B  Nr.  33.  AoÖpOBOJiBCRiu  I,  550  f., 
554  f.  PyÄ'ieHKo  II,  Nr.  12. 

Nr.  235.  Der  Diener  eines  geizigen  Herrn  gibt  an,  nie  zu  essen  und  nie 
zu  trinken.  Der  Herr  will  es  auch  lernen,  vom  Diener  überlistet,  stirbt  an 
Hunger;  der  Diener  ist  sein  Universalerbe.  Aehnlich  bei  Kolberg  Lud  III, 
S.  166  f.  von  einer  geizigen  Frau  und  ihrer  Dienerin. 

Nr.  238.  Den  Fröschen  Geld  geworfen  ins  Wasser,  sie  sollen  nachzählen. 
Vgl.  Kres  IV,  1884,  S.86.  Fr.S.Krauss  Sag.  Märch.  Südslav.  I,  Nr.  52.  Scham- 
bach &  Müller  Niedersächq^Märch.  S.319.  Schneller  Märch.  WälschtirolS.  167. 
Gitt^e&Lemoine  Gont.  d.  pays  Wallon  S.  89.  Decourdemanche  Les  plaisant. 
de  Nasr-Eddin  Hodja  S.  59,  Nr.  69. 

Nr.  241, 242  enthalten  Reminiscenzen  ans  IIIeMJiRHHX  CyA'B.  Vgl.  /[o5po- 
Bos&CRiH  I,  376  f.  JKüBafl  GxapHHa  V,  S.  208  f.  M.Lidzbarski  Erzählungen  aus 
neuaram.  Handschriften  S.  258  f. 

Nr.  243,  244,  245,  246,  247  Lügenmärchen. 


Prof.PoUvka,  die  V  Bände  der  ethnogr.  Publication  der  ^ycenko-Ges.     285 

Nr.  248.  Der  Held  dient  bei  zwei  Drachen,  der  Eintritt  in  den  zweiten 
Pferdestall  ihm  verboten.  Er  findet  dort  zwei  Pferde,  das  eine  frisst  Weizen, 
das  andere  Gold:  von  dem  vergolden  seine  Hände  und  sein  Kopf.  Flieht 
nun :  dem  Pferde  schmiedet  er  die  Hufeisen  verkehrt  an,  dass  die  Verfolger 
seine  wahre  Spur  verlieren.  Auf  die  Flucht  nimmt  er  mit  eine  Bürste  —  da- 
raus ein  ungeheuer  hoher  Berg,  eine  Hechel :  daraus  ein  endloser,  hoher  und 
dichter  Wald,  und  ein  Tuch:  daraus  ein  endloses,  ungemein  tiefes  Heer.  Der 
Held  tritt  in  die  Dienste  eines  Gutsbesitzers  als  Schweinehirt,  überwindet 
den  benachbarten  Drachen,  der  die  Herde  nicht  auf  seinen  Besitz  lässt,  be- 
freit ans  dessen  Biacht  drei  Helden.  Von  diesen  bekommt  er  als  Geschenk 
einen  kostbaren  Bing,  der  wie  ein  Stemlein  leuchtet  Die  jüngste  Tochter 
des  Gutsbesitzers  verliebt  sich  in  ihn  und  heirathet  ihn.  Befreit  zum  Schloss 
diese  von  einem  Drachen,  als  sie  ihm  geopfert  werden  sollte.  —  Die  ver- 
schiedensten Märchenmotive  sind  hier  zusammengewürfelt.     O.  PoUvka, 


ETHorpa«i^HHH  StfipmiK.  BH^ae  HayicoBe  TOBapncTBO  iMOHH  lüeB^eHKa 
3a  pe^aKipeio  M.  rpymeBCLKoro.  Y  JElbobI  I — V.  1895 — 1898. 

Die  ethnographische  Erforschung  des  kleinrussischen  Volkes  ist  sehr 
fortgeschritten,  ihre  Geschichte  gehOrt  unter  die  glänzendsten  Gapitel  der 
russischen  Ethnographie,  haben  sich  doch  an  dieser  Arbeit  die  hervorragend- 
sten Geister  betheiligt.  Fest  organisirt  war  sie  freilich  nicht  bis  auf  eine 
kurze  Zeit,  während  der  Wirksamkeit  der  ethnographischen  südwestrussi- 
schen  Abtheilung  der  kais.  geographischen  Gesellschaft  in  Kiew.  Doch  fan- 
den ethnographische  Arbeiten  über  die  Kleinrussen  die  bereitwilligste  Auf- 
nahme besonders  in  der  Moskauer  Ethnographischen  Rundschau,  und  neuer- 
dings in  einigen  wissenschaftlichen  Gesellschaften,  besonders  der  histor.- 
philologischen  Gesellschaft  in  Charkow  und  Odessa.  In  Galizien  fanden  sie 
Aufnahme  in  dem  von  der  Krakauer  Akademie  herausgegebenen  Zbiör  wia- 
dano&ci  do  antropologii  krajowöj,  und  neuestens  publicirte  zahlreiches  Mate- 
rial besonders  aus  der  Volksliteratur  Dr.  Iwan  Franko  in  seiner  Revue  7Kxt9 
iCxoBO  1894  und  1895. 

Doch  mangelte  es  wie  auch  anderswo  an  der  nothwendigen  Organi- 
sation der  ethnographischen  Forschung,  an  systematischem  Sammeln  ethno- 
graphischen Materials.  Diese  Arbeit  nun  nahm  auf  sich  der  neuestens  so 
rege  und  thatluräftige  wissenschaftliche  i^evcenko-Verein  in  Lemberg.  Vor 
der  Hand  begann  er  ein  ethnographisches  Jahrbuch  herauszugeben,  von  dem 
uns  nun  bereits  5  Bände  vorliegen.  Das  Programm  ist  auf  das  ganze  von 
Kleinrussen  bewohnte  Territorium  ausgedehnt:  wir  finden  auch  in  den  vor- 
liegenden Bänden  Materialien  aus  dem  weiten  Osten,  vom  Kaukasus,  aus  der 
Ukrajina,  aus  Galizien  und  Ungarn.  Selbständige  wissenschaftliche  Studien 
und  kritisch-bibliographische  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  kleinruss. 
Ethnographie  werden  nicht  in  diesem  Jahrbuch,  sondern  in  der  Zeitschrift  des 
Vereines,  in  den  SanscRK,  auch  fernerhin  publicirt  werden« 

Dem  ersten  Band  ist  ein  detaillirter  Fragebogen  beigelegt  (S.  1 — 16),  der 


286  EritiBcher  Anzeiger. 

recht  eifrig  verbreitet  und  noch  eifriger  und  gründlicher  beantwortet  werden 
sollte. 

In  den  zwei  bisher  herausgegebenen  Bänden  ist  recht  reiches  und 
mannigfaltiges  Material  publioirt.  Jede  Abhandlung  ist  selbständig  paginirt. 

Bd.  I.  1)M.  Kramaren ko  beschreibt  (S.  1 — ^24)  eingehend  die  Feste 
und  Gebräuche  zu  Weihnachten,  Neujahr  und  bis  zum  Tage  der  heil,  drei 
Onige  im  Kosakendorf  Pavlovskaja,  Bezirk  Jejsk  im  Kuban-Gebiet.  Unter 
anderem  ist  dort  auch  der  Gebrauch  des  Schimmelreitens  verbreitet  wie  im 
mittleren  Europa.  Erzählt  wird  weiter,  wie  die  Mädchen  rathen  und  zauberui 
z.B.  wer  Bräutigam  sein  wird  aus  dem  Benehmen  eines  Hahnes;  aus  einzelnen 
unter  dem  Fenster  aufgefangenen  Wörtern  ihr  Schicksal  erfahren  wollen  u.  ä. ; 
wie  und  woraus  die  älteren  Leute  wieder  auf  die  Witterung  im  kommenden 
Jahre  schliessen  etc.  2)  Dr.  IvanFranko  gab  aus  einer  grossen  Sammlung 
von  Volks-Traditionen  aus  dem  Bezirke  Brody  25  Märchen  heraus  (S.  1 — 96), 
versah  die  einzelnen  Märchen  mit  kurzen  erläuternden  Anmerkungen,  und 
fttgte  ein  Yerzeichniss  der  in  ihnen  vorkommenden  Motive  hinzu  (S.97 — 120). 
Ref.  hat  an  einer  anderen  Stelle  bereits  diese  Märchen  besprochen  (Zs.  f.  Ost. 
Vk.  II,  S.  220  f.).  Die  Märchen  sind  treu  dem  Volksmunde  entnommen,  der 
Dialekt  phonetisch  treu  wiedergegeben.  Doch  finden  wir  in  demselben  Mär- 
chen neben  einander  verschiedene  Formen:  können  wir  daraus  schliessen, 
dass  sie  so  neben  einander  wirklich  im  Volksmunde  vorkommen  ?  Z.  B.  in 
Nr.  16  lesen  wir  neben  den  regelmässigen  Formen  löro,  n^ro,  caicöro  noch 
Formen  mit  ausgefallenem  h:  ao  töo  nasa  S.  55,  ao  h6o  S.  55  und  ausserdem 
noch  mit  einem  gegen  den  Hiat  eingeschobenen  sekundären  Laut:  Toyo  ca- 
hi6fo  S.  55,  AO  CBoyo  S.  54,  8  Heyo  S.  56,  cxapöyo  MCjgcHHKa  S.  59,  sytfa  aR^AHoyo 
S.  58 ;  in  der  3.  plur.  praes.  rosöpai  S.  54,  roBÖpaTB  S.  56 ;  aubetbcbI  S.  59  und 
AUBHT&CLa  S.  59;  AHyjiLaTLCLa  S.  59  und  AHBJiLaTBCBa  S.  59.  1.  pers.  sg.  perf. 
bhabIb-Im  S.  58  und  BiiABiB-eM  S.  59.  —  In  dem  demselben  Erzähler  nachge- 
schriebenen Märchen  Nr.  17 :  gen.  sg.  xöro  S.  60,  61,  daneben  töo  S.  60, 61, 62, 
TaKöo  S.  60,  hIahöo  S.  60  und  noch  xöyo  HlAHÖyo  S.  60,  canöyo  S.  62,  ao  Apyroyo 
S.  62,  Himoj^o  S.  62,  xaRÖ^o  BejsuRoro  S.  61 ;  nycTHy  na  yy6öpy  S.  62  und  6yi[& 
Ha  ytföpi  S.  62.  —  In  Nr.  18  finden  wir  z.  B.  hIa^h  Apyoo  BimauH,  Ia^h  Apyo  sa- 
6hu,  Ia^h  ap^o'  sapixH,  Ia^h  Apyoo  yröiiH  S.  64 ;  Ao  sdro  S.  64,  TÖro  S.  64,  hhfö 
S.  64  und  daneben  ao  e6o  S.  64,  hhö  S.  63,  ausserdem  Töyo  S.  64,  Royö  S.  65 ; 
Apyoo  zusammengezogen  in  Apto  S.  63  u.  a.  m.  Sehr  stark  äussert  sich  in  die- 
sen ostgalizischen  Märchen  der  polnische  Einfluss :  uhhxk,  moi^,  moi^ho,  praes. 
Lsg.  jßhUEhKJpka  (S.71),  buhhi^h,  nj[BÖHTpo,  ckohAi  BaBSBHHTail,  «kbohui,  saHziua 
xiHKa  b  nhHEJKE  (S.  46),  TMUhjp»  (S.  76),  ntJiku  cxay  sa  xuz  uH&CTaz  xaKHK; 
örpyA,  nosLyMRH  (S.  27),  nnypö  (S.  76).  —  kv  neben  cv:  rbItk  nosauBBiTUH 
(S.  45)  findet  sich  auch  in  weiter  östlichen  Dialekten.  Der  Text  ist  durchwegs 
accentuirt.  Mit  einem  Worte,  nicht  bloss  der  Märchenforscher,  sondern  auch 
der  Sprachforscher  wird  in  dieser  Sammlung  reiches  und  interessantes  Mate- 
rial finden  —  Endlich  ist  3)  noch  eine  kleinere  Sammlung  ukraj  inischer 
Volksanekdoten  und  Schwanke  von  Op.  ^ymcenko  abgedruckt  (S.  1 — 20),  die 
auch  einiges  nicht  uninteressantes  Material  enthält.  Vgl.  Zs.  f.  Ost  Vk.  11,  S.  224. 

Bd.  II  enthält  1)  eine  Abhandlung  von  Voiodymyr  Hnatjuk  tlber 


Prof.  Poliyka,  die  V  Bände  der  ethnogr.  Publioation  der  äevcenko-Qes.    287 

die  BettelsSnger  geistlicher  Lieder  (Lirnyki)  in  Qalizien,  deren  Er- 
ziehung, soziale  Verhältnisse,  besonders  über  deren  Geheimsprache,  and 
fügt  eine  ansehnliche  Sammlnng  geistlicher  und  religiöser  Lieder,  darunter 
auch  einige  polnische,  hinzn,  wie  auch  einige  Gebete.  Die  Nachrichten  über 
das  Leben  und  Treiben  dieser  Liedersänger  werden  einem  Limyk  ans  ^il^no- 
mir  im  Bezirke  Buozacz  nacherzählt  nnd  zwar  genau  in  seinem  Dialekte.  Der 
Bericht  yon  Dr.Kyrill  Studynski  in  der  Schrift  »JUpHHKna  1894  wird  hier  ver- 
vollständigt. Neben  den  von  diesem  aufgezählten  Wörtern  dieser  Geheim- 
spraehe  wird  noch  eine  ganze  Reihe  neuer  in  alphabetischer  Reihenfolge  an- 
geführt. In  eine  Erklärung  dieses  lexikalen  Materials  lässt  sich  Herr  Vol. 
Hnatjuk  nicht  ein,  die  Abhandlung  von  Prof.  V.  Jagid  »Die  Geheimsprachen 
bei  den  Slaven«  konnte  er  offenbar  nicht  mehr  benützen,  doch  wären  wir  ihm 
gewiss  sehr  dankbar  gewesen,  wenn  er  die  Wörter  nach  ihrer  Verwandtschaft 
gruppirt,  und  sich  nicht  bloss  mit  ihrer  alphabetischen  Zusammenstellung 
begnügt  hätte.  Er  hätte  zusammenstellen  können  z.  B.  BaHffsHparH,  Bi-,  bh- 
BaHffs^yBaTH,  nHpHsaHXSHpHHK  (88  nopoM),  npOBaHABHpHHR  (npoBlAHHK) ;  bIa-,  ^', 
poBHan6piiTH,  sxanöpyBATz  (die  Erklärung  gab  V.  Jagiö  op.  c.  59,  60) ;  dadurch 
hätte  der  Verfasser  das  Studium  seines  interessanten  Beitrages  sehr  erleich- 
tert. Was  das  Material  selbst  anbelangt,  so  sind  die  einzelnen  Wörter  bereits 
aus  der  Greheimsprache  der  podolischen  und  weissrussischen  Bettelsänger 
grossentheils  bekannt  und,  die  fremdsprachlichen  Bestandtheile  ausgenom- 
men, von  Prof.  V.  Jagid  in  der  erwähnten  Schrift  erklärt.  Auch  die  anders- 
woher noch  nicht  bekannten  Wörter  lassen  sich  in  die  von  V.  Ja^d  festge- 
stellten Gruppen  einreihen,  so  z.  B.  vy6aHOK-8(iaHOK,  x^((p&R-3Re6paK,  xh^u- 
pösyM,  «oBHpxHHHik-BepzHHHa  (Obers,  Rahm),  s.  V.  Jagid  op.  c.  p.  44  sq.,  t»iu- 
aIm  ib.  42,  6dU3BueH0,  r]ipRH,M»sH,  uaBhMHwk-6ÄSShK0,  rspRau,  hobhii,  vgl.  ib. 
55  f.  ffeproMHTH-AepraxH  (mahlen),  vgl.  ib.  57,  70;  66t.ileth,  Bad6TjnHTK-<(yTZ, 
vgl.  ib.  63  63I22TL ;  jkihkc&th,  vgl.  ib.  66,  BUjiflKcaxLi  herauskommen,  buök- 
caxL ;  cxaKOMHEK  Tanz,  vgl.  ib.  58  ckeköheth  tanzen,  S.  57  ciyröuEHK  Diener 
u.  a.  m.  Zur  genaueren  Kenntniss  der  russ.  Gbheimsprachen  ist  dieser  Bei- 
trag sehr  wichtig,  er  vermehrt  nicht  bloss  beträchtlich  deren  lexikalisches 
Material,  sondern  scheint  auch  den  Weg  zu  neuen  Erklärungen  zu  weisen,  so 
ist  z.  B.  in  p^noaxB,  p6ocaHRa,  p6ncaHHE,  p^ncaniH  gegen  nscaTH,  nxcaHKa,  ns- 
cap,  uHCLMo  die  Silbe  re  vorgesetzt,  die  V.  Jagid  in  dem  vorliegenden  Material 
nicht  vorfand. 

In  dem  2. Artikel  theilt  Jnryj  i^atkovyc  »Ethnographische  Bemer- 
kungen über  die  ungarischen  Ruthenen«  mit  (S.  1—38).  Der  Ver- 
fasser theilt  die  ungar.  Ruthenen  der  Sprache  nach  in  zwei  Gruppen,  in  die 
Lemken  und  die  Lysaken :  diese  letzteren  wohnen  in  der  Marmarosch  und  in 
den  angrenzenden  Dörfern  der  Gomitate  Bereg  und  Ugocsa.  Nach  der  Aus- 
sprache des  o  in  geschlossenen  Silben  würden  sie  in  mehr  Gruppen  zerfallen : 
die  sogenannten  BepzoBHH^Y,  der  im  Gebirge  wohnende  Zweig  spricht  dafür  t : 
uin,  kIhb,  MicT ;  die  Bewohner  des  südlichen  Streifens  der  Gomitate  Marma- 
rosch und  Unghvar,  wie  auch  des  Comitates  Ugocsa  sprechen  dafür  u:  nyn, 
KyHB,  MycT ;  die  Bewohner  eines  weiteren  Theiles  des  südlichen  Streifens  und 
des  mittleren  des  Comitates  Bereg  sprechen  dafür  das  deutsche  ü:  püp,  kü&, 


288  Kritischer  Anzeiger. 

müst;  endlicli  die  Buthenen,  die  um  die  Slovaken  herum  wohneiii  Bprechen 
ein  ganz  reines  o :  pop,  ko&,  most  Von  der  Aussprache  des  «  und  anderen 
Eigenthtimlichkeiten  der  kleinruss.  Dialekte  in  Ungarn  erzählt  der  Verfasser 
nichts  mehr,  ausser  der  verschiedenen  Aussprache  des  mo.  Die  Grenze  der 
Kleinrnssen  in  Ungarn  gegenüber  den  anderen  Volksstämmen  in  Ungarn  wird 
nicht  bestimmt,  auch  nicht  gegen  die  Slovaken,  Aber  welche  Frage  gerade 
die  letzte  Zeit  eine  ziemlich  lebhafte  Polemik  sich  entwickelte  (vgl.Slovensk6 
Pohl'ady  1895  8.500,566, 623;  1896  8.125,  %EB&flGTapHHaV,235f.).  Vielgrttnd- 
lieber  werden  die  Gebräuche,  der  Aberglauben,  und  überhaupt  das  ganze  Leben 
der  Ungar.  Kleinrussen  geschildert,  der  Volkskalender,  Prognostica :  am  Christ- 
abend wird  ein  eigenes  Brod  gebacken  —  KepeqyH — diese  Form  ist  also  wirklich 
im  Gebrauch,  vgl.  Archiv  IX,  694;  Hochzeit,  Geburt,  Taufe,  Krankheit,  Tod 
und  BegräbnisSi  Kleidung  und  Küche,  Landwirthschaft,  Viehzucht;  ausser- 
dem lesen  wir  einige  Bemerkungen  Über  das  Verhältniss  der  Kleinrussen  zu 
anderen  Nationalitäten,  insbesondere  zu  den  Juden ;  das  Sprichwort  »PycBKi 
MOCTH,  nanicLKi  uocth,  KaäiBBlHCBKoe  Ha<(oxeHCTBo:  oto  BmflTRO  (UaseHCTBO«  als 
Variante  eines  bei  Polen  und  Russen  bekannten  Sprichwortes,  das  Celakov- 
Bkf  (Mudroslovi  8.  460  f.)  bereits  anführt,  ist  wenig  charakteristisch  für  die 
Anschauungen  der  Kleinrussen  über  die  verschiedenen  Religionen.  Aus  der 
»mündlichen«  Literatur  der  Kleinrussen  theilt  der  Verfasser  recht  karge 
Brocken  mit,  wir  wollen  hoffen,  dass  er  diesen  Mangel  bald  ersetzen  wird. 
Am  Anfange  seiner  Studie  erzählte  er  (8.3)  eine  (beschichte  von  einem  Schrei- 
ber —  die  Schreiber  werden  vophorhhxhhr  genannt,  weil  sie  immer  ein 
schwarzes  Buch  bei  sich  trugen;  der  war  Zeuge,  wie  die  Hausfrau  ihren  Ge- 
liebten gastirte,  vom  Gatten  dann  Überrascht  wurde;  der  Schreiber  prophe- 
zeite aus  dem  Buche,  wo  alle  diese  Leckerbissen  aufbewahrt  sind,  wie  sonst 
in  den  verwandten  Märchen  der  Rabe  in  der  Kuhhaut  u.  a.  Grimm,  KHM 
Nr.  61,  Cosquin  I,  229  f.;  II,  329  f.  Pomehobi  III,  8.  406  f.  Ao6poBOACidx  I, 
S.  143  f.  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  446;  II,  250  f.  u.  a.  8.  36  f.  lesen  wir  die 
bekannte  Legende  von  Noe,  wie  er  die  Arche  baute,  der  Teufel  nachforschte 
nach  seiner  Arbeit  und  dann  Branntwein  brachte,  um  ihn  trunken  zu  machen. 
Vgl.  AoöpoBOJLCKiH  I,  8.  237  f.  V&clavek  8. 139. 

Dann  8. 37  eine  Reihe  von  Sprichwörtern  und  endlich  noch  die  alte  vom 
Pfaffen  vom  Kahlenberg  erzählte  Anekdote,  wie  die  Belohnung  —  Schläge  -— 
der  wahre  Finder  mit  anderen  Freunden  theilte.  Vgl.  Archiv  XIX,  256  zu 
^jn  Nr.  93,  94.  Nar.  pripovedke  v  Soikih  planinah  H.  3,  8.  29  f. 

In  der  dritten  Abhandlung  des  II,  Bandes  werden  einige  im  Distrikt  des 
Schwarzen  Meeres  meistens  in  Jekaterinodar  von  Mitrofan  Dykariv  ge- 
sammelten Märchen  und  Anekdoten  veröffentlicht  (8. 1—29),  angefügt 
sind  verschiedene  Bemerkungen  und  Parallelen  (8.30—43),  and  ein  Verzeich- 
niss  der  darin  vorkommenden  Motive  (S.  44 — 5l|^  Die  Texte  sind  treu  im 
Dialekte  wiedergegeben  und  durchwegs  accentuirt.  Den  Dialekt  charakteri- 
sirt  am  meisten  der  Uebergang  des  unbetonten  einu:  nxpHBEs^,  HHcrä,  nju- 
cTu,  1.  pl.  praes.  6fKiDi,  bösbmhm;  Hau^vHHO  u.  a.,  doch  findet  man  daneben 
auch  e:  z.  B.  8.  18  chjiö  und  cejuö,  8.  18  nix  BHp6ÖH>  und  na  B6p6iix;  e  scheint 
sich  nur  im  Auslaut  zu  erhalten :  gen.  sg.  u6ue,  c66e,  praes.  3.  sg.  6^X0»  rx^e, 


G.  Poliyka,  Ethnogr.  Pablio.  der  Seyoenko-GeBellBohaft  I— V.      289 

R4xe,  BAözHe,  cn&CHe,  fape  n.  a.,  wo  auch  fttr  anbetonteB  u  ein  e  gesprochen 
wird:  no6ave  S.  12  (aber  öivHiB  S.  15),  npHZÖAe,  npHHÖce  S.  22  n.  a. 

Die  wichtigeren  Märchen  wollen  wir  nun  hervorheben. 

Nr.  1.  Wessen  Gott  ist  Slter,  der  unsere  oder  der  jüdische? 

Nr.  4.  Jesus  und  Mohamed  stritten,  wer  ein  grösseres  Wunder  bewirkt. 
Mohamed  will  Jesum  hintergehen,  lässt  auf  zwei  bis  drei  Stellen  Schläuche 
mit  Wasser  yergraben  und  mit  Steinen  bedecken.  Er  hoffte  so  Wasser  aus 
der  Erde  mit  seinem  eisernen  Stock  heryorspringen  zu  lassen.  Auf  einmal 
jedoch  kam  ein  Schwein  und  wiihlte  diese  Schläuche  aus  der  Erde  heraus. 
Mohamed  fing  das  Schwein  beim  Schweif  und  drehte  den  Schweif  herum, 
er  verflucht  das  Schwein,  Jesus  aber  die  Stelle,  an  der  er  das  Schwein  fest- 
hielt, seitdem  ist  der  Schweif  des  Schweines  so  gedreht.  In  einer  Variante 
wird  dieselbe  Geschichte  von  einem  christlichen  Priester  und  einem  Mullah 
erzählt.  Die  Mohamedaner  essen  daher  kein  Schweinefleisch. 

Nr.  5.  Eain  zornig  auf  Abel,  weil  er  ihn  vor  dem  blinden  Vater  Adam 
Lfigen  strafte,  spiesst  ihn  auf  die  Heugabel  auf;  beide  wurden  daher  am 
Monde  aufgestellt  Im  jÜiionscL  HCTop.-«Edio.s.  o6m.  HOBOpocc.  yhxb.  III,  S.  61 
wird  dasselbe  von  zwei  ungenannten  Brüdern  erzählt 

Nr.  6.  Jesus  und  S.Peter  warten,  bis  Jemand  sie  Über  den  Flnss  hinüber- 
führt Ein  reicher  Fuhrmann  weist  sie  ab,  ein  armer  Fuhrmann,  trotzdem 
sein  Wagen  stark  beladen  ist,  nimmt  sie  auf.  Peter  kommt  zu  einem  schmutzi- 
gen Brunnen  voll  Schlangen  —  so  wird  es  auf  jener  Welt  dem  reichen  Fuhr- 
mann ergehen,  dann  zu  einem  klaren,  reinen,  mit  Blumen  umwachsenen 
Brunnen,  Peter  gefällt  es  hiebei  so,  dass  er  zwei  Minuten,  eigentlich  aber 
100  Jahre  dort  verblieb.  — -  Vgl.  oben  S.  270  zu  rpHOTOHRo  I,  Nr.  210.  In  der 
Legende  aus  Ostgalizten  2Btea  i  Gjobo  1894,  H.  6,  S.  353,  Nr.  24  wird  der  arme 
und  brave  Fuhrmann  bestraft,  wie  in  der  weitverbreiteten  Legende  die  arme 
Wittwe. 

Nr.  7.  Dieselbe  Legende,  wie  auf  die  Bitte  S.  Peter*s  die  Weiber  als 
Herrinnen  eingesetzt  werden,  wie  Archiv  XIX,  S.  265,  Nr.  4 ;  Ao6poBOACRÜi 
I,  S.  291  f.,  Nr.  62.  GyimoBi  CoBpeic.  Mazopyc  aiHorpaftis  S.  98. 

Nr.  8.  Jesus  mit  S.  Peter  und  noch  einem  Apostel  Übernachten  in  einer 
Schänke,  Peter  immer  geprügelt  Vgl.  Dobsinsk^  H.  4,  S.  57,  Slovenskö 
PohPady  1896,  S.  210.  Fr.  Erauss  11,  Nr.  60,  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  47  f. 

Nr.  9.  S.  Peter  erschuf  die  Kosaken  aus  Lehm,  und  die  Soldaten  aus 
Graupenmehl.  Während  Peter  mit  den  Kosaken  sich  beschäftigte,  frass  ein 
Hund  die  Soldaten  auf.  Peter  schlug  den  Hund,  der  seh. . . .  aus  Schrecken 
mehr  Soldaten,  als  er  aufgefressen  etc. 

Nr.  11.  rpHTopiä  no6iAOHoc6KB,  wohl  statt  des  heil. Georg,  wie  in  Nr.  12, 
Herr  über  die  Wölfe.  In  anderen  kleinrnss.  Märchen  wird  der  heil.  Peter  ge- 
nannt. GymtoBrb  GoBpOM.  Majiop.  arHorp.  S.  103. 

Nr.  12.  Ein  Jäger  kommt  mit  seinem  Hunde  in  eine  HOhle,  wo  in  der 
Mitte  von  Bären,  Füchsen  und  meistens  Wölfen  der  heil.  Georg  sass;  dieser 
fordert  den  Jäger  auf,  seinen  Hund  zu  tödten,  denn  er  mordete  ihm  schon  eine 
Unmasse  von  Thieren.  Der  Jäger  schlägt  es  ab,  erst  nachdem  ihm  mit  dem 
Tode  gedroht  wird,  tödtet  er  den  Hund.  Vgl.  Ao6poBaacKi&  I,  S.  137  f.,  Nr.  69. 

▲leklT  fftr  •Ufieolie  Philologi«.    ZU.  19 


290  Kritischer  Anseiger. 

Nr.  13.  Die  Tochter  flieht  vor  ihrem  Vater  (einem  Priester),  der  sie  vu 
Frau  will.  Eb  findet  sie  Ivan,  der  Prinz  von  Bussland,  sie  verschwieg  ihm 
ihren  Namen  und  ihre  Abkunft.  Erst  nachdem  sie  einen  Knaben  geboren,  ge- 
stand sie  alles.  Der  Vater  zur  Taufe  gebeten;  tOdtet  das  Kind,  steckt  das 
blutige  Messer  der  Tochter  in  die  Tasche  u.  s.  f.  Aehnlich  Vouxaovh  III, 
S.  66  f.  Verjagt  in  den  Wald  mit  dem  an  ihre  Brüste  angebundenen  Leich- 
nam ihres  Kindes.  Dort  sieht  sie  einmal,  wie  eine  alte  Schlange  ihr  todtes 
Junge  wieder  lebendig  macht  durch  ein  Gras:  sie  berührt  damit  die  Fesseln 
auf  ihrer  Hand:  die  fallen  ab,  die  Wunden  des  Kindes  heilen,  es  wird 
lebendig.  Vgl.  drHorpa*.  Otop.  XI,  S.  11  f.  Wisia  1894,  S.798.  Kolberg,  Lud 
VIII,S.117.  Dowojna  Sylwestrowicz  1, 383.  Kulda  m,  S.  222.  KresV(1885), 
S.  31.  ByK  Gt.  Kapamih  Nr.  27.  Fr.  S.  Krauss  11,  Nr.  139.  &apkarev,  Göopsm 
IX,  S.  300,  Nr.  162.  —  Ihr  Sohn  wächst  rasch  heran,  wie  der  Biese,  der  viele 
Jahre  mit  der  Muttermilch  genährt  wurde,  tOdtet  fünf  Drachen  und  befreit 
dann  die  ihm  von  S.  Nicolaus  gezeigte  Braut,  die  vom  Teufel  auf  einer  hun- 
dertjährigen Eiche  gefangen  gehalten  wird. 

Nr.  14.  Ein  Soldat  begrüsst  die  Todten  am  Ostersonntage,  trägt  ihnen 
Ostereier.  Einmal  las  er  den  Psalter  über  einer  Leiche,  einem  Zauberer;  be- 
freite sich  von  ihm  dadurch,  dass  er  ihn  mit  dem  Psalter  auf  den  Kopf  schlug. 

Nr.  15.  Der  Zigeuner  und  der  Draohe.  Aehnlich  wie  sonst  mit  dem 
Teufel  oder  Biesen,  aus  einem  Stein  Wasser,  wer  stärker  pfeift  u.  s.  f.  Vgl. 
nioHE'B  Nr.  55,  56,  57,  138.  Pys^eHRo  I,  S.61f.,  63 f.,  68f.  AeaHac&eBBV,S.121. 
Dowojna  Sylwestrowicz  1,467.  TpoK^aEXi  JhkTumcBist  ceasrh  Nr.  50, 51.  Wiad. 
antropol.  kraj.  V,  Abth.  3,  S.  220 ;  XV,  Abth.  3,  3.  22  f. ;  XVI,  S.  6,  Nr.  9. 
Glinski  III,  196  f.  u.  a.  m.  GöopH.  icaTcp.  EasKas.  XIII,  S.  28. 

Nr.  16.  Der  Bauer,  der  von  ihm  von  Hunden  befreite  Wolf  und  der 
Fuchs.  Vgl.  Archiv  XXI,  267  zu  PpüH^eHKo  Nr.  154.  B.  Basset,  Contes  popul. 
herberes  Nr.  3,  S.  7  f.,  134  f. 

Nr.  25.  Die  bekannte  Diebeslist,  zuerst  ein  Schuh  weggeworfen,  dann 
der  andere,  der  Bauer  läuft  um  den  ersten  Schuh  zurück  etc. 

Nr.  26.  Wegen  Geld  kommen  die  Menschen  ins  Verderben.  Die  verbrei- 
tete Geschichte  von  den  beiden  einander  wegen  des  Geldes  vergiftenden 
Strolchen.  Vgl.  GasoBHHROBi  Nr.  89.  Ben6  Basset,  Contes  pop.  berböres 
Nr.  52,  S.  202. 

Bd.  III  (S.  XX  +  236)  und  IV  (S.  VDI  +  254)  enthält  die  von  H.  Volo- 
dymyrHnatjuk  gesammelten  Ethnographischen  Materialien  aus  den  russi- 
schen Districten  Nord-Ungarns,  aus  den  Gomitaten  Marmarosch,  Bereg,  Ung- 
var,  theilweise  auch  Ugocsa  und  Zemplin:  Legenden,  Erzählungen,  Märchen, 
Fabeln  u.  ä.  Es  wird  in  diesen  zwei  Bänden  wie  dem  Sprachforscher  so  dem 
Ethnographen  ein  gleich  werthvoUes  und  überaus  reichhaltiges  Material  vor- 
gelegt, und  zw^r  aus  einer  Gegend,  der  die  Wissenschaft  erst  in  der  neuesten 
Zeit  regere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden  beginnt.  Auf  der  Grundlage  dieses 
Materials  wird  es  uns  erst  ermöglicht,  tiefer  in  die  kleinrussischen  Dialecte 
Nord-Ungarns  einzudringen.  Der  Herausgeber  dieser  Sammlung  unterscheidet 
drei  grössere  Dialectgruppen  nach  der  Aussprache  des  ursprünglichen  o  in 
der  geschlossenen  Silbe  (vgl.  den  Aufsatz  des  H.  iatkovyo  im  ETHorp.  3<UpH. 


G.  Poliyka,  Ethnogr.  Pablic  der  SeYoenko-GesellBoliaft  I— V.       291 

n):  t  an  den  Grenzen  von  Galizien  und  der  Bnkovina,  u  in  den  sttdlioheren» 
an  das  rumänische  und  magyarische  Sprachgebiet  angrenzenden  Gegenden, 
und  ü  zwischen  diesen  beiden  Dialecten  (der  Hg.  bezeichnet  den  Laut  mit  0  •: 
niSn,  obgleich  ü  zn  seiner  streng  phonetischen  Graphik  sich  etwa  besser  eignen 
würde).  Daneben  werden  noch  zwei  andere  Dialeote  erwähnt,  einer,  wo  für  o 
ein  hartes  t  {y)  lautet,  im  Com.  Szepes,  und  ein  anderer,  wo  o  erhalten 
blieb.  Es  wird  auch  noch  ein  »slovakisirter«  kleinrussischer  Dialect  er- 
wähnt, der  im  westlichen  Theile  von  Zemplin,  in  Saros,  AbanJ,  Bihar  ge- 
sprochen wird,  ebenso  in  den  »ruthenischen«  Kolonien  in  der  Bacska  und  in 
Syrmien.  Zur  Entscheidung  dieser  Fragen  bedürfen  wir  reicheres  Material. 
Vgl.  übrigens  die  Bemerkungen  von  Prof.  Pastmek  Listy  Filolog.  XXV,  151, 
N&rodopisny  Sbomik  oslov.  III,  65.  —  Ein  ganz  reiner  Dialect  wird  nach  der 
Bemerkung  des  Hsg.  sehr  selten  gefunden,  meistens  findet  man  gegenseitige 
Dnrchdringong  einzelner  dialectischerEigenthümlichkeiten,  und  daher  treten 
auch  in  den  Erzählungen  derselben  Personen  verschiedene  sprachliche  |Er- 
scheinungen  nebeneinander  auf.  So  finden  wir  nebeneinander  dn  und  d  mit  n 
asslmilirt:  röAHH  und  roHHx  III,  62,  y  Msjlo  und  f  u:khbo  III,  104,  BMAMOxösHe 
IV,  134  neben  yAMO.iöAHe  IV,  135;  ebenso  neben  bn  und  mn :  HznoTpiÖHEu  IV, 
215  und  HsnorpiMEHU  ib.;  co  aceHÖKy  und  ic  cBÖ&oy  xohöj^  III,  85;  kcihhh 
neben  kphct^hh  IV,  168;  S.pLpraes.  zöxBaTB  und  JLhf6jn>&T  IV,  133,  8aMli4yT& 
IV,  134,  sBiAyyr  IV,  135,  sHSBai  ib.,  Käsyr  ib.,  in  der  3.  sg.  praes.  daneben 
bloss  t:  iHTax  IV.  133,  pöAux,  chht  IV,  134  u.  a.  Ohne  auf  andere  nicht  we- 
niger interessante  sprachliche  Eigenthümlichkeiten  näher  einzugehen,  wollen 
wir  nur  noch  auf  den  übergrossen  Einfluss  der  magyarischen  Sprache  hin- 
weisen. Besonders  in  lexicalischer  Hinsicht  ist  er  sehr  gross,  so  dass  diese  Mär- 
ehen erst  durch  das  vom  Hsg.  beigegebene  Verzeichniss  der  ung.-mssischen 
Local-Ausdrücke  (IV,  234 — 251)  dem  des  Magyarischen  unkundigen  Leser 
zugänglich  werden.  Heimische  Bezeichnungen  von  Sachen,  die  im  alltäg- 
lichen Gebrauche  sind,  treten  vor  neueren,  magyarischen  zurück,  alte  slav. 
WOrter  werden  von  den  Magyaren  in  magyarischer  Umschmiedung  zurück- 
genommen: cepöBva,  davon  neugebildet  adj.  cepeE^jibiiu,  gHpHHxa,  nöpoHLV, 
rH]assK6ik6a,  {poL  j^dza,  kaflchub.ytz<i) ;  6apaTÖj^ciBo;  mit  dem  magyar.  Suffix 
CTÖJLGm,  crojLkm,  MHacaponz  u.  a.  Der  magyarische  Einfluss  äussert  sich  in  den 
Märchen  natürlich  in  jeder  Hinsicht  als  das  höhere  Element  sowohl  social  wie 
cultnrell:  die  Gescheidtheit  des  alten  Hundes  kann  nicht  bezeichnender  her- 
vorgehoben werden  als  durch  die  Bemerkung,  dass  er  sogar  magyarisch  er- 
lernte und  so  verstand,  was  seine  Herren  unter  sich  sprachen  (IV,  167).  Die 
Drachen,  welche  Sonne  und  Mond  wegtrugen,  fluchen  wie  vollblütige  Magya- 
ren. —  Ziemlich  stark  äussert  sich  auch  der  deutsche  Einfluss  hauptsächlich 
in  Folge  des  Soldatenlebens.  — 

Ueber  den  Werth  dieser  Märchensammlung  für  die  vergleichende  Mär- 
chenkunde ist  nicht  nothwendig  weitläufig  zu  sprechen.  Besonders  interessant 
ist,  wie  die  alten  ziemlich  stark  erhaltenen  mytholog.  Elemente  in  den  Märchen, 
Legenden  mit  modernen  Vorstellungen  und  Begriffen  vermischt  und  zersetzt 
sind.  Das  in  den  letzten  Jahren  so  erschrecklich  grassirende  Auswanderungs- 
fieber äussert  sich  in  nicht  geringem  Masse;  wo  immer  von  einem  fernen  Lande 

19* 


292  Kritifloher  Anzeiger. 

erzählt  wird,  wird  Amerika  genannt,  als  Beispiel  eines  besonders  heissen 
Landes  wird  Brasilien  angeftthrt.  Eine  grosse  Rolle  spielt  in  dem  Leben  der 
alten  Helden  das  Eafifeehaus  (KaBeuras),  der  Kellner  (RilnHHp)'  belehrt  den 
Helden ;  statt  einer  Prinzessin  wird  ans  der  Gewalt  des  Drachen  eine  kiaa^ 
aonka  befreit  Den  Söhnen  des  Zaren  seqnestrirt  der  Jude  seine  Pferde 
(IV,  65).  Der  Jude  spekulirt  (znnHRyjnyiin)  immerfort,  wie  er  von  dem 
Bussen  leben  kann  (IV,  82)  u.  a.  m.  Neben  allgemein  verbreiteten  alten  Mär- 
chen finden  wir  auch  neue  Erzählungen,  die  uns  zeigen,  wie  hente  noch  neue 
Erzählungen  erfunden  werden,  respective  in  das  Volk  eindringen.  Wir  wollen 
hier  besonders  auf  die  unten  erwähnte  vom  Phonographen  verweisen.  Der 
Hsg.  führte  bei  jeder  Nr.  zahlreiche  bibliographische  Verzeichnisse  slavischer 
und  fremdsprachiger  Varianten  an.  Im  Folgenden  wollen  wir  noch  auf  einige 
andere  vom  Hsg.  nicht  erwähnte  Varianten  hinweisen. 

I.  Legenden.   S.  1 — 24. 

Nr.  1,  S.  1  f.  Von  der  Erschaffung  der  Welt.  Adam  hatte  ursprünglich 
am  ganzen  Körper  eine  Hornhaut,  deren  Reste  sich  dann  nur  an  den  Nägeln 
erhielten.  Vgl.  AoöpobojibcrIh  Cmojc.Gö.  I,  236  sl.  Nr.  16,  19.  Federowski  Lud 
bialoruski  I,  201 .  G6opH.  mhh.  II,  Abth.  3,  S.  162.  ^  Vom  Adamsapfel.  Vgl. 
Federowski  I,  206,  ÄTaHac.  HHKOjHh  Cp6.  nap.  npsnoB.  I,  S.  75.  Göopa.  mhh. 
XI,  Abth.  3,  S.  98.  —  Von  Adams  Kopf  nach  der  Sintfluth,  die  bekannte  apo- 
kryphische  Legende. 

Nr.  2,  S.  3  f.  Der  Kampf  des  Erzengel  Michael  mit  Lucifer. 

Nr.  3,  S.  5  f.  Von  Noe,  wie  er  die  Arche  baut,  der  Teufel  erfindet 
Branntwein,  macht  Noe  trunken.  Vgl.  Archiv  XXI,  288. 

Nr.  4,  S.  7.  Von  Lot  und  seinem  Weibe.  Christus  und  Set.  Peter  suchte 
mit  einer  Laterne  in  der  Hand  wie  Diogenes  in  einer  Stadt  bei  Tag  einen 
Menschen,  bis  sie  Lot  und  sein  Weib  fanden. 

Nr.  5,  S.  7  f.  Von  Sodom  und  Gromorrha. 

Nr.  6,  S.  13  f.  Von  Joseph  in  Egypten. 

Nr.  7,  S.  16  f.  Juden  und  Zigeuner  unter  Moses  und  Pharaon.  Zigeuner 
waren  die  Egypter  und  Pharaon  ihr  König.  Nach  ihrem  Untergang  wurde 
das  Zigeunergeschlecht  aus  der  Verbindung  eines  Zigeunerweibes  mit  dem 
Teufel  geboren. 

Nr.  8,  S.  19  f.  Von  Samson. 

Nr.  9,  S.  21  f.  Von  David,  als  er  den  Psalter  schrieb.  Aehnlich  C6opH. 
MHH.  I,  Abth.  3,  S.  108. 

Nr.  10,  S.  22  f.  Salomon  als  Kind,  Knabe  und  Kaiser.  Die  Königin  von 
Saba  ist  hier  eine  christliche  Königin  in  Amerika  und  fahrt  zu  Salomon  per 
Dampfschiff.  Neben  ihr  herrschte  dorten  der  Teufel  und  zwar  über  die 
Männerwelt,  während  das  weibliche  Geschlecht  der  Königin  von  Saba  unter- 
than  war.  Der  Teufel  wurde  überlistet  und  zu  Salomon  gebracht,  überlistete 
dann  aber  selbst  Salomon  und  vertrieb  ihn. 

Nr.  11,  S.  29  f.  Salomon  von  Kindesjahren  an  bis  zum  Tode.  Hierin 
auch  die  Legende,  wie  Adam  dem  Teufel  die  ganze  Welt  verkaufte,  wie 
Jesus  dann  Adams  Schrift  der  Hölle  entriss  etc. 

Nr.  12,  13,  S.  37  f.   Salomon  und  sein  untreues  Weib.    In  Nr.  13  anstatt 


G.  Poliyka,  Ethnogr.  Pablic.  der  Sevoenko-GesellBchaft  I—V.       293 

Salomon  ist  Josef  »der  Schöne«.  Mit  der  alten  Erzählung  hat  Nr.  13  gemein 
das  alte  Motiv,  wie  anf  die  Trompetenstösse  des  nnter  dem  Galgen  stehenden 
Herrn  das  im  Wald  verborgene  Heer  zu  Hilfe  eilt.  Am  Anfange  der  Erzäh- 
lung finden  wir  das  weitverbreitete  Motiv  von  dem  Bilde  der  Schönen,  in 
welches  sich  der  Prinz  verliebt. 

Nr.  14,  S.47f.  Die  Tenfel  von  Salomon  in  ein  Fass  gefangen  und  dieses 
nnter  dem  Altar  vergraben.  Es  befreit  sie  ein  Teufel,  den  Salomon  ver- 
gessen hatte,  indem  er  dem  Priester  vorspiegelte,  es  wäre  dort  ein  Schatz 
verborgen. 

Nr.  15,  S.  49.  Salomon  schlichtet  den  Streit  zwischen  Bettlern;  das 
Füllen  unter  einem  Wagen  gefunden,  wem  gehört  es.  Ein  sehr  verbreitetes 
Motiv  besonders  in  den  Erzählungen  vom  weisen  Mädchen  oder  weisen 
Knaben. 

Nr.  16, 17,  S.  49  f.  Vom  Propheten  Jonas. 

Nr.  18,  S.  51.  »Von  der  Prophetin  Annas  <!•  ^'  eigentlich  die  Geschichte 
des  hl.  Kreuzes. 

Nr.  19.  »Die  Mutter  Gottes  und  ihre  Dienerin«,  d.  i.  Marie  warst  du  in 
der  Kammer?  Grimm  KHM.  Nr.  3. 

Nr.  20.  Wie  Gott  unter  die  Völker  ihr  Schicksal  vertheilte.  Vgl.  ByK 
Gie«.  KapaoHh  Gpn.  Hap.  npHnoB.  S.  282  f.,  Nr.  5.   (XopH.  mhh.  I,  3,  S.  124. 

Nr.  22, 23,  S.56f.  Christus,  Petr.  und  Paul  dreschen.  Vgl.  Archiv  XIX, 
261,  Nr.  216.  AotfpoBOKBCKiH  Gmojc.  G6.  I,  S.  307. 

Nr.  24,  S.  59  f.  Christus  als  Arzt,  der  Jude  will  nach  seinem  Beispiel 
heilen.  Vgl.  Zs.  österr.  Vk.  ü,  224  »Bruder  Lustig«. 

Nr.  25,  S.  62.  Christus  mit  S.  Peter  bei  der  Ueberfuhr.  Vgl.  oben  S.  289 
Nr.  6. 

Nr.  26,  S.  63.  S.  Peter  in  der  Branntweinstube,  wo  die  Teufel  den 
Branntwein  brannten.  Ein  Teufel  fiel  in  das  Fass,  die  anderen  fingen  an  zu 
schreien,  dass  er  verbrannte  (sropi^),  seitdem  heisst  er  Branntwein  8(r)opiyEa. 

Nr.  27,  S.  64  f.  Christus  schnitt  dem  Pferde  die  Füsse  ab,  die  er  be- 
schlagen sollte,  und  setzte  sie  ihm  wieder  an.  Der  Schmied  wollte  es  ihm 
nachmachen.  Vgl.  C.  Lid  V,  285.  R.  Köhler  Klein.  Schrift.  I,  182. 

Nr.  28,  S.  65  f.  S.  Peter  wollte,  dass  das  Weib  dem  Manne  befehlen 
sollte,  und  erkannte  dann  an  seiner  Person  selbst  die  Vorzüge  der  Weiber- 
herrschaft. Vgl.  oben  S.  289  Nr.  7.  Federowski  Lud  bialoruski  I,  Nr.  20. 
Peter  ist  immer  geprügelt,  ob  er  vor  oder  hinter  Christus  liegt.  Vgl.  Archiv 
XIX,  261  Nr.  276;  265  Nr.  4.  ^o^poBOJicRiK  I,  307.  Dobsinskij  Sloven.  pov. 
IV,  57;  Slovensk^  Pohl'ady  1896,  210.  JleTonHC  BiaTHite  cpncKe  148  (1887), 
S.  141.  SwiQtek  Lud  nadrabski  327.  Mater,  antrop.-archeol.  i  etnograf.  III, 
Abth.  2,  S.  151  f.  Peter  geht  ins  Gasthaus,  obgleich  Christus  ihn  warnt,  und 
wird  dort  geprügelt. 

Nr.  29,  S.  67  f.  Dasselbe  wie  in  Nr.  28 .  Ausserdem  die  von  Goethe  be- 
arbeitete Legende  vom  Hufeisen,  vgl.  Goethe  Jahrbuch  XIX,  307  f.  Weiter 
von  der  Entstehung  der  Pilze  aus  dem  von  Peter  ausgespuckten  Kuchen. 
Vgl.  Wi^  J895,  S.  102  f    Lud  II,  19  f.    Zbiör  wiad.  antrop.  XQI,  Abth.  3, 


294  KrltiBoher  Anseiger. 

S.  76.  b.  Lid  V,  284.  XmtM  Oiapna  II,  1,  S.95.  Polaozek  Wiei  Bndawa  91. 
—  S.  70  f.  Die  bekannte  Legende  yon  Jndas. 

Nr.  30,  S.  73  f.  Christas  yerheirathet  einen  Bnssen,  bei  dem  sie  über 
Naolit  waren,  mit  einem  wunderschönen  MSdchen.  Der  König  wünscht  sie  zn 
besitzen,  legt  dem  Bussen  schwere  Aufgaben  auf;  der  löst  sie  mit  Hilfe  sei- 
nes WeibeSi  das  yon  überirdischer  Abkunft  ist  Vgl.  Archiv  XIX,  261,  Nr.  222; 
S.  265,  Nr.  7.  AeaHac&eBi  Pyc.  Hap.  cr.8  n,  Nr.  122  a— d,  123,  124,  178,  179. 
Dowojna  Sylwestrowicz  1, 70,  n,  372.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  18  f. 

Nr. 31,  S.  76  f.  Christus  ist  mit  S.Peter  zu  Gast  bei  einer  armen  Wittwe, 
segnet  den  yon  ihr  aus  Koth  gekneteten,  mit  Asche  bestreuten  Kuchen,  wo- 
mit der  Hunger  ihrer  drei  Söhne  gestillt  werden  soll.  Vgl.  G6opH.  mkh.  n,  3, 
S.  201 ;  jQEy^a  1896  (H),  S.  84  f.  Den  drei  Knaben  schenkt  Christas  auf  ihren 
Wunsch  eine  Mühle,  ein  Gasthaus  und  eine  Wirthschaft,  nachdem  sie  yer- 
sprechen  hatten,  den  Armen  gegenüber  Barmherzigkeit  zu  üben.  Als  Christus 
nach  einigen  Jahren  sie  aufsuchte,  wurde  er  nur  von  dem  dritten,  dem  Bauern 
bewirthet;  ja  dieser  opfert  ihm  sogar  sein  Kind,  und  mit  dessen  Blut  die 
Wunde  am  Fusse  des  Gastes  heilen  zu  können.  Vgl.  Zs.  österr.  Vk.  1, 188, 
Nr.  9.  nianKapeB'B  G6opH.  nap.  ynoTSop.  IX,  373.  B.  Basset  Nouy.  Contes  ber- 
böresNr.  81. 

Nr.  32,  8.  80.  Dem  Teufel  yerschreibt  sich  ein  Soldat,  wenn  er  ihn  mit 
der  kaiserlichen  Prinzessin  yerheirathet  Vgl.  Sebillot  Cent  pop.  de  la  H. 
Bret  I,  270.  Er  bespuckt  den  Gekreuzigten  und  yemeigt  sich  yor  der 
Schlange.  Vgl.  ib.  II,  284  f. 

Nr.  33,  S.  82  f.  Die  Legende  yon  Placidus-£ustach.  Vgl.  GKopu.  mxe. 
XIV,  Abth.  3,  S.  128  f.  CöopH.  Maiep.  KasRas.  XVIII,  Abth.  3,  S.  166  f.  M. 
Lidzbarski  Gesch.  neuaram.  Hss.  108  f.,  195  f. 

Nr.  34,  35,  36.  Ist  es  besser  in  der  Jugend  oder  im  Alter  Unglück  zu 
leiden,  »Steine  zu  nagen«?  Vgl.  Archiy  XIX,  S.  254,  Nr.  76.  AoöpoBojacRlu  I, 
530  f.  mamcapeB'B  GöopH.  nap.  ynoTBop.  IX,  Nr.  1 02,  S.  300. 

Nr.  37,  S.  104  f.  In  einer  Hütte  wird  das  Glück  den  neugeborenen  Kin- 
dern ertheilt.  Der  Unglückliche  bekommt  dort  den  Bath,  ein  Mädchen  reich 
gewordener,  glücklicher  Leute  zu  heirathen,  doch  darf  er  nie  sagen,  dass  das 
Vermögen  ihm  gehört.  Vgl.  Archiy  V,  74,  Nr.  56.  B.  Köhler  Kleinere  Schrif- 
ten I,  465  f.  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  2  f.  Ck(opE.  mhh.  VHI,  Abth.  3,  S.  176  f. 

Nr.  38,  S.  105  f.  Ein  armer  Seiler  bekam  eine  gewisse  Summe  Geld,  die 
war  ihm  nichts  nütze ;  er  wurde  erst  reich,  als  er  einen  glücklichen  Kreuzer 
bekam.  Vgl.  Archiy  XXI,  280,  Nr.  131.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales 
22  f.  Klimo  Cent  et  16g.  de  Hongrie  232  f. 

Nr.  39,  S.  108  f.  Das  Glück  des  reichen  Bruders  sammelt  auf  dem  Felde 
Aehren  zusammen,  das  Glück  des  armen  Bruders  sitzt  auf  dem  Geldfass  in 
der  BSuberhöhle.  Der  arme  Mann  sucht  es  auf  und  trägt  mit  dessen  Hilfe 
Schätze  aus  der  Bänberhöhle  weg.  Die  Erzählung  yon  Alibaba  und  den  40 
Bäubem  ist  hier  also  modificirt.  Vgl.  Archiy  XVn,  575.  TpeKJiaiurB  JLxnd- 
mcBiR  CK.  327,  Nr.  185.  Sbomik  mus.  sloy.  spol.  1, 168.  Bronisch  E^aschub. 
Dialectstudien  U,  40  f.  nianKapeB'B  G6opH.  aap.  yMoxBop.  IX,  327,  Nr.  185. 

Nr.  43,  44,  S.  114  f.    Der  yon  Gott  yerbannte  Engel  im  Dienste  eines 


6.  PolivkA,  Ethnogr.  Pablie.  der  äeySenko-Gesellschaft  I—V.       295 

GetotliohoiL  Vgl.  Archiv  XXI,  261:  Zur  4.  Studie  des  Prof.  Samcov.  Federow- 
8ki  Lud  biatoniski  S.  140,  Nr.  366;  S.  230,  Nr.  1093.  Wii^a  1895,  S.  118  f. 

Nr.  47,  S.  12  f.  Von  Madej,  d.  i.  dem  reuigen  Räuber.  Vgl.  Archiv  XIX, 
245,  Nr.  21.  Oesky  Lid  V,  55,  Ifateryjaly  antropol.-archeol.  i  etnograf.  n, 
Abth.  n,  S.  98  f,  G6opH.  Maiep.  KaBxaa.  XVI,  Abtk.  1,  S.  201  f.  Kocia  PHCTHh 
H  B.  JEoH^apcKH  GpucRC  Hap.  upimoB.  Nr.  2.  Mijat  Stojanoyiö  Packe  pripo- 
yiedke  37  f.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  Nr.  2. 

n.  Erzählungen  (Novellen).  S.  125—234.  Der  Pfaffe  itn  Dom.  Der  Hirt 
hält  eine  Weide,  dass  sie  nicht  umfUllt.  Der  Richter  und  Notar  halten  sie 
statt  seiner,  wenn  er  ihre  Pferde  beschlägt.  Befreit  eine  Braut,  die  gegen 
ihren  Willen  zur  Hochzeit  geführt  wird.  In  ihre  Kleider  gekleidet,  nimmt  er 
ihre  Stelle  ein.  In  der  Nacht  entwischt  er  aus  dem  Ehebett  und  bindet  einen 
Widder  an  den  Strick  an,  den  der  Bräutigam  hält.  Er  flüchtet  zu  einem 
Müller,  sagt,  dass  ihn  Teufel  verfolgen,  weil  er  schlecht  misst;  der  Müller 
flieht  und  ertrinkt.  Der  Hirt  an  des  Müllers  Stelle,  die  Hochzeitsgäste  kom- 
men hin,  glauben  es  sei  der  Müller.  Er  fUhrt  nun  mit  ihnen  einen  noch  grö- 
beren Scherz  auf. 

Nr.  2,  S.  130  f.  Das  dumme  Weib  wechselt  den  gefundenen  Schatz  gegen 
Töpfe  ein.  Vgl.  G6opH.  msh.  XI,  Abth.  3,  S.  105.  IHanKapeB'B  G6opH.  Hap.yMOTBop. 
IX,  450,  Nr.  261.  R.  Köhler  Kleinere  Schriften  I,  71.  Das  auf  das  Frühjahr 
aufgehobene  Selchfleisch  gab  sie  einem  Manne,  Namens  Frühjahr  (»Yesna«). 
Vgl.  R..  Köhler  Kleinere  Schriften  I,  66,  341.  Frey's  Gartengesellschaft  hsg. 
von  J.  Holte  Nr.  61.  Glasnik  slovenski  1864,  X,  S.  288.  Viclavek  Valassk^ 
poh.  a  pov.  II,  43  f.,  Nr.  6.  GyHi^OBi  PaaucKaBlA  vh  o6jacTH  aHeKXox.  jiHTep. 
147  f.  —  Der  Sohn  geht  in  die  Welt,  noch  dümmere  Leute  zu  suchen ;  kommt 
zu  einer  Jüdin,  und  spiegelt  ihr  vor,  dass  er  aus  der  andern  Welt  komme  und 
ihr  Nachrichten  von  ihrem  seligen  Mann  bringe.  Vgl  GyM^oB■B  op.  c.  51  f. 
Jacob's  English  Fairy  Tales  Nr.  8.  Öesky  Lid  V,  459.  Byn  Gr.  Kapa^inh  Opa. 
Hap.  npMnoB.  Nr.  28.  Kolberg  Lud  VIU,  221.  G6opH.  Maiep.  KaBRas.  XIX, 
Abth.  3,  S.  33  f. 

Nr.  3, 4,  S.  133  f.  Der  dumme  Pfarrer  und  sein  Knecht:  wer  sich  zuerst 
ärgert,  dem  werden  die  Riemen  aus  dem  Rücken  geschunden.  Vgl.  Archiv 
XVI,  318,  Nr.  6.  R.  Köhler  Kleinere  Schriften  1, 149  f.  Materyjaly  antropol.- 
archeol.  i  etnograf.  II,  Abth.  2,  S.  38,  92  f.,  96  f.  H.  6.  GyMi^oBi  Btioali  o  Hy- 
mKHHi  y,  53.  G6opH.  Maiep.  KaBKas.  XII,  123  f.  Zbiör  wiad.  antrop.  IX,  Abth.  3, 
S.  152  f.,  Nr.  32,  33.  Kolberg  Lud  VHI,  189  f.  Kres  IV  (1884),  S,  32  f.  Göopu. 
MHH.  III,  Abth.  3,  S.  242  f. 

Nr.  5,  6,  S.  138  f.  Besonders  nahe  den  klein-  und  weissrussischen  Ver- 
sionen von  Doctor  Alwissend.  Vgl.  meinen  Aufsatz  in  der  Wisla  XI,  62  f. 

Nr.  7,  S.  145  f.  Der  Bauer  brachte  die  traurige  Prinzessin  zum  Lachen. 
Als  Belohnung  erbat  er  sich  300  Schläge :  die  vertheilte  er  theilweise  unter 
die  Dienerschaft  des  Königs,  das  letzte  Drittel  verkaufte  er  einem  Juden. 
Vgl.  Archiv  XXI,  288  zu  EiHorp.  36ipH.  II,  2,  S  .37.  Göopn.  MaT.  KaBKas.  XVIII, 
Abth.  3,  S.  32  f.  Mater  antrop.-archeol.  i  etnograf.  III,  Abth.  2,  S.  152  f.  Mali- 
nowski  Powietoi  ludu  pol.  w  l^l^ku  I,  20  f. 

Nr.  11,  S.  151  f.    Der  Pfarrer  buhlt  bei  einer  Bäuerin,  ein  Zigeuner 


296  Kritischer  Anaeiger. 

Bohleicht  sich  unbemerkt  hinein  nnd  versteckt  sich  unter  das  Bett :  Der  Bauer 
überrascht  sie,  der  Pfarrer  kriecht  unter  das  Bett,  mnss  dem  Zigeuner  nach 
und  nach  alle  seine  Kleider  geben.  Der  Zigeuner  geht  dann  hinaus,  kehrt  als 
Pfarrer  zurück,  bietet  sich  an,  den  Unreinen,  der  sein  Weib  quält,  zu  ver- 
treiben ;  brüht  den  Pfarrer  mit  siedendem  Wasser  ab.  Vgl.  Materyjaly  antro- 
pol.-aroheol.  i  etnograf.  II,  Abth.  2,  S.  50  f.  B.  Köhler  Kleinere  Schriften  I, 
386,  Nr.  2. 

Nr.  12, 13, 14,  S.  155  f.  Der  Mann  fand  einen  Schatz  und  sein  einfältiges 
Weib.  Vgl.  Archiv  XIX,  255,  Nr.  87—90.  G6opH.  scaTop.  KasKas.  XIV,  Abth.  2, 
S.  192  f.;  XV,  S.  187  f.  MateryjiOy  antrop.-archeol.  i  etnograf.  II,  Abth.  2, 
S.  67  f.,  Nr.  37,  GynuoBX  PasLiCRaEl«  bx  o6ji.  aneRAOT.  arorep.  83  f.  B.  Köhler 
Kleinere  Schriften  I,  342.  In  Nr..  12  ging  der  Mann  eigentlich  zum  Herrn  sein 
Geld  zu  stehlen,  wie  bei  Aoöpobojklcküc  I,  355  f.,  Nr.  9. 

Nr.  15, 16,  S.  163  f.  Von  den  drei  Bathschlägen,  der  dritte:  übernachte 
nicht,  wo  ein  junges  Weib  und  ein  alter  Wirth  ist.  Vgl.  Archiv  XIX,  257, 
Nr.  112.  nianKapeB'B  G6opHHK'L  IX,  344  f.,  481  f.  CtfopHERi  Maxep.  KasRas.  XVIII, 
Abth.  3,  S.  91  f.;  XIX,  Abth.  2,  S.  148  f.;  XXI,  Abth.  2,  S.  104  f.,  OcTpoyxoBX 
Gapxu  II,  139  f. 

Nr.  17,  S.  170.  »Thue,  was  du  willst,  aber  bedenke  das  Ende«.  Diesen 
Bathschlag  kauft  der  Kaiser.  Nach  Hause  zurückgekehrt,  bewillkommnete 
er  mit  diesen  Worten  seinen  Baseur,  der  ihn  ermorden  sollte. 

Nr.  1 8,  S.  1 72  f.  Eine  sehr  interessante  Erzählung  vom  Phonograph :  dieser 
absolvirt  den  Gottesdienst  an  Stelle  des  Priesters.  Diese  Maschine  wurde 
dann  dem  Kaiser  gebracht;  ein  Journalist  sagt  einem  Bleche,  dass  alle  grosse 
Gehalte  haben,  nur  er  Elend  leiden  mnss,  und  steckt  dieses  Blech  in  die  Ma- 
schine. In  Anwesenheit  aller  Herrschaften  vor  dem  E^aiser  wurden  diese 
Worte  gehört 

Nr.  24,  S.  182  f.  Ein  Busse  ass  einmal  zwei  Eier,  der  Jude  zählte  ihm 
nach  einigen  Jahren  eine  grosse  Schuld  auf.  Vgl.  Slovensk6  PohPady  1896, 
S.  261.  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  470.  Väclavek  Valasskö  pohidy  1898, 
S.  40  f. 

Nr.  26,  S.  186  f.  Eine  stolze  Prinzessin  wies  den  Bewerber,  einen  könig- 
lichen Prinzen,  ab ;  wurde  dann  von  ihm  grausam  gedemUthigt.  Vgl.  Archiv 
XIX,  243,  Nr.  1. 

Nr.  27,  S.  184  f.  Ein  König  verspricht  seine  Tochter  demjenigen,  der  zu 
Pferde  kommt  und  nicht  zu  Pferde,  angezogen  und  nicht  angezogen,  ein  Ge- 
schenk bringt  und  kein  Geschenk.  Die  Prinzessin  ist  dann  als  verheirathete 
Frau  sehr  träge,  bis  der  Mann  sie  aus  ihrer  Trägheit  heilt,  indem  er  ihr  nicht 
satt  zu  essen  gibt.  Vgl.  Dowojna  Sylwestrowicz  II,  410  f.  u.  a. 

Nr.  28, 29,  S.  191  f.  Der  Kaiser  verirrte  sich  im  Wald,  der  Soldat  kommt 
mit  ihm  zusammen  und  beide  verirren  sich  in  eine  Bäuberhöhle ;  der  Kaiser 
durch  die  List  des  Soldaten  befreit  Vgl.  Archiv  XVII,  582,  Nr.  241,  242. 
AeaHacBOBX  Pyc.  nap.  ck.  '  II,  Nr.  197.  /(oöpoBosBcidH  I,  381  f. 

Nr.  30,  31,  32,  S.  195  f.  »Meisterdieb«. 

Nr.  33,  S.  214  f.   Juden  angeführt:  verkauft  ihnen  ein  Silber  seh  ...  . 


G.  Polivka,  Ethnogr.  Publie.  der  Sevcenko-Gesellschaft  I— V.       297 

Pferd;  ein  Bär  als  Kuhhirt,  ein  Wolf  als  Schäfer,  ein  Stock,  der  alte  Weiber 
verjüngt 

Nr.  35,  S.  226  f.  »Das  Urtheil  des  §emjaka«.  Vgl.  R.  Köhler  Kleinere 
Schriften  1, 578.  MaMsi  GiapEHa  V,  208  f.  Zbiör  wiad.  antropol.  XVJ,  Abth.  2, 
S«81f. 

Nr.  36,  S.229  f.  Die  erste  Hälfte  gleicht  der  vorhergehenden  Erzählong. 
Im  zweiten  Theile  ist  damit  verknüpft  die  weit  verbreitete  Geschichte  von 
Recht  und  Unrecht,  wie  der  Reiche  den  Hanger  des  Armen  stillte,  nachdem 
er  ihm  beide  Aagen  genommen  hatte.  Vgl.  Archiv  XIX,  244,  Nr. 6.  Zs.dsterr. 
Vk.  II,  223,  Nr.  19.  (Mops.  Maiep.  KaBRas.  XIX,  Abth.  2,  S.  104  f.  R.  Köhler 
Kleinere  Schriften  1, 465.  Wisla  XI,  266  f.  KojaHOB-OcdftaHOBHh  GpncKe  nap. 
npanoB.  198  f.,  Nr.  22.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  36  f. 

Bd.  IV.  I.  Märchen.  S.  1-161. 

Nr.  1,  S.  3  f.  »Der  Sohn  des  Barons  in  Amerika«.  Ein  ans  den  verschie- 
densten Motiven  zasammengeschweisstes  Märchen:  ein  Magnetberg;  Riesen- 
Menschenfresser,  ziemlich  an  die  Sage  von  Polyphem  erinnernd ;  ein  riesen- 
grosses  Ei,  von  welchem  sie  nicht  wussten,  ob  es  ein  Hans  oder  ein  Felsen 
ist;  ein  riesengrosser  Vogel,  der  Schatten  wie  Wolken  wirft;  die  Brantleute 
schwören,  dass  wer  von  beiden  am  Leben  bleiben  würde,  sich  mit  dem  ver- 
storbenen Ehegespons  eingraben  lässt.  Der  mit  der  früh  gestorbenen  Frau 
zusammen  vergrabene  Gemahl  entflieht  dann  aus  der  Gruft  und  kehrt  endlich 
aus  Amerika  glücklich  nach  Hause  zurück  zu  seiner  Frau,  welche  er  aus 
Hang  nach  Abenteuern  verlassen  hatte. 

Nr.  2,  S.  12  f.  Eine  Robinsonade. 

Nr.  3,  S.  14  f.  Ein  Verschwender  tritt  in  die  Dienste  des  Teufels,  nach- 
dem er  sein  ganzes  Hab  und  Gut  vergeudet  hatte.  Der  Teufel  nähte  ihn  in 
eine  Pferdehaut  ein,  in  dieser  kam  er  auf  einen  grossen  Berg,  welcher  voll 
von  Diamanten  und  Gold  war.  Diese  soll  er  ihm  in  der  Haut  hinunterwerfen. 
Auf  dem  Berge  kam  er  zu  einem  Gynocephal ;  dieser  hatte  ein  menschliches 
Auge  und  ein  Auge  wie  ein  grosses  Gefäss ;  er  trat  in  seine  Dienste.  Der 
Gynocephal  sagt  seinem  Diener,  wo  er  ein  Weib  finden  konnte;  zu  einem 
Brunnen  fliegen  vier  Vögel  —  verwünschte  Mädchen;  der  einen  soll  er  ihre 
Federn  wegnehmen.  Die  junge  Frau  fand  einst  den  Schlüssel  vom  Kästchen, 
wo  ihr  Federkleid  verborgen  war,  und  entfloh  sammt  ihrem  Kinde.  Der  Mann 
sucht  sie,  und  findet  sie  mit  Hilfe  der  dankbaren  Thiere,  unter  die  er  die 
Beute  vertheilt  hatte.  Vgl.  AeanacBeB'B  Hap.  pyc.  cr.8  I,  244,  Nr.  97.  Dowojna 
Sylwestrowicz  II,  355.  Narod.  pripov.  v  Soskih  plan.  111,41.  IHanRapesi 
G6opHHR'B  IX,  374  u.  a.  —  Er  verwandelt  sich  in  eine  Maus,  einen  Sperling, 
einen  Löwen,  wenn  er  sich  die  Feder,  das  Haar  unter  die  Zunge  legt,  vgl. 
XjjssROVh  BezKKOp.  CK.  1, 16  f.  Weryho  Pod.  tot.  105  f.  AeanacLeBi  Hap.  pyc. 
GR.  3  n,  144  u.  a. 

Nr.  4,  S.  20  f.  24  Brüder  suchen  für  sich  24  Schwestern  zu  freien.  Vgl. 
B.  Köhler  Kleinere  Schriften  I,  467.  Lud  II,  46  f.  Swi^tek  Lud  nadrabski 
337  f.  JoBaH  £.  BoJHHOBHh  Gpn.  Hap.  npHUOB.  46.  AeanacBeBi  Hap.  pyc.  cr.^  I, 
Nr.  60.  G6opH.  Maxep.  KaBxas.  XIII,  Abth.  2,  S.  308  f. ;  XIV,  Abth.  2,  S.  204  f. ; 
XVIU,  Abth«  1,  S.  64  f.   Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  262  f.   Das  aller- 


298  Kritiseher  Ansdger. 

schlechteste  Pferd  soll  der  jttngste  von  den  Brttdern  sich  als  Belohnung  fOr 
die  Dienste  beim  König  auswählen.  Vgl.  AeaHacieBi  ^  I,  302.  PoMaEOBi  in, 
158.  JoBan  E.  BoJHHOBHh  45.  KojanoB  GretaHOBah  146.  Jones  &  Kropf  Magyar 
Folk  Tales  157  u.  a.  m.  Bis  auf  den  jüngsten  gehen  alle  Brttder  sanunt  ihrem 
Vater  auf  Brautschau;  werden  vom  Teufel  nicht  weitergelassep,  weil  sie 
unter  dem  Baum,  dessen  Schatten  sie  genossen  haben,  nicht  einen  Kreuzer 
zurückgelassen  haben;  sie  versprechen  dafUr  dem  Teufel  ihren  jüngsten 
Bruder.  Dem  schenkt  der  Teufel  das  Leben,  wenn  er  ihm  das  schöne  Weib 
eines  stolzen  Teufels  hinter  dem  rothen  Meere  verscha£Et.  £ine  Brücke  über 
das  Meer  aus  dem  Haare  des  Wunder-Pferdes.  Durch  eine  von  den  gewöhn- 
lichen Versionen  abweichende  List  bekommt  der  Held  selbst  die  Schöne  und 
der  Teufel  kommt  ums  Leben. 

Nr.  b,  S.  26  f.  In  einem  grossen  Fass  sind  etliche  immer  kleinere  Fässer, 
in  dem  letzten,  wie  eine  Haselnuss  kleinen  Fässchen  eine  Karte,  und  auf  der 
ist  aufgeschrieben  »Krikus-Krakus«;  wie  der  Name  ausgesprochen  wird,  er- 
scheint ein  Teufel  dieses  Namens  und  ist  dem  Helden  zu  Diensten.  Vgl. 
Swi^tek  Lud  nadrabski  326.  Pröhle  M.  f.  d.  Jugend  98.  Stnmme  Tunis  M.  II, 
48.  Der  Teufel  verschafft  seinem  Herrn  eine  reiche  schöne  Braut  und  löst  die 
von  deren  Vater  auferlegten  Aufgaben,  erbaut  einen  Palast ;  bethört  dann 
den  Helden,  indem  er  ihn  um  jene  Karte  bittet.  Zum  Sohluss  aber  wusste  der 
Held  den  Teufel  zu  überlisten,  bemächtigte  sich  der  Karte  und  ver- 
schluckte sie. 

Nr.  6,  S.  30  f.  Eine  theilweise  neue  Version  des  Märchens  Grimm  68. 
(»Handeif  nn  sien  Meestere).  Vgl.  meinen  Aufsatz  »MarBocHHR'BrL  k  aeroBainrB 
yvoHHK'Bff  im  GöopHaKi  mhh.  XV,  S.  393  f. 

Nr.  7,  S.  33  f.  Jean  de  TOurs  und  seine  Kameraden:  1)  zerschlug  Steine 
und  buk  aus  ihnen  Kuchen,  2)  machte  aus  Wald  und  Gras  Stricke.  Vgl. 
R.  Köhler  Kleinere  Schriften  I,  543.  AotfpoBoiicKiii  I,  410.  Federowski  Lud 
bialoruski  1, 132.  Weryho  Podania  ]:otew.  18.  Dowojna  Syiwestrowicz  1, 6, 
138,  354;  II,  73.  Wirfa  XI,  295,  455.  Kolberg  Lud  VIII,  76.  Cesky  Lid  V,  80; 
VI,  197.  Kres  VI  (1886),  180.  KojaHOB  CrManoBEh  Cpn.  Hap.  npimoB.  60.  Mijat 
Stojanoviö  Pnoke  pripov.  98.  ATaHacHJe  HuROjiHh  Cp((cRe  Hap.  npiraoB.  II,  131. 
Ckk>pHHR-B  Maxep.  KaBKSs.  XIV,  Abth.  2,  S.  128;  XVIII,  Abth.  3,  S.  393;  XXI, 
Abth.  2,  S.  1  f.  OcTpoyMOB'L  CapTu  II,  143  f.  —  Aus  dem  Abgrunde  trägt  den 
Helden  hinauf  ein  Adler,  dessen  Jungen  er  vor  einem  feurigen  Regen  bewahrt 
hat  Vgl.  Archiv  XIX,  253,  Nr.  53.  ;io6po60JucRiH  I,  509.  Federowski  Lud 
bialoruski  1, 134.  Dowojna  Syiwestrowicz  1, 16, 225, 360.  Zbiör  wiad.  antrop. 
EX,  Abth.  3,  S.  99.  Kolberg  Lud  III,  115.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales 
249.  Gaal  M.  Magyar.  101  f.  u.  a. 

Nr.  8,  S.  39  f.  Von  den  drei  nach  Genuas  eines  Fisches  geborenen  Kna- 
ben. Vgl.  Archiv  XIX,  253,  Nr.  53.  Sie  gehen  Sonne,  Mond  und  Stern  suchen, 
welche  drei  Drachen  geraubt  haben.  —  Auf  dem  Rückwege  kehrt  der  Held 
bei  der  Schwiegermutter  und  den  Frauen  der  getödteten  Drachen  ein,  hört, 
wie  sie  ihn  und  seine  Kameraden  bethören  wollen.  Vgl.  Aeaaac&eB^  ^  1, 157, 
165, 168.  Masacypa  136.  PyjpieHKo  II,  74.  Materyjaly  antropol-archeol.  i  et- 
nograf.  II,  Abth.  2,  S.  31.    PoMaaoBi  III,  115, 127.   Ao6poBai&CKiK  I,  408,  425, 


6.  Poliyk«,  Ethnogr.  Public  der  Sevoenko-QeBellsehaft  I— Y.       299 


430.  XjnxKCfVhTL,  45.  JSsauanmjk  172.  Weryho  Pod.iotew.  31.  MeBsikMorav. 
poh.apoy.61.  Zbior  wiad.  antrop.IX,  Abth.  3,  S.  108.  Jones  &  Kropf  Magyar 
Folk  Tales  202.  Dobainskf  V,  47. . —  Der  Zauberin,  der  Schwiegermutter  des 
Drachen,  kommt  Lakcibrada  zu  Hilfe;  der  Held  verspricht  ihm  eine  Prin- 
zessin zu  verschaffen.  Dem  Helden  helfen  hiebe!  der  Fresser,  Säufer,  der 
immer  Frost  Leidende,  der  Läufer  und  der  scharfblickende  Schütze.  Vgl. 
oben  S.  268.  PpinveHKo  I,  Nr.  165.  Lakcibrada  überlistet  ihn  wieder.  Der 
Held  aber  sucht  ihn  auf  und  erfahrt,  wo  dessen  Kraft  verborgen  ist :  beim 
Brunnen  steht  ein  Hirsch,  in  dem  Hirsch  ist  ein  Beh,  im  Reh  ein  Hase,  im 
Hasen  eine  Ente,  in  der  Ente  zwei  Eier:  wenn  beide  zerschlaigen  werden,  ist 
er  todt. 

Nr.  10,  S.  58  f.  In  der  vom  Kaiser  erbauten  Kirche  fehlen  Sonne  und 
Mond.  Sie  sind  bei  der  Hyndiibaba  im  77teii  Land  hinter  dem  rothen 
Meer,  hinter  dem  gläsernen  Berg.  Der  Held  zieht  aus  sie  zu  holen,  und  der 
Kaiser  verspricht  ihm  dafür  die  jüngste  Prinzessin.  Aehnlich  Nr.  8,  überwin- 
det er  drei  Drachen,  Söhne  der  Hyndüibaba  u.  s.  f.  Sie  entfliehen  glücklich,  es 
ereilt  sie  ein  Zwerg,  Namens  Bukomnät,  und  entreisst  ihm  Sonne  und 
Mond;  gibt  sie  ihm,  wenn  er  ihm  eine  Prinzessin,  die  Tochter  des  Kaisers 
Zlatokridlyk,  verschafft.  Dem  Helden  schliessen  sich  an  der  Hunger,  der 
Frost,  der  Scharfblickende  und  der  Läufer. 

Nr.  11,  S.  62  f.  In  einem  fremden  Lande,  Amerika,  vertheilte  eine  Frau 
verschiedene  Wunderdinge:  goldene  Bimensamen,  Tarrenkäppchen,  einen 
unsicJitbar  machenden  Mantel,  einen  Sattel,  der  an  den  gewünschten  Ort  ver* 
setzt,  dinen  Säbel,  der  selbst  in  den  Krieg  zieht  statt  seines  Herrn  u.  a.,  sagte 
allen  bei  ihr  zusammengekommenen  Helden,  dass  sie  alle  Kaiser  werden  und 
bestimmte  ihnen  ihre  Länder.  Einer  von  ihnen  bekam  das  russische  Land 
und  säete  den  Bimensamen  aus,  aus  dem  ein  grosser  goldener  Birnbaum  ent* 
spross.  Als  seine  drei  Söhne  heranwuchsen,  gingen  sie  nacheinander  um  eine 
Schöne,  die  beiden  älteren  bleiben  im  Wirthshaus,  nur  der  jüngste  erreicht 
sein  Ziel  mit  Hilfe  eines  Biesen,  den  er  loskaufte  von  seinen  Gläubigern. 

Nr.  12,  S.  70  f.  Der  alte  kranke  König  schickt  seine  drei  Söhne  um  Heil- 
mittel (heilkräftiges  Wasser)  aus.  Vgl.  Zs.  österr.  Vk.  II,  220,  Nr.  6;  III,  220. 
G6opH.  Maxep.  KaBRas.  XVIII,  Abth.  3,  3.  44.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk 
Tales  288  f. 

Nr.  13,  S.  75  f.  Ein  König  Ucht  mit  dem  einen  Auge,  weint  mit  dem 
andern.  Seine  drei  Söhne  Vyoyrja,  Püünoonyk,  Zorja  frugen  ihn  nach  dessen 
Ursache.  Kremnitz  Bumän.  M.  238.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  60  f. 
—  Die  Söhne  ausgeschickt  um  ein  heilkräftiges  Wasser.  —  Gleiche  Namen 
führen  die  Prinzen  bei  AeaHacioB'B  ^  l,  173.  AxaHac.  HmcojiEh  II,  112. 

Nr.  14,  S.  81  f.  »Zaubermühle,  Goldwidder,  Knüppel«.  Vgl.  Slovensk6 
Pohrady  1896,  322  f.  Mater,  antrop.-archeol.  i  etnograf.  II,  Abth.  2,  S.  79  f. 
Ao6poBO^icKiH  I,  597,  601.  Zbiör  wiadom.  antrop.  IX,  Abth.  3,  S.  84  f.  C6opH. 
au  Hap.  yMOTBop.  IX,  Abth.  3,  S.  158 ;  XI,  Abth.  3,  S.  126.  Octpotmobi  Gapru 
II,  29.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  161  f, 

Nr.  15,  S.  88  f.  »Tischlein  deck  dich,  Goldziege,  Knüppel«  bekam  der 
Arme  vom  Winde,  der  ihm  seinen  ausgesäeten  Hafer  vernichtete.  Vgl.  PyA- 


300  Kritischer  Anzeiger. 

?6HRo  n,  Nr.  31.  /(o6poBOjncRiä  I,  585.  PoMaHOFL  III,  277,  Nr.  52,  53.  Federow- 
ski  Lud  biaioras.  I,  96,  161.  Zbiör  wiad.  antrop.  XYI,  Abth.  2,  S.  77.  Ungar. 
Revue  VIII,  332.  Slavia  hida  I,  sv.  4,  S.  14.  Eres  IV  (1884),  451.  Var.  h.  Ver- 
naleken  Oest.  EHM.  235  f.  u.  a. 

Nr.  16,  S.92  f.  Goldwidder,  Tiscblein  deck  dich,  Enttppel,  bekommt  der 
Mann  von  Gk>tt,  weil  er  sein  Weib  schlug. 

Nr.  17,  S.  96  f.  Ein  Schütze  erschoss  mit  einer  geweihten  Engel  einen 
Drachen,  und  wurde  dafür  mit  der  Gabe  belohnt,  die  Sprache  der  Thiere  und 
Bäume  zu  verstehen.  Sein  Weib  will  wissen,  warum  er  lachte.  Vgl.  B.  Basset 
Nouv.  contes  berböres  Nr.  108.  AoÖpoboilckIu  I,  354.  AeaHacLeirB  '  U,  Nr.  139. 
Polaczek  Wie6  Budawa  102.  Eres  V,  28.  manKapeB'B  GöopHBRi  IX,  Nr.  168, 
182.  nsBicTljt  o6m.  apzeoji.  hct.  arsorp.  KaaaH.  XIY,  251.  Mijat  Stojanoviö 
Puoke  pripov.  239.   dxHorpa».  Odosp.  1897,  H.  4,  S.  125  f. 

Nr.  18,  S.  99  f.  Aehnlich  wie  Nr.  17,  nur  dass  der  Mann  diese  Gabe  von 
dem  Vater  der  Schlange  erhielt,  die  er  aus  dem  Feuer  rettete.  Vgl.  G6opH. 
MHH.  XIII,  Abth.  3,  S.  212  u.  a. 

Nr.  19,  S.  101  f.  Das  treulose  Weib  verwandelt  ihren  Mann  in  einen 
Hund.  Vgl.  Archiv  f.  slav.  Phil.  XIX,  250,  Nr.  22.  ATanac.  HEEO.i[Hh  11,  102  f. 
G6opH.  Haxep.  EasRas.  XII,  78  f. 

Nr.  20,  S.  106  f.  Der  Held  entflieht  aus  den  Diensten  des  Teufels  mit 
dessen  Pferd,  nachdem  er  das  Pferd  und  sich  mit  dem  goldenen  Wasser  be- 
gossen hat  Auf  der  Flucht  zuerst  der  Striegel  geworfen  —  daraus  ein  stei» 
nemer  und  domiger  Berg,  dann  die  Pferdedecke  —  daraus  ein  Meer.  Der 
Held  tritt  ganz  verkleidet  in  die  Dienste  eines  EOnigs  und  antwortet  auf  alles 
bloss  nemtüdom,  also  magyarisch,  darnach  wird  er  auch  Nemtddom  genannt, 
ähnlich  bei  AeaHacieB'L  ^  II,  Nr.  165  a,b  heisst  er  HesHaKKo.  Die  Prinzessin 
weist  seinetwegen  kaiserliche  Bewerber  ab.  Vgl.  Federowski  Lud  biaioruski 
I,  113  f.  AxaH.  HEROKHh  II,  133.  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  105;  II,  22  u.  a. 
B.  Eöhler  Eleinere  Schriften  I,  330,  419.  —  Der  Held  hilft  dann  seinem 
Schwiegervater  gegen  den  Feind :  er  haut  in  einen  Apfel,  und  es  fällt  aus 
dem  heraus  das  Heer  des  Teufels. 

Nr.  21,  S.  112.  Von  den  sieben  Baben.  Vgl.  Archiv  XVII,  575,  Nr.  95. 
Eulda  III,  98  f.  Slavia  fada  I,  H.  3,  S.  15.  VÄdavek  Valasskö  poh.  a  pov.  II, 
45  f.  Bronisch  Easchub.  Dialectstudien  n,  44  f.  Urquell  N. F.  1, 313.  Dowojna 
Sylwestrowicz  II,  345.  Tpeu.iaHA'B  172.  Eres  IV  (1884),  S.  352  f.  Hiemit  ver- 
bunden das  Märchen  von  Sneewittchen :  Vgl.  Archiv  XVII,  573,  Nr.  52.  Mater, 
antrop.-archeol.  i  etnograf.  EL,  Abth.  2,  S.  70,  105.  G6ophhk'b  MaTep.  KaBsas. 
XV,  112.  manKapeB'B  G6opHHK'B  nap.  yMoxBop.  IX,  Nr.  231.  H.  GyMixoB'L  9te»xbi 
0  üyniRiiH^  V,  59.  Jones  &  Eropf  Magyar  Folk  Tales  163.  Dowojna  Syl- 
westrowicz I,  64,  175, 199;  11,247,309.  —  Verbunden  ist  auch  noch  das  Motiv 
vom  Mädchen  ohne  Hände. 

Nr.  22,  S.  1 17  f.  Ein  Prinz  nahm  dasjenige  Mädchen  von  drei  Schwestern 
zur  Frau,  die  versprach,  zwei  silberhaarige  Einder,  einen  Enaben  und  ein 
Mädchen,  zu  gebären.  Vgl.  Archiv  XIX,  251,  Nr.  25.  Es  verfolgen  sie  hier 
aber  nicht  etwa  die  neidischen  Schwestern,  sondern  die  Hebamme. 

Nr.  23,  S.  122  f.    Ein  Prinz  veriiebt  sich  in  das  Bild  der  Schdnen.   Vgl. 


G.  Polivka,  Ethnogr.  Public,  der  äevcenko-GeBellBchaft  I— V.       301 

EiHorpa*.  36ip]iine  III,  43,  Nr.  13.  Weryho  Pod.  lot.  170.  0.  Enoop,  Y.S. 
Hlnterpommem  204.  ^tqb  V  (1885),  199.  Jleromic  mst.  cpncRe  Bd.  145,  S.  106. 
Hitsotakifl  Griech.  M.  113  f.  OcTpoyicoB'L  GapTu  ü,  35,  83.  lüaiiKapeFB  G6op- 
HHiTB  IX,  392  n.  a.  —  Der  Prinz  geht  sie  Buchen,  sein  Diener  bethtfrt  die  Leute, 
die  sich  um  die  Wunschdinge  streiten  (Elleid,  Knüppel,  Buch  und  Stiefel), 
nimmt  sie  ihnen  ab.  Mit  ihnen  Idst  der  Diener  die  Aufgaben,  die  die  3chöne. 
die  Geliebte  des  Teufels,  ihm  auferlegt.  Eb  sind  hier  verschiedene  Beminis- 
cenzen  aus  anderen  Märchen,  besonders  von  der  Prinzessin,  die  jede  Nacht 
zwOlf  Paar  Schuhe  zerreisst. 

Nr.  24,  S.  125  f.  Sehr  ähnlich  der  Geschichte  vom  weisen  Akir.  Vgl. 
Zbiör  wiad.  antrop.  XVI,  Abth.  2,  S.  67.  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  452. 
Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  118  f.,  239  f.  Klimo  Gontes  et  legendes  de 
la  Hongrie  187  f. 

Nr.  25,  S.  129  f.  Vom  Pathenkind  des  Kaisers.  Der  Diener  zwingt  den 
Jfingling,  ihn  als  das  Pathenkind  des  Kaisers  anzuerkennen,  sich  selbst  als 
dessen  Diener  auszugeben.  Vgl.  Arohiv  XIX,  S.  250,  Nr.  24.  Mater,  antrop. 
archeol.  II,  Abth.  2,  S.  27  f.  AoöpoBOSLcidu  I,  473.  IIIanKapeFL  G6opEHm 
IX,  401  f.  CkiopH.  MHH.  III,  Abth.  3,  S.  222  f.  KojaHOB  Oce«aH0BEh  Nn  7.  Kres 
V  (1885),  87  f. 

Nr.  26,  S.  132  f.  »Der  reiche  Marko  und  die  Reise  zur  Sonne«.  Vgl. 
Archiv XVII,  573,  Nr.  59.  JloöpoBOjncRiH  I,  293..  Dowojna  Sylwestrowicz  I,  53, 
128,  348;  11, 108.  Weryho  Pod.  iot  35.  Cöops.  Maiep.  Kasicas.  XIII,  Abth.  2, 
S.297;  XIV,  Abth. 2,  S.178;  XIX,  Abth. 2,  S.65.  Hsb^ctIa  o6m.  apzeas.-KCTop.- 
3THorp.  EasaH.  XIII,  H.2.  C6opH.  mhh.VI,  Abth.  3,  S.  110;  VII,  Abth.  3,  S.154f., 
175.  JoBaH.  E.  BoJHHOBHh  Gpn.  nap.  npEuoB.  S.  102  f.  Dozon  Gont.  albanais  97. 
Andrews Contes  ligures  248 f.  Jacobs  English  Fairy  Tales  190 f., Nr. 35 u.a.m. 

Nr.  27,  S.  137  f.  Ganz  gleich  dem  ukrajinischen  Märchen  in  Mater, 
antrop.-archeol.  11,  Abth.  2,  S.  116  f.  Der  ans  dem  Hause  seines  angehenden 
Schwiegervaters  vertriebene  Jüngling  bekommt  von  einem  »Greise«  im  Walde 
die  Gabe,  dass  jeglicher  Wunsch  ihm  erfüllt  wird,  und  so  bleibt  einer  am  an- 
dern fest  hängen.  Vgl.  Archiv  XIX,  255,  Nr.  79.  Federowski  1, 186  f.,  Nr.  687. 
Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  14  f.  JoBas  E.  BoJHHOBEh  109  f. 

Nr.  28,  S.  140  f.  Der  Teufel  dient  dem  Armen,  dem  er  sein  Brod  aufge- 
gessen hat,  Vgl.  Archiv  XXI,  275.  Nr.  68,  69.  Zs.  Ost.  Vk.  II,  223,  Nr.  17. 

Nr.  29,  S.  143  f.  Der  Arme  kauft  einen  Menschen,  eigentlich  einen  Teu- 
fel, vom  Galgen  los.  Der  Teufel  dient  nun  bei  ihm,  trägt  zu  ihm  von  seinem 
reichen  Bruder  Geld,  Getreide  etc.  Das  alte  Weib  auf  der  Wache,  der  Teufel 
steckt  ihr  einen  Kuchen  in  den  Mund.  Das  Weib  erstickt.  Der  Teufel  trägt 
den  Leichnam  zurück  in  den  Keller,  den  Schweinestall  des  Reichen.  Vgl. 
Archiv  XIX,  S.  256,  Nr.  102;  S.  267,  Nr.  29. 

Nr.  31,  S.  147.  Der  Donner  verfolgt  den  Teufel,  ein  Jäger  erschiesst  ihn, 
wird  dafür  mit  alles  treflfendem  Schiessmaterial  beschenkt.  Vgl.  Xet9  i  Gkobo 
1894,  II,  S.  180;  1895,  III,  S.  218,  372.  AoÖpoBOXECKiH  I,  226  f.,  Nr.  2,  3,  5. 

Nr.  32,  S.  148.  Vom  Ursprung  des  Hagels.  Vgl.  Zbiör  wiad.  antrop. 
XVI,  S.  8,  Nr.  11.  Slavia  fada  I,  H.1,  S.25.  BufkovirWanklovi  Z  Jecminkovy 
Hie  277. 


302  Kritischer  Aoseiger. 

Nr.  33,  S.  148  f.  Ein  Reicher  versprach  dem  Teufel  seine  Haut,  weil  er 
ihm  Geld  zutrug.  Wenn  die  Teufel  seinen  Leichnam  ausgraben  und  so  schüt- 
teln werden,  dass  alle  Gebeine  herausfallen  und  nur  die  Haut  zurückbleibt, 
diese  dann  hinter  sich  werfen,  soll  der  arme  Gevatter  des  Reichen  verborgen 
diese  Haut  fangen  und  nicht  den  Teufeln  zurückgeben.  Die  Teufel  tragen 
ihm  Geld  bis  zum  Hahnenschrei.  Vgl.  Archiv  XXI,  265,  Nr.  79.  Zs.  Ost.  Vk. 
111,93. 

Nr.  34,  S.  149.  £in  Priester  eingeladen  zum  Hexenmahle.  Als  er  nach 
seiner  Grewohnheit  segnete,  verschwand  alles  und  er  befand  sich  auf  einem 
Baume  in  einer  fernen,  unbekannten  Gegend.  Vgl.  Blad6  Cont  pop.  de  la 
Gascogne  II,  240. 

Nr.  35,  S.  151.  >Lenorea.  Vgl.  Sbornik  slov.  mns.  spol.  1, 174.  Öesk^ 
Lid  VI,  198.  Jones  &  Kropf  Magyar  Folk  Tales  278. 

Nr.  36,  S.  153.  Der  dumme  Zigeuner  hackt  den  Ast  ab,  auf  dem  er  sitzt. 
Vgl.  Cyunovb  PasucR.  fl  oÖxacTE  aneKAOT.  jiHrep.  111  f.  Slovenskö  Pohl'ady 
1895,  328.  A.G.Nar.  pripov.  v  Soskih  plan,  n,  45.  R.  Basset  Cont.  pop.  ber- 
böres  Nr.  48.  R.  Köhler  Kleinere  Schriften  I,  51, 135.  —  Glaubt  gestorben  zu 
sein.  Vgl.  Zs.  Ost  Vk.  1, 188.  GyM^oB'L  op.  c.  106.  äwi^tek  Lud  nadiabski 
446.  KOhler  op.  c  I,  486  f.  —  Angeknüpft  hieran  endlich  eine  sehr  verderbte 
Version  des  Märchens  vom  tapferen  Schneiderlein.  Vgl.  Archiv  XXI,  266, 
Nr.  167.  Mater.  antrop.-archeol.  II,  Abth.  2,  S.  39  f.  G6opH.  Marep.  KaBxas.  XXI, 
Abth.  2,  S.  190 ;  XXII,  Abth.  3,  S.  47  f.  F.  H.  Groome  Gypsy  Folk  Tales  80  £, 
Nr.  21.  Köhler  Kleinere  Schriften  I,  563  f.  Gjunovb  op.  c  175  f. 

(Fortsetzung  folgt)  O.  PöUvka. 


MiipocjiaBOBo  JesaH^ejie.  j^vang^liaire  ancien  Serbe  da  prince  Mi- 
roslav. Edition  de  Sa  Majestö  Alexandre  I.,  roi  de  Serbie  (ßroBs- 
folioband,  X  n.  229  Seiten,  phototypiscli  nnd  typograph.  gedruckt 

in  Wien  1897). 

Die  prächtige  Handschrift  des  serbischen  Evangelioms  des  Fürsten  Mi- 
roslav (f  1197) ,  vor  kurzem  von  den  München  des  Klosters  Ghllandar  in 
Athos  dem  serbischen  König  Alezander  znm  Qeschenk  gemacht  nnd  auf 
dessen  Befehl  in  photographischer  Beproduction  mit  Farben  herausgegeben, 
stellt  ein  schätzbares  Denkmal  des  Schriftthnms,  der  Sprache  und  der  alten 
Omamentation  dar,  in  der  Form  eines  luxuriösen  Widmungsezemplars  ruft 
sie  die  bekannten  karlovingischen  Codices  in  Erinnerung.  Die  treue  Bepro- 
duction eines  solchen  Denkmals  bildet  eine  kostbare  Bereicherung  der  Ar- 
chäologie, die  schon  bei  der  ersten  Bekanntmachung  einiger  Omamentations- 
muster  aus  diesem  Evangelium  in  dem  monumentalen  Werke  Stasov's  »L'ome- 
ment.  slave  et  oriental«  (Tafel  XIY  u.  XV)  ihre  Aufmerksamkeit  auf  dieses 
Denkmal  gelenkt  hatte.  Diese  Aufmerksamkeit  war  nicht  ganz  frei  von 
einiger  Verwunderung,  hervorgerufen  durch  die  schönen,  aber  unverhältniss- 
mässig  grossen  Initialen,  die  auch  der  Schreiber  dieser  Zeilen  seinerseits  offen 


Prof.  Kondakoff  über  die  Omamentation  des  Miroslav.  Evang.      303 

gesteht  getheilt  zu  haben,  ja  es  wurde  selbst  Ifisstraneii  gegen  die  Zeichner 
der  Zeichnungen  (ans  der  Expedition  P.  J.  Sevastianov's)  wach.  Doppelte 
Bedeutung  bekam  diese  Omamentation,  seitdem  sie  von  dem  unvergesslichen 
Kenner  der  altrussisohen  Kunst,  dem  verstorbenen  Prof.  Th.  J.  Buslajev,  kri- 
tisch beurtheilt  wurde.  Diese  Handschrift  lieferte  ihm  nämlich  Stoff  zur  all- 
gemeinen Charakteristik  des  serbischen  Ornamentes  als  eines  solchen,  das 
»in  der  äusseren  Pracht  alle  übrigen  slavischen  Ornamente  überrage,  aber  in 
der  Originalität  und  innerer  Beschaffenheit  weit  hinter  dem  bulgarischen 
zurückbleibe«;  das  serbische  Ornament  war  nach  dem  Ausspruch  Buslajev's 
»eine  späte  Erscheinung«,  ein  Ornament,  »das  schon  im  XII.  Jahrh. eine  uner- 
wartete Beimischung  des  westlichen  Elementes  in  ziemlich  fühlbaren  Pro- 
portionen zeigte«,  das  »dem  historischen  Boden  (d.  h.  der  oontinuirlichen 
Ueberlieferung)  entrückt,  früh  dem  verführerischen  Zug  des  Westens  unter- 
lag«, das  »Neigung  zur  Ersetzung  des  Stilistischen  durch  das  Malerische, 
zur  Verwandlung  des  Ornamentes  in  die  Miniatur  und  überhaupt  zur  Docu- 
mentirung  des  feinen  Geschmacks  im  Detail  verrieth«,  das  »mit  einem  Wort 
schon  im  XTT.  Jahrh.  einen  entschiedenen  Schritt  zu  jenem  Benaissance- 
stil  machte,  den  wir  in  unserem  Sdiriftthum  des  XV.  und  Anfang  des  XVI. 
Jahrh.  finden«. 

Wir  haben  diese  ganze  Charakteristik  des  altserbischen  Ornamentes 
nach  dem  Wortlaute  der  Hauptstellen  aus  der  Kritik  des  durch  weiten  Um- 
£uig  seiner  geschichtliche«  Verallgemeinerungen  berühmten  und  die  Bolle 
der  Ueberlieferung  im  geistigen  Leben  der  Völker  hoch  anschlagenden  For- 
schers absichtlich  mitgetheilt  Denn  obgleich  als  Grundbedingung  des  ge- 
schichtlichen Lebens  der  Verkehr  der  VOlker  unter  einander  und  die  An- 
eignung von  allerlei  Einflüssen  gelten  muss,  so  erschien  doch  bezüglich  des 
im  Schosse  der  griechischen  Cultur  sich  entwickelnden  Slaventhums  die 
Entlehnung  der  westlichen,  d.h.  der  lateinischen  Formen  nach  dem  geschicht- 
lichen Gesichtspunkte  immer  als  eine  Art  Abtrttnnigkeit  von  dem  heimischen 
Kreis.  Im  gegebenen  Falle  wohnte  der  nationalen  Ueberlieferung  mehr  Geist 
und  Charakter  inne,  dagegen  die  vom  Westen  kommende  äussere  Pracht  ent- 
behrte das  Charakteristische,  oder  jenen  tiefen,  mystischen  Sinn,  der  in  der 
mittelalterlichen  Kunst  mit  dem  »Thierstil«  verknüpft  wurde.  Im  Vergleich 
zui  äusseren  Pracht  des  serbischen  Ornamentes  unterscheide  sieh  das  bulga- 
rische durch  Bohheit,  technische  Ungeschicklichkeit,  Verunstaltung  des  natu- 
ralistischen byzantinischen  Stils,  es  erhebe  sich  bis  zur  widernatürlichen 
Wunderlichkeit  in  seinen  Formen,  allein  es  sei  inhaltsvoll,  reich  an  Origina- 
lität, enthalte  eine  unendliche  Beihe  kühner  Versuche,  etwas  Neues  zu  schaffen ; 
selbst  dort,  wo  das  Teratologische  der  Formen  des  Thierstils  alle  Grenzen 
des  Künstierischen  überschreitet,  sei  »die  kühne  und  energische  Hand  eines 
verwegenen  Waghalses  sichtbar,  der  gewöhnt  war,  die  dassischen  Bauten 
der  antiken  Welt  niederzureissen,  ihre  Trümmer  aber  und  den  bunten  Schutt- 
haufen für  seine  anspruchslosen  Bedür&isse  mit  leichter  Hand  dienstbar  zu 
machen«.  In  den  bulgarischen  Handschriften  »wehe  der  Geist  der  Zerstörung 
alter  Formen,  aber  zugleich  des  Aufbaues  aus  ihren  Fragmenten  neuer 
Formen«. 


304  Kritischer  Anzeiger. 

Diese  Verallgemeinerangen  werden  durch  die  Omamentation  des  Mi- 
roslay 'sehen  Eyangeliams  begründet:  »die  ganze  Tafel  XIV  des  Stasov*- 
schen  Atlas«,  sagt  Bnslajev,  »stellt  in  der  Omamentation  etwas  ganz  eigen- 
thtimliches,  nichtdagewesenes,  ja  ich  sage  es  geradezu  —  etwas  für  die  slavi- 
sehen,  mit  der  cyrillischen  Schrift  geschriebenen  Handschriften  nicht  nur  des 
XII.,  sondern  auch  der  späteren  Jahrhunderte  ganz  unmögliches  dar.  Der 
Ornamentator  als  Maler  hält  die  Thiere  oder  Vögel  nach  Arten  auseinander, 
gibt  ihnen  entsprechende  Bewegung  oder  ruhende  Stellung,  ebenso  wie  den 
menschlichen  Figuren ;  er  ist  geschiciLt  in  der  Ausarbeitung  des  Details  seiner 
Miniaturen  und  besitzt  das  Gefühl  für  das  Colorit  in  der  harmonischen  Farben- 
einigung und  in  der  malerischen  Anwendung  derselben  gemäss  der  Natur  der 
gezeichneten  Gegenstände,  ganz  so  wie  im  Westen  die  Meister  des  XII.  und 
XIII.  Jahrh.  oder  wie  vor  ihnen  die  Vorläufer  der  ersten  Jahrhunderte  des 
Christenthums  im  Westen  und  im  Osten,  da  die  classischen  Traditionen  noch 
nicht  verloren  gegangen  waren«. 

In  dieser  Weise  rief  das  Miroslav'sche  Evangelium  vom  ersten  Anfang 
seiner  Bekanntmachung  an  in  der  Wissenschaft  Zweifel  und  Bedenken  her- 
vor, es  stellte  sich  wie  eine  Art  Räthsel  dar:  man  constatirte  die  byzanti- 
nische Grundlage  seiner  Omamentation,  aber  man  gestand  auch  einen  unbe- 
kannten, undefinirten  westlichen  Einfluss  zu  und,  entsprechend  einer  gewissen 
Metaphysik,  sah  man  sich  genöthlgt,  die  Omamentation  des  Evangeliums 
für  etwas  »unmögliches«  zu  erklären.  Es  entsteht  die  Frage,  ob  alle  diese 
Bedenken  noch  heute  dem  Stand  unseres  Wissens  entsprechen ;  können  sie 
gelöst  oder  beseitigt  werden,  oder  kommt  es  ihnen  zu,  auch  weiterhin  einen 
Knoten  und  Knäuel  zu  bilden  —  eine  Frage  in  der  zunehmenden  Geschichte 
des  Ornamentes? 

Beim  ersten  Blick  auf  das  Miroslav'sche  Evangelium  fesselt  unsere  Auf- 
merksamkeit die  Grösse  der  Initialbuchstaben  dieses  Evangeliums,  von  14 
bis  18  cm.  Höhe,  denen  Parallelen  nur  in  den  karlovingischen  Handschriften 
und  unter  den  slavischen  in  den  glagolitischen  des  Adriatischen  Küstenlandes 
zur  Seite  stehen  (Stasov  Tafel  107).  Diese  Proportion  rührt  vor  allem  von 
der  Ungeschicklichkeit  der  Kalligraphen  her,  welche  die  frühen  slavischen 
und  lateinischen  Handschriften  schrieben,  die  ein  zu  complicirtes  byzanti- 
nisches oder  antikes  Original  zur  Ausführang  übernahmen  und  nothgedrungen 
es  vergrösserten  (was  man  besonders  deutlich  an  dem  Ostromirschen  Evan- 
gelium sieht,  vergl.  Stasov  Tafel  50).  Doch  in  unserem  Falle  hing  die  Di- 
mension der  Initialen  von  der  Ausstreckung  derselben  ab,  die  sehr  bezeich- 
nend ist  und  stark  an  die  langgestreckten  glagolitischen  Buchstaben  erinnert : 
in  der  That,  die  Buchstaben  (namentlich  P  B)  sind  so  langgestreckt,  dass 
man  sie  nicht  gleich  auf  den  ersten  Blick  erkennt.  Und  doch  stehen  diese 
Initialen  niemals  im  Bahmen  des  Textes,  sondern  diesem  zur  Seite,  in  den 
Zwischenräumen  der  Columnen,  wodurch  noch  mehr  die  Länge  der  Buch- 
staben hervorgerufen  und  der  byzantinische  Typus  der  Ulustrationen  auf- 
rechterhalten wird.  Dieser  Typus  besteht  vor  allem  in  den  byzantinischen 
Themen:  der  Buchstabe  bewahrt  so  oder  anders  seine  Grundzeichnung  und 
nur  seine  Züge  werden  durch  die  Ornamentik  illustrirt.    Nicht  so  geschieht 


Prof.  Eondakoff  über  die  Omamentation  des  Miroslav.  Evang.      305 

es  in  den  westlichen  Handschriften,  wo  die  Initiale  ein  ganzes  Gemälde  dar- 
stellt und  als  eine  Art  Vignette  erscheint.  Hier  ist  die  Vignette  getrennt  von 
dem  Buchstaben ,  stellt  eine  Arkade  mit  Brustbildzeichnungen  der  Evange- 
listen in  den  Arken  dar.  Fast  jeder  Buchstabe  ist  mit  einer  Art  Säule  ver- 
sehen in  der  Form  einer  kleinen  Golonne,  eines  geringelten  Drahtes,  eines 
Balkens,  der  aufrecht  steht  und  mit  Fournierbrettohen  geschmückt  ist,  zu- 
weilen mit  einem  Vogel  an  der  Spitze  (altruss.  Stengel  mit  dem  Hahn),  und  mit 
einem  Ungeheuer  in  der  Basis;  wenn  das  Ganze  ein  Baum  ist,  so  wird  er 
durch  das  Laub  belebt  (ausschliesslich  Acanthus,  und  zwar  in  seinem  Garten- 
typus: Acanthus  mollis):  um  ihn  herum  oder  auf  ihm  picken  die  Vögel  die 
Frucht,  verschlingen  sie  sammt  den  Blättern  (nicht  aus  dem  Schnabel  fallen 
lassen,  wie  man  gewöhnlich  deutet)  und  verwickeln  sich  in  den  Zweigen ; 
oder  auf  den  Baum  springt  ein  Baubthier,  unter  demselben  springt  ein  Löwe 
hervor,  auf  ihn  windet  sich  ein  Drache,  u.  s.  w.  Zuweilen  verbirgt  der  Baum 
in  seinen  Zweigen  einen  hinauf  kriechenden  Jüngling,  einen  Jäger  auf  Eber 
mit  dem  Speer  in  der  Hand.  Alle  diese  zoomorphischen  und  Pflanzenmotive 
sind  unbedingt  und  ohne  Ausnahme  den  byzantinischen  Originalen  entlehnt, 
ebenso  wie  alle  phantastischen  Formen:  die  Drachen,  Basiliske,  Greife,  alle 
Geflechte  mit  Schlangen-  und  Vogelköpfen,  alle  Arten  von  Raubthieren,  und 
alle  Compositionen,  wie  der  Jagd,  der  Verfolgung  der  Thiere,  der  an  der 
Lilie  pickenden  Vogelpaare  u.  ä. 

Dabei  ist  jedoch  zu  bemerken,  dass  der  ganze  Stil  dieser  Compositionen 
von  den  byzant.  Gharakterzügen  des  Xn.  Jahrh.  schon  abweicht:  hier  sind 
die  Dimensionen  grösser,  fehlt  das  Gold,  fehlen  die  himmelblaue  und  Rosa- 
farbe, die  blaue  und  dunkellila,  dagegen  die  ziegelrothe,  hellgrüne  und 
dunkelgrüne  sind  vorhanden,  es  fehlt  das  Schraffiren  mit  Gold,  der  byzanti- 
nische Faltentypus  u.s.  w.  —  mit  einem  Wort,  die  byzantinische  Composition 
ist  da,  aber  es  fehlt  der  damit  verbundene  byzantinische  Stil,  die  byzanti- 
nische Manier.  Weiter  bemerken  wir  hier  in  vielen  Ausmalungen  der  Buch- 
staben und  Figuren  und  besonders  in  der  Zeichnung  der  Eingangs  Vignette 
mit  den  Arkaden  gewissermassen  Ueberreste  des  alten  orientalisch-byzanti- 
nischen Stils,  bekannt  aus  den  koptischen  Handschriften  des  VIII. — X.  Jahrb.; 
dann  die  Art  der  Darstellung  der  Vögel,  des  Körpers  der  Baubthiere  nur  in 
Gontouren,  grünen  oder  bläulichen,  rothen  u.  s.  w.  ist  so  gehalten,  wie  wir  sie 
in  einigen  Originalhandschriften,  z.  B.  einem  Evangelium  saec.  X  der  Sinai- 
bibliothek Nr.  213  und  in  den  Belehrungen  des  Theodor  Studites  vom  J.  1086 
derselben  Bibliothek  fanden  (vergl.  meine  HyremeciBle  nä  GHHau  1882,  S.  126 — 
127,  Tafel  81—83,  85  des  Albums).  Hier  wie  dort  sind  die  Farben  einfach, 
ohne  Modellirung,  Auf  höhungen  und  Lichter;  »die  blaue  dient  als  Fond  für 
Ginnober,  der  Ocker  ersetzt  das  Gold,  die  hellgrüne  und  selten  die  hellbraune 
kommen  in  dem  Detail  der  Darstellung  der  Thiere  vor«.  »  Die  Initialen  grosser 
Proportionen  enthalten  die  Üblichen  Pflanzenformen  der  byzantinischen  Initia- 
len des  X.  Jahrh.  und  auch  die  allerwunderlichsten  Züge  des  romanischen 
Thierstils«.  Solche  Reste  der  alten  Manier,  erhalten  in  der  volksthümlichen 
Eunstindustrie,  kennen  wir  auch  im  Bereiche  der  Miniatur,  vorzüglich  auf 

ArcliiT  fOr  slftTisebe  PhUologie.  XXI.  20 


306  Eritiecher  Anzeiger. 

der  Balkanhalbinsel,  und  in  den  glasirten  GefSssen,  der  Arbeit  der  ganzen 
östlichen  Küste  des  Mittelländischen  Meeres. 

Doch  auf  diesem  allgemein  byzantinischen,  strengen  und  Charakteristik 
schen^  aber  genug  einförmigen  Grund  schflttete  der  Ornamentist  gleichsam 
die  Blüthen  seiner  eigenen  Kunst  aus,  die  Frucht  seiner  eigenen  Phantasie 
und  Erfindung  und  seiner  liebevollen  Hingabe  zur  Arbeit.  Dazu  gehören  aus- 
schliesslich die  grossen  Initialen,  geschmückt  mit  bunten  Farben,  ausgefüllt 
innerhalb  der  Contouren,  grün,  roth  und  hellgelb,  mit  Farben  oder  auch  mit 
Gold.  Diese  fünfzig  bis  sechzig  Initialen  <)  hatten  auch  den  künstlerischen 
Geschmack  Buslajev^s  in  Entzückung  versetzt,  sie  waren  es,  die  die  Frage 
von  ihrem  westlichen  Ursprung  in  Anregung  brachten.  Wir  wollen  auch  hier 
wieder  die  Composition  dieser  Initialen  von  der  Manier  der  Ausführung  tren- 
nen. In  der  That,  schon  das  Thema  der  Zeichnung  eines  Königs  (fol.  85, 161, 
letztes  auf  das  Titelblatt  herUbergenommen,  nur  mit  Auslassung  des  F&chers), 
der  im  Ornat  auf  dem  hohen  Throne  sitzt,  erinnert  an  die  lateinischen  Hand- 
schriften; auf  fol.  161  ein  Diener  vor  dem  König  mit  dem  Fächer  —  ist  ein 
der  byzant.  Miniatur  unbekanntes  Sujet,  wo  der  Kaiser  von  der  Leibgarde 
umgeben  wird.  Ferner  die  Darstellung  des  Christus  aufdem  Throne  ist 
ebenfalls  ein  lateinisches  Thema,  während  das  byzantinische  den  predigenden 
Heiland  vorzieht,  wie  es  auch  nach  dem  Evangelium  sein  soll.  Die  Evange- 
listenmitdemBuch,  oder  im  Medaillon,  das  auf  einer  Säule  ruht,  sind  den 
griech.  Handschriften  unbekannt,  und  während  dort  die  Darstellung  eines  auf 
dem  Lesepult  schreibenden  Evangelisten  üblich  ist,  so  wäre  die  Figur  eines 
auf  den  Schaft  eines  Buchstaben  hinaufgekrochenen  (fol.  97)  oder  auf  dem 
Acanthus  sitzenden  Evangelisten  unmöglich.  Das  letzte  muss  wahrscheinlich 
dem  eigenen  Einfall  des  Ornamentisten  zugeschrieben  werden.  Auf  fol.  165 
findet  man  die  Darstellung  des  in  Gedanken  vertieften  (mit  der  Hand  unter 
dem  Kinn),  gleichsam  die  Worte  »in  der  That,  das  ist  der  Sohn  Gottes«  aus- 
sprechenden Centurio:  in  zahllosen  byzantinischen  Compositionen  oder 
Uebertragungen  des  Crucifixes  wird  der  Centurio  immer  dargestellt,  wie  er  ent- 
weder den  Leib  Christi  durchsticht  oder,  vom  Schrecken  erfasst,  vor  seiner 
bösen  That  zurückschaudert.  Wober  die  hier  gegebene  Darstellung,  die  zur 
grösseren  Deutlichkeit  mit  der  Ueberschrift  versehen  ist,  herrührt,  das  wissen 
wir  nicht,  aber  griechisch  ist  sie  nicht;  an  und  für  sich  ist  die  Figur  lebhaft, 
ausdrucksvoll.  Ein  Diakonus  mit  Evangelienbuch  und  Bauchgefäss  —  das 
ist  ein  Thema  der  westlichen  Kunst  (fol.  83  u.  a.).  Auch  viele  Details  weisen 
auf  die  westliche  Kunst  des  XII.  Jahrb.  hin,  z.  B.  die  Darstellung  des  auf  dem 
Löwen  ruhenden  Pultes  (fol.  121),  die  Füsse  in  der  Gestalt  von  Löwen  u.s.w., 
wobei  der  Löwe  als  ein  lebendes  Thier  dargestellt  wird,  die  häufigen  Dar- 
stellungen der  Greife,  Löwen  u.s.w. haben  den  Zweck,  ein  Marmorpostament, 


1)  Ich  erlaube  mir  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  Prof.  Bnslajev 
bei  weitem  nicht  so  viel  Material  vor  Augen  hatte,  als  er  seine  Charakteristik 
des  serb. Ornamentes  schrieb:  das  Ghinze  beschränkte  sich  auf  den  bei  Stasov 
gebotenen  Stoff.  Um  so  glänzender  bewährte  sich  das  feine  Kunstgefühl 
Buslajev's.  V.  J. 


Prof.  Kondakoff  über  die  Omamentation  des  MiroBlav.  Evang.       307 

zn  ersetzen.  Endlich  sei  auf  die  bei  der  Figur  des  Johannes  des  Vorläufers 
angebrachte,  fremdartig  klingende  Inschrift  ^BaHiEaTlcTa  (d.  i.  Giovanni 
Battista)  fol.  71  hingewiesen. 

Zu  den  Typen  und  dem  Stil  übergehend,  finden  wir  abermals,  dass  die 
Figuren  nicht  den  byzantinisch-griechischen  Typus  zeigen,  die  Gesichter  sind 
rund,  die  Haare  bei  allen  gekräuselt  (ein  nationaler  Zug  des  Künstlers?),  die 
Genrefignren  stellen  ausschliesslich  Kinder  oder  Knaben  dar  (ein  altchrist^ 
lieber,  in  den  karlovingischen  Handschriften  und  ihren  Imitationen  erhaltener 
Typus),  bei  der  Zusammenstellung  der  tölpelhaften  Typen  kommt  die  rohe 
Bildhauerarbeit  in  Stein  und  überhaupt  die  Sculptur  des  barbarischen  Mittel- 
alters zum  Vorschein,  mit  einem  Wort,  nach  dem  Stil  schloss  sich  der 
Omamentist  in  den  letzteren  Themen  eher  der  westlichen  Kunst  des  XL — 
XII.  Jahrb.,  als  der  byzantinischen  an. 

Bei  genauerer  Betrachtung  der  einzelnen  Initialen  und  ihrer  gegenseiti- 
gen Vergleichung  nehmen  wir  in  der  Handschrift* eine  deutliche,  stufen- 
weise mit  dem  Fortschreiten  der  Illustrationen  zunehmende  Vervollkomm- 
nung wahr:  die  am  Anfang  stehenden  Initialen  sind  gröber,  einfacher,  näher 
an  die  Reliefs  erinnernd,  die  nachfolgenden  gestalten  sich  immer  lebhafter 
und  erfinderischer,  die  Figuren  werden  immer  kühner,  die  Bewegung  immer 
dramatischer.  Vergleichen  wir  z.  B.  die  schüchterne  Stellung  der  Figuren  um 
den  Buchstaben  zu  Anfang  mit  den  launenhaften  Sujeten  angefangen  von 
fol.  111:  auf  zwei  VOgeln  (Greifen)  sitzt  ein  Zauberer  (Alexander?)  mit  der 
spitzigen  Mütze  (fol.  4 11),  zwei  junge  Figuren  leeren  dasFUllhom  aus  (fol.  129), 
der  jugendliche  Georg  tödtet  den  Drachen  (fol.  149),  auf  fol.  161, 172, 177  und 
207  sieht  man  interessante  Verbindungen  (Kopf  des  Löwen,  des  Drachen  auf 
dem  Körper  eines  Vogels),  auf  fol.  189  die  Jagd  auf  den  Eber,  auf  fol.  207  ein 
Adler  ragt  mit  dem  Kopf  durch  den  Buchstaben  heraus,  auf  fol.  219  ein  merk- 
würdiger Hirsch,  auffol.dll  eine  charakteristische  Stellung  des  Evangelisten, 
auf  foL  257  ein  Jüngling  mit  dem  Schild  vor  der  Stadtwehr  stehend,  u.  s.  w. 

Die  ganze  grosse  Launenhaftigkeit,  die  sich  in  diesen  Initialen  ofifenbart, 
muss  ganz  auf  die  Rechnung  der  persönlichen  Initiative  des  Meisters  selbst 
gesetzt  werden.  In  der  kargen  Sphäre  einiger  weniger  roher  Formen  sich  be- 
wegend, die  er  sich  angeeignet,  erlangte  er  durch  eigene  Kunst  das  Ziel  wirk- 
licher Schönheit:  einige  Gebilde  und  Geflechte  können  wirklich  künstlerisch 
genannt  werden  (z.  B.  auf  fol.  70) ;  verglichen  damit  erscheinen  die  pomphaften, 
^ber  einförmigen,  trockenen  und  sinnlosen  Imitationen  der  westlichen  Vor- 
bilder in  dem  Vysegrader  Codex  als  eine  arme,  handwerksmässige  Arbeit. 
Und  darin  steckt,  nach  meinem  Dafürhalten,  das  ganze  Räthsel  des  Miroslav*- 
schen  Codex:  dort,  wo  es  ein  Leben  der  Kunst  gibt,  bleibt  die  Kritik  immer 
mit  einiger  Ueberraschung,  wie  vor  einer  plötzlichen  Offenbarung  stehen ;  im 
Gegensatz  zar  handwerksmässigen  Arbeit,  bei  welcher  alles  in  ihre  Bestand- 
theile  zerlegt  werden  kann,  stellt  ein  Kunstproduct  nur  die  Ausgangspunkte 
klar  dar,  aber  das  »Ganze«  bleibt,  ungeachtet  aller  Analysen,  ein  Räthsel. 

Im  gegebenen  Falle  kann  von  einer  Abtrünnigkeit  von  irgend  einer 
Ueberlieferung  nicht  die  Rede  sein :  der  Künstler  bezog  seine  Elemente,  wo- 
her er  es  wollte,  obgleich  er  unter  dem  Einfluss  der  Kunst  seiner  Zeit  stand 

20* 


308  Kritischer  Anzeiger. 

and  in  derselben  Manier  arbeitete,  wie  seine  Zeitgenossen  (grobe  Zeichnnng 
der  Figuren),  und  obschon  diese  für  ihn  von  untergeordneter  Bedeutung  war. 
Gegenwärtig,  bei  dem  kläglichen  Zustande  der  sUdslavischen  Archäologie,  ist 
es  entschieden  unm(5glich,  das  westliche  Original,  das  dem  Künstler  vor- 
schwebte, genauer  zu  bestimmen :  war  das  die  Kunst  des  südlichen  Deutsch- 
lands oder  (wahrscheinlicher)  des  nördlichen  Italiens  und  des  dalmatinischen 
Küstenlandes?  Es  wird  vielleicht  besser  sein  zu  sagen,  dass  hier  die  Kunst 
von  ganz  SUdeuropa,  von  der  Mündung  der  Donau,  über  Norditalien  bis  Süd- 
frankreich, die  einst  romanisch  benannt  wurde,  den  Grund  bildete.  Der 
romanische  Stil  war  auf  allen  Punkten  seiner  Entwickelung  eine  traditionelle 
Kunst,  die  fortwährend  die  Ueberlieferungen  verarbeitete :  die  Ostliche,  by- 
zantinische, altchristliche  (antike)  und  die  nationalen  Kunsttypen.  In  die- 
sem Sinne  nahmen  auch  die  Slaven,  d.  h.  die  Bulgaren,  Serben  und  Bussen, 
an  der  Bildung  und  Entwickelung  dieser  mittelalterlichen  europäi- 
schen Kunst  ebenso  ihren  Antheil,  wie  Nord-  und  Süddeutschland,  Italien, 
Frankreich,  England  und  Schweden.  Doch  über  diese  allgemeine  Frage  ist 
nicht  hier  der  Ort  zu  reden,  wo  es  sich  nur  um  ein  einziges,  wenn  auch  hervor- 
ragendes Denkmal  handelt. 

Jalta,  September  1898.  Nicod.  P.  K<mdakoff. 


Zusatz.  Ich  Hess  bei  der  prächtigen  Publication  des  MiroslaVschen 
Evangeliums  das  Hauptwort,'  wie  es  sich  auch  gebührt,  dem  Kunsthisto- 
riker, wobei  ich  nur  besorgen  muss,  vielleicht  nicht  in  allen  Einzelausdrücken 
die  Gedanken  meines  Freundes  präcis  genug  wiedergegeben  zu  haben  (seine 
Besprechung  des  Werkes  war  russisch  abgefasst).  Gross  ist  auch  der  Gewinn, 
den  die  noch  immer  arg  darniederliegende  südslavische  Paläographie  aus 
diesem  Werke  schöpfen  wird,  lieber  die  graphische  (orthographische),  gram- 
matische (morphologische)  und  lexicalische  Seite  des  Denkmals  handelt  er- 
schöpfend Prof.  Lj.  Stojanovid  im  Anhang  zu  der  Ausgabe.  Vielleicht  wäre 
es  besser  gewesen,  seine  diesem  Denkmal  gewidmete  philologische  Studie 
abgesondert  herauszugeben,  da  sie,  wie  es  mir  scheint,  zu  dem  monumentalen 
Charakter  der  Ausgabe  nicht  recht  stimmen  will.  Doch  ergreife  ich  gern  die 
Gelegenheit,  um  das  grosse  Verdienst,  das  bezüglich  des  Zustandekommens 
dieser  Publication  Prof.  Stojanovid  gebührt,  öffentlich  auszusprechen.  Er 
war  es,  der  alle  vorbereitenden  Schritte  einleitete,  damit  der  Codex  dem 
König  von  Serbien  gelegentlich  seines  Besuchs  der  serbischen  Fundationen 
am  Athos  von  den  Mönchen  des  Klosters  Chilandar  zum  Geschenk  gemacht 
wurde  —  er  hatte  ja  ihn  schon  früher  in  Athos  gesehen  und  studirt  — ;  er 
brachte  mir  im  J.  1896  die  erste  Nachricht  davon  nach  Abbazia  und  besprach 
sich  mit  mir,  was  nun  zu  thun  wäre;  er  erwirkte  die  Bewilligung  einer  be- 
trächtlichen Summe  aus  der  königl.  Civilliste  zur  Bestreitung  der  Kosten  der 
Publication ;  er  brachte  den  Codex  nach  Wien  und  beaufsichtigte  hier  den 
Druck,  nachdem  wir  die  Verhandlungen  mit  den  Anstalten  u.  s.  w.  gemein- 
sam vereinbart  hatten.  Die  äussere  Form,  ich  muss  es  offen  heraussagen,  ist 
nicht  ganz  nach  meinem  Plan  durchgeführt.  Nachdem  es  sich  nämlich  heraus- 
gestellt hatte,  dass  der  ganze  Codex  nicht  im  vollen  Umfang  polychromisch 


Prof.  Kondakoff  Über  die  Ornamentation  des  Miroslav.  Evang.       309 

reproducirt  werden  konnte  —  das  hätte  die  präliminirte  Summe  wesentlich 
tiberschritten  — ,  standen  zwei  Wege  offen :  aj  in  Farben  nur  eine  Auswahl  von 
Blättern  zu  geben  —  darüber  waren  wir  beide  einig  und  die  Auswahl  dieser 
Blätter  (40  Seiten)  ist  unsere  gemeinsame  Arbeit ;  b)  das  übrige  in  voller 
Grösse,  aber  nur  in  schwarzer  Farbe,  oder  aber  unter  Reductlon  der  Original- 
grosse,  so  dass  je  zwei  Seiten  des  Originals  auf  eine  der  Ausgabe  unterzu- 
bringen wären,  dafür  aber  neben  dem  photographischen  Grundtone  noch  mit 
derReproduction  der  rothen  Farbe  herauszugeben.  In  diesem  zweiten  Punkte 
gingen  unsere  Ansichten  auseinander:  ich  war  für  die  Beproduction  des 
ganzen  übrigen  Textes  in  der  Originalgrösse,  aber  nur  in  Schwarz,  Prof.  Sto> 
janovi<5  entschied  sich  während  seines  Aufenthaltes  zu  Weihnachten  1896  in 
Belgrad  für  die  letztere,  wirklich  zu  Stande  gekommene  Art  Bedenkt  man, 
dass  wegen  der  Beproduction  der  rothen  Farbe  (Ginnoberroth)  für  jede  Seite 
der  Ausgabe  ohnehin  zwei  Aufnahmen  auf  zwei  Steinen  nothwendig  waren, 
so  würden  sich  die  Kosten  der  Ausgabe  nach  meinem  Plan  fast  nur  um  die 
grössere  Auslage  für  das  Papier  vermehrt  haben,  also  ein  im  ganzen  sehr  ge- 
ringer Aufwand  im  Verhältniss  zu  dem  Gewinn,  der  zu  erzielen  war,  wenn 
der  ganze  Codex  in  seiner  natürlichen  Grösse  reproducirt  worden  wäre,  und 
der  Leser  desselben  nicht  nöthig  hätte,  wie  es  jetzt  der  Fall  ist,  das  grosse 
und  schwere  Buch  fortwährend  herumzudrehen,  wobei  auch  die  Reihenfolge 
der  Seiten  nicht  immer  gewahrt  werden  konnte.  Freilich  würde  dann  auf  den 
jetzt  verkleinerten  und  querliegenden  Seiten  das  Ginnoberroth  fehlen.  Ich 
muBS  aber  den  Kunsthistorikern  überlassen,  über  die  Frage  zu  entscheiden, 
ob  damit,  dass  man  bei  den  vielfarbigen  omamentirten  Initialen  neben  dem 
photographischen  Gmndtone  dennoch  nur  das  Roth  zur  Anwendung  brachte 
—  das  wirkliche  Bild  mehr  gewonnen  hat,  als  wenn  man  überhaupt  auf  die 
Beproduction  der  Farben,  mit  Einschluss  der  rothen,  Verzicht  geleistet  hätte. 
Selbstverständlich  erzähle  ich  das  nicht,  um  die  Bedeutung  der  Ausgabe,  so 
wie  sie  jetzt  aussieht,  irgendwie  zu  schmälern :  sie  bleibt  ja  unzweifelhaft  das 
Schönste,  was  bisher  in  diesem  Genre  die  slavischen  Literaturen  aufweisen 
können.  Ich  wollte  nur  meinen  sehr  geringen,  mehr  moralischen  als  materiellen 
Antheil  an  dieser  Ausgabe  ins  richtige  Licht  stellen,  wozu  ich  Grund  habe, 
weil  ja  kleinliche  Menschen  auf  Grund  irgend  einer  unrichtigen  Zeitungsnotiz 
keinen  Anstand  nahmen,  mich  indirect  in  Verdacht  zu  bringen,  als  würde  ich 
mir  —  im  gegebenen  Falle  oder  sonst  je  —  fremde  Verdienste  aneignen  wollen. 
Daraus  erklärt  sich  dann  auch  die  —  Liebenswürdigkeit,  dass  man  mich,  als 
Dank  für  meine  Betheiligung  an  dieser  Ausgabe,  zu  der  ich  auch  die  Ueber- 
sendung  der  beiden  in  der  kais.  öffentl.  Bibliothek  zu  St.  Petersburg  befind- 
lichen Blätter  nach  Wien  besorgte,  in  die  Zahl  derjenigen  einrechnete,  die 
mit  einem  Exemplar  nicht  bedacht  wurden.  Ich  quittire  hiermit  dieses  be- 
zeichnende Verfahren.  V.  Jagte. 


Kleine   Mittheilungen. 


Nekrologe. 

Die  in  unserer  ZeitBchrift  gepflegten  Disoiplinen,  die  slaviBche  Philo- 
logie und  ihre  HilfswisseuBchaften,  haben  im  Laufe  der  letzten  zwei  Jahre 
grosse,  bittere  Verluste  erlitten.  Männer  von  bestem  Klang  in  der  slavischen 
Philologie  sanken  einer  nach  dem  anderen  ins  Grab,  ohne  gleich  in  den  jtlnge- 
ren  Kräften  ausreichenden  Ersatz  hinterlassen  zu  haben.  Ich  nenne  zuerst 
den  Veteranen  der  russischen  Literatur-  und  Kunstgeschichte,  den  slayischen 
Jacob  Grimm,  wie  er  mit  Fug  und  Kecht  heissen  kann,  den  gewesenen  Mos- 
kauer Professor  und  russischen  Akademiker,  den  am  12.  Aug.  n.  St.  1897  im 
81.  Lebensjahre  verstorbenen 

FEDOR  IVANOVIÖ  BÜSLAJEV. 

Er  war  am  25.  April  n.  St.  1818  geboren,  absolvirte  in  seinem  20.  Jahre 
die  Moskauer  Universitätsstudien  und  kam  bald  darauf  in  das  Haus  des 
Grafen  Stroganov  als  Erzieher.  Zu  seinem  grössten  Vortheile  war  damit  eine 
Reise  ins  Ausland  und  langer  Aufenthalt  in  Italien  verbunden,  den  der  junge 
Buslajev  aufs  gewissenhafteste  zum  Studium  der  Kunst  und  Kunstgeschichte 
in  allen  ihren  Richtungen  benützte.  Nach  Hanse  zurückgekehrt  und  zunächst 
an  einem  Gymnasium,  nachher  an  der  Universität  als  Professor  der  russischen 
Sprache  und  Literatur  angestellt,  war  er  bis  an  sein  Lebensende  bestrebt,  die 
Vertiefung  in  die  russische  Sprache  (er  schrieb  eine  historische  Grammatik) 
und  Literatur  (viele  Abhandlungen  über  den  inneren,  zumal  mythologischen, 
Kern  der  russischen  Volksdichtung)  mit  der  russischen  Kunstgeschichte  im 
Zusammenhang  zu  betreiben  (daher  sein  letztes  grosses  Werk  über  die 
Hlustrationen  der  Apocalypse).  In  der  That,  durch  alle  seine  Werke  zieht 
sich  wie  ein  rother  Faden  seine  Vorliebe  und  sein  seltener  Spürsinn  für  die 
Aufhellung  der  Beziehungen  zwischen  Literatur  und  Kunst.  Buslajev  war 
eine  sehr  feine,  ungemein  zarte  und  empfindsame  Natur:  ein  edler  und  nobler 
Charakter,  bis  in  die  letzten  Jahre  seines  Lebens  begeistert  für  seine  Wissen- 
schaft. Seine  Werke  waren  ausserhalb  Russlands  viel  zu  wenig  bekannt,  aber 
auch  in  Moskau  hOrte  sein  geistiger  Verkehr  mit  der  Jugend  viel  zu  früh,  zum 
Schaden  der  letzteren,  auf  (schon  1881  gab  er  auf,  Vorlesungen  abzuhalten) . 
Als  ich  ihn  das  letzte  Mal  während  meines  kurzen  Aufenthaltes  in  Moskau 
besuchte  —  seine  Sehkraft  war  schon  sehr  geschwächt  — ,  hielt  er  mir  länger 
als  eine  Stunde  einen  begeisterten,  tiefsinnigen  Vortrag  über  einige  illustrirte 
Handschriften  seiner  bedeutenden  CoUection,  die  jetzt  in  der  kais.  (5£fentl. 
Bibliothek  zu  St  Petersburg  aufbewahrt  wird:  ich  schied  von  ihm  mit  dem 


Kleine  HittheilimgeD.  311 

aafrichtigen  Bedaaem,  dass  eine  solche  Perle  der  Wissenschaft  so  wenig 
Gelegenheit  hatte,  anf  die  jüngere  Generation  anregend  zu  wirken.  Einen 
trefflichen  Nachmf  mit  gelungener  Charakteristik  des  grossen  Gelehrten  lie- 
ferte Prof.  H.  N.  Speranskg  in  Nr.  125  der  HaMXTHUKu  ApesHeu  nHCLMeaHociH : 
»naiuTH  e.  Z.  EyGiaesa«.  GIIörL  1898.  80.  24. 

Schon  einige  Monate  früher,  am  15.  März  1897,  starb  zn  Agram  der  ge- 
wesene GymnasialprofesBor  nnd  Mitglied  der  südslav.  Akademie 

MATUA  VAUAVEC. 

Am  17.  Febr.  1831  in  einem  kleinen  Orte  Krains  geboren>  besuchte  er 
das  Gymnasinm  zn  Laibach,  die  Universität  in  Wien,  wo  er  zn  den  aufmerk- 
samsten Schülern  Miklosich's  zählte.  Er  fand  schon  gegen  Ende  der  fünfziger 
Jahre  Anstellung  als  Gymnasiallehrer  in  Warasdin,  wo  ich  in  den  Ferien- 
monaten, während  ich  im  väterlichen  Hause  lebte,  mit  dem  biederen  Manne, 
der  sich  schon  damals  durch  das  Interesse  für  das  Volksthnm  der  Gegend 
auszeichnete,  öfters  zusammenkam.  Die  im  J.  1858  erschienene  Ausgabe  der 
Volkserzählungen  aus  der  Warasdiner  Gegend  machte  seinen  Namen  in  der 
slavischen  Folkloristik  bekannt.  Er  gehörte  nach  der  Sprache  seiner  Publi- 
cationen  der  slovenischen  (durch  Dichtungen  und  Erzählungen)  und  der  serbo- 
kroatischen (durch  wissenschaftliche  Arbeiten)  Literatur  an.  Tüchtig  ge- 
schult, mit  gesunden  kritischen  Grundsätzen  ausgestattet,  lieferte  er  nach 
und  nach  eine  grosse  Anzahl  wichtiger  Beiträge  zur  altkirchenslav.  Literatur 
(in  den  Agramer  »Starine«)  und  zur  Erweiterung  unserer  geschichtlichen  oder 
dialectologischen  Kenntnisse  innerhalb  des  Serbokroatischen  und  Sloveni- 
schen. Seine  Untersuchungen  über  die  Betonung  im  Eajkavischen  und  Slo- 
venischen, mit  denen  er  sein  Leben  beschloss,  leiden  an  zu  grosser  Ausführ- 
lichkeit; es  fehlt  ihnen  die  Frische  der  unmittelbaren  Beobachtung.  Seine 
Biographie  vergl.  in  Enezova  knjiinica  II  zvezek  (Laibach  1895),  auf  S.  162— 
210  (von  Fr.  Levec). 

Am  15.  Januar  1898  starb  inKrakau  der  Professor  der  slavischen  Philo- 
logie an  der  dortigen  Universität  und  Mitglied  der  Eurakauer  Akademie 

LÜCIAN  MALINOWSKI. 

Geboren  am  27.  Mai  1839  im  Gouvernement  Lublin,  absolvirte  er  seine 
Studien  1867  in  Warschau,  reiste  dann  nach  Deutschland  (Jena,  Leipzig, 
Berlin),  studirte  auch  in  St.  Petersburg,  wirkte  einige  Zeit  am  Gymnasium  zu 
Krakau  und  Warschau  (1870—1877),  bekam  dann  den  Ruf  an  die  Krakauer 
Universität,  wo  er  bis  an  sein  Lebensende  blieb  als  Professor  der  slavischen 
Philologie,  obwohl  sein  eigentliches  Fach  die  polnische  Sprache  bildete. 
Malinowski  gilt  durch  seine  musterhaften  dialectologischen  Forschungen  (im 
Bereich  des  schlesischen  Dialectes)  als  Bahnbrecher  und  Begründer  der 
neueren,  wissenschaftlichen  Dialectologie  in  der  polnischen  Sprache.  Sehr 
anregend  wirkten  seine  Studien,  sie  zogen  eine  ganze  Reihe  ähnlicher  Einzel- 
forschungen  nach  sich,  die  in  den  Schriften  der  Krak.  Akademie  erschienen. 
Er  gab  auch  mehrere  altpoln.  Texte  heraus  und  war  ein  gründlicher,  metho- 
discher Erforscher  des  Volksthums,  eine  äusserst  sympathische,  biedere 
Persönlichkeit! 


312  Kleine  Mittheilungen. 

Am  26.  Mai  a.  St.  1898  starb  in  Snchnm  im  73.  Lebensjahre  ein  verdienst- 
voller Moskauer  Archäolog,  vortrefflicher  Kenner  der  christlichen  Kunst 

JURI  DIMITRIJEVIÖ  PILIMONOV. 

Nach  der  Vollendung  der  Moskauer  Universitätsstudien  im  J.1849  lebte 
er  mehrere  Jahre  in  Charkov,  an  der  dortigen  Universitätsbibliothek  ange- 
stellt, trat  aber  im  J.  1856  in  das  Moskauer  Zeughaus  (opyaceHHafl  uajLaTa),  wo 
er  es  bis  zum  Vicedirector  brachte ;  er  war  den  altrussischen  Alterthümem 
mit  ganzer  Seele  ergeben,  publicirte  viele  Beiträge  zur  altrussischen  Kunst 
und  Ikonographie,  darunter  auch  über  den  Bildermaler  Usakov»  über  das 
Mstislav'sche  Evangelium ,  über  den  Ursprung  der  Mütze  Monomach's,  über 
die  Form  der  altrussischen  Ikonostase,  u.  m.  a.  Bef.  sah  den  verstorbenen 
Archäologen  öfters  in  Moskau  und  fand  in  ihm  immer  einen  äusserst  liebens- 
würdigen, zuvorkommenden  Menschen.  (Vergl.  im  S^MHup.  1898  das- Juliheft 
und  Nr.  132  des  »üaMjrrHHKH  ApeBHeH  nHCLM6HH0CTK  k  HCRyccTBo«  die  Nachrufe 
von  Pokrovskij  und  Grafen  S.  §eremetev). 

Am  28.  Aug.  n.  St  1898  verlor  nicht  nur  Bussland,  sondern  die  ganze 
europ.  Wissenschaft  den  besten  und  gelehrtesten  Vertreter  des  canonischen 
Bechtes  der  orthodoxen  byzantinisch -slavischen  Kirche,  den  gewesenen 
Odessaer,  später  Moskauer  Professor 

ALEXEJ  STEPANOVIÖ  PAVLOV. 

Er  war  im  Jahre  1832  in  Sibirien  geboren  als  Sohn  eines  bescheidenen 
Kirchendieners  in  Tobolsk,  wo  er  auch  die  ersten  Studien  durchmachte; 
nachher  kam  er  in  die  geistliche  Akademie  nach  Kazani,  die  er  als  erster 
Magister  theologiae  im  J.  1858  beendete.  Infolge  der  Beorganisation  der 
russ.  Universitäten  (1863)  wurde  er  an  derselben  Universität  als  Docent  des 
canon.  Bechtes  angestellt  und  ging  1867  als  ausserordentl.  Professor  zur  Er- 
weiterung seiner  Kenntnisse  nach  Deutschland  (die  grösste  Zeit  brachte  er  in 
Heidelberg  zu).  Nach  Bussland  heimgekehrt,  wurde  er  zum  ord.  Professor 
desselben  Faches  an  der  Universität  zu  Odessa  erwählt,  wo  ich  im  Jahre  1872 
mit  ihm  zusammentraf  und  in  ihm  einen  sehr  erwünschten,  einsichtsvollen 
und  energischen,  in  voller  Entfaltung  seiner  geistigen  Kräfte  stehenden 
Gollegen  fand.  Wie  kein  Zweiter  an  der  damaligen  jurid.  Facultät  war  er  für 
seine  Disciplin  Feuer  und  Flamme,  als  echter  Mann  der  Wissenschaft  kannte 
er  keine  Compromisse,  keine  Bücksichten,  wo  es  sich  um  die  Interessen  sei- 
nes Faches  handelte,  das  er  auf  Grund  der  kritischen  Quellenforschung  neu 
aufzubauen  trachtete.  Durch  ihn  und  den  gelehrten,  aber  etwas  hinterlistigen 
Grigorovic  wurde  auch  mein  Horizont  wesentlich  erweitert;  meine  philologi- 
schen Kenntnisse,  in  denen  ich  ihnen  sonst  überlegen  war,  gewannen  durch 
den  intimen  Verkehr  mit  diesen  beiden  Männern  realere  Bichtung ,  was  ich 
dankbar  anerkenne.  Doch  wir  sollten  uns  bald  trennen,  im  J.  1874  ging  ich 
nach  Berlin,  im  nächsten  Jahre  Pavlov  nach  Moskau,  Grigorovic  starb.  Ich 
blieb  auch  weiterhin  mit  Pavlov  in  freundschaftlichem  brieflichem  Verkehr, 
doch  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  worin  eigentlich  der  Grund  lag,  dass  er  sich 
in  Moskau  weniger  zufrieden  fUhlte  als  in  Odessa.  Er  scheint  doch  nicht  das 
erwartete  Verständniss  für  seine  weitgehenden  wissenschaftl.  Pläne  gefunden 


Kleine  Mittbeilnngen.  313 

itt  haben.  Aber  auch  die  Hoffiinngen  unser  aller,  die  wir  seine  glänzende  Be- 
gabung hoch  schätzten,  gingen  nicht  in  Erfüllung.  Ich  hätte  von  ihm  eine 
kritische  Ausgabe  aller  Hauptquellen  des  canonischen  Rechtes  der  russ.-slav. 
orthodoxen  ELirche  erwartet,  wozu  er  allerdings  so  manchen  wichtigen  Beitrag 
lieferte.  Sein  kritisches  Talent  zeigte  sich  schon  1869  in  der  sehr  werthyollen 
Monographie:  üepBOHa^ax&Huu  cjiaBHHopyccKiu  uoMoicaHOH'B  [KaaaHB  1864),  in 
seiner  Analyse  der  altruss.  polemischen  Schriften  gegen  die  Lateiner  (1878), 
in  der  Bekämpfung  der  Ansicht  von  der  kathol.  Beeinflussung  einiger  alt- 
slavischer  Texte  canon.  Inhaltes  (1892)  u.a.  Unter  den  Ausgaben  der  Quellen 
erwähne  ich:  IIbmathkkh  speBHepyccKaro  KaHosH^ecKaro  npaBa,  GII6ri  1880 
(im  VI.  Bande  der  FyccKax  HCTopH^ecKaA  6]i6jiioTeRa)  und  die  zweimalige 
Herausgabe  des  HoMORaHOH'B  npii  öosluiom'b  TpeÖHHKi  (2.  Ausg.  Moskau  1897). 
Yergl.  im  2KMHnp.  1898,  Oktoberheft:  IlaMATu  npo«.  A.i6Rctfl  CrenaHOBH^a 
naB.S0Ba  und  He3a6BeHHOH  usmxir  npo*eccopoB'&  A.  G.  HasitoBa  h  H.  0.  KpacHO- 
ceiLQeBa,  von  A.  Dmitrijevski.  "Kievh  1899. 

Um  dieselbe  Zeit  starb  in  Constantinopel  ein  bescheidener  in  seinen 
äusseren  Ansprüchen,  aber  in  seinem  wissenschaftlichen  Streben  aufopferungs- 
voller und  sehr  verdienstlicher  Gelehrter  Busslands,  zuletzt  Professor  der 
Odessaer  Universität 

NIKOLAJ  FOMIÖ  KRASNOSELCEV. 

Aus  dem  Gouvernement  Ufa  stammend,  Sohn  eines  armen  Priesters, 
kam  er  nach  Absolvirung  des  Seminarcursus  an  die  geistl.  Akademie  in  Ea- 
zauL  (1866 — 1870),  wurde  bereits  im  nächsten  Jahre  an  derselben  Anstalt  zum 
Docenten  der  Liturgik  und  christl.  Archäologie  ernannt.  Namentlich  in  letz- 
terer Richtung  fühlte  er  das  Bedürfniss  einer  grösseren  directen  Bekanntschaft 
mit  den  Denkmälern  der  christlichen  Kunst,  das  ihm  erfüllt  wurde  durch  die 
Gewährung  einer  Studienreise  (1881/2)  nach  Italien,  Frankreich  und  Deutsch- 
land. Diese  Reise,  so  fragmentarisch  sie  auch  war,  mag  dazu  beigetragen 
haben,  dass  er  seine  wiss.  Kräfte  doch  einer  anderen  Richtung  zuwandte,  wo 
er  offenbar  grössere  Erfolge  zu  erzielen  hoffte,  nämlich  den  Quellenforschungen 
im  Bereich  der  Geschichte  des  orthodoxen  Gottesdienstes  und  der  Byzanto- 
logie  überhaupt,  wobei  ihm  sein  grenzenloser  Fleiss  in  der  Sammlung  des 
handschriftlichen  Materials  (zu  Rom,  Moskau,  Petersburg  und  zu  Hause  selbst, 
in  Kazan&,  wo  ihm  Prof.  Porfirijev  mit  schönem  Beispiel  vorleuchtete),  den 
Weg  ebnete.  Nachdem  er  schon  früher  bei  der  Beschreibung  der  Handschrif- 
ten der  Solovki'schen  Sammlung  in  KazauB  wesentlichen  Antheil  nahm,  gab 
er  1885  eine  inhaltsreiche  Schrift  zur  Geschichte  der  orthodoxen  Liturgik  nach 
den  vatikanischen  und  russ.  Texten  heraus  und  im  J.  1889  folgte  ein  anderes 
Werk  unter  ähnlichem  Titel,  ebenso  die  Beschreibung  einiger  slav.  Hand- 
schriften der  Jerusalemer  Bibliothek  (Jerusalem  besuchte  er  im  J.  1888).  Die 
Rücksicht  auf  seine  schwache  Ctosundheit  wird  ihn  bestimmt  haben,  eine  An- 
stellung in  Odessa  als  Professor  der  Kirchengeschichte  anzunehmen  (1889). 
Von  da  an  bewegte  sich  seine  wiss.  Thätigkeit  in  dem  lebensfrischen  Ge- 
lehrtenkreis der  Odessaer  Professoren  der  histor.-philolog.  Facultät,  zu  dem 
der  jetzige  Director  des  archäolog.  Institutes  zuGonstantinope],  der  damalige 


3 1 4  Kleine  Mitthellangen. 

Odessaer  Univ.-Professor  Th.  J.  Uspenskij,  die  ersten  Impulse  gab.  Das  Ziel 
seiner  etwas  erweiterten  Forschungen  von  nun  an  waren  die  Beziehungen  der 
byzant.  Literatur  zur  kirchenslavischen,  worin  er  durch  die  Publication  un- 
bekannter griech.  Texte  (so  zur  EeciAa  Tpezx  CBATHrejeH,  zur  Fragen-  und 
Antworten-Literatur)  für  die  slav.  Philologie  grosse  Verdienste  sich  erwarb. 
Vieles  konnte  man  noch  von  dem  fleissigen  Mann  erwarten,  wenn  nicht  auf 
der  zur  Kräftigung  der  angegriffenen  Gesundheit  unternommenen  Reise  nach 
dem  SUden  in  Gonstantinopel  ein  jäher  Tod  seinem  Leben  ein  Ende  gemacht 
hätte.  Einen  warm  geschriebenen  Nachruf  widmete  ihm  Prof.  Dmitrijevskij 
in  der  oben  (unter  Pavlov)  citirten  kleinen  Schrift. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1899  verlor  die  russische  Geschichte  und  Alter- 
thumswissenschaft  einen  Gelehrten  ersten  Banges,  dessen  Name  weit  über 
die  Grenzen  Busslands  rühmlich  bekannt  war.  Im  hohen  Alter  von  85  Jahren 
starb  am  30.  Januar  n.  St.  in  St.  Petersburg  der  Senior  der  kais.  Akademie 
der  Wissenschaften 

A.  A.  (d.  i.  ABIST  ABISTOVIÖ,  eig.  EBNST)  KÜNIK. 

Geboren  in  Preussisch-Schlesien,  im  J.  1814,  als  Sohn  eines  nicht  un- 
vermögenden deutsch -protestantischen  Gutsbesitzers,  besuchte  Kunik  das 
Gymnasium  zu  Liegnitz,  die  Universitäten  zu  Breslau  und  Berlin.  Das  Stu- 
dium der  schles.  Landesgeschichte,  deren  Vertretung  damals  in  der  Person 
des  Prof.  Stenzel  concentrirt  war,  brachte  den  jungen  Kunik  naturgemäss  auf 
die  polnische  und  weiter  auf  die  russische  und  slavische  Geschichte  über- 
haupt. Ein  Jahr  nach  der  Vollendung  seiner  Universitätsstudien  (1838)  hört 
man  schon  von  ihm  als  einem  jungen  Gelehrten,  der  sich  in  Moskau  mit  dem 
Studium  der  russ.  Geschichte  beschäftigt.  Pogodin  von  der  Beise  ins  Aus- 
land, wo  er  zuerst  mit  ^afaHk,  Kopitar,  Karadziö  zusammentraf,  heimgekehrt 
(im  J.  1839)  schrieb  an  Uvarov:  »In  Moskau  hält  sich  jetzt  ein  junger  Deut- 
scher, Kunik  aus  Preussen,  auf,  der  mit  der  ausgesprochenen  Absicht,  die 
russ.  Geschichte  zu  studiren,  zu  uns  kam,  wie  er  bereits  früher  andere  slav. 
Geschichten  studirte,  nachher  will  er  über  alle  slav.  Volksstämme  und  ihre 
Literaturen  wahre  Berichte  und  zum  Theil  Auszüge  aus  den  wichtigsten 
Werken  dem  deutschen  Lesepublicum  vorlegen.  Dieser  Kunik  erschien  mir 
auf  den  ersten  Blick  als  ein  aufrichtig  der  Sache  ergebener  Gelehrter  und  ich 
lud  ihn,  ohne  mich  weiter  um  seine  Gedankenrichtung  zu  kümmern,  zu  mir 
ein,  um  ihn  in  gehöriger  und  für  Bussland  nützlicher  Weise  in  das  Studium 
der  russ.  Geschichte  einzufahren;  ich  glaube,  man  kOnnte  sich  seiner  bedie* 
nen,  um  durch  ihn  richtige  Nachrichten  über  Bussland  in  die  deutschen  Zeit- 
schriften zu  bringen.«  Im  Juni  oder  Juli  des  Jahres  1840,  als  Pogodin  den 
Minister  Uvarov  auf  dem  schönen  Landgut  Porecje  besuchte,  nahm  er  auch 
Kunik  mit.  Man  sollte  glauben,  der  intime  Verkehr  Kunik's  mit  Pogodin 
werde  auf  den  letzteren  einigen  Einfluss  betreffs  der  Darstellung  der  ältesten, 
normannischen,  Periode  der  russischen  Geschichte  ausüben.  Das  scheint  je- 
doch nicht  der  Fall  gewesen  zu  sein :  Kunik  war  ein  zu  gut  geschulter  philo- 
logischer Kopf,  als  dass  seine  Ansichten  in  dem  unphilologischen  Kopf  Pogo- 
din's  Platz  finden  könnten.   Als  dann  sein  IL  Band  der  »Hs&itAOBaHi/i,  3&Mt- 


Kleine  Mittheilungen.  315 

nxBia  H  JleKiiüi«  (Moskau  1846)  erschien,  citirt  er  ganz  zuletzt  (S.  318)  auch 
Eunik  mit  dem  Zusatz  unter  der  Zeile :  sein  Buch  sei  erst  soeben  erschienen 
und  habe  nicht  in  Betracht  gezogen  werden  können.  Dagegen  erzählt  Pogo- 
din,  dass  Eunik  mit  erstaunlichem  Fleiss  das  ganze  Werk  Nevolin's  »dHuu- 
EjioneAifl  SaKOHOB^A^HlA«  und  ebenso  noch  andere  Werke  ins  Deutsche  über- 
setzt hStte  (EapcyKOBi,  Xmia  h  tpjabi  üoroAHHa  V,  398).  Ob  das  richtig  ist? 
Eunik  konnte  die  Darstellung  in  dem  Buche  Barsukov's  lesen,  aber  daraus, 
dass  er  dazu  schwieg,  folgt  noch  nicht,  dass  diese  Notizen  alle  ganz  genau 
sind.  Eunik  war  noch  im  Mai  d.  J.  1841  in  Moskau  bei  Pogodin  (EapcyROB-B 
1.  c.  VI,  123),  er  nahm  an  gelehrten  Debatten  mit  diesem,  aber  auch  an  For- 
schungen Anderer  (in  der  ihm  eigenen  Weise)  Antheil.  So  dankt  ihm  Certkov 
durch  Pogodin  für  die  Bemerkungen  zu  dem  im  J.1842  erschienenen  Werke: 
0  nepcBOAi  MaHacciiiHOH  jrkTOiuicK  (EapcyKOB'B  a.  a.  0.  134),  deren  einige  in  der 
That  so  aussehen,  als  wären  sie  aus  der  Feder  Eunik's  geflossen.  Zu  Anfang 
des  J.  1842  reiste  Eunik  zurück  nach  Deutschland,  und  zwar  über  Alt-Nov- 
gorod  und  Petersburg,  wo  er  sich  einige  Zeit  aufhielt.  Im  Mai  1842  war  er 
schon  in  Berlin,  wo  er  Bekanntschaften  machte  u.  a.  mit  dem  bekannten  Poli- 
tiker Vamhagen,  mit  Prof.  Cybulski,  u.  a.  Aus  einem  Briefe  an  Pogodin,  in 
welchem  er  die  damalige  Stimmung  Berlins  schildert,  sieht  man,  dass  Eunik 
schon  damals  die  Interessen  Busslands  zu  vertreten  sich  verpflichtet  fühlte. 
So  bedauerte  er,  dass  der  slavische  Lehrstuhl  in  den  Händen  eines  Polen  sich 
befand,  der  bloss  das  weltliche  Slaventhum  berücksichtigte,  er  beklagte  sich 
über  BbicoKOMipie  der  polnischen  Ereise  Berlins  u.  a.  (EapcyKOB'B  a.  a.  0.  337). 
In  Leipzig  traf  Eunik  in  demselben  Jahre  mit  Pogodin  zusammen  und  soll 
sich  ihm  gegenüber  beklagt  haben,  dass  er  für  sein  in  Moskau  zusammen- 
getragenes Material  über  Bussland  in  Leipzig  keinen  Verleger  finden  konnte. 
Pogodin  meinte,  daran  sei  der  für  Russland  sympathische  Ton  der  geplanten 
Pnblication  Schuld.  Eunik  befolgte  den  Rath  Pogodin's  und  kam  im  Nov. 
1842  zurück  nach  Russland,  diesmal  nach  St.  Petersburg,  um  mehr  als  55  Jahre 
seines  Lebens  hier  zu  verleben.  Nicht  gleich  gelang  es  ihm,  hier  eine  ge- 
sicherte Existenz  sich  zu  gründen,  er  plante  damals  ein  Literatur-  oder 
Quellenverzeichniss  der  russ.  Geschichte  herauszugeben.  Die  Aufmerksam- 
keit Th.  P.  Adelung's  die  er  auf  sich  gelenkt  hatte,  der  ihn  auch  in  die  Aka- 
demie zu  bringen  trachtete,  dauerte  leider  nicht  lange,  dieser  starb  am  30. 
Januar  1843,  nachdem  er  doch  das  Schicksal  des  jungen  Gelehrten  einigen 
Akademikern,  vor  allem  dem  Historiker  Erug,  dann  Eöppen  und  Baer  ans 
Herz  gelegt  hatte.  Eunik  war  schon  jetzt  mit  Vorarbeiten  für  seine  »Rodsen« 
beschäftigt,  wie  aus  den  an  Pogodin  gerichteten  Briefen  (EapcyKOBi»  1.  c.  VII, 
220  ff.)  ersichtlich  ist,  aber  auch  jenes  andere  Werk,  die  Quellen  zur  russ. 
Geschichte,  ging  ihm  nicht  aus  dem  Eopf,  doch  vor  allem  quälte  ihn  die 
Existenzfrage,  denn  seine  ausländische  Abkunft  flüsste  vielfach  Bedenken 
gegen  seine  Anstellung  ein,  die  er  durch  die  Yermittelung  Pogodin's  möglichst 
zu  zerstreuen  trachtete.  Von  den  Eltern  scheint  ihm  keine  ausreichende 
Unterstützung  zu  Theil  geworden  zu  sein,  wahrscheinlieh  war  sein  Vater  mit 
dem  Plane  des  Sohnes,  dauernd  in  den  Dienst  der  russischen  Geschichte  zu 
treten,  durchaus  nicht  einverstanden.   Es  zeugt  von  unbeugsamer  Willens- 


316  Kleine  Mittheilungen. 

stärke  und  starker  Geisteskraft,  dass  Kunik  unter  so  schwierigen  Lebens- 
verhältnissen mit  der  Ausarbeitung  seines  ersten  und  Hauptwerkes  seines 
Lebens,  »Die  Berufung  der  schwedischen  Rodsen«  (I.  Band  erschien  1844, 
IL  1845)  ununterbrochen  beschäftigt  war  und  es  zu  Ende  führen  konnte.  Das 
scheint  aber  auch  das  entscheidende  Argument  gewesen  zu  sein,  dass  die 
ehrenwerthen  Akademiker  für  ihren  ausländischen  Connationalen  endlich  ein 
Obdach  fanden,  er  wurde  zu  Anfang  des  Jahres  1844  im  Numismatischen  Mu- 
seum der  Akademie  angestellt.  Da  starb  am  16.  Juni  n.  St.  1844  der  alte, 
achtzigjährige  Historiker  Krug  und  für  Kunik  wurde  der  Weg  in  die  Akade- 
mie offen.  Dies  geschah  durch  die  am  17.  October  erfolgte  Wahl  Kunik's  zum 
Adjuncten  der  kais.  Akademie.  Sechs  Jahre  später  wurde  er  ausserordent- 
licher Akademiker,  zum  ordentlichen  brachte  er  es  nicht,  anfangs  konnte, 
nachher  wollte  er  nicht  diese  Beförderung  annehmen.  Wichtiger  als  in  der 
Akademie  war  seine  Stellung  in  der  kaiserl.  Eremitage,  wo  er  als  tüchtiger 
Kenner  der  mittelalterlichen,  zumal  russischen  Numismatik  zuletzt  die  ange- 
sehene Stelle  des  ältesten  Gustos  des  kaiserl.  Mlinzcabinets  bekleidete. 

Kunik  war  ein  Gelehrter  von  erstaunlicher  Belesenheit,  ein  unerschöpf- 
liches Nachschlagebuch  für  einen  Jeden,  der  sich  die  Mühe  gab,  diesen  Schatz 
zu  Bathe  zu  ziehen.  Wie  sein  Hauptwerk  zeigt,  bestand  seine  Stärke  in  der 
Dienstbarmachung  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  den  Fragen  der 
ältesten  Geschichte,  in  dieser  Beziehung  erinnert  er  einigermassen  an  Müllen- 
hoff.  In  dieser  Behandlung  der  russ.  Geschichte  war  ihm  kein  gleichzeitiger 
russ.  Historiker  gewachsen,  geschweige  denn  überlegen.  Kunik  brachte  da- 
durch in  die  russische  Geschichtsforschung  ein  Element,  das  seinen  Zeitge- 
nossen fremd  war,  das  man  als  eine  fremde  Pflanze,  die  auf  dem  russ.  Boden 
noch  nicht  Wurzel  gefasst  hatte,  wo  nicht  geradezu  missachtete,  so  doch  nicht 
liebte.  Und  wenn  Jemand  auf  das  geföhrliche  Gebiet  der  etymologischen 
Gombinationen,  ihm  folgend,  sich  hervorwagte,  so  machte  er  in  der  Regel  un- 
verzeihliche Schnitzer,  die  Kunik  ärgerten,  er  sprach  von  einer  etymologia 
bovina,  ohne  sich  je  aufgerafft  zu  haben,  eine  zusammenhängende  systema- 
tische Widerlegung  aller  Derjenigen,  die  seine  Lehre  bekämpften,  zu  schrei- 
ben. Wenige  selbständige  Werke  gab  er  nachher  heraus  (z.  B.  die  hübsche 
Schrift:  0  pyccKOBHBaHTiucKJix'B  MOHexaxi»  /Ipocji&Ba  I.  BxaAUMipoBuqa  1860),  in 
dieser  Beziehung  muss  man  gerecht  sein  und  sagen,  die  Erwartungen,  die 
man  von  ihm  nach  seiner  Schrift  »Die  Berufung«  hegen  mochte,  gingen  nicht 
in  Erfüllung,  allein  in  der  Form  von  Anmerkungen  zu  fremden  Werken  (z.  B. 
Gedeonov,  Dorn,  Baron  Rosen,  Bielenstein)  schüttete  er  aus  dem  Füllhorn 
seines  Wissens  viele  reizende  Kleinigkeiten  aus.  Er  liebte,  wenn  man  ihn  in 
seiner  mit  Büchern  vollgepfropften  Behausung  am  Newa-Quai  bei  der  Nikolai- 
brücke aufsuchte,  Über  alle  möglichen  Fragen  der  slav.  Alterthumswissen- 
schaft  und  der  russischen  Geschichte  zu  raisonniren,  wobei  viele  scharfsinnige 
Bemerkungen  fielen,  doch  war  er  nicht  zu  bewegen,  seine  Gedanken  nieder, 
zuschreiben.  So  wirkte  er  zwar  sehr  anregend  auf  die  nicht  kleine  Zahl  seinem 
häufigeren  Besucher  —  wozu  regelmässig  alle  Fremden,  die  zu  wissenschaft- 
lichen Zwecken  nach  Petersburg  kamen,  zählten  — ,  aber  da  er  weder  als 
Docent  Gelegenheit  hatte,  mit  der  russ.  Jugend  in  näheren  Verkehr  zu  treten, 


Kleine  Mittheilungen.  317 

noch  in  der  rnss.  geBchichtlichen  Literatur  polemisch  auftreten  woUte,  so 
hatten  seine  Gedanken  nicht  den  Einflnss  auf  die  gleichzeitige  Geschichts- 
forschung, den  sie  verdient  hätten  und  der  ihnen  nicht  ausbleiben  kann,  wenn 
einmal  die  auf  wissenschaftlicher  philologischer  Basis  begründete  Geschichts- 
kritik in  Russland  erstarkt. 

Am  14.  April  n.  St.  dieses  Jahres  schloss  das  kühle  Grab  noch  einen  an- 
deren bedeutenden  Vertreter  des  russischen  geistigen  Lebens  ein,  den  Di- 
rector  der  kais.  Offentl.  Bibliothek,  w.  g.  B.  und  Mitglied  des  Staatsrathes, 

AFANASU  PEDOROVIC  BYÖKOV. 

Aus  einer  altadeligen  russischen  Familie  des  Jaroslaver  Gouvernements 
stammend,  erblickte  Byokov  das  Licht  der  Welt  am  15.  Dec.  1828  zu  Frede- 
rickshamn  in  Finnland,  wo  sein  Vater  als  Offleier  gamisonirte.  Die  erste  Er- 
ziehung genoss  der  Knabe  zu  Hause,  später  gab  man  ihn  in  das  adelige  Pen> 
sionat  des  Demidov^schen  Institutes  in  JaroslavlB,  wo  er  von  1833  bis  1836 
die  Gymnasialstudien  absolvirte.  Auf  Anrathen  Pogodin's,  dem  er  schon  als 
Gymnasialschüler  auf  dem  Gute  seiner  Tante  Vladykina  vorgestellt  wurde, 
bezog  er  statt  des  Demidov'schen  Lycaeums  die  Moskauer  Universität,  wo  er 
Pogodin  in  der  russ.  Geschichte  zum  Lehrer  hatte,  dieser  verstand  ihm  auch 
die  Liebe  zur  russ.  Geschichte  u.  d.  Alterthümem  einzuflOssen  und  in  ihm  den 
Gedanken  zu  erwecken,  später  selbst  die  wissenschaftliche  Laufbahn  einzu- 
schlagen. Häuslich  war  er  in  der  Familie  eines  deutschen  Pastors  Sederholm 
gut  untergebracht  B.  beendigte  die  Universitätsstudien  im  J.  1840  und  wurde 
auf  Wunsch  des  Gurators,  Grafen  Stroganov,  bei  der  Universität  belassen. 
Da  geschah  es,  dass  Minister  Uvarov  an  Pogodin  mit  der  Bitte  herantrat,  ihm 
fUr  die  Archäographische  Gommission  —  eine  für  die  Vorbereitung  der  Her- 
ausgabe russ.  Geschichtsquellen  besonders  errichtete  Anstalt — junge  Männer, 
die  für  die  russ.  Geschichte  Vorliebe  zeigten,  zur  Anstellung  zu  empfehlen. 
Pogodin  wies  auf  Byokov  und  Kalacov  hin.  Der  junge  Byckov  nahm  das 
Anerbieten  dankbar  an  und  Ende  Juni  1840  war  er  schon  in  St.  Petersburg, 
mit  Empfehlungen  an  Sjögren  und  Serbinovio  u.  A.,  die  ihm  neben  seiner  amt- 
lichen Stellung  auch  den  Verkehr  mit  den  Vertretern  der  Wissenschaft  sichern 
sollten,  nachträglich  erbat  er  sich  noch  eine  Empfehlung  an  Vostokov,  da 
»Beziehungen  zu  solchen  Männern  wie  Vostokov  einem  Menschen,  der  studiren 
will,  ungemein  nützlich  sind«.  Byokov  verrichtete  gewissenhaft  seinen  archi- 
valischen  Dienst,  der  im  Ordnen,  Katalogisiren  u.  s.  w.  der  Documente  be- 
stand, studirte  aber  auch  fleissig,  um  sich  für  das  Magisterexamen  vorzube- 
reiten, da  er  im  Stillen  die  Hoffnung  hegte,  einmal  die  Professur  für  die  russ. 
Geschichte  zu  erlangen.  Einzelne  Beiträge  erschienen  schon  jetzt  von  ihm  im 
Druck.  Nach  wenigen  Jahren  entschied  das  Schicksal  anders  über  seine  Zu- 
kunft: er  wurde  im  J.  1844  zum  Gustos  der  handschriftlichen  Abtheilung  der 
kais.  Offentl.  Bibliothek  ernannt  an  die  Stelle  VostokoVs,  der  nicht  ganz  frei- 
willig in  Pension  ging.  Die  Gründe  dieser  plötzlichen  Pensionirung  kann 
man  bei  Barsukov,  SChshb  h  TpyAu  IIoroAHHa  VII,  325  ff.,  329  ff.  auseinander- 
gesetzt finden.  Byckov's  schönste  Wünsche  und  Pläne  gingen  uhverhofft 
schnell  in  Erfüllung.    In  der  ersten  Begeisterung  schrieb  er  seinem  einstigen 


318  Kleine  Mittheilungen. 

Lehrer  (Pogodin)  eine  interessante  Anseinandersetzung  über  die  ihm  nach 
seiner  damaligen  Auffassung  bevorstehenden  nächsten  Aufgaben  (EapcyKOBi 
ib.  330  ff.)  und  es  wäre  die  Frage  nicht  müssig  —  aber  es  ist  nicht  hier  der 
geeignete  Ort,  sie  zu  stellen  — ,  ob  alle  Pläne  des  jungen  Custos  im  Verlaufe 
von  einer  mehr  als  halbhundertjährigen  Thätigkeit  Byckov's  in  der  öffent- 
lichen Bibliothek  in  Erfüllung  gingen.  Fast  fUnfundfÜnfzig  Jahre  seines 
Lebens  widmete  Byckov  der  von  ihm  in  den  Jugendjahren  angestrebten  und 
liebgewonnenen  schönen  Anstalt,  er  wuchs  so  zu  sagen  in  ihr  und  mit  ihr  auf, 
mit  seiner  Bedeutung,  seinem  Einfluss  stieg  auch  die  Grösse  und  die  Bedeu- 
tung dieser  Anstalt,  deren  weitere  Ausgestaltung  und  Bereicherung  er  fort- 
während in  seinem  Herzen  trug  als  das  Gelöbniss  seines  Lebens.  Als  Vice- 
director  (seit  1868)  und  Director  (seit  1882)  der  kais.  öffentl.  Bibliothek  sam- 
melte sich  Byokov  unvergessliche  Verdienste  für  dieses  prächtige  Institut, 
das  dem  British  Museum  nacheifert;  sein  Name  ist  mit  wesentlicher  Erweite- 
rung der  Bibliothek  im  Ganzen,  mit  Acquisitionen  seltenster  Art  auf  immer 
verknüpft.  Namentlich  die  russische  Geschichte  und  Literatur,  slavische 
Philologie  und  Alterthumskunde,  die  Byokov  selbst  als  Gelehrter  mit  Aus- 
dauer und  Erfolg  pflegte  und  mit  zahlreichen  eigenen  Forschungen  und  Aus- 
gaben beschenkte  (russische  Annalen,  Briefe  Peter  des  Grossen,  verschiedene 
Texte  u.  s.  w.),  erfuhren  unter  ihm  starke  Bereicherung  durch  Anschaffung 
so  wichtiger  grosser  Sammlungen,  wie  das  ganze  ApcBHexpaHSJiHme  Pogodin's, 
die  Handschriftensammlungen  Hilferding' s,  Porphyriev's,  Verkovio's,  Busla- 
jeVs  u.  a.  Byckov  hat  durch  das  glänzende  Beispiel  seiner  unermüdlichen 
Fürsorge  für  die  kais.  öffentl.  Bibliothek  gezeigt,  was  ein  Director,  der  nicht 
seine  Aufgabe  als  trockener  Beamter  der  Anstalt  auffasst,  zu  leisten  vermag, 
selbst  bei  nicht  sehr  imponirender  Dotation,  wenn  die  Liebe  zur  Anstalt,  die 
unversiegbare  Schaffensfreude  und  ein  für  alle  culturellen  und  wissenschaft- 
lichen Bedürfnisse  empfänglicher  Sinn  die  Triebfedern  seiner  Wirksamkeit 
bilden.  Byckov  als  Vicedirector  und  nachher  Director  der  kais.  Bibliothek 
war  durch  seine  schönen  persönlichen  Eigenschaften,  Liebenswürdigkeit  und 
Zuvorkommenheit  bei  vornehmem  Wesen  und  Benehmen,  eine  in  ganz  Russ- 
land wohlbekannte  und  hoch  verehrte  Persönlichkeit;  viele  Hunderte  von 
Gelehrten  Russlands  und  des  Auslandes  werden  ihm  für  sein  humanes,  freund- 
liches Entgegenkommen ,  für  seine  Bereitwilligkeit,  allen  laut  gewordenen 
Wünschen  oder  an  ihn  gerichteten  Bitten  nach  Möglichkeit  gerecht  zu  wer- 
den, dankbare  Erinnerung  in  ihren  Herzen  bewahren.  Ich  gestehe  es  offen, 
wenn  mir  im  J.  1886  die  Trennung  von  St.  Petersburg  schwer  kam,  so  waren 
es  hauptsächlich  die  beiden  Anstalten,  die  kais.  Akademie  und  die  öffentliche 
Bibliothek,  von  deren  Räumen,  Schätzen  und  —  Menschen  ich  sehr  ungern 
Abschied  nahm.  Seit  1872,  als  ich  das  erste  Mal  die  einem  jeden  Slavisten 
heiligen  Räume  betrat,  wo  ein  Ostromir'sches  Evangelium,  wo  ein  Codex  Zo- 
graphiensis  verwahrt  wird,  war  der  verstorbene  Afanasij  Fedorovic  fortwäh- 
rend aufmerksamer  Gönner  meiner  Studien,  bis  nach  Berlin  und  Wien  wurden 
mir  slavische  Handschriften  zu  wissenschaftlichen  Zwecken  nachgeschickt. 
Und  ähnliche  Gefälligkeit  erfuhren  auch  viele  andere  ausländische  Gelehrte, 
weil  Byckov  seine  Aufgabe,  an  der  Spitze  einer  grossen  Bibliothek  zu  stehen, 


Kleine  Mittheilungen.  319 

richtig  aaffasBte.  Aber  nicht  nur  das,  einem  jeden  wissenschaftlichen  Unter- 
nehmen, einem  jeden  strebsamen  Talent  stand  er  ft$rdemd,  befürwortend, 
schützend  bei.  So  manche  segensreiche  Wirksamkeit  jüngerer  Kräfte  ver- 
dankt seinem  grossen  Ansehen,  das  er  in  den  höchsten  Kreisen  der  Regie- 
rung, namentlich  in  dem  Unterrichtsministerium  genoss,  ihre  Initiative,  er 
zögerte  nie,  seine  Stimme  in  die  Wagschale  zu  legen,  sobald  er  überzeugt 
war,  dass  es  sich  um  etwas  Gutes  handelte.  Auch  in  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften, welcher  er  vom  Anfang  der  sechziger  Jahre  angehörte,  ebenso  wie 
in  der  Archäographischen  Oommission,  war  seine  Thätigkeit  segensreich. 
Byckov  verfügte  über  sehr  ausgebreitete  Kenntnisse  im  Bereich  der  russischen 
Geschichte,  Literatur  undAlterthümer,  wozu  er  schon  durch  den  Gang  seiner 
Universitätsstudien  vorbereitet  war;  in  der  slavischen  Philologie  nahm  er 
den  Standpunkt  Sreznevskij's  ein,  mit  dem  er  sehr  eng  befreundet  und  durch 
viele  Jahre,  ja  selbst  nach  dessen  Tode  an  dem  Nachlass  (altruss.  Wörterbuch) 
treuer  Mitarbeiter  war.  Ich  rechne  Byckov  als  grosses  Verdienst  an,  dass  er 
gleichsam  zur  Erinnerung  an  die  einstigen  inhaltsreichen  HsBicTiA,  in  deren 
zehn  Bänden  sich  Sreznevskij's  bibliograph.  Sammelfleiss  abspiegelte,  in  sei- 
nen letzten  Jahren  die  Erneuerung  der  »HsB^CTifl«  anregte  und  ins  Leben 
brachte.  Byckov's  Andenken  wird  mir  bis  an  mein  Lebensende  theuer  blei- 
ben. In  der  kais.  ö£fentl.  Bibliothek  lebt  sein  Geist  fort  in  dem  Sohne,  Gastos 
der  handschriftlichen  Abtheilung,  Ivan  Byckov,  dem  wir  schon  bisher  viele 
äusserst  sorgfältig  ausgearbeitete  Berichte  und  Beschreibungen  bibliographi- 
scher Natur  verdanken. 

Granz  vor  kurzem,  am  25.  Mai  n.  St.,  starb  zu  Florenz  der  bedeutendste 
russische  Byzantolog,  Professor  der  Geschichte  an  der  St  Petersburger  Uni- 
versität und  Akademiker, 

VASILIJ  GRIGORJEVIÖ  VASILJEVSKIJ. 

Von  seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  war  häufig  in  unserer  Zeitschrift 
die  Rede,  eine  grosse  Belesenheit  in  den  byzantinischen  Schriftstellern,  ge- 
paart mit  dem  Scharfsinn  der  Interpretation,  zeichnete  seine  Forschungen 
aus,  die  sich  hauptsächlich  auf  die  Kritik  einzelner  Geschichtsquellen  be- 
zogen und  vielfach  in  die  älteste  rassische  Geschichte  eingriffen.  Er  gab  auch 
mehrere  byzantinische  Texte  heraus.  Die  byzantinisch-russische  Geschichts- 
forschung erlitt  durch  seinen  Tod  einen  sehr  schmerzlichen,  nicht  leicht  er- 
setzbaren Verlust.  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  Vasiljevskij  nicht  dazu 
kam,  seine  in  verschiedenen  Zeitschriften  (namentlich  im  HMHnp.,  dessen 
Vice-  und  zuletzt  Hauptredacteur  er  war)  zerstreuten  Forschungen  zu  sam- 
meln und  mit  etwaigen  Umarbeitungen  vollständig  herauszugeben.  Seine  und 
seines  Schülers  Regel  Schöpfung  ist  auch  die  Herausgabe  der  russisch- 
byzanün.  Zeitschrift  (BiraaHTiHCKiH  speMeHEBRi).  Prof.  Vasiljevskij  war  ein 
aufrichtiger,  biederer  Charakter  und  lieber  College.  V.  Jagiö. 


320  Kleine  Mittheilungen. 

Abrecliiiiing. 

Die  Beiträge  znr  Errichtung  eines  Grabdenkmals  fttr  den  verstorbenen 
Dr.  V.  Oblak  ergaben  laut  Ausweis  (Archiv  XIX,  644]  535  fl.  84  kr.,  seither 
kamen  noch  dazu  von  Prof.  M.  N.  Speranskij  ans  Bussland  10  fl.,  von  Dr.  W. 
Yondr&k  aus  Wien  5  fl.  im  Ganzen  zusammen  550  fl.  84  kr.  (S.  W. 

Ausgegeben  wurden: 

a)  Für  ein  bei  H.  Felix  Toman  bestelltes  Denkmal,  aus  schwar- 
zem böhm.  Syenit,  sammt  Transport  und  Aufstellung    ...     523  fl. 

b)  Für  ein  Modell  in  Gyps  an  B.  B 7  fl. 

c)  Für  ein  in  weissem  Marmor  ausgearbeitetes  Portrait  des  Ver- 
storbenen an  den  Sculptureleven  Berneker  in  Wien  ....       45  fl. 

Zusammen     575  fl. 

Der  Fehlbetrag  von  24  fl.  16  kr.  wurde  von  mir  zum  Theil  ans  den  Zinsen 
der  Sparkasse  im  Betrag  von  13  fl.  54  kr.,  zum  Theil  aas  Eigenem  gedeckt. 

Das  Denkmal  wurde  am  15.  April  d.  J.  zur  Erinnerung  an  den  vor  drei 
Jahren  an  diesem  Tage  erfolgten  Tod  Dr.  V.Oblak's  im  Cillier  Friedhof  auf- 
gestellt und  der  Familie  übergeben. 

Die  Inschrift  auf  dem  Sockel  der  mit  dem  Portrait  des  Verstorbenen 
geschmückten  Pyramide  lautet  so : 

Dr.  Vatroslav  Oblak 

r.  15.  V.  1864  in  u.  15.  IV.  Ifilf6 
V  Celju. 

A0CT0HH%   tiuCT'L   OT'BBpiCTH   K^EHTEI. 

Svojemu  prijatelju 
postavili  slovanski  filologi  v  spomin. 

(d.  h.:  Dr.  V.  0.,  geb.  15.  V.  1864  und  verst  15.  IV.  1896  in  Cilli.    »Er  war 
würdig  das  Buch  aufzuthun«.   Ihrem  Freund  zum  Andenken  errichtet  von 

den  slavischen  Philologen). 

Der  dem  5.  Capitel  der  Apocalypse  entnommene  Spruch  kann  in  über- 
tragener Bedeutung  auf  den  Verstorbenen  bezogen  werden,  der  die  altkirchen- 
slavische  Uebersetznng  der  Apocalypse  zum  Gegenstand  seiner  Doctordisser- 
tation  gewählt  hatte  (Archiv  B.  XIII)  und  nicht  erfolglos  altkirchenslavische 
und  slovenische  Bibelübersetzung  nicht  einmal  aufschlug.  — 

Ich  fühle  mich  allen  Jenen,  die  durch  ihre  Beiträge  die  Erfüllung  meines 
Herzenswunsches  ermöglichten,  sowie  Herrn  Felix  Toman  in  Laibach  für  die 
vortreffliche  Ausführung  des  schOnen  Denkmals,  zu  herzlichem  Danke  ver- 
pflichtet. 

Wi en,  d.  15.  Mai  1899.  V.  Jagiö, 


Verlag  der  Weidmannschen  Buchhandlnng  in  Berlin. 


NEUE  BRIEFE 

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UND  ANDEREN 


SÜD-  UND  WESTSLAVEN 

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VERSIONIS  PALAE08L0VENICAE 

CODEX  MAEIANUS  GLAGOLITICUS 

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gr.  Lex.-80  ,'XXX  und  607  S.)    Preis  15  Mark. 


Russische  Unterrichtsmittel. 

Die  Heraiuig»b«  von   modernen  Lelir^ekelfen  inr  Erlernung  des  Bussischen  und  Polnifchen  bildet  eine 
besondere,  wohlgepflegte  Specialitit  der  Yerlagsbacbbandlting.    Die  darüber  von  Zeit  zu  Zeit  TeröiFent- 

licbten  Verlagtberichte  stehen  gratis  und  portofrei  zu  Diensten. 

In  Karzern  beginnt  zn  erscheinen : 

Russische  Nationalbibiiothek  !ii,,ä.rrnS,.rÄ;aSu»r  b".5S  ."^f^"«: 

Dritte,  sorgfiltfg  durcligesehene  und  verbesserte  Auflege.     Monatlich  1  Heft  S^  1  Ji.    Alle  12  Hefte 

in  SuDakription,  sasaramen  berechnet  nnd  erhoben  Ji  10. — . 

Das  Stadium  der  rusaischen  Sprache  ist  in  allen  Kalturstaaten,  speciell  in  Dentschland^  in  steigen- 
der Verbreitung  becriifen.  Von  der  Krenzseitun^  wurde  das  Russische  wegen  seines  Formenreichtums  und 
aus  praktischen  Gründen  neuerdings  an  Stelle  einer  toten  Sprache  für  unsere  höheren  Schulen  empfohlen. 
Demgemäss  steigert  sich  auch  der  Absatz  der  IttutaUichen  XtttUmalbiblMhek  ron  Jahr  zu  Jahr. 

Bereite  erschienen: 

Russische  Grammatik  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  ?^X'"büÜ? 

bettet  vom  Kais.  Bass.  Kolleg.-Rat  und  äymn.-0b6rlehrer  a.  D.  L.  von  Marnitz,  Docent  der  Kgl.  Kriegs- 
akademie zu  Berlin.    .4^  2.80,  Keb.  Jt  3.20. 

In  der  deutsch-russischen  Presse  gl&nzend  rezensiert  und  offiziell  eingeführt  an  der  Kgl.  Kriegs- 
akademie, sowie  in  Köln  a.  Bh.,  Leipzig,  Biga,  Keval,  Mitau  etc. 

Als   TiAflAhllpll    AlL7n    ini^  f^'  leiditen  LesettUcken  für  den  AnfaiM  gab  der  Verfasser  in  den 
AIS    UeseKlUtn    UH^U   ^,ä„*,.,^,,^„  MeiBterwefken-  soeben  heraus:      ^ 

Briefe  eines  Jungen  Seidaten  ron  W.  Glasunov.  Bussischer  Text  mit  Accenten.  Hinweisen  auf 
obige  Grammatik  und  Kommentar.  Aussähe  ohne  Kommentar  J(  —.SO,  geb.  .4f  1.—.  —  Auä^p^be 
mit  Kommentar,  geh.  .S  1.—,  geb.  Jt  1.30. 

Ein  Übungsbuch  dazu  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Russische 

ist  unter  der  Presse. 

„ . . .  .  Gerade  die  Abschnitte  der  ruttHaehet».  Gran%tnaHkf  die  den*  Nichlrtissen  viele 
tiehwierigkeiten  bereiten^  gifid  dem  Verfasser  besonders  gehingenm  Dieses  gilt  ganz  besonders 
TOn  der  Gliederung  und  Behandlung  des  Verbum  und  speziell  von  der  Lehre  von  den  Aspekten  (bh^u 
narojiol.  Jeder^  der  sich  mit  der  russischen  Sprache  besch&ftigt,  weiss,  wie  schwierig  diese  Aspekte  sind; 
denn  sie  sind  eine  Eigentümlichkeit  der  russischen  Sprache,  sonst  nur  noch  dem  Alt-Griechischen  bekannt. 
Durchaus  einleuchtend  und  für  die  Aneignung  praktisch  ist  hierbei  die  Einteilung  der  Yerba  in  U  (resp.  4) 
Gruppen,  je  nach  der  Bildung  der  Aspekte.  Ein  glücklicher  Gedanke  ist  die  Verweisung  der  Lehre  vom 
Koigunktiv  in  die  Syntax;  sowohl  wissenHchaftlich  als  praktisch  erscheint  diese  Abweichung  vom  üblichen 
System  durchaus  berechtigt."  St.  Petersburger  Ztg.  18{«S  Nr.  136. 

Hauptschwierigkeiten  der  russischen  Sprache  Zy?^iur'B»it^> '^ ''"^ 

I.  Teil:  Formenlehre.    II.  Teil  *  Formenlextfcon.    Komplett  .4^  .Vis,  geb.  .4V  (s.—. 

„Das  vorliegende  Buch  stellt  eine  Erg&nzung  zu  Grammatik  und  Lexikon  dar,  wo  beide  den  über 
eine  Frage  der  Formenbildung  schnelle  und  sichere  Aujikunft  Suchenden  im  Stiche  lanaen Bemerkens- 
wert ist  noch,  daüs  das  Buch  nicht  etwa  nur  nach  Büchern  geschrieben  ist,  sondern  iu  bestättdiger 
Jt\ailu9tiß  tnit  der  lebendigen  Sprache.**                                          St.  Petersburger  Herold  189^  lo!2. 

„. . . .  Das  Ganze  ist  ein  glänzendes  Zeugftis  detitschen  l^'leisses  und  ttHssenschaßlieher 
Tüchtigkeit.**  Prof.  Fischer  in  der  Kreuizeifung  lS<)b,  12. 

Kurzgefasste  russische  Grammatik  SL-J-p^ÄCa^Ä  ""uJ^tTTili: 
Phraseologie  der  russischen  Sprache  SlÄ:?'Sis"ch^.rXrtlmin.%: 

und  Signaturenschlüssel  zu  allen  russischen  Karten.  Praktisches  Hilfsbuch  znr  Erlernung  des  Bassischen 
von  Hauptmann  Cremet.  Geh.  Ji  4.5o,  in  Lwd.  geb.  ,H  h.—.  Mit  der  Grammatik  in  einem  Bande 
geh-  .//  5.40,  in  Lwd.  geb.  ^U  ß.— . 

QA    piioeienho     Uonrfcf^hpiffAn    ^°  Faksimile  reproduziert.    Zar  Übung  im  Lesen  russischer 
%IT    I  UOOlObllC    nailUOUIII  IIIUII    Schriftstücke.     Mit  einem  Schlüssel   in  Druckschrift  und 
grammatischen  Erläuterungen,  herausgegeben  von  Dr.  S.  Anders.    Ji  1.40. 

Sonder-Abdruck  aus  Dr.  Anders'  Russischer  Dolmetscher-Prüfung.  Die  ganz  verschiedenartiaen 
Original-Schriftstücke  sind  sneihodiseh  attgeordnet,  rmnTjeirhieren  xnm  Schtv^reren,  Bekannißch 
bedienen  sich  die  Russen  im  täglichen  Verkehr  zahlreicher  Varianten  für  die  einzelnen  Buchstaben  beim 
flüchtigen  Schreiben,  die  von  den  in  den  Lehrbüchern  vorgeführten  Schriftzeichen  wesentlich  abweichen. 
Alle  diese  Eigenheiten,  ohne  deren  Kenntnis  man  russische  Briefe  nicht  entziftem  kann,  werden  in  obigem 
fWerke  vorgeführt  und  durch  einen  Sehinsnel  in  J>ruekschrift  erkl&rt. 

Präparation  zu  den  russischen  übungsstQcken  '^JmMJim\S!Z^ 

der  russischen  Sprache.    Von  Gymn.-Lehrer  Pirrss.     2  Teile  (einzeln  käuflich;  u  ^K  2.So. 

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Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Brückner  in  Beriiu. 
Druck  von  Breitkopf  i:  Härtel  in  Leipzig. 


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ÄCHIV 

.      FÜR 


E  PHILOLOGIE. 


UNTER  MITWIRKUNG 

VON 

A.  BRÜCKNER,     J.  GEBAÜER,    C.  JIRECEK, 

BSBLIN,  PBAQ,  WIEN« 

A.LESKIEN,   W.NEHRIN6,    ST.  NOVAKOVIC,    A.  WESSELOFSKY, 

LEIPZIG,  BBESLAU,  BELGRAD,  ST.  PBTEBSBUBG, 

HERAUSGEOEBEN 
VON 


V.   JAGiC. 


EINÜNDZWANZIGSTER  BAND 

DRITTES  UND  VIERTES  HEFT. 


^» 


BERLIN  1899 

WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG. 

B  W.  ZIMMEBSTRASSE  94. 

8T.  PETSBBBUBO,  A.  DEYBIEMT. 


INHALT. 


Abhandlungen.  8«ite 

Untersuchungen  Über  Betonungs-  und  QuantitfttsverhältniBBe  in  den  slaTisohen 

Sprachen,  von  A.  Leskien •   .   •  321 

Beiträge  zur  ragusanischen  Literaturgeschichte,  von  Const.  Jirecek 399 

Die  oyrillisolie  Inschrift  Tom  Jahre  993,  yon  Const.  Jirecek  und  V.  Jagi6  •  543 

Wer  war  Pseudodemetiius  L?  von  Eugen  i^cepkin 558 

Kritischer  Anzeiger. 

V.  N.  Zlatarski^s  Abhandlungen  zur  bulgarischen  Geschichte,  erschienen  in 
Sbomik  XIII.  und  ZV.,  in  Periodicesko  ßpisanie  Heft  54  und  Bilgarski 
pregled  lY,  3,  angezeigt  von  Prof.  C.  Jirecek 607 

Monumente  hiitorico-juridica  Slavorum  meridionalium  Vol.  VI.  Acta  croatioa 
(lllu — 1499),  herausgegeben  von  Dr.  Büro  Surmin,  angezeigt  von  Prof. 
C.  Jirecek ^.   .   .  617 

Theodori  Ducae  Lascaris  epiatolae  ed.  N.  Feste,  angezei^  von  Prof.  Jirecek  .  622 

Mohammedanische  Heldenheder.  Red.  von  Luka  Mar)anoyi(5,  herausgegeben 
von  der  »Matica  hrvateka«  (Band  III  der  Sammlung  »Hrvateke  narodne 
pjesme«),  angezeigt  von  V.  Jagiö 626 

L^£vang61iare  slavon  de  Reims,  par  Louis  Leger,  angezeigt  von  V.  Jagid  .   .   .  635 

Kleine  Mittheilungen. 

Zu  Menoetid,  von  A.  Leskien 637 

Zur  Bibliographie  apokrypher  Gebete  von  St.  Stanojevid 638 

Ein  serbokroatisches  Wörterverzeichnis  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderte,  von 

Milan  Pajk 639 

Alle  Einsendungen  für  das  »Archiv  fax  slavische  Philologie i  sind 
an  mich  nach  Wien  YIII.  Kochgasse  15,  zu  richten. 

Y.  Jagic. 

Das  Archiv  fiii  slavische  Philologie  erscheint  in  Heften  zu  10  Bogen 
oder  Doppelheften  zu  20  Bogen,  je  vier  Hefte  bilden  einen  Jahrgang. 
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Die  ersten  12  Bände  sind  zum  ermäßigten  Preise  von  180  •#  (bls- 
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Verlag  der  Weidmsnnschen  Bnchhandlnng  in  Berlin. 

Soeben  ist  erschienen: 

GOETHES  FAUST 

ZBDGIISSE  UID  EICDIISB  Vi  SEHER  BITSTEBDIGSGESCBIGBTE 

VON 

OTTO  PNIOWER. 

gr.  80.     fX  u.  308  S.)    7  Mark. 


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üntersnchimgeii  über  Betonnngs-  nnd  QnantitätB- 
YerMltnisse  in  den  slayischen  Sprachen. 


L    Das  Yerhältnlss  der  serbischen  nnd  slorenischen 

Betonung. 

Es  war  meine  Absicht,  den  folgenden  Untersuchungen  eine 
vergleichende  Darstellung  der  slovenischen  und  serbischen  Ton- 
qualitäten auf  Grund  der  Arbeiten  von  Skrabec,  der  von  Valjavec 
(Rad  jugosl.  Akad.  43  fg.)  und  des  Wörterbuchs  von  Pletersnik 
Toranzuschicken.  Mein  Manuskript  lag  druckfertig  da,  als  mir  im 
Rad  132  (1897)  die  Abhandlung  von  Valjavec,  Glavne  tocke  o  na- 
fflasu  knjizevne  alovemtine^  zuging.  Sie  enthält  in  den  Hauptsachen 
alles,  was  ich  herausgebracht  hatte,  und  da  sie  das  Slovenische 
ausführlich  behandelt,  über  diese  Sprache  weit  mehr,  als  ich  bieten 
wollte.  Ich  lasse  daher  meine  Arbeit  ungedruckt  und  gebe  nur  ein 
Resultat,  das  mir  fttr  gewisse  Theile  dieser  Untersuchungen  wich- 
tig ist. 

Nach  der  heutigen  serbischen  Betonungsweise  kann  steigen- 
der Ton  bei  kurzer  Silbe  nur  stattfinden,  wenn  diese  den  sekun- 
dären, zurückgezogenen  Hochton  trägt,  z.  B.  vbda^  iina.  Dagegen 
haben  alle  mit  ""  betonten,  also  den  ursprünglichen  Hochton  be- 
wahrenden kurzen  Silben  fallenden  Ton,  einerlei  ob  die  Kürze  ur- 
sprünglich ist,  wie  z.  B.  gen.  bdffOy  fem.  koza,  oder  ob  sie  aus  einer 
ursprünglich  steigend  betonten  Länge  durch  Verkürzung  entstan- 
den ist,  z.  B.  krävay  pj^na.  Zieht  man  aber  das  Slovenische  hinzu, 
so  zeigt  sich,  dass  diese  Gleichförmigkeit  nicht  ursprünglich  ist, 
sondern  dass  es  einst  unter  ursprünglichem  Hochton  auch  steigend 
betonte  Kürzen  neben  fallend  betonten  gab. 

Die  Vergleichung  des  Serbischen  ergibt  mit  dem  nothwendigen 
Zusatz,  dass  im  Slovenischen  jede  hochbetonte  Silbe,  die  nicht  End- 
silbe des  Wortes  ist,  gedehnt  werden  muss : 

ArcbiT  fttr  •Urisch«  PUlologia.  ZXI.  21 


322  A.  Leskien, 

I.  Slovenischer  fallender  Ton  entspricht: 

1 .  serbischem  fallenden  Ton  bei  ursprünglich  langer  Silbe^ 
z.  B.  slov.  glas  gen.  gla^a  serb.  glas  glasa^  slOY.  breg  brega 
serb.  brijeg  brijega,  slov.  dob  doba  serb.  düb  düba. 

2.  in  bestimmten  Fällen  serbischem  "^  auf  ursprünglich  kurzer 
Silbe,  z.  B.  slov.  bdga  gen.  (mit  Umspringen  des  Hochtons 
bogä)  serb.  boga^  Ao\,pdlje  (mit  Umspringen />o^ 6 )  serb. 
polj'e. 

II.  Slovenischer  steigender  Ton  entspricht: 

1.  serbischem  steigenden  Ton,  wenn  beide  Sprachen  den 
ursprünglichen  Hochton  um  eine  Stelle  zurückgezogen 
haben : 

a.  bei  langer  Silbe,  in  beiden  Sprachen  z.  B.  dnia^  krilo. 

b.  bei  ursprünglich  kurzer  Silbe,  z.  B.  slov.  gora  serb.  gdra^ 

slov.  vöda  serb.  vdda. 

2.  serbischer  fallender  Kürze  ("")  bei  bewahrtem  ursprüng- 
lichem Hochton : 

a.  wo  im  Serbischen  eine  ursprünglich  steigende  Länge 

verkürzt  ist,  z.  B.  slov.  kräva  serb.  kräva^  slov.  pena 
serb.  pßna. 

b.  in  bestimmten  Fällen  bei  ursprünglicher  Kürze,  z.  B. 

slov.  köra  serb.  kora. 

Der  springende  Punkt  ist  hier  das  Verhältniss  von  I.  2.  und 
II.2.b.,  der  Umstand,  dass  Silben,  die  im  Serbischen  ganz  gleich 
betont  sind,  bdga  kdra,  im  Slo venischen  verschiedene  Tonqualitäten 
haben :  boga  köra.  Nach  den  übrigen  Entsprechungen  des  Slove- 
nischen  und  Serbischen  kann  daraus  nur  der  Schluss  gezogen  wer- 
den, dass  einst  die  Kürze  in  bdga  fallend,  die  Kürze  in  ^ra  stei- 
gend betont  war.  Für  alle  Einzelheiten  verweise  ich  auf  die  Arbeit 
von  Valjavec. 

Bei  der  folgenden  Anwendung  des  Slovenischen  brauche  ich 
in  Uebereinstimmung  mit  dem  Wörterbuch  und  der  genannten  Ab- 
handlung von  Valjavec  für  den  fallenden  Ton  ",  für  den  steigen- 
den ^j  für  betonte  Kürzen  ^ ;  unberücksichtigt  lasse  ich  die  zur 
Bezeichnung  verschiedener  Nuancen  von  o  e  verwendeten  diakriti- 
schen Zeichen  unter  diesen  Buchstaben,  da  die  Unterscheidungen 
für  meinen  Zweck  nicht  wesentlich  sind. 


Untersuch,  üb.  Betonunga-  a.  QuantitätsverhältniBse  in  den  slav.  Spr.  323 

In  manchen  einzelnen  Anfstellnngen,  namentlich  wo  es  sich 
um  Verschiebnngen  eines  ursprünglichen  Hochtons  handelt,  weiche 
ich  TonYaljayec's  Benrtheilung  der  Verhältnisse  ab  und  werde  das 
s.  Z.  hervorheben. 

n.  Terkflrzmigen  nrsprflngllch  langer  Silben  Tor  gewissen 

SnfBxen  im  Serbischen. 

Bei  zweisilbigen  Stämmen  mit  ursprünglich  langer  erster 
Silbe  (Wurzelsilbe)  gilt  im  Serbischen  die  Begel:  alte  hochbe« 
tonte  Länge  kann  nur  erhalten  bleiben,  wenn  sie  fallend  betont 
war,  ist  dagegen  verkürzt,  wenn  sie  steigenden  Ton  hatte.  Ganz 
allgemein  gilt  femer  der  Satz :  alte  unbetonte  Länge  kann  nur 
bewahrt  werden,  1.  wenn  sie  eine  Stelle  vor  der  alten  Hochton- 
stelle lag  (also  jetzt  mit '  betont  ist),  weiter  zurückliegend  ist  sie 
nothwendig  kurz;  2.  wenn  sie  nach  der  alten  Hochtonsilbe  stand 
(vgl.  meine  »Untersuchungen  über  Quantität  und  Betonung«,  Ab- 
handlungen der  E.  Sachs.  Ges.  d.  W.  phil.-hist.  Gl.  B.  X  u.  XHI). 

Die  sogenannten  sekundären,  mehrsilbigen  Nominalbildungen 
zeigen  nun  eine  Menge  Verkürzungen  ursprünglich  langer  Silben 
auch  da,  wo  man  nach  Massgabe  der  zu  Grunde  liegenden  Worte 
und  mit  Berücksichtigung  der  angegebenen  Regeln  die  Erhaltung 
der  Länge  erwarten  möchte.  Man  wird  die  Frage  aufwerfen 
müssen,  warum  es  z.  B.  hrhzina  zu  Wljeg  (=  hreg)^  grädlite  zu 
^roJheisst,  obwohl  keiner  heutigen  serbischen  Regel  eine  Quantität 
und  Betonung  wie  *br%j^zina  (*briima)y  *gräd%ste  vriderspräche. 

Es  ist  wohl  kaum  bis  jetzt  genügend  hervorgehoben,  dass  im 
Serbischen  eine  sehr  grosse  Anzahl  von  Nominalsuffixen  in  den 
Silben  vorher  keine  Länge  verträgt.  Die  mit  dem  Yerbum  eng  ver- 
bundenen Nominalbildungen,  Participia  und  Infinitiv,  schliesse  ich 
hier  ganz  aus,  da  sie  nur  in  Zusammenhang  mit  dem  Yerbum  ge- 
nügend behandelt  werden  können.  Auf  die  übrigen  Fälle  habe 
ich  im  einzelnen  in  den  »Untersuchungen  ff  LA.  (Bd.X)  aufmerk- 
sam gemacht,  aber  nicht  den  Zusammenhang  hergestellt. 

Die  herkömmliche  Eintheilung  in  primäre  Bildungen,  d.h. Ab- 
leitungen von  einem  als  Wurzel  angesehenen  Element  oder  von 
einem  beliebigen  Yerbalstamm,  und  sekundären,  d.  h.  Ableitungen 
aus  Nominal-,  Numeral-,  Pronominalstämmen,  die  in  der  Sprache 

21* 


324  A.  Leskien, 

vorliegen  oder  yoransgesetzt  werden  dürfen,  ist  ja  sehr  unvoll- 
kommen. Gleiche  Suffixe  werden  zu  Ableitungen  der  einen  wie 
der  andern  Glasse  gebraucht.  Da  es  sich  mir  nicht  um  diese 
Classen,  sondern  um  die  Wirkung  gewisser  Lautcomplexe  handelt, 
werde  ich  anders  verfahren  und  die  Bildungen  eintheilen  in  solche 
mit  leichten  und  mit  schweren  Suffixen,  und  nenne  schwer  alle 
zweisilbigen  Suffixe  mit  vollem  Vocal  der  ersten  Silbe,  d.  h.  alle, 
die  in  dieser  Silbe  nicht  %  oder  h  hatten.  Auch  was  bei  einer  Ab- 
leitang  als  Stamm,  was  als  Suffix  anzusehen  sei,  anders  ausge- 
drückt, mit  welchem  Laute  das  Suffix  beginne,  kann  streitig  sein. 
Suffixe  führen  ja  ausserhalb  der  mit  ihnen  gebildeten  Worte  kein 
selbständiges  Leben,  abgesehen  von  jungen,  noch  als  Zusammen- 
setzung erkennbaren  Bildungen,  wie  etwa  den  deutschen  mit  -loSy 
deren  zweiter  Theil  noch  als  selbständiges  Wort  besteht.  Ich  ver- 
stehe hier,  wenn  es  sich  um  Ableitungen  von  nicht  verbalen 
Elementen  handelt,  unter  Suffix  den  Lautcomplex,  der  nach  dem 
letzten  Gonsonanten  des  zu  Grunde  liegenden  Wortes  steht^  nehme 
also  z.  B.  in  Zlätoje  als  Suffix  -oje,  obwohl  das  Grundwort  den 
Stamm  zlato-  hat.  Natürlich  geht  die  Bechnang  nicht  ganz  glatt 
auf,  da  es  Worte  geben  kann,  in  denen  dem  Suffix  ein  vocaUsch 
auslautendes  Element  vorangeht ;  sie  sind  selten  und  machen  keine 
Schwierigkeit,  da  als  Suffix  einfach  das  betrachtet  werden  mass, 
was  die  Sprache  nach  Gonsonanten  so  anwendet.  Bei  Ableitun- 
gen von  Verben  ist  als  Stamm  anzusehen  der  sogen.  Infinitiv- 
stamm desVerbums,  also  was  übrig  bleibt,  wenn  man  die  Infinitiv- 
endung  -^t  abschneidet ;  hier  kann  es  jedoch  vorkommen,  dass  der 
letzte  Vocal  eines  solchen  Stammes  als  znm  Suffix  gehörig  empfan- 
den wird.  Das  alles  sieht  sehr  mechanisch  aus  und  ist  es  auch, 
aber  die  lebendige  Sprache  verfährt  eben  so,  wie  sie  z.  B.  auch  in 
der  DecUnation  nur  consonantische  Stämme  kennt,  d.  h.  als  Gasus- 
endung  alles  empfindet,  was  nach  dem  letzten  Gonsonanten  des 
Wortes  steht,  mag  unsere  etymologische  Analyse  die  Trennung 
auch  ganz  anderswo  machen. 

Von  den  Verkürzungen  ist  die  selbstverständlich,  die  unter 
die  oben  gegebene  Regel  1  fällt,  alle  solche  Fälle  können  also  hier 
übergangen  werden,  z.  B.  gen.jundka  =  *junäkäy  vratära  =  *rra- 
förÄ,  nom.  jünäk  =  urspr.  *junäln>^  vrätär  =  urspr.  *vratarh.  Auch 
eine  bestimmte  Art  von  Länge,  die  sekundäre  Dehnung  vor  r,  /,  m, 


Untersuch,  üb.  Betonungs-  u.  QaAntitKtsverhSltnisse  in  den  slav.  Spr.   825 

n^j\  V  -^  Cohb.  und  bei  Ausfall  von  t>  {gräblje  zu  grUb)  kommt  bier^ 
wo  es  sich  nur  um  alte  Längen  handelt^  nicht  in  Betracht 

.  Man  kann  nun  als  Grundregel  aufstellen,  dass  schwere  Suf- 
fixe keine  Länge  vor  sich  dulden.  Bei  der  Besprechung  der 
einzelnen  Fälle  gebe  ich  nur  je  einige  Beispiele,  verweise  im  Uebrigen 
auf  die  oben  genannten  9 Untersuchungen c  L  A.  (citirt  als  U,  mit 
Nummer)  und  auf  Daniele,  Osnove  (DO,  mit  Seitenzahl).  Die  Beispiele 
sind  womöglich  so  gewählt,  dass  der  Ableitung  ein  Grundwort  mit 
langem  Vocal  gegenttbergestellt  werden  konnte,  denn  wenn  das 
Grundwort  schon  Kürze  hat,  kann  man  immer  das  Bedenken  haben, 
die  Ableitung  möge  einfach  von  ihrem  Grundworte  abhängig  sein. 

-sy  msc,  gen.  -ö/a  (U 1,  DO  71),  z.  B.  närucäj :  ruka^  beson- 
ders anschaulich /7o^j9aiä;' :  pas^  das  BXJApojas  contrahirt  ist. 

-aja  f.  (U  1,  DO  72),  z.  B.  prekaja  :  pryek. 

-ava  f.  (U  4,  DO  85),  z.  B.  dübrava  :  düb  (=  dqb^),  krivnjava : 
kriviti  krtvlm  se. 

-är  msc,  g.  -ära  (ü  12,  DO  1 14).  Die  Fälle  wie  zlätär  zlatdra 
(=  *zlaiärä),  die  ausserordentlich  zahlreich  sind,  fallen  unter  das  Ge- 
setz 1,  die  Kürzungsregel  ist  aber  allgemein,  z.  B.  bünistär :  bünlite^ 
ddiacür  (neben  odzäcär)  :  ddzäk. 

-ara  f.  (ü  10,  DO  108),  z.  B.  zläiara  (vgl.  zlätär)  :  zläiOj  svir 
lara  :  svüa^  sträzara  :  sträia,  sjenara  :  si/eno,  crepara  :  crijepf 
trävara  :  trdva^  vräcara  (f.  zu  vräcär). 

"älj  msc,  g.  -ä/;a  (U  15  a,  DO  130),  z.  B.  küsälj  :  käs  f.  küsa, 

-an  msc.  (mit  festem  a,  U  18,  DO  138),  fem.  -ana,  fast  durch- 
weg Eigennamen,  z.  B.  Vükan  :  vük^  Drägan  :  drag  fem.  drdga, 
Dusan  :  düSay  zvjezdan  :  zvifezda,  zlätan  :  zlato ;  ist  das  Suffix  un- 
betont, so  lautet  es  -an^  die  Kürzungsregel  ist  dieselbe,  z.B.  ^ivün : 
ziv  fem.  ziva^  kümän  :  küm.  Feminina  z.  B.  Vükatiaj  Zivanaj 
ZvjdzdanUj  Cvj'eiana  :  cvijet,  Frauenname  CvifHa^  güjana  :  güja. 

-^h^n^J  deminuirte  Adjektiva,  serb.  -ahan,  mit  Verlust  des  h 
-an,  kann  hier  eingerechnet  werden,  weil  das  erste  a  fest  ist  (DO 
142),  z.  B.  pünahan  g.  pünahna,  pttnan  :  pün,  bljMjan  :  bFijed  fem. 
bli/eda,  mlädjahan,  mlädjan  :  mlad  fem.m/oc^a,  SSdjan :  vgl.  iSdan. 

-Jan  (=  -A3*;  U  20,  DO  147),  Adj.,  z.  B.  liizan  :  lug  g.  lüga, 
snfezan  :  sritjeg^  sfircan  :  sijerak^  irnjan  :  tfn, 

-at  (U  28,  DO  212),  Adj.,  z.  B.  brädat :  bräda^  glävat :  gldva, 
zübat  :  zübj  krilat :  krihy  dugülj'at :  dügülj. 


326  A.  Leskien, 

-asty  Adj.  (U  29,  DO  213),  z.  B.  tvßzdast :  zvijizda,  krilast : 
krilo^  cvßtaat :  cpijetj  püsast  ipäe  [winpojas)^  prütast  \prütj  M- 
»a8t :  küs  fem.  kuaa^  golMast :  gälüb,  pastüiaat  ipästüh  g.ptutüha. 

-aöi  (bestimmte  Form ;  DO  240),  A^j^,  z.  B.  spävaöi :  spdtati^ 
cjelivadi :  cjelivati. 

-äd  f.  (i-Stämme;  U  38,  DO  258),  z.  B.  vücäd :  vük,  zvfirud  : 
zvijer. 

-ata  f.  (U  50,  DO  348),  z.  B.  pokrivaca  :  pokrivatiy  udävaca  : 
uddvaUy  bjdlaca :  bto  fem.  hijSIa^  krivaca  :  kriv  fem.  £rtt>a,  slänaca : 
«/an  fem.  «/4na,  suvaca  :  «äA  fem.  «uAa  (suva) .  Die  Mascalina  auf 
-äo  g.  -^a  (U  50)  haben  alle  Endbetonung,  die  Kürze  daher  nach  1. 

-aj  msc.  (U  52,  DO  358),  z.  B.  bßläi  :  ilio  fem.  i«>Wa,  krtläi  : 
£rt/o. 

-ao,  Adj.  (U  5,  DO  86),  mit  Ausnahme  der  drei  Worte  vämicav : 
vdmicay  gronicav :  gronicay  mätemicav :  mätemica  geht  die  Etlrzung 
ganz  durch,  z.  B.  gizdav  :  gizda,  gtibav  :  ^/f  i,  tr^njav  :  ^rän,  ^ärao : 
gär^  metiljav  :  m^ülj  g.  metüja. 

-äk  msc.  (U  40,  DO  262),  z.  B.  nUMjäk  :  mlad  fem.  m/a^, 
Ä;l[;aA;;  die  geringfügigen  Ausnahmen  sind  a.  0.  verzeichnet.  Zum 
Femininum  -a^a  vgl.  divljaka  :  div^ak  g.  divljdka. 

-men  msc,  -mc  (=  mq)  ntr.  (U  9,  DO  101,  103),  z.  B.  ^men, 
pl&men  {=*polfnenh)j  jlicmen  {=jqcbmenf>);  brhne  {=*bermq], 
vime  {=f)tfmq),  sßme  (=«em^).  Der  Nominativ  x>nj^e(^^*vermq) 
zu  gen.  vrhnena  unterliegt  einem  auch  sonst  (s.  u.  -qt-)  zu  be* 
obachtenden  Wechsel. 

-men^  Adj.  (DO  102),  z.  B.  stämen  fest  (vgl.  den  Eigennamen 
Si&mena). 

-el,  Adj.  (DO  125),  kiseo  (=  kgseh). 

-en  msc.  (DO  143, 191),  z.  Th.  alte  consonantische  Stämme, 
z.  B.jäsen  g.j&sena,  Vitcen  :  vük, 

-en,  Adj.  (U  19,  DO  144),  z.  B.  Ti«««  (=  Ißsen)  :  Ay««,  w?&n 
[^vüen]  :  «9i2a,  vi &ni  :  vüa ;  «Mn^n  :  ^£no ;  kUtvem  :  kletva,  tä» 
den  :  lud  fem.  /ucja,  hrUbren  :  hräbar  fem.  Araira. 

-etf  -ot  msc.  (U  30,  DO  217),  z.  B.  ^^oS^^^  :  zv^k^j  tr&set :  iriati 
tresem  (=  tr^s-). 

"ielj  msc. ;  das  Suffix  (U  36,  DO  248)  erscheint  ausser  in  vBs- 
tefy'  und  prljaUlj  thatsächlich  nur  als  '-iielj  und  t  ist  mit  zum  Suffix 


Untersach.  üb.  BetonnngB-  n.  Qnantit&tsyerhältniBBe  in  den  slav.  Spr.  327 

empfandeii,  z.B.  stkütelj  \  svetitij  hranitey  :  hränitiy  späsiteif : 
spästi  spdsem. 

-etGj  masc.  Personennamen  femininaler  Fonn  (DO  254),  z.  B. 
VJMeiay  Dräieta  :  dräff  fem.  dräga^  Vüceta  :  vük.  Wo  eine  Länge 
steht,  z.  B.  Vüjietay  beniht  sie  anf  Wirkung  der  bekannten  Con- 
sonantenyerbindangen. 

~ei  msc,  ^ia  f.  (DO  360),  z.  B.  Vränei^  f.  vränesa  :  trän  fem. 
vräna^  CrrübeSa  (bei  DO  Orübeäa)  :  grub  fem.  grüba\  ridjeia  :  ridj 
fem.  rt£(;a. 

-^^  serb.  -et-  (nom.  -e;  U37,  DO  249)  ntr.;  ttber  die  spätere 
Ansdehnnng  dieses  nrsprttnglich  in  der  Anwendung  sehr  beschränk- 
ten Suffixes  s.  »Untersuchungenc  C.  (Abhandl.  B.  XIII,  S.  608  = 
82) .  Bemerkenswerth  ist,  dass  die  altererbten  Bildungen  die  Wur- 
zelsilbe kurz  haben,  abgesehen  vom  Nominativ,  ich  gebe  daher  den 
Oenitir:  dvizeta  (nom.  dvize)^  idribeta  (idrijebe),  präaeta  (präse)^ 
kljüseia  (kljüse),  jüneta  (Jüne)^  zvjdreia  [zvijh'e)^  d/eteta  (difSte). 
Die  späteren  Ableitungen,  deren  -^^  meist  mit  anderen  Deminutiv- 
suffixen  verbunden  ist,  folgen  einfach  den  Qaantitätsverhältnissen 
des  Grundwortes. 

-ivo  ntr.  (U  7,  DO  94),  z.  B.  pr'Sdivo  :  prSstipredem  (=  pr^) , 
väfivo  :  vdriti. 

-iva  f.  (U  7,  DO  94),  stätiva. 

-ivj  'Ifivj  Adj.  (U  8,  DO  94),  mit  zwei  Ausnahmen,  dsorslßv^ 
svojffßvy  geht  die  Kürze  durch,  z.  B.j'izw  :jeza,  liiäßv  ;  rUq;  g. 
rUäj'aj  ffuaärljiv :  gitsär  g.  güsära,  evräbl/iv :  wräb,  smjei^w :  sniijek, 

-^njl  (bestimmte  Form),  poss.  Adj.  (DO  196),  z.  B.  golubinjl : 
goluby  güjinjl :  güja^  mrävinji  :  mräv. 

-♦7,  Adj.  (U  31,  DO  219),  z.B. glävit :  gläva,  rßcit :  ryeb,  glär 
nt :  gläs^  usärii :  üsar  g.  usära^  Ijutit :  ^üt  fem.  Ijüta. 

-tk  msc.  (U  41,  DO  271] ;  die  Kürzung  geht  ganz  durch,  bedarf 
aber  hier  keiner  näheren  Besprechung,  weil  die  in  Betracht  kom- 
menden Beispiele  alle  Endbetonung  haben,  daher  unter  das  Gre- 
setz  1  fallen.  —  Femininum  -ika  (U  42,  DO  276),  z.  B.  mlßcika  : 
tnlijekOj  prtUUka  :  prüd  g.  prüda^  bjelika  :  b'io  fem.  ftyWa,  mlädika : 
nUad  fem.  mläda^  muhärika  :  mähär. 

-ii  msc.  g.  -lia  und  fem.  -tia  (U  54,  DO  361),  z.  B.  nemarti  : 
nhnär\  hvälüa  (Prahler)  :  hvdla,  hmliti. 

-in  msc.  (U  21  Anhang,  DO  148);  die  Kürzungsregel  liegt 


328  A.  LeskieD, 

-liegt  deutlich  vor  z.  B.  in  Vüj'in  :  Vüjo^  Miläün :  niilaif  tMjin  : 
tüdj  fem.  tvdja^  Cvjetäiin  n.  8.  w.,  mit  zwei  drei  Ausnahmen,  z.B. 
Cvyeiin  :  cvijetj  wo  Anschluss  an  das  Grundwort  stattfindet. 

'ina  f.  (ü  22,  DO  152).  Die  Abstracta  von  Adjektiven  (U  S.  106 
=  38),  z.  B.  hjeVma  :  ^io  bij'dla,  können  hier  ausser  Betracht  blei- 
ben, da  sie  fast  durchweg  alte  Endbetonung  zeigen ,  daher  noth- 
wendig  die  Silben  vor  dem  Suffix  kurz  haben  mtlssen.  Ganz  deutlich 
zeigen  die  Kürzung  die  Augmentativa  u.s.w.,  z.B.  breiina  :  brijeg^ 
vücina  :  vük^  düsina  :  düSa,  rücina  :  ruka^  mesina  :  meso^  srMina  : 
srij^da,  njemcina  :  ntjemaCf  obläcina  :  obläk^  junacina  ijüriäk  g. 
junäka^  Ijekärina  :  Ijkkar  g.  Ijekära^  pasürina  ipäsfir  g.  pastira. 
Die  Ausnahmen  beruhen,  wie  a.  0.  S.  102  =  34  gezeigt  ist,  auf  der 
Dehnung  vor  den  bekannten  Gonsonantengruppen. 

'inja  f.  {=-ym\  -yna;  U  27,  DO  196).  Die  wenigen  erhaltenen 
alten  Abstracta  mit  dieser  einfachen  Form  des  Suffixes :  grdinja^ 
püstin/uy  svStinja,  haben  Länge  der  Wurzelsilbe ;  man  kann  hier 
nicht  entscheiden,  ob  urprüngliche  Verhältnisse  vorliegen  oder  ein 
Anschluss  an  grdan  (grditi),  pust,  svet  Auch  zur  Bildung  femini- 
naler  Personenbezeichnungen  ist  es  im  Serbischen  nur  noch  ver- 
einzelt vorhanden,  die  Kürze  vor  dem  Suffix  geht  durch,  vgl.  kne- 
ginj'a  (=  kbn^gyni)^  vlähinja  :  vl&h^  fürkinja  :  türcin  pl.  türci. 
Lebendig  ist  das  Suffix  in  der  Verbindung  -kiiija^  d.  h.  entstanden 
aus  der  Anfügung  von  -inja  an  Feminina  auf  -ka.  Es  ist  von  vorn- 
herein zu  erwarten,  dass  hier  einfach  Anschluss  an  das  Grundwort 
stattfindet;  Spuren  von  Kürzungen  finden  sich  aber  auch  hier,  so 
Sremkinja :  Srtjemka  :  Srljem  g.  Srijdma  (Syrmien) ;  und  ganz  aus- 
nahmslos muss  gekürzt  werden^  wenn  mit  -inJa  Weiterbildungen 
von  Masculinen  auf  -äk  g.  -ä^a  vorgenommen  werden,  z.  B.  Bohijar- 
kinja  :  Bbsnjäk  g.  Bosnjäka,  zemljäkinja  :  zhmljak  g.  zemlfdka, 
prostäkin/a  :  prbstäk  g.  prostdka. 

"ic,  msc.  Deminutiva  (U  34,  DO  231).  Die  a.  0.  gegebenen 
Vergleiche  zeigen  deutlich  die  allgemeine  Kürzungsregel,  z.  B. 
vjdnctö  :  vij'dnac,  güjiö  :  güja,  djäciö  :  dj'äkj  zdrepctö  :  idrijebctc^ 
kräljiö  :  kralj  g.  krälj'a^  grädid  :  gräd^  listiö :  list,  müziö  :  müz,  krü- 
iiö  :  krugj  junäctö  ijünäk  g.junäka, 

-ica  f.  (Ü48,  DO  313);  bei  allen  Alten  von  Ableitungen,  aus- 
genommen die  von  /-Participien  (ü  S.  185  =  117),  wo  die  Verhält- 
nisse des  Grundwortes  festgehalten  werden,  findet  regelmässig 


Untersuch,  üb.  Betonangs-  u.  QuantitätsverhlUtniBse  in  den  slav.  Spr.  329 

Verkürzung  statt,  z.  B.  brädica  :  hräda^  glävica  :  ffläva,  rucica  : 
rüia^  cestica  oder  cistica  :  cest^  vücica  :  vuk,  bjiliea  :  Vio  f.  bi/ela, 
süHca  :  aüh  f.  mha\  lopärica  :  löpär  g.  lopdra,  vratärica  :  vrätär 
g.  vratdra. 

-dste  ntr.  (U  51,  DO  353),  mit  zwei  drei  Ausnahmen  geht  die 
Kürze  durch,  z.  B.  gärlite  :  gär,  grädiite  :  gräd,  päUHe  :  pdliti. 

-oje^  mse-  Eigennamen  neutraler  Form  (DO  73),  z.  B.  VMoje  : 
tük^  Zl&toje  :  zlätOf  Sridoje  ;  srijdday  CvfUoje  :  cvtj'et. 

"oro,  -ero  (ü  10%  DO  110),  num.,  z.  B.  pl^toro  :pet  {=^p^tb), 
ddsetoro  :  d'iset  (=  desqtt). 

-ota  (ü  30,  DO  217),  -oöa  f.  (DO  230).  Da  die  Worte  endbetont 
waren,  versteht  sich  die  Kürze  der  Silben  vor  dem  Suffix  von  selbst, 
sie  mögen  aber  erwähnt  werden,  weil  bei  den  wenigen  Fällen  an- 
derer Betonung  die  gleiche  Erscheinung  stattfindet,  z.  B.  Ijepota  : 
lijep  fem.  lijdpa,  vr&nota  :  vrän  fem.  vrd?ia,  räbota. 

"Osa  f.  (DO  360),  z.  B.  krilosa  :  hrüo^  cvJHoäa  :  cvij'et.  Aus- 
nahme macht  roffoiaj  angeschlossen  an  den  nom.  rog  (g.  rdga). 

-öo  Adj.  (U  6,  DO  92) .  Die  Masse  dieser  lebendigen  Bildungen 
ist  ganz  abhängig  von  den  Quantitäten  der  Grundworte,  allein  es 
ist  doch  bemerkenswerth,  dass  eine  Anzahl  alter  Bildungen  (s.  U 
S.  84  =  1 6)  die  Kürzung  hat,  z.  B.  dübov  :  düb,  vinov  :  vino,  Ijes- 
kov  :  lijdskaj  lücev  :  lue  g.  lüca^  müzev  :  müz ;  an  sich  könnte  ein 
*dübov  ganz  ebensogut  bestehen,  wie  z.  B.  sladünov  zu  slädün  g. 
sladüna.  Zu  vergleichen  ist  hier  auch  das  Doppelsuffix  ^ovtm^ 
serb.  -ovan  fem.  -ovna  (US.  115  =  47),  wo  regelmässig  die  voran- 
gehende Silbe  kurz  ist,  z.  B.  vitövan  :  vilüy  vrätövan  :  vrät,  südö^ 
van  :  süd,  düsevan  :  dü&a. 

"ür  g.  -tcra  msc,  fem. -^ra  (Uli,  DO  112),  die Masculina sind 
vereinzelt,  mfdhür  :  nii/ehy  häufiger  die  Feminina,  z.  B.  glävura  : 
gldva. 

-ul  msc,  fem.  -^la  (U14*,  DO  126)  nur  ein  Paar  Eigennamen, 
z.  B.  RMuly  Däncul  [a  wegen  -nc-) ;  BMtda. 

-ulja  f.  (U  17,  DO  132),  z.  B.  plävulja  :  pläv  fem.  pläva,  kü- 
sidja  :  küs  fem.  küsa^  pjdskulja  ipij^sakj  cr^ülj'a  :  crijep. 

-U7>  g.-üna  msc.  (U24,  DO  173),  z.B. slMün,  Vlädün;  ebenso 
das  fem.  --una. 

-^k  g.  -aka  msc,  fem.  -^uka  (DO  278),  seltene  Worte,  zvizdük, 
JUilukuj  Mäduka. 


330  A.  LeBkien, 

-uda  f.  (U  53,  DO  361),  z.  B.  pjiskuia  ipi/isak^  povrätuia  : 
p&prät^  govedäruia  :  govddär  g,  govedära^  seljäkuia  :  siljäk  g. 
sefyaka. 

-üff  g.  -^ffa  msc.  (U  56,  DO  367),  seltene  Worte,  bjliUig  :  Sio 
bij'dla;  häufiger  das  femininale  -^uga^  z.  B.  IjHuga. 

Dazu  kommen  noch  einige  an  sich  leichte  Suffixe,  die  den  Cha- 
rakter von  schweren  annehmen,  indem  der  letzte  Vocal  des  zu 
Grunde  liegenden  Yerbalstammes  dazugezogen  wird : 

-/o  [=^lo  oder-/o,  die  Formen  sind  nicht  immer  sicher  scheid- 
bar) ntr.  (U  14,  DO  122).  Es  muss  hier  unterschieden  werden  zwi- 
schen Bildungen,  die  von  einer  einsilbigen  Wurzel,  und  solchen, 
die  von  mehrsilbigen  Verbalstämmen  auf  -^  und  -a-  herkommen. 
Die  ersten  haben  eine  ursprünglich  lange  Wurzelsilbe  kurz,  wenn 
sie  den  Hochton  trägt:  Vih^  grlo^  dßlo^  ddjelo,  kliloj  niHo^  pilo, 
rUloy  rilo,  filoy  jUlo,  m&slo ;  behalten  sie  lang  bei  alter  Endbetonung: 
odij^lo^  zdrtjdloj  zdrlo^  krilo,  opij^lo^  trlo,  Uglo  (hg-\  poreldo 
[^zrSk-j  vgl.  podrif€Üo)y  prtiglo,  prSlo,  sijilo,  rasülo,  povrijdslo  und 
rijdslo]  bei  ursprünglich  kurzem  Wurzelvocal  bleibt  die  Kürze, 
seloy  ogrdbhj  omelo,  veslo^  dazu  stimmt  nicht  stählo  [=i*8tMo)  und 
das  ui^Llare  dibh.  Dagegen  ist  bei  Ableitungen  Yon  Verbalstämmen 
auf  a  und  %  die  Kürze  der  Wurzelsilbe  feste  Regel,  z.  B.  küsalo  : 
küsati,  bj^Uh  :  bijelitu  Es  wurde  schon  U  S.  91  darauf  hingewie- 
sen, dass  die  Kürzung  schlagend  hervortritt  bei  Ableitungen  von 
Iterativstämmen,  z,  B.  pokrlvalo  :  pokrivaii.  Alle  Beispiele  bei 
Yuk  und  Dani6ic  verhalten  sich  so,  ich  habe  aber  auch  von  Serben 
statt  z.  B.  skäkalo  :  skäkati,  sükcdo  :  sükatij  preglbalo  :  pregibati, 
probädalo  :  probädati^  pocivala  :  pocivati  sprechen  hören :  skdkalo, 
sükaloj  pregibalo,probadalOj  pocivalo  u.a.d.  A.  Man  kann  nicht  an- 
nehmen, dass  Yuk  in  all  den  zahlreichen  Fällen  falsch  gehört  oder 
bezeichnet  habe ,  die  Länge  erklärt  sich  aber  leicht  durch  neuen 
Anschluss  an  das  Yerbum. 

Worte  auf  -ba  (U  139,  DO  241 ,  259) ;  die  auf  -oba,  da  sie  alte 
Endbetonung  haben,  müssen  die  Silbe  vorher  kurz  zeigen,  z.B.  ru- 
göba  (vgl.  mit  anderer  Betonung  vereinzelt  ütroba).  Die  Bildungen 
auf  -idboj  theils  von  Yerbalsülmmen  auf  -i-,  theils  von  andern, 
erfordern  Kürze  der  Wurzelsilbe,  z.  B.  bjdlidba  zu  bijelitij  präüdba 
zu  prdsitiy  vezidba  zu  vizati.  Es  scheint  aber,  dass  auch  das  ein- 
fache-ia  (= -f>ia)  dieselbe  Regel  hat,  vgl.  sjedba^  üdadba,  drüiba. 


Untersueh.  üb.  Betonniigs-  u.  QuantitätsyerhSltniBse  in  den  slay.  Spr.  33t 

slüibay  tüzha^  iälba^  tvMba,  dvö/ba^  uredba,  doch  mit  Ausnahmen : 
möba  (sss  molba) ,  kdrba^  svojdba. 

Den  dargelegten  Verhältnissen  gegenüber  gibt  es  nur  eine  ver- 
schwindende Anzahl  schwerer  Suffixe,  die  sich  gegen  die  Quanti- 
täten des  Grundwortes  gleichgiltig  verhalten,  d.  h.  diese  einfach 
belassen : 

-f^  poss.  Adj.,  z.  B.  slügin  :  slüga,  sndHn  :  sndiayVÜin  :  vila^ 
wie  bMin  :  bMa^  mähin  :  snäha  u.  s.  w.  (U  23,  DO  172). 

-est  f.,  z.  B.  drdffdst :  dräg  fem.  dräga^  svitost :  svet  fem.  sveta^ 
wie  niildst :  tnio  fem.  mila;  ganz  vereinzelt  findet  sich  Verkürzung, 
z.  B.  lüdost :  lud  fem.  lüda^  svjMlöst :  svijetao  fem.  svij^Üa  (U  32). 

-anin  msc.  (U  21,  DO  149),  z.  B.  Rimljanin  :  Bitn^  wie  Sfinja- 
nin  :  i^inj\  auch  hier  vereinzelte  Fälle  von  Verkürzung,  väroianin : 
edroif  siräianin  :  sträza,  grddjanin  :  ^rotf . 

-on/a  (U  26,  DO  194)  kann  auch  zu  denen  gerechnet  werden, 
die  der  Quantität  des  Grundwortes  (Hypokoristika)  folgen,  z.  B. 
bälonja :  bäloj  mäconja  :  mäca\  von  anders  gearteten  Worten  z.  B. 

Es  ist  wohl  möglich,  dass  die  erwähnten  Verkürzungen  auch 
hier  auf  eine  alte  Eürzungsregel  deuten,  die  aber  dann  so  durch- 
brochen ist,  dass  man  keinen  Schluss  mehr  darauf  bauen  darf. 

Noch  geringer  ist  die  Zahl  der  schweren  Suffixe,  bei  denen 
die  Wurzelsilbe  lang  bleiben  muss ;  ich  weiss  hierher  mit  Sicher- 
heit nur  das  eine  -ei  (U  57,  DO  368)  zu  ziehen,  vgl.  grdbei^  mdtezy 
mütei,  päleij  trpez  u.  s.  w. ;  die  Ausnahmen  Pädez  (Eigenname)^ 
m&dez  (mlMeij  Mal  am  Körper,  unklarer  Herkunft)  dürften  kaum 
zu  rechnen  sein. 

Endlich  ist  hervorzuheben,  dass  auch  vor  leichten  Suffixen 
Verkürzungen  vorkommen,  aber  nur  in  einem  einzigen  Falle,  der 
Comparativbildung,  consequent,  mag  diese  nun  auf  altem  'jtS" 
oder  altem  -ejhs-  (serb. -yi)  beruhen,  z.  B.  dräg :  dräzl,  ridj:  ridjlj 
hrupan  :  krüpnijl^  tijep  :  Ijl^psi,  itv  :  zivlji^  sküp  :  sküpf/i.  Bei 
andern  (vgl.  ü25-b«*;  DO  82  -ji  poss.  Adj.;  U43,  DO  279  -hkb 
[-^bkh];  U43,  DO  306  -hskö;  DO  241  -tva)  kommen  mehr  oder 
minder  häufig  Verkürzungen  vor,  aber  eine  Regel  ist  nicht  zu  ent 
decken.  Selbst  bei  den  Comparativen  könnte  man  noch  Zweifel 
hegen,  ob  die  Verkürzung  nicht  mit  der  bestimmten  Form,  in  der 
sie  allein  auftreten,  zusammenhange;  es  kommen  in  der  That  solche 


332  A.  Leskien, 

Verkttrziingen ,  wenn  aach  nicht  häufig,  vor,  z.  B.  zu  svet :  sveüj 
cest :  c^süf  kräpan  :  krüpnt,  krdtak  :  krätki.  Mag  das  sich  non 
verhalten,  wie  es  will,  der  Satz,  dass  es  in  der  Sprache  ein  rhyth- 
misches Prinzip  gibt,  nach  dem  vor  schweren  Suffixen  Länge  ver- 
mieden wird,  scheint  mir  genügend  begründet. 

In  den  »Untersuchungen«  C.  (Abh.  Bd.  XIII,  S.  579  fg.)  ist 
das  Yerhältniss  von  Betonung  und  Quantität  in  den  stammbilden- 
den Suffixen  behandelt.  Das  Resultat  lässt  sich  so  zusammen- 
fassen: Suffixe  mit  ursprünglich  langem  Yocal,  die  heute  in  der 
Sprache  bald  mit  Länge,  bald  mit  Kürze  erscheinen,  haben  die 
Kürze,  wenn  der  betreffende  Vocal  selbst  den  alten  Hochton  trug ; 
Suffixe  mit  ursprünglicher  Länge,  in  denen  diese  Länge  verharrt 
(-äj  g.  "äja ;  -Ivo ;  -ör  g.  -äraj  -ür  g.  -üra<^  -Ir  g.  -tra,  -alj  g.  -alja, 
-M»  g.  -M»a,  -äk  g.  -ÖÄ»,  'ik  g.  -iÄa,  -Ic  g.  -ica^  -5c  g.  -äca,  -öi  g. 
--aia^  -U  g.  -ila,  -wy  g.  -w^a,  -äg  g.  -5^a,  -öd  g.  -ädt)  haben  niemals 
den  alten  Hochton  auf  der  betreffenden  Silbe,  sondern  dieser  steht 
nach-  oder  vorher.  Ein  Beispiel  für  alle :  es  wechselt  wohl  käme- 
när  g.  k&menära  und  kamenär  g.  kamendra  (=  *kamenarji  käme" 
narja)j  aber  ein  serbisches  *kamenär  *kamenära  (=  *kamendrjh 
kamenärja)  kann  es  nicht  geben.  Bekommt  in  etwaigen  Weiter- 
bildungen, in  Ableitungen  von  solchen  Worten,  der  betreffende 
Vocal  dieser  Suffixe  den  Hochton,  so  wird  er  nothwendig  verkürzt, 
vgl.  vräcara  =  *vracära,  fem.  zu  vräcär  g.  vracära  (=  *vracarjb 
vracarja).  So  in  allen  gleichartigen  Fällen.  Mir  scheint  daraus 
hervorzugehen,  dass  die  Längen  in  den  Suffixen  steigenden  Ton 
hatten,  daher  unter  Hochton  verkürzt  werden  mussten.  Wir  können 
freilich  nicht  ausmachen,  weshalb  bei  einer  Anzahl  solcher  Suffixe 
der  Hochton  und  die  damit  verbundene  Kürzung  ganz  vermieden 
wird;  man  kann  sich  aber  immer  denken,  dass  eine  bedeutende 
Anzahl  gleichartiger  Fälle,  die  von  Haus  aus  den  Hochton  auf 
Silben  vor  dem  Suffix  oder  Endbetonung  hatten  (wie  es  z.  B.  bei 
den  Masc.  auf  -är  gen.  -ärä  wirklich  der  Fall  ist)  dem  Sprachgefühl 
die  Länge  als  eine  Nothwendigkeit  eingeprägt  haben. 

Die  Ansicht  von  dem  ursprünglich  steigenden  Ton  der  Suffixe 
wird  mir  bestätigt  durch  das  Slovenische.  Die  Suffixe  haben  hier, 
wenn  sie  den  Hochton  tragen,  mit  wenig  Ausnahmen  die  steigende 
Betonung.  Vgl.  Masculina:  -an  g.  -äna  :  bratän  bratäna,  grajän 
grajdna]  -ic  -ica  :  crvic  crvica]   -ez  -eza  :  tepez  tepeza]  -et  -eta  : 


Untersnch.  üb.  Betonung  n.  QaantitStsverhKltnisBe  in  den  bUy.  Spr.  333 

trepH  trepeta'j  -dt  -öta  :  grohdt  groh6ta\  -en  -^ena  \jilenjelina;  --äc 
-äca  :  koväc  kovdca ;  -a^  ^ka  :  cuddk  cuddka ;  -dr  -dra  :  glavdr 
glavdra;  -cü  -dia  :  mejdi  mejdia;  -$%  -nik  :  malik  malika^  doiintk 
doiinika ;  -tr  -ira  :  pastir  pastira ;  -tÜ  -tia  :  ^o/äf  golüa ;  -tiA  ^Aa : 
lenüh  lenüha ;  -ti^'  -ti(;a  :  metfUj  mettUja;  -ür  -üra  :  mehür  meküra; 
'üi  --üia  :  lepüS  lepüia;  -üi  '■tiza  :  mehküi  mehkdia\  Feminina: 
'dna  :  hratdna ;  -dca  :  glavdca ;  -ic^a  :  i^/tVra ;  -ina  :  crepina ;  -tn;a : 
draffmja;  -ika  :  ndadika;  -tia  :  Jertia;  --ira  :  «eitra;  -tiya  :  /o- 
rti^a;  -tiAa  :  cmu^;  -ti{;a  ;  bhbetülja;  -ti/a  :  plavtUa;  -uca  : 
^rmtica;  -ütaikoiüta;  -öba :  gräoba;  ^öta  :  slepöta  (Betonungen 
wie  dobrota  kommen  in  geringer  Anzahl  vor,  Valjavec  Bad  132, 
S.  177  erklärt  sie  ans  Anschlnss  an  den  mit  "  betonten  Accnsatiy); 
-eja  :  koleja^  vereja;  Neutra:  -iSce  :  dvorüce;  "ilo  ~dlo  :  cmüo, 
dridlo;  -en-  :  breme  bremena\  -^t-  :  tele  teleta;  Adjektiva:  -ät  f. 
'äta  :  bogät  bogdta ;  -äv  -^va  :  rjav  rjdva ;  -dk  --öka  :  itrd£  üroka. 
Diesen  gegenüber  steht  eine  kleinere  Anzahl  mit  fallendem  Ton. 
Von  diesen  kann  man  gleieh  ausscheiden  die  Feminina  auf  -a^a 
"ilja  (periljajy  denn  diese  verdanken  die  Betonung  dem  sekundären 
Aneinanderrücken  von  l-j  nach  ausgefallenem  t»,  genau  wie  die 
Neutra  SLüt-hje,  naglävje  (s.  Rad  132,  S«  152).  Ferner  kann  man 
ausser  Betracht  lassen  die  Feminina  auf  -3ca,  die  Masculina  auf  -tc, 
da  diese  Bildungen  (vgl.  Valjavec,  Ead43,  S.64;  46,  S.73)  wesent- 
lich dem  Eajkavischen  angehören.  Die  übrigen  Fälle  sind:  Mas- 
culina auf  -ä;',  -en^  -in,  Feminina  auf  -ära,  -^ra,  äva^  Neutra  auf 
-ivoj  femin.  i-Stämme  auf  -a^,  -eiy  ^en,  -est,  -ost^  -ad-,  Adjektiva 
auf  -c«,  -f ^,  -äw,  -aA,  -at.  Mit  diesen  hat  es  aber  eine  eigene  Be- 
wandniss.  Valjavec  zählt  (Rad  132,  S.  194  fg.]  die  meisten  zu  den 
Fällen,  wo  der  jetzige  fallende  Ton  der  betreffenden  Silbe  auf  dem 
Umspringen  des  Hochtons  von  der  vorhergehenden  Silbe  aus  her- 
rührt. Die  neue  Lage  des  Hochtons  erfordert  aber  bei  diesem  Vor- 
gange fallende  Betonung,  die  also  für  die  ursprüngliche  Betonungs- 
art des  Suffixes  nichts  besagt.  So  -äj:  liiäj  scrb.  VUüj;  -S» :  greben 
s.  greben;  -in  :  tujin  s.  tüdßn]  femin.  t-Stämme  auf  -ät  :  ziväi; 
-ei  :  deiet\  -cn  :  strmen  s.  sirmen-^  -est  :  bolest  s.  bolest;  -ist  : 
mladQst  s.  mlädöst;  -äd :  ziväd  s.  Stväd;  Neutra  -ft?o  :  predivo  s. 
prMivo;  Adjektiva:  sneien  vgl.  s.  mfiian\  -an  (aus  -hm) :  droban 
8.  drMan]  -äk  (aus  -bkhj  -^k^)  :  krotäk  s.  krütak]  -äi  (aus  -hh)  : 
svetäi  s.  svtjetao.    Es  bleiben  noch  die  Feminina  auf  -ära  -üra,  zu 


^34  A.  Leskien, 

denen  es  änsserst  wenig  zwischen  Serbisch  und  SloTcnisch  ver- 
gleichbare Beispiele  gibt,  zu  -ura  kenne  ich  gar  kein  sicheres,  zu 
-^Lra  :  koiara  s.  kdsara,  kqzära  s.  kdzara;  femer  -ara  :  dobräva 
(als  Ortsname  auch  auf  der  ersten  Silbe  betont]  s.  dübrava;  driava 
8.  driava\  trdnjäva  vgl.  s.  tordjava]  meljava  s.  meljava\  die  Ad- 
jektiva  auf  -it  f.  -fto  :  erdlt  s.  9ird%t^  stanovit  s.  standvit^  kamenit  s. 
k&menit  und  kam^it  Wie  es  mit  diesen  Fällen  stehen  mag  und  ob 
nicht  bei  denen,  die  von  Valjavec  auf  Umspringen  des  Hoch- 
tons zurückgefbhrt  werden;  noch  andere  Verhältnisse  in  Betracht 
zu  ziehen  sind,  kann  ich  hier  nicht  untersuchen;  mir  genügt  der 
allgemeine  Satz,  dass  das  Slovenische  die  über  die  serbischen  Suf- 
fixe ausgesprochene  Ansicht  wesentlich  bestätigt. 

Es  erhebt  sich  nun  die  weitere  Frage,  wie  haben  wir  ttber  eine 
Kürze  z.  B.  in  mläddst  zu  urtheilen?  Gälte  hier  die  Regel,  dass 
Verkürzung  der  alten  Länge  nur  stattfinden  kann  bei  steigender 
Betonung ,  wie  bei  den  zweisilbigen  Stämmen,  so  müsste  die  erste 
Silbe  Yon  mläddst  als  vor  alters  steigend  betont  angesetzt  werden. 
Dem  widerspricht  zweierlei ,  einmal  die  fallende  Betonung  des 
russ.  HÖJOAOCTB,  dann  im  Serbischen  selbst  die  Betonung  bei  syntak- 
tisch er  Verbindung  mit  Präpositionen,  es  heisst  tiä.  mläddst^  od  mla" 
dosti.  Das  ist,  wie  später  näher  auszuführen,  nur  möglich  bei  fal- 
lendem Ton  der  ersten  Silbe.  Es  beruht  also  die  Kürze  von  mlä- 
dost  auf  Verkürzung  einer  einst  fallenden  Länge  in  Folge  des 
schweren  Suffixes.  Damit  ist  ausgesprochen,  dass  im  Serbischen 
Verkürzungen  alter  Längen  nicht  aus  einem  Princip  erklärt  wer- 
den können.  Es  kommt  nun  darauf  an,  ob  man  nachweisen  kann, 
dass  bei  der  allgemeinen  Verkürzung  langer  Silben  vor  den  be- 
stimmten Suffixen  alte  steigende  Längen  zu  steigenden  Kürzen, 
alte  fallende  Längen  zu  fallenden  Kürzen  umgewandelt  sind.  Da- 
für müssen  herangezogen  werden  die  Composita  und  endlich  die 
Verbindungen  von  Präposition  und  Casus. 

in«   Betonung  und  Quantität  der  serbischen  Nominal- 

composita. 

In  der  bekannten  grossen  Abhandlung  »Die  nominale  Zusam- 
mensetzung im  Serbischen«  berücksichtigt  Miklosich  auch  die  Be- 
tonung, meist  in  kürzeren  Bemerkungen,  und  fasst  die  allgemeinen 


Untersnoh.  üb.  Betonungs-  u.  QaantitätsverhältniBBe  in  den  slav.  Spr.   335 

Regeln,  zu  denen  er  gekommen  war,  am  Ende  zusammen.  Es  heisst 
dort:  > Hinsichtlich  der  Accentaation  der  nominalen  Gomposita 
scheinen  folgende  allgemeine  Begeln  zu  gelten :  a)  wenn  das  erste 
Glied  ein  Substantiv,  Adjektiv,  ein  Numerale  oder  ein  Pari  prät. 
pass.  ist,  so  wird  der  Auslaut  des  ersten  Gliedes  betont.    Hierin 

stimmt  mit  dem  Serbischen  das  Litauische  ttberein ,  indem 

auch  im  Litauischen  der  vocalische  Auslaut  des  ersten  Gliedes  in 
den  allerdings  nicht  zahlreichen  Fällen ;  wo  er  sich  erhalten  hat, 
den  Ton  hat.  Schleicher  1 34.  b)  Ist  das  erste  Glied  ein  Part.  präs. 

act.  1),  so  wird  die  erste  Silbe  des  ersten  Gliedes  betont c)  Ist 

der  erste  Theil  eine  Partikel,  so  erhält  diese  den  Ton.«  Miklosich 
hat  bei  a]  Schleichersche  Beispiele  wie  kakldryszis  im  Auge ;  aber 
auch  abgesehen  davon,  dass  die  Behauptung  über  das  Litauische 
in  dieser  Allgemeinheit  unrichtig  ist,  widerspricht  die  serbische  Be- 
tonung wie  hjelbjug  geradezu  der  litauischen,  denn  jene  ist,  auf 
die  ältere  Betonung  zurückgeführt,  Hjelojüg  gewesen,  und  die 
spätere  Verschiebung  hat  natürlich  mit  der  angenommenen  litaui- 
schen Betonungsweise  nichts  zu  schaffen.  Es  fällt  auf,  dass  Miklo- 
sich, der  bei  den  einzelnen  von  ihm  aufgestellten  Classen  der  Gom- 
posita, aufgestellt  nach  der  Bedeutung  oder  den  constituirenden 
Elementen,  gesehen  hat,  dass  ein  Accent  "^  auf  dem  ersten  Element 
mit  einer  Länge  im  zweiten  zusammenhängt,  doch  diese  Fälle  auf 
eine  Linie  mit  denen  stellt,  die  auf  dem  Ende  des  ersten  Gliedes 
den  Accent  ^  tragen.  Es  rührt  das  daher,  dass  z.  B.  bjeUUk  und 
bfelolifk  ihm  als  sozusagen  gleichwertig  betont  gelten,  beide  auf 
dem  ersten  Gliede,  nur  dass  die  Art  des  Tones  verschieden  ist. 
Historisch  betrachtet  geht  aber  hjelölik  zurück  auf  *bjeloUk,  die 
Regel  müsste  also  eigentlich  heissen:  die  Gomposita  aus  Nomen 
und  Nomen  haben  den  (alten)  Hochton  auf  dem  zweiten  Element, 
davon  gibt  es  gewisse  Ausnahmen,  die  das  erste  Glied  (mit  "*")  be- 
tonen. Durch  dieselbe  Yerkennung  hat  sich  bei  Miklosich  auch  die 
Regel  über  die  Betonung  der  Gomposita  aus  Partikel  und  Nomen 
ganz  verschoben,  denn  die  Betonung  auf  der  Partikel  ist  keines- 
wegs, den  alten  Hochton  in  Betracht  gezogen,  allgemein. 

Es  ist  daher  wohl  gerechtfertigt,  die  Untersuchung  noch  ein- 


1)  Miklosich  versteht  darunter  das  erste  Glied  der  sog.  Imperativcom- 
poaita  mit  dem  Auslaut  i. 


336  A.  Leflkien, 

mal  aufzunehmen.  Mich  veranlaBst  dazu  namentlich  die  Wahr- 
nehmung^ dasB  die  Betonung  der  serbischen  Nominalcomposita  von 
bestimmten  rhythmischen  Kegeln  abhängt,  die  weitere  Bedeutung 
für  die  Lehre  von  Betonung  und  Quantität  haben.  In  Betracht 
kommen  dabei  sowohl  die  Zusammensetzungen  aus  Nomen  und 
Nomen,  wie  die  aus  Präposition  und  Nomen.  Im  Allgemeinen  sei 
Yorausbemerkt :  die  Composita  aus  Nomen  und  Nomen  haben  alle 
eine Eigenthttmlichkeit gemein,  die  Wurzelsilbe  des  erstenBe- 
standtheils  muss  kurz  sein,  einerlei,  welche  Quantität  das  selb- 
ständige Wort  haben  mag.  Die  Betonung  ist  aber  recht  merk- 
würdig, und  ich  gehe  darauf  näher  ein.  Um  zu  einem  sichern,  nicht 
durch  Kreuzungen  mit  andern  Erscheinungen  gefährdeten  Resultat 
zu  gelangen,  muss  man  die  Fälle  zusammennehmen,  in  denen  beide 
Glieder  des  Compositums  von  zweisilbigen  Stämmen  gebildet  wer- 
den, wie  es  ohnehin  in  der  weit  überwiegenden  Menge  der  Fall  ist. 
Getheilt  werden  sie  hier  in:  1]  i-Stämme,  2)  masculine  o-Stämme, 
3)  o-Stämme.  Die  sogenannten  Imperativcomposita  mit  dem  Aus- 
laut i  des  ersten  Gliedes  sind  dabei  ausgeschlossen  und  werden 
in  einem  Anhang  behandelt.  Es  mag  auffallen,  dass  ich  die 
Nominalcomposita  nicht  nach  Bedeutungsclassen  (Determinativ-, 
Possessivcomposita u.s,w.)  scheide;  ich  unterlasse  es,  weil  nirgends 
ein  durchgehender  Betonungsunterschied  solcher  Classen  im  Slavi- 
schen  zu  finden  ist.  Zur  gegenseitigen  Erläuterung  und  Begrün- 
dung der  Betonungs-  und  Quantitätserscheinungen  ist  es  nothwen- 
dig,  zu  jeder  Glasse  der  Composita  aus  Nomen  und  Nomen  gleich 
die  Zusammensetzungen  aus  Präposition  und  Nomen  hinzuzufügen. 

1.   Die  iStämme, 

A.   Zusammensetzungen  aus  Nomen  und  Nomen. 

Im  Serbischen  gilt  die  einfache  Regel :  der  erste  Bestandtheil 
hat  *  auf  der  ersten  Silbe,  der  zweite  die  Wurzelsilbe  lang :  bBgo- 
vijest  (gute  Botschaft)  das  Fest  Maria  Verkündigung :  bläff  f.  bläga, 
crvotoc  Wurmfrass :  cft)  g.  cfvi,  gdropäd  Raserei,  E&modräi  (Orts- 
name) wohl  zu  kam  g.  Xnimay  Utorest  »das  Erzeugniss  der  Haus- 
thiere  von  einem  Jahra  (diaLForm  für  Ißtorest,  Ifitorctsi]^  pilstopas 
(freie  Weide)  ungesperrte  Wiese :  jtua^  tpüsta,  rosopäs  Schellkraut, 
rModrz  (Handhabe)  Pflugsterze  :  rükaj  rttkovet  Handvoll,  Vükodräz 


Untersuch,  üb.  BetonnngB-  u.  Qaantitätsverb&ltniBBe  in  den  slav.  Spr.   337 

(Flussname):  vuk  g.  vüka;  auch  das  adverb.  strmoglät)  (mit  dem 
Kopf  voran)  gehört  hierher,  die  alte  Form  war  strbtnoglavh.  Davon 
gibt  es,  so  weit  ich  gesehen  habe,  nur  eine  Ausnahme,  blagddat  [bla- 
gddjet)  Segen,  vgl.  russ.  ÖJiaroA&Tb,  ein  der  Eirchensprache  ent- 
nommenes Wort.  Bemerkenswerth  ist ,  dass  die  wenigen  bei  Ne- 
maniö  (I,  1 ,  70)  verzeichneten  cakavischen  Beispiele  Endbetonung 
haben:  kolotec,  rukovet,  senoiet. 

Das  Slovenische  besitzt,  wie  es  scheint,  nur  wenig  Beispiele; 
Valjavec  (Rad 60/  hat:  ^rvo/^^^Wurmfrass,  A;o/oma«^ Wagenschmiere, 
samocäst  Eigenlob,  senoiet  (daneben  senoiet^  so  auch  im  Wb. ;  vgl. 
cak.  senoiet)]  aus  dem  Wb.  entnehme  ich  noch:  blagodät^  blago- 
vestj  glavobol,  letaräst,  rokoboi^  rokovet  (vgl.  £ak.  rukov^t),  satno- 
rästj  senokoi  (Nebenform  von  senokoia).  Eine  Betonung  auf  dem 
ersten  Element  scheint  nicht  vorzukommen ;  die  fallende  Betonung 
des  zweiten  ergibt  sich  aus  den  Beispielen,  mit  steigender  Beto- 
nung habe  ich  nur  das  eine  shpovoz  Wb.  (Blindschleiche)  gefunden. 

Das  Russische  bevorzugt  ganz  entschieden  die  Betonung  auf 
dem  ersten  Glied:  66p3oimcb  Schnellschrift,  XHBOimcB  Malerei, 
HKOHooHCB  Malerei  von  Heiligenbildern,  jiTooHCb  Chronik,  npdno- 
uHCb  Rechtschreibung,  pfKonHCb  Handschrift,  cKoponncB  Schnell- 
schrift, cT^HonHcii  Wandmalerei,  CKtpomicb  dass.,  TäHHonHCb  Qe- 
heimschrift,  ^HCTonHCb  Reinschrift,  so  sind  auch  gebildet  csiTonHCB 
(Lichtbild)  Photographie,  cdMonHci»  dass.;  s^AosepTB,  sÖAOKpyrb 
Wasserwirbel,  BÖAOMeTb,  BÖ^onaAB  Wasserfall  (vgl.masc.soAon&A'B), 
BÖAonojEB  Hochwasser,  b6aopoctb  und  b6aopocjb  (so  Dahl,  von  An- 
dern wird  auch  BOAop6ciB  angegeben ;  eig.  Wasserwuchs)  Pflanzen- 
name, xHBopocjtB  (so  Dahl,  angegeben  auch  shbopöcjib)  Thierpflanze, 
ji^TopocTB  und  ji^TopocjiB  Jahresschössling,  H^BopocjiB  Halm-,  Gras- 
pflanzen; BOAOToqB  (und  bgaotö^b,  beides  bei  Dahl),  röjiojieAB  (und 
rojioj^AB)  Glatteis,  hhoxoab  Passgang,  cKÖpoxo^B  Schnelllauf  (vgl. 
masc.  cKopoxöA'B  Schnellläufer),  KOJioBepTB  Wasserstrudel,  k6hoba3b 
Pferdekoppel,  pöaonacjB  Stiefmütterchen,  pösonacTB  Schöllkraut, 
pyKonamB  Faustkampf,  cupoMOJioTB  (Dahl,  nach  andrer  Angabe 
ciipoMOJiÖTB)  Mehl  aus  unreifem  Getreide,  cbipomatb  weissgares 
Leder.  Man  sieht,  es  besteht  hier  ein  wenn  auch  unbedeutendes 
Schwanken.  Femer  kommt  nach  den  Angaben  von  Grammatikern 
und  Lexikographen  eine  kleine  Anzahl  von  Beispielen  mit  dem 
Hochton  auf  dem  zweiten  Gliede  hinzu;  ich  habe  notirt:  tfjaroA&TB 

▲ichlT  f&r  BUTiach«  PkUologie.   XXI.  22 


338  A.  Leskien, 

Gnade,  boaot6iib  Wasserstrom  (vgl.  oben  b6;^oto^  und  bgaotö^b)  , 
jnicTon^B  Blattfall,  Herbst  (daneben  bei  Dahl  msc.  jibctoo^], 
MumeiiAi»  Mänsefrass,  nycTopöcjb  sambucus  nigra  (bei  Dahl  ohne 
Accent,  vgl.  dagegen  jiTopocjrb,  hhbopocjib),  py^OKÖm»  Erzgrabe, 
pyKo^Tb  (das  Wort  ist  ungebräuchlich,  dafür  pyKOflTKa)  Handhabe, 
^epHoöbun»  (nnd  msc.  ^epHOÖujt'B)  Beifass,  cB^TOTiHB  Halbdunkel 
(wohl  eine  künstliche  moderne  Bildung).  Die  Yergleichnng  mit 
dem  Eleinrussischen  ergibt  nichts  Bestimmtes.  Im  Allgemeinen 
kann  man  sagen,  die  Betonung  auf  dem  zweiten  Gliede  werde  ver- 
mieden (selten  sind  Fälle  wie  konovjdz  notirt) .  Das  Zelichowski - 
sehe  Wörterbuch  betont  meist  auf  der  zweiten  Silbe,  dem  sogen. 
Gompositionsvocal,  z.  B.  golölid',  litdpyij  niköpyi,  litorosty  cemöbyt^ 
So  lange  aber  keine  bestimmteren  Angaben  über  die  kleinruss. 
Composita  vorliegen,  als  dass  die  Betonung  ausserordentlich 
schwankend  sei  (Werchratskij,  Archiv  3,  399),  muss  man  sich  wei- 
terer Schlüsse  aus  diesem  Material  enthalten. 

B.   Zusammensetzungen  aus  Präposition  und  Nomen. 

Um  die  Quantität  der  Präpositionen  richtig  zu  verstehen,  muss 
man  sich  erinnern,  dass  diese  zerfallen  in  solche  mit  uraprünglich 
kurzem  und  in  solche  mit  ursprünglich  langem  Yocal.  Mit  ge- 
ringen, später  anzuführenden  Ausnahmen  gilt  nun  die  Regel,  dass 
in  den  Zusammensetzungen,  deren  Hochton  als  "^  auf  der  Präpo- 
sition liegt,  alte  Längen  der  Präpositionen  verkürzt  sind,  dagegen 
in  solchen,  deren  alter  Hochton  auf  der  Wurzelsilbe  des  nominalen 
Bestandtheils  lag ,  die  Längen  erhalten  bleiben ,  vgl.  zägrada  mit 
zdbavüj  prikret  mit  prißkor.  Das  ist  völlig  im  Einklang  mit 
der  allgemeinen  Regel,  dass  alte  Längen  eine  Stelle  vor  altem 
Hochton  bewahrt  werden.  Welche  Tonqualität  der  kurz  geworde- 
nen Präposition  ("")  zuzuerkennen  ist,  wird  sich  im  Einzelnen  zeigen. 
Eine  besondere  Stellung  nimmt  iz-  ein. 

Die  Betonung  auf  der  Präposition  ist  bei  dieser  Wortclasse  so 
allgemein,  dass  die  wenigen  unten  anzugebenden  Ausnahmen  kaum 
in  Betracht  kommen. 

a)  Die  Präposition  hat  urBprttnglich  kurzen  Yocal. 

rfo-:  ddbit  Gewinn,  sl.  dobit, 

0-  ob-:  Siari^  Krümmung ;  Siy^^^  Muthwille,  sl.  obßst;  <ikuc 


Unteranch.  üb.  BetonnngB-  n.  QnantitätsyerhSltnisse  in  den  slav.  Spr.  339 

Windnng;  dpästYerlenmäung;  Si/o«^  Macht,  sl.  obläsi,  r.66j[acTB; 
dzim  Wintersaat,  r.  öshmi». 

po^ip&klic  Ruf,  r.  nÖKJorgtB;  pdmöc  gea.pdmo6iy  sl.  pamac,  r. 
nÖMo^;  pioräst  Wuchs j  r.  nöpocTi»  Flechten  (Pflanze);  pSstät  »die 
Reihe  (bei  der  Ernte)  o,  sl.postät  derTheil  des  Feldes,  der  Yon  einer 
Reihe  Arbeiter  in  einem  Gange  durchgemacht  wird,  r.  n6cTaTi> 
Stellung;  pMöc  (gen.  beiPaviö  potoci)  Verfolgung;  poeäst  (gen. 
pdcasti  wie  cäst  cä^tf ?),  r.  noqecxb;  pdffibao  (=  *'gybh)  Verderben; 
p^mlaao  Gedanke,  s\,  pomi87>l\  pdmfzcto  Frost;  päntkao  Hervor- 
spriessendes. 

pod-:  pddhöii  pl.  Trittbretter ;  p&dräst  Art  Krankheit,  shpod- 
rast  Nachwuchs;  potkisK  pl.  » Streifen,  die  das  fallende  Wasser 
zurUcklässtc. 

pro-: prdbadi  pl.  Seitenstechen;  prSdd  {=prMdl)  g.prddoU 
Thal ;  pr&päst  Abgrund,  sl.  propäst^  r.  np6nacTb ;  prdsijec  Art 
Fass ;  pr&stnz  Oeffiiung  im  Mantel  zum  Durchstecken  der  Hände ; 
prdtöc  g.  prätöci  Durchfall ;  prdüsli  pl.  Seitenstechen. 

«^  (=  ^) :  sd^tvar  Geschöpf  (die  gewöhnliche  Form  ist  s-tvar), 

uz--  =  v^Z':  üzräst  Wuchs,  sl.  vzrästj  russ.  nöspacTB. 

b)  Die  PrSpoBition  hat  ursprttnglioh  langen  Vocal. 

non:  näye«^  Sättigung,  nä^^^i  Erkältung,  näzebiw  [=  *^zqbh) 
dasselbe. 

pre-:  prigrst  pl.  prigfiti  beide  flache  Hände  zum  Fassen  hin- 
gehalten ;  prSkret  (neben  msc.  prSkret)  Umschwung ;  prSsrt  äusser- 
ste  Spitze  eines  Berges ;  JPrSsijec  (Ortsname) ;  prSfftb(w  Gelenk. 

por- :  pämety  el.pämet^  r.  h&mati»  Gedächtniss;  p&vit  Weinrebe. 

raz^:  rästrii  Schlitz. 

za-:  zMrtc  Verbot. 

vr :  ^gär  zum  künftigen  Anbau  aufgerissene  Erde. 

c)  Zusammensetzungen  mit  it-i 

ti^^yVJ  Auszehrung;  ^käp  in  der  Wendung  ndriskäp  bis  auf  die 
Hefen  (eig.  Austropfen),  ohne  GenusbezeichnuDg,  wohl  fem. ;  ^znlkao 
Aufspriessendes ;  tVö^too  Auswuchs. 

Wenn  die  Präposition  vocallos  ist,  liegt  der  Hochton  selbstyer* 
stibidlich  auf  dem  nominalen  Theil :  s-tvär  Geschöpf,  stüi  Cordon, 

22» 


840  ^'  Leskien, 

svijest  Bewusstsein ,  stnfzao  Frost,  zgäd  Ekelhaftes;  sp^t  Falle 
(bei  Pavic  späst)j  smrt  Tod,  zffFdbi  pl.  Halfter. 

Die  wenigen  Ausnahmen,  in  denen  die  Präposition  den 
Accent  '  trägt,  der  ältere  Hochton  also  aaf  dem  nominalen  Ele- 
ment lag,  sind :  namjer  Zufall  (poet.  Form  bei  Yuk  Wb.),  ndpaai 
Unfall,  sl.  napästj  r.  nänacTb  und  nandcTb;  ndruc  das  Leihen;  pri- 
cest  Gommunion ;  süvrst  Gleichaltrigkeit ;  zäpad  (in  Klammern  dazu 
bei  Yuk  zäpäd)  schattiger  Ort,  zdvüt  Neid,  sl.  zavist,  r.  s&BHCTb. 
Die  Länge  des  Vocals  der  Präposition  erklärt  sich  von  selbst  aus 
der  Stellung  unmittelbar  vor  altem  Hochton. 

Gehen  wir  über  zur  Vergleichung  mit  den  beiden  anderen 
Sprachen,  so  zeigt  sich,  dass  das  Russische  in  der  ungeheuren 
Ueberzahl  der  Fälle  den  Hochton  auf  der  Präposition  hat.  Die  ab-, 
weichenden  Fälle  sind  so  spärlich,  dass  z.  B.  Jel'sin  gar  keine  an- 
fährt, sondern  nur  bemerkt,  neben  nänacTb  sage  man  auch  uan&cTi». 
Es  gibt  wohl  noch  eine  kleine  Anzahl  mehr,  sie  können  aber  neben 
den  Hunderten  der  andern,  als  normal  anzusehenden  Betonung 
nicht  in  Betracht  kommen.  Zur  Veranschaulichung  einige  Bei- 
spiele: säsHCTb,  a^MOTb,  3&M0ji0Tb,  H3B0p0Tb,  H3rapi>,  HdropO^b,  H&MO- 

posib,  niflflach,  öÖjacTb,  66opoTi>,  6ropoAi>,  oqepeAi»,  ÖTMoposB,  n6pe- 
M^cb,  n6peiiHCb,  n6pecunb,  höbasi»,  n6uoHh,  npinpflSb,  npHCTaui», 
npHxoTL,  nponacTB,  pössflSB,  pocKomb,  cyneTb,  cyM^cb,  yraapb, 
yqacTb  u.  s.  w.  (vgl.  Grot,  Razyskanija  ^  I,  391). 

Bemerken  will  ich  noch,  dass  das  Bulgarische,  so  weit  mir 
aus  Cankoff's  Grammatik  und  aus  der  Abhandlung  von  Conev  über 
die  Betonung  des  Bulgarischen  (Sbomik  VI)  zuverlässig  accentuirte 
Beispiele  zur  Verfügung  stehen,  den  Hochton  auf  die  Präposition 
legt  wie  das  Russische,  vgl.  pomostj  pdmet^  pdvit,  prödol,  propast^ 
öblastj  zdvist,  ügar  (bei  Conev  masc,  in  Duvernois^  Wörterbuch  auch 
als  fem.  angegeben).  Immerhin  ist  die  Uebereinstimmung  bemer- 
kenswerth  und  darf  mit  als  ein  Zeugniss  für  die  Alterthümlichkeit 
dieser  Betonung  angeführt  werden. 

Im  Slovenischen  dagegen  (vgl.  Valjavec,  Rad  60)  liegt  in 
der  grossen  Ueberzahl  der  Fälle  der  Hochton,  und  zwar  als  fallen- 
der Ton,  auf  dem  nominalen  Element,  z.  B.  doUt  Gewinn,  odjed 
InsektenfrasS;  naräst  Anwuchs,  narez  Anschnitt,  osldst  Wollust, 
pohot  Beginn,  pomoc  Hilfe,  povest  Erzählung,  razkoS  Wollust,  za- 
vtst  Neid  u.  s.  w.    Bei  vocalloser  Präposition  ebenso,  z.  B.  sloc 


Untersuch,  flb.  Betonungs-  n.  QuantitätaverhältDisse  in  den  Blav.  Spr.   341 

KrümmuDg,  zmäz  Schmiere,  vkläd  Einlage  a.  s.  w.  Diese  Abwei- 
chung des  Slovenischen  ist  aber  eine  erst  später  entstandene,  was 
näher  zu  begründen  ist.  An  sich  lässt  eine  Betonung  wie  propästj 
povest  eine  doppelte  Erklärung  zu :  es  kann  eine  alte  Betonung  auf 
der  letzten  Silbe  im  Slovenischen  bewahrt  sein,  es  kann  aber  auch 
die  Betonung,  wie  sie  nns  Yorliegt,  durch  Umspringen  des  Hoch- 
tons entstanden  sein.  Diese  Erklärung  hat  Yaljavec  (Bad  132, 
S.  201 ),  setzt  also  povest  =  älterem  und  serb.  pdvesi,  pomoc  =^8- 
moc  u.  s.  w.  Die  betreffende  Regel  des  Sloyenischen  lautet  nun : 
wenn  ein  Wort  auf  der  ersten  Silbe  fallenden  Ton  hatte,  muss  er, 
und  zwar  als  fallend,  auf  die  zweite  Silbe  übergehen  (vgl.  meso  = 
mesOj  bog  gen.  bogä  für  boga  =  serb.  bog  boga^  kolo  fUr  kolo  =  serb. 
Aofo,  acc.  vodo  ^=.  serb.  vbdu  u.  s.  w.,  s.  Yaljavec  a.  a.  0.  191  fg.). 
Wenn  also  der  Ansatz  polest  =  pdvest  richtig  sein  soll,  muss  noth- 
wendig  vorausgesetzt  werden,  dass  die  Präposition  fallend  betont 
war.  Das  ist  aber  nicht  an  sich  nothwendig,  denn  wenn  sonst  im 
Slovenischen  durch  irgend  welche  Verhältnisse  die  Präposition  be- 
tont ist,  hat  sie  steigenden  Ton,  vgl.  z.  B.  o^va,  zA-mka^  zdr-tka^ 
zdkon^  näpadj  prelaz.  Beweisen  lässt  sich  der  fallende  Ton  daraus : 
wo  im  Russischen  Polnoglasie  die  Betonungsart  erkennen  lässt  —  es 

ist  nur  möglich  bei  nepe ,  ist  der  Ton  fallend,  vgl.  nfipe^aTL, 

n^peicnm»,  n^peicra^,  n^pejirai»,  n6penamL,  n^penncb,  n^pecLini»  u.a. ; 
das  abweichende  nepeKÖni»  hat  schon  Orot,  Razysk.  ^  I,  394  durch 
Beeinflussung  vom  alten  masc.  nepeKÖn^  erklärt,  übrigens  betont 
Dahl  n6peKonL  (bei  ihm  finde  ich  nep6cTaHB,  6e3i  nep6cTaHH).  Her- 
vorzuheben ist  dabei,  dass  im  Russischen  diese  Art  der  Betonung 
von  nepe-  nicht  an  sich  nothwendig  ist,  vgl.  nep6-TKa,  nep6-iiiBa 
u.  a.  d.  A.  Weiter  kommt  in  Betracht:  wenn  im  Russischen  oder 
im  Serbischen  ein  t-Stamm  mit  zwei  Präpositionen  zusammenge- 
setzt ist,  so  liegt  in  beiden  Sprachen  der  Hochton  auf  der  ersten 
Präposition,  also  auf  der  ersten  Wortsilbe,  vgl.  russ.  sänoBi&A^, 
Hcno6%Ai>i  np6noB$Ai»)  öthob^ai»)  3&HaB%cL,  nöy6ujn>,  serb.  'ispovyfest, 
pripof>ij€stj  zäpovijedj  hpovijed.  Im  Slovenischen  liegt  im  gleichen 
Falle  der  Hochton  auf  der  zweiten  Präposition,  vgl.  povest,  poved, 
B.her pripovest,  napoved,  odpoved,  izpoved  (Yaljavec,  Rad  132,  S.  201). 
Da  es  nun  unmöglich  ist,  die  Betonung  izpoved  aus  einem  ehemali- 
gen *izpoved  zu  erklären,  andererseits  aber  povest  völlig  erklärt  ist 
ans  der  durch  das  Russische  erweisbaren  fallenden  Betonung  der 


342  A.  Leskien, 

Präposition  und  dem  dann  noth wendigen  Umspringen  des  Hochtons 
(ans  povesij,  ist  der  Schluss  nothwendig,  dass  einst  auch  im  Sloye- 
nisehen  die  Präposition  den  Hochton  hatte.  Ich  lasse  es  zunächst 
dahingestellt,  ob  die  slov.  Betonung  pripovest  als  solche  alt  oder 
selbst  wieder  aus  pripovest  entstanden  ist.  Das  zu  bestimmen, 
wird  später  Gelegenheit  sein  bei  der  Behandlung  der  Betonung 
Ton  Verbindungen  aus  Präposition  und  abhängigem  Casus.  Hier 
kommt  es  mir  nur  darauf  an  zu  constatiren,  dass  im  Serbischen^ 
Russischen,  Slovenischen,  und  soweit  das  Material 
einen  Schliiss  erlaubt,  auch  im  Bulgarischen,  die  mit 
Präpositionen  componirten  t-Stämme  den  Hochton  auf 
der  Präposition  fordern,  und  dass  dieser  als  fallend 
anzusehen  ist. 

Zu  dieser  Betonung  der  Präpositionaloomposita  stimmen  im 
Russischen  und  Serbischen  die  Zusammensetzungen  aus  Nomen 
und  Nomen  völlig,  indem  sie  ebenfalls  das  erste  Glied  und  zwar 
auf  der  ersten  Silbe  betonen  (s.  o.  S.  336).  Die  wenigen  Beispiele 
des  Slovenischen  widersprechen,  denn  ein  crvoßd  kann  nicht  aus 
Yorausgesetztem  *crvo'jed  erklärt  werden,  da  dies  *crvdjed  er- 
geben hätte.  Ich  halte  es  Übrigens  filr  nicht  unmöglich,  dass  die 
ganz  anomale  Betonung  senöiet  (snoiet  bei  Strekelj,  Morphologie 
des  Görzer  Mittelkarstdialektes  S.68,  wo  '  keine  Bezeichnung  einer 
Tonqualität,  sondern  nur  der  Länge  ist)  aus  einem  älteren  *sefwiet 
=3  *8Snoiet  hervorgegangen  sei.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  ich 
meine,  gegenüber  der  schlagenden  Uebereinstimmung  des  Russi- 
schen und  Serbischen  kann  das  Slovenische  hier  nicht  entscheidend 
sein.  Jedenfalls  dürfen  wir  annehmen,  dass  ein  besonderer  Grund 
vorhanden  sein  muss,  der  in  jenen  beiden  Sprachen  die  Gleich- 
artigkeit der  Betonung  veranlasste. 

Dieser  Grund  ergibt  sich  mir  aus  der  Betrachtung  der  nicht 
componirten  i-Stämme  in  den  Sprachen.  Im  Serbischen  haben 
sie  so  gut  wie  alle  fallenden  Ton :  mit  langem  Yocal  und  durch- 
gehender Länge  by'est  hrv  büdj  cijev  cädj  cest  eint  pl.  öud  dül 
ffläd  gfst  grudi  pl.  hrid  jär  käp  kVijet  hob  last  Ijüdi  (pl.  msc.) 
mast  mtsao  mlad  mtijec  mrijest  niz  pari  pl.  ped  pPi/esan  prt 
rtjec  säpi  pl.  sijeri  pl.  släst  sriijei  slüz  skfb  src  sri  sfi  stii  stud 
siüi  trap  trst  tvär  tär  vläst  zedj;  mit  kurzem  Yocal  und  Deh- 
nung des  Nominativs  b^l  gen.  bdli,  cä$t  cUstiy  dob  dobi,  kcst  X&$Hj 


Untersneh.  ttb.  BetonnngB-  n.  QuantitätsyerhältniBse  in  den  slav.  Spr.   343 

hfv  H^vij  laz  läzij  moö  moci,  noö  ndct,  peö  piöi^  fz  rix  (raz  räzt), 
so  sdli,  sväst  svästij  üi  äSi  {väi  väii),  zob  zdbij  zuc  iüct.  Dass  bei 
der  letzten  Kategorie  der  kurze  Vocal  als  fallend  betont  anzusehen 
ist,  geht  klar  hervor  aus  dem  Verhalten  der  Präpositionen  vor  den 
betreffenden  Casus,  es  heisst  z.  B.  od  kosti  (vgl.  Daniele,  Glasnik 
1 1 ,  S.  30) .  Dagegen  führt  mit  durchgehender  Betonung "",  also  auch 
auf  dem  Nominativ,  Daniele  a.  a.  0.  S.  25  nur  an  pest  gen.  p^isti 
(cakavisch  dagegen  pest  pesti^  das  wäre  serb.  pest  pestt),  mjM 
mßdi^  stri  strzi]  Pavic  führt  noch  an  rät  rätij  das  aber  bei  Vuk 
auch  Masc.  ist,  und  nit  tiitij  dies  ist  fast  ausschliesslich  im  Plural 
bräuchlich,  der  keine  Entscheidung  gibt,  so  wenig  wie  die  Pluralia 
tantum  prsi,  dsti,  pdvi.  Zweifellos  ist  die  normale  Betonung  dieser 
Feminina  der  fallende  Ton.  Vergleicht  man  nun  damit  das  Bus- 
sische, so  können  nur  Fälle  in  Betracht  kommen,  deren  Polno- 
glasie  die  Art  des  Tones  erkennen  lässt,  und  dieser  ist  fallend: 
66Äonh  Splint^  66poHi>  Verbot,  x6jioab  kalte  Speise,  möjeoab  junger 
Wald,  HÖpocTb  Laichzeit,  höidtb  Speckseite,  c6jioti>  Sumpf,  bojoctl 
Bezirk,  böjiotl  Aehre,  ndpoTb  linke  Seite  von  Zeug  (eigentl.  Wen- 
dung], BÖpoHL  Art  schwarzer  Färbung,  TÖpoob  Hast,  c6jiohi>  Ein- 
gesalzenes ;  66pesB  Sparsamkeit,  c6peHi>  Glatteis  (der  Accent  nach 
Dahl),  q6peABK)  i.  sg.  in  der  Reihe.  Abweichungen  scheinen,  so  weit 
ich  nachkommen  kann,  ganz  vereinzelt  zu  sein:  aojohl  (jiav^tÖHB) 
flache  Hand ,  cTopöau»  Obacht ,  cKopÖMb  an  Festtagen  verbotene 
Speise.  Nimmt  man  endlich  das  Slovenische  hinzu,  so  ist  hier 
ebenfalls  der  fallende  Ton  fast  durchgehend  (vgl.  Valjavec,  Rad 
60,  S.  1  fg.,  Rad  132,  S.  189  fg.),  z.  B.  mästj  slästy  sträst,  klet,  niz, 
goSj  doiiy  kost,  cäst  u.  s.  w.  Es  kann  also  mit  Grund  behauptet 
werden,  dass  zweisilbige  «-Stämme  im  Slavischen  ursprünglich 
fallenden  Ton  der  Wurzelsilbe  hatten. 

Verbindet  man  nun  die  eben  behandelte  Gleichförmigkeit  mit 
der  Gleichförmigkeit  der  Betonung  der  Gomposita,  so  wird  man  den 
Schluss  ziehen  dürfen,  dass  die  erste  die  Ursache  der  zweiten  ist ; 
anders  ausgedrückt :  im  Serbischen  und  Russischen  muss  bei  ur- 
sprünglich fallendem  Ton  des  zweiten  Gompositionsgliedes  der 
Hoehton  auf  das  erste  Glied  fallen,  und  zwar  tritt,  wie  die  Beispiele 
zeigen,  der  Hochton  soweit  zurück  als  möglich,  d.  h.  auf  die  erste 
Silbe.  Dies  Resultat  ergab  sich  aus  der  Betrachtung  der  «-Stämme. 
Ich  stelle  hier  aber  gleich  zunächst  für  das  Serbische  einen  all- 


344  A.  Lcikien, 

gemeinen  Satz  anf,  der  durch  die  folgenden  Betrachtangen  weiter 
zu  begründen  ist:  eine  mittlere  Silbe  mit  ursprünglichem 
fallenden  Ton  kann  den  Hochton  nicht  tragen,  sondern 
dieser  muss  auf  die  Anfangssilbe  des  Wortes  zurück- 
gezogen werden  (als  ^]. 

2.   Die  Masculinaj  o-Stämme, 
A.   Zusammensetzungen  aus  Nomen  und  Nomen. 

Das  Serbische  hat  hier  zwei  Haupttypen,  entweder  das 
zweite  Glied  hatte  alten  Hoch  ton  (also  jetzigen  Accent  auf  dem 
CompositionSYOcal  als  ^}  und  dabei  kurzen  Yocal,  oder  das  erste 
Glied  hat  alten  Hochton  auf  der  ersten  Silbe  als  "",  dabei  das  zweite 
Glied  langen  Vocal,  entweder  durchgängig  oder  im  Nominativ. 
Alle  anders  beschaffenen  Beispiele  sind  ganz  gering  an  Zahl. 

I.  Das  zweite  Glied  hat  alten  Hochton.  Scheidet  man 
die  Beispiele  nach  den  Betonungs-  und  Quantitätsverhältnissen  des 
zweiten  Gliedes,  so  weit  es  als  selbständig  nachweisbar  ist,  so  er- 
gibt sich  Folgendes : 

a)  Das  zweite  Glied  hat  ursprünglich  lange  Silbe, 
und  zwar : 

a)  mit  steigendem  Ton,  der,  wenn  er  selbst  Hochton  ist, 
die  Silbe  verkürzt  hat,  wenn  er  vor  dem  Hochton  steht,  die  Länge 
bewahrt  hat :  bjelhgrab^  crnbgrah  (Pflanzennamen) :  grUb  Weissbuche ; 
bjeldjug  Art  Südwind  :  ßtg ;  bjelhgrU  weisshalsig  :  grlo ;  cjeldkup 
unversehrt:  vgl.  Mpa  Haufen,  Mpiti;  dragdcjen  kostbar  :  cijdna; 
dvöstruk  zwiefach^  trdstruk  dvQitskChy  stdstruk  hundertfältig  :«^rä^a; 
golbbrad  (eig.  nacktbärtig)  bartlos  :  brdda;  golöglav  barhäuptig, 
krioöglav  krummkOpfig,  phsndglav  Plattkopf,  psdglav  Hundskopf, 
trdglav  dreiköpfig,  tupdglav  stumpfköpfig,  tvrddglav  hartköpfig, 
vrtdglav  schwindlig,  zlatdglav  (eig.  Goldkopf)  Asphodill,  zmijöglao 
schlangenköpfig  :  gldva ;  Ijevbruk  linkhändig,  pustdruk  leerhändig, 
zlaibruk  goldhändig  :  rüka\  mekdput  was  keine  Strapazen  aushält 
(vom  Pferde)  :  pttto  Fessel ;  mekdust  weichmäulig ,  tvrdduat  hart- 
mäulig :  üsta ;  pustdsvat  Hochzeitsgast,  der  bei  der  Hochzeit  kein 
besonderes  Amt  hat :  svUt ;  samdhran  sich  selbst  ernährend,  zldhran 
schlecht  verdauend :  hräna^  hrdniti;  samdiiv  egoistisch :  itv  f.  iiva\ 
suhdvrh  dürrgipflig,  tankdvrh  schlankgipflig  :  vfh  vYha]  svüorun 


Untersuch,  üb.  Betonnngs-  u.  QuaDtitätsverhältnisse  in  den  slay.  Spr.   345 

seidenvliessig :  rüno ;  iesidkriU  sechsfltigelig,  zlatdkriU  goldflügelig : 
krüo\  hirkdvlah  ttlrkiscber  Viach :  vläh;  zldrad  der  Schadenfroh: 
rM.  Von  einigen  ist  das  zweite  Glied  als  selbständig  nicht 
nachzuweisen  oder  nur  ein  verwandtes  Verbnm:  dvbgub  zwie- 
fach, nogbstup  Fusssteig  :  stüpiti  stüpati  treten,  novdrez  kürzlich 
verschnittenes  Schwein  :  rlizaii  rizem  schneiden,  sambuk  Auto- 
didakt :  ücüi  lehren^  tankövija  [kudjelja]  f.  fein  :  viti  vtjem 
wickeln.  Dazu  kommen  noch  einige  Eigennamen :  Boffbljub,  Mirh- 
sav,  Vuhhsav.  —  ß)  mit  fallendem  Ton,  der  im  selbständigen 
Worte  die  Länge  bewahrt,  während  im  Compositum  Kürze  einge- 
treten ist :  dobrööud  von  gutem  Charakter,  zlböudhl^BSLitig :  öüd  fem. 
f-St. ;  ffolbffuz,  krivbffuzj  oblbguz^  atrmbguz  :  guz  podex ;  golbkrak 
nacktbeinig,  trbkrak  dreizackig,  sedmbkrak  siebenbeinig  :  £ra^ ; 
golbvrat  nackthalsig,  krivbvrat  krummhalsig  :  t?rä^ ;  kestbzub  (zu 
kSsiti  zube  die  Zähne  fletschen)  :  züb ;  mübduh  Liebstöckel ,  svetb- 
duh  vom  heiligen  Geist  erfüllt  :  düh\  bjelblik  weisswangig,  mladb- 
ft'i  jungen  Gesichtes,  starblik  alten  Gesichtes  :  llk\  crnbrep  (AWb. 
(^narep)  Schwarzschwanz  (eine  Fischart],  dugbrep  langschwän- 
zig  :  rep\  zlbcest  schlecht :  cest 

b)  Das  zweite  Glied  hat  ursprünglich  kurze  Silbe. 
Die  meisten  Beispiele  sind  der  Art,  dass  das  zweite  Glied  von  einem 
selbständig  nicht  vorkommenden  Nomen  agentis  oder  Nomen  actio- 
nis  gebildet  wird:  brzblov  schnell  jagend;  brzbplet  in  Eile  gefloch- 
tener Zaun,  kolbpkt  Drehrad;  brzbrek  schnell  redend;  buhbber 
Flohsammler  (in  einem  Räthsel],  ^^öi^r  Aehrenleser,  krajbber 
Schnitter,  der  am  Rande  mäht,  f?tndi^  Weinlese ;  celbpek  (eig.  Stim- 
brand)  Sonnenseite;  coriö/oi{;  Suppenschlürfer,  ATt?6/o£ Blutsauger; 
drambser  [qui  drachmas  cacat)  Schimpfwort  auf  Kauf  leute,  krvbser 
qui  sanguinem  cacat  \  grebbder  Leichenträger,  kozbder  (eig.  Ziegen- 
schinder) schlechtes  Wetter,  volbder  (eig.  Ochsenschinder)  Bergbe- 
zeichnung; hladblei  (und  hlMolei)  Zaunwinde;  hljebdider  Brot- 
fresser; kolbvoz  Geleise;  kostblom  Beinbrecher  (eine  erdichtete 
Pflanze),  vratblom  Halsbrecher;  kozbmar  (eig.Ziegentödter)  schlech- 
tes Wetter,  misbmor  Mäusetod,  Mäusegift;  mirbkov  (eig.  Friedens- 
schmied) Friedenstifter,  stardkov  (vom  Pferde)  alt  beschlagen; 
puikbmet  Flintenschussweite,  tmbmet  Art  Besen,  vjetrdmet  Wind- 
sturm; sambkres  von  selbst  losgehende  Pistole,  Feuerschwamm; 
sambtvor  aus  einem  Stück  gemacht;  samdtok  (und  sUmotbk)  feinster 


346  A.  Leskien, 

Honig  (der  von  selbst  aus  der  Wabe  geflossen  ist) ;  sjendkos  Wiese ; 
trnökop  Radehacke,  zlbkop  panicum  dactylon]  voddpöj  gen.  -poja 
Tränke;  voldvod  eine  Pflanzenart.  Das  zweite  Olied  ist  als 
selbständiges  Gebilde  vorhanden :  hosbnog  nacktfüssig,  krivbnog 
knimmftlssig :  noga\  cnsdA;^^  schwarzhaarig,  (^{tf^^Ao«  langhaarig, 
srebrbkos  silberhaarig,  svilbkos  seidenhaarig,  zlatbkos  goldhaarig : 
kh8a\  dvbrog  zweihömig  :  rog  gen.  roga\  äarbper  buntgefiedert, 
Sestbper  sechsfltlgelig  :  p^o ;  tvrdbsan  festen  Schlaf  habend  :  sän 
gen.  snS\  vrljbok  mit  verletztem  Auge  :  oko\  mvbdol  {suhbdolj  eig. 
Trockenthal)  Ortsname  :  do  dola;  iitbrod  Getreidewuchs  (gutes 
Gedeihen  des  Getreides)  :  rdd  gen.  rdda. 

U.  Das  erste  Glied  hat  den  Hochton  auf  der  ersten 
Silbe  [%  der  Vocal  des  zweiten  ist  lang.  Wo  sich  das  zweite 
Glied  als  selbständiges  Wort  nachweisen  lässt,  hat  es  fallenden  Ton. 

a)  Das  zweite  Glied  hat  ursprünglich  lange  Silbe: 
bjilobrk  blondbärtig  :  hrk\  bjelogüz,  svrbogüzy  Grdlogüz  (Eigen- 
name, vgl,  oben  golbguz).LMogüz:güz;  crno^rü^  Art  Giftschlange: 
krüg^  crnorep  (Vuk  crnbrep  s.  o.),  vtjorep  Art  Spiel :  rep^  dr&goküp 
Thenerkauf :  kvp  fehlt  bei  Vuk,  slov.  küp  hat  fallenden  Ton,  ^8- 
rocvijet  (Bergblume)  adonis  verncdü  :  cvtjet^  p^stozüb  (s.  o.  kestlh 
zub)  :  zübj  prdozvek  eine  Bohnenart :  zf>ek  Klang,  räkosäd  selbst- 
angelegter Weinberg  :  säd  Pflanzung ,  s&moräst  Pflanzen,  die  auf 
abgeerntetem  Acker  aus  verstreutem  Samen  wachsen  :  rast,  8&m<h- 
teg  (Selbstzug)  offene  Schleuse  bei  der  Mühle  :  teg,  sthnogred 
strmogled  Trauerweide  :  gredj  gled  AWb.,  s&hoztd  (Trockenmauer) 
Mauer  ohne  Mörtel :  z%d^  tocokljün  Blauspecht :  kljün  Schnabel, 
ztmollst  (Winterblatt)  eine  Pflanzenart  :  Rst,  zTdgük  Unglücks- 
prophet :  gük  Girren,  gükati^  Vuegräd :  gräd,  Mtrodar  :  dar.  Bei 
einigen  vereinzelten  Beispielen  hat  das  zweite  Wort  steigenden 
Ton  :  bdgodän  von  Gott  gegeben  :  dän  fem.  däna^  püsiodjäk  Schü- 
ler, der  die  Schule  schwänzt  :  djäk  djäka;  hier  kann  aber  sehr 
wohl  die  Tonqualität  der  Nominative  massgebend  gewesen  sein. 
Zu  drSgoljub  (vgl.  den  Eigennamen  Drägofyub  bei  Vuk)  Kapuziner- 
kresse, Bdgoljüb  ist  im  heutigen  Serbischen  das  Adj.  f/ub  nicht  ge- 
bräuchlich, slov.  Ijüb  fem.  Ijuba.  lieber  das  zweite  Element  in  den 
Eigennamen  Drcigomtr^  Godomir^  LjUbomlr^  R&domtr,  T&iomtr, 
Vttomtr  lässt  sich  nicht  sicher  nrtheilen.  Eine  grössere  Anzahl 
enthält  als  zweites  Glied  ein  nicht  selbständiges  Nomen  ag.  oder 


Untersuch,  üb.  Betonnngs-  n.  QuantitStsyerhältnisse  in  den  slav.  Spr.  347 

Nom.  act.,  ^8ü»ot?a/;'( Dreckwälzer)  Mistkäfer  :  vdljaii^  jMroklek 
(Morgenhock)  ein  Scherzwort  für  sterctM  :  kUcati^  kolamäz  Wagen- 
Bchmiere  :  tn&zaii,  Mlomk  Drehrad  :  8ukati\  kdlovrät  Wirbel,  süno- 
vrät  Narcisse  :  vrdiiti;  käkotres  (Bedeutung  ?),  Tt^^oj^äeif  Blattfall, 
Oktober  :  pSsti,  pMem\  rükopts  (wahrscheinlich  ursprünglich  t- 
Stamm)  und  das  scherzhaft  gebildete  sMopts  Handschrift :  pisati ; 
sUmontk  von  selbst  keimend  :  niöi  tiiknem^  sololük  Salzstössel :  tü6iy 
süncokret  Sonnenblume :  kr  Statt,  ttvoljez  (daneben  üvolj'ez;  =  üholj.) 
Ohrwurm  :  Ij^dsti  Ißzem,  vddapläv  Wegwarte  :  pl&viti,  t>rbopüc  das 
Ausschlagen  der  Weiden  :  pücati,  zFöslüt  Unglttcksprophet :  slütiH 
ahnen. 

b)  Das  zweite  Glied  hat  ursprünglich  kurze  Silbe; 
die  Beispiele  sind  spärlich:  hlägosäv,  gen.  sova  Segen  (in  älterer 
Zeit  auch  fem.  ^St) :  slovo  mit  fallendem  Ton,  s.  slov.  slovo,  nid- 
droköa  Yogelart :  wohl  zu  kos  Amsel,  sämotdk  (und  sambtok  s.  o., 
der  zweite  Theil  bei  Vuk  nicht  vorhanden) ,  vinoböj  gen.  -boja 
Pflanzenname  :  bcj  boja ;  Vuk  hat  noch  ein  prikohöi  ohne  Genus- 
angabe, vielleicht  alter  ^Stamm  :  nhga.  Die  Länge  im  Nomin.  sg. 
bei  diesen  Worten  kann  nur  bedeuten,  dass  der  Ton  fallend  war. 

Beispiele,  die  von  den  angeftlhrten  Typen  der  Betonung  und 
Quantität  abweichen,  sind  nur  in  ganz  geringer  Anzahl  vorhanden : 
1)  es  kommt  vor,  dass  das  erste  Element ""  hat,  trotzdem  das  zweite 
kurzen  Vocal ;  mit  ursprünglich  langer  Silbe  des  zweiten  Gliedes 
finde  ich  nur  tükoluk  Enoblauchstössel  (scheint  ein  Scherzwort  zu 
sein)  :  lük,  vljoglav  (und  fem.  mjoglaoc^  Wendehals,  Slävoljub 
(neben  Slavhljub) ;  dazu  kommt  eine  Anzahl  mit  -sav  (fttr  -slav,  zu 
sl&va)  gebildeter  Eigennamen  Drägosav  [DrUgoslav],  Mtlosav  (da- 
neben Milbsav,  vgl.  auch  Vukbsav),  BMosav ;  femer  Drägobrat  : 
brät,  Lttpoglav  (Ortsname  aus  einem  Verse)  :  gläva,  MVorad :  rM. 
Mit  ursprünglich  kurzer  Wurzelsilbe:  k^njorog  am  Hom  ver- 
stümmelt, vitarog  mit  gewundenen  Hörnern  :  rog  rdga;  hl&- 
dolei  (und  hladblei,  eig.  Ealtlieger)  Pflanzenname,  pütonog  bläss- 
ftlssig  :  nbga,  zTotvor  Uebelthäter,  dazu  die  Ortsnamen  Sämobor, 
Sävobar  (=  SMobar)  :  bor  bdra.  —  2)  der  alte  Hochton  liegt  auf 
der  zweiten  Silbe  des  ersten  Gliedes  (dem  Gompositionsvocal),  also 
jetzt  als  ^  auf  der  ersten  Silbe.  Appellative  Beispiele  sind  ganz 
spärlich:  dworog  (ein  Räthselwort,  divoroga  kräva)  mit  wunder- 
lichen Hörnern  :  rog  roga,  vinogräd  Weinberg  :  gräd,  Hsobrk  der 


348  A.  LeskioD, 

den  Schnurrbart  stutzt :  SiSati^  bfk.  Bei  Vuk  stehen  zwar  noch 
einige  Beispiele :  bvljook  glotzäugig,  cYnook  schwarzäugig,  plävook 
blauäugig,  diese  sind  aber  anders  zu  beurtheilen ;  die  normale  Be- 
tonung ist  cmbok  (so  AWb.,  vgl.  dort  auch  bjelhok]  u.  s.  w.  Die 
beiden  o  werden  contrahirt,  und  da  die  so  entstehende  Endbetonung 
nothwendig  aufgehoben  werden  muss,  rückt  der  Hochton  zurück, 
daher  crnok  (so  AkW.),  vgl.  auch  die  als  Thiemamen  gebrauchten 
Feminina  büljoka^  vränökuj  iütoka.  Dazu  kommen  einige  Eigen- 
namen, die  gleichgebildeten  Bbgosav  [Bbgoalav] ,  DbbrosaVf  Ljübth- 
sav^  SkbrosaVj  ferner  Ljübobrat,  Rädobud,  Dbbrovük.  Vergleicht 
man  damit  die  eben  vorher  angeführten  Drägosav^  Mtlosav  und 
Milbsav  u.  8.  w.,  so  sieht  man,  dass  in  diesen  Namenbildungen  die 
Betonung  sehr  schwankend  ist,  und  dass  man  bei  der  Beurtheilung 
der  Verhältnisse  von  ihnen  absehen  muss.  Hält  man  sich  die  Ge- 
sammtheit  der  masculinen  Gomposita  vor  Augen,  so  wird  man  nicht 
anders  schliessen  können,  als  dass  die  Typen  T,  II  die  Segel  re- 
präsentiren,  denen  gegenüber  die  zuletzt  behandelten  Abweichungen 
nicht  in  Betracht  kommen.  Die  Typen  I,  II  ergeben  aber,  dass  die 
Betonung  auf  dem  ersten  Gliede  (mit  ^)  abhängt  von  der 
fallenden  Betonung  des  zweiten  Gliedes,  also  dieselbe  Regel 
gewonnen  wird  wie  bei  den  t-Stämmen.  Dass  dabei  einige  Un- 
regelmässigkeiten vorkommen,  z.  B.  golbguz  neben  bjilogüz^  crno- 
rep  neben  cmhrep  (s.  o.  unter  I,  II)  kann  nicht  auffallen,  der  Typus  I 
ist  eingedrungen,  wo  II  normal  war ;  man  muss  sich  eher  wundern, 
dass  die  Unregelmässigkeiten  nicht  häufiger  sind. 

Die  Vergleichung  mit  den  beiden  anderen  Sprachen  ergibt 
Folgendes :  im  Bussi  sehen  ist  der  Hoch  ton  auf  dem  zweiten  Ele- 
ment stehend,  die  Bedeutung  mag  sein  wie  sie  will,  das  Wort  sub- 
stantivisch oder  adjektivisch  gebraucht  werden  (bei  der  Motion  der 
Adjektiva  ändert  sich  der  Hochton  nicht],  die  Wurzelsilbe  des 
zweiten  Gliedes  ursprünglich  lang  oder  kurz  sein.  Also  es  fehlt 
dem  Russischen  der  serbische  Typus  II.  Aus  den  Hunderten  von 
Beispielen  gebe  ich  eine  kleine  Anzahl  zur  Veranschaulichung. 
Substantiva:  ^jooßfixhrh  (Schüssellecker,  jnszodx&^rb  dass.)  Schma- 
rotzer, Ö^coroH'B  Windbeutel,  BepTonp&x'B  dass.,  bo^oöitl  Wasser- 
behälter, AOMoc^A'B  Haushocker,  3y6ocK&ji['B  Zähnefletscher  (cKaio- 
376%  dass.) ,  ,  3j[o;^H  Uebelthäter,  KoconörB  Geissfuss,  MyxoMop^ 
(Fliegentod)  Fliegenschwamm,  jttcoBdjTB  Windbruch  im  Walde, 


Untersuch,  üb.  Betonungs-  n.  QuantitätsverhSltniBBe  in  den  slav.  Spr.   349 

HOBOciiTB  neaer  Anbau,  hobocöjk'b  Ansiedler,  putfojös'B  Fischer,  cto- 
jOB&pB  Theerbrenner,  c^hob&jix  Heuscbober,  cinociK'B  Henschlag, 
xMfk6oc6ÄT>  Gastfreier,  qepnoseMx  Schwarzerde.  Adjektiva:  6^jio- 
HÖriH  weissfbssig,  tf^JtopyKiS  weisshändig,  AOJropyidH  langhändig, 
cyxoB^pxiS  gipfeldttrr  u.  s.  w.  Wo  Polnoglasie  die  Tonqualität  er- 
kennen lässt,  findet  steigender  Ton  statt,  z.  B.  6^orojL6wh  (Weiss- 
kopf) mit  Schnee  bedeckter  Pfahl,  TojcTorojÖB'B  (Dickkopf)  eine 
Fisohart,  dopoHOBOJtdieB  Eggenzieher,  boaobop6tb  Wasserwirbel, 
KOJcoBopÖTB  Windelbohrer,  ötjoBOjioeuH  weisshaarig,  ^epHotiopÖAUH 
schwarzbärtig. 

Im  Slovenischen  hat  die  ungeheure  Mehrzahl  der  Beispiele 
dieselbe  Betonung  wie  im  Russischen.  Der  im  Nom.  sg.  der  Sub- 
stantiva,  im  Masc.  der  Adjektiva  demnach  auf  der  Endsilbe  liegende 
Hochton  (^,  kurze  Silbe),  erscheint,  wo  in  Flexion  oder  Motion  die 
betreffende  Silbe  nicht  mehr  die  Endsilbe  bildet,  folglich  gedehnt 
werden  muss,  als  ',  d.  h.  der  Ton  ist  steigend,  also  zum  Bussi- 
schen stimmend,  z.B. drvotbn  gen. drvotdnaj  belorog  fem.  beloröga. 
Auch  hier  gebe  ich  nur  eine  Anzahl  Worte  zur  Veranschaulichung. 
Substantiya :  delopüst  Feierabend,  drvosdk  Holzhau,  drvotbn  Stätte 
zum  Holzhacken,  kolomäz  Wagenschmiere,  koloiok  MUhllanf,  kolo- 
vhz  Radspur,  listopäd  Blattfall  (Oktober),  mesojed  Fleischesser, 
rokomit  Wurfweite,  senosdk  Heumäher,  vodonbs  Wasserschaff, 
vratolbm  Halsbruch  und  Halsbrecher,  zvezdogled  Sterngucker 
u.  s.  w.  Adjektiva:  belorbg  weisshömig,  zlatorbg  goldhömig, 
bosonbg  barfüssig,  gologläv  nacktköpfig,  trdogläv  hartköpfig, 
vrtogläv  schwindelig  u.  s.  f.  —  Anders  betonte  Fälle  sind  an 
Zahl  ganz  verschwindend:  1)  mit  "  auf  dem  zweiten  Element 
finde  ich  bei  Va1javec(Rad49)  nur  /ts^o^^S;' Blattfäule  (November), 
pismoük  Schriftgelehrter,  samoük  Autodidakt,  pizdogriz  ranunculus 
(im  Wb.  pizdogriz).  Ein  nnd  anderes  Beispiel  bietet  noch  das 
Wörterbuch,  blagodär  Segen,  milodär  Liebesgabe  [dar  Gabe) ;  ob 
dies  volksthttmliche  Worte  sind,  kann  ich  nicht  entscheiden, 
sicher  sind  barvotisk  Farbendruck,  celoiisk  Stereotypie,  lastoper 
Mauerschwalbe,  letogräd  Sommerschloss,  samosij  Leuchtstein  mo- 
derne Neubildungen;  «amoc^^rä^  selbander,  samosvet  allein  heilig 
sind  erst  aus  den  Zusammenrückungen  sam-drüg,  sam-svei  in  die 
Analogie  der  üomposita  ttbergefährt  worden.  Aufgefallen  ist  mir 
ausserdem,  dass  im  Wb.  Zusammensetzungen  aus  Adjektiv  nnd 


350  ^'  Leskien, 

Adjektiv,  deren  erstes  das  zweite  näher  bestimmt,  zuweilen 
Endbetonung  mit  "  haben :  bledozolt  blassgelb,  zlatoioH  goldgelb, 
cmozoit  schwarzgelb,  cmobled  schwarzbleich,  drobnomii  (fein-lieb) 
niedlich,  ialomii  (weh-lieb)  wehmüthig,  ^o/ona^(nackt-blos8)  faden- 
nackt. 2)  Kaum  in  Betracht  kommt  der  Fall,  dass  das  erste 
Glied  '  (also  steigenden  Ton)  auf  der  ersten  Silbe  hat ;  ich  finde 
so:  delopusi  (Valj.,  Wb.  delopüst),  vinograd  (Valj.  neben  vinograd^ 
so  Wb.),  listopad  (neben  lütopäd  s.  o.),  srakoper  sWcoper  Valj. 
Würger  (Vogel;  srakapdr  Wb.),  kruhopek  Bäcker  (neben  kruhop^k). 
Es  scheint,  dass  hier  z.  Th.  die  Betonung  des  ersten  Elements  als 
selbständiges  Woit  eingewirkt  hat,  vgl.  delo^  vmo,  krüh  gen.  krüha. 
3)  Noch  seltener  sind  die  Fälle,  in  denen  die  zweite  Silbe  (der 
GompositionsYocal)  '  hat;  ich  habe  nur  bemerkt:  vinograd  [nehen 
tnnograd)  Weinberg,  vinöraz  Bebenmesser,  slanövrat  und  slindivrat 
(neben  soinovrät)  Hahnenfuss,  zlöcest  (neben  zlocest)  böse.  Die  Zahl 
der  unter  1 — 3  angeführten  Beispiele  ist  yersch windend  gegen  den 
als  regelmässig  zu  bezeichnenden  Typus  drvothn. 

Es  scheint  also  auch  dem  Slovenischen  der  serbisehe  Typus  II 
{gorocmjet)  zu  fehlen.  Freilich  ist  ein  Beispiel  vorhanden  mit  "  auf 
der  zweiten  Silbe :  kolovratj  das  Valjavec  (Rad  132,  S.  201)  dem  serb. 
kälovräty  mit  der  bekannten  Umstellung  des  Hochtons,  gleichsetzt; 
die  gleiche  Form  zeigt  noch  zRdej  Uebelthäter,  und  im  Wb.  samo^ 
stret  Armbrust,  falls  ich  nicht  dort  eins  oder  anderes  übersehen 
habe.  Die  Frage,  ob  das  Bussische  den  serbischen  Typus  11  einst 
besessen  und  ganz  verloren  habe,  ob  das  Slovenische  ihn  ebenfalls 
einst  hatte,  lässt  sich  erst  im  Zusammenhange  mit  den  Präpositional- 
compositis  behandeln,  zu  denen  ich  jetzt  übergehe. 

B.  Zusammensetzungen  aus  Präposition  und  Nomen. 

1.  Die  Präposition  hat  den  Accent  ""j  d.  h.  alten  Hoch- 
ton, die  Wurzelsilbe  des  zweiten,  nominalen  Compo- 
sitionsgliedes  hat  langen  Vocal. 

a)  Präpositionen  mit  ursprünglich  kurzem  Vocal. 

do- :  dohvät  Erreichen. 

o-  ob:  obläk  Wolke,  sl.  obläk,  r.  kchsl.  66j[aKB  (r.  66ä9ko  ntr.); 
obiik  Antlitz,  sl.  oblik^  r.  dÖjaoTL;  dblük  eine  Art  Bund,  den  Verlobte 
aufsetzen;  SiöcfRand,  sl.  obod,  r.  66oxh  Reifen,  Radkranz;  dbrüc 


ünterBuch.  üb.  Betonnngs-  a.  Quantit&tsverhältnisBe  in  den  slav.  Spr.  351 

Beifen,  sl.  oJrSc,  r.  oßpy^'B;  dbnr  Umblick,  sl.  obztr  oz%r\  8eßr  Plün- 
derer, r.  o6ahp'b  Ansplttndem ;  ^dgläv  Eopftheil  des  Pferdegeschirrs, 
sl.  abweichend  ogläv  g.  ogläva  u.  a.  Halfter ;  Mrijek  Wassermoos, 
vgl.  sl.  okräk  dass.  nnd  Froschlaich;  oJ^  Flick;  okri  Gemetzel 
(zu  I^üti  brechen);  ^omäm  Köder;  ^päd  Fall  (des  Wassers),  sl.  ab- 
weichend opäd  g.  opddaj  r.  ond^'B;  dpäz  Hut,  sl.  abweichend  opäz 
g.  opdza;  dprez  Umsicht  (zu  prezati  lauem),  sl.  oprez;  osvlt 
Tagesanbruch,  sl.  osvU;  dsled  Ebbe;  dük  Pflugreute;  dämrk  (zu 
Smrk-  spritzen)  Wasserhose;  ovrlj  eine  Art  Kopfbedeckung  der 
Frauen  {^  bei  Pavic  S.  58,  in  Vuk's  Wb.  ist  der  Accent  undeuüich) ; 
dzlb  Hebung  (mit  dem  Hebel),  sl.  ozibi  pl.  schwankendes  Erdreich. 

od-:  odzdräv  Gegengrnss,  sl.  abweichend  ozdräv  g.  ozdrdva; 
dtläip  Loskauf,  sL  odküp,  r.  611:711%;  dipäd  AhfM,  sl.  abweichend 
odpäd  g.  odpddaj  r.  OTnä^'^. 

po-:  p&gted  Blick,  sl.  abweichend  pogUd  g.  pogleda,  r.  no- 
TJL&ffh;  pdjäs  Gttrtel,  sl.  ^q;«*,  r.  noHCx;  pbkriv  [zu  pokrivati),  sl. 
pokriv  Deckel,  r.  nom.  act.  hokpkib'b  (Dahl) ;  p8mäz  Art  Brei  zum 
Ueberstreichen  von  Maisbrot,  sl.  abweichend  pomäz  g.  pomdza 
Salbe,  r.  nom&s'B  Lappen  u.  a.  zum  Ueberstreichen ;  pdmen  Erwäh- 
nung, sl.  abweichend  pomin  g.pamSna;  poklön  Geschenk,  Yer- 
neigung,  sl.  abweichend  poklhn  g.  poklöna^  r.  noKjiÖH^  Vemeigung; 
pbpik  eine  Art  Ballspiel,  Schlagball;  popläv  {und pbplav)  Begen- 
bach;  pSprd  (eig.  Dreck)  Tand;  pioräat  (auch  fem.  »-St.)  Wuchs; 
pdsijek  (vgl.  pbsjek)  Gemetzel;  poslüh  Gehör,  sl.  poslüh,  klr. 
poshich  Gehorsam  (r.  kchsl.  nöcjiyx'B  Zeuge);  pMeg  (eig.  Anzug) 
Stange  am  Wagen,  sl.  abweichend  poteg  g.  potega  Anziehen,  Zug, 
r.  noTflFB  ein  Wagentheil;  pitrk  Lauf;  p&tük  (zu  tü6i  tü6€m=^ 
thkq)  Böttcherwerkzeug  zum  Anschlagen  der  Beifen,  sl.  potoik 
Niederlage  in  einem  Treffen;  povrat  (in  einem  Liede  bei  Ynk) 
Umkehr,  sl.  abweichend  povrat  g,  povräta^  r.  nosopöT'L;  pdvraz 
Eisen  zum  Kesselaufhängen  (zu  vrizq),  sl.  abweichend  povräz  g. 
popräza;  pdzdräf)  Gruss,  sl.  abweichend pozdräv  g.  pozdrdva;  pd- 
iär  Brand,  sl.  poiär,  r.  nos&p^. 

pod-:  podrig  Aufstossen;  pdtprig  »quod  incoquitur  cibo  (fa- 
rina  et  butyrum)a;  plotpfdS^Ü;  pdtprüg  Saumsattelgurt,  sl.  ab- 
weichend podprbg  g.  podproga  Bauchgurt  des  Pferdes ;  pddsmijeh 
Lachen  über  etwas,  sl.  podsmehf  r.  noAciiix'L. 

pro-:  prdbtr  Auswahl,  r.  npoßip'B  (Dahl);   proci/ep  Kloben, 


352  A.  Leskien, 

s\.  procep  »Qaandelstangec;  PrSkäp  (scherzhafter  Name,  za  pro- 
käpati  durchtränfeln),  r.  nom.  act.  npoKäiTB  (Dahl);  prolijet  Wind- 
beutel (Lügner);  prdsijek  kleine  Hacke;  prdfäk  grobes  Sieb  (vgl. 
protdkati  sieben) ;  prdvläk  gezogene  Wachskerze,  r.  nom.  act.  npo- 
BOjidiTL  (Dahl). 

8^-  sa-:  säpdni  pl.  (kroatisch  nach  Ynk's  Angabe)  Walzen, 
auf  denen  die  Webebaumstützen  ruhen ;  sUpläk  metallne  Trink- 
schale der  Reiter  (ist  wohl  ein  Fremdwort). 

UZ"  =  v^z-:  üzdäh  (=  v^^d^ch^]  Seufzer,  r.  bsaox'b;  üzgred 
Vorbeigehen ;  itzräst  Wuchs,  Statur. 

b)  Präpositionen  mit  ursprünglich  langem  Vocal. 

Da  die  Präposition  den  Accent  ^,  nicht "  hat,  kann  angenom- 
men werden,  dass  sie  steigenden  Ton  hatte,  daher  die  Verkürzung 
des  Vocals  gemäss  der  allgemeinen  Regel. 

na-:  tiäteg  (u.  fem.  nätega)  Heber,  sl.  abweichend  naUg  g.  fto- 
tega  Spannung,  r.  naTirB  u.  a.  Spannriemen. 

pa-:  pälik  (s.  Vuk  u.  liciii  se);  /^ä/r/;' Baumstumpf . 

prcL-:  prMjed  Urgrossvater,  unregelmässig  in  der  Quantität 
des  Nomons. 

pr%^\  pripädom  (i.  sg.  zu  pripad]  in  Nebenstunden,  sl.  ab- 
weichend pripäd  g.  pripäda ;  pripüz  (zu  phzq)  einer,  der  ins  Haus 
eingeheirathet  hat;  pristäv  Knecht  in  der  Wirthschaft,  sl.  pristav 
Meier,  r.  npHCTaB'B  u.  a.  Aufseher;  privük  (soviel  wie  pripüz \  zu 
vücem  =  vhkq) . 

pre-i  Pridräg  (Eigenname);  prSkid  Unterbrechung,  r.  nepe- 
KHÄ**  Hinüberwerfen ;  />r2Ar^^  Umschwung,  sl.  abweichend />reA;r^^ 
g.prekreta;  prdmet  Purzelbaum,  sl.  abweichend ^rem^^  g.  premita 
Umwerfen;  /^rS/ry Unterbrechung,  sl. abweichend /?re%  g.j>rc<r^a. 

raz-\  rfizre^j  Schlitz,  r.  paapts'B ;  rä^ve^  Tagesanbruch,  sl.  ab- 
weichend razsvit  g.  rtizsvita,  vgl.  r.  pascBiT'B;  räzüm  Vernunft,  sl. 
razümj  r.  pfayM'B. 

2:0-:  zädäh  (=  zad^ch^;  u.  fem.  zMaha)  Gestank,  sl.  abwei- 
chend zadäh  g.  zaddhaj  r.  smöx'b  Schwüle;  zMüh  Geruch;  zäglüh 
Betäubung;  zäpädWe^ten,  r. adnaA'B,  sl.  abweichend  zapad zapäda\ 
z&teg  Spannung,  r.  saTArb  Spannriemen;  zMzii^lxit.  (s.  Vuk);  z&üi 
Umdrehen  des  Schiffes,  das  stromaufwärts  fährt. 

8u  =  sc^:  sümräk  Abenddämmerung,  sl. sömrakj  r. cyHopoirB. 

w  =  o\f' :  ümäk^  ein  Ei  na  umak  kochen  =  weich  kochen, 


Untersuch,  üb.  Betonungs-  n.  QnantitätBTerhSltniB  sein  den  Blav.  Spr.  353 

von  Miklosich  EW.  auf  mok-  bezogen,  in  dem  Falle  u-  vielleicht  = 
e%-;  üprt,  etwas  na  uprt  =  anf  den  Bücken  nehmen,  vgl.  üprtiti 
anf  den  Rücken  nehmen  nnd  ^prta  Achselriemen  des  Ranzen,  sL 
uprtiti  (neben  oprtittj  dass.,  op)rt  g.  oprta  Tragriemen ;  Mär  Schlag, 
sl.  udävy  r.  ya&P'b;  ügled  Anschein,  sl.  abweichend  uglid  g.  ugUcla; 
itffär  (zu  fforeti)  Brachland,  sl.  bei  Miklosich  EW.  üffor,  r.  jr&ph 
Dnnst;  ^res  Schmuck;  äoär  in  der  Redensart  z&uvär  zum  Nutzen. 

c)  Zusammensetzungen  mit  iz-i  tzrijeiom  L  sg.  mit 
eigentlichem  Namen,  sl.  abweichend  izrik  g.  izrSka  Ausspruch. 

Abweichungen  von  dem  ausgefllhrten  Betonungs-  und  Quanti- 
tätsverhältniss  finden  sich  nur,  wenn  ich  nicht  eins  oder  das  andere 
übersehen  habe,  in  nute  ff  eine  Art  des  Schiffziehens,  näd  (neben 
näd)  Hoffnung,  räspüt^  ein  in  Parallele  zu  put  gebildetes  Räthsel- 
wort. 

Zu  beachten  sind  die  Beispiele  mit  vocallosem  «-  und  Länge 
des  nominalen  Bestandtheils,  weil  sie  fallenden  Ton  des  zweiten 
Elements  sicher  zeigen :  splav  Floss,  spüi  Schnecke,  avläk  abge- 
legter Schlangenbalg,  zffäd  Ekelhaftes,  zgtb  Gelenk. 

Die  Zahl  der  Beispiele  mit  der  Betonung  "^  und  folgender  langer 
Silbe  beträgt  ca.  80.  Bemerkenswerth  ist,  dass  mit  ganz  geringen 
Ausnahmen  (jibdd,  poklön,  priuiet,  zädäh)  die  Wurzelsilbe  des 
Nomen  ursprünglich  lang  war. 

2.  Die  Präposition  hat  den  Accent  ^  oder  ',  d.  h.  der 
Hochton  lag  ursprünglich  auf  der  zweiten  Silbe,  der 
Wurzelsilbe  fles  nominalen  Bestandtheils;  diese  ist  stets 
kurz.  Das  schliesst  nothwendig  in  sich,  dass  der  Ton  steigend 
war,  denn  nur  so  konnte  ursprünglich  lange  Wurzelsilbe  des  Nomen 
verkürzt  werden. 

a)  Präpositionen  mit  ursprünglich  kurzem  Yocal. 

do-i  dhmetWuTfyfeitej  sh  damit  g.domitay  r.nom.act  fffiu6vh 
(Dahl) ;  dbnos  Zutrag,  sl.  donbs  g.  donösa  Hinterbringung,  Ertrag, 
r.  AOHÖCB  (Dahl) ;  dbhod  Zugang,  sl.  dohbd  g.  dohöda,  r.  aoxoa^. 

0-  ob-:  bbloff  Wette,  sl.  oblbff  g.  oblöffa  Einfassung,  Besatz,  r. 
o6x6rB  u.  a.  Aufschlag  am  Aermel ;  bbluk  Sattelknopf,  sl.  abwei- 
chend oblok  Bogen,  r.  abweichend  öÖJiyicB  u.a.  Kutschersitz;  bbor 
(zu  vhrq)  Einzäunung,  sl.  obbr  g.  obara;  O^oe?  (Eigenname); 
bbrtiz  Wange,  sl.  obräz  g.  obrdza,  r.  abweichend  ötfpas'B  Bild;  bbrok 
Frist,  sl.  obrbk  g.  obröka  Deputat  u.  a.,  r.  otipÖKB  Abgabe;  bbrub 

ArolÜT  Ar  ■UTisohe  PUlologie.   XXI.  23 


354  A.  Leskien, 

Samn,  el.obrbb  g.  obröbay  r.  o(ipy6'B Einfassung;  bpkopSchasissßy  sl. 
obkbp  g.  olkapa^  r.  oköifb  (Dahl) ;  hpy'ek  »Lehne,  tamolnscy  sl.  obsek  g. 
obseka  das  Behauen,  r.  o6ciirB  dass. ;  hptok  Emfassnngy  sl.  obthk  g. 
obtoka  Umfliessong;  hdor  Plünderer  (in  einem  Verse  bei  Vnk),  r. 
oÖAop'B  nom.  act . ;  hgreb  was  auf  der  Flachsranfe  beim  Abziehen  bleibt, 
sl.  ogreb  g.  ogreba^  r.  orpe^x  Znsammenharken ;  hgrjet)  Heizung ;  hkiad 
Wette,  sl.  okläd  g.  okläda  Einfassung,  r.  okji&a^  Belag,  Beschlag ; 
hMop  Ettrass,  sl.  oklhp  g.  okl6pa\  oko  g.  hkola  Lager  (eig.  Bunde, 
Umkreis),  sl.  okbl  okola^  r.  okojtb;  hkop  Schwaden;  hkov  Beschlag, 
sl.  okhv  g.  oköva^  r.  oköbx  (Dahl);  hmet  Fege  (scopulae);  bpüJi  »ge- 
rollte Gerste,  alica«,  zu  opähati  abstäuben,  sl.  opäh  opäha  Nessel- 
anssehlag,  r.  on&xx  Abstäubung;  bsip  Hautausschlag,  sl.  osip  osipa 
Behäufeln,  r.  oc^m^;  bsjek  Abhang,  sl.  osek  osika  Pferch,  r.  ocim 
Verhau;  biea  [=pbte8)j  sl.  otis  g.  otesa Behauung,  r.  ott6c%  (Dahl); 
btrov  Gift,  sl.  ötrov  (mit  zurückgezogenem  Hochton)  und  otrbv  g. 
otröva]  bieg  Schtirhaken,  sl.  oÜhg  g.  oigä  (zu  ihg-)^  r.  oxSpb. 

odr:  bdbor  (eigentl.  Wegklaubung,  s.  Vuk),  sl.  odbbr  odbara 
Ausschuss  (Comitä),  r.  ot66^t>  Auswahl;  bdljud  Unmensch;  bdtnet 
Dinge  zum  Wegwerfen,  sl.odmit  g.  oc^m^^a  Ablehnung,  Verwerfung, 
r.  OTuöTt  (Dahl);  bdmar  Erholung,  sl.  odmbr  g.  odtnöra  Bast;  bdrod 
der  sich  von  der  Verwandtschaft  losgesagt  hat,  sl.  odrbd  g.  odröda 
Abkunft,  r.  oxpo^Tb  Wurzelschössling,  Ableger;  bdsjek  (=  bsjek)^  sl. 
odsik  g.  odsika^  r.  otcIicb  Segment;  bdskok  Absprung,  sl.  odskbk 
g.  odskökuj  r.  otcköici;  ^^oor  Leibesöffnung,  sl.  otvbr  g.  otodra  Oeff- 
nung,  r.  oTsöpx  Oeffnen ;  6^^o«  Schwaden,  r.  otköcb  u.  a.  Heumähen ; 
bikotf  Dengelzeug,  sl.  odkbv  g.  odkova  Losschmieden,  r.  otk6bi  Aus- 
schmieden; btpor  Entschuldigung  (Erwiederung),  sl.  odpbr  g.  od- 
pöra  Widerstand,  r.  oxnöpx. 

p(H:  Pbböj  g,  Pbboja  (Ortsname),  sl.  pobbj  g.  poböja^  r.  no66H 
Schlag,  Schlacht;  pbcek  Borg,  sl.  abweichend /)ooa£ ;  pbcinj  (Wort 
aus  einem  Kinderspiel,  znpocinjati  anfangen),  vgl.  r.  noqnH'B  An- 
fang; pbgon  Wegtreiben,  sl.  pogbn  g.  pogona^  r.  norÖHTb;  pbgreb 
Begräbniss,  sl.  pogreb  g.  pogriba,  r.  abweichend  nörpeÖ'B  Keller, 
klr.  pogrib  Begräbniss;  pbhod  Abreise,  sl.  pohbd  g.pohöda^  r.  no- 
xoAx;  pbkladi  plur.  (neben  fem.  pbklade)  Tag  vor  den  Fasten,  sl. 
pokläd  g.  pokläda  Fundament,  r.  noKJiaA'B  u.  a.  Vergleich;  pbköj  g. 
pbkoja  Buhe,  sl.  pökoj  (Accent  zurückgezogen)  g.  poköja^  r.  uoköh; 
pbkolj  Blutbad  (Gemetzel) ,  Bl.pökol;  (scheint  eine  Neubildung  oder 


Untersnch.  üb.  Betonungs-  n.  Quantit&tBverbältnisse  in  den  slav.  Spr.  355 

Entlehniing) ,  vgl.  r.  noKÖjn  Stich ;  pbkop  Begräbniss,  sl.  pokbp  g.  po- 
kdpa]  phkor  Tadel,  r.  noKÖpx;  phkrov  (Decke)  Leichentach,  sl.  ^o- 
krhv  g.pokrova,  r.  noKpoB'B;  pbloff  (Lager)  untergelegtes  Ei,  sl.^o- 
Ibff  g.  poloffUj  r.  nojEÖFB;  pbldj  g.  pbloja  der  Ueberschwemmung 
ausgesetzter  Ort,  sl.  polbj  g-polöja^  r.  nojioH;  pblom  (Bruch)  Nieder- 
lage, sh  polbm  g.  poloma^  r.  noÄ6wh;  pbmet  (Fege)  Schneegestöber, 
sl.  pomet  g.pom^taf  r.  uov^Trb]  pbmor  Seuche,  B\,pombr  g.pomöra; 
pbnor  Schlucht,  Bhp6nor  (zurückgezogener  Accent)  g.  ponöra;  pb- 
no8  Stolz,  sl.  ponbs  g.  panösa,  r.  noHÖc^  u.  a.  Lästerung;  pbpas 
Frühaustrieb  des  Viehes,  sl.  abweichend  ^öpo*  Abweidung,  r.  no- 
n&ci  eine  Art  der  Hut;  pbplat  Fusssohle,  vgl.  Bl.podplät  g.pod- 
pldta  Sohle,  r.  uoxoä&tu  Halbsohlen;  pbplav  {and popläv)  Bogen- 
bach,  r.  nonjiäB'B  Wasserweg ;  ^ipfe^  Geflecht,  sl.popUt  g.papUta; 
pbpret  mit  Asche  bedeckte  Glut;  pbprug  Saumsattelgurt;  pbrob 
»Vollstreckung  eines  Urtheils«  Vuk  (aus  Ragusa),  sl.  porbh  g.  po- 
röba  )» das  Geld,  das  von  den  Schuldnern  an  die  Häscher  oder  Ge- 
richtsdiener bezahlt  wirda;  pbrod  Nachkommenschaft,  sl.  pdrod 
(mit  zurückgezogenem  Hochton)  g.  poröda^  r.  nopö;^^;  pbr(m=  pb- 
nor ^  wohl  nur  volksetymologisch  an  roniti  angeschlossen;  pbrub 
Saum,  el.porbb  g.poröba  Baumstumpf  u. a.,  r.  nopyÖ'L  Abhau  u.a. ; 
pbruk  (poet.  Wort)  Bürge,  Bl.porok  (mit  zurückgezogenem  Hochton) 
g,  poröka;  pbsao  [=pos^h)  g,  pbsla  Geschäft,  Arbeit,  sl.  abwei- 
chend ^o^  g.  pösla  Bote,  Geschäft,  r.  nocojTB  g.  nocjä  Gesandter; 
pbsvjet  Beleuchtung,  sl.  abweichend ^o^t??/,  r.  hocb^t'l  Leuchter; 
pbsjed  Besuch,  r.  noc^Au  plur.  Sitzen,  Erholung;  pbsj'ek  Thier,  das 
zum  Winterschlachten  bestimmt  ist,  sl.posek  g.poaika  Abtrieb  des 
Holzes  u.  a.,  r.  nociicL  Anbau;  pbstav  Leinwand,  sl.  postäv postdva 
Stellen,  r.  nocTäBi  Arten  von  Gestellen,  u.  a.  Webstuhl,  auch  Ote- 
webe^pbstö  g. pbstola  Schuh,  sl. pösioi  (zurückgezogener  Hochton) 
g.  postolay  klr.  postü  g.  postoia  Bastschuhe  pl.  postöty^  r.  nocTÖJU 
(Dahl);  pbsiup  d Stillstand  der  Mflhle  bei  zu  hohem  Wasserstandtr, 
sl.postbp  g.postopa Auttreten,  r.  abweichend n6cTyirB Schritt,  Gang; 
pbtes  eingehegte  Aecker  oder  Wiesen  (s.  Vuk),  r.  noT6c^  Behauung ; 
pbtok  Bach,  shpotok  (zurückgezogener  Hochton)  g.potöka,  r.  ootokb; 
pbtop  Flut,  ühpotbp  g.  potöpuj  r.  noTön'B;  pbtrap  neu  angelegter 
Weinberg  (zu  trctpiti)]  pbtres  Erdbeben,  sl.  potrds  g.  potresa;  pbtiz 
Binde  am  Rocken,  el.povbz  g.povöza  Binde ;  jt^^f^^^;  dass.,  r.noBAS'B; 
pbvod  Strick  zum  Pferdeflihren,  sl.  povbd  g.  pavoda  Hundekoppel, 

23* 


356  A.  Leskien, 

r.  abweichend  nÖBo^x  Zügel;  povoj  g.  pbvoja  Binde,  sL  abweichend 
povoj]  r.  noBOH ;  phzder  Scheren  (nach  Miklosich  EW.  zu  der-)^  al. 
abweichend  pazder  xmäpozder  g.  -^erja;  pbzor  Obacht,  A.pozbr 
g.  pozora,  r.  nosop'B  Anblick. 

pod-:  phdbjel Huflattich,  sl. podbei  g.podbila ; pbdbdjg.pbdr- 
boja  Fussboden,  sl.  podbbj  g.podböja  Thttrpfosten,  r.  nofifi6S.  allerlei 
BoBchlsLg;  pbdnos  Präsentirbrett,  nl.podnbs  g.  podnösa^  r.  noAHocB; 
pbtkov  das  Beschlagen,  r.  hoakob'b  (Dahl),  pbtpts  Unterschrift,  sl. 
podpis  g.podpisGy  r.  abweichend  nöAiiHci&;  pbdrub  Saum  (vgl.  pb- 
rub\  r.  noApy6'£  n.  a.  untergezogener  Balken;  pbdrum  Keller;  pbd- 
sad  Brut,  b\.  podsäd  g.podsdda  Geheck,  r.  no^cd^  u.  a.  junger 
Anwuchs;  pbdvoz  Fuhre,  sl.  abweichend  podvoz  Achsenstock,  r. 
noABÖs'B  Zufuhr. 

pro-:  prbder  Bruch  (hernia);  prbhod  Spaziergang,  sl.  prohbd 
g.prohöda,  r.  npoxÖA'B  Durchgang;  prbkop  Graben,  A.prokbp  g. 
proköpa^  r.  npoKÖiTB  (Dahl)  Durchstich ;  prbljev  Vergiessen ;  Prbhg 
(Ortsname),  vgl.  r.  npcjön  niedriges  Thal;  Prblom  (Ortsname), 
vgl.  r.  npojiÖM'B  Durchbruch;  prbnos  erstgelegtes  Ei,  r.  npoHÖcx 
Durchtragen;  j!>r6{/'ßA;  Durchhau,  r.  npociicB;  prbvor  Seitenstechen; 
prbzor  Fenster,  sl.  prözor  (mit  zurückgezogenem  Hochton)  g.  pro^ 
zoruj  r.  nposop'B  Durchblick. 

8  [z),  sa  =  8^  (über  su-  =  sq-^  s.  S. 361) .  Die  normale  Form  des 
Serbischen  ist  s  (z)j  dazu  gehören  zwei  Arten  von  Beispielen,  was 
die  Betonung  betrifft:  1)  die  Wurzelsilbe  hat  den  Accent '',  diese 
Betonung  stimmt  überein  mit  der  der  bisher  behandelten  Composita, 
nur  dass  der  Hochton,  der  bei  den  yollyocaligen  Präpositionen  auf 
diese  zurücktritt,  auf  das  yocallose  s  nicht  treten  kann,  sondern 
auf  dem  nominalen  Element  verbleibt :  sklM  Garbenschober,  skäp 
Haufe,  smctk  {=8hfmkb)  Ende,  shos  Anschwemmung,  späs  Heiland, 
spPet Haarflechte,  svSz  Nath,  svjiit  Rath,  zbjdg  Flucht;  srok  g.  srdka 
Zeichen;  stvor  g.  stvora  Machwerk,  zboj  g.  zbdja  Haufen,  zbor  g. 
zbora  Versammlung.  Dazu  kommen  mit  Endbetonung  der  Casus : 
skPdp  g.  sklbpa  Zusammenstoss ;  slog  g.  slbga  Gartenbeet;  slom  g. 
slbma  (Zerbrechung)  Untergang ;  sm&t  g.  sm^ta  zusammengewehter 
Schnee;  svbd  svbda  Gewölbe;  zgTob  g. zgUba  Gelenk ;  zg^on  g.  zgbna 
Stück  Land  zwischen  zwei  Grenzhügeln.  Ganz  selten  erscheint 
die  Form  «a-,  bei  Vuk  nur  einmal  mit  kurzem  Yocal  säkup  Ver- 
sammlung (aus  einem  Liede),  das  normale  ist  sk^p^  mehrmals  ed : 


UntersQch.  üb.  BetonungB-  u.  Quantitätsverhältnisse  in  den  slav.  Spr.   357 

sähdj  g.  sdboja  (ans  einem  Liede)  Zusammenlanf,  nonnal  ist  zboj 
g.  zboja  (s.  0.),  sdbar  Eirehenversammlang,  wohl  kirchenslavisch, 
nonnal  serbisch  ist  zbar  g.  zhdra,  sävjet  Rath  (ans  einem  Liede) , 
s.  0.  svfit,  sdpon  Bindseil,  sd/am  g.  säjma  (=  shjhtm)  Markt,  wo  ä 
in  den  Casnsformen  wegen  der  Lautfolge  Vocal  +j  +  Gons.  ein- 
getreten nnd  die  Länge  in  den  Nominativ  übertragen  ist. 

t<  =  B'k.  Es  gibt  nnr  sehr  wenige  sicher  als  solche  zu  er- 
kennende Zusammensetzungen  mit  dieser  Präposition:  ükop  Be- 
gräbniss,  sl.  ekbp  g.  vkopa  Eingrabnng,  r.  bkoifl;  üljez  einer,  der 
sich  in  ein  Haus  einheirathet ;  üzov  Einladung;  ümir  Friede 
(u  =  oy?). 

uz  =  EikB'.  Auch  hier  ist  die  Anzahl  der  Beispiele  sehr 
klein :  üskrs  (Auferstehung)  Ostern ,  üspor  Stauung  (von  Wasser), 
üstuk  Spruch  gegen  ein  Uebel,  Gegenmittel,  üzmak  (*fybzrmkb)  Rück- 
zug, üzvod  eine  mit  Streifen  durchzogene  Leinwand. 

b)  Präpositionen  mit  ursprünglich  langem  Vocal. 

Da  der  Vocal  der  Präposition  in  der  Silbe  vor  dem  alten  Hoch- 
ton steht,  bleibt  er  der  allgemeinen  Begel  des  Serbischen  gemäss 
lang. 

na-:  ndboj  Wunde  an  der  Sohle,  Wand  aus  Erde,  sl.  nabbjg. 
naboja  dass.,  r.  natfön  Beule;  näbor  Falte,  sl.  nabhr  g.  nabora^  r. 
Ha66prB  u.  a.  Besteck,  Einschubboden;  ndcin  Art  und  Weise,  sl. 
naan  g.  nacinaj  r.  uswarh  Anfangen;  nddam  (zu  d^mq)  Blähung; 
nddjev  Füllsel,  sl.  nadev  g.  nadeva]  ndgon  Antrieb,  Zwang,  sl.  na- 
ghn  g,nag6na^  r.  narÖH'B  Zusammentreiben,  Einjagen;  nähod  Fund, 
r.  HazoA'B;  näjam  g.  näjmay  sl.  ruy'em  g.  najema  Miethe,  r.  naeiTB 
g.  HaHMd;  nakaz  monstrum,  sl.  nakäz  g.  nakäza  Unterweisung,  r. 
HaKd3%;  ndkit  Putz,  Schmuck,  sl.  ncJcit  g.  naküa\  ndlet  (eig.  Anflug) 
lästiger  Mensch,  sl.  nalit  g.naleta  Anprall,  r.  najeT'B  Heranfliegen; 
ndloff  Auftrag,  sl.  ruUoff  (zurückgezogener  Hochton)  g.  naUga^  r. 
HsuKOFB  Auflage,  Steuer;  nämet  Auflage  (Steuer],  sl.  namet  g.  na- 
meta  Aufgeworfenes,  rnaM^rB  u.a.  Aufwurf;  ndmjer  Zufall;  ndniz 
Schnur  Perlen,  r.  nauHsi  Aufreihen;  nänos  alluvio,  sl.  nanhs  g.  nor 
nosüj  r.  HauöcB;  ndper  Mühlwehr;  ndplet  Angeflechte,  sl.  ?iaplet  g. 
napUta^  r.  Hanji6TL  (Dahlj;  ndpdj  g.  ndpoja  flüssiges  Futter,  sl. 
napoj  g.  napoja^  r.  nanÖH  Trank;  ndpon  Anstrengung,  sl.  naphn  g. 
nap6na\  ndrod  Volk,  sl.  ndrod  (zurückgezogener  Hochton)  g.  nor 
rödüj  r.  HapÖAnb;  naroA;  Schicksal,  r.  HapöicL  Termin ;  na^oi/ unter- 


358  ^  Leskien, 

gelegte  Brateier,  sl.  nasäd  g.  nasdda  Anpflanzung,  Brateier,  r.  na- 
c^  Ansatz  pl.  Hac^AU  Pfahlwerk  (Rostwerk) ;  ndsap  Damm;  ndsip 
Damm,  sl.  nasip  g.  nasipa,  r.  abweichend  h&cuitb  Mtlhltrichter,  bei 
Dahl  nom.  act.HäcunB  u.  nactm^;  näslon  bedeckter  Gang,  Schuppen, 
sl.  naslbn  g.  naslona  Anlehnen,  r.  nom.  act.  HacjoH'B  (Dahl) ;  ndstup 
Anfall  (von  Krankheit),  sl.  nastbp  g.  nastopa  Antritt,  r.  abweichend 
HäcTyn%  Anfall,  Angriff ;  nduk  Lehre,  sl.  abweichend  näuk  g.näuka 
(und  naükaf\  r.  abweichend  HäyiTB  Gewohnheit;  näval  (und  fem. 
nävala)  Zulauf,  Drang,  sl.  naf>äl  g.  navdla  Andrang,  r.  naslrB 
(Dahl) ;  ndvrt  Pfropfreis,  r.  Has^pTL  Aufdrehen,  Einbohren ;  nazor 
Obacht,  A.nazor  (zurückgezogener  Hochton)  g.  »o^ora  Anschauung. 
Den  Hochton  auf  dem  Ende  hatte  naianj  g.  ndznj'a  Schnitt  bei  der 
Ernte,  sl.  ndhnj  g.  näinja.  Ich  bemerke  noch,  dass  der  lange  Vocal 
der  Präposition  bei  den  mit  na-  zusammengesetzten,  dadurch  de- 
minuirten  Adjektiven,  z.  B.  ndgluh  etwas  taub,  nazut  etwas  gelb 
u.  s.  w.,  denselben  Grund  hat. 

nad-:  bei  Yuk  nur  ein  Beispiel,  nätpis, 

pa- :  pärog  Hakenstock,  vgl.  \slT,pdnh  (zu  rog^)  Geweihsprosse ; 
y^o^Ltt  päulj  g.  paülja  Grashalm  stammt,  weiss  ich  nicht. 

pri-\  prihöj  g.  priboja  Ort  auf  dem  Wasser,  wo  regelmässig 
der  Wind  hinschlägt  {pribija),  r.  npHÖOH  Anschlagen  des  Wassers 
ans  Ufer;  prikaz  (Darbringung)  Geschenk  (neben  (em. prikaza) , 
sl.  prikäz  g.  prikdza  Erscheinung,  r.  npHKis'B  Befehl;  prüog  Opfer, 
sl.  prilbg  g.  priloga  Beilage,  r.  npaiora  Zugabe;  pHmJer  Beispiel, 
sl.  prim^  g.  primSra,  r.  npHnip'L ;  prinos  (Beitrag)  Gabe,  sl.  prinbs 
g.  prinosa  Darbringung,  r.  npHEÖcx;  pripoj  g.  pripoja  Schlagloth, 
r.  npHnÖH  Angelöthetes ;  pripon  eine  Art  Strick,  sl.  pripbn  g.  pri- 
p6na\  prirez  Nebensteuer,  r.  npiipis'B  Zumessen,  Zutheilen;  prisad 
Setzling,  sl.  prisad  (zurückgezogener  Hochton)  g.  priaäda  Brand 
(am  KOrper),  r.  npHcä^^  Dazugepflanztes ;  ji^mton  Hafen,  sl.  abwei- 
chend ji^m^a» ;  pritvar  Art  kleiner  Hürde,  r.  npnTBÖp'B  u.  a.  Vor- 
halle einer  Kirche;  pritop  Schmalz. 

pre-,  Berh.  prije-:  prijeboj  Scheiiffwsjiij  Fischzaun,  ^hpre- 
bbjg.  preboja  Zwischenwand,  r.  nepetfön  u.  a.  Fischzaun;  prijeder 
(eig.  Ueberwegtreiben)  Kampf;  prißgon  Kampf,  sl.  preghn  g.  pre- 
gona  Durchtrieb,  Verfolgung;  />ry'Moc; Transportschiff,  A. prehbd 
g.  prehoda,  r.  nepexÖA^  Uebergang ;  prißklad  Seitenstein  am  Herde, 
sl.  prekläd  g.  prekldda  Ueberlegen ;  prij  eklet  Verschlag  im  Hause ; 


Untennch.  flb.  Betonnngs-  u.  QnantitStBverh&ltnisBe  in  den  slav.  Spr.   359 

• 

prijekor  Vorwurf,  sl.  prekhr  g.  prekora  Disput,  r.  nepeKop'B  Streit; 
pry^laz  Furt,  sl.  prelaz  (zurttckgezogener  Hochton)  g.  preldza 
Durchgang,  r.  nepejiäs'B  a.  a.  Fxirt\  prij'dlaff  noch  nicht  anfgeriBsene 
Erde,  f\,prelhg  g.prelöga  n.a.  Verlegung,  prehg  Brachland;  prij^ 
met  »Tino  koje  se  otoci  ispod  ledaa,  %\.premet  g.premeta  u.  a. 
Durchwerfen,  r.  nepeM^TB  Hinttberwerfen ;  prijdnos  Umtragung  (des 
Kelches  in  der  Kirche),  Bl.prenhs  g.prenosay  r.  nepenöc^  Ueber- 
tragung;  prijepek  zweimal  gebrannter  Branntwein,  s\.  prepik  g. 
prepeka  Durchbacken,  r.  nepeneicB  zu  starkes  Backen ;  prijepis  Gon* 
skription,  sl.  prepis  g.  prepüa  Abschrift ;  prijesad  verpflanzte  Ge- 
wächse, Hl.prisad  (zurückgezogener  Hochton)  g.  presäda  Verpflan- 
zung und  Verpflanztes,  r.  nepecÄA^;  prijesjed  Nachzucht  (von  Bienen) 
zur  Fortpflanzung,  sl.  presdd  g.  preseda  Einsattelung  des  Berges; 
prijisjek  Abtheilung  (Fach),  el.presek  g.presSka  Durchhieb,  Durch- 
schnitt, r.  nepeciiTB  u.a.  abgehacktes  Stttck;  prij^stö  g.  -^tola 
Thron,  A.  pristoi  (zurttckgezogener  Hochton)  g.  prestola,  r.  ksl. 
npecTOjn;  prijestup  (Hinttberschreiten)  ein  Ausdruck  fbr  Schaltjahr, 
Bhpresthp  g.prestopa  Ueberschreitung,  r.nepecTfni  (DM);  pri/^ 
top  das  beim  Braten  abträufelnde  Fett,  sl.  pretbp  g.  pretöpa  Um- 
Schmelzung,  r.  neperon'B  (Dahl)  Ueberheizung ;  prijetu'es  Sohleier, 
r.  nepoB^c^  u.  a.  Uebergewicht,  Vogelgam;  prijevoz  Ueberfuhr, 
sl.  prevoz  (zurttckgezogener  Hochton)  g.  prevoza^  r.  nepeBÖs'B  Fähre, 
Ueberfahrt. 

raz-:  räzhöj  g.  räzhoja  Webstuhl,  räuberischer  Einfall,  sl. 
razbbj  g.  razboja  Raub,  r.  pasöön ;  räzbor  (das  Auseinanderlegen) 
Unterschied,  sl.  ra^^ior  (zurttckgez.  Hochton)  g.razböra,  r.  pasÖöp'L; 
räzdvöj  g.  rdzdvoja  Markscheide,  Trennung,  sl.  razdvbj  g.  rcuxlvo/a 
Entzweiung,  r.  pa3ABÖH  Theilung  in  zwei  Theile ;  räzdio  g.  räzdfela 
Markscheide,  sl.  razd^  g.  razdila  Vertheilung,  r.  pasA^rB;  rdzdor 
Uneinigkeit,  Zwiespalt,  sl.  razdbr  g.  razd6ra,  r.  pasAÖp'B;  räzffon 
eine  Pflanzenart,  sl.  razgbn  g.  razgona  (eig.  Auseinandertreiben) 
Furche  zwischen  Ackerbeeten  u.a.,  r.  pasrÖEx  Auseinandertreiben; 
rd;s/a2;  Auseinandergehen ;  räzmet  (daneben  rcizyne^)  Zerwerfen,  sl. 
razmet  g.  razmita  Zerstreuung,  r.  pasH^rB  Auseinanderwerfen,  pos- 
MöTi  Vertheilung ;  rdzlog  Ueberlegung,  sl.  razlbg  g.  razlöga  Orund, 
r.  paajopB  Abschüssigkeit  (alles  eig.  Zerlegung);  rdsd  g.  rdaola 
Lake,  sl.  abw.  rdzsaij  r.  pac6x^  (pascörs);  räz-or  Zerstörung,  r. 
pasöpB;  rdsad  (u.  fem.  r&sada)  PSanzen  aus  dem  Pflanzgarten; 


360  A.  Leskien, 

rAsap  g.  räspa  Zerstörang  (=»  '^raz'^pb) ;  räskoi  Wonne,  bIoy.  fem. 
t-St.  razkoi^  ebenso  r.  p6cKoiin>;  räspis  Umlaofschreiben,  sL  razpis 
g.  razpüa ;  rasplet  eine  Art  Nath,  sl.  razpUt  g.  razplita  Entfal- 
tung ;  rdspon  Theil  des  Pflugs,  sl.  razpbn  g.  razpdna  Spannrahmen  ; 
räspop  Expriester  [rasphpiti  einem  Priester  die  Weihen  nehmen), 
r.  pacnöni  abgesetzter  Priester;  rdspor  (dass.  was  rdspon),  sl.  raz- 
pbr  g.  razpora  u.  a.  Spalt,  r.  pacnöpx  Auseinanderspreizen ;  rcupust 
Ehescheidung,  sl.  abweichend  razpüst  Auflösung  (einer  Versamm- 
lung), r.  abweichend  pöcnycTB  Entlassung,  Scheidung. 

za-:  zdbat  Giebel;  zähran  (u.  fem.  z&hrana)  Hegewald;  zabun 
Gelispel;  zdg<m  Angriff,  sl.  zagbn  g.  zagona  Anlauf,  r.  saroHi  u.  a. 
Eintreiben  des  Viehes;  zdgrad  (u.  fem.  zägrada)  Verzäunung,  sL 
zagräd  g.  zagräda;  Zagreb  (Ortsname),  sl.  z€igrdb  g.  zagreba  u.  a. 
Bollwerk;  zahod  Niedergang,  sl.  zahhd  g.  zahoda^  r.  saxoA^;  zdjam 
g.  zdjma  Borg,  r.  saeirL  g.  saHMä,  sl.  abweichend  zAjem  g.  zajma\ 
zäklad  Kleinod,  sl.  zakläd  g.  zakUda  Schatz,  r.  saicjä^'B  Pfand; 
zaklon  Zuflucht,  sl.  zaJdhn  g.  zaklöna  Deckung,  Schutz,  r.  saKJiös'L 
Untergang,  Niedergang ;  zdklop  Eiegel,  sl.  zaJdhp  g.  zakUpa Deckel ; 
z&kolj  das  Schlachten,  sl.  zäkol  (zurückgezogener  Hochton)  g.  zor 
köla ;  zäkon  Gesetz,  sl.  zakon  (zurückgezogener  Hochton)  g.  z€J66naj 
r.  saKÖH« ;  z^^p  Begräbniss,  sl.  zakhp  g.  zakopa  u.  a.  Vergrabung, 
r.  saKonx  Verschanzung ;  zdkoe  mähbares  Gebirgsland,  r.  saKÖcib 
Heuschlag ;  zdkup  Pacht,  sl.  abweichend  zaküpy  r.  abweichend  sä- 
Kynx  Aufkauf;  zäiaz  Umweg,  r.  saiäsi  Oeffnung  zum  Einkriechen; 
zalet  Stelle,  wohin  der  Bienenflug  geht,  sl.  zcdH  g.  zalita  Anlauf, 
r.  3ajB[6T'B  u.  a.  das  Ziehen  der  VOgel;  zälio  Bai,  sl.  abweichend 
zaUv^  r.  sams^;  zälog  Pfand,  sl.  zalog  (zurückgezogener  Hochton)  g. 
zalogoy  r.  saiöri;  zdmlaz  Art  saurer  Milch  (zu  mhzq)\  zdnos  Irre- 
sein, Phantasieren  (von  Kranken,  zu  zanisti  se),  sl.  zanbs  g.  zanosa 
u.  a.  Extase,  r.  saHÖci  u.  a.  Schneewehe ;  zapü  Talisman,  sl.  zapis 
g.  zapüa  Aufischreibung,  Eintragung;  zdpoj  g.  zdpoja  Trank,  r. 
aanöH  periodische  Trunksucht ;  zdpon  Hoffahrt,  sl.  zaphn  g.  zapona 
Heftel ,  r.  abweichend  sänoH'B  u.  a.  Schurz ;  zdpoat  Fastenanfang ; 
zdpret  mit  Asche  zugedeckte  Glut,  r.  sanpiTi  Verstecken;  zdpus 
bei  Vuk  ohne  Bedeutungsangabe  (=  zdpast  ?) ;  zdrez  Einschnitt, 
sl.  zarez  g.  zariza^  r.  sapis'B  (Dahl);  zdrok  Wette,  sl.  zarhk  g.  20- 
roka  u.  a.  Verlöbniss,  r.  sapöin  eidliches  Versprechen ;  zdslon  Zu- 
fluchtsort, sl.  zaslbn  g.  zaslanay  r.  sacjBLÖvB  allerlei  Schutzvorrich- 


Untenaoh.  ttb.  BetonungB-  n.  QuantitätarerhältnlsBe  in  den  slav.  Spr.  361 

taugen;  zästrug  (n.  fem.  z&strtiga)  Art  hölzerner  Deckelschttgsel, 
r.  sacTpyrB  u.  a.  Scbmbbhobel ;  zätvor  Haft,  sl.  zatvbr  g.  zatvora 
Sperre,  Eiegel,  r.  saTsop'L;  zäioc  Wette  (zu  zateöi  se  sich  anheischig 
machen),  sl.  zatbc  g.zatoca  Schub  imEegelspiel;  zdton  Meerbusen, 
sl.  zatbn  g.  zatöna^  r.  saTOH'B  überschwemmtes  Land;  zatop  Art 
eiDgelegter,  beim  Gebrauch  wieder  gewärmter  Fleischspeise,  r.  3a- 
T6n%  Heizung  (des  Ofens] ;  zdvjes  Vorhang;  zdvjet  Gelübde,  sl.  zof- 
vet  g.  zavetüj  r.  saB^T'L  u.  a.  letzter  Wille;  zdvoj  g.  zdvoja  Ver- 
band, sl.  zavhj  g.  zaooja  u.  a.  Verpackung,  r.  sasöH  Genick  (bei 
vierfÜssigenThieren);  ;;dora^  Umkehr,  r.  saBopoT'B;  zdzor  dasUebel- 
ansehen,  sl.  zazbr  g.  zazöra  Verdacht,  r.  sasöp'B  Schimpf;  zdzanj 
g.  zdznja  (zu  hnq  i^ti)  Grenze  einer  Reihe  [postat)  beim  Ernten. 

sur  =  8(^\  sugreb  aufgescharrte  Erde,  vgl.  r.  cyrpoÖ'L  Schnee- 
haufen; 9U8Jed  (und  süsjed)  Nachbar,  f\,8Ö8ed  (mit  zurückgezogenem 
Hochton)  g.  soseduj  r.  coc^a'b  (mit  st-  componirt);  süsret  Begegnung; 
süton  tiefe  Dämmerung. 

w  =  oy- :  üböj  g.  üboja  (neben  üboj)  Schläge,  sl.  ubbj  g.  uböja 
Totschlag,  r.  yÖöS;  üjam  g.  ü/ma  Mahlgebühr,  sl.  abweichend 
üjbfn  g.  üjma  dass.,  r.  yäicB  yHMä  Wegnehmen;  ülozi^lnr,  Gicht, 
sl.  abweichend  uloffi  plur.,  r.  jjidrh  Hinstreckung;  üpor  Art  West- 
wind auf  dem  Skutari-See  (eigentl.  wohl  Widerstand) ,  sl.  upbr  g. 
upora  Anstemmung,  Widerstand,  r.  ynop'B. 

c)  Zusammensetzungen  mit  iz-.  Diese  Präposition  ist  hier 
besonders  gestellt,  weil  sie,  obwohl  dem  Anschein  nach  mit  ur- 
sprünglich langem  Vocal  versehen,  doch  keine  Beispiele  der  Be- 
tonung iz'  zeigt,  sondern  nur  iz-j  also  kurzen  Vocal.  Der  Grund 
wird  wohl  sein,  dass  uranfänglich  der  Vocal  kurz  war,  vgl.  lit.  »i- 
[isz-).  Im  Slayischen  entspräche  *hz,  da  aber  h  nicht  anlauten  kann, 
entsteht  ^ßz-  und  daraus  iz-]  der  so  entstandene  volle  Vocal  ist 
also  nicht  in  die  Reihe  der  ursprünglichen  Länge  eingerückt.  Die 
Beispiele  sind:  i^Aoc?  Ausgang,  sl.  izhbd  g.  izhöda,  r.  hcxöa'b;  isjek 
ausgehauenes  Stück,  sl.  izsek  g.  izseka  Ausschnitt;  iskon  Anfang, 
r.  HCKÖEx;  iskop  Vernichtung,  sl.  izkbp  g.  izkopa  Ausgrabung;  iskup 
Versammlung ;  ispek  Eesselzins  (?) ;  tspö  g.  ispola  Schöpfgefäss ; 
ispust  Auslass,  sl.  abweichend  izpüsi,  vgl.  r.  HcnycicB;  izbor  Aus- 
wahl, sl.  izbbr  g.  izbor a;  izdan  Quellort;  izder  starkes  Tuch;  izlaz 
Ausgang;  tzmak  Ende,  Ausgang;  tzmet  Auswurf,  Ausschuss,  sl. 
izmH  g.  izmetaj  r.  H3MerB;  usnos  Abtragen  (von  Kleidern),  sl.  iznbs 


362  A.  Leakien, 

g.  tznösa  Hinaustragen,  r.  hshocl  Abnutzen;  izHjr  Ackergetreide; 
izrod  Ausgearteter,  sl.  izrbd  g.  izröda,  r.  HspoA'B  Erzeugen,  vgl.  h3- 
p6;(oirB  Abart;  izvir  Quelle,  sl.  abweichend  izvir]  izvor  Quelle,  sl. 
izt>hr  g.  izvöra;  izvoz  Ausfuhr,  sl.  izvbz  g.  izvozüj  r.  h3b63'b. 

In  diesem  Abschnitt  sind  in  runder  Zahl  280  Beispiele  auf- 
gezählt. 

Um  zu  zeigen,  wie  regelmässig  die  Quantitäts-  und  Betonungs- 
erscheinungen des  Serbischen  in  diesem  Falle  sind,  mache  ich  noch 
die  Gegenprobe,  d.  h.  führe  die  Beispiele  an,  die  kurzen  Vocal  des 
nominalen  Elements,  dabei  aber  andre  Betonung  als  ^  oder  ^  auf 
der  Präposition  haben^  und  solche,  deren  Präposition  nicht  die  zu 
erwartende  Quantität  hat.  Solche  sind :  pdrez  Steuer  (neben  dem 
fem. pdrezuj  das  normal  betont  ist,  s.u.),  man  erwartet  *pbrez  oder 
*porez  (s.  u.) ;  otok  Insel  (daneben  otök  g.  dtoka  Geschwür),  sl.  otbk 
g.  otoka  Insel,  Geschwulst,  r.  otökb  Insel,  Wassersucht;  pStpor 
Stütze  (neben  fem.  pdtpora),  bI. podpbr  g.podpora^  r.  noAn6p%;^rd- 
rok  Prophet,  sl.  prorok  g.  proroka^  r.  npopoici;  pristup  Zutritt,  sl. 
pristhp  g.pristopaj  russ.  abweichend  npncTyirB;  /wiccÄBorg;  prtstor 
Art  Fischnetz ;  prid  Draufgabe  beim  Tausch  (dies  Beispiel  ist  im 
Grunde  normal,  denn  ein  ursprünglich  gedachtes  pridi  kann  ser- 
bisch bei  der  Einsilbigkeit  nur  prid  geben) ;  pry'erov  Graben,  sl. 
prerbv  g.  preröva  Durchstich;  prebjeg  Flüchtling,  A.preb^g  g^pre- 
bega  Ueberlauf,  Ueberläufer,  r.  nepe6ira  das  Ueberlaufen ;  prebol 
Genesung ;  prdbor  eine  Art  Weberei ;  Prerad  (Eigenname) ;  pretek 
Ueberfluss;  räzH)r  Furche,  sl.  räzor  g.  r(iz6ra\  räzmak  (=  *raz- 
tmkb)  Trennung  (bei  Vuk  aus  einem  liede),  sl.  razmäk  g.  razmaJea 
Abstand;  räzmet  Zerwerfen,  aber  daneben  rdzmet;  räspik  eine 
scherzhafte  Bildung  zu  dem  Kinderspielworte  pik  (s.  Vuk) ;  rästok 
Antimon,  sl.  raztbk  g.  raztöka;  "istok  Sonnenaufgang,  Osten,  sl.  iz- 
tbk  g.  iztöka  Ausfluss,  r.  hctoki;  ütok  (=  mtokb)  Mündung,  sl.  vtbk 
g.  vtöka ;  süsjed  Nachbar,  aber  daneben  normal  stisjed.  Das  sind 
im  ganzen,  ohne  die  Zusammensetzungen  mit  u-  =  oy  (s.  u.)  c.  20 
Beispiele.  Auffallender  Weise  zeigen  die  Compositionen  mit  dem 
eben  genannten  u^  häufiger  die  Abweichung,  dass  trotz  der  Endbe- 
tonung das  u  den  Accent  ^  trägt,  also  kurz  ist :  üböj  g.  üboja  (aber 
daneben  üböj]  s.  S.  361);  übrm  Handtuch,  slov.  abweichend  ubrüs^ 
r.  yöpycL;  ücin  Gerben,  That,  sl.  abweichend  ttcin  Wirkung;  üdes 
Unfall ;  üklin  (zu  uklinjati  se)  eine  Sache,  mit  der  man  yerwünscht 


Untersuch,  ttb.  BetonnngB-  u.  QnantitätsyerhältnisBe  in  den  slav.  Spr.   363 

werden  kann;  ükor  Vorwurf,  sl.  ukdr  g.  uköra,  r.  yKÖp-B;  ütnor 
Ermttdang  (na  umoru  in  den  letzten  Ztigen) ,  sl.  umor  g.  umora^  r. 
yMÖpi  Tödtnng;  üpret  unter  der  Asche  yerdeckte  Glut;  üroci  plur. 
Beschreiung,  sl.  urdk  g.  uroka,  r.  ypoKH  plur.;  üskok  Flüchtling, 
sl.  uskdk  g.  uskokttj  r.  ycKoicB  Sprung;  üsjev  Aussaat,  r.  yc^FL; 
Ü8ÖV  (Dehnung  durch  v),  g.  üsova  (eig.  Abschiebung)  Lavine,  vgl. 
r.  ycoFB  Hindemiss,  Riegel;  üsud  Schicksal,  sl.  abweichend  üsod; 
üitup  (=  "^f^^f^)  Vollmond,  sl.  abweichend  üicbp;  ütar  (neben  fem. 
tUore  plur.)  Kimme,  sl.  utdr  g.  utora,  r.  yropi;  ütrs  (wenn  hierher 
gehörend)  Wundreiben  beim  Gehen ;  ütuk  (neben  üstuk)  Gegenmittel 
(wenn  u  nicht  =  w) ;  ütvor  (neben  fem.  ütvora)  Gespenst,  sl.  uivhr 
g.  utvara  Gebilde,  r.  yTBop'B  Zuthat  (beim  Einsäuern  des  Teiges) ; 
üvjet  Vereinbarung,  sl.  uvet  g.  uveta  Bedingung,  r.  ysirB  Vermah- 
nung; vgl.  noch  übog  arm,  sl.  abweichend  ubog,  r.  y66riH;  ügon 
Verrenkung,  r.  yrou'B  in  die  Enge  treiben.  Das  sind  ebenfalls  ca. 
20  Fälle,  denen  (s.  oben  S.  361)  nur  vier  mit  langem  u-  gegenflber- 
stehen:  übdj\  üjam,  ülozt,  üpor.  Das  Verhältniss  ist  sehr  auffällig, 
wenn  man  daneben  hält,  dass  bei  den  andern  Präpositionen  mit 
ursprünglicher  Länge,  na,  za,  pri  u.  s.  w.  entweder  gar  keine  oder 
ganz  vereinzelte  Abweichungen  von  der  Regel  vorkommen.  Ich 
weiss  das  nicht  zu  erklären,  wenn  man  nicht  annehmen  will,  dass 
im  Sprachgefühl  eine  Vermischung  des  u  =  v^  mit  seinem  kurzen 
Vocal  und  des  u  =  oy  eingetreten  ist.  Jedenfalls  können  die  im 
ganzen  ca.  40  Beispiele  abweichender  Betonung  und  Quantität  das 
Gewicht  der  gleichartigen  280  nicht  umstossen. 

Die  cakavischen  Dialekte  sind  leider  nicht  so  bearbeitet, 
dass  man  sie  in  vollem  Masse  zur  Vergleichung  mit  dem  Serbischen 
heranziehen  kann,  in  einer  gewissen  Ausdehnung  aber  lässt  sich 
das  Material  bei  Nemani6  verwerthen.  Unter  den  ca.  1 20  Beispielen 
von  Präpositionalzusammensetzungen,  die  hier  in  Betracht  kommen, 
habe  ich  nur  ein  einziges  gefunden,  das  bei  langer  Wurzelsilbe  des 
Nomen  auf  dieser  den  Hochton  hat  und  behält:  oblic  oblica 
Antlitz;  dazu  ist  freilich  noch  popönpopdna  pannus  funebris  ange- 
führt, allein  daneben  popön  popdna  und  man  sieht,  dass  popöna 
nur  auf  einer  Uebertragung  der  Länge  des  Nominativs  in  die  obli- 
quen Casus  beruht.  Nun  gibt  es  freilich  noch  einige  Beispiele  mit 
Länge  im  Nomen,  die  haben  aber  einen  Betonungstypus,  der  dem 
Serbischen  fehlt  (ausser  bei  Einsilblem,  z.  B.  srdg  sldga)^  nämlich 


364  A.  Leskien, 

Endbetonimg :  razdel  razdelä  Scheitel,  serb.  rdzdio  räzdjela^  daneben 
aber  6ak.  räzdel  räzdela  =  serb.  rdzdjela;  oplen  oplenä  (transtmm 
cnrrns],  serb.  dpi/en  dpljena]  nadrep  nadrepä  (particula  avinm  su- 
pra  caadam);  nacin  nacinä^  aber  cak.  daneben  näcm  näcina,  was 
genau  der  serbischen  Betonung  und  Quantität  nacin  ndcina  ent- 
spricht, femer  noch  nacin  näcinay  sonst  dem  Serbischen  gleich, 
nur  mit  Dehnung  im  Nominativ,  endlich  ndcin  ndcina.  Endbetonung 
kommt  auch  einige  wenige  Male  bei  kurzer  Wurzelsilbe  des  Nomens 
vor,  ebenfalls  dem  Serbischen  unbekannt:  pokrdv  pokravä,  serb. 
pdkrot  pdkrova]  otrdo  otrovä,  daneben  dtrov  dtrova^  beides  von 
serb.  htrov  btrava  abweichend;  postöl postolä,  aber  daneben  po^to/ 
posthla  wie  serb.  phstö  pbstola]  otrhk  otrokä  Kind.    Diese  Endbe- 
tonungen sind,  wie  die  Uebereinstimmung  des  Russischen,  Serbi- 
schen, Slovenischen  in  der  Vermeidung  dieser  Betonungsweise 
zeigt,  sicher  unursprünglich.  Lässt  man  also  diese  Fälle  bei  Seite, 
'  so  zeigt  das  Öakavische  wie  das  Serbische  zwei  Betonungstypen : 
1)  Hochton  auf  dem  nominalen  Element,  kurze  Wurzelsilbe  des 
Nomens,  die  aber  häufig  im  Nominativ  gedehnt  ist,  was  im  Serbi- 
schen ausser  bei  Einsilblem  wie  srok  srdka  nicht  vorkommt;  z.  B. 
uzrbk  serb.  üzrok^  postüp  serb.  pbstup,  polbg  serb.  pbhg,  pogreb 
serb.  pbgrebj  obräz  serb.  bbraz\  potök  potbka  ^erh.  pbtok  pbtoka. 
Hat  die  Präposition  ursprünglich  Länge,  so  ist  sie  auch  im  Uaka- 
vischen  lang:  zävet  serb.  zdvjet,  zäkbn  (daneben  zäkon^  aber  gen. 
in  beiden  Fällen  zäkbna)  serb.  zdkon,  süsdd  serb.  süsjedy  räsäd  serb. 
rdsad,  presäd  serb.  prijesadj  näpöj  näpbja  serb.  ndpöjndpoja,  nä- 
rbd  serb.  ndrodj  näcin  serb.  ndcin,  razdel  g.  räzd^la  serb.  rdzdio 
rdzdjela^  primrdk  g.pnmrdka  Dämmerung.  Ln  Cakavischen  hat  zu- 
weilen auch  eine  Präposition  mit  ursprünglich  kurzem  Vocal  Deh- 
nung, z.B.pötr€8  {dsLuehen pbtres,  das  wäre  ein  oerh. *p&ire8)  serb. 
pbtresy  prösdk  serb.  prbsjek,  doch  sind  das  vereinzelte  Fälle,  in  der 
grossen  Ueberzahl  bleibt  die  Kürze.    2)  Der  Hochton  liegt  auf  der 
Präposition,  z.B. pbvraz  Berh. povräz,  pbgled  Berh. pdgled,  bblak 
serb.  3JföÄ,  bbrtAc  serb.  SJröc,  bgrad,  dbseg^ prbpad, pbgrez  u. s.w.; 
die  Vergleichnng  mit  dem  Serbischen  bringt  aber  hier  kein  Resultat) 
weil  diese  cak.  Dialekte  jede  Silbe  nach  dem  Hochton  verkürzen.  Man 
kann  nun  für  das  Öakavische  noch  einen  dritten  Typus  aufteilen  : 
Betonung  der  Präposition  bei  langem  Vocal,  man  sieht  aber  sofort  > 
dass  hier  eine  nnursprüngliche  Verschiebung  vorliegt,  denn  alle  Bei- 


Untersuch,  üb.  Betonnngs-  u.  QuantitStsverhältniBse  in  den  slav.  Spr.  365 

spiele  haben  die  normalen  Nebenformen:  riäbar  Falte  und  näbör 
nabhra^  serb.  ncihor\  näcin  und  näcin,  serb.  ndctn;  ndrod  und  nö- 
r6rf,  serb.  ndrod;  parod  und  porhd^  serb.  pbrod]  patres  und  potr^s 
(und  phtres)^  serb.  pbtres ;  pribor  Auswahl  und  prebar  oder  prebbr 
g.prebbra;  pristreh  Halbdaeh  und^^m^M;  zdklon  windgeschtitz- 
ter  Ort  und  zäkldn  zäklbna,  seih. zdklon;  zdtor  Verderben  und  zätar 
zätbra;  das  einzige  rdzum  (serb.  rUzüm)  scheint  keine  Nebenform 
zu  haben.  Man  sieht  daraus ,  dass  in  diesen  Dialekten  allerlei 
Schwankungen  vorkommen,  die  nur  eine  genauere  FeststeUnng  der 
Localdialekte  ordnen  kann;  ich  gehe  auch  deshalb  nicht  weiter 
darauf  ein,  es  lag  mir  nur  daran,  die  für  das  Serbische  bemerkens- 
werthen  Erscheinungen  hervorzuheben. 

Fragen  wir  zunächst,  was  die  Vergleichung  mit  dem  Bussischen 
und  Slovenischen  ergibt.  Das  Bussische  hat  zwei  Betonungs- 
typen: 1)  in  den  meisten,  tausenden  von  Fällen  liegt  der  Hochton 
auf  der  WurzelsUbe  des  nominalen  Elementes,  also  im  heutigen 
Bussisch  nach  dem  Verlust  des  auslautenden  ^  auf  der  letzten  Silbe 
des  Nominativ  sg.,  und  bleibt  auf  derselben  Silbe  unveränderlich 
in  allen  Formen,  z.  B.  BocTÖpra,  sajtHB'B,  HczdAnb,  nepexöA^,  cob^tb, 
cocTäB^,  cycTäB'B,  cynpypB  u.  s.  w.  2)  In  einer  verhältnissmässig 
kleinen  Zahl  dieser  Zusammensetzungen  liegt  der  Hochton  auf  der 
Präposition.  In  den  Zusammenstellungen  russischer  Grammatiker 
ttber  den  Accent  findet  man  sie  verzeichnet,  so  z.  B.  bei  JeFsin  (Hpa- 
Biua  y^apenifl  vh  pyccKoifB  flauici,  Warschau  1890).  Es  stehen  dort 
106  Beispiele,  davon  17  mit  ursprünglich  kurzer  Wurzelsilbe  des 
Nomen.  Beide  Betonungstypen  hat,  wie  wir  sahen,  auch  das  Ser- 
bische, und  sie  sind  zweifellos  beide  alt.  Man  kann  dafür  direkt 
solche  Beispiele  heranziehen,  wo  im  Serbischen  wie  im  Bussischen 
der  Hochton  auf  der  Präposition  ruht :  ndsAyxi  vUzdüh  (bei  Vuk 
Wb.  als  in  Cattaro  gebräuchlich,  kaum  echt  serbisch),  BöspacTi 
(ksl.  Form,  russisch  wäre  BspocTL,  so  kleinr.)  üzräst^  aösub'b  do- 
ztv  Ak.  Wb.,  sins^A^  zSpädj  npöMucexx  promlscto,  npHTHCicB  prtiisak 
(g.  "üska),  66xBKh  Mlik,  ö6jyirB  dblük  (und  bbluk)j  ötfpy^TL  dbrüCj 
nöTHTB  pSteffy  Tjfisjwh  räzüm,  cyMpaiCB  (ksl.  Form,  r.  cyMopoKi) 
sümrak,  öncyirB  dtküpy  nöacrhpSjäSj  irp&eTssrb  pristäv,  ö6oa%  ^dbod. 
In  andern  Fällen,  wo  das  Bussische  den  Hochton  auf  die  Präposition 
legt,  hat  das  Serbische  den  alten  Hochton  auf  dem  Nomen,  z.  B. 
HiLcTyiTB  ndstup,  npöciKB  prbsjek^  ö6pa3%  bbrazy  3änoH%  zdpon^  nö- 


366  A.  Leskien, 

rpe6'L  phgreb ;  doch  hat  es  keine  Bedeatnng^  diese  Abweichungen 
aufzuzählen,  da  man  eine  Regel  daraus  nicht  entnehmen  kann. 
Wichtig  dagegen  ist,  dass  sich  aus  dem  Bussischen  da,  wo  Polno- 
glasie  Zweisilbigkeit  der  Wurzelsilbe  bewirkt  hat,  die  Qualität 
des  Tones  bestimmen  lässt.  In  allen  Fällen,  wo  das  Nomen  den 
Hochton  trägt,  hat  es  steigenden  Ton,  gleichartige  nicht  componirte 
Worte  mögen  so  oder  so  betont  sein,  also:   H3B0jiöin,  otbojöicb, 

nepeBOJÖKB,   nOBOJrÖICB,    vgl.  BÖJKOKI;    SaBOpÖT'B,    HSBOpÖT'B,    OÖOpÖT'B, 

nepeBopöTx,  ygl.  BÖpoT'B;  passopöx'B,  vgl.  Böpoxi;  oropö/i^L,  OTro- 
pöA%,  ygl.  röpoAi;  okojeöt'b;  nepeMozöTB,  saMOJtöT'B,  npHMOJÖTi, 
yMOJtöTB,  ygl.  möjiotb;  npimojöHi,  pacnojöu'B,  wie  uojöh'b;  nepeno- 
jiöx'B,  ynojiöx%,  wie  nojLöx'B;  ucTepÄÖ'B,  oTepfiÖTb,  wie  TepiÖx;  yro- 
jiöKB,  ygl.  TÖJOKi,  TojöKa;  yxopöH^.  Es  ist  dabei  gleichgiltig,  ob 
die  Präposition  unsilbig  ist  (b-,  bs-,  c-):  BropöAi^,  bsbojiöki,  bcuo- 
jöciTB,  cBopöT'B,  cnojöxH  pl. ;  als  abweichend  sind  mir  nur  aufgefallen 
cBÖJioirB,  cHöpoB'B.  Dicsc  letzten  Beispiele  zeigen  jedenfalls,  dass 
üallender  Ton  in  der  Composition  möglich  war,  und  wir  werden 
später  sehen,  dass  sie  parallel  zu  stellen  sind  mit  Fällen  wie  ö6e- 
perB,  npHBepeA^,  HdBOJOicB,  HäMOj[OT%,  HäHopos'B,  öcTepePBU.a.d.A., 
d.  h.  solchen,  wo  das  Nomen  Polnoglasie  hat,  die  Präposition  be- 
tont ist. 

Das  Sloyenische  hat  mehrere  Betonungstypen :  1)  der  Hoch- 
ton liegt  auf  dem  nominalen  Bestandtheil,  also  im  Nom.  sg.  auf  der 
heutigen  Endsilbe,  diese  ist  kurz ;  er  yerbleibt  in  der  Flexion  auf 
derselben  Silbe,  diese  wird  aber,  da  sie  nicht  mehr  Endsilbe  ist, 
gedehnt,  die  Betonung  ist  in  diesem  Falle  steigend  (^];  es  ist  dabei 
gleichgiltig,  ob  der  Wurzelyocal  des  Nomen  zu  den  ursprünglich 
langen  oder  den  ursprünglich  kurzen  Vocalen  gehört.  Die  Mehr- 
zahl der  sloyenischen  Composita  fällt  in  diese  Abtheilung.  Einige 
Beispiele  mögen  zur  Veranschaulichung  genügen:  odnia  odnesa 
Dachyorsprung ;  spiet  spUta  Geschlecht;  izbbr  izbdra  Auswahl ; 
prihhd  prihoda  Ankunft ;  nateg  natega  Spannung ;  dosthp  dostopa 
Zutritt;  izs^k  izseka  Ausschnitt;  napäd  napdda  Anfall;  prevrätpre^ 
vrdta  Umkehr ;  dopts  dopisa  Zuschrift ,  spis  spisa  Schrift ;  tuigib 
nagibaBngj  zgib  zgibadaAB.]  naküp  naAt^pa Anhäufung,  skup  sküpa 
Inbegriff;  otrp  otrpa  Starre ;  zavH  zavrta  Umdrehung. 

2)  Der  Hochton  liegt  auf  dem  nominalen  Bestandtheil  im  Nom. 
sg.  und  in  allen  andern  Formen ,  die  Wurzelsilbe  des  Nomen  ist 


Unteiflnch.  üb.  Betonungs-  u.  Qiuuititätsyerhältnisse  in  den  slav.  Spr.  367 

lang  nnd  hat  fallenden  Ton.  Die  Zahl  der  Fälle  ist  weit  geringer 
als  die  unter  1);  bemerkenswerth  ist  dabei  besonders,  dass  mit 
wenig  Ausnahmen  nur  solche  Vocale  in  der  Wurzelsilbe  des  No- 
men Yorkommen,  die  den  ursprünglichen  Längen  a,  t,  y,  u,  e,  ^,  q 
entsprechen.  Auch  hier  gebe  ich  von  jedem  Yocal  einige  Beispiele : 
a:  ts^j?  Auströpfeln,  t^rv^SA;  Ausziehen,  oblak  Wolke^  izvräff  Am- 
werfen,  abrät  Umkehrung,  pomräk  Halbdunkel;  popäs  Abwieiden, 
poiär  Brand,  podär  Geschenk,  s-pär  Dunst,  udar  Schlag,  zakväs 
Sauerteig.  —  t  =  i:  doliv  Nachguss,  08f>it  Morgendämmerung,  po- 
min  Erinnerung,  preblUk  lichte  Stelle  am  Himmel  (eig.  Durchglanz), 
8-tUk  Gedränge.  —  t  =  y:  izdih  Aushauch ,  vzdih  Seufzer,  nagrtz 
Anbiss,  nazlv  Benennung,  pogib  Seitenwendung,  pomik  Ruck,  z-vik 
Gewohnheit.  —  u :  dopüst  Erlaubniss,  izküs  Versuch,  naküp  An- 
kauf, odlüp  Abschälen,  ostüd  Scheusal,  poslüh  Anhörung,  r azurn 
Verstand,  ubrus  Handtuch.  —  e  =  ^\  oprez  Umsicht,  odmek  Er- 
weichung. —  0  =  q:  no^moef  Ansengung,  oi/oA;  Beweinen,  oblok 
Bogen,  priroc  Handhabe,  razloc  Unterschied,  ^oz  Losdrücken.  — 
e  s=  i:  izbeg  Ausweg,  oblek  Kleid,  poameh  Gespött,  pHmes  Bei- 
mischung. —  Silben  mit  urspr.  %r  hr^  ^l  ü  +  Consonant :  %zf>fg  kuB- 
wurt,  podvfi  untergeschobenes  Kind,  ob-  po^pre^  zormik  (zu  mhk- 
nqti  verstummen),  sodoig  Mitschuld,  zgoic  Besprechung.  Ganz 
selten  sind  Fälle  dieser  Art  bei  ursprünglichem  e,  im  Wörterbuch 
findet  man  ein  und  das  andere  Beispiel  wie  izßm  Ausnahme,  etwa 
ein  Dutzend  enthalten  altes  o,  z.  B.  obod  Ring,  povdj  Binde,  zvod 
Hebel. 

3)  Der  Hochton  liegtauf  der  Präposition,  diese  muss  dann  dem 
allgemeinen  Dehnungsgesetze  gemäss  langen  Vocal  zeigen,  der 
Ton  ist  auf  ihr  steigend.  Fast  regelmässig  ist  diese  Betonung ,  wo 
die  Wurzelsilbe  schwachen,  später  ausgefallenen  Vocal  hatte,  z.B. 
zd8^p  zäspa  Wall,  zdJ^m  zdjma  Anleihe,  ponl  pöala  Bote,  ndtbnj 
nähga  Ernteertrag,  nähv  ndsva  Aufnäht;  seltener  hat  bei  dieser 
Gestalt  des  Nomen  dessen  Wurzelsilbe  den  Hochton  im  Nom.  sg.  bei 
Endbetonung  in  den  andern  Casus,  z.  B.  oüg  ozgä  Senge,  o-  pre- 
prirÜv  g.  "ivä.  Beispiele  dieser  Betonung  bei  vollem  Vocal  der 
Wurzelsilbe  des  Nomen  führt  Valjavec  Rad  47,  S.  19,  an,  z.  B. 
ndsadj  prelaz^  zdkon^  ndrod,  prihod  u.  a.,  aber  mit  dem  Zusätze, 
dass  in  der  Flexion  der  Hochton  vrieder  auf  das  Nomen  übergeht, 
also  gen.  nasdda^  zakana  u.  s.  w.  Die  weitere  Untersuchung  dieser 


368  A.  Leskien, 

Eigenthttmlichkeit  unterlasse  ich  hier ,  da  es  mir  nur  darauf  an- 
kommt, die  Verhältnisse  im  ganzen  und  grossen  darzulegen,  und 
dabei  ergibt  sich,  dass  die  Kategorie  3,  mit  ihrer  geringen  Anzahl 
von  z.  Th.  auch  schwankenden  Beispielen  ausser  Betracht  gelassen 
werden  kann. 

Stellt  man  Russisch,  Serbisch,  Slovenisch  zusammen,  so  er- 
gibt sich: 

1)  Die  Mehrzahl  der  masculinen  Gomposita  hat  den  Hochton 
auf  der  Wurzelsilbe  des  Nomen,  und  zwar  ergeben  alle  drei  Spra- 
chen, dass  er  steigend  war,  das  Eussische  aus  der  Betonung  der 
Polnoglasie  auf  der  zweiten  Silbe,  das  Serbische  aus  der  Verkür- 
zung ursprünglich  langer  Silben,  das  Slo venische  unmittelbar  aus 
seinem  steigenden  Ton  auf  der  gedehnten  Silbe. 

2)  Eine  geringere  Anzahl  hat  im  Russischen  wie  im  Serbischen 
den  Hochton  auf  der  Präposition.  Das  Serbische  hat  in  diesem 
Falle  langen  Vocal  des  Nomen,  den  Vocal  einst  langsilbiger  Prä- 
positionen stets  kurz.  Die  entsprechenden  Beispiele  haben  im  Slo- 
venischen  den  Hochton  und  zwar  als  fallenden  Ton  auf  dem  Nomen. 
Lassen  wir  das  Slovenische  wegen  eines  besondem,  unten  zu  be- 
sprechenden Umstandes  zunächst  bei  Seite  und  fragen  nach  der 
Ursache  des  doppelten  Betonungstypus  im  Russischen  und  Serbi- 
schen, so  ergibt  sich  die  Antwort  aus  der  Betrachtung  der  t-Stämme. 
Wenn  es  richtig  ist;  dass  diese  die  Betonung  auf  der  Präposition 
dem  ursprünglich  fallenden  Ton  des  Nomen  verdanken,  anders 
ausgedrückt ,  dass  der  Hochton  um  eine  Silbe  zurückgezogen  ist, 
wenn  das  Nomen  fallend  betont  war,  so  liegt  der  Schluss  auf  der 
Hand ,  dass  bei  den  Masculina ,  die  den  gleichen  Betonungstypus 
zeigen,  die  Ursache  ebenfalls  in  dem  einst  fallenden  Ton  des  No- 
men zu  suchen  ist.  Bei  den  t-Stämmen  gab  es  nur  einen  Typus, 
weil  auch  alle  nicht  componirten  Worte  fallenden  Ton  haben ,  bei 
den  Masculina  zwei,  weil  diese,  auch  wenn  nicht  componirt;  sowohl 
fallenden  wie  steigenden  Ton  haben  können,  vgl.  r.  Mopös'B  s.mräzj 
r.  röpoA'B  s.  ffräd.  Ob  im  Serbischen  der  Ton  der  Präposition  {^) 
als  fallend  oder  steigend  anzusetzen  sei,  lasse  ich  vorläufig  uner- 
örtert;  um  bei  Betrachtung  andrer  Wortverbindungen  mit  Präpositio- 
nen darauf  zurückzukommen.  Das  Russische,  so  weit  man  aus 
den  wenigen  Beispielen  mit  nepe-,  die  den  Hochton  auf  der  Prä- 
position tragen,  schliessen  darf,  zieht  möglichst  weit  zurück,  d.  h. 


Untersuch,  üb.  Betonongs-  u.  QuantitStsyerhältnisse  in  den  eUv.  Spr.  369 

die  Präposition  erhält  (wie  bei  den  «-Stämmen)  fallenden  Ton: 
n6perap'B  (neben  neperäp'i),  n^peKpecT'L^  n6penji[ecKi,  n^penycin, 
n^pe^epiTB.  Wie  ist  nnn  die  slovenische  Betonang  zu  beurtheilen? 
Valjavec  (Rad  132,  S.  200]  lässt  übereinstimmend  mit  seinen  übri- 
gen Ansetzungen  ohlak^  obUk^  obldk,  pozar  u.  s.  w.  durch  Um- 
springen des  Tones  aus  obläk^  dbUk^  obtök  (serb.  Mlük\  pdzär  ent- 
stehen. Nothwendig  ist  an  sich  dieser  Hergang  nicht,  denn  ein  als 
alt  angesetztes  obläk  oblok  könnte  auch  so  yerblieben  sein.  Die 
Ansicht  von  Valjavec  ist  aber  begründet,  weil  es  heisst  pod  oblak. 
Die  Betonung  dieser  Verbindung  kann  auf  zweierlei  Weise  erklärt 
werden :  man  kann  ausgehen  von  einer  Betonungsweise  wie  der  des 
serb.  pod  obläk\  wenn  dabei  pM  als  fallend  betont  angesehen  wird, 
muss  sloy.  pod  oblak  entstehen ;  man  kann  aber  auch  annehmen, 
dass  pod  oblak  eine  aus  älterer  Zeit  so  liegende  Betonung  be- 
wahrt hat,  dann  ist  einst  auch  ausserhalb  casueller  Verbindung 
mit  der  Präposition  das  Wort  so  betont  gewesen,  und  zwar  auf  dem 
präp^itionalen  Bestandtheil  fallend,  was  wieder  mit  dem  Russi- 
schen und  dem  Verfahren  des  Slovenischen  bei  den  i-Stämmen 
stimmt  Demnach  ergibt  sich  auch  für  das  Slovenische ,  was  die 
Lage  des  Hochtons  betrifft,  der  gleiche  Betonungstypus  wie  in  den 
andern  Sprachen,  und  der  Grund  muss  auch  derselbe  sein. 

Fasst  man  aus  den  beiden  behandelten  Abtheilungen  die  Prä- 
positionalcomposita  zusammen,  so  stellt  sich  heraus,  dass  bei  den 
»-Stämmen  wie  bei  den  Masculina  alle  drei  Sprachen  ursprünglich 
ein  gleiches  Betonungsprincip  hatten:  der  Hochton  ruht  auf 
dem  Nomen,  wenn  dieses  steigend  betont  war,  er  geht 
auf  die  Präposition  über,  wenn  das  Nomen  fallend  be- 
tont war,  was  bei  den  t-Stämmen  immer  der  Fall  ist 

Fasst  man  die  Gomposita  aus  Nomen  und  Nomen  zusammen, 
so  haben  Serbisch  und  Russisch  bei  den  «-Stämmen  das  gleiche 
Betonungsprincip  wie  bei  denPräpositionaloomposita:  der  Hochton 
liegt  auf  dem  ersten  Gliede  und  zwar  auf  dessen  erster  Silbe.  Das 
Slovenische  lässt  wegen  der  geringen  Zahl  seiner  Beispiele  keine 
Entscheidung  zu.  Bei  den  masc.  o-Stämmen  hat  das  Serbische  die- 
selben beiden  Typen  wie  bei  den  Präpositionalzusammensetzungen : 
Typus  I  (s.  0.  S.  344),  Hochton  auf  dem  zweiten  Glied,  wenn  dies 
an  sich  steigende  Betonung  hat;  Typus  H,  Hochton  auf  dem  ersten 
Glied  (und  zwar  aof  dessen  erster  Silbe),  wenn  das  zweite  Glied  an 

ATChiT  fftr  sUTiseh«  Philologi«.  XXI.  24 


370  ^'  LeskieD, 

sich  fallenden  Ton  hat  (s.  o.  S.  346] .  Das  Russische  kennt  den  Typus  II 
nicht,  im  Slovenischen  ist  er  nicht  mit  Sicherheit  nachweisbar^  aber 
wahrscheinlich  vorhanden  gewesen  und  in  einzelnen  Beispielen  erhal- 
ten. Denkt  man  nun  an  die  völlig  gleiche  Behandlung  der  «-Stämme 
im  Serbischen  und  Eussischen,  und  daran,  dass  im  Bussischen  die 
Präpositionalcomposita  unter  den  masc.  o-Stämmen  die  zwei  Typen 
wie  im  Serbischen  zeigen,  so  darf  man  den  Schluss  ziehen,  dass 
auch  bei  den  Compositis  aus  Nomen  und  Nomen  ursprünglich  beide 
Typen  im  Bussischen  bestanden,  der  Typus  11  aber  in  die  Analogie 
von  I  übergetreten  ist.  Es  ist  möglich,  dass  die  kleinrussische, 
sehr  schwankende  Betonung  dieser  Art  von  Compositis,  z.  B.  bilo- 
grüd  bilogrüd  (mit  zwei  Accenten)  hilogrud  (s.  Werchratskij,  Archiv 
3.  399 ;  Hanusz  ib.  7.  254)  auf  einem  noch  nicht  ganz  ausgegliche- 
nen Durcheinanderwerfen  der  beiden  Typen  beruht. 

3.   Die  femininalen  a-^Stämme, 
A.  Zusammensetzungen  aus  Nomen  und  NomeiK 

Die  Zahl  der  Beispiele  steht  sehr  zurück  gegen  die  Masculina. 
Verstanden  sind  unter  o^tämmen  alle  Worte  dieser  femininalen 
Form,  auch  wenn  sie  männliche  Personen  bezeichnen. 

Für  das  Serbische  ergeben  sich  folgende  Verhältnisse.  Zu- 
nächst erscheint  es  als  selbstverständlich,  dass  die  Feminina  der 
unter  2.  behandelten  Adjektiva  sich  in  Quantität  und  Betonung 
verhalten  wie  die  Masculina ;  und  im  Allgemeinen  trifft  das  auch  zu, 
ganz  regelmässig  da,  wo  das  Masculinum  zum  Typus  I  (S.  344)  gehört, 
z.  B.  msc.  golbglav  fem.  golhglava.  Ich  lasse  diese  Fälle  also  hier 
unberücksichtigt,  ebenso  eine  Anzahl,  die  zufällig  nur  als  substan- 
tivirte  Feminina  vorkommen,  z.  B.  sthnoga  scolopender,  bjelbnoga 
weissfüssige  Frau.  Nicht  so  einfach  steht  es  bei  dem  Typus  II  (S.  346), 
hfilobfk.  Hier  würde  nach  den  heutigen  Verhältnissen  nichts  im 
Wege  stehen,  dass  ein  Femininum  die  Länge  des  zweiten  Gliedes 
bewahrte.  Nun  befinden  sich  darunter  sehr  wenig  Adjektiva  und 
die  Femininalformen  kann  man  um  so  weniger  zu  sichern  Schlüssen 
verwerthen,  weil  immer  eine  Einwirkung  der  Betonung  des  Masc. 
vorliegen  kann.  Sieht  man  aber  neben  einem  als  Substantiv  gel- 
tenden bjllogüz  ein  ebenfalls  substantivirtes  Femininum  bfiloguza 
(Vogelart),  kann  man  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  überhaupt  die 


Untersnob.  üb.  Betonnngs-  n.  QuantitStaverbSltniBse  in  den  slay.  Spr.  371 

Feminina  Kürze  im  zweiten  Gliede  erfordern.  Thatsächlich  sind 
die  sabstantivischen  Beispiele  mit  langer  Silbe  des  zweiten  Ele- 
ments ganz  yerschwindend  an  Zahl:  trdlijeska  (eig.  Dreinuss,  ein 
willkürlich  gebildetes  Räthselwort) :  lijiska ;  gJ&hoprdja^  Kirtoprdja ; 
mrkogtedja  finster  Blickender,  s^mogledja  einer,  der  finster  vor  sich 
hinsieht;  tUnkoprelja  Feinspinnerin:  prelja.  Alle  andern  Bei- 
spiele haben  im  zweiten  Gliede  karzen  Vocal;  die  Be- 
tonnngstypen  sind  folgende : 

1)  Alter  Hochton  auf  dem  zweiten  Gliede,  also  jetzt 
Accent  ^  aaf  dem  Ende  des  ersten,  dem  Compositionsvocal ,  und 
zwara)  bei  ursprünglich  langer  Wurzelsilbe  des  zweiten 
Gliedes:  bjelhsljiva  eine  Pflaumenart:  ilfiva^  drvhdjelja  Zimmer- 
mann :  df^loj  djUljati,  galhbela  (wenn  =  galhbjela  schmutzig  weiss, 
eig.  Femin.  zu  einem  Adjektiv  galhbjel)  Widdemame  :  Vio  fem.  M- 
j^lüy  ^oföf^ra  Windbeutel :  ^igra,  kalbgaza  eig.  Eothtreter  (ein  Spott- 
wort) :  zu  g&ziti,  kozbpasa  Ziegenhirt :  p^ü  pdsem  weiden,  p&ia 
Weide,  volbpasa  Ochsenweide  :  päsa ;  kravbsica  (eig.  Euhsauger?; 
daneben  kräosica,  das  wohl  einer  Aussprache  krodca  oder  einem 
diphthongischen  Laute  des  ao  entspricht,  daher  die  anomale  Beto- 
nung) eine  Schlangenart,  Xrv^/ya  Blutvergiesser  :  Uti  rijem\  krvb- 
pija  Blutsauger,  vinbpija  Weinsänfer,  vodbpija  eine  Pflanzenart : 
pitipyem  -;  krivbSija  Erummhalsiger :  ^  t/a,  milbbruka  Spassmacher : 
brükcy  morbkvaia  Achsendeckel  am  Wagen,  nakbjedja  (eig.  Nagel- 
esser) »Nagel Wurzel«  :y8Ä^«^"8rfem,y8rf;a  Speise;  petbprsta  (eig. 
Fünffinger,  fem.  zu  einem  msc.  petbprst)  Pflanzenname  :  prst,  sre- 
dbkraca  Mittelpunkt,  sredbrusa  vierter  Mittwoch  nach  Ostern:  zu 
r^a  [riisa  gldva) ,  stbklasa  (eig. fem.  zu  msc.  stbklas)  Pflanzenname : 
kläs^  stbkuda  Klatschweib  (eig.  die  in  hundert  Häusern  herumträgt): 
ktidoj  Stetocinja  Schadenstifter :  ctm7t,  vodbjaza  Wassergraben  ijäia^ 
dies  wohl  aus/Sia  entstanden,  zlbpata  Elend«:  zu  zlbpatiti  und  erst 
aus  dieser  Zusammenrückung  gebildet,  zlbsreöa  Unglückskind  : 
srida^  iirbpadja  Eüchelfall :  pUsti  pMem.  Dazu  die  Eigennamen 
Ljubbvidja^  Dragbrnira,  vgl.  msc.  Drägomlr, 

b)  Mit  ursprünglicher  Kürze  des  zweiten  Gliedes: 
bogbmolja  Bethaus  :  mhliti  mdllm  se\  bremenoia  Lastträger,  cabrb- 
noia  Zuberträger,  glasonoia  Bote,  govnbnosa  Düngerträger,  habrb- 
noSa  Nachrichtenbringer,  knjigbnoia  Briefträger,  krstbnose  pl.  ein 
Fest,  ruckbnoia  Essenbringerin,  torbbnoia  Sackträger :  nbsiti  n&slm ; 

24* 


372  A.  LeskieD, 

celdvodja  Anführer,  krtdvodja  Jagdhnndfllhrer  (Spottwort),  iljepd- 
vodja  Blindenführer y  tancdvod/a  Tanzfiihrer  (Vortänzer),  vojskd^ 
vodja  Heerführer  :  fdcb'^i  f>odlm\  glavdbolja  Kopfschmerz,  ffuzd- 
bolja^  kostdbolja  Gicht;  nogöbolja  Fassgicht,  srddbolja  Ruhr,  trbö- 
io{/a  Baachweh  :  bdlj'eti  schmerzen,  bol  Schmeri;  jedoffonja  (vjedö- 
gonja)  Art  Gespenst,  tordgonja  (eig.  zur  Hürde,  tör.  Treibender) 
Lärmglocke,  vjetrögonja  Windbeutel  :  goniti  gomm\  konjömora 
(eig.  Pferdetöter)  heftiger  ßitt,  Ijudömora  Leuteschinder  :  möriti\ 
krajdbera  (fem.  zu  krajdber)  Schnitterin,  die  am  Bande  mäht :  bräti 
bh'em]  loncdpera  Topfwäscherin,  suddpera  Waschlappen  :  prätt 
pdrem ;  mladdzenja  Bräutigam :  zeniti  zinlm^  zena ;  sjenökosa  Wiese : 
kbsiti  Kd8%in\  sthkoza  eine  Baumart :  zu  Icoza  Fell?;  trbmedja  Ort, 
wo  sich  drei  Grenzen  treffen  :  medja ;  zlbvoi;a  (scherzhaft  gebil- 
deter Mannesname) :  vdlj'a,  vbljeti  vdlim.  Die  Anzahl  ist  im  Grunde 
sehr  klein;  wenn  man  die  10  mit  -no6a,  5  mit  -vodja^  5  mit  -bolfa^ 
3  mit  -gonja^  2  mit  -mora^  2  mit  -pera  zusammengesetzten  Beispiele 
als  je  eins  rechnet,  bleiben  nur  einige  vereinzelte  übrig.  Dennoch 
repräsentiren  die  Fälle  anter  1  den  Haupttypus,  alles  anders  Be- 
tonte ist  noch  weit  spärlicher. 

2)  Alter  Hochton  [^)  auf  der  ersten  Silbe  des  ersten 
Gliedes:  cS^oooe^/'a  Anführer  einer  cS^a,  AJ>/ot7oe^'a  Anführer  eines 
Kdlo\  gegenüber  dem  celdvodja  a.  s.  w.  (s.  o.)  kann  man  wohl 
annehmen,  dass  die  Betonung  durch  die  des  selbständigen  cita  kolo 
veranlasst  ist;  drägoresa  ein  Ziegenname  :  resa  u.  a.  Wamme,  kär- 
saronja  (Compositum?)  trapa  natans,  d'ivokoza  (Wildziege)  Gemse : 
közOj  krätoHj'a  Kurzhals,  eine  Art  Bebe  (vgl.  oben  krivditja) :  itja, 
Ißpoieta  ein  Ziegenname :  ietati  sctäm  wandeln,  rdaroga  (Schimpf- 
wort) :  rog  rdguy  üholaza  Ohrwurm  :  läziti,  voj'evoda  Heerführer  : 
vödiii  v&dlm, 

3)  Aelterer  Hochton  lag  auf  dem  Ende  des  ersten 
Gliedes  (dem  Gompositionsvocal) ,  also  jetzt  der  Accent  ^  auf  der 
ersten  Silbe.  Ausser  den  beiden  Pflanzennamen  güsomacoj  zütokara 
sind  mir  nur  aufgefallen  die  mit  gleichem  zweiten  Element  gebildeten 
Eigennamen:  Dikosava^  Ljübosava  (msc.  Ljübosav),  Mirosava  (vgl. 
msc.  Mirösav  und  M^irosav)^  Skörosava  (msc.  Skbrosav)^  Tänkosava^ 
Vidosava^  Vükosava. 

Wenn  man  nach  dem  oben  unter  1  a  behandelten  Typus  kom- 
binirt,  so  wird  man  zu  dem  Schlüsse  kommen,  dass  das  zweite 


Untersach.  ttb.  Betonnngs-  n.  QuantitätsyerhältniBse  in  den  slav.  Spr.   373 

Glied  mit  seiner  VerkOrzniig  alter  Längen  steigend  betont  war. 
Zunächst  wird  zn  fragen  sein,  wie  weit  die  andern  Sprachen  das 
bestätigen.  Das  Slovenische  hat  fast  durchweg  steigenden  Ton 
anf  dem  zweiten  Element :  cistomolja  Rosenkranz,  crmnooka  Plötze, 
glasonoia  (ans  dem  Kroatischen)  Bote,  listonoia  (ebenso)  Briefträger, 
glatoholja  Kopfschmerz,  grloholja  Halsweh,  zohoholja  Zahnweh, 
knßgovodja  Bnchftthrer,  kolovodja  Reigenftthrer,  vojskovodja  Heer- 
fUhrer,  kolomSra  (Rnndmass)  Schneidermass,  koloUca  Badspnr, 
A;o/ot?r^a  Wagnerstahl,  kozotnoiza  Ziegenmelker,  krvoltjaBlutBtUTZ, 
^rro^^  ^rvo^^a  Blnthamen,  lepodüha  (Pflanzenname),  konjoreja 
Pferdezucht,  fo«or^a  Waldbau,  riJor^a  Fischzucht,  «arf;*er^a  Obst- 
bau, vinoreja  Weinbaa,  mesojeja  Fleischessen,  samojija  Ranunkel, 
mimohqjayotQibet^^heji^  m/a(/oi^;2;a  Bräutigam ,  mlekoseda  Lsi)' 
kraut,  redoseja  Art  Sieb,  samohoja  im  Schnee  getretener  Weg,  sch 
movldda  Alleinherrschaft,  samovoJja  Eigenwille,  senoköia  Berg- 
wiese, senoseca  Heumahd.  Ich  kann  auch  hier,  wie  sonst  im  Slo- 
yenischen,  nicht  bestimmen,  wie  viel  davon  volksthümlich  ist; 
jedenfalls  beweisen  diese  Beispiele,  dass  den  Verfassern  des  Wörter- 
buchs dieser  Typus  als  der  normale  gilt,  denn  die  Zahl  der  Bei- 
spiele mit  fallender  Betonung  auf  dem  zweiten  Element  ist  ganz 
gering :  crevobolja  Bauchgrimmen  (vgl.  aber  oben  glavobolja  u.  s.  w.), 
hmstoreja  Eichenzucht  (aber  oben  lesoreja  u.  s.  w.) ,  ghisovodja 
Stimmführer  [aber  oben  kolovodja  u.  a.),  goloplüta  ein  Fischname, 
kozopäia  Ziegenhirt,  pizdoglaja  (Valj.),  samopäia  Zttgellosigkeit, 
samoroga  Thiername,  svetokräja  Kirchendiebstahl. 

Das  Russische  endlich,  in  dem  diese  Composita  auch  wenig 
vertreten  sind,  hat,  so  weit  ich  constatiren  kann,  durchaus  den 
Hochton  auf  der  Wurzelsilbe  des  zweiten  Gliedes,  vgl.  6%jiom6H 
Weisshalsiger,  Bo^^oBdxAa  (kirchensl.  Form)  Wasserrohr,  Bo;(OT6qa 
Wasserstrom,  B0Ä0^6pna  Schöpfgef&ss,  BoeBÖ^a  Heerführer,  ryöo- 
A@pra  den  Mund  Verziehender,  ApoBoc^Ka  jE^coeina  Holzschlag,  Ay- 
merp6fl  Seelenwärmer  (Kleidungsstück),  3y6opixa  Zahnen  des  Kin- 
des, KosKOM^Ka  Gerber,  npocTOKBäma  saure  Milch,  nycTOM^jiA 
Schwätzer,  cKopoT6qa  Eilbote,  cjraHOT^qa  Speichelfluss,  cyxoixa 
trocknes  Essen,  cuToixa  Sattessen  u.  s.  w. 

Das  Material  aus  dieser  ganzen  Abtheilung  ist  nicht  reich 
genug,  um  darauf  allein  eine  Ansicht  zu  gründen,  es  müssen  die 
Composita  mit  Präpositionen  herangezogen  werden. 


S74  A.  LeskioD, 

B.  Zasammensetzangen  auB  Präposition  und  Nomen. 
AuBnahmslos  gilt  bei  jeder  Art  von  Betonung,  dass  die  Wurzelsilbe 
des  nominalen  Bestandtheils  kurz  sein  muss. 

1.  Die  Präposition  bat  den  Accent  "",  d.  h.  alten 
Hochton. 

a)  Präpositionen  mit  ursprünglich  kurzem  Vocal. 

do- :  ddplata  Zugabe  beim  Kauf,  r.  Aonj&Ta  Nachzahlung,  Zu- 
schuss ;  ddsada  Belästigung,  Ueberdruss,  r.  Aoc^a ;  ddtuga  Eile. 

0-,  ob:  dbala  Ufer,  sl.  obäla;  Mara  gebrtihtes  Gemüse,  sl. 
obära  Abkochung,  Eingekochtes;  oblaka  Kleidung,  r.  o6oji6Ka 
(Dahl)  das  Umziehen;  obrana  Schutz,  r.  oöopoHa;  dbrva  Braue,  sL 
obrva ;  oglava  Schuh  aus  der  Kopfhaut  des  Thieres ;  offoja  Pflege ; 
^ffradüf  ogradja  Einfriedigung,  Zaun,  sl.  ogräda^  ogräja^  r.  nom. 
act.  oropÖAa  (vgl.  msc.  oropDAnb);  oklada,  opklada  Wette,  sl.  oJdada 
Umlage,  obkläda  u.  a.  Foumier;  dkruga  Art  Kopfputz,  r.  oKpyra 
Umkreis,  Bezirk ;  ^kyka  Windung ;  omara  Schwüle ;  omjera  Mass, 
sl.  ovnera  Verhältniss;  omraza  Entzweiung,  sl.  omräza  Hass;  opala 
Verbranntes;  ^dpara  (Ausdruck  in  einem  Spiele,  s.  Vuk  u.  krmaca)^ 
sl.  opära  u.  a.  Abbrühwasser,  r.  onäpa  u.  a.  Bähfutter;  opeka  ge- 
brannter Ziegel,  sl.  opeka\  oplaza  ein  beim  Pflügen  vom  Pflug  über- 
sprungenes Stück;  oplata  u.  a.  Thürverkleidung,  sl.  oplata  u.  a. 
Pflugschiene;  ^dpna  (=  ophna)  Häutchen,  sl.  öpna\  oprava  Zurich- 
tung, sl.  oprava j  r.  onpdBa  Einfassung  u.  a.;  oprha  Schneeanflug; 
opsjena  Blendwerk,  sl.  obsena  Beschattung,  Blendung,  Blendwerk ; 
optrka  einer,  der  hin-  und  herläuft;  osveta  Bache,  sl.  08veta\  osjeka 
Ebbe,  sl.  08eka\  osoka  Saft,  r.  ocÖKa  u.  a.  Jauche;  ostava  Deposi- 
tum, sl.  ostäva]  dive  pl.  (=  ohva)  Theil  des  weiblichen  Hemdes, 
sl.  oha;  omce  pl.  (=  otmca)  hat  sekundäre  Dehnung  vor  der  Laut- 
folge m  +  Gonsonant. 

od-:  Maja  Abgabe,  sl.  odäja\  odgoja  Pflege,  sl.  odgoja  Er- 
ziehung; odlika  Wehrgeld,  sl.  odllka  Abfertigung  in  Geld;  Mluka 
Entschluss,  sl.  odloka^  r.  oTjyKa  Trennung;  Mmj'ena  Ersatz,  sl.  od- 
mena,  r.  oTHina  u.  a.  Abänderung;  odvala  Rückfall;  odsuda  Ur- 
theil;  dduka  Entwöhnung,  sl.  odüka\  odvoda  Ast;  otoka  Seitenarm 
eines  Flusses. 

po-:  pMjeda  Sieg,  r.  noÖ^Aa;  poboja  (in  einem  Weihnaohts- 
liede  bei  Vuk,  mir  unklar,  vielleicht  nicht  hierhergehörig,  Vuk  gibt 
keine  Bedeutung  an) ;  pobuna  Aufruhr ;  podjela  (eig.  VertheiluDg) 


Untersuch,  üb.  Betonungs-  u.  Qaantitätsverhältnisse  in  den  slav.  Spr.   375 

Almosen ;  jfdgona  das  mittlere  Paar  von  einem  Sechsgespann  Ochsen ; 
pogrda  Schimpf,  sl.  pogrda ;  pohara^  poara  Verheerung  {^on  Vuk 
zn  pd/Mratij  ansplttndem,  gezogen ;  ist  piäara  die  bessere  Schrei- 
bung, so  wäre  es  mit  orttij  zerstören,  zu  verbinden);  pdhvala  Lob, 
ß\.pohväla,  klr,  pochväta  (r.  noxBajiä  mit  Anschluss  an  xnaii); 
pdhlepa  Begierde,  Bl.pohlepa]  pohode  pl.  Besuch  der  Verwandten 
bei  den  Neuvermählten;  pMrana  Verwahrung,  r.  nöxoponu  Ote- 
bräuche  beim  Begräbniss,  Begräbniss;  pdjata  (fremd?)  Stall,  sl. 
pojata]  pdkora  Busse,  sl.pokora,  r.  noKopa  Vorwurf,  Schande;  po- 
laia  (eig.  Nachlttge)  Nachlügner,  bei  Vuk  in  einem  Verse  dem 
ebendort  vorkommenden  läia  (Lügner)  nachgebildet;  pdmama  Wut, 
%\.pofnama  Betäubung;  pomije  plur.  Spülicht  (zu  myii)^  A.pomije; 
ponude  pl.  Angebotenes,  %\.  ponüda  Angebot,  r.  non^Aa  (Dahl); 
popara  aufgesottenes  altes  Brod,  ^Vpopära\  poplata  Einsammlung 
von  erbetenem  Gelde;  poprava  Ausbesserung,  %\.  poprava^  r.  no- 
npäBa  (Dahl) ;  poreza  Steuer,  sl.  poreza;  poruga  Hohn,  sl.  poroga^ 
r.  nopyra  (Dahl) ;  poruka  Bestellung,  sl.  poroka  u.  a.  Bürgschaft, 
r.  nopyKa;  poaije  plur.  (zu  iijati  sieben)  Kleie;  p^sjeka  Nieder- 
hauen, %\.po8eka  Holzschlag,  r.nociKa  (Dahl);  pdsluga  Bedienung, 
r.  nocjyra  Dienstleistung;  p&stava  Eleiderfutter,  Art  Gefäss,  sl. 
postäva  Körperbau,  r.  nocTäsa  u.  a.  Gestell ;  p^suda  Borg  (vgl.  po- 
süditi  borgen),  H\.po8oda;  poita  [=^pocbta)  Ehrerbietung;  poiaja 
Verborgenheit,  sl.  ^o/a;a  Geheimhaltung;  potega  (=  m^.  p^dteg), 
A.poiega  Anziehen ;  pofjera  Verfolgung ;  potka  (=spothka)  Einschlag 
beim  Weben ;  potra  {=potbra  oder -r;'a)  Getreideschaden  durch  Vieh ; 
p^otraga  Verfolgung;  pdtreba  Bedürfniss,  A.  potreha^  r.  noTp66a; 
^S^9n2a  Bestätigung  ;^S^9ora  Verläumdung;/>S«afaAnsturm;/>S0bAa 
(neben  ^äv/a^a)  Sahne,  uLpovläka  Ueberzug,  r.  nosojiÖKa;  pdvlata 
oberste  Lage  des  Schobers ;  pl&vrte  plur.  Theil  des  Joches ;  pozlaia 
Vergoldung,  sl.  pozläta,  r.  noacjÖTa;  pdzala  Beschwerde;  P&zega 
(Ortsname),  r.  noKÖra  Rodeland;  pdiuda  Begierde. 

pod-:  piddloga  Unterlage,  sl.  podloga,  r.  no^jöra;  pddmita  Be- 
stechung, A.podmita]  pddsada  untergelegtes  Brutei,  r.  noxc&Aa  u.a. 
Hinterhalt ;  podvala  Untergeschobenes ;  pddveza  Strumpfband,  sl. 
podveza;  pddvore  pl.  Stangen,  auf  denen  Heuhaufen  getragen  wer- 
den, sl.  podvora  Pflugschleife ;  pdtkita  Fransen ;  potkrpa  (Untere 
flick)  Einsatz  der  hidben  Sohle  am  Schuh  u.  a.,  sl.  podkrpa  Ein- 
flickung, Einschiebung ;  potpala  Holz  zum  Unterheizen,  Bl,podpala'y 


376  A.  Leskien, 

pMplata  Unterfutter,  r.  noAiuiTu  pl.  Halbsohlen;  pdtpora  Stütze, 
b1.  podpora,  r.  no^nöpa. 

pro-:  prodaja  Verkauf,  sl.  prodäja\  prdkaza  Wassersucht,  r. 

npoKdda  Aussatz ;  prokola  abgespaltenes  Stück ;  prdvnaha  Zugluft ; 

prdnyena  Tausch,  r.  npoMina;  prdsj'eka  Thal,  r.  npoc^Ka  Durchhan; 

j9rS«/at?a Verherrlichung;  protuha  Schwärmer,  Abenteurer;  provara 

(beim  Kochen?)  gerinnende  Milch. 

«-=«%-:  skl&ta  Dummkopf,  slika  Zusammenpassendes,  sldga 
Eintracht,  «i7i;'S«a  Gemengsei,  snäita  Schnee wetter,  ?q9ära  (s.Vuk), 
apl&ka  Pfütze,  sp^a  Schlinge,  spr&va  Machwerk,  spriga  Zusammen- 
spannen, sprhna  Vorrathskammer,  apreia  Eile,  stega  Gordon,  s(eza 
Fingerkraut,  stöka  Heerdenreichthum,  svMja  Zank,  sviza  Band, 
sfirha  Ende,  zdßla  hölzerne  Schüssel,  zdüha  (=  jedogonja],  zgoda 
Gelegenheit,  zgrMa  Gebäude.  Dazu  mit  sa-:  sMrana  (bei  Vuk  als 
montenegrinisch)  Schutz. 

ur  =  v^^':  Maja  [djevojka  na  udaju  mannbares  Mädchen;  eig. 
Hingabe),  sl.  vdaja\  üklada  (Einlage)  Wette,  sl.  vkläda  Einlage; 
^meta  (wenn  nicht  u  =  oy)  Ofenwisch. 

uz^  =■  v^Z''\  ttsprema  Ordnung,  üstra  {=  *fyb8tbra  oder  -rja) 
Scheermesser,  ^huna  Aufstand,  ^rese  pl.  Art  Kopfputz. 

b)  Präpositionen  mit  ursprünglich  langem  Vocal. 

na-:  näknada  Ersatz,  sl.  naknäda\  nämama  (und  ndmama) 
Lockspeise;  h&plata  (und  niplata)  Beitreibung  von  Geld;  n&slada 
Ergötzlichkeit  deliciae,  sl.  naslada  Süssigkeit,  Vergnügen,  r.  in 
andrer  Bedeutung  pLnaccjÖAu  faulender  Sumpf;  »ä^^^a  Heber,  sl. 
natega,  r.  uaTjira  u. a. Spannriemen ;  nätra  {^natwa  oder  -^ja)  u.  a. 
Webstuhl ;  n&traga  Anwuchs ;  nävala  (und  ndtaloy  auch  msc.  ndtoal^ 
Andrang,  Zulauf,  sl.  naväla\  n&vlaka  (und  nävlaka)  Ueberzug,  sl. 
nävlaka^  r.  HdBOjOKa. 

pari  p&praöa  Frauenabtheilung  in  der  Kirche;  pätoka  Lauer 
beim  Branntwein ;  pUvlaka  Polstersack. 

pra-\  />r$iafta  Urgrossmutter. 

pri-:  prtglava  {neben  prdglava,  unter  diesem  Wort  steht  mit 
Fragezeichen /7ri^20t7a)  Jochholz;  prigoda  Gelegenheit,  sl.  prigoda, 
r.  npHTÖAa  u.  a.  Zufall ;  priguia  (zu  ght-)  etwas  zum  Zubeissen  (bei 
trocknem  Brot);  prihvata  (eig.  Hinzuriss)  neu  eingezäuntes  Stück 
Land ;  prtpaSa  was  von  der  Heerde  beim  Hause  bleibt  (nicht  ver- 
kauft wird) ;  pripeka  Schwüle,  sl.  priptka^  r.  npHncKa  u.  a.  sonnige 


Untersach.  ttb.  BetonuDgs-  n.  Qnantitäts Verhältnisse  in  den  slav.  Spr.   377 

Stelle;  priprava  Vorbereitung  (neben  prSprava)^  b\.  pripräva,  r. 
npHnp^Ba  Znthat  (WVirze)] prislava  (s. Yak);  prituga  (Zwang)  Noth. 

pre-:  precjena  zu  hoher  Preis,  sl.  jorecSwa  üeberschätzung ; 
pridaja  Uebergabe,  sl.  predaja^  vgl.  r.  npe^^^a;  pr'ikada  Be- 
räucherung ;  prdpeka  doppelt  gebrannter  Branntwein  (mBcpri/epek 
dass.),  sI.  prepeka  Durchbraten;  pr'ipona  Leisten  (ilia),  sl.  prepona 
Zwerchfell,  r.  nepenöna  Membran ;  prSprava  Vorbereitung,  r.  nepe- 
npdBa  u.  a.  Uebersetzen  (über  Fluss) ;  prSprata  die  Eirehenabthei- 
lung  der  Frauen ;  prdpreka  Hindemiss ;  prhada  (vgl.  mAii.prijhad) 
Pflanzen  zum  Umsetzen,  r.  nepeca^a;  prhega  Leistenbruch  durch 
Ueberanstrengnng;  prisjeka  Querthal,  sl.  preseka  und  preseka 
Durchhau  \pri8uda  Urtheil ;  pr'itega  Gewicht  am  Brunnenschwengel, 
sl.  pretega  Uebergewicht,  r.  nepeTira  (Hinüberziehen)  u.  a.  Fähre; 
/)rS^«£a  Abfluss ;  prMraga  Ausspähung;  Prhlaka  (Ortsname),  sl. 
prevlaka  u.  a.  Ueberzug,  r.  nepeBOjroKa  Isthmus,  ttber  den  Schiffe 
gezogen  werden;  prh>rta  (zu  vrbi-)  Art  Eierspeise. 

raz-:  räzmjena  Tausch,  r.  paBM^Ha;  rUsada  (u.  msc.  räsad) 
Setzpflanzen,  r.  pascä^a;  r&soke  pl.  Zacken,  sl.  räzsoha  gabelförmi- 
ges Holz,  r.  pa3c6xa  zweitheilige  Pflugschar;  rä^ara  Art  Eierspeise ; 
r&spra  Streit,  sl.  raxpr/a,  r.  päcnpH;  rSsprava  Auseinandersetzung, 
sl.  razpräva  Abhandlung,  r.  pacnpäsa  Gericht. 

8u^  =  sq^:  sMlata  Schimpfwort  auf  einen  Tölpel;  sümlata 
dass. ;  sütika  Ereigniss;  sütuka  (und  sütuka)  Unheilbringendes; 
süy'eda  (vgl.  msc.  süsjed  und  süsjed)  Nachbarin. 

zor-'.  z&brana  (vgl.  msc.  zihran]  Hegewald,  sl.  zabräna  u.  a. 
Gehege;  zMaha  (vgl.  msc.  zMäh)  Ubier  Geruch;  zäduha  (vgl.  msc. 
zMüh)  Asthma,  sl.  zadüha  Erstickung;  zUgrada  zägradja  (vgl.  msc. 
zdgrad)  Verzäunung,  %\,zagrada  zagraja^  r.  saropö^a;  zMvala  Lob, 
Dank,  sl.  zcAväla;  zähvata  (eig.  Ergreifung)  ein  Stttck,  das  Einer 
von  des  Nachbarn  Felde  in  das  seinige  einschliesst ;  zSkuka  Win- 
dung (eines  Flusses) ;  zUljeva  Art  saurer  Milch;  z&mama  Lockspeise, 
sl.  zamama  Bethörung;  zSmjena  Ersatz,  sl.  zamena,  r.  saHina;  zä- 
paha  Anhauch;  zäsjeda  Hinterhalt,  sl.  zaseda;  zäsjeka  Verhau,  sl. 
zaseka^  r.  aaelKa;  z&slada^  sl.  zasläda  Dessert,  r.  sacozö^a  Ver- 
sttssung;  zä^/u^a  Verdienst,  A,  zaslüga^  r.  sacjiyra;  zästava,  sl. 
zastäva  Fahne,  r.  BacTäna  u.  a.  Haltestelle;  z&struga  (vgl.  msc.  zä- 
atrug)  Art  hölzerner  Schüssel,  r.  sacTp^ra  u.  a.  angehobeltes  Stttck ; 
z&tore  Saueuter. 


378  A.  Leskien, 

t4n=sOY''  ti^Jena  Abschätzung ;  ttglava  (w  =  r*  ?)  Verabredimg ; 
Moda  (eig.  Ueberlänfer)  Spion ;  itpala  Brunst ;  ttpora  Gegenstrebe 
u.  a.;  ^prava  Leitung,  Regierung,  sL  upräva,  r.  ynp4Ba  u.a. Rechts- 
pflege; üprta  (vgl.  msc.  üprt)  Tragriemen  des  Ranzen,  Tgl.  sl. 
opfta]  üsjeka  (eig.  Abhau)  Feuerschwamm;  üstava  Schleuse,  sl. 
ustäva  Hemmung;  tttjeha  Trost,  sl.  uteha,  r.  yrixa;  ütore  pl.  (vgl. 
msc.  ütor)  Kimme,  ol.utora]  ütvara  undä^0ra(ygl.m8C.  ütvor)  Ge- 
spenst, sl.  utvora-,  utega  Bruchband;  itvala  Thal;  phduplata  Futter 
am  Hemde,  setzt  ein  *äplata  voraus,  vgl.  r.  ynjtäTu  f.  pl.  Halb- 
sohlen. 

c)  Zusammensetzungen  mit  iz-:  "Uplata  Auszahlung;  t^- 
pratJö  Bewilligung,  sl.w/^rat)«  Berichtigung,  r.  Hcnpdßa  Verbesserung; 
tstraga  Vertilgung;  ^izdaj'a  Verrath,  sl.  izdaja\  ^izmjena  Wechsel, 
sl.  izmena  u.  a.  Verwechslung,  r.  H3Miua  u.  a.  Verrath;  tzvoda 
Pflanze,  die  man  zur  Samenerzeugung  stehen  lässt. 

2.  Die  Präposition  hat  den  Accent  ^  oder  ^  d.  h.  der 
alte  Hochton  lag  auf  der  ersten  Silbe  des  nominalen 
Bestandtheils. 

a)  Präpositionen  mit  ursprünglich  kurzem  Vocal. 

do-y  keine  Beispiele. 

0'  ob-:  obdulja  Wettlaufspreis ;  hhuda  Beschuhung,  sl.  obüca; 
hdezda  Messgewand,  ist  kirchensL,  in  der  Betonung  =  serb.öc(fWa, 
aber  nicht  in  der  Form,  die  einem  altbulg.  *odeäta  entspräche  (dem 
kirchensl.  odezda  kann  slov.  odeja  gleich  gesetzt  werden);  ohodja 
(u.  neutr.  ohodje)  Umweg;  ometa  (neben  msc.  omet)  Fege;  hpaia 
fUr  Wintervorrath  geschlachtetes  Thier;  bpona  (vgl.  opna)  Häut- 
chen, sl.  opona  Vorhang,  r.  onöna;  hputa  Opankenriemen;  hsama 
Einsamkeit,  sl.o^ama,  wohl  beides  neuere  Bildungen ;  6^ot?a  Zettel 
beim  Weben,  sl.  osnova^  r.  ociioBa;  bspa  (dem.  ospica)  =  oshpa 
Blatter,  r.  oena;  bstruga  Brombeerstrauch,  sl.  ostr6ga\  dtava  Grum- 
met, sl.  oiavGj  r.  OT&Ba ;  öicela  Hobelspäne. 

od-:  ddvika  Entwöhnung,  wohl  eine  direkte  Ableitung  von  od- 
vidi,  bdviknutij  daher  mit  dessen  Accent;  bdsleka  Ebbe  (daneben 
sUka  Flut) . 

po-'.  pbgonja^  soviel  mAp^dgona  xynApMjera  Verfolgung,  viel- 
leicht erst  spätere  Bildung  direkt  von  dem  componirten  Verbum 
pogbniti  pbgontm ;  pbmnja  {=pomhnja)  Umsicht,  Aufinerksamkeit, 
sl.  pomnja ;  pbpaia  Weidegeld,  sl.joopaia  Abweiden,  Weideschaden; 


untersuch,  üb.  Betonnngs-  n.  Qaantit&tBverhältnisBe  in  den  slav.  Spr.  379 

phraha  Gebranch,  ist  kroatisch,  scheint  nnr  in  der  Betonnng  serbi- 
sirt  dnrch  die  nothwendige  Zurückziehung ,  slov.  poraha\  phstelja 
Bett,  sl.  postelja ;  pbklade  (daneben  msc.  pdkladi)  plur. ;  pdkradj'a 
das  Gestohlene,  r.  noKp&sa ;  pöpije  pl.  Gegend  zwischen  den  Brauen ; 
pdrada  Art  Fischemetz,  wohl  fremd,  wie  sicher  pdluga  Stange  (aus 
phalanffa) ;  pospa  (=  poaPbpa]  Eisenspäne. 

pod-^  nur  pödkova  Hafeisen,  sl.  podkova,  r.  noAKOBa. 

pro-,  nur  Prbloga  (Ortsname);  prodja  Abgang  der  Waare,  ist 
abhängig  Yon  pr66i  prodjem. 

sa-:  wenn  hierher  gehörig  und  nicht  Fremdwort,  säöttra  eine 
Art  Brodkorb. 

w-  =  ©*-,  kein  Beispiel. 

UZ'  =  v^z^:  üzma  (im  Fluche)  Gicht,  vgl.  üzei  gichtbrttchig 
(zu  v^Z'^^ti  txbz-wiq). 

b)  Präpositionen  mit  ursprünglich  langem  Vocal,  be- 
tont '  (dazu  einige  abweichende  Beispiele  mit  ^). 

na-:  ndvrta  ein  beim  Auszählen  (Losen)  gebrauchtes  Wort 
(s.  Yuk  u.  kolof>rta)\  nävada  Angewöhnung,  sl.  naväda,  r.  nas^a 
Verlockung;  nävala  (neben  näväla)  Zulauf,  Andrang;  ndgrda  Häss- 
liches,  sl.  fiagfda  Missgestalt ;  ndhlada  Erkältung ;  näkaza  (neben 
msc.  ndkaz)  Monstrum,  sl.  ncJcaza ;  näloga  Gedränge,  sl.  naloga  u.  a. 
Aufgabe  (Pensum),  r.  uaiora  Bedrückung;  nämama  (neben  n&mama) 
Lockspeise;  nämjera  (neben  msc.  nämj&i')  Begegnung,  Zufall,  sl. 
namera\  ndplava  alluvio;  ndplata  (neben  näplata);  ndpraDaYeT- 
richtung;  sl.  napräva;  ndruka  Bestellung;  ndstava  Unterweisung, 
sl.  nastäva  Aufstellung ;  ^  nduka  Lehre  (vgl.  msc.  nduk),  r.  nayKa; 
ndzeha  Erkältung  (daneben  n&zeh  fem.),  sl.  nazeba ;  ndzima  Erkäl- 
tung; ndda  (vgl.  msc.  nadxmd  nM)  Hoffnung. 

Angereiht  mögen  werden  die  ganz  vereinzelten  Fälle  nävika 
Gewohnheit,  A.navxka\  nävlakaj  gewöhnlich  nävlaka,  Kissenüber- 
zug ;  naklja  (wenn  es  hierher  gehört)  Windung  eines  Flusses. 

nad-,  keine  Beispiele. 

pri-:  pridruga  Pfahl,  an  dem  Flechtwerk  zusammengestellt 
wird,  vgl.  slov.  in  ähnlicher  Bedeutung  pridrogi  msc.  pl.;  prüika 
Ding  gleicher  Art,  Beispiel,  A. prüika  und  prüika,  r.  npHJHKa  Ueber- 
führung  durch  Zeugen.  Ich  stelle  dazu  die  vereinzelten  mit "  auf  der 
Präposition:  priika  (s=:prttbka)  Pflock,  prica  (=pritbca,  vielleicht 
aus  dem  Kirchenslavischen)  Erzählung,  sl.  prica  bedeutet  u.  a. 


380  A.  LeBkiec, 

Gegenwart,  Zeugniss;  endlich,  falls  es  hierher  gehört,  prikala  Beif 
[pruina], 

pri-',  prijevara  Betrug,  sl.  prevära^  und  das  abweichende  pre- 
vjera  Glanbensändemng  (vgl.  prevjeriti),  sl.  prevera  Aberglaube. 

pred-^  kein  Beispiel. 

raz-\  rdskida  (ja  nijesam  8  raskide^  ich  bin  von  der  Partei, 
halte  mit) ;  räzlika  Unterschied,  sl.  razlika^  r.  pasjiHKa.  Femer  ganz 
abweichend  räsprava,  aber  daneben  räsprava^  Auseinandersetzung; 
räzvadja  Auseinanderbringen  Streitender,  abhängig  vom  componir- 
ten  räzvaditi. 

za-:  zäbava  Zeitvertreib,  r.  3a6&Ba,  sl.  zabäva  Ungelegenheit, 
Ghicane;  zähuna  Verwirrung;  zdcina  Würze,  sl.  zacina\  zddjeva 
Hindemiss,  sl.  zadeva;  zddruga  die  Hausgenossenschaft  der  Sttd- 
slaven,  sl.  zddntga\  zuloga  (neben  msc.  zälog)  Verpfändung,  sl. 
zaBga  Unterpfand;  zAmjera  das  Ucbelnehmen,  ^\,zamera\  zämuka 
Verdienst  (vgl.  zur  Bedeutung  zathuciti  ito  sich  etwas  ermtthen, 
erwerben) ;  zäpara  Schwüle,  sl.  zapära  Verbrühung,  r.  san&pa  Ab- 
brühen; zäpreka  Verbot,  sl.  zapreka  Hemmung;  zdvada  Zihk,  sl. 
zaväda. 

Daran  schliesse  ich  gleich  Fälle  mit  "  auf  der  Präposition : 
zämka  (=  zamtka)  Schlinge  ist  =  *z&mkaj  die  Dehnung  beruht  auf 
der  Stellung  des  Vocals  vor  m  +  Consonant ;  zätka  (=  zatbka ; 
monten.  nach  Vuk)  Aufforderung  zum  Kampf;  za^^a  Anlauf.  Völlig 
vereinzelt  ist  zäklada  (in  einem  Verse  bei  Vuk)  sonst  msc.  zäklad. 

8Ur  =^  sc^:  sutuka  (neben  «ä^t^A;a)  Unheilbringendes;  sumnja 
(=  sqmhnja)  Zweifel.  —  Dazu  mit  kurzem  Vocal  der  Präposition : 
sümedja  Grenzscheide,  sl.  8omijQ\  8Ümje8a  Gemenge;  sümuzga  Zu- 
sammenballen des  Schnees;  süpruga  Enittel,  r.  cynpyra  Gattin; 
süsreöa  Begegnung. 

un  =  t/-,  nur  abweichende  Beispiele  mit  ^  auf  der  Präposition: 
ütoka  Entlaufen,  sl.  utoka  Zuflucht;  obüm/era  Massstab  (Mess- 
faden). 

c)  Zusammensetzungen  mit  iz-:  i;^ela  Vielfrass ;  upaäa 
Weide,  sl.  izpäsa  Beschädigung  durch  Abweiden;  vgl.  Masc.  wie 
iskup,  izbor  (S.  361). 

Aufgezählt  sind  unter  1  und  2  c.  220  Beispiele  mit  der  Beto- 
nung ""  auf  der  Präposition,  c.  80  mit  ^  ^  auf  der  Präposition.  Es 
scheint  demnach,  dass  die  normale  Betonungsweise  dieser  Art 


Unterauch.  üb.  Betonongs-  u.  QaantitätSTerhiUtnisBe  in  den  slav.  Spr.   381 

üomposita  im  Serbischen  den  Hochton  {^)  anf  der  Präposition,  Un- 
betontheit des  nominalen  Bestandtheils  fordert.  Andrerseits  kann 
man  doch  nicht  annehmen,  dass  jene  80  Beispiele  alle  anf  einer 
sekundären  Abweichung  von  einer  einst  durchgängigen  normalen 
Betonung  beruhen,  sondern  wird  wegen  der  Gleichartigkeit  in  der 
Lage  des  Hochtons  des  Bussischen  und  Slovenischen,  ygl.  z.  B. 
serb.  ndloffaj  sl.  naloga^  r.  najiöra  eher  geneigt  sein,  in  dem  serbi- 
sehen  Worte  eine  von  altersher  verbliebene  Betonung  zu  sehen.  Es 
ist  zunächst  nicht  ohne  Interesse,  wenn  man  trotz  des  ungenügen- 
den Materials  das  Öakavische  heranzieht.  Bei  den  Femininen 
auf  -a  geht  eins  ganz  durch:  wie  im  Serbischen  ist  der  Yocal  des 
Nomen  stets  kurz,  auch  wenn  er  den  Hochton  hat.  Der  Hochton 
kann  an  sich  auf  der  Präposition  wie  auf  dem  Nomen  liegen;  es  ist 
aber  auffällig,  wie  wenig  die  vergleichbaren  Beispiele  mit  dem 
Serbischen  stimmen. 

1.  Der  Hochton  liegt  auf  der  Präposition.  Zum  Ser- 
bischen stimmen:  öbrva  serb.  ^dhrva  Braue;  hgrada^  aber  daneben 
ogräda^  s.  dgrcuia]  bprta,  daneben  opHa,  fascia  cocularia,  vgl.  s. 
ttprta;  prestka,  dsjiGben  presika  Durchhau,  s,  prdsjeka]  prigoda 
Gelegenheit,  s.  prigoda,  —  Nicht  übereinstimmend  sind:  podkova 
Hufeisen,  ^/phtkova\  popaia  Weideschaden,  s.  /)5paja  Weidegeld; 
pbstelja,  daneben  postelj'a,  s.  postelja  Bett ;  prUika  Bild  (dagegen 
prilika  als  occasio),  B.prtlika.  —  Die  Gleichung  fehlt  bei:  näruga 
Schimpf;  phsuda^  daneben  posüda  vas ;  pbtrofui,  daneben  potrhfia 
Unkosten;  pritoka  fiirca  currus;  rästroha  Gabelast.  —  Es  fällt 
ausserdem  auf,  dass  sechs  von  den  wenigen  Fällen  Nebenformen 
mit  Hochton  auf  dem  Nomen  haben. 

2.  Der  Hochton  liegt  auf  dem  Nomen.  Zum  Serbischen 
stimmend:  naoäda  Gewohnheit,  s.  ndvada\  obüöa  Kleidung,  s. 
bbuöa;  o^^rt^a  Brombeere,  s.  bstruga;  otäva  Grummet,  s.  btava; 
postelja  neben  pbatelja^  B.pbstelja ;  zabäoa  Aufenthalt,  s.  zäbava,  — 
Nicht  stimmend:  ogräda  neben  bgrada^  s.  dgrada]  opiirta  neben 
bprta^  s.  vgl.  tiprta\  pokbra  Busse,  s.  päkora',  pomiji  pl.  (und  po- 
mwi)  Spülicht,  s.  pomije ;  posiß  pl.  Kleien,  s.  pdsi/e ;  posüda  Borg, 
s.  pdsuda;  poir^ba  Gebrauch,  s.  pdireba\  presika  neben prdsikay  s. 
pr'isjeka]  prodäja  YerkAnf,  B.prddaja,  —  Nicht  vergleichbar  sind: 
natrbha  res  nocitura,  ombla  Abhang,  ovläka  Riemen,  oienja  spon- 


382  A.  Leskien, 

BUS,  podstäva  Unterlage ,  posüda  neben  pdsuda  vas ,  potrdha  neben 
pdtroha,  Pristäva  (Ortsname),  proväia  Latrine,  zaUga  Embryo. 

Mit  langem  Vocal  der  Präposition  sind  mir  bei  Nemanic  nnr 
drei  Beispiele  aufgefallen:  prilika  occasio,  zdruki  pl.  sponsalia, 
zdtara  pemicies.  Ist  die  Präposition  vocallos,  so  ruht  der  Hocbton 
auf  der  Wurzelsilbe  des  Nomens,  die  stets  kurz  ist :  slika  längliches 
Thal,  slika  Form,  Gestalt,  slhga  Eintracht,  spleta  Flechtwerk,  sreca 
Glück,  zdela  Schüssel,  zgräda  Gebäude.  Jedenfalls  kann  das  Ca- 
kayische  zeigen ,  dass  zwei  Typen  der  Betonung  von  älterer  Zeit 
her  vorhanden  sind.  Vergleicht  man  nun  das  Russische  und  das 
Slovenische,  so  stellt  sich  ein  ganz  eigenthümliches  Verhältniss 
heraus.  Im  Bussischen  liegt  so  gut  wie  durchgängig  der  Hoch- 
ton auf  der  Wurzelsilbe  des  nominalen  Theils,  also  auf  der  Torletz- 
ten  des  ganzen  Gebildes.  Aus  den  Hunderten  von  Beispielen  (ygl. 
auch  oben  die  russ.  Parallelen  zu  den  serb.  Beispielen)  führe  ich 
nur  wenige  zur  Veranschaulichung  an:  AorÖAa;  Ao6bi?a,  Aonpäsa, 
AOC^Aa,  sadäsa,  saHÖsa,  sanjidTa,  sapdsa,  Hsr&ra,  ncnpdßa,  HCTÖma, 
HCTp&Ta,  HaB^Aa,  naAcxa,  HaTyra,  nayKa,  oÖM^Ha,  o66pa,  oöysa,  onÖHa, 
onopa,  ocHÖBa,  oxÖTa,  0Tji[yKa,  OTM^ua,  nepeMiHa,  nepenöua,  nepecaAa, 
noÖ^Aa,  noroAa,  noKÖpa,  noKp&sca,  noHÖpa,  noAKÖBa,  noAuopa,  noAnpyra, 
noACTäBa,  npHncKa,  npHupäsa,  npnpÖAa,  npncdAa,  npHCjtyra,  npHcira, 
npoMina,  npocryAa,  npoTOKa,  pasiEHKa,  pa3J[yKa,  paenf  Ka,  pacTÖKa, 
cynpyra,  cyxyra,  yrpöaa,  ycjyra,  yxöpa,  yxtxa  u.  s.  w.  Es  ist  da- 
bei gleichgiltig,  ob  die  Präposition  an  sich  eine  Silbe  bildet  oder 
vocallos  und  unsilbisch  ist  (b-,  bs-,  c-],  z.  B.  BA&^a,  BsCiyAa,  B3jH3a, 
CB&Aa,  CBopa,  CBAsa,  CMÖJiBa,  cMlua,  cndna,  cTara  u.  s.  w.  Betrachtet 
man  die  abweichenden  Fälle  mit  Hochton  auf  der  Präposition, 
so  ist  ihre  Zahl  verschwindend ,  wenn  die  Wurzelsilbe  des  Nomen 
vollen  Vocal  bewahrt  hat.  Die  russischen  Grammatiker  führen  zwei 
drei  Beispiele  an,  S0HäA0J[6a;  eine  Durchsicht  der  grösseren  Wörter- 
bücher ergibt  etwa  20.  Dagegen  erhält  bei  Verlust  eines  ursprüng- 
lichen ^,  h  in  der  Wurzelsilbe  des  Nomen  die  Präposition  nothwen- 
dig  den  Hochton,  z.  B.  säcna,  3&TKa,  ocna,  nep^psa,  nep6niBa,  nöacHH, 
nousa,  npopxa,  p&cnpA  u.  s.w.  Ganz  vereinzelt  ist  bei  diesem  Laut- 
verhältniss  Endbetonung,  ich  kann  nur  noMCTd  anführen,  wie  über- 
haupt Endbetonung  bei  allen  diesen  Gompositis  fast  ganz  fehlt;  die 
Grammatiker  führen  nur  an  noxBaj[ä  (betont  wie  xBaiä),  es  gehört 
noch  dahin  noKpoHä  (Sahlleiste),  vielleicht  noch  eins  oder  das  andre 


Untersuch,  üb.  Betonung^-  n.  Qu&ntitiitsyerhältiiiBse  in  den  slav.  Spr.   3g3 

mir  entgangene  Beispiel.  Zweifellos  ist  im  Rassischen  die  normale 
Betonung  der  Hochton  auf  dem  nominalen  Bestandtheil,  im  Gegen- 
satz za  der  serbischen  Betonnngsweise. 

Das  Russische  hat  femer  eine  Eigenthümlichkeit,  die  bei  der 
Betrachtang  des  Serbischen  wichtig  sein  kann.  Wenn  die  be- 
tonte Wurzelsilbe  des  Nomen  Polnoglasie  hat,  so  liegt  der  Hochton 
regelmässig  auf  der  zweiten  der  beiden  Silben  ohne  Rücksicht 
darauf,  wo  er  etwa  in  gleich  gebildeten  nicht  zusammengesetzten 
Worten  liegen  mag,  vgl.  noöepera  npHÖepera  (Sparsamer;  die  per- 
sönlich angewendeten  Worte  befolgen  ganz  dieselben  Regeln  wie 
die  abstrakter  oder  sachlich-concreter  Bedeutung) ;  oÖopoHa ;  saso- 
ÄOKVkj  OTBOJÖKa,  nepeBOJÖKa,  noBOjÖKa,  noABOJÖKa,  npnBOjEÖKa,  npoBO- 
joKa,  pasBOJCÖKa,  yBOjÖKa,  vgl.  böjoki;  npHBopdxa,  vgl.  BÖpoPB; 
3aBop6xa,  vgl.  BÖpox'B;  saropo^a,  OTropö^a,  neperopö^a,  cropo^a,  Tgl. 
röpoA'B;  noATopoxa,  pasropöxa,  vgl.  ropoa:&;  onojiöcKa;  aacojiÖAa, 
Hacozö^u  pl.)  vgl.  c6jL0Xh;  ocTepera;  npocTop6a:a,  wie  cTop6auk; 
sacTopöna  (das  Verdecken,  Verstellen  mit  etwas),  ygl.  oTopoH& 
Seite;  nepeTOJiÖKa,  npHTOjiÖKa,  npoTOJiÖKa,  yrojiÖKa,  wie  TOjiÖKa; 
yropoKa,  wie  Topona.  Das  heisst  also:  die  Wurzelsilbe  des  Nomens 
war  steigend  betont. 

Ganz  ebenso,  was  die  Lage  des  Hochtons  betrifft,  verhält  sich 
das  Bulgarische;  das  Duvemois'sche  Wörterbuch  hat  mit  kaum 
zwei  drei  Ausnahmen  überall  den  Hochton  auf  der  Wurzel- 
silbe des  Nomen.  Ich  unterlasse  es,  beliebige  Beispiele  aus  dem 
Wörterbuch  zu  geben,  weil  ich  nicht  entscheiden  kann,  wie  weit 
die  Worte  im  volksthümlichen  Gebrauch  sind.  Wo  das  Wortver-' 
zeichniss  in  Gankoff's  Grammatik  dieselben  Worte  bietet,  haben 
sie  die  gleiche  Betonung :  zapldtt^  izmem,  naükt^  obüstbj  omräzt^ 
osn&&hj  oträm>y  podloffb^  potköüh,  pomij\  pofähy  pregräd%^  prekrdtby 
raskrÜTb.  Immerhin  scheint  mir  auch  diese  Uebereinstimmung  ein 
starkes  Zeugniss  dafUr  zu  sein ,  dass  diese  Art  der  Betonung  als 
urslavisch  anzusehen  ist. 

Vergleicht  man  das  Slovenische,  so  zeigt  sich  Ueberein- 
stimmung mit  dem  Russischen  in  der  Lage  des  Hochtons :  dieser 
liegt  auf  der  Wurzelsilbe  des  nominalen  Elements,  aber  die  Be- 
tonung ist  fallend ,  wobei  die  ursprüngliche  Quantität  des  Vocals . 
gleichgiltig  ist,  auch  die  ursprünglichen  Kürzen  werden  zu  fallen- 
der Länge  gedehnt.    Zur  Veranschaulichung  mögen  wenige  Bei- 


384  A.  Leskien, 

spiele  genügen  (vgl.  die  oben  gegebenen  sloven.  Parallelen  zn  den 
serbisehen  Wörtern) :  dologa^  dosega^  iziega^  namähij  naväla,  na- 
vika,  nazeba^  obuka,  odloka^  odmena,  pokora^  posädoj  predajay  pre- 
ponay  prevlekUf  prigoda,  pripeka^  rüzpoka,  razpora^  sloga^  sprega, 
vzgojaj  zabräna^  zagräda,  zagräja^  ziigüba  n.  B.  w.  Die  Abhandlang 
von  Valjayec  Rad  43  bestätigt  die  Begelmässigkeit  dieser  Betonung ; 
dort  werden  nur  sehr  wenig  Beispiele  der  Betonong  auf  der  Präpo- 
sition angegeben  und  diese  meist  aus  dem  ungarischen  Slovenisch 
und  aus  der  KajkavHtina.  Nur  wenn  die  Wurzelsilbe  des  nominalen 
Elements  durch  Verlust  von  ^^  h  vocallos  geworden  ist,  hat  regel- 
mässig die  Präposition  den  Ton,  der  Vocal  muss  in  dieser  betonten 
Silbe  gedehnt  sein  und  hat  regelmässig  steigenden  Ton,  z.  B.  64vaj 
o-tkay  zä-tnkaj  za-tka. 

Man  darf  also  den  Satz  aufstellen:  die  normale  Betonung 
dieser  Composita  im  Slovenischen  ist  bei  yoUem  Vocal  des  nomi- 
nalen Bestandtheils  fallender  Ton  auf  dessen  Wurzelsilbe.  Die 
weitere  Frage  ist  nun,  ob  diese  Betonungs weise  ursprünglich  ist, 
anders  ausgedrückt,  ob  die  Lage  des  Hochtons,  jetzt  im  Russischen 
und  Slovenischen  übereinstimmend,  im  Slovenischen  altererbt 
oder  erst  durch  besondere  Entwicklung  aus  ehemals  andrer  Lage 
v^ederhergestellt  ist.  Zur  Beantwortung  dieser  Frage  muss  man 
gewisse  Betonungen  der  Verbindungen  von  Präpositionen  mit  ab- 
hängigem Casus  im  Slovenischen  und  Serbischen  heranziehen. 
Wenn  vor  Nominalcasus,  deren  erste  Silbe  fallend  betont  ist,  Prä- 
positionen treten,  so  verliert  im  Serbischen  das  Nomen  überhaupt 
den  Ton,  er  geht  als  ""  auf  die  Präposition  über,  z.  B.  gen.  boga^ 
aber  M  bogoj  gen.  grada^  aber  od  gräda^  acc.  vddu^  aber  n&  vodu ; 
im  Slovenischen  verbleibt  der  Hochton  dem  Nomen,  wechselt 
aber  nicht  wie  im  einzelnen  stehenden  Nomen  seine  Stelle,  vgl.  gen. 
bogäy  aber  od  boga^  nebd  (s.  nebo)y  aber  na  nebo  (s.  n&  nebo)^  aoc.  vodo^ 
aber  na  vodo.  Valjavec  deutet  das  auf  Grundlage  der  serbischen 
Betonungsverhältnisse,  nimmt  also  an,  dass  wie  dem  serb.  lioga  ein 
slov.  bogä  entspricht,  ebenso  nach  dem  bekannten  oben  (S.  341] 
angeführten  Gesetz  aus  einem  älteren  od-boga  ein  od-bdga  geworden 
sei.  Derselbe  Grundsatz  wird  (Rad  132,  S.202)  auf  die  uns  beschäf- 
tigenden Composita  angewendet,  also  slov.  nasläda^  odgdja^  pohora^ 
posoda  u.  s.  w.  aufgefasst  als  umgesetzt  aus  einer  älteren,  der  serbi- 
schen gleichartigen  Betonung,  serb.  näslada^  ^ddgoja^  p&karaj  p&suda. 


Untersuch,  üb.  Betonungs-  u.  QuantitätsyerhiUtniBse  in  den  slav.  Spr.   385 

Ist  die  Ansicht  richtig ,  so  stttnden  Serbisch  und  Sloyenisch  in  der 
Betonung  dieser  Gomposita  principiell  gleich,  die  heutigen  sloveni- 
schen  Verhältnisse  wären  sekundär,  beide  Sprachen  wichen  von 
der  russischen  Betonungsweise  gleichmässig  ab.  Richtig  kann  aber 
die  Ansicht  nur  sein  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Präpositio- 
nen in  solchen  Zusammensetzungen  alle  fallenden  Ton  hatten,  denn 
eben  nur  unter  dieser  Bedingung  kann  die  slovenische  Verschiebung 
stattfinden.  Das  ist  indess  auch  hier  nicht  selbstverständlich,  denn 
wo  im  Slovenischen  die  Präposition  heute  den  Hochton  trägt,  hat 
ihre  durch  den  Hochton  gedehnte  Silbe  steigenden  Ton,  ygl.  na- 
rokaj  rdzffona,  zdplata.  Es  liegen  demnach  hier  noch  zu  lösende 
Probleme  vor : 

1)  Im  Bussischen  zeigen,  wo  Polnoglasie  die  Tonqualität  er- 
kennen lässt,  diese  Gomposita  steigenden  Ton  auf  dem  Nomen. 
Verallgemeinert  man  das  hypothetisch  zu  dem  Satze :  das  nominale 
Glied  hat  steigenden  Ton,  so  stimmt  das  völlig  zu  den  serbischen 
Beispielen,  die  alten  Hochton  auf  dem  nominalen  Bestandtheil 
tragen  (also  jetzt '  oder  ^  auf  der  Präposition),  z.  B.  ndhladaj  ndr- 
loga^  bbuöa  u.  8.  w.  (s.  o.  S.  378)  =  altem  ^nahläda  (^  als  Bezeich- 
nung des  steigenden  Tones  verstanden) ,  denn  die  Kürze  im  nomi- 
nalen Element  ist  nur  verständlich  durch  ehemaligen  steigenden 
Ton.  Femer  stimmt  die  Hypothese  ausgezeichnet  zu  der  That- 
sache,  dass  überhaupt  zweisilbige  femininale  o-Stämme  mit  fallen- 
dem Ton  so  gut  wie  vollständig  fehlen,  dass  die  normale  Betonung 
steigender  Ton  der  Wurzelsilbe  oder  Endbetonung  war,  wobei  ich 
absehe  von  dem  Eintreten  fallenden  Tons  in  einzelnen  Casus  der 
endbetonten  Worte,  wie  brdda  acc.  bräduy  r.  6opoA&  acc.  tiöpo^y; 
im  Russischen  gibt  es  keine  Betonung  dro  6h  ere  der  Feminina  mit 
Polnoglasie,  dem  entsprechend  im  Serbischen  keine  mit  der  Be- 
tonung -ije~  und  nur  ganz  vereinzelte  mit-ra-  (s.  Abb.  der  sächs.  Oes. 
d.  W.  Xni,  S.  559  =  33).  Weiter:  die  serbische  Betonungsweise 
der  meisten  Fälle,  wie  n&slada,  priprava  u.  s.  w.,  als  ursprüng- 
lich gedacht,  lässt  es  unverständlich,  warum  nicht  die  nach  ur- 
sprünglicher Hochtonstelle  stehende  alte  Länge  erhalten  blieb,  also 
z.  B.  *pripräf>a.  Verständlich  wird  es,  wenn  man  annimmt,  hier 
habe  eine  Umstellung  aus  ehemaligem  *pnpräva  stattgefunden,  die 
zweite  Silbe  als  steigend  betont  gedacht  und  darum  verkürzt. 
Demnach  scheint  mir  der  Schluss  berechtigt :  alle  diese  femininalen 

ArelüT  fftr  sUTiaeht  PUlologie.   XXI.  25 


386  A.  Leskien, 

Präpositionalcomposita  hatten  einmal  steigenden  Ton  als  Hochton 
anf  der  Wurzelsilbe  des  zweiten,  nominalen  Gliedes. 

2)  Das  Slovenische  stimmt  in  der  Lage  des  Hochtons  zum 
Russischen,  hat  aber  fallenden  Ton  der  betreffenden  Silbe.  Wenn 
aber  nach  1 .  der  Ton  ursprünglich  steigend  war,  muss  eine  Um- 
wandlung des  einst  steigenden  in  den  fallenden  Ton  stattgefunden 
haben,  zunächst  in  fallende  Ettrze  (denn  auch  im  Slovenischen 
yerkürzte  alter  steigender  Ton  die  Längen),  die  aber  dann  nach  der 
bekannten  sekundären  Dehnung  der  Hochtonsilbe  sich  in  fallende 
Länge  verwandelte.  Der  neu  entstandene  fallende  Ton  würde,  anf 
das  Serbische  angewendet,  es  hier  verständlich  machen,  warum  in 
der  Ueberzahl  der  Beispiele  der  Hochton  auf  die  erste  Wortsilbe, 
die  Präposition,  zurückging,  gemäss  dem  Satze,  dass  eine  innere 
Wortsilbe  fallenden  Ton  nicht  festhalten  kann.  Die  Frage  spitzt 
sich  also  wieder  dahin  zu,  ob  man  es  wahrscheinlich  machen  kann, 
dass  die  heutige  Lage  des  Hochtons  (abgesehen  zunächst  von  sei- 
ner Qualität)  im  Slovenischen  ursprünglich  sei,  denn  darauf  beruht 
zunächst  die  Möglichkeit  des  für  das  Serbische  oben  angenommenen 
Vorganges.  Die  Gleichung  nasläda  pokora  =  serb.  n&slada  po- 
kora  beiValjavec  beruht  darauf,  dass  er  diesen  Fall  gleichsetzt  mit 
Fällen  wie  ffoldb,  serb.  golüb,  r.  röjryÖB ;  pepet,  serb.  pdpeoj  r.  n6- 
nejB;  jezeroy  serh,  jSzero,  r.  öaepo;  na  vodo^  serb.  n&  vodu  u.  s.  w. 
Es  ist  aber  klar,  dass  an  sich  eine  Nöthigung  zu  jener  Gleichsetzung 
nicht  vorhanden  ist:  hei  golqbh^pepeh^jezero  wissen  wir  aus  der 
Uebereinstimmung  der  Sprachen  bestimmt,  dass  der  Hochton  einst 
auf  der  ersten  Silbe  lag,  in  Fällen  wie  slov.  nasläda pozläta  u.  s.w. 
wissen  wir  das  nicht  sicher,  und  das  russ.  nosojiÖTa  wider- 
spricht. Im  Slovenischen  selbst  gibt  es  aber  kein  Betonungsgesetz, 
das  verböte,  den  fallenden  Hochton  auf  zweiter  Wortsilbe  als  alt 
anzusehen,  wenn  sonst  Gründe  für  das  Alter  dieser  Hochtonstelle 
vorhanden  sind.  Die  Uebereinstimmung  des  Bussischen  und  Bul- 
garischen ist  aber  sicher  ein  solcher  Grund.  Die  Möglichkeit  also, 
dass  im  Slovenischen  pozläta  seine  alte  Hochtonsilbe  bewahrt  habe, 
muss  jedenfalls  ins  Auge  gefasst  werden.  Und  ein  Umstand  scheint 
mir  im  Slovenischen  selbst  gegen  die  Auffassung  von  Valjavec  zu 
sprechen:  im  Serbischen  geht  bei  Zusammensetzung  mit  zwei  Prä- 
positionen der  Hochton  auf  die  erste  über,  genau  wie  bei  den  i- 
Stämmen,  z.  B.  dpamena,  üspamenaj  prSoblaka,  prSobukaj  dtporuka, 


Untennch.  üb.  Betonungs-  u.  QuantitätsyerhältniBse  in  den  slav.  Spr.  387 

priporuka ;  im  SloYenischen  ist  aber  diese  Uebereinstimmimg  nicht 
Yorhanden,  tiberall,  so  weit  ich  nachkommen  kann,  verbleibt  der 
Hochton  auf  dem  Komen,  Tgl.  zaprüega^  prispodoba^  priporoka^ 
preohleka^  opotnena  (Valjayec,  Bad  43,  S.  17 — 22;  das  Wörterbuch 
gibt  eine  Menge  gleichartiger  Beispiele,  die  ich  nicht  anführe,  da 
ich  nicht  entscheiden  kann,  wie  weit  hier  nen  gemachte  Worte 
Yorliegen),  also  genau  wie  prüega^  apoddha^  poroka^  obloka,  po- 
mena.  Wäre  nun,  nach  ValjaYec's  Annahme,  ein  sIoy.  poroka  erst 
durch  Umspringen  des  Hochtons  aus  älterem  *pSroka  =  serb.  jp9- 
rtika  entstanden,  wie  povest  aus  älterem  pdvest  =  serb.  pdvi/est, 
so  hätte  es  bei  Zusammensetzung  mit  noch  einer  weiteren  Prilpo- 
sition  sloYenisch  lauten  müssen  *pr^oroka.  Wenn  ein  pripovest 
nach  ValjaYec  beweisen  soll,  dass  die  einstige  Betonung  ^pripovest 
=  serb.  pfipavijest  war,  und  damit  indirekt  (s.  o.  S.  341),  dass  j9o- 
vest  aus  pdvest  entstanden  ist,  so  muss  auch  umgekehrt  das  Nicht- 
eintreten Yon  *priporoka  neben  poroka^  die  Gleichheit  der  Betonung 
-von  priporoka  xmiSi  pof'oka^  beweisen  können,  dass  in  poroka  der 
Hochton  an  seiner  alten  Stelle  steht.  Damit  stimmt  femer  überein, 
dass,  wie  Ya^jaYec  (Bad  132,  S.202)  bemerkt,  bei  casueller  Verbin- 
dung mit  Präpositionen  der  Hochton  selten  auf  der  ersten  Silbe  des 
Casus  liegt ;  er  führt  nur  die  Beispiele  an :  na  posodo  auf  Borg  (po- 
8oda  acc.  posodo)^  k  poroki  zur  Trauung  [poroka^  dat.  poroki).  Es 
wäre  doch  höchst  auffallend,  dass  bei  der  grossen  Zahl  derartiger 
Composita  das  SloYcnische  nicht  regelmässig  oder  wenigstens  häufig 
die  bei  angenommenem  alten  Hochton,  xmd  zwar  nach  ValjaYec 
fallendem  Ton  auf  der  Präposition,  Ycrlangte  Stellung  des  Hoch- 
tons bei  Verbindung  aus  Präpositionen  und  Casus  zeigt.  Femer, 
wenn  man  das  Serbische,  auf  dessen  Grundlage  Va^jaYCcconstrairt, 
heranzieht,  wird  der  Widersprach  noch  stärker :  das  Serbische  kennt 
nämlich  die  nach  seiner  Theorie  zu  erwartende  Betonung  *n&  po- 
ruku  gar  nicht  Es  liegt  aber  im  Serbischen  gar  kein  findbarer 
Gmnd  Yor,  waram  man  nicht  sogut  wie  z.  B.  odmladosH  auch  hätte 
betonen  können  *n&  poruku,  falls  das  pd-  Yon  piSruku  fallend  betont 
war;  die  Betonung  nä  poruku  (d.i.  ^napSruku)  zeigt  eben,  dass p3- 
nicht  fallend  betont  war.  Ich  meine,  die  Schwierigkeit  löst  sich, 
wenn  man  annimmt,  dass  diese  Art  der  Composita  den  alten  Hoch- 
ton, der  zum  rassischen  Verfahren  stimmt,  beibehalten  haben,  und 
dass  das  Serbische  alleii^  ihn  Ycrsetzt  habe. 

26» 


388  A.  Leskien, 

Es  bleibt  dann  noch  das  Problem  zu  besprechen,  weshalb  im 
Slovenischen  durchweg,  im  Serbischen  in  den  meisten  Fällen  der 
einst  steigende  Ton  des  zweiten  Gliedes  in  den  fallenden  übergeführt 
ist.  Ich  mnss  gestehen,  dass  ich  darauf  eine  befriedigende  Antwort 
nicht  gefunden  habe,  will  aber  wenigstens  auf  die  in  Betracht 
kommenden  Verhältnisse  aufmerksam  machen.  Aeusserlich  veran- 
schaulicht,  wäre  der  Gang  der  gewesen:  ursprünglich  hiess  es 
*zägo¥da  { ^  als  Zeichen  des  steigenden  Tons  genommen ;  r.  saro- 
pö^a),  serbisch  daraus  "^zägrhda  (die  Ettrze  der  zweiten  Silbe  wegen 
des  steigenden  Tons) ;  dies  wurde  mit  Wandlung  des  steigenden  in 
den  fallenden  Ton  *zägrMa  [^  als  Zeichen  der  fallenden  Ettrze  zu 
verstehen ;  als  wenn  russisch  ein  *zag6roda  entstanden  wäre) ;  die 
fallend  betonte  Silbe  wirft  ihren  Hochton  zurück  und  zwar  so  weit 
wie  möglich,  daher  zUgrctda  pr'iporuka.  Der  charakteristische 
Unterschied  von  dem  Verfahren  bei  den  t-Stämmen  ist  aber  der, 
dass  bei  diesen  die  Präposition  fallend  betont  erscheint,  daher  nä 
pameti,  lliz  pomodi,  dagegen  bei  jenen  steigend,  daher  bd  zoffrade, 
d.  h.  *od  z&grade.  Es  mag  dieser  Unterschied  damit  zusammen- 
hängen, dass  bei  den  i-Stämmen  die  fallende  Betonung  des  nomi- 
nalen Elements  uralt,  dagegen  bei  den  componirten  Feminina  auf 
-a  im  Serbischen  und  Slovenischen  eine  Neuerung  ist.  Das  Problem 
verwickelt  sich  nun  weiter,  wenn  man  einem  solchen  Femininum 
ein  aus  den  gleichen  Bestandtheilen  componirtes  Masculinum  gegen- 
überstellt, hier  also  zagrad  =  *zägräd  (r.  3arop6A)  gen.  zdgrtida  = 
*zägräda  (r.  saropoAa).  Die  Betonungsverhältnisse  sind  hier  ganz 
dieselben  wie  bei  der  vorausgesetzten  älteren  Form  des  Femininums 
*zäffrädaj  in  beiden  Fällen  steigender  Ton  des  nominalen  Bestand- 
theils ,  beim  Masculinum  aber  wird  dieser  nicht  in  den  fallenden 
verwandelt,  der  Hochton  tritt  also  auch  nicht  auf  die  Präposition 
(vgl.  ebenso  (em.prdsada,  ms^e.prijesad).  Derselbe  Widerspruch, 
dass  das  Masculinum  den  steigenden  Ton  bewahrt,  das  Femininum 
fallenden  Ton  erhält,  ist  im  Slovenischen  vorhanden,  vgl.  msc.  zor 
gräd  gen.  zagräda^  fem.  zagräda.  Nun  kommt  weiter  dazu,  dass 
im  Serbischen  unter  den  c.  300  aufgeführten  Beispielen  (s.o.  S.  380) 
c.  80  die  gleiche  Betonungsweise  wie  die  Masculina  haben,  z.  B. 
hpaia  =  *opäiay  ndhlada  =  *näM&da^  also  genau  wie  gen.  msc.  zdr 
grada  =  *zagrMa\  dass  einzelne  Feminina  zwischen  beiden  Typen 
schwanken :  n&vala  und  ndvaloy  fiämama  xmd  nämama^  n&plata  und 


üntennch.  fib.  Betonungs-  a.  Qaftntitätsyerhftltnisse  in  den  slav.  Spr.  3g9 

ndplata^  sütuka  nnd  sutuka^  während  bei  Mascalinen  ein  solches 
Schwanken  nicht  stattfindet.  Nimmt  man  das  alles  zusammen,  so 
sieht  man,  dass  man  es  bei  den  in  Rede  stehenden  femininalen  Com- 
positis  des  Serbischen  mit  einer  nicht  zum  Abschlass  gekommenen 
Bewegung  zu  thun  hat. 

Anhang.  Die  sogenannten  Imperativcomposita.  Wie  man 
auch  diese  Gomposita  erklären  mag,  ob  aus  verbaler  Umdeutung  ur- 
sprünglich nominaler  erster  Glieder,  oder  aus  der  Zusammensetzung 
mit  wirklich  verbal  empfundenen  (Thätigkeit  ausdrückenden) 
ersten  Elementen,  sicher  ist,  dass  sie  im  Slavischen  überhaupt  und 
so  auch  im  Serbischen  empfunden  werden  als  einen  Imperativ  ent- 
haltend, abgesehen  natürlich  von  solchen  Eigennamen,  die  keine 
Anknüpfung  mehr  an  gebräuchliche  Verba  haben.  Die  meist  in 
scherzhaftem  oder  spottendem  Sinne  gebrauchten  Appellativa  sind 
nach  dem  heutigen  Stande  der  Sprache  als  eine  Art  Zusammen- 
rttckung  anzusehen,  wie  sie  auch  Miklosich,  Stammb.  S.  366,  be- 
handelt. Man  muss  aber  hervorheben,  dass  sie  im  Serbischen  nicht 
mehr  auf  dem  Standpunkte  einer  Zusammenrückung  stehen,  denn 
sie  nehmen  Theil  an  dem  Gesetz  der  Gomposita  aus  Nomen  und 
Nomen ,  dass  die  Wurzelsilbe  des  ersten  Gliedes  kurz  sein  muss, 
auch  wenn  der  selbständige  Imperativ  langen  Vocal  hat,  vgl.  käzi- 
püt  (imp.  kdii),  kdzizüb  {kSsi),  Ijubidrag  [Ijübi]^  t^tigüz  [vrti)^  krä- 
dikoza  [hrädi).  Durch  Accentverhältnisse  ist  diese  Kürze  nicht  be- 
dingt, ein  ^krädikozay  daraus  *krddikoza  hätte  an  sich  ebenso  gut 
bestehen  können  wie  *krädty  daraus  krddi. 

Die  Betonung  dieser  Gomposita  ist  im  Serbischen  durchgängig 
so,  dass  der  alte  Hochton  auf  dem  Ende  des  ersten  Gliedes,  also 
auf  dem  -4-  stand ,  daher  jetzt  ^  auf  der  ersten  Silbe.  Was  die 
Masculina  betrifiFt,  d.  h.  die  mit  masc.  zweitem  Gliede,  so  kommen 
bei  Vuk  nur  Beispiele  vor,  wo  dies,  bei  langem  Vocal,  von  Haus 
aus  fallenden  Ton  hatte :  Oämzigräd  (eig.  Kriech-,  Wimmelstadt, 
scherzhafter  Ortsname) :  gämziii^  gräd\  glädibfk  den  Schnurrbart 
Glättender  :  gJMiii^  hfk\  käiipüt  (eig.  Zeige-weg)  Zeigefinger: 
kdzatiypüt  (der  Gen.  u.  s.w.  mit  steigendem  Ton pütoj  das  ist  aber 
unursprüngli'ch,  das  Wort  ist  ursprünglich  »-Stamm) ;  kisizüb  :  kSsiH 
die  Zähne  zeigen,  züb]  Ijubidräg  Kapuzinerkresse  (auch  Eigen- 
name) :  Ijubüij  dräg  (fem.  dräga) ;  nädrigüz  eine  Art  Ballspiel  (eig. 
scinde-anum) :  nädrijeti  nMrem^  güz\  räzbigüz  Glatteis  (eig.frang&- 


390  A.  Leskieiii 

annm)  :  räzUti^  güz\  svrrbiffüz  Hagebutte  :  wrbjeti  jncken,  guz\ 
virtiffüz  ein  Vogelname  (eig.  yerte-anom)  :  vr^etiy  güz ;  pämtivijek 
[od  pämtimjeka  seit  Menschengedenken) :  pämtiti  gedenken,  vyeij 
ebenso  gebildet  vädivek  anstrengende,  am  Leben  zehrende  Arbeit : 
vädüi'y  pdcirep  (eig.  Backe-schwanz)  Beiname  eines  Mannes :  pidi, 
^^P  \  pj^^rüg  Singefreund  :  pfhati^  drüg ;  pläOdrüg  Mitweiner 
(Weine-freund) : p/^a^*,  drüg,,  Vücitrn  (eig. Zieh-dom)  Ortsname: 
vüöi^  iTn\  Zvhnigräd  (Msn»,m^  :  zvbniti  Wnen,  grad\  mdlibög  (eig. 
Bete-zu-gott)  scherzhafte  Bezeichnung  eines  Mönches  :  mblüi,  bog 
gen.  bdga;  vHikös  ein  Räthselwort :  wenn  zu  kos  Amsel,  mit  fallen- 
dem Ton.  Dahin  gehören  auch  die  mit  -mir  zusammengesetzten 
Personennamen :  Büdimlr^  Desimlry  Gäzimlry  Jezdiimr^  Käzimir^ 
Stämmtr^  Strätimlr^  VHimlr.  Ob  es  ein  Zufall  ist,  dass  Vuk  nur 
Beispiele  dieser  Art  hat,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Ettrze 
des  zweiten  Gliedes  haben  die  mit  -aa«  [slati)  zusammengesetzten 
Eigennamen :  Birüavy  DJürüav^  Büdiaav^  JSräjisaVj  MUüae^  Bä- 
düav,  BänisaVy  StänüaVy  Vlädisav]  släva  hatte  alten  steigenden 
Ton.  Das  vereinzelte  Däbiziv,  das  zwar  gleicher  Form  ist,  aber 
aussieht  wie  die  Zusammenrttckung  eines  Satzes  da  bi  Od  (ut  vivas), 
liesse  nach  iiv  f.  iiva  eher  *Däbillv  erwarten. 

Die  Feminina,  in  Wirklichkeit  meist  Masculina  femininaler 
Form,  haben  alle  Kürze  des  zweiten  Elements,  das  scheinbar  ab- 
weichende küpivojska  (eig.  Sammle-heer)  Werber,  zu  k&piti  und 
vq/ska  verdankt  seine  Länge  der  Stellung  des  Vocals  yotj  +  Cotl- 
sonant.  Sonst  büljioka  Glotzender  :  bülßtij  dko ;  ctsiikuda  die  das 
Haus  reinigt:  cistüij  küöa]  räspikuöa  Verschwender :  rämti  r^pem 
zerstreuen,  ^öda ;  ^^(;t%tf<fa  Haushalter :  ^^dt  erwerben,  Möa]  diri- 
guia  Halskratzer  :  d^atiy  güia]  näpnigtiia  Eehlaufblaser  (vom 
Frosch) :  näpeti  nUpnem,  {^a\  grdbikapa  eine  Art  Spiel :  gr&biti 
raJDfen,  K&pa  Mütze;  hläpimuha  (eig.  Fliegenschnapper)  Elatsoh- 
maul  :  hl&püi^  müha ;  krädikoza  Ziegendieb  :  kr(^t%  krädemy  khza ; 
Ihmigora  (eig.  Brich-berg,  Brich-wald]  ein  Ziegenname  :  Jhmiti^ 
girq\  iärigora  der  den  Berg,  den  Wald  zerreibt :  trti  iäremj  imp. 
t&rij  gbra ;  mämiaapra  Geldlocker :  mdmitij  &spra ;  müztkrava  Knhr 
melker :  mö«^ft  müzetnj  kr&va]  nädrihyiga  (eig.Buchanreisser)  Halb- 
gelehrter :  nädrijeti  nädrem,  knfiga ;  pirivatra  (Scherzwort)  Blase- 
feuer :  piriti,  v&ira]  pUtikosa  (eig.  Flicht- haar)  Beiname  eines 
Mannes ;  pHibaba  (eig.  Röste- weih)  Schimpfname  auf  Haiduken  : 


ünterBUoh.  ttb.  Betonung»-  n.  QuantitiitsyerhSltniBse  in  den  slav.  Spr.   391 

prziti^  bäba\  smirdibahay  smfdibuba  Thiername  :  smrdjeti  stinken, 
hUha^  Mtba  Ungeziefer ;  vUibaba  Schneeglöckchen  :  visiti  hängen, 
bMa;  smVdivrana  Vogelname  :  smrdjetij  vräna  Krähe;  tHüaza 
Lttgenmaol :  iHaii  laufen,  *laza  Lüge  (ygl.  loa  Bit  dass.).  Man 
sieht,  dass  alle  diese  Worte  mit  Feminina  zusammengesetzt  sind,  die 
als  Simplicia  kurzen  Vocal  haben,  also,  wo  dieser  ursprunglich 
lang  war,  alte  steigende  Betonung  hatten.  Dazu  kommen  noch 
femininale  Eigennamen  mit  ^sava  {-slava)  :  Kräüava^  MUisava, 
StänisavOj  Stöjisava^  und  Käzimira, 

Endlich  gibt  es  noch  einige  wenige,  die  mit  ^eutris  zusam- 
mengesetzt sind  und  die  neutrale  Form  behalten:  gäziblato  (eig. 
Wate-koth) ,  scherzhafte  Bezeichnung  eines  Wichtigthuers  :  gUziti^ 
bläto;  st^zislovo  der  das  Wort  (d.  i.  die  Studien)  aufgibt  :  8vr6ij 
sPavo;  värimeso  :  t?ar»Vi  kochen,  meso  Fleisch. 

Leider  ist  hier  mit  der  Vergleichung  der  andern  Sprachen 
wenig  anzufangen.  Das  Slovenische  bietet,  wie  es  scheint,  sehr 
wenig  Beispiele,  einige  mehr,  aber  auch  nicht  viele,  das  Russische. 
Hier  begegnet  man  Fällen  mit  derselben  Betonung  wie  im  Serbi- 
schen: copBi-ro.ioBa,  oTopsi-roJcna  Galgenstrick,  6osirojiowh  eine 
Art  Schierling,  ÖojmrojcoBa  dass.  (so  bei  Dahl,  das  ältere  Ak.Wb. 
hat  tfojcHTOjiÖFB,  das  neuere  schwankend  ÖojiHrojoB'B,  vgl.  BepTH- 
rojÖBKa,  KpyrrarojÖBKa,  BepTHmÖHKa  Wendehals),  Bjmhmhp'b.  Da- 
gegen ganz  schwankend :  acpxhjiöaba  (eine  Art  Fisch)  Dahl,  ^ep- 
xHjiaAi>i  Ak.Wb.,  Acpsua^bH  Pawl.Wb.;  AepsHA^peno  (paliurus 
aculeatus)  Dahl,  Ak.Wb.,  AepxHAepeBO  Pawl. ;  nepcKaTH-nöje  (Sichel- 
dolde) Pawl.,  nepeKaTHoöJte  Ak.Wb.,  bei  Dahl  ohne  Accent,  aber 
KaTHUoxe;  cBepÖnrys'L  (Beinwell)  Dahl,  Ak.Wb.,  cBepÖmysi  Pawl. 
Es  mag  noch  mehr  dergleichen  Beispiele  geben ;  bei  der  Unsicher«- 
heit  der  Betonung  habe  ich  nicht  systematisch  darnach  gesucht. 
Man  gewinnt  den  Eindruck,  dass  einst  auch  im  Bussischen  die  im 
Serbischen  durchgehende  Betonungsweise  geherrscht  haben  könne. 
Ich  möchte  glauben,  dass  diese  Art  der  Gomposita  ziemlich  späten 
Ursprungs  ist;  jedenfalls  wäre  es  vergeblich,  aus  den  doch  im 
ganzen  wenig  zahlreichen  Fällen  mit  ihrem  Charakter  von  Scherz- 
worten eine  Theorie  bauen  zu  wollen. 


1 


392  |A.  Leskien, 


IT.   Die  Betonung  der  Terbindungen  yon  PrSposition 

nnd  Casns. 

In  den  yorangehenden  Abschnitten  habe  ich  mehrmals  die  Be- 
tonungsweise  dieser  Verbindungen  zur  Erläuterung  und  Bestätigung 
vorläufig  heranziehen  müssen,  es  wird  aber  nützlich  sein,  sie  im 
Zusammenhange  und  zugleich  in  Parallele  mit  der  Betonung  der 
nominalen  Präpositionscomposita  zu  betrachten.  Die  thatsächlichen 
Verhältnisse  sind  dargestellt  bei  Dani6i6,  Glasnik  VIU,  59,  XI,  20 
u.  30,  Slay.  Bibl.  I,  97,  bei  Budmani,  Gramm.  §  267,  bei  Paviö  am 
Ende  seiner  Accentarbeit  im  Bad  Bd.  59.  Ich  betone,  dass  es  mir 
im  Folgenden  nicht  auf  jede  Einzelheit,  sondern  auf  die  durch- 
gehenden Principien  ankommt,  also  nicht  Vorschriften  für  jeden 
denkbaren  Fall  gegeben  werden. 

ImSerbischen  gelten  für  die  Betonung  Präposition  und  Ca- 
sus als  eine  Einheit,  beide  zusammen  haben  nur  eine  Hochtonsilbe. 
Die  Präposition  kann  nie  den  Hochton  tragen ,  wenn  der  folgende 
Casus  einen  der  Accente  ^  oder  ^  hat,  also  selbst  ursprünglich  nicht 
auf  der  ersten  Silbe  betont  war,  anders  ausgedrückt:  die  allgemeine 
serbische  Zurückziehung  des  alten  Hochtons  erreicht  in  diesem 
Falle  die  Präposition  nicht.  Die  Präposition  kann  den  Hochton  nur 
erhalten,  wenn  der  darauf  folgende  Casus  ursprünglich  auf  der 
ersten  Silbe,  also  mit  "^  oder  ^  betont  ist.  Aber  auch  in  diesem 
Falle  herrscht  keine  Gleichheit.  Serbischen  Grammatikern  ist  die 
Eigenthümlichkeit  verschiedenartiger  Betonung  scheinbar  gleich- 
artiger Verbindungen  immer  aufgefallen.  Warum  heisst  es  bd  brata, 
dagegen  dd  boga^  während  doch  die  Genitive  br^ta  und  Vdga  gleich 
betont  scheinen.  Im  ersten  Fall  geht  die  Zurückziehung  nach  der 
allgemeinen  Begel  vor  sich,  bd  braia  =  od  bräta^  wie  etwa  mlädica 
=  tnladica^  im  andern  Falle  nicht,  sondern  die  Präposition  trägt 
alten  Hochton,  das  Nomen  ist  tonlos.  Die  richtige  Erklärung  gibt 
Valjavec,  Bad  132,  S.  191 :  der  Hochton  geht  nur  dann  auf  die  Prä- 
position über,  wenn  die  erste  Silbe  des  folgenden  Casus  fallend  be- 
tont war.  Bekanntermassen  decken  sich  auch  Fälle  im  Bussischen, 
wie  3&  Hope  u.  s,  w.  mit  serbischen  Betonungen  wie  od  boga,  ich 
lasse  sie  aber  hier  aus  dem  Spiel,  weil  sich  die  Grundregel  im 
Bussischen  nicht  mehr  erkennen  lässt. 


Untennch.  üb.  Betonongs-  a.  Quantitätsverhttltnisse  in  den  Blav.  Spr.    393 

I.  Am  einfachsten  liegt  die  Sache  bei  den  femininalen  i- 
Stämmen.  1)  Ursprünglich  zweisilbige  Worte,  die  durchgehende 
Betonung  "  haben,  oder  die  im  Nom.  sg. ""  zeigen,  sonst  "^^  versetzen 
den  Hochton  (^)  auf  die  Präposition,  z.  B.  zu  rijecj  nä  misao,  od 
kosti  [kost  kdsti)y  pM  noö  ^) .  So  verfahren  alle  zweisilbigen  »-Stämme, 
mit  Ausnahme  der  wenigen  vereinzelten  Fälle,  die  andre  Betonung 
zeigen :  zlkt^  mjMy  stri  (r&tj  nüQ,  und  das  Compositum  smrt.  Das 
stimmt  nun  völlig  überein  mit  dem  Verfahren  der  Präpositional- 
composita,  z.  B.  ablast,  prdpäst^  äzräst  u.  s.  w.  (s.  o.  S.  338). 

2)  Für  die  mehrsilbigen  Stämme  lautet  die  äussere  Regel  so : 
sie  werfen  den  Hochton  auf  die  Präposition,  wenn  die  erste  Silbe 
den  Accent  "^  hat,  die  zweite  entweder  stehend  lang ,  oder  falls  an 
sich  kurz  in  Nom.  sg.  gedehnt  ist,  daher  z.B.  zMen  :  nä  zelen,  pä- 
mei  :  hiz  pameit^  ml&döst :  od  mladostij  nä  mladdst. 

Die  i-Stämme  werden  also  überall  gleich  behandelt :  mit  Nomen 
zusammengesetzt  rüko-driy  mit  Präposition  obläst,  mit  Präposition 
casuell  verbunden  nä  mladdsi.  Es  wurde  oben  (S.  342}  nachgewiesen, 
dass  die  ursprünglich  zweisilbigen  »-Stämme  so  gut  wie  alle  fallen- 
den Ton  der  Wurzelsilbe  haben ;  in  Fällen  dagegen  wie  mlädosty 
pämet  kann  man  im  Serbischen  nicht  unmittelbar  erkennen,  ob  der 
Hochton  der  Präposition  als  ursprünglich  steigend  oder  fallend  an- 
zusehen sei,  nimmt  man  aber  das  russ.  möjoaoctb,  n6pecunL  (s.  o. 
S.  340),  so  zeigt  sich  die  ursprünglich  fallende  Qualität  sofort,  und 
daraus  ergibt  sich  weiter,  dass  auch  in  pdvijestj  dazu  pripovijest^  od 
povijesii  dasselbe  stattfindet.  Man  wird  also  im  Becht  sein,  wenn 
man  ftlr  die  Gleichmässigkeit  der  Betonung  der  Zusammensetzungen 
und  Verbindungen  als  Ursache  die  gleichmässige  fallende  Betonung 
der  ersten  Silbe  der  «-Stämme  ansetzt  2). 

n.  Die  Masculina.  Die  Angaben  der  Grammatiker  sind 
hier  nicht  einheitlich  und  auch  nicht  voll  ausreichend ;  selbst  habe 
ich  beim  Anhören  serbisch  Redender  allerlei  Schwankungen  und 


^)  Abzurechnen  sind  immer  die  CasuBformen,  die  an  sich  Endbetonung 
hatten,  z.  B.  gen.  pl.  hrvi,  p^di;  bei  ihnen  kommt  die  ganze  Frage  der  Tonver- 
Bchiebung  überhaupt  nicht  in  Betracht 

^  Die  Bestimmung  der  Accentuation  ist  nach  Budmani  §  267.4  gemacht ; 
Danicid,  Glasn.  XI,  S.  31,  ist  unsicher:  er  betont  zäpripovest  gegenüber  Bud- 
mani's  u  zapavifed,  und  meint,  es  hiesse  auch  üpropästt  wo  nach  Budmani 
u  propäsi  zu  sprechen  ist. 


394  A.  Leskien, 

Unsicherheiten  bemerkt,  allein  die  Anfstellongen  von  Daniciö  und 
Badmani  sind  grösstentiieils  in  sich  oonseqnent  nnd  stimmen  zn 
dem  bisher  Ausgeführten,  so  dass  man  ruhig  darauf  bauen  kann. 

1)  Wenn  zweisilbige  Stämme  bei  langem  Wuraelyocal  durch- 
weg  ",  bei  kurzem  "^  mit  Dehnung  im  Nom.  sg.  haben,  so  geht  der 
Hochton  (als  *)  auf  die  Präposition  ttber,  z.  B.  gräd :  od  grada^  bog 
boga  :  z&  boga.  Mit  andern  Worten :  die  Zurtlckziehung  des  Hoch- 
tons erfolgt,  wenn  die  erste  Silbe  des  Casus  fallend  betont  war,  bei 
zwei  Präpositionen  auf  die  erste,  z.  B.  ^ispod  hda. 

2)  Bei  mehrsilbigen  Stämmen  mit  ^  auf  der  ersten,  mit "  auf 
der  nächsten  Silbe,  sei  dies  '  stehend  oder  nur  im  Nom.  sg.  yor- 
banden,  fällt  der  Hochton  ebenfalls  auf  die  Präposition,  z.  B.  mfi- 
sec  mfheca  :  n&  mßsecy  Kämen  K&mena :  ^d  kaimena.  Nun  fallen  in 
diese  Kategorie  alle  Präpositionalcomposita  mit  ^  auf  der  ersten,  ~ 
auf  der  zweiten  Silbe,  z.  B.  obtak  MWca  :pod  obläke^).  Oben 
(S.  369)  wurde  die  Betonungsweise  von  dbläk  u.  s.  w.  daraus  er- 
klärt, dass  der  nominale  Bestandtheil  dieser  Composition^n  fallend 
betont  war.  In  dem  fertigen  obläk  u.  s.  w.  kann  man  (vgl.  die  Be- 
merkung bei  den  t-Stämmen)  im  Serbischen  nicht  erkennen,  ob  die 
Betonung  der  Präposition  als  fallend  oder  steigend  anzusetzen  sei. 
Es  gibt  aber  wieder  das  Bussische  durch  die  Beispiele  wie  n6pe- 
nycicL  die  Bestätigung,  dass  die  Präposition  fallenden  Ton  trug. 
Wir  gewinnen  so  eine  ToUständige  Parallele  mit  den  i-Stämmen :  M 
ri/eci  —  od  gräda ;  M  kosti  —  ^dd  boga;  dd  zeleni  —  ^d  kamena ; 
dd  propästi  —  M  obläka;  vgl.  noch  prtpovijest  —  zäpostät.  Die 
Grammatiker  geben  keine  deutliche  Vorschrift,  wie  es  bei  der  Ver- 
bindung von  masc.  Worten  der  Gestalt  z&postät,  rükosäd,  d.  h.  wo 
Accent ""  und  Quantität  ~  nicht  unmittelbar  auf  einander  folgen,  mit 
Präpositionen  gehalten  wird;  nach  der  Analogie  der  ^Stämme, 
ü  zapotnjedy  erwartet  man:  M  zapostäta,  dd  rukosäda.  Lassen  wir 
diesen  Fall  bei  Seite,  so  zeigen  doch  die  oben  gegebenen  Parallelen 
deutlich  genug,  dass  es  sich  um  dieselbe  Regel  wie  bei  den  t-S^m- 
men  handelt. 


1)  Um  keine  möglichen  MissYerständniBse  zu  lassen,  bemerke  ich,  dass 
nicht  an  sich  die  Ton-  nnd  Qnantitfttsfolge  "»  ~  bei  den  mehrailbigen  Maacn- 
linen  die  Versetzung  bedingt,  vgl.  z.  B.  j^ziky  gen.  pl.  jizlkä,  trotzdem  nicht 
*^Jez%kä,  sondern  bdjeiXkä  d.  h.  odjh^kä. 


ünterBnoh.  üb.  Betonungs-  n.  QnantitStSYerhältiiisBe  in  den  slay.  Spr.  395 

in.  Die  zweisilbigen  Neutra  auf  o  {e). 

1)  Hat  die  erste  Silbe  ^j  so  wird  nothwendig  der  Hochton  auf 
die  Präposition  verlegt,  z.B.  zlato :  dd  zläta^  üjelo  :p8  tij'elu^  meso  : 
ü  meso.  Es  war  eben  der  Ton  dieser  Silbe  fallend;  üjelo  zeigt  das 
im  Serbisehen  unmittelbar,  zu  zläto  vgl.  russ.  söjotg,  zu  meso  slov. 
meso  =  meso.  Die  von  den  Grammatikern  hinzugefugte  Bemerkung 
(vgl.  Budmani  §  267.  2),  dass  die  Versetzung  unterbleibe,  wenn  die 
Länge  vor  mehreren  Consonanten  stehe,  z.  B.  sünce  :  iz  sünca  = 
iz  suncoj  cärstvo  :  ü  cärstvo  =  u  eärstvo,  hat  ihren  guten  Grund ; 
diese  Längen  sind  sekundär,  bewirkt  durch  die  Stellung  des  Yoeals 
vor  Nasal  oder  Liquida  +  Cons.  und  haben  mit  der  alten  fallenden 
Länge  nichts  zu  schaffen. 

2)  Hat  die  erste  Silbe  "^y  so  sind  die  Erscheinungen  für  die  ur- 
sprünglichen Accentverhältnisse  sehr  interessant.  Daniele  (Glasnik 
XI.  22)  führt  a)  als  ihm  bekannte  Fälle  der  Zurückziehung  des  Hoch- 
tons (als  "")  auf  die  Präposition  an :  kälo  :  ü  kolo^  more  :  ^  more, 
dio  :  ^iz  oka,  pdlje  :  ü  polje,  srce  :  z&  srce,  grlo  :  zä  grlo^  zrno  :  n& 
zrnoy  Ipito  :  n&  ljeto<^  sPovo :  dd  slova^jütro :  tzjutraj  llrdo  :  ä^  brdo, 
drvo :  n&  drvo ;  b)  dagegen  findet  nach  ihm  (S.  20)  die  Zurückziehung 
nicht  statt  bei  hl&to  :  t^  blato  (d.  i.  u  bläto,  und  so  in  allen  folgen- 
den Fällen),  jUto  :  iz  jata^  püto  :  t^  puto,  sälo  :  zä  salo^  sito  :  phd 
sitomj  djMo  :  nä  djelu,  mj'dsto  :  na  mjesto^filo  :  zäjelo^  stMo  :pbd 
stadom,  iMo  :  bd  cuda ;  und  bei  den  Pluralen  Kola  :  pbd  kola^  nji- 
dra :  ü  njedra^sila  (zu  s^h  =  *«ö/8)  :  pb  selima^  ribra  (zu  ribro  = 
*rebrd)  :  ü  rebra^  bMra  (zu  bkdro  =  ^bedrd) :  b  bedrima.  Die  An- 
gaben Budmani's  sind  aus  §  267. 2  und  §  90. 3  zu  combiniren  und 
ergeben  dann  ftlr  die  Zurückziehung  noch  die  Beispiele :  jMro  : 
n&jedrOj  nSbo  :  nä  neboy  ztto  :  tz  ittoy  zv&no  :  dd  zvona^  m&sh  :  dd 
masla  (dies  letzte  Beispiel  der  Ansetzung  von  Dani6ic  wider- 
sprechend). Sondert  man,  um  die  Quantitätsverhältnisse  mit  den 
Betonungen  verbinden  zu  können,  die  Beispiele  der  ersten  Art 
in  solche  mit  ursprünglich  langer  und  solche  mit  ursprünglich 
kurzer  Wurzelsilbe,  so  ergeben  sich:  1)  mit  ursprünglich  langer 
Wurzelsilbe :  srce^  grlo^  zr^noy  IjMo^  jütro,  irdoj  drvo,  fhdro^  zito, 
mäslo;  2)  mit  ursprünglicher  Kürze :  kälo^  m&re^  S^o,  polje,  slovo, 
nSboy  /svdno.  Diese  haben  alle  {zvSno  ist  slov.  nicht  gebräuchlich) 
im  Slovenischen  fallenden  Ton  auf  der  ersten  Silbe,  daher  ikoR, 
morjey  okoy  po^e  (vgl.  napolfejy  slovo^  neboj  also  stimmt  die  Zurück- 


396  A.  Leskien, 

Ziehung  des  Hochtons  (als "")  auf  die  Präposition  im  Serbischen  genau 
zu  dem  bei  den  t-Stämmen  und  den  Masculinen  beobachteten 
Princip. 

Betrachten  wir  nnn  zunächst  einmal  die  Beispiele,  bei  denen 
nach  Daniciö  die  Zurückziehung  nicht  stattfindet,  so  sind  alle  so 
beschaffen,  dass  die  erste  Silbe  einst  steigend  betont  war.  Das  er- 
gibt sich  im  Serbischen  selbst  aus  der  Verkürzung  einst  langer 
Silben,  ausserdem  aus  dem  Slovenischen :  bläto  sl.  bldto  (vgl.  russ. 
6oj[6to),  jäto  sl.  jato,  püto  sl.  pöto,  s&lo  sl.  sdlo^  sito  sl.  sito^  djMo 
sl.  delo^  mjesto  sl.  mSstOjjl^lo  A.jelo^  ctido  sl.  cüdo,  m&slo  sl.  mdslo. 
Aus  dem  bisher  Gesagten  darf  man  also  schliessen,  dass  auch  bei 
dieser  Wortklasse  die  Zurückziehung  und  Nichtzurückziehung  des 
Hochtons  auf  die  Präposition  von  der  Tonqualität  des  Nomen  abhing. 
Aber  die  Regel  ist  bei  den  oben  unter  2  a)  angeführten  Worten  nicht 
rein  erhalten ;  zwar  stimmt  srce :  zä  srce  zu  der  erwarteten  Betonung, 
denn  slovenisch  hat  das  Wort  fallenden  Ton,  «rcS,  dagegen  ist  die 
Zurückziehung  bei  grlo  sl.  grlo^  zfno  sl.  zrno^  Ißto  sl.  fe7o,  jMro 
f\,jütro^  brdo  sl.  Jrrfo,  drvo  sl.  dhoo^f^dro  sL  Jidro^  zito  sl.  zito, 
wo  also  überall  der  Ton  steigend  war,  gegen  die  Erwartung.  Es 
wird  so  sein,  dass  die  Gewohnheit,  bei  einer  Anzahl  Neutra  (mit 
ursprünglich  fallendem  Ton)  den  'Hochton  auf  die  Präposition  zu 
werfen,  dieselbe  Hochtonstelle  auch  bei  denen  hervorgerufen  hat, 
die  alten  steigenden  Ton  hatten  (vgl.  das  oben  angegebene  Schwan- 
ken bei  tnäslo) .  Wenn  Pavic  a.  a.  0.  S.  102  kurzer  Hand  die  Regel 
gibt,  dass  vor  jedem  auf  erster  Silbe  mit ""  betontem  o-Neutrum  der 
Hochton  auf  die  Präposition  übergehe ,  und  diese  Regel  wirklich, 
wenn  auch  nur  local,  durchgeht,  so  wäre  damit  das  Ueberwuchem 
des  einen  Typus  vollständig  geworden. 

Es  würde  sich  noch  die  Frage  erheben,  wie  das  Verhalten  vor 
den  mit ""  betonten  Pluralen  ist.  Nach  Daniele  heisst  es  pb  seUma 
u.  s.  w.,  findet  also  keine  Zurückziehung  auf  die  Präposition  statt. 
Aber  die  Angaben  der  Grammatiker  reichen  hier  zu  genaueren 
Untersuchungen  nicht  aus;  ich  habe  sogar  aus  dem  Munde  von 
Serben  aufgezeichnet  na  s&la^  eine  (falls  ich  mich  nicht  verhört  habe) 
ganz  anomale  Betonung,  so  dass  ich  diesen  Punkt  hier  fallen 
lassen  muss. 

IV.  Die  Feminina  auf  a.  Die  Regel  lautet  hier:  1]  wenn 
bei  langer  Silbe  im  Wechsel  der  Flexion  der  Accent  ^  in  "  übergeht. 


Untersuch,  üb.  Betonangs-  u.  Quantitätsyerhältnisae  in  den  sUv.  Spr.   397 

mnss  der  Hochton  {^)  auf  die  Präposition  fallen,  z.  B.  gldva :  n& 
glätu^  weil  ace.  glavu^  kä  glävi^  weil  dat.^2aft ;  ruka^  aber  n&  rüke, 
weil  ace.  pl.  riike;  stijhia^  aber  k&  stijeni^  weil  dat.  süj'enu  Die 
Veranlassang  ist  hier  augenfällig,  glävu,  glavi^  ruke,  aüjeni  haben 
eben  fallenden  Ton.  2)  Wenn  bei  kurzer  Silbe  im  Wechsel  der 
Flexion  der  Accent  ^  in  "^  (also  damit  nothwendig  auf  die  erste  Silbe 
übergeht),  so  tritt  ebenfalls  der  Hochton  auf  die  Präposition,  z.  B. 
vhda^  aber  n&  vodu,  nä  vode,  weil  die  Accusative  vddu,  v&de  lauten ; 
planinüy  aber  nä  planinu,  weil  ace.  pläninu.  Der  Grund  muss  der- 
selbe sein,  d.  h.  fallender  Tod,  hier  fallende  Kürze  der  ersten  Silbe. 
Die  Bestätigung  wird  durch  das  Slovenische  gegeben ;  dort  heisst 
es  nom.  vöda  =  vodä,  dagegen  ace.  vodo^  durch  Umspringen  aus 
vodoy  mit  fallendem  Ton,  daher  auch  na  vodo. 

Wenn  nun  bei  der  grossen  Zahl  der  mit  Präposition  componir- 
ten  Feminina,  wie  näslada^  die  betrefiPenden  Casus  ganz  die  gleichen 
Betonungsverhältnisse  zu  enthalten  scheinen,  ace.  n&sladu  wie  plär- 
ninu,  doch  aber  bei  jenen  die  Verschiebung  des  Hochtons  auf  die 
Präposition  unterbleibt  {bd  naslade  =  od  n&slade)^  so  bleibt  kaum 
ein  andrer  Schluss  übrig,  als  dass  die  erste  Silbe  von  näalada  nicht 
fallenden,  sondern  steigenden  Ton  hatte.  In  der  heutigen  Sprache 
sind  nUsladu  und  pläninu  ganz  gleich  betont. 

Merkwürdig  ist  nun  das  Verhalten  des  Sloyenischen  in  all 
solchen  Fällen.  Es  hat  nirgends  den  Hochton  der  Verbindungen 
von  Präposition  und  Casus  auf  der  Präposition,  ebenso  wenig  bei 
Verbindung  oder  Zusammensetzung  mit  zwei  Präpositionen  auf  der 
ersten  Präposition,  sondern  die  Wirkung  derartiger  Verbindungen 
ist  sozusagen  eine  negative :  während  bei  einem  selbständig  stehen- 
den Worte  dessen  ursprünglich  auf  der  ersten  Silbe  liegender 
fallender  Hochton  auf  die  nächste  übergeht,  daher  nebo^  gen.  bogä, 
ace.  vodoj  povesty  unterbleibt  das  bei  casueller  Verbindung  mit  Prä- 
position und  ebenso  bei  Zusammensetzung  mit  zwei  Präpositionen ; 
der  Hochton  hat  dann  seine  alte  Stelle,  also  pred  grad^  na  most,  iz 
gräda,  gen.  bogä  aber  od  boga^  nebd  aber  na  neboy  ace.  vodo  aber 
na  vodoj  ace.  glavo  aber  na  glävo^  a.  pl.  roke  aber  na  roke^  oblak 
aber  pod  oblaky  ebenso  zapoved  pripovest.  Valjayec  deutet  das  alles 
auf  Grund  der  serbischen  Betonungen :  nä  gräd,  nä  mdst,  dd  boga, 
nä  neboy  nä  vodu^  nä  gläüUy  nä  rüke,  pod  obläk,  pripovijest,  u.  s.  w. 
Aber  die  Sache  ist  doch  nicht  so  einfach.    Dass  diese  Erklärung 


398  A.  LoBkien,  Unteraachungen  etc. 

bei  den  slov.  Femininen  wie  zagräda  gegenüber  serb.  z&grada^  wo 
sie  YaljaYec  anch  anwendet,  versagt,  wenigstens  nicht  zur  Evidenz 
gebracht  werden  kann,  wurde  oben  (S.  386)  auseinandergesetzt. 
Femer  ist  der  unmittelbare  Vergleich  dieser  Gomposita  mit  den 
Fällen  wie  gen.  sg.  Vdga,  slov.  hoga^  kösti,  slov.  kostiy  wie  ihn 
Yaljavec  Rad  132,  S.  193  anstellt,  deswegen  nicht  stringent,  weil 
bei  bdga,  kdstiy  Mläk  eben  der  fallende  Ton  auf  der  ersten  Silbe 
liegt.  Darauf  kommt  es  an  und  darauf  beruht  die  Möglichkeit  der 
Verschiebung  im  slovenischen  boga  kosü  ohlak.  Stellen  wir  uns 
aber  die  älteste  denkbare  Betonung  der  als  ein  Wort  empfundenen 
Verbindungen  von  Präposition  und  Casus  vor,  also  od  V^ga^  na 
glävq,  pod  obläk,  SO  war  eben  die  betonte  Silbe  nicht  die  erste,  und 
es  lässt  sich  nicht  erweisen,  dass  das  Slovenische  die  alte  Betonung 
in  seinem  od  boga^  na  glävo,  pod  oblak  nicht  festgehalten  habe. 

Ich  unterlasse  es  zunächst,  diesen  Gegenstand  wie  andre  nahe 
liegende  Probleme  weiter  zu  verfolgen.  Nur  im  Allgemeinen  sei 
bemerkt,  dass  sicher  oder  wahrscheinlich  noch  manche  Eigenthttm- 
lichkeiten  der  serbischen  Betonung  mit  dem  Versetzen  des  ursprüng- 
lichen fallenden  Hochtons  innerer  Wortsilben  auf  vorhergehende 
Silben  zusammenhangen,  u.  a.  beruht  z.  B.  die  Betonung  des  Gen. 
pl.  b^isjedä  von  besjeda  und  ähnlichen  Worten  darauf,  dass  der  alte 
Genitiv  besjed  die  zweite  Silbe  fallend  betont  hatte ,  ebenso  auf- 
fallende Betonungen  von  Verbalformen.  Auf  diese  Dinge  komme 
ich  vielleicht  später  einmal  zurück. 

Auf  die  Ansichten  von  ^achmatov  (K'b  noTopin  y^apeniH  vh 
cjiaBHHCKnx'B  H3UKax^,  vgl.  BeSetar,  Arch.  XX,  S.  397) ,  die  sich  mit 
meinen  Auseinandersetzungen  z.  Th.  berühren,  bin  ich  nicht  ein- 
gegangen, weil  es  mir  nothwendig  scheint,  das  sprachliche  Material 
noch  weiter  aufzuarbeiten,  ehe  man  zu  abschliessenden  principiellen 
Darstellungen  gelangen  kann. 

A,  Leskien, 


399 


O 


Beiträge  zur  ragnsanischen  LiteratnrgescMehte, 


Die  Abhandlung  Aber  äiSko  HenSetiö  und  seine  Zeit,  die  im  Archiv 
Bd.  XIX  erschienen  ist,  fand  allseits  eine  solche  Aufnahme,  dass  ich 
einer  Fortführung  der  dort  in  Angriff  genommenen  mehr  literarge- 
sohichtlichen,  als  historischen  Aufgaben  mich  schwer  entziehen  konnte. 
Ich  habe  in  den  Sommerferien  1897  das  Studium  der  Archivbflcher  von 
Ragusa  1500  f.  in  dieser  Richtung  fortgesetzt  und  im  September  1898 
noch  eine  kleine  Nachlese  unternommen.  Im  Folgenden  werden  theils 
Nachträge  oder  Berichtigungen  zur  letzten  Abhandlung,  theils  eine  Art 
Fortsetzung  zu  derselben  bis  zur  Mitte  des  XVI.  Jahrh.  geboten. 

Die  Lectflre  der  Senatsprotokolle  setzte  ich  Aber  das  J.  1500  fort 
und  habe  die  »Libri  Consilii  Rogatorum«  1501 — 1526  (11  Bände]  ge- 
lesen. Von  den  dazu  gehörigen  »Secreta  Rogatorumc  hat  Herr  Professor 
Jos.  Oelcich  bei  der  Ordnung  des  Hauptarchivs  den  Band  1497 — 1537 
entdeckt,  der  leider  in  den  J.  1503 — 1521  eine  grosse  Lflcke  enthält. 
Aus  den  iProcessus  secreti  Minoris  Consiliia  1547 — 15Q§  bringe  ich 
merkwürdige  Daten  zur  Biographie  des  Marin  DrJiic.  Die  Testamente 
1498 — 1562  (14  Bände]  habe  ich  nunmehr  vollständig  durchgearbeitet. 
Ebenso  vermochte  ich  bisher  eine  ziemliche  Reihe  der  voluminösen 
Bände  der  Diversa  Notarie  und  Diversa  Cancellarie  dieser  Zeit  durch- 
zusehen^). Viele  wichtige  Daten  bieten  drei  Pergamentbände  des 
»Specchio  del  Maggior  Consiglioa  mit  Verzeichnissen  aller  Aemter,  die 
Jahr  aus  Jahr  ein  wechselten;  der  erste  ist  angelegt  1440;  der  zweite 


1)  Exeerpirt  wurden  'ans  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrb.  die  Bände 
der  Diversa  Notarie  1500— 1507  (7  voll.),  1514,  1519,  152^M^24,  1526—1528, 
1533, 1536, 1537—1639,  1544,  1548—1550,  der  Diversa  CaliPrarie  1505, 1514, 
1522—1523, 1526—1528, 1530—1531, 1535, 1540—1541, 1550—1551.  Es  bleiben 
demnach  manche  Lücken  übrig.  Zur  Leetüre  aller  Bände  müsste  man  viel 
mehr  Zeit  zur  Verfügung  haben,  aber  auch  nicht  wenig  Geduld,  bei  der  Mo- 
notonie des  meist  nur  an  handelsgesehicbtlichen  Daten  reichen  Materials. 


400  Const  Jireoek, 

nmfaBst  die  Jahre  1500 — 1599,  der  dritte  (Liber  specnli  ezcellenlissimi 
et  generalis  Maioris  Consilii)  1600 — 1699.  Anohdas  »RegistroMaritaggi 
dei  Nobili«  (1478 — 1648),  einen  Pergamentcodex  in  Holzdeckeln,  habe 
ich  nenerdings  genauer  excerpirt,  da  ich  daraus  bloss  einige  Notizen 
von  meiner  Reise  1878  besass,  die  nur  das  Onomastioon  der  Ragnsaner 
berftcksichtigten. 

Den  Hütern  dieser  Schätze  in  beiden  Archiven  von  Ragusa,  Herrn 
Ereisgerichtspräsidenten  und  Landtagsabgeordneten  Yinoenz  Mili6  und 
Herrn  Professor  und  Conservator,  dem  kais.  Rath  Joseph  Oelcich,  bin 
ich  zu  vielem  Dank  verpflichtet. 

Die  Nachforschungen  nach  den  Edelleuten  sind  leicht,  da  dieselben 
als  regierende  Classe  der  Republik  in  den  Archivbachem  im  Vorder- 
grund stehen.  Bei  den  Bttrgem  »de  populo«  sind  sie  viel  schwieriger. 
So  kann  ich  über  öubranovid  leider  nur  Combinationen  vorbringen,  wäh- 
rend bei  Eristiieviö,  Vetrani6,  Naljeskovi(5,  Marin  DrM<5  u.  A.  die  Ana- 
beute nicht  gering  ist.  Die  folgenden  Mittheilungen  sind  meist  nur 
Fragmente  und  Bausteine,  die  wieder  weitere  Sammlungen,  Nachträge 
und  höchst  wahrscheinlich  auch  Berichtigungen  erfordern.  Doch  ist  bei 
dem  Mangel  alter  Privatbriefe  oder  Memoiren  für  die  Cultur-  und  Lite- 
raturgeschichte von  Ragusa  nur  durch  solche  Excerpte  aus  Amtsbüchem 
eine  kritische  Grundlage  zu  schaffen.  Ich  nehme  mit  dieser  Abhandlung 
für  jetzt  Abschied  vom  ragusanischen  Cinquecento,  um  wieder  zu  den 
Aufgaben  der  mittelalterlichen  Oeschichte  zurückzukehren. 

L  Zar  Caltargeschiclite  Ton  Bagnsa  in  der  ersten  Hälfte 

des  XTI.  Jahrhunderts. 

Verhältniss  zur  Pforte.  Austausch  von  Geschenken.  Türkische  Besuche  in 
der  Stadt.  »Signum  laetitiae«  bei  türkischen  Siegen.  Furchtsame  Politik 
der  Republik.  Pestgefahr.  Erdbeben  1520.  Reste  der  Bauten  der  Zeit. 
Piraterie.  Vertheidigung  und  Bewachung  der  Stadt.  Lnxusgesetze  und 
Eleiderordnungen.  Maskeraden.  Bibliotheken.  Versuche  die  Buchdrucker- 
kunst einzuführen;  Projekt  des  Kanzlers  Lucas  Pasqualis  de  Primo  (Primoje- 
vi(^  1514  mit  Lob  der  Druckerei  der  Gmojeviöi  von  Montenegro.   Buchhandel 

und  Bücherimport  aus  Italien. 

In  den  Rathsbüchem  der  Zeit  1501 — 1526  stehen  im  Vordergrund 
die  Beziehungen  der  Ragnsaner  zu  den  Türken,  denen  die  Republik 
tributär  war,  obwohl  sie  damals  auch  noch  dem  König  von  Ungarn  Jahr- 
gelder entrichtete,  allerdings  unregelmässig  und  ungern.    Fortwährend 


Beiträge  zar  raguBaniBchen  Literaturgeschichte.  4OI 

ist  die  Rede  von  Verhältnissen  zum  »Imperator  Tnrchornm«:  oder 
»magnns  Turchns«,  zu  dessen  »viseriia  und  »bassallariia,  sowie  zu  den 
benachbarten  Statthaltern,  vor  Allem  dem  Sandi^akbeg  der  Hercegovina 
oder  »sanzachus  craisnichus  noster«  (slav.  krajiSnik),  der  damals  meist 
in  FoSa  residirte,  und  dem  Sand^akbeg  von  Bosnien  in  Vrhbosna  (Sara- 
jevo), seltener  zu  jenen  von  Scutari,  Smederevo  u.  s.  w.  Sehr  oft  wer- 
den erwähnt  die  nächsten  Türken,  die  in  der  Festung  Castelnuovo,  in 
dieser  Zeit  gewöhnlich  Novi  genannt,  am  Eingang  in  den  Golf  von  Gat- 
taro ihren  Sitz  hatten. 

Fast  auf  jeder  Seite  der  Bttcher  ist  von  Geschenken  an  die  Türken 
zu  lesen,  vom  Grossherrn  selbst  angefangen  bis  zu  den  Häuptern  in  der 
Nachbarschaft  oder  einzelnen  Besuchern  der  Stadt.  An  solchen  Be- 
suchern fehlte  es  nie.  Am  letzten  März  1519  beschloss  das  Consilium 
Rogatorum  ein  Geschenk  »Saito,  qni  est  in  Bosna  caput  presbiterorum 
Turcorumor,  ebenso  am  6.  Juni  d.  J.  einem  Scheich,  »Secho  Turco,  quf 
est  patriarcha  Turcorum  maior  Saito  et  venit  pro  videndo  ciuitatem  cum 
literis  sanzachi  craisnichi (r,  im  Werthe  von  500  Aspem.  Ebenfalls  aui 
500  Aspem  war  nach  Beschluss  vom  15.  October  1510  berechnet  das 
Geschenk  j»janizariis  quatuor,  qui  venerunt  ex  locis  vicinis,  in  quibus 
visitauerunt  suos,  et  donauerunt  dominio  nostro  unum  tapetum  et  unum 
pulcrum  arcum  cum  sagittis  XXI,  computata  la  tota  depicta  rnbea,  sti- 
mat(a)  valoris  ducatorum  quinque  in  totum«.  Jeder  Wechsel  der  türki- 
schen Beamten  in  der  Nachbarschaft,  jede  Einladung  von  Seite  der 
Türken  zu  einer  Hochzeit  oder  »ad  circumcisionem  filioruma,  jede 
Regelung  der  gemeinsamen  Rechnungen  über  die  Zölle  oder  den  Salz- 
handel, sogar  jede  Hinrichtung  eines  Räubers,  der  einen  ragusanischen 
Kaufmann  jenseits  der  Grenze  ermordet  und  ausgeplündert  hatte ,  bot 
Anlass  zu  Geschenken,  begleitet  von  Trinkgeldern  (beueraginm,  man- 
zaria)  an  die  kleineren  Leute,  die  ja  im  Reiche  des  Grossherrn  leicht  mit 
der  Zeit  zu  hohen  Würden  emporsteigen  konnten.  Auch  Beamte,  die 
mit  denRagusanern  direct  wenig  in  Berührung  kamen,  wurden  bedacht, 
so  am  9.  Juli  1502  »Turchus,  qui  querit  pueros  per  Bosnam«  (Knaben 
für  das  JaniSarencorps),  allerdings  als  Gegengeschenk,  ebenso  am  17. 
Januar  1503  der  Tefterdar  von  Natolia,  »qui  alias  fiiit  in  Bosna  ad  eli- 
gendum  pucios  pro  Imperatoren,  obwohl  beides  nicht  ganz  ohne  Ursache 
war.  Die  Türken  versuchten  mitunter  junge  ragusanische  Kaufleute  in 
ihren  Ländern  zum  grossherrlichen  Dienst  wegzuschleppen.  So  wurde 
am  26.  October  1515  Benedictus  Georgii  Crispi  zur  Pforte  gesendet, 

Arohiv  f&r  ■layisohe  PhUologie.    XXI.  26 


402  Gonst.  Jireoek, 

»pro  nostris  javenibns  mercatoribna,  qnos  sclani  porte  in  locis  Tarcomm 
querunt  accipere  pro  domo  ImperatoriB,  sicnt  nobis  scribnnt  ex  Scopia, 
ubi  Yoluenint  accipere  filinm  Ser  Jacobi  Christ,  de  Zamagno  et  pner  unns 
(sie)  Sebastiani  Sfetilasichc,  ebenso  am  23.  December  d.  J.  Stephanns 
Antonii  Bratossalioh  Bassin  i)  nach  Sofia  oder  bis  znr  Pforte  »pro  filio 
Ser  Pasqnalis  Laurentii  de  Sorgo,  retento  in  Sophia  pro  imperatore,  et 
pro  aliis  nostris ,  qni  sunt  acceptia.  Im  September  1515  wnrde  vom 
Senat  beschenkt  einEmin  der  Pforte,  »faciens  descriptionem  sanzachatos 
Cherzegonine«  oder  »qui  describit  villas  et  loca  Cherzegoninet,  ebenso 
andere  solche  pripisnici  (emin  pripisnicns),  Katasterbeamte,  sowie  te- 
losnici  oder  dukatnici,  Steuereinnehmer  der  Pforte  in  der  Nachbar- 
schaft 2). 

Die  Geschenke  von  Seiten  der  Ragnsaner  bestanden  in  der  Regel 
bei  sehr  hochgestellten  Männern  ans  Silbergeschirr  (taeiae  de  argento), 
sonst  ans  Kleiderstoffen  (drappi),  Wachs  (cera  alba),  Esswaaren  (in  re- 
bus cibariis ;  confectiones)  oder  Spezereien,  selten  in  Baargeld  (pecnnia 
numerata).  Gross  ist  die  Auswahl  der  Stoffe :  panni  de  sirico ;  cauecia 
de  grana  de  scharlato;  velnti  leonati,  carmisini;  cauetium  de  velnto  vi- 
ridi  scuro;  cauetium  de  raso  chremesino  rubeo;  cauetium  pauonatium 
(pavonazzo  it.  violett)  de  grana  u.  s.  w.  Der  Sandiak  der  Hercegovina 
erhielt  alljährlich  zu  Weihnachten  Fische,  Frfichte  und  Süssigkeiten,  im 
Januar  1509  überdies  »unam  salmam  maluasie  et  unam  scatolam  cotig-- 
nate  in  zucharo«  (cotognata  it.  candirtes  Qoittenbrot),  im  Februar  wieder 
ein  neues  Geschenk  lin  piscibus  condendis  in  gelatina,  confeetionibns  et 
aliis  rebus  comestibilibus«.  Am  24.  Juli  1508  sendete  der  Rath  nach 
Novi  »piscatores  cum  barcha  pro  piscandoa  für  den  »sanzachus  craisni- 
custf,  ebenso  am  3.  October  1513  »unam  barcam  cum  piscatoribus  ad 
piscandum  pro  sanzacho  nostro  in  Narento,  venture  ad  Gabellam  et  inde 
ituro  ad  Popouoc,  ganz  wie  man  es  seiner  Zeit  vor  der  türkischen  Er- 
oberung der  Nachbarländer  machte,  als  der  König  von  Bosnien,  der 
Grossvojvode  Sandalj  oder  der  Herzog  Stipan  VukSiö  in  die  Nähe  des 
Meeres  kamen  und  sich  an  dem  Genuss  frischer  Seefische  ergötzen  woll- 


1)  Ans  der  Familie,  welcher  der  Dichter  Antan  Sasin  oder  Antonio  Sassi 
(um  1590)  entstammte  (Stari  pisci  XVI).  Ein  Andrea  dl  Matheo  Sazo  1550  in 
Belgrad,  Dlv.  Canc.  1550  f.  181  v.  Stephanus  Saxin  Nachbar  eines  Hauses  »in 
uia  lata  prope  S.  Dominum«,  Dlv.  Not.  1533  f.  28. 

*)  Ueber  die  finanzielle  türkiBche  Beichsbeschreibung  aus  dem  XV.  und 
XVI.  Jahrh.  vgl.  Jireoek,  Das  Farstenthum  Bulgarien  S.  154—165. 


Beiträge  zar  ragasaniachen  Literaturgeschichte.  403 

ten.  xPisces  in  gelatinacr,  eingemachte  Fische,  waren  ein  Geschenk,  an 
dem  sich  die  so  oft  wechselnden  Sand^akbegs  von  Bosnien  oder  der 
Hercegovina  allj&hrlich  wiederholt  zu  erfreuen  pflegten.  Es  scheint 
besonders  ein  Erzeugniss  der  Insel  Lagosta  gewesen  zu  sein,  deren  Ge- 
meinde (universitas)  zu  Neujahr  dem  Senate  eine  solche  sgelatina  pis- 
ciumc  zu  überreichen  pflegte.  Am  5.  März  1523  ging  an  den  SandlSak- 
beg  in  Mostar  eine  mit  Caviar  verstärkte  Sendung  ab  (de  cauiaro] .  Auch 
Zucker  wurde  oft  gespendet,  so  im  März  1517  dem  Sandzakbeg  der 
Nachbarschaft  «de  zucharo  fino  panes  parvulos  c^ntuma,  »a  libris  cen- 
tum  infraa.  Die  x^fructaria«  der  Geschenke  waren  Feigen,  Orangen 
(salma  de  narantiis  dulcibus),  Granatäpfel  (salma  de  granatis  dulcibus) 
u.  s.  w.  An  Spezereien  (speciaria)  wird  1520  ein  Geschenk  erwähnt  »in 
pipere,  canella,  garrofalis  et  gingiberi«,  1523  eines  in  »canfora«.  Auch 
Wein,  Muscateller  oder  Malvasier,  wurde  von  den  gläubigen  Moham- 
medanern aus  den  Händen  der  christlichen  Kauf  leute  von  Ragusa  nicht 
ungern  angenommen;  so  erhielt  der  SandSakbeg  von  Vrhbosna  vom 
Senat  1511  »tres  salmas  moschatelli  vel  maluasie«,  1516  ein  Geschenk 
»in  moscatello,  malnasiis,  fructariis«,  1520  ein  «barile  maluasie«.  Zum 
Brauen  von  Spirituosen  diente  wohl  das  »lambicumv,  das  der  Sandl^ak 
der  Hercegovina  auf  seinen  Wunsch  im  Mai  1523  vom  Senat  zugesendet 
erhielt  (maluasiam,  vitrum,  lambicum).  Mitunter  kam  es  vor,  dass  der 
Türke  das  Geschenk  nicht  annehmen  wollte,  da  es  ihm  zu  gering  schien 
und  dass  er  erst  durch  eine  Vergrdsserung  der  Gabe  milder  gestimmt 
wurde.  Diese  Verwegenheit  («temeritas«  heisst  es  in  den  Senatsproto- 
kollen) hatten  nicht  nur  die  Veziere  der  Pforte  und  die  Sandiakbegs, 
sondern  auch  die  Boten  mit  Briefen  des  Grossherm  und  die  Emins  der 
Zollämter. 

Das  Geschenk  erfolgte  gewöhnlich  nicht  ohne  Gegengeschenk,  ob- 
wohl in  der  Regel  die  Türken  weniger  und  die  Ragusaner  mehr  gaben. 
Die  Ueberreichung  der  türkischen  Geschenke  geschah  oft  ganz  ceremo- 
niell  vor  dem  Minor  Consiglio,  z.  B.  durch  den  Eapid^ibasa  oder  Eehaja 
des  Sandiakbeg  mit  einem  Dutzend  »seruitores«.  Die  »dona  Turco- 
ruma  bestanden  zumeist  in  Teppichen  (tapetum),  mitunter  von  5  Ellen 
Länge,  und  Pferderüstungen  (habenae;  1510  i^uusim  pocriuaziam  ab 
equocr,  pokrivaSa  Decke).  Sonst  pflegten  es  zu  sein:  weisse  Mützen 
(baretizas  albas,  bireta  de  tela),  Gürtel  (centura),  kostbare  Stoffe  (pecia 
zambelloti ;  peoias  de  veluto  cum  floribus  de  auro ;  cauecia  de  veluto ; 
pecia  sete  vocate  chuthai,  cnthai;  unnm  athlas  de  seta  crocei  coloris ; 

26* 


404  GonBt  Jirecek, 

chamncha:  de  cendato  nigro ^)  n. s.w.),  Tücher  (faceolos  de  velo),  Krüge 
(brooharellos),  Trinkgefilsse  ans  Metall  und  Leder  (samachos  ab  aqua ; 
sumachos  de  corio  pro  bibendo;  anum  flaschetnm  de  corio  deanratom  ab 
aqna;  nnnm  bochale  de  ramine  pulcroj,  Täschchen  ans  rothem  Leder 
(valisia  paraa  de  pelle  chermesina),  Bogen  mit  Pfeilen,  türkische  Streit- 
kolben  oder  Buzdogans  (basdochannm  de  ferro ;  anum  basdochan,  muni- 
tum  argentoj,  Trommeln  (timpanetum)  und  dgl.  Vom  Sandiakbeg  von 
Smederevo  kamen  ganze  Pferdelasten  Fische,  Hausen  und  Störe  aus  der 
Donau  (1 — 2  salmas  »morone  et  sturionic  1509, 1513).  Die  türkischen 
Beamten  aus  der  nächsten  Nachbarschaft  sendeten  den  Ragusanem  be- 
sonders zu  Neujahr  (in  Calendis)  lebendes  Vieh,  Kühe,  Kälber,  Schöpse 
und  Lämmer,  die  sofort  abgeschätzt  und  auf  den  Markt  gebracht  wur- 
den. Pferde  pflegte  der  Senat  in  der  Regel  nicht  anzunehmen  oder  rasch 
zurückzuschenken,  wohl  um  den  Staatsschatz  der  Republik  nicht  mit 
Fütterungskosten  zu  belasten.  Dagegen  wurden  Jagdhunde  (canis  lepo- 
rarius)  behalten,  da  man  sie  zu  Geschenken  in  Italien  verwenden  konnte. 
Die  in  der  Finanzkammer  der  Republik  aufgespeicherten  Geschenke 
wurden  nach  einiger  Zeit  öffentlich  versteigert ;  z.  B.  am  8.  November 
1515  beschloss  das  Consilium  Rogatorum  »vendere  ad  publicum  inean- 
tum  drappos  et  alias  res,  existentes  in  camera  communis  nostri  de  donis, 
factis  dominio  nostro  et  oratoribus  nostrls«,  ebenso  am  23.  Januar  1522 
über  die  >dona  existentia  in  camera  communis  vendenda  tam  ad  minu- 
tum,  quam  ad  simula. 

Eine  grosse  Abrechnung  über  Geschenke  und  Anderes  gab  es  bei 
der  Rückkehr  der  alljährlichen  Gesandtschaft  mit  dem  Tribut  zur  Pforte. 
Die  Ducaten  des  Tributs  wurden  von  den  Türken  nicht  nur  gewogen, 
sondern  auch  im  Feuer  geprüft  (probati  per  ignem) .  Dabei  kam  es  jedes- 
mal vor,  dass  sich  beim  Abwägen  eine  kleine  Differenz  zeigte,  oder  dass 
gar  einige  dieser  venetianischen  Goldstücke  zerrannen,  wie  1511,  wo 
»ducati  quinque,  liquefacti  in  dicto  ignea  den  Gesandten  ersetzt  wurden, 
oder  1504,  wo  9  Ducaten,  »combusti,  quando  extracti  faerunt  ex  igne«, 
verrechnet  werden.  Auch  dabei  gab  es  Geschenke.  Am  1.  Juli  1512 
wird  den  Gesandten  ein  Geschenk  von  2  Ducaten  und  20  Grossi  ver- 
rechnet, >quos  ponunt  in  eorum  computo  dedisse  mechteris  Imperatoris, 
qui  numerant  et  probant  ducatos  tributior,  ebenso  eine  merkwürdige 


1)  Ueber  diese  Stoffe,  camocato,  zendato  und  dgl.  vgl.Heyd,  Geschichte 
des  Levantehandels  TL,  687  f.  Chuthai  wohl  von  Cataja,  russ.  Eit%j,  China. 


BeitrSge  zur  ragaBanlschen  LiteratnrgeBohiobte.  405 

Auslage  für  Färbung  der  Goldstüeke:  )>aspros  triginta,  qui  facinnt  gros- 
SOS  viginti  duos,  qnos  ponunt  expendisse  pro  cohrando  duc.  772,  refn- 
tatos  a  Chadaro  Bani,  scribano  chasne  Imperatoris,  in  despectam,  qnia 
non  donaneriint  ei  nnam  taciam«. 

Die  Türken,  welche  nach  Ragnsa  kamen,  waren  Gesandte,  Conriere, 
Nachbarn,  besonders  aber  Eanfleute,  die  oft  mit  Seidenstoffen  und  an- 
deren Waaren  weiter  nach  Italien  durchreisten ,  auf  die  damals  von 
Türken ;  Peroten  und  Griechen  aus  der  Türkei  viel  besuchten  Jahr- 
märkte (feria,  nundinae)  von  Recanati  bei  Ancona  und  Lanzano  bei 
Ortona.  Andere  Mohammedaner  kamen,  um  die  italienischen  Aerzte 
der  Stadt  zu  consultiren ;  mitunter  starb  einer  in  Ragusa,  wie  Deli  Chamza 
Abdulacouioh,  Turcus  de  Verbossanie,  dessen  Nachlass  nach  Beschluss 
desRathes  vom  10.  Januar  1510  seinem  Bruder  Machmut,  der  mit  einem 
Brief  seines  Bandi^akbegs  eingetroffen  war,  übergeben  wurde.  Diese 
Türken  wohnten  nicht  in  dem  »hospitiumc  oder  »la  hostariac,  wo  z.  B. 
nach  Beschluss  vom  26.  Mai  1511  der  Italiener  Ludovicus  de  Michu9io 
de  Aquila  vornehme  Fremdlinge  zu  beherbergen  hatte  («alogiare  ogni 
gentilhomo  et  altra  persona  da  benee,  mit  »boni  lettiff)^],  sondern  nach 
Beschluss  vom  5.  Juni  1501  in  einem  Hause  »prope  S.  Nicolaum«,  einer 
Art  Earavanserai,  wobei  man  streng  darauf  sah,  dass  das  Haus  keine 
weibliche  Bedienung  habe.  Am  9.  Juli  1502  beschloss  der  Rath  »de 
dando  libertatem  domino  rectori  et  suo  minori  consilio  inueniendi  et  po- 
nendi  ad  curam  caruassarie  unum  bonum  hominem,  qui  non  habeat  fa- 
miliam  femininam  et  qui  non  possit  conducere  feminas  in  dictam  char- 
uassartam^  cui  possint  prouidere  de  ypp.  60  in  anno«,  jedoch  schon  am 
24.  November  d.  J.  fasste  man  den  Beschluss  »removere  receptaculum 
Turchorum  de  loco,  in  quo  est  factum,  ob  multos  bonos  respectus«.  Der 
nach  Venedig  reisende  türkische  Gesandte,  der  am  18.  November  1514 
>hic  descendit  propter  suum  barianum  (Bairamfest],  quem  hodie  cele- 
brant  Turci«,  erhielt  eine  Wohnung  »in  domo  Sandalist,  in  dem  alten 
Palast  des  Grossvojvoden  Sandalj,  der  damals  noch  oft  erwähnt  wird. 
Im  Februar  1527  erscheint  unter  den  »salariati«  der  Republik  auch 
«Radiz  Brancouich,  hospes  Turcarum  ad  Priechi  put«,  also  innerhalb 
der  Stadt  2). 

Das  Benehmen  der  Türken  in  der  Stadt  bot  Anlass  zu  manchen 


1)  Ein  eigenes  Hospiz  fUr  sich  hatten  damals  in  Ragusa  die  Florentiner. 
3)  Liber  Consilii  Minoris  1524—1528,  f.  225. 


406  Gonst.  Jirecek, 

Klagen.  Am  22.  Mai  1502  wurde  den  Gesandten  zu  dem  damaligen 
Sand£akbeg  der  Hercegovina  Mehmedbeg  Obrenovid,  Stephan  6io.  de 
Sorgo  und  Bemard  Mar.  de  Ooze,  die  den  Statthalter  von  Trebinje  dnrch 
das  ragnsanische  Canale  nach  Novi  (Castelnnovo)  zu  begleiten  hatten, 
aufgetragen,  bei  ihm  Beschwerde  zu  führen,  dass  die  Asapi  der  Be- 
satzung von  Novi  täglich  zu  sechs,  acht,  zehn  Mann  durch  Canale  nach 
Ragusa  kommen,  einige  Tage  dort  bleiben  und  sich  dabei  unter  grossem 
Lärm  betrinken  ij.  Am  20.  Februar  1522  beschloss  der  Senat,  den 
Sultan  umErlaubniss  zu  bitten,  die  »levente«  (Seesoldaten)  ^  aus  Castel- 
nnovo, die  ohne  Briefe  des  Sandi^akbeg,  Kadi,  Emin  oder  Dizdar 
(Festungscommandanten)  kommen,  wegschicken  oder  nicht  einlassen  zu 
dürfen,  »expellere,  non  dare  ingressum  in  ciuitatem,  pro  obuiando  sean- 
dalis,  qui  intervenire  possent  ex  eorum  sinistris  deportamentis«;  nur 
j)mercatores  et  qui  habent  titulum  dignitatis  et  officii  Imperatoris«  sollen 
stets  Einlass  haben.  Die  Aufführung  dieser  türkischen  Soldaten  in  der 
Stadt  schildert  anschaulich  ein  Schreiben  des  Senates  vom  7.  October 
1523  an  die  Gesandten  bei  der  Pforte:  »Sapiale,  che  li  dicti  (Turchi) 
sono  tanto  aroganti  e  superbi,  che  non  se  po  hauer  da  loro  resposta  di 
cossa  alguna  senza  villania.  Et  la  pratica  loro,  che  fano  per  la  cittä,  di 
continuo  la  fano  con  qualche  iniuria  nostra,  intrando  in  le  chiesie  ad 
nostra  confusione  senza  alcuno  respecto,  anzi  cum  tanta  insolenzia,  che 
uno  giorno  dicto  sclauoj  intrato  cum  altri  Turchi  in  la  chiesa  de  Sancta 
Maria  Magier,  us5  dire:  ,doue  la  casna^t  datime  questa  vostra  casfmV^) 
doue  considerate,  che  parole  sono  queste.  Et  Taltro  giorno,  inducti  dal 
diabolico  spirito,  hano  cum  saxo  rotte  li  dedi  ^)  de  la  mano  de  la  statua 
de  San  Biasio  intra  le  porte  de  la  ponta.  Et  ultra  de  questo  li  dicti  sei 
leuenti  per  la  via  molestano  le  donne,  per  le  quäle  poteriano  seguire 
grandi  scandali,  perche  in  la  cittä  se  trouano  cittadini,  li  quali  vedendo 
euer  oldando  tale  insolentie  non  haueriano  pacientia.  Et  piü  perche 
dicti  Turchi  questi  giomi  passati  se  hano  facto  vogare  per  mare  al  pia- 
cere  loro  fin  in  Ombla  et  in  alguni  altri  loghi,  tamen  contra  la  volunta 
nostra,  perche  poteria  interuenir  tal  scandalo  per  mare,  che  tota  la  citta 


1}  Lettere  e  Commissioni  de  Levante  1493—1528. 

^  Leventa,  ein  noch  jetzt  auf  der  Halbinsel  nicht  vergessenes  Wort, 
schon  1536  als  Spitzname:  presbyter  Marinus  Leuenta,  Div.  Canc.  1535, 
f.  229  V. 

3)  Chazna  tttrk.  Schatz. 

^)  Dialektisch  für  le  dita,  die  Finger. 


Beiträge  zur  ragnsanischen  Literatargesohichte.  407 

se  dolera,  per  le  gente  de  malfare,  le  qnale  vano  per  marea^).  Schon 
am  7.  Aug.  1522  ist  die  Rede  von  einem  chochiumo,  den  die  Gesandten 
»pro  leventisc  erlangt  haben,  doch  scheinen  die  Befehle  nicht  streng 
dnrchgefflhrt  worden  zu  sein. 

Der  Druck  der  mächtigen  Nachbarschaft  des  osmanischen  Welt- 
reiches bewog  die  BAgusaner  manches  zu  ihun,  was  ihnen  schwer  vom 
Herzen  ging.  In  diesen  Zeiten  trafen  nicht  selten  Nachrichten  ein  Aber 
gewaltige  Siege  der  türkischen  Armeen.  Das  tributäre  Ragusa  musste 
sich  mit  den  Türken  freuen  und  seine  Freude  öffentlich  bezeugen  durch 
Kanonendonner  und  Pulverdämpf  von  den  Geschützen  auf  den  Mauern 
und  Thürmen  der  Stadt:  »facere  solitam  demonstrationem  letitie  cam 
bombardis  in  aduentu  ad  nos  nuncii  porte  cum  litteris  yictorie  Impera- 
toris«^).  Am  5.  August  1516  traf  ein  Öaus  Namens  Mustafa  ein,  auf 
der  Durchreise  als  Gesandter  nach  Venedig,  mit  Briefen  des  Sultan 
Selim,  datirt  vom  1.  Juli  »in  Asia  inpadaliate  (slav.  padaliste  Lager, 
Quartier)  Gogna«  (Koni^,  das  alte  Ikonion),  über  einen  Sieg  gegen  die 
Perser  (contra  Sophianos)  und  mit  dem  Auftrag  an  die  Ragusaner,  den 
Gesandten  zur  See  weiter  zu  befördern ;  »cum  quibns  literis  nobis  pre- 
sentauit  unum  caput,  missum  per  dictum  Imperatorem  unius  ex  princi- 
palibus  Sophianis  occisis,  sicut  scribiter,  den  abgeschnittenen  Kopf  eines 
der  letzten  persischen  Statthalter  in  Kurdistan!  ').  Am  29.  Sept.  d.  J. 
Nachmittags  kam  ein  ulak  (Courier)  mit  einem  Schreiben  des  Prinzen 
Suleiman  aus  Adrianopel,  sein  Vater  habe  in  Asien  den  Sultan  von 
Aegypten  geschlagen  und  gefangen,  ihm  den  Kopf  abgehauen  (capto 
dicto  soldano  amputauit  caput)  und  sein  Reich  erobert.  Am  6.  November 
meldete  ein  Brief  des  Sultan  Selim  aus  Aleppo  selbst  abermals  diesen 
Sieg  »contra  Soldanum  Ohairi  apud  Alepuma  ^).  Am  26.  Juni  1517 
trafen  zwei  Couriere  ein,  mit  neuen  Siegesnachrichten  aus  Aegypten,  die 
am  1.  Juli  bestätigt  wurden  durch  einen  »uUachus  seu  tabellariusc  des 
Sohnes  des  Sultans  aus  Adrianopel,  Alia,  »caput  de  11  seimenic.  Er 
überbrachte  wieder  einen  Brief  des  Kaisers  selbst:  »subiugauit  et  sup- 
posuit  imperio  suo  Egiptum,  Siriam  cum  toto  Imperio  Soldani  Chaieri, 


1)  Lottere  e  Gommissioni  di  Levante  1504 — 1526. 

s)  Consilinm  Rogatorum,  12.  September  1521. 

^  Vgl.  Hammer,  Geschichte  des  osman.  Reiches  I^,  752. 

^)  MittheiluDgen  der  Ragusaner  darüber  an  König  Ludwig  II.  von  Un- 
garn :  Geloich  und  Thallöczy,  Diplomatarinm  relationum  reipublicae  Raga- 
sanae  cum  regno  Hungariae  p.  679. 


408  Oonst.  Jireoek, 

capto  ipso  noüo  Soldano  et  sibi  presentatis  et  interfeotis  et  necatis  om- 
nibns  mamaluchisj  exhortans  dominium  nostrum,  nt  faciat  Signum  leti- 
ciev.  Die  Nachriclit  war  für  die  Ragnsaner  wichtig,  weil  sie  in  Alexan- 
dria damals  einen  nicht  geringen  Handel  trieben  und  eben  mit  den 
letzten  Mamelnkensnltanen  über  ihre  Handelsrechte  unterhandelt  hatten. 

Bald  folgte  eine  Zeit,  wo  das  »Signum  leticieci  nicht  mehr  türkischen 
Siegen  gegen  mohammedanische  Henrscher  im  fernen  Osten  galt,  sondern 
den  Fortschritten  der  Osmanen  gegen  die  europäischen  Christen  an  der 
mittleren  Donau,  und  wo  bei  diesem  Kanonendonner  das  Herz  vieler  Ra- 
gnsaner von  aufrichtigem  Schmerz  um  den  Niedergang  der  Sache  des 
Christenthums  erschüttert  wurde.  Am  24.  September  1521  las  man  im 
Senat  einen  Brief  des  neuen  Sultans  Suleiman  über  den  Fall  von  Belgrad 
und  der  Schlösser  von  Syrmien  (de  captura  Beigradi  et  multarum  alia- 
mm  terrarum  Sremi  regni  Hungarie)  ^j.  Am  6.  Juni  1522  wurde  Hiero- 
n3rmu8  Luciani  de  Bona  mit  Geschenken  zu  dem  »sanzachus  craisnicus 
noster«  nach  Mostar  gesendet,  »in  reditu  suo  cum  ezercitu  ex  Groatia 
cum  Victoria,  qui  subegit  imperio  Imperatoris  Turcorum  Tninum  (die 
Burg  Enin)  et  Scardonam«.  Ein  Brief  des  Grossherm  meldete  am 
2.  März  1523  «victoriam  suam  contra  Rhodum  debellatum  et  captum, 
longa  narratione  pugne  et  ruine  dicte  ciuitatis  et  dicte  capture«.  Am 
22.  September  1526  wurde  mit  30  Ducaten  ein  ÖauS  der  Pforte  be- 
ßchenkt,  welcher  die  Siegesnachricht  von  Mohacs  nach  Ragusa  und  Ve- 
nedig überbringen  sollte,  »cum  literis  Imperatoris  Turcarum,  factis  in 
partibus  Hungarie  in  Michaceuo  pogle(sic),'ubi  factum  est  conflictum«  2). 
Am  20.October  bestimmte  das  Consilium  Rogatorum  eine  Gesandtschaft 
zum  Sultan,  »signo  leticie  nostre  pro  victoria  parta  contra  regnum  Hun- 
garie per  cum  occupatumc,  mit  Geschenken  im  Werthe  von  2000  Du- 
caten. Am  25.  October  brachte  Chussain  Spachirogli  neuerdings  einen 
Brief  des  Grossherm  über  die  »victoria  Imperatoris  contra  regnum  Hun- 
garie, per  cum  deuastatum  et  desolatum  ac  depredatum  et  spoliatum 
cum  maxima  strage«  und  wurde  mit  kostbaren  Stoffen  im  Werthe  von 
200  Ducaten  beschenkt. 

Mit  welchen  Gefühlen  die  gebildeten  Ragusaner  diese  Ereignisse 


1)  Lateinische  üebersetzung  dieses  Schreibens  (ex  lingua  persiana]  bei 
Sanudo,  Archiv  za  povjestnicu  jugoslavensku  VIU,  136;  zum  Schluss:  »lae- 
titiam  pariter  et  exultationem  faciatis«. 

2)  Mohacs  als  »Mihacevo  polje«  auch  in  den  slavischen,  von  Prof. Bogdan 
herausgegebenen  Chroniken  der  Moldau  (Archiv  XV,  88). 


BeitrSge  zur  ragaaanischen  Literatargeschichte.  409 

verfolgten,  darttber  haben  wir  ein  beredtes  Zengniss  in  den  fftr  den 
Historiker  beachtenswerthen  Gedichten  des  Zeitgenossen  Vetrani(5  (Stari 
pisci  lU,  S.  44  ff.).  Es  ist  besonders  ein  Gedicht  über  den  Ruhm  des 
tfirkischen  Kaisers  (Pjesanca  slavi  carevoj),  wo  der  geistvolle  Benedik- 
tiner den  Untergang  der  alten  christlichen  Staaten  des  Ostens,  den  Fall 
von  Rhodos  und  Belgrad,  die  Katastrophe  in  Ungarn,  das  Unglück 
Kroatiens  bespricht  und  auch  sein  schwaches  Ragusa,  »Dubrovnik  slabi 
gradc^  zur  Vorsicht  mahnt.  Mag  es  auch  bei  den  Türken  jetzt  in  Gunst 
sein,  soll  es  seinen  Schätzen,  Festungsmauern  und  der  Hilfe  der  Christen- 
heit ja  nicht  zu  viel  trauen,  sondern  resignirt  in  Frömmigkeit  ohne  Stolz 
und  Sünde  dem  Hause  Osmans  dienen  (i  mimo  sve  ino  i  dvori  i  sluH  ot- 
mansko  koljeno,  S.  49). 

Die  Correspondenz  mit  der  Pforte  und  deren  Statthaltern  wurde 
meist  noch  in  slavischer  Sprache  mit  cyrillischer  Schrift  geführt,  aber 
schon  war  es  nothwendig,  auch  türkische  Dolmetscher  und  Schreiber  zu 
besolden,  besonders  zur  Uebersetzung  türkisch  geschriebener  Urkunden. 
£ivan  MihaSevid  wird  1508 — 1527  als  »dragomanustr  oder  »interpres 
literarum  turcarumc  oft  erwähnt,  »qui  habet  linguam  et  literas  tnrcas  in 
perfectioneff.  Neben  ihm  wurde  am  1.  Juli  1522  Thomas  Pavlovid  aus 
Krbava  in  Ejroatien  angestellt  »pro  interprete  literarum  turcarum,  qui 
optime  seit  dictas  literas  legere  et  scribere  et  linguam«,  mit  nur  2  Du- 
caten  monatlich^).  Am  18.  April  1523  erhielt  Thomas  einen  Urlaub 
für  20  Tage  zu  einer  Reise  nach  Kroatien,  »causa  accipiendi  quosdam 
libros  turcosa.  Im  J.  1545  erscheint  in  den  Büchern  ein  Blasius  Mathei 
.  de  Brenne,  interpres  linguae  turcicae  ^) . 

Die  ganze  Politik  der  Ragusaner  war  in  Folge  dieser  Zustände  voll 
Aengstlichkeit  und  Vorsicht.  Die  Freundschaft  sowohl  mit  den  Türken 
als  mit  den  Christen  hatte  manche  sehr  unangenehme  Situation  zur  Folge. 
Die  Ragusaner  konnten  es  nicht  verhindern,  dass  sieben  türkische  Schiffe 
im  October  1510  im  Hafen  von  Malfi  (sl.  Zaton)  einen  spanischen,  aus 
Sicilien  eingetroffenen  Kauffahrer  aus  Biscaya  nach  hartem  Kampfe 
wegnahmen  ^).    Die  Ritter  von  Rhodos  machten  sich  dagegen  kein  Ge- 


^)  Der  Scharfrichter  (magister  justicie)  Baptista  hatte  (1513)  4  Ducaten 
monatlioh. 

2)  Di  versa  Notarie  1544,  f.  113  v. 

^  Vgl.  Consilium  Rogatorum  25.-28.  October  1510.  In  den  Annales 
Ragusini  ed.  Nodilo  p.  96  erst  zum  Januar  1511  notirt,  ebenso  p.  275  zum 
J.  1511. 


410  Const  Jireoek, 

wissen  daraus,  auf  die  ragasanischen  Handelsschiffe  Jagd  zu  machen. 
Ein  spanischer  Ritter  Don  Pedro  Bobadilla^)  begann  im  December  1516 
mit  einer  Gallione  von  180  Mann  Besatzung  ragusanische  Schiffe  zu 
fangen.  Seine  Standplätze  waren  bei  Cap  Spartivento,  bei  Valona,  bei 
Gap  Matapan  und  Cap  Malea  (Cauomalia) ,  wo  er  besonders  den  nach 
Candia  und  Aegypten  segelnden  Fahrzeugen  auflauerte.  Im  Mai  1517 
sendeten  die  Ragusaner  vier  bewafiiiete  Schiffe  mit  je  150  Mann  unter 
dem  Oberbefehl  des  Michael  Nie.  de  Bona  gegen  ihn.  Bobadilla  entfloh, 
aber  eines  der  von  ihm  gekaperten  und  ausgerüsteten  Schiffe  wurde  in 
»aquis  Vallis  de  Comparea,  in  den  Gewässern  des  alten  Ithaka,  genom- 
men und  mit  zahlreichen  gefesselten  Gefangenen  im  Juli  nach  Ragusa 
gebracht.  Der  Senat  war  aber  mit  den  Leistungen  der  Flotte  unzufrie- 
den ;  er  beschloss  den  Bona  »habere  pro  fallitoa,  ))castigando  de  verbisc, 
wahrscheinlich  weil  er  den  Bobadilla  selbst  nicht  eiqgeholt  hat.  Die 
Weiber  und  Schiffsjungen  aus  Rhodos,  Candia  und  Oerigo  wurden  frei- 
gelassen, die  Männer  eingekerkert.  Schon  fttnf  Tage  nach  der  Ankunft 
(18.  Juli)  beschloss  man,  7  der  Gefangenen  zu  hängen.  Am  27.  August 
wurde  die  Hinrichtung  der  übrigen  vcursarii«  festgesetzt;  sechs  wurden 
gehängt  »et  reliqui  decem  vel  quot  sunt  descopando^)  in  barcha  et  proii- 
ciendo  in  mari  cum  saxo  ad  Collum«  umgebracht.  Von  dem  Rest  wurde 
am  28.  Juli  1518  ein  Genuese  auf  Fürbitte  eines  Cardinais  und  der  Re- 
publik Genua  freigelassen,  ebenso  ein  Franzose  auf  Bitten  eines  Kammer- 
herm  des  französischen  Königs,  der  über  Ragusa  nach  Rhodos  reiste 
und  »in  minori  consilio  supplicauit  flexis  genibus  pro  dicto  Duranto, 
quem  dixit  esse  nobilem  Francie,  juvenem  captum  a  corsario«.  Die 
letzten  drei  Piraten,  aus  Rhodos,  Cerigo  und  »de  brachio  Maine«  ge- 
bürtig, hat  man  am  15.  August  d.  J.  durch  eine  kirchliche  Ceremonie 
entlassen :  »donati  gloriose  Virgini  S.Marie  et  presentati  sibi  in  ecclesia 
sua  maioriff.  Bobadilla  trieb  indessen  sein  Handwerk  weiter,  unter  wie- 
derholten Klagen  der  Ragusaner,  die  den  Handel  nach  Rhodos  ganz 


1)  Wohl  ein  Verwandter  des  Calatravaritters  Francisco  de  Bobadilla, 
der  1500  als  Nachfolger  des  Admirals  Cristoforo  Colombo  den  Entdecker 
Amerikas  in  Ketten  nach  Spanien  sendete  (vgl.  Pescbel,  Greschichte  des  Zeit- 
alters der  Entdeckungen,  2.  A.  S.  275  ff.].  Die  Ragusaner  schreiben:  Boua- 
dilia  Hispanus.  Annales  Ragusini  ed.  Nodilo  p.  276  ganz  verfehlt :  don  Pietro 
de  Cascuglia. 

^  Descopare,  decopare  fehlt  bei  Du  Gange,  der  aber  copare  franz.  couper 
angibt.  Descopare  cf.  franz.  d^couper. 


Beiträge  zar  ragnsanisohen  Literatargeschiohte.  411 

verboten  hatten  und  sich  beim  Papst,  in  Venedig  und  beim  Grossmeister 
des  Johanniterordens  beschwerten.  Schiffe  wurden  gegen  den  Corsaren 
noch  zweimal  ausgerüstet,  ohne  Erfolg.  Zuletzt  half  eine  »tagliaa,  ein 
Preis  von  2000  Goldducaten  auf  den  Kopf  des  Bobadilla,  nebst  einer 
lebenslflnglichen  Provision  von  6  Ducaten  monatlich  für  den  Mörder. 
Das  war  eine  verführerische  Prämie  für  das  internationale  Gelichter  auf 
den  Raubschiffen  des  Spaniers.  Im  Januar  1519  bemühte  sich  der 
Rhodiserritter  Don  Diego  de  Cabrera  von  Neapel  aus  um  einen  Frieden 
zwischen  Bobadilla  und  Ragusa. 

Wegen  der  wiederholten  Anwesenheit  einzelner  Türken  in  der 
Stadt  war  man  auch  sehr  vorsichtig  beim  Einlass  von  Fremden.  Im  Juli 
1515  meldete  der  Comes  der  Isola  di  Mezzo,  es  sei  dort  aus  den  Marken 
ein  Mann  eingetroffen,  der  sich  für  ein  Mitglied  der  ehemaligen  albane- 
sischen  Fürstenfamilie  der  Dukagin  ausgibt  (facit  se  de  domo  Duchagini) ; 
am  24.  d.  M.  beschloss  der  Senat  einstimmig,  sofort  einen  Nobilis  hin- 
zusenden, der  diesen  Reisenden  unzweideutig  zur  Abreise  bewegen 
sollte  ^) .  Als  im  J.  1521,  eben  als  das  Schicksal  von  Belgrad  auf  dem 
Spiele  stand,  ein  ungarischer  Gesandter,  »dominus  Simon,  aulicus  et 
orator  Regis  Hungariea  in  Gravosa  eintraf  und  dort  im  Kloster  S.Grucis 
abstieg,  liess  man  ihn  am  S.April  nur  »secretea  in  die  Stadt  hinein  und 
zwar  in  das  Franciskanerkloster  bei  dem  Thor,  wo  zwei  Mitglieder  des 
kleinen  Rathes  oder,  wenn  er  es  wünscht,  das  ganze  Minor  Consiglio  mit 
ihm  sprechen  sollte,  aber  alles  ganz  im  Geheimen  ^) .  Als  es  dann  hiess, 
es  werde  abermals  ein  ungarischer  Gesandter  nach  Ragusa  um  den  Tribut 
kommen,  warteten  vom  6.  bis  zum  13.  August  zwei  Nobiles  auf  Schiffen 
im  Sund  von  Vratnik  (ad  Vrathnich),  jetzt  it.  Bocche  false,  und  bei  den 
Klippen  der  Grebeni  (ad  Grebenos],  it.  Pettini,  um  ihn  gar  nicht  in  die 
Nähe  der  Stadt  gelangen  zu  lassen ;  doch  er  kam  nicht  ^) .  Ebenso  blieb 
im  Juli  1522  Gjuragj  Martinid,  Abgesandter  des  Comes  Petar  Krusid 
und  der  tapferen  Bewohner  der  Burg  Clissa,  versteckt  auf  der  Insel 
Mezzo  und  erhielt  dort  statt  der  verlangten  Subvention  ein  Geschenk 
von  10  Ducaten^).  Aus  diesem  Grunde  wurden  von  den  Ragusanem  zu 
vielen  Gesandtschaftsreisen  einheimische  Dominikaner  verwendet,  die 


^)  lieber  die  Dukagins  vgl.  Sanndo  1515,  Arkiv  VI,  454. 
^  Gelcich  und  Thallöczy  S.  843. 
3)  Liber  Consilii  Rogatorum  1521—1522. 

*)  Consilium  Rogatorum  8.  Juli  1522  (cuidam  Giuraghio  Martinich,  pro- 
curatori  terre  Clissi,  ad  nos  misso  per  comitem  Petarum  Crusich) . 


412  OoiiBt.  Jireoek, 

ganz  nnbemerkt  abreisen  und  znrflckkehren  konnten,  wie  frater  Bar- 
tholomaens  Bogissioh  (1512, 1518)  znm  König  von  Spanien,  frater  Tho- 
mas deCriena  naeh  Ungarn  (1521),  Neapel,  zu  König  Ferdinand,  frater 
Clemens  de  Ragnina ,  des  Dichters  Dinko  Ranjina  väterlicher  Oheim, 
ebenfalls  (1532)  zum  römischen  König  n.  A. 

Unter  diesen  Umständen  hat  die  Republik  auch  die  Verbreitung 
mttndlicher  Neuigkeiten  und  besonders  deren  schriftliche  Mittheilung  ins 
Ausland  strenge  verboten;  das  Recht,  mit  dem  Orient  und  Occident 
zugleich  zu  correspondiren,  sollte  der  Regierung  allein  bleiben,  die  es 
auch  mit  grosser  Virtuosität  ausübte  und  den  Sultan,  den  Papst,  die  Ve- 
netianer  und  die  Könige  von  Ungarn  und  Spanien  stets  mit  sorgfältig 
überlegten  Neuigkeiten  versorgte.  Ein  Verbot  vom  H.Mai  1496  befahl, 
»quod  non  fiant  circula  per  ciuitatem  nostram,  in  quibus  sunt  sermones 
de  nouis  et  de  principibus  et  potestatibuse,  und  verbot  »interrogationes 
curiosas  et  inuestigationes  nouorum«.  Ein  Beschluss  vom  30.  Mai  1509 
spricht  »de  providendo  contra  obloquentes  et  curiosos  interrogare,  le- 
gere et  referre  de  nouis  publice,  pro  euitandis  scandalis«.  Am  24.  Mai 
1511  wurde  beschlossen  »de  prouidendo  contra  loquentes  et  interrogan- 
tes  publice  et  in  circulis  de  nouis«  und  den  Provisoren  Vollmacht  ge- 
geben »  faciendi  admonitiones,  quibus  eis  videbitur,  et  imponendi  penas, 
ne  quis  loquatur  publice  de  nouis  vel  legat  literas,  et  castigandi  contra- 
facientes  c.  Aus  den  Tagebüchern  des  Marino  Sanudo  wissen  wir  jedoch, 
wie  viel  Nachrichten  damals  gerade  aus  Ragusa  nach  Venedig  kamen. 
Ueber  das  durch  geheime  Gorrespondenz  mit  dem  Ausland  verursachte 
bittere  Schicksal  des  edlen  Geschlechtes  der  Bucignolo  werden  wir  noch 
sprechen. 

Es  gab  unter  den  Ragusanem  dieser  Zeit  viele  Verehrer  der  Gegner 
der  Türken.  Ein  Legat  für  die  Nachkommen  des  tapferen  albanesischen 
Fürsten  Skanderbeg  (f  1468)  machte  in  seinem  Testament  der  Kauf- 
mann Franciscus  Marini  de  Francho  1503,  Oheim  des  Polo  Mich,  de  Stai 
und  des  Zohan  Natal  Masibradich,  Verwandter  der  Familie  Nale  (Naljes- 
kovi^) :  »Item  lasse  alli  successori  de  la  madonna  et  meiere  de  signor 
Schenderhegh  vechio,  quäl  aiutö  una  volta  Re  Ferdinande  in  guerra  de 
Duca  Zohanne  in  Puglia,  ducati  trentaa  ^).  Nach  den  Stammtafeln  bei 
Hopf  ist  des  Georg  Kastriota  Witwe  Andronika  1500  gestorben;  es 


^)  Testamenta  Notarie  1503  f.  23  v.  (Testamentum  olim  Franc.  Mar.  de 
Francho,  eingetragen  29.  Nov.  1503). 


BeitrSge  znr  ragnsanischen  Literaturgeschichte .  413 

lebten  im  Königreich  beider  Sicilien  noch  ihre  Enkel,  sowie  Söhne  des 
Neffen  Skanderbeg's  Branilo.  Anch  das  nngarische  Königreich,  wo  viele 
Ragnsaner  als  Kauf  leute  oder  Gelehrte  sich  Ruhm  oder  Vermögen  er- 
worben haben,  genoss  viele  Sympathien.  So  hat  Ser  Dragoe  domini 
Aloisii  de  Goze  in  seinem  Testament  1498  den  ungarischen  Landes- 
patronen einen  Altar  in  der  Dominikanerkirche  zu  Ragusa  errichten 
lassen:  »Lasso  a  Sancto  Dominico  perperi  trexento  per  far  uno  altar  ad 
honor  de  Dio  et  de  la  gloriosa  Verzene  et  de  li  tre  sancti  de  Hungaria, 
Stephane,  Vladissauo  et  Emericot^). 

Viel  Sorgen  machte  die  pennanente  Pestgefahr.  Bei  der  Ankunft 
aus  verdächtigen  Ländern  mussten  die  Reisenden  auf  Öden  Inseln,  auf 
dem  scopulum  S.Petri  vor  Ragusa  vecchia,  auf  Meleda  u.  s.  w.  Qnaran- 
taine  halten.  Die  von  der  Pforte  zurückkehrenden  Gesandten,  wie  ge- 
wöhnlich begleitet  von  zahlreichen  Kauf  leuten,  die  sich  wegen  der  be- 
waffneten Bedeckung  denselben  angeschlossen  hatten,  erhielten  am  2.  Mai 
1513  »confine  ad  schopulum  Lachliane  c,  auf  der  unbewohnten,  heute 
zum  Theil  mit  schönem  Nadelholz  bewachsenen  Insel  Jakljan  zwischen 
Giuppana  (sl.  Sipan)  und  Stagno,  bei  den  oben  erwähnten  Bocche  false  ^) ; 
am  8.  d.  M.  erlaubte  man  ihnen,  zur  Stadt  in  die  gewöhnliche  Quaran- 
taine  auf  der  Anhöhe  DanSe  (ad  Danzias)  vor  dem  Castell  S.  Lorenzo  zu 
kommen,  aber  »januis  dansis«,  mit  »bona  custodia«  ^j.  Bei  einzelnen 
Pestfällen  ging  man  streng  vor.  Ein  Beschluss  vom  4.  Mai  1503  er- 
laubte den  Beamten,  die  Häuser  der  unfolgsamen  Angesteckten  auch  mit 
Gewalt  niederzubrennen:  »quod  infectis  in  Canali  et  alibi,  si  non  obe- 
dienty  possint  comburi  facere  domos  et  ipsos  inobedientes  in  ipsis  domi- 
bus  possint  cbmburi  facere«.    Die  Desinfection  wurde  betrieben  durch 


1)  Testamenta  Notarie  1498--1503,  f.  11  (datirt  16.  Sept.  1498). 

^)  Die  Schreibung  Licignana,  Lichignana,  Licbgnana  im  XIV.  Jahrh. 
würde  zu  einer  römischen  iwula  Liciniana  führen ;  im  XV.  Jahrh.  Laclana, 
Lachgnana,  Lachliana»  insnla  de  la  Cliana.  Damals  gab  es  hier  eine  Kirche 
des  hl.  Isidor,  Waldungen  (arbores  de  zapino  1429,  borovina  1473)  und  Wein- 
gärten mit  wenigen  Hütten,  Besitz  der  Familien  Cerva,  Saraca  u.  A. 

8}  Dance  plur.,  gen.  Danaoa.  In  den  Diversa  1335  apud  Ange,  1342  ad 
An^e,  im  XV.  Jahrh.  ad  Dan^as,  Dancias,  Danceas.  Die  hiesige  Marienkirche 
in  den  Testamenten  des  XVL  Jahrh.  oft  beschenkt.  Von  der  einstigen  um- 
mauerten Quarantaine  wahrscheinlich  heisst  jetzt  eine  nahe  Stelle  Oradae, 
1898  als  Park  mit  schöner  Aussicht  auf  das  offene  Meer  eingerichtet. 


414  CoiiBt.  Jireceki 

Verbrennen,  Waschen,  Ränchem  der  inficirten  Sachen  (combnrere,  la- 
vare,  pnrgare  res  infectas)  *). 

Die  Gefahr  war  vergrössert  dnrch  die  Enge  der  dicht  verbauten 
Stadt.  Auf  der  «plateat  gab  es  vor  den  Häusern  und  den  ELauf  laden 
überall  Holzdächer  und  Holzhäuschen,  die  1512  theilweise  weggeräumt 
wurden  ^).  Im  folgenden  Jahre  beschloss  man,  eine  Bude  zum  Olashandel 
unter  den  Arcaden  des  Zollamtes  [domuncula,  in  qua  venditur  vitrum 
sub  sponza)  zu  entfernen.  Aus  Gründen,  die  mit  der  Stadtvertheidlgung 
im  Zusammenhang  waren,  verfügte  ein  Beschluss  vom  4.  März  1508 
die  Ausräumung  der  i  contra  11  ordenia  angewachsenen  »burgia,  der 
Vorstädte  vor  den  Stadtthoren.  Die  »salariati  nostri,  zoe  tromboni, 
piffari,  riueri,  chnesaci^),  bombarderi  et  altria,  die  nartesani,  che  exer- 
citano  el  mestero  de  lana,  zoe  tezori,  schartezeri,  pectinatori,  vergezeri 
et  garzotti  et  le  famiglie  lorocr,  ebenso  wie  die  iperlabuchia  (Krämer) 
und  »bechariic  (Metzger)  mussten  in  die  Stadt  hinein  ziehen.  Draussen 
blieben  nur  dioEdelleute  mit  einigen  Bevorzugten,  sowie  von  den  Hand- 
werkern ausser  den  Giessern  (condenari)  ^)  »li  tentori,  buttari,  bocha- 
lari,  vetrari  et  lo  maestro  dal  sapone  negroa.  Am  23.  Mai  1510  wurde 
den  türkischen  Amaldaren  oder  Salzbeamten,  Slaven  oder  Griechen,  vor 
den  Thoren  gleichfalls  befohlen  in  die  Stadt  zu  ziehen  (amaldarii  et 
eorum  seruitores,  famuli  et  familie  eorum  omnes  teneantur  et  debeant  se 
reducere  ad  habitandum  in  ciuitate) .  Zugleich  hat  man  die  Bestimmung 
erneuert,  dass  Häuser  »de  petra  et  calce  vel  de  trauaturisa  in  »suburbiis 
Ragusiia  ohne  Bewilligung  des  Consilium  Rogatorum  nicht  gebaut  wer- 
den dürfen. 

Ein  grosses  Unheil,  Vorbote  einer  anderthalb  Jahrhunderte  später 
eingetroffenen  grossen  Katastrophe,  war  das  Erdbeben  am  17.  Mai  1520 


1)  Becepte  gegen  die  Pest  im  Liber  Consilium  Rogatorum  1525—1527, 
f.  195—196. 

')  »Facere  omnino  destrui  omnia  sofficta  et  domunculas  de  lignamine 
ante  stationes  in  platea«,  »tectus  et  tabulas  ante  domos  et  stationes«,  »quia 
omnes  leges  clamant  contra  oceupationem  viarum«.  Weggeräumt  »a  via  lata 
versus  ponentem«.  Coos.  Bog.  23.  Juli  1512. 

8)  Knei^ak  (enesach,  chnesachus  etc.)  hiess  im  XV. — ^XVI.  Jahrb.  der 
famulus  regiminis  (oder  comitis  in  Slano,  Canale  u.  s.  w.) . 

*)  Oondenarius  fehlt  bei  Du  Gange.  Genannt  werden  im  Beschluss: 
Paulo  Radoichonich  condenar,  Natalino  de  luan  Lilouich  condenaro  et  bom- 
bardero  cum  la  saa  fameglia.  »Contrata  vocata  condenarsca  uliza«,  Div.Ganc. 
1522-1523,  f.  102. 


I 


Beiträge  zur  raguBanischen  Literaturgeschichte.  415 

zeitlich  morgens  (mane  hora  nndecima),  gerade  am  Festtage  der  Himmel- 
fahrt des  Herrn  ^) .  Die  Strassen  füllten  sich  mit  Trttmmem  der  Dächer 
nnd  Kamine,  H&oser  stürzten  ein  oder  erhielten  grosse  Sprünge,  Kirchen 
nnd  Klöster  erlitten  vielen  Schaden,  ebenso  die  Stadtthürme  nnd  der 
Regiemngspalast  (in  palacio  leso  et  aperto  in  plnribns  locis  ex  terre- 
motu),  so  dasB  die  gefangenen  Nobiles  und  Bürger  aus  den  Kerkern  im 
Palaste  entlassen  werden  mussten  (propter  periculum  carcerum  concus- 
sorum  ex  terremotu).  Es  gab  auch  Verwundete  und  einige  Todte.  Im 
Beschluss  der  Rogati  vom  19.  Mai  ist  von  diesem  »terremotus  maximusa 
bemerkt :  »si  magis  aliquantulum  durasset,  totam  ciuitatem  traxisset  et 
conuertisset  in  totalem  desolationem  cum  maxima  cede  personarum«. 
Auch  ausserhalb  der  Stadt  gab  es  viel  Schaden.  In  Canale  litt  das  Haus 
des  Comes,  in  Slano  das  des  Kanzlers ;  selbst  das  Kloster  S.  Andreas  de 
Pelago  auf  einsamer  Klippe  Dindiget  maximis  expensis  reparationis«. 
Sofort  begann  man  die  Strassen  vom  Schutt  zu  reinigen  und  die  beschä- 
digten Häuser  auszubessern  oder  ganz  zu  demoliren.  Bald  nach  dem 
Ereigniss  wurde  beschlossen,  an  den  Vigilien  des  Festes  Ascensionis  Jesu 
Christi  stets  Processionen  abzuhalten  und  eine  Capelle  der  Himmelfahrt 
Christi  zu  errichten  «in  cortino  contiguo  monasterio  fratrum  minorum, 
nbi  est  cistema  cum  sabulo«;  man  kann  diese  Kirche  heute  noch  sehen, 
links  innerhalb  der  Mauern,  wenn  man  die  Stadt  durch  die  Porta  Pilo 
betritt^).  Zahlreiche  Aufzeichnungen  der  RathsprotokoUe  betreffen  die 
Restauration  des  Regierungspalastes  ^).  Daraus  ist  ersichtlich,  wie  der 
Platz  vor  dem  »dvor«,  wie  die  Ragusaner  sagen,  einmal  dicht  verbaut 
war.  Es  gab  auch  Häuser  zwischen  dem  Palast  und  der  Kathedrale,  wo 
jetzt  alles  offen  ist.  Ein  Beschluss  der  Rogati  vom  13.  October  1520 
bestimmt  »pro  ornamento  ecclesie  cathedralis  et  pro  ampliando  campum 
ante  portam  ponte  et  dictum  palatium  «  die  Entfernung  eines  Hauses  der 
Nonnen  von  S.Maria  de  Castello  «ante  palatium«  mit  dem  darin  befind- 
lichen Spezereigeschäft  des  Florentiners  Jac.  Juliani,  damals  florenti- 


^)  Vgl.  die  Notizen  über  die  Erdbeben  in  Ragusa  in  einem  Codex  des 
Statuts  bei  Bogisiö,  Pisani  zakoni  na  slovenskom  jugu  (Zagreb  1872),  S.  99. 

^  Abbildung  bei  Gelcich,  Dello  sviluppo  civile  di  Ragnsa  (Ragusa  1884} 
zu  S.  40. 

.  8)  Bei  der  Capeila  S.  Asceusionis,  dem  Fondego  delle  biave  und  im  Pa- 
läste an  Säulen,  Fenstern,  Thüren  u.  s.  w.  arbeitete  Petrus  Marci  Andrijch  de 
Cnrzola;  cf.  Liber  Cons.  Rog.  1525—1527,  f.  149—150.  Vgl.  auch  Cons.  Rog. 
30.  Dec.  1518. 


416  GoiLBt  Jireoek, 

nischen  imd  venetianischen  Oonsnls  in  Ragnsa  ^) ,  sowie  des  Hauses  der 
Erben  des  Franc.  Steph.  de  Benessa  »ante  palacinmc,  angrenzend  an 
die  »Camera  officii  artis  lanee;  ferner  wurde  beschlossen  xruinare  fun- 
ditus  omnes  schalas  in  via,  que  est  post  dictas  domos  et  cameram  officii 
artis  laue,  faciendo  viam  planam  pro  transitu  ad  ecdesiam  S.Marie  Maio- 
ristt.  Unter  den  Arkaden  des  Palastes  selbst  waren  Kanonen  aufge- 
stellt; dies  erhellt  aus  dem  Beschluss  vom  27.  November  1522  »de  pro- 
uidendo  pro  artelariis,  que  stant  publice  sub  voltis  in  palatio,  repo- 
nendisc. 

Leicht  kommt  man  auf  die  Frage,  ob  es  heutigen  Tages  in  Ragusa 
und  in  der  Umgebung  noch  Privathäuser  gibt,  die  schon  die  Zeiten  eines 
Men2;eti6  und  Vetrani6  gesehen  haben.  In  den  unteren  Stadttheilen,  die 
seit  dem  grossen  Erdbeben  von  1667  fast  ganz  neugebaut  sind,  aller- 
dings nicht,  wohl  aber  in  dem  so  alterthümlichen  Viertel  Pustjema. 
Wenn  man  z.B.  in  der  j»Ulioa  od  Pustjeme«  von  Osten  durch  die  vielen 
Sottoportici  hinter  den  erzbischöflichen  Palast  kommt,  sieht  man  rechts 
in  der  Nfthe  der  durch  die  merkwürdige  Thttreinfassung  in  langobardi- 
schem  Stil  bemerkenswerthen  Capelle  des  hl.  Bartholomäus  hoch  oben 
auf  der  Hausmauer  die  Jahreszahl  1473.  Ein  schönes  alterthflmliches 
Gebäude  ist  in  Gravosa  auf  der  Westseite  des  Hafens  der  Palast,  welcher 
dem  im  Herbst  1897  gestorbenen  letzten  Nachkommen  der  altberühmten 
Familie  Giorgi,  dem  Landtagsabgeordneten  Marin  (im  Localdialect  Ma- 
rinica)  di  Giorgi  gehörte.  Kurz  vor  seinem  Tode  hat  mir  der  greise  ra- 
gusanische  Patricier  sein  Landhaus  gezeigt.  Der  steinerne  Bau  enthält 
im  oberen  Geschoss  grosse  luftige  Säle  mit  Aussicht  theils  auf  den  Hafen, 
theils  auf  den  benachbarten  Park,  einen  schönen  alten  Cypressenhain. 
Eine  Merkwürdigkeit  ist  ein  Plafond  mit  Malereien  aus  den  Zeiten  der 
Renaissance ;  andere  verblasste  Fresken  mit  lateinischen  Aufschriften 
und  Versen  führen  uns  in  Zeiten  zurück,  wo  man  das  klassische  Alter- 
thum  so  verehrte.  Ueber  den  Thüren  sind  auf  den  steinernen  Portalen 
oft  die  Buchstaben  »P.S.«  zu  lesen.  Die  Tradition  bezeichnet  1520  als 
das  Erbauungsjahr,  was  richtig  ist,  und  deutet  den  Namen  als  Pasqualis 
de  Sorgo.  Doch  es  war  Ser  Petrus  Junii  de  Sorgo,  Sohn  des  Junius 
Pasqualis  de  Sorgo.  In  den  Archivbüchern  ist  am  15.  October  1520  ein 
Vertrag  dieses  Sorgo  mit  dem  Magister  Siluester  Antonouich  de  CurzoU 


1)  Sanudo  im  Arkiv  za  povjestnicu  jugoslav.  VIII,  72  ff.    Makusev,  Mo- 
numenta  I,  409  (Giuliani  llorent.  Gonsul  in  Ragnsa  1495—1533). 


Beiträge  zur  raguBanischen  Literaturgeschichte.  417 

Upicida  zu  lesen;  der  Meister  von  CurzoU  liefert  bis  zum  nächsten 
Camisprivinm  »in  Granosio  snb  zardino  dicti  Ser  Petri«  »dnos  arcns 
illins  modi  et  forme«,  wie  die  bereits  gelieferten,  femer  wird  er  »snpra 
pilastnun,  snper  qno  est  fons,  dare  omnia  fomimenta  et  complere  de 
omnibns  laboreriis  opportnnis  et  necessariis«,  ebenso  »nnam  fontanel- 
lamc  herstellen,  alles  fflr  25  Ducaten,  »de  bona  et  pnlcra  petra  de  Cnr- 
zola  sine  macula  et  de  pnlcro  magisterio,  ad  landem  boni  lapicide  et 
boni  mnratoris«^). 

Ungelegenheiten  bereiteten  der  Eepnblik  nicht  selten  auch  ihre 
Bürger.  Ser  Aloisins  6eo.  Alois,  de  Goze  hat  im  Sommer  1504  mit  sei- 
ner Garavelle  auf  offener  See  zwischen  Vesta  und  Manfredonia  einen 
Akt  von  Piraterie  verübt,  an  einem  mit  »res  amicomm  nostromm,  vide- 
licet  Manfredonensinm«  beladenen  Ejinffahrer;  im  August  wurde  zu 
seiner  Verfolgung  ein  bewafEhetes  Schiff  ausgerüstet  und  in  der  Loggia 
für  seine  Gefangennehmung  ein  Preis  von  1 500  Perper,  für  seine  Tödtung 
einer  von  1000  Perper  durch  den  Herold  öffentlich  verkündet.  Anfang 
1515  wurde  auf  einen  als  Rebell  und  Pirat  verfolgten  Einwohner  der 
Isola  di  Mezzo  (slav.  Lopud),  Ylachus  Sachatouich,  von  einem  ragusani- 
sehen  Kriegsschiff  unter  Stephanus  Jo.  de  Sorgo  Jagd  gemacht;  seine 
Gallione  wurde  nach  Bagusa  gebracht,  aUes  Schiffsgeräth  verkauft,  das 
Wrack  selbst  verbrannt,  alle  Habe  des  Sachatouich  confiscirt  und  sein 
Haus  demolirt  (ruinari  usque  ad  fundum).  In  den  Orten  ausserhalb  der 
Stadt  fehlte  es  nicht  an  Krawallen,  meist  wegen  der  Zollgesetze,  so  im 
October  1516  in  Zaptat  (Ragusa  vecchia)  gegen  den  dortigen  Capita- 
neus.  Am  28.  August  1525  gab  es  auf  der  Insula  de  Medio  einen  Tumult 
»contra  Ser  Ambrosium  Nat.  de  Goze  et  drabantos  et  soldatos,  missos 
per  officiales  contrabandi  vini«r,  wobei  die  »insulanic  als  Weiber  maskirt 
(mascarati  in  vestibus  muliebribus),  einige  Personen  durch  Steinwürfe 
verletzten  und  »Ser  Ambrosius  vix  aufugit  in  ecdesiam  fratrum  mino- 
mm,  percttssus  cum  saxo  post  tergadu  DerRath  beschloss  15  Schuldige, 
darunter  auch  einige  auf  der  Insel  angesiedelte  Lesinenser,  einzufangen 
und  sie  durch  Verlust  der  Hand  (amputari  manus  dextra)  und  Demolirung 


1}  Diversa  Notarie  1519,  f.  146.  Die  Testamente  des  Ser  Petrus  Jnnii  de 
Sorgo  und  seiner  Frau  Paula  sind  1535  eingetragen  (Test.  Not.  1533 — 1535, 
f.  92, 101 V.) ;  ihr  einziger  Sohn  hiess  Pasqnalis,  ihr  Enkel  wieder  Petrus.  Die 
Giorgl  waren  die  Erben  dieser  Linie  der  Sorgo.  Der  Fall  ist  von  Interesse, 
weil  hier  die  Identit&t  eines  Privathauses  mit  einem  vor  mehr  als  drei  Jahr- 
hunderten urkundlich  erwähnten  ganz  feststeht 

ArebiT  fftr  •lATiiche  Philologi«.    XXI.  27 


418  Gonst.  Jireoek) 

ihrer  Hftaser  zu  bestrafen.  Jedoch  sind  die  Schnldigen,  wie  gewöhnlich, 
rasch  entkommen.  Aach  die  Männer  der  Kirche  yemrsachten  manche 
Unruhe.  Am  20.  October  1513  verbannte  das  Consilinm  Rogatorom  den 
f rater  Ohristophorns  ordinis  predicatorom  aaf  40  Jahre  wegen  eines 
»crimen  lese  Maiestatis  er,  begangen  durch  aufrührerische  Affichen:  »af- 
fixit  in  valnis  ecclesie  Sancti  Lnce  hora  vesperarum  in  vigilia  eins  festi- 
nitatis  nnam  armam  pictam  cnm  suprascriptione  literis  maiusculis  sedi- 
tiosa  et  pericnlosa,  quam  ore  proprio  confessus  fuit  sc  scripsisse  et  iliam 
affixisse  dictis  valuis«.  Am  19.  December  1521  beschäftigte  sich  der 
Rath  mit  ähnlichen  geheimnissToUen  Pamphleten :  »libellis,  affixis  nocte 
precedenti  ante  hanc  noctem  transactam  ad  columnas  palatii  et  ad  valuas 
ecclesie  cathedralis  et  in  logia  contra  nobiles,  qui  in  dictis  libellis  ap- 
pellantur  coniurati  et  simul  fecisse  quasdam  conuenticulas  pemiciosas  et 
reipublice  nostre  pacem  subuertentesa.  In  der  Loggia  wurde  ein  Preis 
von  500  Ducaten  auf  Aufdeckung  der  Verschwörer  ausgerufen.  Im 
Herbst  1518  waren  die  Nonnen  des  adeligen  Klosters  Sancta  Clara  gegen 
die  Befehle  der  Regierung  so  ungehorsam,  dass  man  ihnen  eine  Wache 
Yor  das  Thor  stellte  und  ihre  Einkünfte  einzog ;  schliesslich  wurden  sie 
mürbe  gemacht  durch  die  Drohung,  man  werde  ihre  »schala  in  cortinoc 
demoliren  und  sie  dadurch  ganz  absperren. 

Die  Befestigungen  der  Stadt  wurden  damals  sorgfältig  vermehrt, 
die  Geschützgiesserei  der  »magistri  ad  fundendum  bombardasa  mit  Onss 
von  Bombardon  und  Falconetten  aus  Eisen  oder  Bronze  sehr  befördert. 
Es  gab  auch  einen  »magister  ad  fundendum  ballotas  de  ferro  a  bombar- 
disc.  Als  j)magister  arcuum«  wird  1503  Ambrosius  de  Chriseuzi  (Eji- 
ievci  in  Kroatien)  erwähnt^)  und  als  »magister  faciendi  schiopetos« 
wnrde  am  29.  März  1522  »Paulus  Valentinouich,  Hungarus  de  Zagabria« 
angestellt.  Die  Geschütze  bedienten  Dbombardarii«,  angeworbene  Be- 
rufssoldaten, Ragusaner,  Franzosen,  Savoyarden,  Teutonici,  Kroaten  u.  A. ; 
es  gab  eine  eigene  »fratemitas  bombardariorum«  mit  einem  Altar  »snb 
Yocabulo  S.  Barbaraea  in  der  St.  Sebastianskirche.  Berufssoldaten  waren 
auch  die  lodrabanti«  mit  ihren  »capitanei«  und  »desethniciff,  meist  Un- 
garn, Kroaten,  auch  einzelne  Böhmen  nnd  Polen,  aufgestellt  theils  in 
Ragusa,  theils  in  Stagno,  meist  verheirathet^].    Die  »desetnicic  hielten 

1)  Diversa  Not.  1502,  f.  140  v. 

^  Namen  einzelner  Drabanten  dieser  Zeit :  Giurus  Chouaz,  Chussarus 
Berezchus  (1507),  Michael  Seremi,  Andreas  frater  Urbani  ex  partibus  Hunga- 
rie  (1510),  Imber  (1515),  Balentus  (1516),  Blasius  de  Zagabria  (1517),  Gepregli 


Beiträge  zur  ragnsamsoben  Literaturgeschichte.  419 

sich  noch  einen  Schildknappen  (ragacios) .  Einzelne  dieser  Eriegslente 
waren  fromm  und  nahmen  Urlaub  zu  einer  Pilgerfahrt  nach  Rom.  Eine 
flble  Geschichte  war  1507  zu  Tage  gekommen,  nämlich  dass  einige  Dra- 
banten  zwei  Frauen  haben,  eine  hier,  die  andere  zu  Hause.  Der  Rath 
beschloBS  am  10.  April  d.  J.  »de  cassando  illos  Septem  drabantos,  qui 
habent  duas  uxores,  ut  nobis  quedam  fide  digna  persona  fecit  constare, 
videlicet  hie  unam  et  aliam  in  patria  suaa,  doch  haben  yon  den  Beschul- 
digten zwei  nachgewiesen,  dass  ihre  Lebensgefährtin  wirklich  die  ein- 
zige sei.  Die  Bürger,  die  sich  stets  im  Gebrauche  der  Waffen  übten, 
hielten  im  Stadtgraben  Schiessübungen  mit  den  damaligen  schwerftlligen 
Luntenflinten  ab.  Dabei  geschah  es  im  März  1506,  dass  der  Barbier 
Marinus  Bunosich,  »cum  jaceretnr  ad  bersalium  de  schiopeto  in  fossa  ad 
Plocias«,  den  Müller  Nicolaus  Cheraseouich  »ictu  schiopeti«  erschoss; 
doch  erkannte  der  Rath  seine  Unschuld,  unter  der  Ueberzeugung  i  dic- 
tum casum  interuenisse  quodam  infortunio,  latente  igne  in  schiopeto«. 

Zahlreich  sind  die  Bestimmungen  über  die  Wachen  bei  Tag  und 
Nacht.  Die  Porta  Plociarum  wurde  Abends  früher  geschlossen  als  die 
Porta  Pilarum,  die  auch  Morgens  früher  geöffnet  wurde.  Bei  diesen  bei- 
den Landthoren  sassen  auch  bei  Tag  stets  Drabanten  und  Bombardiere, 
während  die  beiden  Hafenthore  (Porta  della  ponta  und  Porta  della  pe- 
scharia)  auch  zur  Tageszeit  stets  von  je  sechs  Bewaffneten  aus  den 
Zünften  bewacht  wurden.  Jeder  Fremde  musste  im  Thor  die  Waffen 
ablegen.  Die  Nachtwachen  auf  den  Thürmen  und  Mauern  stellte  die 
Bürgerschaft  zwischen  25  und  50  Jahren,  gegen  eine  kleine  Geldent- 
schädigung. Es  waren  13,  später  18  Wachtposten,  davon  13  auf  der 
Seeseite,  5  auf  der  Landseite,  von  je  2 — 4  Mann  ^) .  Das  Hauptquartier 
der  Nachtwachen  für  die  Stadt  innerhalb  der  Mauern,  bestehend  aus 


Michagl,  Urbanus  (1518),  Veres  Mathe,  capitaneus  drabantorum  Stagni  (1520)i 
Nicola  Mladossouich  de  Canalii  ein  Ragnsaner,  der  in  Ungarn  gedient  hatte 
(1521),  desethnicus  Bartholus  Pogliach,  desethnicus  Sebastianus  de  Moravia, 
Salai  Petrus,  Mladhelia  (1525),  Andreasius  de  Crastouiza,  Dindisi  Janus,  Ba- 
rogne  Janus,  capitanei  Mathiasius  et  Ferenzius  in  Stagno,  ürbanus  und  Barla- 
basius,  ebenfalls  capitanei  in  Stagno  (1526). 

1)  Beschreibung  der  Postenkette  Gons.  Bog.  16.  Oct.  1501  (mit  einem 
Sprichwort,  »segondo  el  proverbio  volgare:  bona  guardia  schiua  rea  Ven- 
tura«) und  31.  Mai  1511.  Der  verstärkte  Posten  auf  dem  Bevellino  vor  der 
Porta  Piooe  wurde  zur  Seeseite  gerechnet  Yerhältnissmässig  die  meisten 
Posten  waren  um  den  Hafen  herum  und  auf  den  Mauern  der  Pustjema,  west- 
lich vom  Hafen  gegen  das  offene  Meer. 

27» 


420  Confit  Jireeek, 

20  Drabanten,  6  »riueri  et  chnesaehi«  und  4  Mann  von  den  Jifratig&e 
delle  arte«,  unter  dem  Befehl  der  zwei  »domini  noctis«  oder  »signori  di 
nottec,  befand  sich  bei  dem  Zollamt  (Sponza).  Es  gab  Zeiten,  wo  die 
Nachtwache  verstärkt  werden  mosste,  wie  im  Febraar  1505  durch  eine 
»soprazontac  von  2  Nobiles,  2  »riueria,  12  Drabanten.  Die  Aufgabe 
derselben  war  die  Festnahme  nicht  so  sehr  der  ohne  Licht  herumstreifen- 
den Personen,  sondern  besonders  derjenigen,  welche  mit  Licht,  aber 
auch  mit  Waffen  Nachtschwftrmerei  in  den  unbeleuchteten  Oassen  und 
Laubengängen  trieben,  ein  Treiben,  dessen  Reize  und  Schattenseiten 
unseren  Lesern  nicht  mehr  unbekannt  sind. 

Von  grossem  Interesse  für  dieCulturgeschichte  sind  die  zahlreichen 
Luxusgesetze  und  Eleiderordnungen  der  Ragusaner,  bemerkenswerth 
auch  im  Vergleich  zu  ähnlichen  Bestimmungen  in  anderen  europäischen 
Ländern  zur  selben  Zeit  ^) .  Wir  werden  dieselben  im  Auszug  mit- 
theiien  ^). 

Ein  Dprouedimentum  super  vestimentis  mulierumcr  vom  9.  Februar 
1503  verbietet  Frauen  und  Jungfrauen,  Kleider  von  Seide  oder  aus 
Oold-  oder  Silberstoffien  zu  tragen,  mit  Ausnahme  der  Seidenärmel: 
»Che  da  mo  auanti  alguna  dona,  tanto  maritata,  quanto  non  maritata, 
non  possa  portar  tanto  in  casa,  quanto  fora  de  casa  alguno  vestito  de 
seda,  ne  de  panno  d'oro  ne  dWzento,  excepto  solamente  manege  de 
seda«.  Verboten  sind  den  Frauen  (donne)  und  Mädchen  (garzone): 
»frixeti,  li  quali  insieme  con  li  bottoni  excedano  el  peso  de  vnze  sette 
de  perle,  la  Valuta  de  le  quäl  perle  non  exceda  Valuta  de  duc.  4  la  vnza«. 
Verboten  sind  femer  »cordelle  de  filo  d'oro,  le  quäle  tra  le  manege  et 
bussi  excedano  la  Valuta  de  yperpyri  diexe  per  vna  vesta  ouer  gonella 
et  per  li  bussi  soll  non  excedano  la  Valuta  de  ypp.  quatroc  Bei  Ueber- 
tretnng  aller  dieser  Bestimmungen  zahlt  der  Gatte,  bei  Mädchen  der 
Vater  100  Perper.  Verboten  ist  auch  »alguno  lauorero  de  oro  ne  de  ar- 
zento,  lauorado  a  filoa.  »Item,  che  a  simile  pena  cadono  li  aurifici,  li 
quali  farano  tali  lauoreri,  lanoradi  a  filo,  cussi  per  la  citta  e  luogi  nostri, 


1)  Historisches  über  die  Luxnsgesetzgebung  überhaupt  vgl.  bei  W.  Bo- 
scher,  System  der  Volkswirthschaft  I^,  S.  563  ff*. 

')  Ein  Venetianer  fand  1555,  dass  die  Bagusanerinnen  sich  schlecht  klei- 
den und  gibt  manche  Details  über  Tracht  und  Sitten.  Ljubid,  Commissionea 
et  relationes  venetae  (Mon.  bist.  Slav.  mer.  XI)  III,  73.  Tracht  der  ragnsani- 
Bchen  Gesandten  in  Venedig  1510  beschrieben  bei  Sanudo,  Arkiv  za  povjest- 
nicu  jugosL  VI,  347. 


Beiträge  zur  ragusanifichen  Literatargeschichte.  421 

como  per  mandarli  in  Inogi  forestieric  Dieser  »ordine«  galt  für  20  Jahre 
und  wurde  ausgerufen  (cridato)  »in  logia  per  Andream  Milissich  rine- 
rinm,  notario  dictante  et  legente«,  ebenso  wiederholt  am  12.  Juni 
15151). 

Wenige  Tage  später,  am  1 1.  Februar  d.  J.,  beschloss  das  Consilium 
Rogatorum  neue  «ordines«  gegen  den  Luxus  bei  Hochzeiten,  mit  Be- 
schränkung der  bisher  üblichen  Geschenke,  ja  selbst  der  Speisen,  wobei 
die  Marzipane  ganz  verboten  wurden  und  deren  Zubereitung  nur  für 
Kranke  und  zur  Ausfuhr  gestattet  blieb.   Die  jBraut  durfte  nicht  mit 
Musik  durch  die  Strassen  in  das  Haus  des  Gatten  geleitet  werden ;  nur 
bei  der  Hochzeitstafel  und  den  dabei  üblichen  Tänzen  war  es  den  Mu- 
sikern erlaubt,  ihre  Instrumente  ertönen  zu  lassen :  j»Sponse  seu  nouicie, 
que  de  cetero  ibunt  et  traduoentur  ad  domos  maritorum  causa  consuma- 
tionis  matrimonii,  non  possunt  associari  cum  tubicinibus  et  tibicinibus 
neque  cum  aliquo  alio  instrumento  musico,  possint  tamen  in  domo,  in 
quo  nuptie  celebrantur,  esse  tnbicines  et  tibicines  et  alia  instrumenta 
musica  ad  sonandum  ad  mensam,  ut  ad  choreas  et  tripudia  secundnm 
morem,  solummodo  in  Ula  die,  qua  nuptie  celebrantur«.    Auch  die  Be- 
gleitung der  Braut  durch  Männer  wurde  verboten:  »Item  dicte  nouicie 
siue  sponse  non  possint  associari  per  homines,  sed  solum  per  mulieres, 
eo  modo,  quo  associantur,  quando  post  celebratas  nuptias  octaua  vel 
circa  reuertuntur  ad  domum  patnim  aut  illorum,  e  quorum  domibus  iuerunt 
ad  maritos  c.    Die  sordinesc  gehen  streng  in  das  Detail  der  Küche  und 
der  essbaren  Hochzeitsgeschenke  ein:  »Item  quod  celebrantes  nuptias 
non  possint  dare  et  apponere  inuitatis  ultra  duo  fercula,  videlicet  liqui- 
dum et  affatum,  et  de  pluri  lacticima  pura,  et  post  lacticima  confectiones 
de  zucharo.    Item  quod  dicti  celebrantes  nuptias  non  possint  alicui  mit- 
tere  ad  leuatum  neque  in  illis  diebus  ante  nuptias  aliquid  esculentum 
aut  poculentum,  prout  erat  consuetum,  preterque  ad  domum  nouiciarum, 
ut  mos  est«.    Solange  sich  die  Braut  bei  ihrem  Vater  befindet,  durften 
die  Geschenke  jedesmal  (singula  vice)  nicht  5  Pfand  »confectionum  de 
zucharo«  überschreiten,  "bmarzapanis  omnino  exclusis,  qui  mitti  non 
possint«.    »Nee  etiam  possint  fieri  ipsi  marzapani  per  aliquem  in  ciui- 
tate  nostra,  excepto  pro  infirmis  aut  pro  mittende  illos  extra  urbem  et 
tenutas  nostras.    Nee  etiam  possint  mitti  tartare  pie^  arthodce  (sie)» 
maznize  ^)  et  similiat .    Selbst  die  Auswahl  der  Gäste  blieb  nicht  ohne 


1)  Liber  Gons.  Sogat.  1501—1504.        <}  Wohl  masniea;  fehlt  bei  Stnlli. 


422  ConBt.  Jirecek, 

Aufsicht :  »Item  ad  aliqnod  lenatam  naptiarnm  non  possit  ire  nee  recipi 
aliquis  preter  eos,  qni  Bunt  de  familia  nonicij,  et  ad  penam  cadant  tarn 
enntes,  quam  recipientes  eos  in  domo  nonicie«.  Die  Braut  gibt  auf  dem 
Gang  zum  Gatten  Geschenke  nur  den  Hausleuten,  ebenso  der  Bräutigam 
auf  dem  Gang  ^ad  domum  sponse«,  und  zwar  nur  »de  fazoletis  tele  com- 
munis et  confectionibusa.  Auf  alles  dies  sind  Strafen  festgesetzt,  150 
Perper  und  2  Monate  Kerker.  Der  »ordoc  war  20  Jahre  giltig  und 
wurde  1515  in  der  Loggia  abermals  promulgirt. 

Am  30.  März  d.  J.  fasste  der  Senat  neue  BeschlUsse  als  Ergänzung 
der  Kleiderordnung:  »recusans  facere  cordellas  de  auro  filato  secundum 
ordinem«  zahlt  50  Perper  Strafe;  »pro  manifactura  et  laborerio  unius 
paris  frixetorum  cum  bottonis  perlatum  pro  manicis  gonellarum  non 
possit  accipi  neque  solui  ultra  ypp.  quatuora,  unter  Androhung  derselben 
GeldbuBse. 

Am  5.  Mai  1506  berieth  das  Consilium  Rogatorum  »de  nouis  fogiis 
et  portamentis,  quibus  ad  presens  utitur  Juventus  in  civitate  nostra,  non 
convenientibus  honestati  ciuilitatis  nostrec.  Am  1.  Juli  1507  beschloss 
der  Bath  »de  prouidendo  pro  eollainis^),  quod  non  portentur  ad  coUum 
per  nouioias,  que  traducentur  ad  nouicios  in  vestibus  raguseis,  videlicet 
in  guamazolis«.  Am  25.  Juni  1509  beschäftigte  der  Luxus  in  Kleidern 
und  Schmuck  abermals  die  Rogati:  »de  prouidendo  pro  portamentis  ni- 
mis  sumptuosis  et  superbis  vestimentorum  et  omamentorum,  tam  yiro- 
nun  quam  mulierum«.  Daraus  wurde  der  am  18.  April  1510  genehmigte 
Vorschlag  »ad  obuiandum  portamentis  introductis  in  ciuitate  et  districtu 
nostro«  und  zwar  »per  refrenare  li  immoderati  appetiti  de  la  juventü 
dissoluta,  per  le  nouitä  introducte  in  la  citta  et  districto«.  Die  Bestim- 
mungen gegen  die  »portamenti  sfogiatia  richteten  sich  gegen  die  Aber- 
massige  Breite  der  Aermel,  die  scheokigen  Schuhe  und  die  Luxushemden. 
Verboten  war  »portare  manege  de  zuponi  de  largeza  vltra  mezo  brazo 
raguseo,  ne  alguno  sarto  le  olse  farec  unter  Strafe  von  5  Perper  und 
15  Tagen  Kerker  für  den  Besteller,  einem  Monat  Kerker  fOr  den  Schnei- 
der, im  Falle  einer  Wiederholung  sogar  von  zwei  Monaten.  Verboten 
waren  femer  vielfarbige  oder  schachbrettartig  bunte  Schuhe:  »fare  ne 
portare  calze  sfozate,  saluo  o  tuto  de  uno  color  o  tute  negre,  senza  franze 
ouer  frappe  et  senza  schachi  et  altri  adornamenti,  et  in  quelle  non  possa 


1)  Kolajna  jetzt  Medaille,  ursprünglich  Halskette,  Halsband  aus  ital. 
oollana. 


Beiträge  zur  ragusanischen  LiteraCnrgeBchichte.  423 

esBere  seda  de  algnna  sortec.  Verboten  war  »fare  ne  presnma  far  fare 
ne  portare  coretti  cum  franze  oiier  com  li  cugni  de  altro  drappo,  salno 
de  quelle  medeaimo,  che  sera  el  coretto,  intendando  tanto  de  li  pnti  pi- 
ooliy  qnanto  de  li  grandic.  Man  dnrfte  auch  nicht  »fare  ne  portare  ca- 
mise  crespate  ne  de  mazor  valor  de  perperi  tre  per  nna  camiBa,  fora  lo 
colaro«,  unter  Strafe  von  5  Perper.  Die  in  der  Loggia  promulgirte  Ver- 
ordnung wurde  am  12.  Juni  1515  wiederholt^). 

Sehr  ausführlich  Bind  die  am  T.Juni  1515  erneuerten  Luxusgesetze. 
Eine  Bestimmung  betraf  abermals  die  essbaren  Hochzeitsgeschenke,  die 
auf  gekochtes  oder  gebratenes  Geflügel  beschränkt  wurden:  »che  alla 
casa  del  nouizo  de  mo  in  auanti  non  se  possa  mandare  de  la  casa  de  la 
nouiza  algune  cose  cibarie  o  viuande,  saluo  uno  piatto  de  leKO  de  came 
cum  vna  gallina  euer  un  capon,  et  uno  piatto  di  rosto  de  came  cum  una 
pemise  euer  una  gallina  o  altro  polloc.  Verboten  war  es  dem  Bräutigam 
oder  Anderen,  Armbänder,  narukvice^)  zu  schenken,  als  eine  über- 
flüssige, aus  de  Morlachei  eingedrungene  Sitte,  also  von  den  «Wlachenc 
derHercegovina:  »non  mandare  ne  donare  ad  alguno  nouizo  ne  ad  altre 
persone  naroquize  de  alguna  sorte,  et  dicte  naroquize  non  se  possano 
vendere  ne  fare  per  modo  alguno  in  la  citta  nostra  et  tenute  nostre, 
sotto  le  dicte  pene,  perche  sono  cose  deriuate  de  Morlachia  da  spexa, 
senza  alguno  seruitio«.  Bisher  war  es  üblich,  dass  ein  fröhlich  durch 
die  Strassen  hüpfendes  kolo  (Reigen)  der  Dienstboten  oder  junger  Männer 
den  Bräutigam  abholte.  Dies  blieb  fortan  untersagt:  >Item  che  da  mo 
in  auanti  alla  celebratione  de  le  noze  non  se  possa  mandare  per  lo  no- 
uizo el  ballo  de  fantesche  o  de  maschi,  chiamato  collo^  ne  dicto  collo  da 
mo  in  auanti  possa  andare  per  la  cittjt,  sotto  le  dicte  penec 

In  Bezug  auf  Beeidung  war  es  Frauen  und  Jungfrauen  verboten, 
kostbare  Taschentücher  zu  tragen,  »portare  in  casa  et  fora  de  casa  fa- 
zoli  chiamati  ptjp^H,  ne  altri  fazoli,  lauorati  cum  oro,  argento  o  perlet, 
die  auch  nicht  erzeugt  werden  durften.  Verboten  waren  theuere 
Nadeln,  »alli  capi  delle  cordeile  et  de  licordoni  de  le  gonelle,  borti  et 
barchani  et  de  altri  vestimenti  agi  de  argento  euer  de  oro,  ne  indorato«; 
die  »orefici«  durften  sie  nicht  mehr  machen.  Auch  der  Prunk  in  den 
Schürzen  war  untersagt :  »gremiali  de  velo,  ne  lauorati  ouer  adomati 
cum  oro,  argento  o  perle«.    Die  Verordnung  betraf  auch  den  Luxus  im 


1)  Lib.  Gons.  Bog.  1508—1511. 

^  Narukya,  narukvica,  smaniglia,  maniglia,  armillae,  brachiale  Stulli. 


424  Const.  Jireoek, 

Pelzwerk :  »saioni  de  grana,  qnanto  de  altro  colore  de  lane  francesche 
et  algnno  Baione  de  altre  lane  non  possa  essere  fodrato  cnm  algnna  sorte 
et  qualita  de  pelle,  salao  cnm  agneline  oaer  Tolpe«^) ;  ebenso  waren 
▼erboten  »pellize  de  altra  sorte  de  pelle,  salao  de  agneline  oner  volpe«, 
was  anch  den  »pellizaria  eingeschärft  wnrde.  Weitere  Bestimmungen 
betrafen  den  Hals-  und  Eopfsohmack;  verboten  waren  ticollaine  de  oro 
oner  indorate,  et  non  possa  portare  in  testa  bochete  ne  rechami  de  oro, 
argento  et  perlet. 

Fflr  die  Männer  wurden  die  Bestimmungen  von  1510  wiederholt 
und  verboten:  »zuponi  o  manege  de  zuponi  bastonati  ne  rechamatic, 
»zuponi  sgolati,  zoe  senza  coUaro«,  »mantelli  sgolati  ne  crespati  ne  fo- 
drati  cum  alguna  sorte  et  qualitä  de  seda,  excepto  de  cendato  et  cum 
coUaroc,  »camise  ne  bragesse  de  drappo  de  seda  ne  lauorate  et  adomate 
de  rechamo,  ne  cum  franze  o  frappe,  ne  schachate  ne  fodrate  cum  sedaa. 
Wer  nicht  Doctor  oder  Ritter  war,  durfte  keine  goldenen  Halsketten, 
»coUaine«  tragen.  Verboten  waren  Birette  aus  Seide  oder  mit  Gold- 
stickereien und  Perlen:  J>barette  de  seda,  ne  rechamate  ouer  adomate 
cum  oro  ouer  tremolanti  o  cum  perle  a.  Goldschmiede  oder  Schneider 
hatten  für  die  Uebertretung  dieser  Gesetze  eine  Geldstrafe  von  20  Du- 
caten  und  überdies  6  Monate  Kerker  zu  erwarten ;  ein  Edelmann  (zen- 
tilhomo)  sollte  50  Perper  zahlen  und  blieb  5  Jahre  »private  de  tuü  offi- 
cii«;  ein  «popolano  o  plebeio«  zahlte  gleichfalls  50  Perper,  kam  aber 
noch  auf  ein  Jahr  in  den  Kerker^). 

Schon  im  nächsten  Jahre,  am  28.  März  1516,  erliessen  die  Rogati 
eine  neue  Verordnung  über  den  weiblichen  Schmuck,  die  klar  zeigt,  wie 
die  bisherigen  Gesetze  wenig  befolgt  wurden :  »quod  aliqua  mulier,  tarn 
maritata,  quam  non  maritata,  non  possit  a  modo  in  antea  aliquo  modo 
portare  in  ciuitate  et  extra  ciuitatem  in  tenutis  nostris  super  gonelia  et 
alia  vestimenta  ad  morem  Raguseum  aliquem  frisium  noue  fogie  neque 
alias  nouas  fogias,  preterquam  solitas  cordellas  de  auro  et  portamenta 
concessa  per  ordines  et  prouisiones  nostras,  sub  pena  ypp.  centum  ma- 
rito  mulieris  contrafacientis  pro  qualibet  vice«.  In  Abwesenheit  des 
Gatten  zahlt  »ille,  qui  haberet  curam  familie  domus«,  bei  Ledigen  der 
Vater  »vel  sub  cuius  cura  esset«.  Die  Schuldige  wird  überdies  persön- 
lich auf  5  Jahre  durch  Entziehung  des  Rechtes,  erlaubte  Paradekleider 

^)  Ein  Zusatz  vom  12.  Juli  1515  sagt:  »sotto  dioto  vocabulo  de  saioni  se 
intendano  etiam  coretti«,  aber  man  darf  sie  tragen  »de  carisee«. 
^  Liber  Cons.  Rog.  1513—1516.  Erneuert  13.  Juni  1526. 


Beiträge  znr  raguBanischen  Literaturgeschichte.  425 

zn  tragen,  getroffen :  »non  possit  portare  gonellam  de  soarUto  neqne 
aliqnas  perlas  ad  manicas  gonellarnm,  neque  eordeUas  de  aaroff,  unter 
Strafe  von  100  Perper. 

üeber  Maskeraden  und  Maskentftnze  bei  Hochzeiten  liest  man  etwas 
in  einem  Beschluss  vom  2.  Mai  1524  ^).  Einigen  jnngen  »nobiles,  qui 
fnemnt  mascharcUi  noctis  tempore  in  domo  Franc.  Mattei  de  Stagno  in 
suis  nnptüsc,  wurde  wegen  irgend  eines  Scandals  der  Process  gemacht. 
Ser  Marinus  Steph.  de  Bona  kam  auf  sechs  Monate  »in  carcerem  sub 
scalasa,  wobei  »cibaria  eidem  dentur  per  fenestrellam  carcerisc.  Mari- 
nus Franc.  Mar.  de  6oze,  Paulus  Mar.  Pol.  de  Basilio,  Clemens  Nat.  de 
Goze,  »qui  cum  aliis  mascharis  baUauerunt  in  domo  Franc.  Mattei  de 
Stagno  noctis  tempore  in  eins  nuptiis,  volentes  vi  ducere  secum  diaconum 
Yincentium  pifarum,  servientem  in  dictis  nuptiis  pro  pifaro«  hatten  einen 
Monat  »in  carcere  sub  dragone«  abzusitzen,  wo  ihnen  die  Speisen  gleich- 
falls durch  die  »fenestrella  dicti  carceris«  gereicht  werden  sollten.  Ma- 
rinus Nat.  de  Goze,  Hieronymus  Jacobi  de  Georgio,  Nie.  Ant.  Mich,  de 
Ragnina,  Nie.  Pasch,  de  Caboga,  Junius  Nunt.  de  Lucha^},  und  Blasius 
Hier.  Blas,  de  Sorgo,  »qui  similiter  fuerunt  mascharati  in  nuptiis  Franc. 
Mattei  de  Stagno,  faciendo  tripudium  seu  hcdlum  in  domo  ipsius  Fran- 
cisci  noctis  tempore«,  wurden  freigesprochen. 

Wichtig  sind  einige  Nachrichten  über  die  Bibliotheken  der  Stadt. 
Es  gab  nicht  nur  zahlreiche  private  Bflcherliebhaber,  sondern  auch 
öffentliche  Sammlungen.  Die  Elosterbibliotheken  waren  nämlich  nicht 
allein  den  Klosterbrüdern,  sondern  auch  allen  Freunden  der  Wissen- 
schafton unter  den  Stadtbewohnern  und  den  fremden  Gästen  zugänglich. 
Deshalb  hat  die  Republik  die  Errichtung  eines  Bibliotheksaales  im  Do- 
minikanerkloster mit  einer  Geldspende  unterstützt.  Am  23.  April  1501 
beschloss  das  Consilium  Rogatorum  »de  conuertendo  in  fabrica  librarie 
conuentus  predicatorum  ypp.  300  legati  fratris  Dom.  Mich,  de  Restis, 
facti  communi  nostro  ....  secundum  supplicationem  et  petitionem  fra- 
tmm  dicti  conuentus,  quia  dicta  libraria  erit  ad  honorem  Dei,  ad  decorem 


1)  Liber  Cons.  Rog.  1523—1525.  Ueber  die  Maskeraden  in  der  ragus. 
Poesie  vgl.  Dr.  Milorad  Medini,  Dubrovaoke  poklade  u  XVI.  i  XYH.  v^eku, 
Ragnsa  1898  (S.A.  aus  dem  Gymnasialprogramm  für  1897—98). 

^)  Die  Patricier  de  Lucha  waren  ausgezeichnet  durch  das  ungewölmlich 
hohe  Alter,  das  sie  zu  erreichen  pflegten :  Ser  Nunciatus  Nicolai  de  Lucha 
geb.  1457,  starb  1531,  84  Jahre  alt,  Ser  Nicolaus  Baptiste  geb.  1463,  starb 
1546,  83  Jahre  alt,  dessen  Bruder  Johannes,  geb.  1464,  starb  1550,  86  Jahre  alt. 


426  Oonst.  Jirecek, 

(sie)  dicti  connentns  et  ad  consolationem  tarn  omninm  ciuiiim  nostromni, 
qnam  adnenamm  dinertentiam  in  oiuitate  nostrac.  Am  27.  Hftrz  1511 
beschloBS  dasselbe  Consilium,  den  Predigermönchen  noch  300  Perper  zn 
leihen,  >nt  possint  complere  librariam«.  Vollendet  wnrde  der  Bau  (nach 
Serafino  de  Cerva)  im  J.  1520. 

Unter  den  privaten  Bflchersammlem  dieses  Zeitalters  war  der  her- 
vorragendste Georgias  de  Cruce  (Erusiö).  Ein  Nachkomme  einer  be- 
rühmten Adelsfamilie  der  Stadt,  wnrde  er  als  Jüngling  von  mindestens 
20  Jahren,  bereits  mit  dem  an  einer  italienischen  Universität  erworbenen 
Magistertitel  geschmückt,  am  27.  November  1466  in  den  grossen  Bath 
aufgenommen,  war  1469  einer  der  sechs  Gonsules  des  Oivilgerichtes, 
später  aber  ist  er,  wie  es  im  i>Specchio  del  Maggior  Consiglioc  heisst, 
»ingressns  religionem«.  Im  J.  1470  begab  er  sich  nach  Ungarn  und 
stand  dort  in  grosser  Ounst  bei  König  Mathias.  Nach  Bagnsa  heimge- 
kehrt, war  er  zuletzt  seit  1493  Bischof  von  Mercana  und  Trebinje  und 
dabei  öfters  Vicar  des  Erzbischofs  von  Bagusa  i).  Er  starb  am  21.  Nov. 
1513  und  wnrde  am  selben  Tage  »sepultus  in  capella,  quam  construxit 
vivens  in  ecclesia  S.  Simeoniscr.  Das  Testament  des  Bischofs  Georg, 
))viri  doctrinaet  religione  omatissimi«,  an  demselben  Tage  in  die  Perga- 
mentbände der  »Testamenta  Notarie a  eingetragen,  ist  von  ihm  1505  >in 
domo  mea  suburbana«  eigenhändig  lateinisch  niedergeschrieben  worden. 
Von  seinem  seit  Jahren  mit  Eifer  und  Fleiss  gesammelten  Bücherschatz, 
dem  »thesaurus  mens«  und  diesem  »totius  presentis  vite  mee  incundissi- 
mum  solaciumcr,  spricht  er  darin  mit  rührender  Freude  und  Begeisterung. 
Nach  der  Grabrede,  die  ihm  Aelius  L.  Cerva  hielt,  waren  es  an  2000 
Bände;  »omnis  enim  civitas  ad  illius  bibliothecam  confluebamusa,  und 
der  Besitzer  selbst  las  darin  bei  Tag  und  Nacht.  Bischof  Georg  ver- 
machte seine  Bibliothek  zu  gleichen  Theilen  den  ELlöstem  der  Domini- 
kaner und  der  Franziskaner  und  stiftete  auch  eine  Summe,  um  die 
Bücher  durch  eiserne  Eettchen  an  die  »bancia  befestigen  zu  lassen. 
Ausdrücklich  ersucht  er  die  Vorsteher  beider  Klöster,  sie  soUen  allen 
»bonarum  artium  studiosis  viris,  qui  legendi  gratia  libros  meos  adire 
cupierinttf,  wohlwollend  in  freundlichster  Weise  den  Zutritt  gewähren, 

1)  Dominus  Georgias  de  Cruce,  episcopus  Merchanensis  et  Tribuniensis 
ist  z.  B.  am  24.  Oct.  1493  (Div.  Canc.  1492,  f.  176)  und  am  1.  August  1494  (Cons. 
Bog.)  ausdrücklich  genannt.  Farlati's  Illyricum  sacrum,  dessen  Angaben  oft 
mit  Vorsicht  nachzuprüfen  sind,  hat  VI,  300  hier  zwei  Georgii,  zuerst  einen 
frater  Georgius  1493—1498,  dann  erst  1498  f.  den  Georgius  de  Cruce. 


Beiträge  zur  ragnBanischen  Literaturgeschichte.  427 

damit  diese  siit  vieler  Mfihe  gesammelten  Schätze  nicht  unter  dem  Bcheflfel 
yerborgen  bleiben  ^).  Von  diesen  Bflchem  ist  naoh  den  vielen  Stflrmen, 
welche  die  Stadt  getroflTen  haben,  nicht  viel  übrig  geblieben.  Die  Biblio- 
thek der  Franziskaner,  grösstentheils  neu  gesammelt  von  Fr.  Innoc. 
Öuliö,  ist  bekannt  aus  der  Beschreibung  von  Dr.  KaznaSi6  ^) .  Die  Biblio- 
thek der  Dominikaner  z&hlte  noch  im  XVin.  Jahrh.  nach  der  Beschrei- 
bung des  Serafino  di  Cerva  an  10  000  Bände,  darunter  viele  Pergament- 
handschriften und  Incunabeln.  Ihre  Beste  hat  unlängst  Conte  Dr.  Const. 
Vojnovi^  in  den  »Starinec  Bd.  28  (1896)  ausfllhrlich  beschrieben. 

Eine  öffentliche  Gemeindebibliothek  wollte  der  im  August  1529 
gestorbene  Presbyter  NicoUms  Mich,  Bameo  (Bameus)  errichten. 
In  seinem  vom  1.  April  1527  datirten  Testament  (Beilage  3)  vermachte 
er  seine  ganze  »librariac  der  Gemeinde,  unter  der  Bedingung,  sie  soll 
vtrovare  nna  officina  in  loco  publice  et  locare  ditta  libraria  ad  honore 


1)  »Item  lego  uniuersam  meam]bibliothecam,  quam  longo  tempore  et 
multo  studio  comparaui,  que  quoqne  et  totius  presentis  vite  mee  incundissi- 
mum  solacium  fuit  et  future,  ut  spero,  adinmentum  non  mediocre  erit,  duobns 
conuentibus  in  ciuitate  Ragusii  existentibus,  scilicet  conuentui  Sancti  Demi- 
nici  et  conuentui  Sancti  Francisci,  juxta  ordinationem  meam  per  literas  manu 
propria  exaratas  equali  portione  justissime  diuidendam  et  pacatissime  reci- 
piendam,  et  insuper  lego  viginti  ducatos,  uni  prefato  conuentui  decem  et  al- 
ten decem,  ut  cum  eis  ipsis  ferree  cathenule  emantur,  quibus  libri  mei  omnes 
bancis  illigati  vel  affixi  perpetuo  in  utraque  bibliotbeca  permanebunt.  Et  ad 
hec  ambomm  conuentuum  prelatos  et  presentes  et  futuros  vehementissime 
rogo,  ut  propter  deuotionem,  quam  maximam  erga  eos  semper  tuli,  et  ob  sin- 
gularem  charitatem,  quam  vera  operis  exhibitione  in  huius  potioris  thesauri 
mei  pia  legatione  amiciter  impendi,  post  huiusce  vite  mee  ex  benigna  Deipare 
aduocatione  fellcem  decessum  suis  frugiferis  atque  immortali  Deo  acceptissi- 
mis  orationibus  inter  legendos  libros  meos  animam  meam,  quo  in  Christo  do- 
mino  felioiter  requiescat,  frequenter  atque  salnbriter  jnvare  felicitareque 
curent  Et  postremo  eosdem  quoque  fratrum  presidentes  rog^,  ut  omnibus 
bonarum  artium  studiosis  viris,  qui  legendi  gratia  libros  meos  adire  oupierint, 
benignum  ac  patulum  aditum  humaniter  prebere  velint,  ne  tale  tantumque 
talentum  lucubratissime  industrie  mee  a  teneris  usque  annis  graul  corporis 
animique  sudore  partum  sub  modio,  ut  aiunt,  sepultum,  sed  iuxta  summi  ma- 
glstri  verbum  super  candelabrum  lucens  omnibus  docilibus  discipulis  >aper- 
tissime  facillimeque  patere  possit.«  Testamenta  Notarie  1512 — 1516,  f.  84  v  sq. 
Ein  älteres  Testament  des  Georgins  de  Gruce  von  1470  bei  Farlati,  lUyricum 
sacrum  VI,  301 ;  vgl.  den  Auszug  aus  der  Bede  des  Aelius  L.  Gerva  bei  Raoki, 
Starine  IV,  192. 

^  Eaznaciö,  BibUoteca  di  Fra  I.  Öuliö  nella  libreria  de'  RB.PP.  Frau- 
cescani  di  Bagusa,  Zara  1860.  Vgl.  F.  Backi,  Rad  26, 183. 


428  Const  Jirecek, 

della  patria  et  ntilitä  della  gioventiL  Ragasina  et  consolatione  delli  pro* 
yetticr.  Sollte  diese  Bedingnng  binnen  einem  Monat  nioht  erfollt  sein,  so 
sollen  die  Bfleher  an  die  Meistbietenden  verkauft  werden.  Ich  vermag 
heute  nicht  zu  sagen,  ob  die  Gemeinde  diese  Verfügung  angenommen 
hat*  Einzelne  Bände  hinterliess  Bameo  dem  Kloster  des  hl.  Jakob  von 
Visnjica,  sowie  dem  Ehester  von  Meleda,  femer  dem  Ber  Bemard  Mar. 
di  Binciola  und  dem  Geistlichen  Marin  de  Benediotis.  Ausgeschlossen 
von  diesen  Schenkungen  blieb  eine  Reihe  alter  Manuscripte,  über  die  ich 
noch  berichten  werde.  Was  den  Büchersammler  selbst  anbelangt,  so  ist 
sein  Name  wohl  aus  Bmja  ^),  dem  heute  noch  landesüblichen  Diminutiv 
von  Bernardo,  zu  deuten.  Genannt  wird  von  seiner  Familie  ein  zweiter 
Geistlicher  Pre  Michael  Bameo,  1523  jpcurie  archiepiscopalis  scriba  et 
notariusff,  und  eine  E^tharina,  Wittwe  des  vor  1501  verstorbenen  Paulus 
Mich.  Bameus.  Es  waren  jedenfalls  wohlhabende  Bürger  der  Stadt. 
Don  Nicolaus  Mich.  Baraeo,  seit  1498  oft  genannt,  hatte  ohne  Zweifel 
in  Italien  studirt  und  dort  den  Grad  eines  Doctors  beider  Rechte  er- 
worben. Sein  Yerhältniss  zur  Vaterstadt  war  nicht  immer  ungetrübt. 
Am  8.  November  1501  beschloss  das  Consilium  Rogatorum  im  Einver- 
ständniss  mit  dem  Vicar  des  Erzbischofs,  ihn  vor  den  Rector  und  das 
Consilium  minus  mfen  zu  lassen,  mit  der  Aufifordemng,  er  soll  die  ohne 
Erlaubniss  der  Republik  erworbenen  »bullas  Sancte  Annunciate«  aus- 
liefem,  unter  Androhung  der  Folgen  seiner  »inobedientiac.  Im  J.  1504 
erscheint  Bameo,  damals  Eiiplan  der  St.  Andreaskirche,  als  »officiaiis 
fratemitatis  sacerdotum  S.Mariae  Maioris«,  der  Eathedralkirche.  Am 
8.  Juni  1510  verbannte  das  Consilium  Rogatorum  den  Don  Nicolaus 
Bameus  gar  auf  zwanzig  Jahre  aus  der  Stadt,  wegen  öffentlicher  Belei- 
digung der  Republik,  »gravitate  oblocutionis  prolate  ante  forum  alta 
voce  et  malo  animo  in  Maiestatem  Reipublice  nostrec.  Doch  wurde  der 
Verbannte  bereits  am  27.  Nov.  1511  wieder  begnadigt,  und  bei  der 
Wandelbarkeit  der  Gemüther  geschah  es,  dass  man  ihn  durch  Besehluss 
vom  14«  Dec.  1512  sogar  als  Vertreter  der  Republik  nach  Rom  sendete, 
üeber  seine  Verwandtschaft  sind  einige  Nachrichten  von  Interesse.  Zu 
den  damals  keineswegs  seltenen  ünthaten  junger  Patrizier  gehört  1501 
die  Verwundung,  welche  Ser  Johannes,  Sohn  des  verstorbenen  Ser  Bar- 
tholus  de  Bona,  einer  »cognata  presbyteri  Nicole  Bameic  beibrachte, 
»cni  destmcta  et  vulnerata  fuit  manus,  ex  quo  vulnere  perdidit  dictam 


1)  Im  XVI.  Jahrh.  in  Ragusa  Bergna,  Bergniza. 


BeitrSge  zur  ragoBanischen  Literaturgeschichte.  429 

mannm« ;  das  Oonsiliiioi  Rogatomm  beBchftftigte  sich  mit  diesem  Cri- 
minalfall  seit  März  d.  J.  und  Temriheilte  zuletzt  am  17.  Juli  den  Bona 
zn  empfindlichen  Strafen.  Eine  Nichte  des  Don  Nicola  Bameo,  Nicoletta 
oder  wie  man  sie  in  der  Krajina  nannte,  Barbara,  war  verheirathet  an 
den  Conte  Petar  Pavlovi^  ans  der  Krajina  von  Makarska^].  Von  ihren 
fttnf  Söhnen  wurde  der  älteste  Paul  »per  disgratia  di  suo  padrec  Moham- 
medaner; der  jüngste  Tadeo  starb  in  Ragnsa  während  des  Pesljahres 
1527;  die  übrigen  drei,  Nicolo,  Georgi  und  Bartholo,  lebten  noch,  als 
Don  Nicola  sein  Testament  schrieb.  Bei  diesen  Verwandtschaftsverhält- 
nissen ist  es  nicht  aufißUlig,  dass  in  dem  Ragusaner  Hanse  des  Don  Ni- 
cola unter  der  Strasse  Prieki  put  neben  Büchern  auch  Waffen,  Panzer, 
Säbel  und  dgl.  zu  finden  waren,  über  die  er  in  seinem  letzten  Willen 
verflgte. 

Eine  reiche  Bibliothek  besass  das  Benediktinerkloster  des  hl.  Jakob 
zu  Visnjica  südlich  von  Ragusa.  Sie  wird  auch  nach  dem  Tode  des  be- 
rühmten Historikers,  des  Abtes  dieses  Klosters  Aloisius  de  Gerva  (Tnbero) 
erwähnt.  Ser  Siffismundus  Philochristus  de  Oorgiata,  filius  quondam  Ser 
Junii  Sigismundi  de  Georgio^  bestimmt  in  seinem  am  9.  Juni  1533  einge- 
tragenen Testament:  »E  perche  io  ho  di  libri  in  mia  libraria,  ligati  et 
desligati,  circa  pezi  numero  ducenti,  come  appare  per  inventario,  voglio 
che  siano  dati  alli  monachi  di  Sto  Jacomo  de  Visgniza,  per  tenerli,  dove 
se  potrano  legere  c  ^) .  Auch  in  anderen  letztwilligen  Verfügungen  dieser 
Zeit  ist  die  Rede  von  Büchern,  so  in  der  des  D,  Marmus  de  Benedictis 
(früher  meist  Marinus  Benchi  cimatoris  genannt),  artium  doctor,  1505— 
1508  und  1510 — 1512  Rector  der  Stadtschule,  zuletzt  plebanus  S.Bla- 
sii,  eingetragen  am  15.  Nov.  1537.  Er  errichtete  eine  geistliche  Stiftung 
für  einen  Priester  aus  dem  Bürgerstande,  mit  besonderer  Berücksichti- 
gung seiner  eigenen  Verwandtschaft.  iCui  lege  libros  meos,  exceptis  iis, 
quorum  mentionem  hie  fecero« :  »Titum  Livium,  Solinum,  Comucopiam 
et  Margaritam  poetaruma  vermachte  er  dem  Seraphinus  Ors.  de  Za- 


1)  Sohn  des  Paul  Petroviö  aus  den  Radivojeviöi  oder  Vlatkovidi  (Stamm- 
tafel beiKovaoeviö,  Godisnjica  X,  214),  genannt  bei  Einkünften  aus  dem  Haus 
der  Familie  in  Ragusa  >ad  Pnstemam  in  via  vocata  Pobiana  vliza«  1497  (Div. 
Not  1496—97,  f.  132),  1499  (Div.  Not  .1499,  f.  36  v.)  u.  8.  w. 

^  Testamenta  Notarie  1528—1533,  f.  195.  Einen  Sisko  Gjorgjid  zu  Anf. 
des  XVL  Jahrh.  bezeichnet  Appendini  als  Verfasser  eines  1611  in  Ron\  ge- 
druckten Gebetbuches.  Dr.  Milan  von  Resetar,  Primorski  iekcionari  XV.  vi- 
jeka,  Rad  134,  S.  118  (S.A.,  S.  39). 


430  Const.  Jireoek, 

magno  1).  Aber  je  weiter  man  die  Testamente  des  XVI.  Jahrh.  liest, 
desto  seltener  werden  Erwähnungen  von  Büchern. 

Neben  den  Bibliotheken  sind  von  cultnrgeschichtlicher  Bedeutung 
die  Projecte  zur  Gründung  einer  Buchdruckerei  in  der  Stadt.  Es 
wäre  auffallend,  wenn  in  einer  Zeit,  wo  in  so  vielen  Städten  Italiens 
zahlreiche  kleine  Druckereien  thätig  waren  und  wo  selbst  in  den  nahen 
Gebirgen  Montenegros  Bücher  in  der  neuen  Art  yeryielfältigt  wurden, 
in  Bagusa  nicht  Jemand  an  die  Errichtung  einer  typographischen  Officin 
gedacht  hätte.  Ein  Ragusaner  hat  sich  ja  in  derselben  Zeit  in  Italien 
und  in  Frankreich  als  Buchdrucker  und  Verleger  einen  berühmten 
Namen  gemacht,  Boninus  de  Boninis  de  Roffmia.  Er  hat  sein  Vater^ 
land  vor  1478  verlassen,  zuerst  mit  Magister  Andreas  de  Paltasichis  aus 
Cattaro  in  Venedig  (1478)  gearbeitet,  später  in  Verona  (1481),  dann 
längere  Zeit  (1483  f.)  in  Brescia,  dort  in  Compagnie  mit  dem  Florentiner 
Miniatus  Delsera  und  später  allein,  und  liess  sich  zuletzt  in  Lyon  nieder 
(1491  f.).  Seit  1508  verschwindet  seine  Spur.  Mit  seinen  Landsleuten, 
besonders  mit  dem  Bischof  Georgius  de  Cruce,  blieb  er  in  Verkehr  2). 
Serafino  Cerva  behauptet,  dieser  Buchdrucker  sei  ein  Verwandter  der 
Nale  oder  NaljeskovieSi  gewesen.  In  der  That  hiess  ein  Zweig  dieser 
Familie,  über  die  wir  noch  sprechen  werden,  im  XV.  und  XVI.  Jahrh. 
Dohridy  Dobriöeviö  und  einzelne  Mitglieder  derselben  Dohruschus 
oder  latinisirt  Bonus  ^  Boninus  ^  Bonicus,  Der  Name  Boninus  war 
auch  ausserdem  in  Ragusa  nicht  selten.  Ein  Canonicus  Boninus  de  To- 
lentis  de  Gurzola,  decretalium  doctor,  war  1444 — 1465  Vicar  des  Erz- 
bischofs von  Bagusa.  In  der  Mitte  des  XVI.  Jahrh.  werden  unter  der 
Bürgerschaft  erwähnt  ein  Bonino  de  Piero  Zupan  oder  Giupanouich  und 
ein  Boninus  Mathei  de  Stai.  Eine  Oertlichkeit  über  dem  Meer  zwischen 
Ragusa  und  dem  Hafen  von  Gravosa  heisst  heute  noch  » Bonino voc,  von 
einem  dieser  Bonini. 

Zu  Anfang  des  XVI.  Jahrh.  werden  Pressen  und  Lettern,  sogar 
cyrillische,  in  Ragusa  ausdrücklich  erwähnt.   Prof.  Luko  Zore  verOffent*- 


i)  Testamenta  Notarie  1536,  f.  135. 

«)  Vgl.  M.  Breyer,  0  Dobrisi  Dobridu  Dubrovoaninu,  »Vienac«  1897,  S. 
516—519.  —  Jedna  od  zbiraka  Dra  V.  Bogisida.  Zbirka  slovenskih  inkuna- 
bula.  Dnbrovnik  1898  (SA.  ans  dem  Kalender  Dnbrovnik  für  1898),  S.  5—13 
(Nr.  2,  3, 10 — 31).  —  Die  von  Eukuljeviö  aufgebrachte  slavische  Form  seines 
Namens  Dobrisa  Dobriö  ist  nicht  urkundlich  (eher  Dobrasko  Dobriöevid, 
Dobriö). 


Beiträge  zur  ragUBanischen  Literaturgeschichte.  431 

lichte  1876  im  Rad  jugoslavenske  akademije  Bd.  34,  S.  154,  Anm.  3 
eine  Stelle  aus  dem  Testament  des  1502  verstorbenen  Geistlichen  huka 
Ecuiovanoviö,  nach  welcher  derselbe  dem  Don  Paul  VukaÜnaüiö  ein 
»torcnlo  da  imprimere  libri  cum  soi  ponzoni  de  lettera  sohiava  cnm  soi 
argazic  vermachte,  das  sich  in  seinem  Hanse  befand^}.  Ein  ausfuhr- 
liches  Excerpt  ans  dem  Testamente  dieses  am  14.  Jnli  1502  verstorbe- 
nen Kaplans  der  Nonnen  von  Sancta  Maria  de  Castello  im  hochgelegenen 
Ältesten  Theil  von  Ragnsa  theile  ich  in  den  Beilagen  (1)  mit.  Aus  die- 
sem Docnment  erfahren  wir  nichts  darüber,  wie  diese  Drnckerpresse  in 
den  Besitz  des  Don  Lnka  Radovanovi6  gelangt  war.  Wir  wissen  anch 
nicht,  ob  er  dieselbe  zum  Bflcherdmck  wirklich  verwendet  hat.  lieber 
Radovanovid  selbst  kann  ich  nur  noch  sagen,  dass  er  1490  Pächter  des 
kirchlichen  Bodens  auf  der  Insel  Mercana  war,  die  anch  in  seinem  Testar 
mente  erw&hnt  wird.  Bekannter  ist  Don  oder  Pre  Polo  Vuchassmo- 
uichj  stets  mit  dem  Beinamen  »librarius«,  »libraro«,  »librer«  genannt. 
Im  J.  1493  baute  er  in  Gravosa  eine  Kirche  mit  Campanile  ^)  und  wird 
seitdem  als  Zeuge,  Epitrop  n.  s.  w.  sehr  oft  erwähnt  ^j.  Don  Nicolaus 
Bameo  ernannte  ihn  in  seinem  am  1.  April  1527  verfassten  Testament 
zu  einem  der  drei  Executoren,  denen  er  seine  Projecte  zum  Druck  von 
Büchern  in  Ragusa  selbst  anvertraute.  Doch  ist  Presbyter  Paulus  Yu- 
cassinouich  librarins,  zuletzt  Kaplan  der  St.  Lucaskirche,  schon  wenige 
Wochen  später  in  Podstranje  im  nahen  Thale  von  Breno  an  der  damali- 
gen Pest  gestorben,  nachdem  er  dort  am  20.  April  1527  sein  Testament 
itaüenisch  niedergeschrieben  hatte  ^). 

Das  merkwürdigste  Stück,  ein  Gesuch  (1514)  um  ein  Privilegium 
für  eine  Druckerei  mit  lateinischen,  griechischen  und  cyrillischen  Lettern, 


1)  Citirt  auch  von  Dr.G.A.Eaznacid,  Alcune  pagine  su  Ragusa  (Ragusa 
1881)  S.  4,  wo  gelesen  wird  »sei  ponzoni . . .  co*  suoi  argazzi«.  Das  Orig.  hat 
soi  (suoi). 

^  Diversa  Cancellarie  1492,  f.  129. 

^  Er  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  presbyter  Paulus  Vuohceuich  diotus 
Tamparizay  f  1550  (Testamenta  Notarie  1549,  f.  51  v— 52).  Das  ist  wohl  der 
Presbyter  Paulus  Uuchzich,  einer  der  epitropi  des  Radovanoviö  und  einer  der 
gastaldi  fraternitatis  presbyteromm  1524  (Div.  Not.  1524,  f.  60v)  und  der 
presbyter  Paulus  Uulcatius,  capellanus  ecclesie  S.  Nicolai  infra  muros  Ra- 
gusii  1537  (Div.  Not.  1536,  f.  164).  Ein  dritter  Geistlicher  ähnlichen  Namens 
war  presbyter  Helias  Yuchichieuich  alias  Ztfp»  {Testament  1501  in  den  Testar 
menta  1498,  f.  142). 

«)  Testamenta  Notarie  1525—1527,  f.  129. 


432  CoiiBt.  Jirecek, 

knüpft  sich  an  die  Geschichte  der  Familie  de  Primo  oder  slavisch  iVi- 
mojeviö.  Das  Project  ist  in  der  neueren  Literatur  nicht  unbemerkt  ge- 
blieben. Prof.  Oelcich  bespricht  es  in  einem  interessanten  Buch  über 
die  Familie  der  OhmuSeviöi  und  Aber  die  Beziehungen  der  ragusanisohen 
Marine  zu  Spanien  im  XVI. — ^XVII.  Jahrb.,  doch  hat  seine  Notiz  nicht 
die  Ycrdiente  Beachtung  gcAinden  ^).  Die  Primojeviöi  waren  ein  bürger- 
liches Haus,  dessen  Nachkommen  erst  nach  dem  grossen  Erdbeben  von 
1667  unter  den  Stadtadel  aufgenommen  wurden^).  Die  Mitglieder  der 
Familie  dienten  in  der  Zeit  des  MenSetiö  und  Dr£i6  durch  zwei  Oenera- 
tionen  hindurch  in  der  Kanzlei  der  Bepublik  für  slavische  Correspon- 
denz  (lidioma  nostrum«  im  Liber  Beformationum  1501,  »idioma  dalma- 
ticum«,  »matemuma  1502).  Ein  Sohn  des  Primus  de  Bon  und  seiner 
Frau  Badula  (f  1503),  Pasqualis  Primi  de  Bon,  in  slavischer  Form 
Paschoie  Primoeuich,  in  den  lateinischen  Stadtbüchem  meist  Pasqualis 
de  Primo  (oder  P.  Primi)  geschrieben,  war  45  Jahre  lang  Kanzler  der 
slayischen  Ejuizlei,  von  1482  bis  in  das  Pestjahr  1527.  Am  20.  Febr. 
1527  wurde  das  »testamentum  providi  viri  Paschalis  de  Primo,  can- 
cellarii  in  lingua  seu  idiomate  sclauo  excellentissimi  dominii  Bhagusini« 
registrirt,  verfasst  am  5.  d.  M.  in  italienischer  Sprache  ^).  Von  Pasquals 
und  seiner  (seit  1482)  Gattin  Lucretia  vier  Söhnen  wird  der  älteste  Se- 
bastiano  (Bastiane)  bei  Handelsgeschäften  genannt.  Die  übrigen  drei 
haben  alle  in  der  Stadtkanzlei  von  Bagusa  gearbeitet.  Troianus  Pas- 
qualis de  Primo  war  seit  Februar  1525  Goadiutor  des  alternden  Vaters 
in  der  slavischen  Kanzlei  und  1527 — 1536  sein  Nachfolger  im  Amte. 
Des  Troianus  Nachfolger  als  slavischer  Kanzler  war  wieder  sein  Bruder 
Nicolaus  Pasqualis  de  Primo  1536 — 1550.  uns  interessirt  hier  ein 
vierter  Bruder,  Lucas  Pasqualis  de  Primo ^  der  in  der  lateinischen 
Kanzlei  angestellt  war.  Seine  Ernennung  war  eine  Neuerung;  an  Stelle 
der  bis  dahin  seit  dem  XTTT.  Jahrh.  regelmässig  aus  Italien  berufenen 
Secretäre  treten  allmählich  geborene  Ragusaner.  Schon  im  October  1503 
wurde  der  Ragusaner  Don  Marinus  Marinchi  (de  Florio,  seit  1504  Rector 
der  Schule)  auf  drei  Monate  als  Coadiutor  in  der  Kanzlei  angestellt, 


^]  Prof!  G.  Gelcich,  I  conti  di  Tuhe^j.  Contributo  alla  storia  della  ma- 
rina  dalmata  ne'  suoi  rapporti  coUa  Spagna.  Seconda  edizione.  Bagusa,  Pret- 
ner  1890,  S.  37^39  (mit  Abdruck  des  Projectes). 

s)  Annales  Ragusini  ed.  Nodilo  p.  163. 

>)  Testamenta  Notarie  1525-<1527,  f.  68  v:  lo  Paschal  de  Primo,  can- 
cell<>  in  lingua  slaua,  vechio  e  debile  del  corpo  etc. 


Beiträge  zur  ragasanischen  Literatargeschichte.  433 

w&hrend  der  Abwesenheit  eines  der  italienischen  Kanzler ;  er  sollte  da- 
bei Bcribere  poliizas,  dohanas,  dare  et  ostendere  libros,  acceptare  scrip- 
tnras  cancellarie.  Am  19.  Januar  1504  wurde LnkaPrimojevic  Coadiutor 
auf  acht  Monate  und  blieb  seitdem  in  der  lateinischen  Kanzlei.  Slavisch 
schrieb  er  daneben  auch  gat;  wir  werden  noch  ein  in  cyrillischer  Schrift 
von  ihm  registrirtes  Testament  vorlegen.  Daneben  wurde  er  auch  zu 
Gesandtschaftsreisen  verwendet,  wie  sein  Vater;  z.  B.  1524  reiste  er  in 
Angelegenheiten  ragusanischer  Kaufleute  nach  Neapel.  Er  starb  drei 
Jahre  vor  seinem  Vater,  am  25.  September  1524,  und  hinterliess  seine 
Frau  Aniza,  Tochter  des  Florio  de  Andrea,  die  in  erster  Ehe  mit  einem 
Fiorio  verheirathet  gewesen  war,  und  drei  Söhne,  Pasqualis  (schon  1516 
volljährig  erklärt,  später  Geistlicher),  Zohanne  Fiorio,  Zohanne  Piero  ^). 
Im  März  1514  legte  der  Kanzler  Lucas  Pasq.  de  Primo  dem  Con- 
silium  Rogatorum  eine  italienisch  verfasste  Bittschrift  vor,  in  welcher  er 
darlegte,  er  wtlnsche  zur  Ehre  Gottes,  der  christlichen  Religion  und  sei- 
ner Vaterstadt,  »essendo  la  cittä  Vostra  nominata  et  extimatain  molte 
parte  del  mondocr,  in  Ragusa  die  Kunst  des  Buchdrucks  einführen, 
»l'arte  et  exercitio  de  stampar  libri«.  Anfangs  wolle  er,  bis  einheimische 
Leute  diese  Kunst  erlernen,  zwei  gute  Meister  des  Buchdrucks  aus  Italien 
bestellen,  einen  Dstampator«  und  einen  »tiratora,  nebstallen  nöthigen 
Instrumenten  und  Geräthen.  Bttcher  wollte  er  drucken  lassen  >de  bona 
et  bella  scripturav  in  lateinischer,  nach  Bedarf  auch  in  griechischer 
Sprache  und  überdies  noch  »in  lottere  rassiane  al  modo,  che  usano  li 
callogeri  dela  religione  rassiana  in  loro  chiesie«.  Bei  dieser  Gelegenheit 
hören  wir  das  Lob  des  Buchdrucks  der  Fürsten  Cmojeviöi  in  Montenegro, 
ausgesprochen  von  einem  Zeitgenossen:  »de  simile  lottere,  che  haueano 
comenzato  Zamoeuichi,  che  (zu  verstehen  ist:  opera,  stampa)  per  tuto 
era  laudata  et  apreciata«.  Die  erste  Druckerei  der  Fürsten  der  Zeta 
wird  also  in  Bezug  auf  Form  und  Inhalt  ihrer  Erzeugnisse  als  ein  allge- 
mein anerkanntes  Muster  hingestellt.  Daran  schliesst  sich  ein  Lob  der 
kirchlichen  Literatur  in  der  Drassianischen«  Sprache:  »et  in  questo 
ydioma  se  trouano  libri  et  authori  dignissimi,  maxime  in  cose  sacre  et 
ecclesiasticheir.  Die  Verantwortlichkeit  über  die  Auswahl  der  Druck- 
werke scheint  Lucas  de  Primo  von  sich  ablehnen  zu  wollen;  die  Meister, 

1)  Testamenta  Notarie  1519—1524,  f.  229.  Das  Test.  Annizae,  uxoris 
Ser  Luce  Pasq.  de  Primo,  von  1518  eingetragen  erst  1561  in  den  Testamenta 
1555,  f.  208.  Presbyter  Paschalis,  filius  quondam  Ser  Luce  Pasqualis  de  Primo, 
cancellarii  communis  Ragusii,  Div.  Not.  1536,  f.  221. 

ArohiT  fftr  slaviache  Philologie.  XII.  28 


434  Const  Jireoek» 

sagt  er,  werden  >nno  intelligente  a  haben,  der  sie  leiten  wird.  Um  die 
grossen  Einrichtungskosten  bestreiten  zu  kOnnen,  bittet  er  den  Senat, 
ihm,  wie  es  bei  der  Einfllhmng  anderer  Gewerbe  oft  geschehen  war,  ein 
Hans  und  ein  Geschftftslooal  auf  dem  Hanptplatz  anweisen,  sowie  Zoll- 
freiheit für  das  eingeführte  Papier  gewähren  zu  wollen.  Die  Hauptsache 
ist  aber  ein  Privilegium,  nach  der  in  Italien  Ablieben  Art,  auf  15  Jahre, 
vor  deren  Ablauf  Niemand  als  er  allein  die  Buchdruckerkunst  in  Ragusa 
und  dessen  Territorium  ausflben  dflrfe.  Zum  Schluss  wird  nochmals  auf 
den  Nutzen  dieser  Kunst  fflr  die  Edelleute,  Bflrger  und  Nonnen  der 
Stadt  aufmerksam  gemacht.  Das  Consilium  Rogatorum  bewilligte  am 
8.  März  1514  mit  38  gegen  5  Stimmen  das  gewünschte  Privil^um. 
Ein  vom  Consilium  minus  anzuweisendes  Haus  und  eine  ostalio  ad  pla- 
team«;  beides  »sine  solutione  afifictus  alicuius«,  wurde  mit  33  gegen  10 
Stimmen  in  Aussicht  gestellt.  Sollte  aber  Lucas  Pasq.  de  Primo  inner- 
halb eines  Jahres  die  Arbeit  nicht  beginnen,  so  erlöschen  alle  diese  Be- 
günstigungen. Ein  Jahr  später  hatte  Lucas  die  Druckerei  in  der  That 
noch  nicht  eröffnet  und  suchte  deshalb  um  eine  Verlängerung  des  Ter- 
mins um  acht  Monate  an,  was  ihm  das  Consilium  Bogatomm  am  13. März 
1515  mit  allen  gegen  zwei  Stimmen  bewilligte  (Beilage  2). 

Vergeblich  suchten  wir  in  den  Raths-  oder  Notarialbflchem  der 
nächsten  Jahre  eine  weitere  Nachricht  über  dieses  Unternehmen.  Luka 
Primojevii^  ist  es  wahrscheinlich  nicht  gelungen,  die  nöthigen  Meister  zu 
gewinnen ;  vielleicht  fehlte  es  ihm  auch  an  Geld. 

Von  Bttcherdruck  lesen  wir  dann  in  dem  bereits  erwähnten  Testa- 
ment des  Don  Nicolaus  Mich.  Bameus  [\  1529).  Von  seinen  Schen- 
kungen ist  eine  Reihe  alter  Codices  ausgenommen,  »libri  antiqui,  ligati 
et  desligati,  scripti  cor  acter  e  langobardot^  wahrscheinlich  aus  Unter- 
italien, aus  den  Benedictinerklöstem  von  Monte  Cassino  u.  A.,  theologi- 
schen Inhaltes,  Werke  von  Remigius  episcopus  Remensis,  Beda,  Inno- 
cenz  III.  u.  A.  Die  Bücher  hatte  Bameus  während  seiner  Verbannung 
1510  nach  Italien  mitgenommen  und  wollte  sie  dort  drucken  lassen,  doch 
glückte  ihm  dies  nicht,  wegen  der  vielen  damaligen  Kriege  und  Pest- 
krankheiten.  Seine  drei  Testamentsexecutoren,  Ser  Bernardo  de  Bin- 
ciola,  Don  Marino  de  Benedictis  und  Don  Paulo  Vukasinoviö  bat  er, 
seinen  Plan  auszuführen ;  er  habe  eigens  drei  reiche  Männer  dazu  aus- 
ersehen, »accio  che  essi  li  faccino  imprimere  qui  in  Magusi  con  aiuto 
della  Signoria«.  Sollte  dies  aber  nicht  möglich  sein,  so  sollen  sie  die 
Codices  dem  Kloster  des  hl.  Jakob  zu  Visnjica  übergeben  (Beilage  3). 


Beiträge  zur  ragnsanischen  Literatargeschichte.  435 

In  einigen  Handbflchem  wird  angegeben,  in  Ragusa  habe  der 
Bflcherdmck  im  J.  1524  begonnen  ^).  Doch  beruht  dies  auf  einem  MIbs- 
verständnisB.  Anlass  dazu  gab  eine  gedruckte  Zeitung  aus  diesem  Jahre : 
jiEpistola  Michaelis  Bocignoli  Ragusei  ad  Oerardum  Planiam,  Oaesareae 
Maiestatis  secretarium,  in  qua  exponit  causas  rebellionis  Axmati  (sie)  a 
Solymano  Turcarum  imperatore«  eto.,  zwei  Quatemionen  (A,  Bj  oder 
8  Bl&tter,  ohne  Angabe  des  Druckortes.  Der  Brief  selbst  ist  zum  Schluss 
datirt  Ragusü,  29.  Juni  1524  ^j.  Dieses  Datum  wurde  irrthflmlich  als 
Druckort  angesehen.  Bei  den  Verboten  der  Sepublik  gegen  jede  Cor- 
respondenz  Aber  Ereignisse  in  der  Nachbarschaft  nach  auswärts  und  bei 
den  Schicksalen  des  Bueignolo  selbst,  die  wir  noch  erörtern  werden,  ist 
die  Annahme  von  Ragusa  als  Drnckort  ganz  ausgeschlossen.  Die  Bro- 
schüre ist  eher  in  Wien  oder  in  Deutschland  gedruckt  worden  ^) .  Eine 
Druckerei  wurde  in  der  Republik  erst  im  XVUI.  Jahrh.  eröffnet. 

Buehhändler  waren  in  Ragusa  die  »librarii«,  Don  Paul  Vuka&i- 
noviö  (f  1527),  Sebastiano  de  Boiso  aus  Mailand  (f  1555)  und  Antonio 
de  Odolis  aus  Brescia.  Was  die  Ragusaner  dieser  Zeit  zu  kaufen  und 
zu  lesen  pflegten,  erfahren  wir  aus  einem  Inventar  von  drei  Eisten 
Bttcher,  welche  1549  der  Buchdrucker  Traiano  Navö  aus  Venedig  durch 
Vermittelung  des  Don  Nicolaus  de  Gozze,  Archipresbyter  der  Kathedrale 


^)  Dr.EarlFalkenstein,  Geschichte  der  Buch druckerkanst,  Leipzig  1840, 
40  S.  395  im  chronologischen  Verzeichniss  der  Dmckorte.  Von  dort  wieder- 
holt in  den  CoUectaneen  P.  J.  SafaHk's  bei  Dr.  C.  Zibrt,  Ffisp^vky  ke  studiu 
bibliothecmch  soustav  a  zaHzeni,  Prag  1898.  Graesse,  Lehrbuch  einer  allg. 
LiterSrgeschichte  aller  bekannten  Völker  der  Welt,  III,  1  (Leipzig  1852), 
S.  218:  »Mit  dem  Datum  von  1524  führt  Gotton,  Typogr.  Gazett.  p.  236  einen 
Druck  von  Michael  Bocignolius  Schrift  Über  den  Tflrkenkrieg  von  Ragusa 
an«  (im  Register  der  Druckorte  Ragusa  1524  mit  Fragezeichen). 

2)  Ein  Exemplar  in  der  kais.  Hof  bibliothek  in  Wien  (40.  Q.  130).  In  der 
Sammlung  Eukuljeviö  in  Agram  eine  handschriftliche  Copie  (Enjii^eynik  II, 
311).  Den  Inhalt  des  Briefes  bildet  die  Geschichte  des  Aufstandes  des  Statt- 
halters von  Syrien  Ghasalibeg  (1520 — 1521),  sehr  abweichend  von  der  bei  Ham- 
mer, 2.  A.,  n,  S.  18 — 19  dargelegten.  Daran  schliesst  sich  eine  ausführliche 
Erzählung  über  die  Walachei  und  deren  Fürsten  an;  in  ital.Uebersetzung  bei 
Jorga,  Pretenden];!  domnesci  in  secolul  al  XVI-lea  (Analele  der  rumän.  Aka- 
demie, II.  Serie,  Bd.  19),  S.A.,  Bukarest  1898,  S.  79—82.  Zum  Schluss  ein 
Bericht  über  die  Abweisung  eines  türkischen  Angriffs  auf  Clissa  und  über 
den  Fall  von  Ostrovica. 

8)  Euknljeyiö,  Stari  pisci  I,  Vorrede  S.  XXVIU  bezeichnet  Wien  als  den 
Druckort. 

28* 


436  Const.  Jirecek, 

von  Ragusa,  an  Antonio  de  Odolis  sendete  (Beilage  4).  Es  waren  fiber 
700  Exemplare,  darunter  auch  nicht  geheftete  Stücke  (a  risma).  Die 
damalige  Begeisterung  ftlr  das  klassische  Alterthum  ist  an  der  ganz 
stattlichen  Menge  der  lateinischen  und  griechischen  Autoren  in  Original 
und  Uebersetzung  zu  sehen,  die  durch  ungefähr  200  Exemplare  vertreten 
sind.  Am  meisten  begehrt  waren  Cicero,  Horaz  und  Ovid.  Es  fehlen 
neben  den  Dichtem  nicht  die  Prosaiker,  Herodot,  Xenophon,  Polybius, 
Plinius,  Appian,  Plutarch  u.  A. ;  im  griechischen  Original  finden  sich 
vor  Homer  und  Hesiod.  Ausser  den  lateinischen  i^Elegantiaec  von  Laur. 
Valla  und  Grammatiken  gab  es  auch  griechische  Handbücher  von  Eonst. 
Laskaris  und  Theodor  Gazes.  Neben  Euklid  und  Dioskorides  war  in 
dem  Bficherladen  des  Antonio  de  Odolis  das  medicinische  Buch  des  Paul 
von  Aegina,  eines  Byzantiners  des  VH.  Jahrb.,  zu  haben.  Die  mittel- 
alterliche lateinische  Literatur  ist  vertreten  durch  Petrus  de  Grescentiis 
über  den  Ackerbau  und  den  Alchimisten  Amaldus  de  Villanova,  durch 
Notarialformulare  und  durch  Theologica,  wie  denn  auch  Bibeln,  Evan* 
gelien,  Episteln,  Legenden  u.  A.  nicht  fehlen.  Zahlreich  sind  in  dem 
Verzeichniss  die  neulateinischen  Werke  von  Poggio  (die  Facetien),  Lau- 
rentius  Valla,  Pontanus,  Aldus  Manutius,  Erasmus  von  Rotterdam,  sowie 
die  der  italienischen  Historiker  Marcus  Antonius  Sabellicus  und  Paulus 
Aemilius.  Bemi  oder  Bernia  mit  den  Erzeugnissen  seiner  burlesken 
Dpoesia  bemescaa,  Ariosto  mit  seinen  Schauspielen,  Sonetten  und  epi- 
schen Dichtungen  und  der  damals  in  Venedig  lebende  Pietro  Aretino 
stehen  unter  den  Italienern  im  Vordergrund,  neben  Petrarca,  Castiglione, 
Machiavelli,  Varchi,  Giraldi,  dem  Historiker  der  venetianischen  Türken- 
kriege Guazzo,  den  »Viaggie  ungenannter  Autoren  u.  s.  w.  Sehr  beliebt 
waren  alle  Stoffe  der  Earlssage:  die  i^Reali  di  Francia«,  i»Bovo  d'An- 
tonac,  der  »Morgante  maggiorec  des  Pulci,  der  »Orlando  innamoratoi 
des  Bemi,  der  »Orlando  fnrioso«  des  Ariosto,  die  »Marfisaa  des  Aretino 
und  des  Giambattista  Dragoncino,  die  »Lacrime  d'Angelicaa  des  Are- 
tino. Dazu  gesellen  sich  »Innamoramenti«,  wohl  der  Roman  von  Florio 
und  Biancifiore,  und  »U  Meschinoc.  Von  Schauspielen  waren  begehrt 
die  des  Ariosto  und  Giraldi. 


Beitrüge  zur  ragasanischen  LiteraturgeBchichte.  437 

IL   Znr  lateinisclieii  Literatar  der  Bagnsaner. 

iVoleius  Blasii  de  Babalio  und  der  Kanzler  Joannes  Laurentius  Reginns  aus 
Feltre.  Petrus  Marini  de  Menze,  poeta  laureatus  (f  1508).  Carolus  Pauli  de 
Puteo  (f  1522).  Aelius  Lampridius  Cerva  als  Rector  der  Schule,  Castellan  von 
Stagno  (1495)  und  Sokol  (1504—5),  zuletzt  Canonicus  (f  1520).  Der  Abt  Aloi- 

sius  Cervinus,  genannt  Tubero  (f  1527). 

üeber  die  ersten  neulateinischen  Dichter  der  Humanistenzeit  in  Ra- 
gusa kann  ich  etwas  Genaueres  mittheilen.  In  der  letzten  Abhandlung 
bezeichnete  ich  als  wahrscheinlich  den  ältesten  derselben  den  Volcius 
Blasii  de  Babalio  (VnkBobaljevid),  einen  hervorragenden  ragnsanischen 
Diplomaten  des  XV.  Jahrb.,  der  den  letzten  byzantinischen  Kaiser^  die 
letzten  griechischen  Despoten  von  Morea,  den  Despoten  Georg  von  Ser- 
bien, den  Herzog  Stipan  VQkSi<5,  den  König  Ladislaus  Posthumus  und 
andere  berühmte  Zeitgenossen  persönlich  kannte  ^).  Die  Nachricht  des 
Kukuljevi^,  auf  die  ich  mich  berief,  stammt  ans  des  Serafino  di  Cerva 
um  1 740  verfassten  »Bibliotheca  Ragusina 1 2).  Der  gelehrte  Dominikaner 
aus  der  alten  Ragusaner  Schriftstellerfamile  entnahm  seine  Notiz  einem 
Codex  des  Klosters  des  hl.  Jakob  zu  Visnjica,  welcher  lateinische  und 
italienische  Gedichte  des  Joannes  Laurcntins  Reginns  ans  Feltre  enthielt, 
eines  Notars  der  Ragusaner  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrb.  ^) :  »Plura  ad 
Voltium  nostrum  epigrammata  dedit,  in  quibus  virum  laudat,  litterarum 
studüs  addictum,  librorum  copia  praeditum  et  egreginm  dignumque 
Aonio  choro  poetamf.  Ein  Gedicht  wird  mitgetheilt:  »Ad  Voltium  Bo- 
balium,  patricium  Ragusinum,  Joannes  Laurentius  Rheginus«  : 

Se  tu  sei  dormentato,  per  svegliarti 
Et  risonando  udir  tua  dolce  lira, 
Laqual  cho  tal  Stupor  Apollo  mira, 
Che  parmi  vol  di  lauro  verde  omarti  etc. 


*)  Volcius  Blasii  de  Babalio,  1440  Mitglied  des  grossen  Rathes,  »obiit  in 
Ungaria«  (ohne  Jahr)  nach  dem  »Specchio«.  Sein  Altersgenosse  war  Michiet 
VoIqo  de  Babalio,  f  1475.  Bei  Serafino  di  Cerva  wird  der  Dichter  wohl  irr- 
thflmlich  als  »Voltius,  Michaelis  filius«  bezeichnet:  ein  Volcius  Michaelis  de 
B.  (Vlksa  Misetiö)  gehört  in  die  Zeit  um  1405,  Spomenik  XI,  50. 

^  Auf  meiner  Reise  1897  benutzte  ich  eine  Copie,  4  voll.  fol.  (das  Auto- 
graph ist  bei  den  Dominikanern  in  Ragusa)  in  der  Bibliothek  des  Gymnasiums 
von  Zara,  wobei  ich  der  zuvorkommenden  Unterstützung  des  Bibliothekars 
Herrn  Prof.  V.Brunelli,  eines  allen  Freunden  der  Geschichte  Dalmatiens  wohl- 
bekannten Historikers,  dankbar  gedenke. 

3)  üeber  diesen  Kanzler  vermag  ich  leider  nichts  N&heres  anzugeben. 


438  Gonst.  Jireoek, 

Der  Codex  ist  nicht  yerschoUen.  Durch  die  Freundlichkeit  eines 
Nachkommen  der  alten  Patricier  von  Ragusa,  des  Advocaten  Herrn  Dr. 
Mato  von  Zamagna,  lernte  ich  das  Verzeichniss  des  umfangreichen  Nach-' 
lasses  eines  als  Büchersammler  bekannten  Geistlichen  der  Stadt  kennen : 
«Catalogo  dei  libri  rari,  manoscritti  e  membranacei,  appartenenti  alla 
biblioteca  relitta  da  Don  Luca  Paulovid.  Ragusa.  Alle  spese  della  massa 
ereditaria  1889«  (8<>,  30  S.)-  Pavlovi6>]  besass  zahlreiche  Ineunabeln 
lateinischer  und  griechischer  Klassiker,  sowie  eine  Anzahl  Handschrif- 
ten auf  Pergament  und  Papier,  meist  theologischen  Inhaltes.  Nr.  775 
des  Catalogs  ist  bezeichnet:  »Giov.  Lorenzo  Regino  di  Feltre,  cancel- 
liere  della  Rep.  di  Ragnsa  (1460  circa],  poesie  diverse  ital.  e  latine,  ms. 
autogr.  4®,  vi  mancano  poche  pagine  in  principio  e  in  finea.  Das  ist 
wohl  die  Handschrift,  die  Serafino  di  Gerva  einst  » in  Saigaoobaeo  asce- 
terioc  gelesen  hat.  Die  Bibliothek  des  Don  Luca  Pavlovi6  scheint  über- 
haupt viele  Reste  der  in  den  Zeiten  Napoleon's  I.  verschleppten  Biblio- 
theken der  aufgehobenen  Benediktinerklöster  von  Meleda,  Lacroma  und 
St.  Jakob  zu  enthalten.  Sie  befindet  sich  jetzt  im  Besitz  eines  Ragnsaner 
Juristen,  des  Herrn  Dr.  M.  Graciö.  Die  archivalischen  Aufgaben,  die  ich 
binnen  wenigen  Wochen  zu  bewältigen  suchte,  gestatteten  mir  leider  nicht, 
diese  Büohersammlung  aufzusuchen.  Die  Handschrift  könnte  jedenfalls 
manche  Aufschlüsse  über  die  Literatur  von  Ragusa  im  XV.  Jahrb.,  in 
der  Zeit  zwischen  Philippus  de  Diversis  und  Aelius  Lampr.  Gerva  bieten. 

Babalio  gehört  in  die  Mitte  des  XV.  Jahrh.  Von  den  besser  be- 
kannten lateinischen  Poeten  der  zweiten  Hälfte  desselben  Jahrhunderts 
war  der  älteste  der  »poeta  laureatusoc  PetrtM  Marini  de  Menze,  Sohn 
des  Ser  Marinus  Petri  de  Menze  ^)  und  Bruder  des  Savinus.  Geboren 
1451,  wurde  er  in  das  Gonsilinm  malus  aufgenommen  am  1.  Dec.  1472, 


1)  Don  Luca  Pavloviö  war  ein  leidenschaftliofaer  Sammler,  ja  manches 
hat  nach  seinem  Tode  in  die  —  Archive  zurückgestellt  werden  müssen  (vgl. 
Spomenik  XI,  24).  £r  war  ein  Sonderling,  der  in  seinen  letzten  Lebensjahren 
in  merkwürdige  Wahnideen  verfiel.  So  soll  er  behauptet  haben,  das  alte  Rom 
sei  in  —  Epidaur  (Ragusa  vecchia,  sl.  Gavtat)  gewesen,  wo  er  sogar  auch  die 
sieben  Hügel  ausfindig  machte;  erst  die  Venetianer  hätten  in  den  Hand- 
schriften des  Livius  and  anderer  Historiker  überall  den  Namen  Epidaur  ge- 
löscht und  Roma  dafür  gesetzt! 

*)  Nicht  des  Marinus  Lampridii  de  Menze,  wie  ich  im  Archiv  XIX,  62 
meinte.  Der  Dichter  ist  auch  nicht  zu  verwechseln  mit  seinem  Zeitgenossen 
Petrus  Andree  de  Menze,  geb.  1459,  in  das  Gonsilium  malus  aufgenommen 
1479,  •{•  1522. 


1 


Beiträge  zur  ragiuaiiiBohen  Literaturgeschichte.  439 

21  Jahre  alt.  Er  hat  in  Italien  wahrscheinlich  die  Rechte  stndirt;  in 
den  Bathsbflchem  wird  er  daher  als  »dominus«  oder  i^misser«  titulirt, 
nicht  einfach  als  Ser^).  Bald  finden  wir  ihn  in  den  Aemtem,  als  einen 
der  drei  officiales  der  »Lavorieri  de  pagamentof  1473,  der  drei  »officiali 
de  scritta  d'armamentoc  1477,  1479,  sowie  der  drei  »fontigieri«  in  der 
»gabella  del  fontico«  1485,  daneben  als  einen  der  sechs  »advocati  del 
proprio«  1484,  1487  und  noch  dreimal  bis  1497.  Er  war  zu  sehr  Kind 
seiner  Zeit,  um  nicht  bei  Oelegenheit  auch  mit  der  Wucht  physischer 
Kraft  aufzutreten.  Im  Juli  1484  wird  vor  Gericht  geklagt,  dass  Petrus 
Mar.  de  Menzis  decapillavit  et  verberavit  cum  manibus  Yocaz  petrarium 
»prope  Sanctnm  Petrumc^).  im  Juli  1486  heirathete  er  Nicoletta, 
Tochter  des  Ser  Zohanne  di  Buchia ') .  In  den  jährlich  wechselnden 
Aemtem  der  Republik  war  er  unter  den  »advocati  del  comun«  1488, 
1496,  1499,  unter  den  drei  »officiali  deir  arte  di  lana«  1489,  1491, 
unter  den  21  Mitgliedern  des  Appellationsgericbtes  von  1491  angefangen 
öfters  bis  1499,  unter  den  fünf  »cazamortia  1495,  unter  den  sechs  »con- 
soli  delle  cause  civiliv  1498.  Dreimal  war  er  Oonte  von  Stagno,  1495, 
1502, 1506,  daneben  nochmals  »advocato  del  proprio«  1501,  1505.  Als 
Procurator  der  Klöster  und  Kirchen,  wozu  stets  je  drei  Nobiles  auf  drei 
Jahre  bestimmt  wurden,  wurde  er  gewählt  für  die  Dominikaner  1490, 
fflr  die  Franziskaner  1494,  fflr  das  Kloster  S.  Maria  Angelorum  1499. 
Die  Rectorswilrde  bekleidete  er  im  December  1504.  Ausserdem  finden 
wir  ihn  auf  Oesandtschaftsreisen,  z.  B.  1501  nach  Gattaro,  Anfang  1503 
bei  SkenderbaSa,  dem  Sand&akbeg  von  Yerchbossania  (Sarajevo),  im 
November  d.  J.  bei  Mechmetbeg,  dem  Sandi^ak  der  Herzegovina,  an  der 
Narentamflndung,  1504  in  Venedig.  Sein  Testament  ist  registrirt  am 
4.  Februar  1508:  »testamentum  nobilis  viri  etpoete  domini  Petri  Mar. 
dcMenoe,  nudius  tercius  deAinctia,  ganz  lateinisch  geschrieben,  während 
die  Testamente  dieser  Zeit  in  der  Regel  italienisch  redigirt  sind  4).  Unter 


1)  Wo  er  den  Dichterlorbeer  erlangt  hatte,  ist  nicht  bekannt.  Damals 
war  dies  gar  nicht  so  schwer.  Vgl.  die  Satire  des  Giammario  Filelfo  »in  vul- 
gus  eqnitum  auro  notatomm  ...  et  poetarum  laureatorum«  bei  Abbate  Giro- 
lamo  Tiraboachi,  Storia  della  litteratura  itaL  VI,  2  (Napoli  1781),  p.  253—254; 
vgl.  Georg  Voigt,  Die  Wiederbelebung  des  class.  Alterthums,  3.  A.  (Berlin 
1893)  1,531. 

s)  Lamenta  de  intus  1484,  f.  146. 

3)  Registro  Maritaggi  de  Nobili  f.  10  (Ivit  ad  maritum  1486, 18  Julii). 

«)  Testamenta  Notarie  1506,  f.  61  sq. 


440  Const.  Jireoek, 

Anderen  ist  darin  die  Rede  von  120  Dacaten,  »missi  emptum  pannos  in 
Britanniam  de  mea  rationeir ;  der  Dichter  hat  sich  also  von  den  Handels- 
geschäften seiner  Mitbürger  nicht  fem  gehalten.  »Libros  meos  omnes 
Yolo  yenumdari,  si  Joannes  mihi  filins  discere  nolueritc  Seine  Wittwe 
Nicoletta  starb  1 539 1).  Sein  einziger  Sohn  Johannes  hat  nach  Art  fiber- 
mttthiger  Herrensöhne  gelebt ;  in  den  Protokollen  des  Consilimn  Boga- 
toram  ist  am  12.Febrnar  1517  zu  lesen,  dass  Ser  Johannes  dominiPetri 
de  Menze  snperioribns  diebus  animo  premeditato  interfecit  ad  plateam 
Blasiam  Radossani  Ginrasseuich.  Dieser  Jagendstreich  hinderte  den 
Sohn  des  Poeten  später  nicht  an  der  Wahl  zu  verschiedenen  Aemtem ;  er 
war  Comes  1528  in  Slano,  1529,  1535  auf  der  Isola  di  Mezzo,  1531  in 
Canale.  Von  den  drei  Töchtern  des  lorbeergekrönten  Dichters  war  Or- 
snla  oder  Ora  seit  November  1516  verheirathet  an  Ser  Stephanns  S.  de 
Benessa,  Aniza  seit  1526  an  Ser  Sigismnndus  Ju.  de  6oze;  die  dritte, 
Maria,  blieb  unvermählt.  Serafino  di  Cerva  im  Xyni.Jahrh.  kannte  den 
Rohm  des  »poeta  laureatas«  Petras  Mentias,  aber  von  seinen  Gedichten 
war  ihm  nichts  mehr  bekannt :  »Qaamvis  nallam  hac  nostra  aetate  scrip- 
toram  atqne  poematom  Petri  Menzii  sapersit  vestigiam,  illam  nihilomi- 
nas  eximiam  faisse  poetam  et  immortali  lande  dignam  nemo  negabit«. 
Charakteristisch  für  die  geringe  Intensität  der  Qaellenstndien  des  Sera- 
fino di  Cerva  ist  der  Zweifel,  ob  der  Dichter  den  Nobiles  dieses  Na- 
mens oder  einer  gleichnamigen  Bürgerfamilie  angehörte;  bei  einem 
Einblick  in  die  Archivbflcher  kann  doch  über  diese  Frage  nicht  der 
kleinste  Zweifel  obwalten  ^j . 

Ein  wenig  jünger  war  Ser  Carolas  Pauli  de  Poza  oder  latinisirt 
de  Puteo^  Sohn  des  Ser  Paulas  Nie.  de  Poza.  Geboren  im  J.  1458, 
wurde  er  mit  20  Jahren  am  4.  Nov.  1478  in  den  grossen  Rath  aufge- 
nommen. In  den  Aemtem  wird  er  oft  genannt:  1488  und  wiederholt  in 
den  folgenden  Jahren  unter  den  »advocati  del  proprio«,  1499  unter  den 
»advocati  alla  camera  deir  arte  della  lana«r,  1506  als  Conte  von  Stagno, 
1511  als  Conte  von  Slano,  1516 — 17  als  Conte  von  Canale,  1515, 1519, 


1)  Ihr  Testament  ist  am  7.  Aug.  1539  registrirt  in  Test.  Not  1539,  f.  33. 

^)  Im  Katalog  der  gedruckten  Bücher  des  British  Museum  findet  man 
unter  dem  Namen  Petrus  Mentius  zwei  Werke,  eine  Oratio  pro  capessenda 
expeditione  contra  infideles,  habita  in  capella  palatii  apostolici  1490  und  eine 
Relation  des  Bischofs  von  Cesena  an  den  Papst  »super  falsis  brevibus  aposto- 
licis«,  Rom  1497.  Dieser  Römer  Mentius  ist  mit  dem  Ragusaner  Menze  nicht 
identisch. 


Beitrüge  zur  raguBanischen  LiteratnrgeBohichte.  441 

1520  als  Mitglied  des  Consilinm  Rogatorum.  Am  19.  März  1500  hei- 
rathete  er  Nicoletta,  Tochter  des  verstorbenen  Ser  Aloisio  de  Giorgi ; 
seine  Söhne  Pandnlphns  (f  1555)  nnd  Raynaldns  Caroli  de  Poza  erschei- 
nen im  XVI.  Jahrh.  in  verschiedenen  Aemtem,  Pandnlphns  z.  B.  1542 
gleichfalls  als  Conte  von  Slano,'  nachdem  er  früher,  1535,  auf  einer 
Handelsreise  in  Chios  gewesen  war.  Carolns  de  Poza  starb  im  Febrnar 
1522  ^].  Er  besass  von  seinem  Vater  einen  nicht  unbedeutenden  Besitz; 
bei  der  »parzogna«  (Theilung)  mit  seinem  Bruder  Pandnlphns  1503 
fielen  ihm  zahlreiche  Ornndstücke  auf  der  Insel  Zupana,  ein  Haus  in 
Zaptat  (Ragusa  vecchia)  und  Weinberge  in  Gravosa  zu  ^) .  Befreundet 
war  er  mit  dem  Bücher  sammelnden  Bischof  Georgius  de  Cmce ;  unter 
den  Testamentsexecutoren  des  gelehrten  Prälaten  erscheint  »dominus 
Carolus,  fauste  memorationis  Pauli  de  Puteo  filius«.  i» Carolns,  Slani 
praefectus«r,  der  des  Aelius  Lampr.  Cerva  Alascivientia  carmina  laces- 
sivita  3),  war  unser  Carolus  de  Poza,  der  die  Würde  eines  Conte  dl  Slano 
nur  einmal  bekleidete:  1511  vom  26.  Februar  bis  24.  October,  wo  Pe- 
trus Nat.  de  Saracha  sein  Nachfolger  wurde.  Serafino  di  Cerva  schreibt 
von  Poza,  dass  er  trotz  vieler  Amtsgeschäfte  »Mnsas  secum  peregrinari, 
rusticari,  cubare,  coenare,  una  simul  vivere  volebat,  nee  eas,  quamvis 
negotiorum  mole  distentns,  a  latere  suo  vel  ad  horam  discedere  patieba- 
turff.  Ob  aber  seine  Gedichte  erhalten  seieu,  sagt  Cerva,  »plane  ignoro«; 
er  kennt  nur  ein  Gedicht  in  den  Büchern  des  Georgius  Benignus,  ein 
Lob  der  Schrift  desselben  »De  natura  Angelorum«  (1499).  Diese  Dich- 
tungen sind  nicht  verschollen.  Ein  Epigramm  des  Carolns  Pnteus  ist 
abgedruckt  nach  einer  Vorrede  des  Aelius  Lampridius  Cerva  vor  des 
Georgius  Benignus  )» Oratio  funebris,  habita  pro  magnifico  et  generöse 
senatore  Junio  Georgio,  patritio  Ragusino,  in  aede  divi  Francisci  ^TTT 
Kai.  Mart.  MCCCCLXXXXVUUc^j.     In  der  Sammlung  südslavischer 


^)  Testamentum  Ser  Caroli  Pau.  de  Puteis,  lateiniBcb,  ganz  kurz,  datirt 
Ragusa  13.  Februar  1522,  eingetragen  am  17.  d.M.  in  den  Testamenta  Notarie 
1519 — 1524,  f.  117.  Von  Büchern  ist  keine  Rede.  Genannt  werden  sein  Bruder 
PandulphuB  (geb.  1454),  sowie  vier  Kinder  des  Erblassers,  die  Söhne  Raynal- 
dus  und  Pandulphus  und  die  Töchter  Petronella,  die  »dotem  et  perchiuiuma 
erhält, .  und  Anucla,  die  ins  Kloster  gehen  soll  (Anuclam  volo  de  bonis  meis 
monachari  et  in  monasterium  monialium  more  solito  ad  seruiendum  sponso 
altissimo  dari  et  poni). 

2)  Diversa  Notarie  1502,  f.  51. 

8)  Backt,  Starine  IV,  190,  vgl.  ib.  187. 

')  In  der  Sammlung  von  Bogisid  Nr.  38  (s.  die  folg.  Anm.). 


442  CoABt  Jireoek, 

Incnnabeln  des  Herrn  Dr.  Balthasar  Bogisi^  ans  Ragnsa,  gegenwärtig 
Jostizministers  im  Fflrstenthnm  Montenegro,  befindet  sich  des  Carolas 
Pntens,  patricins  Ragnsinus,  »Elegiarnm  iibellns  de  landibns  Gnesae 
pnellaecr,  4  El.  in  8^,  ohne  Angabe  des  Drackortes,  gedmckt  wahrschein- 
lich in  Venedig  zu  Ende  des  XV.  Jahrh.  i). 

Znr  Biographie  des  berühmten  lateinischen  Dichters  Aelius  Lam- 
pridius  Cerea  (geb.  1463,  f  1520)  habe  ich  einige  Notizen  nachcntragen, 
darunter  anch  solche,  die  das  Temperament  des  Mannes  näher  beleuch- 
ten. Sein  Vater  Ser  Lampre  (Lampriza)  Helie  de  Crieva  war  im  Jnni 
1486  Rector  der  Republik  gewesen  und  ist  1487  aus  dem  Leben  ge- 
schieden.  Des  Aelius  Bruder  Troianus,  der  in  Adrianopel  1493  gestor- 

y 

ben  ist  und  wegen  dessen  Nachlass  Sisko  MenSeti6  als  Bevollmächtigter 
der  Betheiligten  in  die  Türkei  reiste  (Archiv  XIX,  68),  war  sechs  Jahre 
älter,  in  den  grossen  Rath  aufgenommen  1477,  also  geb.  1457.  Schon 
bei  der  Aufnahme  in  den  grossen  Rath  am  1.  Dec.  1483  ist  der  Name 
Elias  in  Aelius  verändert:  »Ser  Helius  Lampr.  de  Crieuat.  Der  Bei- 
name poeta  in  den  Archivbüchern,  sogar  bei  Pacht  von  Weinkellern 
oder  Ankauf  von  Brettern,  ist  wahrscheinlich  nicht  immer  als  Ehren- 
titel gedacht,  sondern  meist  nur  der  Unterscheidung  wegen  gesetzt.  Es 
gab  nämlich  zu  dieser  Zeit  noch  drei  andere  Elias  unter  den  Cerva's : 
Hellas  Mat.  de  Orieva  (f  1486)  und  dessen  Nachkommenschaft,  Hellas 
Andree  (f  1482)  und  Hellas  Nicolai  (1493  Castellan  von  Sokol  u.  s.  w.). 
Sohn  eines  dieser  drei  und  nicht  des  Aelius  war  Baptista  Helie  deCrieva, 
welchen  das  Consilium  Rogatorum  am  10.  März  1506  zugleich  mit  Seba^ 
stianus  Mich,  de  Proculo,  »causa  insultus  inhonesti,  facti  contra  duas 
puellas,  que  de  nocte  ibant  ad  barberium  causa  infirmitatis  olim  Ser 
Mathei  Dym.  de  Ragnina a^  zu  4  Monaten  »in  uno  ex  tribus  carceribus  anti- 
quis,  januis  clausisa  verurtheilte ;  Sebastian  entsprang  aus  dem  finsteren 
Verliess  schon  vier  Tage  später,  Baptista  wurde  am  5.  Mai  begnadigt. 

Die  lateinische  Oedächtnissrede  des  Aelius  für  den  König  Mathias 
Corvinus  (f  1490)  war  noch  im  frischen  Gedächtniss,  als  der  lorbeer- 
gekrönte Poet  einen  argen  Skandal  provocirte.  Der  28  jährige  Huma- 
nist hatte  einen  Wortwechsel  mit  Ser  Lucas  Aloisii  de  Oeorgio  und 
nannte  dabei  dessen  Frau  öffentlich  mit  einem  solchen  Ausdruck,  dass 
das  Consilium  Rogatorum  am  16.  November  1491  den  Dichter  zu  sechs 


1)  Jedna  od  zbiraka  Dra  V.  Bogisiöa.    Zbirka  slovenskih  inkunabula. 
Dubrovnik  (S«A.  aus  dem  Kalender  »Dubrovnik«)  1898,  8. 15,  Nr.  37. 


Beiträge  zur  ragasanischen  LiteratorgeBchichte.  443 

Monaten  Kerker  »in  nno  ex  tribns  carceribns  antiqais«  verurtheilte  nnd 
ihm  befahl,  die  Strafe  sofort  am  nftchsten  Tage  »sab  pena  dnplicr  anzu- 
treten^). Im  J.  1494  finden  wir  den  »Helins«  zum  ersten  Mal  in  den 
Stadtftmtem  als  Advokaten  »del  comuna. 

Der  Redner  und  Dichter  war  aber  auch  ffir  militärische  Würden 
befähigt.  Am  29.  Juli  1495  wurde  »D.  Helins  de  Crieua  poeta«  zum 
Castellan  von  Stagno  (slav.  Ston)  gewählt,  wo  er  nicht  lange  blieb,  da 
ihn  schon  am  18.  November  8er  Paulus  Nie.  de  Poza  ablöste.  Der  Isth- 
mus oder  besser  gesagt  die  Schlucht  der  Prevlaka  von  Stagno  ist  heute 
noch  abgeschlossen  von  den  Ruinen  einer  festen  Quermauer,  die  sich 
westlich  vom  Passe  über  steile  Felsen  von  Meer  zu  Meer  hinzieht,  von 
Oross-Stagno  mit  dessen  übel  duftenden  Salinen  im  Süden  bis  Klein- 
Stagno  im  Norden  ^j.  Die  oberste  Burg  in  der  Mitte  der  Quermauer,  noch 
gegenwärtig  benannt  mit  dem  alten  Namen  Pozvizd,  hatte  einen  eigenen 
Castellan;  1495  war  es  Marinchus  Jo.  Fed.  de  Gondola.  Ebenso  hatte 
Klein*Stagno  zwei  Castellane,  einen  in  den  jetzt  verfallenen,  epheu- 


1)  Consilium Rogatorum,  16. November  149]  (am  Rand:  contra  d. Helium 
de  Crieua):  »Prima  pars  est  de  cognoscendo  in  presenti  consilio  casum  iolurie 
ignominiose  et  vituperose,  quam  palam  dixit  dominus  Helius  de  Crieua  Ser 
Luce  Alo.  de  Georgio,  nominando  eius  uxorem  inhonesto  nomine.  Per  XXX 
contra  VII.  (Secunda  pars  est  de  remittendo  casum  hunc  ad  dominos  judices 
de  criminali).  —  Prima  pars  est  de  habendo  ipsnm  dominum  Helium  pro  fal- 
lito.  Per  XXXVIII  contra  III.  —  Prima  pars  est  de  castigando  ipsum  de 
factis.  Per  XXXVIII  contra  III.  (Secunda  pars  etc.  de  verbis).  —  Prima  pars 
est  de  senteutiando  ipsum  ad  standum  sex  mensibus  in  uno  ex  tribus  carceri- 
bus  antiquis,  januis  continue  clausis,  excepto  quod  possit  dimitti  de  sero  ad 
cercam,  qnando  omnes  incarcerati  dimittuntur.  Per  XXIII  contra  XVIII.  (Se- 
cunda pars  etc.  menses  quatuor  etc.).  —  Prima  pars  est,  quod  si  dictus  d.  He- 
lius unquam  exiret  de  dicto  caroere,  nisi  ad  dictam  cercam,  et  constaret  per 
duos  testes  idoneos,  a  dicta  die  rursus  incipiat  terminus  sex  mensium.  Per 
XXXIIII  contra  VII.  —  Prima  pars  est,  quod  dictus  d.  Helius  debeat  intrare 
in  carcerem  hodie  sub  pena  dupli.  Secunda  pars  est»  quod  debeat  intrare  cras 
sub  dicta  pena;  per  XXXV  contra  VI  (Consilinm  Rogatorum  1489—1492, 
f.  219).  —  Der  Brief  des  Cerva  an  König  Wladislaw  von  UDgarn,  Starine  IV, 
177,  iet  vom  13.  April  1493  (nicht  1492,  da  waren  ja  die  sechs  Monate  der  Haft 
noch  nicht  abgelaufen) ;  der  darin  genannte  ragusanische  Gesandte  Stepha- 
nus  war  S.  de  Zamagna,  einer  der  drei  Gesandten  an  den  König  im  J.  1493, 
des  Aelius  Verwandter  von  mütterlicher  Seite  (Matkoviö,  Rad  VII,  258 ;  Gel- 
eich  und  Thallöczy  643) . 

3)  Vgl.  meine  Skizze  »Ston  a  Mljet«,  Gsv^ta  1891,  S.  4—19,  109—120 
(Heft  1  und  2). 


444  Const  Jireoek, 

umrankten  Thflrmen  der  Burg  Corona,  den  anderen  in  dem  unteren 
Fort  am  Hafen.  Schon  damals  galt  Gross-Stagno  als  ein  ungesundes 
Fiebemest  mit  sumpfiger  Luft.  Im  Castell  dieser  Stadt,  dessen  Ruinen 
noch  an  dem  seichten  Hafen  zu  sehen  sind,  schrieb  Aelius  seine  hübsche 
Ode  an  Ragusa:  »Ocelle  mi,  Ragusa,  ocelle  mi  patria!«  Die  Situation 
in  der  Fieberluft  des  Isthmus  ist  darin  anschaulich  geschildert,  in  der 
Ansprache  an  die  Vaterstadt: 

Quod  interire  me  nee  emori  sinis,  ^ 

febriculosa  in  arce  praesidem,  Isthmii 
Bole  aerisque  pestilentia  obsitum 

et  Stagni  bimaris  lue, 
tibique  reddis  Aelium  et  sibi  unico 
favore  debilemque  alumnulum  allevas 
tuoque  rursus  educatulum  in  sinu, 

ut  Bacchus  gremio  Joyis  i). 

Von  Februar  1497  bis  August  1504  stand  Aelius  neben  dem  ge- 
lehrten Daniel  Clarius  aus  Parma  als  zweiter  Rector  der  Stadtschule 
vor,  war  aber,  wie  aus  seinen  Briefen  ersichtlich  ist,  nicht  abgeneigt 
Ragusa  für  Italien  oder  Ungarn  einzutauschen.  Das  Rectorat  ging  nach 
sieben  Jahren  wieder  in  ein  Castellanat  über,  diesmal  auf  der  Burg  So- 
kol,  der  kleinen  Bergfestung,  welche  die  Landschaft  Canale  von  der 
Landseite  deckte,  am  Eingang  zu  dem  gegen  Trebinje  hinauf  führenden, 
im  Mittelalter  befestigten  Pass,  den  man  damals  »Enei^a  ulica«  nannte. 
Das  Gemäuer  des  Schlosses  auf  der  Höhe  ist  jetzt  noch  gut  aus  weiter 
Feme  zu  erkennen.  xiD,  Helius  de  Cireua  (sie)  poeta«  wurde  am  21.  Oc^ 
tober  1504  zum  Castellan  von  Sokol  gewählt  und  blieb  dort,  bis  ihn  der 
am  18.  Juni  1505  gewählte  Johannes  Mar.  Jo.  de  Crieva  ablöste.  Der 
Posten  in  der  einsamen,  hochgelegenen  Burg  war,  besonders  im  Winter, 
langweiliger  und  mit  mehr  Verantwortlichkeit  verbunden,  als  im  Fort 
neben  der  belebten  Stadt  Stagno.  Vorräthe  von  Pökelfleisch  (carnium 
salitarum),  Käse,  Oel,  Bohnen,  Getreide  mit  den  dazu  gehörigen  Hand- 
mühlen (paria  duo  macinarum  a  manu)  und  einem  Backofen  nebst  dem 
nöthigen  Holz  und  Eienspänen  (taeda)  waren  bestimmt  zum  Unterhalt 
der  Besatzung.  Wasser  lieferte  die  »griechische  Cisternec.  Die  unge- 
fllhr  16  Mann  standen  auf  der  Wache,  kochten,  schwatzten  unter  ein- 
ander oder  putzten  die  Bombardon  und  Bailisten ;  vielleicht  haben  sie 


^)  Ganz  bei  Racki,  Starine  IV,  170—171.    Ocellus  Reminisoenz  aus  Ca- 
tullus  31,  2. 


Beiträge  zur  ragasanischen  Literatargeschichte.  445 

auch  öfters  gesungen.  Die  Bargglocke  erklang,  so  oft  bei  Tag  Jemand 
nahte,  bei  Nacht  in  bestimmten  Zeitabständen,  beantwortet  vom  melan- 
cholischen Ruf  der  Wachtposten.  Der  Castellan,  stets  ein  Nobilis,  war 
aaf  Lectflre,  einsame  Meditationen  oder  die  Gesellschaft  des  Bnrgcaplans 
und  des  Intendanten  (massarins)  angewiesen.  Hie  und  da  darfte  Jemand 
aaf  Urlaab  ans  dem  Castell  hinnnter  in  die  Dörfer,  nach  Snbtas-Sochol 
oder  Podgradje  and  nach  Mrcine.  Keine  Fran  hatte  Zatritt  in  die  Barg; 
selbst  die  Gattin  eines  erkrankten  Soldaten  masste  zam  Aafenthalt  im 
Gasteil  eine  eigene  Bewilligang  des  Rathscollegioms  haben. 

Nach  der  Rückkehr  erwartete  den  Aelins  ein  Process.  Die  Proto- 
colle  ttber  das  Verhör  im  Consiliüm  minns  konnte  ich  nicht  auffinden ; 
in  dem  erhaltenen  Band  der  »Secreta  Rogatornm«  aus  dieser  Zeit  sind 
die  Blätter  aas  diesem  Jahre  aasgerissen,  wahrscheinlich  von  irgend 
einem  Edelmann,  dem  seine  oder  der  Seinigen  Geschichte  unbeqaem  war. 
Vielleicht  ging  der  dichtende  Castellan  gar  zn  oft  hinaas  in  die  freie 
Natar  aasserhalb  des  Bargfriedens,  vielleicht  war  die  Disciplin  anter 
seiner  Verwaltung  locker.  Sicheres  ist  ans  nichts  bekannt,  bis  aaf  ein 
ytsecretam«,  das  einer  der  Soldaten,  ^ivko  Petrojevid  aus  Malfo  (Zaton), 
der  dafür  auch  entsprechend  belohnt  wurde,  dem  Rathscollegium  ver- 
rieth:  )>de  mulieribus  receptis  in  castellum  Socholi  per  castellanuma. 
Wer  waren  diese  »mulieres«?  Waren  es  Soldatenfrauen,  waren  es  Ver- 
wandte des  damals  4  i  jährigen  Aelius,  war  es  seine  eigene  Frau  mit 
ihren  kleinen  Töchtern,  waren  es  gar  —  Freundinnen  ?  Das  Oonsilium 
Rogatorum  hat  den  Dichter  am  9.  August  1505  schuldig  gefunden.  Mit 
27  gegen  12  Stimmen  wurde  beschlossen,  ihn  nicht  mit  Worten,  sondern 
»de  f actis«  zu  strafen,  worauf  er  mit  22  gegen  17  Stimmen  auf  fünf 
Jahre  von  allen  »officiis  et  beneficiis  communis  nostri«  ausgeschlossen 
wurde ;  die  Minorität  war  für  eine  Ausschliessung  auf  vier  Jahre  ^).  Doch 


^}  Oonsilium  Rogatorum,  9.  August  1505 :  »Prima  pars  est  de  delibe- 
rando  in  causa  Processus  formati  in  minori  consilio  contra  d.  Helium  de  Grieua, 
castellanum  Socholi,  lecti  in  presenti  consilio,  per  XX  contra  XVIIII  (Se- 
cunda  pars  etc.  de  induciando).  Prima  pars  est  de  habende  dictum  d.  Helium 
pro  fallito,  per  XXXI  contra  VIII.  Prima  pars  est  de  castigando  ipsum  d. 
Helium  de  factis,  per  XXVII  contra  XII  (See.  pars  etc.  de  verbis).  Prima  pars 
est  de  sententiando  dictum  d.  Helium  secnndum  ordinem  in  libro  viridi  ad  ca- 
pitula  408.  Secunda  pars  est  de  sententiando  cum  aliter,  per  XX  contra  XVnil. 
Prima  pars  est  de  priuando  ipsum  d.  Helium  per  annos  quinque  continuos 
prozime  futuros  omnibus  officiis  et  beneficiis  communis  nostri  per  sententiam, 
per  XXII  contra  XVII  (See.  pars  etc.  annos  quatuorj.   Prima  pars  est  de  te- 


446  ConBt  Jirecek, 

liessen  sich  die  Ragasaner  bald  erweichen.  Schon  am  12.  Januar  1506 
beschloBS  der  grosse  Rath  mit  170  Stimmen  von  194  Anwesenden  den 
dominus  Helius  de  Crieva  zu  begnadigen,  mit  Rücksicht  auf  seine  Ver- 
dienste und  Tugenden^).  Schon  am  9.  October  d.  J.  wurde  er  sogar 
unter  die  Mitglieder  der  Rogati  (Pregati),  des  eigentlichen  Senates,  ge- 
wählt. Am  11.  October  1507  gelangte  »dominus  Helius  Laur.  (sie)  de 
Crieua  poetaa  unter  die  drei  Jiadvocati  del  comun«;  am  20.  April  1509 
kam  er  abermals  in  das  Consilium  Rogatorum. 

Am  1.  October  1510  begann  wieder  seine  Theilnahme  an  der  Schule 
als  Reotor  derselben.  Oegenflber  der  letzten  Abhandlung  habe  ich  nach- 
zutragen, dass  Aelius  diese  Würde  ununterbrochen  bis  zu  seinem  Tode 
bekleidete.  Zum  letzten  Mal  liest  man  am  2.  April  1520  den  Beschluss 
»de  firmando  d.  Helium  Cef'uinum  (er  wird  hier  so  geschrieben,  wie  sein 
Verwandter,  der  Historiker)  poetam  pro  rectore  scholaect,  auf  sechs 
Monate  vom  gestrigen  Tage  angefangen,  mit  240  Perper  jährlich.  In- 
dessen ist  er  schon  am  15.  September  d.  J.  gestorben  und  bereits  am 
19.  d.  M.  beschloss  der  Rath,  einen  neuen  Rector  in  Italien  zu  suchen. 
In  den  geistlichen  Stand  ist  Aelius  erst  nach  1510  getreten,  sonst  hätte 
man  bei  der  Uebernahme  des  Rectorats  der  Schule  damals  nicht  den 
Verzicht  auf  alle  Officia  der  Republik  verlangt,  da  dies  bei  einem  Geist- 
lichen selbstverständlich  war.  Zum  ersten  Mal  fand  ich  ihn  als  Canoni- 
cus  am  12.  März  1512,  wo  er  mit  seinem  GoUegen  Joannes  Sim.deMenze, 
dem  Bruder  des  slavischen  Dichters  Sigismundus  de  Menze,  als  Vertreter 
des  Domkapitels  ein  Grundstück  bei  der  St.  Michaelskirche  in  Gravosa 
verpachtete  ^) .   Sein  Gegensatz  mit  dem  Dichter  Garolus  de  Poza  wird 


nendo  secretam  sab  sacramento  Ziuchum  Petroeuich  de  Malfo,  soldatum  So- 
choli,  pro  reuellatione,  quam  fecit  de  mulieribus  receptis  in  castellum  Socholi 
per  castellanum,  quod  non  possit  cassari  a  dicto  soldo  nisi  per  presens  con- 
silium rogatorum,  per  XXVIIH  contra  Villi  (See.  pars  est  de  stände  ut  sta- 
mus).«  Liber  Consilii  Rogatorum  1504 — 1508. 

1)  Consilium  Rogatorum,  10.  Januar  1506  »de  portando  ad  malus  con- 
silium ad  faciendnm  graciam  domino  Helio  de  Crieua  poete  a  sententia  contra 
cum  lata«,  mit  33  gegen  8  Stimmen.  Consilium  maius  am  12.  Januar  d.  J. 
(195 Mitglieder  anwesend):  »Prima  pars  est  de  faciendo  graciam  domino  Helio 
de  Crieua  poete  a  sententia  contra  eum  lata  per  consilium  rogatorum,  priua- 
tionis  per  quinquennium  ab  officiis  et  beneficiis  communis  nostri,  attentis 
meritis  virtntum  dicti  d.  Helii;  per  CLXX  contra  XXIUI,  ez(ierunt)  alii.« 
Consilium  maius  1498—1506,  f.  264. 

2)  Notiz  in  Di  versa  Notarie  1503,  f.  55  v. 


Beiträge  znr  ragnsaBischen  Literatargeschichte.  447 

nicht  gross  gewesen  sein;  am  19.  October  1515  lagerte  »dominus  Helins 
Ceruinus  poeta  et  canonicnsa  allen  Wein  seines  Verwandten  Pasqnalis 
Troiani  de  Orieua  (so  geschrieben,  neben  der  latinisirten  Namensform 
des  Aelins)  in  dem  Keller  des  Ser  Charolus  Pauli  de  Poza  ^] .  Im  J.  1 5 1 6 
finden  wir  den  »poeta  et  canonicusc  als  Rector  und  Abbas  der  Kirche 
S.  Salvatoris  in  dem  Stadtviertel  Pusterna^  »de  jure  patronatus  nobilinm 
de  Caboga«,  bei  einer  Verpachtung  von  Grundstücken  der  Kirche  auf 
der  Isola  di  Meszo  ^j. 

Während  seines  zweiten  Rectorates  lehrte  Aelius  nicht  in  der  Sponza 
(Dogana),  sondern  in  einem  Gemeindehause  gegenüber  der  Franziskaner- 
kirche, da  das  Zollhaus  damals  vollständig  umgebaut  wurde.  Erst  nach 
Aelius'  Tod  kehrte  die  Schule  laut  Beschlnss  der  Rogati  vom  14.  Juni 
1 524  in  die  nach  dem  Plane  (modellum)  bestimmten  Localitäten  »in  fon- 
tico  novo«  zurück,  in  die  heute  noch  stehende  Dogana  oder  im  Dialect 
der  Ragusaner  »Dlvdna«.  Was  des  Aelius  Collegen  anbelangt,  so  war 
die  Unzufriedenheit  des  Rathes  mit  Marinus  Becichemus  Scodrefms 
(Rector  in  Ragusa  1494—1496,  1508—1510)  wahrscheinlich  die  Ur- 
sache, den  Landsmann  Aelius  wieder  in  die  Schule  zu  berufen ;  der  ge- 
lehrte Albanese  war  nämlich  gar  zu  viel  auf  Urlaub  in  Bresoia,  Venedig, 
üattaro  u.  s.  w.  ^).  Neben  Aelius  wirkten  Magister  Hieronymus  Calvus 
aus  Vicenza  (f  12.  Juli  1518  in  Ragusa)  und  Magister  Bartholinus  Ta- 
colletus  aus  Cremona  (Rector  der  Schule  1519 — 1525).  Nach  des  Aelius 
Tod  wurde  am  16.  November  1521  Magister  Nicolaus  Paranzonus  aus 
Picenum  auf  zwei  Jahre  angeworben.  Mit  dem  egregius  dominus  Euro- 
piu8 Itotnanu8li9Lite  die  Gemeinde  im  Winter  1525 — 26  Missgeschick; 
in  Folge  einer  uns  räthselhaften  Reclamation  gegen  den  »medicusc  Euro- 
pius  von  Seite  des  Sandjiakbeg  der  Hercegovina  wurde  der  Rector  nach 
drei  Monaten  am  28.  Januar  1526  plötzlich  entlassen,  »quod  possit  Ire, 


1}  Diversa  Notarie  1514,  f.  121. 

2)  Ib.  f.  177. 

8)  Marinus  Becichemus  aus  Scutari  {jr  in  Padna  1526)  ist  in  der  huma- 
nistischen Literatur  bekannt  durch  seine  Beschäftigung  mit  Cicero  und  PH- 
nius.  Der  gedruckte  Katalog  des  British  Museum  gibt  unter  seinem  Namen 
auch  eine  »centuria  epistolarum«  an,  gedruckt  mit  anderen  Schriften  vereint 
ohne  Datum  (Brescia?  1490?),  ein  zweites  Mal  in  Venedig  1506.  Da  in  Wien 
ein  Ex.  nicht  vorhanden  ist,  vermag  ich  nicht  anzugeben,  was  in  diesen  Brie- 
fen über  Ragusa  zu  lesen  ist.  In  Ragusa  war  Becichemus  einer  der  Correspon- 
denten  der  Venetianer  (Sanudo,  Arkiy  za  povjestnicu  jugoslav.  VI,  328). 


448  Const.  Jireoek, 

quo  sibi  placnerit,  cum  famnlo  suo«.  Am  24.  Mai  d.  J.  wurde  dann  der 
Magister  Leonardtcs  de  Taurino  poeta  engagirt. 

An  der  Schule  wurden  neben  den  classischen  Literaturen  juridische 
Studien  nicht  vernachlässigt.  Dompnus  Nie.  Oioncich  hat  1462 — 64 
Vorträge  Aber  canonisches  Recht  und  das  Statut  von  Ragusa  abgehalten 
(Archiv  XIX^  78).  Der  Presbyter  Antonio  de  Luca,  der  sich  nach  vier- 
jährigen juridischen  Studien  in  Italien  zum  Doctorat  vorbereitete,  ver- 
sprach nach  der  Rückkehr  »fare  tre  anni  continui  due  lectioni  ogni  di, 
zoe  una  in  jure  civili  et  Faltra  in  jure  canonico,  dove  parera  et  piacera 
alle  S.Vre,  senza  altro  pagamento,  per  inanimar  la  juventü  alle  vertude, 
le  quäle  illustrano  le  cittade«,  wofür  ihm  das  Consilium  Rogatorum  am 
3.  Juli  1522  mit  30  Ducaten  zum  Doctorat  unterstützte. 

Neben  Aelius  ist  sein  Verwandter,  der  Historiker  und  Abt  Äloisius 
Cerva  oder  seit  c.  1515  Cervinus  (geb.  1459,  f  1527)  zu  erwähnen, 
über  welchen  ich  gleichfalls  einige  bisher  unbekannte  Nachrichten  fand  i). 
Sein  Beiname  Tuber o  ist  der  römischen  Literaturgeschichte  entlehnt;  es 
ist  der  Name  des  Historikers  Quintus  Aelius  Paetus  Tnbero,  eines  Zeit- 
genossen des  Cicero.  Seraphinus  Cerva  erzählt  von  Äloisius,  wie  er 
nach  der  Rückkehr  aus  Paris  durch  seine  »vestis  longa  gallicac  in  Ra- 
gusa Anstoss  erregte,  bis  auf  Befehl  des  Consilium  minus  »Tuberoni 
vestis  fuit  succisa,  indicta  ei  praeterea  multa« ;  jedoch  gelang  es  mir  in 
den  Büchern  des  Minor  Consiglio  um  1483  nichts  über  diese  Toiletten 
des  späteren  Historikers  zu  finden.  Am  letzten  August  1498  erscheint 
jjvenerabilis  dominus  Äloisius  quondam  Ser  Johannis  Aloisii  de  Crieua, 
monacus,  tanquam  epitropus  et  executor  testamenti  et  ultimo  voluntatis 
olim  domine  Francisco,  matris  suea  (Testament  registrirt  am  18.  April 
1498);  er  verkauft  Besitzungen  in  Breno  (»sub  Mrauinaz«  und  »ad  de- 
cena  Breni«)  und  Vergato  dem  Ser  Franc.  Blasii  de  Caboga  und  erhält 
als  »contracambium«  Grundstücke  auf  der  Insula  de  Medio  ^).  Die  Wahl 
des  dominus  Äloisius  de  Crieua  zum  Abt  von  St.  Jakob,  9  de  licentia  ha- 
bita  a  domino  vicario  Rmi  domini  archiepiscopi  et  de  consensu  domini 
Donati,  unici  monaci  dicti  monasteriia,  wurde  am  17. September  1502  im 
Consilium  Rogatorum  mit  21  Stimmen  gegen  15  durchgeführt;  2  Mit- 
glieder, wohl  Verwandte,  stimmten  nicht  mit.  Ais  Vicar  des  Erzbischofs, 
der  sich  in  diesen  Zeiten  meist  in  Italien  aufhielt,  wurde  Abt  Alouisius 


1)  Die  Form  Cervarius  habe  ich  in  keiner  Urkunde  dieser  Zeit  gelesen. 

2)  Diversa  Notarie  1498—1499,  f.  14. 


Beiträge  zur  ragusanisohen  Literaturgeschichte.  449 

von  den  Rogati  am  15.  Juli  1516  acceptirt,  aber  schon  am  4.  April  1517 
musste  man  ihm  zureden,  dieses  Amt  nioht  niederzulegen.  Es  waren 
Differenzen  wegen  der  Beform  der  Benediktinerklöster,  wobei  das  von 
Visigica  nicht  ausgenommen  war,  welche  ihn  beunruhigten. 

Am  4.  Juli  1517  wurde  vom  Consilium  Rogatorum,  »acceptando 
auctoritatem  nobis  conoessam  per  Bdum  D.  vicarium  Rmi  d.  archiepiscopi 
dom.  Alouisium  Ceruinum,  abbatem  S.  Jacobi  de  Visgnizac  in  Anwesen- 
heit desselben  ein  Process  gegen  Stephanus  Nie.  de  Tudisio,  Abt  des 
Klosters  von  Paclina  auf  der  Insel  Giuppana,  wegen  einer  eigenthflm- 
liehen  Nachtscene  eingeleitet.  Einer  der  Aerzte  der  Gemeinde,  Magister 
Alouisins,  war  der  EUger,  »attento,  quod  ipse  abbas  (Tudisio)  traxit  de 
domo  dictum  mag.  Alouisium  et  ipsnm  conduxit  ad  quandam  mulierem 
infirmam,  nocte  sine  lumine,  et  postea  illum  relinquens  misit  domum  cum 
aliist,  nftmlich  mit  einer  Schaar  junger  Nobiles.  Auf  dem  Rückweg, 
»eundo  sine  lumine«,  wurde  der  Arzt  »verberatus  in  viaf.  Den  Schuldi- 
gen des  sinsultusa  hatte  man  nicht  gefunden,  obwohl  desswegen  eine 
»publica  crida  in  logiac  erfolgt  war,  mit  Ausrufung  eines  Preises  von 
200  Ducaten  fOr  den  Angeber.  Die  Sache  ist  offenbar  von  Tudisio  vor- 
bereitet gewesen.  Den  Abt  Tudisio  hat  der  Vicar  Cervinus,  tsedens  in 
consilio  Rogatorum«  mit  den  Consiliarii,  verurtheilt  auf  ein  halbes  Jahr 
»in  carcere,  in  quo  positus  est,  sub  stricturis,  sub  quibus  hactenus  stetit 
et  nunc  tenetur  clausus«.  Auch  die  jungen  Edelleute  erhielten  Kerker- 
strafen,  Sigismundus  Ju.  de  Goze  3  Monate,  Damianus  Mar.  Si.  de  Bons, 
Vladislauus  Cl.  de  Restis,  Franc.  Mich,  de  Proculo,  Nichus  Theod.  de 
Mlaschogna  je  einen  Monat.  Den  Abt  von  Paclina  traf  ein  solches  Un- 
heil wegen  seiner  Streiche  nicht  zum  ersten  Mal.  Schon  am  13.  März 
1511  hatte  das  Consilium  Rogatorum  den  damaligen  Vicar  des  Erz- 
bischofe  Raynaldus,  den  Canonicus  und  Archidiaconus  D.  Marinus  de 
Buchia  zu  sich  berufen  wegen  einer  Anklage  gegen  Tudisio.  Es  handelte 
sich  um  eine,  wie  es  scheint,  sehr  üble  Sache,  »secundum  grauitatem 
culpe,  que  culpa  reseruatur  bono  respectu  in  pectoribus  senatus  nostri«. 
Der  Vicar  vemrf heilte  Tudisio  »ad  standum  uno  anno  continuo  in  uno 
ex  caiceribus  regiminis  dicte  ciuitatis,  videlicet  in  uno  ex  tribus  carceri- 
bus  antiquis  a  parte  pelagi,  januis  clausis«^).   Später  war  erzbischöf- 


1}  Der  Kleriker  Stephanus  de  Tudisio  war,  21  Jahre  alt  (!),  1505  vom 
Erzbischof  Julianus  in  die  Abtei  von  Pakljena  eingesetzt  worden  (Urk.  bei 
Farlati  VI,  206—207).  Er  lebte  meist  in  der  Stadt  und  nioht  im  Kloster.  An- 

▲roluT  für  ilATisehe  PMlologie.  XXI.  29 


450  Const.  Jireoek, 

lieber  Vicar  ein  Verwandter  des  Erzbischofs,  D.  Marcos  Gratianus  de 
Cötignola,  mit  dem  die  Republik  aber  in  Conflicte  gerieth,  worauf  seit 
6.  Juni  1522  wieder  D.  Aloisius  Cerninus  zum  Vicar  bestellt  war. 

Andere  Daten  betreffen  die  Umgebungen  des  1803  aufgehobenen 
St.  Jakobsklosters  (jetzt  ein  Gemeindehaus).  Das  Kloster  ist  ein  male- 
risch gelegener  Ort  der  steilen  Küste  südwärts  von  der  Stadt  und  deren 
Vorstadt  PloSe,  zwischen  Oelbäumen  und  Cypressen  verborgen  unter 
felsigen  Abhängen,  auf  denen  noch  Spuren  alter  Häuser  bei  einer  Kapelle 
der  hl.  Ursula  sichtbar  sind.  Am  27.  Juli  und  12.  August  1515  ver- 
pachtete der  Abt  Alouisius  de  Grieua  auf  600  Jahre  (ad  annos  sexcentos 
proxime  futuros]  itsoldos  quattuor  de  terris  rudims  seu  incultis  dicti 
monasterii,  positis  in  contrata  ecclesie  Sancte  Orsule,  contiguos  a  parte 
lenantis  terris  domini  Marini  de  Bocignolo  sub  via  communis,  per  quam 
itur  ab  ecclesia  Sancte  Orsule  ad  Vergatum«,  dem  Michocius  Radiceuich 
de  Vergato  und  2  soldos  dem  Ziuanus,  Matchus  und  Antonius,  dessen 
Söhnen,  für  den  Zins  Von  6  grossi  pro  soldo  jährlich  ^).  Am  6.  Mai  1520 
verpachtete  der  Abt  Alouisius  Cerninus  (sie)  auf  tausend  Jahre  (usque 
ad  annos  mille)  dem  Simcho  Marcouich  aus  Dubaz,  dem  nächstgelegenen 
Dorfe  von  Breno,  eine  Höhle  mit  Steinbrüchen:  »speluncam  cum  toto 
petrario  dicti  monasterii,  posito  sub  ecclesia  Sancte  Orsule  ad  mare  sub 
via  communis  inter  terras,  quas  tenet  Creglia  cimator  a  parte  ponentis, 
et  Veliam  dolinam  a  parte  leuantis,  cum  omnibus  suis  juribus  et  perti- 
nentiis,  pro  incidendo  petras  et  herbam  et  pro  colendo  dictum  locuma, 
für  einen  jährlichen  Zins  von  8  Grossi,  zu  zahlen  jedesmal  am  Feste  des 
hl.  Lucas  im  October^).  Eine  possessio  ad  S.  Orsulam  übernahm  damals 
übrigens  auch  Lucas  Pasqualis  de  Primo,  der  oben  erwähnte  Kanzler 
und  Verehrer  der  Buchdrnckerkunst,  und  lieferte  dem  Abt  dafür  jährlieh 
8^2  Perper  und  ein  Lamm,  »cum  honorantia  de  uno  agnoa^). 

Aloisius  Cervinns  war  nicht  abgeneigt  Bischof  zu  werden.    Am 


ders  der  Prior  Jaeobus  Andree  de  Crieua,  dessen  Liebesgeschichte  von  1483 
ich  im  Archiv  XIX,  45—46  erzählt  habe,  der  thatsächlich  im  Inselkloster 
S.  Andreas  de  Pelago  hauste.  Nachzutragen  habe  ich,  dass  dieser  Prior  Ja- 
eobus erst  34  Jahre  später  gestorben  ist,  am  4.  Februar  1517;  sein  Nachfolger 
wurde  Don  Hilarius  de  Goze  [Cons.  Rog.1517,  14.  und  28. Februar;  cf.Farlati 
VI,  211). 

1)  Diversa  Notarie  1514,  f.  82  v,  88. 

2)  Diversa  Notarie  1519,  f.  92. 
8)  Ib.  f.  207.  (März  1521). 


Beiträge  zur  raguBanischen  Literatargeschichte.  451 

31.  Juli  1525  erfuhr  das  Consilinm  Rogatornm,  der  Abt  von  St.  Jakob 
sei  bereit,  für  die  Kosten  der  von  der  Republik  gewünschten  Trennung 
des  Bisthums  von  Stagno  auf  ragusanischem  Territorium  von  dem  auf 
der  venetianischen  Insel  Curzola,  wo  der  Bischof  damals  residirte,  500 
Ducaten  beizusteuern,  «dummodo  ipse  sit  episcopus  dicti  episcopatus 
Stagnensis«.  In  diesem  Falle  könne  seine  Abtei  mit  den  übrigen  ver- 
einigt werden,  wie  es  die  Republik  wünschte.  Der  Rath  beschloss  »de 
induciando«.    Das  Bisthum  wurde  erst  1541  getrennt. 

Für  eine  neue  Ausgabe  der  historischen  Schriften  dieses  gelehrten 
Ragnsaners  ist  zu  bemerken,  dass  in  der  Bibliothek  des  verstorbenen 
Don  Luca  Pavloviö  unter  Nr.  149  sich  ein  Autograph  mit  Anmerkungen 
und  Gorrecturen  befinden  soll:  »Lndovici  Tuberonis  Dalmatae  abbatis 
Commentaria  de  temporibus  suis,  ms.  chart.  leg.  antogr.  cum  notis  et 
corr.«^). 


in.   Die  slayischen  Dichter. 


Johannes  Stephani  de  Gozze  (geb.  1451,  •{•  1502).  Gjore  Drzi<5,  Kanzler  des 
Domcapitels,  f  wahrscheinlich  1500,  und  seine  Familie.  Neues  zur  Biographie 
des  Sisko  Mencetid.  Marin  Kristiceviö  (f  1531)  und  sein  Geschlecht.  Don 
MauTO  Vetraniö  als  Mönch,  Abt  und  Praeses  der  Melitensischen  Congregation. 
Wer  war  Andrija  Cubranoviö  ?  Nikola  Dimitroviö  und  seine  Handelsgeschäfte 


1)  Des  Abtes  Aloisius  Freund  und  Nachlassverwalter  Marinus  de  Bona, 
dem  auch  des  Aloisius  Skizze  der  ragusanischen  Greschichte  gewidmet  ist, 
hat  ihn  um  einige  Jahre  überlebt.  Das  Testament  Ser  Marini  Nie.  Giupani  de 
Bona,  verfasst  am  13.  April  1532,  wurde  am  26.  Februar  1540  in  die  Bücher 
eingetragen.  Es  zeigt  uns  ein  Interieur  der  Humanistenzeit.  Bona  hinter- 
lässt  Legate  für  Reisen  nach  den  heiligen  Stätten  in  Jerusalem,  Rom,  Loretto, 
S.  Jacobo  de  Galicia,  um  dort  für  sein  Seelenheil  beten  zu  lassen,  beschenkt 
das  Kloster  von  Meleda  mit  Grundstücken  auf  der  Insel  und  setzt  als  Erben 
drei  »figliuoli  natural!«  ein:  einen  Nicolo  in  Venedig,  ungefähr  12  Jahre  alt, 
einen  Gioan  Paulo  in  Ragusa  in  seinem  Hause  in  der  Strasse  Garisöe  (Garg- 
schie),  4  Jahre  alt,  und  einen  dritten,  den  er  soeben  von  Vesella,  »mia  serui- 
tiale«,  erwartete.  Ihnen  vermachte  er  seine  Besitzungen  in  Stagno,  Canale, 
bei  Petrovo  selo  oberhalb  des  Omblathales  und  zwei  Häuser  in  der  Strasse 
»Prichiputti«  (sie),  derVesela  überdies  eine  lebenslängliche  Wohnung  in  dem 
»primo  soler«  des  Hauses  am  Garisöe.  Alles  übrige,  wohl  auch  seine  Bücher, 
erhalten  die  Thesaurarii  der  Gemeinde  als  Universalerben.  Testamenta  No- 
tarie 1539,  f.  96  (in  der  Distribution  von  1540  ib.  werden  nur  zwei  Söhne  ge- 
nannt). 

29* 


452  Const.  Jirecek, 

1536—1541.  Die  Familie  Naljeskoviö  und  der  Dichter  Nie.  Stephani  de  Nale 
(1528  f.).  Miksa  Pelegrinoviö  als  Elanzier  von  Gurzola  1535 — 1538.  Marin 
Mar.  Drsid  und  Beine  Reisen  nach  Wien  und  Konstantinopel  mit  dem  Grafen 
Christoph  von  Rogendorf  1545 — 46.  Notizen  über  Nie.  Mar.  de  Ragnina 
(•i-1582),  DominicuB  Dom.de  Ragnina  (+1607),  Savinus  Mich.de  Babalio 
(f  1585),  FranciscuB  Fran.  de  Lucari  (f  1598),  Joannes  Franc,  de  Gondola 
(Gundnliö),  Vlad.  Hier,  de  Menze  (f  1666)  und  die  beiden  Palmotiö. 

Was  die  slavischen  Dichter  anbelangt,  war  Johannes  Stephani  de 
Goze,  der  von  AelinsLampr.  Cerva  gefeierte  dreisprachige  Schriftsteller, 
nicht  so  alt,  wie  RaSki  meinte  ^).  Aufgenommen  wurde  er  in  den  grossen 
Rath  am  21.  October  1471,  war  also  geboren  im  J.  1451.  In  den  J. 
1487,  1489,  1496  war  er  »adnocatus  communis«,  im  September  1501 
Rector  der  Republik.  Sonst  wird  er  nur  bei  Handelsgeschäften  erwähnt; 
z.  B.  im  October  1498  betheiligte  er  sich  an  einer  Gesellschaft,  welche 
ein  Schiff  nach  »Romania«  (Nordgriechenland)  sendete,  um  Schweine 
und  Schweinefleisch  (porcos  et  carnes  porcinas)  zukaufen.  Im  »Specchio 
del  Maggior  Consiglioa  ist  bei  seiner  Aufnahme  in  den  grossen  Raih  be- 
merkt: vobiit  Xlmartij  1502or.  Sein  italienisch  verfasstea  Testament 
ist  am  13.  März  1502  in  die  Bttcher  eingetragen  (Beilage  6).  Er  beaass 
»libri  greci  et  latini«,  die  nach  seinem  Tode  Öffentlich  verkauft  werden 
sollten.  Daneben  wird  eine  Reihe  ausgeliehener  Bttcher  erwähnt,  Papier- 
codices einer  Decade  des  Llvius,  des  Terenz,  Priscian,  Ovid,  Juvenal, 
Solinus  u.  3.  w.,  Plato's  Republik,  zwei  gedruckte  Exemplare  der  Briefe 
Gicero's  und  dgl.  Von  seiner  Frau  Dechussa,  die  Ooze  1474  geheirathet 
hatte,  hinterliess  er  keine  Kinder;  Universalerbe  war  sein  Neffe  Paulus 
quondam  Blasii  de  Goze.  Wie  in  vielen  Testamenten  der  Zeit,  spielt 
auch  bei  ihm  die  Rückerstattung  unrechtmässigen  Gewinnes  eine  Rolle, 
an  die  Gemeinde  von  Ragusa  für  kleine  Unterschleife  aus  der  Zeit,  wo 
er  als  junger  Edelmann  im  Zollamt  oder  Salzmagazin  diente,  an  das  Zoll- 
amt von  Venedig  fttr  Umgehnng  desselben  bei  Export  von  Tüchern  u.8.w. 
Solche  Legate  »per  conscientia«  oder  »per  maltoUeto  incerto«  sind  in 
diesen  Zeiten  nichts  Seltenes ;  nur  habe  ich  nirgends  bemerkt,  dass  ein 
Ragusaner  dem  türkischen  Kaiser  oder  seinen  Zöllnern  etwas  testamen- 
tarisch zurückgestellt  hätte. 

Meine  neue  Ausbeute  vermehrt  auch  die  wenigen  Daten,  die  wir 
über  GJore  Drziö  oder  wie  man  ihn  lateinisch  nannte,  den  Presbyter 
Georffitcs  Nicolai  de  Dersa,  besitzen.   Die  Nachforschungen  über  die 


i)  »Dozivio  je  90  godina«,  Racki,  Starine  IV,  197. 


Beiträge  zur  raguBanischen  Literatargeschichte.  453 

Reihenfolge  der  Aebte  der  Kirche  S.  Maria  Asnunciata  oberhalb  Gra- 
vosa,  die  Dersa  als  Rector  und  Abbas  im  J.  1497  übernommen  hatte; 
lieferten  nichts  zu  seiner  Biographie,  ausser  der  Nachricht^  dass  schon 
1501  Jemand  anderer  dieses  Beneficium  besass.  Am  8.  November  1501 
wollte  das  Consilium  Rogatomm  dem  Presbyter  Nicolans  Bameus  die 
von  ihm  wahrscheinlich  ohne  Vor  wissen  der  Republik  erworbenen  »buUas 
Sancte  Anunciate«  abverlangen;  Bameus  war  also  bereits  ein  Nach- 
folger des  Dersa.  In  einem  Schreiben  des  Erzbischofs  vom  1 .  Februar  1506 
wird  gefragt,  «si  beneficium  Annunciate  vacat  per  obitum  Nie.  de  Alber- 
tisdt,  der  nach  der  »spontana  resignatio«  des  Nie.  Barneus  dort  einge- 
setzt war  ^).   Von  Dersa  ist  dabei  keine  Rede  mehr. 

Dafür  fanden  wir  auf  den  letzten  Blättern  des  Buches  »Diversa 
Notariae«  1498,  umgekehrt  beschrieben,  f.  Av — 6t;  von  rückwärts, 
einige  Aufzeichnungen  und  Urkunden  vom  November  und  December 
1498,  in  denen  er  als  »Presbiter  Georgius  de  Darsa  (sie),  juratus  scriba 
et  cancellarius  venerabilium  dominorum  canonicorum  et  eorum  capitulia, 
oder  als  »honestus  vir  presbiter  Georgius  de  Darsa,  tanquam  persona 
publica  et  juratus  notarius  et  cancellarius  venerandi  capituli  dominorum 
canonicorum  eccclesie  cathedralis  Ragusine«  genannt  wird.  In  den  Ur- 
kunden des  Domkapitels  unterschrieb  er  sich:  »Ego  Giore  [G  und  i  ver- 
schlungen) de  Darsa,  prefati  capituli  Ragusini  cancellarius  et  scribanus, 
manu  mea  propria  scripsi  presens  instrumentum  et  in  hanc  publicam 
formam  reassumpsi,  jussus  a  prefatis  dominis  canonicis  et  rogatus«,  oder 
kurz:  «Et  ego  Georgius  de  Darsa,  publicus  notarius,  ad  hec  specialiter 
vocatus  et  rogatus,  scripsi  mea  manu  propriacc.  Er  scheint  sich  also 
Darsa  geschrieben  zu  haben  ^);  was  den  Taufnamen  anbelangt,  wird  auch 
einer  der  damaligen  Canonici,  Georgius  de  Mläschogna,  bald  als  Zore, 
bald  als  Geore^)  geschrieben.  Die  Urkunden  betreffen  einen  Streit  zwi- 
schen den  Canonici  der  Ragusaner  Domkirche  über  die  Frage,  ob  ein 
Mitglied  des  Kapitels  in  seinem  Testament  über  die  Einkünfte  des  ersten 


1)  Copie  auf  den  letzten  Blättern  der  Diversa  Notarie  1505.  Ueber  die 
Erledigung  der  Praebende  von  S.  Annunciata  durch  den  Tod  des  Nie.  de  Al- 
bertis  vgl.  auch  Theiner,  Mon.  Slav.  I,  553. 

3)  Die  Üblichste  Form  ist  sonst  in  dieser  Zeit  Dersa ;  erst  im  XVI.  Jahrb. 
liest  man  Öfters  Darsa.  Ausgesprochen  wurde  der  Name  höchst  wahrschein- 
lich Dria,  worauf  die  Schreibweise  Derxa  1488,  1538  u.  s.  w.  offenbar  hinweist. 

3)  In  seinem  Testament  1515:  lo  Geore  de  Mlaschogua.  Testamenta 
1512—1516,  f.  159. 


454 


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Beiträge  zur  ragnsanischen  Literaturgeschichte.  455 

Jahres  nach  seinem  Tode  frei  yerfflgen  dürfe  oder  nicht.  Unter  den 
Canonici,  sämmtlich  Edellenten  unter  dem  Präsidium  des  Archidiaconus 
Mathens  de  Ragnis  oder  Araneus  (Ragnina)  —  einer  derselben  war 
Johannes  de  Menze,  Sigismunds  Bruder  —  bildeten  sich  dabei  zwei  Par- 
teien. Die  Declarationen  derselben  wurden  von  Dersa  niedergeschrieben 
und  dem  Notar  der  Republik  zur  Registrirung  in  den  öffentlichen  Bü- 
chern überreicht.  Am  1.  December  1498  war  die  Versammlung  des 
Kapitels  »hora  vesperornm«  in  der  Sakristei  der  Eathedralkirche  be- 
sonders stürmisch.  Die  Minorität  wollte  den  Beschluss  durch  die  ge- 
waltsame Vertreibung  des  Notars  Dersa  aus  dem  Kapitel  vereiteln ;  man 
sah  «dominum  Franciscum  de  Zamagno  et  dominum  Marinum  de  Buchia 
in  capitulo  excitare  tumultum  et  conantes  de  capitulo  vi  expellere  me 
infrascriptum  notarium,  volentes  finem  imponere  negotio  cause  infra- 
Scripte  a^  jedoch  vergeblich. 

Vom  25.  Juni  1500  ist  datirt  das  Testament  der  Mutter  des  Ojore 
DTi\6,  der  Nicoleta,  uzor  quondam  Nicolai  de  Dersa.  Sie  nennt  darin 
vier  Söhne:  Marinus,  Blasius,  unseren  Georg  und  Andreas.  Speciell 
bedacht  werden  Marin  und  Blasius.  ^Dom  Zorzi,  mtoßoloa  erhält  100 
Perper,  einen  Schrank  aus  Nussholz  und  einen  »coffiano«  sammt  allem 
Inhalt,  zwei  Polster  von  blauer  Seide  u.  s.  w.,  alles  »per  amor«.  Der 
vierte  Sohn  Andreas  wird  auch  mit  Hausrath  bedacht  und  unter  den 
Executoren  allein  aus  der  Familie  genannt  (Beilage  5).  Wenige  Wochen 
jünger  ist  das  Testament  des  Franciscus  q.  Michaelis  de  Galvano,  datirt 
am  14.  September  1500  in  Stagno,  voll  Nachrichten  über  Bücher.  Gal- 
vano weist  dem  Don  Gjore  DrJii(5  einen  Martial,  die  Tusculanen  Cicero's, 
Claudian  und  eine  Rhetorik  zu.  Die  Executoren,  verfügt  er,  »pigliano 
11  mei  libri  della  cassa  et  uno,  zoe  Marcial,  da  Mara,  moglie  de  mio  bar- 
bano  Antonio,  altro  Tuschulane,  nouo  ligato  cum  lo  comento  de  Bero- 
aldo,  doue  hauende  tolto  tut!  li  libri,  voglio,  che  9e  dagano  a  dorn  Geore 
Da[r]cich  Claudian,  Rethorica,  ligati  in  la  pelle  rossa,  et  che  pigliano 
uno  dein  mei  libri,  quäl  pora  satisfare  per  grossi  30,  che  lo  dagano  allo 
detto  Geore.  Item  voglio  che  dagano  a  Ser  Zupano  de  Bona,  zenero  de 
Ser  Polo  de  Gradl.  Item  voglio,  che  tute  le  mie  opere  de  Ouidio  dagano 
a  figliol  de  maestro  Marco,  Suetonio,  epistole  de  Ciceron  noue  famiale  (sie) 
dagano  a  Misser  Michiel  canonico,  fiol  die  Ser  Olemento  Nie.  de  Resti, 
et  che  daga  esso  a  mi  Vergilio,  scritto  de  man,  lo  quäl  Vergilio  et  L'arte 
Vechia  dagano  a  Ser  Michiel  Mar.  de  Bocignolo,  ma  che  esso  mi  paga 
la  ligatura,  e  lo  libro  legato  cum  la  dicta  Arte  Vechia  pigliano  11  mei 


456  ConBt.  Jirecek, 

epitropi  e  vendano  li  altri  mei  libri,  che  restarano  et  che  li  vendano,  de 
li  qnali  denaria  etc.  i) . 

Einer  der  drei  Brüder  des  Don  Gjore,  Blasins  Nicolai  de  Dersa 
oder  Biasio  de  condam  Nicolo  de  Dersa,  yerfasste  am  3.  Dec.  1501  sein 
Testament,  das  am  7.  d.  M.  in  die  öffentlichen  Bücher  eingetragen  wurde. 
Genannt  werden  darin:  Marino  mio  fratello,  Andrea  fratello,  Ginana 
nxor,  mei  doi  fioli  Nicolo  e  Piero.  Von  Qjore  kein  Wort.  Die  Todten- 
messe  soll  lesen  »dom  Panlo  libraroc,  der  nns  schon  bekannte  Panl 
VnkaSinoviö^).  Am  28.  Mai  1502  erfolgte  die  »dioisio  sen  parzogna 
bonorum  stabilium  Marini  et  olim  Blasii  Nie.  de  Dersa  fratrum«,  zwischen 
Marinus  einerseits,  den  Tutoren  der  Erben  des  Blasius,  unter  welchen 
sich  Dom  Andreas  Nie.  de  Dersa,  der  also  auch  Geistlicher  geworden 
war,  und  Johanna,  des  Blasius  Wittwe,  befanden,  andererseits.  Marinus 
de  Dersa  erhftlt  die  «casa  grande  de  la  nostra  habitatione  apresso  el 
pala^ot,  Grundstücke  bei  Stagno,  Imoti9a,  Podgorie,  in  Canale  in  Dra- 
gaina  und  Vitaglina,  in  Bielo  und  auf  der  Insel  Calamotta,  die  Erben  des 
Blasius  Besitzungen  in  Gravosa  und  Ombla  und  eine  «casa  cum  fomoc 
in  Ragusa  »sopra  Prechiput«^).  Gjore  DTi\6  wird  hier  gleichfalls  nicht 
genannt.  So  viel  ich  gegenwärtig  sagen  kann,  hören  alle  Nachrichten  über 
ihn  mit  September  1500  auf.  Auch  die  Abtei  von  S.  Maria  Annunciata 
war  1501  schon  in  anderer  Hand.  Hätte  er  länger  gelebt,  so  würde  bei 
verschiedenen  Angelegenheiten  der  Familie  doch  irgend  eine  Notiz  von 
ihm  zu  lesen  sein.  Dom  Andreas,  gleichfalls  ein  Geistlicher,  ist  ja  dabei 
öfters  erwähnt,  noch  z.  B.  1526  als  Vertreter  seines  Neffen  Peter  bei 
einem  Verkauf  von  Wein.  Dieser  Andreas,  der  Bruder  des  Gjore  Dr£6, 
wird  1522 — 1524  als  Abt  eines  kleinen  Klosters  auf  der  Insel  Cala- 
motta genannt:  »dominus  Andreas  Nicolai  de  Dersa,  dericus  Ragusinus, 
tamquam  rector  et  abbas  ecdesiae  Sancti  Petri  de  Calamota,  de  iure 
patronatus  laicorum  de  Dersa  «^). 

Von  den  zwei  weltlichen  Brüdern  des  Dichters  Gjore  stammen  die 
Dersa  des  XVI.  Jahrhunderts  ab.  Marinus  Nicolai  de  Dersa  (f  1538?) 
hatte  fünf  Söhne,  darunter  den  bekannten  jüngeren  Dichter  Marin  Driic 
(s.  S.  481).  Der  zweite,  Blasius  Nicolai  de  Dersa,  hatte  zwei  Söhne,  Petrus 


1)  Testamenta  Notarie  1498—1503,  f.  89  v.    Ueber  Michael  Mar.  de  Bo- 
cigDolo  vgl.  unten  bei  Marin  Drseiö,  S.  486. 

2)  Ib.  f.  152. 

8)  Diversa  Notariae  1501,  f.  123. 
«)  Ib.  1522,  f.  46.   Ib.  1524,  f.  101. 


Beiträge  Eur  ragusanisohen  Literaturgeschichte.  457 

Blasii  (t  1527}  und  Nicolans  Blasii  (f  1538),  welcher  mit  Clara  de  Fiorio 
anch  zwei  Söhne,  Blasins  and  Jnlianns  Nicolai,  hinterlassen  hat  i).  Dieser 
snletzt  genannte  Blasius  Nicolai  de  Dersa,  1538  mit  seinem  Bmder  Julian 
noch  nnmilndig,  ist  der  bekannte  Vlaho  Dritö,  des  Niko  Driid  Sohn. 
Ylaho's  prunkvolle  Hochzeit  wurde  im  Hause  des  »Ojula  Pioroviö«,  näm- 
lich seines  mfltterlichen  Grossvaters  Oiuliano  de  Mar.  de  Fiorio  (f  1548), 
Schwiegervaters  des  Nicolaus  Blasii  de  Dersa  und  frflher  Tutors  der  un- 
mfindigen  Söhne  desselben,  gefeiert;  dazu  hat  sein  Verwandter,  der 
jflmgere  Dichter  Marin  Driäd,  Neffe  des  Dichters  Ojore  Drii6  und  Oheim 
des  Vlaho,  eine  Anzahl  Gedichte  und  Komödien  verfasst^).  Noch  1614 
lebten  acht  Dersa's  ans  der  Nachkommenschaft  der  Brüder  Blasius  und 
Julianus  Nicolai  de  Dersa  ^). 

Zur  Geschichte  der  Mencetiöi-  VTahovidi  habe  ich  einiges  genea- 
logische Detail  nachzutragen.  Sisko's  Grossvater  Damianus  de  Menze  ^) 


^)  Testamentum  quondam  Petri  filii  quondam  Blaxij  Nie.  de  Dersa,  2.  Mai 
1527  in  den  Testamenta  Notarie  1525—1527,  f.  124  v.  (Universalerbe  die  Frau 
Descia,  Besitzungen  in  Gravosa  und  Ombla,  Epitropo  der  Bmder  Nicolo,  Ma- 
rino de  Dersa  etc.).  Testamentum  Nicolai  Blas,  de  Darsa,  registrirt  14.  Nov. 
1538  in  den  Test.  Not.  1536,  f.  190y.,  die  Distribution  von  1614  ib.  f.  192 
(Kinder  Biagio,  Giuliano,  Giua,  Frau  Clara,  Giuliano  de  Mar.  de  Fiorio  mio 
socero). 

*)  Stari  pisci  VH,  23,  30.  Erwähnt  wird  das  Haus  des  Gjula  Piorovid, 
eines  angesehenen  »plemid«,  und  seine  Enkel  (die  Söhne  seiner  Tochter),  die 
wie  Ejiezen  in  Seide  einhergehen;  es  sind  die  »sinovi  gizdavi«  des  Niko  Drsid, 
von  denen  die  ältere  Vlaho,  »vitez  hrabreni,  pravi  plemiö  svime«,  eben  hei- 
rathet.  Das  Haus  war  angesehen,  reich  und  alt,  aber  das  Lob  der  Familie  in 
diesen  Gedichten  ist  kein  Zeugniss  ihres  Adelsstandes.  Adeligen  Ursprungs 
waren  die  Drl^iöi,  aber  in  der  Archiv  XIX,  75  angegebenen  Weise.  Im  Mag- 
gior  Consiglio  gab  es  seit  dem  XIV.  Jahrh.  keine  Dersa's  mehr. 

3)  Julianus  Mar.  de  Fiorio  starb  im  December  1548  ab  intestato  (Div. 
Not.  1548 — 1550,  f.  25  v.).  Das  Testament  seiner  Wittwe  Maria  ist  eingetragen 
13.  März  1561  (Test.  Not  1555,  f.  206).  Ihre  Universalerben  waren  ihre  Enkel, 
Biaggio  di  Nicolo  di  Darsa  (erwähnt  wird  seine  Frau  Maria  und  seine  Tochter 
Clara,  1570  verlobt  mit  Laur.  Franc.  Jesussi)  und  dessen  Bruder  Giuliano. 
Die  Marginalnoten  ttber  die  Distributio  gehen  bis  1605.  Blasius  starb  vor 
1570,  wo  Julian  noch  lebte. 

*)  Testament  seines  Vaters,  viri  nobilis  Ser  Johannis  Blasii  de  Menge, 
registrirt  am  16.  März  1424,  Testamenta  Notarie  1418,  f.  100;  nennt  Daria  mia 
donna,  die  Söhne  Damian,  noch  nicht  17  Jahre  alt,  und  Tibaldo  und  die 
Töchter  (figle  dongelle  e  gargonete)  Nicoleta,  Catarina»  Clara,  Margarita  und 
Maria. 


458  Const.  Jirecek, 

war  nach  dem  »Specchio«  in  den  J.  1441 — 1472  elfmal  Rector  der  Re- 
publik, bekleidete  ausserdem  abwechselnd  zahlreiche  andere  Würden 
und  ist  als  einer  der  sechs  »consoli  de  le  cause  ciuil«  im  Juli  1476  ge- 
storben. äiSko's  Vater  Simon  Damiani  (f  1506)  war  1480—1489 
viermal  Rector.  Simonis  Bruder  Joannes  Damiani  (f  1508)  war  öfters 
Rector  in  den  J.  1491 — 1507,  ebenso  dessen  Sohn  Damianus  Joatmis 
(t  1540),  seit  14.  Mai  1495  im  grossen  Rath,  1520^1539  siebenmal; 
der  Letztere  hinterliess  vier  Söhne,  Nicolaus  Damiani,  Marinus  Da- 
miani (1540  im  grossen  Rath,  1562  November  und  1565  August  Rector, 
f  1567),  Pasqualis  Damiani  (f  1599)  und  Troianus  Damiani. 

Auch  über  Sisko's  Geschwister  ist  einiges  nachzutragen.  SiSko's 
Bruder  Marinus  Simonis  de  Menze  war  viel  jünger  als  er;  geb.  1473, 
wurde  er  mit  20  Jahren  am  4.  März  1493  in  das  ConsiÜum  malus  auf- 
genommen, heirathete  1509  die  Ligna  oder  Lignussa,  Tochter  des  Franc. 
Jo.  de  Sorgo  (f  1530),  war  1514,  1517  Castellan  von  Stagno,  1521, 
1525,  1529  Castellan  des  Hafenschlosses  von  Elein*Stagno  u.  s.  w.  und 
starb  1533.  Sein  Sohn  Simon  Marini,  geb.  1514,  trat  1534  in  den 
grossen  Rath  und  starb  1568  als  Conte  der  Insel  Lagosta.  Dessen 
Söhne,  Grossneffen  des  Sisko,  die  den  Anbruch  des  XYU.  Jahrhunderts 
erlebten,  waren:  Marinus  Simonis,  geb.  1543,  seit  1563  im  grossen  Rath, 

1567  Castellan  vonSokol,  zuletzt  Canonicus,  Petrus  Simonis,  geb.  1548, 

1568  des  Vaters  Nachfolger  auf  Lagosta,  starb  1603,  Jacobus  Simonis, 
1567  Conte  von  Lagosta,  und  Matthaeus  Simonis,  1588  Cornea  von  Ca- 
nale.  Ein  anderer  Bruder  Siiko's  war  frühzeitig  gestorben  *) :  Damia- 
nus Simonis,  geb.  ungefähr  1456,  1476  im  grossen  Rath,  1483  Consul 
in  Skopje,  starb  1486.  Von  den  drei  Schwestern  des  äiSko  wird  D.  Mar- 
garita  Sim.  de  Menze  als  abbatissa  monasterii  Sanctorum  Apostolorum 
erwähnt  ^).  Charakteristisch  für  die  Namensgebräuche  ist  der  Umstand, 
dass  die  an  Georg  Mar.  de  Goze  verheirathete  zweite  Schwester  des 
äi&ko  Men(eti6,  Magdalena,  einen  zweiten  Namen  Stria  führte,  also 
einen  nationalen  neben  dem  kirchlichen;  in  dem  Codex  »Registro Mari- 
taggi  de  Nobili«  f.  11  liest  man  nämlich,  dass  »D.  Stria,  fiola  di  Ser 
Simon  de  Menze,  uxor  di  Ser  Zorzi  Mar.  de  Goze,  ando  al  marito  1488 
die  23  nou(em]bris((,  nebst  Notizen  über  die  Mitgift,  da  Ser  Zorzi  1501 

^)  Fehlt  Archiv  XIX,  60,  wie  es  überhaupt  schwer  ist,  Stammtafeln  vor- 
zugsweise aus  Testamenten  zusammenzustellen,  da  in  denselben  die  ver- 
storbenen Mitglieder  der  Familie  in  der  Regel  nicht  erwähnt  werden. 

2)  Diversa  Notarie  1514,  f.  36  v. 


Beiträge  zur  ragusamschen  Literaturgeschichte.  459 

seinem  Schwiegervater  Ser  Symon  Dam.  di  Menze  12  perper  anwies,  der 
sie  wieder  1504  an  hBqt  Sigismondo,  filio  snoic  abtrat.  Das  Testament 
der  dritten  nnverheiratheten  Schwester,  »D.  Patde,  filie  quondam  Ser 
Simonis  de  Mence  (sie)«;  ist  registrirt  am  4.  December  1516;  Universal- 
erbe ist  die  Schwester  Magdalena,  Epitropi  sind  der  Bmder  Canonicns 
Joannes,  der  Schwager  Ser  Georgias  M.  de  Qoze,  die  Schwester  Magda- 
lena nnd  der  Neffe  Ser  Simon  Georgii  de  Qoze.  Sigismund  wird  dabei 
nicht  erwähnt  1). 

Einige  Zflge  vervollständigen  das  Bild  des  Ser  Siffismundtcs  Simo- 
nis de  Menze,  des  Dichters  §isko  MenSetid  oder  JStiko  VTahoviö,  wie 
ihn  schon  Marin  Dr2i6  nennt  ^).  Im  »Registro  Maritaggi  de'  Nobili«  f.  1 3  v. 
ist  seine  Heirath  von  den  Tesorieri  genau  eingetragen:  »D.  Maria,  fiola 
de  olim  Ser  Marincho  Fed.  de  Gondola,  perperos  ducentos.  —  Affidata 
per  Ser  Sigismondo  Sim.  de  Menze  a  di  8.  novembris  1496.  —  luit  ad 
maritum  1497  die  15.januarii.  —  Die  10.  martij  1498  cassa,  quia  est 
pro  masculo  ^),  ut  fuit  captnm  die  presenti  in  consiiio  rogatoruma.  Ebenso 
f.  8v.  von  rückwärts:  »Ser  Sigismundo  Sim.  de  Menze  cum  d.  Mara, 
fiola  de  olim  Ser  Marincho  Fed.  de  Gondola,  maritato  1497adil5ze- 
naroe.  Am  8.  und  21.  April  1503  erscheint  diese  Mara  oder  Maria  als 
Margarita.  Die  Thesaurarii,  »audita  humili  petitione  Ser  Sigismundi 
Symonis  de  Menze,  mariti  domine  Margarite,  filie  et  heredis  bono- 
rum olim  Ser  Marinchi  Federici  de  Gondola  mediante  morte  olim  Ser 
Federici,  filii  dicti  olim  Ser  Marinchi,  et  considerato,  quod  dicta 
domina  Margarita  de  anno  in  annum  multiplicat  in  prolev,  assignie- 
ren  der  Margarita  »et  eins  filiis,  tam  qui  sunt,  quam  qni  erunta,  das 
Viertel  der  Besitzungen,  welches  Marinchus  nach  dem  Testamente  des 
»olim  nobilis  et  generosi  equitis  aurati,  domini  Andree  Bene  de  Gon- 
dola« vom  10.  Sept.  1377  besass^).  Dieser  Ritter  Andreas  de  Gondola 
war  seiner  Zeit  am  Hofe  des  Königs  Ludwig  I.  von  Ungarn  gewesen. 
Indessen  hatte  SlavuSa,  Wittwe  des  Theobaldus  Joannis  de  Menze,  eines 
Bruders  des  Grossvaters  SiSko's  Damian,  und  Tochter  des  Marinus  Raph. 
de  Goze,  eine  reiche  alte  Frau,  in  ihrem  Testamente  (registrirt  14.  Sept. 
1500)  auch  den  Dichter  bedacht:  »Item  lasse  a  Ser  Sigismundo  Si.  Dam. 


1)  Testamenta  1512—1516,  f.  194. 

2)  Stari  pisci  VII,  68—69. 

^  D.  h.  im  Erbrecht,  als  Universalerbin,  ohne  die  übliche  Beschränkung 
der  Mitgift  auf  bestimmte  Maximalsummen. 
«)  Diversa  Notarie  1502,  f.  122  und  125. 


460  Gonst.  Jireoek, 

de  Menze  dncati  cinqae  per  amor«^).    In  den  Libri  Cons.  Bog.  1503 — 

1504  wird  die  Appellation  in  einem  Process  zwischen  Sigismnnd  und 
seiner  Fran  einerseits  nnd  Ant.  Bim.  de  Bona  9  pro  differentia  in  Grano- 
sio«  erw&hnt,  ebenso  1508  — 1510  in  einem  Process,  [in  welchem  anf 
einer  Seite  Margarita  nnd  ihr  Gemahl  Sigismundos  Sim.  de  Menze,  femer 
Nicolinus  und  Marinus  Orsati  de  Menze,  sowie  Federichus,  Marinchos 
nnd  Blas.  Jo.  Fed.  de  Gondola,  auf  der  anderen  Seite  Nicoleta,  Wittwe 
des  Nie.  Petri  de  Prodanello,  und  ihre  Söhne  Martoliza  und  Theodor 
standen;  endlich  25.  Juni  1510  in  einem  Process  des  Ser  Sigismnndus 
de  Menze  gegen  Antonius  de  Bonico  dictus  Salomon. 

Seinen  Amtspflichten  in  den  verschiedenen  von  Jahr  zu  Jahr  wech- 
selnden Würden  der  Republik  scheint  der  Dichter  sehr  saumselig  nach- 
gekommen zu  sein.    Er  hatte  die  Gewohnheit,  oft  auszubleiben.   Seit 

1505  liest  man  durch  20  Jahre  öfters  von  Geldstrafen,  »pontature«,  zu 
denen  er  deshalb  yerurtheilt  wurde.  Er  zahlte  sie  immer  ungern.  Am 
19.  November  1510  beschlossen  die  Rogati  den  Sigismundum  S.  de 
Menze,  tpontatum  in  collegioci  von  dieser  »pontaturac  nicht  zu  befreien. 
Am  13.  October  1519  stand  Sigismund,  damals  Mitglied  des  Gonsilium 
minus  ^),  wieder  eine  Geldstrafe  bevor,  weil  er  angeblich  wegen  eines 
starken  Regens  nicht  in  der  Sitzung  erschienen  war.  Die  Entschuldi- 
gung wurde  nicht  angenommen:  »Prima  pars  est  de  franoando  Ser  Sigis- 
mundum Sim.  de  Menze,  pontatnm  in  presenti  consilio,  a  dicta  pontatura, 
quia  propter  pluuias  maximas  non  potuit  venire.  Secunda  pars  est  de 
non  francando  —  per  XVIUI  contra  XI,  ezierunt  VIII  <r.  Am  2.  Sep- 
tember 1523  kam  Sigismund  aus  Gravosa  nicht  in  die  Stadt  zur  Gerichts- 
sitzung, jedoch  der  Rath  befreite  ihn  am  12.  November  d.  J.  von  der 
»puntaturac  von  25  Perper,  »quia  iurat  sibi  non  fuisse  preoeptum  in 
Grauosioff. 

Rector  der  Republik  war  Sigismnndus  Sim.  de  Menze  nicht  einmal, 
wie  ich  in  meiner  Abhandlung  angegeben  habe,  sondern  zweimal,  im 
December  1521  und  im  Juni  1524.  Während  des  zweiten  Rectorats 
feierte  er  im  Regierungspalaste  die  Hochzeit  seiner  Tochter  Veöa, 
welche  somit  den  Namen  von  Sigismund's  Mutter  führte,  mit  einem 


ij  Testomenta  Notarie  149S~1503,  f.  85. 

^  Würden  des  Sigismund  in  den  letzten  Jahren:  1516  Mitglied  des  Con- 
silium  minus,  1518  des  Cons.  Rogatorum,  1519  Cons.  minus,  1521  Rogatonim 
(December:  Rector),  1522  Cons.  minus,  1523  judex  de  criminali,  1524  Cons. 
Rogatorum  (Juni :  Rector),  1525  Cons.  minus. 


Beiträge  zur  ragasanischen  Literaturgeschichte.  461 

Patricier  ans  dem  Hanse  der  Tudisio,  mit  Ser  Francesco  Joannis  de 
Tudisio  ^).  Die  Thesaurarii  notirten  in  dem  citirten  Codex  (f.  35)  über 
die  Heirathen  der  Nobiles  and  die  Beisteuer  zur  Mitgift:  »D.  Vechia, 
filia  Ser  Sigismundi  Si.  de  Menze,  nondum  affidata,  perperi  OC.  —  Affi- 
data  per  Ser  Francesco  Jo.  de  Tudisio  1519,  12.  Febr.  —  luit  ad  ma- 
ritum  die  XVIIU  junij  1524,  dt4cta  ex  pcUaiioti,  ebenso  an  zweiter 
Stelle  (f.  21  von  rückwärts):  »Ser  Francesco  Jo.  de  Tudisio  cum  D. 
Yechia,  fioLa  de  Ser  Sigismundo  Si.  de  Menze,  maritato  a  di  19  zugno 
1524,  duxit  tAxorem  ex  palatiot.  Im  December  d.  J.  zahlte  Sigismund 
den  Thesaurarii  94  Perper,  davon  77  »per  pontature«.  Den  Rest,  106 
Perper,  erhielten  nach  einer  Marginalnote  erst  die  —  Ur6nkel  des  Sigis- 
mund im  Mai  1625  von  den  Thesaurarii,  als  »heredes  et  successores 
quondam  Ser  Sig.  Sim.  de  Menze,  mediante  persona  quondam  D.  Vecchi^«. 
Francesco  Jo.  de  Tudisio  hatte  n&mlich  mit  Veda,  der  Tochter  des 
Dichters,  drei  Eonder,  Sigismund,  Marinchus  und  Aniza  (verlobt  mit 
Mich.  Jac.  de  Cruce);  1625  lebten  zwei  Söhne  dieses  Marinchus  und 
einer  des  Sigismund  ^) . 

Sisko's  Sohn  Marinus  [Marincus)  Sigism.  Sim.  de  Menze  wurde, 
21  Jahre  alt,  am  29.  Juli  1524  in  den  grossen  Rath  aufgenommen,  am 
11.  April  1527  zu  einem  der  zwei  officiali  des  »armamento  de  paga- 
mento«  gewählt,  starb  aber  im  Laufe  des  Jahres  an  der  Pest  (vgl.  Archiv 
XIX,  72),  worauf  am  14.  December  d.  J.  Franc.  Luc.  de  Lucaris,  der 
Vater  des  Dichters  Franc  Lnkarevid,  und  Marinus  Mat.  de  Oetaldis  zu 
diesem  Amte  gewählt  wurden. 

Das  genaue  Datum  des  Todes  des  §iiko  ist  auch  in  den  Randglossen 
des  )»Specchioa  nicht  angemerkt.  §isko  ist  in  dem  furchtbaren  Pestjahre 
kurz  vor  dem  25.  Juni  1527  aus  dem  Leben  geschieden.  Im  Liber  Con- 
silii  Minoris  1524 — 1528,  f.  232  ist  nämlich  unter  diesem  Datum  ange- 
merkt: »Ser  Damianus  Jo.  de  Menze,  Ser  Pasqualis  Troiani  de  Zrieua, 


1)  Veöa  fehlt  in  meiner  vorigen  Abhandlung,  in  der  ich  meinte,  Sigis- 
mund de  Menze  habe  nur  Söhne  gehabt;  doch  sind  unter  ßliiyßglioli  Kinder 
beiderlei  Geschlechtes  zu  verstehen,  da  die  Söhne  gewöhnlich  ausdrücklich 
2X%ßgl%uoU  maschi  bezeichnet  werden.  Archiv  XIX,  73  ist  Franc.  Joannis  de 
Tudisio  als  Sigismund*s  Schwiegersohn  (nicht  Schwager)  zu  berichtigen. 

^  Registro  Maritaggi  de'  Nobili  f.  35  von  vom  und  f.  32  von  rückwärts. 
In  den  Diversa  Cancellarie  1550—1551,  f.  53  finde  ich  Ser  Marinus  et  Ser 
Joannes  Franc,  de  Tudisio  pro  D.  Yechia  eorum  matre,  bei  der  Verpachtung 
eines  Qrundstttckes  in  Breno. 


462  Const.  Jirecek, 

Ser  Marincas  Troiani  de  Zrieua,  Ser  Lampriza  Troiani  de  Zriena  ^)  facti 
fnernnt  tatores  D.  Mare,  relicte  et  possidentis  lectum  et  bona  qaondam 
Sigismundi  Sy.  de  Menze,  cum  übertäte  et  auctoritate  consaeta«. 

Der  Gerichtskanzler  Franciscus  Mar,  de  Menze,  den  wir  in  der 
letzten  Abhandlung  zum  Adel  zählten,  war  nur  ein  Bastard  der  Familie^). 
Er  wird  nirgends  als  Ser  titulirt.  Am  9.  November  1501  wnrde  er  vom 
Consilium  Rogatornm  als  inuncius«  nach  Ungarn  gesendet,  nachdem 
zuvor  der  Antrag,  einen  Nobilis  hin  zu  senden^  gefallen  war  und  der 
Rath  ausdrücklich  beschlossen  hatte,  »aliam  personam«  zu  dieser  Mission 
zu  wählen.  Patronymische  Bezeichnungen  bei  »filii  naturales«  sind  in 
dieser  Zeit  gar  nicht  selten.  Ein  nicht  adeliger  luan  Sig.  de  Goze  war 
1505 — 1517  "Vlcecomes  in  Canale,  ein  nicht  adeliger  Blasius  Pasqualis 
de  Bodaza  dictus  Mostardich  wird  sammt  seinem  Sohn  Lucas  Blasii  de 
Bodaza  in  derselben  Zeit  wiederholt  genannt  und  ein  Marinus  de  Caboga, 
filius  naturalis  quondam  Ser  Marini  Dam.  de  Caboga,  der  ungeHihr 
20  Jahre  lang  als  »bombardarius«  bei  den  Genuesen  von  Chios  gedient 
hatte,  wnrde  seit  October  1520  gleichfalls  als  Geschfltzmeister  in  der 
Heimath  angestellt.  Ein  Simchus  Marci  Jacobi  de  Luccaris  war  1533 
»riueriustt  (Gemeindeherold),  ein  magister  Petrus  Ser  Nicolai  Georgii 
1537  »aurifex«  u.  s.  w.  ^).  Ein  Sohn  des  Gerichtskanzlers,  Namens  Ma- 
rinus Francisci  deMenze  wird  1508 — 1527  als  Repetitor  der  Stadtschule 
genannt;  einmal  wurde  er  1518  auf  ein  Jahr  auch  als  Coadiutor  in  die 
Kanzlei  der  Republik  aufgenommen. 

Marin  Kristiceviö,  der  Verfasser  des  bei  den  Werken  des  Sisko 
Men6eti<5  und  Gjore  Drii6  erhaltenen  hübschen  Gedichtes:  »Isteci  Da- 
nice, pogledaj  s  prozora,  Obasjaj  me  lice,  jurve  je  dan,  zora«  u.  s.  w. 
(Stari  pisci  II,  519],  tritt  in  den  Documenten  als  eine  ganz  deutliche 
Persönlichkeit  vor  uns.  Er  hat  sich  am  18.  October  1503  im  Consilium 
Rogatornm  um  das  Amt  eines  Coadiutors  in  der  lateinischen  Kanzlei  be- 
worben :  Marinus  Christichieuich  neben  drei  anderen  Bewerbern,  Mi- 
chael de  Galuano,  Math.  Siluestri  Petronii  und  Don  Marinus  Marinchi  de 
Florio,  doch  es  fiel  ihm  keine  Stimme  zu.  Es  erhielt  dieses  Amt  zuerst 
Don  Marinus  de  Florio,  bald  darauf  aber  der  oben  erwähnte  Lucas  Pas- 
qualis de  Primo.    KristiSevid  gehörte  also  zu  den  lateinisch  geschulten, 


^)  Sämmtlich  Neffen  des  Aelius  Lampr.  de  Crieva. 
2}  Sein  Vater  ist  unter  den  zahlreichen  adeligen  Marini  de  Menze  des 
XV.  Jahrh.  zu  suchen  (Marinus  Damiani,  Marinus  Lampre,  Marinus  Petri  u.  s.  w. }  • 
3)  Div.  Not.  1533,  f.  116.   Div.  Not.  1536,  f.  235. 


Beiträge  zur  ragusanischen  Literaturgeschichte.  463 

stndirten  Lenten.  Seine  Familie  ist  wohlbekannt  unter  den  reichen 
Bürgerfamilien  dieser  Zeit.  In  der  zweiten  Hafte  des  XV.  Jahrh.  gab  es 
in  Ragnsa  zwei  Brüder,  Pasqnalis  Radossani  Braycouich,  der  1468  bei 
einem  »caraoanus  in  Semiamtr  genannt  wird  ^)  und  der  noch  1487  lebte, 
und  Christophorus  Radossaui  Braycouich  dictus  Gradich,  auch  Christo- 
phorus  Radossaui  Gradich,  kurz  Christich  Gradich  oder  (nach  Ueber- 
setzung  des  Radosav  zu  AUegrettus)  Christophorus  AUegretti  genannt, 
der  1456  ein  Haus  in  der  >ruga  callegariorum«  besass,  1469  in  Novi- 
pazar  weilte^),  1493  noch  lebte,  aber  vor  1500  gestorben  ist.  Dieser 
Christophorus  hatte  mit  seiner  Frau  Catherina  (i  1529)  vier  Söhne: 
unseren  Marinus,  Hieronymus,  Dominions,  Pasqnalis. 

Des  Dichters  voller  Name  lautet  Marinus  Christichieuich  de  Ale- 
grettis  (Marino  X^phoro  de  Allegretto]  oder  kurz  Marino  di  Christo- 
foro.  Nachrichten  gibt  es  über  ihn  nicht  viele.  Am  28.  Juni  1501  sind 
die  »creditores  Marini  quondam  Christophori  Radossaui  Gradich  et  eins 
fratrumcr  eingetragen,  Martoliza  Steph.  de  Crieua,  Jun.  Mar.  de  Gradis, 
Marinus  Nie.  Ben.  deGondula,  Blas.  Mathei  de  Fiffa,  mit  190  Ducaten; 
am  folgenden  Tage  kaufte  Marinus  Grundstücke  ))in  Zupana  in  piano«, 
die  einst  dem  verstorbenen  Jacobus  de  Lebro  gehörten,  um  120  Perper. 
Im  J.  1524  war  Marino  de  Christophoro  de  Allegretto  einer  der  drei 
partitores  bonorum  quondam  Laur.  de  Radoe  Pribissalich  ^j.  Marinas 
Mutter  Catherina  war  vielleicht  verwandt  mit  der  Mutter  des  Gjore 
DrSi<5,  denn  diese  erwähnt  sie  in  ihrem  Testamente  (s.  Beilage  5).  Das 
Testament  der  Catherina,  relicta  quondam  Christophori  AUegreti,  ist  re- 
gistrirt  am  8.  Juni  1529;  es  lebten  noch  zwei  ihrer  Söhne  und  zwei 
Enkel;  erwähnt  wird  »casa  mia,  posta  appresso  Sancto  Andrea a  ^].  Das 
Testament  des  Marin  EristiSevi(5  ist  datirt  vom  17.  April  1531  und  nach 
seinem  Tode  im  Buche  registrirt  am  letzten  Mai  d.  J.  Wir  erfahren 
daraus,  dass  seine  Frau  Nicha  eine  Tochter  des  Marino  de  Fiorio  war. 
Universalerbe  war  sein  einziger  minderjähriger,  wie  es  scheint  unge- 
rathener  Sohn  Christophano.  Der  Vater  befiehlt  ihm  »esser  obediente 
alla  sua  madre,  a  Zuliano  suo  barba  et  a  Domenego  mio  fratello  et  a 
Marino  figliolo  de  detto  Zuliano  a,  die  er  auch  zu  seinen  Epitropi  er- 

1)  Lamenta  de  foris  1468  (24.  Nov.). 

2)  Lamenta  de  foris  1469,  21.  und  28.  April,  in  Nouipasar  ad  partes  Sola- 
uonie,  »Xpophorus  Radossaui  Braycouich  dictus  Gradich«. 

«)  Diversa  Notarie  1500,  f  141.  Div.  Not.  1524,  f.  111. 
«)  Testamenta  Notarie  1528,  Jf.  71. 


464    .  Const.  Jirecek, 

nannte,  »li  qnali  voglio,  che  lo  possino  castighare,  come  a  loro  miglio 
parera ;  .  .  .  se  per  caso  non  sara  obediente  .  .  .  lo  possano  oazar  di 
casaci).  Julian,  »cngnatoc  des  Marin  Kristi6evi<5  und  »barba«  des 
Sohnes  desselben,  ein  Bruder  von  Marinas  Frau  Nika,  ist  der  sehen  oben 
erwähnte  Ginliano  de  Mar.  de  Fiorio,  Schwiegervater  des  Nike  Dri\6 
nnd  Orossvater  des  Vlaho  Dr&i6.  Die  Familien  des  Ejristii^evid  nnd  Drä6 
standen  demnach  einander  vielfaoh  nahe. 

Die  ttbrigen  drei  Brüder  des  Marin  EristiSevid  waren  vielgereiste 
Kanflente.  Hieronymns  starb  1516  in  Smederevo  in  Serbien  3).  Domi- 
nicns  war  1520  in  Adrianopel,  llberlebte  alle  Brflder  nnd  hinterliess 
zwei  Söhne,  die  gleichfalls  Christophoms  undMarinns  hiessen  nnd  1546 
in  Belgrad  verweilten  ^) .  Pasqnalis  hatte  in  Smederevo  1 520  einen  Streit 
mit  den  Türken  wegen  einer  »dogogna«  (türk.  dllkjan,  Kanf laden], 
weilte  1526  in  Vrhbosna  (Sarajevo)  nnd  starb  vor  1529^}.  Znr  Familie 
gehörten  noch  Hieronymns  Pasqnalis  Gradich  nel  de  AUgretto,  Marin's 
Vetter  oder  Neffe,  in  dessen  Testament  1529  Marino  di  Christoforo  als 
Epitrop  erscheint  ^) ,  nnd  Hieronymns  AUegreti  Gradich  (vielleicht  der- 
selbe) ,151 5 — 1516  Gesandter  znm  Mamelnkensnltan  in  Kairo  nnd  erster 
ragnsanischer  Consnl  in  Alexandria. 

Die  Biographie  des  Don  Mauro  Vetraniöy  des  dichtenden  Eanf- 
mannssohnes,  der  in  den  Orden  des  hl.  Benedict  getreten  war,  steht  in 


i)  Testamente  Noterie  1528,  f.  141. 

2)  Test.  1512— 1516,  f.  180v. 

3)  Christophoro  Domenego  de  Alegretto,  Marino  Dom.  de  Alegretto  für 
den  Vater  Domenego,  fine  remissione  1546  in  Belgrad,  Div.Ganc.  1550,  f.  159  v. 

*)  £in  Vorfall  in  seinem  Hause  1518:  Ser  Alouisios  Ni.  Alo.  de  Goze 
»violenter  intranit  nocte  in  domum  Pasqnalis  Ghristichieuicb,  aperiendo  fe- 
nestram,  ad  quam  se  callauit  ex  tecto  diete  domus«,  wurde  aber  für  dieses 
nächtliche  Abenteuer,  welches  jedenfalls  einem  Frauenzimmer  galt,  vom 
Gonsilium  Bogatorum  (13.  Aug.)  zu  einem  Jahr  Kerker  »in  compedibus  ferreis« 
verurtheilt,  »in  uno  ex  tribus  carceribus  antiquis  a  parte  pelagi«.  Blasius 
Mar.  Blasii  de  Menze  war  beim  »Fensterin«  nicht  glücklicher.  Er  stieg  an 
einem  dunklen  Decembermorgen  1519  in  das  Hans  des  Panlus  Jacobi  Ba- 
deglich  »ad  uxorem  dicti  Pauli,  que  viso  homine  clamauit  alte  voce,  qnod 
omnes  vicini  aperuerunt  fenestras  et  ipse  aufugit«  und  wurde  (27.  Dec.)  zu 
zwei  Jahren  in  demselben  Kerker  verurtheilt,  »clausus  in  ferris  ad  pedes«. 
Doch  haben  sich  beide  Angeklagte  bald  geflüchtet ;  Menze  ist  sogar  aus  dem 
Kerker  entsprungen. 

5)  Test  1528,  f.  53  v. 


Beiträge  zur  ragnsanischen  Literaturgeschichte.  465 

enger  Verbindung  mit  den  Bemühungen  der  Republik  von  Ragusa,  die 
Benediktinerklöster  ihres  Gebietes  zu  heben  und  zu  reformiren. 

Der  Stadt  zunächst  lag  das  Marienkloster  auf  der  Insel  Lacroma, 
seit  1466  eine  Zeit  lang  zugetheilt  der  Congregation  der  hl.  Justina  von 
Padua  ^).  Die  Mehrzahl  der  MOnche  waren  Italiener,  ebenso  die  Aebte. 
Eine  Folge  davon  waren  Reibungen  zwischen  dem  Senat  und  dem  Kloster, 
wie  am  8.  October  1494,  wo  der  Rector  nach  Beschluss  des  Consilium 
Rogatorum  den  Abt  Benedictus  aus  Ferrara  mit  den  übrigen  italienischen 
und  ragusanischen  Mönchen  vor  sich  rufen  Hess,  mit  der  Anfrage,  warum 
sie  den  Hylarus  de  Goze,  Ben.  de  Saracha  und  andere  Ragusaner  nicht 
ins  Kloster  aufnehmen  wollten.  Die  Mönche  entschuldigten  sich  mit  der 
Enge  ihrer  Behausung,  nahmen  aber  die  Genannten  auf,  da  ihnen  der 
Rath  drohte,  sie  im  Falle  eines  Widerstandes  binnen  drei  Tagen  nach 
Italien  wegzusenden  (discedant  et  reuertantur  in  Italiam).  Am  folgenden 
Tage  wurde  den  Mönchen  eingeschärft,  sich  zu  bemühen  um  die  Auf- 
hebung eines  Beschlusses  des  Kapitels  der  Congregation,  »quo  decreto 
nostri,  intrare  volentes  religionem,  sunt  ezclnsi  non  solum  ab  hoc  nostro 
monasterio  Lochromonensi,  sed  ab  omnibus  monasteriis  Italic  dicte  con- 
gregationisf.  Die  Republik  werde  sonst  gegen  die  widerspenstigen 
fremden  Klosterbrüder  energische  Massregeln  ergreifen:  vintcindimus 
eos  excludere  a  dicto  monasterio  nostro  Lochromensi,  quod  monasterium 
patres  et  antecessores  nostri  fabricauerunt  ad  laudem  Dei  et  ad  commo- 
dum  ciuium  nostrorum,  Deo  seruire  uolentiumc^).  Am  18.  November 
1508  gab  es  einen  Gonflict  mit  den  Mönchen  von  Lacroma  wegen  Contre- 
bände:  xsuperioribus  diebus  receperunt  furtive  in  monasterium  pannos 
et  alias  res  foresteriorum,  in  damnum  dohane  nostre  et  ofiensionem  rei- 
publice  nostre  a.    Der  Abt  mit  den  Mönchen  wurde  vorgeladen  und  zur 


1)  Vgl.  Theiner,  Monumenta  Slav.  merid.  I,  489. 

2)  Liber  Rogatorum  1492—1497,  8.  und  9.  Oct.  Erwähnt  auch  bei  Conte 
Const.  Vojnoviö,  Crkva  i  drl^ava  u  dubrovackoj  republicii  Rad  jugosl.  akad. 
Bd.  119,  S.  51.  —  Aus  den  Diversa  notirte  ich  mir  die  Aebte  von  Lacroma : 
Nie.  de  Saracha  (Ragusaner)  1497,  Benedictus  de  Sarazana  Januensis  1503— 
1504,  Paulus  de  Mediolano  1506,  Leonardus  de  Pontremulis  1514,  Lucas  de 
Yercellis  1519,  Joannes  de  Arbis  1522,  Honoratus  de  Gastiliono  Mantue  1549, 
Julius  de  Mantua  1550.  Das  ganze  Kloster  in  den  Diversa  Cancellarie  1514, 
f.  2S7 :  der  Abt  de  Pontremulis,  der  FnoT  aus  Genua,  der  Decanus  aus  Zara, 
von  den  Mönchen  4  Ragusaner  (zwei  Placidi,  ein  Joannes,  ein  Theodorus), 
2  aus  Vieenza,  1  aus  Calabrien,  1  aus  Sicilien.  Im  J.  1522  (s.  S.  471)  bestand 
das  Kapitel  wieder  meist  aus  Ragusanem. 

ArcldT  far  sUTiscbe  Pliilologi«.  XXI.  30 


466  Const.  Jirecek, 

Zahlung  des  Zolles  aufgefordert.    Zugleich  ging  an  die  Gongregation 
der  hl.  Justina  eine  Beschwerde  gegen  das  Kloster. 

Grosse  Sorgen  hatten  die  Ragusaner  mit  dem  MnttergottesUoster 
von  Meleda  (lat.  Melita,  sl.  Mljet),  am  Westende  der  grossen  Insel  ge- 
legen, auf  einem  felsigen  Inselchen  inmitten  einer  von  hellgrünen  Nadel- 
holz wäldem  umgebenen  fischreichen  Lagune.  Die  Anfinge  dieser  Bene- 
diktinerabtei sind  in  Dunkel  gehflllt  in  Folge  der  yielen,  einander  wider- 
sprechenden ürkundenfalsificate.  Die  weltliche  Hoheit  über  die  Insel 
nahmen  die  serbischen  Herrscher,  zuletzt  noch  Gar  Stephan  DuSan  1349 
und  Gar  Uros  1357  in  ihren  Privilegien  an  die  Ragusaner  für  sich  in 
Anspruch,  aber  seit  dem  Verkauf  der  Halbinsel  von  Stagno  an  Ragusa 
war  der  serbische  Einfluss  nur  nominell.  Die  Insel  erscheint  als  eine 
Art  —  Republik  mit  einem  Abt  an  der  Spitze,  dem  drei  Richter  und 
der  »sbor«,  die  Gemeinde  der  Insulaner,  zur  Seite  standen.  Da  das 
Kloster  zur  Ragusaner  Diöcese  gehörte  und  die  Achte  meist  aus  Ragusa 
stanunten,  gerieth  Meleda  langsam  unter  die  Herrschaft  der  Republik. 
Seit  1410  residirte  auf  der  Insel  ein  Locumtenens,  später  Visconte  ge- 
nannt, des  ragusanischen  Gomes  von  Giuppana;  dieser  Gomes  selbst 
hatte  in  Folge  eines  Beschlusses  des  grossen  Rathes  von  diesem  Jahre 
dreimal  jährlich  die  Insel  zu  besuchen  und  fortan  die  Richter  der  Insel 
selbst  zu  ernennen.  Seit  1499  finden  wir  jährlich  wechselnde  eigene 
Gomites  von  Meleda  aus  dem  Adel  von  Ragnsa. 

Zur  selben  Zeit,  ungefthr  seit  1480,  war  Abt  des  E^losters  von 
Meleda  der  ragusanische  Patricier  Don  Bemardus  de  Gondola  ^).  Ans 
den  Tagebüchern  des  Marino  Sanudo  ist  bekannt,  dass  dieser  Prälat  sich 
eifrig  um  alle  gleichzeitigen  Ereignisse,  besonders  in  der  Türkei,  inter- 
essirte  und  einer  der  fleissigsten  geheimen  Gorrespondenten  der  vene- 
tianischen  Regierung  war  ^) .  Auf  Meleda  war  nicht  viel  Neues  zu  hören ; 
desshalb  verweilte  er  meist  in  Ragnsa.  Die  Republik  duldete  aber  seine 
wiederholte  Abwesenheit  vom  Kloster  nicht  und  erlaubte  ihm  Besuche 
in  der  Stadt  nur  im  Fall  einer  »causa  legitimaa,  wie  es  im  Beschluss 
der  Rogati  vom  15.  Mai  1501  heisst,  worauf  ihm  aber  schon  am  23.  De- 
cember  d.  J.  bewilligt  wurde  wieder  in  die  Stadt  zu  kommen,  »causa  sc 
cnrandi  ab  infirmitate  de  batticoro«.  Am  6.  Juli  1508  erging  ein  neuer 


i)  Ungefähr  26  Jahre  Abt  1506,  Farlati  VI,  208. 
3)  Auszüge  aus  Sanudo  im  Arkiv  za  povjestnicu  jugoslavensku  V,  46, 
80,  83;  VI,  184,  191,  219,  242,  328,  357,  376,  397,  420  (1499—1514). 


Beiträge  zur  niguBanischen  LiteratnrgeBchiohte.  467 

Befehl  an  alle  Aebte  und  Priore  der  Klöster  des  ragnsanischen  Gebietes, 
sie  sollen  in  den  Klöstern  >  residentiam  continnam  facere  «r.  Im  J.  1 5 1 4  kam 
es,  nach  längeren  Unterhandlungen  in  Rom  wegen  der  Klosterreform,  zn 
einem  Conflict,  da  der  Abt  Bemardns  das  Eigenthum  des  Klosters  ver- 
schleuderte und  auch  sonst  Anstoss  erregte.  Am  20.  Mai  wurde  ein 
Nobilis  mit  einer  Barke  nach  Meleda  beordert,  um  dem  Abt  »sub  pena 
indignationis  nostre«  in  die  Stadt  zu  bringen,  doch  Don  Bemardo  war 
entflohen.  In  Folge  dessen  segelten  am  30.  Mai  Ser  Dragoe  Sim.  de 
Goze  und  Ser  Petrus  Nat  de  Saraoha  mit  zwei  Schiffen  (grippi)  und  be- 
waffiieter  Mannschaft  >ad  monasterium  Melite  pro  custodia  dicti  mona- 
sterii  et  rerum  suarum«;  ein  drittes  Schiff  unter  Paulus  Mar.  de  Grieva 
begab  sich  »ad  viam  Laguste«,  wohl  um  den  Abt  zu  fangen.  Als  man 
erfuhr,  der  Flüchtling  sei  bei  den  Venetianem  auf  Curzola,  wurde  am 
31.  d.  M.  sein  Bruder  Jacobus  Paladini  de  Gondola  mit  einem  Geleits- 
brief zu  ihm  gesendet,  um  ihn  von  dort  zurückzubringen,  was  auch  ge- 
lang. Am  3.  Juni  beschloss  der  Bath  »de  faciendo  yenire  Ragusium 
omnes  monacos  monasterii  Melite,  excepto  dom  Ruscho,  qui  remaneat  in 
monasterio  viceabbas«.  Am  7.  d.  M.  wurde  beschlossen,  den  Erzbischof 
zu  einem  Process  gegen  den  Abt  aufzufordern.  Dabei  hatte  der  Rath 
die  Absicht,  den  Abt  zur  Abdication  zu  bewegen,  durch  das  Versprechen 
einer  lebenslänglichen  Provision.  Zu  gleicher  Zeit  wurde  dem  Rector 
die  Ermächtigung  gegeben,  »accipiendi  de  manibus  cuiuscunque  mulieris 
et  aliamm  personarum,  que  indebite  tenent  res  et  bona  monasterii  Meli- 
tensis,  tam  stabilia,  quam  mobilia«.  Zugleich  begannen  in  Rom  durch 
Don  Damianus  Radognich  oder  AUegretti,  der  12  Monate  auf  dieser  Ge- 
sandtschaftsreise abwesend  war,  neue  Verhandlungen  pro  »reformatione 
abbatie  Melitensis«,  mitHinweis  auf  päpstlicheBuUen  von  1448  und  1466. 
Im  März  1515  entfloh  der  Abt  Bemard  abermals  nach  Curzola  und  von 
dort  nach  Gattaro.  Nun  wurde  er  durch  eine  Sentenz  des  Erzbischofs 
abgesetzt,  worauf  das  Gonsilinm  Rogatorum  am  10.  Juni  den  Viceabbas 
Ruschus  zum  Abt  ernannte  und  die  Nobiles  mit  der  Wachmannschaft 
aus  dem  Kloster  von  Meleda  abberief. 

Indessen  vereinigte  Papst  Leo  X.  am  13.  Juli  1515  das  Kloster  von 
Meleda  mit  der  Gongregation  von  Monte  Gassino  und  übertrug  dem 
Bischof  von  Mercana  Augustinus  de  Nale  (aus  der  Familie  der  Na^eS- 
kovi6)  die  Durchführung  der  Reformation.  Im  Protocoll  der  Sitzung 
vom  24.  Aug.  d.  J.  liest  man  folgenden  Beschluss  der  Rogati :  »Electio 
quatuor  monachorum,  natione  Ragusinorum,  denominandorum  ordinis 

30* 


468  Const.  Jireoek, 

S.  Benedict],  qui  debent  extrahi  ex  congregatione  Casainensi  in  exe- 
cutione  et  secnndum  tenorem  bulle,  nnper  impetrate  pro  reformatione 
monasterii  Melitensis  ad  obseruantiam  regulanun :  Domnns  Hieronymus 
de  Benessa  (31  Stinunen),  Domnus  Placidas  plebeus,  nunc  celerarius 
Lochrome  (25  Stimmen),  Domnns  Benedictus  Pauli  Xuxorine  (alle  39 
Stimmen],  darmms  Maurns  Dimchi  de  Vetrano  (32  gegen  5  Stimmen)«. 
Mavro  Vetraniö  war  also  unter  den  vier  Rag^isaner  Mönchen  der  Con- 
gregation  von  Monte  Cassino,  welchen  die  Erneuerung  des  Klosters  von 
Meleda  anvertraut  war.  Aber  damit  waren  die  Schwierigkeiten  nicht 
zu  Ende.  Am  21.  Januar  1516  erfuhr  der  Rath  von  der  Opposition  des 
Praeses  und  des  Procurator  generalis  der  Congregatio  Cassinensis  gegen 
die  Bulle  für  Meleda  und  hOrte,  der  abgesetzte  Abt  Don  Bemard  de  Gon- 
dola  sei  nach  Rom  gereist.  Um  Intervention  wandte  man  sich  an  den 
Abt  von  Lacroma,  er  möge  die  Congregation  brieflich  über  die  Sache 
aufklAren.  Am  14.  Februar  wurde  dem  Erlöster  von  Meleda  die  Fischerei 
im  »portus  foris  versus  ponentem,  vocatus  Loquiza«  auf  acht  Jahre  für 
die  Restaurirung  der  ELlostergebäude  überlassen,  was  1524  auf  weitere 
acht  Jahre  verl&ngert  wurde.  Am  30.  Januar  1517  segelte  abermals 
ein  Nobilis,  Ant.  Andr.  de  Benessa,  mit  Bewaffneten  nach  Meleda,  »pro 
machinationibus,  quos  tentat  facere  Petrus  de  Albis  pro  abbatiaMelitcff, 
ein  ragusanischer  Geistlicher  im  Dienste  des  päpstlichen  Hofes,  wie  es 
hiess,  von  Curzola  aus  mit  einer  angeblichen  Bulle  ^) ;  doch  schon  nach 
wenigen  Tagen  erfolgte  ein  Gegenbefehl.  Da  eben  das  Priorat  des  Insel- 
klosters von  S.  Andreas  de  Pelago  durch  den  Tod  des  D.  Jacobus  de 
Crieva  erledigt  war,  beschloss  der  Rath  am  28.  Februar  in  Rom  eine 
Reform  auch  dieses  ELlosters,  sowie  die  Union  desselben  mit  Meleda  zu 
verlangen.  Dasselbe  wünschte  man  auch  für  das  St.  Jacobskloster  bei  der 
Stadt,  jedoch  wurde  diese  Absicht  wegen  des  Widerstandes  des  Abtes 
Aloisius  de  Crieva  bald  aufgegeben. 

Am  4.  November  1517  hatte  sich  der  Rath  mit  einer  wichtigen 
Nachricht  aus  dem  Kloster  von  Meleda  zu  beschäftigen.  Zwei  der  ragu- 
sanischen  Mönche  der  Congregation  von  Monte  Cassino,  welche  durch 
das  Vertrauen  der  obersten  Behörde  der  Republik  zur  Klosterreform 
nach  Meleda  berufen  waren,  wurden  nach  etwas  mehr  als  zwei  Jahren 
ihrer  Aufgabe  überdrüssig.  Sie  entflohen  ohne  Wissen  und  Erlaubniss 
des  Abtes  nach  Italien.    Es  waren  eben  die  zwei,  welche  die  meisten 


i)  Vgl.  darüber  Farlati  VI,  212—214  (päpstl.  Urk.  vom  Mai  1517). 


Beiträge  zur  ragnsanisehen  Literaturgeschichte.  469 

Stimmen  bei  der  Wahl  im  Senat  erhalten  hatten,  Don  Benedictns  Pauli 
Xnxorine  nnd  Don  Manras  Dimchi  deVetrano.  Unzufriedenheit  mit  dem 
Leben  in  dem  einsamen  Inselkloster  und  Sehnsucht  nach  Italien,  wo- 
her sie  gekommen  waren,  haben  sie  wohl  zu  diesem  Schritt  bewogen. 
Die  Senatoren  waren  sehr  aufgebracht.  Beide  Mönche  wurden  als  »re- 
belles  nostri,  transgressores  mandati  apostolicicr,  für  immer  aus  dem 
Territorium  und  der  Stadt  Ragusa  verbannt,  ebenso  jeder,  der  es  wagen 
wflrde,  sie  auf  ragusanischem  Gebiet  heimlich  zu  beherbergen.  Wird 
einer  der  Flüchtlinge  gefangen  genommen,  so  ist  ihm  der  Process  zu 
machen.  Die  geringe  Majorität  im  Rathe,  23  gegen  18  Stimmen,  zeigt 
jedoch,  dass  viele  Mitglieder  des  Rathes  die  Ursachen  der  Flucht  anders 
beurtheilten^).  Erst  nach  drei  Monaten,  am  27.  Februar  1518,  be- 
schwerte sich  der  Senat  bei  der  Oongregation  selbst:  i»scribendi  Rdo 
presidenti  et  diffinitoribus  capituli  congregationis  Cassinensis  per  Rdum 
d.  Abbatem  Lochrome,  iturum  de  presenti  ad  dictum  capitulum,  contra 
illos  duos  monacos,  qui  superioribus  diebus  discesserunt  sine  licentia  ex 
monasterio  Melite,  qui  duo  monaci  introducti  erant  in  dictum  monaste- 
rinm  Melite  pro  reformatione  illius  cum  bulla  et  scripturis  pape«^).  Von 
den  zwei  zurückgebliebenen  Mönchen  verlangte  nunmehr  auch  Don  Hie- 


1)  Consilium  Rogatomm,  4.  November  1517  (Band  1516—1518,  f.  183): 
»Prima  pars  est  de  prouidendo  pro  recessa  ex  monasterio  Melitensi  dorn  Be- 
nedict!, filii  olim  Pauli  Xuxorine,  et  dorn  Mawriyßlii  Dimchi  de  Vetrano  (diese 
Worte  am  Rand  hinzugesetzt),  monacorum,  qni  extracti  ex  congregatione 
Gassinensi  erant  introducti  in  dictum  monasterium  Melitense  pro  eins  refor- 
matione et  nunc  inscio  abbate  et  sine  illius  licentia  malo  spiritu  ducti  redie- 
runt  in  Italiam,  deserentes  dictum  monasterium  cum  damnatione  anime  sue. 
Per  XXy  contra  XVI.  Prima  pars  est  de  habendo  dictos  dominum  Benedic- 
tum  et  domnum  Maurum  monacos  pro  rebellis  nostris,  transgressoribns  man- 
dati apostolici,  qui  sint  banniti  perpetuis  temporibus  a  ciuitate  et  territorio 
nostro,  ita  quod  non  possint  nnquam  venire  ad  loca  nostra.  £t  si  unquam  ali- 
quis  eorum  veniret  in  territorinm  nostrum  et  haberi  possit  in  manibus  dominii 
nostri,  quod  debeat  retineri  et  contra  cum  consuli  et  prouideri  in  presenti 
consilio,  interueniente  (f.  183  v.)  auctoritate  superioris  sui.  Et  qui  acceptaret 
in  tenutis  nostris  aliquem  eorum,  si  non  denunciabit  dominio  nostro,  quod 
cadat  in  illam  penam,  que  in  presenti  consilio  dedarata  fuerit.  Et  quod  minus 
consilium  vocari  faciat  depntatos  in  bulla  apostolica  pro  faciendo  poni  exe- 
cutioni  dictam  bullam,  et  in  dicto  minori  consilio  debeat  intimari  volnntas  et 
intentio  presentis  consilii  abbati  Lochrome  et  abbati  Melite.  Per  XXin  con- 
tra XVin.  Seounda  pars  est  de  faciendo  aliter«. 

S)  Lib.  Cons.  Rog.  1516—1518,  f.  227. 


470  ConBt.  Jireoek, 

ronymns  de  Benessa,  Mitglied  eines  Patriziergeschlechtes,  die  Erlanbniss 
zur  Rflckkehr  ans  Meleda  »ad  snam  religionem  congregationis  Cassinen- 
sisff,  was  ihm  das  CoDsilinm  Rogatoram  am  16.  Jdi  1519  gestattete, 
sogar  mit  einem  Belobongsschreiben  (sibi  faciendo  literas  boni  semitns). 
Am  24.  November  d.  J.  schrieb  der  Senat  an  die  Congregation  abermals 
nm  vier  Mönche  zor  Heformirang  des  Klosters  von  Meleda,  nach  Wort- 
laut der  päpstlichen  Bulle.  Da  die  Zeit  alle  Gegensätze  aasgleicht,  was 
damals  gewöhnlich  rascher  vor  sich  ging,  als  in  unseren  Tagen,  wurde 
am  17.  März  1522  dem  fflr  immer  verbannten  Mönch  Don  Benedictus  q. 
Pauli  Xuxorine  volle  Gnade  gewährt  und  ihm  die  Rflckkehr  in  sein 
Kloster  Lacroma  gestattet. 

Die  Zustände  im  Kloster  von  Meleda  Hessen  noch  immer  viel  zu 
wflnschen  flbrig.  Am  14.  März  d.  J.  beschloss  der  Senat  in  Rom  eine 
Vereinigung  aller  ragusanischen  Benediktinerabteien,  eine  »unio  mo- 
nasteriorum  monacorum  S.  Benedicti  diocesis  Ragusinet  zu  betreiben, 
um  so  mehr,  als  es  verlautete  (27.  März),  die  Congregation  von  Monte 
Cassino  beabsichtige  das  Kloster  von  Lacroma  »alicui  prelato  in  com- 
mendam  aut  cuidam  cardinalia  zu  geben.  Als  Gesandter  ging  nach  Rom 
Bernardus  de  Binzola.  Demselben  wurde  am  14.  März  1526  bei  einer 
zweiten  Gesandtschaftsreise  neben  den  Verhandlungen  um  die  beabsich- 
tigte Union  aller  ragusanischen  Benediktinerklöster  speciell  aufgetragen, 
»creationem  abbatis  annalis  monasterii  Melitensis  et  eins  prioris  in  ca- 
pitnlo  monasterii,  quolibet  anno  celebrando«  zu  erwirken  und  eine  aber- 
malige Sendung  von  vier  »monachi  nationis  nostre«  aus  der  Congrega- 
tion von  Monte  Cassino  nach  Meleda  zu  erbitten.  Binzola  erreichte  die 
Union  und  die  periodische  Wahl  des  Abtes.  Die  neue  Congregation 
umfasste  alle  Benediktinerklöster  des  ragusanischen  Gebietes  mit  Aus- 
nahme von  Lacroma  ^). 

In  den  Bflchem  des  Consilium  Rogatorum,  die  ich  bis  Ende  1526 
gelesen  habe,  fand  ich  keinen  ausdrücklichen  Beschluss  über  eine  Be- 
gnadigung des  Don  Maurus.    Aus  dem  Testamente  seines  Vaters,  des 


1)  Eine  urkundliche  Geschichte  der  Melitensischen  Congregation  auf 
Grund  der  Akten  der  Archive  von  Rom,  Monte  Cassino  und  Ragnsa  wäre  eine 
nicht  undankbare  Aufgabe.  Die  Darstellung  bei  Farlati  VI,  66  f.,  212  f.  ist 
unvollständig.  Die  definitive  Einrichtung  der  Congregation  erfolgte  1528 
durch  Papst  Clemens  Vn.  (ib.  p.  74,  221).  Es  gehörten  dazu  die  vier  Klöster 
von  Meleda,  S.  Jacobus  de  Visnjica,  S.  Andreas  de  Pelago  und  die  Abtei  von 
Pakljena  auf  der  Insel  Giupana.  Die  »praesides«  wechselten  alljährlich. 


BeitrSge  zur  raguBaniachen  Literaturgeschichte.  471 

Dominicns  Nie.  de  Vetrano  (f  Apr.  1526)  vom  18.  Mai  1525,  ist  jedoch 
sicher  zu  schliessen^  dass  er  damate  wieder  in  Ragasa  weilte,  denn  ihm 
wird  die  ganze  Testamentsvollstreckung  Übertragen  (Archiv  XIX,  77). 
Er  ist  woU  1522  zusammen  mit  Znzorina  begnadigt  worden  nnd  war 
schon  in  diesem  Jahre  wieder  in  Lacroma  ^). 

Ueber  die  späteren  Schicksale  des  Vetrani6  vermag  ich  jetzt  nur 
wenige  urkundliche  Daten  mitzutheilen,  aus  denen  jedoch  erhellt,  dass 
der  Dichter  in  der  neuen  Melitensischen  Congregation  eine  bedeutende 
Bolle  spielte.  £r  war  1527 — 1528  Abt  von  Meleda  und  sollte  wegen 
der  Organisation  der  Oongregation  als  Gesandter  der  Republik  zum 
Papst  reisen,  was  er  nicht  annahm  3).  Später  finden  wir  ihn  1534  als 
Prior  des  Inselklosters  S.  Andreas  de  Pelago,  welches  er  in  seinen  Ge- 
dichten so  schon  geschildert  hat,  1542  als  Abt  des  St.  Jakobsklosters 
vor  der  Stadt  nnd  1544  als  Praeses  der  ganzen  Melitensischen  Oongre- 
gation. 

Am  17.  Februar  1534  schloss  die  Congregation  einen  Pachtvertrag. 
An  der  Spitze  derselben  erscheint  Don  Hieronymus  Sym.  de  Benessa, 
derselbe,  der  einst  mit  Vetranid  1515 — 1517  das  Kloster  von  Meleda 
reformiren  sollte,  schon  19.  Sept.  1531  als  Praeses  und  zugleich  abbas 
S.  Jacobi  de  Visgniza  genannt  ^j.  »Rdi  in  Ohristo  presentes  D.  Hieroni- 
mus  Sym.  de  Benessa,  preses  congregationis  Melitensis  ciuitatis  Rhagu- 
sij,  D.  Benedictus,  abbas  Sti  Jacobi  in  Visgniza,  et  Z>.  Maurus  de  Uet- 
tranis^  prior  monasierü  Sti  Andreae  de  Pelago^  omnes  ibi  presentes 
et  unanimiter  concordes  ao  cum  consensu  Ser  Stephani  Sym.  de  Benessa, 

1)  In  den  Div.  Notarie  1522,  f.  43  erscheint  am  1.  December  1522  das 
Kapitel  von  Lacroma:  D.Joannes  de  Arbis  abbas,  D.  Hieronymus  de  Ragnsio 
abbas  Pomposie  pro  titulo,  D. Benedictus  de  Ragusio  prior,  D.Petrus  de  Pla- 
centia  celerarius»  2>.  Maunu  de  Bagusio,  D.  Joannes  Maria  de  Ragusio,  D. 
Nicolaus  de  Istria,  D.  Augustinus  de  Ragusio,  D.  Lucas  de  Ragusio,  D.  Hie- 
ronymus de  Ragusio,  D.  Michael  de  Ragnsio.  D.  Maurus  ist  wohl  Niemand 
anderer  als  Maurus  de  Vetranis;  D.  Benedictus  ist  Znzorina. 

S)  Am  27.  Juni  1527  übergab  der  Oanonicus  Mich.  Clem.  de  Restis  als 
Yicar  des  Erzbischofs  im  Kloster  von  Meleda  dem  D.  Maurus,  Abbas  von 
Meleda,  die  durch  den  Tod  der  letzten  Aebte  A.Cervinus  und  Hilarius  Gozze 
erledigten  KlOster  von  St  Jakob  und  St  Andreas  (Urk.  bei  Farlati  VI,  221— 
222).  Presbyter  Dam.  Allegrettus  statt  des  Maurus  Vetranus,  abbas  Meliten- 
sis, 1528  Gesandter  zum  Papst,  ib.  VI,  74. 

9)  Div.  Canc.  1530— 1531,  f.  156.  Benessa  soll  der  eigentliche  Begründer 
der  Oongregation  gewesen  sein,  Farlati  VI,  66  f.  (Commentarius  des  Abtes 
Ign.  Giorgi). 


472  CooBt  Jireoek, 

procuratoris  dicte  congregationis  Melitensifl«,  verpachten  aaf  500  Jahre 
(annos  qniogentos)  »Michotio  Andreae  Recich  de  Granosioa  und  dessen 
Erben,  »villico  monachomm  dicti  monasterii  8.  Andreae a,  Hans  und 
Garten  »in  Grauosio  prope  S.  Michaelemc  fttr  20  Grossi,  jährlich  am 
St.  Andreastag  zu  zahlen  »pro  affictn  terreni,  in  qno  domns  prefata  po- 
Sita  est«,  ebenso  dem  Nie.  Badi  de  Grauosio  auf  500  Jahre  »medietatem 
domns  et  orti,  in  qna  de  presenti  habitatc,  fUr  10  Gross!  jährlich,  die 
gleichfalls  am  St.  Andreastag  zu  entrichten  sind^).  Am  11.  Febmar 
1536  erscheint  Hieronymns  de  Benessa  als  Abt  von  Meleda;  er  schliesst 
mit  Maurern  aus  Gravosa  eine  Uebereinknnft  wegen  eines  Banes  in  Ba- 
bino  polje  auf  Meleda  fttr  das  Kloster^).  Von  Vetraniö  hören  wir  erst 
einige  Jahre  später,  in  dem  1542  verfassten  Testament  seiner  Schwester 
Barbara,  Wittwe  des  Blasius  Nie.  de  Latiniza,  die  als  Epitropi  einsetzte: 
»D.  MaurOj  mio  fratello,  abhate  di  Sto  Jacomo^  et  Jacomo,  mio  fra- 
telloa').  Am  16.  März  1544  abdicirte  Benessa,  noch  immer  Abt  des 
Marienklosters  von  Meleda,  wegen  seines  hohen  Alters  (etate  senili  op- 
pressns),  um  den  Rest  seines  Lebens  »in  sanctis  meditationibus  cum  omni 
debita  deuotionec  zuzubringen.  »Idcirco  predictis  et  aliis  animi  sui  ra- 
tionibus  motus  ex  mera  et  propria  sua  uoluntate  dixit  sc  rennntiare  Bdo 
Don  Mauro  de  Vettrano,  presidi  dicte  congregatUmis^  et  capitulo  to- 
tum  regimen,  quod  hucusque  et  omnem  quam  in  dicta  congregatione, 
tam  in  spiritualibus  quam  temporalibus  habuit  auctoritatema.  Benessa 
blieb  nur  »titularis  abbasc^).  Er  starb  Ende  1546,  als  abbate  di  S.  Ja- 
cobe (Visnjica) ,  worauf  der  Senat  einen  Don  Grisostomo  in  Venedig 
suchen  Hess,  nämlich  den  gelehrten  Mönch  von  Monte  Gassino  Chry- 
sostomus  Calvinus  aus  Calabrien,  der  1549  zur  Reformation  der  Bene- 
diktinerklöster nach  Ragusa  kam,  öfter  Abt  und  Praeses  der  Congre- 
gation  war,  zuletzt  (1564 — 1575]  Erzbischof  von  Ragusa  ^).  Ich  habe 
auch  die  Testamente  der  beiden  Brüder  des  Don  Maurus  gefunden,  doch 
von  ihm  ist  in  ihnen  kein  Wort.   Des  Hieronymus  Dominici  de  Veterano 


1)  Diversa  Notarie  1533,  f.  122. 

2)  Div.  Canc.  1535,  f.  79. 

8)  Testamenta  Notarie  1539,  f.  210.  Vgl.  Archiv  XIX,  S.  77. 

^)  Diversa  Not  1544,  f.  140. 

s)  Commissio  des  Aless.  di  Jac.  di  Verona,  S.Dec.  1546.  Lottere  e  Comm. 
di  Lev.  1542—1548.  Am  16.  März  1549  erscheint  D.  Hieronymus  Sauelianus 
als  abbas  mon.  S.  Jacobi  de  Visiniza,  Div.  Not.  1548—1550,  f.  81.  Ueber  Cal- 
vinus Fariati  VI,  242  f. 


Beiträge  znr  raguBanischen  Literaturgeschichte.  473 

Testament  ist  eingetragen  am  21.  Hai  1556,  das  des  Jacobns  Dominici 
deVetranis,  der  zwei  Söhne,  Dominicas  und  Daniel,  hinterliesS;  am 
29.  September  1 561  ^).  Die  Akten  der  Melitensischen  Congregation  sind 
verschollen;  das  meiste  über  dieselbe  dürfte  in  Rom  zn  finden  sein,  ein 
archivalisches  Material,  von  welchem  Theiner's  Sammlung  nur  ein  un- 
vollkommenes Bild  liefert.  Anch  in  den  Senatsprotokollen  nach  1526 
nnd  in  der  politischen  Correspondenz  von  Ragnsa  mag  noch  manche 
Notiz  über  Don  Mauras  verborgen  liegen. 

Bei  den  Nachforschungen  über  Andrija  Öuhranotidy  wohl  einen 
der  bedeutendsten  Dichter  der  ragusanischen  Schule,  hatte  ich  kein 
Glück  ^).  Es  haben  sich  aber  dennoch  Daten  gefunden,  welche  uns  der 
Frage  näher  bringen.  Eine  Familie  Oubranovi6,  Cibranovi6  ist  zwar 
innerhalb  der  Stadtmauern  von  Ragusa  zu  Anfang  des  XVI.  Jahrh.  nicht 
nachweisbar,  aber  Leute  mit  Namen  Cyprianus,  Zibrano  und  den  davon 
abgeleiteten  Patronymica  hat  es  in  Ragusa  und  Umgebung  am  Ende  des 
Mittelalters  genug  gegeben.  Ein  Rossinus  de  Zibrano  wird  am  2. Sept. 
1282  genannt').  Ein  Bene  de  Zibrano  oder  Cibriano  aurifex  erscheint 
um  1350^).  Itumcho  Zubranouich  klagte  am  2.  März  1374,  gestern 
seien  ihm  bei  Sonnenuntergang  »prope  ecclesiam  S.  Orsulec  zwei  Pack- 
pferde mit  Oel,  Wein,  Salz  u.  s.  w.  von  vier  Leuten  aus  Popovo  geraubt 
worden^).  Es  ist  wohl  derselbe  2^uchtis  Zibranouichj  der  am  15.  Juli 
1403  sein  Testament  abfassen  Hess,  worin  »caxa  mia  e  uignain  Ora- 
uossac,  seine  Frau  Zfieta,  sein  Bruder  Maroye  genannt  wird<^).  Dieses 
Maroe  Zibranoutch  Testament  ist  am  2.  October  1429  eingetragen; 
seine  Frau  hiess  Glubissaua,  seine  Söhne  Giucho,  Nicola,  Vlacota,  Ruscho 
und  luoho^).  Ein  Zubar  Zubranouich  de  Grauosio  wird  1436  ge- 
nannt^). 


1)  Testamenta  1555,  f.  27v.— 28,  221  v. 

2)  Für  Uubranoviö  fehlt  es  überhaupt  an  chronologischen  Anhaltspunk- 
ten. Die  Angabe,  dass  die  »Jegjupka«  am  20.  Juli  1527  in  Ragusa  recidrt  wurde 
(Stari  pisci  VIII,  S.  VII)  ist  entschieden  unrichtig,  denn  eben  in  diesem  Som- 
mer wüthete  die  Pest  in  der  Stadt  in  ganz  furchtbarer  Weise  (vgl.  Archiv 
XIX,  72).  Oder  soll  dieses  Datum  den  Todestag  des  Dichters  bezeichnen? 

<)  Liber  diuersarum  1282—1284  (Div.  Not). 

*)  Vgl.  auch  Starine  XI,  10 ;  Monumenta  Ragusina  III,  63. 

^)  Lamenta  de  intus  1372—1374. 

«)  Testamenta  Notarie  1402,  f.  56. 

7)  Ib.  1418,  f.  211 V. 

9)  5.  Dec.  1436,  Lamentationes  de  foris  1436. 


474  Const  Jireoek, 

In  der  Zeit  des  HenSetid  and  Dri^iö  lebte  in  Orarosa  ein  ganzes 
Qeschlecht  von  Manrermeistern,  genannt  Oibranütdch  oder  Zibranauich, 
dessen  Mitglieder  bei  Bauten  innerhalb  und  ausserhalb  der  Stadt  in  den 
Bflchem  der  »Diversa  Notarie«  und  »Diversa  Oaneellarie«  sehr  oft  ge- 
nannt werden.  Es  waren  1486  f.  die  vier  Brüder  Bartholos,  Maroe, 
Franciscus,  Bogoe,  mnratores  de  Granosio,  fratres  Zibranooich,  filii 
qnondam  Nicolai  Zibranonich;  auch  bloss  als  Nicolich  (oder  Nicolich 
dictns  Cibranooich]  bezeichnet,  dann  die  Söhne  derselben,  Bogoe  Ma- 
roenich  dictns  Cibranouich  oder  kurz  Bogoie  Cibranonich  de  Granosa 
(Testament  1530)  und  Marin  Bartolouich  detto  Vtua  (utva  Ente)  Zibra- 
nouich  in  Grauosa  1 528  ^) .  Ein  Verwandter  derselben  war  der  Maurer- 
meister Ruschus  Qabrouich,  Zubrouich,  Cibranouich,  1498 — 1524  bei 
zahlreichen  Kirchenbauten,  besonders  des  Aposteiklosters  oft  genannt, 
sowie  dessen  Söhne,  die  »muratoresc  Antonius  Buschi  dictus  Cibranonich 
(Cyb-),  Petrus  Ruschi  Cibranouich  (1535 — 1538)  und  Christophorus 
Ruschi  de  Grauozio  (1550).  Zu  nennen  ist  noch  ein  Marcus  Luchxe 
Cibranouich  de  Grauosio  1493  und  ein  Paulus  Zibranouich  1528.  Eine 
andere  Gruppe  dieser  Cibranoviöi  von  Gravosa  wird  in  einer  Cession 
vom  10.  April  1505  genannt:  »Stiepchus  et  Andrects  fratres,  filii  quon- 
dam  Luce  Helijch  dicti  Cibranouich  de  Grauosio«  mit  ihrer  Mutter  Sla- 
uussa  treten  dem  Bogoe  Nicole  Maroeuich  dicti  Cibranouich  die  »jura 
et  rationes«  ab,  welche  sie  »jure  polouicie  ac  laboreriorum  et  meliora- 
mentorumc  auf  2Y4Soldi  Grund  »in  Grauosio  apud  ecdesiam  S. Michae- 
lis« hatten,  nftmlich  auf  Besitzungen  des  Frauenklosters  St.  Thomas, 
»alios  locatos  ad  polouiciam  olim  Cibrano«,  einem  Vorfahren  der  Fa- 
milie, nach  der  Eintragung  in  den  Diversa  Notarie  am  7.  December 
1 375  2) .  Der  Name  Andreas  kam  also  unter  diesen  Öibranoviöi  von  Gra- 
vosa  vor.  Sollte  dieser  Andreas,  Sohn  des  verstorbenen  Luka  Iliö  Öib- 
ranoviö,  von  1505  der  Dichter  sein')? 

Antun  Sasin   (Ende  des  XVI.  Jahrh.)  bezeichnet  Öubranoviö  als 
»Andrija  zlatara^j;  auch  nach  Dolci  soll  er  laurifexa  gewesen  sein, 


1)  Lamenta  de  foris  1528,  f.  266  v. 

2)  Diversa  Notarie  1504,  t  99  v. 

3)  Ein  Dragitius  Nicolai  dictus  Ciobranouich  (sie)  in  den  Diversa  Not. 
1537—1539  f.2  V.  erscheint  in  seinem  Testament  1530  dreimal  richtig  als  Cio- 
banouich,  von  ooban  Hirt.  In  der  Matricola  della  confratemiti  di  S.  Lazaro 
unter  den  fratelli:  Dragloh  de  Nicola  Cioban. 

«)  Stari  pisci  XVI,  107,  160. 


BeitrSge  zur  ragoBaniBchen  Literaturgeschichte«  475 

nach  Serafino  di  Gerva  die  »argentaria  anc  betrieben  haben.  Die  Gold- 
Bchmiede  und  Goldschläger,  aurifices  nnd  batianri,  hatten  eigene  Corpo- 
rationen,  die  aber  durch  den  Beschlnss  des  Oonsilium  Rogatomm  vom 
29.  Januar  1521  zu  äner  fratemitas  »sub  una  banderia«  vereinigt  wur- 
den. Die  Nachforschungen  Aber  die  einzelnen  Mitglieder  dieser  Zunft 
gestalten  sich  sehr  schwierig,  da  die  oresi  und  battiori  oder  battidori, 
ebenso  wie  die  lanari,  fornari,  pelizari  u.  A.  noch  über  1550  hinaus 
meist  nur  mit  Tauf-  nnd  Vatersnamen  bezeichnet  werden,  ohne  Familien- 
namen, z.  B.  Hieronymus  Mathei  aurifex,  Oliueriua  Andree  battiaurius, 
Biasio  de  Uia  orese  u.  s.  w. 

Unter  den  Goldschl&gem  gibt  es  in  dieser  Zeit  einen  Andrea  di 
Elia  (de  Bia)^).  Am  8.  Januar  1545  hat  er  sich  wegen  der  «mala  qua- 
litä  delli  tempi  corsi«  mit  zahlreichen  Edelleuten  und  Bflrgem  zu  ver- 
gleichen, um  nicht  unbedeutende  Summen  (Zanobio  Bartholi  846  Dn- 
caten,  Jao.  Georgii  de  Cabogha  600  Duc.  u.  s.  w.)^).  Im  J.  1547  war 
er,  selbst  schon  ein  Greis  (graue  d'anni  e  del  corpo),  iruinato  per  la 
pocha  fede  di  Miohele  Petrouichc  und  reichte  dem  Oonsilium  Rogatomm 
ein  Gesuch  Aber  einen  Ausgleich  ein,  worauf  der  Rath  das  »accordium« 
billigte;  unter  den  Glftubigem  waren  Jac.  Georgii  de  Caboga,  Mar. Georgii 
de  Gozze,  Marin  Piero  de  Cerva,  Pietro  Fr.  de  Lucari  und  Aug.  de 
Nale').  Am  28.  Mai  1548  verfasste  Andrea  di  Elia  battioro  sein  Testar 
ment,  in  welchem  seine  Frau  Paula  und  als  Universalerbin  seine  Tochter 
Maria  genannt  werden.  Er  begab  sich  nach  Siebenbflrgen  nnd  wurde  in 
demselben  Sommer  bei  Karlsburg  ermordet;  das  Testament  ist  am  20^ 
September  d.  J.  in  das  Buch  eingetragen  mit  der  Bemerkung:  »Hoc  est 
testamentum  quondam  Andreae  Eliae  battioro,  interempti  [in  partilms 
Älbae  Juliae,  repertum  in  notaria  publica  ciuitatis  eiusdem,  ubi  datom 
fuerat  ad  saluandum«^).  Am  1.  Deeember  1548  erscheinen  bereits  die 
conservatores  bonorum  »quondam  Andreae  Eliae  battioro«,  mit  einem 
Salvus  Conductus  für  Georgius  Radi,  Schuldner  des  Verstorbenen  ^).  Ist 
dieser  in  Siebenbürgen  ermordete  alte  und  abgewirthschaftete  Gold- 


^)  Andrea  de  Dia  hatioro  in  der  Matricola  della  confratemit&  di  S.  La- 
zaro  (jetzt  im  Hauptarchiv  in  Ragusa,  aus  der  Sammlung  §ariöj  f.  73  A,  unter 
den  Brüdern,  »queUi  che  non  sono  de  capitulo«. 

3)  Diversa  Kotarie  1644,  f.  104. 

3)  Gons.  Rogatomm  1547—1549,  f.  32. 

«)  Testamenta  Notarie  1543—1549,  f.  240. 

^)  Div.  Notarie  1548—1550,  f.  25. 


476  Gonst.  Jirecek, 

Schläger  Andreas,  des  Elias  Sohn,  der  Dichter  der  »Jegjnpka«?  Ich 
glaube  nicht.  Sein  Schicksal  wäre  den  älteren  ragnsanischen  Literar- 
historikern nicht  geheim  geblieben. 

Wenn  wir  bei  den  Goidschlägem  bleiben,  so  gibt  es  noch  eine  Spar. 
Ein  reicher  angesehener  Mann  dieser  Zeit  war  der  seit  1524  oft  ge- 
nannte Simon  de  Andrea  haiidoro  oder  Simon  Andree  battiaurins.  Er 
besass  in  der  Stadt  ein  grosses  Hans  nnd  betrieb  Handel  in  der  Fremde, 
wie  er  1535  mit  dem  Dichter  NaljeSkovid  (s.S. 480]  Geschäfte  in  Aegyp- 
ten  hatte.  Simon  starb  1547,  seine  Fran  Marrha  (sie)  schon  1544 1). 
In  seinem  Testament  werden  drei  Söhne  genannt :  Marino,  der  wichtigste 
Erbe,  als  Marinas  Simonis  battiaari  oft  genannt  bei  Handelsgeschäften, 
Lederexport  aas  Bosnien  and  Assecarationen  von  Schiffen,  Jacopo  and 
Francesco.  Zwei  Töchter,  Gatha  and  Nicha,  waren  verheirathet  an  einen 
Michael  und  einen  Petras,  wohl  Petras  Natalis  pictor,  fttr  den  Simon 
1536  Schiedsrichter  in  einer  Erbschaftsangelegenheit  war  3);  Paula  war 
Gattin  des  Nicolaus  Joannis  aurifex  gewesen,  der  nach  ihrem  Tode  1533 
eine  neue  Ehe  einging  und  ihrem  Vater  Simon  die  Mitgift  von  400  Duc. 
Gold  zurückzahlte;  zwei  Töchter  waren  Nonnen,  Fiora  im  Kloster  St. 
Thomas,  Benedetta  in  S.  Maria  di  Gastello.  War  Simonis  Vater  Andreas 
der  Dichter?  In  den  Familien  von  Bagusa  war  es  üblich,  dass  die  Na- 
men der  GrossYäter  sich  regelmässig  unter  den  Enkeln  wiederholten. 
Hatte  Simon,  Sohn  eines  Andreas,  nicht  noch  einen  vierten  Sohn,  der 
auch  Andreas  hiess  und  frühzeitig  gestorben  war,  und  war  dieser  uns 
sonst  unbekannte  Andreas  der  Dichter  der  »Jegjupka«? 

Die  Nachforschungen  nach  der  Familie  Uubranoviö  in  Ragusa  bis 
1550  sind  erfolglos  geblieben.  Bei  der  Verarbeitung  meiner  Notizen 
sehe  ich,  leider  zu  spät,  dass  ausser  einem  glücklichen  Zufall  nur  ein 
einziger  Weg  zu  einem  Resultat  führmi  könnte.  Marc  Battitore  (wohl 
ein  »batidoro«)  widmete  die  Editio  princeps  der  JiJegjupka«,  Venedig 
1599,  dem  »Thomu  Nadalu Budislavu  . . .  pasanomu  vitezu  i  poStovanomu 
kanoniku  polja5komu(t,  der  dabei  ausdrücklich  als  ein  Verwandter  des 
Dichters  mütterlicherseits  bezeichnet  wird:  »kako  rodjak  i  plemenom  ma- 
terinijem  od  iste  kuce  Öubranoviöc^).    Der  Genealogie  dieses  Ganonicus 


^)  Testamentum  quondam  prudentis  viri  Simeonis  Andreae  BattiorJ, 
registrirt  am  29.  Oct.  1547,  Test  Not  1543—1549,  f  210.  Testament  der  Marrha 
ib.  f.  77. 

2)  Div.  Notarie  1533,  f.  41. 

3)  Suri  pisci  VIII,  p.  XXIV. 


Beiträge  zar  ragusanischen  Literaturgeschichte.  477 

Thomas,  aber  anch  der  des  Battitore  selbst  ist  näher  nachzugehen, 
üeber  den  ersteren  bietet  Fariati-Coleti  einige  Nachrichten.  Thomas 
Natalis  studirte  in  Bologna,  lebte  als  Arzt  in  Eonstantinopel,  später  in 
Polen,  wo  er  die  Ritterwflrde  und  ein  Krakauer  Canonicat  erhielt,  wurde 
zuletzt  zum  Bischof  von  Trebinje  und  Mercana  ernannt  (1606 — 1608) 
und  starb  1608  in  Neapel.  Sein  Urgrossvater  Natalis  Budislavid,  an- 
geblich aus  einem  Adelsgeschlecht  einheimischer  »comitesv,  soll  am  Ende 
des  XV.  Jahrhunderts  aus  Nevesinje  nach  Ragnsa  eingewandert  sein. 
Des  Natalis  Sohn  hiess  Leonardus.  Leonardas  Sohn  und  des  Bischofs 
Vater  war  Vincentius^  i>qui  lectissimam  feminam  ex  gente  Ciubrano- 
vichia  Ragusiensi  uxorem  duxerat,  ejusque  genus  Thomas  in  suo  testa- 
mento  pluribus  omat,  tum  in  Vegliensem  etiam  et  Flnminensem  familias 
divisumc  ^).  Also  1608  gab  es  noch  Öubranovidi  in  Veglia  und  in  Fiume, 
obwohl  die  Familie  ursprünglich  aus  Ragusa  stammte.  • 

Klar  ist  die  Persönlichkeit  des  Dichters  Ntkola  Jera  Dimitrovic. 
Die  kaufmännischen  Familien  hielten  mehr  auf  ständige  Familiennamen. 
Söhne  eines  vor  1484  verstorbenen  Marinus  de  Dimitrio^)  waren  die 
drei  Brüder  Hieronymus,  Dimitrius  und  Nicolaus,  angesehene  Bürger 
»de  populoff.  Hieronymus,  seit  1486  oft  genannt,  miethete  1506  den 
Garten  der  Canonici  der  Kathedralkirche  »ad  Pillasa,  besass  ein  von 
seinem  Vater  1458  den  Epitropi  des  Nie.  de  Russino  abgekauftes  grosses 
Haus  in  der  Stadt  und  ist  1527  an  der  Pest  gestorben.  Des  Hieronymus 
drei  Söhne  waren:  Marinus,  Joannes,  der  1517  als  frater  Felix  ordinis 
predicatorum  gestorben  ist^),  und  Nicolaus,  der  Dichter.  Am  13.  März 
1536  finden  wir  den  Dichter  neben  Edelleuten  Bona,  Gondola,  Gozze 
und  dem  Dominico  Christophoro  de  AUegretto  bei  der  Assecuration  eines 
Schiffes  des  Mar.  Radulouich,  Namens  »SanctaTrinitas«,  das  nach  Rho- 
dos, Smyrna  und  Beyrut  segeln  sollte:  »Nicoiao  Hier,  de  Dimitrio  asse- 
cura,  ut  Bupra,  ducati  dieci  e  per  suo  risico  ha  hauuto  ducato  uno  et 
grossi  ottoc.  Bald  darauf  erscheint  er  als  Procurator  des  Andreas  Geor- 
gii  de  Nouomonte  (Novo  Brdo),  bei  der  Vermiethung  eines  Hauses  des- 
selben in  der  »ruga  S.  Siguratitr  an  den  Doctor  Donatus  de  Mutina  ^). 
Am  3.  Januar  1537  mietheten  in  Genua  Nicolaus  Hieronymi  de  Demitrio, 


1}  Farlati,  Illyricnm  sacmm  VI. 

2)  1451  Bankier  in  Venedig,  Gelcich  und  Thallöczy,  Diplomatarium 
S.  487. 

>)  Testamenta  Notarie  1517,  f.  10  v. 

«)  Diversa  Gancellarie  1535,  f.  93  (cf.  f.  68  v.)  und  f.  101. 


478  Const  Jireoek, 

NicolaQB  Nale  de  Stephaso  (der  Dichter  Naljeskovi^)  und  Jacobas  Jo. 
Antichii  ein  Schiff,  genannt  »St.  Johannes«  und  befehligt  von  Johannes 
Panli  Ragusens,  durch  einen  von  einem  genuesischen  Notar  ausgefer- 
tigten Vertrag,  den  auch  Darius  de  Vivaldis,  Gonsul  der  Ragusäer  in 
Genua,  unterfertigte.  Am  4.  August  1539  wurde  in  Ragusa  darüber 
Abrechnung  gehalten^).  Im  October  1541  finden  wir  Nicolaus  Hier,  de 
Dimitrio  mit  anderen  Eaufleuten  wieder  bei  der  Assecuration  eines 
Schiffes^).  Daneben  erscheinen  noch  andere  Mitglieder  der  Familie,  wie 
z.  B.  Marinus  Nicolai  de  Dimitrio  (f  1528),  der  während  der  norditalieni- 
sehen  Feldzüge  1522  in  der  Lombardei  »in  uiagio  Londrec  von  den 
Franzosen  gefangen  und  in  Cremona  eingekerkert  wurde  und  der  1526 
abermals  »in  partibus  Angliecc  verweilte. 

Die  Kanfmannsfamilie  Nah,  Naliescouich  (H^AlEiiJKORHKk)  ist 
bekannt  seit  dem  XIV.  Jahrhundert.  Nicht  alle  Personen  dieses  Namens 
gehören  ^iner  Familie  an.  Es  gab  in  Ragusa  auch  eine  gleichnamige, 
aus  Antivari  eingewanderte  Familie,  die  Brüder  Nicola  (oder  Nixa)  Ma- 
rini  de  Nale  de  Antibaro  (f  1451)  und  Joannes;  der  jüngste  Sohn  des 
Nicola,  Nicolans  Nichxe  Marini  de  Nale  (f  1522)  wird  1496  und  1500 
als  mensnrator  in  Canali,  1511 — 12  als  scribanus  ofificii  rationum  ge- 
nannt. 

Die  Ragusaner  Nale  stammen  von  den  vier  Söhnen  eines  Nale  (Na- 
dal,  Natalis)  im  XIV.  Jahrhundert  ab :  der  Geistliche  dompnus  Grrego^ 
rtusßlius  Nalis  presbiter  (f  1401),  auch  Don  Gergoe  genannt,  Dohrich 
Naliscouichj  Dobrich,  -ius  de  Nale  oder  Dobrichus  Natalis^  oft  er- 
wähnt seit  1389,  gestorben  1421 3),  sowie  Marinus  und  Stephanus, 

Des  Dobrich  zahlreiche  Nachkommen  führen  den  Beinamen  Do- 
brichieuich  oder  abgekürzt  Dobrich,  vor  allem  seine  als  Eaufleute  in 
Serbien  erwähnten  drei  Söhne :  Natalis  (Nalcho)  Dobrichieuich  de  Nale 
oder  Natalis  de  Dobrigh  de  Nale  um  1432 — 1442,  Thomas  Dobrichieuich 
de  Nale  (oder  Thomas  Boni  de  Nale)  um  1426 — 1448  (venetianischer 


*)  Diversa  Notarie  1537—1539,  f.  347. 

3)  Diversa  Cancellarie  1540—1541,  f.  235. 

S)  Testamentum  dompni  Gregorii  Nalis  presbiteri  (dompnus  Gregorins 
presbiter,  filius  Nalis),  registrirt  8.  Mai  1401,  Testamenta  1391—1402,  f.  254 
(nennt  Nale  mio  padre,  Dobrich  mlo  fradello).  —  Testamentum  Dobrichi  de 
Nale  vom  22.  Sept.  1421,  eingetragen  Test  Notarie  1418,  f.  57  (Oct  1421); 
nennt  Marin  e  Stefano  miei  fradelli,  Nalcho  e  Tomcho  e  Martino  fioli  miei, 
Nicoleta  uxor. 


Beiträge  zur  ragnaaniBeheii  Literaturgesohichte.  479 

Oonsul  in  Ragusa  1448)  und  Martinas  Dobriohii  de  Nale.  Des  Letzt- 
genannten Sohn  bt  der  in  den  Arehivbflchem  oft  genannte  Geistliche, 
Magister,  Don  oder  Misser  Bonichus  guondam  Martini  Dobrichii  de 
Naie  oder  Bonichua  de  Boninisy  Boms^  Bon^  um  1486 — 1504,  1486 
Titnlarabt  von  S.  Theodor  im  Stadtviertel  Pustema,  1504  von  S.  Sal- 
vator  ebendaselbst.  Andere  Mitglieder  dieser  Linie  sind  Nachkommen 
des  Thomas,  wie  Bonns  oder  Bonicns  Nicolai  Thome  de  Dobiich  oder 
Dobriehienioh  (1518),  unsicher  ob  identisch  mit  dem  in  den  »Diversa 
Notarie«  1501  genannten  Boninus  seu  Dobruschus  Natalis^).  Augusti- 
nus filius  Marini  Natalis  de  Dobrich  kam  1503  als  ungarischer  Gesandter 
nach  Ragusa  und  ist  1514  in  Ofen  gestorben^). 

Eine  zweite  Gruppe  sind  die  Nachkommen  des  dritten  Bruders,  des 
um  1403 — 1424  in  Novo  Brdo,  TrepSa,  Ancona,  als  Boten  nach  Ungarn 
u.  s.  w.  oft  genannten  Marin,  Maroje  de  Nale  oder  Naljeikoviö 
(f  1428)'),  sowie  seiner  SOhne,  besonders  des  Natalis  (Nalcho,  Naucho) 
und  Tadeus  (Tadioko)^).  Des  Natalis  Sohn  Marinus  Natalis  Mar.  de  Nale 
starb  1498  in  Eonstantinopel,  ebenso  dessen  Sohn  Natalis  Mar.  de  Nale 
1511;  der  Bruder  des  Letztgenannten,  Tadeo  Marini  de  Nale  wird 
1521 — 1522  als  interpres  regius,  wohl  tflrkischer  Dotanetsch,  in  Ungarn 
erwähnt. 

Die  dritte  Gruppe  umfasst  die  Nachkommen  des  um  1447  genann- 
ten Stephanus  de  Nale  (Stjepko  NaljeSkovid)  und  seiner  vier  S()hne: 
Natalis  (f  vor  1498),  Nicolaus  (f  Oct.  1504),  Joannes  (f  1505)  und 
Blasius  (f  1517).   Joannes  (Giucho),  der  seit  1471  öfters  Beisen  in  die 


>)  Testament  desBonichus  filius  Nicolai  Thome  de  Dobrich  (loBono  etc.) 
1518  in  den  Testomenta  Notarie  1517—1519,  f.  142.  Die  creditores  Bonini  seu 
Dobruscbi  Natalis  de  Ragnsio  erwähnt  August  1501,  Di  versa  Notarie  1500, 
f.  167. 

^  Test,  eingetragen  im  Herbst  1514  in  den  Testamenta  Kotarie  1512— 
1516,  f.  112,  verfasst  1505,  24.  Aug.  »in  Bnda«:  lo  Agostino  de  Marino  de 
Natale,  citadino  de  Ragusi,  seruitore  dello  Ser.  Wladissauo,  Re  de  Ongaria  et 
de  Boemia  etc. 

^  Testamentum  Marini  de  Nale  (Alapoie  llaA*kllJKOBHKk  Puciö  I, 
S.  61, 120),  eingetragen  15.  Januar  1428;  nennt  Stefano  mio  frar,  Nalcho  fiol 
de  Dobrich  fradel  mio  und  Gompagniegesch&fte  mit  ihnen;  femer  4  fioli, 
Nalcho,  Tadeo,  Ghergoe,  Dobmscho,  sowie  tre  fiele,  Marusciza,  Nicoleta, 
Franusa.  Die  Frau  Marinas  hiess  Decusa.  Testamenta  Notarie  1418,  f.  167  t. 

*)  Tadioko  sin  Maroja  Naljeskovida  1466  Zeuge  beim  Testament  des 
Herceg  Stjepan,  Puciö  II,  127. 


480  Gonst.  Jirecek, 

Türkei  unternahm  und  noch  1500  mit  zwei  seiner  Söhne  anf  einer  Han- 
delsreise in  TrnoYo  in  Bulgarien  erwähnt  wird,  hinterliess  sechs  Söhne 
und  zwei  Töchter.  Von  den  Söhnen  wurde  der  Dominikaner  Augusti" 
nits  Joannis  de  Nah  Bischof  von  Mercana  (1513 — 1527),  ein  Oheim 
des  Dichters  NaljeSkovic.  Nicolaus  Stephani  de  Naie  oder  Nicoians 
Nalescouich  (f  1504),  der  1468  mit  Geschenken  der  Stadt  zu  Moham- 
med II.  reisen  sollte,  was  jedoch  wegen  der  Abreise  einer  grösseren <}e- 
sandtschaft  abgesagt  wurde,  ist  mit  seiner  Qattin  Katharina  (f  1502) 
der  Grossvater  des  Dichters,  nach  seinem  Testamente  mit  vielen  Legaten 
ein  wohlhabender  Mann.  Sein,  wie  es  scheint,  einziger  Sohn  Stephanus 
Nicolai  Stephani  de  Nale,  des  Dichters  Vater,  bekleidete  Eanzleiämter 
in  der  Republik  und  wurde  wiederholt  mit  Vermessungsarbeiten  betraut. 
Am  24.  Juli  1511  bestellte  ihn  das  Consilium  Rogatorum  bei  den  »or- 
dines  pro  flumineBreni«  als  »mensurators;  im  Januar  1521  hatte  er  die 
Grundstücke  in  Zonchetto  bei  einer  Regulirung  der  Wasserleitung  zu 
vermessen  ^).  Daneben  wurde  er  an  der  Stelle  seines  Namensvetters,  des 
oben  erwähnten  Nicolaus  Nichxe  Mar.  de  Nale  aus  den  Antibarenser 
Nale,  »qui  refutauit  propter  infirmitatemc,  seit  Januar  1512  von  zwei 
zu  zwei  Jahren  zum  »scribanus  ad  officia  rationum  communis«  ernannt, 
zuletzt  im  Januar  1525.  Aus  dem  Leben  schied  er  während  derselben 
Pest,  die  dem  Abt  Tubero,  äisko  Men^etiö  und  vielen  anderen  hervor- 
ragenden Ragusanem  den  Tod  brachte.  Im  Consilium  Minus  wurden 
am  12.  Mai  1528  SerSteph.Sym.  deBenessa,  MarinusPetri  deRadagP), 
Marinus  Jo.  de  Nale,  Pasq.  Mar.  de  Pace,  Petrus  Nie.  de  Radagl  und 
der  Sohn  Nicolaus  Stephani  de  Nale  zu  tutores  filiorum  quondam 
Stephani  Nie.  de  Nale  bestimmt  ^), 

Das  ist  die  erste  mir  bekannte  urkundliche  Notiz  über  den  Dichter 
Nicolaus  Stephani  de  Nale,  ^XsLYiBchNikolaStjepkaNaljeskoviö  (f  1587). 
Im  J.  1535  unternahm  er  eine  Reise  nach  Aegypten,  für  welche  er  am 
15.  November  d.  J.  eine  Abrechnung  hatte  mit  dem  Goldschläger  Simeon: 
»Simeon  battiaums  ex  una  et  Nie.  Steph.  de  Nale  parte  ex  altera,  volen- 
tes  sine  judiciorum  fastidiis  et  expensis  amicabiliter  componere  differen- 
tiam  quandam«  über  das  »viagium  Allexandrie«  des  Nicolaus,  ernennen 


1)  Lib.  Consilii  Rogatorum  1521—1522,  f.  4. 

2)  Aus  der  Familie  Radagl  oder  Radeglich  (nicht  Radulinoviö)  war  die 
Frau  dieses  Naljeskoviö,  des  Dichters  Mutter.  Stari  pisci  V,  p.  IV. 

3)  Liber  Cons.  Minoris  1524—28,  f.  277  v. 


Beiträge  zur  ragasanischen  Literaturgeschichte.  481 

den  Georg  Hier.  Inginich  und  Franc,  de  Crispis  zu  Schiedsrichtern  i). 
Am  23.  Januar  1538  war  NaljeSkovid  in  Curzola  Zeuge  bei  der  Aus- 
fertigung einer  Rechtsurkunde,  die  der  Dichter  MiMa  Pelegrinomö  aus 
Lesina  als  Kanzler  des  venetianischen  Conte  der  Stadt  niederschrieb. 
Der  Conte  übergab  dem  Dragoe  de  Gondula  und  dem  ragusanischen 
Kanzler  Laurentius  de  Oiganti  (Gigantibus)  als  Gesandten  der  Ragusaner 
einige  Ballen  Tuch  ans  irgend  einem  ragusanischen  Schiff.  »lo  Nicolo 
de  Stephano  di  Nale  fui  presente  a  quanto  di  soprae;  die  Urkunde  selbst 
schrieb  TuMichael  Peregrmm  Emilius  Phartus,  notarius  publicus  et  ad 
presens  specialis  Com.  Cnrzole«^).  üeber  des  Naljeskoviö  Geschftfte  in 
Genua  und  Ragusa  mit  Dimitrovid  haben  wir  schon  gesprochen.  Die 
Biographie  von  Cerva  erwähnt  eine  Braut  des  Dichters,  Lucrezia  Zuzo- 
rina,  die  angeblich  wegen  eines  Ehehindemisses  ins  Kloster  ging^).  Im 
Buche  Testamenta  Notarie  1539  f.  5v.  ist  am  26.  März  1539  das  Ver- 
mächtniss  der  Lucretia  filia  quondam  Blasii  Zuzorine,  monialis  S.  Marie 
de  Castello,  eingetragen,  verfasst  6.  März  1538,  als  sie  ins  Kloster  ging, 
avolendo  monacharmi«.  Sie  hat  demnach  den  Eintritt  ins  Kloster  nur 
ein  Jahr  ttberlebt^). 

Auch  die  Biographie  des  talentvollen  KomOdiendichters  Marin 
Driiö  oder  Marinus  Marini  de  Derxa^  Darsa  beginnt  aus  dem  bis- 
herigen Dunkel  hervorzutreten.  Der  genealogische  Zusammenhang  der 
Familie  ist  schon  oben  dargelegt  worden.  Sein  Vater  Marin,  des  Don 
Gjore  Drü6  Bruder,  hatte  mit  seiner  Frau  Anuchla  ^)  ftnf  SOhne :  Bla- 
sius,  Vincentius,  Joannes,  Nicolaus  und  Marinus.   Er  betrieb  mit  seinen 

1)  Diversa  Gancellarie  1535,  f.  19. 

>)  Copie  in  den  Diversa  Notarie  1537—1539,  f.  62.  —  Pelegrinovid  war 
damals  schon  einige  Jahre  in  Curzola.  Am  29.  August  1535  schrieb  er  eine 
Urkunde,  »actum  Gnrciule  penes  domum  habitationis  mei  cancellarii«,  ttber 
einen  Vergleich  (genannt  ist  Stephanns  quondam  Antonii  Bratossaglich  de 
Bhagusio,  dietns  Sassina  u.  A.) :  •  Michael  Peregrinu»  JErnüku  Pharttu,  nota- 
rius publicus  et  ad  presens  juratus  sp.  co.  Curoiule  cancell.»  suprascriptum 
compromissi  instrumentum  ex  actis  cancellarie  fideliter  exemplauit,  subscrip- 
sit  et  sigillo  Diui  Marci  roborauit«  (Diversa  Cancellarie  1535,  f.  113v.).  Emi- 
lius  hiess  der  Vater  des  Pelegrinovic,  Stari  pisci  Vm,  Vorrede  S.  XI. 

8)  Stari  pisci  V,  Vorrede  S.  VI. 

*)  Eine  andere  Lucretia,  Tochter  des  Paolo  Zuzorina,  wird  1527  in  den 
Div.  Notarie  erwähnt. 

6)  Serafino  di  Cerva  (Bibliotheca  Bagusina  sub  Marinus  Darscius]  nennt 
des  Dichters  Mutter  Anna,  Marini  Cotrugli  filia,  aus  einer  im  XV.— XVI.  Jahrb. 
hervorragenden  ragusanischen  Kaufinannsfamilie. 

ArohiT  f&r  lUTiMke  Philologie.   XXI.  31 


482  Const  Jireoek, 

älteren  Söhnen  Handelsgeschäfte,  die  allem  Anschein  nach  nicht  beson- 
ders glücklich  endigten.  Am  13.  Juni  1538  ist  ein  Vergleich  des  Vaters 
Marino  Nie.  dl  Derxa  nnd  drei  seiner  Söhne  Vicenzo,  Giovanni  und  Ki- 
colo  Mar.  di  Derxa  mit  deren  Creditoren  eingetragen;  »disposti  dl  sodis- 
fare  a  nostri  creditori«  werden  sie  binnen  einem  Jahr  zahlen,  »con  sna 
perdita  de  cinqnanta  per  centoa^)«  Der  alte  Marin  Kic.  de  Derxa  ist 
wahrscheinlich  bald  daranf  gestorben.  Am  5.  November  1541  machten 
vier  seiner  Söhne,  Blasins,  Vincentius,  Nicolans,  Joannes,  alle  Marini 
de  Darsa,  nnißr  se  finem  et  remissionemot^].  Drei  Jahre  später  waren 
Vincentius,  Nicolans  nnd  Joannes  zahlnngsnnfilhig.  Nnr  der  Erst- 
genannte war  in  Ragnsa  anwesend.  Am  26.  November  1544  Hessen 
Ser  Marinns  Panli  de  Gradis,  Marinas  Petri  de  Grieva  nnd  Joannes  Luc. 
de  Sorgo,  officiales  in  consiUo  Rogatornm  Bcreati  super  bonis  Vincentii, 
Nicolai  et  Joannis  Mar.  Derxe  fallitorum  et  ad  instantiam  et  pro  Inter- 
esse creditorum  dictomm  Joannis  et  Nicolai«  in  der  Loggia  prodamieren, 
Joannes  und  Nicolaus  sollen,  falls  sie  in  Ragusa  sind,  binnen  6mem  Tag, 
falls  sie  im  Stadtgebiete  sich  befinden,  binnen  acht  Tagen,  falls  sie  in 
Eonstantinopel  verweilen,  binnen  drei  Monaten  »comparere  et  presen- 
tare  omnes  libros  et  scripturas«^).  Unter  den  Gläubigem  befand  sich 
auch  der  Bruder  Blasius  Mar.  de  Derxa,  mit  ungefähr  120  Ducaten, 
neben  Mitgliedern  der  Familien  Sorgo,  Nale  u.  A.  Blasius  und  Vincen- 
tius lebten  noch  1562,  wo  des  Vincentius  Gattin  Jela  (Hiella)  starb. 

Marin  Dr2i6,  wahrscheinlich  der  jüngste  der  fünf  Brflder,  trat  in  den 
geistlichen  Stand.  Er  ist  kaum  identisch  mit  dem  »Marinus  Deresich 
diachonusa,  den  am  12.  October  1536  Domina  Marta,  Aebtissin  des 
St.  Andreasklosters,  und  die  Procuratoren  dieses  Klosters  um  den  seit 
zwei  Jahren  rückständigen  Zins  im  Betrag  von  20  Perper  mahnen  liessen, 
»pro  affictu  domus  posite  supra  S.  Petrum,  et  hoc  pro  annis  duobust^). 
Bald  erscheint  Marin  Dr£i6  in  Geldverlegenheiten,  noch  nicht  als 
Kleriker  bezeichnet.  Am  5.  September  1538  cedirte  Marinus  Mar.  de 
Derxa  (sie)  1/4  »dotis  matris  suae  Anuchlae,  sibi  spectans  post  mortem 
matris  Anuchlae  et  patris  sui  Marini«  dem  Ser  Pasqualis  Traiani  de 
Crieva;  dieser  trat  den  Antheil  am  21.  Oct.  d.  J.  dem  Ser  Stephanus 


1)  Diversa  Notarie  1537,  f.  111. 

2)  Diversa  Gancellarie  1540—1541,  f.  254. 

3)  Diversa  Notarie  1544,  f.  95,  vgl.  f.  138y. 

*)  Div.  Ganc.  1535,  f.203v.  Zum  Namen  vgl.  donna  Marha  (Maria),  con- 
Bors  quondam  Polo  Deresich  de  Zuppana  1556,  Testamenta  1555,  f.  20. 


Beiträge  zur  raguBaniBchen  Literaturgeschichte.  483 

Nie.  de  Prodanello  ab  und  dieser  am  2.  Oct.  1539  wieder  dem  Vincen- 
tins  Mar.  de  Dersa.  Marin  selbst  erhielt  dieses  Viertel  erst  viele  Jahre 
später,  nach  dem  Tode  seiner  Mntter.  Der  Znsammenbmch  der  Ge- 
schäfte seiner  Brflder  zwang  wahrscheinlich  den  Sprössling  der  einst  so 
wohlhabenden  Eanfmannsfamilie  fremde  Dienste  zn  snchen,  die  ihn  bis 
zur  Donau  und  zum  Bosporus  führten,  üeber  seine  Reisen  ins  Ausland 
fand  ich  wider  Erwarten  ganz  ausführliche  und  merkwürdige  Nach- 
richten in  den  Acten  eines  politischen  Processes,  eingetragen  auf  den 
ersten  Blättern  des  Bandes  der  »Processus  secreti  Minoris  Consilü  1547 
— 1563a  im  Hauptarchiv  von  Ragusa. 

Die  Schicksale  des  Marin  Dr!^i6  knüpfen  sich  an  die  Biographie 
einer  romanhaften  Gestalt  des  XVI.  Jahrhunderts^  des  Grafen  Christoph 
von  Rogendorfy  in  dessen  Gefolge  er  sich  zweimal  befand,  einmal  in 
Oesterreich,  das  andere  Mal  in  der  Türkei.  Die  Rogendorf  ^),  eine  ur- 
sprünglich in  Steiermark  ansässige  Familie,  siedelten  sich  im  XV.  Jahrh. 
in  Nieder-Oesterreich  an  und  gelangten  hier  zn  grossem  Ansehen,  1521 
zu  Freiherren  von  Rogendorf  und  Mollenburg  erhoben.  Rogendorf  war 
ein  damals  üblicher,  jetzt  erloschener  Name  des  Schlosses  POggstall  im 
Viertel  ob  dem  Manhartsberg,  nördlich  von  der  Donau  in  der  Gegend 
von  Pöchlam ;  in  unseren  Tagen  ist  Pöggstall  Sitz  eines  Bezirksgerichtes 
im  politischen  Bezirk  Ej-ems  und  ebenso  wie  das  nahe  Mollenburg  ein 
Familienfondsgut  des  kaiserlichen  Hauses.  Wilhelm  von  Rogendorf 
(f  1541)  war  ein  berühmter  Mann  seiner  Zeit:  Edelknabe  und  später 
Kämmerer  bei  Philipp  dem  Schönen  in  Gent,  Feldherr  gegen  die  Vene- 
tianer  am  Gardasee  und  gegen  die  Franzosen  unter  den  Pyrenäen,  Statt- 
halter Eodser  Ejirrs  V.  in  Friesland,  später  in  Catalonien,  1529  einer 
der  Vertheidiger  Wiens  gegen  die  Türken,  Feldherr  auf  zwei  Feldzügen 
gegen  Ofen,  Erbhofmeister  von  Nieder-Oesterreich.  Sein  und  der  Elisa- 
beth von  Oettingen  einziger  Sohn  Christoph  (geb.  1510)  von  Rogendorf 
und  Mollenburg,  Herr  zu  Conte  und  Retomae  (Cond^  und  Revaux  in 
Hennegau),  wurde  noch  in  jungen  Jahren  Oberst  der  deutschen  Leib- 


<)  Ueber  das  Geschlecht  der  Rogendorf  vgl.  Jos.  Bergmann,  Medaillen 
auf  berühmte  und  ausgezeichnete  Männer  des  Oesterr.  Kaiserstaates,  I  (Wien 
1844),  S.  216  ff.  und  v.  Wurzbach,  Biographisches  Lexikon,  Bd.  26  (1874), 
S.  267  ff.  (nebst  Stammtafel).  Wenig  bekannt  sind  beiden  die  Schicksale 
Christoph^s  nach  seiner  Flucht  in  die  Türkei.  —  Es  leben  noch  in  unserer 
Zeit  die  Nachkommen  einer  Linie  dieses  Hauses,  die  Grafen  von  Rogendorf 
in  Ungarn ;  sie  besitzen  ein  neugegrttndetes  Rogendorf  im  Torontaler  Comitat. 

31* 


484  Gonst.  Jireoek, 

garde  Kaiser  EarFs  V.,  focht  tapfer  gegen  die  Tttrken  in  Ungarn  und 
nahm  an  der  Expedition  nach  Tnnis  (1535)  theil.  Er  wurde  1537  von 
König  Ferdinand  znm  Grafen  von  Oontersdorf  erhoben,  so  genannt  nach 
einem  väterlichen  Schlosse  gleichfalls  in  Oesterreich  unter  der  Enns,  im 
jetzigen  Bezirk  Ober-Hollabrunn,  gegenwärtig  im  Besitz  der  Freiherren 
von  Ludwigstorff.  Bekannt  ist  Christoph's  Antheil  an  dem  letzten  Zug 
seines  Vaters  nach  Ungarn  154H).  Noch  1544  unternahm  er  Reisen 
im  Auftrage  seines  kaiserlichen  Herrn  ^).  Verhängnissvoll  wurde  dem 
jungen,  prunkliebenden  und  verschwenderischen  Edelmann,  einem  Ver- 
wandten der  Salm,  Eitzing,  Oettingen  und  anderer  angesehener  6e- 
schlechteri  eine  Heirath,  mit  Elisabeth,  der  Wittwe  des  Herzogs  Fried- 
rich von  Sachsen  (f  1539),  die  aus  der  Familie  der  Grafen  von  Mansfeld 
stammte.  Die  Ehe  war  unglflcklich.  Da  der  Kaiser  und  dessen  Schwester, 
die  ehemalige  Königin  von  Ungarn  und  spätere  Begentin  der  Nieder- 
lande^ Maria,  die  Partei  seiner  Gattin  ergriffen,  verliess  Bogendorf  un- 
muthig  den  kaiserlichen  Hof.  Dieses  Zerwttrfniss  mit  der  Frau  bezeich- 
nen Alle  als  Beweggrund  seiner  ganzen  späteren  Handlungsweise;  auch 
Dersa  erzählte  in  Bagusa,  Bogendorf  habe  den  kaiserlichen  Hof  wegen 
des  Verdrusses  mit  seiner  Frau  verlassen:  ipartito  della  corte  del  Impe- 
ratore  . . .  per  el  sdegno  della  sua  moglie«. 

Auf  einer  Beise  nach  dem  Sflden  gelangte  Graf  Christoph  von 
Bogendorf  1545  zum  ersten  Mal  nach  Bagusa.  Der  Senat  empfing  den 
hervorragenden  deutschen  Kriegsmann  mit  Auszeichnung.  Ser  Marino 
Pietro  de  Crieva  und  Ser  Marino  Zuppani  de  Bona  leisteten  ihm  Gesell- 
schaft. Um  die  Unterhaltung  bei  der  Tafel  zu  beleben,  sendeten  sie  um 
Marino  Dersa,  »per  dare  qualche  spasso  al  ditto  conte«.  Welcher  Art 
diese  »spasso«  des  Dersa  beschaffen  waren,  wissen  wir  ungefähr  aus 
seinen  Komödien,  bei  deren  Abfassung,  wie  es  mir  scheint,  u.  A.  auch 
die  damals  vielgelesenen  Werke  des  Zeitgenossen  Pietro  Aretino  (f  1556) 
nicht  ohne  Einfluss  blieben ;  der  »Onkel  Maroje«  mit  dem  ungerathenen, 
auf  Beisen  gesendeten  jungen  Bagusaner  und  dessen  Courtisane  in  Born 
erinnert  an  Aretino's  »La  Cortigiana«,  und  eine  lustige  Person  des  Dersa, 
der  verliebte  Arkulin,  ist  vielleicht  nicht  ohne  Zusammenhang  mit  dem 


»)  Vgl.  Huber,  Gesch.  Oesterreichs  IV,  S.  77—78. 

2)  Am  7.  Oct  1544  schrieb  Conte  de  Bogendorff  französisch  dem  Kaiser 
aus  Prag  über  Erledigung  eines  Auftrages  an  König  Ferdinand,  den  er  in 
Beneschau  angetroffen  hatte.  Lanz,  Gorrespondenz  des  Kaisers  Karl  V.,  H 
(1845),  S.  417. 


Beiträge  znr  ragusanischen  Literaturgeschichte.  4g5 

Namen  des  Arcolano  in  demselben  Lustspiel  des  bertüimten  Italieners. 
Dersa  sprach  den  Wunsch  aus,  in  die  Dienste  des  hoohgestellten  Gastes 
der  Ragusaner  zu  treten,  um  die  Welt  kennen  zu  lernen.  Ser  Marin  Za- 
magna,  der  als  Gesandter  bei  Karl  Y.  gewesen  war  und  den  kaiserlichen 
Hof  kannte,  empfahl  den  Dersa  dem  Grafen,  »dandogli  raguaglio  della 
qnalitä  sua<r  ^j.  Der  Poet  wurde  wirklich  als  Kammerherr  in  die  Dienste 
des  Rogendorf  aufgenommen,  gegen  eine  Besoldung  von  zwei  Ducaten 
monatlich,  nebst  zwei  geziemenden  Kleidungen  jährlich  und  anderen 
flblichen  Geschenken.  Die  Reise  ging  zu  Schiff  von  Ragusa  bis  zu  einem 
Hafen  eine  halbe  Tagereise  von  Gradisca,  wahrscheinlich  nach  Marano 
in  Friaul.  In  Gradisca  besuchte  Rogendorf  zuerst  das  Haus  eines  da- 
heim in  Acht  und  Bann  erklärten  ragusanischen  Edelmannes,  des  Michael 
Marini  de  Bucignolo,  um  demselben  einige  Briefe  aus  Ragusa  zu  ttber- 
geben,  und  begab  sich  erst  dann  in  das  Haus  des  Gouverneurs  von  Gra- 
disca, der  ihn  zu  sich  geladen  hatte  ^]. 


1}  Marin  Zamagna,  »ung  tres  saige  gentilhomme«,  wird  von  dem  zur 
Pforte  gesendeten  Veltwyck  dem  Kaiser  Karl  V.  in  zwei  Briefen  aus  Ragusa 
vom  30.  Juni  und  10.  Juli  1545  bestens  empfohlen.  Lanz  op.  cit.  II,  455,  458. 
Vgl.  auch  die  Beilagen  bei  Chesneau  in  der  Edition  von  Schefer  p.  199.  — 
Am  6.  Augast  1547  sendeten  die  Ragusaner  den  Aligretto  Franc.  Giurasseuich 
zu  Kaiser  Karl  V.,  er  möge  seinen  Correspondenten  Marin  Zamagna  »rimo- 
uere  di  questo  ufficio«,  wegen  der  Gefahr  von  den  Türken,  und  lieber  einen 
eigenen  Agenten  nach  Ragusa  senden  (Lett.  e  Comm.  di  Lev.  1542—1548). 

2)  9.  Januar  1547.  »Don  Marino  Derza,  constituto  dauanti  li  Magnifici 
Signori  Ser  Francesco  Mar.  de  Cabogha  e  Ser  Bemardo  Gabr.  de  Crieua,  dua 
del  Minor  Consiglio  al  presente  esamine  deputati,  interrogato:  dichi,  che 
causa  rha  condntto  di  andar  al  seruegio  del  Signor  Gonte  Rongordorf o,  dissi, 
che  siando  Ser  Marino  P'*»  de  Crieua  a  Ser  Marino  Zupp.  di  Buona  a  magnare 
con  el  ditto  conte,  mandarono  per  esso  Don  Marino,  douesse  andare  da  essi, 
per  dare  qualche  spasso  al  ditto  Conte,  se  poi  raggionando  con  Ser  Ambr. 
Franc,  di  Goze,  come  desirarebbe  andare  col  ditto  Signor  Conte  per  uedere 
delle  cosse  del  mundo,  lo  prego  douesse  (?)  andare  seco,  per  parlare  con  M. 
Marin  Zamagno',  accio  Taccordasse  con  lui  etc.  Cussi  hauende  parlato  con 
M.  Marino  esso  parl6  col  Conte,  dandogli  raguaglio  della  qnalita  sua,  e  cussi 
fu  accettato  per  camariero,  e  questo  fn  la  prima  uolta,  doue  lo  ditto  Conte  a 
Raugia  per  mercede  li  offerse  dua  ducati  al  mese  e  dua  uolte  uestirlo  al  anno 
honoratamente,  oltra  alcuni  presenti,  quali  al  anno  se  sogliano  dare  etc.  E 
cussi  al  partir  da  Raugia  ando  seco  in  barcha.  Per  el  viaggio  sino  a  Gra- 
disca, di8se,non  fu  alcuno  ragionamento  diinportanza  ne  delli  fatti  deBuccig- 
nola,  ma  solo  di  cosse  piaceuole.  Et  arrivati  in  uno  porto  discosto  da  Gra- 
disca megia  (sie)  giornata,  smontorono  et  andarono  a  de  longo  in  Gradisca  et 


486  Const.  Jireoek, 

Diese  Verbindungen  Rogendorf 's  mit  den  Bncignolo  sind  Oegen- 
stand  der  Untersnehnng,  bei  welcher  Dersa  als  Zeuge  verhört  wurde. 
Marinus  Mich,  de  Bucignolo,  Freund  des  Tubero  und  Nachbar  des 
Klosters  des  hl.  Jakob  von  Yisnjica,  war  ein  angesehenes  Mitglied  des 
Stadtadels,  hatte  1531  als  Gesandter  der  Eagusaner  eine  Reise  zu  ELarl  V. 
unternommen  und  ist  1535  gestorben^).  Er  hinterliess  drei  Söhne,  Mi- 
chael, Paulus  und  Hieronymus.  Michael  Mar.  de  Bucignolo  war  seit 
22.  November  1499  Mitglied  des  grossen  Rathes,  hatte  1517  ein  Kriegs- 
schiff gegen  die  Piraten  aus  Rhodos  befehligt,  war  Gesandter  1521  bei 
den  SandSaks  der  Hercegovina  und  von  Vrhbosna  (Sarajevo),  1528 
wieder  bei  dem  der  Hercegovina  u.  s.  w.  Sein  Unheil  wurde  eine  Jahre 
lang  fortgesetzte  geheime  Correspondenz  mit  König  Ferdinand,  dem  er 
militärische  Nachrichten  über  die  Türken  übermittelte.  Einen  solchen 
Brief  haben  wir  oben  bei  der  Geschichte  des  Buchdrucks  näher  be- 
sprochen. Am  28.  December  1526,  mitten  unter  der  Pestgefahr,  beschloss 
das  Consilium  Rogatorum  »providere  contra  scribentes  nova  Turcorum 
ad  aliena  loca  extra  tenutas  nostras« ,  sowohl  gegen  Nobiles  der  Stadt, 
als  gegen  Fremdlinge;  die  Strafe  wurde  mit  100  Ducaten  und  6  Monaten 
Kerker  festgesetzt  ^j.  Im  Juli  1529  wurde  ein  chiffrirter  Brief  (carat- 
teres  dicte  cyfre)  des  Michael  Mar.  de  Bucignolo  abgefangen  und  der 
Verfasser  mit  der  erwähnten  Strafe  bedroht.  Im  April  1532  kam  es  zu 
Tage,  dass  Bucignolo  nicht  aufhört  geheime  Briefe  zu  schreiben;  er 
wurde  »privatus  officüs«  und  auf  ein  Jahr  in  den  Kerker  gesetzt.  Jedoch 
schon  im  Juli  entkam  er  ans  dem  Gefängniss,  zuerst  nach  Bari,  von  dort 
nach  Venedig  und  weiter  in  das  Gebiet  des  Königs  Ferdinand  3).  Sein 
Bruder  Paul,  damals  »venditore  di  sale  nella  scala  di  Narentac,  flüchtete 
sich  gleichfalls  nach  Italien  und  nahm  die  Salzcassa  mit  2000  Ducaten 
mit.   Es  war  eben  während  des  Feldzuges  des  Sultans  Suleiman  I.  bis 


intraroDo  in  casa  di  M.  Buccignola.  Interrogato,  se  lo  Gonte  faaueua  lottere 
de  particulari,  dirette  a  Michele  Buccignola,  disse  de  si  e  per  questa  causa  lo 
Gonte,  disse,  uoleua  andar  la  uolta  de  Gradisca  per  consegnar  aloune  lottere 
a  Michele  Buccegnola,  quäle  lettere  disse  non  sapere  de  che  fussero,  e  uene- 
uano  da  Raugia«.  Processus  secreti  Minoris  Gonsilii  dal  1547—1563,  f.  1  sq. 

^)  Testamentum  »clarissimi  patritii  et  equitis  aurati  D.  Marini  Mich,  de 
Bucignolis«,  eingetragen  20.  März  1535,  Testamenta  Notarie  1533—1535,  f.  74. 

^  Liber  Gons.  Rogatorum  1525—1527. 

3)  Secreta  Rogatorum  1497 — 1537.  Gut  unterrichtet  ist  Ragnina,  Annales 
(Mon.Slav.  mer.  XIV)  S.  283. 


BeitrSge  znr  ragasanischen  LiteraturgeBchichte.  487 

Gllns  und  Graz.  König  Ferdinand  wies  dem  Flflchtling,  der  seinetwegen 
verfolgt  war;  Gehalt  und  Wohnsitz  in  Oradisca  an  nnd  verwendete  sich 
ftlr  ihn  bei  der  Repnblik  durch  ein  Schreiben,  das  Franciscns  de  FInmine 
(Flame)  im  Jannar  1533  nach  Ragusa  brachte.  Die  Ragusaner  bezwei- 
felten die  Echtheit  des  Briefes  und  sendeten  insgeheim  den  Dominikaner 
Ambrosius  de  Ragnina  zum  König  ^),  offenbar  ohne  Erfolg.  Sehr  bald 
wiederholte  Ferdinand  seine  Reclamationen  zu  Gunsten  des  Bucignolo 
mit  noch  grösserem  Nachdruck.  Im  J.  1535  erfuhr  der  Senat  aus  Ancona 
von  Vorbereitungen  der  Bucignolo*s,  des  Michael  und  Paul,  zu  einem 
Ueberfall  von  Stagno.  Da  gab  es  keine  Gnade  mehr.  Die  ganze  Ver- 
wandtschaft wurde  i^als  ribelli  et  della  sua  patria  traditorie  verbannt, 
Paolo  fflr  vogelfrei  erklärt  und  auf  seinen  Kopf  ein  Preis  gesetzt.  Im 
Specchio  ist  seitdem  bei  der  Aufnahme  des  Michael  in  den  grossen  Rath 
die  Bemerkung  zu  lesen:  «Cassus  q.  proditor  et  rebellis  patriae «r.  Wäh- 
rend der  Kämpfe  der  Spanier  und  Venetianer  gegen  die  Tflrken  um 
Castelnuovo  1538  hat  Paul  Mar.  de  Bucignolo  gegen  die  Ragusaner 
einige  Acte  der  Seeräuberei  verttbt,  um  8000  Ducaten  Beute  gemacht 
und  einige  Kauf  leute  ganz  ruinirt,  wortlber  sich  der  Senat  durch  seinen 
Gesandten  Nie.  Petri  de  Luccari  1539  bei  König  Ferdinand  abermals 
vergeblich  beklagte^). 

Graf  Rogendorf  nahm  in  Gradisca  auf  Bitten  des  Paul  de  Bucignolo 
dessen  jugendlichen  Sohn  Marinus  sofort  in  seine  Dienste  mit  nach  Wien 
und  versprach  sich  beim  König  um  die  Erhöhung  des  jvsalarioa  der  Ver- 
bannten zu  bemühen.    Unterwegs  besuchte  er  seine  Burg  Rogendorf. 

1)  Secreta  Rogatorum  I.  c. 

^  Ragnina,  Annales  p.  285—286,  291,  293.  Ein  ausfahrliches  Schreiben 
der  Ragusaner  vom  13.  September  1546  Rmo  D.  Joanni  Medicis,  archiepiscopo 
nostro,  der  eben  aus  Italien  nach  Deutschland  reisen  sollte,  mit  auBflihrlicher 
Darlegung  der  ganzen  Angelegenheit  und  Ersuchen  um  Fürbitte  bei  König 
Ferdinand  in  den  Lottere  e  Gommissioni  di  Levante  1542—1548.  Michele 
Buccignola  sei  »una  persona  inquieta  e  di  uno  ingegno  vano«;  sein  Kerker 
sei  eher  eine  »camara  buona«  gewesen ;  die  Frauen  seien  nicht  verbannt  ge- 
wesen, wie  denn  die  Mitgift  derselben  von  der  Gonfiscation  ausgenommen 
war,  und  seien  aus  freien  Stücken  mit  den  Kindern  den  Männern  nachgereist. 
Vgl.  das  gleichzeitige  Gedicht  des  Didacus  Pyrrhus,  De  illustribus  familiis, 
quaeRhacusae  extant,  zum  Namen  Buccignola:  ȟnus  adest,  praecepta  negant 
quem  dicere  versu,  0  pereant  Lata  dura  magisteria«  (gedruckt  bei  dem  Com- 
mentariolus  Ludovici  Gervarii  Tuberonis  etc.,  Ragusa  1790,  p.  41).  Der  dritte 
Bruder  Hieronymus  (f  1567)  war  ruhig  in  Ragusa  geblieben;  sein  Sohn  Mari- 
nus Hieronymi  de  Bucignolo  war  Rector  der  Republik  im  März  1587. 


488  Const.  Jirecek, 

Dersa  sagte  ihm  gelegentlich  anf  der  Beise  dorthin,  die  Bneignolo  hätten 
sich  in  Ragnsa  schlecht  benommen  (se  haTCvano  deportati  male),  worauf 
derOraf  erwiderte,  es  seien  ohne  Zweifel  leichtsinnige  Lente  (certamente 
sono  persone  legiere).  In  Wien  blieb  Dersa  drei  Monate.  Er  erz&hlte, 
dass  Rogendorf  »ogni  giomo  andaaa  dal  Re  e  fra  le  altre  nolte  intesi,  chel 
Re  domandana  del  essere  di  Rangia  e  come  se  gonemana,  e  dioendo  Saa 
Maestä,  come  Rangia  era  affetionata  de  Turchi,  el  conte  respose :  certa- 
mente, per  qnello  ho  visto  h  molto  affetionata  de  Sua  Mta.  e  per  esser 
in  confini  de  Tnrchiv.  Auch  ein  anderer  Sohn  des  Panl  de  Bneignolo 
suchte  bei  Rogendorf  nm  Dienst  oder  wenigstens  nm  Vermittlnng  in  Ra- 
gnsa an,  wurde  aber  von  ihm  abgewiesen  (il  conte  se  iscnsö).  Dersa 
fühlte  sich  auf  die  Dauer  nicht  recht  seiner  Stelle  gewachsen,  nahm 
seine  Entlassung  (conoscendo  non  esser  atto  al  suo  seruigio,  domandö 
licentia)  und  kehrte  über  Villach  und  Venedig  nach  Ragusa  zurück« 
Rogendorf  Hess  durch  ihn  dem  Senat  von  Ragnsa  melden,  er  sei  der 
Republik  stets  zu  Diensten  bereit.  Er  wolle  wieder  einmal  nach  Ragnsa 
kommen  und  zwar  auf  einer  Reise  nach  Jerusalem.  Briefe  von  Bogen- 
dorf brachte  Dersa  mit  an  Ser  Marino  de  Zamagna  und  an  dessen  Söhne 
Secondo  und  Giovanni,  sowie  an  den  Schiffspatron  Nicolö. 

Schon  im  August  1546  erschien  Graf  Christoph  von  Rogendorf 
abermals  in  Ragusa,  anf  dem  Wege  nach  Eonstantinopel.  Als  angeb- 
liches Ziel  seiner  Reise  galt  das  hl.  Land,  in  der  That  aber  zog  er  als 
Flüchtling  zum  Sultan,  um  dem  Grossherm  seine  Dienste  gegen  seine 
eigenen  christlichen  Landslente  anzubieten.  Eine  Entscheidung  Earl's  V. 
zu  Gunsten  von  Rogendorf 's  Gemahlin,  angeblich  verbunden  mit  der 
Zuweisung  von  einigen  Besitzungen  ihres  Gatten,  hat  den  leidenschaft- 
lichen Eriegsmann  derartig  aufgebracht,  dass  er  fortan  nur  den  Tod- 
feinden des  Eaisers  dienen  wollte  ^).    Er  hat  nicht  nur  seine  Gattin  fUr 


1)  Ueber  Rogendorf^s  Schicksale  ist  das  meiste  zusammengestellt  in 
Chesneau's  Reisebeschreibung  und  deren  Beilagen  und  Noten  in  der  Ausgabe 
von  Cfa.Scfaefer:  Recueil  de  voyages  et  de  documents  poor  servir  k  Thistoire 
de  la  g^ographie,  YIII.  Le  voyage  de  Mr.  dAramon,  escript  par  le  noble 
homme  Jean  Ghesneau,  Paris  1887,  besonders  S.  XXin  f.,  Chesneau's  Text 
p.  21 — 25  uebst  Noten  und  die  Beilagen  p.  199  sq.  Aus  Österreichischen  und 
venet.  Gesandtschaftsberichten  Einiges  bei  Hammer,  Geschichte  des  osman. 
Reiches,  30.  Buch  (11^  S.  201) .  Manche  Einzelnheiten  bei  £.  Charri6re,  N6- 
gociations  de  la  France  dans  le  Levant  (Collection  de  documents  in^dits  sur 
rhistoire  de  France)  I,  p.  629,  638,  653 ;  II,  p.  11,  35--36,  66,  in  französischen 


Beiträge  zur  ragnsanischen  Literaturgeschichte.  489 

immer  verlassen,  sondern  auch  seine  zahlreichen  Gläubiger.  Mit  seinem 
Secretilr  Benedetto  Bertapaglia  ans  Padna  und  dem  übrigen  Gefolge  ver- 
weilte er  einige  Tage  am  Hafen  von  Gravosa.  Dort  begrflssten  und  be- 
suchten ihn  die  genannten  drei  Zamagna's,  davon  Secondo  «con  la  sua 
mogliec,  femer  Marino  Biagio  di  Sorgo  und  einige  Italiener.  Auch 
Marin  Dersa,  um  den  man  gesendet  hatte,  fand  sich  ein  und  wurde  von 
Bogendorf  sofort  als  Dragoman  für  die  Beise  aufgenommen.  Pldtzlich 
gerieth  der  Senat  von  Bagusa  in  grosse  Aufregung,  unter  dem  Gefolge 
des  deutschen  Grafen  befand  sich  nämlich  auch  der  erwähnte  Marinus 
Pauli  de  Bucignolo,  noch  ein  Knabe  (putto).  Da  auch  die  Gäste  Bogen- 
dorf s  mit  ihm  sprachen,  konnte  sein  Verweilen  in  der  Nähe  der  Stadt 
nicht  geheim  bleiben.  In  grosser  Erregung  beschloss  der  Bath  sogleich 
den  Bann  gegen  die  Bucignolo  zu  erneuem  und  sogar  auf  die  Tödtnng 
des  jungen  Verbannten,  der  sich  in  das  Vaterland  eingeschlichen  hatte, 
einen  Preis  von  500  Ducaten  auszuschreiben.  Obwohl  der  Beschluss  als 
geheim  gelten  sollte,  erhielt  der  Graf  Nachricht  davon  und  sendete  den 
jungen  Bucignolo  unverweilt  Abends  zu  dem  Zollamt  von  Carina  an  die 
tllrkische  Grenze.  Beim  Senat  entschuldigte  er  sich,  er  habe  vom  Banne 
keine  Kenntniss  gehabt,  klagte  aber  vor  den  Anwesenden  Aber  die  ragu- 
sanische  Signoria:  »che  colpa  ha  hauuto  questo  putto I«  Am  anderen 
Abend  zog  der  Graf  mit  seinem  Gefolge  zur  Carina  und  blieb  dort  drei 
Tage,  beschäftigt  mit  Vorbereitungen  zur  Weiterreise  nach  Eonstanti- 
nopel.  Gleich  am  nächsten  Morgen  kam  nach  Carina  Bucignolo  aus 
einem  nahen  Dorf,  begleitet  vom  Schneider  des  Gefolges.  Auf  dem  Wege 
nach  Noyipazar  sprach  der  Graf  von  der  otagliac  der  Bagusaner  auf 
den  Kopf  des  jungen  Verbannten,  und  jenseits  Novipazar  war  die  Bede 
von  einer  »contratagliaa  seinerseits. 

Im  September  fand  man  in  Bagusa  auf  den  Thoren  und  Mauern  der 
Stadt  eines  Morgens  handschriftliche  Proclamationen,  in  denen  der  Graf 

Depeschen  aus  Venedig  und  Eonstantinopel.  Die  Geschichte  Bogendorf 's 
erzählen  auch  die  Annales  Bagusini  anonymi  (Mon.Slav.merid.XIV)  p.  110 — 
114  mit  einer  Menge  Details.  Der  Name  ist  wiedergegeben  als  Christoforo 
oder  Christofano  Gandolfi,  conte  di  AUamagna,  mit  der  klaren  Bemerkung  »lo 
Buo  padre  fu  —  consigliere  di  Ferdinando,  Be  d'Ungaria,  et  capitan  generale 
del  campo  christiano  nel  tempo  di  Turco  (che)  assediö  la  citta  di  Vienna«. 
Nichtsdestoweniger  hält  der  Herausgeber  Prof.  Nodilo  diesen  Conte  (S.  113 
Anm.)  für  einen  Frangipani  (Frankopan),  »visto  che  il  nome  Cristoforo  h  fre- 
quente  in  questa  famiglia«  1  Ein  Einblick  in  das  Werk  Hammer's  hätte  doch 
leicht  zur  Kenntniss  des  wahren  Sachverhaltes  geführt. 


490  Gonst.  Jireoek, 

von  Rogendorf  in  dem  Falle,  dass  sein  Begleiter,  der  junge  Bncignolo, 
ermordet  werden  sollte,  demjenigen,  der  den  Mörder,  wer  es  immer  sei, 
umbringt,  den  doppelten  Preis,  n&mlich  1000  Dacaten  in  Gold,  ver- 
sprach. Marin  Dersa  sagte  später  als  Zenge,  die  Schrift  des  Aufrufes 
sei  die  des  Secretftrs  Bertapaglia,  die  Unterschrift  des  Rogendorf  selbst 
Laut  Beschluss  der  Rogati  vom  4.  December  1546  wurde  am  7.  d.  M. 
Öffentlich  in  der  Loggia  ein  Preis  von  500  Ducaten  auf  die  Auffindung 
der  Leute  verkündet,  welche  diese  Zettel  in  der  Stadt  befestigt  haben  ^). 
Der  Schuldige  wurde  bald  ausgeforscht  und  auf  die  Tortur  gebracht.  Es 
war  ein  albanesischer  Schmied  aus  Antivari,  einer  damals  noch  veno- 
tianischen  Stadt.  Er  wurde  nach  längerer  Haft  verbannt,  mit  der  siche- 
ren Aussicht,  bei  der  nächsten  Wiederkehr  nach  Ragusa  auf  dem  Galgen 
zu  hängen.  Aber  auch  die  nächsten  Verwandten  der  Bucignolo  hatten 
manches  Unangenehme  durchzumachen,  bis  es  ihnen  gelang,  ihre  Un- 
schuld nachzuweisen. 

Indessen  war  Rogendorf  am  27.  September  1546  in  Eonstantinopel 
eingetroffen.  In  der  türkischen  Hauptstadt  verbreitete  sich  das  Gerücht, 
der  edle  Fremdling  besitze  sieben  Burgen  in  Oesterreich  und  habe  40,000 
Ducaten  mitgebracht.  Den  Türken  sagte  Rogendorf  selbst  unverhohlen, 
er  wolle  dem  Sultan  gegen  den  Kaiser  oder  gegen  dessen  Bruder,  den 
König  Ferdinand,  dienen  und  sei  bereit,  mit  Hilfe  seiner  Freunde  und 
Anhänger  die  Operationen  der  osmanischen  Heere  zu  erleichtem.  Er 
rieth  sogar  zu  einem  baldigen  Angriff  auf  Wien,  dessen  Befestigungen 
sich  gerade  in  schlechtem  Zustande  befinden.  Dabei  rechnete  er  auf  die 
deutschen  Wirren  vor  der  Schlacht  bei  Mühlberg.  Es  schwebte  ihm  eine 
Rolle  vor,  wie  die  des  venetianischen  Bastards  Lodovico  Gritti  in  Ungarn, 
der  allerdings  in  Konstantinopel  geboren  und  mit  den  Türken  von  Jugend 
an  gut  vertraut  war.  Rogendorf  besuchte  den  Grossvezier  Rustem  und 
den  Pfortendolmetsch  Junusbeg  und  hatte  am  10.  Oktober  eine  feier- 
liche Audienz  bei  Sultan  Suleiman,  um  ihm  die  Hand  zu  küssen.  Der 
Grossherr  verlieh  ihm  die  Würde  eines  Muteferrika  (Fouriers)  mit  einem 


^)  Gons.  Rog.  4.  Dec  1546:  »taglium  contra  illos,  qui  de  mense  sept. 
affixerunt  muris  ciaitatis  nostre  quasdam  cedulas,  scriptas  nomine  Gomitis 

Rogondorfi  et  signatas  eius  sigillo« »noctu  affixerunt  quasdam  apolitias 

valvis  ciuitatis  nostre,  scriptas  nomine  111.  Gomitis  Rongondolphi«.  Liber 
Gons.  Rogatorum  1544—1546,  f.  263.  Der  anonyme  ragas.  Annalist  schreibt 
(p.  112),  dass  die  »polize  .  .  .  furono  attaccate  alla  colonna  sotto  la  porta  del 
Palazzo  et  alle  porte  delli  monasterij  di  frati«. 


BeitrSge  zur  raguBaniBchen  Literatorgesohichte.  491 

kleinen  Gehalt.  Eben  war  der  kaiserliche  Gesandte,  der  Holländer  Ger- 
hard Veltwyck,  im  Begriffe  einen  Waffenstillstand  mit  der  Pforte  abzn- 
schliessen.  Den  Türken  war  es  wegen  des  bevorstehenden  persischen 
Krieges  anch  erwünscht  im  Westen  Knhe  zn  haben.  Der  venetianische 
Bailo  und  die  französischen  Gesandten  in  Konstantinopel  und  Venedig 
meldeten  ihren  Regierungen  sofort  die  sensationelle  Neuigkeit  von  der 
Ankunft  des  flüchtigen  kaiserlichen  Höflings  in  der  Residenz  des  tür- 
kischen Grossherm.  König  Franz  I.  gab  seinem  Gesandten  D^Aramon 
gleich  den  Auftrag,  die  Ursachen  der  Flucht  des  Mannes  in  die  Türkei 
genau  zu  erfragen  ^) .  Dass  der  Dragoman  Dersa  bei  allen  Audienzen 
seines  Herrn  zugegen  war,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Die  meisten  in  der 
türkischen  Hauptstadt  weilenden  Ragusaner  wichen  jedoch  dem  Rogen- 
dorf wegen  des  Bucignolo  aus.  Dersa  erzählte,  ungefähr  15  Tage  nach 
der  Ankunft  habe  der  Graf  einen  Brief  aus  Ragusa  erhalten,  man  wusste 
nicht  von  wem  und  welchen  Inhaltes,  den  er  dem  Junusbeg  zu  lesen 
gab.  Sonst  hat  sich  Rogendorf  nach  dem  Zeugniss  seines  Dragomans, 
des  Dersa,  über  die  Ragusaner  bei  Junusbeg  sehr  lobend  ausgesprochen. 
Zwischen  dem  jungen  Bucignolo  und  Dersa  gab  es  bald  eine  Spannung. 
Bucignolo  schimpfte  über  die  Ragusaner.  Dersa  ermahnte  ihn,  er  solle 
durch  Tugenden  sein  Schicksal  bessern  (con  uertü  acquistar  qualche 
bene).  Bucignolo  erwiderte:  »lo  sono  gentilhuomo  e  tu  sei  una  persona 
uile«,  worauf  Dersa  antwortete:  «Non  sai,  che  tu  hai  perso  la  nobilitä 
in  quinta  generatione,  per  mali  deportamenti  del  tuo  padre?c  Bald 
darauf  hörte  Dersa  vom  Schneider  des  Gefolges,  Bucignolo  fühle  sich 
beleidigt.  Er  entschloss  sich  desshalb  zur  Abreise  und  nahm  Entlassung 
(buona  licentia)  von  Rogendorf,  um  nach  Ragusa  zurückzukehren.  Dort 
wurde  er  am  9.  Januar  1547  von  Ser  Franc.  Mar.  de  Caboga  und  Ser 
Bemardo  Gabr.  de  Crieva,  zwei  Mitgliedern  des  Minor  Consiglio,  aus- 
führlich verhört  über  alle  seine  Beziehungen  zum  Grafen  Christoph  von 
Rogendorf  und  über  Alles,  was  er  über  das  Verhältniss  des  deutschen 
Edelmannes  zu  den  Bucignolo  wusste.  Dabei  wird  er  als  9  Don  Marino 
Derxa«  bezeichnet,  also  als  Geistlicher. 

Dersa  hat  wohlgethan,  den  Rogendorf  bei  Zeiten  zu  verlassen  und 


1}  Dass  hinter  der  Rachsucht  Rogendorf  ^s  nur  die  Differenzen  mit  seiner 
Frau  stecken,  wusste  man  bald  allgemein.  Die  Türken  scheinen  von  Anfang 
an  nicht  viel  von  ihm  gehofft  zu  haben.  Alvise  Mocenigo  schrieb  dem  Dogen 
am  27.Dec.  1546  aus  Heidelberg,  der  Sultan  habe  Rogendorf  nach  der  zweiten 
Audienz  für  närrisch  gehalten  (Yenet.  Depeschen  vom  Kaiserhofe,  II,  S.  134  A.). 


492  Confit  Jireoek, 

nicht  «11'  sein  bitteres  Missgeschick  in  der  Türkei  mitzumachen.  Als 
der  Sultan  im  Winter  nach  Adrianopel  übersiedelte,  zog  anch  Rogen- 
dorf hin,  kaufte  sich  dort  ein  Haus  und  begann  einen  Theil  desselben 
umzubauen;  ragusanische  Berichte  sprechen  von  einem  >gran  campo, 
nello  qnale  (face)  far  uno  stupendo  palazzo  con  lo  giardinoc^].  Aber 
schon  bald  ging  das  mitgebrachte  Qeld  durch  seinen  kostspieligen  Haus- 
halt, seine  Verschwendung  und  Spielsucht  zur  Neige.  Die  Tflrken  ver- 
sprachen Rogendorf  noch  höher  zu  erheben  als  einst  den  Oritti,  er  solle 
sich  jedoch  früher  zum  Islam  bekehren.  Das  hatte  man  Anfangs  von 
ihm  nicht  verlangt.  Rogendorf  wies  dieses  Ansinnen  zurück,  brachte 
»ululans  et  plangens«  trübe  Tage  in  seinem  Hause  zu  und  sohloss  sich 
mehr  und  mehr  an  die  französische  Gesandschaft  an,  mit  deren  Hilfe  er 
bei  dem  König  von  Frankreich  einen  Dienst  zu  erlangen  wünschte. 
Rustem  Pascha  nannte  den  Flüchtling  einen  »doli  gjaur«,  einen  närri- 
schen Christen.  Eine  Bitte  um  Erhöhung  seines  Taggeldes  wurde  vom 
Divftn  abgewiesen,  er  habe  ja  bisher  keinen  entsprechenden  Dienst  er- 
wiesen. Der  Sieg  des  Kaisers  bei  Mühlberg  und  der  Tod  des  Königs 
Franz  I.  veränderten  übrigens  gänzlich  die  Situation,  mit  welcher  der 
Flüchtling  gerechnet  hatte.  Endlich  ergriff  Rogendorf  als  letzten  ver- 
zweifelten Ausweg  die  heimliche  Flucht.  Im  Herbst  1547  verschwand 
er  zu  nächtlicher  Stunde  aus  Konstantinopel.  Von  zwei  Dienern  be- 
gleitet, einem  Flamländer  und  einem  Griechen,  gelangte  er  in  einem 
offenen  Boot  durch  das  Marmara-Meer  und  die  Dardanellen  glücklich 
zu  den  Genuesen  von  Chios.  Von  Ohios  wollte  er  zu  den  Venetianem 
nach  Kreta  und  von  dort  nach  Frankreich.  Er  bestieg  ein  Schiff  zur 
weiteren  Reise,  doch  dasselbe  wurde  im  griechischen  Archipelagus  von 
türkischen  Piraten  gekapert  und  der  flüchtige  Muteferrika  des  Gross- 
herrn nach  Konstantinopel  zurückgebracht  I  Man  sperrte  den  unglück- 
lichen Rogendorf  in  die  Sieben  Thürme.  Aber  der  französische  Ge- 
sandte D'Aramon  nahm  sich  seiner  väterlich  an,  bis  der  Sultan  den 
Flüchtling  auf  Fürbitte  des  Königs  Heinrich  H.  begnadigte  und  im  Fe- 
bruar 1548  nach  Frankreich  entUess^} .   Christoph  von  Rogendorf  stieg 


i)  Annales  Ragusini  p.  113.  Depesche  Veltwyck's  in  der  Ausgabe  des 
Chesneau  p.  199. 

2)  Ueber  die  Flucht  aus  Konstantinopel  ausführlich  Chesneau  p.  21 — 25, 
wobei  Schefer  handschriftliohe  Nachrichten  über  die  Schicksale  Rogendorf 's 
in  Frankreich  mittheilt.  Das  Dankschreiben  Heinrich's  U.  von  1548  an  den 
Sultan  wegen  der  Entlassung  Rogendorf 's :  Nögociations  II,  66. 


Beiträge  zur  ragUBanischen  Literatargeschiohte.  493 

in  französischen  Diensten  wieder  zu  hohen  Würden  empor  nnd  wurde 
abermals  ein  angesehener  nnd  reicher  Mann.  Der  König  ernannte  ihn 
zum  Dgentilhomme  ordinaire«  der  königlichen  Kammer,  zu  seinem  »oon- 
seiller  priv^c  und  zum  Marquis  der  Hy^rischen  Inseln  an  der  Küste  der 
Provence.  Rogendorf  wurde  mit  Oesandtsohaftsreisen  nach  Deutsch- 
land betraut,  führte  Truppen  gegen  Karl  V.  und  gegen  Piemont,  befeh- 
ligte die  deutschen  Landsknechte  gegen  die  Hugenotten  und  soll  angeb- 
lich noch  1585  gelebt  haben.  Es  gibt  eine  Medaille  mit  seinem  Wappen 
und  dem  Namen  des  »Xpofle  de  Bogendorff,  Marquis  des  Isles  D'Or«; 
auf  der  Kehrseite  sieht  man  drei  brennende  Granaten  und  darunter  die 
uns  verständliche  Aufschrift:  »Tant  a  souffert  Bogendorff«  i).  Zuletzt 
verfiel  er  wieder  in  Armuth.  Ein  berühmter  Zeitgenosse,  der  Schrift- 
steller Brantöme,  schildert  ihn  als  tüchtigen  Feldherm;  nur  sei  er  »trop 
prodigue  et  despendu«  gewesen,  so  dass  er  »pauvre  et  miserable«  bei 
Hof  erschien ;  es  blieb  ihm  schliesslich  nur  ein  ärmliches  Häuschen  auf 
dem  Wege  in  die  Normandie,  das  er  allein  mit  zwei,  drei  Dienern  be- 
wohnte. Ob  Dersa  oder  andere  Bagusaner  mit  Bogendorf  während  seines 
Aufenthaltes  in  Frankreich  abermals  in  Beziehungen  traten,  ist  aus  dem 
mir  bis  jetzt  bekannten  Material  nicht  zu  sehen. 

Das  Testament  der  Mutter  des  Marin  Dr2i<5,  der  Anuchla,  reliota 
qnondam  Marini  Nicolai  Derxe,  datirt  vom  21.  April  1552  ist  am  27. 
d.  M.  in  die  Bücher  eingetragen^).  Ihre  Erben  sind  zwei  ihrer  Söhne, 
Blasius  mit  dessen  Söhnen,  der  auch  ihre  Besitzung  auf  der  Insel  Cala- 
motta  erhielt,  und  der  Dichter  Marin ;  den  übrigen  Söhnen  vermachte 
Frau  Anuchla  nur  ihren  Segen  (alli  altri  mei  figliuoli  lasso  la  mia  bene- 
dictione).  Marin  ist  stark  bedacht:  j>Item  lasso  el  quarto  della  mia  dote 
et  el  resto  di  quello,  che  son  uagliosa,  aM.  Marino,  mio  figiiuolo,  el 
quäle  uoglio,  che  lui  possedi  el  ditto  quarto  et  il  resto  di  quello  suono 
uagliosa  durante  la  vita  sua  e  non  lo  posse  donare^  uendere  ne  alienare; 
ma  da  poi  la  sua  morte  uoglio,  che  uada  il  ditto  mio  quarto  et  el  resto 
delli  mei  beni,  delli  quali  suono  uagliosa,  a  Biaggio,  mio  figiiuolo,  et  alli 
suoi  figliuoli  maschiff.  Epitropi  sind  Steph.  Hier,  di  Nencho  und  Marino 
Nat.  di  Nale.  Der  Dichter  erfreute  sich  an  dieser  Erbschaft  nicht  volle 
zehn  Jahre.  Eine  Bandnotiz  vom  5.  November  1561  meldet,  dass  »Bdus 
D.  Marinus  de  Dersa  e  sowohl  den  »usufructum  quarti  dotist,  als  auch 


1)  Beschrieben  und  abgebildet  bei  Bergmann  op.  cit 
*)  Testamente  Noterie  1549,  f.  131  v.— 132. 


494  Const  Jirecek, 

die  übrige  Erbschaft  seinem  Bruder  Blasins  cedirte.  Eine  zweite  Notiz 
vom  14.  November  d.  J.  zeigt,  dass  dies  wegen  der  Schulden  des  Dich- 
ters war:  »Michael  Nie.  Miossa  tanqnam  procurator  Bemardi  Pauli 
Hyellich,  credltoris  D.  Marini  de  Darsa  (sie)«,  übernahm  die  Bezüge  des 
»quarti  dotis  quondam  Anuclae,  matris  eiusdem  D.  Marini«.  Marin  Drü6 
lebte  also  noch  Ende  1561. 

Zum  Schluss  noch  eine  Reihe  von  Notizen  über  einige  ragusanische 
Schriftsteller  vor  und  nach  1550,  geschöpft  meist  aus  dem  »Specchioa. 

Der  Annalist  Nicolaus  Marini  Andree  de  jRagnina  wurde  am 
19.  Mai  1514,  20  Jahre  alt  (also  geb.  1494),  in  den  grossen  Bath  auf- 
genommen und  starb  1582  *].  Sein  Vater  Marinus  Andreae,  seit  1466 
im  grossen  Rath,  war  schon  1507  gestorben  2).    Nicolaus  Marini  war 

1537  und  1551  unter  den  justiciarii,  1543,  1556,  1566,  1570,  1575 
Conte  der  Isola  di  Mezzo  sammt  der  Nachbarinsel  Calamotta,  1547  Gonte 
von  Slano,  endlich  im  October  1565,  October  1571,  December  1573, 
December  1579  Bector  der  Republik. 

Seines  jüngeren  Verwandten,  des  Dichters  Dinko  Ranjina  Gross- 
vater  W9iMarinus  Dimitrii  de  Ragnina^  1506 — 1512  einigemal  Rec- 
tor  von  Ragusa.  Er  war  zweimal  verheirathet;  aus  der  ersten  Ehe 
stammte  Ser  Dominicus,  der  bei  der  »parzogna«  1520  unter  Anderem 
ein  Haus  in  Ragusa  lante  palatium  ad  angulum  vie  tortec  erhielt,  aus 
der  zweiten  Ser  Paulus  und  Ser  Nicolaus  ^).  Ser  Dominicus  Marini 
Dim.  de  Ragnina  war  1527  Conte  von  Canale,  Juli  1534  und  October 

1538  Rector,  und  starb  1541;  in  seinem  Testament  wird  seine  Frau 
Maria,  seine  Töchter  Vita,  als  Nonne  im  St.  Michaelskloster  Cicilia 
(Caecilia)  genannt,  und  Mara,  die  unmündigen  »figliuoli«,  jedoch  ohne 
Angabe  von  deren  Zahl  und  deren  Namen,  endlich  sein  Bruder,  der 


^)  Nicolaus  Mar.  And.  de  Ragnina,  ann.  20,  die  19.  mai  1514,  obiit  1582 
(Specctiio).  Wenn  er  mit  »Nie.  Mar.  de  Ragnina,  aliter  Nixa«,  der  im  October 
1508  das  Lekcionar  (M.  Resetar,  Zadarski  i  Raninin  lekcionar,  Zagreb  1894, 
S.  323)  und  vielleicht  auch  1507  die  Gedichte  des  Mencetiö  and  Drl^id  copirt 
hat,  identisch  ist,  so  hat  er  diese  Handschriften  im  Alter  von  13 — 14  Jahren 
geschrieben. 

^  Bei  Serafino  Cerva  ebenso  Nicolaus  Araneus,  Marini  filius,  Andreas 
nepos  (Makusey,  nscJiiffOBaHiA  o6'b  hci.  naM^THHKax'B  h  ÖbiTonxcaTeiHX'L  j!(y6- 
poBHHKa  84).  Archiv  XIX,  71  hielt  ich  für  des  Nicolaus  Vater  irrthümlich  den 
Marinns  Nicolai  de  Ragnina.  —  Ein  anderer  Nicolaus  Marini  Andr,  de  Rag^ 
ntfiaist  1511  in  Messina  gestorben,  Testamenta  1512—1516,  f.  113  v. 

3)  Div.  Not  1519,  f.  170. 


Beiträge  zur  ragusanischen  Literaturgeschichte.  495 

Dominikaner  frater  Clemens  (f  1 559)  genannt  ^] .  Dominicus  Dominici 
de  Ragninaj  der  Dichter,  wnrde  nach  dem  »Specchiot  20  Jahre  alt  am 
27.  Hftrz  1556  (also  geb.  1536)  in  das  Maggior  Consiglio  aufgenommen 
und  starb  1607.  Er  war  1568  einer  der  drei  »advocati  del  comnnc, 
1594  Conte  der  Isola  di  Mezzo;  als  Reotor  ist  er  verzeichnet  siebenmal, 
im  September  1588,  März  1590,  September  1591,  Mai  1598,  März  1601, 
April  1604  und  April  1607,  als  Criminalrichter  1605  u.  s.  w.^j. 

Sabo  MisetiiS  Bobaljevi^  hiess  lateinisch  Ser  Savinus  Michaelis  de 
Babalio^).  Sein  Orossvater  desselben  Namens  war  1500  Conte  von 
Meleda,  1504  Castellan  von  Pozvizd  n.  s.  w.  und  starb  1522;  in  seinem 
Testament  setzt  er  seinen  Sohn  Michael  als  Universalerben  ein  und  ent- 
erbt den  ungehorsamen  zweiten  Sohn  Sebastian,  der  den  Vater  gar  vor 
das  Gericht  oitirt  und  ihm  viel  Kummer  verursacht  hat^).    Des  Sabo 


1)  Testamentam  Ser  Dominici  Mar.  de  Ragnina,  eingetragen  20.  Dec. 
1541,  Testamenta  Notarie  1539,  f.  193.  Unter  den  Epitropi  Steph.  Ant.  di 
Goze,  Bemardo  Binciola  u.  A. 

2)  Den  Literarhistorikem,  welche  einen  Stefan  Gucetiö  als  Verfasser  der 
in  den  »Stari  pisci«  noch  nicht  veröffentlichten  »Dervisiade«  zu  Anfang  des 
XVI.  Jahrh.  suchen,  kann  ich  mit  einigen  Daten  über  vier  Stephan!  de  Gozze 
aus  dieser  Zeit  zu  Hilfe  kommen.  Ser  Stsphanu$  Dragoe  de  Goze  wurde,  23 
Jahre  alt,  am  4.  Januar  1488  in  den  grossen  Rath  aufgenommen  und  starb  1511 
(Specchio).  Ser  Stephanue  Mar.  de  Goze,  mit  20  Jahren  am  1  I.Mai  1514  in  das 
Maggior  Consiglio  aufgenommen,  wurde  später  Geistlicher  und  Canonicus 
(Specchio).  Ser  Stephanue  Ant&nii  Marini  de  Goze,  Sohn  des  Antonio  di  Ma- 
rino, der  1506 — 1517  fUnfinal  Rector  der  Republik  und  1519  Conte  von  Stagno 
gewesen  war,  wurde  mit  25  Jahren  (also  geb.  1491)  am  8.  Februar  1516  in  den 
grossen  Rath  aufgenommen  (im  März  d.  J.  sein  27  jähriger  Bruder  Clemens), 
reiste  nach  Beschluss  vom  November  1526  als  einer  der  zwei  Gesandten  mit 
dem  Tribut  zur  Pforte  und  war  Juli  1550,  August  1552  und  October  1556 
Rector  des  Staates.  Sein  Testament  ist  am  3.  October  1558  in  die  Bücher  ein- 
getragen. Nach  demselben  hatte  er  vier  verstorbene  Brüder,  Marino,  Christo- 
phano,  Giacomo  und  Francesco,  und  von  seiner  Frau  Ora  (Orsula)  fünf  Söhne : 
Marino,  »morto  in  le  parte  d'Ungaria  in  Piesti«  (Pest?),  Antonio  (1550  Kauf- 
mann in  Belgrad),  Christophano,  Paulo,  demente  und  eine  Tochter  Pera,  ver- 
mählt mit  Scipione  de  Caboga.  Ein  vierter  Stephanue  Mar.  de  Goze  wurde 
erst  39  Jahre  alt  (also  geb.  1508)  am  17.  Juni  1547  in  den  grossen  Rath  aufge- 
nommen und  war  September  1553  und  Mai  1556  Rector. 

S)  Racki  hat  in  der  Vorrede  zur  Ausgabe  der  Dichtungen  des  Bobaljeviö, 
Stari  pisci  Vin  (1876),  S.  XV— XXII,  eine  ziemlich  reichhaltige  Biographie 
desselben  zusammengestellt. 

«)  Testamentum  Ser  Sauini  Mich,  de  Babalio,  eingetragen  am  20.  Februar 
1522,  Test.  Not  1519—1524,  f.  118. 


496  Const.  Jirecek, 

Vater  Michael  Sauini  de  Balalio  wird  oft  als  Mitglied  der  RathacoUegien 
erwähnt,  1531,  1543  als  Vicar  des  Reotors,  und  starb  1557^).  Er  hinter- 
liess  mit  seiner  Fran  Fioccha  (Fioca,  von  Filka  =  Philippa)  fflnf  Sdhne 
nnd  vier  Töchter,  von  denen  Paula  mit  Piero  Ors.  de  Sorgo  verheirathet 
war,  Marha,  Nicha,  Frana  eventuell  ins  Kloster  gehen  sollten.  Die 
Söhne  waren  bis  zum  Schluss  des  Jahrhunderts  in  den  verschiedensten 
Aemtern.  Der  Dichter  ist  notirt  im  »Specchioa :  »Ser  Sauinus  Mich,  de 
Babaiio,  ann.  XX,  die  X.  Jan.  1550«  (also  geb.  1529  oder  1530),  dazu 
die  Marginalnote :  >obiit  1585«.  Er  war  1552,  1565,  1568  Gastellan 
der  Burg  von  Stagno,  1563  Castellan  von  Pozvizd,  1571,  1576,  1578, 
1580  einer  der  zwei  officiales  der  «lauoreri  de  pagamento  de  Stagno«, 
hielt  sich  also  viel  in  Stagno  auf,  wie  dies  auch  seine  Biographen  er- 
zählen. 

»Gospar  Franc,  sin  Frana  de  Luccaria^)  oder  Franc  Lukarevid  Bu- 
rina ist  im  »Specchio«  bei  seiner  Aufnahme  in  den  grossen  Rath  einge- 
schrieben: »Ser  FrandsciLS  Fran,  de  Lucaris,  ann.  XX,  die  XXVU  junij 
1561«  (also  geb.  1541),  mit  der  klar  leserlichen  Randnote:  »obiit  1598«. 
Sein  Vater  Ser  Franciscus  Luc.  Jac.  de  Lucharis  war  mit  20  Jahren  am 
23.  März  1526  in  das  Haggior  Gonsiglio  aufgenommen  worden,  heirafhete 
1535  Nicha,  eine  Tochter  des  Ser  Francesco  Petri  de  Oradi')  und  war 
Nov.  1564,  Dec.  1566,  April  1569  Rector  der  Republik,  1567  zu  einem 
der  lebenslänglichen  Procuratoren  des  grossen  Hospitals  gewählt.  Das 
edle  Geschlecht  der  Luccari  war  damals  noch  recht  zahlreich.  In  den 
J.  1500 — 1532  sind  nicht  weniger  als  22  junge  Luccari  in  den  grossen 
Rath  eingetreten.  Ein  Jahrhundert  später  waren  ihre  Nachkommen  ge- 
ring an  Zahl;  1600 — 1611  wurden  nur  4  Luccari  in  den  Rath  aufge- 
nommen, nach  den  Patronymica  zum  Theil  Nachkommen  des  Dichters 
Franciscus  Francisci  oder  vielleicht  seines  Namensvetters  Franciscus 
Laurentii  (Sohn  des  Laurentius  Michaelis  de  Lucharis,  f  1562),  der 
1580  Castellan  von  Stagno  gewesen  war 4). 

^)  Testamentum  Ser  Michaelis  Sauini  de  Babalio,  eingetragen  2.  Juli  1557, 
Testamenta  1555,  f.  71.  Die  fünf  Söhne  (cinque  figliuoli  maschi)  sind  nicht 
mit  Namen  genannt.  In  den  Büchern  der  Zeit  erscheinen  aber  sieben  Babalio 
als  Söhne  eines  Michael,  vielleicht  aus  zwei  Linien  des  Hauses.  Ueber  Paula 
cf.  Liber  Dotium  1554,  f.  49  v. 

2)  Staripisci  X,  S.  1  der  volle  Name  im  Titel  der  üebersetzung  von 
Guarinfs  »Pastor  fido«. 

8)  Registro  Maritaggi  dei  Nobili  f.  44  v. 

*)  Die  letzten  Luccari  im  »Specchio«  sind:  Benedictus  Francisci,  auf- 


Beiträge  zur  ragnaanischen  LiteraturgeBchichte.  497 

Den  lonrsus  honoram«  des  berflhmten  Dichters  des  DOsman«,  des 
Joannes  Frandsd  de  Oondula  hat  Herr  Professor  Giuseppe  Gelcioh 
bei  Gelegenheit  der  Errichtang  des  Denkmals  für  Gundnlid  in  Ragasa 
in  einer  dabnatinischen  Zeitung  genau  dargelegt  i).  Im  »Speoohioc  ist 
seine  Aufnahme  in  den  grossen  Rath  bemerkt  mit  den  Worten:  »Joannes 
Franc,  de  Gondula  die  XXVIII  maij  1608a,  dazu  die  Randbemerkung: 
»obiit  1638«.  Seit  1609,  wo  er  unter  die  drei  Beamten  der  »lauorieri 
del  pagamento  di  Ragusa«  kam,  war  er  ununterbrochen  in  Aemtem, 
1615  und  1619  als  Comes  von  Canale,  sonst  meist  in  juridischen  Stel- 
lungen, besonders  im  Appellationscollegium  (1621 — 1632  sechsmal), 
unter  den  »consuli  delle  cause  civilis  (1635,  1638)  und  den  Oriminal- 
richtem  (1637).  Die  Würde  eines  Rectors  der  Republik  hat  Gunduliö 
nie  bekleidet,  wahrscheinlich  da  es  ihm  an  dem  nöthigen  Alter  fehlte ; 
Rectoren  waren  1618—1638  oft  andere  Verwandte  aus  dem  Geschlechte 
der  Gondola  (*ula),  Hieronymus  Francisci,  Secundus  Benedicti  (f  1635), 
Paulus  Marinchi,  Franciscus  Joannis  (1619 — 1624),  Thomas  Joannis, 
Hieronymus  Joannis,  Joannes  Marini  (f  1650),  Joannes  Nicolai  (f  1643), 
Paulus  Orsati  de  Gondula  (f  1640).  Die  Frau  des  Dichters  war  Nica, 
Tochter  des  Sigismund  Petri  de  Sorgo^).  Eine  wichtige  Aufzeichnung 
über  den  Tod  des  Gunduliö  (f  1638)  und  sein  Begräbniss  in  der  Fran- 
ziskanerkirche hat  in  den  alten  Pfarrbüchem  Don  Paul  Pavli<5  entdeckt 
und  veröffentlicht  3).  üeber  die  Söhne  des  Gunduli6  befinden  sich  im 
»Specchio«  folgende  Notizen:  Franciscus  Joannis  de  Gondola,  am  28.8ep- 
tember  1650  in  den  grossen  Rath  aufgenommen,  )»obiit  1700  Viennaec 
(als  kaiserlicher  General);  Sigismundus  Joannis  de  Gondola  kam  ins 


genommen  in  den  grossen  Rath  1600,  f  1610,  MarinusFrancisoi,  aufgenommen 
1603,  Lucas  Francisci  1605  (1605  Gastellan  von  Corona  bei  Klein-Stagno,  1609 
Capitaneus  von  Janjiua,  f  1612),  Franciscus  Petri  Francisci,  angenommen 
1611,  1619  verheirathet  mit  Ilaria,  Tochter  des  Franc.  Jo.  de  Gondola  (Re- 
gistro  Maritaggi  f.  61),  1622  Comes  von  Gluppana,  1625  von  Slano,  endlich 
Franciscus  Francisci  de  Lucaris,  im  grossen  Rath  seit  1641,  1661  Comes  der 
Isola  di  Mezzo,  f  1666.  Ein  Petrus  de  Luccari  war  1664—1680  Bischof  von 
Stagno,  einer  der  letzten  oder  gar  der  letzte  seines  Hauses. 

<]  G(iuseppe)  G(eloich),  Per  la  biografia  del  poeta  Gunduliö,  Smotra  dal- 
matinska  (La  Rassegna  Dalmata),  Jahrg.  VI,  Nr.  46,  Zara  10.  Juni  1893,  S.  3. 

^  »Die  XXVI  juniij  1641.  D.  Nica,  relicta  quondam  Ser  Joannis  Franc, 
de  Gondola,  olim  maritata  in  dictum  Ser  Joannem,  filia  quondam  Sig.  Petri 
de  Sorgo,  perperi  200«.  Registro  Maritaggi  f.  65. 

S)  Spomenik  der  kgl.  serb.  Akademie  XXV  (1895),  S.  43  f. 

AnhiT  fbr  ■lariMli«  Philoloffi«.    XXI.  32 


498  Oonst  Jireoek, 

Maggior  Consiglio  am  25.  October  1653,  starb  als  Rector  der  Republik 
im  September  1682;  dessen  Sohn  Joannes  Sigismundi  de  Gondola,  seit 
23.  Februar  1696  im  grossen  Rath,  starb  1721.  Sehr  wichtige  Nach- 
richten über  die  Handschriften  des  »Osmana  hat  jflngst  Conte  Dr.  Lnjo 
Vojnoviö  aus  der  Correspondenz  der  beiden  Söhne  des  Dichters,  Frano 
und  äisko,  veröffentlicht^). 

Der  Dichter  der  »Trublja  slovinskac  (1663),  Vhidislauus  Hiero- 
nymi  de  Menze  wurde  am  27.  October  1637  in  den  grossen  Rath  be- 
rufen und  ist  1666  gestorben,  ohne,  so  viel  ich  bemerken  konnte,  viele 
Aemter  bekleidet  zu  haben.  Von  seinen  Söhnen  wurde  Nicolaus  Vladis- 
laui  am  26.  October  1677  in  das  Maggior  Consiglio  aufgenommen  (f  1726), 
Sigismundus  Vladislaui  am  26.  Juli  1680  (f  1708). 

Im  XVII.  Jahrh.  sind  in  der  slavischen  Poesie  von  Ragusa  von 
Bedeutung  die  letzten  Vertreter  des  Hauses  der  Palmotta.  Der  Dichter 
Gjono  Ojora  Palmoti6a  oder  Junim  Oiorq  de  Palmotta  ist  nach  dem 
DSpecchio«  am  6.  November  1626  in  den  grossen  Rath  aufgenommen 
worden  und  1653  (diese  Jahreszahl  allerdings  wenig  leserlich)  ge- 
storben; er  war  Comes  von  Canale  1639,  von  Lagosta  1642,  von 
Canale  abermals  1649,  wieder  von  Lagosta  1653.  Mit  ihm  ist  nicht 
zu  verwechseln  Joarmea  Giorq  Oior^  de  Palmotta,  im  grossen  Rath 
seit  7.  Juni  1630,  1632  Comes  von  Meleda,  f  1645.  Verwandt  war 
Criore  Andrej  de  Palmotta,  im  grossen  Rath  seit  14.  Januar  1602, 
f  1648.  Griore  Giorq  Oiorae  (sie)  de  Palmotta,  Mitglied  des  Maggior 
Consiglio  seit  25.  October  1624,  damals  18  Jahre  alt,  war  des  Dichters 
Junius  älterer  Bruder,  der  dessen  »Eristiade«  drucken  liess,  1631  und 
1634  Comes  von  Canale,  1645--46  von  Lagosta,  1656—1674  achtmal 
Rector,  gest.  1675.  Der  Dichter  des  »Dubrovnik  ponovljen«  Jacobus 
Joannis  (oder  Jacobus  Junii)  de  Palmotta,  wahrscheinlich  Sohn  des 
Joannes  Jacobi  de  Palmotta  (Rector  Mai  1642),  ist  am  11.  December 
1643  in  den  grossen  Rath  aufgenommen  worden,  war  1648  Comes  von 
Slano,  Mai  1671  und  Juli  1674  Rector.  Sein  Beiname  in  slavischer 
Form :  Jaketa  Palmotid  Dionorid  ist  ein  Metronymicon,  ebenso  wie  das 
im  XV.  Jahrh.  in  Ragusa  unter  den  Adelsfamilien  vorkommende  Tama- 
ri(S  (von  Tamara).    Dionora^)  ist  wohl  nichts  anderes  als  der  Name  der 

^)  Knez  Dr.  Lujo  Vojnovid,  daoiTo  ce  ryeAyjHheB  »OcMaH«  HEJe  niTaunao 
y  BpHJeMe  peny(UHKe.  Delo  (Belgrad),  Juni  1895,  S.  404 — 408. 

^)  Z.  B.  Dianora  filia  Mar.  Nie.  de  Gk>zze  um  1550,  Registro  Maritaggi 
f.  49.    In  den  Test.  1512 — 1516,  f.  10  v.  Dionora  uzor  olim  Andree  Ribarich, 


Beiträge  zur  raguBanischen  Literaturgeschichte.  499 

mythischen  Gemahlin  des  Herakles  Deianeira,  im  Zeitalter  der  Renais- 
sance wieder  in  Gebranch  gesetzt,  ebenso  wie  die  antiken  männlichen 
Namen  Scipio,  Pompeins,  die  Franennamen  Lucretia,  Zenobia,  Cas- 
Sandra  n.  A.  Jacobns  Joannis  de  Palmotta  starb  1680  als  der  letzte 
Sprosse  seines  Hanses,  nach  der  Marginalnote  des  »Specchioc:  »obiit 
1680,  exstincta  familiat. 

IT.    SlaTische  Texte  des  XT.  und  XTL  Jahrhunderts 

aus  Bagusa  und  Stagno. 

Zu  den  slavischen  Texten  des  XV. — XVI.  Jahrb.,  die  ich  im  Archiv 
XIX,  8.  52  f.  mitgetheilt  habe,  kann  ich  einen  Nachtrag  bieten.  Es 
sind  insgesammt  Schriftstücke  in  cyrillischer  Schrift.  Die  Eauflente, 
Handwerker  nnd  Banern  bedienten  sich  nnter  dem  Einflnss  der  Nach- 
barschaft, wo  die  cyrillische  Schrift  am  Golf  von  Cattaro,  in  Montenegro, 
HercegOTina,  Bosnien,  im  Eüstenlande  Dahnatiens,  besonders  bei  Ma- 
karska  und  in  den  Gemeinden  von  Poljice  zwischen  Almissa  nnd  Spalato, 
verbreitet  war,  noch  lange  dieses  Alphabets.  Die  stndirten,  des  Lateins 
kundigen  Nobiles  und  Populani  von  Bagnsa  hingegen  wendeten  in  dieser 
Zeit  bei  Niederschreibung  slavischer  Texte  die  lateinische  Schrift  an. 

Der  Gebranch  der  cyrillischen  nnd  lateinischen  Schrift  neben  einan- 
der ist  ersichtlich  anch  ans  den  Unterschriften  der  Bagusaner  in  den 
italienisch  im  Binnenlande  der  Balkanhalbinsel  ausgefertigten  Urkunden. 
Unter  den  Zeugen  eines  in  Uerbosania  (Vrhbosna  j.  Sarajevo)  6.  März 
1479  datirten  Actes  unterschrieben  sich  zwei  cyrillisch:    M  Fiopa 

PSTOUIIBHKk  'KfCaUk  CBt^A^Kk  BHUJC  pfHCHOUS  HHCUS.  M  Ilf- 
TAfik   PaA^^HKk   "KfCaUk   CSHA^Kk    OBOUSH    HHCUS    BHUJf   pi4f- 

HOUS.  Ebenso  auf  einer  Urkunde  aus  Srebmica  vom  25.  November 
1490:  Mha'ko  IIpHEHHHK'  CA^FA  rocnoHTBtt  BH,  per  Zane  di  Polo 
Stiepaxinouich  v.  ss.,  Pa^HM'  OcTOHKk  caSra  sauik  i).  Unter  einer 
»parzogna«  (Theilung)  zwischen  Buschus  und  Matchus,  den  Brttdem 
des  verstorbenen  Job.  Matchouich,  niedergeschrieben  in  Sofia  1.  Dec. 
1498  »in  domo  habitationis  olim  dom  Stephani  Giurasseuicha,  lateinisch 
durch  »presbiter  Stephanus  Georg^,  capellanus  mercatorum  Sophie«; 


f.  35  Deianira,  uxor  Joannis  Francisci  Siluani  de  Macerata,  caneellarii  com- 
munis Bagusii  (f  1512). 

1)  Diversa  Canc.  1489,  f.  121  v.,  21 8  v.  Ueber  die  Eaufinannsfamilie  Ba- 
deljiö  8.  oben  bei  Kristioevid  (Anm.)  und  Naljeskoviö,  S.  464,  480,  510. 

32» 


500  Oonst.  Jireoek, 

sind  die  Zengen  Damian  de  DobraBsin,  Polo  de  Zohane  Jelich,  Zorzi  Ra- 
doBsalich,  Stephane  Mar.  de  Oradi,  Polo  de  Lorenzo  barbier  mit  latei- 
nischen Schriftzeichen  nnterschrieben,  ebenso  von  den  abschliessenden 
Parteien  Rnscho  Jonanonich,  dessen  Bmder  aber  cyrillisch :  Bl  Matko 
HoBaHOBHKk,  epar'  P^c'kobk,  Ha)forio  c(i)  KONVkHaTk  (contento) 

WA^  CBcra,  ipiv  roA'^P'  ^<  A^^'i'^"  ^  ^P'X^  pfMiHOu'  hhcuS  ^), 
Unter  den  Zengen  in  dem  Testament  des  in  Novipazar  1522  gestorbenen 
Johannes  Radognich  hat  sich  ein  Albanese  cyrillisch  nnterzeichnet : 
H  u  ÜHKCAa  l^apHiBk  fIpBaHacHHk  cBiA^KOio  cBapx^  WBora 
HHCua,  KaKO  BH  pcHk  H  Boaa  HsaHa  PaA^HH^a  CBipX'^  (sie) 
HHcaHOra^).  Anf  einer  italienischen  »fine  remissionea  aus  Vrhbosna 
von  1540  ist  eine  einzige  Unterschrift  cyrillisch:  Ha  MapHH  PaHHf- 
B(H)1i  ccau  CBHCAWK,  KaKW  h8)^  weh  CTpaNf^).  Am  13.  April 
1550  glichen  sich  Stephan  Radossaglich  nnd  Andrea  di  Matheo  Saxo  in 
Belgrad  über  ihre  Rechnungen  ans.  Neben  den  italienischen  Unter- 
schriften eines  Oozze  n.  s.  w.  unterzeichnete  sich  eine  der  Parteien  cy- 
rillisch: ))Snbscriptio(nem)  lingne  semiane^)  feci  (d.  h.  der  ragnsanische 
Kanzler)  hie  scriptam  per  Nie.  Pasq.  de  Primo,  cancellarinm  dicte  lin- 
gne, de  mandato  d(ominornm)  c(onsnlnm) :  1550  UHCcci^a  anpHAa  Na 
13  8  EHorpaA^.    M  GTHinaHk  PaA^caanlik  noTBaptiSfUk  pc- 

HfHO   HHCUW,   A^   **Ua   8HHHHTH,    KaKO   WA^^^^P^  TOBOpH  H  01|lf 

a^Hpuauk  (afSrmare),  KaKO  WABrapk  roBopH^). 

Solche  cyrillische  Unterschriften  ragnsanischer  Kanflente  gibt  es 
anch  anf  Urkunden  aus  Italien.  Am  20.  Juni  1523  sind  datirt  in  Ortona 
(Kreis  Lanciano,  Provinz  Chieti)  » litter e  oambii«,  italienisch  geschno- 
ben, mit  den  Unterschriften :  Luca  Biag.  de  Nale,  Stephan  Hilosceuich, 
>a  PaAH4k  G9i|J0Hlik  npHUH^k  A^K^'ra  XXU«,  Oabrielle  di  Mar- 
tholo  de  Oabrielle  als  Zeuge,  »quando  si  pagö  sopradicto  cambio  ad  Badiz 
Hostoich,  fratello  de  sopradicto  Harcho  presente  et  Ser  Zugno  Mar.  de 
Oondula  et  Ser  Thomaso  Ben.  di  Bona,  et  questo  fo  a  di  4  luglio  1 523 « <^). 

In  den  Beilagen  (Nr.  17 — 23)  theilen  wir  einige  Handelsbriefe  der 


<)  Diversa  Notarie  1499,  f.  133. 
t)  Ib.  1522,  f.  69. 

^  Diversa  Cancellarie  1540,  f.  51. 
4)  So  zum  ersten  Mal,  sonst  immer  lingua  sclaua. 
^  Diversa  Cancellarie  1550,  f.  181  v. 

^  Diversa  Notarie  1522,  f.  148.    Derselbe  Radio  Ostolö  oben  1490  in 
Srebmica. 


BeitrS£:e  zur  ragosanisehen  Literatargesohichte.  501 

Ragusaner  von  1505 — 1550  mit.  Dieselben  sind  in  den  yerschiedensten 
Orten  abgefasst,  in  Nii,  Novipazar,  Yrhbosna  (Sarajevo),  an  der  Narentar 
mündnng,  in  Antivari,  haben  aber  in  Orthographie  nnd  Sprache  ge- 
wisse einheitliche  Merkmale.  Dazn  gehört  vor  Allem  die  Menge  roma- 
nischer Fremdwörter  1) :  adventario  (19,  für  inventario),  avanija  (19), 
hah  (19,  Ballen),  harbijer  (19),  bareta  (19,  berretta),  baia  ruka  (17, 
basso),  biSkvatro  (17),  fierentin  (17,  panno  di  Firenze,  fiorentino),  ga- 
vemati  (19),  kamarin  (21),  kaniilirija  (18),  kariiija  (19,  21,  carisee), 
kavic  (19,  cavezzo),  komeüun  (17,  commissione),  kant  (17,  conto),  kutn- 
panija  (18),  leffati  (17,  22,  leggere),  marac  (23,  merci),  numeri  plur. 
(17),  oblegavam  (22,  23,  obligare),  opicijali  (20,  ofßciales),  partit  (18), 
prokuratur  (19,  20),  res  (23,  resto),  rtdo  (19,  ruUo),  sakrcmencU  (18), 
skrito  (17,  18,  scritto),  skritura  (23),  skrivan  (20),  skuiati  (20,  scno- 
tere),  spenza  (19),  speniati  (19),  statera  die  Wage  (19),  ^oefun  (19, 
tntores),  venetik  (17,  Tnch),  veroniz  (19,  Tuch).  Im  Texte  sind  ein- 
zelne Worte  lateinisch  geschrieben:  nnmero,  braza,  aspri.  Anch  der 
Einfloss  der  italienischen  Orthographie  ist  bemerkbar  (Nr.  21):  Bip- 
EOcaHHie  (ftlr  EpkYkBOCHa),  sowie  s  {firzm  chahhc,  hchicao,  Sciaa, 
CAi|io,  ebenso  gn  für  n  in  rHfroBO,  roprHCU^.  Bagnsanisch  ist  anch 
ar  fttr  r :  csapjf i$,  SuapAa,  a^P^H-  Daneben  sind  charakteristisch 
manche  echt  slavische  Termini:  djetiö  (19,  Diener),  mjerilac  od  sali 
(18,  mensorator  salis),  n^'eiine  (23,  Pelze,  Hänte),  pratei  (19,  23, 
Waare),  razlog  (19,  Bechnong)  n.  A.  AnffilUig  sind  die  Formen  mit  ije 
in  Nr.  22,  das  Fehlen  des  k  in  Nr.  22. 

Bei  den  Testamenten  von  Stagno  befindet  sich  auf  einem  morschen 
Blftttchen  ein  Stück  eines  Privatbriefes  nngeffthr  aus  dem  XV.  Jahrb., 
in  welchem  von  einem  schlecht  gekochten  Fisch,  wahrscheinlich  einem 
Geschenk,  die  Bede  ist.  Nach  dem  Anfang:  f  BfAf  AP^*"^  no3APAB- 
(a(hhi)  ist  klar  iiiHd  (pezzo)  pHSf  h  i|jo   Na   uc  nHiuiuik,  a^ 

noiuaiuk UH  th  hhicuo  iv-ti  phei  3a  aaaivraH  wk8- 

CHAH,  3ai|J0  f  UHorw  3Aa  BHaa 3ai|J0  c  3ao  csapfHa 

EHAa,   a    HfSHCUO   TH    Cf   HHl|ja   WBAaKWUHAH    Ha   pHBH   U.  S.  W. 

In  Bagusa  selbst  schrieben  Lente  >de  populoa  ihre  Testamente 
schon  im  Ifittelalter  mitunter  slaviach.   Aber  die  Fftlle  sind  selten  und 


1)  Ueber  die  Fremdwörter  im  Dialekt  von  Bagusa  vgl.  Pero  Budmani, 
Dubrovacki  dijalekat,  Bad  jugoslav.  akademije  65  (1883),  S.  160—169,  und 
Luko  Zore,  Ay6poi»^Ke  xyl^HHKe,  Spomenik  der  serb.  Akademie  XXVI  (1895). 


502  Const.  Jireoek, 

stammen  meist  aus  den  Handelscolonien  im  Binnenland.  In  den  Testa- 
menta  1391 — 1402  f.  ly.  ist  eingetragen  das  des  »Dobrieh  spatarios, 
primo  scriptum  in  sclano,  poatea  translatom  in  latinoc  (italienisch),  vom 
20.  Jnni  1391.  Ebenso  in  den  Testamenta  1418  f.  86  am  13.  Angnst 
1423  das  des  Nixa  Vtiesenonich,  xqnod  cnm  esset  in  sclanico  idiomate 
scriptum  et  de  mandato  domini  consulis  Ser  Nicole  P.  de  Poza  et  jnra- 
torum  jndicnm  sne  curie  translatnm  esset  in  latinum  sermonem  per  Bas- 
cnm  magistri  Xpofori,  cancellarium  sclanici  ydiomatis  commnnis  Ragu- 
sii«;  das  Original  war  an  der  Narentamfindnng  geschrieben,  denn  be- 
stätigt wird  es  von  den  »jndici  de  Narente«  und  der  Erblasser  schenkt 
drei  Perper  xa  S.  Maria  de  Norin«  auf  den  Rainen  der  Bömerstadt 
Narona.  Ebenso  übersetzte  Rnsko  Christof orovid  das  am  16.  Augast 
1423  in  Novo  Brdo  datirte  Testament  des  Laca9  Michatoaich,  verfasst 
»in  idiomate  sclanoc  (ib.  f.  101). 

In  den  Testamenten  1498 — 1562  fand  ich  nnr  zwei  slavische. 
Das  eine  von  1524  in  lateinischer  Schrift  ist  bereits  mitgetheilt  im 
Archiv  XIX,  56 — 57.  Das  andere  in  cyrillischer  Schrift,  des  Eotnf- 
mannes  RadiS  Aligretovi<5  von  1512,  folgt  in  den  Beilagen  (Nr.  7).  AU- 
gretto  ist  eine  im  XV.  Jahrh.  beliebte  Uebersetzang  der  slav.  Namen 
Radivoj,  Radoslav,  RadaSin,  Radii  oder  Ratko.  Seine  Familie  stammte 
ans  Bijela,  wo  seine  Vorfahren  in  der  Kirche  Sveta  Gospogja  begraben 
waren,  nämlich  in  der  hente  noch  bestehenden  Marienkapelle  im  Dorf  Plat 
im  sfidlichen  Theil  des  Thaies  von  Breno  ^).  Im  Text  findet  man  gleich- 
falls zahlreiche  Fremdwörter:  dona  t patrona, ßffura, /ra,  fratri,  in- 
kuna  (eiyuüP,  mlat.  ancona,  inconia,  inchona) ,  kostati,  merttOy  mobilo^ 
nepuca  (lAmpotejypridikaturiy  stabile,  testamenaty  testvarija,  todure 
(tatores).  In  das  Bach  eingetragen  ist  das  Testament  vom  Kanzler 
Lacas  Pasq.  de  Primo,  demselben,  der  in  Ragasa  eine  Bnchdrackerei 
gründen  wollte,  mit  schöner  leserlicher  Schrift.  Die  Bachstaben  sind 
etwas  rechts  geneigt,  besonders  b;  p,  a,  i^  haben  lange  Striche  abwärts, 
B  ist  ein  Viereck,  T  dreifüssig,  K  aas  zwei  Theilen  bestehend.  In  der 
Jahreszahl  ist  ftlr  500  la  gesetzt  statt  des  sonst  üblichen  ^,  was  dem 
Zahlwerth  des  %  im  Statnt  von  Poljice  and  in  Nr.  18  (1512)  entspricht  2). 

Abbreviaturen  sind  nar :  Fk,  Bk,  irB,  riik,  rcnHk,  rcnpk,  uäcth. 
lieber  die  Zeile  gesetzt  ist  A  in  ^^A^j  WA>^y  aro^HAa,  T  in  fi,^KATA, 


1)  Vgl.  Archiv  XIX,  592  über  Bjeleni,  Bijela  ^  Plat. 

^  Ivan  Berciö,  Bokvar  staroslovenskoga  jezika  (Prag  1860),  S.  77. 


Beiträge  zur  ragusaniBchen  Literaturgeschichte.  503 

KfiATA  (mit  Weglassang  des  vocalischen  Auslantes),  u  in  ^paTpwu, 
EOrwM,  H  in  KaHA*KAa,  k  in  den  Endungen  anf  -HKk.  Das  vocalische 
r  ist  durch  ap  wiedergegeben,  nur  in  i^pKa  (Name),  t^pKORHOUk 
durch  ß. 

Viel  grösser  ist  die  Anzahl  slavisch  geschriebener  Testamente  aus 
Stagno.  Aus  einem  Gonvolut  in  blauem  Umschlag  und  mit  der  Aufschrift 
DTestamenti  di  Stagno,  saec.  XV«,  welches  eine  Reihe  loser  Blätter  und 
Fragmente  enthält,  jetzt  im  Hauptarchiv  von  Ragusa,  theile  ich  (Bei- 
lage Nr.  8 — 16)  9  Testamente  aus  den  J.  1458  — 1495  mit,  von  denen 
6  in  Stagno,  2  in  Janjina  auf  der  Halbinsel  von  Stagno  und  1  in  Eonjic 
an  der  oberen  Narenta  von  einem  Stagnenser  verfasst  sind.  Drei  Stücke 
sind  Testamente  von  Frauen.  Radoslav  äagareli<5  schrieb  in  Stagno 
1478  sein  Testament  eigenhändig  nieder;  das  Testament  einer  Frau  in 
Janjina  um  1493  schrieb  der  dortige  Geistliche  Pop  Dom  Andrija. 

Als  Kanzler  von  Stagno  werden  im  XIV.  Jahrh.  stets  Oeistliche  er- 
wähnt; der  bedeutendste  war  Pop  Ratko  (vor  1369),  später  Kaplan  und 
Protovestiar  des  bosnischen  Königs  Stephan  Tvrtko,  zuletzt  Bischof  von 
Trebinje  und  Mercana  ^).  Im  XV.  Jahrh.  wird  ausdrücklich  ein  slavischer 
Kanzler  in  Stagno  erwähnt.  Nicola  Vuchassinouich  barberius  war  1459 
— 1478  »cancellarius  Stagni  in  lingua  sclaua  et  ad  scribendum  custo- 
dias,  cum  salario  iperpirorum  viginti  in  anno,  ultra  salarium,  quod  habet 
tanquam  soldatus  Stagni«,  kurz  »scribanus  in  lingua  sclaua«^).  Can- 
cellarius  Stagni  war  neben  ihm  1472 — 1474  Maroe  Pti9ich,  derselbe, 
der  1474 — 1482  das  Amt  eines  »cancellarius  in  lingua  sclaua«  in  Ragusa 
selbst  verwaltete.  Im  Anfang  des  16.  Jahrh.  waren  Kanzler  von  Stagno: 
Marinus  Dobrieuich  1505 — 1506  (starb  13.  Januar  1506),  Bemardinus 
Qeorgii  Cresmanouich  oder  B.  0.  Crispi  1506 — 1520  (starb  12.  April 
1 520),  Laurentius  Thome  de  Fifa  (bisher  Kanzler  in  Canale)  1520 — 1525 
(starb  30.  Juli  1525),  Mar.  Nie.  de  Pasqualis  1525  (starb  schon  am  8.  Oc- 
tober  d.  J.),  Vincentius  quondam  Marini  Berissich  vom  November  1525  an. 

Ebenso  wurde  auch  in  der  Kanzlei  des  Conte  von  Oanale  ohne 
Zweifel  mitunter  ein  slavisches  Stttck  geschrieben,  doch  ist  von  diesem 
Archiv  nichts  erhalten.  Marinus  Gvietkovi<5  oder  Marinus  de  Florio,  zu- 
erst 1447 — 1453  cancellarius  Canalis,  war  1455 — 1475  »cancellarius  in 
lingua  sclaua  (  in  Ragusa  und  hat  wahrscheinlich  schon  in  Canale  seine 
Befähigung  zu  diesem  Amt  nachgewiesen. 

1)  Vgl.  Archiv  XIX,  596. 

2)  Consiliam  Rogatorum  21.  April  1459  u.  s.  w. 


504  CoiLBt.  Jireoek, 

Die  in  Stagno  und  Umgebung  in  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrb. 
fiblichen  Personennamen  waren  fflr  die  Frauen:  Cvieta,  Dehnsa,  Dra- 
2ula,  Franusa,  Jelu&a,  Katarina,  Klara,  Krotina  (Nr.  1 0),  Krunava,  Lu- 
cia,  Madnsa,  Mara,  Margarita,  Maria,  Marusa,  Mihna,  Miliea,  Nikoleta, 
Petrusa,  Radosava,  SlavuSa,  Stojsava,  TomuSa,  Vitosaya,  Vladava,  iivka. 
Für  die  M&nner :  Andrija,  Andrusko,  Antun,  Benko,  Bijelja,  BogiSa,  Brajko, 
Bratul,  DabiSiv,  Dobrilo,  Dragi^,  Dragoje,  Franko,  Ojure,  Ojurica,  Ivan, 
IvaniS,  Ivko,  Luka,  Luksa,  Marko,  Matko,  Mihoi,  Mihovio,  Milisa,  Mili- 
sav,  Milobrat,  Milorad,  Milutin,  Mioko,  NikSa,  Paval,  Paskoje,  Radosav, 
Radovan,  Radoje,  Simko,  Bladoje,  Stipan,  Vlahna,  VlahuSa,  Vukan, 
Vukosav,  2ivko  (J^ivko  oder  ^ive  =  Giovanni). 

Die  Testamente  erwähnen  zahlreiehe  Kirchen  in  Stagno:  Sveta 
Oospogja  (Marienkirche),  Sveti  Vlasi^)  (1458,  1478,  St.  Blasins),  Sveti 
Kozma  (oder  Kuima,  Kuzma)  i  Damijan,  auch  Sveti  VraSi^)  genannt, 
mit  einem  Nonnenkloster,  Sveti  Mihajao')  und  die  Franziskanerkirche 
Sveti  Nikola,  auserdem  die  Burg  Pozvizd  (als  Pozdvizd,  Nr.  8)  über  der 
Stadt.  In  der  Umgebung  wird  ein  Weinberg  «na  Perunihc  genannt  (in 
Peroni).  In  Ragusa  nennt  ein  Testament  (Nr.  11)  die  Kathedrale  Sveta 
Gospogja  (S.  Mariae  Maioris),  die  Kirche  Svi  Sveti  i  Svetice  (Omnium 
Sanctorum),  sowie  die  Kirchen  Sveti  Krst  (S.  Crucis)  und  Sveti  Mihail 
(S.  Michael  de  Arboribus),  beide  in  Oravosa,  und  Sveta  Nonciata  (S. 
Annunciata)  auf  der  Berglehne  oberhalb  Oravosa.  Ausserdem  werden 
erwähnt  die  FranziskanerklOster  von  Krkar  (Curzola),  Slano,  Rjeka 
(Ombla)  und  Konavli  (Canale).  Von  geographischen  Namen  sind  be- 
merkenswerth  Asii  Assisi  (9)  und  Zamorje  Apulien  (10). 

Das  lexikalische  Material  ist  von  Interesse :  bacve  (10),  barhan  als 
Frauenkleid  (14,  15,  16),  bort  (16),  cryWt?yar  Schuster  (14),  dinar  gto^ 
sus  (10),  divojka  fantescha  (10),  djever  (14),  gvozdja  lovacka  (12),  gunj 
als  Frauenkleid  (15),  haljine  ebenso  (11),  ifr/?ot?ߣ?m£  Beichtvater  (16), 
kapa  als  weibliche  Kopfbedeckung  (9),  köret  einer  Frau  (16),  kosmac^) 


1)  Als  Plural  aufgefasst,  daraus  der  Sing.  Vlaho  (Blasius)  abstrahirt. 
Budmani,  Rad  65,  S.  168. 

^)  Sveti  Vraoi,  die  hl.  Aerzte,  heissen  auch  in  Serbien  und  Bulgarien  die 
hl.  Kosmas  und  Damian.  Vgl.  Jire^ek,  Das  christliche  Element  in  der  topogr. 
Nomendatur  der  Balkanländer  (Sitzungsber.  der  kais.  Akad.  136)  S.  20,  43. 

^  Die  St.  Michaelsburg  die  ursprüngliche  Ansiedelung  von  Stagno,  ib.  31. 

«)  Chosma^,  cosma^,  cosmatinm  eine  weibliche  Kopfbedeckung  (cosmaz 
da  testa  di  donna  1457,  Lamenta),  1422  erklärt  als  »touaglias  pilosas,  vocatas 


Beiträge  zur  ragusanischen  Literatargeschichte.  505 

(15),  kohulja  skrojena  [\h)^  kraljei(\^^  Rosenkranz),  £tfdtoa  Diminutiv 
yonku6i(ll),  kuntui  vesüto  (10),  kuplice^)  {lA)^  20^^^(9,14),  litice 
srebme  (14),  muiwna  duia  die  Seele  des  Gatten  (1 3),  misu  reit,  pieti 
oder  govoritiy  obid  (Mahl,  11),  odar  Bett  (8),  oporuciti {IZ),  pleme(iA: 
Sovjek  od  moga  plemena),  pod  danji  od  ku6e  (8),  pokuöje  Hausgerftth 
(9.  15),  postav  (14,  15),  potka  oprede  (15),  rod  (14:  Mili8i<5em  i  njih 
rodu),  rukave  od  harhana  s  ombretami  {14,  15),  sablja  (11),  skrinja 
velja  (14),  Star  ulja  (9,  10),  stratiti  u  ku6u  expendere  (9),  suknja  büa 
rassa  biancha  (8),  suknja  svüe  einer  Frau  (9),  svite  vestimenti  (10),  tkala 
(16),  ubrtiscui{\ij  15),  vojvoda^)  (10),  vof/an  8Vime{S),  volnik  (IZ), 
lupa  wahrscheinlich  als  Pfarre,  Gemeinde  (14:  die  Zeugen  »i  ostala 
i^upa«). 

Das  fremde  Element  ist  in  der  Terminologie  stark  vertreten :  abit 
(9,10),  €fikat(S),  aßktavat(%\  ar^en^tra  argenteria  (10),  avancati 
(9,  10,  16),  decitna  (8,  9,  10),  dorn  (14,  dominus),  dona  (10),  dumna 
(10,  11,  aus  domina,  die  Nonne),  dundo  (14,  Onkel),^;^f^ra  {ll)jfrati- 
lija  (8,  10,  16),/ra^rf  (8,  10), /ra  frater, /rwAo/wrt  (8:  frustadori, 
verberati),  gonta  (8,  gionta,  v.  ionta),  inpaSati  (15),  kalei  (11,  16,  ca- 
lix),  kanielarija  (13),  karpatur  (16,  copertorium),  komunski  (8),  kon- 
sencija  (11),  lakse  (8,  9 :  i  lasci),  libra  (11),  lificuo  (16,  lenzuolo),  mo- 
sarya  (8, 10),  tnatarac{iß)j  mir^)  (8,  murus),  misa,  mobilo  (8),  nepuca 
(10,  14),  ombrete  (14,  15),  ospedao  (8,  10),  otar  (10,  altare),  patrona 
(10),  peca  (9,  15),  pitrop  epitropus  (oft),  posizati  (10,  possidere),  pri^ 
micija  (8,  9),  resto  (10),  sag  (16),  skoiati[\\,  scuotere),  stabüo  (8), 
stribuati  (8,  distribnere),  ^m»  (8,  terreno),  testamenat,  tezoriri  {Iß), 
todur  (8,  16,  tutor),  mta  (u  vitu  8 1),  ionta  (9,  gionta  cf.  gonta). 

Die  Analyse  der  Sprache  muss  der  Historiker  dem  Plulologen  über- 
lassen und  beschränkt  sich  nur  auf  einige  Bemerkungen.    In  den  ein- 


cosimace«  (Lam.)»  mitunter  »cum  seta  et  auro«;  es  gab  auch  cosmaces  tur- 
cheschos.  Fehlt  im  WOrterbuch  von  Stulli. 

1)  Euplica  eine  weibliche  Kopfbedeckung:  1450  eine  Frau,  »aptans  sibi 
cuplizam  in  oapite«,  1447  cupliia  eines  Knaben  cum  perlis,  ebenso  cupliza  de 
panno  (Lam.)« 

>)  Vojvoda  hiessen  slavisch  die  ragusanischen  viseonti  in  den  Terre  Nove 
(Primorje  von  Slano)  im  XV.  Jahrh. ;  es  waren  nicht  adelige  Beamte. 

')  Von  mir  (murus)  der  Ortsname  Zamirje  (extra  muros):  in  Stagno  Santa 
Maria  de  Samirie,  Test.  Not  1498,  f.  1,  vielleicht  identisch  mit  der  chiesa  de 
la  Madonna  in  piano  de  Stagno  in  anderen  Bagusaner  Testamenten. 


506  GoüBt.  Jireöek, 

zelnen  Stücken  haben  theils  jekavische,  theils  ikavisohe  Fonnen  die 
Oberhand :  in  Nr.  9  testamtjenat,  mrtvijehj  da  se  razdijeli,  dagegen 
in  Nr.  8  dica^  prima,  sukna  hila,  in  Nr.  10  Usiaminaty  Rika^  razdiltf 
covtkj  sKpim,pinezej  divojke.  Anffilllig  ist  die  Verwechselang  zwischen 
z  nnd  i:  lezedi,  pratez,  zivot  Nr.  8,  zena  Nr.  10,  11,  12,  rozdasivo, 
krizj  hrize  (brJie)  Nr.  10,  Drazula^  Dabiziv,  kalez  Nr.  11,  dagegen 
uieti,  uhoUm  Nr.  10,  ubozi  Nr.  1 1 .  Das  r  sonans  wird  mitunter  (Nr.  9, 
14)  durch  -pk-  wiedergegeben,  aber  auch  durch  -r»-  (najprivo,  syrihu, 
smrit  Nr.  8,  Origur  Nr.  8,  10,  Krikar  ebenda,  briSe  Nr.  10,  drizat,  dri- 
zana  Nr.  11,  12,  crikva  Nr.  10,  11,  svriSit,  syriSena,  pristen,  Tristenica 
Nr.  11),  erst  zum  Schluss  des  XY.  Jahrh.  durch  -izr-  (smartiju  Nr.  13, 
Oargura  Nr.  1 5,  najparvo  Nr.  16).  In  der  Formenlehre  ist  auffUlig  -^ne 
ftlr  -m ^)  nicht  nur  im  Looal  Sing.:  na  terinu  komtmakame  (8),  sondern 
auch  im  Instr.  Sing.:  voljan  svirne,  za  malome  bradome  (8),  8  kuöame 
(8,  9),  8  ovijeme  nacinom  (9),  im  Dat.  Plur. :  ubozime,  fratrotne  (8), 
und  sogar  in  der  1.  Pers.  Sing.:  08ta^'ame  i  hodu,  kako  iame  pi8ao 
(8),  ostaljame  (9).  Indeclinabel  ist  8veti  in:  u  8t>et%  Kozmu  (8,  9), 
u  8veii  Vla8t  (8) ;  vgl.  lezeöi  u  odar  (8)  statt  »u  odru«. 

Die  Schrift  ist  Urkundenschrift,  mit  abwärts  verlängerten  a,  r,  p 
U.S.W.,  stehend,  später  mehr  rechts  geneigt,  mit  der  Zeit  immer  weniger 
sorgfältig  und  leserlich.  Das  1i  fehlt  nirgends;  für  lO  haben  Nr.  15,  16 
(1495)  ein  W\  fftr  w  haben  die  Schreiber  eine  grosse  Vorliebe,  ja  in 
Nr.  15,  16  hat  es  das  0  ganz  verdrängt.  Der  Laut/ wird  ausgedrückt 
durch  h:  hi,  HOttif  (9),  HiaSiuh,  HSpH^  (10),  durch  f :  »A"^,  uoci 
(9),  durch  1s:  uoHWk  (11),  -fciCTa  (12),  "baKUiHlik  (13),  *kd  (ego,  in 
Nr.  9  His),  "KCA^Hk,  CBO*kOUk,  *KdHHHCKOMB  (14).  Die  Erweichung 
von  Ij  bleibt  oft  unbezeichnet:  boac  (10),  ASsaBk  (12),  wcxaAaUk. 
Einflüsse  italienischer  Orthographie  sind  bemerkbar  bei  derWiedei^abe 
von  Ij  durch  gh  ROrac  (10),  PaA^caraHli  (16),  und  nj  durch  yn: 
HanoKorHH,  8  phc  Rorat^  (10),  Korua  (11).  Den  Verfall  der  cyrilli- 
schen Schreibkunst  verräth  k  nach  vocalischem  Auslaut :  OAaNOWk, 

ASl^HHk,  HHTKWk,  CUHpHWk,  3rpaAHWk  (10),  liipHk,  TKWk,  UÄ- 
HHWk  (12). 

Ganz  ohne  Abbreviaturen  ist  Nr.  14  in  Janjina  geschrieben.  Das 
p'^  ist  Ersatz  für  pk:  np'^BO,  up^rBHcj^k,  cuptrk  (9),  oder  fUr  h: 
nptuHi^HS  (10),  ebenso  in  Nr.  18  von  der  Narentamündung  1512: 


i)  Vgl.  Dani6iö,  HciopEJa  odxiiKa  S.  44,  173, 179. 


Beitrage  zur  ragusanischen  Literatargeschichte.  507 

CKp^TO  (scritto),  npl^UH)fk,  th  /^HHAfi^.  Ligaturen  sind  xa,  th  in 
Nr.  8.  lieber  die  Zeile  oder  über  den  vorangehenden  Buchstaben  er- 
hoben werden  T  besonders  zwischen  Vocalen  (cBc^f),  beim  Infinitiv 
(^^31* k)  und  bei  st  (G'WHk  8,  c'wh  1 1),  dann  A  (in  WA  immer),  0  und 
W  (in  i|JO  überall),  9  und  II  in  den  Gasusendungen,  selten  K  und  p. 

Bei  einem  Besuch  in  Stagno  1890  zeigte  mir  der  damalige  Dechant 
der  Stadt,  jetzt  Canonicus  in  Ragusa,  der  hochwürdige  Don  Ante  Lie- 
popili  ^)  ein  altes  Zunftbuch,  in  welchem  drei  Seiten  mit  grosser  cyrilli- 
scher Schrift  beschrieben  waren.  Ich  habe  den  Codex  leider  nur  flüchtig 
angesehen.  Durch  die  Güte  des  Herrn  stud.  techn.  Sabo  Jeli<5  erhielt 
ich  1898  gelungene,  von  ihm  sorgfältig  hergestellte  Photographien  dieser 
drei  Seiten.  Nach  seinen  Mittheilungen  ist  diese  auf  der  Pfarre  von 
Stagno  verwahrte  »matrikula  bratstva«  in  Holzdeckeln  mit  schwarzem 
Leder  gebunden  (26.4  Cm.  hoch,  18.4  breit) ;  die  Blätter,  24.7  Cm.  hoch 
und  17.8  breit,  beginnen  mit  der  Jahreszahl  MCCCCXXVU.  Zwischen 
lateinischen  und  italienischen  Eintragungen,  über  die  ich  derzeit  nichts 
Näheres  mittheilen  kann,  sind  nur  diese  drei  Seiten  slavisch.  Der  cy- 
rillische Text  beginnt  mit  einer  grossen  blauen  Initiale  mit  rothem  Omar 
ment.  In  Beilage  Nr.  24  theile  ich  ihn  mit  (vgl.  auch  das  Facsimile). 
Es  ist  ein  Pakt  zwischen  den  bratija  der  in  den  Testamenten  (Nr.  10, 
16)  erwähnten  yra^t'/ya  od  svetoga  Franhesha  in  Stagno  mit  dem  dor- 
tigen Franziskanerkloster.  Sprache  und  Schrift  schliesst  sich  den  übrigen 
Schriftstücken  aus  Stagno  an.  Fremdwörter  sind:  oiTttti^Do  Almosen 2), 
gnardijan^  kuitod  (custos),  misaj  papa,  vikar.  Ikavisch  ist  potriba. 
Zu  den  oben  angeführten  Beispielen  von  -Tne  für  -m  gehören :  dobrime 
Sinjenijem,  ubozime,  zgovorome.  Die  Schrift  ist  nicht  Urkundenschrift; 
sie  erinnert  an  cyrillische  Pergamentcodices  der  Zeit.  Das  fi^  ist  pH  in 
nptROAHH,  nptTfrH8/iH,  npttiTH,  pk  in  cup^CHTH;  r  sonans  ist 
durch  ß,  wie  i^pKBH,  oder  einfaches  p,  wie  lipTBH)fk,  bezeichnet. 


1)  Der  Name,  in  seiner  Form  auffällig,  ist  sehr  alt.  Milen  Lepopelich 
aus  Stolac  1318  (Div.);  Pribislaus,  Plribien  Lepopi,  Lipopil,  Lipopilouioh 
1387^1413  (Div.,  Lamenta) ;  Milletta  filius  Cranchi  Liepopie  1406  und  dessen 
Mutter  Pribissaua,  uxor  Cranchi  Lipopil  1418;  Yochaz  Liepopio  1436^1449 
(Lamenta)  u.  s.  w. 

')  Almustvo  in  den  Lectionaren  des  XV.  Jahrb.,  neben  lemozina:  Dr. 
Milan  Resetar,  Primorski  lekcionari  XV  vijeka,  Bad  jugoslav.  akademije  136 
(1898),  §  151. 


508  Const  Jireoek, 

Beilagen. 

1.  Zar  Geschichte  des  Buchdruckes  und  Buchhandels. 

1,   Testament  des  Presbyter  Luka  JRadovafwviö. 

(Auszug)  1502,  15.  Juli.  Testamentum  presbiteri  Luce  Radouanouich, 
»capellani  monialium  Sancte  Marie  de  Gastello  heri  defuncti«,  datirt  am  15.0ct. 
1501.  Legate  von  1—2  Perper  an  die  Gonfraternitäten:  fratemita  laudabile 
de  li  preti  de  Sancta  Maria,  fratemita  de  Ogni  Sancti,  fratemita  de  Sancto 
Luca  de  li  oleari,  fratemita  de  Sancto  Nicolo  de  li  bechari,  fratemita  de  Sancto 
Yido  de  li  tesseri,  fratemita  delli  sartori,  femer  jedem  prete  und  »zago«  und 
allen  Nonnen  von  S.Maria,  diesen  auch  »el  mio  organeto,  che  lo  tegnano  in 
la  chiesia«.  Drei  Messen  a  S.  Orsula  (eine  Capelle  auf  dem  Abhang  oberhalb 
des  Klosters  des  hl.  Jacob  von  Visnjica}.  Verfügungen  über  eine  possessio 
in  Ciba^a  (im  Thale  von  Breno).  »Lasso  a  dom  Paolo,  figliolo  de  condam 
Vuchassino,  breuiario  in  carta  bona  non  ligado  et  tarculo  da  itnprimere  libri 
cum  soiponzonide  leUera  schiaua  cum  soiargazt,  quelli  se  trouara  in  casa  mia. 
Lasso  al  comun  tre  coracine  mie  et  doi  schiopeti.  Lasso  alli  heredi  de  con- 
dam Ratoho  libraro  perperi  tre«  (f.  174).  Zahlreiche  Legate.  Besass  »la  terza 
parte  de  Marchana«.  Aus  den  »intrade  de  le  mie  case,  ho  appresso  Sancta 
Maria  de  Gastello«,  soll  ebendaselbst  bei  S.  Maria  eine  Kirche  gebaut  werden, 
31^2  Ellen  (braza)  lang  und  18  breit,  de  pietre  lauorade  a  scarpello  bella;  in 
ihr  sollen  wöchentlich  4  Messen  gelesen  werden  für  den  Presbyter  Lucas  und 
für  seine  Eltem,  von  einem  Weltpriester,  nach  Möglichkeit  einem  Verwandten 
des  Legatars.  Ist  der  Bau  unmöglich,  soll  alles  dem  Dominikanerkloster 
zufallen.  Epitropi :  Ser  Paladine  Gio.  de  Gondola,  dessen  Sohn  Ser  Giovanni 
und  dessen  Sohn,  Ser  Ruscho  Nie.  de  Poza  mit  seinen  Söhnen,  Ser  Michael 
Jun.  de  Bona,  Ser  Zugno  Mar.  de  Gk)ndola,  don  Polo  Vuohcich  und  dessen 
Bruder  Marino,  Nicola  Vladoeuich  (Testamenta  Notarie  1498—1503  f.  173  v. 
bis  175). 

2.  Project  des  Kanzlers  Lucas  Pasqualis  de  Primo  oder  Primojeviö. 

A.  Gonsilium  Rogatomm,  8.  März  1514  (Band  1513—1516 f.29v.):  »Prima 
pars  est  de  acceptando  supplicationem  Luce  Pasqualis  de  Primo,  cancellarii 
nostri,  pro  arte  stampandi  libros  in  ciuitate  nostra  cum  priuilegio  annoram 
quindecim,  infra  quos  aliqua  alia  persona  non  possit  exercere  dictam  artem 
in  ciuitate  et  districtu  nostro,  nisi  per  oonduoendos  et  deputandos  per  dictum 
Lucam  ad  dictam  artem,  seoundum  dictam  eins  supplicationem.  Per  XXXVIII 
eontra  V«. 

»Prima  pars  est,  quod  dictus  Luca  teneatnr  conducere  stampatores  et 
incipere  laborare  ad  tardius  infra  nnum  annum  proxime  futurum,  et  si  secus 
fecerit,  quod  non  gaudeat  beneficio  dicte  sue  supplicationis,  et  quando  inci- 
piet  laborare,  quod  tnnc  habeat  domum  et  stationem  ad  plateam  sine  soIu- 
tione  affictuB  aliouins  sibi  consignandam  per  minus  consilium  in  sua  discre- 


Beitrüge  zur  ragusanischen  Literaturgeschichte.  509 

tione  et  libertate  pro  toto  tempore,  quo  faciet  ezercere  dictam  artem  in  oiuitate 
nostra  cum  dicto  priuilegio.  Per  XXXTTT  contra  X«.  (f.  30).  — 

ȣx(cellenti8Bi)mi  Signori,  dauanti  le  S(ignorie)  Vre  io  Luoa  di  Pasqual 
di  PrimOy  deuoto  servitor  dele  Signorie  Vre,  desideroso  primo  ad  honor  de 
Dio  et  per  zelo  de  la  religione  christiana  et  anche  per  zelo  del  bono  nome 
dela  patria  et  ad  contemplatione  de  algunj  letterati  et  amatori  dele  vertu, 
essende  la  citta  Vra  nominata  et  extimata  in  molte  parte  del  mondo,  intro- 
dure  etiam  in  quella  Tarte  et  ezeroitio  de  stampar  libri,  supplico  humilmente 
offerendo,  ut  infra,  videlicet«: 

»Primo  prometto,  acceptandome  le  S.  Vre  questa  mia  supplicatione,  far 
venire  in  la  citta  Vra  alle  mie  spexe  per  questo  principio,  fina  che  alguno  de 
qui  imparara  la  dicta  arte,  doi  boni  et  sufficienti  magistri  de  stampare  libri 
dale  parte  d'Italia,  zoe  uno  stampator  et  un  altro  tiratore,  cum  tuti  li  in- 
Btr(oment)i  et  artificij  necessarg  et  conuenienti  per  dicta  arte,  li  quali  magistri 
stamparano  quin!  libri  et  scripture  de  bona  et  bella  stampa  in  latino  et  in 
greco,  segondo  le  occorentie,  et  anchora  in  lottere  rassiane  al  modo,  che  usano 
li  callogeri  dela  religione  rassiana  in  loro  chiesie,  de  simile  lottere,  che  haueano 
comenzato  Zamoeuichi,  che  per  tuto  era  laudata  et  apreciata;  et  in  questo 
ydioma  se  trouano  libri  et  authori  dignissimi,  maxime  in  cose  sacre  et  eccle- 
siastiche.  Et  in  questo  dicti  magistri  hauerano  uno  intelligente,  chi  li  dara  in- 
drizo,  pero  che  io  cum  la  persona  mia  non  me  impazaro  de  niente  in  operare«. 

»Ma  perche  maxime  in  li  prinoipij  de  introdur  questa  arte  me  andara 
spexa  et  le  S.  Vre  soleno,  ut  in  pluribus,  dar  subuentione  alle  bone  arte,  sup- 
plico, che  quelle  se  degnano  per  commodita  del  magisterio  et  doli  magistri 
de  dicta  arte  conoederme  Io  afficto  de  una  casa  et  de  una  stazone  de  bona 
commodita  in  piaza,  quanto  parera  competente  alle  S.  Vre.  Et  de  piu  do- 
mando,  che  la  cartha,  la  quäl  se  condura  et  bisognara  per  dicta  arte,  se  possa 
condure  (f.  30 v.)  et  li  libri  se  possano  cauare(?)  senza  pagamento  de  dohane«. 

■Item  se  degnano  le  S.  Vre  concedermi  gratia  et  priuilegio ,  como  se 
costuma  far  per  tuta  Italia,  che  per  anni  quindexe  proxime  futuri  altri  non 
possano  poner  et  exercitar  questa  arte  in  la  citta  et  in  le  tenute  de  le  S.  Vre, 
facendola  operar  io  in  modo  predicto«. 

»De  questa  arte  ne  sentira  consolatione  spirituale  etiam  le  monage  de 
li  monasteri  Vri  et  altri  gentilhomini  et  cittadinj  de  esse  S.  Vre,  alle  quäl 
humihnente  me  recomando«.  — 

B.  Consilium  Rogatorum  13.  MSrz  1515  (ib.  f.  142  v.):  »Prima  pars  est 
de  prolongando  Luce  Pasqualis  de  Primo,  cancellario  nostro,  eins  supplica- 
tionis  Petitum,  sibi  aoceptatum  die  VUI  martij  1514  in  presenti  libro  oarta  30, 
pro  stampando  libros  hie  Bagusii  cum  priuilegio,  modis  et  conditionibus  dicte 
sue  supplicationis  aoceptate,  per  alios  menses  octo  proxime  fnturos.  Per 
omnes  contra  ü«. 

3.  Testament  des  Ptesbyter  Nicolaus  Bameus. 

(Auszug).  1529,  22.  August,  testamentum  quondam  presbyteri  Nicolai 
Mich.  Bamei,  »diebus  proximis  defuncti«,  repertum  in  notaria,  datirt  vom 


510  CoDBt.  Jire&ek, 

1.  April  1527.  Legmte.  »Et  a  Santa  Maria  delle  Danze  grossi  sei  per  con- 
Bcientia  a  Marin  Piero  dl  Radagli ,  loqnal  ha  una  sententia  sopra  11  beni  miei 
per  pieggiaria  de  Conte  Piero  Paulonlch  di  dncati  venticinque,  e  diemi  dare 
detto  Marino  per  qnattro  sni  figlioli,  li  qnali  ho  insegnato  fidelmente  le  littere 
pia  anni,  come  pare  per  el  mio  libretto  de  Scolari«.  Bede  von  casa  snb  Pri- 
chipnt  (sie);  anima  de  olim  pre  Michele  Bameo.  «Item  lasso  et  ordino,  che  li 
instnimenti  pnblioi,  li  qnali  sono  in  diota  cassetta,  nno  di  dncati  sessanta  dni, 
siano  de  figlioli  di  detto  Conte  Piero,  li  quali  ha  hannto  con  mia  nepote  D. 
Nicoletta  onero  chiamata  la  in  Craina  Madonna  Barbara,  et  sono  per  nome 
ohiamati  primo  Panlo,  il  quäle  per  disgratia  di  sno  padre  V^  Tnrcho,  altro  h 
Niccolo,  terzo  Georgi,  qnarto  Bartholo,  et  Tadeo  mori  di  qnesto  morbo  in 
casa  mia,  e  sepulto  in  Sto  Francesco  honorenolmente  ^}.  Item  ricordo  a  detti 
miei  qnattro  nepoti  la  dote  di  loro  madre,  sopradetta  D.  Nicoletta.  Le  di  dn- 
cati cento  cinqnanta,  come  pare  in  notaria  di  Ragnsi,  et  credo  che  sia  copia  di 
qnella  in  la  detta  cassetta  mia,  accio  non  si  lassino  aminchionare  del  padre 
et  che  sappiano  el  sno.  Item  lasso  a  tre,  li  quali  sono  in  christianita,  cioe 
Niocolo,  Georgi  e  Bartolo,  in  ueste  gli  si  debbia  dare  ypp.  cinque  per  uno,  che 
pregano  Dio  per  Fanima  mia«.  Eine  zweite  nepote  D.  Orsola,  nxor  di  Radoie. 
Diesem  Radoie  »la  mia  targa  migliore  et  la  scimitarra  con  capo  di  argento; 
alla  comunita  di  Ragusi  dua  ronche  et  una  coraza.  Item  alla  detta  comunita 
tutta  la  mia  libraria  con  conditione,  che  debbano  tronare  una  officina  in  loco 
publice  et  locare  ditta  libraria  ad  honore  della  patria  et  utilita  della  gionentü 
Ragusina  et  consolatiohe  delli  pronetti.  Caso,  che  non  uolesseno  segnire  la 
mia  buona  ultima  uolunta  et  in  uno  mese  non  prouederanno  di  alocarla,  come 
ho  detto,  Yoglio,  che  si  yendano  al  piu  dante.  Item  lasso  alle  monasterio 
Sancti  Jacob!  de  Uisgniza  uno  libro  chiamato  Magister  sententiarum,  ligato, 
Scripte  in  carta  caprina,  et  la  Glementina,  ligata  a  fondeilo.  Item  lasso  al 


1)  Das  Testament  einer  zweiten  Frau  desselben  Conte  Petar  Pavloviö  ist 
eingetragen  am  1.  September  1519,  Testamenta  Notarie  1517—1519,  f.  193: 
Testamentum  »olim  D.  Cläre,  uxoris  domini  Petri  Fatdauich  voiuode  eunuehi 
(von  XAkMk),  ßUe  luant  Ittanisseuieh  de  Poglize  Craine,  defuncte  nuper 
Slani«,  datirt  20.  August  1519.  Will  in  der  StHieronymuskirche  der  Franzis- 
kaner in  Slano  begraben  sein.  Dem  Vojvoden  Peter  vermacht  'sie  »la  mia 
vesta  rossa  et  uno  annelo  d'oro,  che  porta  per  mio  amor«.  Ihre  Tochter  Anna 
sollen  die  Brüder  der  Clara  nach  Hause  nach  Poglize  bringen,  »et  venendo  la 
dicta  mia  fiola  alla  debita  eti,  se  li  mei  fratelli  vorano,  ladebiano  maritar  per 
Paulo,  fiolo  del  mio  marito  de  la  sua  prima  nxor«.  Paul  ist  also  erst  seit  1519 
Türke  geworden.  Anna  erhält  alles,  was  die  Mutter  im  väterlichen  Hause  be- 
sitzt, 4  veste,  due  de  raesa  dalmatina,  una  celestre  et  una  pauonaza,  due  de 
panno,  una  fomita  de  perle  menute  et  una  schieta,  ambedue  pauonaze,  sowie 
»alcuni  cercelli  (Ohrgehänge)  zoe  poriesi,  fomiti.  de  perle  et  alcnni  agi  cum 
perle  minute«.  Die  frati  von  S.  Hieronymus  erhalten  »una  centura  mia  et  uno 
salistach,  che  ho  portato  sulo  pecto«.  Stirbt  Anna  noch  unmündig,  erben  je 
zur  Hälfte  die  Franziskaner  in  Slano  und  Trstenica. 


BeitrSge  zur  ragUBanisohen  Literatargeschichte.  511 

monasterio  di  Melita  Libram  decretaliam  in  fonna  minori.  Item  lasso  d.  Ma- 
rino de  BenedictiB  pro  Bua  oonsolatione  nno  Jibro  ligato  insieme,  Hypocrate 
de  natura  hominis,  Benedictns  de  Nnrsia  de  conseruatione  sanitatiB  et  Bimi- 
liter  de  consematione  Banitatis,  Scola  Salentina  cum  ezpoBitione  Arnaldi  de 
Uilla  Noua,  ligati  inBieme.  A  pre  Paulo  Vocasini  una  borsetta  di  uellnto, 
lauorata  con  le  perle  et  dentro  belli  corporali  Bacrati,  inuoltata  in  uno  fa- 

zolo  di  Beta« »Item  lasso  a  Ser  Bernardo  Mar.  di  Binciola  li  miei  libretti 

di  medicina,  uno  scripto  in  carta  caprina,  uechio  molto,  utile  alla  humana 
natura,  et  tutti  li  altri  desligati,  liquali  ho  ligati  col  spago  insieme,  inuoltati, 
posti  in  detta  capsetta  mia  et  sigillati  con  el  sigillo  mio«.  Erwähnung  des 
casale  de  miei  antiqui  in  Bagusi  »sopra  le  scale  pleuanoue^,  Epitropi:  pre 
Marino  deBenedictis,  pre  D.  Paulo  Vocassin,  Ser  Bernardo  de  Binciola.  »lo  pre 
Nicolo  de  Michele  Bameo,  utriusque  juris  doctore  minimo  manu  mea  propria 
scripsi«. 

»Et  perche  faocio  mentione  di  sopra  della  mia  libraria,  non  si  intendano 
in  quello  li  Ubri  antiqui,  li  quali  sono  in  studio  del  balatore,  ligati  et  desli- 
gati,  Script!  caractere  langobardo  in  caprina  carta,  cioe  Bemigius  remiBS.  (sie)  i) 
super  epistolas  Pauli  integer,  idem  sine  principio  super  Matheum,  Venera- 
bilis  Beda  in  quattuor  volumina  distinctus,  tamen  simul  ligati,  super  Lucam 
preclarum  opus,  idem  super  Marcum  ligatus  sine  tabulis.  Item  uno  libretto, 
latino  caractere  in  carta  caprina  scriptus,  ligato,  con  tauole  alla  antiqua;  nel 
principio  sono  le  epistole  Sti  Pauli,  in  medio  de  missarum  mysteriis,  editus  a 
papa  Innocentio  HE,  qui  splendor  canonistarum  appellatur.  Eiusdem  Inno- 
centii  über  de  miseria  humane  conditionis,  scriptus  anno  dni  MOCLIX,  in  quo 
etiam  sunt  post  prenominatos  multa  laude  digna.  Questi  adunque  libri  antiqui 
non  se  trouano  impressi  in  niuno  loco,  perche  mi  11  ho  portati  in  Italia  de  1510, 
non  era  modo  ne  uia  de  farli  stampare  per  le  guerre  et  continue  pestilentie. 
Pero  ho  lassato  et  ordinato  li  miei  comissarij  tuti  tre  richi,  accio  che  essi  U 
faccino  imprimere  qui  in  Ragusi  con  aiuto  della  Signoria  ad  laudem  et  gloriam 
dello  omnipotente  Idio  el  honore  et  utilita  della  patria.  Si  per  caso  fare  non 
faranno,  li  dagano  et  consegnano  alla  abbatia  di  Sto  Jacobo  extra  muros.  Et 
se  miei  epitropi  li  faranno  imprimere,  uoglio  et  cosi  ordino,  che  (fehlt  das  Ver- 
bum:  dagano?)  alla  detta  abbatia  per  uno  uolume  di  quelli  ouero  li  originali 
di  quelli«.  (Testamenta  notarie  1528—1533  f.  82>-84y.) 

m 

4,  Inventar  einer  Büchersendung  aus  Venedig  nach  Itagusa  1549,  *) 

Die  25  iunii  1549.  »Infrascriptuminuentariumlibrorum  yenalium,  trans- 
missum  ex  Venetiis  una  cum  libris  per  D.  Traianum  Nauum  impressorem  Bdo 
D.  Nicoiao  Gotio,  archipresbytero  Bacusino,  qui  dictos  libroB  consignauit  hie 


§ 


<)  Bemigius  Remensis? 

*)  Unser  Commentar  ist  ein  Versuch;  eine  Vervollständigung  desselben 
wird  Kennern  der  lateinischen  und  italienischen  Bibliographie  des  XV. — XVI. 
Jahrh.  nicht  schwer  fallen. 


512 


Gonst.  Jireoek, 


BaeuBij  Antonio  de  Odolis  de  Brizia  librario  et  factori  dicti  D.  Traiani,  pre- 
senti,  acoipienti  et  confitenti  omnes  et  Bingulos  infrascriptos  libros  habnisse 
et  reoepisse,  ut  nenderet  predicto  D.  Traiano«  etc.  etc.  »Tre  casse  con  li 
inuentarij«  . . .  »et  un  torcalo  da  tondare«. 


»Cassa  prima. 

2  Orlandi  del  Bernia») 

4.- 

5  Institutione  del  gao 

5. 

3  Legendär!  de  S(an}ti 

6.-1) 

5  Dialogi  de  Lucian 

5.— 

4  Vite  della  M«"  Aretina 

2.  8 

5  Groniclie  del  Sforza 

7.10 

6  Facette  PogioS) 

—.16 

4  GaerradeGoti<() 

1.  4 

6  £p(i8to)le  Ouidio  in  80 

21.16 

3  HiBtoria  del  Sabel(lico)  — .- 

-(sic)^ 

2  Croniche  canö 

2.— 

20  libri  del  frate 

12.— 

4  Metodus  confeBsionis 

1.— 

6  furioBi  in  4»  ») 

12. 

5  Casandra  comedia 

—.15 

3  Suetonio 

1.4 

5  Lena  comedia') 

—.10 

6  Lectura  del  Varchi«) 

.12 

5  Negromante 

—.10 

4  Elegantie  del  Liborni  lO) 

2.12 

5  Suppositi  comedia 

—.10 

3  Beali  de  Franza  ii) 

1.10 

5  Gasaria  comedia 

—.10 

12  ParafraBi  di  Juaenale 

1.10 

2  Formulari  Instramenti^) 

1.  4 

8  Terenti  in  8« 

4.— 

3  Scoto  di  potestate 

1.  4 

2  Legenda  della  vergine 

—.12 

2  Gonsilia  Tridentini 

7.— 

8  Orati  p.p. 

4. 

4  Petrarchi  p.  p. 

2.— 

10  Carote  (?) 

6. 

12  Epi8tole,Eaangeliarisma 

L-g-  (sie) 

13  Gapitoli  del  A  retin 

—.18 

4  Terenti  p.  p. 

2.— 

6  Lacrime  d'Angelica  ^^ 

—.12 

6  Antonio  filarimo            L 

•g-  (sie) 

6  Valerie  Max(im)o  in  80 

3.12 

1)  Die  Preise  in  yenetianischen  Lire. 

2)  Die  vor  1500  26  mal  gedruckten  lat.  Facetien  dCB  Poggio. 

3)  La  GaBsaria,  I  SuppoBiti,  La  Lena,  II  Negromante  von  Lodovico  Arioßto 
(f  1533),  Beit  1525  nnd  1535  wiederholt  gedruckt. 

*)  Wohl  mittelalt.  Notarialhandbücher,  die  noch  im  XVL  Jahrh.  abge- 
druckt wurden.  Vgl.  BrcBBlau,  Urknndenlehre  I,  631  f. 

^)  Orlando  innamorato  dcB  Bojardo,  umgearbeitet  von  Franc.  Bemi  (f  1536). 

0)  Eine  Uebersetzung  des  Prokopios  oder  das  Gedicht  »Italia  liberata 
dai  Goti«  von  Trissino  (1547). 

T)  Marc!  Antonii  Sabellici  Rerum  Venetarum  ab  urbe  condita  ad  Bua  us- 
que  tempora  libri  XXXm,  VenetiiB  1487  und  öfters  wiederholt  (auch  ital. 
Üebersetzungen). 

8)  Orlando  furiose  des  Ariosto. 

»)  Werke  des  Florentiners  Benedetto  Varchi  (f  1565). 

10)  Der  venetianische  Grammatiker  N.  Libumio  (4*  1557). 

11)  Die  Beali  di  Francia  des  Andrea  dei  Hagnabotti  aus  Barberino  (um 
1372—1431). 

1^  Le  Lagrime  d*Angelica,  episches  Gedicht  des  Pietro  Aretino,  Vene- 
dig 1538. 


Beiträge  zur  ragnsanischen  Literatargeschichte. 


513 


4  Marfisa  bizara  ^)  1.  4 

9  Ep(iBto)le  Tnli  80  6.15 

4  L(ette)re  del  modo  q®  4. — 

4  Idem  seconde  4.10 

4  Tnli  de  ofici  (sie)  Yer(8ioiie)  2.  8 

12  Fioreti  dela  Bibia 

15  Oeomantie  6. — 

4  Aagnri  — .16 
8  Partitio  de  Tulio  3.  4 
6  Born  picoli  a  risma  ^  .... 
8  £p(i8to)ley  Eaangeli ....  (sie)  — 

5  Piroteca  15. — 
5  De  copia  verbornm  3. — 
8  Vergili  in  80  6.— 
4  Ep(ißto)le  Tuli  ver.  6.— 
3  L(ette)re  Aldo  p»  I»  4.10 
1  Vergili  in  foglio  5.10 
1  Vergili  con  Semio  2.  8 
4Sabelico')  10.— 

10  Satire  d'Ariosto  1.— 

Gassa  Nr.  2. 

3  Plini  yer(8ione)  in  40  12.— 

8  Fnriosi «)  in  80  gnadagnino  6.— 

3  Constantini  Lascari  Gati  (?)i^)  6.— 

4  Erodoto  yer(Bione)  in  80  6)  4.— 
4  Commentari  Gesare  4.16 


4  Apiani  Alesandrini  ver(Bione)  6. — 
V  (sie)  Oratio  de  Tulio  6.— 

4  Joseffo  de  Judei  4. — 

6  Viues  de  (lacuna)  •  1.16 

4  Gento  nouelle  in  40  8. — 
12  Sonett!  del  Bemia?)  1.  4 
10  Greanze  de  le  Done                1.10 

2  Opere  de  Xenofonte  compite 

in  40  uolumi  6. — 

12  Orati  in  ottauo  6. — 

6  Gento  nouele  in  80  6. — 

3  Opere  del  Bemia  stampate  a 

Firenza  3.12 

3  Homeri  greci  9. — 

3  Esiodi  greci  — . —  (sie) 

5  De  yanitate  yer(8ione)  5.10 

1  Mi[ra]colo  de  la  M^  a  risma     2.— 

6  Fiore  de  yirtu  — . —  (sie) 

4  OpuBCule  Plut(arclii)  la  parte  4.16 

2  Groniche  Paulo  Emilio  8)  8.— 
[f.  130']  2  Opere  Amaldi  de  Vil- 

lanoua^)  1.  4 

10  Garonti  6.— 

2  Bibie  in  40  7.-- 

2  Ep(i8to)le  Tuli  yer(8ione)         3.— 
4  Groniche  del  Guazo  ^O)  6.— 

2  Luminare  maiu8  4. — 


1)  Marfisa  Bizzara  (aus  der  Earlssage)  des  Giambattista  Dragoncino  de 
Fano  in  14  Gesängen,  Venedig  1531. 

^  Gedichte  über  den  aus  den  »Reali  di  Francia«  bekannten  Helden  Boyo 
d^Antona.  üeber  denThurm,  der  seinen  Namen  in  Zara  beute  noch  führt,  ygl. 
G.  Sabalich,  Guida  archeologica  di  Zara  (Zara  1897),  S.  258—262. 

')  H.  A.  Sabellico  s.  oben. 

^  Orlando  furiose  des  Ariosto  (f  1533). 

^)  Vielleicht  die  griechische  Grammatik  des  Eonstantinos  Laskaris  (Ed. 
princeps  Mailand  1476). 

0)  Uebersetzung  des  Herodot  yon  Laurentius  Valla. 

"O  Gedichte  des  Francesco  Berni. 

8)  De  rebus  gestis  Francorum  des  Veroneser  Historikers  P.  Emilio  (f  1 529). 

^  Die  Werke  des  berühmten  Alchimisten  und  Arztes  Arnald  yon  Ville- 
neuye  (bei  Ayignon)  f  1314  sind  gedruckt  in  Lyon  1504. 

10)  Marco  Guazzo,  Historie  oye  si  contengono  le  guerre  di  Maometto  se- 
condo,  imperatore  de  Turchi,  hayute  per  quindici  anni  continui  con  la  Sig- 
noria  di  Venetia.  Venetia  1545  (E.  A.Gicogna,  Saggio  di  bibliografia  yeneziana, 
Venezia  1847,  p.  93,  Nr.  652). 

ArchiT  fftr  slayisohe  Philologie.    XXI.  33 


514 


CoDst  Jirecek, 


4  Paalo  Egineta  i)  8.  8 

4  MescMDiiii40S)  2.— 

8  Meditio(8ic)deStoAgosti(no)2.  8 

4  Theodoro  Gaza')  6.— 

3  Pontan  in  yersi  4.10 

3  Iiiamoranientiin40<)  4.10 

4  Testamenti  noui  lat.  4.10 
4  Tartalia  compiti  ^  9.12 
2  Gomeli  de  occoltiB  6.— 


Gassa  nuona. 

18  Boni  d'Antona  in  4^ (lacuna) 

10  Orbecha  tragedia  6) 

2  Lncio  Florio  vertsione) 

2  £p(iBto}le  Tnli,  Aldo 

2  £p(i8to)le  ad  Atticam 

6  Gortegian?) 

2  Nouelle  solit. 
2  Lettere  antiche 
6  Arati  di  Mantoa 
4  Gomenti  del  (sie) 

4  Testamenti  nuoni,  yer(8ione)  4.10 

5  Thesauri  d'abacho  ].— 
5  Aurora  8]  2.  6 


3.— 
3.12 
2.  8 
3.— 
3.12 
5.— 
1.10 

1.  4 

2.  8 


30  Gigante  morante  a  risima^)  .... 
(lacuna) 

12  Didone  tragedia  «>)  2.  8 

4  Vita  Marco  Aurelio  2.~ 
4  Libridella  Ventura,  ver(BioD6)  2.  4 

4  Dita  notabilia  2.  8 

4  Giceroniana  2.  8 

5  Scala  Grimaldeli  3.— 
2  Polibio  yer(sione)  3.— 

2  X  (?)  Dasaoho  (sie)  —.12 

3  Vite  de  Plutarcho  yer(Bione)  12.— 
12  £p(iBto)le  Ouidi  2.  8 

2  Bibie  in  8»  latine  6.— 

6  Piero  Borgi  3.12 

1  Bibia  in  40  lat.  5.— 
6  Ficheide  u)  1.16 
5  Dioscoridi  yer(Bione)  7.10 

4  Petrarcha  yelut.  8. — 

3  Ganti  de  Marfisa  i^)  _.  6 

5  Tricassi  3.— 

2  DioBcoridi  lat.  2.^ 
. .  dta  . .  n.  40  (sie)  1.12 
2  Tuli  de  ofici  con  com(en)to 

in  40  3.— 


1)  Das  medicinische  Buch  des  Byzantiners  PauluB  yon  Aegina  aus  dem 
VIL  Jahrb.,  ygl.  Erumbacher  ^  614. 

^  Guerino  il  Meschino,  Bitterroman  des  Andreas  Magnabotti  aus  dem 
Anf.  des  XV.  Jahrb.,  neubearbeitet  als  II  Meschino  yon  der  neapolitanischen 
Dichterin  TuUia  d'Aragona. 

^  Vielleicht  das  Handbuch  des  Griechischen  yon  Theodoros  Gazes  (Ed. 
princeps  Venedig  1495). 

*)  Vielleicht  die  oft  gedruckte  Storia  delo  inamoramento  de  Florio  e 
Biandfiore. 

6)  Schriften  des  Ingenieurs  Nie.  Tartaglia  aus  Venedig  (f  1557). 

^  Tragödie  Orbecche  des  Giambattista  Giraldi  Gynthio,  Venedig  1543. 

"O  »II  Gortegiano«  des  Grafen  Baldassare  Gastiglione  (f  1529). 

^)  Ein  dem  Bolandinus  Passagerii  (XIII.  Jahrb.)  zugeschriebenes  Buch. 
Vgl.  Bresslau  I,  632. 

^  n  Morgante  maggiore  des  Lmgi  Pulci  (f  1484). 
^)  Didone  des  Giambattista  Giraldi  Gynthio  (Graesse,  Lehrbuch  einer 
allg.  Literärgeschichte  UI,  1,  416). 

11)  Ficheide  des  Francesco  Maria  Molza  aus  Modena  (f  1544). 

1^  Marfisa  (episch,  aus  der  Karlssage)  yon  Pietro  Aretino,  gedruckt  1535. 


Beiträge  znr  ragosanischen  Literatargeschichte. 


515 


2  Elegantie  del  Yalla  80 1]  2.— 
9  Principe  Macha  (sie)  <)  2.14 
4  Yiazi  dinersi  3)  3.— 

3  Panesi  a  risma (lacnna) 

1  Terentio  con  com(en}to  2.10 

4  Peroti*)  1.  4 

2  Antonio  Bro (illeg.)  7.— 

2  säniaorladina^)  1.  4 

Questi  in  casaa  2. 

1  B(i8]ma  di  carta  3.— 

6  lire  de  cartoni  — ^.18 

6  Salosti  ver{Bione)  1.16 

1  Bibia  yer(8ione)  in  foglio  3. — 

3  Euclide  yer(8ione)  13.10 

(Diyersa  Notarie  1548- 


8  L(ette)re  Aldo 
2  Corona  pretioBa 
6  TeBtamenti  noni 
8  Historia  del  Gnazo  ^) 
12  Edefici  de  ricette 
6  Pietro  Oresentio  "^ 


7.  4 
2.  2 
7.  4 
4.— 
1.  4 
6.— 


6  GonanGerson  8)  (fortan  ohne  Preis- 
angabe) 
6  Meditation  de  S(an)to  Aag(aBti)no 
6  Meditation  (de)  S.  Bonaventura 
6  Encheridion  d'  Erasmo  ^ 
1  Snpositi  10) 
1  libro  di  frate 

1  Fior  di  virtü 

2  Scala  GrimaldelL« 

1550,  f.  129v.— 130v.). 


n.  Zu  den  Biographien  der  Schriftsteller. 
ö.    Testament  der  Mutter  des  Dichters  Ojore  Driid. 

(Auszug).  1500, 10.  Juli  eingetragen  testamentum  Nicolete,  uzoris  quon- 
dam  Nicolai  de  Dersa,  nuper  defuncte,  datirt  vom  25.  Juni  1500,  mit  den  Zeu- 
gen Ser  JacobuB  Nie.  Sar.  de  Bona  und  Ser  Marinus  Stepfa.  de  Zamagno.  Per 
decime  et  primicie  a  S.  Maria  Mazor,  S.  Maria  alle  Danze,  S.  Domenego,  S. 
Francesco  je  6  gross!,  »alli  poueri  leprosi  de  Sancto  Lazaro  alle  Ploze« 
grossi  4,  an  das  conuento  de  S.  Domenego  perperi  4  per  le  messe,  al  mona- 
stero  de  S.  Maria  de  Castello  ducati  2.  Legate  an  Nicoleta's  Schwestern  An- 
dreola,  Gatherina,  Franussa,  an  Catherina,  relicta  de  Ghristioh  Gradich, 
femer  per  maritation  de  Nicoleta,  fiola  de  Marin  mio  fiolo,  an  Biasio  mio  fiolo. 
»Et  a  dorn  Zarzi,  mio  fiolo,  perperi  cento  per  amor«.  Marissaua  fantescha, 


^)  Die  bekannten  Elegantiae  des  bertthmten  Humanisten  Lanrentius 
Valla  (+  1457). 

^  Wohl  »II  Principe«  des  Niccolö  MachiavelU  (f  1527). 

3)  Diese  Beisewerke  sind  leider  nicht  näher  bezeichnet 

*)  Nie.  Perotti,  Erzbischof  von  Sipontum  {+  1480),  Verfasser  von  Budi'- 
menta  grammatices  u.  s.  w. 

^)  Orlandino  des  maccaronischen  Dichters  Teofilo  Folengo  (•!•  1544)? 

^)  Gnazzo^s  Gesch.  der  Türkenkriege  s.  oben. 

^  Opus  ruralinm  commodorum  des  Petrus  de  Grescentiis  aus  Bologna 
(f  1320),  eines  mittelalterlichen  Agronomen,  seit  1468  wiederholt  gedruckt 

^  Wohl  eine  Schrift  des  franz.  Theologen  Gerson  vom  Anf.  des  XV.  Jb. 

^)  »Enchiridion  militis  christiania  des  Erasmus  von  Botterdam  (f  1536). 

10)  S.  oben :  Suppositi  comedia,  von  Ariosto. 

33» 


516  Const  Jirecek, 

Nieoleta  altra  fantescha  auch  betheilt.  »Lasso  al  prefato  dorn  Zorzi,  fiolo  mio, 
per  amor  la  mia  cassa  de  nugaro,  la  qaal  6  in  la  camera  in  primo  solaro  apresso 
el  mio  coffano  cum  tnte  quelle  cose,  che  in  qaella  se  tronano.  Item  al  dicto 
dorn  Zorzi  lasso  el  mio  coffano  et  la  carpeta  grande  noua,  la  quäl  jo  ho  facto, 
e  li  Cassini  mei  doi  de  seda  celestri,  et  la  fersa  mia  nona  del  coaertor  rechar 
mata,  per  la  qnal  ho  jo  dato  perperi  18.  Item  ordeno  et  voglio,  che  dicto  pre 
Zorzi f  mio  fiolo,  debia  distribuir  de  le  mie  vestimente  qnello  et  quanto  et 
doue  jo  li  ho  acommesso.  Tato  el  resto,  de  qnello  io  son  yaliosa  poter  testare, 
lasso  alli  mei  fioli,  alli  quali  lasso  la  mia  benedictione,  la  qnalDio  11  confirma 
in  celo.  Et  voglio,  che  loro  siano  epitropi  de  qnesto  mio  testamento  et  Nicolo 
de  Galeaz  et  Thomaso  de  Blasio  de  Vodopia  et  Andrea  de  Dersa  nostro,  al 
quäl  lasso  per  amor,  che  li  si  fazano  et  dagano  para  doi  de  linzoli  et  nno 
coaertor  de  lecto  et  dae  tonaglie  et  una  peza  de  tooaglioli,  et  de  pia,  qoando 
se  leuasse  de  casa  nostra,  che  li  si  daga  de  le  massaricie  de  casa,  de  rame,  de 
stagno  et  de  altre  cose  minute  per  bastanza  de  la  taaola«.  (Testamenta  Nota- 
rie 1498— 1503.  f.  77— 77  y.) 


6.   Testament  des  Ser  Johannes  Stephani  de  Goze  (f  1502). 

A.  (Auszag).  »Millesimo  qaingentesimo  secnndo,  indictione  quinta,  die 
XIII  mensis  martii,  Ragusii.  Hoc  est  testamentom  olim  Ser  Johannis  Ste  de 
Goze,  nuper  defancti,  repertnm  in  notaria  Bagnsii,  ubi  per  ipsam  testatorem 
his  diebas  prozime  preteritis  datum  faerat  ad  saluandnm  cam  aliis  testamen- 
tis  vivorum  iaxta  morem  ciuitatis,  cai  erant  ascripti  Ser  Joh.  Damiani  de 
Menze  judex  etHieronymus  de  Sfondratis,  notarius  communis  Bagnsii,  testis. 
Guius  tenor  talis  est,  videlicet:  Jesus  Maria.  1502  die  XXII  Febmarii  in  Ba- 
gusi.  AI  nome  de  Dio  e  della  sua  madre  Maria.  Io  Gioanne  condam  Stephani 
de  Goze,  considerando,  chel  stato  presente  e  maximamente  pericoloso,  come 
manifestamente  specular  se  possiamo  nelli  quottidiani  casi  della  morte,  oc- 
corsi  alli  nostri  precessori«  etc.  ZahLreiche  Legate  an  Kirchen;  »per  maltol- 
leto  incerto  perperi  trenta«.  AI  commun  de  Bagusi  perperi  300  per  conscien- 
tia,  »deli  quali  denari  una  parte  ho  tolto,  siando  garzon  della  dohana  grande 
et  ho  avanzado,  siando  stato  venditor  del  sale;  de  piu  pongo  in  essi  ducati 
sette,  che  leuassemo  dalla  dohana  de  panni  di  Fiorenza«.  Vor*21  Jahren 
kaufte  er  panni  in  Verona  und  sendete  sie  über  Pesaro ;  seine  Epitropi  sollen 
sich  mit  zwei  des  canonischen  und  civilen  Bechtes  kundigen  MSnnern  be- 
rathen  und  nach  deren  Entscheidung  der  Doana  von  Venedig,  die  er  um- 
gangen, den  Schaden  ersetzen.  Schulden  des  Vaters,  Bechnungen  von  Handels- 
gesellschaften. 

Bestimmungen  über  Bücher:  »Item  lasso,  che  se  dia  alli  poueri  gross! 
trenta  per  Tanima  de  Misser  Nicolo  de  Getaldi  canonicOi  perche  tolsi  in 
casa  de  Misser  Francesco  de  Gradi  una  sua  Betorica  et  vendigli  grossi  trenta 

Libri,  che  ho  de  condam  Ser  Bartholo  Giov.  de  Goze,  sono  questi:  una 

decha  de  Liuio  in  carta  bona,  uno  Terentio  in  carta  bona,  Blondio  de  Hln- 
strata  Italia,  Blondio  de  Instaurata  Vrbe,  Prisciano,  Eticha  de  Aristotile,  tnti 


Beiträge  zur  ragnsaniBchen  Literaturgeschichte.  517 

questi  in  carta  bona,  Donato  sopra  Terentio,  Nonio  Marcello,  Solino  de  mira- 
bilibns  mundi,  Ouidio  magior,  Juuenale,  tuti  questi  in  carta  bombasina  et  tuti 
quanti  scritti  de  mano,  li  quali  voglio  se  rendano  alli  heredi  del  dicto  Ser 
Bartholo,  et  se  nuUo  ui  manchasse,  voglio  che  li  si  pagi  quanto  po  valere. 
Alli  fioli  de  condam  Ser  Luciano  de  Bona  voglio  se  renda  uno  suo  Piaton  de 
Bep.|  el  qnal,  credo,  che  ha  nelle  mane  dorn  Marino  monacho  de  Meleta,  mio 
9io,  et  se  non  se  trouasse,  se  dia  a  loro  ducato  uno  per  esso  delli  mei  beni. 
Mi  impresto  ancor  Misser  Marino  de  Bagnina  canonico'^)  Epistole  familiäre 
cum  comento  in  stampa,  so(no)  in  studio  mio,  voglio  se  vendano  et  daga-ssi 
alli  poueri  per  1'  anima  sua*  Alli  fratelli  de  condam  Ser  Georgio.  Lu(ce)  de 
Bona  se  rendano  le  Epistole  familiäre  de  Tulio  in  stampa,  le  quäl  me  im- 

presjbo,  et  sono  nello  mio  studio« j>Item  voglio,  che  tut!  li  mei  vesti- 

menti  et  la  mia  parte  della  argenteria  et  li  mei  libri  greci  et  latini  se  vendano 
allo  publico  incanto«.  Vestimenti:  tre  veste  di  scharlato  fora  di  mantello, 
quatro  paunaze,  una  negra  fora  de  mantello,  tute  noue;  sotto  mantello,  una 
rosada,  un  altra  paonaza,  terza  negra,  quarta  de  damaschino  negro. 

An  das  cpmun  de  Yenetia  22/3  Ducaten  wegen  Ueberyortheilung  bei  dem 
Export  von  panni  de  Verona.  Yoto  2  duc.  an  die  Kirche  S.  Maria  alle  Danze, 
»che  se  faza  una  oorona  d'arzento  al  capo  de  nostra  dona«.  Für  600  perperi 
sollen  die  Thesaurare  ein  Haus  in  der  Stadt  kaufen,  afficto  distribuire  ogni 
anno  nello  giomo  de  Natale  per  le  case  de  nobili  de  Ragusi  et  piu  besognosi  a 
perperi  doi  la  casa.  Genannt  des  Erblassers  Vater,  Oheim  Marino,  ein  verstor- 
bener Bruder  Ser  Biasio,  die  verstorbene  Schwester  Tamara,  der  verstorbene 
Stephano  und  der  lebende  Polo,  fioli  de  olim  Ser  Biasio  mio  fratello,  femer 
des  Erblassers  Mutter  und  seine  Frau  Dechussa  (patti  matrimoniali  in  notaria 
9.  Nov.  1474).  Hat  in  armaro  dello  mio  studio  ducati  in  contadi  circa  1450, 
pegni  d*oro  et  argento  e  perle  in  cassa  circa  ducati  70;  ogni  pegno  ha  la 
cetula  söpra.  Erwähnt  kaufmännische  Bechnungen  (libro  longo).  Universal- 
erbe ist  der  Neffe  Polo  di  Ser  Biasio  mio  fratello.  Hat  derselbe  keine  Nach- 
kommen, so  fällt  ein  Drittel  der  S.  Maria  di  Gastello  zu,  ein  Drittel  den  Söhnen 
des  Ser  Symon  Dam.  de  Benessa,  ein  Drittel  den  Söhnen  des  Ser  Bemardo 
Thome  di  Bona.  Epitropi:  mia  madre,  Decussa  mia  moglie,  Franussa  mia 
cognata,  Ant.  Mar.  de  Goze,  Benedetto  Mar.  Ben.  de  Gondola,  Nicolino  Ors. 
di  Menze.  —  Giunta  vom  21  (sie)  Febr.  1502  über  das  Testament  des  Giohane 
de  Groze,  auo  mio,  und  Tamara  sua  uxore,  auia  mia,  sowie  über  eine  Schulft 
von  20  Ducaten  an  Magister  Daniel  de  Parma,  preceptor.  (Testamenta  Notarie 
1498—1503  f.  160v.— 166  im  Archiv  des  k.  k.  Kreisgerichtes  in  Ragusa.) 

B.  1504,  9.  December  (Auszug) .  Inventarium  in  domo  quondam  Ser  Joh. 
Ste  de  Goze  in  camera  olim  D.Decusse,  uxoris  dicti  Ser  Johannis,  factum  per 
conseruatores  bonorum.  Bothoni  27  de  perle.  »Centura  de  argento  indorato, 
tucta  de  argento,  senza  seta«.  Vno  piron  de  argento  de  Zazara  (sie).  Piedule 
de  arg.  dorate  22.  »Granelli  de  argento  dorato,  de  filo  uechio,  numero  tren- 
ta  sei«.  »Vno  Agnus  Dei  de  argento  cum  XII  pietre  per  bottoni  de  perle v. 
»Asule  de  argento  numero  septe(m)«.    »Vno  detal  de  argento«.   »Vna  fibia  de 

1)  Sein  Testament  vom  7.  Mai  1499  im  selben  Buche  f.  28  v. 


518  CoDBt  Jireoek, 

centara  de  argento  piccola,  vno  boton  de  pater  noster  et  octo  botoni  pisoli«. 
»Yna  centara  de  brocchato  doro,  fomita  de  argento  c  »Vno  recordo  ad  D. 
DecnsM  de  D.  Nicoletta,  sua  madre,  scripto  in  nno  foglio«.  »Vno  pater  noatro 
de  coralli  grossi,  nnmero  sezanta  quattro  grana  cum  croce  de  argento«.  »Yno 
oollaro  cum  perle  et  oro«.  »Yna  centnra  de  velluto  negro  cum  argento  do- 
rato«.  »Aloune  petre  et  netri  et  nno  piron  cum  manico  de  christaUo  et  vna 
centorella,  dixeno  esse  de  Piero  de  Goze«.  »Yno  instramento  de  ipp.  320  de 

1424  ind.  YII,  die  nono  jonii« »Yno  anello  de  oro  cam  arma  ballator(ia)«. 

»Libra  meza  nel  circa  de  filo  biancho«.  »Faeioli  cum  seta  et  senza  sota  nn- 
mero XIII«.  »Dni  catenelle  de  argento  com  vna  croce  coperta  de  acta  verde«. 
»Yno  paro  de  lenzoli  de  quondam  Ser  Piero  de  Goze«.  »Dni  fostagni  bianohi«. 
»Dni  g^gnelle  de  panno  negro«.  »Item  an  altra  gonella  negra  de  panno« .... 
»Yna  aca  de  argento  de  roccha  cam  cathena  de  argento«.  »Qoattro  cosini 
laaorati  de  panno  et  corame  dorato  de  Ser  Piero  Uite  de  Goze»  ....  »Una 
inaestura  de^olpe«  —  »Yno  coretto  de  bianchetto«.  »Dui  cherpette  (sie) 
de  quondam  Ser  Piero  de  Goze«.  Alles  »in  piu  capse  et  uno  cophano  in  ca- 
mera,  doue  staua  D.  Decussa«.  (Diversa  Notarie  1504  f.  29'— f.  30). 

in.  Slavische  Testamente.    A)  Aus  Ragnsa. 
7.  Testament  des  Radic  Aligretovid^  Eagusa  1517, 

Testamentum  Badicij  Alegretti  mercatoris.  M'^CGCGXYII,  indicüone 
quinta,  die  uero  XYI  menais  febraarii,  Bagusii.  Hoc  est  testamentam  Radicvj 
Aligretti  mercatoris,  bis  preteritis  diebas  defuncti,  repertnm  in  notaria,  abi 
alias  datum  fuerat  ad  saluandum  cum  aliis  uiaorom  testamentis,  juxta  morem 
ciuitatis,  cui  erant  adscripti  Ser  Marinas  Nie.  de  Gondola  judex  et  Ser  Hiero- 
nymos  de  Sfondratis  notarius  testis ;  quod  testamentam  erat  scriptum  idio- 
mate  slauonicoi  registratum  bic  per  me  Lucam  de  Primo  cancellarium  in  pre- 
senti  libro  testamentorum  de  licentia  notariorum  communis  Bagusii,  quia  ipsi 
notarg  scripturam  slauonicam  nesciunt,  ouius  quidem  testamenti  tenor  est 
videlicet : 

Hi38ck  H  MapH4,  HA  4:ia:iB  (sie)  Ha  a^h  «i-  Hosfuspa  S 

^SepobhhkS.  M  PaAHHk  {laHrpfTOBHK,  epaTküiepa  BOiiJUpa^) 

H  PaAOcaBa  I^apKc^),  hhhhmk  uoh  nanoKOHH  TicTauiHaxk  WAk 

CBcra  Mora  A^^P^?  ip^  Cf  Hal^ie  aa  uoHOMk  cuapTH'KUk  A^tuk 

Hatiie  (sie),  A^  BpaxHUk  cBaKouS,  i|io  c  nhc  S  uihi.    HaunpHi 

UH  f  saHuaw  r(ocnoAH)Hk  cork  A^iu^7  KOHOUk  ah^^ui^  h  fai- 

Aauk  H  iiJ  aiOAUH  roBopnuk,  h  aaroH  uoAHUk  tt  r(ocnoAH)HS 

E(o)rS,  A^  i^H  A^n^^'TH  u(h)a(o]cth  cboi,  a^  u^  ^  oniTk  Bpa- 

THUk  Bi3k  cuap'THora  rp'Kx'a,  a^  uh  A^nScrn  npaB^  HSno- 


^)  YoBtijer  wobl  von  bostaria,  osteria. 

2]  Gf.  luan  Zercbla,  Div.  Ganc.  1522,  f.  154. 


Beitrage  zur  ragosanischen  Literatargeschichte.  519 

s  BUcTk  wfi^h   CB-fc^k   uot:x>^   ^P^X^'     H  oi|if   cauk  a^^^h>>^ 

I  l^pHOH   3IUAH   UOHieUk   PHNAlSUk    TtlAWUk  ^),    H    3aT0H    Cf   UO- 

*  AHUk   r(OCnOAH)H8   C(0)rS,  A^   UH   A^R^CTH  UHAOCTk  CBOIO,  A^ 

UH  A^nScTH,  A^  Tieaw  uoie  hma  ui6cto  rAie  roAi^pf  noAi^ 

CI6H8   l^pKOBHOUk,   rAI6   Kl€   nOHHH^TH,   A^KAf    VA    r(OCnOAH]Hk 

B(o)rk  oniTk  3AP^^H  3  A^uJ^Uk  h  nouiAie  ra  8  bi6k8  BiEHHf 
1  cTAHie,  TAie  bSac  Spoahw  m(h)a(o]cth   r(ocnoAH)Ha  cora  h 

}  BAASKiHi  A>€Bc  MapHie,  MaHKi  bo:ki6.  ü  caAa  noHHHio  nHcaTH, 

'  i|i0  Cf  Hua  Shhhhth  wa^  uora  h  cTacHAa  h  uobhaa,  ipo 

roAi^p  Cf  Haliie  no  uohoh  cuapxH  wAk  uora  A^^P^)  A^  (^ 

I  HUa   no   3aK0H8    ShHHHTH    H    HapfAHTH,    KOKO    f   3aK0Hk   WAi^ 

uHcxa,  A^  ^^  TaKOH  Shhhh.  NaHnpHf  wfi^h  uora  a^^P^ 
I  A^  c<  ^^^  M^^  ^  GBfTS  Focnotiio  nfpnfpa  leAHa,  a^  ^^^^ 

^  H  cBfTa  rocnotiia,  a^  "ua  uou  Ä^^>*H^  A>^^^Kk  wa  uoah- 

TaBa,  KORf   Cf  rOBOpf   8  HHOH  CBaKH  M^^}   "^  ^^  UfpHTO   U0I6, 

Hfro  AH  3a  UHAOcapA'if  hi6.  fl  8  OBfTS  Focnoliio  Ha  /^annf 
uifCTk  AHHapa,  a  8  GBfT8  Focnoliio  8  P*kK8  uifCTk  A^Hapa,  a 

8  GBfTH  (sie)  T0U8  Ha  n8CTlEpHH  nfpnfp8,  a  8  CBfTH  /^OUHHHKk 

8  npHAHKaT8pf  nfpnfp8.  H  a^  c<  HUa  nanpaBHTH  ^Hr8pa  naAk 

HaiUOUk  paKOUk,   KaKOHO   16  H  HaAli^  0HlC3t:UH   paKaUH,   KOf  c8 

0H81iie  HauJf  Kk  hctok8,  H  a^  ^^  HUa  nanpaBHTH  uiccTO,  KaKO 

KI6   KaHAlSAA   UOKH    r0pi6TH    HaAk   PAABaUH,    K0I6   B8a8  AfKH  8 

HHOH.  H  oi|jf  A^  ^^  "ua  8hhhht(h)  HHK8Ha  WA^  B*  A^Kara, 
Aa  Cf  cxaBH  8  6BfT8  Focnorio  na  EHfA8,  rAi€  Af}Kf  haujh 
CTapn.  H  A^  ^^  HUa  A^'*'"  uhca  n'ifTH  wji^h  cBfTora  Fapk- 
r8pa  3a  uoio  a^uj8,  a^  ^^  A^  ^P^  AoBpi6Hi^8  Haujfu8  ivi^8, 
Aa  OHk  roBopn  (f.  7)  uhc8  3a  uoio  a^^^j  A^  uf  cBtrn  Fap'- 
r8pk  8KA0HH  WA  naKAA  h  a^  Uf  npHBfA(f)  8  KpaaieBCTBW 
r(ocno)A(H)Ha  B(o)ra  (ausgefallen  8]  U0AHTBa)fk  Hi6roB*R]Ck.  H 
oi|if  ocTaatauk  uoieuk  Hfn8Hauk  OranH  h  IlaB'AH,  A^  ^^  ^^ 

HUaiO  8MHHHTH  C8KHf,  KaKO  KI6  KOCTaTH  C8KHa  HO  -f  •  A^^aTa. 
fl  UOHOH   3KfHH  MapH  OCTaAUUk,   AKO   Cf   8Aa,   A^    HUa    HUaXH 

oh8h  nap'KHio,  koio  I6  3a  Uf  A^Hieaa,  n  iCAank  nap^cTfHk  wfi,h 
u^^X^j  fi,A   Cf  cnoufH8i6  wAi^  UfHf,   H  A"^  HMa  -c-  A^Kara 

HUaTH    IVA   U^r^   A^^P^!    ^KO  ah    Cf    HfBH,    A^   ('^^^    ^   CBI6]fk 


1)  Of.  »io  rennnoio  Tanima  mia  a  M.  Domino  Iddio,  corpo  alla  terra«  im 
Testament  des  Andreas  Elie  battioro  1548,  Test.  Not.  1543—1549,  f.  240. 


520  Const.  Jireoek, 

CI6A(KH,  MOA(KH  B(o)ra  34  CBOIO  A^UlS  H  3A  UOIO.     H  Map'PHTH 

A4  cc  HMa  HAaTHTH,  i|jo  I  cTaaa  A^^^^?  "^  '<-  nfpncpk  Ha 
roAHi{Jc.  H  OTienaHtf  Smchmhkio  wa>^bhiiji  naaTc  -b-  A^^ara 
Aa  u8  cc  AM^7  i^P^  >^  nocASmaHk  bhw  CBieuk  Hauk  h  A^^po 
16  HacTOtaw  3a  Hauii  cTBapH.  $1  caA<  HHHHUk  toa^^P^  uohoh 
9KIHH  MapHH  H  A^^HH  UOHOH,  KOlo  16  HUaaa  CA  UHOUk,  no 
3aK0Ht^  cfraH  cBiexa  h  OBoran  uiecxa  MHHHUk  a^  ^  napsn 
TOA^pi^  r(o)cn(o]A(4]pk  GrlsnKO  ASKapoBHKk  a  AP^r'H  r(o]cn(o)- 
A(a)pk  Mapoie  I^HAtaHki)  a  xpcTH  Eapo  3H3ipOBHKk  a  «ict- 
BapTH  uoH  BpaT  PaAOcaBk  I](pKa  a  hcth  uou  Hccna  MapTta. 
H  aKo  bh  ocHAieaa  ^AOBHi^ouk  3a  UHOUk,  a^  ^  a^ha  h  na- 
TpoHa  iVAi^  cBcra  uora  a^^P^  3^  hi€  }KHBOTa  a  naKOHk  Hie 

AI6HH    UOHOH    H    HI6.      Ü    HOUaHKaBUJH    HaiUI    K0AI6HW    H    KaA^ 

BCKie  HiB^Ac  WA^  Haiuira  KOAiena  biki6  HHKora,  a^  ^  ^kah 
k8k0  ^paxpwu  iVA>^  npHAHKax^pa,  HCKa  uoAf  B[o]ra  3a  nauic 
A^uic  H  3a  Hauil:)fi^  CTapi€)fk.  H  oipc  a^  ^<  A^  ^parpwu  S 
CB^TH  KapcTk  8  FpSHCt^  nepnfpa.    H  oi|ii  uohoh  cfCTpn  Kaxa- 

PHHH    -B-    A^KaT(a)  3a    UHAOCTk,    H    OCTAAUUk    HinSnaUk,    Klil- 

pcuk  KaTHHieuk,  KOie  cS  ^A^hc,  CBaKon  no  A^^ar.  H  ASi^h 
E116AOI6BHK10  i6AHa  HO)fa  cHHa  aan  spSna,  a^  ^  hoch  8  A^^P^ 
AHH  3a  AioBABk  UOIO.  H  IlaoKS  TaKolicpi  «loxa  CHHa  aAH  BpBHa, 
H  E011JK8  H  BSKocaBS  no  ho^^.    ü  Kl^fpieuk  PaA9>6Bi€Uk  no 

I6AH0H  KOnpi€HH  aAH  HO  A^KATS  3AaT8.    H  TCI^H  (sic  pro  TiTl^H) 

AioBH  8  Oppa^OBiJ^S  2)  (sie)  A^  c^  A^  A^Kaxk,  HfKa  h  ona  uoah 
Bora  3a  uoio  a^lu^-  H  oipf  ocTaAuuk  nnTponc  CBapX'S  pi«if- 
Hora  TicTaucHTa  wa^  3rapa  pcHfHc,  HannapBO  KHi3a  Cxt^nKa 
ASKapiBHKia,  AP^i"^  KHi3a  Mapou  Nhkoac  FSha^ahku,  xpirie 
Eapa  3H3cpOBHKt2i,  HCTBapro  uora  BpaT(aj  PaAOcaBa  I^pTcB 
a  niTO  uoio  ;k(h8  AiapHio.  ü  caAa  Back  3aKAHHauk  ^KHBieuk 
Borwu,  aKO  bh  cf  3roAHAa  Bap30  uon  cuapxk  no  OBOUiUk  (sie) 

AHCUk,    A^    MH    HUaTC    ShHHHTH    Bap3W    SaAOBOAHW   obouSh 

tictauchtS.  {I  yjo  roAiepk  H30CTaHi  3a  TfCTaufHTivu,  a^ 
ci  Hua  A^^^  ^  T(CTBapHio1[3ic)  -ii-  nipdfpa.    H  bh  uoh,  uo- 


1)  Maroje  Giljan  =  Maroje  Nikole  Gondulid  weiter  unten. 
^  Orahovac  bei  Perasto  (in  mUitelalt.  Urk.  auch  Becouatium)  oder  ein 
anderes  in  der  Landschaft  von  Trebinje. 


Beiträge  zur  ragosanischen  Literaturgeschichte.  521 

AHUk  SaC  Wfi^h  CTpaHl  B0}KI6,  i^HHHHTC  UH  da^OBOANIM  OBOUSh 
TfCTaUiHTS   H   OCTaHHTC   3   EOPOMk,   CBH    MOH    RpYtÜTIAH    H  Hl- 

npYuTfAH,  H  npocTHTf  UfNHie,  i|jo  cauk  Bauk  carpieuiHw,  h 
uoAHTf  B(o}ra  3a  uok  a^uJ^»  ^  r(o]cn(o)A(H)Hk  ki6  Bork  m"^^ 
Bauk  fifirK  ^HBOTk  H  A^B^Pi^  ^  Ha  cuap'THH  Mack  npoipiHie 
WAK  cBl^x''^  rp*kx'^a  (sie).    fluiHk. 

(Testamenta  Notarie  1517 — 1519,  Pergamentcodex  im  Arohiv  des 
k.  k.  Ereisgerichtes  zu  Bagusa,  f.  6y. — 7). 

B.   Aus  Stagno. 
8.  Testament  des  Niksa  Marojevid  Rctguiin^  Stagno  1458, 

Stagno  1458,  29.  März.  »In  Xpi  nomine,  amen.   1458  a  di  29  marzo. 
lo  Niohsa  Haroieuich,  dito  Ragnsin  i),  fazo  lo  mio  vltimo  testamento,  siando 
infirmo  del  chorpo,  sano  in  la  mente  mia,  gasende  (sie)  in  leto.   In  prima  laso 
per  dezima  et  primizia  a  Santa  Maria  a  Stagno  perpero  1.  Item  laso«  (durch- 
strichen, unmittelbar  darauf:) 

M  ÜHKiua  Mapwi€BHlik  pchcnh  Part$3HHk  hhh8  uwh  Ha- 
nwKWHH  TccraucFk,  BSA^t^t  HcuwI^aHk  wt  rSth  a  3ApaBk  8 
nauiTH  UWHWH ,  Ai3f1iH  (sic)  8  WA^pk.  HaHnpHBUU  (sie)  IVCTa- 
Aauk  3a  fi^tnykM  h  3a  npHUHi^HS  Obitwh  FwcniutiH  ^  OrwHk 
nipncpS;  xaKorc  ivcTaAauc  (sic)  8  OBCTH(sic)  Kw3U8  h  /^auuHk 
nfpnfp8;  raKivri  wcxaaauk  8  Gbith  Ainx^auw  (sic)  nfpncpH; 
TaKwrf  wcTaaaui  (sic)  8  Obcth  Baach  nipncpB;  TaKwri  wcra- 
AAUk  S  wcniAaw  Sbw3hmc  nipntptf.  TaKon  wcTaaaui  8  ^pa- 
Tpf  8  Gbith  HhkwaS  8  GrivHk  -fi-  ncpnfpa  3a  uhcc  iva  cbc- 
Twra  FpHrSpa  (sie),  a^  Huaio  pct^H.  TaKon  wcTaaaui  fpaTHAH 
WA  CBiTivra  OpaHHicKa  8  GtwnS  i*  nfpnipa.  TaKori  wcxa- 
(Aa)Mf  H  x^^^y  A^  Hhkwaa  a^  ^  '■"P"  ^WAH^'^  cBaKiv  rw- 
AHi|jf  -A-  AAKaT  cSKHa  BHAA  Ha  caabS  r(ocnoAH)Ha  Btvra  h 
CBCTwra  Hhkwai  h  cBH^k  Bw;KH]Ck  cBfTHX'k  4ip8cKaT8pwu(  8 
GxiVHk  3a  cSkhi.  TaKwri  x^t^^,  kivio  k81i8  nuauf  8  /^S- 
BpwBHHKS  npHua  AlapHHS  U^hahawbhI^S,  x'wliS  A^  cf  Hiuwpc 

npOA^TH,    HH   3a   A^*"^  83fTH    HH  3aA0}KHTk,   HIFWAH  A^  rpfA^ 

Hhkwah  h  HiriVBS  poA^  h  uacapna,  kou  i6  ehaa  8  kSI^h,  kivio 
16  83CW  MapHHk  H  GnuKWy  H  npaTf3k  (sic),  koio  c8  83(ah  whh. 

H  X'WtiS,   AKW    BN    BHW   KWH    CHHk  HHKWAHHk   nwnk,   \WM  fi,A 

1)  Derselbe  Niksa  Baguiiin  als  Zpuge  in  Srebmica  20.  Febr.  1438  in  einer 
Urk.,  Spomenik  XI,  S.  80. 


522  Conat  Jirecek, 

16  HiU^  K91^4  WHAH  8  ^t^BpiUBHHKt^.  TaKWiil  WCTAAAUi  K^fcS  8 
GtIVHS,   KOa    16    Ha   TipHHS   KWUSHCKWUI,    H    K8fc8   CTap8   KWH 

unpa  H  TfpHHk  8  nw3AKH3A8  8  rwHT8  3a  uaawMi  BpaTH- 
wui  H  BHHwrpaAi  c  K81iwue  Ha  /LacTWB8  Hhkwah  h  hi- 
rwBH  A><^H.  H  wcTaaauf  ncTp8ijjH,  cicrpH  Nhkufahhh, 
nwA  AWHh  WA  k8ki,  kwu  i6  na  tiphh8  KWM8HCKWUf,  a^ 
CTWH  Ha  HfUk  3a  }KHBWTa  cBwra,  a  naKWHk  hi  Hnkwah,  KaKw 
caui  (sie)  HHcaw  WA  3rapa.    fl  hho  wcraaau  cbi,  ipo  rwA  hc 

UOBHAO  H  CTaBHAW,  8  BWA8  HhKWAHH8  8  3HBWTk  H  8  CUpHTk 
(sie),   A^  ^  W**^  BWAUHk  CBHMf,    1|J0  X^liC  8hHHHT.     H  WCTAAW 

npHnop8H8io  8  bht8  Hhkwah,  h  a^ujc  crapH^k  uwh^  h  uwic. 
TaKwr«,  KaA^  ci  K8fca  b8ac  af  HKTaBax  8  rpaA8,  x^^^  M  ^^ 
Aa  8  uaHacTHpk  na  Gaahw  -t-  nipnipk.  H  x^^^  M  M  tP^- 
Tpwuc  Ha  KpHKapk  (sie)  -i-  nipnipk  wa  af  HKxa  wa  K81if.    H 

WBI  AAKCf,   KWI6   CaUk   WCXaBHW,   X'^fc8  A^   HhKWAA   CTpHB8a 

CBpHX'8  (sio)  HirwBf  fi^^mt.  QcTaaaui  HHTpwna  h  TWA8pa 
Hhkwa8  h  niTp8iij8. 

A  di  4  aprile  Andrea  cang(iler)  i)  confeso  aner  rec(e)ato  per  scriptora  1. 
£  a  di  detto  y  poaerj  delo  ospedale  eonfesono  aner  receuto  da  Nicola  In 
gener  (?)  segondo  apar  in  lo  presente  testamento  perpero  1.  E  a  di  detto  don 
Marin  capelan  de  San  Biaxio  confesso  auer  anto  del  detto  Nicola  segondo  etc. 
perpero  1.  £  a  di  12  mazio  Giucho  Boganzich  come  procnratore  deli  frati  di 
San  Francesco  de  Stagno  confeso  aner  auto  perperi  15.  A  di  22  mazio  el 
guardian  de  Slano  confeso  aner  recento  perperi  5.  A  di  7  febr.1460  li  of&ciali 
de  la  schola  di  frnstadori  de  Santo  Nicola  Gioicho  Bogaucich  e  compagni  con- 
fessono  aner  receunto  rassa  biancha  per  anni  2  fino  al  presente,  che  fono 
br(aza)  60. 

9.  Testament  der  Frau  Slavuia,  Stagno  1463. 

Stagno  1463,  30.  November.  Testament  der  Slanssa,  nzor  de  Bo- 
gissa  Ratchonich  ^. 

H'K  0AaB8iija,  xccHa  Borniuc  ParkKOBHlia,  KtiH  OpaukKa 

}K8prWBHl^a,    HHHIO    UOH    HanWKOHH    TfCTaUHfHaTk   8  A^Bp8 

naufTk  uoio,  «i8iotii  ci  HcuoliHa  8  n8TH  a  SAP^Ba  8  naucxH 

UOHOH.   IIptBO  OCTaBAtaUf  3a  A<HHU8  H  3a  npHUHl^HIO  8  0BfT8 

Focnoio  8  GroHk  -i*  ncpncpa.    H  oi|if  ocTaBAtaui  8  Gbith  (sie) 


1)  Ser  Andrea  de  Greds,  cancellarius  Stagni  1458—1466. 
>)  Der  italienische  Titel  sammt  Datnm  auf  einem  andern  Blatt  mit  alter 
Pagination  116. 


Beiträge  zur  ragasanischen  Literaturgeschichte.  523 

K83U8  H  /^aUHUHk  «a-  nipncpB.  H  hoi{jc  ocTaBAuui  9  Gbcth 
MHjcaniv  (sie)  -a-  nipnipS.  H  HOipf  ocTasaiauc  8  Gbcth  fiaacH 
S  GroHk  -r-  nipnfpf.  H  HOipi  wcTasAuuc  S  Orcth  OpaHk- 
HfCKO  B  GroNt^  ^paxpouk  ncTACCfTk  ncpnfpk  sa  a^uJ^  ucH^k 

Mp^TBHCYI^  H  3a  UOIO,  3a  UHCf.  H  HOipC  OCTaBaUMI  KliipH 
IJ^BHCTHHH    MhaSTHHOBH    Ufi^M  (sic)   C^KHIO   CBHTf ,    fi^A   HÖH    Cf 

kShh  no  nifiUifi^  aaKaTk.  H  HOipi  )fo1iS  /^a  a  npo^^  bhho- 
rpa^i^  noaaKk  MAHHa  83k  r(ocno]A(H)Ha  AXh^a  BSHHHkHHliai} 
h  83k  BoKaHa  (sie)  3aaTapa  h  83k  I6pkKa  Fpa^Hlia,  h  wa 
AHHapa  WA  BHHorpaAa  x^liS  a^  ^^  naaTH  obwh,  ipo  nnuiS 
WA  3rapa  uoie  aaKkcc.  fl  hho,  ipo  bh  f  (sie)  aBaHkuaao  wa 
BHHorpaAA,  wcTaBauMi  Bophiuh  ParkKOBHtiS,  uou8  uS3k8,  S 

}KHBOTk   H   8   CUptTk,   [h]   HNO    nOK8tiHI,    1|J0    EH    Ci    HaiUAO   WA 

uora.  H  ocTaatauc  cBpt^B  a^u^^  EornuiHHi,  a^  noiiiac  -a- 
n8Tk  8  PnMk  h  8  fIcHHCk. 

!I  caAA  ]C^ti8  H  ocTaaciuc  oh8h  niH8  npnfKO  noTOKa  no- 
aaKk  GBiTora  ÜBaHa  83k  r(ocno)A(H)Ha  Mnya  mou8  EpaT8- 

«lfA8  EhCAH  A\AaAHH0BHl^8,  H  }K0HkT8  C  K81iH0Mf  8  MH^^aHAB 
HaKOHk   BorHUJf   Heu8    H    HCPOBH   AHiHH    H    BHfKk    BHCKOMk. 

H  Olpe  ocTaAuuc  k81i8,  8  koh  ctohmo,  HaKOHk  BorHuii 
uou8  BpaT8«iiA^  A8K11JH  fiiopkt^i6BHfi8  8  rpaA8,  c  obhiui  Ha- 
MHHOUk,  i|JO  le  BorHuia  crparno  8  K8tiio,  a^  ^^  A8Kiija  naaTH 
HiTkA^ciTk  nipncpa. 

H  HOifJi  Y^tiB  A^  B^A^  (<  (snpple:  wa^)  obc  K8fii6  CBaKO 
roAHi|ji  AAEATH  8  ^paxpi  no  CTap8  8Aia. 

H  HOipi  xoti8,  no  UOHOH  cMp-t^TH  A^  ^^  npoA^  Kana  h 
c8KHe  -B*  H  WA  Toran  X^^^j  A^  ^^  K8nH  wrii^B  mou8  a^X^^"^' 
H0U8  ^pa  raA8  aBHTk,  a  hho  3a  UHCf  wa  CBCTora  Fp^rBpa, 
Aa  ci  MA^  nniTH  3a  moio  fi,Sin^, 

H  )fo1^8  3a  ^HBora  EorniuHHa  a^  ^^  npOA^  BHHorpaAi^ 
H  A^  (<  pa3AHMH,  i|J0  roAH  ocraAuui  moii  (sie)  AaKkce  wa 
AHHapa. 

fl  HHTponi  M0I6  ocTaAUMk  BorHUj8  PaTKOBHtia  H  BoKana 
^OBpoBOi6BHlia  H  PaA^caBa  UlarapnfAHlia  h  Hhkoa8  A8rH- 
HHlia  H  Eh€aio  AlAaAHHOBHl^a,  KOHMk  npHnop8H8io  A^iu^  uoio. 

H  3ai|J0  cauk  ocraBHAa  A8KkUJH  ^iopk1^i6BHti8  K81iio  no 


^)  Ser  Michael  de  Bucignolo. 


524  ConBt.  Jirecek, 

CMptTH  EOPHUJHHH    A   BA   K^lilO,    1|J0    16  CTpdTHO  BofHUia  niTk- 

AcciTk  mphUifiA,  y^I^io  a^  A^Kkuia  naaTH;  aKO  ah  bh  Hf]fOTHO 
naaTHTH,   ji^A  nHrponH  BorHUJHHH  Huaio  npo^^TH  Kt^tiio  h 

paskAHiAHTH  sa  Bora  h  3a  a^ujS  ^^^X  "  ^A  ^^A^  "<  A^u^^^ 
K^liHa. 

Zuvor  ital.  Uebersetzung,  von  der  jetzt  nur  der  Schloss  vorhanden. 
Folgt  die  Distribution :  30  Oct.  1464  lo  guardian  deli  frari,  27  Jan.  1467  Don 
Goan  Pripcich,  cappelano  de  Sta  Maria  in  Stagno,  u.  s.  w. 

10.  Testament  des  Badosav  Sagarelidy  Stagno  1478. 

Stagnol478,  8.  Sept  Testament  des  Badosav  Sagarelid  (Sagarelli). 
Das  Original  geschrieben  »con  le  letere  schiaue  de  sua  man  propria«.  Erhal- 
ten auch  eine  ital.  Uebersetzung,  aus  welcher  die  wichtigsten,  zur  Erklärung 
des  Textes  nothwendigen  Stellen  in  den  Anmerkungen  mitgetheilt  sind. 

Ha    -H-    H    -S-    H    -O*    H    -H-    pOBA^CTBa    X'piCTOBa,     UHICIHa 

ciTiHnpa  Ha  a^h  -h-  M  PaAOcask  UlarapnaHlik,  hcth^)  Pa- 
Aocask  «ihh8  uoh  nanoKorNH  TicTauHNark  MOHWuk  pi^KOUk, 
B^A^tii  ^  uoHWk  (sie)  A^^P^u  (sie)  nauiTio.  QcxaRAau  cbctoh 
FocnoliH  ^  ^SBpoBHHKk  (sic)  3A  A^n,^M  H  npHUHi^HS  -a-  nip- 
nfpS  AHHapa.  H  wcTaBAauk  cBfTiVH  FocnoltH  na  ^aHHi  -s- 
AHHapa^).  OcTaBAauk  cbctivh  FocnofcH  t$  GroHk  a-  ncpncp^ 
AHHapa.  H  ivcTaBAauk  cbitouB  Nhkoah  -a-  mpncpS  AHHapa. 
H  wcTaaauk  cBfTOUS  fiaacH  -a-  nipnip^  a">^^P^*  H  ivcraB- 
Aauk  CBITOU^  KS^KUH  H  /^auHUhS  -a*  nipnip^  a^h^P^)  A^ 
cc  A^-  H  wcTaaauk  8  cbith  HhkoaS  ^parpwu  i*  nfpnipa, 
Aa  UH  roBwpf  uhci  wa  cBiTora  TphrSpa.  H  wcraaauk  ^pa- 
TpoMk  8  /k^8BpoBHHK8  -f-  nipHipk  AHHapa,  A^  noio  mhci  iva 
cBCTwra  FpHrSpa  3a  uoio  fifim^,  H  ivcTaaau  na  GAaHU  k  (sic) 
8  CBCTH  HcpoNHMk  f  paxpouk  *i*  Hipncpk  AHHapa  Ha  Gaanivk 
(sie),  A^  "^1^  UH^^  ^A  CBCTora  FpnrSpa  sa  moio  a^uj8.  H 
wi|j  liCTaaauk  ^parpivuk  8  Phk^^)  c-  ncpntpk  AHHapa,  a^ 
roBwpi  UHcc  UA  cBCTwra  Fpnr^pa.  H  u^cxaaauk  8  KonaBAH 
fparpiVMk  -c*  nipnipk  AHHapa,  a^  uoac  Bora  aa  uoio  fifim^ 
H  A^  roBwpi  UHCC  WA  CBiTOra  FpHr8pa.   H  nucTaaauk  8  cBfT8 


1)  Radosau  Sagarelli,  medemo  etc. 

^  Grosi  sei.  Auch  unten  stets  AHHapH  «=  grossi. 

s)  In  obla  (Ombla). 


Beiträge  zur  ragasanischen  Literatnrgeschichte.  525 

FocnoliS  Ha  KpHKapk^)  ^paTpU'Uk  -f-  nipnipk  AHHapa,  j^a  a 
A^A^i  A^  n^>^  UHci  UA  cBiTivra  FpHrSpa  3a  uoio  a^u^^-  H 
wcxaAau  ^paxpwuk  8  cbith  HhkoaS  3a  asHTk,  8  Hfu  cf  M 
HKonaT><^),  •!•  nfpnipk  AHHapa.  H  wcxaAauk  A^UHauk  8  cBfTf 
RpaHf«)  •!•  nipnipk  AHHapa,  a^  uoai  Bora  3a  uoio  a^uj^-  H 
wcTaAau  8  wcncA^w  8  GtohS,  koh  ctivhc  8  wcncA^AB,  a^ 

Cf  HHUk  pa3AHAH  •!•  HCpHipa  AHNapa.  H  Wl|ll  WCTaAAU  8bo- 
THUk    H    CAHRHUk    -1-    Hipnfpa  AHHapa,    KOAHKO   JI^OTiHi    HO    -B- 

AHHapa  no  HOBHKa.  H  tvi|ic  wcxaAau  PaAOcaBH  Ha  hui  Opa- 
hSiuh,  Koa  HC  8  uiHC  CTaAAy  S  cBiTi  Bpasi^)  •!•  nipncpk  AH- 
Hapa, A^  uoAH  Bora  3a  uoic  fi,^\uS.    H  tvipf  wcxaAauk  cbc- 

TOUS   HhKOAH    KSHTSUJk  %   KOH   C   3aA09KHAa  AHhAHI^A  OTHHa- 

HiVBHi^a^)  3a  -n-  A^KaT(a]  h  -kb-  AHHapa,  a^  Smhhc  ^paxpn 
Ha  iVTapk  (sie),  ipo  eoai  3Haio.  üko  ah  Mhahi^a  a^  A^^aTi 
3aHk,  a  WHH  3a  A^^aTf  iva  KSHT^uia  a^  kShc  na  wxapk,  a^ 
b8ac  3a  uoio  a^ujS.  H  ivcTaanuk  MaprapHTH,  ^kchh  uohivh, 
KSIiS  ivbSh  8  Gtoh8,  KIVH8  cauk  ü  3rpaAHWk  (sie)  3a  uohi 

nHHf3i A^unauk  8  hi  boa8 

(drei  Zeilen  verblasst)  ^o]  HIU03KI  huath  HcnwAani  whwu8h  b^ac 
MaprapHxa,  kou8  io  ivna  a^  ^ah  wcxaBH,  a^  xaKon  bSac,  KaKO 
MaprapHTa  V^lic,  A^  xaKon  bSa^  3a  MM.    H  ^oliS  u  PaAO- 

CaBky  KWU8  WB8  K81i8  WCTaBH  HAH  10  nocH3a  11),  A^  A^RA  ^^H 

•B*  crapa  CBaKO   roAHitii,   npHA  KpH3k  (sie)  a^  >*^P<  3^  uoio 

A^tuSl^)   8   CBiTH   HhKWA8,    HHH    KIVU8    K81ia   WCTaHf,    A^    Hl 

nornnS  inBan  -b-  cxapa  Sau,  cbctwuS  Hhkoah  a^  ^^  A^i^ 
WA  KSfcf.  H  wcTAAauk  fpaTHAH  UA  cBCTora  OpaHHccKa  -§- 
nipncpa  AHHapa  a^  hu  a  A^A^-   H  wcraAauk  HiaSujh  8  Phk8 


*)  Santa  Maria  di  Chnrznlla. 

^)  Per  abito,  in  che  sero  soterato. 

^  Alle  monache  de  San  Ghosma  e  Damian. 

T)  E  stata  comeso  mi,  a  San  Gosma  e  Damian. 

8)  Vestido. 

^  Maglier  de  Stipan. 

10)  Chelli  poea  dare  e  lasare  oner  al  sno  ouer  alla  gesia  ouer  alle  mo- 
nache, honer  yendere  in  volnnta  sna,  e  se  alchnno  contrastara  per  esa  chaaa, 
che  nol  posa  aner,  salno  che  achnllnj  a  qnello  Margarita  11  dara  honer  li  sara, 
che  cnsi  fia,  chome  Margarita  vol,  chnai  sia  per  chasa. 

")  PoBidera. 

^  Dananti  al  chrozifiso,  che  arde  per  anima  mia« 


626  Oonst  Jireoek, 

Hhkoahhhi^h  i-  ncpnipa  AHHapd,  a^  uOi^H  Bora  sa  uoio  A^uii^. 
H  wcTaAauk  GAasSiuH,  Hhkoac  MapTHHORHl^a  ^kchh,  -f-  ncp- 
nipk  AHHapa,  a^  uüah  Eora  3a  ui.  H  ivcTaaauk  L^bhth,  ASkc 
Gnl^fBHlia  3(HH  (sie)  ^3),  -r-  nipnfpk  AHHapa  a^  hw(h]  cf  MA^? 
AA  UOAH  Ewra  3a  uoio  a^uj^-  H  u  craaauk  MapSiUH,  Hin^sH 
MaprapHTHHH  h  skihh  Echkobh,  -bi-  nipnfpk  A^napa,  a^  uoah 
Bora  3a  uoio  a^u^^-  H  ii:cTaAauk  IIcTpSiuH,  uohwh  ncn^MH 
a  3CHH  (sie)  MHAwpaAWBH,  -Bi-  ncpncpa  AHHapa  a^  hwh  ci 
AAA^y  A^  UOAH  Eora  3a  uoio  A^^ut^.  H  wcraaauk  AlapuH, 
KlifpH  BnTOcaBHHH,  •3-  ncpnipk  AHHapa  a^  "IVh  ci  aM^?  A^ 
UOAH  Bora  3a  uoio  ji^^m^.  H  wcxaaauk  KarapnHH,  HfnSHH 
UOHUFH  a  3CHH  (sic)  PaA^BaHa  PaA^AHl^a  S  SaroHk  -3-  nipnipa, 
AA  UOAH  Bora  3a  uwhS  A^ini^,  M  hwh  ci  aM^-  H  wcxaAauk 
KpSHaBH,  cfCTpH  uoHtVH  a  uaxipH  PaAOcaBa  BWHBWAiy  -h- 
nipnipk  AHHapa  a^  hwh  a  AM^^  A^  uoah  Bora  3a  uoio 
At^uiS  14).  H  ivcTaaauk  PaAOcaBa  bohbua«  l^^pn  Ha(n)cTapHWH 
•3-  nipncpa  AHHapa,  a^  hwh  ci  aM^»  A^  uoah  Bora  3a  uoio 
A^uit^.  H  ucraaauk  liipH  bwhbwai  HsKa^^)  -3.  nipnipk  AH- 
Hapa,  A^  HWH  CI  MA^j  A^  UOAH  Bora  3a  uoio  a^hiS.  H 
wcTaaauk  A^Hua  liipuauk  (sic)  MhahcaahU;  Mapn'fc  h  U^bh- 
thi<^),  cBaKOH  no  r-  nipnipk  a^  hu  ci  aM^7  A^  ^^^^  ^ova 
3a  UOIO  A^iu^*    H  ivcTaaauk  HiaSiuh,  Mn^iVHa  BpaHHAOBHiia 

;KIHH,    HIHSmH    BIVHBWAf,    '3.    HipHip   AHHapa   A^  HWH  CI  AM^j 

Aa  UOAH  Bora  3a  uoio  a^hiS.    H  wcraaau  HBaHHui^,  Bpax^ 

UOUt^    H    HirOBHUk    -A'    CHHOBWUk,    CBaKOUS   HH^k   HO    -A*   "^P^ 

nipH,  A^  ^^  'K.  nipnipa  cBiUk  niTHua,  a^  ^^  A^A^  CBaKOU^ 
no  -A*  nipnipk.  H  ivcraaauk  HSpnS  BwKMHli^i^'')  -r-  nipnipk 
Aa  M  Cf  MA^)  A^  uoah  Bora  3a  uoio  a^hjH.  H  wcTaaauk 
Gaaawio  MnAfBHliS  -r-  nfpnfpk  AHHapa  a^  ^^  ^<  AM^  A^ 
UOAH  Bora  3a  uoio  a^hjS.  H  wcxaaau  PaA^caB^  MnaoBpa- 
tivbhI^S  -r-  nfpnfpk  AHHapa  a^  uS  cf  A^A^^  A^  uoah  Bora 


^}  Zuieta  mnglier  de  Luca  Sichieuich. 

1^)  Item  laso  a  Ghranana,  surella  mia  e  madre  de  Radosan  yoiaoda  pp. 
otn  (sic)  de  gros!,  che  li  se  diano,  che  prega  dio  per  anima  mia. 

1^)  Alla  fioUa  de  noiuoda  Ii(cho  Anuxlla  pp.  sete  de  grosi.  Im  slav.  Text 
fehlt  der  Name  der  Anuchla. 

16)  Im  ital.  Text  Znieta. 

^'^)  Gurag  Vuchzich. 


Beitrüge  zar  ngofianischen  Litenturgeschichte.  527 

34   UOIO  A^IUS.     H   WCTAAdU   ÜXdfiHH,    UiTfiA   BhHTSp(i)  liCpH, 

•r*  nipnipk  ji^HHAfiA  fi,A  hwh  cf  aM^j  A^  uoah  Bora  sa  uoio 

At^uiS.    H  wcTaaauk i^^)  ^parHfciBH  liipH  spara 

uora  HaHuaaAHWH,  KOHa  hi  Ha  aauoptf^^),  -i.  ncpnfpa  AHHapa, 

A4  HWH  ci  AM^)  A^  u^AH  B^''^  ^A  UOIO  A^ui^-  H  wcTaaauk 
KpoTHHH  tiipH  fiaaA4B|i^)  •{-  nipnipk  AHHapa,  a^  **wh  c$ 
MA^i  A^  UOAH  cora  3a  uoio  fi^^in^.  H  iv(c)Taaauk.ASiJiHHk 
(sie),  PaAOu  OspaHHlia  liipH,  a^  hivh  ci  aM^  *<•  nf(pnfpk), 
A4  U04H  Bora  3a  uoio  a^uiS.  H  wcxaAauk  Kaapn,  ^obphaa 
KanHHHiia  }kihh,  -A'  nipnipk  A^Hapa,  a^  uoah  Bora  3a  uoio 
A^uiS.    H  wcTaaauk  Ma(T)K8  Tt^xSAHHi^  -i*  nipnfpk  A^^Hapa, 

A4   UOAH    BOPA   34    UOIO   A^^UH.     H   WCT4A4Uk  AIh^HH,   A^BW- 

HU^H  20]  uoHivH,  -r-  nipnipf  a^  hivh  es  AM^?  A^  uoah  bopa  34 
UOIO  A^UJ^-  H  wcT4A4Uk  MaprapHT'fc  }Kchh  uohwk,  KaKO 
HHiuS  WA  3ropa  KStiS.  H  ivcraaauk  AIVaprapHT'fc  xcihh  uohwh 
aprcHTHpS  UOIO  h  cbhti  uohi  h  BasBi  c  BHHWUk  H  BaliHi  (sie) 
H  cb8  uacapnS^'],  i|io  hc  S  kSI^h  uohwh,  aan  f  uaao  aah 
UHoro,  A^  ^^  AIVaprapHTa  HaA4  cbi  awh4  h  n4TpWH4,  a^  ^^^ 

HHTKWk    (sie!)   HlUOMCf   HHipO   S^KfTH  (sio)   HH    34AHB4TH    p4;KH 

(sie}  FHC  (sie)  A^^P^  Borai  (sie)  ^^)j  4K0  itiw  hoahah  bwaha  npo- 
A4THy  A^P^BaTHy  3a  a^ujS  m^^^j  ^^^  ^  >*hi  (sie),  8  phi  BoraS 
(sie),  cBc  i|io  H  u  ivcTaaauk,  a^  Hi  CBHUk  boaka,  kako  A^Na 
H  narpoHa.    H  wsaKOH   u  PaAOcaBk  8Ka3Sio  h  )^oti8  a^  ^^ 

npOAA  UOH  BHN0rp4A  H4  nfp8HH)fk33]^    l|IO    UOpf  EpH^Kf  (sic)   r4 

npoA4A8  UOH  HHTponH,  H  A^  npoA4(A^)  uoh  BHHorp4Aii^  ^^^ 

UlVrS   BpH3l  .  .  .  A^  •  •  •  AHH4pC   UOH   riHTpOHH  A^  AM^   (B4- 

K0U8  2^) ||I0   «VCT4A4Uf   S   WBOUC    TICT4UIH(tB)  ..... 

L|IO  WCT4Hf,   l|IO  piCT4  AHH4p4  4B4HI^4 (TICT4}UIHTWUk^], 

"^)  Auch  im  ital.  Text  verblasst:  Item  laso  alla  fiola  de  Dragich,  fra- 

»)  In  PagUa.  [tel  mio. 

^  Alla  fiola  de  Chrotina,  a  Yladaoa. 

^  Fantescha. 

>i)  Argentiera;  vestimenti;  böte  con  nin  e  tini  e  tnta  masaria. 

^  Si  non  de  sua  bona  volunta. 

»)  In  Peronj. 

M)  Chome  si  pora  pin  presto,  chello  yendano  mi  epitropi,  vendendo  mia 
yignia  chome  posano  pia  presto,  che  rezeneno  li  denari,  mi  pitropi  che  dagano 
a  tuti  queli,  che  laso  in  qnesto  testamento.  E  se  qnalohe  chosa  romagniera  etc. 

^)  Romagniera  di  resto  de  denari  e  che  ananza  del  testamento. 


528  Conflt  Jirecek, 

M  ci  Hua  A^'TH  noAWBHi^a A^Hapa  MaprapHTH  :kinh 

uoHWk  (sic)^  a  A,fi>^rA  noAORHi^a  /^a  c8  boahh  uoh  nurponH 

pa3AHAHTH  S  1^PHKR8  H  t^BOHCHUk  (sic).  ÜSltiaUf  H  V^liB,  fi,A 
Hf  S  UCH^I^  HHTpona  BOPAS^  H  UOAS  UOHf  nHTpOni  CUHpHWk 
(sic!)   H    npHKAOHOk  (sic!)^    KAKO    POCnWA^)   A^   SHHHf   H    CBpHUlf, 

KaKO  nHiuS.    H  wcxaAauk  h  npHnop^nSio  uoio  A^uit^  S  Bauii 

pSKI,  A^  ^"^^  BWAHH  ipO  HHIUS^^].    fl  TWUSh  HHTpOnk  BpaxSAk 

npHBHAOBHtik  H  MappapHTa,  HCiHa  uou,  H  EfHKO  BwKoca- 

AHlik27j   II    A/lapKO   EoAHHOBHiik   H    FtfpC   ^paCKWBHlik. 

11.  Testament  des  Goldschmieds  Francesco^  gestorben  in  Konjic  in 

Bosnien  1485. 

Konjic  1485,  5.  November.  1486,  7. Mai  in  Stagno  eingetragen  das 
Testament  des  Francesco  horese.  »schrito  in  Ghognich  in  letera  schlaoa«,  anf 
Befehl  des  Gonte  Paladin  de  Gondola  (war  Comes  vom  18.  Noy.  1485  ange- 
fangen), »unde  miser  lo  chonte  chon  li  prefati  officiali  e  zndese,  vedendo  li 
testimoni  idonei,  acetomo  lo  dito  testamento,  lo  qoal  feceno  registrar  in  libro 
deli  testamenti,  sechondo  Fe  chonsneto,  de  verbo  ad  verbnm  in  litera  sohlaaa«. 

Jhs  Maria  1485  a  di  5  nouembris  a  Ghoniz.  ^  HUI  BO^KHf  npaBH 
OpaHHICKW,   HIKa  CI  3Ha,    KaKO   MHHS  TICTaUlHaTk   S  A^spoH 

nauiTH  uoHwfc.    HaHnpH  wcTaAnuk  ijiphkbh  8  Gtoh8  Obi- 

TOUt^  HhKOAH  K^liS  8  6tOH8,  KOU  HHI  CBpHlUlHA,  A^  ^^  ""^ 
CBpHlJUHT,   A^   ^^^^   UOAI   SA    UOHX'k   CTapH^k  H  3a  UOIO  A^UU^- 

H  wcTaBAAUk  ÜHAP^cKa  EpaioTWBHlia  tiipiuk  •!•  A^KaTk.  H 
ivcTaBAAUk  8  Gbit^^  FocnoliS  8  ^t^EpoBHHKk  (sic)  -B-  nipnipH. 
H  wcTaBAAUk  f^^UK  GTHnanS  S  OroNi^  -i-  nipnipk  sa  uhci 
WA  cBiTora  FpHrSpa.  H  wcxaaauk  -ii-  A^Hapa  8  Obith 
KpHCTH.  H  wcTaaauk  «b-  nipnipH  Na  nacTk  GBiTora  AIh- 
)faHAa,  A^  ^^  P<**<  '■-  UHca.  H  wcraaauk  Ha  nacTk  OBHj^k 
Obithu  (sic)  H  OBiTHi^auk  -B-  nipnipH.  H  wi|ji  wcTaaauk 
Ha  HacTk  Gbiti  HwHi^HaTi  -b-  nipnipk  h  8  CBaK8  ij^phkbS  8 
/k^SEpoBHHKS  A^  CI  A^  UHca  HHiTH  Hw  -B-  A>*Hapa.  H  WCTa- 
Aauk  8  Gbith  EpaMk  -b-  A^^ark  A^UHauk  8  Gtoh8.  H  wcra- 
AAUk  Hhkoah  aP^*"^  uou8  uora  KivrHa  (sic  pro  kohu)  h  caBA8 

H  -a-  npHCTIHk  BAATk,  H  HhKUJH  -11-  A^KaT  H  3IHH  (sic)  UOHWH 


^)  Ghe  siati  va(lio)8i  de  quello  che  schrino. 
«7)  Vuchosalich. 


Beiträge  zar  ragUBMusohfin  Literatnrgesohichte.  529 

BAdA^BH    lUfCAICITk   A^KaTk   H  )faAHHf   Hl,   KWHI   C8   Hl,  ^A  16 

WHHi  (oderwHf?)  AM^?  KWHf  c8  8  ^pa3^Af  EpaTSAfSc,  h  a^ 
Hf  npocTa  Borouk  h  uhou,  a^  uh  hhc  a^uja  APHsaHa.  H  a^ 
cc  cKt^ni  CRH  8E03KH  (sic)  8  GtohS  Na  A^Hk  cBfTora  MH^aHAa, 
Aa  HU  ci  8HHHH  ivBHAk.  H  wcxaaauk  /^asHSHsS  aAaxapt^ 
8  KOHUifHi^Hio  HfroK^y  A^  ^<  HAaTH  3a  KorHa  (sic).  H  IVCTaBAaU 
HHTpona  EpaHKa  KaucHapa  h  Hhkoa8,  aP^^"^  uora,  h  Hhkui8 
IIoKpaHHHtia.  H  L|io  roAH  a  uohi  uo3Ki  HaliH,  a^  Huaio  ivhh 
cKoxcaTk  H  EpaHKO  H  Hhkoaa  H  ÜHKUia.     H  Wl\ii  Tt  uoa8, 

BpaHKO,  WA  CTpaHl  COXCHI,  HanBOAl  UH  T8H  K^tiHl^S  CBpHUIH; 
AKO   BH    1|I0   HCCTaaO  AHHApa  3a  KSI^S,    Hin^CTH    KStiC,   A^   KOAI 

TH  cf  HiHanaaTH.    H  witii  3aKAHH8  HhkoaS,  aP^''^  uora,  bo- 

rOUk  3KHBHU,  TaKO  BOrk  TBWIO  A^UJB  NISBPHAHW,  HCUOH  UOHi 

A^uii  SBpHAHT.  H  wcxaaauk  8  TpHCTiHHu^t^  8  cbctS  FwcnorV 
•a-  KaAi3k  (sic)  WA  -r-  a^kati  (sic)  h  wa  *b-  (über  der  Zeile  ah- 
Bpc)  A^B^HpH  h  -a-  (ein  yerblasstes  unleserliches  Wort :  hhkSnS?) 
WA  '<'  4^Hr8pa,  a^  ^<  cxaBH  8  TpHCTfHHUt^  8  cbitS  FocnorS. 


i2.   TVaitom^n^  ef««  VJahna  Radiieviö,  Stagno  1486, 

Stagnol486,  8.  Januar.  Testament  des  ülachna  Badiseuich, » sohrito 
per  man  di  Badoie  Chrecouicb,  bolato  e  sigilato«,  vorgelegt  dem  Gonte  Ni- 
chulin  Martoli  de  Grieua  (war  dreimal  Gonte  von  Stagno :  27.  April  1485  f., 
12.  Aug.  1489  f.,  znletzt  17.  März  1494,  wobei  er  im  Sept.  1494  in  Stagno  ge- 
storben ist).  Vgl.  Nr.  15. 

Mh  BAa)^Ha  PaAHiufBHfck  hhh8  ivbh  TfcraufHaTk  3  a^- 
Bpouk  naufTio   uoHivuk.    3a  twh  w^fwIiS  (sic)  ühkivaith 

UIVHWHH  (sie)  liCpHk  (sic!)  CBf  UOHf  A^BpO  H  BOAf,  KAKO  HiV- 
[k]8hC  1)  (?),  1|I0  Cf  Halif  8  K81iH,  TaKW  H  BHHOrpaAH,  KIVHf  Huaui 
C  BAACTIAH,  U8kS  UOIO  H  K8fc8  UOIO,  CBI  W)fOli8  liipH  ÜHKOAITH 
WA  U^^^  A^  BfAHKA,  HirOAH  W)fWliS  CHHS  UWU8  /^pAPOlO 
rBW3AU  AOBAHKA  3A  ABBABk.  ÜKO  BH  HAH  UOU  ÜHKOAITA 
HlUOrAA  AP>f3^Tk  (sie)  BHHOrpAA^  H  AKO  BH  (bis)  )fWTHWk  (sio) 
TKWk  (sie)  83fTk  BHHOrpAA^  A^  HUA  HAATHTk  U8k8  UWIO,  K8 
CAUk  U8HHWk  (sie)  KfccpH  UOHWH  ÜHKWAfTH.  H  WA  UOHf  U8Kf 
WA   HAHBOAfPA    UOPA   A^   UH   A^   HnKOAfTA   -T-  UHCf   RHfTH  3A 


^  Poknöje?  oderposngje? 

▲robiT  fftr  lUTieoht  PhUolofio.  XXI.  34 


530  Gongt  JireSek, 

Hf  -^'  3KfHHW  HUAHHiUb  UOHU  H  SfHI  (sio)   UOf  GTWHCaBI,  NfKA 

HcuoMCf  nHTaxH  HHi|japb  UA  uora  A^^pa;  ivaahahiv  ci  h(i) 

WA   UIHi   CBHUk,   KAKO  AtfCaBIO,  TAKW   H   HUAHHIUk. 

(Ib.  f.  92y.— 93). 

13.  Testament  des  Vlahuia  Eufy'aiiö  im  DorfJanjina  auf  der  Halb- 
insel von  Stagno  1491. 


Jaajina  1491 ,  März.  Testament  des  Vlahaia  KuljaSiö  (Ghnglazich), 
eingetragen  6.  April  d.  J.  in  der  Zeit  des  Conte  Ser  Vido  de  Getaldi. 

In  Xpi  nomine,  amen.   1491  a  di  (sie)  de  marso.    Khi^KI,  NfKa  3Ha 

Bauia  UHAOCby  BAajft^uia  KSAauiHlik  3a  xcHsora  cBora  ivno- 

pBsSl   CBOIO   UBk8   HaKOHk    CfBC   3KIHH    CBO'KOH    Map^UIH,    A    Na- 

KOHk  MapSiiif,  aKO  npuc  Supi  A\ap8uia,  a^  ocraBH  AapSuia, 
HanpaBHBkuif  A^iu^  ci^^K  h  u^9KiBkH8  (sie)  h  fk^^^vw  naaTHBiuf, 
Aa  i  ocTaaa  HBaHB  3fT^  CBOut^,  koh  tu  hhuh  ctoh,  noaoBHHa 
HiM  a  noaoBHHa  Sn8k8  mouS  ÜHkTSoHS,  aKO  hih  HBaHk  bSa< 
AOEapk  H  cuapkTHio  (sie)  hS  f^^y^pAHH^    h  a^  hhi  NHXkKopc 

BOAkHHKk    3a    Hf    9KHB0Ta,     HfFO    WHa,     H   A^   ^<    ^AM^   A^Hf 

8h8uh  WA  HiroBa  a^^P^-    H  tou^h  'Kicxa  a^^  CBHfAOKa, 

3KHBkK0   'baKUlHtik   H    MapkKO   PaA^BHNOBHfck.      H    TC    pHfMH 

A^  cf  8nHiii8  8  KaHkxccaapHio. 

14.  Testament  der  Bauernfrau  Maduia  in  Janßna  1493  9 

(Janjina  1493?,  29.  October?)  Ans  der  Zelt  des  Gomee  Ser  Marino 
Hart  de  Zorzi  (26.  Oct  1492—1493).  Testament  der  Madnssa  uzor  di  Ginrag 
MUlissich  de  Janina  de  Panta,  niedergeschrieben  von  Pop  Dom  Andrija  in 
Janina  nnd  in  einem  versiegelten  Schreiben  dem  Gonte  übersendet  Zeugen 
Panao  Gargoeuich  de  Janina  nnd  Miclioz  Vitchonich. 

FocnOAHNS  KHf38  GTOHkCKOUS.     HlKa  3Ha   BaUia   UHAOCk 

(sie),  A^  MaAt^iuA  K)pk''fciBa  :KCHa,  MHAHUiHHa  CHua,  a  uaxH 
^f)^Suia  8  Mhhhh  a  HinSna  PaAOBana  i^pHiBktipa  t^  GtohS, 
WNa  bSa^^I^h  8  A^spoH  naufXH  cboih  CBHfAOSkHO  Shhhh 
TfcraufHaTk  3a  fifiiM  cboio.    HannpHi  a^  *kfA^Hk  EapkxaHk 

CBOH    Uai|lfHk,    CKpOCHk    H    KpaAHCUJk    CBOH     UIHH    HOnS   A^Uk 

ÜHAPHH  8  Mhhhh,  a^  ^wra  uoaS  3a  fi}6\M  hc;  WEil^a  tiiA^Hk 


Beiträge  zur  raguMnisohen  Literaturgeschichte.  531 

SBpScaUk  KOfrOAH  CHpOTH  H  TpH  K^HAHUll  U0U8  US3K8  lOpklO, 
H  CKpHHS  BIAS  UHXCB,  A  MHkAPHH  (slc)  AHCBipS  U0fU8  UdAtf 
tLCAHt^  AHTHl^^  CpiKpkHS.  fl  UOH  A^^^O  pAA^BAHk  OBStiA  UH 
ABA  EApkJfAHAy  KHUk  HCliS  BHTH  CpAUkHA,  H  ptfKABf  K  HHUH  C 
OUBpiTfUH  (sie),  H  0-TOrAH  UH  Hifi^A  HHl|Jf  (sic),  HfrO  'KfAI^HI 
P^KABI,  nOCTABA  UH  A^  HCTpkA^CfTk  AAKATk,  A^  ^^  ^^^ 
U8Kt^,  ipO  UH  OBiliA,  TOrAH  MH  HIA^.  H  'fcA  TOBOpS  AIVaA^UI^: 
KAfTk  H  npOKAfTk  WAI^  BOfA,  KH  BH  MOBHfKk  WA  ^^VA  HAf- 
UfHA  KOI  3A0  SHHHHAk  AlHAHUlHtiCUk  H  HH]fk  pOA^  SApAAH 
UIHI,  *KipC  CAUk  U  CBOlKOUk  (slo)  SupkAA.  !l  T0U8  f  CBHfA^Kk 
ÜABAAk  rpkrOfBHfck  H  MH^OHk  fiHTkKOBHiik  H  OCTAAA  XC^HA. 
fl  SUpkAA  I  A&AA^UJA  HA  AB^A^^^*!"*^  **  A^A  A"**  (s^  UHfCCl^A 
OKT^BpA,  AUlHk.  fl  8  KHfBA  KaHUO»,  I|J0  CAUk  CTAAA  8  HffA, 
HHI  Uf  A^nAATHAk  CBf ;  AKO  fcf  OpABO,  HUA  UH  A^*****  A^AA^- 
CITk  H  HfTk  nfpkHfpA;   AKO  AH    H^A^,   BOPk   US  H  A^UIA.     H   Tf 

AHHApi  A^  c<  AM^  n^  uou8  uS}k8  a  aP^^a  no  nonll  %AHHHk- 

CKOUS,   KAAH    CAUk  AfPkAA.     H   BOPk   T%   BCCfAH. 


15,  Testament  der  Frau  Nikoleia^  Tochter  des  Vlahna  (vgl,  Nr,  12) 

und  Frau  des  Andrija^  Stagno  1495, 

Stagno  1495,  28.  Januar.  1495  a  di  XXYIU  de  genar.  »Testamento 
de  Nicholeta  Andrina,  defunta  in  Stagno«,  aus  der  Zeit  desConte  Ser  Marino 
G«  di  Zrieva  (Comes  Stagni  12.  Sept  1494—11.  März  1495). 

M  HhKWAITA,  KIiH  fiAA)fHHHA,  HHH8  UWH  TICTAUlHATk 
HAnWKIVHH,  B^A^lii  HfUWiiHA  «VA  "^'TH  A  SApABA  tVA  HAUITH. 
H  liCTAAAUk  3A  UWIO  A^U^^  HWnS  A^Uk  ÜACKWIO  3A  UHCf 
WA    CBCTWPA   FApr^pA    •!•    HipHipA,    H  3A    f^^lU^    UATipf    UWI 

Gtwhcabi  ncMl^  hwctaba,  a^  ^^  A^  A^u  üackwio  3a  uhci 
WA  CBfTWPA  FAprSpA!,   L|iw  (luklar)  baaa  niHA  hwctaba.    fl 

HHW  HAlUf,  1|JW  f  nWKSfcHI  H  BHHWrpÄAH,  K8M  H  WCTAAW 
nWK^fcHf,  CBC  flHAPH  H  A<4H  UWHOH,  A^  U8  Ci  HIHUA  HHTKW 
HHHAHATH,  HIFW  flHApH»,  UBSKk  UWH,  H  AH^UA  UWU  9KHBA  H 
fiHTSHk  H  KliH  UW0.  H  WCTAAAUk  CICTpH  ToUt^UIH  3A  UH- 
AWCk   p^KABC   WA   tAfiXAHA   C   WUBpfTAUH    H   KWUISaS  CKpWIHt^. 

H  i|jo  WCTAAAUk  HChbi^h  Gtahhhhhh  kwcuam  h  wipc  Maph 

KaAPHHH    niM^  SBpbCAUlAy  A^  HIO  H  3AHC,    H  HWTKS  (sIc)   WHplA^ 

34» 


532  GoDBt  JireSek, 

If  fi,A  fi,A  ÜHAPH  AHW  TpITH,  H  M  flABfi^iAH  HHfi^ffiHtä  SA  A^UI 
(sie)  HC  AH^BWHKdUb  ^BWSHUk.  H  WCTdAdUk  ÜA^AfH  BpATWK- 
H[H]1ia   rSHk    BWAH    H    -B*    UAßA   WUEfiiTA. 

16.  Testament  des  Vlahuka  Zivkovid^  Stagno  1495. 

(Stagno)  1495,  29.  October.  TeBtament  des  Ylahnsa  iivkoviö. 
Zeugen  aus  Stagno  an  dem  näheren  Meer  (»huius  maris«  der  rag.  Urkunden), 
jetzt  Stagno  Grande,  und  »s  ono  mora«  (»illios  maris«  der  Urk.),  nämlich  aus 
dem  jetzigen  Stagno  Piccolo. 

HicSck  H  AVapHu.    ÜHcaHiv  -«il^qc-  aitw  pw^KdCTBa  XpH- 

CTWBa,   HA    •K'O'*   A^HA   WKTWBpA. 

M  fiAA)f8UlA  2KHBKWBHlik  MHH8  HAHOKWHH  UWH  TICTA- 
UiHTk,    B^A^lii   HfUWiiAHk  THIAIVMk,   3APABk  HAUCTHIO.     HaH- 

HApBW  npcnivpSHSio  A^iu^  uwhio  BwrS  h  baaxcihivh  rwcnwrc 

GbCTWH  MaPHI  H  CBiUS  ABWp^  HCBICKWU^,  A  THIAW  UUFi 
3iUAf,    KWC    (sie)   CTBWpiHO.      OniTA   WCTAAAUk   HA   /^AHMI   -f- 

ncpnipA.    GdniTk  wcTAAAUk  8  Gbcth  HhkoaS  •!•  nfpncpk  3a 

UHCI  ABWHf   WA    CBiTWPA    FApr^pA,    HCAHC    3A    UWIO   A^^US   A 

ApBri  (bis)  3A  KataphhhhB  a^uj8.  QniTk  wctaaau  8  Gbit9 
FwcnwrS  8  Gtwh8  -b-  nipncpi.  QniTk  wctaaau  cbctwuS 
K83UI  h  ^auhuh8  -b-  ncpnipi.  OniTk  ivcTAAAUk  kSM  bc- 
ahk8,  k8  c  Smhhhw  WTAi^  uwH,  GbitwuS  Hhkwac  8  GtwhS. 

QcTAAAUk  AHCBWHUlf  -B-  EWpTA  H  B*  KWpITA  KATApHHHHA 
HAHAHfnAA  (sic)  H  -B*  BAPX'AHA  3A  Hl  CAS}KE8,  H  Wl|li  CAUA 
TKAAA  WHWH  HIVH  H  -l-  nipncpA.  KSliA  BIAHKA  ^pATHAf  IVA 
CBCTWrA  OpAHMICKA,    KAKW  (  HApfAHAA  KATApHHA  3A  HCHBWTA, 

AA  Ci  HUAio  Saabath  AWBpc  p^HtEWHVii  Sbwpc.  H  A^  ^<  A^ 
Hbah8  h  bpatS  u8  -bi-  ncpnipA,  mauja  bcahka  uwu  MhwkS 

HA  HACTk,  H  A^  Ci  A^  8EW3HUk  3A  fi^^m^  Wn,A  UOCPA  HipHipA 
•A-     H   TWH   TCSWpHpWUk    -HA'    A^^ATI,    KH    C8   8   ASKC   BpAU- 

HWBHtiA,  rwcnwAi  a^^P^bamkivh  (bis),  ipw  rwA^  abahi^a,  cbc 
A^  ci  A^  SBW3HU.  H  ivHc  Acnpf,  Kwc  c8  8  (bis)  ASkc  Kwkw- 
TOBA,  A^  ^<  AM^  ^P^  ^^APHC,  uwu8  hchwbiahhkS,  h  uata- 

pAlJ^k  H  CAPk  H  AHHl^BW  H  KApHATSpk.  H  A^  ^  MhWKW  TW- 
A^pk   H  MaTKW  OpAHHiik   H  F^pHl^A.     H   WCTAAAUk   KAAlSKk  8 

Gbith  GrmAHk  ha  rwpHi^^i).   fl  tSh  biuic  cbiawi^h:  »  Mh- 


^)  Ein  abbas  von  S.  Stephanus  de  la  Goriga  ersoheint  in  den  Diversa 


Beiträge  zur  ragnsanlBcben  Literaturgeschichte.  533 

)fU^RHW    PaTKWBHfck    H    ÜHAPHU   SKHBKWBHtik,    C    IVHW    U0p4 

HsaHk  AIVapKWBHiik,  fiSKwcaBk  Psfi^wcArAHk  (sie).    Ü  TW  i 

TICTaUfHk  (sie)   BiiaX'^UII   SKHBKWBHiia. 


IV.  Handelsbriefe. 

17.  Vertrag  des  Leonardo  Badivojeviö  mit  Niiola  Dmitroviö  über 

ein  Commissionsgeechäft  in  NU  1Ö05. 

Die  XI  sept.  1506.  Mandate  D.O.  fiiit  registratam  soriptum  infrascriptum 
in  slano  idiomate  ad  instantiam  qaomm  interest,  qnia  mittitur  ad  niagium,  nt 
8i  forte  casu  aliquo  amitteretur,  hie  semper  inaeniri  possit,  cnlas  tenor  sequi- 
tnr  ut  infra,  yidelicet: 

SC  HUI  HcSca,  1505  aSaa  Ha  4,  8  HhujS. 

HlKa  16  BHaTH  H  B'fcpOBaTH  CBaKOUB  MA(0)B('fc)KS,  KOH  BH^H 

aan  aira  oboh  hhcuo,  KaKO  a  ÜHKcaa  ^UHTpoBHKk  Hua)fk 
H  npHUH]^  WAk  A^HapAa  PaAHBOfBHKu  H'fcA'Kxk  KOua^A  f  hc- 
pfHTHHa  TpHA^cTH,  BaAU  Koua^a  n^  30  WAk  saiijf  (sie)  p8Kf. 
H  OL|ii  Hua^k  wAi^  piHf  Hora  ASNapA^  cbhti  BHuiKBaTpa  aa- 
Kara  uif ccTk,  Baa»  aaKaxa  n""  60.  H  oit»  nua^k  A^sp^BaMKora 
aaKaxa  ciA^Uk  Ha  A^^^''*^!  ^^^^  br(«za)  17.  H  oitii  Hua;^  uih- 
Bf Hix*  HO]fa  BiHfTHKa  n""  2.  H  OL|ic  Hua)fk  w^w  cBapx'S  piHiHora 
ASnaßA^  Huax'k  (sie)  A^uauiKHHa,  ca  saaTOUk  «ipBcna,  aaKaxa 

TS^CKf^k   HSUCpH   fi,%Afi^iC%TH    H   fi,%K%rKj    BaAU   n"^  29.      H   HlKa 

cf  sna,  KaKO  AM^  ASnapAO  uihhc  Hhkoah  KOUftuH^Hk  WA^ 

CBap)f8  piHfH'fcY^  f 'fcpiHTHHa,  HaHBHUJf  HO  TpHA^CTH  A^  HaH- 
HH3KI   nO    A^M^^TH   H   HfTk  3a    H'fcrOBk    KOHTky    A^UaUJKHHk 

KOUfiuH^Hk  cBaKH  AAKaTk  tS^ckh  HO  A^^  A^^aTa  H  no.  H 
OL|ic  HfKa  ci  3Ha,  KaKO  OBfKu  ASna^A^  Uf h'K  Hhkoah  3a  uoio 
naaTS,  a^  Huauk  na  roAHi|Ji  acnpn  cTOTHHa  ocauk,   Baa» 

aspri   800,   KO'fcUk    nOMHHf   pOKk   CBap)f8  pfHIHH. 

M  IIiTapk  UlHUiaTOBHKk  icauk  CBl^A^Kk  cBap)f8  nnca- 

H0U8  CKpHTS.  (Div.  Canc.  1505,  f.99v.) 


sehen  1306.  Die  Kirche  war  wohl  in  dem  im  XIV.— XV.  Jahrh.oft  genannten 
Gori^  Yon  Brennnm. 


534  Gonst  Jireiek, 

18.  Schreiben  des  Ojuro  Radaiinovtö  an  den  Conte  von  Stagno  über 
die  Oeldangehgenheiten  des  Oeorg  Bolinoviö  und  einer  in  den  Bü- 
chern der  Kanzlei  von  Stagno  eingetragenen  Compagnie  von  der 

Narentamündung  12.  Sept.  1512. 

IIpHCBHTAOH  POCnOAH,  rOCkHCAHH^  KHfSS  GxOHkCKOUS  H 
WnHMHUAOUk.  Ho  TWUk  ABH3a  BdUk,  fOCknOTkCTBO  Bauic, 
KAKW  np(H)UH)fk  KHHr8  rOCkHOTkCTBA  BaUUra  nO  pCMCHOUk 
AliaXkKS  EOAHHOBHiilO  H  pa3SUHI)fk,  1|I0  UH  3anOBHiA^  rock- 
nOTkCTBO  BatUC,  A^  BHAHlIk  CTBapk,  KaKW  CTOH  WA^ 
CKp(H)Ta  %    KOH    Cl    HHIUC  CBapk^S  MapkKa  SSpOBHtiU,   8  KIVMk 

ckp(h)tS  hhuji  c%y  fi,A  Hi  A^}KaHk  Hl-  A^Kara.  3a  toh  Hicauk 
3Bao  piHiHora  I0p8  BoaHHOBHiia,  fi,A  fi^ofa  np(H)Aa  uc,  a^ 

BHAHMk  3a  CTBapk,  KaKW  CTOH  UClilO  HHUH,  H  piMfHH  tllOpW  Bo- 

AHHOBHfck  ji^^ti  npHA^  Uf  H  Shhhh  caKpaufHaxk,  KaKO  Hl  Huaiv 

piHINH    lllOpW  AIVapkKOBHtik   H   pfHIHH  MaTkKIV  MapkKOBHiik 

H  :KfHa  piHiHora  AlaTkKa  BoAHHOBHl%iai  •i3-  A^Kaxa,  koh  c9 
nwAknHcaHH  ^  ckKp(H)Tt^  H  KOH  ict^  HuaAH  -13-  A^Kara  noBitif 
napkTHTa.  H  kohi  roBopH  tiiopw,  a^  ^^  "^^  AHHap(H)  9  KSUk- 
naHHi,  KOH  c8  ^  KaHk}KHAHpHc  (sic).    H  tou8h  cBHf a^ki^  3ropa 

HHCaHOUS   MhUIC   KpfAOBHitk,    KOH    HICk  (sic)   UHIpHAai^k   Wfi,h. 

coAH.  H  TOUt^H  cBHfAOKk  MapkKW  /^parouifBHltk.  ÜHcaHa 
UHfciua  ccTiUkcpa  Ha  -ib-  Ha  •;^a**KiB*  GaSra  bh  rocknoTk- 
CTBa  Bauiira  tliopiv  PaA^uiHHOBHlik. 

(Bei  den  Testamenten  von  Stagno.) 

19.  Schreiben  des  Vicenzo  Boiidaroviö  aus  Novipazar  1514  an  die 

Tutoren  des  Ilija  Nikole  Radinov  über  dessen  Nachlass. 

1515,  8  januarii.  Mandato  D.O.  fuit  registratum  inyentariam  infrascrip- 
tum,  portatnm  de  Turchia,  litteris  sclauis,  tenoris  nt  infra,  Tidelicet: 

i  IcSck  Mapna.    1514  na  22  arwcra  8  HobouS  na3apS. 

npHUTCAlO  AP^^Hy   A^H  UHHSTC   HpHUHj^k  WAi^  TiBf  IBAHS 

KHHrS  no  1](b*Ktk8  BanuHHHS,  8  kohoh  pa38u'KYk  ji^OEp{^)y 
i|iw  HHcacTC  3a  noTplSBi  Bauj€,  A^  ^^X^  ^^  HiivrASiunw,  a 
TOH  Bork  3Ha,  a^  np'k  Hfro  mh  cti  khhpS  OHcaan,  a^  ^^  ^^ 
EHAi  Ha  nauiTH.    3a  toh  niKa  3HaTi,  a^  OBauw,  i|io  cuw 


1)  Ital.  scritto. 


Beiträge  ztir  ragosanischen  Literaturgeschichte.  535 

UOrAH  nOXpSAHAH  H  HanpABHAH  HAHBOAN,  t|JO  CUW  UOPAH  C 
HAlU'fcUH  np'fcTIAH  (slc).  fl  CA^A  HIKA  3HdllJk,  1|I0  CUW  M^^ 
L^B'KTKS  nO  KHH3H  BAUJOH  Wfi,h  npdTC}KH ,  KOU  Cl  16  OBAUO 
NAUIAA   HaHHHA. 

ÜABIHTApHW   WA^    npATI3KH. 

NaHnapBW  hhsaua  TSsKU'fcXk   (sie  pro  T^pc-JBpou  57.    H 

OL|lf  TAHlfeCTApa  BpOU  150.    H  01)»  HOKpOBl^H  WJI^h  CTpCT^Hä  4. 

H  oi|if  AOAaua  wa^  BfpOHHsa  Bpou  5.    H  oi|ic  cTaHHKi  (?)  wAi^ 

CBHAC  BIAHKf  2.  H  Ot|JI  TKaHHHf  TH^^TH  BCAHKC  BpOtfl  3.  H  OipC 
TKAHHHI  TH^TH  MAAf  BpOU  10.  H  01|JC  l^ieAH  TpH  KOUAAH 
BfpOHHSH  3.  H  01|Ji  On€T  KABHl^A  BCpOHH3A  ApUlHHA  27.  H 
01|JI  fi,EOH  KApl^SHH  BpOU  2.  H  01|J(  KOUI^AC  BpOM  2.  H  01|Jf 
I6AHA  A^^^UA  NOIUIHA  1.  H  Ol|Jf  8Bp(^]CI4H  UAAH  SpOU  2.  H 
Ol}!!  «fO^A  WAi^  KApH}KHI6  HOUIfHA  1.  H  01|JI  HI6BipHUA  (?) 
BpOM  1.  H  01|lf  BApiTA  l^ApHA  1.  H  OL|JI  I^^^BSH  BpOU  1.  H 
Ol(Jf  HHCUI  (sie)  H  niTHH  HA  HH)^k  1.  H  01|ll  nAUJUAPf  XSpCKI 
EpOU  1.  H  OlflC  IBAHC  E'kHBI  A^  KOA'kHH  BpOU  1.  H  01|JI 
I6AHA  KOpAA  BpOU  1.  H  Ol\ki  I6AHC  UptLBIS  A^^P^BAMKC  1. 
H  Oltif  l6AAHk  pSHHHHKk  BpOU  1.  H  OltlC  l6AAHk  COKAHHk 
BfAOfHk  1.  H  nOCAACUO  leA^Hk  BI6Ak  (sie]  HA  A^Nk  1.  H  01|Jf 
I6AHI  EH3Arf  (sie)  BpOU  1.  H  01)11  I6AHA  IUKATSAA  BpOU  1.  H 
01|JI  A^A  P^^^  HPAAA  BpOU  1.  H  Ot|JI  CTATlspA  BpOU  1.  H  OlfJf 
HAliOCUO  S  HAHlHtEJfk  EHCAl('K)^k  9  ACnpA)fk  rOTOB'^X'i^  ACnpH 
XpH  )fHAUA<  H  OCAUk  CAT,  BAAU  ACnp(H)  3840  (slc).  G^A^  ßi- 
HiH%X^  ACnpH  rOpH  HHCAH'fcJ^k  CniHSKA  Cf  3A  SKOHk  HOKOHHOUS 
HaHH  BAAU  ACnpH  185.  H  Oltif  1|J0  JI^ACUW  ^^liH  KAA'i'HHS  3A 
H3BAAHTH  npATIHCk  H  CHliHAATA  ACnp(H)  27.  H  01|JC  3A  l^A- 
pHH8  WAi^  CBHTI  ACnpH  40.  H  Olpe  l|JO  I  OxlKnAHk  CnCHHCAIV, 
WA^  KOAI  16  HaHU  SupW,  BAAA  (sic)  ACnp'fc  66.  H  HAATH  HA(o)- 
B('fc)K8  MaPK^  EApElSpS,  ipO  I  AI6HHW  GT'fcnAHA  H  rSSipHAW 
AOCAI,  ACnpH  300.  3a1|J0  CMO  TAKO  EHAH  SrOBOpHAH  C  ÜAHOUk 
H  OCTABHCUIV  3A  CnCH38  GrlSnAHOB^  ACnpH  rOTOBt^Yk  700 — 
1318.  H  OBO  HAATHCMW  W/^h.  fiiHiH'^X^  ^^fi^  HHCAH'fcY^  ACHpH 
A  OCTAAW  A^CUO  L^BtlTK^  EaHUHHHS,  pfMIHOUS  npOKSpAT^pS. 
H   Oltli  3A   l6AAHk    EI6Ak  (sic]  SSpil   25. 

ü  CAAA  3A  t8h  cbhtS  eho  uh  ch  hhcao,  a^  ^  npoAAUw 

KOUS    rOAH)    3A    TON    Hf)^TI6   HHTKO   HH    PAiA^TH   HH   8   I6AH8 
H'KM.     3aT0   CBHT^   TH  nOCAACUO,   ifii   Cl  ^3B0UCUW.     ü  UOAH 


536  CoDSt.  Jirecek, 

OBH  uouaKk,  HfKa  NHI6  asaHHie  wfi,^  HOBaliHie  (?).  H  hika 
3Hauik,  H  CBH  ci  A^roBOpHcuiv  H  Shhhhcuw  MapKS  ABi^  acnpH 
Ha  A^Hk  a  A^  PMH  okoao  Gx'fcnaHa,  a^  koai  hah  bSac  uap- 

TaBk  HAH  ;KHBk,   A^  ^^  ^^  OCTaBH.     3aT0  MapKO  CC  16  OECKUIV 

OKO  Hiera  paAHTH,  KaKO  h  a^cai.   9ah  Bork  3Ha,  lepf  Hi6AaHk 

HA(0)B(ls)Kk    HfB'fcpSie,     1|I0    Cf    MapKiv    Tp^A^     nOAHHW  WA^ 

Hiera,  aaroH  u8  cf  HfnAaKa  hh  ji^iurn  ahw  xp^Aa  HieroBa, 
aAH  MapKO  HCPAiA^  Tora,  hipo  ah  octabho  le  na  nauii  ho- 

BlLMTBIV  H  nplLTIACTBIV  (sic)  A^  HOCAie,  AKO  BOPk  A^  OBOUS 
AI6THKI0  3APaBI6.     H    BOPk    BH    BfCfAH   8   SAP^BHIO. 

ü  0B0U8  HHCUS  BHIUI  OB'^A^H"  HhKOAA  TBapAHUIHKk  H 
MnjfOMk   }KHBaHa    H   TnTHAOBHKk,   HBAHk    PaAOHHKk. 

H  OL|if  kSrhcuw  wai^  piHCH'kjfk  acnpH  kohohi^i  h  hoskc, 

M'fcUk   UIHAH   pfHCHC   BAAf,    BAAU    ACOpH   9.      H   01|Jf   3a    (laCUna), 

ipo  f  noAi^  GrlsnaHOUk  Bpou  rpn,  BaAuio  acnpn  27.  H  oi|ic 
HatiHOCuw  Hi6Kf  KHHPf  nocHAAHC  3ani«iaTCHi  HaiutLUk  nma- 
TWUk  no  piHCH0u8  K^b'KtkS,  a  khhpc  cB  wa>^  HlSKtL)fk  pa3Aora 

HAHHH'fc)^k  H  Gx'knaHOB'fcjfk.  3aT0  npnUHTI  H  BHt»TI,  KaKO 
Cf   BHAH    60AI6. 

A  tergo :  A^  ^<  A^  ^  P^Kf  TOA^pwu  noKOHHOPa  Hahi6  Hh- 
KOAt  PaAHHOBa. 

M  BhI^IHI^W  E09KHAap0BHKk,  KOH  nHCa)f  CKAfiX^  pfMiHO 
HHCUW.  (Div.  Cancellarie  1514,  f.  151v.  — 152). 

20.  Schreiben  des  Gjuro  Radaiinoviöf  Schreibers  des  Salzamtes,  an 
den  Conte  van  Stagno,  von  der  Narentamündung  1518,  30.  August. 

A  di  11  sept  1518.  Copia  di  ana  procura,  portata  da  Narente  in  nno  fo- 
glio,  scrito  in  lingna  e  lettera  schiana  e  sotoscription  de  li  tistimonii  (sie),  e 
regiBtrata  nel  libro  presente  in  la  medesima  lettera  e  lingna  de  mandato  de 
lo  Conte  Ser  Gioanni  Nie.  de  Bona  (war  Gomes  von  Stagno  1518). 

IlACUiHHTOUS  H  U^APOUB  H  BHCOKO  nOSkTOBAHOUS  POCk- 
nOAHHS  KHf38  GTOHkCKOUS  H  OHHHHiaAOUk.  IIo  TWUk  HABHC- 
ipSlO   POCknOTkCTBO   BaUJf,   KaKO   HHHHUk   U   plHIHH  IllOpO  Eo- 

AHHOBHiik  8  KHHk  UOH  pcHCHOPA  BpaTa  uopa  MaXkKa  EOAH- 

HOBHtiU  npOK^pATSpa  BapkJfS  NnKOAf  BSSHJ^kHHlin,  1|10  Cf 
HAlif  A^HCkHHKk  UfHHf  Iil0p8  EoAHHOBHiilO,  3a  TOH  MHH8  BpaTa 

uopa  MaTkKa  8  Knnk  uoh,  a^  uoMCf  cK^^KaxH  na  pfHfH0U8 

HhKOAH    ESHHJ^kHHlülO. 


Beiträge  zur  ragasanischen  LiteratnrgeBchichte.  537 

H  3kr0pa  HHCaHOUS  pfHIHH  IIcTapk  PaAHROHfBHiik  Nfcauk 

CRHfAOKk.  H  Skropa  nHcaHouS  pisiHH  Il^BHiTkKO  PaAOsaHO- 
BHlik  Hfcauk  cBHi^OKk.   3ropa  nHcaHOuS  pchihh  Taacf  (?)  Hsa- 

HOBHlik   HICaUk   CBHCA^Kk. 

H  a  HHCaX'k  PIHIHH  lilOpW  PaAAlUHHOBHfck  pSKIVUk  UOH- 
«VUk,    KSA^I^H   CKp(H)BaHk   Wfi,   COAH   8   HfpfTkBH.      ÜHcaHa   Na 

•a- arSckCTBa  (sio)  •/ralsiH-         (Bei  den  Testamenten  von  Stagno.) 

21.  Ojuro  ItuskoviS  nimmt  1526  in  Vrhboma  (Sarajevo)  den  Stjepan 

Zivanoviö  in  seine  Dienste  auf. 

Die  ni  nonembriB  1526.  Handato  D.O.  et  sine  alicuius  preiuditio  regi- 
stratum  fait  hie  chirographum  infrascripti  tenoiis,  qni  seqnitnr,  videlicet : 

Ha  1526  Ha  10  riHapa  Na  fiipcocaNHio  (sie). 

HfKa  f  Ha  CNaNHf  (sie)  cBaKOU^  mobhikS,  npHA  Kora  bh  ci 
HCNfcao  (sie)  oboh  piHiNO  HHCUO,  KaKO  0  ThSpo  PSckobhIi  8ro- 
BopH]^  GTHinaHa  HCuBaHOBHliti  8  rOAHi|ii  luicnafc  A^Kaxa  h 
Aa  uS  A^u  so^S  h  a^^^uS  wa  KauapHHa  aan  wa  KapHxcHi, 
AA  UH  caSsKH  OBO  roAHi|if.    H  aKO  bh  i|jo  a^^  Ha  BipicHS  bcc 

UOHI   B0AI6,    TOH  (sic)   PHCrOBO  (slc),    H    HOipi   OA   B^tiHf,   aKO   BH 

US  cHAa  Scfaa  (sic).  H  oi|jaHiu  (sic)  u  FHSpo  GxienaHB  wa 
ncpBora  cxanio  A^^axa  tuicNaic,  a^  roAHitia  a^  u8  Huau 
A^TH  A^Kaxa  TpHAiyJH  h  a^^  A^^axa,  Baana  (sic)  A^Kaxa  32, 

H   MO^S    H  A^^^US.     Q  HHKOaa   MapTHHOBHti    HHcax    U^HOU 

pSKOU,  cai|io  (sic)  Uf  uoAH  Fn^po  h  I|lHinaH.  H  touS  cf  hi- 
AOHH  (sie),  TKO  cc  HOAnHiiiS  OAHCAAAa  (sic). 

Johanni  di  Nicolo  Xincho  son  testomonio,  nt  sapra  scriptnm. 

10  Pasqnal  X«»  di  Aligretto  son  testimonio  ut  s. 

11  PaAHM  PaAHBOiBHti  i6cau  cbhca^k  roprHiuS  (sic)  hhcuB. 

(Div.  Ganc.  1526—1528,  f.  66.) 

22,   Obligation  des  VlaAuia  Ivanoviö  an  Vukaün  Vukasovidy 

geschrieben  in  Antivari  1531, 

Die  XXII  junii  1531.  Mandate  D.C.et  ad  instantiam  Vuchassini  Uuchos- 
saglioh  liic  fuit  registratnm  infrascriptum  chirografum,  scriptum  in  idlomate 
sclano,  tenorifl  infrascripti,  videlicet  per  Ser  Traiannm  Primi  cancellarimn: 

i  HfcSck  AlapHU.    Ha  1517  sKSna  na  2,  8  Eap8. 
HiKa  f  Ha  3HaHH*k  cBaKouS  hobhIskS,  koh  bhah  aah  mva 
OBO  piHina  HHCua  (sic),  KaKW  u  fiAa}f8uia  HBanoBHlik  ocTa)fk 


538  Oonst  Jireoek, 

BSKAUIHH^  BSKaCOBHlilO  ACnpH  AHlS  (sio)  THC81»I  H  SfTApCTA 
H  TpHA<CfTH  H  OCaUk,   KdAA   ACilfiH    2438.     3aT0H   OEAlPABAUk 

0  HAa^Buid  cauk  ccbi  h  cba  A^Kpa  uohu,  fi^A  B^A^Uk  A^***** 
H  nA4THTH  pcHCHOuS  fiSKatuHH^  pfHfHC  acnpH  Na  Boa8  NirORS, 
KaAa  Ha  EochS  fi^^ta.  H  obwh  piMf hw  hhcuw  hhcax^  n  MapKW 
PaAHBpaTOBHiik,  uoaiHk  ivt  fiaa^^uic  h  fiSKauiHHa,  saifiiv 

OHH  Hl  SUH'KUlf  HHCaTH.  H  CBHl^A^^H,  KCH  Cl  nOA>^"HUlS,  A^ 
C^   BHt^pOBaHH. 

Ha  MapTHHk  ÜHKOAKl^k  lecaUk  CBHl^A^Kk  obouSh  hhcu^ 

arapa  pincHOU^. 

Jo  Gioanne  Polo  di  Gio.  merzaro  foi  presente,  ut  snpra. 

IlpHUH  E^KaujHHk  BSKacoBHiik  WA  Baax^uif  ÜBanoBHlia 
XHauA^  acnpH  «va  pcHiHora  nncua. 

(DiY.  Ganc.  1530—1531,  f.  112.) 


23.  Schreiben  und  Obligation  des  Andrija  Stjepanofoid  aus  Bosnien 
vom  Februar  1550  an  Marin^  Sohn  des  Simon  batüoro. 

Bagnsa  6  Mai  1551.  Littere  registrate  ad  inBtantiam  Marini  Sy.  battiaa- 
rum  (sie) :  »1550  a  di  14  di  aprile  in  Bosna.  M.  Marino  honorando,  carissimo 
salate«.  Andrea  de  Stephane  sendet  per  Hexmed  (sie)  Muiadinoaich  (sie)  pelle 
boaine  in  balle  21  a  pele  12  per  balla,  sono  pele  252,  in  balle  tre  eeraine  sono 
pele  56,  adesso  per  filio  di  Mexmed  pelle  bouine,  suine  3  per  balla  sono  12, 

2  balle  oordonani  negri  etc.  Adresse:  Dno  Marino Symon  battioro  sno  hono- 
rando a  Bagnsa.   Folgt  ein  zweiter  Brief: 

»Ihs  Ma(ria)  1550  a  di  28  frenar  in  Bosna.  FocnoAHHS  AIVapHHS 

BIAC  AP^>^^  nOSAPAACHHi  (sie)  IVA  U€HI  ÜHAPHC.    IIOTOUk  lOHipa 

nw  Ofpx'aTt^  npHUH)fk  i6Ah8  tboio  h  pa38uHf]fk  cbi,  ipw  uh 
HHuifiuk,  H3k  (sie)  paAH  KOHa.  KoHa  cau  npoA^W;  a  3a\kaaA' 
U0  rocnoi^TB^  saiuiuS  na  norpSI» hhio.   fl  caAa  A^  ^^a  Baiua 

UHAOCTk,  KaKO  BaUk  HOCHAaUk  Mf^MIA^  BSaAHHOBHiia,   HaB- 

Aai|jk  3ai|JT0  (sie)  lOMipa  Hua^k  khhpS  iva  ücpa,  KaKO  rocna 
Mapa  3A0  CTOH,  h  aaipo  uS  h  oitii  Baaa  200  A^K^^a,  a^  ^< 

3  A^^HHi^H  HanpaBH,  a  caA^  (sie)  S  Elochh  hhc  A>*Napa  3a  a^ 
uiouk  roTOBa.  3a  toh  ti  uoAHUk,  kako  aP^i"^  rocnoA^P^^ 
Aa  bh  OBfNauF  3a  Ilipa  obi  200  dnoata  (sie)  3a  Back  uapask  (sie). 

M  t»S   nOCAATH   CBaKOUKO   OBf    8   aAH  A^CfTk  A^HA  UHftUHHa  h 

Kwpdonane  (sie)  3a  200  A^K^Ta  tibh.    11  T-H*]fk  OBCMa  3a  Hira, 

HfKa   U9   CKpHTSpf   t(4HHf,  aKO   EH    U$   HO  PpHIJ^i  UaTH  SUApAAi 


BeitrSge  zur  ragnsanisohen  Literaturgeschichte.  589 

noAapS,  hiuoh  hho  8hhhhth,  a  bh  nauh  sanosHfTi,  i|jo  cuo 
ui(H,  B^AiUO  roTOBo.    Huauk  1200  uhiuihha  a  wctaao  ti 

BHTH  OBf  6  A^HA  CBC  fOTOBO,  AKO  BOP  AM<*  3aT0H  Tf  UO- 
AHU,  OBfliAH  3A  HIPA  200  dttCata  (sie)  3A  BACk  UApAHk  A^  A^Ulk. 
ÜKO  HC  Bt^A<  A^  1^  UApSA,  CBAKOUKO  HpHI  20.  ÜKO  TH  HHAKO 
(bis)  SMHHHUk,  HCCl^HIHH  Ui  SOBHCKOUk  NHKAA^;  TO  THH  (sic) 
UfNI  OBfliAH,  A^  'TH  CAUk  BA3A^  NA  BAlUt^  3AnOBHIA>^}  H  l|ITO 
(sie)  TO  ^HHHHUJk,  TO  HHKOUS  HiSHHHHUlk  HCPO  UIHH,  A  l|IW 
UOlik   B^ACUIV    I6AA  IVACA83KHUW.     H   OHITA  UH    HO  Ml)fUIA^ 

WAnnuiHTC  3A  cbi,  kako  Smhhhti.  Uostro  Andrea  de  Stephane. 
FocnoAApS  AlApo  (gesehrieben  Mapa)  a^  3HA1|j  (sic),  kako 

3A8TPA  nO  UHAOCTH  TOCnOAHNA  BOPA  HOCHAAUk  HO  BaAH  Ilip- 
AHKOBIJ^S  UHCIUHHA  1200.  MOAHU  Ti,  TOH  HpHUH  H  HpOAAH, 
AOKAI  HHO  A^^^»  tf3AAU  8  BOPA,  A^  ^^  A^^iH  A^  "P^C  WA 
20  UApMA  OHH  pfCk,  HAH  fOTOBO  HAH  npATI}KH.  3a  TOH  Tl 
UOAHU,  AKO  BAU  Hl  AP^>*^9  A^  BHCTi  OBIHAAH  TCH  200  fifiKATA 
SA  UifiA,  H  OBO  TH  CC  0  OBAfPABAUk  3A  200  A^KATA  A^  '■""■^''X' 
CAUk  a  A^^AHk.  ObS  KHHPS  A^P^H  WA  UOHi  p8KC.  MOAHU 
Ti,  HIUOH  HHO  ShHHHTH.   !l  BH  HAU  3AnOBH(TC.   H  EOP  T(  BiCMH. 

lo  Andria  de  Stephane  scrissi  oon  la  mia  man  propria  in  Bosna.  Sabscripzio  - 
dno  Marino  de  Simon  batioro  sno  hooorandissimo.« 

(Diversa  Cancellarie  1550—155],  f.  253 y.— 254). 

V.  Ein  kirchlicher  Text  (XV.  Jahrb.). 
24.  Aus  einem  Zunfthuck  von  Stagno  (vgl,  das  FtMcsimüe), 

Ba  HUI  HcS-XpHCkTOBO.  AIh  BpATHU,  KOH  UOAHUO  WAUA^) 
BHKAPA,  A^  BH  HACk  ROAIOBHIV  H  UHAOCpkAHIS  ShHHHW,  A^ 
BSaIUO  kako  np(H)BI3AHH  Kk  BpATH  HIFOBH  AIOBABHIO  H  A^ 
BpHUI  HHHI6HHI6Uk,  1|I0  BHCkUO  UH  UOfAH  H  Wl|ll  Blltl,  HIPO 
CkUO  Ji^CCAH  BHAH,  UOAHUO  Wn,A  BHKApA  A^  WBAACTHIO,  KOlO 
HUA  «VA  ^^^^  ^  WA  ^AU^  ilAUi,  fi,A  HACk  npHAP^3KH  Kk  BpATH 
CKOHiVH,  A^  BSAIUO  AHWHHI4H  8  UOAHTBA)fk  H  S  UHCA)fk  HH)fk, 
KAKO  H  HHO  BA[b]H}KHCTBO  ^)  BpATHI6,  H  HAlUHJf '  UpTBH)f  k  fiJSUit 


1)  WHA. 


^  BliÜstYo,  -Btvo  propinqnitaa  s.  Rjeonik  d.  sttdsL  Akad.  1, 446. 


/? 


cTH/We  HCÖ  X-jIHCkT 

H  MOAHMo  wmm 

K4iflffff4CHtmnD 

■wo  ^epwH  KR 
'OEH  nra^HH)  Hyv 

IHHMH4€/Viwji  CHa 

jniMHioyjeHeAe- 

CTHH)  rtow  HM"?  oiEorg^  mw 
cÄiMne-|f4M4a  m»Mom 

KßBJHTTH  CJPHIUH  ^^e«0_ 

yy>iujHHp  omonvnwj^),  m 

MMG^UWlWl«  K4K0  I^HHO  CT 

fi,A  Eififi  Jk,HWHHU,H  8  UOAHTEdX'fc  H  8  UHCaX'k,  [KdKO]  H3B4UIH)^k 
UpTRHJfk  A^Ulf'     H  WHOH  AUSlUTBO,    l|10  RVfi,*U9  Kt^nHTH  Uffc9 

cOBOUf,  fi.A  cf  e8a(  WEpaliaTH  Hd  A^Epo  skr«BopeUk  WTivi 
KStgoAA  cTOHkcKorA  H  rBApAHHHd,  dAH  E^Af  noTpHEd  Keqshui 

AAH   E8A*    nOTpHEd  I^XBH,   Hd   ipo   npHCTdHf   Bifcd   CTpdIU  WA 


Beitrüge  sur  ragiuaidschen  Literaturgeschichte.  54 1 


HHJjH  OnaOÄHTE^k^ 
HE41JJIM*k  /l/l/TTEHnAÖlUeif 

hhth  Me^iOXOTOMe Ä4ce 

Alf u^    nammf  l^MUTBO 


/^ 


BpaukTBdy  Ha  To  A^  (<  "Ua  wspaTHTH  aroBopouc  w\\a  kS- 
i|JOAA  H  rsapAHaHa  h  hhi  spaTHie,  Kora  bh  ivhh  k  cibh 
np(H)TfrN8AH.  X  WBOH  BpaHTBo  fi,A  HH[c]Korap6  HfUOpfUO 
np(H]0TH  Bf3k  BOAi  k8i|ioa^bc  h  rBapAHUHOBi.    Üko  bh  ci 


542    ConBt  Jireoek,  Beitrüge  sur  raguBuiifichen  LiteratargeBchichte. 

Kür4/f6  Hemgf€MO  nßMl'il 
fVHMH0H6:    4IC0RHCe  TKT0M4 

/^HTH  HM€  Hfl^OEO  OAHCTOHH 

(MO  fföle  CTTöre  OTwf  Bor-^- 

RE714>K6 


omHO)KW  Kivjie^  cB6Tor4: 

TKO  HaiUaiV  MfliS  HAMH,  TKO  CH  Cl  N€  CKAa^AIV  C  HAUH  S 
WBOH  BpaUTKO,  A^  U9  UOpCMO  CUp(k)CHTH  HUI  NCrOBO  8  AHCT^ 
BHKapOBS.  9  TOH  MHNHUO,  A^  ^H  CMO  Bflif  CA^Pf  8  r(OCnO)A(H)HA 
BOFA  H  BAASKIHOPA  CB(f)TOrA  OpAHkMICKA  (sic)  H  A^  HAUk  Cf 
ABBABk   SMH0}KH    Kk   pi^^   CBITOPA   OpAHkHHCKA  (sic). 

Wien,  Neujahr  1899.  Dr.  Const.  Jirecek. 


543 


Die  cyrilüBclie  tosclirift  vom  Jahie  993. 


HaAHHCL  i^apa  Gasiyiua.  6.  H.  ycnencKaro  (S.  1 — 4).  —  H^ckoako 
saMi^amH  o  ns^fipacE  i^apa  Ganyiua.  T.  A.$jopiiHCKaro  (S.5 — 13).  — 
E^Mx  CaMyHJBEOBHA  HaAimcrB  oti  993  roAHHa.  Ot^e  ^'b  jI.  MHjeTHurB 
(S.  14 — 20).  Separatabdmck  ans  den  »nsB^cm  pycc.  apxeoxorH- 
^ecKaro  HHCTHryraB'BKoHCTaHTHHonojEic^  toitbIV,  1899,  Sofia  1899, 

20  S.  80. 

I. 

Das  älteste  bisher  bekannte  datirte  slavische  Denkmal  in  kyrillischer 
Schrift  war  das  in  Bussland  geschriebene  Evangelium  des  Ostromir  von  1056 
— 1057.  Es  ist  ein  Verdienst  des  kais.  russischen  archäologischen  Institutes  in 
Eonstantinopel  ein  noch  um  zwei  Menschenalter  älteres,  genau  datirtes  Stück 
entdeckt  zu  haben.  In  der  Kirche  des  Dorfes  German  am  Ostufer  des  Sees 
von  Prespa  im  westlichen  Makedonien  befindet  sich  ein  Grabstein,  den  im  J. 
6501  der  byzantinischen  Weltära  =  1.  September  992—31.  August  993  der  Car 
Samuel  seinem  Vater  Nikola,  seiner  Mutter  (Maria?)  und  seinem  Bruder  David 
aufgestellt  hat  Die  unten  rechts  beschädigte  Inschrift  (11  Zeilen)  lautet: 
t  Elk   HUA   IVTkl^a   H    CklHHA   H   CTÄrO   A^X^'   ^\^^  OaUOHA'k 

paB'k  E3k(h)  I  noAdra«  nauATk  (ivTkiii)|t^  h  uatiph  h  BfiAT{c\ 
h)a  Kp'kCT'kjf'k  CH()f'k)'  I  HUiHA  0YC'Kn'kui(H)f 'k :  Hh]|koaa,  pAB'k 

i}KH,  (MapH?)|-k,  ^ABA'K  (sie).    HanHCa   (SKf  CA  Slk)  |  AlSTO.OT'k 

cikTBO(piNHy  UHpo)|Y  •;r8^A-  HH'kAHfKTA  -Z-).  Wörtlich  fibersetzt: 
»•f  In  nomine  patris  et  filii  et  spiritus  sancti.  Ego  Samuel,  servus  dei,  pono 
memoriam  patri  et  matri  et  fratri  in  crucibus  hisee.  Nomina  defunctorum : 
Nicola,  servus  dei,  (Mari)a,  David.  Scriptum  est  anno  a  creatione  mundi  6501, 
indictione  (6)«. 

Eine  unsichere  Notiz  über  eine  Inschrift  im  Dorfe  German,  in  welcher 
der  Name  GailOHAlk  kenntlich  sei,  ist  in  einem  anonymen  Aufsatz  über  die 
Landschaften  von  Bitol,  Prespa  und  Ochrid  im  »Sbomik«  des  bulg.  Ministe- 
riums IV  (1891)  40  zu  lesen.  Der  verstorbene  Professor  Eitancev  hatte  i^m- 
lieh  1883  eine  von  einem  Einwohner  der  nahen  Stadt  Besen  1880  gemachte 
iSeichnung  des  Steines  gesehen,  in  welcher  er  nur  den  Namen  SamueFs  ent- 
ziffern konnte.  Die  Herren  Th.  I.  Uspenskij,  Director  des  russischen  archäo- 
logischen Institutes  in  Konstantinopel,  und  Professor  Miljukov  scheinen  nicht 
ohne  Schwierigkeiten  von  Seite  der  Einwohner  zu  diesem  Denkmal  gelangt 
zu  sein,  um  einen  Abklatsch  davon  zu  machen.  Die  Steinplatte,  aufgestellt 
in  der  1888  umgebauten  Dorf  kirche,  ist  nach  der  Beschreibung  von  Uspenskij 


544  Const  Jireoek, 

1.26  Meter  lang  und  0.62  breit.  Ansser  der  Inschrift  sieht  man  anf  dem  Steine 
die  Umrisse  von  drei  Krenzen,  auf  welchen  ursprünglich  metallische  ELrenze 
befestigt  waren,  von  denen  noch  Sparen  von  Nägeln  vorhanden  sind.  Uspen- 
skg  findet  es  auffällig,  dass  zwei  andere  Brtider  Samuel's,  Moses  und  Aron, 
nicht  genannt  werden,  die  nach  Drinov  um  993  nicht  mehr  am  Leben  waren ; 
Nikola  hält  er  für  einen  Klostemamen  des  Sisman,  Vaters  der  Brüder. 

In  der  zweiten  Abhandlung  verweist  Professor  Florinskij  darauf,  dass 
diese  kyrillische  Inschrift  aus  dem  Gebiet  der  Thätigkeit  des  Bischofs  Eli- 
ment  (f  916}  stammt,  nur  77  Jahre  nach  dessen  Tod  errichtet.  Klimenf  s  an- 
gebliche Grabinschrift  in  Ochrid  hielt  schon  Grigorovic  für  nicht  gleichzeitig. 
Florinskij  erwähnt  noch  eine  andere  Inschrift  in  Prilep,  auf  weloher  Hilferding 
die  Worte  A*KtO  ';rS^A*  (^^^^  ^  996—6)  cn^nk  gesehen  hat.  Die  Schrift- 
zttge  des  Grabsteines  von  Qerman  sind  nach  Florinskij  denen  des  Codex 
Suprasliensis,  des  Slepoenski  Apostel  und  des  Oktoich  von  Strumica  ähnlich, 
dabei  aber  immer  noch  der  griechischen  Schrift  des  IX — X.  Jahrh.  näher,  als 
den  sttdslavischen  Codices  des  XI. — XII.  Jahrh.  In  der  dritten  Abhandlung 
verweist  Prof.  Miletio  darauf,  dass  die  ältesten  bisher  sicher  datirten  bulga- 
rischen Inschriften  und  Codices  aus  dem  XUI.iJahrh.,  aus  der  Zeit  des  Caren 
Joannes  Asdn  II.  stammen  und  bespricht  das  Alter  der  kyrillischen  Literatur 
in  Makedonien  gegenüber  der  glagolitischen.  Cmoid  habe  Recht  mit  der  Be- 
hauptung, das  gUgolitische  Evangelium  Assemani*s  sei  nicht  lange  nach  dem 
Tod  Kliment^s  (916),  der  im  Synazar  des  Codex  erwähnt  wird,  geschrieben 
worden ;  die  ältesten  kyrillischen  Notizen  der  Handschrift  könnten  schon  aas 
dem  Ende  des  X.  Jahrh.  stammen.  Den  Gedanken,  Car  Symeon  habe  das 
Ueberwiegen  der  kyrillischen  Schrift  über  die  glagolitische  in  Ost-Bulgarien 
beeinflusst,  findet  Miletic  ganz  annehmbar;  in  West-Bulgarien  habe  das  aus 
dem  griechischen  umgeformte  kyrillische  Alphabet  wohl  kaum  Jemand  anderer 
als  Bischof  Kliment,  Symeon's  Zeitgenosse,  einzuführen  begonnen. 

Von  Interesse  ist  die  Notiz,  der  »hl.  Patriarch  Grerman«  sei  in  der  Dorf- 
kirche unter  deren  Fussboden  begraben.  Die  Dorftiamen  German  bei  Prespa 
und  bei  Sofia  (mit  Kloster)  und  deren  Zusammenhang  mit  dem  Cultus  des  hl. 
German  in  Bulgarien  habe  ich  in  meiner  Abhandlung  über  das  christliche 
Element  in  der  topographischen  Nomenclatur  der  Balkanländer  (S.  44,  46) 
hervorgehoben.  German  hiess  ein  Patriarch  der  bulg.  Kirche  in  der  Zeit  Sa- 
muePs:  Feg/iayocy  o  xal  Faß^ti^X,  Iv  BodivoZc  ical  kv  tj  UqicTiq  (Zachariae  von 
Lingenthal,  Beiträge  zur  Gesch.  der  bulg.  Kirche  S.  15,  M6moires  der  Peters- 
burger Akademie,  VII  s^rie,  t.  VIII,  Nr.  3, 1864) :  ohne  Zweifel  ist  die  St.  Ger- 
mansklrche  am  Ufer  des  Sees  von  Prespa,  um  die  sich  das  Dorf  gebildet  hat, 
seine  Stiftung.  Was  die  Verehrung  des  hl.  German  selbst  anbelangt,  der  von 
den  Bulgaren  am  12.  Mai,  also  am  Gedenktage  des  Konstantinopler  Patriarehen 
Germanos  (716 — 730)  gefeiert  wird,  verweise  ich  neuerdings  auf  die  merkwür- 
dige Stelle  bei  dem  Erzbischof  Theophylaktos  von  Ochrid  in  der  Legende  der 
Märtyrer  von  Tiberiopolis  (Migne,  Patrologia  graeca  vol.  126,  col.  201),  unter 
dem  Fürsten  Boris  sei  der  hl.  Germanos  in  Bulgarien  erschienen:  [Itpavrj  fikv 
o  aytos  FhQfAayog  knl  t^p  BovXyoQixfjs  x^^^- 

Ob  die  Eltern  Samuers  und  sein  Bruder  David  wirklich  in  der  Kirche 


Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993.  545 

von  German  begraben  liegen,  bezweifle  ich ;  der  Stein  kann  im  Laufe  der  Jahr* 
hunderte  ans  den  Kirchenruinen  auf  den  Inseln  des  Sees  dorthin  gebracht 
worden  sein.  Es  ist  bekannt,  wie  antike  und  mittelalterliche  Inscbriftsteine 
in  den  Balkanländern  besonders  bei  Neubauten  hin  und  her  geschleppt  werden. 
Residenzen  der  bulgarischen  Herrscher  der  Zeit  um  976 — 1018  befanden  sich 
auf  drei  Inseln  des  Sees  von  Prespa,  die  jetzt  Orad,  Mali  Grad  und  Abil  (Ail) 
genannt  werden.  Auf  der  letzten  Insel  befinden  sich  Ruinen  einer  Kirche 
des  hl.  AchilleuBi  des  Patrons  von  Thessalien,  dessen  Reliquien  Car  Samuel 
um  983  ans  Larissa  hierher  gebracht  hat.  Vgl.  Chr.  Loparev,  ^HTie  ob.  Axxjunji 
jQLapHCCKaro,  Bh9.  Bpeii.  lY,  363—4,  mit  ^avfxaxa  auch  im  Bulgarenland ;  Über 
den  YP^U*^  CBfTaro  OTkUa  flpkX'HAHn,  Sitz  des  Bischofs  von  Moravica 
im  jetzigen  Arilje,  vgl.  mein  Christi.  Element  39,  wo  noch  eine  Stelle  aus 
Kanitz,  Serbien,  Leipzig  1868,  143 — 144  nachzutragen  ist,  mit  der  Nachricht^ 
das  angebliche  Grab  des  hl.  Achilleus  in  Arilje  sei  in  der  That  leer.  Nach 
Michael  Attaleiates  starb  Samuel  auf  einer  Insel  des  Prespa-Sees:  Iv  x^  Xifi- 
yi(f  yrja<f  t^ff  Jlqianag  (ed.  Bonn.  230).  Nach  dem  »liber  gestorum«  des  hl. 
Vladimir  von  Dioklitien,  welchen  der  sogenannte  Presbyter  Diocleas  aus- 
geschrieben hat,  residirte  Car  Samuel  »in  partibus  Achridae  in  loco,  qui 
Prespa  dicitur,  ubi  et  curia  eiusdem  imperatoris  erat«  (ed.Cmciö  p.42),  ebenso 
Car  Joannes  Vladislay  in  der  »imperatoris  curia  in  loco,  qui  Prespa  dicitur«; 
vor  dem  Thore  der  dortigen  Kirche  wurde  der  hl.  Vladimir  enthauptet  und 
»in  eadem  ecclesiaa  begraben  (S.  44->45).  Erst  unter  der  byzantinischen  Herr- 
schaft wurden  bei  dem  Aufstand  1072  die  alten  Paläste  der  Caren  in  Prespa 
von  den  deutschen  und  fränkischen  SOldnem  der  Byzantiner  niedergebrannt 
und  dabei  auch  die  Kirche  des  hl.  Achilleus  ausgeplündert.  Künftige  archäo- 
logische Untersuchungen  sollten  ihr  Augenmerk  besonders  diesen  drei  See- 
inseln zuwenden. 

Die  Inschrift  von  German  bringt  auch  die  ganze  Controyerse  über  die 
Entstehung  des  westbulgariscfaen  Reiches  in  Erinnerung.  Kaiser  Joannes 
Tzimiskes  hatte  971  die  Russen  und  ihren  heidnischen  Grossfürsten  Svjatoslav 
nach  der  Eroberung  von  PrSslav  und  Drster  (das  röm.  Durostorum,  jetzt  Si- 
listria)  aus  Donau  -  Bulgarien  und  den  benachbarten  bulgarischen  Land- 
schaften Thrakiens  vertrieben,  den  bulgarischen  Caren  Boris  II.  aus  der  russi- 
schen Gefangenschaft  befreit,  aber  dann  nach  Konstantinopel  abgeführt  und 
sein  Land  dem  byzantinischen  Reich  einverleibt.  Die  Kämpfe  des  Kaisers 
Basilios  IL  (976—1025)  hatten  einen  anderen  Schauplatz,  nicht  Im  pontischen 
Gebiet  oder  an  der  Donau,  sondern  im  Westen,  im  Innern  Makedoniens,  Alba- 
niens, im  antiken  Dardania  und  Dacia  mediterranea,  in  Gebieten,  von  denen 
seit  den  Jahren  des  Kaisers  Mauricius  in  der  byzantinischen  Kriegsgeschichte 
wenig  die  Rede  ist  und  über  welche  selbst  Konstantinos  Porphyrogennetes 
nichts  berichtet.  Der  Absohluas  des  Kampfes  erfolgte  bei  Dyrrhachion  an 
der  Adriatischen  Küste.  Es  waren  Landschaften,  welche  die  Bulgaren  theil- 
weise  schon  unter  Boris  besassen  and  io  denen  Symeon  seine  Grenzen  ener- 
gisch erweitert  hat.  Symeon  hatte  noch  im  Kriege  mit  Kaiser  Leo  dem 
Weisen  (um  893—896)  30  Burgen  der  Provinz  von  Dyrrhachion  besetzt  und 
sie  im  Frieden  in  Folge  der  Bemühungen  des  Magistros  Leo  Choirosphaktes 

ArchiT  fftr  slavische  Philologie.    XXI.  35 


546  Const.  Jirecek, 

wieder  herausgegeben.  Ebenso  wollte  Symeon,  als  die  Araber  904  Thessa* 
lonich  überfielen  nnd  ausplünderten,  die  Stadt  besetzen  und  bevölkern,  bis 
ihn  Magister  Leo  auf  einer  neuen  Gesandtschaftsreise  bewog  davon  abzn- 
hissen  (Brief  des  Leo  Nr.  18,  ^eXtloy  rys^  icroQixijff  xal  i&yoXoyix^s  kxaiqiac 
trig'EXXa^os  I,  1883,  p.396:.  In  dem  zweiten  langjährigen  Kriege  913—927 
hatte  es  Symeon  besonders  auf  diesen  Westen,  die  Svüis  der  Byzantiner,  ab- 
gesehen (vgl.  die  Briefe  des  Patriarchen  Nikolaos  Mystikos  Nr.  9, 27 ;  ebenso 
des  ELaisers  Roman  l.  an  Symeon,  ^eXtIov  IV,  659  f.).  Nach  Symeon's  Tod 
begann  einer  seiner  Söhne,  der  enterbte  Mönch  Michael  einen  Aufstand  gegea 
seinen  gekrönten  Halbbruder,  den  Garen  Peter,  gerade  im  Westen ;  MichaeFs 
Anhänger,  die  nach  seinem  baldigen  Tod  das  byzantinische  Gebiet  heim- 
suchten, plünderten  am  Strymon,  in  Hellas  (Nordgriechenland  mit  der 
Proyinzialhauptstadt  Larissa)  und  bei  dem  epirotischen  NikopoHs  (Theoph. 
Cont.  420). 

Von  diesem  Westen  ist  in  der  Kriegsgeschichte  des  Kaisers  Joannes  Tzi- 
miskes  keine  Rede.  Der  Zeitgenosse  Leo  Diakonos  nennt  das  von  Tzimiskes 
eroberte  Land  Mvcia  (das  röm.  Moesien)  und  darin  die  Städte  Philippopel, 
PrSslav,  Pliskov,  ^iysia,  JoqvcroXog  oder  Jqi<nqa\  die  Chronik  des  Sky- 
litzes  nennt  noch  Konstantia  am  Meere  (Costanza  in  der  Dobrudza),  Jahja 
von  Antiochia  Dristra  und  »die  benachbarten  von  den  Russen  besetzten 
Festungen«  (in  der  Uebersetzung  von  Baron  Rosen  »u  conpex^JiBHUiz  ci»  HUM-b 
RptnocTu,  ROTopbiMH  saBjfafttjiH  Pycbi«,  S.  181).  Unter  Kaiser  Basilios  H.  er- 
scheint zehn  Jahre  nach  dem  Tode  des  Kaisers  Joannes /Tzimiskes  im  Cen- 
trum und  im  Westen  der  Halbinsel  wieder  ein  neuer  kräftiger  bulgarischer 
Staat;  in  den  Urkunden  des  Basilios  IL,  bei  Skylitzes  =  Kedrenos,  Kekau- 
menos,  Attaleiates  liest  man  BovXyaQoi,  BövXyaQia,  seltener  das  literarische 
Mvcoi\  Bulgaren  auch  bei  Jahja;  Bulgarini  in  der  St.  Vladimirslegende  bei 
Diocleas;  Bulgaria  bei  Durazzo  und  Valona  bei  den  Kreuzfahrern  und  Nor- 
mannen des  XL — XII.  Jahrh.  Es  wäre  an  und  für  sich  merkwürdig,  wenn 
schon  Tzimiskes  971  in  6inem  Jahre  alles  das  mit  Leichtigkeit  besetzt  hätte 
was  Basilios  IL  nnch  des  Tzimiskes  Tod  erst  durch  40  jährigen  Kampf  wieder 
erobern  musste. 

Die  Nachrichten  über  die  Entstehung  dieses  westlichen  Bulgariens  sind 
spärlich  und  unklar.  Eine  einheimische  Quelle  fehlt ;  die  bulg.  Visio  des  Pro- 
pheten Isaias  ist  kein  Ersatz  dafür.  Leo  Diaconus,  der  nächste  Zeitgenosse, 
erzählt,  wie  die  Mvaoi  während  der  Kämpfe  des  Basilios  IL  (976  f.)  mit  dem 
Gegenkaiser  Vardas  Skliros  Makedonien  verheerten,  beschreibt  als  Augen- 
zeuge den  Zug  des  Basilios  IL  (nach  Jahja  986)  bis  Serdica,  erwähnt  die  Er- 
oberung des  makedonischen  Berrhoea  von  diesen  Nachbarn,  sagt  aber  kein 
Wort  über  das  Verhältniss  dieser  »Mysier«  zu  denen,  die  Tzimiskes  unter- 
worfen hatte,  ebenso  nichts  über  die  Anführer  derselben.  Die  chronistischen 
Compilationen  des  Skylitzes,  beziehungsweise  des  Kedrenos,  die  eine  sorg- 
fältige neue  kritische  Ausgabe  verdienen,  erwähnen  eine  Revolution  der  vier 
» Komitop ulen«  angeblich  schon  gegen  Car  Peter  (f  969),  aber  dann  wieder 
einen  Abfall  der  Bulgaren  von  Byzanz  nach  dem  Tode  des  Tzimiskes.  Bei 
Jahja  wird  die  ganze  Erhebung  dieser  Bulgaren  als  ein  Aufstand  gegen  Baal- 


Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993.  547 

lios  IL  geschildert.  Bei  Eekannienos  ist  Samuel  bezeichnet  als  rvQauyo^  und 
anoaTcmj^,  aber  bei  ihm  ist  auch  Symeon  jvqayyoff,  da  er  die  byz.  Kaiser- 
würde usurpirte  und  byz.  Provinzen  eroberte.  Bei  Diocleas  erobert  der  grie- 
chische Kaiser  (ohne  Namen)  nach  dem  Tode  des  Garen  Peter  »totam  Bulga- 
riam«,  aber  nach  dieses  Kaisers  Tod  vertrieb  Samuel,  »qui  se  imperatorem 
vocari  juBsit«,  abermals  die  Griechen  »ex  tota  Bulgaria«;  die  Daten  stammen 
ohne  Zweifel  aus  der  St.  Vladimirlegende,  deren  Inhalt  der  Chronist  in  seiner 
Erzählung  excerpirte  und  redigirte. 

Von  grosser  Bedeutung  ist  dabei  eine  occidentalische  Notiz.  Kaiser 
Otto  I.  kehrte  972  nach  sechs  Jahren  aus  Italien  nach  Deutschland  zurück 
und  verweilte  973  im  März  in  Magdeburg,  zu  Ostern  in  Quedlinburg,  wo  sich 
bei  ihm  zahlreiche  Fürsten  und  Gesandte  einfanden,  darunter  auch  Gesandte 
»Bulgariorum«  (vgl.  Giesebrecht  I,  535,  787;  Kunik,  Al-Bekri  92).  Das  war 
noch  bei  Lebzeiten  des  Kaisers  Joannes  Tzimiskes  ff  Januar  976),  im  zweiten 
Jahre  nach  der  Eroberung  des  Bulgarenreiches  an  der  Donau  bei  Preslav  und 
Drster.  An  dieses  Factum  suchte  man  die  Erzählung  des  spanischen  Juden 
Ibrahim-ibn-Jakub,  erhalten  bei  Al-Bekri,  anzuknüpfen,  der  in  Merseburg 
am  Hofe  Otto^s  bulgarische  Gesandte  in  engen  Kleidern  mit  langen  Gürteln, 
an  welchen  goldene  und  silberne  KnOpfe  befestigt  waren,  gesehen  hat  (vgl. 
die  Schilderungen  Joannes  des  Exarchen  über  die  Trachten  am  Hofe  Sy- 
meon's  und  die  Notiz  Liudprand's  über  die  bulg.  Gesandten  in  Konstanti- 
nopel), und  Einigos  über  den  König  derselben  bemerkt,  der  eine  Krone, 
Sekretäre,  Provinziatgouverneure  und  Register  habe,  sowie  über  das  Christen- 
thum  der  Bulgaren  mit  dem  Evangelium  in  slavischer  Sprache.  Wann  war 
aber  Ibrahim  in  Merseburg?  Kunik  und  De  Goeje  verlegen  seine  Reise  uui 
das  J.  965,  Jos.  Jirecek  (Ö  Ö.M.  1878,  514;  vgl.  1880, 293)  zu  973.  Ich  bemerke, 
dass  Liudprand  in  der  Relation  (969)  Über  seine  Kon  stau  tinopler  Gesandt- 
schaft zu  Kaiser  Nikephoros  Phokas  dem  Otto  I.  die  »Bulgarorum  nuntiici 
am  byzantinischen  Hofe  968  mit  solchen  Details  über  Haartracht  und  Klei- 
dung (Legatio  cap.  19)  beschreibt,  als  ob  man  bei  Otto  solche  Leute  bis  dahin 
noch  nicht  gesehen  hätte ;  ist  diese  Anschauung  richtig,  dann  wäre  die  Reise 
Ibrahim^s  später  a^s  96S-— 9  anzusetzen.  Von  Wichtigkeit  ist  überdies  das 
Chrysobull  des  Kaisers  Basilios  IL  an  die  Kirche  von  Ochrid  vom  Mai  1020 
(Byz.  Z.  II,  44);  das  bulgarische  Erzbisthum  befand  sich  darnach  unter  dem 
Garen  Peter  in  Dristra,  wurde  dann  nach  Triaditza  (Serdica,  Srjideci  über- 
tragen, befand  sich  später  iy  xolg  BoSrivolg  (Voden)  xat  Iv  xolg  MoyXaivois 
(Moglen),  zuletzt  in  Ochrid;  es  erfolgte  also  eine  Reihe  von  Uebersiedelungen 
der  kirchlichen  Residenz  von  Ost  nach  West,  die  sich  nur  durch  Kriegs- 
zeiten und  Verschiebungen  auch  des  politischen  Centrums  erklären  lassen. 
Dass  die  westbulgarischen  Herrscher  in  Voden  und  Ochrid  residirten,  ist 
sicher.  In  der  Bestätigung  der  Kirchenprivilegien  durch  Basilios  IL  erscheint 
dabei  Samuel  wie  ein  unmittelbarer  Nachfolger  des  ßatsilBvg  JJixqog, 

Die  älteren  Werke  schreiben  die  Entstehung  des  westbulgarischen  Rei- 
ches einem  Aufstand  gegen  die  griechischen  Eroberer  nach  dem  Tode  des 
Kaisers  Tzimiskes  zu,  zur  Zeit  der  Erhebung  des  Gegenkaisers  Vardas  Skliros 
in  Kleinasien.  Eine  neue  Hypothese  stellte  Drinov  in  seinem  Buche  IOskhbio 

35* 


548  Gonst  JireSek, 

GjiaBHHe  H  BHsaHTiH  fb  X  b^k^  (Moskau  1876,  aus  den  '^TeHin)  auf:  das  bulga- 
rische Westreich  riss  sich  vom  Ostreich  schon  963  los;  Ejiiser  Joannes  Tzi- 
miskes  eroberte  nur  das  kleine  Ostreich  von  Prdslav ;  das  Westreich  ist  eine 
ununterbrochene  Fortsetzung  des  alten  bulgarischen  Reiches  Symeon's  und 
Peter's.  Diese  Theorie  fand  nicht  überall  Anerkennung.  Lipovskij  imSCMHüp. 
1891,  Nov.  (nach  Jahja)  erklärte  die  Entstehung  des  westbul garischen  Beiches 
wieder  durch  einen  Aufstand  gegen  die  Byzantiner.  Neuerdings  acceptirte 
aber  die  Ansicht  Drinov^s  Schlumberger  in  seinem  Prachtwerk  »L'epop^e  by- 
zantine  k  la  fin  du  dixiöme  siöcle.  Guerres  contre  Ics  Russes,  les  Arabes,  les 
Allemands,  les  Bulgares.  Lüttes  oiviles  contre  les  deux  Bardas.  Jean  Tzi- 
miscös.  Les  Jeunes  annöes  de  Basile  II  le  Tueur  des  Bulgares  (969—989)«, 
Paris  1696  (S.591  sagt  der  Verf.,  Drinov  habe  seine  Ansicht  »trös  yictorieuBe- 
ment  prouvö«). 

Ich  halte  diese  Hypothese  flir  ganz  berechtigt.  Die  byzantinischen 
Chronisten  bieten  keine  Nachrichten  über  Eroberungen  von  Burgen  mit 
byzantinischen  Besatzungen  im  Innern  des  Bulgaren landes  zu  Anfang  des 
Kampfes ;  daftlr  hat  sich  im  Osten  die  Garnison  von  Dristra  an  der  Donau 
gegen  die  Bulgaren  auch  später  gut  behauptet  (Eedrenos  II,  465).  Auffällig 
ist  auch  die  Colonisation  asiatischer  »Manichäer«  bei  Philippopel  noch  unter 
Kaiser  Tzimiskes  nach  dem  Krieg  gegen  die  Russen  in  Bulgarien  (Kedrenos 
II,  382).  Schon  früher  haben  besonders  die  Ikonoklasten  Armenier  und  Syrer 
als  Grenzsoldaten  in  Thrakien  gegen  die  Bulgaren  angesiedelt  Warum  hat 
Tzimiskes  diesen  Colonisten  nicht  bei  Dristra  oder  sonst  an  der  Donau,  an 
der  neuen  Reichsgrenze,  Wohnsitze  angewiesen?  Es  war  wohl  noth wendig, 
auch  bei  Philippopel  die  Grenze  zu  decken  gegen  dasTrajansthor,  dieBovXya- 
Qixij  xXelaic  des  Joannes  Geometres  auf  dem  Weg  nach  Serdica  und  gegen  das 
nicht  unterworfene  Bulgarien  des  Westens.  Es  gibt  übrigens  ein  bisher  unbe- 
achtetes Zeugniss  eines  hervorragenden  Byzantiners  des  XI.  Jahrh.,  der  aus- 
drücklich sagt,  Kaiser  Basilios  II.  habe  das  grosse,  schwer  zu  bekämpfende 
Bulgarien  unterworfen,  das  seit  langer  Zeit  keinem  derKaiser  unter- 
worfen war.  Michael  Attaleiates,  der  unter  den  Kaisem  Romanos  Dio- 
genes, Michael  VII.  Dnkas  und  Nikephoros  Botaneiates  hohe  Würden  be- 
kleidete, spricht  in  seinem  1079 — 1080  vollendeten  Geschichtswerk  über  die 
Kriege  des  Kaisers  Basilios  11.  und  die  Unterwerfung  »ttjc  BovXya^lac  dva- 
DLajafxaxrjxov .  itai  noXXrjg  utai  dvaaXanov  ytvfatfxofjiivrjg  Ttaytanaaiy,  xal  fitj- 
deyl  xioy  ßaffiXiiay  vnoxayelai]c  Int  noXh  xal  Ttaqit  rovxo  fiif  Styieiaiff 
rj  Bv^ayjog  to  aviaifxov  xal  rrjv  )(iaqriyiav  jtav  iivayxaitav  (ed.  Bonn,  p.234). 

Die  Lostrennung  des  bulgarischen  Westens  vom  Osten  war  wohl  eine 
Folge  derOccupation  Donau-Bulgariens  durch  Svjatoslav's  heidnische  Russen 
in  den  J.  969—971,  nach  dem  Tode  des  Garen  Peter  (f  969),  als  Peter's  Sohn 
Boris  II.  mit  seinem  Hofe  Gefangener  des  GrossfUrsten  Svjatoslav  war.  Als 
Liudprand  kurz  zuvor  968  in  Konstantinopel  weilte,  gab  es  jedenfalls  noch 
ein  einheitliches  Bulgarien  unter  »Petrus,  Bulgarorum  vasileus«,  durch  dessen 
Gebiet  die  Ungarn  ihre  Streifzttge  bis  über  die  byzantinisch -bulgarische 
Grenze  hinaus  zu  unternehmen  pflegten. 

Die  Männer,  die  an  der  Spitze  dieses  westlichen  Reiches  standen,  führ- 


Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993.  549 

ten  theils  altbulgarische  (nichtslavische),  theils  slavische,  theils  byzantinisch- 
christliche  Namen.  Diese  Krakras,  Elemagos,  Kaukanos  n.  s.  w.  waren  Nach- 
kommen der  »bnlgarici  rectores«,  wie  sie  FUrst  Omortag  827  nach  der.  ße- 
richten  der  karolingischen  Annalen  bei  den  »Sclavi  in  Pannonia«  nach 
Vertreibung  von  deren  »duces«  einsetzte,  der  bulgarischen  »comites«,  wie  sie 
in  den  Legenden  der  Zeiten  des  Boris  und  Symeon  vorkommen,  und  der 
fisyiaräye^  des  Symeon,  wie  sie  bei  Theoph.  Cont.  413  aufgezählt  werden. 
Nur  waren  sie  aus  Provinzialgouvemeuren  halb  unabhängige  Herren  mit  Bur- 
gen und  Haustruppen  geworden  {jnByiarayes'  ....  /tiera  x&v  oixeitoy  ^xaaxos 
TttyfiartDy,  Kedrenos  II,  469).  Es  war  der  beste,  kriegerischeste  und  kräf- 
tigste Theil  des  altbulgarischen  Adels.  Die  Nachkommen  der  ßoiXaSe^  und 
ßayaiyoi  an  der  unteren  Donau,  einst  der  Kern  des  Bulgarenvolkes,  waren 
während  der  Invasion  Svjatoslav^s,  der  nach  dem  Einmarsch  des  Tzimiskes 
in  Bulgarien  in  Drster  an  300  bulgarische  Edelleute  enthaupten  Hess  (Leo 
Diaconus  1.  VIII,  cap.  9),  grOsstenthells  aufgerieben  worden ;  daher  die  poli- 
tische Bedeutungslosigkeit  der  unteren  Donaul andschaften  in  der  nächst- 
folgenden Zeit.  An  der  Spitze  des  Westens  standen  vier  »Grafen söhne«, 
Eomitopulen  der  Byzantiner,  Söhne  eines  xofirjg.  Der  Titel  ist  gar  nicht 
ungewöhnlich.  Die  Legende  der  Märtyrer  von  Tiberiopolis  vom  Erzbischof 
Theophylakt  nennt  einen  Comes  Taridenos  unter  Fürst  Boris  und  einen  Comes 
Distros  unter  Symeon,  beide  in  Makedonien.  Auch  auf  der  neugefundenen 
bulgarisch -byzantinischen  Grenzsäule  von  Narys-köi  bei  Thessalonich  aus 
dem  J.  6412  (903—4)  wird  ein  Comes  Dristros  genannt,  nach  Balascev  (E-^jir. 
üperjcAi  1898,  März,  S.75)  identisch  mit  dem  Distros  der  Legende:  ^Exovg 
äno  TnicBios  xocfAov  jKf-gviß-  Iv^ixji&vog  C»  oqog  ^'Pta/naioDy  xal  BovXyaqtay 
inl  £vfjiBoty  Ix  &eov  uQxoyrog  Bovkyagtoy,  ini  G6oS(üQov''OXyov  Tqaxavov^  inl 
JqiaT^ov  xofAitovv  (Ausg.  von  Uspenskij,  mir  zugänglich  nur  in  der  Repro- 
duction  im  Viz.  Vremennik  VI,  215)  *).  Der  xofÄtjg,  Vater  der  Komitopulen, 
erscheint  im  Pomenik  von  Zografu  als  Sisman,  ebenso  als  »Sümanm  inipera- 
tor«  in  einer  dalmatinischen  Urkunde  angeblich  von  994,  die  aber  fabricirt 
wurde  in  einer  Zeit,  wo  Tmovo  die  Hauptstadt  Bulgariens  war,  im  XIII. — XIV. 
Jahrh.  (vgl.  Raoki,  Documenta  23,  28).  Sein  Sohn  nennt  ihn  aber  auf  dem 
Stein  von  German  Nihda,  Ich  glanbe  nicht,  dass  dies  ein  Klostername  ist. 
Die  Leute  dieser  Zeit  führten  in  der  Begel  zwei  Namen,  einen  nationalen  und 
einen  kirchlichen :  Fürst  Michael  Boris,  der  Boljare  Greorgios  Sursuvulis ;  ebenso 
hiess  SamuePs  Nachfolger  und  Sohn  Gabriel  oder  Roman,  auch  Radomir  ge- 
nannt (alle  drei  Namen  bei  Kedrenos,  Gabriel  Radomir  im  Pomenik  des  Gri- 
gorovic,  Radomir  bei  Diocleas),  sodann  der  letzte  Gar  Joannes  Vladislav. 
Nationale  Namen  neben  christlichen  finden  wir  später  auch  bei  den  serbischen 
Nemanjiden. 

^)  Der  eigentliche  Entdecker  des  Steines  (es  sollen  zwei  Säulen  mit 
ganz  identischen  Inschriften  sein),  der  »schwedische  Reisende«  bei  Herrn 
Balascev  S.  61,  ist  der  dänische  Archäologe  Dr.  phil.  K.  F.  Kinch  aus  Kopen- 
hagen, dessen  Bekanntschaft  ich  im  Juli  1898  in  Wien  gemacht  habe.  Es 
wäre  sehr  zu  wünschen,  er  selbst  möge  über  den  wichtigen  Fund  Bericht 
geben. 


550  Gonst  Jirecek, 

Auffällig  siod  die  alttes tarnen tlichen  Namen  der  vier  Komitopulen: 
David,  Moses,  Aron.  Samuel.  Solche  Namen  waren  aber  im  Osten  im  IX. — 
XII.  Jahrb.  gar  nicht  selten.  Schon  die  Namen  des  ersten  christlichen  Herr- 
schers von  fiulgarien  und  seiner  Söhne  (im  Evangelistar  von  Cividale,  uspr. 
von  Aquileja)  gehören  in  diese  Kategorie:  der  Vater  Michael,  die  Söhne 
Gabriel,  Symeon  und  Jacob.  Ein  Sohn  Symeon^s  hiess  Beniamin  (Theoph. 
Cont.  412,  Baianus  bei  Lludprand).  Einer  der  »Sedmo^islennici«,  der  Glaubens- 
boten von  Makedonien,  führt  den  alttestamentarischen  Prophetennamen  Naum. 
In  Oberalbanien  gab  es  eine  Kirche  des  hl.  Salomo  (Glasnik  15,287),  in  Make- 
donien in  der  Eparchie  von  LSsnovo  eine  des  hl.  Elisäus  (Glasnik  27,  290). 
Benjamin  von  Tudela,  ein  spanisch-jüdischer  Beisender  des  XII.  Jahrb.,  war 
erstaunt,  dass  die  Wlacben  der  Gebirge  Thessaliens  jüdische  Namen  führen 
(»suisque  judaica  nomina  imponunt«,  lat.  Uebers.  bei  Tafel,  De  Tbessalonica 
473).  In  Ungarn  heissen  im  XI.  Jahrb.  zwei  Arp&den  Samuel  und  Salomon. 
In  Venedig  beachte  man  die  alten  Kirchen  am  Canal  Grande:  San  Moiae,  San 
Geremia,  San  Zaccaria  (errichtet  unter  Kaiser  Leo  dem  Armenier),  San  Sa- 
muele. In  Antivari  hiess  eine  Patricierfamilie  im  XIV. — XVI.  Jahrb.  Samoili, 
Samoele,  Samuelis.  In  Byzanz  gehören  hierher  zwei  Kaiser  Isaak  (Komnenos 
und  Angelos),  die  Chronisten  Joel  und  Manasses,  Grosse,  die  den  Namen 
Senacherim  führen  u.  s.  w.  Diese  Erscheinung  verschwindet  zum  Scbluss 
des  Mittelalters,  ausser  den  Klöstern,  wo  Mönche  heute  noch  Samuel  oder 
Mojsej  zu  heissen  pflegen. 

Samuel  wird  in  der  Inschrift  ohne  Garentitel  genannt.  David  erscheint 
als  Gar  in  den  Pomeniks  (kirchlichen  Gedenkbüchern).  Abgebildet  ist  er  bei 
^efaroviö,  CxeMaTorpa^ifl,  Wien  1741  (ohne  Text).  Der  Mönch  Paysij  (1762) 
schreibt,  Gar  David  sei  freiwillig  Mönch  geworden  und  habe  die  Begierung 
seinem  Bruder  Samuel  überlassen ;  seine  Reliquien  wurden  nach  Ochrid  über- 
tragen (Ausg.  von  A.  Teodorov,  Tp^M-B  na  ÖXjir.  cjOBecHocTB,  Heft  1,  1898, 
S.  110).  Vom  Grab  am  See  von  Prespa  ist  in  dieser  Notiz  unbekannter  Pro- 
venienz keine  Rede.  Nach  Skylitzes  (Kedrenoe)  wurde  David  zwischen  Kasto- 
ria  und  Prespa  bei  einer  Oertlichkeit  KaXäg  tf^ü^,  »die  schönen  Eichen«,  von 
nomadischen  Wlacben  (Parteigängern  der  Byzantiner?)  getödtet  (zum  Namen 
vgl.  KaXit  ^iydqa  in  Thrakien,  Anna  Komnena  VIII,  cap.  6;  zur  Sache  vgl. 
die  charakteristischen  Gruppen  von  zwei  Eichen  bei  Florina  u.  s.  w.,  Barth, 
Reise  155).  Moses  ist  bei  einer  Belagerung  von  Seres  gefallen,  unsicher  wann 
(Kedrenos).  Aron  suchte  Verbindungen  mit  den  Byzantinern  oder  wollte  sich 
selbst  der  Regierung  bemächtigen  und  wurde  nach  Kedrenos  (II,  435]  auf  Be- 
fehl SamuePs  angeblich  mit  seinem  ganzen  Geschlechte  {nayysyei)  getödtet 
bei  Razmetanica,  einem  Zufluss  des  D^ermen  bei  Dupnica  (Cesty  po  Bulharskn 
451) ;  in  der  Sf.  Vladimirlegende  bei  Diocleas  (ed.  Crnoid  43)  lässt  Kaiser 
Basilios  IL  dem  Joannes  Vladislav,  Aron^d  Sohn,  sagen :  »Quare  non  vindicas 
sanguinem  patris  tui?  . . .  accipe  regnum  Samuelis,  qui  patrem  tuum  et  fra- 
trem  suum  interfecit«.  Das  Datum  ist  unbekannt.  Diese  Katastrophe  kann 
auch  um  999  erfolgt  sein,  einige  Jahre,  nachdem  Samuel  den  Grabstein  seinen 
Eltern  und  seinem  Bruder  David  gesetzt  hatte. 

Die  Erörterung  der  Fragen,  welche  die  kyrillischen  Schriftzeichen  der 


Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993.  55  j| 

Inschrift  von  German  betreffen,  Überlasse  ich  den  Kennern  altslavischer  Pa- 
läographie.  Die  kyrillische  Schrift,  ein  modificirtes  griechisches  Uncial- 
aiphabet,  hat  eine  gewisse  Familienähnlichkeit  mit  der  koptischen  Schrift; 
Kopten  und  Slaven  haben  die  griechischen  Formen  oft  so  mechanisch  copirt, 
dass  sie  z.  B.  beide  das  griechische  Doppelzeichen  oy  fUr  den  einfachen  Laut 
u  beibehielten.  Zur  Beurtheilung  der  ältesten  kyrillischen  Typen  sind  auch 
die  griechischen  Inschriften  der  heidnischen  Bulgaren  des  IX.  Jahrh.  heran- 
zuziehen, die  jetzt  immer  häufiger  zum  Vorschein  kommen.  In  officiellen 
Acten  dominirte  das  Griechische  in  Bulgarien  lange  Zeit,  nicht  nur  unter 
Omortag  und  Malamir,  sondern,  wie  die  Grenzinschrift  von  903 — 904  zeigt, 
noch  unter  Symeon.  Die  griechischen  Schriftzeichen  waren  den  Boljaren, 
Kaufleuten  u.  A.  allgemein  bekannt.  Dies  musste  naturgemäss  zu  einer  Adap- 
tixung  der  griechischen  Uncialschrift  für  das  Slavische  führen. 

Wien,  17.  Juli  1 899 .  C.  Jireoek. 

IL 

Zur  Paläograpbie  der  Inschrift. 

Nebst  ihrem  Inhalte,  der  die  bulgarische  Geschichte  angeht,  ver- 
dient diese  Inschrift  auch  nach  ihrer  graphischen  Seite  die  grösste  Be- 
achtung. Sie  ist  ja  derzeit  das  älteste  genau  datirte  Denkmal  des  slavi- 
schen  Schriftthums.  Allerdings  reichen  einzelne  glagolitische  Buch- 
staben in  der  Urkunde  vom  J.  982  um  elf  Jahre  weiter  zurück,  allein 
die  Forschung  über  diese  Urkunde  betrachte  ich  selbst  nach  der  wieder- 
holten Besprechung  des  Gegenstandes  durch  I.  I.  Sreznevskij  noch  nicht 
für  abgeschlossen.  Ich  will  vor  allem  bemerken,  dass  mir  die  im  IV.  Band 
der  Ii3B^cTifl  des  ruasischen  archäologischen  Institutes  zu  Constanti- 
nopel  im  Text  gegebene  Reproduction  der  Inschrift  nicht  ausreichend 
und  nicht  plastisch  genug  erschien  —  das  photographische  Facsimile 
war  aber  dem  mir  aus  Sofia  zugekommenen  Sonderabdruck  nicht  bei- 
gelegt — ,  darum  bat  ich  Prof.  Speranskij  gelegentlich  seines  letzten 
Aufenthaltes  in  Abbazia,  mir  ein  photographisches  Facsimile  der  In- 
schrift, das  ihm  zugänglich  war,  zu  verschaffen,  was  er  auch  aufs 
bereitwilligste  that,  wofür  ich  ihm  öffentlich  meinen  Dank  sage.  Nach 
dieser  mir  aus  Nje£in  zugekommenen  Photographie  wurde  die  Inschrift 
in  diesem  Heft  der  Zeitschrift  reproducirt.  Freilich  ist  der  Massstab  der 
Reproduction  gegenüber  der  Originalgrösse  der  Steinplatte  sehr  klein. 
Nach  Angaben  des  Directors  des  russ.  archäol.  Institutes  zu  Constanti- 
nopel,  Prof.  Th.  J.  Uspenskij,  hat  die  Steinplatte  eine  Länge  von  1.25  Meter 
und  eine  Breite  von  0.52  Meter.  Die  Inschrift  selbst  nimmt,  wie  man 
an  unserem  Facsimile  sieht,  ein  bescheidenes  Plätzchen,  im  unteren 
Winkel  der  viereckigen  Platte  rechts,  ein.  Das  Ganze  sieht  so  aus,  als 
ob  man  für  die  weiteren  Eintragungen  Raum  sparen  wollte.  Allein  die 
drei  Kreuze,  auf  die  sich  auch  der  Inhalt  der  Inschrift  bezieht,  sind 
wenn  auch  nicht  gerade  symmetrisch  ausgemesseo,  dennoch  über  die 


552  V.  Jagid, 

ganze  Platte  in  ungefähr  gleichen  Zwischenräamen  so  angebracht,  dass 
man  von  einer  Bewahrung  des  Raumes  fOr  ein  weiteres  Kreuz  n.  dgl. 
nichts  merkt,  wenn  auch  das  erste  Kreuz  von  dem  grosseren  zweiten 
etwas  weiter  abseits  steht,  als  das  dritte  vom  zweiten. 

Die  Inschrift  ist  in  cyrillischer  Schrift  abgefassf,  was  zwar  durch- 
aus nicht  auffällt,  da,  wie  ich  bereits  vor  Jahren  sagte,  seit  der  Be^e- 
rung  des  griechischen  Zöglings,  Kaisers  Symeon,  das  Uebergewieht 
dieser  Schrift  bald  gesichert  gewesen  zu  sein  scheint.  Dennoch  hätte  uns 
auch  eine  Inschrift  mit  glagolitischen  Schriftzflgen  nicht  gerade  ins  Er- 
staunen versetzt,  weil  wir  bekanntlich  in  dem  nordwestlichen  Winkel  des 
Sttdslaventhums,  auf  der  Insel  Veglia  in  Quarnerobucht,  sehr  alte  glago- 
litische Inschriften  besitzen.  Fdr  Bulgarien  und  Macedonien  liegt  ttbii- 
gens  sehr  nahe  eine  andere  Annahme,  nämlich  dass  man  seit  dem  Auf- 
kommen der  cyrillischen  Schrift  den  Gebrauch  derselben  gegenfiber  der 
glagolitischen  in  griechischer  Weise  so  regelte,  dass  man  z.  B.  fflr  epigra- 
phische Zwecke  au^chliesslich  die  cyrill.  Schriftzflge,  entsprechend  der 
griech.  Unciale,  anwendete,  während  das  Glagolitische  als  die  übliche 
Bücherschrift  galt.  Darum  möchte  ich  aus  der  vorliegenden  Inschrift 
durchaus  nicht  den  Schluss  folgern,  dass  zu  Ende  des  X.  Jahrb.  in  Mace- 
donien die  cyrillische  Schrift  angeblich  bekannter  und  verbreiteter  ge- 
wesen war  als  die  glagolitische.  Die  Inschrift  darf  nur  für  die  Inschriften 
das  Zeugniss  abgeben,  und  für  diese  möchte  ich  im  Sinne  der  Auffassung 
jener  Zeiten  allerdings  die  cyrillischen  Schriftzüge  als  Regel  gelten 
lassen,  allein  für  die  Bücher  Hess  sich  die  glagolitische  Schrift  selbst 
nach  dem  Aufkommen  der  cyrillischen  nicht  so  schnell  und  nicht  so 
leicht  verdrängen.  Den  sichersten  Beweis  dafür  liefern  die  zahlreichen 
glagolitischen  Codices  des  X. — XI.  Jahrb.,  die  wir  bisher  kennen,  sei  es 
in  grösserem  Umfange,  sei  es  in  Bruchstücken,  deren  Provenienz  be- 
kanntlich mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  Macedonien,  einschliess- 
lich des  Athosgebietes,  hinweist.  Erst  im  XII.  Jahrhundert  wird  auch 
hier  die  cyrillische  Schrift  das  Uebergewieht  bekommen  haben.  Und 
doch  sind  in  dem  Bologner  Psalter,  der  bekanntlich  bei  Ochrida  ge- 
schrieben wurde,  die  glagolitischen  Einschaltungen  mit  so  sicherer  Hand 
geschrieben,  dass  man  schon  aus  kalligraphischen  Motiven  auch  für  das 
Ende  des  XII.  Jahrh.  die  glagolitische  Schrift  in  Macedonien  noch  nicht 
als  ausgestorben  ansehen  darf.  In  den  östlichen  Gebieten  Bulgariens 
muss  allerdings  die  Oberherrschaft  der  cyrillischen  Schrift  viel  früher, 
und  zwar  schon  im  X.  Jahrb.,  sich  vollzogen  haben,  da  man  sonst  den 
ausschliesslichen  Cyrillismus  in  Russland,  das  seit  dem  X.  Jahrh.  seinen 
Bedarf  an  Büchern  aus  Constantinopel  und  Bulgarien  deckte,  nicht  leicht 
erklären  könnte.  Ich  müsste  also  der  Ansicht,  als  ob  diese  Inschrift 
irgend  etwas  gegen  den  Glagolismus  zu  Ende  des  X.  Jahrh.  in  Mace- 
donien beweisen  kann,  entschieden  widersprechen.  Wenn  Prof.  MiletiS 
in  seinen  sehr  hübschen  Bemerkungen  »Kxmie»  CaMyHJOBHA  Ha^nnc^  otb 
993  roAHHaff,  veranlasst  gleichsam  durch  die^e  Inschrift,  die  cyrillischen 
Znsätze  im  Assemanischen  Evangeliarinm  schon  ins  zehnte  Jahrhundert 


H 


I 
\ 


Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993.  553 

versetzen  möchte,  so  muss  ich  vor  solchen  etwas  voreiligen  Combina- 
tionen  warnen.  Da  ich  jene  cyrillischen  Zusätze  nicht  selbst  gesehen, 
so  ziehe  ich  bis  auf  weiteres  vor,  dem  verstorbenen  Örni^id  Olanben  zu 
schenken,  der  sie  fttr  jünger  hielt. 

Eine  gewisse  Abhängigkeit  der  cyrillischen  Graphik  der  Inschrift 
SamnePs  von  den  Grandzügen  der  glagolitischen  Graphik  wurde  bereits 
von  Prof.  MiletiS  richtig  hervorgehoben.  So  ist  z.  B.  das  auffallend 
kleine,  nur  die  obere  Hälfte  der  Zeilenhöhe  einnehmende  A  (^^  ^^^  Zei- 
len 2,  9,  11)  gewiss  nicht  unabsichtlich  so  klein  ausgeführt,  vielmehr 
werden  wir  an  ganz  gleichaiiige  Erscheinungen  bei  den  glagolitischen 
00  und  A  in  den  Rijewer  Fragmenten  erinnert.  Auch  das  stemartige  }K  ist 
sehr  klein,  wie  öfter  der  entsprechende  glagol.  Buchstabe  in  den  Kijewer 
Fragmenten.  Das  gilt  einigermassen  auch  von  dem  lückenhaft  erhaltenen 
Buchstaben  UJ.  Für  eine  Annäherung  an  die  glagolitische  Gestalt  « 
möchte  ich  auch  8  (statt  s)  erklären.  Wie  in  den  glagolitischen  Schrift- 
zügen die  Wendung  des  Kopfes  dieses  Buchstaben  nach  links  die  üb- 
lichere ist,  so  ist  auch  in  unserer  Inschrift  8  geschrieben,  während  das 
Ostromirische  Evangelium  oder  die  Inschrift  GlSb's  S  schreibt.  In  südsl. 
Texten  kommt  beides  vor,  üblicher  ist  s.  Die  für  eine  Inschrift  auf  Stein 
gewiss  sehr  bezeichnende  Neigung  zur  Abrundung  bei  einigen  Buch- 
staben in  ihren  unteren  Theilen  statt  der  später  üblicheren  Dreieckigkeit 
(so  in  'k,  k,  in  B,  R,  in  tsj  könnte  ebenfalls  aus  dem  Zusammenhang  der 
cyrill.  Schriftzüge  mit  den  abgerundeten  glagolitischen  Formen,  aus  der 
Neigung  der  Hand  des  Schreibenden  zum  runden  glagolitischen  Ductus 
erklärt  werden,  int$ofem  hier  statt  der  später  mehr  dreieckigen  Figur  in 
den  unteren  Bestandtheilen  dieser  Buchstaben  nach  den  glagolitischen 
Vorbildern  noch  die  abgerundete  Form  vorherrschte.  Die  Wiedergabe 
des  später  als  u  fixirten  Lautes  durch  'RH  zeugt  ebenfalls  von  einer 
alten  Periode  der  cyrillischen  Graphik,  in  welcher  die  später  allein 
übliche  Combination  noch  nicht  fest  stand ;  bekanntlich  fand  ein  solches 
Schwanken  auch  in  den  glagolitischen  Denkmälern  älterer  Zeit  statt,  wo 
man  neben  dem  üblichen  «eT  auch  noch  «es  schrieb.  Namentlich  aber  ist 
der  Zusammenhang  der  cyrill.  Graphik  mit  der  glagolitischen  erkennbar 
an  der  Anwendung  des  'k  statt  ta,  an  der  Verwendung  des  i  für  I6.  In 
dieser  Inschrift  kommt  wirklich  kein  a,  kein  i€  vor,  zufällig  auch  einmal 
Xk  statt  des  erwarteten  uk;  die  Buchstaben  iHrju  nnd/f  begegnen  über- 
haupt auf  der  Inschrift  nicht. 

Die  Form  der  Buchstaben  AßriSH.KAMHOnpcTist  ganz 
die  übliche  gleichzeitige  griechische,  und  zwar  in  ihrem  aufrechtstehen- 
den runden,  nicht  in  dem  spitzigovalen,  nach  rechts  gesenkten  Typus,  der 
bekanntlich  in  den  ältesten  cyrill.  Handschriften  der  südslav.  Provenienz 
nicht  selten  begegnet.  Die  Figur  des  Buchstaben  a  (im  Inneren  mit  der 
winkelig  gebrochenen  Linie]  kehrt  in  der  Schrift  mittlerer  Grösse  des 
Ostromirischen  Evangeliums  (in  den  Bestandtheilen  des  Synaxars]  und  in 
der  Inschrift  Gl€b's  vom  J.  1063  wieder.  Der  kleine  runde  Kopf  im  P 
begegnet  dann  und  wann  in  sehr  alten  slav.  Handschriften  und  könnte 


Die  oyrilliBche  Inschrift  vom  Jalire  993.  555 

ebenralls  anf  der  Vorliebe  zti  Rnndnngen  in  den  Vorbildern  des  gU^lit. 
Alphabetes  beruhen.  Einst  fiel  die  Zeichnung  des  Baehstaben  P  in  dem 
Eondrat-Fi-ngment  dem  verstorbenen  SafaHk  sehr  anf,  er  sprach  von 
griechischem  Einflnss.  AlterthOmlich,  zu  Codes  saprasl.  o.  ä.  ganz 
vortrefflich  stimmend,  ist  die  Figur  des  Bnohstaben  H,  d.  h.  H.  Das 
neben  oy  angewendete  t(  hat  nicht  nnr  im  griechischen  Alphabet  sein 
Vorbild,   sondem  st«ht  auch  dem  einheitlichen  glagolitischen  Zeichen 


Die  cjrilliache  loBchrift  993. 

9  n&her.  Anch  die  Inschrift  GlSb'a  wendete  9  an.  Fttr  das  hohe  Alter 
des  graphischen  Typus  der  Inschrift  kann  noch  auf  die  verhältnissmasBig 
grosse  Breite  der  Bnohstaben  H  K  A  H  n  hingewiesen  werden.  Dasselbe 
wird  anch  darch  den  tief  in  der  Hilte,  jaselbat  unter  der  Uitte  laufenden 
Querstrich  bei  H  stark  charakterisirt.  Das  gilt  auch  von  dem  ziem- 
lich tief  liegenden  und  recht  weit  herausr^enden  Querstrich  bei  dem 
Buchstaben  'K. 

Bei  der  Wiedergabe  einzelner  WOrter  sieht  man  die  Neigung  zur 
vollen  Setzung  aller  Buchslaben  ohne  Abbreviaturen.  Da  man  aber  in  den 


556  V.  J«giö, 

griechischen  Vorbildern  schon  an  die  Abbreyiationen  bei  vielen  flblichen 
und  häufig  wiederkehrenden  Wörtern  gewöhnt  war,  wobei  das  Zeichen  der 
Kürzung  in  Anwendung  kommen  musste,  so  setzte  man  auch  in  dieser 
Inschrift  das  Titla- Zeichen  auf  die  voll  ausgeschriebenen  Wörter 
UFTkU^a,  CkHHa,  ^Qy)(A,  —  wo  kein  Grund  dafflr  vorhanden  war  —  und 

auf  die  wirklich  gekürzten  Ausdrücke  CTÄro  fflr  CBAxaro,  E3KH  fOr 
E03KHH.    Voll  ausgeschrieben  und  doch  mit  Titla-Zeichen  versehen  ist 

auch  KpkCT'K]^'k.  Ob  am  Ende  der  vierten  Zeile  WTkH  oder  OTki^ 
zu  lesen  war,  das  wissen  wir  nicht,  aber  auf  S  der  nftchsten  Zeile  steht 
schon  wieder  das  Titla-Zeichen  nur  darum,  weil  man  in  griechischen 
Vorbildern  das  Wort  TtarYjQ  in  allen  möglichen  Casnsendungen  zu  kür- 
zen pflegte.  Beachtenswerth  übereinstimmend  mit  dem  Grundsatze  der 
ältesten  Orthographie  ist  die  volle  Schreibung  der  Präposition  OT'k  statt 
des  später  viel  üblicheren  (0. 

Man  kann  dem  Steinmetz  keine  grosse  Geschicklichkeit  in  der  Aus- 
führung dieser  Inschrift  nachsagen.  Das  erkennt  man  daran,  dass  er 
nicht  verstand  den  Raum  der  Zeilen  mit  dem  Inhalt  der  Inschrift  in  Ein- 
klang zu  bringen,  er  trennte  CKHHa  in  Ck  und  hh4,  aaik  in  4  und  S'k, 
OTki^S  in  OTki^  und  ^,  Ha  in  H  und  a,  er  Hess  in  der  neunten  Zeile  in 
yl^aBHA^^  den  Buchstaben  H  aus.  In  der  vierten  Zeile  machte  er  an  dem 
Buchstaben  A  einen  zu  weit  gezogenen  Querstrich,  wodurch  er  die  beiden 
sonst  in  einen  Spitzwinkel  zusammenfallenden  Seitenstriche  abstumpfte. 
In  der  fünften  Zeile  gelang  ihm  die  Figur  des  Buchstaben  U  nicht,  es 
fehlt  ein  kleiner  Verbind nngsstricb,  den  man  bei  demselben  Buchstaben 
in  der  dritten  Zeile  sieht.  In  der  siebenten  Zeile  sieht  H  so  aus,  als 
hätte  der  Schreiber  an  das  griechische  X,  der  Minuskelschrift  gedacht. 
Einem  so  wenig  in  seinem  Handwerk  geübten  Meister  kann  man  auch 
in  dem  Worte  GauoHak  einen  Fehler  zumuthen.  Allerdings  nicht  etwa 
darin,  dass  er  den  Namen  durch  o  schrieb,  auch  nicht  darin,  dass  er 
am  Ende  k  setzte.  Für  diese  beiden  Erscheinungen  liegen  sehr  er- 
wünschte Belege  vor :  a)  in  dem  Assemanischen  Evangelium  liest  man 
im  Kalender  unter  dem  20.  August:  H  npopOKa  cauoHAtL  (also  im 
Nominativ  cauoHak),  b)  in  dem  Ostrom.  Evangelium  steht  unter  dem 
2 1.  Ang.  der  Dativ  cailOHaoy,  und  in  dem  Kalender  des  Mstislav'sohen 
Evangelium  unter  dem  20.  August  cailOHaa  —  also  die  beiden  letzten 
Formen  setzen  den  Nominativ  cailOHAii  voraus.  Für  die  weich  aus- 
lautende Form  cauOHak  kann  man  an  HSfi^pAHAK  eine  Stütze  finden. 
Doch  der  Steinmetz  machte  in  diesem  Namen  den  Fehler,  dass  er  statt 
A  unbegreiflicher  Weise  etwas  wie  ein  n  mit  einem  darüber  gegebenen 
kleinen  '  einmeisselte.  Hat  er  wirklich  aus  Versehen  zuerst  ein  n  ge- 
macht, oder  wollte  er,  da  er  zu  hoch  mit  a  ansetzte,  irgend  eine  Ver- 
längerung des  Buchstaben  nach  unten  erzielen  —  man  sehe  sich  in  der 
nennten  Zeile  ein  solches  A  ^^  —  ^^^  könnte  man  erst  an  dem  Stein 
selbst  genau  herausfinden.   Jedenfalls  ist  ein  Versehen  da. 

Für  die  Charakteristik  der  Sprache  ist  aus  den  wenigen  Zeilen  nicht 


Die  cyrillische  Inschrift  vom  Jahre  993.  557 

viel  zu  gewinnen.  Alles  stimmt  aufs  beste  zn  den  theoretischen  Vorans- 
setznngen.  Die  schwachen  Vocale  werden  auseinandergehalten,  wenig- 
stens in  OauOHiik,  naUATk  ist  k  deutlich  sichtbar,  ich  möchte  selbst 

in  KpkCT'k)f'k  nach  p  eher  k  als  'k  vermnthen.  Dagegen  ist  dentlich  ik 
in  allen  anderen  Fällen.  Der  Nasalismus  unterscheidet  regelmässig  A 
von  Xk,  das  Wort  a3lk  ist  in  echter,  alter  Form  angewendet  (kein  "kaii 

oder  Is).  Die  zusammengezogene  Oenitivform  CTaro  ist  wenigstens  nicht 
auffallend.  In  der  fflnften  Zeile  würde  man,  wenn  die  Steinplatte  hier 
nicht  abgebrochen  wäre,  genau  wissen,  ob  der  Dativ  schon  epaToy  oder 
noch  Bpaxpoif  (eig.  BpaTpS)  lautete.  Das  letztere  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich mit  Rücksicht  auf  die  bei  Joannes  exarchus  bulgaricus  nach- 
weisbare Form  mit  p  (vgl.  Vondräk  8.  4).  In  der  sechsten  Zeile  wird 
nach  Ha  KpkCTlk)^^  ^^X'^  der  Raum  noch  gestatten  zu  lesen  entweder 
bloss  a  oder  CH  oder  vielleicht  c^T'k.  In  der  neunten  Zeile  muss  man 
nach  HanHcanoch  ergänzen  c/k  B'k  oder  vielleicht  selbst  9Kf  CA  B^.  Die 
zehnte  Zeile  muss  mit  CkTBOpiNH'k  UHpo  abschliessen,  zum  letzten 
Wort  gehört  von  der  elften  Zeile  das  am  Anfang  stehende  y,  also  zu- 
sammen :  OT'k  CkTBOpiNHls  UHpoif.  In  der  letzten  Zeile  würde 
ioh  HH'kAH  zu  HH'kAHKTHOH'k   s-  ergänzen. 

Die  unerwartete  Entdeckung  dieser  Inschrift  erweckt  Hoffnungen, 
dass  in  jenen  Gegenden  noch  manches  wichtige  Denkmal  für  das  sla- 
vische  Alterthum  steckt.  Möge  das  kais.  russische  archäologische  Institut 
unter  einem  glücklichen  Stern  seine  Forschungen  daselbst  fortsetzen! 

r.  Jagiö, 


558 


Wer  war  Pseudodemetrins  L? 

(Beiträge  zar  Quellenkunde  und  Quellenkritik  der  Jahre  1591 — 1606.) 


Zweiter  Theil  (Fortsetzung).  *) 

Noch  auffallender  als  die  Verschwiegenheit  des  Ffirsten  Chvorostinin 
flher  den  Lebenslauf  des  FD  ist  uns  die  Stan*heit  des  Fürsten  Katyrev- 
Rostovskij,  mit  welcher  er  die  Ueberlieferang  aus  den  Zeiten  des  Boris 
und  des  Snjskij  in  seiner  »Sage«  kurz  wiederhalleu  lässt.  Diese  im 
J.  1626  entstandene  »Sage«  über  die  Zeiten  der  Wirren  war  lange  nur 
als  der  dritte  Bestandtheil  des  compilatori sehen  Chronographen  des 
Sergej  Enbasov  bezeichnet.  Der  eigentliche  |von  Prof. KljnSevskij  nnd 
Akad.  L.  Majkov  erwiesene)  Verfasser  dieser  Sage,  der  Fürst  Ivan  Ea- 
tyrey,  hat  in  erster  Ehe  die  Tochter  des  Theodor  NikitiS  Bomanov, 
Tatiana,  geheirathet,  welche  früh  gestorben  ist.  Wenn  wir  in  der  »Sage 
aus  dem  J.  1606«  die  Anscbannngen  der  Partei  des  V.  Snjskij  vertreten 
finden,  so  können  wir  in  der  »Sage«  des  Eatyrev  die  Tendenz  desjeni- 
gen Ereises  der  Bojaren  verfolgen,  welche  sich  an  die  Romanovy  an- 
schloss.  Eatyrev  hat  im  J.  1598  die  Wahlurkunde  des  Boris  nnter- 
schrieben  und  war  an  seinem  Hofe  als  Truchsess  (Stoljnik)  angestellt; 
hier  verblieb  er  auch  unter  den  Regierungen  des  FD  nnd  V.  Snjskij. 
Als  im  J.  1608  Pseudodemetrins  IL  im  Anzüge  gegen  Moskan  war  nnd 
gegen  ihn  Fürst  Skopin-Sujskij  nnd  Ivan  Romanov  ansgesandt  wurden, 
da  entstand  in  ihrem  Heere  eine  Oährung  und  man  war  im  Begriff  dem 
Garen  Snjskij  untreu  zu  werden.  Der  Gar  Hess  das  ganze  Heer  sogleich 
nach  Moskan  zurückrufen  und  die  Verräther  bestrafen,  unter  ihnen  die 
Fürsten  J.  Trubeckoj,  Ivan  Trojeknrov  nnd  Ivan  Eatyrev  aus  Moskau 
verbannen,  und  zwar  den  letzten  nach  Sibirien  als  Vojevoda  von  Tobolsk. 
Wenn  wir  uns  daran  erinnern,  dass  der  Fürst  Eatyrev  eine  Tochter  des 
Theodor  Romanov  und  der  Fürst  Trojeknrov  dessen  Schwester  Anna 
zur  Frau  hatten  nnd  dass  dessen  Bruder  Ivan  Nikiti6  Romanov  an  der 
Spitze  des  verrätherischen  Heeres  gestanden,  dann  werden  wir  die  ganze 
Verschwörung  nicht  auf  die  Selbstsucht  einzelner  Erieger,  welche  beim 

♦)  Vergl.  Archiv  Bd.  XX,  S.  224—325;  XXI,  S.  99-169. 


Wer  war  Pseudodemetrias  I.  ?  559 

FD  IL  (dem  Schelme  von  TaSino)  Beförderung  zu  finden  hofften ^  son- 
dern auf  einen  misslungenen  Staatsstreich  der  Partei  der  Romanovy 
gegen  den  Caren  änjskij  zorttckfUhren  müssen.  Im  J.  1613  war  Eatyrev 
schon  wieder  in  Moskau ;  er  hat  sogar  die  Wahlurknnde  seines  Schwa- 
gers Michail  RomanoY  unterschrieben  und  war  bis  zu  seinem  Tode  bald 
beim  Heere,  bald  beim  Hofe,  bald  bei  der  Centralverwaltung  angestellt. 
Er  ist  als  ein  Moskauer  Edelmann  (Moskovskij  Dvorjanin)  im  J.  1640  ge- 
storben, ohne  zum  Bojaren  befördert  worden  zu  sein.  Sowohl  in  der 
Annahme,  dass  Boris  an  dem  Tode  des  Careviö  Demetrius  schuld  ge- 
wesen, als  auch  in  der  Schilderung  des  Lebenslaufes  des  Qriska  Otrepjev 
folgt  Eatyrev  der  officiellen  Legende  vom  GriSka  Otrepjev  ^) .  Man  merkt 


1)  Auch  Katyrev-RostovskiJ  scheint  angenommen  zu  haben,  dass  PD 
eben  in  Eiev  sich  zum  ersten  Male  einem  griechischen  Priester  während  der 
Beichte  als  den  Sohn  Johanns  des  Schrecklichen  kitndgethan  hat  (i!(onieA'B 
JiHTOBCKie  BOM^iM  Ao  ppaAa  KieBa  .  .  u  pa36ojitBi>  »ce  jecTiio,  akoöbi  h  ao  CMepru 
y^Ke  npHineAi»,  u  npHssaBi»  k'b  ce6t  CBameauHKa  rpeqecKia  Bipu, .  .  Aa  noKa^Kexi» 
ero,  flKO  OHi>  ecTB  uapoBuqi»  ^MiiTp^H  .  .  GBflmeHHHKi»  ;Ke  toh  .  .  nosi^Aa  o  ueyLi* 
BeiuHeBeuKOMy  AAaMy.  Toii  »e  kiihsl  nocjia  cJiyrH  cboa  u  noB&xi  eBO  npHBecxu 
Bi>  AOM'B  CBOU  H  ua^a  CBO  Bonpomaru  .  .  Ohi>  7Re,  s^ioxHmubiu  qepHem»,  aanpcAU  o 
ccM'B  yHOJiHa,  a  noTOM'B  sa  kj^itboh)  CKasyeT-B  eMy  bchJ.  Mit  dieser  Auffassung 
stimmen  Bussow  und  die  Schrift  aus  Jindrichüv  Uradec  darin  überein,  dass 
auch  sie  den  Demetrius  als  einen  Knappen  beim  Fürsten  W.  schildern.  Das 
Register  nimmt,  wie  erwähnt,  an,  dass  Griska  dem  Hegumenos  des  HOhlen- 
klosters  gebeichtet.  Elisej  Pleteneckij  wird  sowohl  in  dem  Register  zum 
J.  1604  (Razrjadnaja  kniga),  als  auch  in  der  Urkunde  des  Patriarchen  Hiob 
aus  dem  J.  1605  als  Hegumenos  (nicht  aber  als  Archimandrit)  des  Höhlen- 
klosters bezeichnet.  Man  könnte  es  durch  den  Kampf  zwischen  den  Unirten 
und  den  Orthodoxen  um  das  Höhlenkloster  zu  Kiev  erklären  (vgl.  die  Ge- 
schichte der  russischen  Kirche  des  Metropoliten  Makarij,  B.  IX).  Im  J.  1599 
waren  sowohl  der  Metropolit  von  Kiev,  Ragoza,  als  auch  der  Archimandrit 
des  Höhlenklosters,  Nikiphor  Tur,  gestorben.  Da  hat  Sigismund  III.  am 
2.  Oktober  1599  die  Metropolitankatheder  von  Kiev  zugleich  mit  dem  Titel 
des  Archimandriten  des  Höhlenklosters  an  den  unirten  Bischof  Ipatij  Pocej 
übertragen ;  die  Gemeinde  der  Höhlenmönche  scheint  aber  schon  damals  den 
Elisej  Pleteneckij  zu  ihrem  Archimandriten  gewählt  zu  haben.  Der  Adel  von 
Kiev  nahm  sich  der  Rechte  der  Höhlengemeinde  an  und  vertheidigte  vor  dem 
Könige  den  alten  Brauch,  dass  der  Archimandrit  des  Höhlenklosters  von  den 
Mönchen  selbst  und  dem  Adel  von  Kiev  gewählt  werden  soll.  Auf  den  Wunsch 
des  Königs  Sigismund  III.  hat  nun  der  Papst  Kleraens  Vlll.im  Juli  des  Jahres 
1603  seine  Bulle  zurückgenommen,  durch  welche  er  das  Höhlenkloster  dem 
unirten  Metropoliten  von  Kiev  anvertraut  hatte.  Indessen  hat  Sigismund  III. 
erst  am  22.  Februar  des  J.  1605  das  Höhlenkloster  officiell  dem  Archiman- 


560  Eugen  äoepkin, 

aber  an  gewissen  Einzelheiten,  dass  er  über  den  FD  etwas  mehr  wnsate, 
als  Lente,  welche  ihre  Kenntnisse  nur  aus  of&eiellen  Acten  geschQpft 
haben.  Er  ist  der  einzige,  welcher  ganz  genau  das  Kloster  anzugeben 
im  Stande  ist,  wo  Griska  zum  Mönche  geschoreii  wurde,  nämlich  das 
Kloster  ^eleznoboTskij ;  die  Klöster  der  Stadt  Suzdal  erw&hnt  er  bei 
den  Wanderungen  seines  GriSka  garnicht.  Einerseits  berichtet  Katyrev, 
dass  alle  Leute  sich  Aber  den  Sieg  des  FD  gefreut  hätten,  weil  sie  ihn 
fttr  den  wahren  Oarevid  hielten,  andererseits  spendet  er  Lob  seinem 
Vater,  welcher  dem  Boris  treu  geblieben  war;  nach  der  Angabe  des 
Sohnes  hätte  Katyrev  der  Vater  genau  die  ga^^e  »Lflget  des  Heretikers 
GriSka  gekannt  (hsb^ctho  B^^ame  npo  cero  ÖoroMepsKaro  epermca 
PacTpHiy  TpHuiKy,  tito  jxa  bctb  h  na^aToiTL  jsh  h  KpoBonpojnrriH, 
a  He  i^apeBHq^B) .  Es  drängt  sich  also  von  selbst  die  Frage  auf,  weshalb 
denn  der  alte  Katyrev,  wenn  ihm  die  Fäden  »der  Lllge«  nicht  unbe- 
kannt geblieben,  gezögert  hat,  den  ganzen  Betrug  dem  Volke  aufieu- 
klären,  welches  sich  über  den  Sieg  des  Heretikers  gefreut  hat.  Er  ge- 
hörte  wohl  zu  den  passiven  Naturen,  welche  in  den  Zeiten  der  Wirren 
nur  durch  Schweigen  ihre  Stellung  zu  behaupten  verstehen.  Die  Fürsten 
Ghvorostinin  und  Katyrev  haben  von  der  Persönlichkeit  des  FD  ohne 
Zweifel  genauere  Kenntniss  gehabt,  als  alle  die  russischen  Geschicht- 
schreiber,  die  je  über  ihn  geschrieben  haben  ;  und  doch  sind  ihre  Werke 
für  die  Wahrheit  wenig  erspriesslich  ausgefallen.  Der  übermüthige 
Günstling  des  FD,  welcher  unter  dem  Verdachte  der  Ketzerei,  vielleicht 
schon  unter  Ahnung  von  Hausdurchsuchungen  und  in  ewiger  Furcht 
vor  strenger  Zucht  eines  Klosters  seine  »Worte«  niedergeschrieben  hat, 
konnte  nach  dem  Siege  der  orthodoxen  Romanovy  nur  als  ein  Reuiger 
die  Feder  ergreifen,  um  seinen  früheren  Herrn  in  den  Staub  zu  treten. 
Man  vermuthete  bei  ihm  die  Absicht,  nach  dem  lieben  Polen  zu  über- 
siedeln; wenn  es  ihm  wirklich  gelungen  wäre,  da  würde  er  vielleicht 
nach  dem  Beispiele  des  Fürsten  Knrbskij  oder  als  Vorläufer  des  Koto- 
sichln  und  Herzen  eine  durch  und  durch  subjective  Schrift  über  die 
Tagesgeschichte  ausgearbeitet  haben,  die  für  immer  ein  mächtiges  Gegen- 
gewicht den  Lügen  und  Vermuthnngen  gebildet  hätte,  welche  durch  den 


driten  Pleteneckij  übertragen.  In  den  Jahren  1599—1605  durfte  also  Elisej  F. 
streng  genommen  nicht  Archimandrit  genannt  werden.  Vielleicht  ist  aber  der 
Titel  »Igamen«  (Abt)  von  Hieb  und  dem  Register  bloss  populär  gebraucht,  als 
eine  Bezeichnung  für  die  Vorsteher  der  Klöster  im  Allgemeinen  (Artbi 
HcTOpiH  K)}RR0U  H  SanaxHOH  Pocciii,  t.  II,  Nr.  1,  17). 


Wer  war  Pseudodemetrius  I.  ?  561 

zufälligen  Sieg  einer  Partei  officiell  zur  Wahrheit  gestempelt  wurden. 
Wenn  es  dem  FD  gelungen  wäre,  seinen  Thron  zu  behaupten  und  durch 
seine  Nachkommenschaft  die  abgestorbene  Dynastie  des  Rjurik  zu  er- 
setzen, da  würden  die  russ.  Chronikschreiber  mit  derselben  Verleugnung 
ihrer  Scharfsichtigkeit  den  Brief  des  Fürsten  Wisniewiecki  an  den  König 
Sigismund  abgeschrieben  haben,  wie  sie  es  unter  Sujskij  und  Romanov 
mit  dem  Briefe  des  Hieb  und  der  Anklage  des  Barlaam  gethan  haben. 
Jedes  aufrichtige  Zeugniss  eines  Zeitgenossen  würde  dann  zum  Staats- 
yerbrechen,  jede  Veröffentlichung  von  Arohivalien  der  Laesa  Majestas 
gleich  werden.  Wer  würde  wagen,  den  Boris  des  Mordes  zu  beschul- 
digen, wenn  der  FD  den  kürzeren  gezogen  und  der  Car  Theodor  Godu- 
noY,  unbelSeckt  von  den  Ränken  des  Vaters,  den  Thron  bestiegen  hätte? 
Mit  dem  Siege  des  V.  Sujskij  kam  auch  die  iSage  aus  dem  J.  1606« 
über  die  Oeschichtschreibung  zur  Herrschaft.  Noch  unter  dem  Michael 
RomanoY  oder  besser  zu  sagen  unter  dem  Patriarchen  Philaret  war 
Fürst  Eatyrev  gezwungen,  seine  eigene  Auffassung  von  den  Begeben- 
heiten hinter  einer  conventionellen  Objectivität  zu  yerbergen. 

Unter  der  Regierung  des  Garen  Michail  Romanov,  und  zwar  um 
das  Jahr  1630,  ist  auch  der  »Neue  Annalist«  entstanden  i)  (KnBra, 


1)  Diese  Jahrbttoher  sind  nach  drei  verschiedenen  Handschriften  ge- 
druckt, nämlich  als  »Annalen  der  vielen  Wirren«  (JÜtouhci  o  uaorsrh  matc- 
xaz'L  ,1771  und  1788),  als  »Annalen  nach  der  Handschrift  des  Patriarchen 
Nikon«  (PyccRaa  AtTomcL  no  Hhkohoby  cnHCRy,  t.  VIU,  1792),  endlich  als 
»Der  neue  Annalist«  nach  der  Handschrift  des  Fürsten  Obolenskij  (Hobu& 
JUTonHcem  in  dem  Bp6M6hhhk'b  0.  H.  h  Jl,.  1853).  Prof.  Platonov  hat  die  Mei- 
nung geäussert,  dass  Nikon*s  Annalen  den  ursprünglichen  Text,  der  neue  An- 
nalist des  Fürsten  Obolenskij  seine  abgekürzte  Wiedergabe  bietet  Er  führt 
als  Beweis  folgendes  Beispiel  an :  beide  Denkmäler  berichten,  wie  sich  am 
23.  Okt.  1612  die  polnische  Garnison  in  der  Eremlburg  unter  den  Obristen 
Stru6  und  Budila  ergeben  hatte.  Nun  fügen  hier  Nikons  Annalen  eine  Schil- 
derung hinzu,  wie  die  Polen  während  der  Belagerung  so  sehr  an  Hunger  ge- 
litten, dass  sie  Menschenfleisch  assen;  der  Annalist  berichtet  hier  in  erster 
Person :  als  man  die  Kitajstadt  (Vorstadt  der  Kreml)  erobert,  da  haben  wir 
selbst  mit  eigenen  Augen  Zuber  mit  eingesalzenem  Menschenfleisch  gesehen 
(to  caHB  BXxtzoBfB  o^BMa  CBOKMa,  ^TO  MBorHx  TqaHU  HacojieBBi  duma  vejioBi- 
^HHu).  In  dem  Neuen  Annalisten  fehlt  sowohl  die  ganze  Geschichte,  als  auch 
die  erste  Person  des  Erzählers.  Nun  hat  Fürst  Obolenskij  eine  entgegenge- 
setzte Anschauung  aufgestellt,  ohne  die  Beweisführung  für  sie  gegeben  zu 
haben:  er  hält  nämlich  seinen  Neuen  Annalisten  für  die  ursprüngliche  Re- 
daktion, den  entsprechenden  Theil  der  Annalen  des  Patriarchen  Nikon  — für 

ArehiT  fftr  •laTiseh«  PhUologi«.  XXI.  35 


562  Engen  äoepkin, 

rjarojeMan  Hoboh  JiToimcei^BJ .   Gewisse  eigenartigje  Nachrichten  dea 
»Neuen  Annalisten a  sind  insofern  wichtig,  als  sie  die  heimlichen  Fäden, 

eine  spätere  Bearbeitung.   Auch  flir  diese  Anschauung  des  Fürsten  Obolen- 
skij  können  wir  einen  entscheidenden  Beweis  anftihren;  wir  meinen  die  £r- 
Zählung  über  den  Tod  des  Skopin-^njskij.    Als  Skopin  plötzlich  in  Moskau 
gestorben  war,  sprachen  Viele  davon,  dass  er  von  seiner  TantCi  der  Fran  des 
Demetrius  §ajskij,  vergiftet  wäre.  Der  Neue  Annalist  berichtet  darüber  knrz 
und  klar:  »MhosIh  trq  rjiaroaazy,  vto  ohx  haomi  HanoeHi  thurh  OTh  totrh 
cBoeH«.    Nikon's  Annalen  suchen  den  Eindruck  abzuschwächen:  nur  Gott 
allein  könne  die  volle  Wahrheit  wissen  (»^to  HcnopTiua  cbo  leTEa  eso  khhthha 
KaTopHsa,  a  noAJCHHBO  to  exHOMy  Eory«) ;  darauf  folgt  eine  Sentenz,  welche  die 
Vorsehung  für  den  Tod  des  Skopin  verantwortlich  macht    Wenn  wir  un- 
seren Beleg  für  die  Meinung  des  Fürsten  Obolenskij  mit  der  Beweisführung 
des  Prof.  Platonov  vergleichen,  so  kommen  wir  provisorisch  zu  der  Ansicht, 
dass  der  Neue  Annalist  des  Obolenskij  nnd  die  Annalen  Nikon's  von  einander 
unabhängig  und  auf  einen  dritten  Urtext  oder  eine  ursprüngliche  Sammlung 
von  Materialien  zurückzuführen  sind.   Die  erste  Person  des  Erzählers  wird 
wohl  bald  auf  den  Verfasser  des  Urtextes,  bald  auf  den  Redakteur  der  An- 
nalen Nikons  bezogen  werden  müssen,  wo  er  nämlich  als  Augenzeuge  neue 
Nachrichten  hinzufügt  Definitiv  kann  die  Frage  nur  durch  eine  vergleichende 
Zusammenstellung  sämmtUcher  Handschriften  des  Neuen  Annalisten  entschie- 
den werden.   Doch  können  wir  auch  jetzt  unsere  Vermuthung  ins  Einzelne 
ausführen.  Der  Neue  Annalist  des  Fürsten  Obolenskij  enthält  eine  chronolo- 
gische Uebersicht  der  Perioden  von  Adam  biä  zur  Taufe  des  russischen  Vol- 
kes, darauf  kurze  Jahrbücher  des  russischen  Reiches  bis  auf  deuGrossfttrsten 
Jaroslav,  dann  gebt  er  jäh  zu  der  Regierung  des  6F  Johann  III.  über,  ver- 
folgt fast  ausschliesslich  in  der  Art  eines  Dienst-  und  Rangregisters  (Razrjad- 
naja  kniga)  die  Ereignisse  aus  der  Regierung  Vasilijs  III.  und  des  Caren  Jo- 
hann IV.  des  Schrecklichen  bis  auf  das  Jahr  7061  (1553).    Nun  folgt  noch  das 
Register  für  das  J.  7087  (1579),  nämlich  für  den  Feldzug  nach  Litauen.   End- 
lich wird  unter  dem  J.  7092  (1584)  ein  Heereszug  gegen  die  Tataren  von  Ka- 
zanj  und  der  Tod  Johanns  des  Schrecklichen  erwähnt.    Nun  beginnen  die 
Jahrbücher  der  Wirrenzeit,  wobei  die  Erzählung  in  kurzen  Episoden  nach 
der  chronologischen  Reihenfolge  vorwärts  schreitet.  Der  Neue  Annalist  des 
Obolenskij  endet  mit  dem  J.  7137  (1629).  Der  ganze  einleitende  Theil  fehlt  in 
Nikons  Annalen.  Die  Jahrbücher  für  die  Regierung  Johanns  des  Schreck- 
lichen im  VU.  Bande  dieser  Annalen  werden  mit  dem  J.  7066  unterbrochen ; 
dann  werden  noch  ein  Paar  einzelner  Ereignisse  für  die  Jahre  1577  angeführt; 
am  Ende  des  VU.  Bandes  ist  die  Geschichte  der  Regierung  des  Grossfürsten 
Theodor  Ivanovio,  verfasst  vom  Patriarchen  Hieb,  hinzugefügt.    Mit  dem 
VIII.  Bande  beginnt  der  Neue  Annalist,  dem  Titel  nach  als  Vorsetzung  der 
GxeneHBaH  KHEra,  d.  w.  s.  der  Geschichte  nach  genealogischen  Graden  des 
Grossfürstenhauses.  Es  wird  hier  die  Geschichte  des  18.  Grades,  nämlich  des 
Garen  Theodor  erzählt ;  als  Einleitung  dazu  wird  die  Eroberung  Sibiriens  und 


Wer  war  PBeadodemetriuB  I.?  563 

welche  den  OriSka  mit  den  Kreisen  der  Eanzellisten  (Djaki)  verbanden, 
anfenkl&ren  verhelfen.    Nach  der  ErzAhlnng  dieser  Chronik  hätte  der 


der  Heereszag  gegen  die  Tataren  von  Kazanj  ans  dem  J.  7092  (1584)  geschil- 
dert. Dieser  letzte  Feldzag  wird  ansflihrlicber  als  in  dem  Neuen  Annalisten  des 
Obolensky  erz&hlt;  sonst  beginnt  gerade  an  dieser  Stelle  die  Uebereinstim- 
mnng  zwischen  beiden  Werken.  Der  YIII.  Band  endet  mit  dem  J.7138  (1630). 
Nun  wollen  wir  die  wichtigsten  Episoden  der  Wirrenzeit  nach  beiden  Bedak- 
tionen  vergleichend  zusammenstellen  und  die  Autorität  der  Quelle  —  durch 
Heranziehen  der  Urkunden  heben.  Den  18.  März  1584  stirbt  Johann  der  Sehr. 
In  derl^acht  gleich  darauf  lassen  Boris  G.  und  seine  Räthe  die  Nagie  und 
andere  Gtlnstlinge  des  verstorbenen  Garen  unter  dem  Verwände  des  Ver- 
rathes  in  Haft  nehmen  und  nach  verschiedenen  Städten  verschicken.  Dem 
Wunsche  des  Vaters  zufolge  gibt  Gar  Theodor  seinem  Bruder  Demetrius  die 
Stadt  Uglio  als  Apanage  und  sendet  dahin  mit  ihm  zugleich  seine  Mutter,  die 
Oheime  Nagie,  die  Wärterin  Volochova  mit  dem  Sohne  Daniil  (Osip?)  und  den 
Kaoalov.  (Bei  der  Erzählung  von  der  Ermordung  des  D.  zu  Uglio  erzählt  dann 
der  Annalist,  dass  Boris  den  Michail  Bitjagovskij  nach  Uglio  aussendet  mit 
dem  Auftrage,  den  Garevic  zu  ermorden,  und  fügt  hinzu,  dass  er  zugleich  mit 
ihm  seinen  Sohn  Daniil  und  den  Eacalov  gehen  lässt  und  ihnen  das  ganze  Be- 
giment  in  Uglio  anbefiehlt.)  Unter  den  gemeinen  Leuten  und  dem  Militär  der 
Stadt  Moskau  verbreitet  sich  das  Glerücht,  als  ob  Bjeljskij  den  Garen  Ivan 
umgebracht  und  nun  seinem  Bathgeber  (Boris)  zum  Throne  verhelfen  wolle. 
Das  Volk  strOmt  nach  der  Eremlburg;  zu  ihm  gesellen  sich  die  Ljapunovy 
und  Eikiny  aus  Bjazanj  und  die  Bojarensühne  anderer  Städte;  sie  fordern 
die  Auslieferung  des  Bje^skij.  Gar  Theodor  lässt  den  Bogdan  Bjeljskij  nach 
Niinij-Novgorod  verbannen.  Boris  Gk>dunov  nimmt  an  den  Ljapunovy,  Ki- 
kiny  und  Anderen  Bache  und  verbannt  sie  ins  GeHingniss  nach  verschiedenen 
Städten.  Die  Thatsache  einer  Empörung  wird  durch  einen  Brief  des  Legaten 
Bolognetti  aus  Grodno  vom  16.  Mai  1584  an  den  Kardinal  von  Komo  be- 
stätigt (Turgenevius,  Historica  Bussiae  Monumenta,  t  II) ;  der  polnische  Ge- 
sandte Sapieha  hat  von  ihr  aus  Moskau  berichtet.  Darnach  hätte  B.  Bjelj- 
skij am  12.  April  s.  n.  1584  einen  Staatsstreich  zu  Gunsten  der  »Opricnina« 
versucht  (Hirschberg,  Dymitr.  S.,  S.  3 — 4).  Auch  Djak  Thimotheev  macht 
Anspielungen  auf  eine  Volksbewegung  gegen  den  Bjeljskij,  dessen  Ent- 
fernung vom  Hofe  und  Beziehungen  zu  Boris.  Der  Annalist  der  Annalen 
Nikons  scheint  beim  Tode  des  Garen  Theodor  zugegen  gewesen  zu  sein  oder 
wenigstens  nach  der  Erzählung  eines  Augenzeugen  berichtet  zu  haben.  Er 
erzählt  von  einer  Vision  des  sterbenden  Garen,  spricht  dabei  vom  Patriarchen 
in  der  dritten  Person,  von  sich  und  anderen  Anwesenden  in  der  ersten  (in>i  xe 
Bct  ujAxQWhj  jiKo  BBAHTL  OH'B  Tocjj^kfh  aFHejiOB'B].  lu  dem  Neuen  A.  des  Obo- 
lenskij  wird  die  ganze  Greschichte  nur  in  der  dritten  Person  gegeben  (h  bch 
BOBMHima,  AKo  BHffi  BEA^Hie).  Nun  berichtet  der  Augenzeuge  der  Annalen 
Nikons,  als  ob  der  sterbende  Gar  in  Gegenwart  des  Patriarchen  zwei  Engel 
gesehen  hätte.  Wir  besitzen  aber  über  diese  Vision  den  Bericht  des  Patriar- 

36» 


564  Eugen  äoepkin, 

Metropolit  von  Rostov  Jona  in  dem  GriSka  die  Tenfelsbrnt  (xiasojiB 
cocyx'B]  dnrchschant,  als  Otrepjev  beim  Patriai*chen  Hieb  diente.  Damals 


eben  Hiob  selbst  in  seiner  »Lebensgeschicbte  des  Garen  Tbeodor«  (IIoBicn 
0  qecTHtM'L  XHTHi  I^apA  6oAopa,  Nikons  Annalen,  B.  YII).  Damaeh  hätte  der 
sterbende  Gar  noch  vor  der  Ankunft  des  Patriarchen  einen  Engel  gesehen, 
welchen  er  fUr  den  Hiob  hielt.  Als  Hiob  erschienen  war  nnd  darüber  gehOrt 
hatte,  da  hat  auch  er  das  Wunder  anerkannt;  diese  zweite  Version  ist  aneh 
psychologisch  viel  wahrscheinlicher.  In  dem  Neuen  Ann.  des  Obolenskij  ist 
noch  ein  Gespräch  zwischen  dem  Garen  und  dem  Patriarchen  angeführt  Hiob 
fragte  den  Theodor,  wem  er  nach  seinem  Tode  den  Thron  yermache?  Gar 
Theodor  antwortete:  ich  habe  Nichts  zu  befehlen;  wem  Gott  die  Garenmacht 
geben  will,  dem  wird  Er  sie  geben.  Dieses  Gespräch  fehlt  in  Nikons  Annalen. 
Patriarch  Hiob  behauptet  in  der  »Lebensgeschichte  des  Garen  Theodor«,  dass 
Theodor  das  Zepter  seiner  Frau  Irina  gelassen  hätte  und  dass  die  Garen- 
synkiete  ihr  das  Ejenz  gektlsst,  in  Gegenwart  des  Patriarchen  (no  C6((i  Bpy- 
qHBX  CRHeeip'B  cynpyrc  CBoei  ixapHue  HpHHt . .  Eopncrb  noBeii  cBoeiry  uapiCKOxy 
CHHRJiHTy  Rpecn  ]iej[OB&T&  H  o6iTh  CBoi  qapime  npeffaBarn  .  .  6%  xe  y  xpen- 
cHoro  uejioBaHHfl  naTpuapx'L  h  bocb  ocBemenEBii  co6op'B).  Der  »Augenzeuge« 
der  Annalen  Nikons  erregt  also  Zweifel  gegen  sich.  Nun  berichtet  er  auch 
Über  den  Gregor  0.  in  erster  Person.  Als  Griska  im  Wnnderkloster  nnd  beim 
Patriarchen  Hiob  lebte,  da  fragte  er  viele  Leute  Aber  die  Ermordung  des  De- 
metrius  aus  und  hat  sichere  Auskunft  erhalten.  Der  Annalist  hat  viele  MOnche 
des  Wunderklosters  erzählen  gehört,  wie  sich  Griska  scherzend  vor  ihnen 
rtthmte,  dass  er  in  Moskau  als  Gar  herrschen  würde ;  die  Mönche  thaten  nur 
über  ihn  spucken  und  lachen  (oro  mboihz'b  xe  ^[H)xobcehz'b  crapitoBx  cxumaz^, 
HRO  Bo  CM^xoTBopoHHe  TJiarojiame  CTapuoM'B,  jnco  uapB  6yAy  na  Mocrbö).  In  dem 
Neuen  Annalisten  fehlt  die  erste  Person  und  der  Hinweis  auf  die  Mönche  des 
Wunderklosters,  als  die  Gewährsleute.  Der  Metropolit  Jona  von  ßostov  hat 
die  Sache  dem  Garen  Boris  angezeigt.  Boris  befahl  dem  Djak  Smimoj  Va- 
siljev,  den  Griska  nach  dem  Soloveckijkloster  unter  Aufsicht  zu  senden. 
Smimoj  sagte  darüber  dem  Djak  Semejka  Euthymjev,  dem  Griska  verschwä- 
gert war.  Semejka  bat  die  Verbannung  zu  verschieben,  am  Ende  hat  Smimoj 
den  Garenbefehl  vergessen.  (Dem  Neuen  A.  des  Obolenskij  zufolge  wollte 
Semenka  für  den  Griska  Fürbitte  thun,  dass  er  nicht  verschickt  werde :  »xou 
SRO  Gmhphou  CRasa  uapeBO  noBOJitHie  cpoffHHKy  ero  FpinnRHHy  ABfliry  GeMeHKi 
£B«HMBeBy . .  tarh  mojuith  o  newh  6yxy,  Aa  hb  6yAerB  Taico  nocjuiH^B«.  Nikons  An- 
nalen zufolge  wollte  Semejka  für  den  Griska  »sorgen«:  toexo  GeMemca  TOMy 
FpEinKe  CBOH  h  mojih  Cmephofo,  vro6*h  ero  H6  BCRope  cocjiaTB,  a  zota  o  newh  npo- 
MbimjiJiTH.  Der  Neue  A.:  »Gmhphoh  ace  06%  homi  nojioacz  vh  BaÖBesie:  ffiaB(ay 
60  yKpBiBanniy  ero  sa  HaRooTB  napoAy«.  Nikons  Annalen:  »xhabojtb  ace  obo 
yRpBiBame,  nojioxn  cesqr  GiCHpHOMy  b  BSÖBeExe  h  KapcRoa  npKRas^  nosatfu^i«. 
Griska  erfuhr  davon  und  ergriff  die  Flucht  Der  Neue  A.:  yBi^a  60  ohuh 
FpHmRa  eace  0  hom^  npuRasa  i^apB,  yre^e  cb  Mocrbli.  Nikons  Annalen :  oH'B-xe 
FpHmRa,  yBtAaBi  to,  noöe^e  c  Mocrbbi.    Also  trotz  der  ersten  Person  in  Ni- 


Wer  war  Psendodemetrius  I.  ?  565 

hätte  Griska  das  Wanderkloster  zu  besnehen  gepflegt,   über  den  Tod 
des  Demetrios  nachgefragt  und  oftmals  vor  den  Mönchen  daselbst  ge- 


kons  Annalen  scheint  Fürst  Obolensky  der  Wahrheit  nahe  gestanden  zu 
haben,  wenn  er  den  Neuen  Annalisten  als  die  nrsprflDglichere  Redaktion  auf- 
fasste.  Vgl.  auch  Kap.  91  des  Neuen  Annalisten  mit  dem  entsprechenden 
Kapitel  aus  Nikons  Annalen :  0  nocujnce  3  j^osy  b  jUhtby  or&  xosaRorb.  Es 
unterliegt  für  uns  keinem  Zweifel,  dass  der  Nene  A.  des  Obolenskij  auch  hier 
dem  ursprünglichen  Texte  nXher  steht.)  Als  die  Nachricht  vom  PD  in  Polen 
Moskau  erreicht  hatte,  befahl  Boris  die  Wege  aus  Litauen  (zwischen  Smolensk 
nnd  Brjansk)  zu  sperren,  um  jegliche  Verbindung  zu  verhindern  und  der  Ver- 
breitUDg  der  Nachrichten  in  der  Hauptstadt  zuvorzukommen.  Er  selbst 
schickte  unterdessen  Kundschafter  nach  Lilüeiuen,  um  zu  erforscheu,  wer  die- 
ser Garevio  sei.  Die  Kundschafter  haben  Nachfragen  über  den  PD  angestellt 
und  in  ihm  den  Griska  erkannt  (nponiffama  npo  nero  h  onosHama] ;  sie  kehrten 
zu  Boris  zurück  und  theilten  es  ihm  mit  Boris  lachte  darüber  (ohi  xe  o  tomi» 
nocMftjicfl),  denn  er  wusste,  dass  er  ihn  nach  Solovki  hat  verbannen  wollen, 
Hess  also  den  Smimoj  rufen  und  fragte  ihn  über  den  Griska.  Smirnoj  stand 
vor  ihm,  wie  betäubt,  und  konnte  nicht  zum  Sprechen  kommen.  Gar  Boris 
fühlte  sich  gekränkt  und  liess  den  Smimoj  unter  dem  Verwände  eines  Unter- 
sohleifes  der  Hausgelder  bis  zum  Tode  prügeln.  Wir  wollen  zuletzt  noch  ein 
Paar  Episoden  untersuchen,  um  das  Verhältniss  zwischen  Nikons  Annalen 
und  dem  Neuen  Annalisten  aufzuklären.  PD  befahl  den  V.  äujskij  zu  ent- 
haupten; indessen  haben,  Nikons  Annalen  zufolge,  die  Garin-Wittwe  Martha 
nnd  die  Bojaren  durch  ihre  Fürbitten  den  Snjskij  gerettet.  (Margeret  nennt 
unter  den  Fürbittem  ausser  der  Garin-Wittwe  noch  den  Bucinskij.)  Diese 
Nachricht  von  der  Bettung  des  äigskij  durch  die  Garin-Wittwe  fehlt  in  dem 
Neuen  Annalisten.  Noch  eine  Episode:  Fürst  Michail  Skopin  ä^jsky  nahm 
eine  befestigte  Stellung  in  Alezandrova  Sloboda  ein.  Hierher  schickte  zu  ihm 
Prokopij  Ljapunov  Briefe  aus  Bjazanj.  Ljapunov  suchte  den  Skopin  mit  dem 
Garen  Vasilij  zu  verfeinden.  Skopin  hatte  Mitleid  mit  dem  Boten  und  hat  ihui 
statt  ihn  dem  Garen  auszuliefern,  zurück  nach  ^{azanj  geschickt  Schlimme 
Leute  benutzten  diese  Gelegenheit,  um  den  Skopin  in  den  Augen  des  Garen 
Sujskij  anzuschwärzen.  Der  Neue  A.  berichtet  es  ausführlicher:  »so  AjKORcaE- 
ApoBy  mi»  CÄ060SY  npacia  a»  PasaHs  ro  Khasid  MazaEJiy  BacxjLeBXiy  HpoKO- 
•eft  JbmyBOin  cTaumy,  nsca  xe  otl  ce6n  ro  Khabk)  Mhx.  Bac,  napimaionui  ero 
HO  lüujoßM'hj  HO  napeM%,  h  noaffpaBJUfl  oMy  na  uapcTBO,  Ilapfl-x'L  BacBJtia,  äro 
Bida  yrpusame«.  Nikons  Annalen  nennen  hier  den  Prokopij  Ljapunov  einen 
»Schmeichler«  (jlctkbu&  q&ioBiR's)  und  fügen  hinzu  den  kurzen  Bericht:  »ua- 
nxcama  rpaiioiu  h  axopoBama  na  uapcTBi«.  An  der  Erzählung  von  der  Ver- 
schwörung der  Ljapunovy  gegen  den  V.  äujskij  tritt  besonders  klar  hervor, 
dass  der  Neue  Annalist  nnd  Nikons  Annalen  ein  und  dasselbe  Material  auf 
verschiedene  Art  anordnen.  Dem  N.  A.  zufolge  hätte  Gar  Sujskij  nach  der 
Niederlage  seines  Bruders  Demetrius  bei  Klusino  die  Kriegslente  ans  ver- 
schiedenen Städten  nach  Moskau  zur  Vertheidigung  berufen.  Die  Kriegsleute 


566  Eugen  äcepkin, 

äussert,  dass  er  noch  Car  werden  könnte.  Jona  hat  ihn  daftlr  dem  Boris 
angezeigt.  Der  Car  befahl  nun  dem  Djak  Smirnoj-Vasiljev  den  Mdneh 
Griska  nach  dem  Soloveckikloster  (anf  den  Inseln  des  Weissen  Meeres) 
unter  strenge  Obhut  zu  verbannen.  Smimoj  hfttte  von  diesem  Befehle 
einen  Verwandten  des  Gri&ka,  den  Djak  Semenka  Euthymjev,  benaoh- 

wollten  ihm  aber  nicht  gehorchen.  Prokopij  Ljapunov  und  die  Kriegsleute 
von  Rjazanj  blieben  z.  B.  zu  Hause ;  Ljapunov  begann  sogar  mit  dem  Fürsten 
Yasilij  GolizynRath  zu  pflegen,  wie  er  den  Garen  Sujskij  absetzen  kOnnte 
(Kap.  148).  Das  nächste  Kapitel  (149)  beginnt  der  Neue  Annalist  mit  der  Er- 
zählung, wie  Prokopij  Ljapunov  nach  dem  Tode  des  Skopin  Briefe  an  die 
Städte  aussandte,  worin  er  den  Garen  Vasilij  ^ujskij  beschuldigte,  den  Skopin 
aus  der  Welt  geschafft  zu  haben;  er  trat  sogar  in  Beziehungen  zum  Schelme 
D.H.  in  Kaluga;  hier  wird  wiederholt,  dass  er  am  meisten  mit  Vasiiy  Qolizyn 
Bath  pflog  gegen  den  Garen  ^ujskij.  Das  Gerücht  von  der  Revolte  des  P. 
Ljapunov  erreichte  Moskau.  Hier  hatte  P.  Ljapunov  Mitverschworene  in 
der  Person  seines  Bruders  Zacharij,  des  Fürsten  Vasilij  Golizyn  und  anderer. 
Die  Einwohner  von  Moskau  waren  bereit,  den  Garen  Sujskij  preiszugeben 
unter  der  Bedingung,  dass  die  Anhänger  des  PD  II.  ihrerseits  den  Schelmen 
von  Tusino  im  Stiche  Hessen.  Am  15.  Juli  1610  hat  Zacharij  ljapunov  den 
Staatsstreich  glücklich  voUfUhrt.  Gar  Vasilij  wurde  zum  Mönche  geschoren, 
die  Bojaren  und  das  Volk  von  Moskau  wählten  den  Korolevic  Vladislav  zum 
Garen  (ne  corjiacffc&  h  ho  cocjcaBCü  cb  ropcAann).  Patriarch  Hermogenes  war 
bereit  ihn  anzuerkennen,  wenn  er  zum  griechisch-orthodoxen  Glauben  über- 
träte. Die  Verräther  Michail  Saltykov  und  Vasilij  Masaljskij  mit  Konsorten, 
wie  Michail  Moloanov,  erschienen  in  Moskau  und  baten  den  Patriarchen  um 
Segen.  Der  Patriarch  wies  den  Moloanov  von  sich,  den  Uebrigen  ertbeilte  er 
den  Segen  nur  unter  der  Reservation:  wenn  ihre  Politik  dem  grieohisob- 
orthodoxen  Glauben  Einbusse  thäte,  da  sollte  sie  die  Rache  Gottes'  treffen. 
Kurz  darauf  ging  das  Prophetenwort  des  Patriarchen  in  Erfüllung.  Fürst  Va- 
silij Masaljskij,  Michail  Moloanov  U.A.  starben  unter  Qualen.  Ebenso  starben 
Michail  Saltykov  u.  A.  auf  elende  Weise  in  Polen.  Für  Nikons  Annalen  ist  der 
Plan  der  Erzählung  anders :  sie  erzählen  vom  offenen  Ungehorsam  des  Prokopij 
Ljapunov  nicht  erst  nach  der  Niederlage  des  Demetrius  äujskij  bei  Klusino, 
sondern  gleich  nach  dem  Tode  des  Skopin.  Erst  nach  dem  Abfall  des  Pro- 
kopij wird  der  Sieg  des  ^ölkiewski  bei  Klusino  erzählt;  nun  geben  auch  Ni- 
kons  Annalen  endlich  die  Worte  über  den  P.  Ljap.,  welche  der  Neue  A.  im 
Kap.  148  im  Zusammenhange  mit  Klusino  enthält;  die  Annalen  erklären  jetst 
den  Ungehorsam  der  Kriegsleute  von  Rjazanj  durch  den  Einfluss  des  Ljap., 
welcher  schon  seit  dem  Tode  des  Skopin  zu  offener  Revolte  gegen  den  Garen 
äujskij  gegriffen.  Es  macht  also  den  Eindruck,  als  ob  der  N.  A:  und  Nikons 
Annalen  hier  eine  dritte  Quelle  wiedergeben.  Im  J.  7128  (1620)  sind  die  bei- 
den Frauen  des  Garevio  Ivan  Ivanovic  als  Nonnen  in  den  Kl(5stem  gestorben. 
In  die  Annalen  Nikons  sind  die  Nachrichten  über  den  Tod  der  Gesarevny  ge- 
sondert eingetragen ;  in  dem  N.  A.  wird  über  beide  zugleich  berichtet 


Wer  war  Pseudodemetrius  I.  ?  567 

richiigt.  Dieser  hätte  nun  flehentlich  gebeten^  die  Ausführung  des  Be- 
fehles aufzuschieben,  worauf  Smimoj  die  ganze  Sache  der  Vergessen- 
heit preisgegeben  hätte.  Unterdessen  wäre  der  Befehl  des  Caren  auch 
zur  Kenntniss  des  Griska  gekommen ;  da  hätte  er  nach  Polen  (auf  dem 
Umwege  durch  Oalic,  Murom,  Bijansk,  Novgorod-Severskij]  die  Flucht 
ergriffen.  Hier  hätte  er  sich  beim  Adam  Wisz.  fdr  den  Demetrius  aus- 
gegeben und  in  einer  Urkunde  beschrieben,  wie  ihn  die  Bojaren  und 
die  Djaki  äSelkaloyy,  welchen  ihn  sein  Vater  Johann  der  Schreckliche 
anbefohlen,  vor  den  Kachstellungen  des  Boris  gerettet  und  nach  Polen 
verschickt  hätten;  statt  seiner  wäre  aber  in  Ugli(  der  Sohn  eines 
Pfaffen  Jeleckij  ermordet  (vielleicht  aus  der  Stadt  Jelec,  wahrscheinlich 
ist  aber  die  Verwechselung  mit  Ugleckij,  d.  w.  s.  aus  UgliS,  anzuneh- 
men). Als  Boris  von  der  Flucht  des  Griska  erfahren,  da  hätte  er  be- 
fohlen, die  Amtsführung  des  Djaks  Smimoj  Vasiljev  zu  revidiren;  der 
Djak  wäre  des  Unterschleifs  der  Hofgelder  (MHoryio  ABopi^OByio  Kaany) 
angeklagt  und  dafür  zu  Tode  geprügelt  worden.  Das  Vorhandensein 
der  Djaki  Smirnoj  Vasiljev  und  Semejka  Euthymjev  in  der  Haus-  und 
Hofkanzlei  (Prikaz  BoljSogo  Dvorca)  wird  durch  die  Urkunde  über  neue 
Ernennungen  des  Königs  Sigismund  El.  aus  dem  J.  1610  bestätigt 
(Co6pH.  Fp.  H  ^or.,  T.  2,  Nr.  218);  .man  sieht  daraus,  dass  Smimoj 
und  Semejka  in  der  Kanzlei  wohl  ganz  gleich  gestellt  waren  (b  Tosapu- 
npixx).  Nun  musste  an  der  Spitze  dieser  Kanzlei. der  Majordom  (Dvo- 
reckij],  d.  w.  s.  Stepan  VasiljeviS  Godunov  gestanden  haben.  Dieser 
S.  V.  Godunov  ist  in  dem  Bangregister  (Hobhkob%,  Focc.  Bhbji.,  t.  XX) 
als  unter  der  Regierung  des  FD  gestorben  bezeichnet,  das  wird  wohl 
heissen  —  umgebracht  worden.  Wir  haben  hier  ein  Beispiel,  wie  in 
der  nächsten  Nähe  vom  Throne  zwei  kleine  Beamte  Bänke  schmieden, 
während  ihr  Vorgesetzter  dem  Caren  treu  bleibt.  Das  entspricht  der- 
jenigen Charakteristik,  welche  Djak  Timotheev  von  den  Beamten  der 
Zeit  gegeben  hat.  ^) 

^)  Die  of&ciellen  Akten  der  Moskauer  Regierung  kennen  noch  folgende 
Djaki:  Im  Jänner  1594  haben  die  Djaki  Grigorij  Klobukov  und  Smimoj  Va- 
siljev Einnahmen  in  den  Schatz  des  Caren  gesammelt  (Artbi  lOpix.,  Nr.  214). 
Im  December  1582  wird  Semen  Kostkin  erwähnt  (A.H).,  Nr.  212).  Im  Jänner 
1596  werden  die  Djaki  Semejka  Sumorokov  und  Semejka  Jemeljanov  bei  der 
Einsammlung  der  Einnahmen  des  Caren  erwähnt  (A.  K).,  Nr.  216).  Unter  der 
Wahlurkunde  des  Boris  aus  dem  J.  1598  haben  folgende  Djaki  ihre  Namen 
unterschrieben :  in  erster  Reihe  die  Djaki  der  Ejinzleien  Grigorij  Klobukov, 
Semen  Kostkin,  Smirnoj  Vasiljev;  in  zweiter  Reihe  die  Djaki  der  Kanzleien 


568  Eugen  &oepkiii, 

Die  späte,  ziemlich  legendäre  Vita  des  Patriarchen  Hiob  (die  Eano- 
nisimng  erfolgte  im  J.  1652),  welche  indessen  auf  Omnd  Älterer  Quellen 


Ivan  Timopheev,  Semejka  Snmorokov,  Timophej  Osipov  (A.  A.  3.  II,  Nr.  7). 
Ivan  Grigorov  wird  als  ein  Djak  bei  der  Schatzkanzlei  des  Patriarchen  im 
Jänner  1602  erwähnt  (A.K).,  Nr.  221).  In  den  Akten  werden  indessen  bei  den 
Djaki  bisweilen  auch  alle  drei  Namen  angegeben  —  der  eigentliche  Name  des 
Mannes,  der  Name  des  Vaters  (Patronymikon)  und  Familienname,  z.  B.  der 
Kanzlist  Jermolka  Klimentjev  GrigorjeVs  Sohn  (A.IO.,  Nr.  210:  xiaveK'B  £p- 
MOjRä  KjfHMeHTLOB'B  CLIH1  FpHropieBa).  Grigorjev's  Sohn  ist  kein  Patronymi- 
kon, sondern  bezeichnet,  dass  der  Sohn,  wie  auch  der  Vater  den  Familien- 
namen Grigorjev  getragen.  Ende  des  J.  1610  wurde  eine  Liste  derjenigen 
Edelleute  der  Synkletos  und  der  Djaki  zusammengestellt,  welche  durch  ihre 
Treue  gegenüber  dem  abgesetzten  Garen  V.  äigskij  der  Partei  des  Korolevic 
Vladislav  gefährlich  erschienen  (Aktu  Hct.  II,  286).  Hier  wird  in  der  Kanzlei 
der  Krone  Kazanj  (Kazanskij  Dvorec)  Alexej  Zaoharjevio  ^pilov  als  Kollege 
des  Fürsten  Dmitrij  äujskij  erwähnt;  als  dritter  Verschwörer  gegenflber  dem 
König  wird  neben  ihnen  Semen  Euthymjev  angegeben.  (OjeRciu  3axapLeF& 
cuHi»  Ulanii.iOB'b,  cha^"^  b^  KoaaHCROM'B  XBopii^  co  Kufoewh  ff.unT^eu'b  IIIyH- 
CKEMi;  vh  nozoAX  ctojlsh  npoTHB'B  FocyffapH  co  RHfl3eM'&  ^BCHTp^eM'L-TKe.  jKa 
CeMOH'B  EyeHMieB-B  cha^^'l  cl  hhuh^cb  h  yMunufl.s'B  aaoARH'B.)  In  der  Haus- 
und Hof  kanzlei  (äbarh  XBopuoBBie)  werden  dagegen  die  schlimmen  Einflttsterer 
(3jiue  meuTyHu)  Goleniscevy  erwähnt.  Auch  in  dem  Kataster  (IlHciiOBua  rhrfh, 
H3A.  nMn.reorp.  06m.)  kommen  einige  von  diesen  Djaki  vor.  Dem  Kataster  zu- 
folge muss  Semen  Jemeljanov  um  das  J.1585  Djak  der  Haus-  und  Hofkanzlei 
gewesen  sein  [Prikaz  BoJjsogo  Dvorca).  Djak  Semejka  Philipovic  Snmorokov 
wird  im  Kataster  für  das  J.  7082  (1573—74)  im  Gebiete  der  Stadt  Moskau  er- 
wähnt. Semen  Kostkin  (ohne  Namen  des  Vaters)  wird  daselbst  im  Gebiete  der 
Stadt  Kasira  erwähnt.  Es  bleibt  also  die  Möglichkeit,  den  Semen  Kostkin  mit 
dem  Semejka  Euthymjev  für  identisch  anzunehmen,  da  Kostkin  ein  Familien- 
name, Euthymjev  aber  als  Patronymikon  aufgefasst  werden  kann.  Nun  wird  wohl 
gerade  er  als  Anhänger  der  §ujskie  im  J.1610  hervorgehoben;  kein  Wunder, 
dass  Sigismund  III.  an  seine  Stelle  (indessen  in  dem  Boljsoj  Dvorec,  nicht 
aber  in  dem  Kazanskij)  den  Bogdan  Gubin  ernennt.  Ob  Semejka  Euthymjev 
sich  an  die  Sujskie  bereits  damals  angeschlossen,  als  er  seinen  Verwandten 
Gregor  Otrepjev  in  dem  Wunderkloster  beschützte,  oder,  wie  auch  Paphnutij, 
erst  nach  dem  Sturze  des  Garen  Demetrius  I.,  ist  schwer  zu  sagen.  Der  Brief 
des  Boris  an  Rudolph  II.,  wie  auch  die  »Sage  vom  Griska  Otrepjev«  bringen 
den  Griska  mit  den  Romanovy  und  den  Cerkaskie  in  Verbindung.  Nur  die 
legendäre  »Sage  von  der  Regierung  des  Garen  Theodor  Ivanovic«  (PyccHcr. 
Eh6j.,  t.  XIII),  welche  im  Allgemeinen  den  Vasilij  Sujskiy  zu  verherrlichen 
sucht,  berichtet  von  seinen  Beziehungen  zu  Griska.  Dieser  Sage  zufolge  soll 
V.  Sojskij  nach  der  Untersuchung  in  Uglio  dem  Garen  Theodor  insgeheim 
die  volle  Wahrheit  vom  Tode  des  Carevio  D.  berichtet  zu  haben.  Wenn  man 
die  herrschende  Stellung  des  Boris  neben  dem  Garen  Theodor  klar  vor  Augen 


Wer  war  Paeudodemetrias  I.?  569 

verfasBt  ist,  gibt  originelle  Nachrichten  über  die  Beziehungen  zwischen 
dem  Hieb  nnd  dem  GriSka  0.  Danach  hfttte  man  den  Qregor,  als  einen 


hat,  80  mnss  man  diese  Nachricht  der  Sage  für  einen  albernen  Versuch  halten, 
das  sch&ndliche  Betragen  des  V.  Sujskij  bei  der  Untersnchong  in  Uglio  zu 
rechtfertigen.  Albern  ist  die  Schilderung  der  Sage,  wie  äigskij  zn  Uglic  über 
dem  Leichnam  des  Garevio  weint,  albern  auch  die  Erzählung,  wie  Boris  Gift 
dem  Garen  Theodor  in  den  Meth  schüttet:  der  Gar  errSth  es,  trinkt  indessen 
die  Schale  aus  und  bittet  sogar  den  Godunoy  um  einen  zweiten  Trunk  von 
seinem  Gifte.  Dieselbe  Sage  erzählt  nun,  dass  der  Gar  Demetrius  I.  den  V. 
äujskij  mit  Geschenken  und  Güterbelohnungen  überschüttet  hätte,  weil  er 
ihm  noch  als  Djakon  in  Moskau  nahe  gestanden  hätte :  Damals  hätte  Griska 
denV.  Snjskij  ans  dem  Wunderkloster  oftmals  besucht  und  bei  ihm  in  Gnaden 
gestanden;  V.  I^ujskij  hätte  indessen  den  Griska  nicht  sofort  in  dem  Deme- 
trius erkannt.  (KairE  oh'l  PacTpHra  6hvch  vh  ^»aob^  MOHacTBipi  vh  xiAKosaxi, 
H  vacTO  npeöusai'B  so  ssopi  y  nerOi  öospHua,  h  oht»  ero  sejCMH  acaioBaorB;  h  vh 
Tt  nopu  BCRopi  He  noBBaji  ero,  a  HHLxe  CTpaza  paw  h  BejiHKie  HyxAU  h  yMOJS- 
qaju  Ao  BpeMeHv.)  Auch  andere  Moskoviten  hätten  nicht  auf  einmal  den  De- 
metrius erkennen  können,  weil  er  zu  einem  Manne  gereift  und  mit  Haaren 
bewachsen  war  (n  t%  ero  scRopi  se  hofjui  nosnaTi,  noHOKe  6o  BJiacaHH  o6poc'B 
n  MyxecTBOM^  sooMyauuLT  h  npeMtsKicji  b'b  jnni).  Die  Wenigen,  welche  ihn 
wiedererkannt,  hätten  lange  aus  Furcht  geschwiegen.  Nun  sehen  wir  aber 
auf  den  Bildnissen  des  D.,  dass  sein  Gesicht  von  Haaren  ganz  und  gar  ent- 
blOsst  war.  Der  Brief  des  PD  II.  an  die  Bürger  von  Smolensk  erinnert  die 
Russen  gerade  daran,  dass  der  Djakon  Gregor  Otr.  einen  Bart  gehabt,  und 
hebt  es  als  ein  Merkmal  hervor,  durch  welches  er  sich  vom  Garen  Demetrius 
unterscheide.  An  und  für  sich  könnte  es  möglich  sein,  dass  die  »Sage  von 
der  fiegierung  des  Theodora  trotz  ihrer  Albernheit  die  Nachricht  von  den 
Beziehungen  des  V.  Snjskij  zum  Djakon  Gregor  aus  einer  guten  Quelle  ge- 
schöpft; wir  haben  z.  B.  bereits  erwiesen,  dass  sie  dieselbe  wichtige  Quelle 
ausgenutzt  hat,  welche  auch  der  Sage  aus  dem  J.  1606  zur  Verfügung  gestan- 
den. Es  wäre  aber  dann  zu  verwundem,  dass  diese  Besuche  des  Djakon  zum 
Bojaren  bei  den  Untersuchungen  des  Hieb  und  des  Boris  nicht  ans  Licht  ge- 
kommen. Es  ist  also  wahrscheinlicher,  dass  der  ganze  Bericht  dazu  ersonnen 
ist,  um  die  späteren  Enthüllungen  des  V.  Sigskij  über  den  Demetrius-Griska 
glaubwürdig  erscheinen  /u  lassen.  Die  Sage  behauptet  nämlich  in  ihrer 
albernen  Art  und  Weise,  dass  V.  Sajskij  den  Garen  D.  I.  auf  dem  öffentlichen 
Platze  vor  dem  ganzen  Volke  für  den  Griska  erklärt  hätte.  Die  Errettung 
des  äujskij  vor  der  Todesstrafe  wird  als  besondere  Gnade  Gottes  aufgefasst. 
Ganz  verkehrt  ist  in  der  Sage  die  Absetzung  und  der  Tod  des  Garen  D.  I.  er- 
zählt. V.Sujskij  wird  überall  als  ein  Märtyrer  und  Beschützer  der  orthodoxen 
Kirche  gepriesen.  Wir  müssen  also  das  Meiste  in  dieser  Sage  für  Fabel  er- 
klären; nur  für  diejenigen  Nachrichten  machen  wir  eine  Ausnahme,  die  der 
wichtigen  Quelle  entnommen  sind,  welche  der  »Sage  von  der  Regierung  des 
Garen  Theodora  und  der  »Sage  aus  dem  J.  1606c  gemeinsam  war.  Indem  wir 


570  Eugen  §6epkin> 

belesenen  und  geübten  Schreiber  aus  dem  Wunderkloster  dem  Patriarchen 
Hieb  empfohlen.  Hieb  lud  den  Mönch  Gregor  0.  zu  sich  und  liess  ihn 
in  seiner  Zelle  hl.  Bücher  abschreiben.  Nach  zwei  Sommern  haben 
einige  Geistliche  beim  Gregor  den  Hang  zum  römischen  Eatholicismns 
bemerkt  ^).  Die  Auffassung,  als  ob  die  Häresie  des  Gregor,  welche  Hieb 
und  Boris  dem  Brauche  der  Zeit  nach  ihm  zugeschrieben,  in  seinem 
Hange  zum  römischen  Eatholicismns  bestanden,  ist  wohl  ein  Rück- 
schluss  Yom  späteren  Betragen  des  Caren  D.  Hieb  erfuhr  von  der 
Häresie  seines  Schreibers  und  schickte  ihn  nach  dem  Wunderkloster 
unter  Aufsicht  zurück,  bis  Car  Boris  die  Untersuchung  anstellt  2).  Diese 
Nachricht  zeugt,  dass  die  Schuld  des  Gregor  0.  eher  schon  von  einer 
politischen,  als  kirchlichen  Art  war.  Der  Glaube,  dass  CareviS  D.  noch 
lebe,  konnte  ganz  gut  unter  der  Häresie  des  GriSka  verstanden  werden. 
Gregor  0.  erwies  sich  (der  Vita  des  Hieb  zufolge)  als  ein  echter  Zauberer 
und  verschwand  seinen  Wächtern  unter  den  Augen ;  man  hat  vergebens 
auf  Befehl  des  Caren  und  des  Patriarchen  nach  ihm  gesucht,  er  war 
nirgends  in  ganz  Russland  zu  finden  ^) .  Wir  wissen  aus  Nikon's  An- 
nalen,  dass  Griika  gar  nicht  durch  seinen  Zauber,  sondern  Dank  seiner 
Verwandtschaft  mit  den  Djaki  hat  entschlüpfen  können.  Noch  zwei 
Sommer  später  (also  wohl  im  J.  1604)  kam  die  Nachricht,  dass  er  aus 
Polen  her  gegen  die  orthodoxe  Kirche  Ränke  schmiede.  Nachdem  er 
nämlich  aus  Moskau  entkommen,  wäre  er  bei  den  Zaporogen  als  ein 
Laie  aufgetaucht^).  Darauf  wäre  er  in  Polen,  als  Sohn  Johannas  des 
Schrecklichen,  aufgetreten  und  hätte  sogar  den  Papst  zu  Rom  aufge- 
sucht. Der  Papst  und  der  König  haben  den  Griska  mit  einem  grossen 
Heere  unterstützt.   Die  Städte  der  Severa  und  der  Rjazanj  haben  ihm 


die  Beziehungen  des  Griska  zum  Bojaren  V.  »^ujskij  in  Zweifel  ziehen,  fassen 
wir  das  Betragen  des  Metropoliten  Paphnutij  und  des  Djaks  Semejka  £u- 
thymjev  unter  der  Regierung  des  Garen  V.  Sajskij  als  ein  temporibus  servire 
auf.  Dass  Paphnutij  bereits  unter  der  Regierung  des  FD  Metropolit  von 
Eruticy  war,  erhellt  aus  dem  Contexte  der  Sage  des  Palicyn. 

*)  PydftKaH  HcTopH^ecKan  BHdjioxeKa,  t.  XHI.   HcTopiÄ  o  nepBovL  EaTpi- 

apxi  lOBi :    » nO  ABOH)  ;Ke  JI%T%Z'B  paSCMOrp^H'L  6bICTB  OrB  H§RiHXB  nepEOBHHROFL 

u  nosHama  ero,  slko  J[aTBiHCRiH  B^pBi  Rp^noK'B  xpaHBTejiB«. 

3)  »A6ie  OTocjia  oro  bx  ^yAOBi  MOHacTBipB  bt»  co6.iioxeHie  ao  CBiCRy  i^apx 

EopHca«. 

3)  »y  cTperymHxx  ero  boo^Iio  spAmiix'B  HeBVffHM'B  6bictb,  h  ero  noHCKaBme 
MHoro  napcRHH'B  H  CB^THrejicRHM'B  noBej^meM'B  H  He  oöpttoma  ero  bo  Bce£  PocciH«. 

*)  »OöpixecH  y  ^epRacx  3aiiopo7RCRHX'B  Ö^em,  a  se  ^epHeiCB«. 


Wer  war  PseudodemetriuB  L  ?  57 1 

freiwillig  gehuldigt^).  Im  Anschlnss  an  die  Nachrioht,  dass  Griska  beim 
Hieb  zwei  Sommer  gedient  hätte,  mftssen  wir  daran  erinnern,  dass  zu- 
folge dem  Register  der  Gesandtschaft  ans  dem  J.  1606  (Statejnyj  Spisok 
Volchonskogo)  Griska  im  Wnnderkloster  nngefthr  ein  Jahr  verbracht 
bat.  Die  ansfOhrliche  Redaktion  der  »Sagea  des  Avraamij  Palicyn 
(Rnss.  Hist.  Bibl.,  B.  XID)  behauptet,  dass  GriSka  zwei  Sommer  im 
Wnnderkloster  nnd  über  ein  Jahr  beim  Hiob  gelebt  hätte  ^).  Diese  drei 
chronologischen  Bestimmungen  können  wir  zu  dem  Schlüsse  zusammen- 
fassen, dass  Gregor  0.  in  Moskau  mindestens  drei  Sommer  (1599 — 1601) 
verbracht  hat.  Dem  Zeugnisse  des  Barlaam  zufolge  ist  ja  Gri&ka  im 
Frühjahre  1602  Aber  die  litauische  Grenze  geflohen  und  hat  den  Winter 
1602 — 1603  in  Hojszcza  verbracht;  nach  Ostern  des  J.  1603  ver- 
schwand er,  um  dann  beim  Wiszniewiecki  aufzutauchen. 

Eigenthümliche,  wohl  aus  polnischen  Quellen  geschöpfte  Nach- 
richten Aber  den  FD  bietet  uns  idie  Geschichte  oder  Sage  von  den  Er- 
eignissen in  der  Carenstadt  Moskau  etc.«  (iCKasanie  h  non^cTi»  ese 
coA^flCH  BT»  i^apcTByion^eM'L  rpa^i  Mockb^  h  o  pascTpsT^  rpHnnc^ 
OTpenBOB^  H  0  noxosKAOHin  ero  er.  ^Teuifl,  1847,  Nr.  9),  welche  jeden- 
falls vor  dem  J.  1649  enstanden  sein  muss.  Der  Verfasser  dieser  roman- 
haften »Geschichte  oder  Sage«  verräth  sowohl  durch  Fremdwörter  in 
der  Sprache  (»KapTe^Kae,  »KaMopuc,  »vansity  »pui^apcTBOBaTLc),  bis- 
weilen geradezu  Polonismen  (wie  »KjeHHOTU«,  »MampKa«,  »KaiuaH^t), 
als  auch  durch  genügende  Kenntnisse  von  den  Sitten  und  Verhältnissen 
in  Polen,  dass  er  unter  starker  Einwirkung  von  polnischen  Quellen  ge- 
standen haben  muss.  Nach  der  »Geschichte  und  Sage  über  die  Ereig- 
nisse in  Moskau«  wäre  GriSka  in  Gali5  in  einer  adeligen  Familie  ge- 
boren und  auferzogen  und  vielen  von  den  Bojaren  beim  Hofe  bekannt 
gewesen.  Zugleich  mit  einem  anderen  Edelmanne  Michail  TrofimoviS 
Povadin  aus  Serpejsk  hätte  er  sich  dann  etwas  gegenüber  dem  Caren 
zu  Schulden  kommen  lassen.  GriSka  hätte  nämlich  oft  das  Haus  des 
Fürsten  Boris  Öerkaskij  besucht  und  wäre  von  dessen  Sohne  Ivan  Bori- 
sovii  befördert  worden.  Da  nun  der  Car  Boris  den  Theodor  Romanov, 
samt  den  Brüdern,  und  den  Fürsten  Boris  BekbulatoviS  Öerkaskij, 
samt  der  Frau  und  dem  Sohne  Ivan,  nach  den  Gefängnissen  verschickte, 

^)  »GsBepcKlA  H  PesaHCKiA  rpaAu  i%  ne  HeBO^Keio,  no  hbx  böse  noKopH- 
macA  eMy«. 

^  »B'B  ?ioAOB%  MOHacTLipi  ABa  j^Ta  Ha  RpuJioct  CTO>iJi*i  H  y  naTpiApza  y 
loBa  6ojA  roxa  bo  ABopi  6ziU'b,  cjiyxa  ühcmomi«. 


572  Engen  §oepkin, 

so  hfttte  er  anch  dem  OriSka  gegrollt.  Der  listige  Griika  hätte  sich 
aber  vor  dem  Qrolle  des  Caren  in  ein  Kloster  yerborgen,  nm  sich  dort 
einkleiden  zn  lassen.  Weiter  erzfthlt  diese  lOeschiehte  und  Saget  Fol- 
gendes vom  Lebenslaufe  des  Gri&ka.  Erst  nach  längerer  Zwischen- 
zeit kehrte  er  nach  Moskau  zurttck,  weilte  kurze  Zeit  im  Wnnderkloster, 
erlangte  hier  die  Wllrde  eines  Diakon  und  siedelte  sich  dann  beim 
Patriarchen  Hieb  an.  Sein  arger  Geist  lässt  ihm  aber  keine  Ruhe;  er 
sehnt  sich  nach  der  Severa,  will  nach  Brjansk,  nach  Putiyl,  nach  Öerni- 
gov  zn  den  Heiligen  Stätten  wallfahren  und  yerführt  zu  dieser  Reise 
auch  den  einfältigen  Michail  (als  Mönch  Misail)  Povadin.  Misail  ladet 
noch  einen  dritten  Geehrten,  nämlich  seinen  Freund  den  Priester  Bar- 
laam,  in  demselben  Wunderkloster  Wohnung  zu  nehmen.  AUe  drei 
kommen  dann  auf  verabredetem  Orte  zusammen  (y  Tpom^i  wh  nanepTb 
Ha  pny)  und  leisten  das  Gelübde,  sich  nicht  mehr  von  einander  zu 
trennen.  GriSka  entkommt  heimlich  vom  Hieb  und  erreicht  mit  seinen 
beiden  Gefährten  das  Svinskijkloster  zu  Brjansk  und  weilt  hier  7  Tage 
in  Ruhe  und  Ueberfluss.  Er  meidet  aber  den  Becher;  Misail  und  Bar- 
laam  grollen  ihm  dafOr,  dass  er  den  Heiligen  spielt.  In  einem  Dorfe 
an  der  litauischen  Grenze,  wo  sie  eine  barmherzige  Frau  beherbergt,  er- 
fahren sie,  dass  die  Grenze  gesperrt  sei,  weil  man  einen  Flüchtling  aus 
Moskau  aufzufangen  suche.  Da  gesteht  Griika  seinen  Gefährten,  dass 
es  auf  sein  Leben  abgesehen  sei,  und  überredet  sie,  durch  den  wilden 
Wald  auf  den  litauischen  Boden  und  darauf  nach  Kiey  zu  fliehen.  Sie 
gehen  drei  Tage  durch  den  Wald,  am  vierten  begegnen  sie  einem  Polen, 
dem  Bienenwärter  Jakub.  Von  ihm  erfahren  sie,  dass  sie  sich  in  der 
Herrschaft  der  Brüder  VoloviS  befinden :  der  eine  Bruder  Nikolaj,  der 
Herr  des  Jakub,  wohne  in  der  Lojowa  Göra  und  sei  katholisch;  der 
Bruder  Jan  sei  lutherisch  und  dabei  grausam.  Bei  Nikolaj  VoloviS  wei- 
len die  Mönche  9  Tage  und  begeben  sich  darauf  mit  seiner  Empfehlung 
zum  Bruder  Jan.  Hier  werden  sie  40  Tage  beherbergt;  während  dieses 
Aufenthalts  hält  GriSka  einen  Glaubensstreit  mit  Florenz,  dem  Schwager 
des  VoloviS.  Darauf  erreichen  die  Mönche  die  Stadt  Loew,  wo  sie  vom 
Vojevoden  Prokulickij  als  Gäste  aufgenommen  und  dann  zu  Pferde 
(kohhbiite  xe  nyxeM^)  nach  Eiev  entlassen  werden.  Ueber  Kiev  er- 
reichen sie  die  Stadt  Ostrog,  wo  sie  den  Fürsten  Ostrogski,  den  Voje- 
voden von  Kiev  erblicken.  Der  Fürst  hatte  einen  bis  zur  Erde  herab- 
fallenden Bart;  diesen  hielt  er  gewöhnlich  auf  den  Knien  auf  einer 
Decke.    In  seinem  Hause  verbringen  die  Wanderer  zwei  Monate  und 


Wer  war  Pseudodemetriua  I.  ?  573 

brechen  dann  nach  dem  Höhlenkloster  auf,  wo  sie  der  Archimandrit 
Jelisej  aufnimmt.  Nach  einiger  Zeit  yerlässt  GriSka  seine  Reisegefähr- 
ten,  flieht  zn  den  Zaporogen  und  schliesst  sich  der  Rotte  des  Häupt- 
lings Gtorasim  Eyangelik  an.  Mit  diesen  Kosaken  hat  er  die  Umgegend 
von  Eiev  verheert,  so  dass  der  Fürst  Ostrogsky  ihn  zu  ergreifen  be- 
fohlen hat.  Einmal  wagt  er  das  Höhlenkloster  selbst  zu  besuchen  und 
wird  sogar  vom  Archimandriten  erkannt;  es  gelingt  ihm  aber  sich 
heimlich  aus  dem  Staube  zu  machen.  Nun  nimmt  er  den  Weg  nach 
Sambor  auf  die  Oflter  des  Michail  Ratomskij,  des  Herrn  Alexander  Svir- 
skij  und  des  Fürsten  Jurij  Svirskij.  Diese  empfingen  ihn  mit  Freuden 
und  schickten  ihn  nach  dem  Stodolskikloster,  wo  ihre  Aeltern  begraben 
lagen  und  ein  katholisches  Stift  aus  40  (Bernhardiner?)  Mönchen  und 
5  Jesuiten  bestand.  Hier  stellte  sich  auch  Oriska  als  einen  katholischen 
Mönch  an.  Plötzlich  wurde  er  krank  und  forderte  von  dem  Abte 
(EryMeHTB)  Pimen  einen  Beichtvater  griechischer  Gonfession.  Es  kommt 
zu  ihm  auch  wirklich  der  Priester  Arsenij,  ein  Grieche,  welchem  Griska 
w&hrend  der  Beichte  gesteht,  dass  er  CareviS  sei.  Unterdessen  fordert 
der  Car  Boris  vom  Fürsten  Ostrogskij  die  Auslieferung  der  drei  flüch- 
tigen Mönche.  Da  schickt  der  Fürst  den  Misail  und  den  Barlaam  nach 
Sambor,  um  auszukundschaften,  ob  nicht  vielleicht  dieser  GareviS  der- 
selbe Mönch  wäre,  welcher  mit  ihnen  gekommen  war.  Misail  und  Bar- 
laam erweisen  sich  aber  schwach  genug,  um  diesem  Garevii  zu  huldigen, 
welcher  sie  seinerseits  gut  bewirthen  lässt.  Der  König  Sigismund  sendet 
nun  zwei  russische  Edelleute,  den  Osip  und  Eyrill  Ghripunov,  aus  Gross- 
novgorod,  welche  den  GareviS  in  UgliS  gekannt  hatten,  später  aber  dem 
Boris  untreu  geworden  und  nach  Polen  gegangen  waren.  Diese  sollen 
nun  den  Demetrius  prüfen,  wurden  von  ihm  erkauft  und  haben  ihn  für 
den  echten  Carevi5  erklärt.  Nun  beruft  der  König  den  Griäka  nach 
Krakau  u.  s.  w. 

Die  iSage  vom  Griska  Otrepjevc  bildet  eine  räthselhafte  Ver- 
mischung von  wichtigen  Nachrichten,  welche  sonder  Zweifel  aus  siche- 
ren russischen  Quellen  geschöpft  sind  (z.  B.  die  ausführliche  Schilde- 
rung der  Verfolgungen,  welche  Boris  gegen  die  Bojaren  angestellt  hat) 
mit  einer  romanhaften  Darstellung  aller  Abenteuer  des  Griska  in  Polen, 
welche  eine  gute  Eentniss  von  der  Geographie  der  Gegend  um  Loev 
verräth  (vgl.  Arch.  für  Slav.  Phil.,  B.  XX.  S.  286).  Diese  letzte  Episode 
sticht  auch  in  Be^ug  auf  die  Sprache  von  den  übrigen  Theilen  der  Sage 
ab,  nämlich  dadurch,  dass  alle  die  erwähnten  Fremdwörter  gerade  in 


574  Engen  äoopkin, 

ihr  vorkonunen ;  eben  dieser  Abschnitt  fehlt  in  der  kürzeren  Redaktion 
der  Sage  (s.  Rnss.  Hist.  BibL,  B.  Xin).  Wir  nehmen  also  den  Sohluss 
des  Prof.  Platonov  an,  dass  der  Verfasser  der  Sage  eine  ans  verloren 
gegangene  Quelle  benutzt  hat,  welche  unter  starkem  polnischen  Ein- 
flüsse gestanden  hat.  ^) 


1)  Der  Abschnitt  über  die  Abenteuer  des  Griska  in  Polen  enthält  eine 
Reihe  von  polnischen  Namen,  an  welche  phantastische  Thatsachen  angeknüpft 
werden.  Als  Griska  mit  seinen  Kameraden  die  Grenze  überschritten,  da 
kommt  er  zu  den  Herren  Nikolaj  und  Jan  Yolovioi.  Diese  V.  sind  uns  unbe- 
kannt. Sonst  spielen  aber  andere  Mitglieder  der  Familie  eine  bedeutende 
Rolle  unter  Sigismund  III.  (Nach  Boniecki  hat  Gregor  Woiowicz  im  J.  1563 
an  der  Gresandtschaft  desChodkevio  nach  Moskau  Theil  genommen;  er  hat 
drei  Söhne  —  Roman,  Peter  und  Hieronim  zurückgelassen ;  Roman  wird  im 
J.  1594  als  Starosta  Rohaczewski  erwähnt,  Hieronim-Jarosz  W.  im  J.  1589 
als  Pisarz  litewski,  im  J.  1618  sogar  als  Podkanderz  lit;  nach  Wolff  war 
dieser  Hieronim-Jarosz  W.  bis  zum  J.  1605  Sekretarz  krölewski).  YouLojova 
Grora  bis  Lojov  legen  die  Mönche  einen  Weg  von  15  Meilen  zurück  und  treffen 
InLojovdenVojevodenStanislavProkulickij ;  abermals  eine  sonst  unbekannte 
Persönlichkeit.  Herbarz  Polski  kennt  nur  die  Prokulbicki  in  dem  Vojevod- 
stvo  von  Viljno,  von  denen  Jan  P.  im  J.  1632  die  Wahlurkunde  Vladislavs  IV. 
unterschrieben.  Ueberhaupt  würde  man  erwarten,  dass  die  Gegend  von  Lojov 
noch  immer,  wie  Ende  des  XVI.  Jahrb.,  von  der  Familie  der  Wiszniewiecki 
abhinge.  In  der  ausftlhrlichen  Sage  vom  Griska  0.  spielen  indessen  die  Wisz. 
keine  RoUe.  Von  den  Zaporogen  kommt  hier  Griska  geradenwegs  nach  Sam- 
bor  auf  die  Güter  des  Michail  Ratomski,  Alezander  und  Jurij  Svirski;  das 
sind  auch  sonst  bekannte  Mithelfer  des  PD ;  in  den  officiellen  Akten  werden 
sie  indessen  an  der  russischen  Grenze  bei  Oster  erwähnt,  in  Sambor  kennen 
die  Akten  den  PD  nur  bei  Mniszech.  Die  Svirski  schicken  nun  den  Griska 
(nach  der  Schilderung  der  Sage)  nach  dem  Stodoljskikloster.  Wir  haben  die- 
ses Kloster  sonst  nirgends  erwähnt  gefunden.  (Wir  sind  sogar  geneigt  hier 
ein  Missverständniss  vorauszusetzen,  nämlich,  dass  durch  das  Üebersehen 
eines  Verkürzungszeichens  Stodoljskij  aus  Starodoljskij  entstanden  sei. 
Bali^sky  und  Lipi^sky  erwähnen  im  Powiat  Wl:odzimi6rski  des  Wojewödztwo 
Wolynskle  Dolsk  Stary,  wo  eine  Druckerei  für  Bücher  in  cyrillischer  Schrift 
bestanden;  im  J.  1647  ist  hier  die  slavische  Uebersetzung  des  Thomas  a 
Eempis  gedruckt  erschienen.)  Im  Stodoljskikloster  kommt  Griska  bald  mit 
den  Bernhardinern,  bald  mit  den  Jesuiten,  bald  mit  der  russischen  Geistlich- 
keit zusammen.  Das  Stodoljskijkloster  soll  in  der  Stadt  Sambor  gelegen  sein, 
doch  befand  sich  in  der  Nähe  des  Klosters  ein  russisches  Dorf  mit  der  Kirche 
der  hl.  Katharina!  Die  Brüder  Fürst  Alexander  und  Jurij  Svirskij  benach- 
richtigen den  KGnig  von  dem  bei  ihnen  erschienenen  Garevio.  Nun  sendet  der 
KOnig  die  zwei  Brüder  Ghripunovy  nach  Sambor;  das  sind  abermals  zwei 
Russen,  die  auch  sonst  als  Mithelfer  des  PD  erwähnt  werden.   Erst  vom 


Wer  war  PseudodemetrioB  I.  ?  575 

Zn  gleicher  Zeit  mit  Ivan  Timotheev  hat  auch  der  Mönch  Ayraamij 
Palicyn  an  seiner  Geschichte  der  Belagemng  des  Dreieinigkeitsklosters 
gearbeitet  (GKasanie  o  Oca^  TpoHipcaro  Gepriena  MonacTupH).  Der 
Zweck  dieses  Werkes  scheint  gewesen  zn  sein  —  sein  Kloster  zn  ver- 
herrlichen, seine  eigene  Thätigkeit  theils  zu  vertheidigen,  theQs  über- 
haupt aus  dem  Dunkel  ans  Licht  zu  ziehen  und  um  die  Gunst  der  neuen 
Dynastie,  besonders  des  Patriarchen  Philaret  zu  werben.  Nach  dem 
Berichte  des  Palicyn  hätte  die  Umgebung  des  Carevic  Demetrius  in 
UgliS  den  Knaben  gegen  die  Männer,  welche  dem  Caren  Theodor  am 
nächsten  standen,  besonders  aber  gegen  den  Boris  gehetzt  und  zn  höh- 
nischen Aensserungen  verleitet.  Das  kindische  Betragen  des  Carevii 
wird  von  seinen  Feinden  übertrieben,  mit  Lügen  um  woben  und  den 
Grossen  in  Moskau,  besonders  dem  Boris  angezeigt;  auf  solche  Weise 
verführen  diese  Leute  den  Boris  zur  Sünde  und  schaffen  den  Knaben 
aus  der  Welt.  Das  benutzt  ein  Mönch  Gregor  Otrepjev,  welcher  von 
Kindheit  an  in  die  schwarzen  Künste  eingeweiht  war;  er  begiebt  sich 
nach  Polen,  schreibt  dort  lügenhafte  Briefe  und  verbreitet  sie  überall, 
indem  er  darin  verkündet,  dass  Careviii  noch  am  Leben  wäre,  sich  selbst 

Könige  kommt  Griska  zum  Mniszech  nach  Sandomir.  Hier  kommt  wiederum 
eine  phantastische  Nachricht,  als  ob  der  Vojevoda  Mniszech  früher  selbst  in 
Rom  ein  katholischer  Mönch  gewesen,  darauf  aber,  ganz  ebenso  wie  Griska, 
aus  dem  Kloster  entlaufen  und  Vojevoda  geworden ;  deshalb  hiesse  er  auch 
Mniszech  (MniSek  würde  russisch  »ein  Mönchlein«  bedeuten).  Der  ganze  Ab- 
schnitt über  die  Abenteuer  des  Griska  in  Polen  scheint  von  einem  Bussen 
nach  den  Schilderungen  der  Polen  geschrieben  zu  sein.  In  der  Erzählung  vom 
Mönche  Mniszech  setzt  sich  der  Verfasser  den  Litanern  entgegen  (none  xe  60 
cjumazoM'L  orrh  hhxi  JIitobcrhzx  jodach).  Auch  in  der  Erzählung  vom  Zuge 
des  D.  gegen  Moskau  und  seiner  Regierung  daselbst  scheint  der  Verfasser  der 
Sage  präcise  Angaben  gehört,  sie  aber  dann  beim  Nacherzählen  entstellt  zu 
haben.  Den  Sieg  des  PD  bei  Novgorod  Severskij  setzt  z.  B.  die  Sage  auf 
Freitag  den  10.  December  an;  der  lO.Dec.  1604  war  aber  ein  Montag  und  der 
Sieg  hat  am  21.  Dec.  stattgefunden,  welcher  wirklich  ein  Freitag  war.  Oder: 
der  Einzug  des  Vojevoden  Mniszech  und  seiner  Tochter  Marina  in  Moskau 
wird  zuerst  als  eine  und  dieselbe  Begebenheit  erzählt,  dann  werden  aber  zwei 
verschiedene  Data  für  dieses  Ereigniss  angeftihrt  —  der  24.  April  st  v.  (das 
Datum  des  Einzuges  des  Mniszech)  und  der  2.  Mai  (das  Datum  des  Einzuges 
der  Marina),  In  Bezug  auf  die  kürzere  Redaktion  der  Sage  (PyccK.  Hcxop. 
EH<ij.,  T.  XIII)  pflichten  wir  der  Meinung  des  Prof.  Platonov  bei,  dass  sie  aus 
der  ausführlichen  Redaktion  dadurch  verkürzt  ist,  dass  der  Abschnitt  über 
die  Abenteuer  des  Griska  in  Polen  beinahe  vollständig  ausgelassen.  Statt 
der  Svirski  sind  in  der  kürzeren  Redaktion  die  Wiszniewiecki  aufgeführt. 


576  Engen  Sloepkin, 

ftlr  den  D.  ansgiebt,  dabei  aber  sich  immer  verborgen  h&lt  and  seinen 
Anfenthaltsort  immer  wechselt.  Dieser  FD  besteigt  den  Thron,  obgieieh 
er  vielen  als  der  Mönch  Gregor  bekannt  war  nnd  von  seinen  eigenen 
Verwandten  der  Matter  Varvara,  einem  Brader  and  einem  Oheim,  dem 
Smimoj  Otrepjev  überführt  warde ;  den  Oheim  hätte  der  Betrüger  dafte 
nach  Sibirien  verbannt.  Das  sind  alles  Behanptangen,  welche  wohl  anf 
eine  theatralische,  für  die  Massen  aufgeführte  Untersachang  des  Vaailij 
äajskij  zarückzaführen  sind ;  man  könnte  sich  wandern,  weshalb  weder 
in  den  Briefen  des  Boris,  noch  bei  der  Untersachang  des  Hieb  das  Zeng^ 
niss  der  Familie  des  Otrepjev  nnerwfthnt  geblieben.  (Smimoj  Otrepjev 
bildet  hierin  eine  Aasnahme.)  Aach  gegenüber  dem  Sajskij  verhftlt  sich 
Palicyn  zarückhaltend;  er  behauptet,  dass  er  nur  von  einigen  geringen 
Leuten  aus  den  Hofkreisen  zum  Caren  erwfthlt  wäre  und  beschuldigt 
alle  Drei  —  den  Boris,  den  Otrepjev  und  den  Sujskij  —  Geld  aus  dem 
Schatze  des  Dreieinigkeitsklosters  genommen  zu  haben. 

Seinen  Lebensschicksalen  zufolge  musste  Palicyn,  wie  kein  Anderer, 
alle  die  treibenden  Kräfte  der  Wirrenzeit  kennen  ^j.    Selbst  ein  Mönch 


1)  Aus  einer  adeligen  Familie  stammend,  wurde  Averkij  Palicyn  unter 
der  Regierung  des  Caren  Theodor  geächtet»  seiner  Güter  beraubt  und  in 
Verbannung  geschickt.  Man  glaubt  diese  Verbannung  des  P.  mit  der  Ver- 
folgung gegen  die  §i\jskie  aus  dem  J.  1587  in  Verbindung  bringen  zu  dürfen. 
Da  bat  sich  P.  in  dem  Soloveck^kloster  (auf  den  Inseln  der  Weissen  See) 
unter  dem  Namen  Avraamij  einkleiden  lassen.  Im  J.  1594  wurde  er  dann 
nebst  anderen  Mönchen  nach  dem  Dreieinigkeitskloster  (Troiokaja  Sergieva 
Lavra)  bei  Moskau  berufen.  Im  Dienste  dieses  Klosters  hat  er  sich  im  J.  1601 
in  einem  Filialstifte  der  Sergieva  Lavra,  nämlich  in  dem  Svijaiskij  Maria- 
kloster (Gouv.  Kazanj)  aufgebalten;  erst  im  J.  1608  finden  wir  ihn  abermals 
in  dem  Dreieinigkeitskloster  selbst  und  zwar  als  Gellarius  (Kelarj)  angestellt. 
Das  Amt  des  Gellarias  war  damals  seiner  Wichtigkeit  nach  das  erste  nach 
demjenigen  des  Archimandriten.  Der  GeHarius  verwaltete  n&mlich  die  zahl- 
reichen, über  ganz  Bussland  vertheilten  Güter  der  Sergieva  Lavra  und  führte 
Rechenscnaft  über  alle  ihre  Ein-  und  Auskünfte.  Während  ein  bedeutender 
Theil  Russlands  dem  Schelme  von  Tusino  (PD II.)  gehuldigt,  hielten  im 
J.  1608  der  Archimandrit  des  Dreieinigkeitsklosters  Joasaph  und  sein  Keller- 
meister Avraamij  Palicyn  fest  an  dem  Garen  Vasilij  Sujskij.  Als  am  23.  Sep- 
tember s.  V.  des  J.  1608  die  Belagerung  der  Lavra  durch  Jan  Peter  Sapieha 
begann,  lebte  Avraamij  auf  Befehl  des  änjskij  in  Moskau,  um  die  Verwaltung 
der  Klostergüter  weiter  führen  zu  dürfen.  Hier  in  Moskau  befürwortete  er  die 
Interessen  seines  Klosters  vor  dem  V.  Sujskij  und  erwirkte  vom  Garen  im  Febr. 
d.  J.  1609  die  Zusendung  einer  Kriegerschaar  zur  Hilfe  der  Belagerten.  Im 
J.  1610  wurde  der  zur  Regierung  wenig  taugliche  V.  Sujskij  abgesetzt,  an 


Wer  war  PseudodemetriuB  I.  ?  577 

der  Sergieva  Lavra  stand  er  zn  yerschiedenen  Zeiten  dem  Hofe  des 
y.  dnjskij,  dem  König  Sigismnnd  III.,  den  Heerscharen  der  Städte,  den 


dessen  Stelle  der  poln.  E^ronprinx  Vladislav  erwählt  und  eine  Gesandtschaft 
nach  Smolensk  Kam  Könige  Sigismnnd  HJ.  geschickt,  am  von  ihm  die  Erlaub- 
niss  für  seinen  Sohn  Vladislav  zn  erwirken,  die  angebotene  Krone  anzuneh- 
men. Als  Vertreter  der  Geistlichkeit  wurden  in  diese  Gesandtschaft  der  Me- 
tropolit Philaret  Bomanov  und  Avraamij  Palicyn  eingereiht  Im  Oktober  des 
J.  1610  reichten  die  Gesandten  ihre  Geschenke  dem  Könige  Sigismnnd  dar, 
wobei  die  Ghiben  des  FalioTn  besonders  reich  gewesen  sein  sollen.  Da  Sigis- 
mnnd IH.  selbst  nach  dem  Throne  von  Moskau  strebte,  so  hat  Lew  Sapieha 
den  Versuch  gemacht,  die  Gesandten  einzuschüchtern  oder  für  den  König 
selbst  zu  gewinnen.  Die  widerstrebenden  Mitglieder  der  Gesandtschaft  (Goli- 
cyn,  Philaret)  wurden  nach  Polen  geschickt,  Avraamij  Palicyn  hat  dagegen 
vom  Könige  Sigismnnd  HI.  für  das  Dreieinigkeitskloster  eine  Bestätigungs- 
nrknnde  anf  den  Besitz  sämmtlicher  Güter  empfangen  nnd  ist  dann  glücklich 
ans  dem  Polenlager  entkommen.  Vielleicht  war  dieser  ganze  Verrath  des 
Palicyn  nur  eine  List,  um  die  Freiheit  zu  erlangen  und  dann  nach  Umständen 
handeln  zu  können,  denn  seit  dem  Monat  März  1611  geht  er  Hand  in  Hand  mit 
dem  Archimandriten  der  Sergieva  Lavra  Dionysius  dem  Beispiele  des  Pa- 
triarchen Hermogenes  nach  in  den  Bemühungen,  Moskau  von  den  Polen  zn 
befreien  und  die  einzelnen  russischen  Städte  zur  Hilfeleistung  heranzuziehen. 
Als  das  Aufgebot  der  Stadt  Niünij-Novgorod  im  Frühjahr  1612  auf  dem  Wege 
nach  Moskau  mit  ihrem  Führer,  dem  Fürsten  Poi^arskij,  in  Jaroslavlj  für 
längere  Zeit  seinen  Zug  unterbrochen  hatte,  da  begab  sich  Palicyn  am  28.  Juni 
im  Auftrage  des  Archimandriten  dahin  und  erwirkte  sofort  von  den  Befehls- 
habern die  Aussendung  der  Vorhut  gegen  Moskau.  Am  14.  August  war  Po- 
iarsky  selbst  bereits  bei  der  Sergieva  Lavra.  Nun  begleitet  Palicyn  den 
Fürsten  PoSarskij  nach  Moskau,  wohin  sein  Heer  bereits  am  20.  Aug.  den 
Einzug  hält ;  hier  standen  bereits  seit  früher  her  die  unzuverlässigen  Trappen 
der  Kosaken.  Am  22.  Aug.  rückte  auch  das  grosse  Heer  der  Polen  unter 
Chodkevic  an;  zn  gleicher  Zeit  machte  die  polnische  Besatzung  in  der  Kreml 
einen  Ausfall.  Am  Tage  der  entscheidenden  Schlacht  gegen  Chodkevic,  den 
24.  Aug.,  befand  sich  Palicyn  mitten  unter  den  Kosaken  und  spornte  sie  mit 
seinen  Beden  zum  Kampfe  gegen  die  Polen  an.  Die  Bussen  trugen  an  diesem 
Tage  den  Sieg  über  den  Chodkevic  davon.  Auch  bei  der  Wahl  des  Michail 
Bomanov  hat  Palicyn  eine  hervorragende  Rolle  gespielt  Im  J.  1620,  bald 
nach  der  Befreiung  des  Philaret  Bomanov  aus  der  polnischen  Gefangenschaft, 
hat  sich  Palicyn,  vielleicht  gegen  seinen  Willen,  abermlls  in  das  Soloveckij- 
kloster  zurückgezogen;  hier  ist  er  im  J.  1627  gestorben  (vgl.  Ctenija  1880, 
Avraamy  Palicyn  von  Sergej  Kedrov).  Dem  Herrn  Kedrov  zufolge  hat  Pali- 
cyn sein  Buch  (»Geschichte  den  kommenden  Geschlechtern  zum  Andenken« 
n.  B.  w.,  wie  es  in  den  Handschriften  heisst)  im  J.  1620  beendet  und  die  sechs 
ersten  Kapitel  umgearbeitet.  Das  erste  Concept  von  diesen  sechs  Kapiteln 
hat  sich  erhalten  nnd  ist  von  Prof.  Platonov  in  der  »Buss.  Histor.  Bibliothek« 

▲rohiT  fftr  ilaTiscta«  Philologie.   XXI.  37 


578  Eugen  §6epkin, 

Kosaken^  dem  Reichsrathe  der  Bojai'en  und  dem  Beichstage  aller  Län- 
der RuBslands  ganz  nahe.  Am  wenigsten  muBSten  ihm  die  Begeben- 
heiten aus  der  Regierungszeit  des  Boris  und  des  PD I.  bekannt  gewesen 
sein;  hier  hat  er  auch  Vieles  verschweigen  oder  nur  durch  Anspielungen 
berühren  müssen,  z.  B.  die  Rolle  des  Archimandriten  Paphnutij.  Er  ist 
aber  bis  jetzt  der  einzige  russische  Geschichtschreiber,  welcher  zu  einer 
klaren  Vorstellung  von  dem  Ursprünge  und  der  allmählichen  Entwick- 
lung der  Wirren  durchgedrungen  ist.  Da  wir  den  Antheil  der  Polen  und 
Jesuiten  an  der  Organisation  der  Bewegung  zu  Gunsten  PD  I.  erst  mit 
dem  J.  1604  anfangen,  so  müssen  wir  die  Wirrenzeit  nicht  auf  eine  Eiin- 
wirkung  von  aussen  her,  sondern  auf  einen  inneren  Process  des  russi- 
schen Volkslebens  selbst  zurückführen.  In  dieser  Hinsicht  werden  wir 
uns  am  meisten  auf  die  allgemeinen  Anschauungen  des  Arraamij  P. 
stützen  müssen,  welche  unserer  Meinung  nach  durch  die  Regiemnga- 
akten  der  Zeit  genügend  erläutert  und  bestätigt  werden  können.  Djak 
Ivan  Timotheev  führt  z.  B.  den  Anfang  der  Wirrenzeit  von  den  politi- 
schen Experimenten  Johannas  des  Schrecklichen  her.  Als  dieser  Gar 
ganz  Russland  in  zwei  einander  entgegengesetzte  Reiche  getheilt,  näm- 
lich in  die  Länder  Russlands  (ZemsSina)  und  die  abgesonderten  Eron- 
länder  (OpriSnina)  und  in  der  Person  des  Tatarenprinzen  Simeon  sich 
einen  Nebencaren  für  die  Länder  Russlands  geschaffen,  hätte  er  den 
Samen  der  Zwietracht  unter  seinem  Volke  gesät ;  dadurch,  dass  er  die 
russischen  Grossen  ausrottete  oder  in  fremde  Länder  trieb,  sie  aber 
durch  eingewanderte  Fremdlinge  ersetzte,  hätte  er  die  Centralregiernng 
den  Feinden  in  die  Hände  gespielt  und  dadurch  den  Zwiespalt  zwischen 


B.  XIII  gedruckt.  In  dem  Goncepte  hatte  sich  Palicyn  vorgenommen,  etwaa 
genauer  die  Sünden  der  russischen  Gesellschaft  zu  schildern,  welche  ihr  in 
den  Wirren  die  Strafe  zugezogen  (kIhzi  pa^H  rpixoFE  nonycTH  rocnoxB  npa- 
BCAHoe  CBoe  HaRasasie  orB  Konen'B  ao  rohci^'b  bcoa  PoccIh).  In  der  Reinschrift, 
welche  wir  nach  der  Ausgabe  der  »Sage«  des  Palicyn  aus  dem  J.1822  citiren, 
hat  er  sich  damit  begnügt,  nur  diese  Strafe,  d.  w.  s.  die  Wirrenzeit  selbst  sa 
schildern  (RaRO  rpixB  paAH  HamHXB  . .  bca  MicTa  no  PoccIe  orneMi  h  Meven 
noflAeHH  ÖLima).  In  dem  Goncepte  bezeichnet  Palicyn  die  Hungersnoth  aeit 
dem  J.1601  als  die  Strafe  dafür,  dass  während  der  Verfolgung  gegen  die  Ro- 
manovy  die  ganze  Welt  geschwiegen  und  es  nicht  gewagt  hat,  die  Unschuld 
vor  dem  Boris  zu  vertheidigen.  In  der  Reinschrift  hat  sich  der  Verfasser  be- 
reits etwas  trockener  geäussert:  es  wäre  Gottes  Rache  für  die  Romanovy 
und  die  Schulden  der  Welt  gewesen  (PyccRiä  ApzuB-L,  1886,  6.  ABpaascü  üa- 
jumBiH'B,  KfkK'h  Hiicsaexh), 


Wer  war  Pseudodemetrius  I.  ?  579 

der  Carendomäne  nnd  den  Ländern  aufgerissen^].  Es  lässt  sich  nicht 
bestreiten,  dass  die  eigenwillige  Regiemng  Johannas  des  Schrecklichen 
die  alten  Zustände  im  Reiche,  die  sich  historisch  entwickelt  hatten,  zer- 
setzt und  fttr  neue  spontane  oder  ktlnstlich  eingeleitete  Bildungen  das 
Feld  geebnet  hat«  Einerseits  suchte  der  Car  die  historische  Organisation 
der  früheren  Theilfflrstenthflmer  durch  das  einförmigere  Verwaltungs- 
system seiner  Domäne  zu  ersetzen ;  andererseits  die  traditionellen  Rechte 
und  historische  Ansprüche  des  Moskauer  Adels,  der  sich  in  mehreren 
Schichtungen  ans  den  Nachkommen  der  Theilfttrsten,  der  Bojaren  des 
Gross-  und  der  Theilfttrstenthümer  um  den  Moskauergrundherrn  krista- 
lisirt  hatte,  dadurch  auszumerzen,  dass  er  einen  neuen,  nach  dem  Eigen- 
willen des  Garen  an  den  Hof  berufenen  und  geschichteten  Adel  (Opri6- 
niki)  anwarb.  Das  Emporkommen  eines  >  falschen  c  Adels  in  der  Person 
der  OpriSniki  konnte  den  Adel  auf  den  Gedanken  fuhren,  seinerseits 
statt  des  historischen  Garen  einen  >  falschen  a  in  der  Person  des  Pseudo- 
demetrius  unterzuschieben.  Die  Stellung  eines  PD  I.  im  Lager  bei 
Putivl  oder  Tula  gegenüber  den  Godunovy  in  Moskau,  eines  PD  II.  in 
TuSino  gegenüber  dem  Y.  Sujskij,  des  Königs  Sigismund  lU.  bei  Smo- 
lensk  gegenüber  dem  Bojarenrathe  mit  dem  Titulärcaren  Vladislav  konn- 
ten den  Djak  Timotheev  an  den  Gegensatz  zwischen  Johann  dem  Schreck- 
lichen mit  seiner  OpriSnina  und  dem  Garen  Simeon  an  der  Spitze  der 
ZemsSina*  erinnern ;  auch  der  Einfluss  der  Polen  in  der  Gentralregierung 
wäre  dann  nur  eine  Entwicklung  der  Fremdenherrschaft  im  Regimente 
des  Garen  Johann,  die  Befreiung  Moskaus  von  ihrem  Joche  wäre  als 
eine  Erhebung  der  Länder  gegen  die  abgesonderte,  dem  Volke  fremd 
gewordene  Krone  und  die  Wiederherstellung  des  einheitlichen  Reiches 
aufzufassen. 

Eine  weit  tiefere  Auffassung  der  Wirren,  als  solche  rein  äussere 
Zusammenstellungen  des  Timotheev,  finden  wir  bei  Palicyn.  Auch  P. 
leitet  die  Wirren  von  den  politischen  Massregeln  Johann's  des  Schreck- 
lichen ab,  er  hebt  aber  dabei  nicht  die  Absonderung  der  OpriSnina  her- 
vor, die  nur  eine  vorübergehende  Bedeutung  hatte,  sondern  das  System 
der  Kolonisation  der  südlichen  Grenze  des  Reiches  Moskau;  dieses 
System  dauerte  auch  unter  Theodor  und  Boris  fort  und  hat  am  Ende 
Rnssland  in  zwei  verschieden  organisirte  sociale  Körper  getheilt.   Um 

<)  GucB  pasA^eHleM'B,  mhbo,  HLiHimHeH  Bcen  seiuii  posr^acie  uro  npoo6pa- 
syA  OTTyffy  ao  8a%  :  cucl  Tor^a  Ha  hh>  pyKy  juläotsm,  xaxe  oho  h  aohlih^  neyisep- 
xßuhiwb  OTL  rpirL  RoxedseMo.  PyccK.  Hct.  £h5j[.|  t.  XIII. 

37* 


580  Engen  §oepkin, 

die  Länder  an  der  südlichen  and  südwestlichen  Grenze  des  Reiches 
Moskau  mit  kriegerischen  Elementen  zu  bevölkern  und  die  Grenzfestongen 
dadurch  gegenüber  den  Feinden  widerstandsfähig  zn  machen  ^  haben 
Johann  d.  S.  nnd  Boris  folgenden  Brauch  gelten  lassen :  wenn  ein  Ver- 
brecher, zum  Tode  yerurtheilt,  sich  durch  die  Flucht  nach  den  Städten 
der  »Severae  (Nordland)  oder  der  Steppe  (Pole)  rettet,  da  wird  ihm  dort 
die  Strafe  vergeben^).  Auf  solche  Weise  hat  sich  von  Johann  d.  S.  an 
bis  auf  den  Caren  Demetrius  in  jenen  Gegenden  eine  Völkerschaft  von 
flüchtigen  Bösewichten!  gebildet .  Gewisse  sociale  Entwicklnngsprocesse 
und  Massregeln  unter  der  Regierung  des  Caren  Theodor  haben  diese 
Kolonisation  befördert,  besonders  der  massenhafte  Eintritt  Freier  in  das 
Machtgebot  der  Grundherren,  nämlich  bald  unter  die  Reihen  der  ün- 


1)  Unter  den  Grenzstädten  im  engeren  Sinne  des  Wortes  (yRpaHHBuji 
ropoAa)  verstand  man  die  Linie  der  Städte  von  NO  nach  SW,  von  Serpuchov, 
Kasira  bis  Karacev  und  Kromy  (seit  1595).  Sie  schützen  seitens  der  Steppe 
das  Gebiet  des  Flusses  Oka.  Tala  war  unter  diesen  Städten  die  wichtigste. 
Ueber  Tula,  Bolchov,  Earacev  fUhrte  der  Weg  von  Moskau  nach  Kiev.  Die 
Grenzstädte  wie  Bolchov,  Krapivna,  Orel  sind  erst  unter  Johann  dem  Schreck- 
lichen befestigt  worden.  Die  Beschreibungen  der  Steppenwege  (Muiavskaja 
Doroga,  Svinaja  von  Ryljsk  bis  Bolchov,  Bakajeva  und  Pachnutceva  vom 
Flusse  Semj  nordwärts)  geben  zugleich  auch  die  Richtungen  der  Kolonisation 
an.  Im  J.  1586  beschloss  man,  die  Städte  Livny  und  Vorone!^  in  der  Steppe 
aufzubauen,  dann  folgten  die  Städte  Oskol,  Valujkii  Belgorod,  Carev-BorisoT. 
Man  verstand  also  unter  der  Steppe  (üaie)  das  Gebiet  zwischen  Don,  dem 
oberen  Lauf  der  Oka  und  den  östlichen  Nebenflüssen  des  Dniepr  und  der 
Desna.  Das  Aufbauen  der  Stadt  Garev-Borisov  an  der  Mündung  des  Oskol  in 
Donec  wurde  im  J.  1600  den  Yojevoden  Bogdan  Bjeljskij  und  Alpherov  an- 
vertraut. Unter  den  Gehülfen  des  Bjeljskij  wird  hier  auch  Istoma  Michnev 
erwähnt,  welcher  im  J.  1601  nach  Vilno  die  Gesandtschaft  des  Saltykov  be- 
gleitete, wo  ihm  der  Diener  Petrnska  entlaufen  ist,  um  beim  Lew  Sapieha 
Unterhalt  zu  suchen.  Ausser  der  Grenzlandschaft  (Ukrajna),  der  Steppe  (Pole) 
wird  von  Palicyn  auch  das  Nordland  (Severa)  erwähnt.  Diese  Städte  des  Nord- 
landes lagen  längs  der  Flüsse  Desna  (Brjansk,  Novgorod  Severskij,  Cemi- 
gov,  Morovesk;  Starodub  weiter  abwärts  zu  der  litauischen  Grenze)  und  Semj 
(Pntivlj,  Rylsk).  Gegen  die  Tataren  war  auch  die  Burg  Sjevsk  mit  der  Land- 
schaft Eomarickaja  gerichtet.  Ueber  Brjansk  ging  der  Weg  aus  dem  Nord- 
lande einerseits  nach  Smolenak,  andererseits  nach  Oka  zu  Earacev  etc.  Vgl. 
A.  Earaüiu,  O^epicH  KasoHH3ai]iiH  und  seine  »MaTepiajuj«  dazu.  Dann  »Kaara 
EomnoH  '^epiesR'L«;  lipo«.  SaHbiciOBCRiu ,  06'bhch6h1s  ki  ATJiacy  PyccKOH 
HoiopiH;  lipo*.  njaTOHOBX,  JSKMHIIp.  1898;  vor  Allem  aber  Prof.  Bjeljajev's 
Aufsätze  und  Materialien  über  den  Grenzdienst  (^TeHl;i  1846,  Nr.  4)  und  «j 
MocROBCKaro  rocyAapciBa»^T.  I. 


Wer  war  PseadodemetrinB  I.  ?  5g] 

freien,  die  an  die  Person  des  Herrn  gebunden  (xojonu);  bald  in  die 
Schichten  der  Omndholden,  deren  freier  Uebergang  ans  einer  Gmnd- 
herrschaft  in  die  andere  zuerst  durch  das  persönliche  Verschulden  ge- 
hemmt, seit  Theodor  Ivanova  auch  durch  die  officielle  Sanction  der 
thatsäohlichen  Verhältnisse  unterdrflckt  wurde.  Die  Flucht  blieb  nun 
als  die  einzige,  wenngleich  ungesetzliche  Art  des  freien  Herumziehens 
der  Bauern.  Was  P.  von  den  begnadigten  Verbrechern  berichtet,  galt 
wohl  auch  fbr  die  Bauern  und  unfreien,  welchen  es  gelungen  war  nach 
der  Steppe  oder  dem  Nordlande  zu  entkommen^).  Im  inneren  Russland 
hat  die  Regierung  des  Theodor  eine  fflnQfthrige  Veijähmngsfrist  fllr  die 
der  Flucht  Schuldigen  eingeführt.  Die  grosse  Hungersnoth  und  die  Ver- 
folgung der  alten  Bojarenfamilien  unter  Boris  haben  die  Auswanderung 
nach  der  Grenze  genährt.  Dem  Palicyn  zufolge  haben,  unter  der  Regie- 
rung des  Theodor,  Boris  Oodnnov  und  andere  russische  Grossen  massen- 
haft freie,  sogar  begüterte  Leute,  besonders  die  schönsten  und  besten 
Eriegsleute  in  ihre  Häuser  in  den  unfreien  Dienst  gezogen;  dabei  wur- 
den die  schriftlichen  Einwilligungen  in  den  Verlust  der  Freiheit  den 
Betreffenden  bisweilen  durch  Gewalt  oder  List  entlockt.  Während  der 
grossen  Hungersnoth  haben  Alle  eingesehen,  dass  sie  ein  so  grosses 
Hausgesinde  zu  ernähren  nicht  würden  im  Stande  sein  und  fingen  an 
ihren  Unfreien  die  Freiheit  zu  geben.  Andererseits  liess  Boris  das  Haus- 
gesinde aller  der  Bojaren  auflösen,  welche  er  aus  Argwohn  verfolgte, 
und  verbot  den  anderen  Bojaren,  diese  entlassenen  Unfreien  in  ihren 
Dienst  aufzunehmen.  Manche  von  diesen  Dienern  lebten  von  Rachsucht 
gegen  den  Caren  erfüllt  und  lauerten  auf  bessere  Zeiten,  bis  sie  der  Tod 
ereilte.  Die  Einen  von  ihnen  ernährten  sich  durch  irgend  ein  Hand- 
werk, die  Anderen  lebten  auf  Kosten  der  Anverwandten.  Viele  aber, 
die  zum  Eriegerleben  Lust  hatten,  zogen  in  die  Grenzfestungen.  Mehr 
als  20  Tausend  solcher  Abenteuerer  nahmen  später  an  den  Wirren  in 
Kaluga  und  Tula  Theil,  ohne  die  seit  früherher  dort  angesiedelten 
Schelme  mitzurechnen.  Gerade  diese  Flüchtlinge  in  den  Städten  der 
Severa  und  der  Steppe  Hessen  sich  am  frühesten  durch  die  Briefe  des 
PD.  I.  verfahren.  Zu  diesem  Berichte  des  Palicyn  können  wir  wohl  die 
Vermuthung  hinzufügen,  dass  manche  von  den  Dienern  der  verbannten 
Bojaren,  wie  der  ruinirte  Kleinadel  überhaupt,  auch  in  den  Klöstern 

^)  Vgl.  den  Beschlnss  der  Bojaren  aus  dem  J.  1606:  A  Roiopue  (Sinun 
CB  SHBOTBi  vh  AaJHUO  utcia  nrh  sa  Mockobckhx'b  ropoAOVB  na  YspaiHU,  a  oh 
yKpauHu  B'L  MocKOBCKie  ropoxa  etc.  (Artbi  Apx.  3Rcn.  U,  Nr.  40). 


582  Engen  äoepkin, 

Unterhalt  gefanden  haben  werden  ^).  Solche  Mönche,  wie  z.  B.  Gregor 
Otrepjey  nnd  Misail  Povadin  dienten  wohl  als  Vermittler  zwischen  den 
ELlöBtem  nnd  den  Grenzbnrgen.  Derselbe  Palicyn  hat  auch  die  Sohnld 
des  Boris  gegenüber  der  Oeistlichkeit  und  den  Klöstern  angegeben. 
Boris  soll  während  der  Hnngersnoth  befohlen  haben,  Boggen  statt  Wei- 
zen für  das  Brod  des  hl.  Abendmahls  an  die  Kirchen  ans  den  Krön- 
speichern  aasznthellen ;  indessen  liess  er  zu  derselben  Zeit  Fremde, 
welche  aas  den  feindlichen  Ländern  erschienen,  im  üeberflasse  schwel- 
gen. Es  hat  also  der  Car  die  Aasländer  mehr  als  die  Oeistlichkeit  ge- 
ehrt 2).  Speciell  dem  Kloster  des  hl.  Sergij  (Troickiga  Layra)  hat  Boris 

1)  Es  scheint,  dass  ausser  Gregor  Otrepjey  and  Misail  Poyadin  aaoh  Bar- 
laam  Jackij  zu  den  Bojarensöhnen  gehörte,  welche  unter  Mönchen  Zuflucht 
gefanden.  Herr  StoroSey  hat  aus  den  Dokumenten  des  Moskauer  Archiys 
des  Justizministeriums  die  »Dekaden  a  (Desjatni),  d«  w.  s.  die  Listen  der  neu 
angeworbenen  Bojarensöhne  aus  dem  XVI.  Jabrh.  publicirt,  wo  neben  der 
Familie  Otrepjey  auch  die  der  Jackie  erscheinen.  Es  ist  die  Liste  fUr  die 
Stadt  Kolomna  aus  dem  J.  1577  (GuHcaHie  AoKyMeHioB'B  h  EyicarB  Mock.  Apz. 
Mhh.  lOcTiuiH,  KH.  VIIIJ.  Hier  kommen  folgende  Bojarensöhne  sammt  ihren 
Bürgen  yor :  a)  Gregor  Romanoylo  Jackij,  fttr  ihn  bürgen  Baten  Jackij  und 
Dayid  Gomzjakoy ;  b)  Andrej  Ignatjeyio  Otrepjey,  in  den  Dienst  getreten  aus 
Uglio,  fttr  seinen  Dienst  bürgen  Smirnoj  und  Bogdan  Otrepjeyy  (ohne  Zweifel 
der  Vater  und  der  Ohm  des  Griska);  c)  Smirnoj  Otrepjey,  Sohn  desZamjatnja, 
dient  als  Centurio  bei  den  Strelitzen,  fttr  ihn  bürgen  Michail  Koltoyskoj,  lyan 
Koltoyskoj ;  d)  Bogdan  Otrepjey,  Sohn  des  Zamjatnja,  für  seinen  Dienst  bürgen 
Ivan  Koltoyskoj I  Smirnoj  Zamjatnin  Otrepjey;  e)  Tichon  Otrepjey,  Sohn  des 
Zamjatnja,  für  seinen  Dienst  bürgen  Smirnoj  und  Bogdan  Otrepjeyy,  Bogdan 
Gk>mzjakoy.  A^f^ftHoi^d  ist  dieser  gemeinsame  Dienst  der  Otrepjeyy,  Jackie 
und  Koltoyskie.  Dem  Geschlechte  der  Koltoyskie  gehörte  ja  die  yierte  Frau 
Johanns  des  Schrecklichen,  welche  Ji>i8  zum  Jahre  1626  in  einem  Kloster  zu 
Tichyin  gelebt  hat.  Unter  den  neuangeworbenen  Bojarensöhnen  aus  dem 
J.  1577  kommen  wiederum  an  der  Seite  der  Koltoyskie  und  Gomzjakoyy  auch 
drei  Dubenskie  yor  —  Peter,  Matthäus,  Alexander.  Nun  müssen  wir  uns  daran 
erinnern,  dass  die  fünf  Brüder  Ghripunoyy,  welche  die  Echtheit  des  D.  be- 
zeugt, in  der  Urkunde  des  Königs  Sigismund  III.  als  Ohripunoyy-Dubenskie 
bezeichnet  werden.  Ghripunoyy  kann  als  Patronymikon  eines  Zweiges  der 
Dubenskie  aufgefasst  werden,  da  Chripun  als  ein  yon  der  Kirche  keinesw^s 
anerkannter  Name  —  ähnlich  wie  Bogdan,  Zamjatnja,  Smirnoj  —  yorkommt 
(Artu  Hot.  I,  Nr.  245,  XpHnyHi).  Indessen  kommt  auch  der  Familienname 
Ghripunoyy  allein  vor  (der  StrelitzenhäuptUng  Ghrip.  in  »üacn.  Kh.,  kbx.  Kku. 
Teorp.  Otfm.«).  In  diesen  Dekaden  (Desjatni)  aus  der  Regierungszeit  Johanns 
des  Schrecklichen  glauben  wir  die  ältere  Generation  aller  der  Männer  zu  fin- 
den, welche  die  ersten  Schritte  des  PD I.  befördert  haben. 

^)   ÄV>6jL  HHOaBBIVHKROB'B  Ua^C  CSfl]It6HH0Ha^adECIByiDIIlKr&. 


Wer  war  PseudodemetriuB  I.  ?  583 

Leid  gethan :  er  war  der  erste,  welcher  ans  dem  Schatze  des  Klosters 
15400  Rnhel  für  seine  Eriegslente  gehorgt;  später  hat  PD  aas  dem- 
selben Schatze  30000  Rnbel,  der  Gar  §ajskij  18355  Rubel  entlehnt. 
Die  systematische  Kolonisation  der  Grenzbnrgen  durch  Lente,  die  sich 
in  die  neuen  Verhältnisse  im  Centrnm  nicht  haben  fügen  wollen,  hat 
allmählich  die  Massen  angehäuft,  welche  in  der  Wirrenzeit  gegen  die 
Hauptstadt  gezogen ;  die  Verfolgung,  so  Boris  aus  dynastischen  Zielen 
gegen  andere  Bojarenfamilien  eingeleitet,  hat  diesen  Massen  das  Ziel 
und  die  Ftthrer  gegeben.  So  lautet  die  Philosophie  der  Wirrenzeit 
beim  Palicyn.  Die  neueren  Forschungen  über  die  Kolonisation  des  mitt- 
leren Russlands  bestätigen  seine  allgemeine  Auffassung. 

Der  Bericht  des  Avraamij  Palicyn  über  die  neue  Sitte,  welche 
unter  der  Regierung  des  Caren  Theodor  nach  dem  Beispiele  des  Boris 
OodunoY  bei  den  Bojaren  Wurzel  gefasst  hat,  einen  ganzen  Hof  von 
Dienern  zu  halten,  wird  durch  eine  Reihe  Ton  Akten  für  die  Zeit  be- 
stätigt. Als  Boris  im  J.  1590  den  Gesandten  aus  Persien  eine  Audienz 
geben  sollte,  da  wurden  sie  von  seinem  Hofmeister  (Dvoreckij)  und 
Schatzmeister  (KaznaSej)  empfangen.  Bei  der  Audienz  der  persischen 
Gesandten  im  J.  1593  werden  am  Hofe  des  Boris  seine  Trabanten  (Pri- 
stava),  Dolmetscher  und  eine  Reihe  von  Dienern  (unter  ihnen  auch  Edel- 
leute)  erwähnt.  (H.  BecejoBciciH,  IlaMHTHHKH  GHomeniH  crh  üepcien, 
T.  I.)  Nun  lässt  sich  unter  den  freien  Leuten  der  Zeit  die  Tendenz  be- 
merken in  den  unfreien  Dienst  zu  treten,  um  sich  Lebensunterhalt  zu 
▼erschaffen.  Die  Regierung  des  Caren  Theodor,  d.  w.  s.  des  KonjuSij 
(Marschall)  Boris  Godunoy,  verfolgte  ihrerseits  die  Tendenz,  den  vor- 
übergehenden Dienst  eines  solchen  freien  Mannes  in  eine  lebenslange 
Knechtschaft  zu  verwandeln.  So  hat  die  Verordnung  vom  5.  Februar 
1597  bestimmt,  dass  einerseits  alle  die  Knechte,  welche  schriftlich  in 
die  vorübergehende  Knechtschaft  eingewilligt  haben  (KadajELHiie  xojomi), 
von  nun  an  auf  Lebenszeit  an  ihre  Herren  gebunden  sein  sollen;  anderer- 
seits, dass  alle  freie  Leute,  welche  auch  ohne  schriftliche  Einwilligung 
über  6  Monate  l^ei  einem  Herren  gedient  haben,  weiterhin  auch  gegen 
ihren  Willen  durch  eine  Urkunde  an  den  Herrn  gebunden  sein  sollen, 
dafür,  dass  er  ihnen  Nahrung '  und  Bekleidung  gegeben  hat.  Weniger 
sicher  war  die  Politik  der  Regierung  gegenüber  den  Bauern.  Nach  der 
Verordnung  des  Caren  Theodor  und  dem  ürtheile  der  Bojaren  aus  dem 
J.  1597  s.n.  wurde  eine  gewisse  Frist  für  alleProceese  der  Herren  gegen 
die  ihnen  entlaufenen  Bauern  bestimmt;  man  durfte  nur  diejenigen 


584  Engen  iioepkin, 

Banern  znrückverlaDgen,  welche  seit  dem  J.  1592  s.n.  die  Flneht  ergriffen 
haben  ^).  Nnn  entsteht  aber  die  Frage,  ob  nicht  ein  Grundherr  die  Bauern 
einem  anderen  Grundherrn  wegnehmen  durfte,  indem  er  dabei  ihre 
Schulden  bezahlte.  Eine  Verordnung  Yom  1 1. November  des  J.  1601  B.n. 
beweist,  dass  seit  dem  Ende  des  XVI.  Jahrh.  auch  derartiges  üeber- 
führen  der  verschuldeten  Bauern  im  Spätherbste  von  der  Regierung  im 
allgemeinen  als  etwas  Ungesetzliches  aufgefasst  wurde  und  dass  nur 
für  gewisse  priveligirte  Gruppen  von  Grundherren  Ausnahmen  gemacht 
wurden.  Die  Verordnung  vom  11/21.  November  bestimmt  eben,  welche 
Gruppen  von  Edelleuten  (vor  Allem  die  in  dem  Hof  dienste  oder  beim 
Hohen  Klerus  angestellten  Edelleute)  im  Spfttherbste  des  J.  1601  ein- 
ander die  Bauern  (nicht  über  2  Bauern  aus  einer  Grundherrschaft  einem 
und  demselben  Grundherrn)  wegführen  dürfen.  Die  neueren  Forscher 
über  die  Kolonisation  haben  auch  den  Unterschied  in  der  socialen  Orga- 
nisation zwischen  den  Burgen  der  Steppe  und  des  inneren  Russianda 
hervorgehoben.  Die  privaten  Ansiedelungen  einzelner  unternehmender 
Familien  gingen  hier  Hand  in  Hand  mit  der  Regierungskolonisation, 
welche  hauptsächlich  den  Zweck  verfolgte,  durch  genügend  bevölkerte 
Burgen  die  Grenze  gegen  die  Tataren  zu  schützen.  Die  Besatzung  der 
Burg  entstand  also  theils  durch  die  Uebersiedelung  der  Kiiegsleute  aus 
dem  Inneren,  theils  durch  die  Anwerbung  der  freien  Ansiedler  und 
Flüchtlinge.  Während  die  wirthschaftliche  Organisation  der  älteren 
Burgen  im  Gebiete  der  Oka  auf  dem  System  der  Grundherrschaften, 
welche  als  Beneficien  unter  der  Besatzung  ausgetheilt  wurden,  und  der 
Arbeit  der  grundholden  Bauern  beruht,  trifft  man  in  den  neueren  Städten 
der  Steppe  eine  specielle  Schichtung  der  Kriegsleute,  die  s.  g.  »ange- 
worbenen Leute«  —  Strelitzen,  Kosaken,  Wegführer,  Wächter,  be- 
rittene Boten  u.  d.  g.  Es  sind  Krieger  und  Bauern  zu  gleicher  Zeit ;  sie 
bebauen  aber  keineswegs  die  Aecker  eines  Grundherrn,  sondern  bald 
ihre  eigenen  commendirten  Ansiedelungen  (H)pTu)  oder  ihnen  cessirte 
Landstflcke,  bald  das  Kronland.  Da  die  Moskauerregierung  seit  Theodor 
bemüht  war,  den  kleineren  Grundherrschaften  die  Arbeitskraft  dadurch 
sicher  zu  stellen,  dass  sie  das  freie  Herumziehen  uud  Herumführen  der 
Bauern  als  etwas  Ungesetzliches  aufzufassen  begann,  so  konnten  die 
freien  Hintersassen  ihre  Selbständigkeit  nur  durch  die  Flucht  an  die 


1)  Für  das  J.  7101  (Sept.  1592  —  Sept.  93)  wird  die  Ausführung  eines 
Reiohsgrundbuches  angenommen. 


Wer  war  PseiidodemetriaB  L?  585 

Grenze  und  das  Einreihen  nnter  die  i> Angeworbenen«  erretten.    Diese 
Orenzer  haben  wohl  den  PD  bis  naeh  Eromy  geleitet.  Die  Ansemander- 
Setzungen  des  Palieyn  finden  auch  in  einem  Beschlüsse  des  Bojaren- 
rathes  ans  der  Regiernng  PD  I.  (1.  Febmar  1606)  genUgende  Bestftti- 
gnng.    Es  handelt  sich  hier  nämlich  nm  die  flflchtigen  Banem,  ftr 
deren  Schuld  auch  dieser  Beschluss  im  allgemeinen  eine  fftnQfthrige  Ver- 
jährungsfrist annimmt;   specielle  Verordnungen  werden  nur  in  Bezug 
auf  diejenigen  Bauern  getroffen,  welche  ihren  Grundherren  während  der 
Hungersjahre  Sept.  1601 — Sept.  1603  s.u.  entlaufen  waren.  Die  wohl- 
habenden Bauern,  welche  in  diesen  Jahren  mit  gewisser  Habe  entlaufen 
und  neue  Grundherren  gefunden,  obgleich  sie  die  Hungersnoth  auch  bei 
den  alten  hätten  aushalten  können,  mussten  ihren  früheren  Herren  wieder 
zugestellt  werden ;  die  armen  Bauern  dagegen,  so  aus  Mangel  an  Nahrung 
ihren  alten  Grundherren  entlaufen  waren,  durften  auch  weiterhin  bei 
ihren  neuen  Herren  verbleiben,  welche  sie  während  der  Hunger^ahre 
ernährt  haben.    Bei  der  Burg  Pntivl  näherten  sich  die  Grenzen  der 
Reiche  Moskau  und  Polen.    Zwischen  diesen  Grenzen,  mit  der  Spitze 
gegen  Putivl  gerichtet,  hat  sich  ein  Dreieck  der  Steppe  gebildet,  dessen 
Besitz  noch  unentschieden  blieb.  Hier  an  den  üfem  des  Flusses  Sula 
begegneten  sich  die  beiden  kolonisatorischen  Bewegungen  —  polni* 
scherseits  die  aristokratische  Kolonisation  der  Wiszniewiecki,  von  Seiten 
Moskaus  —  die  kriegerischen,  emporstrebenden  Elemente,  welche  sich 
in  die  neue  sociale  Organisation  des  Oentrums  nicht  haben  fttgen  lassen. 
Es  gelang  einem  von  den  Wiszniewiecki,  diese  russischen  Elemente  um 
den  Namen  des  Pseudodemetrius  zusammenzurotten  und  gegen  die  Haupt- 
stadt Moskau  zurflckzutreiben.   Von  Wichtigkeit  ist  es,  dass,  während 
PD  I.  den  Weg  nach  Moskau  Aber  das  Nordland  und  die  Grenze  (Öer- 
nigov,  Novgorod  Severskij,  Sjevsk,  Eromy,  Orel,  Tula,  Serpuchov)  ge- 
wählt hat,  die  Städte  der  Steppe,  welche  seitwärts  lagen,  sich  ihm  von 
selbst  ergaben  (Bjelgorod,  Oskol,  Valujki,  Borisov,  Voronei  u.  s.  w.)*). 


1)  In  der  Severa  war,  nach  Miklaievskij,  der  vorherrschende  Typus  der 
Wirthschaft  nicht  die  grosse  Grondherrschaft  eines  Bojaren,  sondern  die 
kleinen  Beneficien  der  Bojarensöhne  und  der  angeworbenen  Leute  —  eines 
Grenzers  (Stanionik,  berittene,  zu  bestimmter  Zeit  an  bestimmten  Strecken 
der  Grenze  scharenweise  herumreisende  Wache),  eines  Wegweisers  (Vol), 
eines  Kosaken.  Auch  die  BojarensOhne  erscheinen  hier  nicht  speciell  als  der 
Geburtsadel,  sondern  werden  vielmehr  auch  aus  den  Öerkasen,  Kosaken,  so- 
gar Bauern  angeworben  und  belehnt  Sogar  die  grosseren  Grundherrschaften 


586  Engen  Soepkin, 

Ausser  Djak  Timotheev  und  Palicyn  gibt  auch  die  zweite  Redak- 
tion des  Chronographen  eine  originelle  Auffassung  der  Begebenheiten 

pflegten  hier  die  freien  Kosaken  vom  Dniepr  (uerkasy)  heranzuziehen.  Da  die 
Moskauer  Begierang  dieser  freizügigen  Bevölkerung  zur  Bewachung  der 
Grenzen  bedurfte,  so  war  sie  noch  zu  Ende  des  XVTI.  Jahrhunderts  f;egen 
die  erzwungene  Verwandlung  der  Cerkasy  in  grundholde  Bauern  gestimmt. 
(Siehe  HuK^ameBCKiH,  Kx  HcropiH  xosKUCTBeHHaro  öuxa  MocKOBCRaro  Tocy- 
AapCTBft,  ^.  I.) 

Die  Verordnung  an  Bogdan  Bjeljskij  über  die  Gründung  der  Stadt  Bo- 
risov  ist  unseres  Wissens  die  einzige  gedruckte  Urkunde  aus  dem  XVI.  Jahrh^ 
welche  uns  das  reciproque  Verhältniss  zwischen  der  Regierung  und  den  freien 
Ansiedlern  in  der  Steppe  klar  schildern.  Bjeljskij  und  Alpherov  sollten  die 
Atamanen  und  Kosaken  aus  dem  Gebiete  der  Flüsse  Donec  und  Oskol  ein- 
laden, sie  im  Namen  des  Garen  mit  ihren  freien  Siedeleien  (h>ptbi)  belehnen 
und  ein  Kataster  über  diese  nothgedrungen  commendirten  Güter  nach  Mos- 
kau sendeut  Für  diese  Belehnung  sollten  die  Atamanen  und  Kosaken  zwar 
keine  Steuern  entrichten,  waren  indessen  verpflichtet,  einen  Grenzdienst  gegen 
die  Tataren  und  die  Cerkasy  zu  leisten  (wohl  gegen  diejenigen  Öerkasy, 
welche  sich  den  Vertretern  der  russischen  Regierung  nicht  unterwarfen  und 
in  der  Steppe  ein  freies  Räuberleben  führten).  Prof.  Bagalej  (OvepKH  varb 
HcTopiH  KojoHHsaulH,  T.  I,  S.  132)  schreibt  nur  eine  ganz  geringe  Bedeutung 
den  Flüchtlingen  (Czoaubi)  bei  der  Kolonisation  der  Steppe  zu  und  berück- 
sichtigt weder  die  Verordnungen  über  die  Bauern  aus  den  JJ.  1597  und  1606, 
noch  das  Zeugniss  des  Palicyn.  Er  glaubt  sogar,  dass  die  Moskauer  Regie- 
rung gegen  die  in  die  Steppe  fliehenden  Bauern  und  Kriegsleute  immer 
strenge  Repressalien  angewandt  hätte,  er  kann  aber  dafür  nur  für  die  Zeit 
der  Romanovy  Belege  anführen.  Unserer  Meinung  nach  hat  Prof.  Bagalej 
eben  deshalb  den  Palicyn  unterschätzt,  dass  er  keinen  Unterschied  zwischen 
der  Regierungspolitik  vor  und  nach  den  Wirren  gemacht.  Wir  glauben 
keineswegs  daran,  dass  es  irgend  ein  positives  Gesetz  unter  der  Regierung 
Johanns  des  Sehr,  oder  des  Theodor  gegeben,  wonach  die  flüchtigen  Ver- 
brecher (für  einen  Bauern  oder  Knecht  war  eben  die  Flucht  selbst  ein  Ver- 
brechen) an  der  Grenze  begnadigt  werden  sollen.  Die  Praxis  der  Regierung, 
diesen  Flüchtlingen  ihre  Ansiedelungen  zu  gönnen  und  sie  sogar  zum  Staate- 
dienste heranzuziehen,  ging  indesen  im  Stillen  auf  dasselbe  hinaus.  Die  Ver- 
ordnung aus  dem  J.  1597  hat  alle  die  Bauern,  so  vor  dem  J.  1592  s.  n.  ihren  Her- 
ren entflohen,  für  frei  anerkannt  und  wurde  später  immer  als  ein  Gesetz  über 
fUuQährige  Verjährungsfrist  aufgefasst.  So  ein  Verjährungsgesetz  bedeutete 
beinahe  dasselbe,  was  Palicyn  unter  dem  Brauche  der  Garen  vom  Johann  bis  zum 
Boris  gemeint  hat  (uocjiiAOBa  sce  uapL  EopacB  b'b  HiiuixB  spaBizi  uapio  HBany). 
In  allen  Anschauungen  des  Palicyn  von  der  kühnen  Kolonisations-  und  Grens- 
Politik  hören  wir  die  Stimme  eines  Vertreters  des  klösterlichen  Grossgrund- 
besitzes, welcher  durch  die  Flucht  der  Arbeitskräfte  Schaden  gelitten.  Auch 
die  Regierung  selbst  wurde  nach  den  Wirren  unter  den  Romanovy  etwas 


Wer  war  PseadodemetriuB  I.?  587 

der  Wirrenzeit  von  einem  Zeitgenossen.  Die  erste  rassische  Redaktion 
des  Chronographen,  welche  mit  dem  Falle  Konstantinopels  endet,  wurde 
im  J.  1 6 1 7  vervollstflndigt  nnd  bis  auf  die  Thronbesteigung  des  Caren 
Michail  Romanov  fortgesetzt;  diese  Bearbeitung  ist  als  die  zweite  Re- 
daktion des  Chronographen  bekannt.  Vom  J.  1534  an  und  bis  zu  Ende 
bildet  der  Chronograph  ein  originelles  Ganzes,  das  einem  unbekannten 
Verfasser,  wahrscheinlich  dem  Redakteur  der  zweiten  Redaktion,  an* 
gehört^}.  An  faktischen  Nachrichten  ist  diese  Quelle  ziemlich  arm,  be^ 
geht  im  Einzelnen  Fehler ;  um  so  wichtiger  ist  hier  die  allgemeine  Auf- 
fassung der  Wirrenzeit.  Im  März  1584  stirbt  Johann  der  Schreckliche, 
nachdem  er  den  Bojaren  Nikita  RomanoviS  Jurjev  und  den  Fürsten 
Ivan  PetroviS  äujskij  seinem  Sohne  Theodor  zu  Rathgebern  bestimmt 
hatte;  nach  dem  Tode  des  Nikita  R.  ersetzt  dann  Boris  Oodunov  seinen 
Platz  beim  Caren.  Im  J.  1585  s.  v.  (wahrscheinlich  September — De- 
cember  1584)  theilt  Car  Theodor  die  Stadt  UgliS  seinem  Bruder  Demo- 
trius  als  Apanage  zu ;  man  behauptete,  dass  er  es  auf  Anstiften  des 
Boris  verordnet  hätte.  Im  J.  1586  treffen  der  Metropolit  von  Moskau 
Dionysius,  der  Fttrst  Ivan  PetroviS  äujsk^  und  andere  Bojaren  und  so- 
gar ELaufleute  der  Stadt  die  üebereinkunft,  den  Caren  zu  bitten,  seine 
kinderlose  Frau  Irina  Godunova  in  ein  Kloster  zu  schicken  und  eine 
andere  Ehe  einzugehen.  Boris  kommt  ihnen  zuvor  und  erwirkt,  dass 
Dionysius  selbst  ins  Kloster  eingesperrt,  statt  seiner  aber  Hieb  zum 
Metropoliten  erhoben  wird.  In  derselben  Zeit  lässt  er  den  Fflrsten  Iv. 
Petr.  äujskij  sammt  den  Brüdern  in  eine  entlegene  Gegend  verbannen 
und  dort  ermorden.  Im  J.  1591  wurde  CareviS  D.  zu  Ugli(  von  KaSa- 
lov  und  Daniil  Bitjagovskij  ermordert;  viele  sprachen^)  davon,  dass 
CareviS  auf  Befehl  des  Boris  umgebracht  worden  war.  Im  Januar  1598 
entschläft  Car  Theodor.  Vor  seinem  Tode  vermacht  er  das  Reich  dem 


furchtsamer  in  ihrer  Praxis  an  der  Grenze.  Im  Allgemeinen  hat  Prof.Bagalej 
darin  Recht,  dass  auch  die  Kolonisation  vor  den  Wirren  hauptsächlich  vom 
Staate  geleitet  wurde,  aber  es  war  eben  eine  Staatskolonisation  durch  Staats- 
gefährliche  Elemente,  welche  von  gewisser  Biegsamkeit  und  Kühnheit  der 
Regierung  zeugt.  Dagegen  lässt  Prof.  Bagalej  die  Flüchtlinge  aus  dem  pol- 
nischen Kleinrussland  (die  Dnieprkosaken  oder  Cerkasy)  einen  grossen  An- 
theil  an  der  Kolonisation  der  Steppe  nehmen. 

<)  Vgl.  Andrej  Popov,  OOeop'L  XpoHorpaftosx  PyccKOK  Pe^aRniH,  1 — 2, 
dazu  sein  >H86ophhr'b«. 

')  Mhosk  xe  rjiaroüiaxy  hko  exe  y6ieB'B  KapeBXVB  noBOjieHiein  Mogxob- 
CKaro  öoxiipHHa  Eopaca  ToAyHOBa. 


588  Engen  äoepkin» 

Sohne  seines  Oheims,  dem  Theodor  NikitiS  Romanov-Jorjev  nnd  gibt 
ihm  den  Segen  znm  Hemohen.  Durch  die  List  des  Eoiynsij  Boris  Qo* 
dunov  ist  dieser  indessen  um  die  Krone  gekommen  nnd  ins  ünglflck 
gestürzt  worden.  Boris  besteigt  nun  selbst  den  Thron.  Im  J.  1600 — 
1601  (7109)  ersinnen  gewisse  böse  Männer  eine  Verlenmdnng  gegen 
den  nnsohnldigen  Bojaren  Theodor  NikitiS;  man  behauptete^),  dass  es 
auf  Befehl  des  Caren  Boris  geschehen  ist.  Denn  Boris  trachtete  seiner 
Dynastie  den  Thron  von  Moskau  sicherzustellen  und  entschloss  sich 
deshalb  den  Zweig  des  früheren  Carengesohlechts,  die  Bomanovy,  aus- 
zurotten. Er  Iftsst  also  den  Theodor  NikitiS  im  Kloster  des  Antonii  an 
der  Sija  zum  Mönche  scheeren ;  seine  Brflder  und  seinen  Sohn  Michail 
schickt  er  auch  in  die  Verbannung  2).  Aus  Neid  gegen  Andere  hat 
Boris  überhaupt  sein  Ohr  allzu  gerne  den  Verleumdern  der  Unschuld 
gereicht  und  dadurch  sich  den  Zorn  aller  leitenden  Männer  Busslands 
zugezogen').  Dieser  Zorn  der  leitenden  Würdenträger  hat  die  Stürme 
der  Empörung  und  der  Wirren  gegen  den  Caren  angefacht  Nach  den 
Wirren  wird  nun  Michail  Romanov  zum  Caren  gewählt,  als  Neffe  der 
Garin  Anastasja  und  Sohn  desjenigen  Theodor  Nikitii,  welcher  Tom 
Garen  Theodor  lyanoviS  zum  Herrschen  den  Segen  erhalten  hatte.  So 
lautet  die  Philosophie  der  Wirrenzeit  beim  Fortsetzer  des  Chrono- 
graphen :  Boris  hat  einem  Romanov  die  Krone  gestohlen,  hat  aus  dyna- 
stischen Bücksichten  die  alten  Bojarenfamilien  argwöhnisch  beaufsich- 
tigt und  yerfolgt  und  dadurch  die  Wirren  und  die  Fälschung  eines 
Demetrius  heryorgerufen.  Wir  dürfen  indessen  nicht  vergessen ,  dass 
diese  Auffassung  bereits  unter  der  Regierung  der  Romanovy  nieder- 
geschrieben ist. 

Die  russischen  Annalen  und  Sagen  behaupten  ziemlich  einstimmig, 
dass  PD  I.  erst  infolge  der  Verfolgungen  des  Boris  und  zwar  nach  den 


1)  iKOdiaHieirB  xe  H  noB&iiHlein  i^ap^  EopHca  rjiarasB>r&  öuth  ceiiy  co- 
CTSBBjreHix) .  .  . 

^)  Ei  6o  oicy  Mucjn  on  c^mohh  CBoero  BOKapcTBSTH  na  npecxoJTB  uapcxBa 
PycRaro  h  cero  pa^H  i^apBCRis  nopox&i  b%tbb  coRpyniBTH  homucju. 

3)  Ame  6u  He  lepHie  saBHCTsuA  zzo6hi  nviTh  Ro6yoKkTejm  loro  noMpa^n  •  . 
cero  paxv  h  orB  KjeBemymHX'i»  niEia.  HSBitii  He^ecTHBaro  ooBiTa  Ha  HenoBXH- 
HLiH  FB  xpocTB  cyeTHo  upiKMame  ■  cero  paAH  Ha  cü  orB  Bcizi  PycBCsiü  seiux 
VHHOHa^ajiHHKOB'B  HeroxoBaHle  naBexo.  H  MHornfB  HanacTHBixB  BOüiffB  uoöypBiM 
B%TpB  BOCTama  Ha  hb  h  xoÖpoKvfeTyHiyH)  ero  i^apcTsa  Rpacory  BHesauy  HHUoxama. 
Auf  diesem  Texte  des  Chronographen  beruht  die  Auf&ssung  beim  Prof.  Ser- 
gej Solovjev. 


Wer  war  PBoadodemetriiiB  I.  ?  589 

Hungersjahreii  ersohienen  ist.  Nur  Margeret  allein  setzt  klar  eine  ent- 
gegengesetzte Auf&ssnng  auseinander,  nämlioh  dass  diese  Verfolgungs- 
sucht sich  des  Boris  erst  nach  den  ersten  Oerflchten  vom  PD  aus  den 
JJ.  1599— 1600  bemächtigt  hatte  i) ;  die  Nachrichten  beim  Massa  stehen 


1)  Die  officiellen  Ansichten  über  die  Wirrenzeit  finden  wir  unter  der 
Regierung  des  Garen  Michail  Bomanoy  in  der  Urkunde  Tom  Juni  1619  von 
der  Ernennung  des  Philaret  zum  Patriarchen  (jton.  ri  Artami  HcTopH^.,  U, 
Nr.  76).  Es  wird  hier  einerseits  anerkannt,  dass  Boris  unter  der  Begierung 
des  Theodor  viel  Mtthe  und  Sorge  den  Geschäften  des  Beiches  gewidmet  hat, 
andererseits  aber  ihm  vorgeworfen,  dass  er  gegen  den  Adel,  sowohl  gegen 
die  ihm  gleichen,  als  auch  gegen  diejenigen,  welche  in  der  Synklete  über  ihm 
gestanden,  Hass  gefasst  hat  und  nach  und  nach  Viele  yon  ihnen  der  Macht 
beraubt  und  verbannt;  auf  solche  Weise  hat  er  sich  zu  der  Machtstellung 
eines  Caren  emporgeschwungen,  so  dass  ihm  eigentlich  nur  noch  der  Titel  des 
Garen  fehlte  (ro  ÖJiaropoAHUMx  se  h  cpaÖHbiM'i  TOMy  h  b-b  caHrjiiiTi  upeBoczo- 
AAiQHM'B  coBepmoHEy  H6HaBHCTB  üiiTame  .  .  .  BC^MH  o6pa8Bi  noRasyncfl,  ako  aapB 
H  caHOAep»:eii'B,  toüe)  HMeseM'B  AapB  ne  sBamecn) ;  er  hat  auch  den  Garevic  De- 
metrius  in  Uglic  zu  ermorden  befohlen.  Der  Gar  Theodor  ist  gestorben,  ohne 
einen  Nachkommen  zurttckzulassen.  Seine  Frau,  die  Garin  Irina,  hat  es  ver- 
schmäht, sich  an  den  Gütern  dieser  Welt  zu  freuen  und  hat  den  Schleier  ge- 
nommen (se  BOGXOTt  MipCRHMH  BCCeJlHTHCJI,  HO  BCH  OCTtkBÄb  BO  HHOVCCRafl  0(Ue- 

^ec)i).  Da  hat  Boris  das  Zepter  ergriffen,  theils  weil  er  infolge  der  Gewalt, 
die  er  schon  früher  ausgeübt,  von  Vielen  gefürchtet,  theils  weil  er  von  Eini- 
gen darum  auch  gebeten  wurde  (y6o  no  BJiacrx,  loxe  npexe  HM^me  b  nciurb 
CTpames'B  XBÄSimecsif  obo  xe  h  uoMOuni-B  orB  HiaarB).  Anfangs  ist  er  als  ein 
milder  Herr  aufgetreten,  allmählich  aber  kam  der  Hass,  so  er  im  Herzen  ver- 
hehlte, zum  Vorschein.  Er  gab  nun  seinem  Zorne  freien  Lauf  und  wollte 
Niemanden  zum  Bathgeber  oder  Mithelfer  bei  der  Begierung  haben.  Den 
Anverwandten  des  Garen  Theodor,  nämlich  dem  Theodor  Nikiti^  Bomanov 
und  seinen  Brüdern,  hat  er  sich  anfangs  freundlich  genähert  und  hat  ihnen 
den  Eid  geschworen,  sie  als  Brüder  und  Mithelfer  bei  der  Begierung  zu  be- 
handeln, kurz  darauf  ist  er  so  heftig  aufgebraust,  dass  er  sie  unschuldig  vei^ 
bannte,  den  Leiden  und  dem  Tode  preisgab  (a  cbmi»  y($o  acnepaa  jh>6obho  npie- 
SKHacA  H  RJiaTBy  cxpamHy  xiicB  coTBopa,  uro  6paTiK>  h  uapcTsiiD  noMoraxejia 
HM^TH  noMftjii-xe  aao  CROBpaAa  Bocaani,  HanpacHueM'B  BaTo^eaiöM'B  crx'b  ocyxa 
H  cMopTH  öoiriteHeai  npexacTB).  Es  ist  nicht  zu  entscheiden,  ob  er  dadurch  das 
Garengeschlecht  auszurotten  strebte,  um  sich  und  seine  Kinder  als  die  einzigen 
Erben  hervorzuheben ;  oder  hat  ihm  vielleicht  Jemand  kund  gethan,  dass  seine 
Begierung  von  kurzer  Dauer  sein  würde,  und  da  hat  er  sich  Vielen  schrecklich 
gezeigt,  hat  sich  vor  Vielen  auch  selbst  gefürchtet,  den  Adel  gekränkt  und 
deshalb  nicht  nur  den  Bojaren,  sondern  auch  dem  ganzen  Volke  verhasst  ge- 
worden. (Ge  xe  coTBopa,  ae  viwh  Roero  paAH  oöpasa,  tum  y6o  Bocxoii  ao  Roaaa 
HCTpeÖETB  uapcRia  cpoAHHRH,  u  ce6e  eAHaaro  a  vaA^  cborx'b  aacaiAaiRa  noaa- 


590  Engen  äcepUn, 

sehr  nahe  zn  der  Anffassnng  des  Franzosen.  Wir  sind  deshalb  Ter- 
pflichtet,  die  Beziehnngen  zwischen  den  Godnnovy  nnd  den  Bomanovy 
in  den  JJ.  1598 — 1605  Schritt  fttr  Schritt  einer  genauen  Prflfiing  sn 
unterwerfen.  Wir  machen  mit  den  officiellen  Akten  den  Anfang.  Das 
Rundschreiben  des  Patriarchen  Hieb  (vom  15.  März  s.  y.  1598)  be- 
richtet Folgendes  ^) :  Nach  dem  Tode  des  Caren  Theodor  hatte  die  Garin 
Irina  keine  Lust  über  ihr  Reich  zu  herrschen,  legte  das  Gelttbde  ab  den 
Schleier  zu  nehmen  und  ward  am  9.  Tage  nach  dem  Tode  des  Gemahlfl, 
nämlich  am  15.  Januar  1598,  Nonne  in  dem  Neuen  Fräuleinkloster  (No- 
Y^j  Djevicij  Monastyrj)  in  Moskau.  Da  begann  der  Patriarch  Hieb,  die 
Synkletos  des  Garen  und  die  ganze  Masse  des  russischen  Volkes  die 
Garin  zu  bitten,  dass  sie  ihrem  Bruder  Boris  den  Segen  zam  Herrschen 
gebe.  Die  Nonne  Alexandra  (Irina)  hat  aber  diese  Bitte  ausgeschlagen, 
ebenso  wie  auch  Boris  selbst.  Ausftthrlicher  werden  dieselben  Ereignisse 
in  der  Wahlurkunde  des  Garen  Boris  vom  1.  August  1598  erzählt  2). 
Hier  wird  geradezu  hervorgehoben,  dass  Gar  Theodor  seine  Frau  Irina 
auf  dem  Throne  zurückgelassen  hätte.  Da  Irina  den  Schleier  genom- 
men und  sowohl  sie  selbst,  als  auch  ihr  Bruder  Boris  ausgeschlagen 
haben,  das  Zepter  zu  führen,  so  beschloss  Hieb  den  40sten  Tag  nach  dem 
Tode  des  Garen  Theodor  abzuwarten.  Er  Hess  also  auf  den  17.  Februar 
die  ganze  H.  Synode,  die  Bojaren,  den  Dienstadel,  die  Beamten  und 
überhaupt  die  Ghristen  aller  Städte  des  Reiches  Russland  zu  einem 
Reichstage  berufen.  Er  kündigt  diesem  Reichstage  den  Beschluss  der 
H.  Synode,  der  Bojaren,  des  Hofadels  und  aller  Einwohner  der  Stadt 


saTH,  UH  cero  paAH,  ako  otl  h^rhz'l  ysiA^BX,  aro  Majro  speifeHHO  xomen  6uth 
Toro  iiapcTBie,  h  otl  EenpenoAOÖna  MHinifl  MHorsMi  CTpameHx  noicasacii,  or&  iiho- 
TExrh  m.e  h  caH'B  6oxmQCSi  h  6<KaropoAHUA  «tio  ocRopÖJKflme;  h  cero  paiQi  ae  tovIb» 
OTX  ÖoxKp'L,  HO  H  OTO  BCOFO  HapoAy  HeHaBBAHMi»  6uBame«.)  Die  erste  Vermuthang 
dieser  wichtigen  Belegstelle  über  den  Grund  der  Verfolgungen  des  Boris 
entspricht  der  Aaffassung  der  zweiten  Redaktion  des  Chronographen,  die 
zweite,  viel  umständlicher  ausgeführte  Vermuthung  steht,  unserer  Meinung 
nach,  der  Schilderung  des  Margeret  ziemlich  nahe.  Denn  die  Kunde,  die 
Boris  erhalten,  dass  seine  Regierung  nur  kurz  dauern  würde,  beziehen  wir 
nicht  auf  eine  Prophezeiung,  sondern  auf  eine  Anzeige,  dass  Demetrius  noch 
am  Leben  wäre.  In  welchem  hohen  Grade  die  Urkunde  eine  unangenehme 
Erinnerung  zn  verschweigen  verstand,  sieht  man  aus  dem  Umstände,  dass  sie 
den  Philaret  Romanov  erst  unter  V.  äujskij  Metropolit  von  Rostov  werden 
lässt. 

t)  A.A.3.  8)  A.A.3. 


Wer  war  Pseadodemetrins  I.  ?  591 

Moskau  an.  Niemanden  ausser  Boris  zu  wählen.  Der  ganze  Beichstag 
willigte  seinerseits  in  diesen  Beschluss  ein.  Man  besohloss,  dem  Boris 
noch  einmal  die  Krone  anzubieten.  Man  berief  sich  dabei  auf  den  Willen 
des  verstorbenen  Caren  Johann,  welcher  seine  Kinder  Theodor  und  Irina 
der  Obhut  des  Boris  anvertraut  h&tte.  Montag  den  20.  Februar  und 
Dienstag  den  21.  sind  die  Vertreter  der  Stände  Russlands  mit  dem  Pa- 
triarchen an  der  Spitze  in  einer  feierlichen  Procession  unter  Vortragung 
der  hl.  wunderthätigen  Bilder  nach  dem  Neuen  Fräuleinkloster  zu  Boris 
und  Irina  gezogen.  Hiob  war  bereit,  im  äussersten  Falle  den  Boris  mit 
dem  Banne  anzudrohen,  sogar  seine  Würde  niederzulegen.  Da  haben 
endlich  Boris  und  Irina  sich  in  den  Willen  Oottes  gefügt.  Am  26.  Febr. 
ist  Boris  nach  Moskau  zurückgekehrt.  Erst  den  3.  Sept.  ward  Boris 
zum  Caren  gekrönt;  nach  der  damaligen  Zeitrechnung  war  es  bereits 
das  J.  1599.  Die  officielle  Tradition  des  Hiob-Boris  lautete  also:  Car 
Theodor  überlässt  den  Thron  seiner  Frau  Irina.  Sie  herrscht  das  J.  1598 ; 
seit  1599  (Sept.  1598)  beginnt  die  Regierung  des  Boris.  Diese  Tradi- 
tion treffen  wir  in  den  Rangregistern.  In  einem  Rangregister  werden 
sogar  Adelige  aufgezählt,  welche  unter  der  Regierung  der  Carin  Irina 
in  die  Synkletos  aufgenommen  sind^].  Einem  anderen  Rangregister 
zufolge  hat  der  Fürst  Trubeckoj  an  die  Garin  Alexandra  aus  Smolensk 
geschrieben  und  über  den  Fürsten  Oolicyn  geklagt,  dass  er  sich  mit 
ihm  in  keine  Geschäfte  einlassen  wolle.  Auf  Befehl  der  Carin  hätten 
die  Bojaren  Mstislavskij  mit  Kollegen  die  Sache  dem  Patriarchen  Hiob 
angezeigt  Aus  Pskov  langte  eine  ähnliche  Klage  gegen  den  Fürsten 
Bujnosov  an.  Da  hat  Hiob  den  ungehorsamen  Vojevoden  geschrieben, 
sie  sollten  den  Befehlen  der  Carin  gehorchen ;  die  Vojevoden  fuhren  in- 
dessen fort  sich  dagegen  zu  sträuben.  Diese  Befehle  der  Carin  waren 
wohl  eine  reine  Fiktion  gewesen  ^] .  Aus  den  Rangregistem  ersieht  man, 
dass  weder  die  Romanovy,  noch  Bogdan  Bjelskij  bei  der  Thronbestei- 
gung des  Boris  ihre  Stellung  am  Hofe  eingebüsst  haben.  Theodor  Ro- 
manov  und  Boris  Cerkaskij  behielten  ihren  Platz  unter  den  Bojaren  der 
Synkletos.  Alexander  Romanov-Jurjev  und  Fürst  Vasilij  Öerkaskij 
wurden  im  J.  1599  st.  v.  unter  die  Bojaren,  Michail  Romanov-Jurjev 
und  Bogdan  Bjelskij  unter  die  Okolni&ie  aufgenommen.  Erst  gegen  den 
Herbst  des  J.  1600  beginnt  die  Ungnade  des  Bjelskij,  darauf  des  Vasilij 


1)  HoBHROB'L,  Pocc.  Bhbj.,  XX,  IIoaKy^KROH  cnHCOR'B  Eoxpi. 

MI 

2}  CxHÖHpCKill  GöOpHEKl,  P^A* 


592  Engen  äSepkin, 

dSelkaloY,  der  Bomanoyy^).    Seit  dem  Sommer  1602^  also  knrx  Tor 
dem  Erseheinen  des  PD,  begann  Boris  das  Elend  der  BomanoYj  sn  mil- 


1}  Da  der  Auftrag  des  Boris  an  Bogdan  Beljskij,  die  Stadt  Garev-Bori- 
soy  anfsabanen,  in  den  Monat  Jnli  1599  füllt,  so  darf  man  die  Ungnade  des 
Vojeyoden  kaum  vor  dem  Sommer  des  J.  1600  ansetzen.  Die  officiellen  Akten 
über  die  Verbannung  der  Romanovy  beginnen  erst  mit  dem  Sommer  1601,  wo 
anch  Vasilij  Soelkalov  aus  der  Kanzlei  fdr  Auswärtige  Angelegenheiten  Ter- 
schwindet.  Die  Urkunde  vom  30.  Juni  1601  kündigt  die  Verbannung  des  Ivan 
Romanov  nach  der  Stadt  Pelymj  in  Sibirien  an  auf  Qmnd  eines  Urtheils- 
spruches  der  Bojaren  und  Befehles  des  Garen  Boris.    Die  Urkunden  vom 
1.  Juli  1601  handeln  von  der  Verbannung  der  Vasilij  Romanov  nach  Jaransk 
und  des  Fürsten  Ivan,  Borisovio  Cerkaskij  nach  Malmyi.  Die  Bojaren  haben 
auch  dasUrtheil  gefällt,  die  Schwiegermutter  des  Theodor  Romanov,  die  Marja 
^stova,  in  ein  Kloster  einzusperren.   Die  Urkunde  vom  3.  Juli  1601  befiehlt 
dem  Veljaminov  und  dem  Zinovjev,  die  Maija  äestova  zu  Geboksaiy  in  dem 
Nikoljskij-Frauenkloster  als  Nonne  einkleiden  zu  lassen.  Am  2.  August  fand 
diese  aufgezwungene  Nonnenweihe  statt  Am  9.  August  1601  erging  der  Be- 
fehl, den  Vasilij  Romanov  aus  Jaransk  nach  Pelymj  zu  führen.   Der  Befehl 
vom  21.  Nov.  1601  lautete,  dass  beide  Brüder  Romanovy,  Ivan  und  Vasilij,  in 
der  Stadt  Pelyng  in  einem  Hause  zusammen  lel)en  sollten.  Den  15.  Febr.  1602 
ist  Vasilg  Romanov  in  Pelymj  infolge  der  anstrengenden  Reise  in  Ketten  und 
einer  Erkältung  gestorben.  Am  28.  März  1602  erging  der  Befehl,  den  Ivan  R. 
aus  Pelymj  nach  Ufa  zu  bringen.   Im  Mai  1602  begnadigte  der  Gar  Boris  den 
Fürsten  Ivan  Gerkasky  und  seinen  Oheim  Ivan  R. ;  beide  sollten  in  NiSnij- 
Novgorod  in  den  Garendienst  treten  und  dort  immer  noch  unter  Aufsieht 
leben  (28.  Mai  1602).  Im  Sept  des  J.  1602  gestattete  Boris  dem  Ivan  R.  und 
I.  Gerkaskij,  nach  Moskau  zurückzukehren  (17.  Sept) ;  zu  gleicher  Zeit  erging 
der  Befehl,  die  nach  dem  Weissen  See  (Beloozero)  Verbannten,  nämlich  die 
Frau  des  Fürsten  Boris  Öerkaskij  mit  Tochter,  die  Frau  des  Alexander  Ro- 
manov sammt  den  Kindern,  die  unverheirathete  Schwester  der  Romanovy, 
Nastasja,  die  Kinder  des  Theodor  R.  (Sohn  und  Tochter),  nach  dem  Bezirke 
Jurjev-Polskij  auf  die  Güter  des  Theodor  R.  zu  entlassen.  Am  17.  Nov.  7111 
(1602)  waren  die  beiden  Begnadigten,  Ivan  R.  und  I.  Öerkaskij,  75  Werst  von 
Moskau  auf  dem  Wege  nach  der  Hauptstadt.  Im  December  1602  erging  nach 
dem  Antoniikloster  an  der  Sija  der  Befehl,  dem  MOnche  Philaret  R  zu  erlau- 
ben, in  der  Kirche  auf  dem  Ghore  zu  stehen ;  man  sollte  nur  aufpassen,  dass 
er  sich  weder  mit  den  dortigen  Einwohnern,  noch  mit  den  ankommenden 
Fremden  in  ein  Gespräch  einlasse.   Im  Februra  1605,  als  PD I.  bereits  auf 
russischem  Boden  stand,  wird  Philaret  auf  einmal  arrogant;  da  werden  im 
März  seinem  Wächter  die  Befehle  eingeschärft,  keinen  Fremden  an  den  Ge- 
fangenen zuzulassen  und  aufeupassen,  dass  er  selbst  ja  nicht  die  Flucht  er- 
greife. 

In  der  Ghronologie  der  Processe  des  Bogdan  BjeUskij  und  der  Brüder 
Romanovy  folgen  die  russischen  Geschiohtschreiber  gewöhnlich  dem  Bus- 


Wer  war  PBendodemetrins  I.?  593 

dem.   Entweder  hat  er  eingeseheD,  dass  es  ein  Fehler  war,  eine  popu- 
läre Bojarenfamilie  zn  yerfolgen  oder  hat  er  an  der  Schuld  der  Borna- 


Bow,  d.  w.  8.  sie  erzählen  die  VemrtheilnDg  des  Bjeljskij  vor  der  Verfolgung 
gegen  die  Bomanovy  (vgl.  Earamzin,  Solovjev,  Ilovajskij).  Nun  finden  wir, 
dass  der  Neue  Annalist,  welcher  im  Allgemeinen  eine  chronologische  Folge 
der  Darstellung  beobachtet,  zuerst  (im  Kap.  79)  yon  der  Verbannung  der  Bo- 
manoyy  berichtet,  darauf  überhaupt  über  das  System  die  Denuncianten  unter 
den  Knechten  der  Bojaren  zu  begünstigen  (81),  dann  weiter  über  die  Ankunft 
des  Gesandten  Sapieha  nach  Moskau  und  die  Absendnng  der  Gesandten  Sal- 
tykov  und  Plescev  in  Litauen  (ft2},  nun  erst  folgt  die  Erzählung  von  der  Grün- 
dung der  Stadt  Borisov  und  der  Ungnade  des  Beljskij  (83);  endlich  kommen 
die  Kapitel  über  die  Hnngersnoth  (84)  und  die  Verhandlung  mit  Dänemark 
über  die  Ehe  (86).  Prof.  Bagalej  hat  in  seiner  Sammlung  von  Materialien  zur 
Geschichte  der  Grenzkolonisation  des  Moskauer  Beiches  (MaTepiajtu  juh 
HCTopiK  R0J0HH9aiiix  GrenHOH  ORpaHHu  MocROBCKaro  FocyAapcTBa  ff,,  'Bz.rtjrkfi, 
1886)  die  Verordnung  vom  5.  Juli  7108  (sie!  1600)  gedruckt,  wonach  Beljskij 
und  Alpherov  eine  Woche  vor  dem  Tage  des  Helias  (20.  Juli)  7107  (sie!  1599) 
ihre  Heerschar  bei  Livny  sammeln  sollten,  um  dann  gegen  Donec  zu  ziehen 
und  die  Stadt  Borisov  aufzubauen.  Prof.  Bagalej  hat  diesen  chronologischen 
Widerspruch  nicht  aufgeklärt,  nimmt  aber  In  seinen  Forschungen  (O^epKH  h3'& 
KciopiH  KOJioHBsaqiH  OrenHoä  ORpauHU,  /[.  Earaji^ji,  1887)  das  Jahr  1599  für 
diese  Verordnung  an.  Für  das  Jahr  1600  setzt  er  noch  zn  Borisov  die  Voje- 
voden  Bjeljskij  und  Alpherov  voraus,  nennt  aber  bereits  für  dasselbe  J.  1600 
und  das  J.  1601  (wahrscheinlich  auf  Grund  seiner  Archivalien)  die  Vojevoden 
Chvorostinin  und  Gagarin.  Das  Rangregister  (GHM(SHpcRiu  Ck$opHHR'L)  setzt  die 
Aussendung  des  Bjeljskij  auf  Juni  1599  an.  In  diesem  Jahre  waren  in  Bjel- 
gorod  wirklich  die  Vojevoden  Grigorij  Petr.  Bomodanovskij  und  Grigorij 
Konst.  VolkoDskij,  wie  sie  die  Verordnung  an  Bjeljskij  erwähnt.  Im  J.  1600 
(1.  Sept.  1599  —  1.  Sept.  1600)  wurde,  dem  Simbirskij  Sbomik  zufolge,  Fürst 
Semen  Vetcina-Gagarin  nach  Borisov-Gorod  versetzt ;  doch  werden  in  diesem 
Jahre  zu  Borisov  auch  Bjeljskij  und  Alpherov  erwähnt.  Auch  in  einem  pri- 
vaten Register  (Razrjadnaja  kniga  1493—1611  im  Moskauer  Archiv  des  Min. 
des  Aeusseren)  ist  Bjeljskij  noch  unter  dem  J.  7108  als  Vojevode  von  Borisov 
am  Flusse  Donec  angegeben.  Sonach  muss  man  annehmen,  dass  die  Ab- 
setzung des  Bjeljskij  in  das  Jahr  1600  fällt.  Der  Anfang  des  Processes  gegen 
die  Romanovy  lässt  sich  nur  annähernd  bestimmen.  Dem  Simbirskij  Sbomik 
zufolge  werden  die  Brüder  Theodor  und  Ivan  Nikitioi  Romanovy  am  Hofe 
des  Boris  zum  letzten  Male  im  August  1599  beim  Empfange  des  schwedischen 
Prinzen  Gustav  erwähnt,  also  gerade  in  den  Tagen,  wo  Bjeljskij  in  die  Steppe 
ziehen  musste.  Bei  den  Verhandlungen  mit  Leo  Sapieha  seit  Ende  1600  wird 
ihrer  nicht  mehr  gedacht  An  und  für  sich  ist  es  also  mOglich,  die  Verurthei- 
lung  des  Bjeljskij  ein  Jahr  vor  derjenigen  der  Romanovy  anzusetzen.  Es 
bleiben  aber  dabei  doch  drei  Schwierigkeiten  noch  aufzuheben:  1)  Wie  Bus- 
sow  alle  diese  Begebenheiten  in  das  J.  1602  ansetzen  konnte,  wenn  er  sogar 

ArcliiT  fttr  sUTiselio  Philologie.   XXI.  38 


594  Eugen  §oepkin, 

novy  zu  zweifeln  angefangen.  Worin  konnte  überhaupt  die  Gefahr 
bestanden  haben ^  welche  seitens  dieses  Gesohlechtes  gedroht  hatte? 
Haben  die  Romanovy  geradenwegs  nach  der  Krone  getrachtet,  oder 
haben  sie  an  der  Vorbereitung  eines  falschen  Demetrii  gearbeitet? 
Nach  den  ofiftciellen  Akten  zu  urtheilen,  war  man  auf  eine  Verschwö- 
rung seitens  der  Brüder  R.  gefasst.  Den  Wächtern  des  Vasilij  R.  oder 
der  Marja  äestova  wurde  z.  B.  eingeschärft,  sie  sollten  aufpassen,  dass 
ihre  Gefangenen  ja  nicht  entlaufen,  ja  nicht  die  Hände  an  sich  legen, 
dass  auf  der  Reise  oder  beim  Haltmachen  sich  Niemand  ihnen  nähere, 

richtigere  Vorstellungen  von  ihrer  Reihenfolge,  als  der  Neue  Annalist,  be- 
sessen? 2}  Wie  der  Neue  Annalist  darauf  gekommen,  von  der  Gesandt- 
schaft des  Sapieha  und  der  Gründung  der  Stadt  Carev-Borisoy  nach  der  Ver- 
bannung der  Romanoyy  zu  erzählen?  3)  Wie  Theodor  Romanov  in  dem 
Antoniikloster  an  der  Sija  eine  solche  Unbesonnenheit  begehen  konnte,  unter 
allen  Bojaren  eben  den  als  Verräther  verschrieenen  Bogdan  Bjeijskij  als 
einen  tüchtigen  Kopf  zu  loben?  (Der  Bericht  des  Wächters  Bogdan  Vojejkov 
vom  25.  Nov.  1602:  «Aa  oex  »e  npo  xboex'b  FocyAapeBBix'L  Eo^pi  npo  Bcin 
roBopEXi :  HO  cTaHex'B  Ae  vx'b  cl  a^o  hh  ci  KOTopoe ;  n'kTh-j^e  y  hhtb  pasy- 
MHoro;  OAHH'L-Ae  y  hjccb  pasyMeHii  EorAas'L  EiJCKoii:  vh  nocoiciunfB  h  ko  bca- 
RHM-B  AijL&wh  Ao6p^  AocyacL«.  Alles  im  Präsens !  vgl.  Aktu  Hct.  II,  XXXIII.) 
Die  Worte  des  Mönches  Philaret:  es  gibt  unter  den  Bojaren  keine  verstän- 
digen Leute,  es  gibt  unter  ihnen  nur  einen  klugen  Mann  —  das  ist  Bogdan 
Bjeijskij  —  machen  den  Eindruck,  als  ob  er  vom  Schicksale  des  Bogdan  B. 
keine  Ahnung  gehabt  hätte.  Die  Frage  ist  definitiv  gegenwärtig  nicht  zu 
entscheiden,  wir  sind  indessen  geneigt  anzunehmen,  dass  Bjeijskij  und  Ro- 
manovy ungefähr  zu  gleicher  Zeit  im  J.  1600  (einer  an  der  Grenze  vor  dem 
1 .  Sept,  die  anderen  in  der  Stadt  Moskau,  vielleicht  gegen  Ende  des  Jahres) 
verhaftet  wurden  und  dass  dann  im  J.  1601  ihre  Verbannung  und  die  Un- 
gnade des  Vasilij  Scelkalov  folgten.  Es  ist  dem  Boris  damals  nicht  gelungen, 
auf  die  Spuren  der  Verschwörung  im  Wunderkloster  zu  kommen,  denn  Griska 
blieb  noch  bis  zum  J.  1602  in  Moskau.  Seinen  Verdacht  gegen  die  Romanovy 
hat  er,  wie  gesagt,  im  J.  1602  fallen  lassen;  des  Bje\J8kij  gedachte  er  indessen 
noch  im  Februar  1604  wohl  bei  den  ersten  Gerüchten  von  dem  Auftreten  des 
PD  in  Polen  und  dem  Zuge  der  Donkosaken  nach  seinem  Lager.  Auf  seinen 
Befehl  wurden  im  Februar  1604  die  Bojarensöhne  aus  Rjazaig  darüber  ver- 
hört, wer  Pulver,  Blei,  Muschkoten  und  andere  Waffen  den  Atamanen  nnd 
Kosaken  am  Flusse  Don  in  diesem  Jahre  und  während  der  Erbauung  des  Bo- 
risov-Gorod  zugeschickt  hat.  Die  Bojarensöhne  legten  folgendes  Zeugniss 
ab:  sie  hätten  im  J.  1603  gehört,  dass  Zachar^  Ljapunov  Wein,  einen  Panzer 
und  eine  eiserne  Haube  den  Donkosaken  verkaufte;  im  J.  1600  waren  sie 
selbst  mit  Bogdan  Bjeijskij  bei  der  Gründung  der  Stadt  Borisov,  haben  da- 
rüber Nichts  zu  berichten.  Der  Gar  befahl,  den  Zacharij  Ljapunov  und  seine 
Kameraden  mit  Knute  zu  bestrafen  (GaiiÖHpcRiK  GöopHaKi). 


Wer  war  Psendodemetrius  I.  ?  595 

ja  nicht  mit  ihnen  spreche,  keine  Briefe  mit  ihnen  wechsele.  Anderer- 
seits wollte  die  Regierang  die  Romanovy  keineswegs  aus  der  Welt 
schaffen.  Wenn  Yasilij  B.  infolge  der  anstrengenden  Reise  in  Ketten 
krank  geworden  und  in  Pelymj  gestorben  war,  so  war  es  ein  Missgriff 
seines  Wächters,  der  ftir  das  unerlaubte  in  Ketten  Schmieden  Antwort 
geben  musste.  Die  Romanovy  selbst  hielten  sich  für  Opfer  einer  Ver- 
leumdung seitens  der  Bojaren.  So  hat  Ende  1601  Vasilij  R.  in  einem 
Gespräche  mit  seinem  Wächter  die  Gesammtheit  der  Bojaren  beschul- 
digt, ihn  und  seine  Brüder  verleumdet  zu  haben ;  er  prophezeite  ihnen 
selbst  den  baldigen  Untergang.  In  derselben  Art  hat  sich  auch  Philaret 
R.  im  November  1602  zu  seinem  Wächter  Vojejkov  geäussert :  die  Boja- 
ren sind  mir  die  ärgsten  Feinde,  sie  haben  uns  nach  dem  Leben  ge- 
trachtet, unsere  Diener  zu  Verleumdungen  gegen  uns  aufgefordert ;  er 
erklärte  dabei  die  Moskauer  Bojaren  für  unfähig  die  Geschäfte  zu  hand- 
haben ;  Bogdan  Bjeljskij  allein  sollte  seiner  Meinung  nach  Begabung 
für  diplomatische  und  andere  Geschäfte  haben.  Es  scheint,  dass  Boris 
sogar  im  März  1605  nicht  sowohl  eine  Intrigue  seitens  des  Philaret 
selbst,  als  eine  Verschwörung  zu  seinen  Gunsten  witterte :  sonst  würde 
er  ihn  bei  der  ersten  Nachricht  vom  PD  ersäufen,  erdrosseln  oder  wenig- 
stens weiter  nach  Sibirien  verbannen  lassen .  In  dem  Briefe  an  Rudolph  U. 
erwähnt  zwar  Boris,  dass  Gregor  Otrepjev  beim  Michail  R.  gedient  hat,  er 
führt  indessen  keine  Beschwerden  gegen  diesen  Bojaren  und  fügt  hinzu, 
dass  Michail  R.  am  Ende  selbst  den  Taugenichts  aus  dem  Hofe  fortge- 
jagt hat.  Von  den  Zeitgenossen  hat  überhaupt  nur  Horsey  die  ganze 
Vorbereitung  des  Feldzuges  des  PD  einem  Romanov  (dem  Alexander] 
nebst  Bjeljskij  zugeschrieben;  für  diese  Jahre  ist  aber  Horsey  sehr 
mangelhaft  unterrichtet  und  seine  bezüglichen  Nachrichten  sind  reich 
an  Fehlem.  Die  Sage  vom  Gregor  0.  hebt  zwar  hervor,  dass  Griska 
eben  durch  sein  nahes  Verhältniss  zu  den  Romanovy  und  uerkaskie  sich 
den  Zorn  des  Boris  zugezogen  hätte.  Indessen  muss  Gregor  0.  in  den 
JJ.  1600 — 2  bereits  im  Wanderkloster  geweilt  haben;  seine  Flacht  vor 
der  Rache  des  Boris  in  ein  entlegenes  Kloster  kann  also  nur  in  die 
JJ.  1598 — 99  versetzt  werden.  Da  muss  sein  Verbrechen  gegenüber 
dem  Boris  nicht  mit  dem  Processe  der  Romanovy,  sondern  vielleicht 
mit  der  Wahlagitation  zu  Gunsten  des  Theodor  Nikitii  im  Januar  1598 
in  Verbindung  gebracht  werden*  Die  Sage  hat  eben  die  chronologische 
Reihenfolge  der  Begebenheiten  etwas  verwirrt.  Das  Schweigen  der 
Ausländer  und  der  historischen  Quellen,  die  vor  der  Thronbesteigung 

38* 


596  Eagen  §oepkin, 

der  Bomanovy  entstanden  sind  (wie  z.  B.  die  Sage  ans  dem  J.  1606)  ist  hier 
nm  so  mehr  auffallend,  da  der  Verdacht  des  Forschers  vor  allen  anderen 
Bojaren  gerade  den  Theodor  NikitiS  treffen  muss.  Es  mflssen  gewisse 
Umstände  vorhanden  gewesen  sein,  welche  für  jeden  Zeitgenossen  oder 
Augenzeugen  der  Begebenheiten  die  Yermuthung  unmöglich  machten^ 
als  ob  die  Bomanovy  den  Demetrius  gefillscht  hätten. 

Neben  der  officiellen  Tradition  des  Boris-Hiob,  wonach  die  Ejrone 
des  Theodor  ziemlich  ruhig  durch  Vermittlung  der  Irina  an  ihren  Bru- 
der zum  allgemeinen  Vergnfigen  des  Beiches  Bussland  gelangt  war, 
gibt  es  auch  eine  entgegengesetzte,  unter  anderem  durch  den  Chrono- 
graphen vertretene  Auffassung :  danach  soll  Theodor  Bonmnov,  Dank 
der  Unterstützung  seitens  der  Bojaren,  bereits  im  Januar  1598  als  Mit^ 
bewerber  um  die  Krone  aufgetreten  sein.  Die  ältesten  und  klarsten 
Spuren  dieser  Tradition  treffen  wir  in  den  Briefen  des  Andreas  Sapieha 
an  Christof  Badzi will  ^).  Den  Berichten  der  Kundschafter  des  Andreas  S. 


1)  Vgl.  Archivam  Domu  Sapiehöw,  1 1,  Nr.  213,  214,  215,  227.  Andrzej 
(einmal  fälschlich  Lew  genannt)  Sapieha  do  Krzystofa  Badziwiil:a.  A.  Sapieha 
schreibt  aus  Orsa  vom  4.  Februar  Folgendes :  Der  Grossfürst  von  Moskau  ist 
am  20.  Januar  gestorben.  Die  Wahl  eines  neuen  Caren  wird  erst  Sonntag  den 
16.  März  st  n.  erwartet.  Die  Kundschafter,  welche  Sapieha  Über  die  Grenze 
ausgesandt  hatte,  haben  berichtet:  es  sind  vier  Mitbewerber  um  den  Thron 
von  Moskau  in  Aussiebt :  Godunov,  welcher  sehr  krank  sein  soll ;  Mstislav- 
skij,  welcher  im  Beichsrathe  den  ersten  Platz  nach  dem  Caren  selbst  einge- 
nommen haben  soll;  Theodor  Nikitio  Bomanov,  der  Onkel  (? Onkelssohn}  des 
verstorbenen  Fürsten,  und  Bjeljskij ;  dieser  hat  sich  den  Groll  des  Caren 
Theodor  zugezogen  und  durfte  ihm  nie  unter  die  Augen  kommen,  dafür  dass 
er  (im  J.  1584)  den  rechten  Erben  zu  beseitigen  und  selbst  zu  herrschen  ge- 
trachtet hatte.  Man  war  darauf  gefasst,  dass  es  zum  Blutvergiessen  kommen 
künnte,  wenn  es  nicht  gelingt,  eine  allgemeine  Uebereinstimmung  zu  Stande 
zu  bringen.  Die  besten  Aussichten  bei  der  Wahl  soll  Theodor  Bomanov 
haben.  Den  15.  Febr.  1598  schreibt  A.  Sapieha  aus  Orsa  Folgendes:  Er,  Sa- 
pieha, war  bereits  im  Begriff,  an  den  König  und  an  Badziwill  die  von  ihm 
erhaltene  Nachricht  zu  senden,  dass  man  den  (jodunov  niedergehauen  und 
den  Theodor  Bomanov  zum  Caren  gewählt  hätte.  Da  erschien  aber  der 
Kundschafter,  welchen  Sapieha  über  die  Grenze  ausgesandt  hatte,  und  be- 
richtete :  der  sterbende  Car  Theodor  hätte  den  Boris  wegen  seiner  niedrigen 
Herkunft  für  unfähig  erklärt,  den  Thron  zu  besteigen.  Als  einen  für  den 
Thron  passenden  Mann  soll  er  den  Theodor  Bomanov  bezeichnet  haben. 
Diesen  Bomanov  hätte  er  dabei  ermahnt,  falls  er  zum  Caren  gewählt  werden 
würde,  den  Godunov  ja  nicht  zu  entfernen,  sondern  als  den  weisesten  Bath- 
geber  bei  sich  zu  behalten.  Nach  dem  Tode  des  Theodor  hätte  Boris  bei  sich 


Wer  war  PBeadodemetriuB  I.  ?  597 

muss  man  im  einzelnen  nur  mit  grosser  Vorsicht  Glauben  schenken. 
Man  fthlt,  dass  so  ein  Mann  Manches  in  Rassland  gehört  hat,  es  fehlte 
ihm  aber  die  genügende  Kenntniss  der  Verhältnisse  und  der  Geschichte 
Moskaus  y  um  die  Gerüchte  und  das  heimliche  Flflstem  richtig  auftu- 

einen  Freund  gehabt,  welcher  dem  verstorbenen  Carevio  D.  sehr  ähnlich  ge- 
wesen sein  sollte.  Im  Namen  dieses  Yermeintlichen  Garen  D.  hätte  Boris  sogar 
einen  Brief  nach  Smolensk  gesandt.  Die  Russen  fassten  die  Sache  am  Ende 
in  dem  Sinne  auf,  als  ob  D.  gerettet  worden  wäre.  Die  Bojaren  des  Rathes 
begannen  die  Sache  zu  verhandeln.  Der  Bojarin  Nagoj  versicherte,  dass  der 
Fürst  D.  nicht  mehr  am  Leben  wäre  und  berief  sich  auf  das  Zeugniss  des 
Michail  Bi^agovskij.  Dieser  wäre  nun  herbeigerufen  und  hätte  gestandeut 
dass  er  selbst  den  Garen  auf  Befehl  des  Boris  G.  ermordet,  welcher  nun  einen 
Freund  fttr  den  Fürsten  D.  ausgebe.  Da  hätte  man  den  M.  Bitjagovskij  viertheilen 
lassen  und  den  Boris  mit  Vorwürfen  wegen  des  Mordes  Überschüttet.  Theodor 
Romanov  hätte  sogar  den  Godunov  mit  dem  Messer  niederstechen  wollen,  wäre 
aber  daran  von  Anderen  verhindert  (Po  6mlerci  kniazia  W.  jakoby  mialGodu- 
now  mied  przy  sobie  przyjaciela  swego  bardzo  podobnego  we  wszystkiem  nie- 
boszczykowi  kniaziu  Dmitru,  bratu  kniazia  W.  Moskiewskiego,  ktöry  si^  byl 
z  Pecihorki  narodziJ:,  ktörego  dawno  na  swiecie  nie  masz.  Napisawszy  list 
imieniem  tego  kniazia  Dmitra  do  Smole^ska,  i»  jui  zostal:  kniaziem  wielkim, 
Moskwa  si^  pocz^  dziwowad  ski^d  sIq  wzi%l,  jednak^e  rozumieli,  ie  go  do 
tego  czasu  byl:o  utajono.  Zaczem  si^  to  wojewod  i  bojar  dumnyoh  doniosio, 
zaraz  pocz^li  si^  mi^dzy  sob^  pytaö.)  Darauf  hätte  sich  Godunov  in  sein  Haus 
zurückgezogen,  sein  Schwager  Sujskij  (Demetrius?)  versuchte  ihn  mit  den 
übrigen  Bojaren  zu  versöhnen  und  ermahnte  sie,  Nichts  zu  unternehmen,  aus 
Rücksicht  auf  den  Boris.  Man  meint,  dass  dennoch  Theodor  Romanov  ge- 
wählt werden  wird»  Für  ihn  halten  alle  Vojevoden  und  Bojaren  des  Rathes ; 
Godnnov  kann  dagegen  auf  die  niederen  Schichten  des  Adels,  die  Strelitzen 
und  das  gemeine  Volk  rechnen.  Man  erzählte  auch,  der  Gar  Theodor  hätte 
gerathen,  die  Entscheidung  zwischen  zwei  oder  drei  Kandidaten  dem  Deut- 
schen Kaiser  zu  überlassen.  Sapieha  hat  noch  seinen  Diener  zum  Vojevoden 
von  Smolensk  geschickt,  um  aus  der  Antwortschrift  den  Namen  des  regieren- 
den Garen  zu  erfahren.  Die  Antwort  ist  ausgeblieben.  Indessen  betete  man 
in  den  Kirchen  nur  für  die  Garin.  Andrej  Sapieha  schreibt  abermals  aus 
Orsa  vom  23.  Febr.:  man  berichtete  jetzt,  dass  Theodor  vor  seinem  Tode  vier 
Kandidaten  für  die  zukünftige  Wahl  bestimmt  hätte  —  die  beiden  Romanovy, 
Theodor  und  Alexander,  den  Mstislavskij  und  den  Godunov.  Andrej  Sapieha 
berichtet  endlich  aus  Orsa  vom  16.  Juni:  Gewisse  Bojaren,  besonders  Bjeljskij 
und  Theodor  Nikitio  mit  seinem  Bruder,  wollten  statt  des  Godunov  den  Si- 
meon,  den  Sohn  eines  Tatarencarevio,  zum  Garen  wählen.  Boris  erfuhr  von 
ihrer  Absicht  gerade  zu  der  Zeit,  wo  die  Nachricht  kam,  dass  die  Tataren 
heranzögen.  Da  sprach  er  zu  ihnen :  Garevio  Simeon  ist  weit  ab  in  Sibirien, 
die  Ungläubigen  aber  bereits  im  Lande.  Da  bat  man  ihn  selbst  für  die  Ver- 
theidigung  zu  sorgen. 


598  Eugen  Soepkin, 

fassen.  Die  Briefe  des  Sapieha  widersprechen  einander,  z.  B.  in  Bezng 
anf  die  Hauptfrage,  wem  Theodor  die  Krone  vermacht  hat.  Alles,  was 
der  Kundschafter  Aber  die  Ermordung  des  Caren  Demetrii,  Aber  die 
Beschuldigungen  seitens  des  Nagoj  und  das  vermeintliche  Oestftndniss 
und  die  Yerurtheilung  des  Mich.  Bitjagovskij  berichtete,  ist  noch  im  J. 
1591  zu  Ugli6  geschehen;  im  J.  1598  konnte  es  höchstens  als  Erinne- 
rungen aus  frllherer  Zeit  unter  den  Bojaren  besprochen  werden.  Wir 
können  dem  Kundschafter  darin  Glauben  schenken,  dass  im  J.  1598 
Theodor  B.  nach  der  Krone  trachtete  und  wirklich  auf  sie  gewisse  Aus- 
sichten hatte.  Aus  den  of&ciellen  Akten  geht  aber  klar  hervor,  dass 
Boris  Godunov  während  der  ganzen  Zeit  vom  6.  Januar  bis  17.  Februar 
es  mit  jedem  Mitbewerber  hat  getrost  aufnehmen  können.  Die  Gewährs- 
leute des  Kundschafters  haben  die  Dinge  allzu  günstig  flr  die  Roma- 
novy  geschildert  und  gehörten  wohl  zu  den  Agenten  dieser  Familie: 
das  Gerflcht,  als  ob  Theodor  die  Krone  den  Romanovy  vermacht  hätte, 
wurde  ohne  Zweifel  im  Interesse  des  Theodor  R.  unter  dem  Volke  ver- 
breitet. Da  muss  der  Kundschafter  des  A.  Sapieha  auch  seine  Ge- 
schichte von  dem  Versuche,  bereits  im  J.  1598  einen  PD  zu  f&lschen, 
auch  aus  den  Kreisen  der  Anhänger  des  Theodor  R.  vernommen  haben. 
Es  ist  jedenfalls  unmöglich,  die  Thatsache  aus  den  Briefen  auszumerzen, 
dass  der  Gedanke  an  einen  FD  im  Januar  1598  in  der  Luft  schwebte; 
da  Smolensk  ziemlich  nahe  an  der  litauischen  Grenze  liegt,  so  konnte 
A.  Sapieha  wohl  sichere  Kunde  haben  von  einem  Briefe  des  vermeint- 
lichen CareviS  D.  Es  ist  andererseits  unmöglich  anzunehmen,  dass  Boris, 
welcher  durch  seine  Schwester  Irina  selbst  einen  sicheren  Anschluss  an 
die  ausgestorbene  Dynastie  hatte,  seine  glänzenden  Aussichten  durch 
das  Gespenst  des  D.  zu  nichte  machen  sollte.  Wir  sehen  hier  nur  zwei 
Möglicheiten :  entweder  hat  diesen  Brief  im  Namen  des  Demetrii  die 
Partei  der  Romanovy  ausgesandt,  um  das  Land  an  den  Mord  zu  UgliS 
zu  erinnern,  oder,  was  uns  wahrscheinlicher  scheint,  der  Brief  rflhrte 
von  den  Männern,  die  bereits  damals  einen  FD  vorbereiteten  und  durch 
ihren  Brief  nur  zu  prfifen  wünschten,  ob  die  Verhältnisse  für  ihr  Puppen- 
spiel reif  genug  wären.  Da  die  Form  des  Diploms  im  Namen  des  Caren  D. 
so  gut  gefälscht  war,  dass  sie  die  leitenden  Männer  in  Smolensk  täuschen 
und  in  Grübeleien  über  die  Rettung  des  Carevii  hat  versetzen  können, 
so  fällt  der  Verdacht  der  Fälschung  von  selbst  auf  die  Kanzleibeamten 
(die  Djaki).  Wie  sich  in  den  regierenden  Kreisen  selbst  eine  gegen 
die  Regierung  gerichtete  Organisation  hat  bilden  können,  darüber  gibt 


Wer  war  Pseudodemetrius  I.  ?  599 

uns  Djak  Timotheev  Anflärnng.  Seinem  »Chronographen«  znfolge  hätte 
Boris  Neuerungen  in  das  Yerhältniss  zwischen  den  einzelnen  Schichten 
des  Dienstadels  und  des  Beamtenthoms  eingeführt.  Er  hat  Männer  von 
geringer  Abstammung,  die  ihm  aber  Dienste  als  Dennncianten  geleistet, 
Aber  die  Herren  vom  alten  Adel  gestellt.  Hierdurch  hat  er  den  Keim 
des  Hasses  in  die  Herzen  der  Grossen  gesäet.  Er  selbst  und  darauf 
auch  die  Männer,  denen  er  aus  persönlicher  Gunst  die  ersten  Plätze  nach 
sich  vergeben,  begannen  auch  auf  den  unteren  Stufen  des  Staatsdienstes 
die  erprobten  Beamten  zu  verdrängen  und  sie  durch  ungeübte,  ver- 
dienstlose zu  ersetzen  (caMOimcii^aH  cyn^an  ho  cyn^HMH  cn^ne  msau 
esBXfh  npaBpan^emeifB  Esviknsaj  T3rELe).  Solche  neuangestellte  Beamte 
hatten  von  der  GeschäftsfOhrung  keinen  Begriff  und  verstanden  mit 
Mühe  ihre  Namen  unter  die  Akten  zu  schreiben.  So  kam  eine  Genera- 
tion  von  Beamten  in  die  Welt,  welche  nur  zu  heimlichen  oder  offenen 
Missethaten  fähig  war  (HOAOBjiiHH  HHKaKOse,  pasni  na  sjOTBopemü 
ToqiH)  asi  H  oTaH  .  .  Ha  nse  cTy^nafl  bchko  Honc^eTBi  ^amji  (Junia 
OHH  3^0  HCKycHH).  Solchc  Beamte  warfen  jegliche  Furcht  vor  Gott 
und  dem  Caren  von  sich  ab;  sie  verschwendeten  ohne  Rückhalt  das 
öffentliche  Gut  und  suchten  schamlos  ihre  unersättliche  Habsucht 
zu  befriedigen.  (Eomn  h  i](apcKiH  K711H0  Beci»  ot'l  ce6e  OTpHsyma 
cTpaxi,  B'B  (iecTpamie  xe  caMOB  jacTHt  odo^Kmecü.)  In  solchen  Strichen 
schildert  Djak  Timotheev  das  Beamtenthum  aus  der  Zeit  des  Boris.  Es 
fehlte  nur  an  einem  Anführer,  um  die  Missvergnügten  aus  den  Kreisen 
der  zurückgesetzten  Grössen  mit  den  rücksichtslos  emporstrebenden 
kleinen  Leuten  zu  einem  Eomplot  zu  verbinden.  In  seinem  stäten  Stei- 
gen von  den  niederen  Ehrenstufen  zu  den  höchsten,  hat  Boris  viele 
höher  stehende  und  ihrer  Geburt  nach  edlere  Männer  listig  umgangen 
und  überholt.  Als  er  aber  sein  höchstes  Ziel  erreicht,  da  hat  er  die 
aUgemeinen  Hoffnungen  getäuscht.  Die  beiden  Djaki  SSelkalovy  führt 
Timotheev  als  Beispiele  der  Undankbarkeit  des  Boris  gegenüber  den 
Männern,  die  ihn  gross  gezogen  (er^a  xejfamA  enoero  Kpan  nojy^H, 
HipoBH  nd^exBio  cojiraH'L  Öuctb]  .  Sicher  bleibt  nur  das  eine,  dass  im 
Januar  1598  alle  Bojaren  den  CareviS  D.  für  todt  gehalten  haben.  Wir 
finden  es  also  für  unmöglich,  auf  Grund  der  gegenwärtig  vorhandenen 
Quellen  die  Romanovy  mit  Theodor  NikitiS  an  der  Spitze  für  die  Ur- 
heber der  ganzen  Kabale  zu  erklären.  Die  Verbannung  der  R.  hat  ja 
die  glückliche  Entwickelung  der  Verschwörung  keineswegs  gehemmt. 
Im  J.  1601,  wo  ihre  Schuld  vor  den  Bojaren  verhandelt  wurde,  befand 


600  Eugen  äoepkin, 

sich  Gregor  0.  bereits  im  ÖudovkloBter;  und  doch  ist  es  weder  den 
Häschern  des  Boris,  noch  den  Denancianten  unter  den  eigenen  Dieaem 
der  Romanovy  gelangen,  irgend  welche  Verbindungen  zwischen  den 
Angeklagten  und  den  Verschwörern  im  Wunderkloster  zu  erweisen. 
Wenn  diese  Verschwörer  auch  wirklich  zu  Gunsten  des  Theodor  R.  arbei- 
teten, so  folgt  daraus  noch  keineswegs,  dass  sie  auf  dessen  Anstiften 
das  ganze  Unternehmen  eingeleitet  hätten.  Dem  Theodor  NikitiS  fehlte 
ja  die  weitverzweigte  Organisation,  die  unentbehrlich,  um  eine  derartige 
Kabale  ins  Werk  zu  setzen ;  so  eine  Organisation  stand  nur  den  Klöstern 
oder  der  Regierung  selbst  zur  Verfügung ;  die  Erzählung  der  Annalen 
des  Patriarchen  Nikon  (vgl.  auch  Novyj  Ljetopisec),  wie  die  Djaki  den 
Gregor  0.  vor  dem  Zorne  des  Caren  gerettet  haben,  kann  als  Beleg 
dienen  daffir,  dass  die  kleinen  Beamten  ihre  eigene  Organisation  aneh 
gegen  die  Regierung  selbst  richten  konnten^).   Den  eigenen  Aussagen 


1)  Die  Urkunde  des  Caren  Snjskij  vom  19.  Oktober  1607  (A.A.9.,  Nr.  81) 
enthält  eine  ausführliche  Schilderung  der  Art  und  Weise,  wie  die  Kosaken 
daran  gehen,  einen  Garevio  zu  fälschen.  Es  ist  das  Geständniss  des  Pseudo- 
peter,  welcher  am  10.  Okt.  1607  in  Tula  gefangen  genommen  wurde.  Er  hat 
selbst  vor  dem  Garen  und  den  Bojaren  folgendes  Zeogniss  abgelegt :  Er  ist  zu 
Murom  (Gony.  Vladimir)  als  uneheliches  Kind  der  Witwe  eines  Kaufmanns 
geboren  und  hat  den  Namen  Ilja  erhalten.  Als  seine  Mutter  den  Schleier  ge- 
nommen, führte  ihn  ein  Kaufmann  nach  Niinij-Novgorod  in  den  Dienst  weg. 
Hier  hat  er  gegen  drei  Jahre  in  seiner  Bude  mit  Aepfeln  und  Töpfen  Handel 
getrieben.  Darauf  begab  er  sich  die  Volga  abwärts,  indem  er  auf  den  Schiffen 
Dienst  nahm.  So  kam  er  zu  den  Kosaken  am  Terek,  lebte  hier  als  Geselle 
beim  Gregor  Jelagin  und  anderen  Kosaken,  nahm  an  einem  Raubzuge  nach 
Tarki  Theil  u.  dgl.  m.  Nun  haben  die  Kosaken  zwei  von  den  jüngeren  Ge- 
sellen gewählt,  den  Ilejka  und  den  Mitjka,  um  einen  von  ihnen  als  Garevio 
auszurufen.  Mitjka  wollte  darauf  nicht  eingehen ;  er  gab  vor,  dass  er,  in  Astra- 
hanj  geboren,  nie  in  Moskau  gewesen  sei  und  Niemanden  dort  kenne.  So 
haben  denn  die  Kosaken  beschlossen,  dass  Ilejka  sich  für  den  Sohn  des  Garen 
Theodor  —  einen  Peter  —  ausgeben  sollte ;  er  sollte  auch  dabei  folgende 
Auskunft  über  seine  Beziehungen  zu  Moskau  geben :  aus  Niinij  hätte  er  Mos- 
kau besucht  und  yon  Weihnachten  bis  Petri-Pauli  bei  dem  Po^jaeij  (Kanzlei- 
beamten) Demetrij  Timotheey  gelebt,  aus  der  Kanzlei  des  Djaks  Vasilij  Pe- 
troy;  dieser  Djak  yerwalte  in  seiner  Kanzlei  die  Städte  UsQ'ug  und  Vjatka 
(wohl  Usijui^skajaGetj),  der  Gehilfe  Timotheey  besitze  aber  einen  Hof  in  den 
Gärten  u.  s.  w.  In  diesen  für  den  Petruska  ersonnenen  Beziehungen  zu  Mos- 
kau ist  die  allgemeine  Auffassung  der  Zeit  yon  grosser  Wichtigkeit  —  die 
Kosaken  kennen  eben  nur  eine  Triebfeder  in  Moskau  —  die  Djaki  und  ihre 
Kanzlisten.    Was  die  Persönlichkeit  des  Petruska  betrifft,  so  muss  natürlich 


Wer  war  PeeadodemetritiB  I.?  601 

der  Romanovy  zufolge  mnss  man  die  Ursache  ihrer  Verbannang  nicht 
in  ihrem  Verhältnisse  znm  Caren  Boris,  sondern  in  ihrer  hervorragenden 
Stellung  unter  den  Bojaren  suchen.  Im  Januar — Februar  1598  ist  der 
Versuch  der  Bojarensynkletos,  einen  eigenen  Caren  auf  den  Thron  zu 
setzen  misslungen.  Boris  hat  die  Krone  aus  den  Hflnden  des  Reichstages 
angenommen.  Bis  auf  die  Jahre  der  Hungersnoth  war  seine  Allein- 
macht stäts  im  Wachsen  begriffen.  Die  Masse  des  Adels  musste  sich  vor 
der  Thatsache  beugen,  dass  Godunov  eine  neue  Dynastie  glücklich  zu  be- 
gründen im  Begriff  war.  Von  den  Wahlintriguen  kehrten  die  Eidelleute 
zu  ihrem  gewöhnlichen  Kampfe  um  die  ersten  Plätze  am  Hofe  zurück. 
Da  jede  weitere  Beförderung  eines  russischen  Adelsmannes  durch  die 
Präcedenzrechte  anderer  Edelleute  gehemmt  war,  so  gab  es  für  Bojaren- 


zwischen  einem  Eosakeucarevic  und  einem  PD  I.,  der  mit  den  polnischen 
Senatoren  und  russischen  Bojaren  zu  verkehren  versteht,  ein  grosser  Unter- 
schied gemacht  werden.  Das  Pronnnciamento  des  Petruska  fiel  noch  in  die 
Regierung  des  PD  I.  Die  Kosaken  zogen  mit  ihrem  Garevio  die  Volga  auf- 
wärts nach  Astrachanj  und  Samara.  Bei  Samara  haben  sie  einen  Brief  von 
PD  I.  erhalten  und  wurden  aufgefordert,  eilends  nach  Moskau  zu  ziehen.  Als 
sie  aber  die  Stadt  Svia^sk  passirt  hatten,  da  kam  die  Nachricht,  dass  PD  in 
Moskau  ermordet  sei.  Nun  fuhren  die  Kosaken  die  Volga  abwärts,  bogen  in 
den  FluBS  Kamysenka  aus,  zogen  dann  die  Boote  in  den  Don,  ruderten  weiter 
den  Donec  aufwärts,  von  hier  aus  hat  sie  Fürst  Gregor  §achovskoj  nach  Pu- 
tivlj  berufen,  aus  Putivlj  sind  sie  dann  nach  Tula  gezogen.  (Der  zweiten  Re- 
daktion des  Chronographen  zufolge  wäre  unter  äujskij  in  Putivlj  ein  gewisser 
Petruska  erschienen,  ein  Töpfer  aus  Zvenigorod  und  Gefährte  von  Kosaken. 
Dieser  hat  sich  für  einen  Sohn  des  Carevic  Ivan  Ivanovic  erklärt;  er  behaup- 
tete auch,  dass  sein  Oheim  Demetrius  I.  noch  am  Leben  wäre.  Die  Provinz 
Severa  hat  ihn  anerkannt;  die  Rebellen  haben  sich  der  Provinz  Rjazanj  be- 
mächtigt und  sind  bis  gegen  Moskau  vorgedrungen.  Stoljarov  Chronograph 
steht  dem  Zeugnisse  des  Petruska  selbst  viel  näher  und  beginnt  seine  G^e- 
schichte  viel  früher.  Damach  wären  im  Frübjahre2[1606,  also  noch  bei  Leb- 
zeiten des  D.  I.,  die  Atamanen  und  Kosaken  vom  Flusse  Terek  nach  Astra- 
hanj  mit  dem  Betrüger  Petruska  gekommen,  welchen  sie  fttr  den  Sohn  des 
Caren  Theodor  und  den  Neffen  des  D.  I.  ausgaben.  Sie  fuhren  mit  ihm  die 
Volga  aufwärts  gegen  Moskau,  erfuhren  unterwegs  vom  Tode  des  Caren  D.  L, 
kehrten  um,  erreichten  Voronel^  und  begannen  hier  abermals  den  Petruska  fttr 
den  Sohn  des  Caren  Theodor  auszugeben.  So  entbrannten  im  J.  1606  in  den 
Städten  der  Ukraina,  der  Steppe  und  derlSevera,  wo  man  an  die  Rettung  des 
D.  L  aus  Moskau  glaubte,  neue  Wirren  [zu  Gunsten  der  beiden  Betrüger  — 
des  D.n.und  seines  Neffen  Petruska.  Nach  Nikons  Annalen  wäre  der  Schelm 
Petruska,  der  von  den  Terekkosaken  für  den  Sohn  des  Caren  Theodor  aus- 
gegeben wurde,  ein  gewisser  Iljuska,  ein  Diener  des  Jelagin  gewesen.) 


602  Eugen  Öoepkin, 

familien  mit  geringer  Tradition  kein  anderes  Mittel  weiter  vorwärts  auf 
der  Leiter  der  Aemter  und  Ehren  zu  rtteken,  als  eine  der  bevomigten 
Familien  völlig  ans  dem  Felde  zu  schlagen.  Bogdan  Bjeljskij  und  Theo- 
dor Romanov  waren  fflr  die  emporstrebenden  Godunovy,  Saltykov  n.  a.  m. 
nicht  nur  durch  glflckliche  Präoedenzf&lle  seit  den  Zeiten  Johanna  dea 
Schrecklichen;  sondern  auch  durch  ihre  Talente  gefilhrlich.  Es  hat  also 
die  Masse  der  Bojaren  gegen  das  J.  1600  sich  mit  den  Godunovy  ver- 
tragen und  zwar  auf  Kosten  des  Bjeljskij ,  der  Romanovy,  der  Öer- 
kaskie  etc.  Die  Bojarensynklete  musste  aus  der  Zeit  der  Wahlagitation 
des  J.  1598  Beweise  genug  zur  Verfügung  gehabt  haben,  dass  Theodor 
R.  damals  nach  der  Krone  getrachtet  hat.  Alle  die  Kunstgriffe,  welehe 
die  Partei  der  Romano vy  im  Januar  1598  gegen  den  Boris  gebraucht 
hat,  —  z.  B.  die  Verbreitung  der  Oerflchte ,  als  ob  Car  Theodor  ihnen 
die  Krone  vermacht  hJttte,  als  ob  Boris  bereits  ermordet  wäre,  das  Mah- 
nen an  den  Mord  zu  Ugli5  u.  s.  w.  —  wurden  wohl  im  J.  1601  zu  einer 
himmelschreienden  Anklage  gegen  diese  Familie  zusammengefasst.  Waa 
den  falschen  D.  anbetrifft,  so  ist  die  Möglichkeit,  dass  Bjeljskij  in  Garev- 
Borisov  und  Romanovy  in  Moskau  die  Kabale  bereits  witterten,  das 
Höchste,  was  wir  vorläufig  annehmen  dürfen.  Nach  den  Aussagen  der 
Denuncianten  hat  sie  wohl  auch  Boris  gewittert  Statt  aber  den  Ver- 
schwörern in  der  Kremljburg  selbst  nachziyagen,  hat  er  sie  ringsum  in 
der  Stadt  oder  an  der  Grenze  in  den  Steppen  gesucht*  Nur  in  der  Per- 
son des  Vasilij  äielkalov  hat  er  vielleicht  richtig  eine  Triebfeder  ent- 
fernt. Den  Gregor  0.  hat  Boris  unterschätzt,  die  Brflder  Chripunovy 
nach  Litauen  entschlüpfen  lassen  ^}.  Erst  das  Gerücht  von  einem  PD 
in  Polen  hat  ihm  die  Augen  auf  den  Archimandriten  Paphnutij  und  die 
Djaki  geöffnet.  Wir  müssen  aber  die  Auffassung  des  Ohronographen 
vom  Gausalnexus  zwischen  den  Begebenheiten  begrenzen.  Die  reelle 
Schuld  der  Romanovy  war  nicht  erwiesen.  Durch  die  Begnadigung  des 
Ivan  R.  und  Ivan  Öerkaskij,  der  Familie  des  Alexander  und  Theodor  R. 
hat  Boris  selbst  seinen  Fehler  eingestanden.  Indessen  hat  er  die  Ver- 
folgungen gegen  Bjeljskij  und  Romanovy  nicht  blindlings  aus  über- 


1)  Die  fünf  Brüder  Chripunovy  haben  die  Flucht  nach  Polen  im  J.  1603 
ergriffen.  Lew  Sapieha  schreibt  nämlich  vom  12.  Febr.  1604  an  den  Bischof 
von  Krakau :  Moskwy  pi^ö  bratöw,  ktörzy  przeszlego  roku,  przed  tyra^stwem 
terafniejszego  pana  Moskiewskiego,  opuftciwszy  tarn  ojczyzn^  i  dobre  mienie 
swoje,  na  2askQ  kröla  I.  Moi  wyjachali,  tu  niebo&^ta  tul:aj%  si^  (Arch/Domu 
Sapiehöw,  1. 1).  Es  kann  hier  die  Rede  eben  nur  von  den  Chripunovy  sein. 


Wer  war  Pseudodemetriiu  I.?  603 

triebener  dyBastischer  Vorsicht  eingeleitet :  die  Kinder  des  Theodor  R. 
und  sein  Brnder  Ivan  waren  ja  im  J.  1602  ftlr  dynastische  Hoflfnongen 
der  Godunovy  nicht  minder  gefährlich,  wie  im  J.  1600.  Ans  den  An- 
zeigen der  zahlreichen  Dennncianten  hat  wohl  Boris  seit  1599 — 1600 
die  Ueberzengnng  gefasst,  dass  eine  gefährliche  Kabale  gegen  ihn  im 
Gange  ist  ^);  es  ist  ihm  indessen  nicht  gelungen  ihre  Fäden  aufzufangen. 
Nicht  die  Verfolgungen  des  Boris  gegen  die  Bojaren,  sondern  das  Miss- 
vergnügen  der  Männer,  die  den  Boris  gross  gemacht  haben,  mit  der  ver- 
meintlichen Undankbarkeit  des  Caren  (wie  es  Djak  Timotheev  berichtet) 
haben  wohl  die  Verschwörung  keimen  lassen.  Die  ersten  repressiven 
Verfolgungen  mussten  natürlich  auch  das  Losbrechen  der  Kabale  herauf- 
beschwören, umsomehr  da  die  Entrüstung  über  den  Mord  zu  UgliS  und 
die  Hungersnoth  den  Glauben  an  die  Regierung  des  Boris  Dei  gratia 
erschütterten.  Der  wirkliche  Gang  von  Ereignissen  war  ohne  Zweifel 
viel  verwickelter,  als  es  sich  der  Fortsetzer  des  Chronographen  ge- 
dacht hat  2). 


1)  Im  Allgemeinen  billigen  wir  also  die  Auffassung  des  Margeret:  »enfin 
ayant  ouy  le  vent  depuis  Tan  mil  six  cens  de  Demetrius  Joannes,  que  quel- 
quesuns  le  tenoient  estre  en  vie,  il  ne  se  faisoit  de  la  en  avant  tous  les  iours 
que  tonrmenter  et  gehenner  pour  cette  occasion ;  des-lors  si  un  serviteur  ve- 
noit  accuser  son  maistre  . .  11  estoit  par  luy  r^compens^  . .  Finalement  Tan 
1604  se  d^couvrit  ce  qu'il  avoit  tant  cralnt,  k  s^avoir  Demetrius  Joannes«. 
Diese  Auffassung  wird  bestätigt  —  durch  den  Brief  des  Andrej  Sapieha  aus 
dem  J.  1598,  durch  die  Aussagen  der  polnischen  Gesandten  aus  dem  J.  1608, 
durch  die  Urkunde  von  der  Ernennung  des  Philaret  Romanov  zum  Patriar- 
chen. Der  Chronograph  kann  andererseits  insoweit  Recht  haben,  dass  die 
Verfolgungen  des  Boris  nicht  immer  die  Schuldigen  getroffen  und  dadurch 
die  herrschenden  Klassen  dem  Caren  entfremdet  haben. 

^  Da  die  Wahlarkunde  vom  1.  Aug.  1598  Nichts  davon  weiss,  dass  Car 
Theodor  seine  Krone  dem  Boris  vermacht  hätte,  und  sich  sogar  auf  den  Aus- 
spruch des  Caren  Johann  des  Sehr,  beruft,  um  ein  Rechtsmoment  für  den 
Godunov  zu  begründen,  so  nehmen  wir  das  Zeugniss  des  »Neuen  Annalisten« 
an,  dass  Theodor  gestorben  ist,  ohne  einen  Nachfolger  ernannt  zu  haben.  Die 
bezüglichen  Worte  der  Urkunde  lauten:  »A  hocjA  ce6fl  IIap&  Gexop'B  HBano- 
Bm'L  .,.  Ha  Bcixi  CBOHZ'B  B&SHRHXX  rocyAapLCTBaz'B  CKH^erpoxopsKaBlfl  Pocdx- 
CKaro  i^apBCTBiji  ocTtaxh  cboio  FocysapiaHH)  Hamy  I(apHiiy  HpHHy  OeAopoBHy  Bcea 
PyciH,  a  Aymy  cboh)  npaBOAHyio  npHRasajTB  lesy  üaTpiapzy  h  mypHHy  CBoeicy 
EopHcy«;  oder  z.  B.:  »A  üapHita  HpKHa  na  cbocm'l  rocyAap&CTBi  ölith  ho  boo- 
zoT%.sa  . . .  ($paTa  CBoero  EopHca  Ha  i^apLcxBo  ne  (LiarocjioBH.ia«.  Von  Wichtig- 
keit sind  die  Veränderungen,  welche  diese  klaren  Worte  unter  der  Hand  der 
Chronisten  erlebt  haben.    Nach  der  »Sage  aus  dem  J.  1606«  hat  Boris  den 


604  Engen  Soepkin, 


Garen  Theodor  nms  Leben  gebracht  und  durch  seine  Agenten  das  Volk  in 
dem  Sinne  bearbeitet,  daas  man  ihn  auf  den  Thron  berufe.  Er  selbst  entfernte 
sich  hinterlistig  nach  dem  FrSuleinkloster,  da  er  sich  vor  seiner  Schwester 
fürchtete.  Die  Garin  Irina  (Alexandra)  wusste  nämlich,  dass  ihr  Bruder  ana 
Herrschsucht  viel  unschuldiges  Blut  vergossen  hatte,  und  wollte  ihn  nicht  cur 
Krone  kommen  lassen  (f).  Die  grossen  Bojaren,  welche  durch  ihre  Verwandt- 
schaft mehr  Anrechte  dazu  hatten,  haben  es  vermieden,  allein  unter  sich  einen 
Garen  zu  w&hlen,  und  die  Entscheidung  dem  Volke  überlassen.  Das  von  Go- 
dunov's  Agenten  zusammengetriebene  Volk  bat  nun  die  Garin  Alexandra, 
ihren  Bruder  Boris  ihnen  zum  Garen  zu  geben.  Dem  Djak  Timotheev  zn- 
folge  hat  Boris  den  Demetrius  ermordet,  den  Garen  Theodor  vergiftet  nnd 
sich  aus  drei  Gründen  nach  dem  Frauleinkloster  zurückgezogen:  erstens 
fürchtete  er,  dass  das  Volk  die  Wahrheit  erfahren  und,  betrübt  über  den  Tod 
des  Garen,  auf  einmal  gegen  Boris  aufbrausen  könnte ;  falls  aber  Alles  rohig 
bleiben  sollte,  da  würde  er,  zweiteos,  weiterhin  mit  Sicherheit  auftreten  kön- 
nen; drittens  glaubte  er  sich  die  Leute  zu  merken,  welche  für  ihn  eifern 
werden,  um  sie  zu  belohnen,  die  Widersacher  dagegen  künftighin  zu  ver- 
folgen. Avraamij  Palicyn  berichtet  Folgendes:  Nach  dem  Tode  des  Theodor 
treffen  viele  von  den  herrschenden  Männern  Busslands  die  Entscheidung, 
dass  Godunov  Gar  sein  solle.  Boris  entfernt  sich  nach  dem  Kloster,  wird  aber 
vom  Volke  auf  den  Thron  berufen.  Unter  der  Einwirkung  seiner  NSchsten 
fasste  er  Hass  und  Argwohn  gegen  das  Geschlecht  des  Garen  Theodor,  d.  w.s. 
gegen  die  Romanovy.  Er  hat  den  Eid  nicht  gehalten,  welchen  er  dem  Nikita 
Romanovio  Jurjev  geleistet  hatte  —  dessen  Kinder  zu  pflegen.  Nach  der  Ver- 
bannung der  Romanovy  hat  er  auch  viele  andere  Männer  um  ihretwillen  um- 
gebracht. Er  hat  die  unfreien  ihre  Herren  verleumden  lassen.  Dadurch 
hoffte  er  auch  nach  seinem  Tode  dem  Geschlechte  Godunov  den  Thron  sicher- 
zustellen. (Ce  IRQ  MLimjiAine  xa  yrBepAHrB  sa  npecT0.si  no  codi  c£mji  CBoe.)  Als 
Strafe  für  die  Verfolgung  der  Romanovy  und  für  den  Kleinmuth  der  Welt, 
welche  schweigend  dem  Verderben  der  Unschuldigen  zugesehen  hat  und  dem 
Garen  die  Wahrheit  zu  sagen  nicht  gewagt,  brach  im  J.  71 11  die  Hungersnoth 
los.  Ejityrev-Rostovskij  berichtet  folgendermassen :  Nach  dem  Tode  des 
Theodor  fahrt  das  Zepter  die  Garin  Irina.  Das  Volk  und  die  Geistlichkeit 
dringen  die  Krone  dem  Boris  auf.  Da  wird  Boris  von  Hochmuth  und  Hass 
gegen  andere  grosse  Männer  erfasst;  er  lässt  die  Romanovy  verleumden.  Das 
Elend  dieser  Brüder  hat  die  Stadt  Moskau  empOrt  und  allgemeine  Trauer 
hervorgerufen.  Da  erscholl  im  siebenten  Jahre  der  Regierung  des  Boris  das 
Gerücht  vom  PD.  »Die  Sage  über  die  Regierung  des  Garen  Theodor  Ivanovio« 
berichtet:  Nach  dem  Tode  des  Theodor  führt  seine  Frau  1  Vs  Jahre  das  Zepter; 
die  Geschäfte  leitet  dabei  ihr  Bruder  Boris.  Dieser  sendet  Briefe  im  Namen 
seiner  Schwester  an  die  einzelnen  Stände  des  russischen  Volkes,  sie  sollten 
den  Boris  auf  den  Thron  berufen.  Auch  die  Massen  in  Moskau  werden  in 
diesem  Sinne  bearbeitet.  Er  selbst  begibt  sich  zu  seiner  Schwester  nach  dem 
Kloster  und  bittet  um  Segen  für  die  Herrschaft.  Die  Schwester  hat  ihm  aber 
ihren  Segen,  als  einem  herrschsüchtigen  Mörder,  versagt  Ein  ganzes  Jahr 
konnte  er  den  Thron  nicht  besteigen.  Da  hat  er  es  gewagt,  ohne  iliren|Segen 


War  war  PBeadodemetrinB  L?  605 


sich  die  Krone  aufzusetzen.  »Der  Neue  Annalist  (Nikons  Annalen,  Die  Annalen 
der  Wirren) «  erzählt :  Car  Theodor  befiehlt  der  Frau,  naeh  seinem  Tode  den 
Schleier  zu  nehmen ;  er  weist  dabei  von  sich,  den  zukünftigen  Garen  zu  er- 
nennen, und  tiberlässt  Alles  dem  allmftchtigen  Willen  Gottes.  (Er  spricht  zum 
Patriarchen:  »A  exe  r.iaroj[emE  o  itapcTBiH,  h^ctl  Moero  BejrtHlji,  ho  xko  xe 
rocnoA6BH  TOKk,  laRo  u  6yAH,  h  eicy  xe  xomerB  £or'£,  TOüy  AaciB  e«.}  Es  werden 
nun  die  Wähler  von  allen  Städten  nach  Moskau  berufen.  Alle,  die  sich  auf 
dem  Reichstag  versammelt  hatten,  gehen  nun  zum  Hiob  und  bitten  ihn  nach 
Gottes  Willen,  ihnen  einen  Garen  zu  ernennen.  Da  fassten  der  Patriarch, 
viele  Bojaren  und  andere  herrschende  Männer  den  Entschluss,  dem  Boris  die 
Krone  zu  reichen.  Besonders  war  aber  das  gemeine  Volk  dem  Boris  gewogen 
(na^e  xa  xejiaxy  ero  6lite  I^apeM'L  npocTÜi  jnoAie).  Auch  viele  Bojaren  wünsch- 
ten ihn  zum  Garen  zu  haben,  weil  sie  nicht  gewusst  hatten,  dass  gerade  er  den 
Garevio  D.  hat  umbringen  lassen.  Nur  den  §njskie  war  sein  bOser  Gharakter 
bekannt;  sie  haben  aber  gegenüber  der  ganzen  Menge  der  Anhänger  des 
Boris  Nichts  ausrichten  kOnnen.  Sobald  Boris  sich  auf  dem  Throne  sicher 
fühlte,  begann  er  seinen  Hass  auf  diejenigen  Bojaren  zu  werfen,  welche 
seine  Hoffnung  zu  nichte  machen  konnten,  ein  neues  Garengeschlecht  auf  dem 
Throne  Moskaus  zu  begründen  (bo  yMBimdieHiH  cboom'b,  exe  iiapcRiu  RopesB  oti» 
Hero  apecTa).  Deshalb  beschloss  Boris,  die  Anverwandten  des  Garen  Theodor 
ins  Verderben  zu  stürzen :  er  Hess  die  Romanovy  verleumden,  als  ob  sie  da- 
mit umgingen,  ihren  Garen  Boris  zu  vergiften.  Ein  unfreier  Diener  des  Für- 
sten Sestunov  hat  seinen  Herrn  verleumdet.  Boris  hat  den  Denuncianten  mit 
einem  Gute  belohnt  Da  begannen  die  Unfreien  der  Bojaren  untereinander 
Uebereinkunft  zu  treffen,  die  einen  reichten  Anzeigen  gegen  ihre  Herren  ein, 
die  anderen  traten  dann  als  Zeugen  auf.  Ein  solches  Denunciantensystem 
brachte  eine  allgemeine  Verwirrung  in  das  gesellschaftliche  Leben..  Bnssow 
erzählt :  Der  sterbende  Gar  Theodor  reicht  das  Zepter  dem  Theodor  Roma- 
nov;  dieser  greift  nicht  zu,  sondern  schiebt  seinen  Bruder  Alexander  vor, 
der  zweite  Bruder  den  dritten,  Ivan  den  vierten  —  Michail,  Michail  R.  — 
einen  anderen  grossen  Bojaren.  Da  spricht  Theodor :  so  nehme  den  Stab, 
wer  da  will.  Nun  greift  Boris  Grodunov  nach  dem  Zepter.  Nach  dem  Tode 
des  Garen  gereute  es  die  Bojaren,  dass  sie  das  Zepter  von  sich  gewiesen,  und 
sie  warfen  dem  Boris  seine  niedrige  Herkunft  vor.  Mit  Unterstützung  der 
Schwester  gelang  es  dennoch  dem  Godunov,  den  Thron  zu  besteigen.  Weil 
aber  Boris  mit  Mord  und  List  zur  Krone  gelangt  war,  so  traf  ihn  selbst  das 
Jus  Talionis :  man  begann  ihm  nach  dem  Leben  und  der  Krone  zu  trachten. 
Der  erste  Aufrührer  war  Bogdan  Bjeljskij,  darauf  machten  die  Romanovy 
einen  Versuch,  den  Boris  zu  vergiften.  Massa  berichtet:  Der  Gar  Theodor 
überreicht  vor  seinem  Tode  die  Krone  und  das  Zepter  seinem  Anverwandten 
Theodor  Nikitic.  Da  aber  das  Volk  dem  Boris  gewogen  war  und  Godunov 
Massregeln  zur  Erreichung  der  Krone  getroffen,  so  hat  0s  Theodor  für  un- 
möglich gehalten,  es  mit  ihm  aufzunehmen.  Um  einen  Bürgerkrieg  zu  ver- 
meiden, hat  er  die  Krone  und  das  Zepter  dem  Boris  überreicht.  Seine  Frau 
hat  ihn  später  dafür  ausgescholten.  Der  Osterreichische  Hofdiener  Schiele, 
welcher  im  Sept.  1598  in  Moskau  war,  gibt  die  officielle  russische  Auffassung 


606  Engen  Soepkin,  Wer  war  Psendodemetrins  I.? 


wieder,  dass  Theodor  die  Krone  seiner  Fran  Irina  vermacht  hat  I^  ^e- 
Bchlechterbuch  (Latnohinskaja  Stepennaja  Eniga)  gibt  dieselbe  Tradition,  wie 
der  Chronograph:  Gar  Theodor  habe  den  Theodor  Romanov  zn  seinem  Nach- 
folger bestimmt.  Die  officielle  Auffassung  der  Romanovy  ist  noch  in  der 
Wahinrkunde  des  Garen  Michail  aus  dem  J.  1613  dargelegt  (Godp.  Fp.  h  Aor.  I) . 
Hier  wird  die  Tradition  aus  den  Tagen  des  Boris  und  Hieb  etwas  abgeändert. 
Der  Gar  Theodor  soll  auf  dem  Throne  seine  Garin  Irina  zurückgelassen  haben, 
die  Sorge  um  seine  Seele  aber  dem  Patriarchen  Hieb,  seinem  Bruder  Theodor 
BomanoY-Jurjev  und  seinem  Schwager  Boris  anvertraut  Der  »Bruder  Theo- 
dor« kommt  eben  in  den  Akten  des  Schwagers  Boris  gar  nicht  vor!  (6paTy 
CBoeMy  ItapcROHy  $exopy  Herhth^io  PouaHOBy-XOpLOBy).  Irina  hat,  der  Ur- 
kunde zufolge,  ihrem  Bruder  Boris  zum  Herrschen  den  Segen  gegeben.  Im 
Gegensatze  zu  den  Aussagen  der  polnischen  Gesandten  aus  dem  Jahre  1608 
herrscht  hier  die  Auffassung,  dass  die  Wirren  ihren  Ursprung  aus  der  Tiefe 
einer  Volksbewegung  genommen,  welche  die  Bojaren  und  Vojevoden  ver- 
gebens zu  bewältigen  versucht.  Wie  ein  Meer  brauste  das  ganze  russische 
Reich  auf  einmal  auf  und  die  Weisheit  der  Steuerleute  ward  vor  dem  Wttthen 
der  Wogen  zu  nichte.    (H  BejiHRoe  Poci&CKoe  ItapcxBO  aro  Mope  BocROJie6acii,  k 

HeHCTOBKIA  TJOlTOÄU,   ARO  CBHpiUUA  BOJiHU  BOSmyiltnia,   H  HeyRpOTHMO  H  HHHa- 

npaBJifleMO,  ame  h  RopiralH  MyxpH  6ima,  ho  jipocTB  Mopji  chz'b  noBpesH  k  cyerHy 
MyxpocTL  mch  coTBopH  H  BO  CBOH  cxpoiiseHLA  Bce  o6paTH ;  Ha^aiLHuesR^b  £ojE>rpe 
E  CTpaTHTH  cyoTHOM'B  BOJEHeHKK)  npoTHBHnxacH,  HO  HH^TOX'B  youima  cypoBOMy 
HapoAaROMy  ri[aro2aHHH).)  Dann  wird  hier,  allen  übrigen  Zeugnissen  entgegen, 
behauptet,  dass  die  Garin  Martha  noch  vor  dem  Sturze  des  PD  ihn  vor  der 
Synkletos  und  dem  ganzen  Moskauer  Volke  für  einen  Betrüger  erklärt;  nun 
erst  hätte  man  den  Grisica  ermordet  Die  Wahl  des  Michail  Romanov  wird 
hier  dadurch  motivirt,  dass  er  ein  Neffe  des  Garen  Theodor  gewesen. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Kritischer  Anzeiger. 


ÜHCifaTa  Ha  BHsaHTiracKHfl  mraepaTop^  PoMaea  JlaKaneHa  ao  6'BJirap- 
CKHfl  i^api»  GHKeoHa.    Oti  B.  H.  SjraTapcKH.    Co«hh  1896,  8^,  41  S. 

(S.A.  aus  dem  »Sbomikc  XIII). 

Ctjahh  no  6'BJirapcKaTa  hctopha.    IIpHeMHHi^HTi  na  ÜHopTara.    Ot'b 
B.  H.  SjiaTapoKH.  8®,  23  S.  (S.A.  ans  dem  »Periodiüesko  Spisanie«, 

Heft  LIV,  1896,  S.  755—778). 

Gtyahh  no  ÖxfrapcKaTa  HCTopHH.    KoS  e  6iiun>  Ty^op'B  ^epHopEsei^i 
AoKcoFB.    Otl  B.  H.  S^aTapcKH.    Go«Hfl  1897,  8^,  20  S.   (S.A.  aus 

dem  »E'KirapcKH  IIper.ieAi&a  IV,  Heft  3). 

/(sa  E3BicTHH  6'LzrapcKH  Ha^nHca  ot^  IX.B^Ka.  Otl  B.H.SjaTapcKH 
(S.A.  aus  dem  »Sboniika  XV,  1898,  S.  131—144). 

Es  gereicht  mir  sn  einem  besonderen  Vergnügen,  den  Lesern  des  »Ar- 
chivs« einen  neuen,  tüchtig  vorgebildeten  und  arbeitslostigen  balgarischen 
Historiker  vorstellen  zu  können.  Nach  Spiridion  Palanzov,  der  so  Vieles 
über  balgarische,  russische  und  rumänische  Geschichte  veröffentlicht  hat, 
und  nach  Marin  S.  Drinov,  der  1899  ein  literarisches  Jubilftum  feierte,  folgt 
Vasil  Nik.  Zlatarski,  ein  Bruder  des  ersten  bulgarischen  Geologen,  heran- 
gebildet an  den  Universitilten  von  Petersburg  und  Berlin  und  ausgerüstet 
mit  Kenntniss  der  griechischen  und  lateinischen  Sprache,  die  beide  in  Bul- 
garien und  Serbien  weniger  cultivirt  werden  und  daher  Viele  von  der  Be- 
schäftigung mit  dem  Mittelalter  abschrecken.  Die  bisher  erschienenen  Studien 
des  Herrn  Zlatarski  bewegen  sich  meist  auf  dem  Gebiet  der  älteren  bulgari- 
schen Geschichte,  vor  dem  XI.  Jahrb.,  und  lassen  einen  besonnenen  und  kri- 
tischen Historiker  erkennen,  von  welchem  seine  Nation  und  die  historische 
Wissenschaft  noch  viel  eu  erwarten  berechtigt  ist. 

Die  älteste  Periode  der  bulgarischen  Geschichte,  vor  der  Festsetzung 
südlich  von  der  Donau,  betrifft  ein  Aufsats:  »Hobk  raniciHA  sa  Haä-ApeBHHJi 
nepHOff^  na  6'BJirapcxaTa  hctopkji«  (Sbomik  XI).  Aus  der  Chronik  des  Patriar- 
chen Nikephoros  (ed.  De  Boor  p.  24, 33)  ist  es  bekannt,  dass  mit  Kaiser  Hera- 
klios  der  Fürst  der  Hnnnogundoren  Kovß^aro^,  Neffe  des  sonst  nicht  bekannten 
Organis,  verbündet  war,  der  sich  der  avarischen  Oberherrschaft  entledigt. 


608  Kritischer  Anzeiger. 

die  Avaren  ans  seinem  Land  vertrieben  und  vom  Kaiser  den  Titel  eines  Patri- 
kios  erhalten  hat  Es  ist  Chubraatj  der  Vater  des  Aspar-chruk,  des  bekannten 
Asparuch  der  Byzantiner,  bei  dem  armenischen  Geographen  am  679  (Patkanov 
im  »:MHIIp.  1883,  März  24—26),  Kur'i  mit  60  Begiernngsjahren,  der  Vor- 
gänger des  sonst  unbekannten  Bezm^r  und  dessen  Nachfolgers,  des  Isperich, 
in  dem  bekannten  einheimischen  Verzeichniss  der  heidnischen  Bulgaren- 
fürsten.  Zlatarski  verweist  auf  den  Bericht  eines  Zeitgenossen,  des  ägypti- 
schen Bischofs  Joannes  von  Nikiu,  dessen  im  Original  verschollene  Chronik 
aus  dem  Griechischen  oder  Koptischen  ins  Arabische,  1602  ins  Aethiopische 
und  zuletzt  von  Zotenberg  ins  Französische  übersetzt  wurde.  Joannes  er- 
zählt, dass  in  den  Sttlrmen  nach  des  Kaisers  Heraklios  Tod  (641)  dessen  zweite 
Gattin  Martina  mit  ihren  Kindern  unterstUzt  wurde  von  dem  Hunnenftirsten 
KubratoB  (bei  Zotenberg  Quetrades),  einem  Neffen  des  Organa  (bei  Zotenberg 
Kuemaka),  der  noch  als  Kind  in  Konstantinopel  getauft  und  dann  bei  Hofe 
erzogen  worden  war.  »Mit  Hilfe  der  heiligen  und  belebenden  Taufe  hatte  er 
alle  Barbaren  und  Heiden  besiegt«.  Dem  Kaiser  Heraklios,  der  ihn  mit  Wohl- 
thaten  überhäuft  hat,  blieb  er  dankbar lauch  nach  dessen  Tod.  Dieses  Ghristen- 
thum  der  Bnlgarenfürsten  vor  dem  Uebergang  über  die  Donau  war  aber  zu 
oberflächlich  gewesen;  Kubrafs  Nachkommen  erscheinen  als  Heiden,  und 
schon  sein  Sohn  Asparuch  setzte  sich  mit  Benützung  der  ersten  Ein- 
schliessungen  von  Konstantinopel  durch  die  Araber  mit  Grcwalt  auf  byzan- 
tinischem Boden  fest,  in  den  Donauprovinzen  nOrdlich  vom  Haemus. 

Eine  zweite  Studie  des  Verfassers  betrifft  die  Genealogie  der  Bulgaren- 
fürsten des  IX.  Jahrb.,  über  welche  wir  aus  den  in  unseren  Jahren  gesam- 
melten griechischen  Inschriften  der  heidnischen  Bulgarenzeit  manches  Neue 
erfahren.  Zlatarski  hält  den  Fürsten  Krum  (c.  803  —  +  814)  für  den  Gründer 
einer  neuen  Dynastie.  Sein  Sohn  und  unmittelbarer  Nachfolger  war  Omortag, 
auch  Mortagon  geschrieben  (814—831/2).  Dessen  Sohn  und  Nachfolger  war 
Malamir,  MaXa/^v^  auf  der  Inschrift  GIGr.  IV  Nro.  8691B,  MaXXiafiijQof 
bei  Erzbischof  Theophylaktos  von  Ochrid,  BaX&lfiSQ  bei  Theoph.  Gont, 
ein  Zeitgenosse  des  byzantinischen  Kaisers  Theophilos  (829—842).  Ich  be- 
merke dazu,  dass  der  Name  dieses  den  Leuten  des  IX.  Jahrh.  wohlbe- 
kannten Fürsten  den  Photios  oder  dessen  Copisten  bewog,  den  Vater  des 
GothenkOnigs  Theodorich  als  Malamir  zu  schreiben :  SsvdeQixov  xov  MaXa- 
fisiQov  (Dindorf,  Historici  graeci  minores  I,  p.  383),  statt  BaXafiaiqov  (Vala- 
mer  des  Marcellinus,  filius  Walameris  in  den  Consularia  italica).  Zlatarski 
bespricht  dabei  die  einander  widersprechenden  Berichte  über  die  Jugend  des 
nachmaligen  Kaisers  Basilios  L,  der,  wie  wir  nunmehr  auch  aus  der  neu- 
entdeckten  Vita  des  Patriarchen  Euthymios  (ed.  De  Boor  p.  2,  vgl.  130)  wissen, 
ein  Armenier  war,  aus  den  armenischen  Militärcolonien  bei  Adrianopel,  und 
von  den  Bulgaren  Krum's  sammt  seinen  Eltern  als  Kind  weggeschleppt  und 
jenseits  der  Donau  (nkqav  xov  notafAov  ^ayovßiov],  wohl  gegenüber  der  Do- 
brudia  in  der  Nähe  der  Mündungen,  angesiedelt  wurde.  Ansprechend  sind 
die  Hypothesen  Zlatarski's  über  die  Beweggründe  der  Verfolgungen  kriegs- 
gefangener  byzantinischer  Christen  unter  Fürst  Malamir  (S.  11 — 12).  Durch 
diese  Gefangenen  habe  sich  das  Christenthum  schon  unter  Krum  verlH*eitet, 


C.  Jireoek  über  die  Arbeiten  von  V.  Zlatarski.  609 

der  mit  den  Yerfolgnngen  begonnen  haben  soll,  weil  er  fUrchtete,  die  Lehre 
Christi  konnte  im  Balgarenheer  den  fanatischen  GrieohenhasB  schwächen, 
den  man  wegen  der  damaligen  Offensivkriege  nothwendig  brauchte.  ÜDter 
Omortag  habe  das  Christenthnm  besonders  unter  den  Slaven  im  Lande  An- 
hänger gefunden.  Die  bulgarischen  Adeligen,  eine  fest  organisirte  Glasse, 
die  unter  der  Autokratie  des  gewaltigen  Krum  ihre  Bedeutung  verloren  hatte, 
sahen  in  einer  Christenverfolgung  das  beste  Mittel  zur  Wiedergewinnung  der 
alten  Macht  gegenüber  den  slavischen  Stammfttrsten  und  Grossen,  die  unter 
Krum  emporgekommen  waren.  Vgl.  die  Erzählungen  des  Theophanes  p.  491 
ed.  De  Boor  über  Erum*s  Festgelage  mit  den  SxXavivüv  a^x^^s^;  auch 
Krum's  Gesandter  Dragomir,  ^«^afAti^os  bei  Theophanes  p.497,  war  offen- 
bar einer  dieser  Slavenfttrsten.  Die  schwache  Regierung  Malamir's  bot  eine 
günstige  Gelegenheit  dazu.  Doch  gehOrte  zu  den  Beschützern  der  Christen 
sogar  bereits  einer  der  Söhne  des  Fürsten  Omortag,  der  nach  Theophylaktos 
^EyQaßtnaf  oder  Botvos  hiess.  Ganz  richtig  sind  die  Bemerkungen  Zlatarski's 
über  den  historischen  Werth  der  Daten  bei  Theophylaktos;  der  gelehrte  Erz- 
bisohof  von  Ochrid,  Zeitgenosse  des  Kaisers  Alexios  L  Komnenos,  hat  Man- 
ches aus  seitdem  verloren  gegangenen  griechischen  und  slavischen  legendären 
Aufzeichnungen  des  IX.— X.  Jahrh.  benutzt 

Auf  Malamir  (f  83d— 7)  folgte  Presiam,  Sohn  des  Zvinica,  eines  Bruders 
des  Malamir,  wie  dies  der  Verf.  näher  ausführt  gegenüber  der  Ansicht,  des  Zvi- 
nica  Sohn  sei  Boris  gewesen.  Zum  Namen  vgl.  Uqovinayog^  einen  der  SOhne  des 
Garen  Joannes  Vladislav  (Anf.  des  XI.  Jahrh.);  zur  Endung  beider  Namen  (vgl. 
türk.  san,  slav.  caHlk  Würde)  vgl.  den  Bulgarennamen  jiXovaiayogy  der  im  XI. 
Jahrh.  und  noch  bei  Kantakuzenes  im  XIV.  Jahrh.  vorkommt  (ed.  Bonn.  II.  377 
ein  Bogenschütze  Alusianos  bei  Berrhoea).  Die  von  Konstantinos  Porphyrogen- 
netes  geschilderten  Kriege  des  Fürsten  Presiam  gegen  die  Serben  (die  eigent- 
lichen Serben  zwischen  Bas  und  der  Wasserscheide  der  Zuflüsse  des  Adriati- 
Bchen  Meeres)  sucht  Zlatarski  durch  die  Tendenz  der  Bulgaren  zu  erklären,  der 
Ausbreitung  des  Einflusses  der  Franken,  die  seit  Karl  d.  Grossen  im  Drave- 
gebiete  und  im  nördlichen  Dalmatien  die  Oberhoheit  ausübten,  bei  den  Slaven 
der  Halbinsel  zuvorzukommen  (S.  18  Anm.).  Doch  die  Franken  waren  hier  in 
dieser  Zeit  nicht  mehr  offensiv.  Eher  handelte  es  sich  bei  den  Bulgaren  um 
Abrundung  der  Grenzen.  Einerseits  war  durch  Anschluss  der  Slavenstämme 
an  die  Bulgaren,  an  die  »Bulgarorum  societas«,  seit  ungefähr  818  die  Grenze 
des  Bulgarenstaates  weit  gegen  Nordwesten  ausgedehnt  worden,  wo  Omortag 
827  und  829  es  zweimal  versuchte,  die  Franken  durch  Entsendung  einiger 
Fiotillen  vonFlnssbooten  selbst  aus  demDravegebiet  zu  verdrängen.  Anderer- 
seits hatten  damals  die  Bulgaren  im  Südwesten  die  Slavenstämme  des  inneren 
Makedoniens  unter  ihre  Botmässigkeit  gebracht,  bis  über  Ocbrid  hinaus,  wie 
wir  aus  der  Vita  des  hl.  Kliment,  den  Daten  bei  Ibn-Bosteh  (Ibn  Dasta,  bei 
Rosen  Über  Jabja  145—146)  über  den  Weg  aus  Thessalonich  gegen  Rom  durch 
die  Länder  der  in  hölzernen  Häusern  wohnenden,  von  Boris  zum  Christen- 
thnm bekehrten  Slaven  (Sakälib)  und  aus  einigen  byzantinischen  Notizen 
wissen.  Die  Serben  störten  den  Bulgaren  die  Verbindungen  zwischen  Sii^ 
mium  und  den  Landschaften  westlich  von  dem  byzantinischen  Gebiet  bei 

ArohiT  Ar  sUriMhe  Philologie.  XXI.  39 


610  Kritischer  Anzeiger. 

TheBaalonich  and  Berrhoea;  daher  die  Kämpfe  bei  Bas.  Die  Bttckkehr  der 
byzantinischen  Gefangenen,  die  seit  Krom's  Zeit  in  den  transdannbischen 
Landschaften  Bulgariens  angesiedelt  waren,  mit  Hilfe  einer  byzantinischen 
Flotte,  verlegt  Zlatarski  zam  J.  838. 

Presiam's  Sohn  Boris  soll  843—845  bis  884^-885  regiert  haben ;  die  bul- 
garische Gesandtschaft  bei  Ludwig  dem  Dentschen  in  Paderborn  845  soll  die 
Thronbesteigung  eines  neuen  Bulgarenfürsten  notificirt  haben.  Doch  stimmt 
dies  nicht  überein  mit  den  36  Jahren,  die  Boris  nach  den  Daten  bei  Erz- 
bischof Theophyiaktos  regiert  haben  soll  und  mit  der  nicht  unberechtigten 
Anschauung,  dass  Boris  bei  der  Annahme  des  Christenthums  (863 — 864)  nooh 
ein  Mann  in  jungen  Jahren  gewesen  war,  nach  Theophyiaktos  gar  noch  ein 
Jüngling  {»altoi  naXs  mv).  Vielleicht  wird  sich  aus  dem  Inschriftenmatarial 
einmal  ersehen  lassen,  ob  zwischen  Malamir  und  Presiam  nicht  noch  ein  Bul- 
garenfürst  regiert  hat 

Zwei  längst  bekannte  Stücke  dieser  griechischen  Inschriften  der  heid- 
nischen Bulgaren  bespricht  Zlatarski  in  einer  eigenen  Abhandlung.  Es  ist 
die  1859  von  Chr.  S.  Daskalov  aus  Trj&yna  in  den  Moskauer  HTeaiji  ▼erGffent- 
lichte  Inschrift  des  Omortag  aus  der  Kirche  der  40  Märtyrer  in  TmoTO  und 
die  CIGr.  lY,  8691  B  veröffentiichte,  dort  in  ganz  unbesonnener  Weise  mit 
einem  Denkmal  von  den  Buinen  von  Philipp!  zu  einer  Nummer  yerbundene 
Inschrift  des  Malamir  über  die  Errichtung  einer  Fontaine  oder  Wasserleitung 
(avaß^xoy)^  copirt  in  §umen  1^31  von  Blankenburg  und  seitdem  versehwun- 
den (über  Bl.  selbst  ist  mir  nichts  bekannt;  war  es  einer  der  preussischen 
Offiziere  in  der  Türkei  zu  Moltke's  Zeit?).  Die  Lesung  und  Erklärung  beider 
Stücke  ist  jetzt  erleichtert  durch  die  neuerdings  von  äkorpil  in  Ost-Bulgarien 
gesammelten  Inschriften,  die  in  den  » Archäologisch -epigraph.  Mitth.  ans 
Oesterreich-Ungarn«,  XVII  (1894),  XIX  (1896)  mit  Anmerkungen  von  Toma- 
schek,  Bormann  und  von  mir  yerOffentiicht  wurden.  Aus  diesem  Material 
wurde  der  alteinheimische  Begententitel  klar:  %avas  {-yy-,  -y^s)  ^ßiyv,  ^ßvT^^ 
also  Chan  mit  einem  Epitheton  üvigiy  von  Tomaschek  (Aep.  M.  XIX,  238}  lu- 
sammengestellt  mit  kumanisch-tttrkisch  öweghfi,  Owghtt,  erhaben,  gepriesen. 
Es  ist  der  abgekürzte  Ghaganstitel  der  Avaren  nnd  Ghazaren;  wird  ja  in  der 
Yisio  des  Propheten  Daniel  auch  Boris  als  Kdr4Hk  bezeichnet  (Spomenik 
y,12— 13):  AVH)fAHAk  KaraHk  Ha  BAkrapt^X^*  ^^^i^so  lernen  wir  die 
beiden  Adelsdassen  besser  kennen,  die  höheren  ßoikadeg  oder  ßoXia&e^,  Sing. 
ßoiXaff,  flotfXdffy  bei  denen  zu  bemerken  ist»  dass  -or,  -adsp  eine  griech.  Endung 
ist  (wie  i/iTjQodeff  von  &iiriqas  Emir,  ngr.  nacadeff  Paschen  u.8.  w.)  und  dass  der 
Stamm  ßoXX-,  ßoki-  dem  altslav.  BUa'k  (vgl.  Miklosioh,  Die  türk.  Elemente 
1,  30,  Nachtrag  1, 16)  entspricht,  und  die  niederen  ßayaiyol,  die  ich  Aep.M. 
XIX,  239  mit  dem  Geschlecht  (pOA'K)  der  Ugain  (Olf  raHN'k)  im  Katalog 
der  heidnischen  Bulgarenfürsten  zusammengestellt  habe.  Männer  beider 
Classen  führen  auf  den  Inschriften  den  Ehrentitel  ßayatovQ,  ßoyinoQ,  nach 
Tomaschek  (Aep.  M.  XVII,  208)  von  einer  Wurzel  *bagh,  yielleicht  Kämpfer, 
wie  das  mong«  baghatur  Held,  das  in  vielen  Sprachen  recipirt  worden  iat: 
neupers.  behader,  niss.  bogatyr,  contrahirt  türk.  batyr,  magy.  bitor. 

Die  Inschrift  des  Omortag  in  Tmovo  spielt  in  meinen  persönlichen  Er- 


G.  Jireoek  fiber  die  Arbeiten  yon  V.  Zlatarski.  611 

innerungen  eine  Rolle.  Als  ich  sie  fast  vor  einem  Yierteljahrhundert  in  mei- 
ner Bu  Neujahr  1876  erschienenen  Geschichte  der  Bulgaren  heransog,  wurde 
Hilferding  und  mir  yon  Makusey  vorgeworfen,  ein  Falsificat  benutzt  zu  haben : 
»9T0  He  6aiie,  ne  iieHie,  txtch  pia  fraus  öairapcKiixx  naTpioTOBi«  (?KMTnTp. 
1878,  ^.CXCVI,  278).  Indessen  erschien  im  CIGr.die  ähnliche  Inschrift  Mala- 
mirs  und  beiEanitz,  Donau-Bulgarien  111^1879),  S.354  zwei  solche  Inschrif- 
ten aus  Provadija.  Bei  meinem  ersten  Besuch  in  Trnovo  1880  eilte  ich  sofort 
zu  den  40  Märtyrern  und  fand  zu  meiner  Freude  die  fragliche  Sttule  wirklich 
vor  (vgl.  meinen  von  Kiepert  der  Berliner  Akademie  vorgelegten  epigraph. 
Bericht,  Monatsberichte  der  kgl.  Akad.  1881,  S.  461).  Ich  habe  die  Inscrip- 
tion  1884  genau  coUationirt,  wobei  mich  der  Mangel  einer  Leiter,  die  auch  um 
einen  fetten  Bakschisch  nicht  aufzutreiben  war,  sehr  beeinträchtigte.  Der 
Gymnasialprofessor  Kitancev  (aus  Ochrid,  seitdem  gestorben)  hat  dann  mit 
einigen  anderen  Herren  einige  Stellen  für  mich  noch  neuerdings  nachgesehen. 
Doch  zu  einer  Publication  bin  ich  nicht  gelangt,  da  ich  vom  Vorhandensein 
anderer  Inschriften  derselben  Art  wusste  und  deren  Veröffentlichung  ab- 
wartete, wobei  mich  dann  allmählich  andere  Studien  von  Bulgarien  weit  ab- 
seits führten.  Es  freut  mich,  dass  Herr  Zlatarski  von  den  32  Zeilen  der  rothen 
Syenitsäule  einen  Abklatsch  gewonnen  und  den  Text  g^nau  publicirt  hat. 
Dabei  konnte  er  auch  eine  Abhandlung  von  Loparev  benutzen  (^Bt  saiitTSH 
no  xpeBHOH  ÖojrapcROX  HCTopiz,  in  den  dannciui  xm n.  pyc.  apzeoior.  o6meCTBa 
ni;  Jahrgang?),  deren  Combinationen  und  Commentare  auf  dem  Text  des 
Daskalov  beruhen. 

Richtig  ist  die  Lesung  der  Schlussworte  in  beiden  Inschriften,  des  Omor- 
tag  und  des  Malamir,  nach  dem  Vorgang  von  Loparev:  der  Bulgarenchan  soll 
hundert  Jahre  leben.  Sonst  ist  an  der  sprachlichen  Gestalt  der  Texte  bei 
Zlatarski  Manches  auszusetzen.  Bei  Denkmälern  solcher  Art  kommt  man  mit 
dem  Griechisch  eines  Thukydides,  Plutarch,  Prokopios  oder  der  Kirchenväter 
nicht  aus.  Da  muss  man  mit  dem  Entwicklungsgang  der  griechischen  Sprache 
seit  dem  Alterthum  bis  in  unsere  Zeiten,  mit  dem  Mittel-  und  Neugriechischen 
auch  in  den  »barbarischesten«  Texten  desselben  näher  vertraut  sein.  Daher  ist 
auch  die  von  Loparev  übernommene  Ansicht  Z.'s  (Abh.  Aber  Omortag's  Nach- 
folger S.  9),  diese  Inschriften  seien  von  Bulgaren  verfasst  worden,  die  mit  der 
griechischen  Literatursprache  wenig  vertraut  waren  und  sich  in  derselben 
nur  schlecht  ausdrücken  konnten,  als  verfehlt  zu  bezeichnen.  Das  Griechisch 
dieser  Säulen  ist  ja  in  Phonetik  und  Formenlehre  ganz  regelrecht.  Die  Ver- 
fasser der  Inschriften  (einige  beginnen  mit  dem  Kreuzeszeichen)  waren  grie- 
chische Christen,  entweder  Kriegsgefangene  oder  Ueberläufer,  wie  solche  ja 
in  Krum's  Zeit  ausdrücklich  (Theophanes  p.485  und  Anon.  de  Leone  Arm. 
imp.)  erwähnt  werden.  Abweichungen  von  der  hergebrachten  altgriechischen 
Orthographie  und  Grammatik  beginnen  ja  schon  auf  antiken  Inschriften  und 
in  den  ägyptischen  Papyri ;  darüber  kann  man  in  dem  trefflichen  Buch  von 
Karl  Dieterich,  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  griech.  Sprache  von  der 
hellenischen  Zeit  bis  zum  10.  Jahrb.  n.  Chr.  (Byz.  Arch.  I,  1898),  genaue  Be- 
lehrung finden.  Itacismen,  Verwechslungen  der  langen  und  kurzen  Laute, 
neue  Deolinationsformen  u.  s.  w.  sind  auf  byzantinischen  Inschriften  und  in 

39» 


612  Kri  tiBcher  Anzeiger. 

byz.  Codices  etwas  ganz  Gewöhnliches ;  siehe  z.  B.  aas  dem  IX.  Jahrh.  die 
Kircheninsohriften  von  Skripü  in  Boiotien  bei  Strzygowski,  B.  Z.  HE,  S.  7 — 8. 
Herrn  Zlatarski  ist  z.  B.  der  Acc.  toy  a^x^rtay  neben  dem  regelrechten  Nom. 
aqx^^  und  Gen.  ^qx^^^s  fremd.  Altgr.  aqx^y,  yiQ0}y,  yeir»y  lanten  ngr.  im 
Nom.  o  aqxoyras,  o  yi^oyta^,  b  yehoyas;  der  neugr.  Acc.  ist  toy  aqxoyja. 
Das  -y  des  Aoo.  roy  aqxoyray  ist  eben  spätgriechisch  und  mittelalterlich; 
Ygl.  bei  Dieterich  159  die  Formen  dqaxoyray  (Papyri),  itydqiuyray  (Inschr.)  a.a. 
Der  Nom.  Plur.  von  hqyvid  in  der  Inschrift  des  Omortag  lantet  hqyUs  \  neu- 
griechisch endigt  der  Nom.  Plnr.  der  Feminina  auf  -bs'  maqSUSf  iqnidec  (agr. 
iXnidss),  f*iqBff  (agr.  rjfUgai),  vgl.  Thumb,  Handbach  der  neagr.  Volkssprache 
33  f.,  und  schon  im  Mittelalter  sind  Formen,  wie  oi  fiaqyaqitBe,  niq<tBs,  S*v- 
^Bg  nicht  selten  (Dieterioh  157).  In  der  Inschrift  des  Malamir  verbessert  Zla- 
tarski %ovs  BovXyaqfis  der  Inschrift  in  xovs  BovXyaqov£\  %ovs  BovXyaqBis  ist 
aber  nichts  Anormales,  wenn  wir  die  Formen  jißdqBts,  XaCd^Bis  des  Theo- 
phanes  und  die  lateinischen  Balgares,  Vulgares  (Ennodius,  Cassiodoros)  neben 
Bulgari  vor  Augen  behalten. 

Omortag's  Inschrift  bietet  einige  topographische  Daten:  ein  naXaibg 
olxos  oder  aiX^  fiov  ri  a^jj^aea,  in  welcher  der  xayag  wohnt,  20.000  Ellen  {bq- 
yvai)y  also  42.680  Meter,  davon  entfernt  ein  glänzendes  Grabmal,  eine  tovfAßOy 
und  wieder  20.000  Ellen  weiter  ein  neuer,  von  Omortag  erbauter  hniq^ti/iog 
ohtog  Bis  rby  Jdyovßtiy,  Zlatarski  sucht  die  alte  Besidenz  in  Preslav  bei  Sa- 
men, die  neue  in  Preslavec,  »Perejaslavec  an  der  Donau«  des  Nestor,  Beris^ 
kläfisa  des  Idrisi  vier  Tage  abwärts  von  Drster  (Silistria)  und  vier  Tage 
aufwärts  von  Bisina  (Maoin)  in  der  Nähe  der  DonausUmpfe ,  nach  Toma- 
Bchek  zwischen  Rasova  und  Hrsovo,  ungefähr  bei  Bogazdiik  gelegen.  Ich 
halte  diese  Identificationen  der  avlai  oder  olxoi  dieser  Inschrift  für  ansicher. 
Preslav  wird  vor  Symeon's  Zeit  nicht  genannt,  ja  in  der  mittelalterlichen 
Visio  des  Isaias  und  bei  Lucoari  erscheint  Symeon  als  der  Gründer  der  Stadt 
Bei  seiner  Lage  zwischen  den  waldigen  Ausläufern  des  Hämus  inmitten  einer 
Httgellandschaft  passte  Preslav  nicht  als  Centrum  eines  Beitervolkes;  es  lag 
uoh  vor  Symeon's  Eroberungen  zu  nahe  an  der  Südgrenze.  Die  Visio  (vgl. 
mein  Christi.  Element  87)  gibt  als  ältere  Residenz  Pliskov  an,  das  identisch 
zu  sein  scheint  mit  den  Ruinen  von  Abeba.  Der  von  mir  beschriebene  quadra- 
tische Riesenwall  von  Abeba  ist  nach  den  Untersuchungen  von  Bormann  (An- 
zeiger der  kais.  Academie  der  Wiss.  1898,  Nr.  VI,  S.27)  und  äkorpil  nicht 
römischen  Ursprungs.  Hier  befand  sich  ohne  Zweifel  das  Hauptlager  der 
heidnischen  Bulgaren,  der  »bring«  dieses  kriegerischen  Reiter  Volkes,  dessen 
Pferde  nach  der  Schilderung  des  Arabers  Masudi  stets  auf  den  Weideplätzen 
sich  tummelten  und  sofort  zu  Eiiegszügen  bereit  standen.  Die  merkwürdigen, 
von  i^korpil  im  Sbornik  VII,  44  f.  (leider  ohne  Plan)  genau  beschriebenen  me- 
galithischen Denkmäler  ausserhalb  des  Lagers  von  Aboba,  gewaltige  Steine, 
schachbrettartig  aufgestellt  und  zwar  in  den  Reihen  immer  in  angerader 
Anzahl  (5, 7, 9),  gehörten  wohl  zu  dem  uns  so  wenig  bekannten  GOtter-  oder 
Ahnencultus  der  altbulgarischen  (nicht  slavischen)  Heiden.  Die  Linie  von 
dieser  Residenz  zur  neuen  Wohnstätte  an  der  Donau,  40.000  Ellen  oder  85 
Kilometer,  kann  einen  stumpfen  oder  rechten  Winkel  gebildet  haben.   ELlein- 


C.  Jirecek  über  die  Arbeiten  von  V.  Zlatarski.  613 

Preslav  {MixQa  nQaiaS'Xaßa  der  Bjz.)  wird  nach  Nestor  und  Idrisi  wohl  sicher 
an  der  Donau  vor  der  Httndung  des  Flusses  zu  suchen  sein.  Zum  Schlnss 
des  Mittelalters  wurde  die  Stadt  von  dem  Donauufer  an  die  Seeseite  der 
Dobrudia  übertragen ;  die  italienischen  Karten  (1408  f.)  des  Schwarzen  Meeres 
notiren  abseits  Ton  den  Donaumttndungen,  südlich  vom  jetzigen  Babadag, 
ein  Proalauizay  nach  Tomaschek  (Idrisi  26)  identisch  mit  dem  Dorf  Stara-Slava 
bei  Babadag.  Leider  hat  man  bei  archäologischen  Untersuchungen  in  der 
Dobrudia  bisher  stets  nur  das  Alterthum,  mit  VernachlSssigung  des  »barba- 
rischen« Mittelalters,  vor  Augen  gehabt. 

Es  gab  übrigens  in  der  heidnischen  Bnlgarenzeit  noch  andere  bedeu- 
tende Plätze  an  der  unteren  Donau.  Kaiser  Konstantinos  Kopronymos  zog 
elf  BovXyaQiay  Iv;  rov  TCl*€ts  (Theophanes  p.436),  »ad  Tzicas^  in  der  Ueber- 
setzung  des  Theophanes  von  Anastasius  Bibliothecarius,  und  verbrannte  die 
ahXai  der  Bulgaren.  Wenn  der  Patriarch  Nikephoros,  ed.  De  Boor  p.  71,  den- 
selben Feldzug  schildert,  reichte  derselbe  bis  in  die  Donauauen:  Iv  ratg  vXats 
Tov  notafAov  tov  ^lar^ov.  Der  sonst  unbekannte  Ort  erinnert  an  Tiyag  bei 
Prokopios  (ed.  Bonn.  292)  an  der  Donau  zwischen  latrus  und  Transmarisca 
(j.  Tutrakan).  Zur  Donau  gehOrt  auch  das  in  den  Kriegen  Symeon's  gegen 
die  Ungarn  er^^nt^  Mundraga(Movyi^&ya  Konst.  Porph.  III,  172;  Moviayqa 
Cont  Georgii  ed  Bonn.  855).  Es  ist  ganz  überflüssig^  diese  Burg  mit  Dristra 
zu  identificiren,  wie  es  nach  Vorgang  anderer  zuletzt  auch  Loparev  meinte 
(Viz.  Vrem.  n,  308 — 310).  Der  Anlaut  erinnert  an  eine  Reihe  ähnlicher  nichts 
slavischer  Namen  des  Pontusgebietes :  Mangalia  (das  antike  Kallatis)  in  der 
Dobrudlia,  Moncastro  (Akkerman),  Mankerman  (der  tatarische  Name  fttr  Kiev, 
Bruun,  ^epHOMopie  11,  295  f.),  Mangup  in  der  Krim  u.s.w.  Der  zweite  Theil 
-draga  erinnert  an  Diraca  der  türkischen  Chroniken  bei  Leunolavius,  Dura- 
cani  auf  der  Karte  des  Fra  Mauro,  Traohani  des  Negri,  das  jetzige  Tutrakan 
zwischen  Rnsouk  und  Silistria. 

Noch  eine  Bemerkung  zum  Namen  Preslav .  Er  lautete  slavisch  flplEM- 
CAask,  gebildet  aus  einem  von  np'KMiTH  abgeleiteten  Personennamen: 
üpAC/lABlk  Urk.  Asdn's  11.  an  die  Ragusaner  und  in  der  Uebersetzung  des 
Manasses,  UHTponoAHTd  üplSiKCAaBCKaro  im  Apostel  1277,  ^  n^Ba- 
^Xdßov  Konst.  Porphyrogennetes,  H^ata&Xaßa  Leo  Diaconus,  Attaleiates, 
n^iüd-Xdßa  Anna  Komnena,  Niketas  Akominatos,  Prosthlava  päpstl.  Urk. 
1203,  Migali  Beriskläfa  bei  Idrisi,  noch  bei  Karsten  Niebuhr(  1767)  Eski  Stam- 
bül,  »in  der  bulgarischen  Sprache  Praslav«  (sie).  Jetzt  hört  man  nurPresl&v, 
Einw.  PresUvec,  Adj.  preslavski  (Cesty  642).  Vgl.  Perejaslavl'  in  Russland, 
Pfejaslavice,  Pi^slavice  in  Böhmen  und  Mähren,  die  polnischen  Ortsnamen 
Przeslaw,  Prz4}slawice  bei  Miklosich,  Die  Bildung  der  Ortsnamen  aus  Personen- 
namen im  Slavischen  S.  58,  Nr.  278. 

Im  Commentar  des  Herrn  Zlatarski  sind  von  Wichtigkeit  die  Bemer- 
kungen über  den  im  IX. — ^XI.  Jahrh.  oft  genannten  Kavxaroc,  den  der  Verf. 
als  einen  Titel  deutet,  der  ein  hohes  Amt,  einen  Rathgeber  des  Fürsten  be- 
zeichnete. Zu  vergleichen  ist  Capeanus  bei  den  Avaren:  Capeanus,  princeps 
Hunorum,  805  angesiedelt  zwischen  Sabaria  und  Camuntnm  (Ann.  Einh.). 
Eine  andere  Wtürde,  die  bei  den  Avaren,  Ghazaren,  Bulgaren,  Magyaren, 


61 4  Kritischer  Anzeiger. 

innerasiatischen  Türken  (vgl.  Henandros),  Mongolen  u.  8.  w.  vorkommt,  die 
des  Tarchan,  bespricht  Zlatarski  in  einer  Rec.  einer  Abh.  von  G.  Balasoev  im 
»Sbomik«  XV  (1698),  Erit  Theil  S.  20—40;  als  Titel  seien  zu  betrachten  auch 
Bulias-Tarkan  (KonstPorph.  I,  p.681),  Kalu-Tarkan  [KaXovtsQxdyo^,  Theoph. 
Cont.  p.  413),  Bori-Tarkan  der  Vita  S.  Glementis,  Olgn-Tarkan  der  neuent- 
deckten  Grenzinschrift  Symeon's  von  903—4.  Die  Titel  eines  Kavaqxixsiyos 
(in  der  ed.  Bonn,  des  Konst  Porph.  I,  681  als  zwei  Worte  gedruckt)  nnd  BovXU^ 
rai^xavog  führten  zwei  Söhne  des  Balgarenchans;  dass  der  erstere  Name  mit 
den  aus  alttUrkischen  Personennamen  wohlbekannten  -iekin  (tekxn  brave, 
courageux)  zusammenhängt,  darauf  hat  schon  Tomaschek  in  der  Oest  Gym- 
nasialschr.  1877,  686  aufmerksam  gemacht.  Ein  Verzeichniss  alttOrkischer 
und  mongolischer  Personennamen  des  Mittelalters,  wozu  die  rassischen  An- 
nalen  allein  eine  Menge  Namen  von  Peoendgen,  Polovci  (Kumanen)  und  Mon- 
golen bieten  können,  wäre  für  den  Historiker  Osteuropas  eine  sehr  will- 
kommene Stütze:  die  Namensgebung  der  jetzigen  türkischen  Völker  ist  meist 
ganz  verwischt  durch  den  Einfluss  des  Islam. 

Eine  andere  Studie  betrifft  die  Männer  der  ersten  christlichen  Zeit  Bul- 
gariens. SafaKk  (Sehr,  spisy  III,  183)  hat  den  »HkCTkHnUH  MfAOB-kK*k 
^oyKCk  HcpHOpHSfli^kc,  der  Joannes  den  Exarchen  zu  dessen  Ueber- 
setzungarbeiten  aus  dem  Griechischen  aneiferte,  und  den  »To^^opik 
HcptfOpHBCU^k  ^OKCOB'ka,  der  907  eine  Uebersetzung  des  Bischofs  Kon- 
stantin copirte,  als  öine  Person  aufgefasst  Sreznevskij  hielt  ^OlfKCk  für 
den  lat  dux  (die  mittelgriech.  Form  ist  dovxaff,  ebenso  wie  (ijyac  für  rex  u.  s.  w.) 
und  erklärte  diesen  neugetauften  Bücherfreund  als  den  Fürsten  Boris  selbst 
im  Mönchsstande.  Zlatarski  zeigt,  dass  es  zwei  Personen  waren.  Der  Mönch 
Duks  war  des  Boris  Bruder,  genannt  in  den  Marginalnoten  des  Evangeliums 
von  Aquileja,  jetzt  in  Cividale  befindlich  (ich  habe  den  Codex  1892  in  Civi- 
dale  eingesehen ;  ein  photographisches  Facsimile  dieser  Noten  wäre  sehr  zu 
wünschen):  »hie  sunt  nomina  de  Bolgaria:  in  primis  rex  illomm  Michahel,  et 
frater  eins  Doz  et  alius  frater  eins  Gabriel«  etc.  Duks  hat  sich  wahrscheinlich 
nach  dem  Beispiel  seines  regierenden  Bruders  ins  Kloster  zurückgezogen.  Der 
Mönch  Todor  Duksov  sei  ein  Sohn  dieses  Duks  gewesen,  folglich,  ein  Neffe 
des  Fürsten  Boris  und  ein  Vetter  des  Symeon.  Das  Klosterleben  scheint  den 
neubekehrten  bulgarischen  Fürsten  gefallen  zu  haben,  denn  nach  Liudprand 
(Antapodosis  1.  III,  cap.  29)  hat  auch  Symeon  vor  der  Thronbesteigung  im 
Kloster  gelebt:  »ex  placida  monasterii  quiete  in  seculi  procellam  transivit«. 

Zlatarski  bespricht  femer  die  Lage  des  von  Symeon  am  »ustie«  des 
Flusses  Tioa  gegründeten  Klosters,  in  welchem  dieses  Mitglied  der  Herrscher^ 
familie  907  lebte  und  Codices  copirte:  »Na  oycTYN  TuMA HA<3Kf 

CBATda  BAATAA  iJ^pkKBkl  HOBdA  CkTBOpfHA  ICTk  TtlU^KAC  KNA- 

3lMkc.  Auffällig  ist  mir  dabei  die  Behauptung  (S.  11),  der  Name  Tioa  (»il 
fiume  Ticia«  bei  »Prislava  maggiore«  bei  Luccari  1605)  werde  für  denBüjük- 
oder  Akylly-Kamoik  bei  Preslav  von  der  dortigen  Bevölkerung  erst  seit  der 
Befreiung  Bulgariens  (1877—^)  wieder  angewendet.  Ich  habe  (1879—1884) 
einen  so  recenten  Ursprung  des  Namens  in  der  Gegend  selbst  nicht  bemerkt. 
Die  Combination,  der  Fluss  habe  im  Mittelalter  Bioina  geheissen  nnd  diesen 


G.  Jireoek  über  die  Arbeiteo  von  Y.  Zlatarski.  615 

Namen  (bio  »  kamoik  Peitsche)  hätten  die  Türken  in  Eamoik  übersetzt,  finde 
ich  geistreich,  aber  nicht  stichhaltig.  Bniiva  bei  Anna  Komnena  (VII,  cap.  3) 
am  Balkan  kann  eine  blosse  Verweehslong  mit  der  Stadt  Bn^iya  (auch  bei 
Anna  VI,  cap.  14  neben  Dristra  genannt),  Bisina  des  Idrisi,  Vecina  des  Pego- 
lotti  and  der  italienischen  Seekarten  an  der  nnteren  Donau  sein,  die  nach 
Tomaschek  (zu  Idrisi)  im  jetzigen  Maoin  gegenüber  Braila  zu  suchen  ist  Auch 
kann  der  Flnss  BnCiya  der  Anna  Komnena  zu  BvtCa  des  Manuel  Philes, 
Laui^a,  Yi^  der  Seekarten  gehören,  einer  Burg  am  Ostende  des  HSmus  nOrd- 
Hob  vom  Cap  Emona  (ygl.  meine  Bemerkungen  zu  Philes,  Christi.  Eiern.  80). 
Tic»  kommt  übrigens  auch  bei  Philes  vor  als  (Burg)  jiHx^a.  Das  Kloster 
Symeon's  glaubt  Zlatarski  in  den  Trümmern  eines  prächtigen  christlichen 
Baues  zwischen  den  Dörfern  Catali  und  Trojica,  neben  dem  Weg  von  Preslav 
nach  l^men,  gefunden  zu  haben;  dort  stiess  man  auf  Steine  mit  Elreuzen, 
Ziegel  mit  Beliefomamenten,  Steinchen  von  Mosaikboden,  Fragmente  von 
Capitälen  u.  s.  w.  In  den  benachbarten  Schluchten  des  isolirten  Plateaus  von 
§umen,  deren  Namen  an  und  für  sich  charakteristisch  sind,  im  »Monastirski 
dol«,  »Kalnger  boaz«  (boaz,  richtig  boghaz  türk.  Kehle,  Enge)  u.  A.  fand  Zla- 
tarski zahlreiche  Höhlen,  noch  immer  als  »monastiri«  bezeichnet,  mit  Besten 
von  Fresken  und  Gräbern.  Sveta  Trojica  wird  1767  bei  Karsten  Niebuhr  er- 
wähnt; hier  war  wohl  auch  das  Kloster,  in  welchem  nach  dem  Bericht  des 
Peter  Bogdan  1640  der  Bischof  von  Preslav  residirte.  Nach  einer  Beschreibung 
der  orientalischen  Bisthümer  um  1725,  die  Omont  in  der  B6vue  de  TOrient 
latin  i  (1893),  315  herausgegeben  hat,  residirte  o  UqetiXaßag  in  KaCaynovydqiy 
das  in  den  Yerzeichnissen  der  jetzt  bewohnten  Dörfer  dieser  Landschaft  fehlt. 
Zlatarski  ist  der  Ansicht,  das  Kloster  Sveta  Trojica  sei  mit  den  von  ihm  be- 
schriebenen Ruinen  identisch  und  dies  sei  die  »heilige  goldene  neue  Kirche« 
Symeon's  gewesen;  hier  bestand,  meint  er,  vielleicht  die  erste  bulgarische 
Schule,  hier  arbeiteten  die  slavischen  Uebersetzer  der  Zeit  Symeon's  und  hier 
mag  auoh  der  erste  christliche  Herrscher  Bulgariens  Michael  Boris  seine  Tage 
als  Mönch  beschlossen  haben. 

Ich  erlaube  mir  dazu  zu  bemerken,  dass  0YCTHI6  in  Bulgarien  nicht 
nur  eine  Mündung,  sondern  auch  einen  Engpass  bezeichnete.  Mit  Ustie 
wird  to  Sreyoy,  der  Bosporus  (Goy^^lky  Sund  des  Nestor)  übersetzt;  ebenso 
hiess  Ustie  im  XIY.  Jahrh.  die  Enge  des  römischen  latrus  und  slavischen  Jetr 
(j.  Jantra)  oberhalb  Tmovo,  heute  noch  im  Dialekt  ekA»t&-to  genannt  (Cesty 
po  Bulharsku  162,  bulg.  Uebersetzung  von  Argirov  S.  224).  Uebrigens  nennt 
Philes  zu  Anfang  des  XIY.  Jahrh.  eine  Burg  Ovmoy  bei  Preslav  (Christi. 
Element  S.83),  vielleicht  in  der  malerischen  Enge  der  Tica  oberhalb  Plreslav. 

Umfangreiche,  griechisch  geschriebene  Correspondenzen  haben  sich  aus 
der  Zeit  Symeon's  erhalten.  Die  zahlreichen  (26)  Briefe  des  Konstantinopler 
Patriarchen  Nikolaus  Mystikos  an  Symeon  hat  Zlatarski  im  »Sbomik«  X,  XI, 
XII  übersetzt  und  commentirt.  Im  »Sbomik«  XIII  erschien  als  Fortsetzung 
dazu  die  Uebersetzung  und  Besprechung  der  drei  Briefe,  die,  von  dem  Kanz- 
ler Theodoros  Daphnopates  verfasst  und  vom  Kaiser  Romanos  L  Lakapenos 
925—926  an  Symeon  gesendet  wurden,  nach  der  Ausgabe  von  Sakkelion  im 
Jelxioy  II  (1885;  der  hist-ethnologischen  Gesellschaft  von  Athen.    Diese 


616  EritiBCfaer  Anzeiger. 

SchriftBÜcke  sind  von  grossem  Interesse.  Man  sieht,  mit  welcher  unbeng- 
saoien  Energie  Symeon  seine  grossen  Pläne  verfolgte  nnd  mit  welcher  Zähig- 
keit die  Byzantiner  es  abwiesen,  Symeon's  nene  Titel  anzuerkennen  und  auch 
nur  einen  Schritt  vom  Boden  des  Reiches  abzutreten.  Man  bemerkt  auch  hier 
öfters  den  bitteren  Hohn  in  den  Aeusserungen  Symeon's,  der  aus  der  Corre- 
spondenz  des  Patriarchen  bekannt  ist.  Er  schrieb  dem  Kaiser,  die  Bulgaren 
seien  gewohnt  das  Fremde  zu  begehren  und  nicht  es  herauszugeben;  die 
Griechen  seien  das  Abtreten  von  Ländern  schon  gewohnt,  indem  auch  Doro^ 
stolon  (Silistria)  und  andere  Städte  einmal  Besitz  der  einstigen  griechischen 
Kaiser  waren.  Viel  ist  die  Bede  von  Symeon's  Titel  eines  Kaisers  der  Bul- 
garen und  Griechen;  Symeon's  Griechen,  sagt  Roman,  seien  nur  seine  Ge- 
fangenen, und  wenn  er  nach  fremden  Titeln  begierig  sei,  warum  schreibe  er 
sich  nicht  auch  Emir-al-mumenin  der  Saracenen?  Im  Commentar  (Ann.  S.  17 
— 19)  verlegt  Zlatarski  die  Entrevue  zwischen  Symeon  und  Roman  ror  den 
Mauern  von  Konstantinopel  in  den  September  923.  Den  Titel  eines  ELaisers 
der  Bulgaren  hat  Symeon  nach  seiner  Ansicht  bald  nach  der  Schiacht  bei 
Anchialos  917  angenommen,  den  eines  Kaisers  der  Griechen  zu  Ende  des  J.  924. 
Im  Commentar  stützt  sich  Zlatarski  gar  zu  viel  auf  die  Hypothesen  von 
Raoki  nnd  Drlnov  über  die  damaligen  kroatisch-dalmatinischen  Verhältnisse, 
gegen  welche  sich  manche  Einwendungen  erheben  lassen  Drinov  meinte, 
während  der  Kriege  der  Byzantiner  mit  Symeon  seien  durch  eine  Ueberein- 
knnft  mit  dem  Papst  die  Adriatischen  Küstengebiete  politisch  den  Byzanti- 
nern, kirchlich  dem  römischen  Stuhl  untergeordnet  worden;  dafür  erhielt 
Tomislav  von  Kroatien  die  KOnigskrone,  Michael  von  Ghlm  die  Würde  eines 
Proconsul  und  Patrikios.  Damals,  924  und  926—7,  wurden  zwei  Synoden  zu 
Spalato  abgehalten,  deren  Acten  Raoki  als  umgearbeitet  betrachtete.  Darin 
wird  der  päpstliche  Legat  Bischof  Madalbertus  genannt  (hnicnonog  MaiiX* 
ßsqzos  war  auch  933  in  Konstantinopel,  JbMov  11,395),  der  »peraoto  nego- 
tio  pacis  inter  Bulgaros  et  Chroatos«  nach  Spalato  kam.  Dagegen  ist  zu  be- 
merken, dass  die  kirchliche  Abhängigkeit  der  dalmatinischen  Städte  von  By- 
zanz  unter  Papst  Johannes  VIIl.  (879)  bald  zu  Ende  war;  schon  unter 
Stephan  VI.  (885—891)  hatte  das  Patriarchat  von  Aquileja  in  der  Kirche  von 
Spalato  Einfluss  gewonnen  (Raoki,  Docum.  10, 187)  und  die  Erzbischöfe  von 
Spalato  und  Nona  standen  in  Verbindung  mit  Rom  (Starine  XII,  219).  Die 
Fürsten  von  Kroatien  werden  bei  Konstantinos  Porphyrogennetes  (ed.  Bonn. 
I,  691,  III,  149  f.)  nur  als  aqxoyxBg,  nicht  als  Könige  bezeichnet;  derKOniga- 
titel  war  also  in  Konstantinopel  nicht  anerkannt.  In  die  Combination  pasat 
auch  der  Ueberfall  von  Sipontum  in  Uuteritalien  durch  »Michael,  rex  Slavo- 
mm«  nicht  hinein,  den  die  unteritalischen  Annalen  zum  Juli  926  verzeichnen. 
Wann  Michael  von  Zachulmien  den  byz.  Titel  eines  avd'vnaxos  %a\  tuxtqIxioc 
erhalten  hat,  mit  welchem  ihn  Kaiser  Konstantin  nennt,  ist  unbekannt  Es 
kann  auch  nach  Symeon's  Tod  gewesen  sein,  tdenn  Michael  lebte  wahrschein- 
lich noch  um  948 — 952,  als  Kaiser  Konstantin  das  Buch  »de  administrando 
imperio«  schrieb;  wenigstens  wird  er  darin  nicht  ausdrücklich  als  gestorben 
erwähnt  und  ebenso  werden  keine  Nachfolger  dieses  Archonten  der  Zaohlumier 
genannt. 


Glagolitisches  Urkundenbuch,  angez.  von  C.  Jirecek.  617 

Es  ist  ZQ  erwarten,  dass  Herr  Zlatarski  auch  den  ältesten  Theil  dieser 
Correspondenz  seinen  Landsleuten  übersetzen  nnd  historisch  erl&ütem  wird, 
die  Briefe  des  Magistros  Leo  Choirosphaktes  oder  Ohoirospbageus,  des 
»SchweinetOdters«,  herausgegeben  1884  von  I.  Sakkelion  im  ^eXtloy  der  bist. 
Gtosellsohaft  I,  S.  380  f.  (vgl.  Ernmbaoher's  Byz.  Literaturgeschichte <  S.  722). 
Dieselben  betreffen  den  ersten  Krieg  Symeon's  gegen  die  Byzantiner  unter 
Kaiser  Leo  dem  Weisen,  ungefähr  893^896,  denselben,  wo  auch  die  Ungarn 
als  Bundesgenossen  der  Byzantiner  den  BulgarenfUrsten  bekriegten  und  wo 
sie  nach  einer  Niederlage  gegen  die  verbündeten  Bulgaren  und  Pecendgen  aus 
Bessarabien  in  das  alte  Avarenland  in  Süd-Ungarn  übersiedelten.  Es  befin- 
den sich  darunter  auch  drei  kurze  Briefe  Symeon's  selbst,  die  einzigen,  die 
sich  erhalten  haben,  an  den  byzantinischen  Gesandten  Leo,  mit  offenbarem 
Spott  über  Kaiser  Leo  den  Weisen,  der  eben  eine  Sonnenfinstemiss  voraus- 
gesagt hatte,  aber  sonst  die  Zukunft  nicht  kenne:  o  aos  ßaifiXsvg  xal  /umoi- 
QoXoyoc  (Brief  Nr.  3).  Auch  die  »Besponsa  Nicolai  papae  ad  consulta  Bnlga- 
roruma  von  866  verdienen  mit  ihrem  äusserst  werthvollen  und  reichhaltigen 
culturgeschichtlichen  und  ethnographischen  Detail  eine  gründliche  neue  Be- 
arbeitung. Die  grOsste  Aufmerksamkeit  ist  aber  den  merkwürdigen  griechi- 
schen Inschriften  der  heidnischen  Balgarenzeit  zuzuwenden.  Vielleicht  wird 
sich  auch  aus  der  verwitterten  grossen  Felseninschrift  von  Madara  (vgl.  Skor- 
pil,  Aep.  M.  XIX,  248),  in  der  man  jetzt  die  Namen  des  Krum  und  Omortag 
zu  erkennen  glaubt,  durch  gute  Photographien  und  Abklatsche  etwas  ge- 
winnen lassen. 

Wien,  1.  Juli  1899.  C.  Jireeek. 


Monumenta  historico-jaridica  Slavomm  meridionaliam.  Volomen  VI. 
Acta  croatioa  (1100 — 1499).  —  Hrvatski  spomeDioi.  Sveska  I. 
Zbirku  I.  Enka|evica  i  B.  LopaSica  popunio  i  za  tisak  priredio 
Dr.  Büro  Surmin.    U  Zagrebu  (jngoslav.  akademija)  1898,  8^,  X 

und  500  S.  (Preis  3  fl.  50  kr.). 

Vor  einem  Vierteljahrhundert  veröffentlichte  der  unermüdliche  Sammler 
südslavischerGesohichtsquellen  Ivan  Kukuljeviö  Sakcinski  mit  Unterstützung 
eines  trefflichen  Kenners  der  kroatischen  Geschichte,  des  Professors  Matija 
Mesiö,  als  ersten  Band  seiner  »Monumenta  historica  Slavorum  meridionalium« 
die  »Acta  croatica.  Lisdne  hrvatske«  (Agram,  Druckerei  des  Dr.  Giy  1863). 
Die  Sammlung  enthielt  337  Stücke  aus  den  J.  1100—1599.  Da  dieDocumente 
meist  mit  dem  glagolitischen  Alphabet  geschrieben  und  in  der  Schrift  der 
Originale  reproducirt  waren,  fand  dieses  sonst  mustergiltige  und  inhaltlich 
^erthvolle  Urkundenbuch  nicht  die  Anerkennung  und  das  VerstllndnisB,  das 
es  verdiente. 

Die  südslavische  Akademie  in  Agram  hat  beschlossen  diese  Urkunden- 
Sammlung  neu  herauszugeben  und  zwar  alle  glagolitischen  Stücke  in  cyrilli- 
scher Transscription,  vermehrt  mit  unedirten  Stücken  aus  dem  Nachlass  von 


618  Kritischer  Anseiger. 

Kukuljeviö  and  Lopasiö,  auB  dem  Archiv  der  Akademie,  dem  kroatischen 
Landesarchiy  n.  s.  w.  Die  Ausgabe  besorgte  Dr.  Gjnro  Murmln.  Der  erste 
Band  bringt  281  Stücke  bis  1499.  Naoh  der  Vorrede  S.  VI  wird  die  Samm- 
lung noch  weitere  drei  BSnde  füllen.  Die  cyrillische  Schrift  der  Aasgabe  ist 
die  moderne  »graüdanka«.  Die  Gmnds&tze  der  Umschreibung  glagolitisoher 
Texte  sind  in  der  Vorrede  dargelegt.  Auffällig  mag  manchem  Neuling  das 
l|j  für  (f  sein;  doch  wird  6  auch  in  CTrillischen  Urkunden  durch  K  und  l|l  aus- 
gedrückt, wie  man  ja  selbst  in  altserbischen  Documenten  KCyKtti  und  KO^yiA 
neben  einander  liest,  ebenso  Dorfnamen  auf -HKH  and  -Hl|lH,  in  einem  Do- 
cument  von  1327  (Miklosich,  Mon.  86)  knapp  nacheinander  noilOl|Jk  und 

nouotkH. 

Die  Edition  hat  etwas  Mechanisches  und  in  der  Auswahl  der  ZusStae 
Planloses  an  sich.  Die  älteste  Urkunde  der  Sammlung  von  Kukuljevid,  an- 
geblich von  1100,  dort  erst  im  Nachtrag  (S.  315—316)  mitgetheilt,  ist  im  vor- 
liegenden Band  abermals  in  den  Nachtrag  (S.  428 — 429)  gerathen,  was  übri- 
gens dem  Herausgeber  selbst  unangenehm  war  (Vorrede  S.  VIII:  najvise  ialim, 
sto  je  spomenik  od  god.  1100  dospio  medu  »dodatke«).  S.83 — 84  ist  eine 
bosnische  (cyrillische)  Urkunde  von  1366  inmitten  der  mit  modernen  Typen 
veröffentlichten  Stücke  auffälliger  Weise  mit  kirchenslavischer  Schrift  ge- 
druckt, wahrscheinlich  nur  desswegen,  weil  sie  Badki  in  den  Starine  Bd.  21 
in  dieser  Schrift  edirt  hat  Dasselbe  gilt  von  einer  zweiten,  von  Kukuljevid 
mit  kirchenslavischen  Lettern  gedruckten  l>osnischen  Urkunde  von  1446  auf 
S.  165—167.  Auf  S.  115—116  ist  eine  Urkunde  von  Almissa  von  1415  in  einer 
Copia  von  1639  in  lateinischer  Schrift  mitgetheilt.  Dagegen  hat  der  Heraua- 
geber  andere  Copien  in  lateinischer  Schrift,  besonders  des  Viteaovitf  aus  dem 
Ende  des  XVII.  Jahrb.,  cyrillisch  transscribirt  (S.85— 86,  91—93, 123—125). 
Nach  meiner  Ansicht  ist  dieses  Verfahren  nicht  immer  zu  billigen,  da  dabei 
manches  in  einer  Gestalt  vorkommt,  die  dem  verlorenen  Original  fremd  war; 
so  z.  B.  in  der  Urkunde  des  Ban  Tvrtko  S.  86  stand  kaum  fi^AKilti  nnd 
BAAKai|J,  eher  EAkKHli,  BAkKai^k.  Ebenso  ist  in  der  Urkunde  des- 
selben Tvrtko  als  König  S.  91  transscribirt  fi8AK1^4  neben  S.92  piMfHOra 
BOCBOA<  BAkKHa.  Das  Original  dieses  letztgenannten  Stückes  ist  übri- 
gens erhalten  und  hat  nur  die  Form  BakKl^a.  Man  kann  es  in  einem  photo- 
graphischen Facsimile,  herausgegeben  von  Dr.  L.  von  Thall6czy,  im  »Glas- 
nik«  des  bosnischen  Landesmuseums  1897  einsehen,  was  Herrn  l^urmin  entn 
gangen  ist. 

Die  Literaturangaben  des  Herausgebers  sind  überhaupt  ungenügend. 
So  z.  B.  ist  die  Urkunde  eines  Frankapan  an  die  Wlachen  bei  Elissa  1436, 
hier  S.432 — 435  aus  den  Papieren  des  Lopasiö  edirt,  bereits  gedruckt  von 
Lopasiö,  Mon.  bist.  jur.  V,  8—11  und  nach  einer  alten  Gopie  von  Jagi^  im 
Archiv  XIV,  156—157.  Ebenso  ist  die  Notiz  aus  dem  Utesten  Godex  des 
Poljicer  Statuts  (1450,  S.  190)  auch  von  Jagiö  in  denselben  Monumenta  liiat. 
jur.  IV,  S.  XXII  (mit  dem  Jahr  1408)  mitgetheilt.  Die  Grabinschrift  des 
Dabiiiiv,  f  HO)fHttpk  [oivoxoos)  des  Garen  Uroe,  vom  J.1362,  aus  dem  Kloster 
Treskavec  bei  Prilep  in  Makedonien,  hier  S.8i  nach  der  Gopie  von  Jastrebov 
im  »Slovinac«  1884,  S.  3  abgedruckt,  ist  schon  herausgegeben  von  Grigorovie. 


Glagolitisches  Urkundenbuch,  «ngez.  von  G.  Jireoek.  619 

O^epR'L  nyremecTBlH  no  Espon.  TypiiiH,  2.  A.,  117 — 118,  und  von  Ra^ki  im 
»Knjilieviiik«  1, 490  (nach  einer  Copie  von  Konstantin  Miladinov).  Wie  kommt 
aber  diese  makedonische  Inschrift  in  eine  Sammlang  kroatischer  Urkunden? 
Warum  hat  der  Heraasgeber  nicht  auch  andere  altslavische  Inscriptionen  aas 
Makedonien  von  der  Grabinschrift  des  hl.  Kliment  in  Ochrid  angefangen,  aas 
Balgarien,  Serbien  a.  s.  w.  in  die  Sammlang  aufgenommen  und  gerade  nur 
dieses  eine  Stück? 

Die  Unkenntniss  der  Literatur  führte  za  manchen  Missgriffen,  die  keines- 
wegs eine  Zierde  der  Sammlung  bilden.  S.  82—83  wird  aus  dem  »Yiestnik« 
der  kroatischen  archäolog.  Gesellschaft  1886  die  bekannte  cyrillische  Grab- 
inschrift der  gospogja  Radaoa,  Frau  des  Äupan  Nenac  Cihoriö,  aus  Velioani 
in  Popovo  in  einer  sehr  schlechten  Copie  mitgetheilt:  HCiHa  IlaHdHf  Hkl^d 
(in  einer  Note  erklSrt  als  Ba^anenca,  covjek  iz  Ba^ana,  also  aus  dem  Stamm 
derBanjani  in  Montenegro)  HH\^fiHKA  KHBHHI^a  (sie!)  u.s.w.  Das  Fac- 
simile  des  Dr.  Truhelka  im  Glasnik  1892,  215  ist  Hern  Murmln  unbekannt  ge- 
blieben, ebenso  meine  Abhandlung  mit  ausführlichem  Gommentar  zu  dieser 
Inschrift  (Vlastela  humska  na  natpisu  u  Velicanima,  Glasnik  1892,  279—285 
8B  Die  Edelleute  von  Hum  auf  der  Inschrift  in  Veli^ni,  Wissenschaftliche 
Mittheilungen  aus  Bosnien  III,  474  —  480).    Auf  dem  Stein  steht  doch: 

HCoynaHa  HfHkua  MH)fopHlia  kSslnhi^a  u.  s.  w. 

Auf  S.  430  —431  publicirte  Herr  Surmin  eine  Best&tigung  der  ragosani- 
sehen  Privilegien  durch  den  bosnischen  E0nig  Stephan  Dabisa,  nach  einer 
alten  Copie  in  lateinischer  Schrift  in  der  Sammlung  der  sttdslavischen  Aka- 
demie. Während  der  Text  mit  »ja  Stefan  Dabisa«  beginnt,  lautet  die  Unter- 
schrift »ja  Tvartko«  u.  s.  w.  Das  Datum  der  Copie  1382  hat  der  Herausgeber 
in  1392  verbessert.  Nun  ist  diese  sogenannte  Copie  ein  ganz  elendes  Mach- 
werk, von  einem  Ignoranten  zusammengestoppelt  aus  zwei  wohlbekannten 
Urkunden  der  Könige  Tvrtko  und  Dabisa«  wobei  die  um  zehn  Jahre  jüngere 
zweite  Urkunde  unglücklicher  Weise  vorangestellt  wurde  I  Das  Datum  1382 
ist  echt  und  gehört  zu  dem  älteren  der  beiden  Stücke,  äurmin  S.  430—431, 
Z.  7  CS  aas  der  Urkunde  des  Königs  Stephan  Dabisa,  gegeben  in  Lusci  in  den 
Dolnji  Kraji  am  17.  Jali  1392,  Miklosich,  Mon.  S.  221;  äurmin  S.  431,  Z.  8  bis 
zum  Schluss  =»  aus  der  Urkunde  des  Königs  Stephan  Tvrtko,  gegeben  »na 
Bisöi  u  Podgrady«  (sie),  in  Bisöe  unter  der  Burg  von  Blagaj  in  der  Umgebung 
von  Mostar,  am  2.  December  1382,  Miklosich,  Mon.  S.  201—202. 

Nun  einige  Bemerkungen  zu  einzelnen  Stücken.  Die  Inschrift  auf  dem 
Siegel  des  Klosters  von  Zava\}a  S.  10  ist  nicht  von  1271,  eher  von  7271  s  1763 
(•;ir3CCa«).  —  Die  Urkunde  des  Berislav  Skooiö  1323  S.  79—80  ist  in  der  vor- 
liegenden Copie  ganz  unverständlich.  —  Von  grossem  Interesse  ist  die  Ur- 
kunde des  Königs  Stephan  Dabisa  vom  25.  (nicht  15.)  April  1392  S.  95—98 
mit  Erwähnung  der  historisch  für  Ende  1391 1)  beglaubigten  türkischen  In- 


1)  Die  Ragusaner  schrieben  im  März  1392  dem  König  Sigismund:  »die 
namque  XXVIIII  decembris  preteriti  Turchorum  aliqua  quantitas  inoasit 
prope  confinia  Bosne«  (Conoept  im  L.  Bef.  1388 — 1390,  inliegend  bei  den  Be- 
schlüssen des  Consilium  minus  vom  Februar  1390;  vgl.  Cons.  Eog.  18. 


620  Kritischer  Anzeiger. 

vasion  nach  Bosnien.  Merkwürdig  ist  das  Lob  der  Getreuen,  die  vor  des 
KOnigs  Angen  ihre  glänsenden  Waffen  unter  den  Sehwertstreiohen  ihrer 
starken  Rechten  mit  türkischem  Blut  netzten  und  ihre  Muskeln  am  Heiden- 
blttt  erfreuten,  wobei  sich  der  Vojvode  Hrvoje  ritterlich  und  treu  auszeich- 
nete: »reoenu  vojsku  turaokn  pobismo  i  pod  mao  obratismo  i  gledahomo 
naiima  ocima,  gdi  nasi  vimi  poliyahu  svoje  svitlo  oruJije  krvju  tura6kom 
od  udarac  macnih  kripke  jih  desnice,  nestedede  se  nam  posluiiti  a  svoje 
misce  nasladiti  v  poganskoj  krvi;  i  v  tom  reoenom  boju  i  rvani  posluSi 
mi  yiteiki,  vimo  i  srdoano  kraljevstva  ml  vsesrdoani  i  vazmoini  vites  i 
yimi  nas  vojevoda  Hrvoje,  sin  vojevode  Vlkca«  (S.  96).  Da  ist  in  höfischer 
Elanzleiprosa  manches  gesagt,  was  im  Tolksthümliohen  Epos  wiederklingt.  — 
Nur  als  Falsificat  hat  ein  Interesse  eine  angebliche  Urkunde  des  Despoten 
Georg,  »kralj  od  sarpske  zemlje(!)«  von  1412  (wurde  Despot  erst  1427]  auf 
S.  110— 111. 

Werthvoll  sind  die  Epiloge  glagolitischer  Handschriften,  wie  desBartol 
aus  Krbava  1414  (S  113 — 114),  über  den  Krieg,  den  »neästivi  Hrvoj  z  Bos- 
nami  (Bosiiani  ?)  i  z  Beneci  i  s  Turki  uzdviie  na  kralja  ugarskoga  iigmnnda, 
ki  yerno  stase  za  ^est  kersdansku«,  in  einer  Zeit,  wo  Spalato  mit  den  Inseln 
von  Hrvoj  e  zum  König  Sigismund  abgefallen  war,  wo  Hrvoje  in  Bosnien  Si^s- 
mund's  Schützling,  den  König  Ostoja,  bekämpfte,  wo  die  Türken  bis  über  den 
Vrbas  streiften  und  König  Sigismund  in  Italien  mit  Venedig  1411—1413  Krieg 
führte  (vgl.  Eadoniö,  Archiv  XIX,  427  f.).  Eine  andere  Notiz  von  1432  (S.  131 
—132)  verzeichnet  den  Tod  des  Bau  Mikula  Frankapan  (f  26.  Juni  1432),  er- 
wähnt dessen  Sohn  »Knez  Ani«,  der  beim  König  von  Dänemark  (u  kralja  de- 
morskoga)  war,  nämlich  bei  König  Erich  XIII.  von  Schweden,  Norwegen  und 
Dänemark,  der  1424 — 1425  bei  König  Sigismund  verweilte  (vgl.  Ctoleioh  and 
Thallöczy  296—307)  und  zwischen  den  Frankapan  und  den  Herren  von  Gilli 
in  einer  Familienfehde  vermittelte  (vgl.  Smiciklas  1, 494),  femer  den  zweiten 
Sohn  »Knez  Stefan«  (zur  Genealogie  vgl.  Lopaiiö,  Starine  25,  202),  den  Zug 
Sigismund's  nach  Rom  »na  cesarstvo«  und  dessen  Krieg  gegen  Venedig  im 
Bund  mit  dem  »viisduka  z  Milana«,  nämlich  dem  Herzog  Philipp  Maria, 
Sohn  des  Gian  Galeazzo  Visconti  von  Mailand.  —  S.  163—164  ist  die  Abbre- 
viatur »cottUB  Zagrabiensis«  aufzulösen  als  comitaku,  —  In  der  Urkunde  des 
bosnischen  Königs  Stephan  Thomas,  gegeben  zu  Vranduk  1449,  in  welcher 
derselbe  eine  Handelsgesellschaft  (opdeno  trgovanje)  mit  Theilung  des  Rein- 
gewinns mit  dem  Knez  Nikola  aus  Traä  abschloss,  ist  S.  179  AHKdpH  Cf  HkH- 
CKH  corrupt  (vicarius?).  Ein  interessantes  Stück,  schon  belcannt  aua  Ku- 
knijeviö,  Archiv  VUI,  ist  die  S.  231—232  gedruckte  Urkunde  vom  J.  1463, 
aus  der  Zeit  des  Unterganges  des  bosnischen  Königreiches.  Im  Mai  Ter- 
sprachen  die  Ragusaner  der  Despotissa  Helena  Palaiologina ,  Wittwe  des 
serbischen  Despoten  Lazar  Brankoviö  und  Schwiegermutter  des  damaligen 
letzten  bosnischen  Königs  Stephan  Tomasevid,  ihr  im  folgenden  October  am 
St.  Demetriustage  1363  Perper  und  8  Dinari  (Cons.  Rog.  9.  Mai :  400  Ducaten) 


1392).  Solche  Invasionen  gab  es  übrigens  schon  früher,  ebenso  Ende  1392. 
Vgl.  Arohiv  XIV,  266. 


Glagolitisches  Urkundenbuch,  angez.  von  G.  Jirecek.  621 

auf  Beohnnng  des  Königs  zu  zahlen.  Bald  darauf  folgte  die  tflrkisohe  Er- 
oberung Bosniens  und  der  Untergang  des  letzten  KOnigs.  Dem  Gesandten 
der  Helena  wurde  die  Summe  nach  Beschluss  des  Senats  vom  14.  October 
(Starine  VI,  10 — 11)  ausgezahlt,  und  zwar  erhielt  derselbe,  der  Dijak  Kozma, 
das  Geld  am  11.  November.  Der  Zeuge  XiHKO  HiAHHKOBHKk  ist  zu  lesen 
2K0HKO,  Junius,  Sohn  des  Pasqualis  de  Sorgo,  der  einst  »celnik«  des  Despoten 
Georg  gewesen  war.  Im  Regest  S.  231  ist  König  Stephan  unrichtig  bereits 
zum  11.  Mai  1463  als  verstorben  (pokojni)  erwähnt. 

Das  Schreiben  des  »Anz-pasa«  an  die  Ragusaner  angeblich  um  1471 — 
1478  auf  S.  285—286  (gehört  zum  J.  1481,  und  der  Aussteller  ist  kein  Ani 
(Angelo)  oder  Hanns  oder  etwas  dergleicheui  sondern  ein  Türke  Ajaz.  Im 
Original  steht  wohl  kaum  Aiaa-pasa,  da  er  in  gleichzeitigen  Documenten  nur 
als  »Beg«  titulirt  wird.  Aiasbeg  war  »krajisnik«  (Grenzwächter)  und  Statt- 
halter der  Herzegovina  seit  1478.  Während  des  Kampfes  der  Türken  um  die 
letzten  Beste  des  Gebietes  der  Hercegoviöi  ging  am  13.  August  1481  Jaoobus 
de  Bona  als  Gesandter  der  Bagusaner  zu  Aiasbeg  ab,  am  9.  September  mit 
VermehruDg  der  Geschenke  Franeiscus  de  Poza,  KHl3k  HpaifkMfCKO 
ÜSi^Hlik  der  vorliegenden  Urkunde,  am  16.  November  wieder  Poza  mit 
Joannes  de  Palmota.  Im  Januar  1482  nahm  Aiasbeg  Novi  (Castelnuovo).  Die 
Urkunde  gehört  zu  den  Stücken,  die  in  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrh., 
besonders  während  der  französischen  Occupation  und  nach  derselben,  aus  den 
Archiven  von  Bagusa  entwendet  und  in  ferne  Sammlungen  verschleppt  wur- 
den (vgl.  auch  die  ragusanischen  Stücke  aus  dem  ungarischen  National- 
museum 1468  f.,  Cod.  dipl.  patrius  III,  419-— 433).  Zu  dieser  Kategorie  (aus 
der  Sammlung  Kukuljeviö,  jetzt  bei  der  Akademie  in  Agram)  gehört  auch 
die  Expeditoria  des  Herceg  Vlatko  von  1478,  S.  286—287.  Die  Verleihung 
des  Bürgerrechts  von  Ragusa  an  den  Vojvoden  Peter  Stjepanoviö  Chrabrdn 
mit  dessen  Brüdern  Knez  Yukao,  Knez  Pavko,  Knez  Stjepan,  Knez  Dobri, 
S.  293  unbestimmt  in  das  XV.  Jahrh.  verlegt,  stammt  aus  den  Zeiten  der  letz- 
ten Hercegoviöi.  »Voyuoda  Pethar  Stepanouich«  wird  1469—1486  erwähnt; 
am  22.  Mai  1473  beschloss  das  Consilium  Rogatorum  »de  faciendo  literas 
voyuode  Petharo  Stepanouich  cum  sua  fratemitate«,  nebst  einem  Geschenk 
von  40  ypp.  »in  pannis«  —  wohl  die  in  der  vorliegenden  Sammlung  mitge- 
theilten  »literae«.  Noch  1 483-— 1488  wird  ein  Geschenk  an  Dobrie  Vozioh 
Crabrieno,  Vojvoden  de  Dogni  Vlassi  erwähnt  (L.  Rog.  1481—1485).  —  Bei 
dem  Schreiben  des  Sultan  Bajezid  IL,  S.  358,  wird  eine  Art  Siegel  zu  Anfang 
erwähnt:  »Na  pooetku  je  naiinen  zoak  kao  pe^at«.  Das  ist  wohl  nichts 
anderes,  als  die  bekannte  Tughra,  Schriftzug  des  Sultans,  gewöhnlich  be- 
streut mit  goldgelbem  Streusand. 

Unter  den  Nachträgen  ist  von  Interesse  abermals  eine  Notiz  von  1431— 
1433  aus  einem  glagolit  Breviar,  S.  431— 432:  Papst  Martin  (V.)  starb  am 
12.  Februar  (richtig  am  20.  Februar  1431) ;  im  zweiten,  folgenden  Jahre  gab 
es  eine  Sonnenfinsterniss  (am  2.  Februar  1432)  und  zugleich  plünderte  der 
Türke  Isaak  Vojvoda  bei  den  »Vlachen  und  Kroaten»;  im  dritten  Jahre  starb 
»ban  Mlkula«  (Nikola  Frankapan  f  26.  Juni  1432,  s.  oben),  und  König  Sigis- 
mund  zog  nach  Rom  und  wurde  Kaiser  (31.  Hai  1433).   Die  Stelle  »H  BH 


622  Kritischer  Anzeiger. 

KpoYHfH  nandf  C  HOfU  (?),  KH  SlUlf  )fH}KI  BNITaHKIcbeziehtsichaaf 

Papst  Eugen  IV.  (Gabriel  Condolmieri),  der  wirklieh  ans  einem  ayenetiani- 
schen  Hanse«  stammte.  Der  Schluss  ttber  einen  Krieg  des  bosnischen  Königs 
mit  Sandalj  nnd  den  Bosniern,  die  einen  anderen  KOnig  haben  wollten,  ist 
im  Original  verblasst  oder  schlecht  gelesen:  »A  TAfi^A  HUf Ulf  paT  Bf  AHK 

KpaA  KocaNCKH  GaHAaA(ou)  h  cEiouiHaNH  solsiiif  (tJAPO^ra  xpaAa, 

a  TspTKa  KpaAa t  im  J.  1433  kämpften  eben  der  GegenktfnigRadivoj 

der  Grossvojyode  Sandalj  und  Despot  Georg  von  Serbien  gegen  KGnig 
Tvrtko  U.,  der  nach  Ungarn  vertrieben  wurde  (vgl.  Badoniö,  ArchiT  XIX, 
462  f.). 

Zum  Schluss  ein  Nachtrag.  Ich  finde  unter  meinen  Papieren  eine  Notiz 
ttber  eine  glagolitische  Urkunde  vom  22.  Mai  1484,  gegeben  in  Voksiöi,  deren 
Abschrift  mir  vor  Jahren  einmal  der  verstorbene  Bibliothekar  des  böhmi- 
schen Museums  A.J.  Vrt'&tko  gezeigt  hat.  Anfang:  »Mi  Span  rodeni  stola 
In^koga  Stipan  Pumosiö  z  Bilan,  i  suci  roöeni  Miklous  Ugrinoviö  z  Bogm, 
plemena  §ubiö,  Ivan  Pavloviö  s  Karina,  plemena  Kari^an,  Ivan  Batoriö  s  Ka- 
ii6  i  Ivan  Stipsiö  z  Miran,  i  pristavi  roöeni  Grgur  Pavi6i<5  z  Otres  i  Tomas 
&idobriö  s  Po]a6e  i  s  inimi  plemenitimi  Ijudi  ovoga  msaga«  Urkunden  über 
einen  Verkauf  von  LSndereien  »na  Polaoi«  vom  »plemeniti  Paval  Korlatoviö« 
an  »Tomas  §adobriö  s  Polare«  fttr  41  Ducaten.  Das  Original  (mit  zwei  hängen- 
den Siegeln)  mag  sich  in  Prag  oder  Raudnitz  befinden.  Zum  Inhalt  vgl.  die 
Urkunden  bei  äurmin  S.  361,  411,  gleichfalls  in  Vuksidi  1492,  1498  datirt 

Wir  wünschen  den  »Acta  croatica«  eine  baldige  Fortsetzung,  nur  mit 
etwas  mehr  Kritik  bei  der  Auswahl  und  Bedaction  des  Materials  und 
unter  der  Leitung  eines  sachkundigen  Historikers. 

Wien,  13.  Juli  1899.  C.  Jireiek. 


Theodor!  Dncae  Lascaris  epistalae  CCXVII.  Nnnc  primnm  edidit 
Nicolans  Festa.  Accedunt  appendices  IV :  I.  Theodori  litterae  de 
pace  a  Bnlgaris  per  Russos  petita,  11.  Einsdem  sermo  adversas 
maledicos,  III.  Nicephori  Blemmidae  epistulae  XXXIII,  IV.  Sabae 
ad  Nicephomm  Blemmidam  epistnla.  Firenze  1898,  XII  nnd  414  S. 
in  4<^  (Pabblicazioni  del  R.  Istitnto  di  studi  saperiori  pratici  e  di 
perfezionamento  in  Firenze.  Sezione  di  filosofia  e  lettere). 

Eine  interessante  Gestalt  der  ostenropäisehen  Geschichte  des  Xm.  Jh. 
ist  der  russische  Fürst  Bostislav  Michailovio,  Sohn  des  1246  von  den  Tataren 
hingerichteten  Fürsten  von  Oemigov,  des  hl.  Michail  Vsevolodovio.  In  seiner 
Jugend  war  er  in  Novgorod  eine  Zeit  lang  Fürst  der  Stadt,  nahm  an  den 
K&mpfen  um  Hallo  Theil  und  lebte  dann  in  Ungarn  als  Schwiegersohn  des 
Königs  Bela  IV.,  Gemahl  seiner  Tochter  Anna.  Als  »banus  Selauonie«  ver- 
waltete er  die  kroatischen  Länder,  war  später  Bau  der  1254  zuerst  genannten 
Landschaft  Maova  in  Serbien  (bei  äabac}  und  besass  zuletzt  als  »duz«  ein 
Territorium,  bestehend  aus  den  Landschaften  Usora  und  Sol  im  nördlichen 


\ 


Briefe  des  Kaisers  Laskaris  II.,  angez.  von  G.  Jirecek.  623 

BasnioD,  Maoya  and  wohl  auch  Branioevo,  ein  Oebiet,  das  nach  seinem  Tode 
(um  1262)  noch  seine  SObne  Michael  nnd  Bela  (ermordet  1272)  als  »dnces« 
verwalteten.  Bostislav's  Tochter  Eunigande  wurde  1261  Königin  von  Böh- 
mes, als  Gattin  des  Königs  Pfemysl  IL  Otakar. 

Rostislay,  den  der  Fortsetzer  des  Gosmas  (Fontes  rer.  bob.  II,  297)  als 
»dnx  Bulgaromm«  bezeichnet,  spielt  auch  in  der  bulgarischen  Geschichte 
eine  Bolle.  Nach  dem  Tode  des  griechischen  Kaisers  Joannes  Dukas  Vatatzes 
(Okt.  1254)  unternahmen  die  Bulgaren  unter  dem  jungen  Garen  Michail  As6n 
sofort  einen  Angriff  auf  die  griechischen  Provinzen,  um  die  1246  verlorenen 
Landschaften  wieder  zu  erobern,  und  besetzten  mtthelos  die  Bhodope  nnd 
das  nordöstliche  Macedonien.  Aber  der  junge  Kaiser  Theodoros  Laskaris  II. 
zog  noch  im  Winter  1264/5  ins  Feld  und  verdrängte  die  Bulgaren  aus  den 
occupirten  Gebieten.  Widerstand  leistete  nur  die  BurgGdpdna,  deren  Ruinen 
noch  im  Waldgebirge  der  westlichen  Bhodope  hoch  ttber  der  Ebene  von 
Tatar-Pazardüik  erhalten  sind  (siehe  deren  Beschreibung  von  Syrku,  Yiz. 
Yremennik  V,  603  f.).  Ein  fremder  Fürst,  Schwiegervater  des  Garen  von  Bul- 
garien, vermittelte  den  Frieden.  Die  Grenzen  wurden  wiederhergestellt,  wie 
sie  vor  dem  Kriege  waren;  auch  Gdpdna  wurde  dem  griechischen  Kaiser 
übergeben.  Die  missglückten  Feldzttge  führten  (1257  oder  schon  1256)  zur 
Ermordung  des  Garen  Michail  As6n  und  zu  einer  Reihe  von  inneren  Umwäl- 
zungen im  bulgarischen  Reiche. 

Georgios  Akropolites,  der  an  diesen  Kriegen  persönlich  theilgenommen 
und  im  Lager  am  Flusse  Rigina  (jetzt  Erken6)  im  östlichen  Thrakien  den 
Vertrag  ausgefertigt  hat,  nennt  in  seinem  Geschichtswerke  (ed.  Bonn.  p.  134, 
136, 137, 162)  diesen  Friedensvermittler  o  *PAaoff  Övqog,  später  nur  Övqos, 
gen.  Ovqov^  und  bezeichnet  ihn  als  Schwiegervater  (nBvd^Bqos)  des  Garen  Mi- 
chail Asßn,  zugleich  aber  auch  als  Schwiegersohn  des  Königs  von  Ungarn 
(too  ^riyos  Ovyyqtac  knl  &vyaTQl  rsXovrra  yafjißqoy).  Die  Russen  nennt  Akro- 
polites (p.  35)  ^P&isoi^  ihr  Land  t«  xS^v'^Ptonmv,  Damach  wäre  yp&aos  oiqog 
als»derRusBeUr«  (magy.  ur  Herr,  Fürst,  schon  dem  Kinnamos  als  ungari- 
scher Prinzentitel  bekannt)  zu  deuten.  Sd  verstanden  diese  Stelle  Gebhardi, 
Engel,  Fessler,  Palauzov  in  seiner  Monographie  über  Rostislav  (im  ^MTHTTp. 
Bd.  LXXI),  Finlay  (»the  Russian  prince  Ouros«,  History  of  Greece  m,  1877, 
p.  327),  Makusev,  Pauler,  die  sie  meist  ausdrücklich  auf  Rostislav  bezogen. 
Franz  Pejaoeviö  (Historia  Serviae  p.  189,  200),  PaUcky  (0  rusköm  kniieti  Ro- 
Btislayoyi,  Radhost  II,  272)  und  Golubinskij  in  seiner  Kirchengeschichte  er- 
klärten den  Övqos  als  den  König  Stephan  Urosl.  von  Serbien,  ebenso 
auch  üarion  Ruvarac  (Manma  1868,  III,  Nr.  16).  Ich  habe  mich  in  meiner  Ge- 
schichte der  Bulgaren  dieser  zweiten  Ansicht  angeschlossen,  sie  aber  im 
Laufe  der  Zeit  aufgegeben:  der  Name  Uros  wird  nie  griech.  Öv^og^  lat  Ums 
geschrieben,  sondern  stets  noch  mit  einem  Suffix,  (X^Qs^ns^  oder  Urossius ; 
wie  käme  übrigens  der  serbische  König  Stephan  Uros  I.  zu  einem  Epithet 
^P&cog  der  Russe  oder  ^&aaoc  roth  ?  Ich  habe  demnach  auch  unlängst  (Ghristl. 
Element,  Excurs  ttber  die  Burgnamen  bei  Philes  S.  78)  den  bulgarischen 
Despoten  und  später  (1271)  nominell  auch  Garen  Jakob  Svetislav,  der  sich 
bei  der  Uebersendung  eines  Nomokanons  an  den  Erzbischof  von  Kiev  aus- 


624  Kritischer  Anseiger. 

drücklich  als  Nachkommen  russischer  Fürsten  bezeichnet  (VostokoT,  OuicaHie 
pKn.  PyiiKHu.  6b6z,,  Gn6. 1842,  290),  als  einen  Verwaadten  des  Rostislav  er- 
klärt, der  durch  Rostislav's  Verbindungen  mit  der  bulgarischen  Carenfamilie 
zum  Besitz  eines  Territoriums  im  Hae.mus  (wohl  im  Westen)  gelangt  war. 

Eine  vollständige  Aufklärung  über  die  Frage  erhalten  wir  ans  der  von 
Nie.  Festa,  einem  durch  Beschreibungen  griechischer  Ck>dices  in  Italien  und 
einige  Editionen  wohlbekannten  Florentiner  Hellenisten,  herausgegebenen 
Sammlung  der  Briefe  des  Kaisers  Theodoros  Laskaris  II.  (1254 — 1258).  £0 
ist  darin  ein  Sendschreiben  des  Kaisers  an  die  Griechen  des  Kaiserthums  von 
Kikaia  über  die  Friedensverhandlungen  mit  den  Bulgaren  (p.279 — 282),  worin 
der  Friedensvermittler  ganz  klar  Fürst  der  Bussen  genannt  wird,  hx&r 
"Ptocay  oQx^^i  sowohl  im  Titel  (p.  279),  als  im  Text  (p.280).  Das  Schriftstttck 
selbst  ist,  wie  alle  Briefe  des  Kaisers,  in  einer  gekünstelten,  blumenreichen 
Sprache  abgefasst  (über  des  Laskaris  Schriftstellerei  vgl.  Krumbacher  *,  95, 
478).  Der  Fürst  der  Bussen  hat  beim  Eid  den  jungen  Kaiser  als  Vater  und 
Herrn  bezeichnet:  o  twy^^Paatoy  a^x^'^  ofiofioxag  vrjv  ßaaiXsiay  fiov  xatmro^ 
fAads  naziqa  xal  t&v  aitrov  ndyrmy  xv^ioy  aXtj&iaraTa.  Mit  ihm  waren  auch 
Grosse  der  Bulgaren  gekommen  (t&v  nQü^x^*^^^  Xaov  tov  BovXya^txov). 
Sehr  werthvoll  war  dem  Kaiser  die  Zurückgabe  der  Burg  TCinaiya,  die  im 
Schreiben  als  to  Xafjmqoxajoy  a<nv,  als  aatv  l^vfiyoy  le  xal  nsQißof^Toy  xal 
n8QixvxX<p  ^/t;^a>Tarocf  xonoig  ne^ixXetofieyoy  bezeichnet  wird,  nahe  an  der 
bulgarischen  Grenze  gelegen,  sehr  fest  und  fast  uneinnehmbar.  Ueber  die 
Lage  wird  bemerkt :  ngo^  rag  vneQßoXag  rij^  ^Podonijc  vni^xeitai,  nB^l  to  rtjc 
Kyiaaßtts  oqos  nsQitpayh.  Der  Name  des  Berges  Knisava  war  bisher  nur 
aus  den  Legenden  über  den  hl.  Joannes  von  Byla  bekannt,  in  der  Erzählung 
über  den  Besuch  des  bulgarischen  Garen  Peter  beim  Heiligen :  HA  AP^" 

royio  Bkc^OA^Tk  ropo^  bucokov,  io;ki  KuHuiaBov  obukouis 

OKpkCTHhJH  TOY  SBaTH,  Euthym^j,  Glasnik  22,  278;  vgLSyrku  im  Sbor- 
nik  zu  Ehren  Lamanskij's  S.  375.  Ausführlich  bespricht  der  IJLaiser  die 
Wichtigkeit  des  Platzes,  zwischen  Sardika  (SrjÄdec,  j.  Sofia)  und  Philippopel, 
in  der  Nähe  vonVelbuid  [BaXeßovadioy)^  auf  dem  Wege  nach  Skopje,  Yran ja, 
Albanon  (Über  A.  vgl.  Archiv  XXI,  79)  und  zur  serbischen  Grenze :  Siafp^atxei 
yoQ  zr^y  Saqitxrjy  fjkly  iy&ey  xal  xrjy  €>i,Xinnov  noXiy  n^og  tovg  MaxB^oyag 
f]fiäf  xal  0QiC6$  TO  BeXeßovcdioy,  xal  n^hg  xijy  itQly  BtisayBi  xatacraisiy  xal  to 
Ttäy  2xonifay  S'ifjia  ne^ifpayls  xal  to  rris  B^ayiag  i^axovaroy,  m^ixXsU^  t6 
jiXßayoy  xal  /ui/^i  Teuv  2!sQßtxiöy  oqtay  xaTaytq  Ta  o^ia/juixa  (p.  281). 

Andere  Nachrichten  dieser  Brief  Sammlung  ergänzen  Manches  in  der  von 
Akropolis  erzählten  Kriegsgeschichte,  mit  Erwähnungen  der  Burgen  der 
Bhodope,  to  Tr,s  Kqvßovs  (p.  247),  Stenimaobos,  Melnik  u.  s.  w.  Von  Interesse 
ist  eine  Stelle  über  die  Serben,  deren  König  damals  Stephan  Uros  I.  war. 
Der  Kaiser  Theodoros  Laskaris  IL  schreibt  an  den  gelehrten  Nikephoroa 
Blemmides,  das  griechische  Beich  von  Nikaia  sei  von  allen  Seiten  von  Fein- 
den umgeben  und  fast  nur  auf  sich  allein  angewiesen:  »Und  wer  wird  uns 
helfen?  Wie  soll  der  Perser  (d.  h.  der  Türke)  den  Hellenen  unterstützen? 
Der  Italer  (*lTaXoi  heissen  bei  den  damaligen  Griechen  die  Franken  des  latei* 
nischen  Kaiserthums)  tobt  am  meisten,  der  Bulgare  am  sichtbarsten,  der  Serbe 


Briefe  des  Kaisers  Laskaris  IL,  angez.  von  C.  Jireoek.  625 

ist  durch  Gewalt  bedrängt  und  zurückhaltend;  er  ist  vielleicht  unser,  viel- 
leicht aber  nicht  von  den  unserigen  in  Wahrheit;  das  Griechenthum  allein 
hilft  sich  selbst  und  nimmt  die  Mittel  dazu  aus  eigenem  Hanse«  {£i^ßof  rj  ßiif 
ßtaiofÄsyoff  xai  avmiXXsrai'  b  d*  tifAhsQo^  taxa,  taxa  dr^  oi  Tay  ^fjWiiQmv 
xara  aXrjd'eiay  p.  58).  Die  Stelle  lässt  uns  in  das  Getriebe  der  mittelalter- 
lichen Diplomatie  des  Ostens  um  1254  einen  kleinen  Einblick  nehmen.  Der 
SerbenkOnig,  bedrängt  von  den  Bulgaren«  suchte  Anschluss  an  die  Griechen 
von  Nikaia.  Die  Bulgaren  drangen  damals  bis  zum  Lim  vor  und  verheerten 
das  Kloster  des  hl.  Peter  bei  Belopolje  am  Lim  (Urk.  im  Spomenik  HI,  8). 
Gar  Michael  As8n  fand  Bundesgenossen  im  Adriatischen  Küstengebiete,  die 
Bagusaner  (Urk.  15.  Juni  1253,  Mon.  serb.  35)  und  den  Äupan  Badoslav  von 
Ghlm,  Sohn  des  »knez  veli  chlmski«  Andreas  und  damals  Vasallen  des  unga- 
rischen Königs  (Urk.  22.  Mai  1254,  ib.  44).  Schon  im  August  1254  sohloss  Ba- 
gusa  Frieden  mit  Uros  L,  wahrscheinlich  da  auch  die  Bulgaren  sich  mit  dem 
Frieden  beeilten.  Der  Serbenkönig  erfüllte  aber  die  Hoffiiungen  des  griechi- 
schen Kaisers  nicht  und  schloss  sich  dessen  Gegner  im  Westen,  dem  Despoten 
Michael  U.  von  Epiros,  an.  Akropolites  (p.  155),  damals  kaiserlicher  Statt- 
halter im  Westen,  wirft  desshalb  dem  tay  Siqßtay  aqxfoy  Treulosigkeit  und 
Undank  vor;  wegen  eines  kleinen  Gewinnes  habe  er  den  Becher  der  Freund- 
schaft weggeworfen  und  Truppen  gegen  die  'PiafAaixal  x^o^^»  die  griechischen 
Provinzen,  gesendet  Als  die  Epiroten  bis  zum  Vardar  vordrangen,  rückten 
die  Serben  bis  Skopje,  Prilep  und  Kioava  vor  und  schlugen  bei  Prilep  einen 
Feldherrn  des  Kaisers,  den  Skuterios  Xyleas  (1257).  Aber  schon  1259  führte 
der  entscheidende  Sieg  der  Heerführer  des  neuen  Kaisers  Michael  Palaiologos 
über  die  Epiroten  zu  einer  Restauration  der  kaiserlichen  Herrschaft  im  Norden 
und  Westen  Macedoniens. 

Aus  der  Zeit  dieser  kurzen  serbischen  Occupation  von  Skopje  unter 
UroB  L  besitzen  wir  einige  kirchliche  Daten.  .  Ein  Edelmann  Pribo,  unter 
Kaiser  Theodoros  von  Epiros  Sevast,  unter  Gar  Joannes  As^nH.Protosevast, 
auch  in  der  Gorrespondenz  des  Erzbischofs  Demetrios  Ghomatianos  von 
Ochrid  genannt  (ein  Brief  jov  nayevaeßeatajov  aeßaiftov  xvqov  Jlqtfinov 
wegen  eines  Geistlichen  Dragomir  erwähnt  in  einem  Schreiben  an  den  Bischof 
von  Skopje,  ed.  Pitra  col.  325 — 326)  hatte  im  Dorf  Tmorjane  bei  Skopje, 
vielleicht  dem  jetzigen  Sveta  Petka,  eine  »kelija  der  hl.  Petka«  (Paraskeue) 
gegründet,  mit  Grundstücken  in  Tmorjane,  OraBani  (b  Opaiuajfk^  j.  Ore- 
sani)  und  auf  dem  Wege  nach  Tavor  (j.  Taor).  Diese  Schenkung  des 
»H'bKTO  npOTOCKBaCTk  aaropkCKkiH  IIpNBO  Bk  Ai^HH  flctCNa 
l^apdc  hat  König  Uros  I.  dem  Kloster  Ghilandar  zugewiesen,  doch  verfiel 
cÜeselbe,  »als  Skopje  von  unserem  Königreich  abfiel«.  Uros  I.  Sohn,  König 
Stephan  Uros  IL  Milutin  eroberte  Skopje  von  neuem  1282  kurz  vor  dem  Tode 
des  Kaisers  Michael  Palaiologos  (Daniel  p.  108  und  Kantakuzenos  1.  IV  cap.  19) 
und  erneuerte  die  Stiftung  des  Pribo  sammt  der  Zuweisung  an  Ghilandar  (Urk. 
bei  Stojanovic,  Spomenik  III,  12-— 13).  Bestätigt  wurde  dieser  Besitz  von 
Ghilandar  vom  Kaiser  Andronikos  II.  1324  (xal  bU  r^y  Tfi[o^]iayiy  %o  j^c 
uylas  UaQaaxeviip,  Florinskij,  AeonoKie  Axai  S.  38)  und  vom  Garen  Stephan 

ArchiT  fftr  sUTisehe  Pliilologie.  XXI.  40 


626  '  Kritischer  Anzeiger. 

Dnian  1348  (t^pkKOBk  CRfTA  IIlTKA  TuopiaHlü  Ck  CCAOUk,  SafaHk, 
Pam&tky,  2  A.  102). 

Den  von  Rostislav  vermittelten  Frieden  mit  Asdn  {/Lina  %ov  jiifatnj)  er- 
wähnt auch  ein  Privatbrief  des  Geistlichen  Niketas  Karantinos,  Notars  [rofit- 
x6s)  von  Palatia  (Milet)  an  den  Hegumenos  des  Klosters  von  Patmos,  nebst 
Neuigkeiten  über  die  Hochzeit  des  Nikephoros,  Sohnes  Michaels  11.  von  Epi- 
ros,  mit  des  Kaisers  Tochter  und  die  damit  verbundene  Abtretung  von  Dyr- 
rhachion,  über  die  Flacht  des  Michael  Palaiologos,  des  späteren  Kaisers,  zum 
Sultan  der  Türken,  über  die  TaQxaqioi  und  den  »Gross-Tataren«  u.s.  w.  (Acta 
et  dipl.  graeca  VI,  197 — 198).  Dieser  Bulgarenkrieg  zwang  auch  den  litauischen 
Prinzen  Vojselg,  Sohn  des  Fürsten  Mindovg,  der  als  MOnch  aus  Halle  über 
Ungarn  und  Bulgarien  auf  den  Athos  reiste,  in  Bulgarien  umzukehren  (Jüto- 
hhcb  no  HnaTCROMy  cnECRy  zu  1255,  Ausg.  der  Archaeograph.  Gommission, 
Petersburg  1871,  S.  551).  Die  legendären  Erzählungen  des  Pediasimos  (An- 
fing des  XIV.  Jahrh.)  über  die  damaligen  Kämpfe  des  Kaisers  Laskaris  11. 
mit  den  Bulgaren  bei  Melnik,  die  ich  in  der  Abb.  über  das  christl.  Element  in 
der  topograph.  Nomenclatur  61  bei  der  Erwähnung  der  Kirchen  von  Serrai 
aus  einer  Wiener  Hdschr.  herangezogen  habe,  sind  jetzt  gedruckt :  Theodori 
Pediasimi  eiusque  amicorum  quae  extant,  edidit  Maximilianns  Treu,  Potsdam 
1899  (Progr.  des  Victoria-Gymn.)  S.  21  f. 

Wien,  5.  November  1899.  C.  Jire&k, 


Jnnacke  pjesme  (muhamedovske).  Knjiga  tre6a.  Uredio  Dr.  Lnka 

Marjanovic.  Zagreb  1898,  8«,  LVI.  672. 

Im  Archiv  XIX.  627  ff.  wurde  der  erste  Band  einer  gross  angelegten 
Publication  des  Agramer  literarischen  Vereins  »Matica  hrvatska«  zur  An- 
zeige gebracht  Es  handelt  sich  um  die  Herausgabe  von  Volksliedern  der 
Serben  und  Kroaten,  d.  h.  der  Bewohner  der  südslavischen  Länder,  die  sich 
jetzt  zu  einem  von  diesen  zwei  Namen  bekennen,  in  der  Wirklichkeit  nach 
den  sprachlichen  Merkmalen  ein  zwar  sehr  uneiniges,  und  doch  einheitliches 
Volk  bilden.  Der  Verein  gibt  das  seit  Decennien  aufgestapelte  Material  her- 
aus, das  oben  citirte  Werk  bildet  den  dritten  Band  der  projeotirten  Gesammt- 
ausgäbe.  Es  mag  kurz  erwähnt  sein,  dass  auf  den  ersten  a.a.O.  besprochenen 
Band  im  J.  1897  ein  zweiter  folgte,  dessen  Inhalt  71  ep.  Lieder  (nicht  72,  wie 
es  in  der  Ausgabe  steht,  da  Nr.  9  durch  Versehen  beim  Zählen  übergangen 
wurde)  über  Marko  Kraljeviö  enthält  (nebst  den  im  Anhang  dazu  angegebenen 
Parallelen).  In  der  Vuk'schen  Sammlung  (Band  II)  handeln  ungefiihr  25  Lie- 
der von  diesem  Helden ;  fügt  man  noch  aus  dem  neulich  in  Belgrad  erschie- 
nenen VI.  Bande  (nach  der  Bedaction  Lj.  Stojanoviö's)  etwa  12  demselben 
Helden  gewidmete  Lieder  hinzu,  so  umfasst  der  ep.  Sagenkreis  Marko  Kralje- 
viifs  nych  den  einstigen  Aufzeichnungen  Vuk's  nicht  mehr  als  etwa  40  Num- 
mern, bleibt  also  hinter  dem  im  II.  Bande  der  Agramer  Publication  heraus- 
gegebenen Material  quantitativ  beträchtlich  zurück.    Man  darf  allerdings 


MarjanoYiö,  Mohammedanische  VolkBüeder,  angez.  von  V.  Jagiö.     627 

nicht  die  übrigen  Sammlungen  Übersehen,  wo  Marko  Kra^jeviö  gleichfalls  mit 
mehr  oder  weniger  Liedern  bedacht  ist.  Immerhin  könnte  jetzt  die  Frage 
aufgeworfen  werden,  inwieweit  durch  die  neue  Agramer  Ausgabe,  deren  Ma- 
terial hauptsächlich  aus  Dalmatien,  Kroatien,  Slavonien,  theilweise  auch  Bos- 
nien, also  aus  den  zum  Theil  yon  dem  einstigen  Schauplatz  und  dem  wahr- 
scheinlichen Entstehungsherde  dieses  Sagei^eises  weit  entlegenen  nord- 
westlichen Gegenden  stammt,  dem  bisherigen  epischen  Stoff  neue  Bereicherung 
und  Erweiterung,  oder  wenigstens  Ergänzung  zugeftlhrt  wurde.  Das  wäre 
ein  sehr  dankbares  Thema  fUr  eine  besondere  Abhandlung,  die  man  an  der 
Hand  der  diesem  Sagenkreis  gewidmeten  Forschung  Ohalanskij's  schreiben 
könnte.  Diese  Anzeige  beschäftigt  sich  jedoch  nur  mit  dem  oben  citirten 
dritten  Bande,  der  unter  der  Bedaction  des  Uniyersitäts-Professors  Dr.  Luka 
Marjanoviö  erschienen  ist.  Prof.  L.  Marjanovid  gab  selbst  schon  im  J.  1864 
eine  Sammlung  yon  Volksliedern  heraus,  die  er  in  der  Gregend  seiner  Heimath 
(Zayalje  und  Bihaö,  also  das  kroatisch-bosnische  Grenzgebiet)  aufzeichnete. 
Nach  mehr  als  dreissig  Jahren  kehrt  er  zur  Thätigkeit  seiner  Jugend  zurück. 
Man  darf  füglich  yoraussetzen,  dass  er  inzwischen  seine  Einsicht  in  die  Auf- 
gaben einer  kritischen  Volksliederausgabe  wesentlich  yertieft  hat.  In  der 
That  macht  seine  Leistung  einen  sehr  guten  Eindruck,  sie  zeigt  in  mehr  als 
einer  Hinsicht,  dass  der  Herausgeber  keine  Mühe  scheute,  um  eine  vortreff- 
liche Ausgabe  herzustellen.  Der  stattliche  Band  yon  mehr  als  700  Druck- 
seiten besteht  zuerst  aus  einer  klar  und  hübsch  geschriebenen  Einleitung,  in 
welcher  mit  grosser  Gewissenhaftigkeit  über  die  eigentlichen  Gewährsmänner 
dieser  Sammlung  Rechenschaft  abgelegt  wird.  Prof.  Marjanoviö  gebührt,  wie 
man  daraus  ersieht,  das  Hauptverdienst  für  das  Zustandekommen  jener 
grösstentheils  in  Agram  gemachten  Aufzeichnungen  nach  dem  mündlichen 
Vortrage  der  dorthin  in  den  achtziger  Jahren  bestellten  bosnisch-mohamme- 
danischen Rhapsoden  (S.  I — LVI).  Sodann  folgt  der  Text  der  Lieder,  die  so 
umfangreich  sind,  dass  in  diesem  Bande  nur  25  Nummern  Aufnahme  fanden 
(S.  1—576).  Die  im  Anhang  gegebenen  Anmerkungen  (S.  579 — 615)  ergehen 
sich  über  die  anderweitigen  Parallelen  aus  ungedrucktem  und  gedrucktem 
Material,  wobei  nicht  nur  auf  die  Sammlung  E.  Hörmann' s,  sondern  einmal  so- 
gar auf  Vuk  und  Petranoyiö  verwiesen  wurde.  Also  immerhin  ein  anerkennens- 
werther  Fortschritt  gegenüber  den  ersten  zwei  Bänden,  wo  man  die  älteren 
serbischen  Publicationen  gänzlich  ignorirte.  An  letzter  Stelle  findet  man  ein 
sehr  genau  abgefasstes  Glossar  türkischer  Wörter  mit  beigegebenen  Erklä- 
rungen. Da  es  in  diesen  Liedern  geradezu  wimmelt  von  türkischen  Wörtern, 
die  einen  jeden  Leser,  der  nicht  Turcolog  vom  Fach  ist,  unangenehm  stören 
und  fortwährend  zum  Nachschlagen  zwingen,  so  muss  man  die  Vollständig- 
keit des  Glossars  in  der  That  loben  (S.  617—672).  Freilich  zu  einem  wissen- 
schaftlich werthvoUen  Hilfsmittel  hätte  es  bei  diesem  Glossar  der  Hinzu- 
fUgung  der  echt  türkischen  Formen  der  betreffenden  Wörter  benöthigt. 

So  sieht  der  Inhalt  dieses  Bandes  ans.  Ich  füge  gleich  hinzu,  dass  uns 
der  Herausgeber  versichert,  in  der  Sprache  der  Lieder,  an  den  häufigen  Un- 
regelmässigkeiten des  Verses  nichts  geändert  zu  haben,  wofür  wir  ihn  nur 
loben  können.  In  der  That  bekommen  wir  erst  jetzt  ein  echtes  Bild  der  west- 

40* 


628  Kritischer  Anzeiger. 

bosniBchen  Mohammedaner.  Sie  bedienen  sich  des  tkavischen  Dialectes  mit 
einigen  conserrativen  Zügen  in  Lautcomplezen  nnd  Formen.  So  wird  h  aus- 
gesprochen (hladan,  pnhnu,  harambasa,  hajde),  doch  hv  ergibt/ (prifatiti,  £a- 
daju,  fala),  man  wendet  s6  an  in  Fällen  wie  isöe,  otisde,  pnsöa,  doch  nicht  ans- 
schliesslich ;  neben  gif  Q»)  findet  man  noch  jc^  in  solchen  Beispielen  wie  dojde, 
najde,  izajde.  Geradezu  auffallend  ist  die  fast  regelmässige  Wahrung  der 
alten  Casusformen  im  Dativ,  Instrumentalis  und  Localis  plur. :  bane  stdtf^/em 
piöe  postavio  39,  momak  ndr^'em  veli  45,  na  kofijih  se  za  prsa  zgrabise  50,  po 
topovih  71,  po  tudjih  od&acih  255,  u  huretih  72,  po  krqfevih  184,  u  ramenih  310, 
poperänih  221,  po  gavetUh  226«  na  dngili  poffanak  111,  u  besidah  566,  prid  ma- 
tovt  223,  s  Turei  211,  medju  Udb%f\jani  308,  pod  skrljaki  i  pod  teköaci  567,  za 
dmavi  318.  Vergl.  noch  die  vorwiegende  Anwendung  der  Participia  pass. 
praet.  auf  <:  knjige  upisate  57,  dorat  avezat  326,  arpe  ugrtihaU  561,  prekovaÜ 
sui^nji  338,  krivo  uiinito  317,  djeca  zarobita  321 ,  u.  s.  w. 

Wie  der  Herausgeber  in  der  Einleitung  erzählt  (S.  XXXIV),  besitzt  der 
Matica-Yerein  ungefähr  150  Lieder  derartigen  Charakters  und  Inhaltes,  wie 
die  hier  ausgewählten  25.  Er  benennt  sie  nach  dem  äusseren  Schauplatz  der 
erzählten  Begebenheiten  —  likanisoh  (aus  Lika).  Eine  zweite  Abtheilung  der 
Matica-Sammlung,  die  etwa  40  Nummern  umfasst,  muss  nach  diesem  Krite- 
rium —  ungarisch  genannt  werden,  weil  in  den  betreffenden  Liedern  haupt- 
sächlich Ungarn  nebst  Slavonien  (im  älteren  Sinne  des  Wortes)  den  Schauplatz 
der  Handlung  bildet.  Der  Herausgeber  sah  sich  genOthigt,  aus  dem  reichen 
Yorrath  von  fast  200  Liedern  eine  Auswahl  zu  treffen,  er  spricht  von  zwei 
Bänden,  in  einem  jeden  25  Nummern,  so  dass  das  zur  Ausgabe  gelangende 
Material  auf  ein  Yiertel  reducirt  werden  muss.  Wir  sind  nicht  in  der  Lage 
zu  controlliren,  ob  gerade  die  merkwürdigsten,  bezeichnendsten  Lieder  zur 
Ausgabe  gelangen.  Prof.  Marjanoviö  hat  offenbar  das  Material  so  gut  durch- 
studirt,  er  ist  mit  dem  Charakter  und  Inhalt  desselben  so  wohl  vertraut,  dass 
wir  glauben,  auf  sein  Urtheil  und  seine  Auswahl  uns  verlassen  zu  dürfen. 
Die  von  ihm  in  der  Einleitung  entworfene  Charakteristik  dieser  Lieder  (auf 
S.  XXXIY— LIY)  enthält  viel  Lesenswerthes,  die  inhaltliche  Seite  ist  darin 
geradazu  erschöpfend  behandelt,  dagegen  die  technische,  d.  h.  die  Kunst  der 
Composition  der  einzelnen  Lieder,  die  angewendeten  Mittel,  wodurch  so 
lange,  über  1000  Yerse  zählende,  Lieder  zu  Wege  gebracht  wurden  —  bleibt 
schwach  oder  so  gut  wie  gar  nicht  erörtert  Prof  Marjanoviö  hätte  an  dem 
einen  oder  anderen  Beispiel  zeigen  sollen,  durch  welche  Kunstgriffe  ein  Lied 
so  stark  anwachsen  kann,  dass  es,  wie  z.  B.  in  diesem  Bande  Nr.  23,  — 
geradezu  über  1800  Yerse  zählt.  Ihm  scheint  die  unverkennbar  merkwürdige 
Länge  etwas  zu  viel  imponirt  zu  haben  %  Sie  ist  allerdings  charakteristisch 
für  die  mohammedanischen  Lieder,  allein  ich  erblicke  in  dieser  Eigenschaft 
derselben  keinen  besonderen  Yorzug.  Diesen  Liedern  geht  die  concentrische 

1)  Die  Concurrenz  in  der  Länge  brachte  einCuriosum  zu  Wege,  ein  Lied 
über  die  Heirath  Senjanin  Tadija's  (^oHHAöa  GeibaHVH-TaAHJe},  bestehend  aus 
3412  Yersen  (herausgegeben  von  MjuraH  06paA0BHh  in  Belgrad  1891).  Das  ist 
ein  wahres  Monstrum,  das  besser  ungedruckt  geblieben  wäre. 


II 
> 

9 

it 
2 

0 


Marjanovid,  Mohammedanische  Volkfllieder,  angez.  von  V.  Jagiö.     629 

Einheitlichkeit  ab,  die  Erzählung  der  Handlang  schleppt  sich  langsam  fort, 
durch  eine  grosse  Menge  von  episodenhaften  Einzelheiten  in  die  Länge  gezogen. 
Wo  der  Faden  entzweizugehen  droht,  muss  er  durch  ein  Paar  eingeschaltete 
Verse  zusammengehalten  werden.  Die  künstlerische  Gomposition  dieser  Lie- 
der lässt  in  der  That  viel  zu  wünschen  übrig.  Um  diese  Behauptung  an  einem 
Beispiele  zu  illustriren,  nehmen  wir  das  längste  Lied  dieser  Sammlung  Nr.  23, 
das  1812  Verse  zählt  und  zu  den  besseren  gehört.  Das  Hauptthema  bildet  die 
Befreiung  der  7  türkischen  Brüder  aus  dem  Gefangniss  des  Bans  von  Zara. 
Dieses  Thema  wird  mit  einer  Fahrt,  die  das  neuvermählte  Paar  aus  Knin 
nach  Zara  unternehmen  will,  in  Zusammenhang  gebracht,  bei  welcher  Ge- 
legenheiti  jene  Befreiung  zu  Stande  kommt  Eine  weitere  Verkettung  kommt 
dadurch  zu  Wege,  dass  als  Befreierin  der  gefangenen  7  Brüder  ihre  einzige 
Schwester  fungirt.  Lange  Zeit  zieht  überhaupt  sie  allein  die  Hauptaufmerk- 
samkeit auf  sich.  Selbstverständlich  spielt  aus  diesem  Anlass  auch  die  Ver- 
kleidungsscene  eine  Hauptrolle,  denn  sie  verrichtet  ihre  Heldenthaten  als 
ein  verkleideter  Jüngling,  der  weder  von  den  mitziehenden  Helden,  noch 
selbst  von  dem  Bruder  erkannt  wird.  Die  Befreiung  kommt  endlich  zu 
Stande,  der  befreite  älteste  Bruder  bekommt  die  beim  üeberfall  erbeutete 
junge  Christin  zur  Frau,  aber  auch  die  Heldin  des  Liedes  wird  an  einen 
Türken,  der  ihr  wesentlich  beigestanden,  als  seine  —  achte  Frau  verheirathet. 
Von  dem  Bau  von  Zara  ist  zuletzt  nicht  weiter  die  Bede,  er  muss  im  CrefKng- 
niss  zu  Grunde  gegangen  sein  1  Wie  wird  nun  dieses  Thema  im  Liede  er- 
zählt? Wie  kommen  die  1812  Verse  zu  Stande?  Die  Erzählung  beginnt  mit 
der  Scene  der  jammernden  Gefangenen,  sieben  Brüder  schmachten  schon 
7  Jahre  im  Gefangniss  (V.  1 — 15),  woran  erkennen  sie  die  Jahreszeiten,  wird 
in  einer  Episode  erzählt  (V.  16—39).  Ban's  Frau  klagt  über  die  StOmng  ihrer 
Ruhe  durch  das  Jammergeschrei  der  Eingekerkerten  (V.  40 — 64).  Dir  Mann, 
der  Ban,  besucht  die  Gefangenen  im  Kerker  und  führt  mit  dem  ältesten  der 
7  Brüder,  Namens  Bajagiö,  das  Gespräch.  Ans  Mitleid  gegenüber  den  mit- 
gefangenen  6  jüngeren  Brüdern  verspricht  der  Ban  die  Bedingungen  des  Los- 
kaufs anzugeben  (V.  65 — 111).  Bajagiö  macht  sich  anheischig,  alle  Bedingun- 
gen zu  erfüllen,  allein  bei  der  letzten  verweigert  er  es,  da  er  die  einzige 
Schwester  dem  Ban  nicht  ausliefern  wollte  (V.  112 — 145).  Seine  Wnth  über 
die  schmähliche  letzte  Bedingung  ist  so  gross,  dass  er  eine  ganze  Wand  des 
Kerkers  zum  Einsturz  bringt,  wodurch  der  Ban  beinahe  ums  Leben  gekommen 
wäre  (V.  146 — 153).  Nun  sinnt  dieser  auf  Rache,  er  vernrtheilt  die  Gefangenen 
zum  ewigen  Kerker,  droht  aber  ihnen  ausserdem  noch  mit  der  Schmach,  sie 
vor  seine  Kutsche  einzuspannen,  wenn  er  von  Knin  nach  Zara  die  erste  Fahrt 
mit  seiner  jungen  Frau  machen  wird  (V.  154 — 180).  Bajagiö,  als  er  diese 
Drohung  hürte,  suchte  sie  abzuwenden,  er  beschwor  einen  jungen  Ghristen- 
knaben,  der  sich  zufällig  vor  dem  Kerker  aufhielt,  einen  Brief,  den  er  an 
seine  Schwester  schreiben  wird,  dieser  zu  übermitteln  (V.  181— -222).  Der 
Ghristenknabe  verpricht  das  zu  thun,  holt  Feder  und  Papier  und  Bajagiö 
schreibt  mit  eigenem  Blute  den  Brief,  dessen  Inhalt  angegeben  wird  (V.  223— 
284).  Der  Christenknabe  ist  in  Verlegenheit,  da  er  den  Weg  nach  Udbina 
nicht  kennt,  Bajagiö  muss  ihm  denselben  genau  erklären  mit  ansführllohen 


630  Kritischer  Anzeiger. 

VerhaltungsmaAsregeln  (V.  285 — 390).  Der  Knabe  geht  den  ihm  vorgezeich- 
neten  Weg  (V.  391—410).  Zuerst  kommt  er  zu  Maljkoyiö  Stipan  in  Zdilari, 
es  wird  erzählt,  was  ihm  dort  begegnete  (V.  411—482),  dann  zu  Samardzi^ 
Osman  in  (Idbina,  der  ihn  zu  Mustafabeg  führt,  wieder  wird  erzählt,  was  ihm 
da  begegnete  und  in  welcher  Weise  er  zuletzt  zu  Ajkuna,  der  einzigen 
Schwester  des  Gefangenen  Bajagid,  gelangte  (V.  483 — 594).  Nun  wird  die 
Begegnung  mit  der  Ajkuna  zu  Hause  geschildert,  wie  sie  den  Christenknaben 
aufnahm,  den  Brief  von  ihm  erhielt,  auch  die  Mutter  kam  dazwischen  und 
erkundigte  sieh  nach  ihren  Söhnen.  Reich  beschenkt  wird  zuletzt  der  Ejiabe 
entlassen  (V.  595 — 685).  Ajkuna  fasst  nach  einigem  Nachdenken  den  Ent- 
schluss,  selbst  die  Brüder  zu  befreien,  sie  schreibt  Briefe  an  verschiedene 
Personen,  die  um  ihre  Hand  warben,  und  fordert  sie  auf,  jetzt  zu  ihr  zu  kom- 
men, indem  sie  ihnen  neue  Hoffnungen  vorspiegelte  (V.  686 — 738),  von  der 
Rajah  wird  Tribut  in  Natura  (Ochsen,  Schafe)  eingetrieben  (V.  739—766).  So 
erwartet  das  Mädchen  am  Fenster  im  reichen  Aufputz  die  Ankunft  der  ein- 
geladenen Türken,  die  alle  nacheinander  kamen  (V.  767 — 858),  der  Letzte  war 
Tade  derThOrichte  (Y.  859— 921),  es  werden  einige  seiner  Streiche  erzählt 
(V.  922 — ^968).  Inzwischen  hatte  das  Mädchen  den  Vornehmsten  unter  allen 
Angekommenen,  den  Mustafbeg,  zu  sich  berufen  und  ihm  den  Inhalt  des 
Schreibens  ihres  gefangenen  Bruders  mitgetheilt,  der  davon  weiter  erzählt 
(Y.  967 — 1019).  Hier  stockte  die  Erzählung;  um  sie  vorwärts  zu  bringen, 
mussten  zwei  Yerse  eingeschaltet  werden:  »Lassen  wir  den  Beg,  lassen  wir 
die  Helden  Udbinas,  sehen  wir  zu,  was  Bajagi<rs  Ajkuna  nun  machen  wird« 
(Y.  1021—1022).  Das  Mädchen  verkleidete  sich  als  Mann  (Y.  1024—1100), 
holte  das  Lieblingsross  ihres  Bruders,  dieses  wird  beschrieben  (Y.  1101 — 
1180),  niemand  erkannte  den  schmucken  Jüngling  (siel),  man  raunte  sich  nur 
ins  Ohr,  dass  dieser  junge  Held  Sieger  sein  werde  (Y.  1181— 1205).  Der  ganze 
Zug  setzte  sich  auf  Befehl  Mustafbeg's  in  Bewegung,  der  keck-übermttthige 
Jüngling  thut  sich  in  jeder  Weise  hervor,  er  schlägt  Wettspiele  vor  und  wird 
Sieger,  verräth  sich  aber  dem  Mustafbeg  durch  die  aufgelösten  Haare  als 
Mädchen  (Y.  1206 — 1301).  Er  musste  nun  ruhig  an  seiner  Seite  reiten,  bis  sie 
in  die  Nähe  von  Knin  kamen  (Y.  1302—1362).  Als  unter  Kanonendonner  der 
Hochzeitszug  aus  Knin  herausfuhr,  verkündete  der  verkleidete  Jüngling 
wer  er  sei,  das  Mädchen  versprach  demjenigen  von  den  zahlreichen  türki- 
schen Kampfgenossen  die  Hand  zu  reichen,  der  die  vor  die  Kutsche  einge- 
spannten 7  Brüder  befreien  wird  (Y.  1363 — 1388).  Sie  selbst  zeigt  auch  jetzt 
noch  den  grössten  Muth  und  hat  den  grössten  Erfolg,  da  sie  selbst  sich  dem 
Wagen  nähert  und  daraus  die  christliche  Frau  raubt,  und  während  ein  Türke 
Mujaga  ihre  Brüder  befreit,  jagt  sie  dem  Ban  bis  nach  Zara  nach,  verfolgt  ihn 
bis  in  die  Festung  hinein  (Y.  1389 — 1477).  Sie  fordert  ihn  zum  Kampfe  heraus, 
besiegt  ihn  mit  Hilfe  desselben  Türken,  der  ihre  Brüder  befreit  hatte.  Der 
Ban  wird  gebunden,  und  während  sie  mit  der  erbeuteten  Frau  desselben  da- 
voneilt, wird  er  mit  anderen  gefangenen  Türken  vor  den  Wagen  gespannt 
(Y.  14T8 — 1554).  Nach  Hause  zurückgekehrt,  vertheilen  die  Sieger  die  Beute 
untereinander,  bei  dem  nun  folgenden  Festmahl  erzählt  der  befreite  Bruder  von 
denHeldenthaten  eines  unbekannten  Jünglings  (Y.1555 — 1650),  die  Schwester 


Marjanovld,  Mohammedftnische  Volkslieder,  angez.  von  V.  Jagiö.     631 

entdeckt  ihm,  dass  sie  es  war,  die  erbeutete  christliche  Frau  wurde  zur  Türkin 
gemacht  und  von  Bajagid  zur  Frau  genommen  (V.  1651—1684),  aber  auch 
Ajkuna  erzählt  nochmals  ihrem  Bruder  alles,  was  sie  geleistet  und  wie  sie 
sich  dem  Befreier  ihrer  Brüder  zur  Frau  versprochen,  was  jetzt  auch  ausge- 
führt wird  (V.  1685—1812).  — 

Aehnlich  würde  die  Analyse  eines  jeden  anderen  längeren  Liedes  aus- 
sehen, d.  h.  überall  wird  der  Gang  der  Haupthandlung  durch  eine  Menge  von 
eingeschalteten  Einzelheiten  retardirt,  das  Nebensächliche  macht  sich  auf 
Kosten  der  Hauptsache  ungebührlich  breit  Psychologisch  setzen  diese  Lie- 
der eine  ganz  andere  Stimmung,  als  die  serbischen  Heldenlieder  der  christ- 
lichen Bevölkerung  voraus.  Bei  letzteren  concentrirt  sich  die  Aufmerksam- 
keit der  Zuhörer  in  der  Regel  auf  eine  Hauptthat  eines  einzelnen  Helden,  bei 
*^  ersteren  besteht  die  Erzählung  zumeist  aus  einer  Mehrzahl  von  aufeinander- 

folgenden Unternehmungen,  die  in  ihrer  Mannigfaltigkeit  mehr  auf  Befriedi- 
gung der  Neugierde  als  auf  Erbauung  berechnet  sind.  Damit  hängt  zusammen, 
dass  in  den  mohammedanischen  Liedern  meistens  viele  Namen  genannt  wer 
den,  die  an  der  Ausführung  des  Vorhabens  in  irgend  einer  Weise  betheiligt 
sind^  jedenfalls  mehr,  als  bei  den  christlichen.  Unter  den  Helden,  die  hier 
genannt  werden,  mohammedanischen  und  christlichen,  hebe  ich  einen  heraus, 
den  öfters  erwähnten  Stipan  Maljkoviö  (vergl.  Nr.  7  S.  125—133,  Nr.  8  S.  162, 
Nr.  9  S.  171  ff.,  Nr.  10  S.  195  ff.  200.  204  ff.,  Nr.  17  S.  361.  376  ff.,  Nr.  20,  S.448, 
Nr.  22  S.  477  ff.,  Nr.  23  S.  494  ff.,  Nr.  24  S.  542  ff.),  um  zugleich  die  Frage  auf- 
zuwerfen, ob  das  nicht  jener  Held  ist,  von  dem  esbelKuripesiöimXVL  Jahrh. 
(cf.  meine  Gradja  S.  82)  heisst :  »Von  Malkoschiz  thut  man  viel  in  Groatien 
und  Bossen  von  seinen  redlichen  Thaten  singen«?  Zwischen  den  Namen 
Maljkoviö  und  Malkoschitz  ist  der  Unterschied  nicht  gross,  wenigstens  kein 
anderer  Name  unter  den  vielen  christlichen  oder  mohammedanischen  Helden, 
die  wir  jetzt  schon  aus  Jukid,  Erasiö,  Hörmann,  Marjanoviö  kennen,  kommt 
dem  Kuripesiö^schen  »Malkosiö«  näher.  Der  Vnterschied  zwischen  Maljkoviö 
und  Malkosiö  ist  nicht  grösser,  als  der  zwischen  Osman  Tankoviö  (bei  Jukiö 
S.  202  u.  sonst)  und  Osman  Tankosiö  (bei  St.  Ma&uraniö  S.  35)  —  offenbar  die- 
selbe Person. 

Neben  vielen  Personennamen  spielt  auch  die  genaue  geographische 
Orientirung  in  diesen  Liedern  eine  hervorragende  Rolle.  Das  Studium  des 
geographischen  Hintergrundes  in  der  epischen  Volksdichtung  der  Serben  und 
Kroaten  hat  man  noch  gar  nicht  begonnen.  Man  kennt  zwar  die  Theorie  des 
Herrn  Dr.Sörensen,  nach  welcher  die  serbische  Volksdichtung  eigentlich  vom 
Norden  aus  ihre  Verbreitung  fand.  Mag  das  richtig  sein  oder  nicht  (das  letz- 
tere glaube  ich),  jedenfalls  kann  man  es  in  den  allermeisten  Fällen  dem  Volks- 
lied gleich  anmerken,  ob  es  nahe  dem  Schauplätze  seiner  ursprünglichen 
Begebenheit,  durch  mündliche  Ueberlieferung  daselbst  fortgepflanzt,  zuletzt 
auch  aufgezeichnet  wurde,  oder  ob  es,  durch  Wanderungen  weiter  verbreitet, 
allmählich  an  der  geographischen  Klarheit  einbüsste.  Beim  Studium  des  geo- 
graphischen Hintergrundes  müsste  man  eigentlich  immer  von  reinen  Typen 
ausgehen.  Kommt  uns  ein  solches  Lied  in  die  Hand,  so  müssen  wir  häufig 
über  die  reichen  und  immer  genauen  Ortsangaben  geradezu  staunen. 


632  Kritischer  Anzeiger. 

Selbst  mit  Hilfe  der  Karten  des  Osterreichischen  Gkneralstabes  (ich  be- 
nutzte die  Gtoneralkarte  1:200000)  kann  man  nicht  allen  Benennungen  von 
Orten,  Bergen,  Engpässen  nnd  Thälem  nachkommen,  man  mnss  h&nfig  selbst 
die  Specialkarten  (1 :  75000)  zur  Hand  haben,  dafür  aber  ist  man  in  der  Lage, 
durch  das  dort  verzeichnete  Material  sehr  schön  die  Bewegung  der  besungenen 
Helden  von  Schritt  zu  Schritt  zu  verfolgen.  Da  merkt  man  auch  bald,  wie  die 
geograph.  Verwirrung  durch  die  Entfernung  des  Liedes  von  dem  eigentlichen 
Schauplatze  desselben  entstehen  kann.  Z.  B.  bei  HOrmann  Band  I,  S.  303 
liest  man  den  Vers:  »Sa  Pogrgja  iznad  Knina  b'jelog«  —  der  Erzähler  dieses 
Liedes  hat  offenbar  die  geogr.  Situation  nicht  mehr  verstanden,  vergleicht 
man  damit  die  Stelle  auf  S.361  dieser  Ausgabe,  wo  eiaVers  lautet:  »Sa  Pod- 
krklja  od  Kninja  bijela«  —  so  wird  gleich  klar,  dass  es  sich  hier  um  eine 
Benennung  des  Flussgebietes  Krka  handelt,  also  um  Pokrcje  oder  Pokrme, 
Potkrklje  (wie  Posavlje,  Podunavlje  u.  s.  w.) .  Oder  wenn  neben  häufiger 
Nennung  Vuojak  im  Gebirge  Velebit  einmal  Kunara  bei  uns  dafür  eintritt 
(S.  491)  —  so  ist  das  eine  Reminiscenz  aus  anderen  Liedern,  wo  Kunara  sehr 
häufig  genannt  wird,  allerdings  wird  auch  dort  Kunara  meistens  irgendwo  im 
Grenzgebiet  zwischen  Lika  und  Kotari  (oder  Küstenland)  gedacht,  vergl.  bei 
Jukiö  S.  45.  46.  105.  106.  158.  161.  168.  193.  202.  206.  212.  216.  217.  242.  243. 
244.  251.  266.  269.  281.  289.  371.  373.  401.  512.  551.  Offenbar  spielt  hier  Kunar 
oder  Kunara  dieselbe  EoUe,  wie  in  den  jetzt  von  Marjanoviö  herausge- 
gebenen Liedern  Vucjak.  Hörmann's  Sammlung  kennt  Vuojak  L  297,  IL  481. 
484.  486.  491,  492,  auch  Vucaj  IL  523.  526.  529,  doch  viel  häufiger  begegnet 
Kunara  L  405.  406.  407.  510.  512.  513.  560,  IL  5.  6.  8.  9.  101.  102.  138. 139. 160. 
172.  184.  192.  194.  244.  516. 

Ich  fand  in  keiner  bisherigen  Sammlung  so  anschauliche  Schilderungen 
des  Schauplatzes,  wie  in  diesem  Bande  der  mohammedanischen  Volkslieder, 
deren  Terrain  sich  über  Lika,  Krbava,  Westbosnien  und  Norddalmatien  er- 
streckt. Den  Ausgangspunkt  einzelner  Lieder  bilden  die  Orte  Bihaö  (Nr.  3. 4), 
üdbina  (Nr.  6.  7.  8.  13.  15.  17.  25),  Gospi6  (Nr.  10.  20),  Brinje  (Nr.  9).  Buni45 
(Nr.  12),  Cetina  (Nr.  16),  Kotari  (Nr.  11. 14. 21. 24),  Islam  (Nr.  18),  Zadar  (Nr.  23), 
Hlivno  (Nr.  19).  Selbstverständlich  wird  auch  die  Umgebung  von  Bihad  nnd 
Land  Lika  am  häufigsten  genannt  Neben  Bihao  (genit.  Bisda),  von  welchem 
es  heisst:  s  jedne  ga  strane  Una  zaklonila,  s  druge  strane  gora  Plisivica 
(S.  387),  erstreckt  sich  die  Ebene  von  Bihaö-Prisika  (S.  39.  48,  fehlt  auf  der 
Karte),  zu  Biha<S  kommt  man  »niz  Grabeisje«  (S.  68,  auf  der  älteren  Gst-Karte 
war  Grabet  pl.  östlich  von  Bihad  eingetragen),  niz  polje  biha^Sko  sieht  man 
vor  sich  »doVinice  i  do  Cakrlije«  (54,  cf.  70,  auf  der  Landkarte:  Vinca, 
Öekerlije).  Auf  beiden  Seiten  der  Una  sind  Golubiö  (S.  48.  55.  69)  und  Bipao 
(40.  70,  genit.  Bipca,  daher  Ripacki  klanac  [40],  nicht  Ripac),  ganz  nahe  zu 
Golubiö  gegen  Westen  liegt  Sokolac  (i  Sokolac  vise  Bisda  69,  Sokolac  ka- 
raula  mala  57),  »Zaloije  kleto«  scheint  ein  Gebirge  zu  sein,  vielleicht  dort,  wo 
auf  der  Karte  Zalol^e  als  Ort  angegeben  ist  (55).  Der  heutige  Ort  Zavalje  wird 
in  diesen  Liedern  öfters  »  Zavo\je«  genannt  (S.  55. 56. 73).  Südöstlich  von  Bihad 
zieht  sich  das  Gebirge  Grmeo  [pod  Grmecom  S.  61,  nicht  Grmid  wie  jetzt  auf 
der  Kartö)  und  noch  weiter  gegen  Süden  Grvljevica  planina  (S.  48.  387, 


Marjanovid,  Mohammedanische  Volkslieder,  angez.  von  V.  Jagid.     633 

fehlt  auf  der  neuen  Karte  1).  Grabei^  verbindet  mit  Grmec  das  Gebirge  Jadovik 
(S.  69,  auf  der  Karte  Jedoyik),  eine  Spitze  davon  heisst  Bisovac,  wozu  auch 
Glavica  kleta  zählt  (S.  59).  Oestlich  von  Bihaö  liegt  Krupa  (S.  56.  283},  da- 
neben Harapnsa  vise  Jasenice  (S.  57)  and  Hasani  (gen.  plur.  Husana),  nicht 
weit  davon  Potkalinje  (57)  und  JoSavka  (nicht  auf  der  Karte),  bis  Glavica 
Predojeviöa  (ib.,  auf  der  Karte  Pr.glava),  und  Lusci,  gen.  Lulsaca  (59).  Südlich 
von  Bihad  an  der  Una  liegt  Kulin-Vakuf,  östlich  davon  Bilaj  (40.387,  bilajsko 
poljeib.,  auf  der  Karte:  Bjelaj,  bjelajsko  polje),  zu  unterscheiden  von  Bilaj 
na  Lici  (S.  133);  vom  ersteren  Bilaj  heisst  es  »unaoka  ga  liupa  zaklonila, 
s  jedne  strane  Una  opasala,  Ostrovica  kamena  glavica«  (auf  der  Karte  nicht 
zu  finden),  »Crljevica  gora  nadjahala«  (S.  387).  Unweit  von  Bilaj  ist  Petrovac 
(S.  41.  68),  von  da  kam  man  über  Palezje  (unbekannt)  nach  Vakuf,  weiter  an 
die  kleinen  Orte  Klisa  und  Orasac  (alle  an  der  Una)  ib.  Westlich  davon  liegt 
das  Gebirge  Basaca  (S.  113),  mit  einem  unbekannten  Ort  Ibrinovac. 

£in  anderer  wichtiger  Punkt  war  Udbina,  östlich  von  Gospiö  gelegen  — 
der  eigentliche  Mittelpunkt  der  damaligen  Türken  in  Lika  und  E^rhava. 
Udbina  galt  als  Ort  und  Bezirk:  »po  Udbini  i  sirokoj  Lici«  (S.  101),  neben 
Udbina  grad  (S.  104).  Nördlich  von  Udbina  liegt  der  Ort  Buniö  (S.  101),  vor 
Udbina  ist  der  Fluss  Grvad  (S.  102.  204. 221. 368. 369,  auf  der  Landkarte  nicht 
bezeichnet),  südlich  von  Udbina  ist  Baduc  (S.  169.  455.  457.  468.  483.  527). 
Zusammengestellt  mit  Udbina  und  Ribnik  kommen  die  drei  Namen  so  vor: 
äajete  li  Turci  po  Udbini,  Po  Udvini  i  turskom  Raducu,  po  svoj  Lici  lipo  do 
Ribnika).  Ribnik  ist  an  der  Lika  südlich  von  Bilaj.  Man  pflegte  zu  sagen 
»niz  Liku  Ribniku«  (S.  175)  oder  »Po  svoj  Lici  do  Ribnika«  (S.455.  560),  von 
da  führte  der  Weg  weiter  auf  Korin  planina  (S.  175.  558)  bei  Velebit  (ukraj 
Velebita,  S.  257,  auf  der  Landkarte  nicht  eingetragen).  Von  Udbina  führte 
der  Weg  »na  Kotare«  über  das  Gebirge  Yuojak,  das  häufig  erwähnt  wird 
(102.  129.  162.  204.  300),  überhaupt  ging  hier  die  Grenze  zwischen  Lika  und 
Kotari:  navrh  Vucijaka,  kud  je  medja  lioka  i  kotarska  (S.  162.  310)  —  ich 
finde  Vuojak  auf  der  Generalstabskarte  nicht,  wohl  aber  auf  der  Specialkarte, 
unweit  von  Mala  Popina,  westlich  davon,  vergl.  Zone  29,  Gol.  XIV.  —  Natür- 
lich kennen  die  Lieder  auch  Velebit  (213.  252.  255.  574),  unter  diesem  liegt 
Novi  (Novigrad)  S.  213.  255,  wie  man  deutlich  sieht  auf  S.  552:  »Tegli  Ale  do 
Novoga  grada,  Pod  Velebit  dojaha  djogata,  kroz  Velebit  ata  projahao,  S  onu 
stranu  Velebita  sidje.  Oder  in  umgekehrter  Richtung :  »uz  Kotar  Vucjaku, 
udarise  priko  Vucijaka«  447.  An  einer  Stelle  heisst  es:  »Od  Novoga  ispod 
Velebita  NaUdvinu  deset  punih  sahta«  254.  Der  Weg  wird  beschrieben  S.165. 
Andere  Orte  Lika's  sind:  Gospid  (S.  420.  436.  442),  Briiye  (S.  165.  169.  170), 
Otocac  (176.  182.  253.  258.  259.  269),  in  der  Nähe  da^on  sind  »voda  Gastica« 
(ib.  234.  236.  239.  267),  Sinjac  (S.  180)  und  Vrhovi  (S.  233,  vermuthlich  das 
heutige  Vrhovine  bei  Otocac),  dort  wo  auch  Jablan  und  Starac  bunar  (S.  234). 
Tiefer  unten  in  der  Lika  liegen  »Tmovac  na  Lici«  (S.  113),  Popina  (S.  199. 
200).  Endlich  wird  auch  dem  Meere  zu  das  Gebirge  Vratnik  erwähnt  (S.  234} 
und  natürlich  auch  Senj  (S.  229)  und  Dral^ica  (ib.  235,  auch  »voda  DraUca«). 

Unter  Kotari  versteht  man  bekanntlich  das  dalmatinische  Gebiet  süd- 
lich von  Velebit,  bis  ans  Meer,  die  fruchtbaren  Thäler  und  Ebenen  von  Zara 


634  Eritisoher  Anzeiger. 

gegen  Knin  zu  (doch  lag  Enin  schon  in  der  Krajina  S.  296).  Eotari  bildeten 
fortwährend  einen  verlockenden  Gegenstand  der  Angriffe  und  Plünderungen 
seitens  der  Likaner  Türken  (poesto  Turci  treu  na  Eotare«  S.  275).  Gab  es 
einige  Zeit  Ruhe,  so  erholte  sich  das  Ländohen,  erblühte  in  Beichthum,  wie 
es  schön  auf  S.  355—356  geschildert  wird.  Die  Lieder  unterscheiden  »dva 
Eotara«  (S.  129.  276.  356.  532),  d.  h.  die  oberen  und  unteren  Eotari  (»na  Eo- 
taru  ni  gornjem  ni  donjem«  S.  454,  »doiyi  Eotari«  S.  211.  213).  Die  oberen 
Eotari  hatten  eine  Reibe  (nach  S.277  dreissig)  Castellen  (»gledaj  redom  kule 
niz  Eotare«  S.  103).  Als  die  ersten  Punkte  jenseits  des  Vuojak  werden  ge- 
nannt: der  Berg  Otres  (S.  153),  die  Orte  Mazinao  (vielleicht  Mazin  in  der 
Lika?),  Suljanac  oder  Suljanski  klanac,  Staparje  (S.  126),  auch  Duboko 
(S.  356),  Breznlje  [S.  HO),  und  Bistrica  (S.  211)  —  alles  unbekannt,  nur  Islam 
(S.  322.  382.  393)  und  Biljane  (S.  418)  kennt  man.  Auch  Zara  gehörte  in  das 
Gebiet  der  Eotari :  »Iz  Zadra  6u  se  jeka  na  oba  Eotara«  S.  160,  daher  sagte 
man:  »hajde  sa  mnom  Zadru  niz  Eotare«  (S.  143.  209),  oder  »yavik  Zadru 
gleda  niz  Eotare«  (S.  533).  Bei  Zara  selbst  werden  Grobnioe  erwähnt  (S.  291. 
536.  568,  auf  der  Specialkarte  heisst  das  Gebirge  ober  Zara  —  Grobnica,  es 
gibt  Grobnica  gomja  und  dolnja,  daher  plur.  Grobnice),  dann  Vedrice  (»da  on 
Zadru  niz  Vedrice  trce«  S.  414.  415.  491),  derselbe  Name  wird  auch  Vedrine 
genannt  (»na  Vedrine  ravne«  S.  322.  324).  Das  südlich  von  Sinj  gelegene 
Dorf  Vedrine  dürfte  hier  kaum  gemeint  sein.  An  einer  Stelle  reitet  der  Held 
durch  Lipovac,  Erii^ice,  Bukovica  und  Lasakovica,  um  nach  Eotare  zu  ge- 
langen (S.  328).  Da  wird  auch  das  Gebirge  Durbaba  genannt  (man  erinnere 
sich  aus  der  Volkserzählung  des  Spruches :  dur,  babin»  kobila!)  S.  254.  538; 
ebenso  Studene  stine  (S.  277). 

Sonst  werden  aus  Norddalmatien  erwähnt:  Enin  (S.  116. 283)  nebst  Erka 
(S.284)  und  Potkrklje  (S.  351),  Skradin  (S.  324),  Vrljika  (S.  221.  468),  mit  dem 
unrichtigen  Zusatz  »isrid  Like  klete«,  Cetina  (in  der  Erajina,  S.  320),  am 
oberenLaufe  des  Flusses  [S.  222. 477)  »ispod  Snjegotine«  (S.419),  auch  Cetina 
grad  (S.  319).  Weiter  Vrana  (S.  476),  gibenik  (S.  303. 415)  nebst  Erasulj  (oder 
Erasulje).  Der  Fluss  Zrmanja  ist  den  Liedern  bekannt  (S.  213) ;  wo  aber  das 
Gebirge  Eelecevo  (S.  354)  liegt,  das  kann  ich  nicht  sagen  (nach  dem  Liede 
nicht  weit  von  Eotari).  £benso  unbestimmt  ist  Prozor  am  Meere  (S.  212). 
Die  Heimkehr  aus  Hlivno  wird  über  Grahovo  und  Bukovica  gemacht  (S.  393. 
416),  da  wird  auch  Zecevo  und  Gepiöevo  genannt  (S.  417). 

In  Bosnien  kommen  noch  zur  Sprache  Eladusa  (S.  224.  283),  Pridor  und 
Eozarac  (S.  68),  Eljno  (S.  41. 283),  Varcar  (S.  4 1),  Jajce  (S.  41 .  284),  Travnik  (S.  42. 
284),  Glamoo  (S.  42. 283. 387. 422)  nebst  Glamocko  polje,  dort  wo  auch  Dragnid 
(S.  45),  von  da  führte  der  Weg  überEoriöna  staza(Eoriona  stehtauf  der  Special- 
karte Zone  30,  Col.  XVI)  und  Bukva  vrletna  nach  Hlivno  und  weiter  nach  Duvno 
(S.42.  68.  116. 135. 194. 283. 284. 388. 395. 405.  409),  die  Lieder  erwähnen  dabei 
den  Bistrica-Fluss  (S.  250. 384)  und  Prolog  planina  (S.  384. 390. 41 6).  Hinter  Hlivno 
wird  noch  Grljene  stine  (S.  391 )  genannt  (auf  der  alten  (xeneralBtabB-Earte  Grve- 
nica  Stiena,  jetzt  fehlt  es),  und  Smroani  (S. 388. 393,  auf  der  G.-Earte  Smrioani). 
Auch  äujice  carske  werden  (S.  68)  erwähnt  (auf  der  G.-Earte  §uica),  femer 
obadva  Skoplja  ib.  (wohl  Vakuf  gonoji  und  doiyi  am  Vrbas).  V»  Jag%6. 


Leger,  facsim.  Ausgabe  des  Beimser  Codex,  angez.  von  Y.  Jagid.     635 

L'Eyangäliaire  slavon  de  Reims,  dit :  Text  du  sacre.  Edition  fao- 
simile  en  b6Iiograynre,  pübli6e  soas  les  anspiees  de  rAcad^mie 
Nationale  de  Reims,  pröcödöe  d'ane  Introduction  historiqae  par 

Lonis  Leger.  1899.  Paris-Pragne.  fol. 

Es  gibt  nicht  nur  privilegirte  Menschen,  sondern  auch  Bücher.  Zu  sol- 
chen vom  Glück  begünstigten  Büchern,  oder  eigentlich  Handschriften,  gehört 
das  oben  citirte  Denkmal,  das  innerhalb  desselben  XIX.  Jahrhunderts,  binnen 
55  Jahren  zweimal  in  prachtvoller  Ausstattung,  in  genauer  Beproduction,  das 
Licht  der  Welt  erblickte  und  ausserdem  auf  gewöhnlichem  Wege  der  Typo- 
graphie eine  Ausgabe,  ^veranstaltet  von  W.  Hanka,  erlebte.  Die  Geschichte 
des  Denkmals  ist  in  der  Tbat  so  seltsam,  dass  es  bis  in  die  neueste  Zeit  die 
ganze  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehen  musste.  Es  waren  fast  weniger  die 
Philologen,  als  die  Grossen  dieser  Welt,  Kaiser  und  Könige,  deren  wirkliche 
oder  angebliche  Berührung  mit  dem  Denkmal  weit  und  breit  seinen  Ruf,  seine 
Berühmtheit  begründete.  Geschichte  und  Sage  bemächtigte  sich  des  Denk- 
mals, vereint  erzählten  sie  von  ihm  allerlei  Dinge,  die  es  erlebt,  aber  auch  die 
es  nie  erlebt  hat. 

Auch  diese  neueste  als  Heliogravüre  unter  der  Redaction  des  officiellen 
Slavisten  Frankreichs,  Prof.  Louis  Leger,  veranstaltete  Ausgabe  kann  als 
Beweis  gelten,  dass  über  diesem  Denkmal  noch  immer  ein  Glücksstern  leuch- 
tet. Denn,  um  es  aufrichtig  herauszusagen,  der  Inhalt  des  Codex  selbst  würde 
zu  dieser  ausserordentlichen  Bevorzugung  keine  Berechtigung  geben.  Prof. 
Louis  Leger  ist  nur  aus  pietätvoller  Achtung  für  das  einst  in  hohen  Ehren 
seiner  schönen  Heimath  gestandene  slavische  Denkmal  auf  den  Gedanken  ge- 
kommen, dieser  Publication  durch  seine  Betheiligung  Vorschub  zu  leisten. 
Seine  Theilnahme  ist  durch  die  schöne,  lichtvoll  geschriebene  und  mit  reich- 
lichen bibliographischen  Belegen  versehene  Introduction  gekennzeichnet,  in 
welcher  mit  nüchterner  Earitik  die  sagenhaften  Bestandtheile  der  Vorge- 
schichte dieses  Denkmals  beseitigt  werden.  Mit  Recht  sagt  Prof.  Leger:  Oe 
manuscrit  cyrillique  n'aurait  qu'une  valeur  secondaire  sans  les  grands  Souvenirs 
auxquels  il  se  rattache  (p.  16).  Ich  hätte  mit  noch  grösserer  Entschiedenheit, 
als  es  in  seiner  Introduction  geschieht,  den  cyrillischen  Theil  erst  der  zweiten 
Hälfte  des  XII.  Jahrh.  zugewiesen.  Dieser  Text  ist  offenbar  eine  südwest- 
russische, auf  einer  bulgarischen  (mit  Serbismen)  Vorlage  beruhende  Ab- 
schrift, die  kein  "l,  v,  kein  h  und  selbst  kein  h>  (ich  fand  lo  nur  einmal  auf 
fol.  H>:  noycTETH  n,  sonst  dafür  a)  anwendet,  a  in  russischer  Weise  für  or,  aber 
auch  zuweilen  in  serbischer  für  e  gebraucht  (z.  B.  10^  abha  für  abhhk,  22^  (9 
Ha3apA«a  für  Ha8ap6«a,  23&  rpicthtjlsa  für  rpicthtcja),  ebenso  serbisch  dann 
und  wann  e  für  a  schreibt  (z.  B.  5^,  19*  csoe  für  cboa,  1^  ^  nee,  27»  ci  oHoe  crpa- 
HLi,  32»  le  für  a).  Die  auch  von  Prof.  Leger  betonte  grosse  Nachlässigkeit  des 
Schreibers,  die  sich  im  zahlreichen  Auslass  einzelner  Buchstaben  und  ganzer 
Silben  äussert,  fällt  bei  den  sonst  sehr  schönen  Schriftzügen  besonders  auf« 
Viel  einfacher  gestaltet  sich  für  uns  heute  der  glagolitische  Theil,  von  dem 
bekanntlich  die  beiden  vorausgehenden  Jahrhunderte  so  gut  wie  keine  Ahnung 


636  Kritischer  Anzeiger. 

hatten,  wenn  auch  die  Legende  über  die  Aeasseningen  Peters  des  Grossen 
betreffs  der  beiden  Theile  des  Denkmals  sich  als  eine  unbegründete  Erzählung 
herausstellt. 

Bei  der  heute  so  weit  fortgeschrittenen  Technik  der  Reproduction  alter 
Denkmäler  der  Kunst  —  also  auch  der  Schriftkunst  —  mnss  man  wirklich 
bedauern,  dass  so  selten  im  Interesse  der  slayischen  Philologie  und  Alter- 
thumswissenschaft  davon  Gebrauch  gemacht  wird.  Wie  wenige  Schätze  der 
reichen  russ.  Bibliotheken  liegen  in  photographischer  etc.  Reproduction  vor? 
Und  doch  ist  noch  das  meiste  in  dieser  Beziehung  in  Bussland  geschehen, 
wenn  auch  nicht  immer  in  befriedigender  Weise.  So  z.  B.  die  Beproduction 
des  Ostromirschen  Evangeliums  ist  geradezu  abscheulich!  Besser  ist  die 
Publication  des  Izbornik  1073.  Nicht  besonders  befriedigend  möchte  ich  die 
Ausgaben  der  PovdstB  yremennych'B  \^th  nennen.  Die  vorliegende  Arbeit 
zeichnet  sich  durch  französische  Eleganz  aus.  Ich  kenne  zwar  nur  6ine  Aus- 
gabe derselben,  die  von  der  Anbringung  der  Farben  absieht,  und  auch  diese 
lässt  die  von  Silvestre  auf  Kosten  des  Kaisers  Nicolans  I.  veranstaltete  Be- 
production ganz  zurücktreten.  Erst  jetzt  sieht  man  den  wahren  Charakter 
der  Schriftzüge  des  Denkmals,  die  bei  Silvestre  durch  zu  scharfen  Schnitt, 
namentlich  in  den  feinen  Linien,  viel  steifer  aussehen,  als  in  der  Wirklich- 
keit, zuweilen  auch  eine  ganz  andere  Form  haben,  z.  B.  x.  Jetzt  erscheint 
jener  magere  Typus,  der  bei  der  Ausgabe  Silvestre's  jedem  Kenner  der  slav. 
Paläographie  auffallen  musste,  wesentlich  gemildert  Die  schöne,  kleine 
Schrift  des  Denkmals  tritt  in  ihrer  realen  Wirklichkeit  ruhiger,  fast  möchte 
ich  sagen  gemüthlicher  auf  und  lässt  diesen  Codex  allen  schöneren  Schrift- 
zügen des  XII.  Jahrh.  näher  treten,  als  es  nach  Silvestre  der  Fall  war.  Durch 
die  Vergleichung  beider  Ausgaben  überzeugt  man  sich  bald,  dass  Herr  Lo6 
im  [Archiv  IX.  478  ff.  viele  so  zu  sagen  selbstverständliche  Ungenauigkeiten 
der  Silvestre'schen  Beproduction  (wie  z.  B.  Verwechselung  von  x  und  a,  ■ 
und  H,  oder  h  und  n,  c  und  «,  b  und  b)  unerwähnt,  einige  Male  sogar  nicht  un- 
wichtige Fehler  unberücksichtigt  gelassen  hat,  z.  B.  2%  Z.  13  steht  bei  Sil- 
vestre BL  tT-  äü  statt  des  richtigen  bb  «ri*  Äii,  oder  2^,  Z.  18  bei  Silvestre 
CTOAme  statt  des  richtigen  croAine,  u.  m.  a.  Den  allein  zuverlässigen  Text 
bietet  also  erst  diese  neue,  von  Prof.  Leger  besorgte  Ausgabe. 

Möge  der  rege  Absatz  dieser  Publication  —  sie  ist  in  dreifacher  Aus- 
stattung zu  100, 150  und  300  francs  verkäuflich  und  fUr  Oesterreich  am  be- 
quemsten durch  Äivnic  in  Prag  zu  beziehen  —  den  Herausgeber  ermuthigen, 
mit  der  Zeit  noch  etwas  aus  den  in  Frankreich  befindlichen  Slavicis  in  ähn- 
licher Weise  zu  reproduciren.  Dem  Prof.  Leger  gebührt  für  die  der  Publi- 
cation gewidmete  grosse  Sorgfalt  unsere  aufrichtige  Anerkennung. 

V.J. 


Kleine  Mittheilungen. 


Zu  Mencetiö. 

Unter  den  Qedichten  des  MencetiiS  befindet  sich  eines,  handsohriftlioh 
als  dialogus  bezeichnet,  das  in  der  Ausgabe  (Stari  pisci  II,  S.  55)  folgender- 
massen  erscheint: 

Lndos  te  mogu  reo  dobiva  nebore, 

ako  mnifl  da  ateö  Ljnbayi  tko  more. 
Uteöi,  ateöi.  Eamo?  svnd;  ti  li?  ja. 

Ne  reci!  ne  redi?  stoj  mnoe;  podji  tja. 
Ja?  da  tko?  maoi;  za  c?  negovor';  govorim. 

Istes?  sto?  Ijnven  plac,  u  kom  se  vas  morim. 
A  za  sto?  jer  mila  dvorit  mi  ne  bjese; 
da  sto  bi?  nje  sila  stvori  mi  sto  htjese. 

Der  Herausgeber  Jagiö  macht  dazu  die  Bemerkung:  »der  Text  ist  un> 
verändert  beibehalten,  obwohl  er  kaum  verständlich  ist«.  Ich  möchte  den 
Versuch  machen,  mit  Hilfe  kleiner  Aenderungen  die  Ordnung  des  G^präches 
herzustellen  und  zum  Yerst&ndniss  des  Textes  beizutragen. 

Indem  ich  die  redenden  Personen  mit  (A)  und  (B)  bezeichne,  schlage  ich 
vor,  so  zu  lesen : 

(A)  Ludos  te  mogu  reo  dobiva  nebore, 

ako  mnis  da  uteö  Ljubavi  tko  more. 

(B)  Uteci,  utecil  (A)  Kamo?  (B)  Svud,  tidimja. 

(A)  Ne  reci,  ne  reci  t  stoj  muoe,  podji  Ija  I 
(B)  Ja?  (A)  Da  tko?  muoil  ne  govor*,  govorim. 

(B)  Istes  sto?  (A)  Ljuven  plao,  u  kom  se  vas  morim. 
(B)  A  za  sto?  (A)  Jer  mila  dvorit  mi  ne  bjese. 

(B)  Da  sto  bi?  (A)  Nje  sila  stvori  mi  sto  htjese. 

Ausser  der  Ersetzung  des  li  (V.  3)  durch  dim  sind  die  übrigen  Aende- 
rungen nur  orthographisch.  Zur  Verdeutlichung  des  Sinnes  sei  die  deutsche 
Uebersetzung  beigefügt: 

(A)  Ich  darf  sagen,  du  bist  von  Thorheit  befangen,  wenn  du  meinst,  es 
könne  jemand  der  Liebe  entrinnen.  (B)  Flieh  nur,  flieh  I  (A)  Wohin? 
(B)  Ueberallhln,  sage  ich  dir.  (A)  Sage  nichts,  sage  nichts;  schweig  still; 
geh  fort!  (B)  Ich?  (A)  Wer  sonst?  schweigt  rede  nicht,  sage  ich.  (B)  Be- 
gehrst  du  (noch)  etwas?  (A)  [Nur]  den  Liebesgram,  in  dem  ich  mich  ganz 
verzehre.    (B)  Und  warum?    (A)  Weil  es  mir  nicht  vergönnt  war,  der  Lieb- 


638  Kleine  Hittheilangen. 

sten  zu  dienen  (d.  h.  meine  Liebe  zu  erweisen).  (B)  Was  ist  denn  geschehen? 
(A)  Ihre  Grewalt  that  mir  an,  was  sie  wollte  (d.  h.  sie  behandelte  mich  will- 
kürlich, rücksichtslos).  A,  Leskien. 

Zur  Bibliographie  apokrypher  Gebete. 

Im  zweiten  Bande  der  »nsB^cTlA  orx^eHlH  pyccRaro  HsuRa  h  cioBecHocrH 
HMnepaiopcKo&  aKaAeMix  HayKX«  S.  608—610  ist  von  H.  Y.  Kacanoyskij  ein 
Gebet  gegen  den  schlechten  Regen  gedruckt.  Die  Handschrift,  worin  H.  Ea- 
oanoYsk^  dasselbe  gefunden,  ist  aus  dem  XVI.  Jahrh.  und  befindet  sich  in 
Agram.  H.  EaoanoYskij  meint,  es  sei  ein  solchesGebet  bis  jetzt  noch  nirgends 
gedruckt;  dasselbe  hat  aber  Ljub.  Stojanoviö,  obzwar  nach  einer  sohlechte- 
ren Handschrift,  im  dritten  Bande  des  aCnoMeHSK«  der  serb.  Akademie  S.  195 
veröffentlicht. 

In  der  kais.Offentl.  Bibliothek  zu  Petersburg  befindet  sich  ein  auf  Perga- 
ment geschriebener  QsyatadHHK  serb.  Redaction  (Omeix  sa  1892,  S.  305).  Die 
Handschrift  ist  aus  dem  XIIL  oder  Anfang  des  XIY.  Jahrh.  (Blatt  10a:  0 

apzHRnni  HameiiL  mce  h  w  ^THiMi  npoBUHTepBCTBi  h  r^ro  w  zri  xhhrohctbo 

H  w  BciMi  npH^T%  E  w  JKiOAezL  nro  roy  uoMJouh  ce.  —  0  6jirÖB£pHiMi  h 

(rozpaHisc^MB   KpiüJiH  HamcMi  hmo  h  w  BctzL    6oHapt  h  w  bohx'  h  w  JLB)n,e 

Rro  roy  (noiuxMi  ce  —  fehlt).  In  derselben  befindet  sich  (Blatt  78)  dasselbe 
Gebet.  Da  das  eine  Sltere  Handschrift,  und  dasselbe  daselbst  von  beiden 
abweicht,  so  ist  es  nicht  ohne  Interesse,  es  nochmals  nach  dieser  Handschrift 
zu  drucken. 

Bl    ECTHHOy    SOCTOEHO    H  npaBCAHO    ■  UpaBOlillHO  U   CTJUBO  R  XML  rXCMl 

HamxMB  nocTaB.iBmiMB  MiixaHJia  js»  CTpixerB  pixB  boahbixb  h  shubojib  xa  ae 

EMaTB  WÖJiaCTH  HaA  BOAaMH.  npHSe  TB  OB  WÖJiaCTHID  B&UIKOK),  W^EMfi  OB  WUCMB 
H   OB   CTBIMB   ffZOMB    MRO  ß,9,  AUHBOja  OyCTaBHTB  {&  p^RB   BOABHBIZB  CTOIO  TpomCH) 

URO  Aa  HO  HMaiB  wÖJiacTE  6oypeBaTE  na  jiio  rptebebcrbir.  —  SaRJuiHas)  Te 
AEaBOje  6mb  xebbimb  e  ectehebiub  ;  saRJiEHaK)  Te  AEaBoae  j^u  XBiiiE ;  aaRXH- 

EAE>  Te  AEaBOAe    BCtllE    CTBIME    aSEJIBI    »JSit    CTBOpS    FB ;     SaEJEEHaE)  TO  AEaBOüie 

•A*  ME  oyrjgn>i  e6cebime  ;  saRJEEEaE)  to  aebiboj6  -a*  me  RyjECTBi :  MaRiCB,  M&p- 

ROlfB,  JIoyROH),  HwaEOMB,  nOABApBECeiKEME  E(k>  E  SeMJnO  ;  SaRJEEaE)  TO  AEICBOJKe 
BeZERBIMB  rpaAOUB  HRpjIMOMB,  BB  ERMBXO  nOVSBaE)TB  BCE  npaBOAEEEE;   saRju- 

EaB)  Te  AEBBOJie  BceApBECETOARMB  6mb  xebuemb  e  MaxepEK)  Rro  MapERK) 
w6poy«eEOE)  Hwcembe  ;  aaR^^saH)  xe  AEasoae  ABiuaEaAeceie  aiLiOMa ;  8a&isBax> 
TO  AEaBOje  mecTBiEaAere  nppRBi;  saRZEEaE)  tb  AEtsBOje  BeioncBiMB  nppROMB 
HwaEouB  npiTOE)  e  rptjirub  ;  8aR.iEEaH)  Te  AEUBOJEe  ctbime  apBXERnsBi  u  wkbi  : 
BacEAHRUB,  HwasoMB,  FpEropERMB,  Kepeaomb  e  AeaEacERMB  E  WKOMB  Herq- 

AOH) ;   SaRJEEEaB)  Te  AEUBOAO  ctbime  Be.KERBIME  MHERBI  *.   GTe«aBOMB  JipBBOMBROB£B, 

Fewp'rERBCB,  Ametpermb,  IIpoRonsRMB,  SewpoMB ;  saRJUsas)  le  AEUBOiie  ipBMx 
CTBi  E  wcMBiEaAecoTO  CTBIME  wEBi  uxQ  BB  Heroe,  Aa  Bc  sManiE  wÖJKacTE  sa 


Kleine  Hittheilimgen.  639 

TpoyAi  KpCTHUBCRLI ;    SaiLEHHAH)  TO  ffHBIBOjie  'A*  MH  piKAMH:  <&HCOHOUl,  FewUOM', 

TnrpoHL,  I6«paT0ifi,  wÖBXOAenuncH  Bcoy  sice^RHoyio;    saiuHHaH)  xe  AHUBOje 

aHrjBi  H  apzaHrjLi  ra  Hamero    icza  nptffBCTORmsMB  h    cjoyxemHMB  RMoy; 

Ä  ^  ,  .  , 

SaKilHHaK)  TO  SHMBOJie   pOXBCTBOHL  ZBOML    (SlC);     WRJLKBSJD  T6  AHUBOJie  BBBOAe- 
HHRMB  RrO  BB   QpKBB ;    SaiUHHaiO   TO  AHHBOJ^O  Rpü^OHERMB   THEMB ;    SaKXXHaiO   TO 

AHUBOje  BBCRpimeHHRMB  JEasapRB^MB ;  saRJiHHaH)  T6  AHaBOJie  QB^TOHOCORMB  ra 
Hamero  Icxa;  BaiuTHnaio  Te  AHaBOse  pacneTHRMB  zbomb  (sie);  samiHHaio  le  ah* 

tSBOJe   CTBIMB   BBCKpCeHHRMB   Zb£m';    SaEJHHaiO   TO  AHUBOie    CTBIMB   RFO  Ha  HÖCa 
BBSHeceHHRUB ;     BaKJHHaH)     Te    AHUBOSe     CTBIMB     H     aUIBTBOpeniHlfB     RrO     AZOMB 

CBiQBniHMB  Ha  aiLiBi ;  saKJniHaio  Te  AHUBOJice  öroj^nHBiHB  Rro  npiwÖpaxenineMB ; 
saEJinnaio  Te  AHissose  chjok>  ^TBHaaro  h  ^niBOTBopemaaro  EpTa,   Aa  ne  HManuc 

W^aCTH  HSdHXH   XBTb   KpTHHHBCRBIZB   HEBB;    8aR.SHHaH)  TO  AHUBOJie   OeApaZOMB, 

HncazoMB  n  ÄBCAeHBiMB  (sie);  aaiuiHHaH)  xe  AHUBOse  m.  hhrbi;   saiuHHaH)  xe 

tv  i%>  t%t  0 

AKUBOie  AB^Ma  CBiTlUOMa  HXe  CXBOpH  TB :   GXHI^e  AHeBH,   HUB  Hoom,  Aa  He  HManu 

wÖJiacxH  noTonHTH  TRBTh  EpxHtiHBCKBixB  HEBB;   saKJiHHaH)  xo  AHUBOJe  zepoy- 

fV  t^  t%t  t%t  Q        m 

BHMH  H  Cepa«EMH  nOH)UtHMB  H^HER  HenpiCXaH'HOR  I    CTB,    CTB,    CXB   TB  CaBaW,  6jIHB 

rpeABiH  BB  EMe  thr,  wcaHEa  bb  bbihihe.    G  heiie  xe  e  Hame  rJiacBi  npEzesRHBiR 

npEME  6e  Bcera  e  hhu  e  npECHO  e  bb  bkbi 

St.  Stanqfwiö. 

Ein  serbokroatisches  Wörterverzeichniss  aus  dem  Ende  des 

XV.  Jahrhunderts. 

Manche  werthvoUe  Nachricht  über  Dalmatien  verdanken  wir  den  Reise- 
beschreibungen  derPalästinapilger  früherer  Jahrhunderte,  welche  gewöhnlich 
über  Venedig  der  Küste  Istriens,  Dalmatiens  und  Albaniens  entlang  fuhren. 
—  Ein  solcher  Bericht  ist  vom  philologischen  Standpunkte  interessant,  näm- 
lich »Die  Pilgerfahrt  des  Bitters  Arnold  von  Harff  von  Göln  durch  Italien, 
in  den  Jahren  1496  bis  1499  vollendet,  beschrieben  und  durch  Zeich- 
nungen erläutert  hat  Herausgegeben  von  Dr.  E.  von  Groote.  Cöln  1860«. 
Die  Aufmerksamkeit  dieses  cölnischen  Ritters  zogen  besonders  fremde  Spra- 
chen an  sich;  so  enthält  sein  Bericht  unter  anderem  Wörterverzeichnisse  der 
albanesischen  (abgedruckt  bei  Hopf,  Ghroniques  Gr6co-Romanes  p.  340  und 
G.  Meyer«  Albanesische  Studien  II.  in  den  Sitzungsber.  der  k.  k.  Akad.  phiL- 
hist.  Gl.  Bd.  107,  S.  260— 261),  sowie  der  serbokroatischen  Sprache.  Letzteres 
wurde  seit  dem  Erscheinen  des  genannten  Werkes  [nirgends  abgedruckt  und 
philologisch  noch  nicht  verwerthet  —  Nach  einigen  kurzen  Bemerkungen 
über  Ragusa  setzt  Harff  (S.  64}  folgendermassen  fort:  «...  dese  stat  (nämlich 
Ragusa)  lijcht  in  dem  koenynckrijch  van  Groatijen  ind  men  spricht  alhie 
slaueneske  spraiche  die  gar  wijdt  geyt,  as  gantze  wyndesche  lande  durch 
Slavenijen  durch  dat  koenynckrijch  van  Poellant  (ss  Polenland)  durch  die 
koeninckrijch  Dalmacijen  ind  Groacijen,  der  spraiche  ich  etzliche  woerde  be- 
halden  haine  as  sij  hie  vnden  geschreuen  staynt. 


640 


Kleine  MittheilimgeiL 


Item  slauennyske  spraiche. 


crochga 

broyt 

vyno 

wijn 

▼oda 

waBser 

messo 

vleyBch 

zere 

kese 

goska 

eyn  gansB 

rijba 

eyn  vysch 

kokoBB 

eyn  henne 

Bcho 

salB 

bytte 

drineken 

iehe 

essen 

iachge 

eyney 

ia 

ich 

..r 


traba 

Btroe 

benese 

gelt 

eslade  («  zlat) 

eyn  gülden 

operate 

wesschen 

koBola 

eyn  hempt 

spate 

slaeffen 

Bchepate     frauweren  (s  stuprare) 
sena  potzgo  spate     frauwe  sai  ich 

bij  ach  slaeffen 
messe  spate  odij  («=  odi,  ovdi?) 

moygen  wir  hie  slaeffen 
dobro  jutro  guden  morgen 

dobro  wetzgijr      guden  naicht 

potzgo  (=  hoöa)    wyllen  koliko  vo  (»  valja)    wat  gylt  dat 

gotzo  (=  hoöa)     ja  ja  potzko  kopita  («=  kapiti)      ich 

netzgo  (b  neöa)    neyn  wyl  it  gelden 

dobro  goyt  kaka  tesimi  (»  kako  ti  jest  ime) 

eslae  («=  zlo)         boese  wie  heyscht  dit. 

chackaawe  (?)       waerafftich 

bomegist  («-  bome  jest)  geloegen 
(Eine  Yerwechselang,  denn  »bogme 
jest«  gehört  za  »wahrhaftig«). 

dreao  eyn  schyff 

schoffieck  eyn  man 

gotzpoga  eyn  edelman 

gena  (es  iena)       eyn  wijff 

gostpotymbo  (=  gospodin  Bog) 

vns  here  got 

wratze(=yra!ie)  der  duael 

swyckga  eyn  kertz 

konege  eyn  peert 

besenitza  (»  psenica)    haaer 

cerrest  (?)  heuwe 

Drei  von  diesen  Wörtern  bereiten  der  ErklSning  Schwierigkeiten:  cha- 
ckaawe (kako  vi?) ■■gelogen,  cerrest » Hea  and  gleden  (hiljada?) »  Tausend. 

Zam  Schlüsse  sei  bemerkt,  dass  Groote's  Aasgabe  (nach  S.  VH  der  Ein- 
leitung) 3  Manuscripte  aus  den  Archiven  der  Familie  Harff  zu  Grande  liegen, 
von  welchen  sich  die  älteste  —  in  schOner  fester  Schrift  —  schwer  als  Auto- 
graph  des  Verfassers  nachweisen  Iftsst.  Milan  Pcffk. 


Tzellen. 

jeden 

eyn 

duwa 

tzwey 

trij 

drij 

tzettyr 

vier 

pete 

yunff 

seest 

sees 

sedam 

seuen 

oescham 

acht 

debet 

TX 

deschet 

X 

staet 

hundert 

gleden  (?) 

dusent 

Sachregister. 


Accent,  neue  AuffasBung  des  serbo- 
kroatischen  A.,  233  ff. ;  serbische 
und  slovenische  Accentverhältnisse 
321  ff.;  Betonung  des  Yerbums  im 
Bulgarischen,  fünferlei  Typen  1  ff. 

Acta  croatica  1100—1499,  Neuheraus- 
ffabe,  617  ff. 

Albanien,  Nordalbanien  78—99;  alba- 
nesische  Schrift  und  Sprache,  Ortho- 
graphisches 203  ff. 

Alterthumskunde.  zur  slavischen  und 
litauischen,  lOflL;  vgl.  Bulgarien. 

Apokirphe  Gebete,  Kegenzauber  alt- 
serbischer 638  ff. 

Balkanhalbinsel,  zur  Geschichte  ders. 
im  Xni.  Jahrh.  622  ff. ;  vgl.  Alba- 
nien; Bulgarien. 

Böhmisch,  altbOhmische  Handschrr. 
und  Texte  232;  vgl.  Composita; 
Gesta  Romanorum;  Glagolismus; 
KOniginhofer  Hds.;  Lucidarius. 

Bulgarien,  Geschichte  d.  westbulgar. 
Beiches  543  ff.,  zur  ältesten  Ge- 
schichte 607  ff. ;  vgl.  Accent. 

Composita,  nominale,  im  Altrussischen 
27  ff.,  Böhmischen  35  ff.,  Polnischen 
40  ff.;  Betonung  der  Nominalcom- 
posita  im  Serbischen  u.  Slovenischen 
335  ff. 

Cyrillische  Schrift  in  Bulgarien,  epi- 
graphische Denkmüler  543  ff. 

Dometius,  martyrium  s.  D.,  44  ff. 

Galinden  22  ff: 

Geschlechtsweohsel  im  Plural  206  ff. 
Gesta  Bomanorum,  altbOhmisoh,  251  ff. 
Glagolismus  in  Böhmen,    seine  Ge- 
schicke und  Denkmäler  169  ff. 

Kaszubische  Frage  62  ff. 
Kleinrussisch,    ungarischer  Dialekt, 
LautlioheB  49  ff.,  vgl  Volkskunde. 

▲rclÜT  fftx  ■lATUoke  Philologie.   XXL 


KOniginhofer  Hds.,    ihre  Composita 

39  ff.;  ihr  Wortschatz  229  f. 
Kroja  80. 

Lech  und  Öechsage  172  ff. 
Lucidarius,  altböhmischer  und  deut- 
scher 255  f. 

Miroslavevangelium,  seine  Miniaturen 
303  ff.,  Ausgabe  308  f. 

Neuslovenisch,  dialectiscbes  (lant- 
liches)  198  ff.,  Adjectivdodinatlon 
208  ff. ;  vgl.  Accent. 

Personennamen,  deutsche  u*  slavisohe, 
19  f. 

Pilot  80. 

Polnisch ;  vel.  Kaszubisch ;  Alterthums- 
kunde (Misaca  Licicavioomm  rex) 
11  ff.;  Litteraturgeschichte,  Werke 
über  Kochanowski  236  iL,  Mickie- 
wicz  243  f.;  vgl.  Composita. 

Pseudodemetrius,  Bericnte  über  Er- 
mordung des  echten  99  ff. ;  Auftau- 
chen des  falschen  in  Polen  118  ff.; 
spätere  Auffassung  seiner  Person, 
in  Polen  138  ff. ;  in  Kussland  157  ff., 
558  ff. ;  die  Ursachen  der  Wirren 
578  ff.;  Boris,  die  Bomanov  und 
Bjeljskij  588  ff.;  Thronbesteigung 
des  Boris  603  ff. 


Bagusa,  innere  Geschichte  (Tflrken- 
gefahr;  culturelles,  Bibliotheken, 
Drucker  etc.)  von  1500^1550, 400  ff. ; 
latein.  Litteraten  Bagnsas  437  ff.; 
slavische  Dichter  451  ff.;  slavische 
Texte  aus  Bagusa  und  Stagno  499  ff.  ^ 
Beilagen  (Testamente  etc.)  508  ff. 

Beimser  Evangelium,  Neuausgabe 
635  ü 

41 


642 


Sachregister. 


Serbokroatisch,  B.Ragosa,  Litteratar- 
geschichte  245  ff. ;  epische  Lieder 
(der  Mohammedaner)  626  ff. ; 

Wortverzeichniss  aus  dem  Ende 
deßX7.  Jahrh.  639f. 

Yerktirznng  von  Längen  vor  Saf- 
fizen  323  ff.;  Betonung  u.  Quantität 
der  Nominalcomposita  335  ff. ;  Be- 
tonung d.  Verbindung  v.  Präposition 
und  Casus  392  ff. 

Skanderbeg  85  f. 


Slovaken,  östliche  55  ff. ;  Sprichwörter- 
sammlung 257  ff. 
Sotaken  228  ff. 
Szkump  81. 

Topia  Kari  85. 

Vocalharmonie  im  Slovenischen  198  ff. 

Volkskunde,  Publicationen  und  Pa- 
rallelen dazu,  weiss-  und  kleinrussi- 
sche, 259—302;  vgL  Slovaken. 


Abicht  44--49. 
Aligretoviö  518  f. 
Altstedt  254  f. 
Archangelskij  255. 
Arsenij  von  Elasson 
165  ff. 

Bagalej  586. 
Balasoev  549. 
Balbinus  172. 
Bameus  427,  509  f. 
Basilios  U.  545  f. 
Baudouin  de  Gourtenay 

16. 
Benchi,  de  Benedictis 

429. 
Benesovskij  185. 
Bjeljajey  157. 
Bjelskij  Bogdan  591  ff. 
BnCiya  615. 
Blanchus  216. 
Bobadilla  410. 
Bobaljeviö,    de  Babalio 

437,  495  f. 
Boeisiö  442. 
BohuBZ  21. 
Bona,  de  Bona  Marinus 

451. 
Boninus  de  Boninis  430, 

Dobriö. 
Boris  L  610. 
Boris  II.  545  f. 
Boris  Godunov  603  ff. 
Bormann  612. 
Broch49— 61,226ff. 
Brückner   10—27,    62— 

78,236—243. 
Brunelli  437. 
Buslajev  272,  303,  306, 

310. 


Namenregister. 

Bussow  112,  593. 
By6kov  317. 

Cankof  1,  7. 

Gerva  Aloisius,  Tubero, 

448. 
Cerra,  Aelius  Lampridius 

442  ff. 
Cerva  427,  Serafino. 
Chvorostinin  168. 
äubranoviö  473. 

Dance  413. 
Daskalov  610. 
David  car  bulg.  550. 
Dick  253. 
Dieterich  611. 
Dimitrovid  477. 
Dlugosz  11. 
Dobrovsky  177. 
Drinov  80,  548  f.,  607. 
Driiö  Gjore452ff.,  515  f. 
Drleid  Marin  481. 
DrSiö,  Vlaho  457. 
Dudjk  177. 
Dusburg  22,  26. 
Dykariv  288. 

Fariati  80. 
Federowski  259  ff. 
Festa  622  ff. 
FilimonoY  312. 
Flajshans  229  ff. 
Florinskij  543  ff. 
Förstemann  19,21. 
Franko  285  f. 
Fraseri  216. 

Gelcich  400,  432,  497. 
GeorgioB  Acropolites  623. 


German,  hl.  544. 
Gheyn,  van  den  44. 
Giorgi  416. 
Goze  Aloisius  417. 
Goze  Johannes  452, 5 16  f. 
Gozze  StephanuB,  Gu6eti(S 

495. 
Gregor  von  Prag  256. 
Grigorovi6  94. 
Groote  639  f. 
Gunduliö  397. 


Hahn  78. 

Hajekl72f. 

Harff,  Arnold  von  639  f. 

Hein  10. 

Hieb,  Patriarch  568  ff. 

Hnatjuk49ff.,270f.,  287, 

290  ff. 
Hrin6enko  263  ff.,  273  ff. 


Jagid28— 43,  197  f.,  200, 
245—251,  306,  308  f., 
310  —  320,  551  —  557, 
626—636. 

Jaklian^413. 

Jambresiö  174. 

Ibrahim  547. 

Jeliö  507. 

Jirecek  C.  78—99,  399— 
542,  543—561,  607— 
626. 

Jirecek  J.  251. 

Ikonnikov  138. 

Ilesic  198—212. 

Joannes  Tzimiskes  545  f. 

Jordan  174. 

Jungmann  256. 


Namenregister. 


643 


Ka^anoYBkij  638. 
Eallenbach  243  f. 
Kariowicz  62,  65. 
Eatyre  V  -  RoBtovskij 

558  ff. 
Kazna^iö  327. 
Koller  253. 
Kinch  549. 
Eitancev  611. 
EoehanowBki  J.  236  ff. 
Eomensky  254  f. 
Kondakov  303—308. 
KoBtomarov  113. 
Kotari  633  f. 
Eramarenko  286. 
ElrasnoBelcev  313. 
Eristi6eviö  462  f. 
EriBtoforidi  216. 
EHiek  169. 
Emm  608  f. 
EruBiö  426. 
Eubrat  608. 
Eukuljeviö  617. 
Kunikl2,  21,  314ff.,547. 


Lacroma  465. 

LaBcaris  622  ff. 

Leger  635  f. 

Leiuge  44. 

Leiewel  17. 

LoBkien  I  —  IO,    224  f., 

321—398,  637. 
Licignana  513. 
Liepopili  507. 
Ljubid  245. 
Liudprand  547. 
LipoYBkij  548. 
Loparev  611. 
Lopaiiö  617. 
Lubienski  156. 
Luccari  173. 
Lukareviö  Frane  496. 


Malamlr  608. 
MalinowBki  311. 
MalkoBchiz  631. 
Maretiö  173. 
Marteret  589  ff. 
Marjanovio  626  ff. 
Marojevid  521  f. 
MasBa  113. 
Meleda  466  ff. 
Mencetiö  457  ff.,  637  f. 
Men6iö  438. 


Mentius  440. 
Menze  Vladisav  498. 
Meyer  G.  214  f. 
Michael  Asdn  625. 
Michael  von  Zachluminn 

616. 
Mickiewicz  243  f. 
Mierzy£ski  26. 
Mikkola  69. 
Miklosich  12,  215. 
Milas  233  ff. 
Miletid  543  ff. 
Miliö  400. 
Miljukov  543. 
Miller  VBev.  272  f. 
MniBzech  134  ff. 
Mttllenboff  21. 
Müller  Gerh.  113. 


Naljeskoviö  478  ff. 
Noväk  251  ff. 
Novakoviö  245. 


Oblak  320. 
Obolenskij  561. 
Omortag  608  f. 
Orbini  173  f. 
Otrepjev  160  ff.,  558  ff. 


Pajek  200  ff. 
Pajk  639  f. 
Palicyn  575  ff. 
Palmotiö  498. 
Patera  254. 
Pavlov  312  f. 
Pavloviö  438. 
PederBen213ff. 
Pekmezi  213—224. 
Peter,  bulg.  car  546  ff. 
Piasecki  158. 
Pierling  120  ff. 
Platonov  561  f. 
Plenkiewicz  236  ff. 
Pletersnik  200  ff. 
Polivka  259—302. 
PotkanBki  17,  70. 
Poza,  Puteus  440. 
PreBiam  609. 
Primojevid  432,  de  Primo 

508  f. 
PtaBzycki  253. 
PyT)in  272. 


Radovanoviö  432,  508. 
Rangoni  120  ff. 
Ranina  494. 
Rattkav  174. 
Reinhold  219. 
Resetar  233—236. 
Rogendorf  463  ff. 
RomanoYB,  die  590  ff. 
RoBtlBlay  Michajlovi6 
622  ff. 


SaboY  (Sz&bö)  55. 
§afaHk  614. 
§agareli<5  524  f. 
Sakkelion  617. 
Samuel  car  balg.  543  ff. 
SasBi  402. 
§oepkin  99—169,   558— 

606. 
Schlumberger  548. 
Schmidt  Herm.  44—49. 
Schorbach  255. 
SilYOBtre  636. 
^korpil  610,  612. 
§krabec  203  ff. 
Slavnsa  522  f. 
Sorgo  416. 
SperanBkij  272,  551. 
Sreznevskij  31,  551,  614. 
StanojeYiö  638  f. 
StejanoYiö  308  f. 
SamcoY  261  f. 
§armin  245  ff.,  617  ff. 
SYJatoBlaY  545,  548. 
Svoboda  174  f. 
Symeon  car  bulg.  545  f., 

615  f. 
Syrku  169—197. 


Thallöczy  78—99. 
Theodoros  LaskariB  II. 

623  f. 
TichonraYOY  272. 
Timofejev  165  ff.,  578  f. 
TomaBohek  610. 


UroB  I.  624  f. 
UspenBkij  543  f. 


ValjaYec311,321 
VasiljeYBkij  319. 
VerantiuB  173. 

41* 


644 


Wortreguiter. 


Yetranid  464  f. 
Vitezovid  173. 
Vojselk  626. 

Vondrik  224—233, 251— 
259. 


Vrt'itko  622. 
YakaSinoYiö  431. 

Zamagna  438,  485. 


^atkovyo  287. 
Zatarecky  257  ff. 
Zeissberg  12, 14. 
ZlatarBki  607  ff. 


Arbanasi  n.  Verwandtes 

79. 
Arne  (Jemej)  206. 

ßayaivol  610. 
ßayoTov^  610. 
Dlahoslaviti  35,  41. 
ßoXiadeg  610  (byk,  bo- 

Ijare). 
bnjti  201. 

ohari%cec  77. 
condenarius  414. 

darzki  und  dzianki  67. 
dobroYolnv  35. 
dzinra  und  dura  67. 

gle£  69. 

jestojBka  37  f. 

karw  65. 
xav^oyog  613. 


Wortregister. 

kneiak  414. 
kolajna  422. 
Kotdr^b  63. 
Erak  21. 
kratochvil6  37. 
Criwe  26. 
kurpie  69. 


Lech  17. 
letorast  37. 
leventa  406. 
LicicaYid  17. 

matere  225. 
mehodiek  38. 
meska  14. 
mjasopuBt  29. 
mieszkaö  15. 
miloarBd'B  36  f.,  40. 
motovnz  38. 

Optuj  203. 


proBlek  200. 
prta  200. 

Barna  sioren  67. 
Bogoren  200. 
Btaria  66. 
syropuBt  29. 

Tarchan  614. 

tivigi  610. 

v^hbuiny  37. 
vrtovfez  38. 

wBze-  und  szwe-  im  Pol- 
nischen 70. 
WBzemogacy  40. 
Yniiak  202. 

ziarno  nnd  zarno  67, 
zmartwywstaö  40. 
Zoerard  ^  Szwierad  71. 


Drvck  Ton  Breitkopf  ä  Hftrtel  in  Mf  aif . 


Verlag  der  Weldmannschen  Bnchhandlnng  in  Berlin, 

GRIECHISCHE  TRAGOEDIEN 

ÜBEBSETZT  VON 

ULBICH  VON  WILAMOWITZ-MOELLENDOBFF. 

Erster  Band:  L  Sophokles  Oedipus.   IL  Euripides  Hippolytog.    m.  Euripides  der 
Mütter  Bittgang.  IV.  Euripides  Herakles.  80.  (355  S.)  In  eleg.  Leinenband  6  Mark. 

Zweiter  Band:  Orestie.    S^.    (313  S.)    In  eleg.  Leinenband  5  Mark. 

Vorwort  zum  ersten  Stücke. 

Die  Übersetzungen  griechischer  Tragödien,  die  ich  bisher  Yeröffentlicht  habe, 
sind  von  dem  eriechischen  Texte  und  zum  Teil  Ton  Erläuterungen  begleitet  gewesen. 
Es  war  das  genoten,  da  meine  Arbeit  in  erster  Linie  dahin  gegangen  war,  den  Text 
zu  y erstehen  und  Terständlich  zu  machen;  ich  halte  die  Form  auch  noch  für  die 
sachlich  richtige  und  hoffe  Sie  noch  einmal  für  Agamemnon  und  Eumeniden  anzu- 
wenden. Allein  sie  hat  den  Nachteil,  dass  die  Übersetzungen  kaum  über  die  Kreise 
hinauskommen,  die  auch  den  gelehrten  Teil  des  Buches  lesen.    So  bin  ich  oft  auf- 

gefordert  worden,  besondere  Ausgaben  der  Übersetzungen  zu  veranstalten.  Insbeson- 
ere  ist  .mir  gesagt  worden,  dass  auf  Schulen,  die  die  griechische  Sprache  nicht 
lehren,  Übersetzungen  griechischer  Dramen  eelesen  werden,  so  dass  ich  geradezu 
die  Pflicht  hätte,  diesen  die  meinen  zugänglich  zu  machen. 

Verlag  der  Weidmannschen  Bnchhandinng  in  Berlin, 

VETERIS  TESTAMENTI 

PROPHETARUM 

INTERPRETATIO  ISTRO-CROATICA  SAECÜLI  lYI. 

Adjuvante  Academiae  litterarum  caesareae  Vindobonensis  liberalitate 

edidit 

gr.  80  (VII  u.  316  S.)    Preis  10  Mark. 

Diese  um^  das  Jahr  1 563  gemachte  Uebersetzung  der  Lutherischen  Uebersetzung 
der  Propheten  im  istrokroatischen  Dialect,  deren  erste  Ausgabe  yemichtet  zu  sein 
schien,  wurde  neulich  in  einem  einzigen  erhaltenen  Exemplar  in  einem  Stift  Ober- 
oesterreichs  entdeckt  und  wegen  der  Vortrefflichkeit  der  Sprache  derselben  von  dem 
Akademiker  V.  Jagiö  mit  Unterstützung  der  kais.  Akaoemie  der  Wissenschaften 
herausgegeben. 

Verlag  der  Weldmannschen  Bnchhandlnng  in  Berlin, 

MENAEA 

SEPTEMBßlS  OCTOBRIS  NOVEMBRIS 

AD  FIDEK 

VETUSTISSIMORUM  CODICUM 

EDIDIT 

V.  JAOia 

ACCBDX7NT  SEX  SPECIMINA  BCRIPTURAE. 
gr.  Lex.-80  (CXXXVI  u.  608  S.)  Preis  20  Mark. 


Verlag  der  Weidniannschen  Bnchhandlung  in  Berlin, 

NEUE  BRIEFE 

VON 

DOBROWSKY  und  KOPITAß 

UND  ANDEREN 

8ÜD-  UND  WE8T8LAVEN 

HERAUSGEGEBEN 
VON 

V.  JAGld 

Lex.-8»  (VI  u.  928  S.)    Preis  12  Mark. 

BRIEFWECHSEL 

ZWISCHEN 

DOBROWSKY  UND  KOPITAR 

(1808—1828). 
HERAUSGEGEBEN 

VON 

V.   JAGIC. 

HIT  EINEM  POSTRAIT  UND  ZWEI  LITHOGRAPHISCHSN  BEILAGEN. 

gr.  Lex.-80  {CVII  u.  751  S.)    Preis  9  Mark. 

OüATTÜOß  EVANGELIOßUM 

y  VERSIONIS  PALAEOSLOVENICIB 

CODEX  MAEIANUS  aLAGOLITIOUS 

CHARACTERIBUS  CYRILLICIS  TRANSCRIPTUM 

EDIDIT 

V.  JAGIC. 

gr.  Lex.-SO  fXXX  und  607  S.)    Preis  15  Mark. 


Hierzu  eine  Beilage  von  der  Buchdruckerei  von 
Max  Schmersow  vorm.  Zahn  &  Baendel  in  Kirehhain,  N.-L. 


Fftr  die  Redaction  verantwortlich:  Prof.  Dr.  ▲.  Brflckaer  in  Berlin. 


Druck  %  on  Breitkopf  £  H&rtel  in  Leipsi|f. 


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